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German Pages 282 Year 2013
ECKART HENNING
Archivalien und Archivare Preußens
Spezialschrank für die Edition der „Acta Borussica“, angefertigt auf Geheiß Otto Hintzes (1945 im GStA beschädigt, ab 1972 mit Standort im Nordflügel, Dienstzimmer des Verfassers; restauriert 1996 und ausgestellt in der Direktorenvilla, vgl. Seite 113, Anm. 29)
ECKART HENNING
Archivalien und Archivare Preußens Ausgewählte Aufsätze
Mit einem Geleitwort von Jürgen Kloosterhuis
Duncker & Humblot · Berlin
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
Umschlagfoto: Luftbild des Geheimen Staatsarchivs um 1925 © Geheimes Staatsarchiv, Berlin
Alle Rechte vorbehalten
© 2013 Duncker & Humblot GmbH, Berlin
Fremddatenübernahme: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Druck: Buch Bücher.de GmbH, Birkach Printed in Germany ISBN 978-3-428-13919-4 (Print) ISBN 978-3-428-53919-2 (E-Book) ISBN 978-3-428-83919-3 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706
Internet: http://www.duncker-humblot.de
Gewidmet meiner stets mitlesenden Frau, die ich im Geheimen Staatsarchiv kennenlernte
Zum Geleit Voraussetzungen einer Geheimen Staatsarchiv-Geschichte Friedrich Meinecke hat das große Wort einst in seinen Erinnerungen gelassen niedergeschrieben: Der Archivar muss ein „Liebesverhältnis“ zu seinem Archiv bekommen. Er meinte damit in erster Linie natürlich das Preußische Geheime Staatsarchiv, dem er selbst von 1887 bis 1901 (zuletzt als Königlicher Archivar II. Klasse) angehörte. Wenn’s stimmt, hätte der später so berühmte Gelehrte damals um eine spröde Braut geworben. Denn dieses Archiv kann einem aufgrund seiner reichhaltigen Überlieferungsschätze zwar leicht lieb und teuer werden – aber es fällt schwer, zu ihm in ein persönliches Verhältnis zu gelangen. Das könnte an seiner 1282 einsetzenden, über weite Strecken ganz und gar nicht glanzvollen Geschichte liegen, die an Höhe- und Tiefpunkten reich ist, ganz so, wie es vergleichsweise dem Gemeinwesen beschieden war, dessen Werden und Vergehen „zwischen Königsberg und Kleve“ es auf oberster, zentraler Überlieferungsebene dokumentiert. Auch darin liegt ein Teil des Problems, dass durchaus nach der im 19. Jahrhundert entwickelten preußischen Archivdoktrin ein solcher Verwahrort von Urkunden, Akten und Amtsbüchern eine Integrationswirkung auf die Nachfahren jener Menschen entfalten soll, von denen oder um derentwillen die Pergamente und Papiere einst beschriftet wurden. So gesehen, geht es bei der Archivarbeit auch um Identitätsstiftung durch Traditionsbildung, was etwa Kommunal- oder Regionalarchiven bis hin auf heutige Landesebene ja meist leicht gelingt. Demnach könnte nur, wer Preußen mag, dessen Zentralarchiv mögen – doch wer möchte, Hand aufs Herz, ein solches Verhältnis heute noch von sich zu jenem versunkenen Staat und also auch seinem historischen, „toten“, doch dabei höchst lebendigen Archiv bekennen? Vermutlich wäre dies aber die conditio sine qua non, die eine kritisch sympathisierende Historiographie des GStA nicht nur als Institutionengeschichte, sondern als auf Gedeih und Verderb verbundenen Teil der politischen Geschichte des einst modernen, manchmal rückständigen, unter den Maßgaben von Pietas, Justitia, Scientia und notabene Militia mühsam mächtig gewordenen Preußen erst angemessen leisten ließe. Eine solche Geschichte des Preußischen Geheimen Staatsarchivs, dem heutigen Geheimen Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz, ist noch nicht geschrieben worden. Vielleicht kann sie auch in absehbarer Zeit nicht vorgelegt werden, eben weil die Spanne von der einen zur anderen Behördenfirma im Rahmen von Monarchie, Diktatur und Demokratie so ungeheuer groß ist. Viele Lücken sind noch durch moderne Spezialstudien aufzufüllen. An diesem Punkt wird es nützlich, die bereits zu Papier gebrachten Erinnerungen an dieses Archiv und seine wechselvolle Historie in den Grenzen des Leistbaren wachzuhalten, bereits erforschte Fakten festzuschrei-
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Zum Geleit
ben und sie leicht zugänglich zu machen. Auch das gehört zu den Voraussetzungen einer Geheimen Staatsarchiv-Geschichte; diese Aufgaben erfüllt der vorliegende Band. Er konzentriert sich mit sicherer Könnerschaft auf „Archivalien und Archivare Preußens“ und damit wesentliche Aspekte jener Memoria, die hier zur Debatte steht. Die in ihm vereinten Beiträge umreißen im ersten behördengeschichtlichen Teil die Entwicklungslinien der Institution und füllen sie im zweiten Teil mit lebensvollen Farben durch die Biographien von Archivaren, die in diesem Haus und durch dieses wirkten: beispielsweise auf stolzer Spitze wie Reinhold Koser oder nach bitterem Sturz wie Gottfried Wentz. Als respektable Werkstücke bilden sie hoffentlich nicht nur für Archivarinnen und Archivare, sondern auch für Historikerinnen und Historiker, sowie die geschichtlich interessierte Öffentlichkeit überhaupt eine lohnende Lektüre. Ihr Autor Eckart Henning hat sich damit um das GStA PK hoch verdient gemacht. Dafür ist ihm, sowie für die zusammenfassende Veröffentlichung seiner wichtigsten archivgeschichtlichen Arbeiten dem Verlag Duncker & Humblot herzlich zu danken. Berlin-Dahlem, im April 2013
Jürgen Kloosterhuis (derzeit Direktor des Geheimen Staatsarchivs Preußischer Kulturbesitz)
Vorwort Diese Aufsatzsammlung enthält einige, zum Teil vergriffene oder an entlegener Stelle gedruckte Beiträge zum preußischen Archivwesen, die aber doch häufiger nachgefragt und zitiert werden. Sie sind größtenteils während der Dienstjahre des Verfassers als Referatsleiter im Geheimen Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz (GStA PK) in den siebziger Jahren und Anfang der achtziger Jahre des 20. Jahrhunderts in Berlin-Dahlem entstanden. Als Nachdruck und mit dem von Herzeleide Henning dankenswerterweise erstellten Namensregister für rd. 500 Personen sind sie leichter benutzbar. Inhaltlich geht es nicht nur darum, den Weg des früheren preußischen Zentralarchivs vom „grünen Hut“ im Cöllner Schloß über das ehem. Hohe Haus in Berlins Klosterstraße nach Dahlem ins „deutsche Oxford“ nachzuzeichnen, sondern darum, das Verständnis für seine Arbeitsweise als Vorratskammer der Geschichte zu wekken. Dafür galt es, die Archivare einmal vorzustellen, die einst Quellen auf Pergament und Papier im heutigen Gesamtumfang von 38 Regalkilometern ausgewählt und gesichert, geordnet und verzeichnet haben, um sie im würdigen Domizil an der U-Bahn zur Krummen Lanke heutigen Historikern vorzulegen. Wie der Verlagstitel schon andeutet, hat diese Textsammlung ihren Schwerpunkt in preußischer Zeit, reicht aber vom 17. bis ins 20. Jahrhundert. Ihr Inhalt gliedert sich in zwei Teile, wobei der erste mehr institutionsgeschichtlich die zentralen Archive Preußens (Geheimes Staats- und Cabinets-Archiv, Geheimes Ministerialarchiv, BrandenburgPreußisches Hausarchiv) und deren Bestände vorstellt, somit mehr die Archivalien betrifft, die Jürgen Kloosterhuis in seiner Tektonik (2010) mustergültig aufbereitet hat, während der prosopographische zweite Teil die Hüter dieser Schätze vorstellt. Zum I. Teil sei noch gesagt, daß er vor allem drei archivgeschichtliche Quellen zugänglich macht, die ich bei der Ordnung von Beständen im Geheimen Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz (GStA PK) vorfand, nämlich von Georg Wilhelm v. Raumer und Georg Winter, während ein drittes Typoskript dieser Art von Melle Klinkenborg inzwischen erfreulicherweise vom GStA PK selbst (2011) herausgebracht worden ist; an seine Stelle treten Aufzeichnungen über das Schicksal der preußischen Archivverwaltung und des Geheimen Staatsarchivs in den letzten Tagen des Zusammenbruchs des deutschen Führerstaates 1945. Im II. Teil, bei dem mich Christel Wegeleben als Co-Autorin und weitere Kollegen durch Korrespondenzauskünfte (u. a. von Wolfgang Leesch, Wolfgang A. Mommsen, Johannes Papritz, Ernst Posner, Georg Schnath, Johannes Schultze und Stefan Skalweit) bereitwillig unterstützten, stehen Kurzviten im Mittelpunkt, eingeleitet durch erstmals angestellte Titelstudien für diese Berufsgruppe. Sie sind zum hundertjährigen Archiv-
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Vorwort
jubiläum der Vereinigung des Geheimen Staatsarchivs mit dem Ministerialarchiv (1974) erarbeitet bzw. anläßlich des 51. Deutschen Archivtags in Berlin (1977) publiziert worden; sie gehen ausführlicher auf die preußischen Archivare ein, als dies W. Leesch in seinem alle deutschen Kollegen erfassenden Nachschlagewerk (1985 / 92) möglich war. Dafür enden sie allerdings für die damals noch Lebenden mit der Ära Zimmermann (1974), da dem Verfasser danach keine weiteren dienstlichen Recherchen mehr möglich waren bzw. sie bald auch die spätere Datenschutzgesetzgebung behindert hätten; nur Todesdaten wurden, soweit publiziert, in einem Nachtrag hinzugefügt. Diesen personengeschichtlichen Teil beschließen drei ausführlichere Archivarbiographien, nämlich über Reinhold Koser (einmal nicht als Historiograph Friedrichs des Großen, sondern als Weiterentwickler des archivischen Provenienzprinzips), über Reinhard Lüdicke als erstem märkischen Archivar und über Gottfried Wentz als letztem kommissarischen Direktor des Preußischen Geheimen Staatsarchivs, ehe es (für einige Jahre) zum „Hauptarchiv“ degradiert wurde. Zur Begründung der „Lebensverläufe“ muß betont werden, daß Preußens Archivare des höheren und gehobenen Dienstes nicht nur Informationsvermittler waren, wie die meisten ihrer modernen Nachfahren, sondern sich auch in aller Regel als HistorikerArchivare betätigten. Sie führten ihre Besucher nicht nur in Beratungsgesprächen an die gesuchten archivalischen Quellen heran, sondern interpretierten sie im Besitz hervorragender hilfswissenschaftlicher Grundkenntnisse noch vielfach selbst. Als geschätzte Kenner der preußischen Geschichte traten sie mit wissenschaftlichen Spezialuntersuchungen hervor und verdienen daher schon deshalb vor dem Vergessen bewahrt zu werden, um auch weiterhin als Vorbilder zu wirken. Das trifft mehr oder minder auf die meisten preußischen Archivare zu, soweit ich ihr curriculum vitae kenne, keineswegs nur in der Berliner Zentrale. Abschließend muß einmal mehr darauf hingewiesen werden, daß die Bezeichnung „Geheimes“ Staatsarchiv nichts mit Geheimniskrämerei zu tun hat, kein Archivum Secretum meint, noch weniger die unselige Geheime Staatspolizei (Gestapo), sondern schlicht und einfach als Ehrentitel vor mehr als zweihundert Jahren verliehen wurde, so wie man einst besonders verdiente Personen zu „Geheimräten“ ernannte; genauere Angaben bei L. Gollmert (s. Kasten S. 9). Diese Ehre steht der – neben dem Kammergericht – ältesten noch bestehenden Behörde Preußens wohl an, eines Preußen, das als größter deutscher Staat von Saarbrücken bis ins ostpreußische Königsberg reichte, 1947 aber von den Siegermächten des 2. Weltkrieges aufgelöst worden ist. Seitdem besteht das GStA PK, als „Historisches Archiv“, geheim, aber nicht verschlossen, ohne größere Zugänge fort. Als ich, ein ehem. Hochschulassistent der FU-Berlin, 1970 als Archivreferendar meinen Dienst antrat, waren die Plätze im Forschungsaal keineswegs so häufig ausgebucht wie heute, wo die „Wende“ und die Rückkehr großer kriegsbedingt ausgelagerter Bestände aus Merseburg zur Anmietung eines Außenspeichers im Westhafen nötigten. Das damals ausgeprägte Desinteresse an Geschichte können wir uns heute kaum mehr vorstellen – die erste umfangreiche Preußen-Ausstellung im Martin Gropius-Bau kam erst 1981 zu Stande und die sog. „68er“ hatten weder ein be-
Vorwort
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sonderes Vergangenheitsinteresse, noch ein spezielles an Preußen oder gar, wie oft behauptet, an der NS-Zeit. Ich selbst wollte mich weder dem heute beliebten Ritual der Selbstkritik noch dem Eigenlob der Vorkriegszeit anschließen, sondern vielmehr einem Bewertungsverzicht im Sinne Spinozas folgen, wie er mir als Wandinschrift im ehem. Schulungsraum des Instituts für Archivwissenschaft (IfA) vor nunmehr 32 Jahren zum ersten Mal vor Augen stand. Wie vor 1933 begrüßt sie den Besucher heute wieder als Menetekel über dem Eingang im Forschungssaal: „Humanas actiones non ridere, non lugere neque detestari, sed intellegere.“ / „Menschliches Handeln nicht verlachen, nicht beweinen und nicht verfluchen, sondern begreifen.“ Eckart Henning
Der Name „G e h e i m e s S t a a t s a r c h i v “ (neben welchem in Folge der im Jahre 1710 erfolgten Vereinigung des Geheimen Cabinets-Archivs mit jenem Archive auch die umfa ssendere Bezeichnung „G e h e i m e s S t a a t s - und C a b i n e t s - A r c h i v “ üblich geworden) i st er st um das Jahr 1800 ent standen. So weit er sichtlich, hieß da sselbe von dem Ausgange des sechszehnten Jahrhunderts an, d. h. von der Zeit, in welche der eigentliche Beginn un sers heutigen Archivwesens zu verlegen i st, bis in die Regierungsperiode des Churfür sten Fr i e d r i c h Wi l h e l m hinein, theils „ A r c h i v “ schlechthin, theils „G e h e i m e Re g i s t r a t u r , “ doch auch noch unter dem selben Regenten „C h u r f ü r s t li c h e s G e h e i m e s u n d H a u p t - A r c h i v“ (im Gegen satz zu mancherlei bereits ent standenen Neben-Regi straturen); in den Jahren 1693 und 1694 wird es „G e h e i m e s H o f - A r c h i v “ genannt, und endlich im achzehnten Jahrhundert er scheint es unter den Namen „Landes-Archiv“, „Geheimes Archiv“, auch „Geheimes Landes-Archiv“ und „G e h e i m e s H a u p t - A r c h i v “, von welchen die Benennungen „LandesArchiv“ und „Geheimes Archiv“ sich selb st in einem Mini sterial-Re script vom Jahre 1800 noch neben der Bezeichung „Geheimes Staats- und Landes-Archiv“ vorfinden.
Angaben von Louis Gollmert, in: Archiv für Landeskunde der preußischen Monarchie 4 (1858), S. 113 – 163, hier S. 114; freundlich zur Verfügung gestellt von Jürgen Kloosterhuis.
Inhaltsverzeichnis I. Teil Archive Brandenburg-Preußens im 17. und 18. Jahrhundert. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Geschichte des Geheimen Staats- und Cabinets-Archivs zu Berlin bis zum Jahre 1820. Von Georg Wilhelm v. Raumer, herausgegeben von Eckart Henning . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Die Leitung der Preußischen Archivverwaltung 1810 –1945. Von Georg Winter, herausgegeben und ergänzt von Eckart Henning . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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50 Jahre Geheimes Staatsarchiv – 100 Jahre seit seiner Vereinigung mit dem Ministerialarchiv (1874 –1924 –1974) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Das Preußische Geheime Staatsarchiv zwischen Krieg und Frieden. Augenzeugenberichte April bis Mai 1945. Von Joachim Lachmann und Paul Freudenberg, herausgegeben und eingeleitet von Eckart Henning . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 Zeittafel zur Archivgeschichte Brandenburg-Preußens von den Anfängen bis 1874 . . . . . 127
II. Teil Der erste Generaldirektor der Preußischen Staatsarchive, Reinhold Koser (1852 – 1914) 133 Archivare beim Geheimen Staatsarchiv 1874 –1974. Mit Christel Wegeleben . . . . . . . . . . . 164 Reinhard Lüdicke, der „Listenreiche“ (1878 – 1947) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 Im Kampf um Berlin. Aufzeichnungen über seinen Volkssturm – Einsatz vom 20. April bis 2. Mai 1945 in Berlin. Von Reinhard Lüdicke, mit einer Nachlaßübersicht herausgegeben und eingeleitet von Eckart Henning . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234 Gottfried Wentz, „ein Stiefkind des Glücks?“ (1878 – 1945) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256
Anhang Curriculum vitae . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269 Im Aufsatzband nicht enthaltene Beiträge über Archivalien und Archivare Preußens . . . . 271 Personenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 274
Abkürzungsverzeichnis A, Ae
Archiv, Archive
A.
Anstellung
AHilfsarb.
Archivhilfsarbeiter
Akad.
Akademie
akad.
akademisch
akt.
aktiv
AM
Archivmitteilungen
Amtm.
Amtmann
AmtsR
Amtsrat
Ang.
Angestellter
anschl.
anschließend
a.o.
außerordentlich
AOR
Archivoberrat
apl.
außerplanmäßig
AR
Archivrat
Aspir.
Aspirant
Ass.
Assessor
Assist.
Assistent
Aufs.
Aufsatz
Auftr.
Auftrag
Ausbild.
Ausbildung
ausw.
auswärtig
AZ
Archivalische Zeitschrift
bearb.
bearbeitet
begr.
begründet
bes.
besonders
Bez.
Bezirk
Bibl.
Bibliothek
Bll.
Blätter
dargebr.
dargebracht
dazw.
dazwischen
Dienstantr.
Dienstantritt
16
Abkürzungsverzeichnis
Dir.
Direktor
Doz.
Dozent
dt.
deutsch
ehem.
ehemals
eingez.
eingezogen
Eintr.
Eintritt
Erg.
Ergänzung
ern.
ernannt
FBPG
Forschungen zur Brandenburgischen und Preußischischen Geschichte
Festg.
Festgabe
Festschr.
Festschrift
Fortf.
Fortführung
Forts.
Fortsetzung
FU
Freie Universität Berlin
geb.
geboren
geh.
gehobenen
Gen.
General
Ges.
Gesellschaft
Gesch.
Geschichte
gest.
gestorben
GStA
Geheimes Staatsarchiv bzw. Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz
Hans.
Hansische
Hist.
Historisch
höh.
höhere, höheres
Hon.
Honorar
HStA
Hauptstaatsarchiv
HZ
Historische Zeitschrift
IfA
Institut für Archivwissenschaft …, Berlin-Dahlem
Insp.
Inspektor
Inst.
Institut
i.R.
im Ruhestand
J.
Jahr
Jb.
Jahrbuch
jur.
juristisch
Komm.
Kommission
kommiss.
kommissarisch
Krs.
Kreis
KZ
Konzentrationslager
Abkürzungsverzeichnis Lehrg.
Lehrgang
Lit.
Literatur
Ltg.
Leitung
M.A.
Magister Artium
MGH
Monumenta Germaniae Historica
Min.
Ministerium
Mitarb.
Mitarbeiter
Mitgl.
Mitglied
Mitt.
Mitteilungen
Mittellat.
Mittellateinisch
Mk.
Mark
NDB
Neue Deutsche Biographie
Nds.
Niedersachsen
nebenamtl.
nebenamtlich
nom.
nominell
o.
ordentlich
OAR
Oberarchivrat
pl.
planmäßig
poln.
polnisch
Pr.
Prüfung
Prof.
Professor
Prom.
Promotion
Prov.
Provinz
Qu.
Quelle
R
Rat
Ref.
Referendar
Reg.
Regierung
Reg.Bez.
Regierungsbezirk
russ.
russisch
SB, SBB
Sitzungsbericht(e)
Sem.
Seminar
SMA
Sowjetische Militäradministration
Sp.
Spalte
StA
Staatsarchiv
Staatspr.
Staatsprüfung
städt.
städtisch
stellv.
stellvertretend
StM
Staatsministerium
17
18
Abkürzungsverzeichnis
Stud.
Studien
Teilabdr.
Teilabdruck
TH
Technische Hochschule
theolog.
theologisch
thür.
thüringisch
Univ.
Universität
vereinf.
vereinfacht
Verf.
Verfasser
Verl.
Verlag
Veröff.
Veröffentlichungen
Vjh.
Vierteljahresheft
Vjschr.
Vierteljahresschrift
Vol.
Volontär
VorbDienst
Vorbereitungsdienst
Vors.
Vorsitzender
Vortr.
Vortrag, Vorträge
Vorw.
Vorwort
Wiss.
Wissenschaft, -lich
Wörterb.
Wörterbuch
z.A.
zur Anstellung
zeitw.
zeitweilig
Zs.
Zeitschrift
zugl.
zugleich
*** Das Geheime Staatsarchiv wird traditionell „GStA“ abgekürzt, wobei „PK“ (= Preußischer Kulturbesitz) heute hinzugefügt wird. Die dem in meinen Beiträgen nicht mehr angeglichenen Bestandssignaturen wären daher vollständiger wie folgt zu zitieren: „GStA PK HA.I, Rep. …“, d. h. unter Angabe der jeweiligen Hauptabteilung, der Repositur- und der Bestell-Nummer der Akte.
I. Teil
Archive Brandenburg-Preußens im 17. Und 18. Jahrhundert* Überblick Als Ende des 16. Jhs. im kurfürstlichen Schloß in Cölln an der Spree als Folge von Auseinandersetzungen um das Testament Johann Georgs ein direkt dem Kanzler unterstelltes Archiv märkischer Oberbehörden (vor allem für die Ratsstube, die Hofrentei und die Amtskammer) gebildet wurde, in dem man einzelne Registraturreste aus verschiedenen Gewölben zu einer Art Altregistratur „im grünen Hut“ vereinigte, wurde Erasmus Langenhain beauftragt, es einheitlich zu ordnen. Während dieser erste „ständige Beamte des Archivs“ (M. Klinkenborg) die Urkunden (in 2 Reposituren) verzeichnete, wandte sich sein Nachfolger Johann Cernitius besonders den Akten (in 49 Reposituren) zu, wobei beide Archivare, entsprechend dem von Archivtheoretikern ihrer Zeit vertretenen Pertinenzprinzip, sachlichen Gesichtspunkten den Vorzug gaben. Doch erst Christoph Schönebeck verbesserte als „eigentlicher Organisator des Archivs“ (A. Brenneke) zunächst die Verzeichnisse seiner Vorgänger durch Indices, ehe er für die Urkunden, die sich um die Mitte des 17. Jhs. bereits auf 414 „Kästlein“ in elf Schränken (= 11 Reposituren) verteilten, ein eigenes chronologisches Repertorium (Findbuch) vorlegte – leider ohne Index. Anschließend ordnete er die Aktenbestände nach sachlichen Kriterien (insgesamt 62 Reposituren), erschlossen durch ein „Allgemeines Repertorium“, oft irrtümlich als die drei „roten Bücher“ bezeichnet und anfänglich ergänzt durch mehr chronologische, später auch nach Stichworten angelegte Registraturbücher (für „Orte und Materien“ der Landessachen) sowie durch alphabetisch gegliederte Publicabücher (für außenpolitische Sachen). Schönebecks Aufteilung der Akten in Betreffserien war so „weitmaschig“, daß die Repositurenkette trotz zahlreicher Ablieferungen im 18. Jh. stets aufnahmefähig und als Einteilungsschema sogar grundlegend für die Tektonik des Geheimen Staatsarchivs bis zur Einführung des Provenienzprinzips (1881) blieb. 1685 glich Magirus auch die Schönebecksche Urkundenordnung der Pertinenzgliederung der Akten an und erschloß die Diplomata durch drei „grüne Bücher“. 1710 kam zu diesen Urkunden des „churfürstlichen geheimen und Hauptarchivs“ (G. W. v. Raumer) noch die „Registratura in publicis“ (mit ihren Staatsverträgen, se-
* Erstdruck unter dem Titel: Die Archive, in: Panorama der fridericianischen Zeit. Friedrich der Große. Ein Handbuch, hrsg. von Jürgen Ziechmann, Bremen 1985, S. 469 – 471 (= Forschungen und Studien zur fridericianischen Zeit, 1).
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I. Teil
kretierten Familienvorgängen der Hohenzollern etc.) hinzu, womit aus beiden das „Geheime Archivkabinett“, kurz „Kabinettsarchiv“ genannt, entstand, das die wichtigsten rechtlichen Grundlagen des Staates verwahrte. Im Verlauf des 18. Jhs. wuchs das Archiv durch Abgaben aus dem königlichen Kabinett, zunächst nur unregelmäßig unter König Friedrich Wilhelm I., seit 1742 unter Friedrich dem Großen und Friedrich Wilhelm II. jährlich, wobei diese Zugänge nun eine eigene Abteilung des Kabinettsarchivs ausmachten. Leider handelte es sich dabei nur um einen Teil der angefallenen diplomatischen oder militärischen Vorgänge, während die meisten Verwaltungsakten der Kabinettsregistratur später an das Generaldirektorium oder an die Geheime Kriegskanzlei gelangten, wo sie teils kassiert, teils mit deren Registraturgut vermischt worden sind. Die Sonderstellung des Kabinettsarchivs, das sogar die philosophischen und poetischen Arbeiten sowie andere Schriften Friedrich II. verwahrte und sie mit den übrigen Beständen, einschließlich der berühmten Minutenbände, in zwei von Diestel neu angelegten „weißen Büchern“ verzeichnete, kam auch darin zum Ausdruck, daß es durch eigene Beamte betreut wurde (seit 1685), die auch im Kabinett des Königs Dienst taten und, wie der ältere Thulemeier oder Hertzberg, nachmals sogar Minister werden konnten. Das „Hauptarchiv“ hatte sich im Laufe der Zeit mehr und mehr zu einem Behördenarchiv des Geheimen Rates entwickelt, sieht man von den erwähnten Zugängen des ihm an-, aber doch nicht vollständig eingegliederten Kabinettsarchivs ab. Dagegen gelangten die Akten der meisten anderen Zentralbehörden kaum noch an dieses Archiv. So entgingen ihm auch die der wichtigsten im 18. Jh. gegründeten preußischen Zentralbehörde, nämlich des 1723 aus der Vereinigung des Generalfinanzdirektoriums mit dem Generalkriegskommissariat hervorgegangenen General-Ober-Finanz- und Domänendirektoriums, kurz „Generaldirektorium“ genannt, das seine Akten in der eigenen Altregistratur behielt. Dadurch entstand ein „zweites großes Landesarchiv“, das als „Ministerialarchiv“ erst 1874 mit dem Geheimen Staatsarchiv vereinigt wurde. Ähnlich verhielt es sich mit anderen zentralen Staatsbehörden, wie der Lehnskanzlei, deren Akten ans Kammergericht gelangten, der Jagdkanzlei, deren ältere Vorgänge das Generaldirektorium bekam, und der Kriegskanzlei, deren Registraturgut Kernbestand des nachmaligen Archivs der Geheimen Kriegskanzlei wurde. Was dem Hauptarchiv an Aktenablieferungen blieb, entsprach im ganzen den der Geheimen Staatskanzlei verbliebenen Aufgaben: dort wurden einstmals sämtliche aufgrund von Verhandlungen des Geheimen Rats getroffenen Verfügungen mundiert und expediert, doch auch nach Gründung einer eigenen Kanzlei für das Generaldirektorium waren durch sie immer noch „alle Sachen, welche das gesamte Staatsministerium betrafen, außerdem alle Haus- und Hoheitssachen, alle Justiz-, Lehn-, Criminal- und geistlichen Sachen“ (G. W. v. Raumer) zu erledigen. Hinzu kam die „Expedition der Oberkonsistorii und der Jurisdictionscommission“; diese „war nach den verschiedenen Provinzen in 8 Expeditionen geteilt. Das auswärtige Departement besetzte alle Stellen, und hatte auch sonst die nähere Aufsicht für die Staatskanzlei“. Dieses eben erwähnte Departement für die auswärtigen Affären, zumeist kurz Kabinettsministerium genannt, gab daher ebenfalls seine Ak-
Archive Brandenburg-Preußens im 17. Und 18. Jahrhundert
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ten an das Hauptarchiv ab, dem im Jahre 1803 dann der Titel eines „Geheimen Staats- und Cabinets-Archivs“ verliehen wurde. Doch wäre es wohl trotz dieser Ehre allmählich ebenso abgestorben wie es dem an Auszehrung seiner wichtigsten Kompetenzen durch das Generaldirektorium leidenden Geheimen Rat bzw. dessen 1803 aufgelöster Kanzlei erging, wenn dem Archiv nicht das Kabinettsarchiv geblieben wäre, das seine weiterwirkende Bedeutung unterstrich; die Auflösung dieses Archivkörpers erfolgte erst 1848 / 52 zugunsten des damals neu gegründeten Königlichen Hausarchivs. Bestrebungen Brandenburg-Preußens, die Akten seiner im Laufe der staatlichen Entwicklung erworbenen Territorien dem Berliner Archiv anzugliedern, vermochten sich weder im 18. noch im 19. Jh. voll durchzusetzen (sieht man von den „Kaiserurkunden“ ab). In der Residenz zu Berlin wurden lediglich die zahlreichen bei der Zentrale entstandenen Akten über (Ost-)Preußen, Magdeburg, Kleve und Mark, Halberstadt, Minden, Pommern usw. verwahrt, während die Provinzregistraturen größtenteils dort verblieben, wo sie erwachsen waren. Sie entstanden als Archivdepots zumeist bei den alten, für Hoheits- und Justizsachen zuständigen „Regierungen“ (nach 1808 in Oberlandesgerichte umgewandelt) und „spiegelten in ihrer Struktur die verschiedenartige Herkunft der preußischen Provinzen wieder“ (Brenneke): so gab es in Königsberg bereits ein preußisches Archiv, doch bestanden in Pommern infolge älterer Landesteilungen gleich deren zwei, in Schlesien mit seinen zahlreichen, teilweise von Böhmen abhängigen Fürstentümern gab es im 18. Jh. eine Vielzahl einzelner Landes- und Behördenarchive, die es auf Provinzebene erst zu vereinheitlichen galt. Im ganzen scheint die Archivsituation bei den gewachsenen östlichen Provinzen günstiger gewesen zu sein als bei den künstlich gebildeten westlichen, d. h. in Sachsen, Westfalen und den Rheinlanden, wo geistliche und weltliche Territorialarchive erst in Sammeldepots zu konzentrieren waren.
Geschichte des Geheimen Staats- und Cabinets-Archivs zu Berlin bis zum Jahre 1820* Von Georg Wilhelm v. Raumer, herausgegeben von Eckart Henning
Vorbemerkungen Als der königliche Regierungsrat Georg Wilhelm v. Raumer (1800 –1856)1 im Jahre 1835 seine Archivgeschichte bis zum Jahre 1820 „aus actenmäßigen Nachrichten“ schrieb, war er gerade zwei Jahre zuvor zum „Vortragenden Rat beim Geheimen Staats- und Kabinettsarchiv und der Archivverwaltung“2 ernannt worden; daneben blieb er auch weiterhin als Referent, seit 1829 im Finanzministerium, seit 1835 im Hausministerium, tätig. Raumers „Geschichte des geheimen Staats- und Cabinets-Archivs zu Berlin“ darf daher als Ergebnis einer zweijährigen, und, wie hinzugefügt werden kann, höchst gründlichen Orientierung über sein neues Amt, dessen geschichtliche Entwicklung und Geschäftsbereich angesprochen werden. Freilich sollte man für die Beurteilung seiner Arbeit nicht außer acht lassen, daß ihr Verfasser damals bereits mit dem Archivwesen bestens vertraut war; zum einen durch seinen Vater, Karl Georg v. Raumer (1753 –1833)3, in dessen Hand die Leitung des Geheimen Staatsarchivs und damit der Archivverwaltung überhaupt seit Hardenbergs Tod (1822)4 lag (eine Funktion, die er freilich nur im Nebenamt wahr* Erstdruck in: Archivalische Zeitschrift 72 (1976), S. 30 – 75. 1 Vgl. u. a. Ernst Friedlaender über G. W. v. Raumer, in: Allgemeine Deutsche Biographie, Bd. 27 (1888), S. 414; Hermann v. Raumer, Die Geschichte der Familie von Raumer, Neustadt a. d. Aisch 1975, S. 83 – 87. 2 Meine Angaben über die amtliche Stellung Raumers entnehme ich einer „Liste der früheren Direktoren und Generaldirektoren der Archivverwaltung“, die der spätere Direktor des Bundesarchivs in Koblenz, Dr. Georg Winter, am 23. 2. 1939 im Auftrage des Generaldirektors Dr. Ernst Zipfel für Ministerialdirektor Dr. Gramsch anfertigte (GStA, Rep. 90, Nr. 213). Vgl. dazu auch „Rang, Titel etc. der höheren Beamten der Archivverwaltung 18261926“ (GStA, Rep. 90, Nr. 555). 3 Vgl. Ernst Friedlaender, in: Allgemeine Deutsche Biographie, Bd. 27 (1888), S. 416 – 418, und Johannes Schultze, Karl Georg v. Raumer, in: Mitteldeutsche Lebensbilder, Bd. 4, Magdeburg 1929, S. 186 – 198. 4 Zu Hardenbergs Verdiensten um das Archivwesen vgl. Reinhold Koser, Die Neuordnung des preußischen Archivwesens durch den Staatskanzler Fürsten von Hardenberg, Leipzig
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nahm)5, zum anderen durch eigene Archivalienstudien, die er schon als Auskultator (1823) am kurmärkischen Lehnsarchiv, damals im Kammergericht untergebracht, begonnen hatte, und die er auch als Referendar (1825) und späterer Kammergerichtsassessor (1827) fortsetzte. Im Jahr seiner Ernennung zum Archivar (6. 7. 1835) erschien der zweite Band seines „Codex diplomaticus Brandenburgensis continuatus“ (Bd. 1, Berlin 1831), ferner die von ihm besorgte Ausgabe der „Mémoires originaux sur le regne et la cour de Frédéric I, Roi de Prusse, par Ch. Comte de Dohna“. Mit beiden, sozusagen zum Termin abgeschlossenen Arbeiten, war G. W. v. Raumer also gut empfohlen, als der König dem Vorschlage seines am 9. 8. 1833 verstorbenen Vaters folgte, Gustav Adolf Tzschoppe (1836 geadelt) zum „Direktor des geheimen Staats- und Kabinettsarchiv und der gesamten Archivverwaltung“ zu ernennen6, zugleich aber seinen Sohn, wie erwähnt, zum vortragenden Rat beim Geheimen Staatsarchiv. Nach Tzschoppes Tod wurde Raumer, inzwischen zum Geheimen Oberregierungsrat aufgestiegen, durch Kabinettsordre vom 17. 3. 1843 zum „Direktor der Archive“ ernannt. Er versah dieses Amt, aus dem er 1852 auf eigenen Antrag als Wirklicher Geheimer Oberregierungsrat schied, bis zur damals erfolgten Abtrennung des Königlichen Hausarchivs vom Geheimen Staatsarchiv7. Das hier zum Druck beförderte Manuskript dieses verdienten märkischen Historikers und Archivars ist bislang nur Eingeweihten der preußischen Archivgeschichte bekannt gewesen. Jedenfalls scheint der in gemustertes grünes Leinen gebundene, handgeschriebene Quartband, der heute an wenig beachteter Stelle, nämlich in den „Kleinen Erwerbungen“ des Geheimen Staatsarchivs Preußischer Kulturbesitz 1904; ferner Gerhard Zimmermann, Karl H. Ritter v. Lang und seine durch den Fürsten v. Hardenberg angeregte Denkschrift zur Preußischen Archivreform (von 1823, nach Akten des Preußischen Kultusministeriums im Berliner Hauptarchiv), Mitteilungen des österreichischen Staatsarchivs 4 (1952), 215 – 234. 5 K. G. v. Raumer war im Hauptamt Vortragender Rat im Staatsministerium, im Ministerium des Königlichen Hauses und im Ministerium der Auswärtigen Angelegenheiten. Ihm fiel nach Hardenbergs Tod, dem die Archive unmittelbar unterstellt waren, als Direktor im Ministerium des Königlichen Hauses die Leitung des Geheimen Staats- und Kabinettsarchivs zu, als die Archive durch Kabinettsordre vom 2. 5. 1823 wieder dem Staatsministerium zwar direkt unterstellt, mit der besonderen Aufsicht aber der Minister des Königlichen Hauses und der Minister der Auswärtigen Angelegenheiten gemeinsam betraut wurden. 1831 wurde K. G. v. Raumer, wenn auch weiterhin im Nebenamt, zum Direktor der Archive ernannt, ein Ereignis, das Brenneke den „Geburtsakt der preußischen Archivverwaltung“ genannt hat (vgl. Adolf Brenneke, Archivkunde. Ein Beitrag zur Theorie und Geschichte des europäischen Archivwesens, Leipzig 1953: Brandenburg-Preußen bis 1815, S. 144 – 148, Geheimes Staatsarchiv bis 1803 und Preußische Archivverwaltung, S. 402 – 408, hier Seite 403, vgl. auch S. 373). 6 Tzschoppe hatte schon unter Hardenberg die Archivangelegenheiten der Provinzen bearbeitet und war unter K. G. v. Raumer Referent für das Archivwesen im Staatsministerium geworden; vgl. A. Brenneke, Archivkunde, S. 373. 7 Über die 125-jährige Geschichte des „Brandenburg-Preußischen Hausarchivs“ (1852 – 1975) und seine heute im Geheimen Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz verwahrten Bestände hofft der Herausgeber nach Abschluß der laufenden Gesamtrevision und entsprechenden Neuverzeichnungsarbeiten an dieser Stelle ausführlicher zu berichten.
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I. Teil
(Rep. 94, Nr. 25) verwahrt wird, nach Ausweis seines Rotulus in sechzig Jahren – zwischen 1838 und 1898 (bzw. 1902) – nur dreiundzwanzig Mal benutzt worden zu sein, davon sechsmal allerdings allein 1897 / 98 (damals noch unter der Signatur Rep. 94 II R, Nr. 2). Aus diesem letzten Zeitraum sind uns die Namen der Benutzer bekannt, die vielleicht auch heute noch interessieren: Es waren Archivdirektor Wiegand (nicht wie im Rotulus vermerkt: Wieland) aus Straßburg und der Russe Koschewnikow aus Moskau im Juni 1897, Friedrich Meinecke im November des gleichen Jahres, im Juli 1898 der Historiograph des Geheimen Staatsarchivs, Melle Klinkenborg, im August Julius v. Pflugk-Harttung und im Oktober schließlich Friedrich Lau. Als einziger späterer Eintrag findet sich noch der Kurt Schottmüllers (Mai 1902). Von da an scheint das Manuskript mehr dem Dienstbetrieb gedient zu haben, vor allem den archivgeschichtlichen Arbeiten Klinkenborgs und später der Vorbereitung entsprechender Vorlesungen Adolf Brennekes am Institut für Archivwissenschaft und geschichtswissenschaftliche Fortbildung, das im Geheimen Staatsarchiv beheimatet war. Nach dem Zweiten Weltkriege befand sich Raumers Arbeit dann entweder in der Dauerausstellung des Geheimen Staatsarchivs oder gehörte zum Handapparat seiner Direktoren Hans Bellée (1947 – 1954) und Gerhard Zimmermann (1954 – 1974), dem ich erste Hinweise darauf verdanke. Letzterer war es auch, der 1966 einmal durch den Abdruck weniger Seiten des Manuskripts in einer archivgeschichtlichen Studie auf dieses „bisher unveröffentlichte“ Werk hinwies8. Raumer widmet von insgesamt 255 Seiten zunächst knapp dreißig den Anfängen des Archivwesens in der Mark Brandenburg, die bis ins 13. Jahrhundert zurückreichen. Auf den folgenden rund 220 Manuskriptseiten berichtet er über die Geschicke des Archivs und damit auch über den Beginn der brandenburg-preußischen Archivverwaltung in der Neuzeit bis 1820. Farbigkeit der Darstellung, Lesbarkeit und Klarheit im Aufbau sind Vorzüge, die den Abdruck der Arbeit auch heute noch rechtfertigen, wenn ihr auch für den frühesten Zeitraum die Darstellung Melle Klinkenborgs, die 1911 im Druck erschien, an Präzision und wissenschaftlichen Nachweisen bei weitem überlegen ist. Mit dem Hauptteil verhält es sich anders, hier hält Raumers Bericht jeden Vergleich mit Klinkenborgs späterer Arbeit über die Geschichte des Geheimen Staatsarchivs im 17. und 18. Jahrhundert (1934) aus. Raumer faßt Archivgeschichte als Geschichte der Archivare auf. Sehr anschaulich schildert er z. B. die beharrlichen und keineswegs immer erfolglosen Versuche der kurfürstlichen und königlichen Archivare um Hebung ihres Ansehens oder ihr beständiges Bestreben, den Landesherrn, etwa den Großen Kurfürsten, für sein Archiv persönlich stärker zu interessieren. Raumers Urteil über die Landesherren ist im ganzen positiv; so bemerkt er schon zu Anfang einmal beiläufig: „Übrigens haben die Churfürsten aus dem Hause Hohenzollern von jeher Sorgfalt auf ihre Briefschaf-
8 Gerhard Zimmermann, Hardenbergs Versuch einer Reform der preußischen Archivverwaltung und deren weitere Entwicklung bis 1933, Jahrbuch der Stiftung Preußischer Kulturbesitz 4 (1966), S. 69 – 87, hier S. 72 f., dazu Anm. 3 auf S. 86.
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ten verwendet (ein Theil der Ordnungsliebe und des regelmäßigen Haushaltes, dem sie überhaupt Ihre Größe verdanken)“. Der Text wurde nicht gekürzt, da hiervon zuallererst die Details betroffen gewesen wären, die die Darstellung abwechslungsreich und interessant machen. Die Angaben über Raummangel, über die Ausstattung der Arbeitszimmer der Archivare im Berliner Schloß, über Bedienstete und Gehälter, über die anfangs noch ganz unbürokratische Art der Aktenbenutzung, über Anweisungen, die die zunehmende Aufmerksamkeit seitens der Landesherren erkennen lassen, über Änderungsvorschläge der Archivare (allen voraus Schönebeck), erscheinen mir oft ebenso aufschlußreich wie der Prozeß der Verselbständigung und späteren Trennung des Archivs von der Registratur, die Bedeutung der Archivalien für die Rechtsansprüche der Regierenden und ihr Wert für die historische Forschung (die erste wissenschaftliche Benutzung wird bereits für die Zeit des Großen Kurfürsten vermerkt). Man wird Raumers Darstellung künftig aber auch wegen seiner ausführlichen Aktenzitate schätzen, da die Vorlagen dazu heute entweder in den nur schwer erreichbaren Archiven der DDR lagern oder gar verschollen sind. Überdies kann sie ergänzend zu Klinkenborgs letzter Arbeit herangezogen werden, von der wir wissen, daß ihr Verfasser sie vor seinem Tode9 nicht mehr hatte überarbeiten können. Auf ein Gesuch Adolf Brennekes und Ernst Posners im Jahre 1933 hatte sich der Generaldirektor der Staatsarchive entschieden, sie wegen ihrer wertvollen Forschungsergebnisse wenigstens auf dem Wege der Vervielfältigung einem begrenzten Kreis von Interessenten zugänglich zu machen, damit sie vor allem „den Bearbeitern des Geheimen Staatsarchivs jederzeit zur Hand sei, bis eine Neubearbeitung und Weiterführung der Geschichte des Geheimen Staatsarchivs vorliege“10. Raumers Geschichte stellt einen vergessenen Meilenstein auf diesem Wege dar.
I. Erste Periode: Von der ältesten Zeit bis zum Jahre 1599 Die ältesten Archive in der Mark Brandenburg sind die der Stifte Brandenburg und Havelberg, welche im zehnten Jahrhundert von Kaiser Otto dem Großen errichtet wurden, und von denen das erste noch jetzt seinen Stiftungsbrief und eine Urkunde des eilften Jahrhunderts aufbewahrt; ein Beweis, daß der Erhaltung der 9 Johannes Schultze, Melle Klinkenborg, Forschungen zur Brandenburg-Preußischen Geschichte 43 (1930), S. 1 – 21. 10 GStA, Rep. 178, Nr. 1068, Schreiben vom 30. 5. 1933. Vgl. dazu Eckart Henning, 50 Jahre Geheimes Staatsarchiv in Berlin-Dahlem – 100 Jahre seit seiner Vereinigung mit dem Ministerialarchiv, Jahrbuch für brandenburgische Landesgeschichte 25 (1974), S. 154 – 174; dgl. Kurzfassung im Archivar 28 (1975), Sp. 143 – 152; ferner den Katalog der Ausstellung „50 Jahre Geheimes Staatsarchiv in Berlin-Dahlem – 100 Jahre seit seiner Vereinigung mit dem Ministerialarchiv (31. 7. – 31. 12. 1974)“, bearb. von Johann Caspar Struckmann, Berlin 1974, 30 S., hekt., hier S. 18.
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I. Teil
Urkunden gleich damals von den Bischöfen Aufmerksamkeit gewidmet wurde; und auch der Stiftungsbrief von Havelberg würde erhalten sein, wenn nicht das ganze Archiv dieses Stiftes bei dem Brande von Havelberg im dreißigjährigen Kriege unglücklicherweise ein Raub der Flammen geworden wäre. Im eilften Jahrhundert waren die Slaven Herren der Mark und jene Archive von Brandenburg und Havelberg zweifelsohne auf das linke Elbufer geflüchtet. Erst im zwölften Jahrhundert und seit Markgraf Albrecht dem Bären konnten jene Archive an ihre Stelle zurückgebracht werden und es begannen nun auch die ältesten Klöster der Mark und der Lande auf dem rechten Elbufer namentlich Leitzkau, Jericho und seit 1180 Lehnin ihre Stiftungsbriefe und Urkunden zu sammeln, welche indessen aus dieser Zeit meistens verlorengegangen sind, weshalb hauptsächlich die Archive der Magdeburgischen Stifter für diese Gebietstheile Licht verbreiten. Die im zwölften Jahrhundert gestifteten Klöster in der Altmark z. B. Diesdorf besitzen auch einige Urkunden aus dieser Zeit; von Städteurkunden sind nur die Stiftungsbriefe von Stendal um 1145 und das Zollprivilegium der Stadt Brandenburg von 1170 bekannt, welche indessen beide verdächtig sind. Eigentliche Landesherrliche Urkunden z. B. kaiserliche Lehnbriefe für die Markgrafen, existiren aus dem 12ten Jahrhundert nicht, da damals nur die geistlichen Fürsten und Stifter sich Urkunden ertheilen ließen, und man kann daher annehmen, daß ein landesherrliches Archiv in der Mark Brandenburg erst mit dem dreizehnten Jahrhundert beginnt. Damals fing man an, die kaiserlichen Lehnbriefe und sonstigen für das Interesse des markgräflichen Hauses wichtigen Urkunden zu sammeln, und, wahrscheinlich in der Residenz Spandau, sorgfältig aufzubewahren. Von Copialbüchern, Registern, worin die von den Landesherrn ertheilten Privilegien eingetragen worden wären, findet sich aus dieser Zeit keine Spur. Daneben beginnen mit dem dreizehnten Jahrhundert die Städtearchive der Mark, von denen zwar die meisten in wiederholten Feuersbrünsten der Rathhäuser verlorengegangen sind, einige erhaltene aber noch Urkunden dieses Jahrhunderts aufweisen. Die im Laufe desselben entstandenen Klöster z. B. Chorin, Himmelstädt, Marienwalde, sammelten, wie die älteren Klöster, fortwährend ihre Urkunden und diese bei der Reformation größtentheils in das landesherrliche Archiv übernommenen Urkunden bilden den Hauptbestandtheil des jetzigen Brandenburgischen Urkundenarchivs. Als nach dem Aussterben der Nachkommen Albrechts des Bären die Bairischen Fürsten [sc. die Wittelsbacher] die Mark erlangten, haben diese zuerst die wohl aus dem südlichen Deutschland mitgebrachte Einrichtung eingeführt, über die von den Landesherrn ertheilten Privilegien, Lehnbriefe usw. eigene Registraturbücher zu halten. Mehrere solcher Bücher, in Quart auf Pergament geschrieben, befinden sich noch jetzt im Geheimen Staatsarchiv, und sind größtentheils von Ludewig und Gerken abgedruckt worden. In ihnen zeigt sich zuerst eine ordentliche Registratur und Geschäftseinrichtung, auch ist zu bemerken, daß unter diesen Fürsten, im vierzehnten Jahrhundert, das Ertheilen von Lehnbriefen usw. an ritterliche Vasallen – nicht wie bis dahin regelmäßig nur an Städte – üblich wurde. Wahrscheinlich befand sich übrigens damals das Archiv d. h. die gesammelten Urkunden und diese Registratur-
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bücher in Berlin, und zwar in dem an die alte Residenz, das [spätere sogen. alte] Lagerhaus [in der Klosterstraße], anstoßenden grauen Mönchskloster. Kaiser Carl der 4te hat bekanntlich während seines Besitzes der Mark das Landbuch, von dem noch 2 alte Exemplare vorhanden sind, und das im Original leider verlorengegangene Neumärkische Landbuch aufnehmen lassen, ein Beweis, daß damals eine eigentliche Staatsverwaltung, Rechnungsführung usw. begann (wie wohl auch schon unter den Bairischen Fürsten Abrechnungen über eingehobene Steuern usw. vorkommen) und daß man die Wichtigkeit einer geordneten Finanzführung und die Nothwendigkeit einer schriftlichen Grundlage derselben einsah. Als die Burggrafen von Nürnberg die Mark Brandenburg zu Anfange des fünfzehnten Jahrhunderts übernahmen, legte Burggraf Friedrich, noch ehe er Churfürst ward, ein Registraturbuch in folio auf Papier an, in welches alle vom Landesherrn ausgegangene, auch ihm ertheilten Urkunden eingetragen wurden. Zweifelsohne bestand diese Einrichtung schon in Franken, wie denn auch offenbar die Abschreiber der Urkunden und die ersten Notare, (Kanzler) dieser Churfürsten, dem südlichen Deutschland angehören. Diese Registratur- oder, wie sie genannt wurden, Copialbücher (auch wohl Register z. B. Mittelmärkisches Register) sind denn durch das ganze fünfzehnte Jahrhundert durchgeführt, und bilden die schätzbarste Geschichtsquelle dieser Zeit, weshalb sie kürzlich aus dem bei dem hiesigen Kammergericht aufbewahrten Lehnarchiv in das Geheime Staatsarchiv übergegangen sind. In diesen Copialbüchern stehen Lehnbriefe, Privilegien, doch auch Verträge mit andern Landesherrn, Bündnisse, Ehepacten, kaiserliche Begnadigungen, Verpfändungen von Schlössern usw.; jedes Buch umfaßt meistentheils nur eine Provinz z. B. Altmark, Mittelmark (als Churfürst Friedrich II die Neumark und Lausitz erwarb, wurden für diese gleich eigene Bücher angelegt) und sie begleiteten die Churfürsten auf Reisen in diese Provinzen z. B. bei Einnahme der Huldigung. In jedem Briefe (Buche) sind zwar mehrere Abtheilungen z. B. Lehnbriefe, Erlaubsbriefe (zu Verpfändungen), Leibgedingsbriefe, Eigenthumsbriefe (Appropriationen an Städte) doch wird die Ordnung so streng nicht eingehalten. Unter jeder Urkunde steht, wer die Ausfertigung anbefohlen habe oder Relator gewesen sei z. B. Relator dominus Cancellarius, auch wohl Dominus per se (der Churfürst selbst) oder Dominus per se & legit was bedeutet, daß ihm die Urkunde vorgelesen worden sei. Diese Bücher (in deren nähere Zergliederung hier nicht eingegangen werden kann) reichen nun zwar bis in das siebenzehnte Jahrhundert hinab, allein in späterer Zeit, seit dem Regierungsantritt Churfürsten Joachims des 2ten 1536 enthalten sie nur noch eigentliche Lehnbriefe und Gildeprivilegien und bilden daher von da ab für das landesherrliche Interesse nur noch eine untergeordnete Quelle, weshalb sie für diese spätere Zeit dem Lehnarchiv belassen worden sind. Auch führten die Hohenzollerischen Churfürsten Behufs ihrer Finanzverwaltung das Landbuch Carl’s IV gewißermassen fort, wovon nicht nur das gedruckte Schoßregister von 1453, sondern auch das Altmärkische Landbuch von 1427 Zeugniß giebt, welches noch zu Ende des vorigen Jahrhunderts erhalten und seitdem bis auf einige Fragmente leider verlorengegangen ist.
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I. Teil
Neben diesen Büchern, in welche die eigentlichen Verwaltungsgegenstände eingetragen wurden, bilden sich im fünfzehnten Jahrhundert s. g. Litteralien, d. h. Briefe der Churfürsten und dergleichen. Ein geringerer Theil von diesen ist noch jetzt ein alter Bestandtheil des s. g. Cabinetsarchivs; der größte Theil der Correspondenzen der Churfürsten bis zum Tode Albrecht Achills verblieb in Franken, im Archive zu Plaßenburg, und sind erst in neuester Zeit die Haus- und Familien-Papiere der dortigen Fürsten (unter denen viele aus der Zeit Albrecht Achills) hieher ausgeliefert worden. Sehr vieles z. B. die für die deutsche Reichsgeschichte sehr erhebliche Correspondenz Churfürst Albrecht Achills mit den Kaisern, ist nicht hieher abgeliefert und soll neuerdings größtentheils gar untergegangen sein. Uebrigens haben die Churfürsten aus dem Hause Hohenzollern von jeher große Sorgfalt auf ihre Briefschaften verwendet (ein Theil der Ordnungsliebe und des regelmäßigen Haushaltes, dem sie überhaupt ihre Größe verdanken); das alte Archiv des Schlosses Hohenzollern ist darauf gegangen, als dieses 1424 feindlich zerstört wurde, und mit ihm wahrscheinlich die Beweisurkunden über die Abstammung des Burggräflich Nürnbergschen Hauses. Letzteres hatte im vierzehnten Jahrhundert seine Urkunden in Cadolzburg und Plaßenburg und heißt es hinsichts der märkischen Archive im merkwürdigen Testament Churfürst Friedrich I. von 1437: „Alle Gemein Briefe zu unsern Landen der Mark gehörende sollen auf dem Schlosse und Behältniß zu Tangermünde bleiben und sein zu ewigen Zeiten, doch daß man den andern Herrn der Neuenmarke (Mittelmark) vidimus gebe unter des Reichshofgerichts Insiegel, wäre aber, daß der Herr der Neumark solcher Briefe zu seiner Nothdurft gebrauchen wollt, so soll ihn der Herr der Altmark solche Briefe allezeit leihen und schicken, doch wenn er oder seine Erben die genutzt, sollen sie alsdann dieselben zu Stund an wieder gen Tangermünde in die Behältnisse antworten, weil sie uns sicher bedünken sein zu Tangermünde, dann in andern Schlössern, was aber Sonderbriefe zu jeglichem Lande gehören, die soll und möge ihrer (seiner Söhne) jeglicher selbst behalten, wie ihm gut bedünket.“
Dies beweiset, daß das Hauptarchiv damals in Tangermünde war (wohin es vielleicht schon Carl IV. hat bringen lassen) und daß außerdem Nebenarchive in Berlin, Cüstrin usw. existirten. Aehnlich bestimmt der Theilungsbrief der Mark von 1447, daß man alle Lehnbücher, Register und Schuldbücher abschreiben und jedem Landesherrn eine Abschrift geben solle und daß alle Gemein-Briefe zur Mark gehörend zu Brandenburg auf der Burg oder wo es dem Churfürsten am bequemsten zu sein dünke, ewig verbleiben sollen, doch daß der Landesherr der Altmark Vidimus unter des Reichshofgerichts oder sonst unter bewährten Insiegeln ertheile, auch sollen sich beide Landesherren zu ihrer Nothdurft die Originale leihen, die aber unverzüglich in den Behältnisse, woraus sie genommen, zurückgeschickt werden sollen. Die besondern Briefe jegliches Landestheils aber behält jeder Landesherr selbst, wie es ihm gut bedünket. – Hiernach war das Hauptarchiv damals schon von Tangermünde nach Brandenburg gebracht. Die berühmte Constitutio Achillea von 1473 sagt: „Wir ordnen, setzen und wollen auch, daß alle Privilegia, Bullen, Handfesten und andere Briefe zu der Mark Brandenburg und derselben Lande gehörend, in der Mark bleiben, und
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durch den, der die Mark inne hat, der Herrschaft und den Landen zu gut getreulich verwahrt werden sollen, wo und wie ihnen das am allerbequemsten, sichersten und besten bedünket; doch sollen auch die Archivalien in Cadolzburg und Plassenburg den Herren der Mark zu ihrem Gebrauch geliehen werden. Was insbesondere die in der Churmark aufbewahrten Archivalien betrifft, so besitzen wir eine merkwürdige Nachricht, etwa von 145011, wonach das Archiv sich damals theils in Cöln an der Spree im Kloster (im Prediger Kloster, wo jetzt die Stechbahn ist) theils in Brandenburg befand, in letzterem besonders Briefe, die aus Franken hergebracht waren, und bestand dasselbe aus mehreren, durch Buchstaben (N. O. P. usw.) bezeichneten Schränken, in welchen die Briefe lagen, über die auch ein eigenes Register vorhanden war. Im Jahr 1464 schriebe der Churfürst aus Franken an seine Räthe: die rechten Hauptbriefe (über die pommerschen Händel) mögt ihr suchen lassen im Kloster zu Colin oder anderswo, da die goldne Bulle des jetzigen Kaisers (Friedrichs III) liegt, indem er ihnen andre Urkunden Abschriften aus Franken zusendete12. An demselben Orte befand sich auch das Lehnregister d. h. die oben bemerkten Copialbücher. Die Aufsicht über das Archiv führte der Kanzler, und besitzen wir einen über die damalige Beschaffenheit desselben, sehr interessanten Brief, welchen der Kanzler Bischof Friedrich von Lebus aus Fürstenwalde am Sonntag nach Martini 1476 an den Markgrafen (nachherigen Churfürsten) Johann geschrieben hat. Es heißt darin: der Markgraf habe nach dem Brief Erzbischof Otto’s von Magdeburg wegen der Urbede in Havelberg gefragt13. Der Bischof habe deshalb den Mathias (wohl ein Geistlicher, der die nähere Aufsicht über die Churfürstliche Kanzlei führte) befragt, und dieser ihm geantwortet, der Hauptbrief solle, wie ihm dünke, in der alten Schreiblade liegen, die da stehe im Kloster (im Prediger oder Dominicanerkloster) im Gewölbe bei den andern Kisten und Laden, worin sonst andre Briefe mehr seien, als Transsumpte der Privilegien und Urkunden, die Stettinsche Sache (die Händel mit Pommern) berührend. Finde man da nichts, so solle man unter den Stettinschen rechten (Original) Privilegien suchen, finde man da auch nichts, so sei eine große Kiste da, worin die Privilegien mit den rozen (tozen?) stehen, und in dieser ein Beilädichen, in welcher Reverse und andre Briefe lägen. An einem dieser Orte werde man das Gesuchte unfehlbar finden, denn Mathias meine, daß die Urkunde ja wohl verwahrt sei in derselben Lade, wo es sonst nicht anders wegen verlegt (vorlegen) sei oder bei der von Bredow Revers über Friesack, denn unser alter Herr Markgraf Friedrich (II) habe die Briefe oft verändern, hin und wieder tragen und legen laßen; in der Kammer an der Kanzlei seien auch etliche Behälter, wenn man an den obgedachten Enden nichts finde, möge man in solchen Behältern auch suchen.“
Markgraf Johann Cicero nahm 1486 zuerst seine bleibende Residenz in der Mark, indessen weist das Archiv aus seiner Regierungsperiode und aus der Churfürst Joachim des Iten“ verhältnißmäßig nicht viel Materialien auf, namentlich was die Reichs und innern Verwaltungsangelegenheiten anbetrifft. Die Correspondenz mit Kaiser Maximilian I., mit Ritter Eitelwolf von Stein, der unter Joachim I. viel Reichsangelegenheiten besorgte, die landständischen Verhandlungen usw. sind nicht sehr bedeutend, und sehr vieles von allgemeinem Interesse wird noch in die 11 Cod[ex diplomaticus] Brand[enburgensis] contin[uatus. Hrsg. von G. W. v. Raumer, T.] 1 [Berlin 1831], p. 219. 12 Ib. p. 251. 13 Die Urkunde existiert noch.
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I. Teil
Copialbücher geschrieben z. B. die churfürstlichen Ehepacten in das s. g. Heirathsbuch, und erkennt man in diesen Büchern vielfach die Hand des alten Kanzlers Wolfgang Kettwig. In der Hofordnung Churfürst Joachims I. von 151714 heißt es doch schon: „auch wollen wir, daß niemand über die Registratur der Privilegien und andrer unsrer Geschäfte und Händel ohne sonderliche unsre oder unsres Kanzlers Vorwissen und Erlaubniß zu lesen oder etwas daraus zu zeichnen gestattet, auch keine Abschrift davon geben oder zugelassen werde“. Dies ist das älteste Archivreglement, wenngleich das Geheimhalten natürlich längst Regel in der Churfürstlichen Kanzlei war. Mit Churfürst Joachim II. wird das Archiv bedeutender; die Reichsacten werden vollständiger und sehr umfangreich, bei Einführung der Reformation schreibt der Kanzler Johann Weinleben viel zusammen, die landständischen Verhandlungen werden gesammelt und auch die auswärtigen Verhältnisse z. B. mit Frankreich und England geben Stoff, besonders umfangreich aber werden die Acten über die Religionsstreitigkeiten, an welchen der Churfürst so lebhaften Antheil nahm. Hierzu kam, daß bei der Reformation viele Klöster-Archive in das Churfürstliche Archiv abgeliefert wurden, nur die Stiftscapitel behielten ihre Documente. Da nun gleichzeitig auch Markgraf Johann in der Neumark zu Cüstrin ein eigenes Archiv sammelte, so kann man von dieser Zeit an den Beginn eines vollständigen churbrandenburgischen Archives rechnen, was sich seitdem in steigender Progression vermehrt hat. In Churfürst Joachims des 2ten Kanzleiordnung wurde daher nicht nur die Anordnung Joachims des 1ten“, daß die Kanzlei verschlossen sein und niemand über die Registratur der Privilegien gelassen werden solle, wiederholt, sondern es wurde auch bestimmt, daß die Secretarien alle merkliche Rathschläge mit den Ständen, alle Confirmationen, Privilegien, Eigenthumsbriefe in besondern Büchern registriren und schreiben sollten15. Die Urkunden befanden sich im sechszehnten Jahrhundert im Schlosse zu Berlin im grünen Hut16 sorgfältig bewahrt und wurden z. B. in dem Prozeß, den der kaiserliche Fiscal am Reichskammergericht wegen Exemtion der 3 Stifter Brandenburg, Havelberg und Lebus und der Grafschaft Ruppin führte, vielfach benutzt. Auch gab der Kanzler Lampert Distelmeier 1587 aus „Ihrer churfürstlichen Gnaden Archivgis“ der Stadt Frankfurth gegen eine Empfangsbescheinigung der Abgeordneten das Original eines Prenzlauer Abschiedes und Herzog Barnims Instruction, um sich deren vor der kaiserlichen Commission zum Beweis gegen Stettin zu bedienen. Die
Rep 9 K 99 Litt C. Siehe [Anton Balthasar] König [:Versuch einer] histor[ischen] Schilderung [der Hauptveränderungen, der Religion, Sitten, Gewohnheiten, Künste, Wissenschaften … der Residenzstadt Berlin] von Berlin [seit den ältesten Zeiten bis zum Jahre 1786, T.] 1 [Berlin 1792], p. 248. 16 1596 erhielt der Kanzler Christian Distelmeier die Magdeburgischen Postulations-Acten aus dem grünen Hut. Daß 1574 die Urc. im grünen Hut waren, sagt Stagius nach dem Frankf. Wochenblatt 1834, p. 690. 14 15
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Acten befanden sich theils in der Behausung der Kanzler und Räthe, theils in der s. g. alten Hofkanzlei, einem Hause, das der Vice Kanzler v. Rhaden und seit 1647 der Geheime Rath v. Kleist besaß und das auch das Vossenholtsche Haus genannt wurde, das älteste Collegienhaus17. Weil die Churfürsten sich öfters in Zechlin aufhielten, sollen auch dort sich viel Papiere befunden haben18. Geheftet wurde in der Regel nichts und so mag manches verlorengegangen sein, doch wurden einzelne Sachen z. B. Reichstagsverhandlungen, die Verhandlungen des Landtags von 1573, bisweilen in einzelne Bände zusammengebunden, und diese sind dann von vorzüglicher Vollständigkeit. Im Archive bestand eine Art von Ordnung, indem die Urkunden in Kasten niedergelegt waren, welche mit Nummern bezeichnet wurden, anderes lag in Schachteln und Laden, zum Theil in Unordnung, auch sollen alte Repertorien von der Hand der Kanzler Weinleben und Distelmeier vorhanden gewesen sein. Ein numerirtes Verzeichniß alter churfürstlicher Papiere des sechszehnten Jahrhunderts von 1561 ist noch vorhanden.
II. Zweite Periode: Vom Jahr 1599, als dem Anfange der jetzigen Archiveinrichtung bis auf Churfürst Friedrich Wilhelm den Großen Der Churfürst Johann George verordnete in seinem Testamente vom 20ten“ Januar 1596, daß alle Urkunden und Privilegien des Hauses bei dem Churfürsten bewahrt bleiben sollten, und im Geraer Vertrag von 1603 wurde deshalb die Bestimmung der Constitutio Achillea von 1473 ausdrücklich erneuert. Möglich ist es, daß jene testamentarische Bestimmung dem Churfürsten Joachim Friedrich Veranlassung gab, dem Urkunden- und Acten-Bestande, den er bei Antritt seiner Regierung vorfand, eine nähere Aufmerksamkeit zu widmen, da er auch als Administrator von Magdeburg (als Churprinz) größte Ordnung in der Verwaltung gehalten hatte. Dieser Churfürst ist der erste Schöpfer nicht nur der neueren obersten Staatsverwaltung überhaupt durch Stiftung des Geheimen Raths19 sondern auch insbesondere des Archivs, wie es noch jetzt besteht. Der Churfürst bestimmte nemlich, da die Schreiberei, zumal in Reichssachen, täglich zunahm, gleich nach Antritt seiner Regierung ein eignes Gewölbe im Schloße zum Archiv und ließ dahin alle Acten, die sich an den oben angeführten Orten zerstreut befanden, bringen20 und das Gewölbe mit Reposituren versehen. Zu17 Es soll an der Breitenstraße gelegen haben. Siehe [Johann Wilhelm Bernhard] Hymnen, Beiträge [zur juristischen Literatur in den Preußischen Staaten, 8 Slgen, Berlin / Leipzig 1775 – 87] und [Philipp] Hainhofer, Reise nach Stettin [Reise-Tagebuch, 1617], p. 14. 18 Jetzt ist dort, eingezogener Erkundigung zufolge, nichts mehr, als alte Rechnungen der Churfürstin Sabine. 19 Vgl. Cosmar und Klaproth bekanntes Werk [Carl Wilhelm Cosmar u. Christian August Ludwig Klaproth: Der Königl. Preußische und Churfürstl. Brandenburgische wirklich Geheime Staatsrath an seinem zweihundertjährigen Stiftungstage den 5. Jan. 1805, Berlin 1805].
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I. Teil
gleich bestellte der Churfürst für das Archiv einen eigenen Registrator, den ersten eigentlichen Archiv-Beamten, und er bestimmte dazu den Erasmus Langenhain [1599 – 1632], der ihm schon 20 Jahre in Magdeburg als Secretair gedient hatte, und den sein Nachfolger Schönebeck [April 1639 – 29. 9. 1662] einen gelehrten und qualificirten Mann nennt. Das Gehalt des Registrators bestand in 120 Th. an Gelde, 2 Winspel Rocken, 2 Winspel Gerste, 12 Scheffel Hopfen, 1 Scheffel Erbsen, 1 Scheffel Buchweitzen, 1 Tonne Käse, 2 Scheffel Salz, 2 gemästete Schweine, 3 Hammel, 2 Stein Talg, 2 Hofkleidungen oder 12 Th.; ein Deputat, welches lange mit diesem Posten verknüpft geblieben ist. Das Archiv wurde übrigens mit der Churfürstlichen Kanzlei (der spätem Staatskanzlei) in eine Verbindung gesetzt, welche bis zum Jahre 1806, wo die Staatskanzlei ganz aufgelöset wurde, bestanden hat. Unter dem 18. Februar 1599 erstattete Langenhain „churfürstlich Brandenburgischer bestellter Registrator“ seinen ersten Bericht über das Archiv an den Churfürsten. Er habe, wie ihm der Kanzler aufgetragen, die Revision der Archivalien vorgenommen, es mangelten indessen manche Originalien z. B. Erbeinigungen, auch sei nicht Alles in Ordnung befunden, wie denn ein Kasten mit dem Rubrum: Churfürst Friedrichs Söhne Theilung nichts davon enthalten, das dahin gehörige sich aber in einer andern Lade aufgefunden habe. Auch an dem Verzeichniß der altväterlichen Verträge, welches ihm der Kanzler zugestellt habe, mangele vieles, z. B. die Disposition Friedrichs I. von 1437, das Original der Constitutio Achillea (welches in Franken sein solle), Rudolphs II. Wahlcapitulation, die Ehestiftung der Markgräfin Sophia mit dem von Rosenberg, eine 1593 dem Lehnsecretair zugestellte Obligation des Königs von Frankreich, vorhanden sei dagegen z. B. Christian Königs von Dänemark Schuldbrief an Joachim I., die Brandenburg Liegnitzsche Erbverbrüderung von 1538 (die zwar 1546 cassirt aber 1593 wieder sollizitirt sei), die Reverse der Brandenburgischen Lehngrafen z. B. der Grafen Hoya über Harisch 1519, der Grafen Mannsfeld Schreiben von 1528 an Joachim I. wegen ihrer Lehen, die Holsteinische Anwardtung von 1590 usw. Hiernach legte Langenhain auch ein Repertorium der Originale und Documente an, wie solche sich in verschiedenen Kästchen befanden, welches die Grundlage zu dem später von Schönebeck bearbeiteten Repertorium wurde. An der Vervollständigung des Archivs nahm der Churfürst selbst Antheil, es findet sich z. B. ein Befehl von 1604 an den Secretair und Registrator Langenhain wegen Aufsuchung alter Papiere, insbesondre aber war man bei dem Tode churfürstlicher Beamter auf Reclamation der Amtspapiere aufmerksam, z. B. wurde 1605 der Registrator beauftragt, die Papiere des Raths Joachim Hübner, 1607 den Nachlaß des Secretairs Joh. Herhusius zu übernehmen. Im Jahr 1604 befahl der Churfürst dem Magdeburgischen Rath Georg von Löben unter den Schriften seiner verstorbenen Schwiegermutter nach den Papieren Markgraf Georg Friedrichs zu suchen und was er finde, zu unserm Archive nach Kölln an den Registrator Langenhain zu senden. Der churfürstliche Kammer Secretair Augustin Hildesheim übergab ein Verzeichniß aller geheimer Papiere, welche die Churfürsten zum Theil selbst ins 20 Z. B. wurde dem Comthur Adam v. Schlieben 1599 die Rosenbergsche Ehestiftung abgefordert, die er aber nicht mehr haben wollte.
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Archiv gegeben, und worunter sich z. B. vieles über die Alchimisterei des sechszehnten Jahrhunderts befand. Unter dem 7. August 1606 berichteten Langenhain und der Hofrentmeister Wernicke dem Churfürsten, daß sie auf dessen Befehl die alten Händel und Sachen, so in der alten Kanzlei gelegen, aufs Schloß bringen lassen, und daß sie an drei Oertern, in der neuen Amtskammer, im Gewölbe bei der Schneiderei und in der Registratur untergebracht wären, die Rentheirechnungen aber von 60 Jahren her in der Renthei. Die spezielle Aufsicht über das Archiv führte der damalige Kanzler von Löben, später der Kanzler Friedrich Pruckmann, der sich des Langenhain auch zu Urkundenabschriften aus dem Archiv bediente, und in der unter dem 13. December 160421 emanirten ältesten geheimen Raths-Ordnung heißt es vom Archive: daß der Churfürst alle zu seinen Händen eingehende Briefe in den geheimen Rath ad deliberandum schicken werde, dieser solle sie, wie auch alle einkommenden Relationen der Abgesandten collegialiter verlesen, keiner davon etwas in sein Haus tragen, wo ihm nicht etwas besonderes aufgetragen werde, in welchem Falle er dann jedesmal dem Registrator eine Recognition darüber ausstellen solle. Die geheime Rathsordnung von 1610 setzt hierüber fest: der Churfürst habe ungern bemerkt, daß die Sachen confuse administrirt würden, da einige Wenige sich aller Sachen anmaßten und die andern nicht hören wollten, solche Praecocität solle eingestellt und nichts zu Papier gebracht werden, als was wohl erwogen und unanimi consilio geschlossen sei, die Acten sollten in loco consilii bleiben, damit jeder Geheime Rath wisse, was einkomme, und sein Bedenken darauf richten könne, und solle der Registrator die Acten in seiner Verwahrung behalten und in Acht nehmen, seiner Pflicht nach. Hieher schreibt sich, daß es nunmehr feststehende Regel würde, daß nur den Geheimen Räthen d. h. also später den Staats-Ministern, der freie Zutritt zum Archiv gestattet war, und daß nur diese gegen eigenhändige Bescheinigungen Acten in ihre Wohnung erhielten. Nicht gar lange nach seiner Anstellung wurde Langenhain invalide. Schon im Jahr 1606 klagt er in einem Schreiben an den Churfürsten, ihn zwinge die äußerste Noth, seinen Herrn zu behelligen, sein Gehör nehme täglich ab, er habe podagrische Zufälle, er diene nunmehr 20 Jahr, und zuletzt 9 Jahre in der Registratur in geheimen Sachen, der Churfürst habe ihm wohl zuweilen etwas außerordentlich zugewendet, da er aber keine Accidenzen habe, habe er nichts sammeln können und bitte er, indem er sich über seine Dienstführung auf das Zeugniß des Kanzlers und der Geheimen Räthe berufe, ihm eine Forderung des Churfürsten an einen gewißen Lichnowsky als Geschenk zu cediren. Zu der Taubheit des Registrators gesellte sich eine steigernde Abnahme des Augenlichts, die endlich in fast völlige Blindheit ausartete und welche sich, nach der Bemerkung seines Amtsnachfolgers Schönebeck dieser erste Archivar omineus genug durch den Staub zugezogen haben soll, welcher von den rochen Steinen, mit denen das Gewölbe gepflastert war, aufstieg. Indessen blieb Langenhain noch längere Zeit in Function, wie sich denn ein eigenhändig vollzogener Befehl Churfürst Johann Sigismund von 1613 an ihn und an ei21
Cosmar [siehe Anm. 19], p. 299.
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I. Teil
nen gewissen Georg Hahn, wohl einen Gehülfen im Archive, vorfindet, wonach beide der Wittwe des verstorbenen Geheimen Raths und Kammer-Secretairs Reichardt Beier, welcher viele geheime sonderlich preußische Sachen unter Händen gehabt habe, dessen Laden abfordern, und sich alles öffnen lassen sollten, um die churfürstlichen Papiere hinauszunehmen und ins Registraturgewölbe zu schaffen, auch sollten sie dem Churfürsten selbst das Verzeichniß der aufgefundenen Papiere zustellen. Die zunehmende Schwäche des Langenhain machte es bald nothwendig, einen Vice-Registrator anzustellen, und man erwählte dazu den Johann Zernitz [1617 – 19. 5. 1639], oder wie er als Schriftsteller bekannter ist, Cernitius, dessen sich schon der Kanzler Pruckmann 1615 zu Abschriften aus dem Archive bedient hatte. Der Vice- oder wie er auch heißt Geheime Vice-Registrator erhielt dasselbe an Gehalt und Deputat, was Langenhain empfing. Nach einem Bericht der Geheimen Räthe an Churfürst Georg Wilhelm von 1617 war Cernitius bereits damals als Substitut des Registrators bestellt, hielt sich aber schon ein halbes Jahr bei dem Churfürsten in Preußen auf, weshalb die Geheimen Räthe den Churfürsten baten, ihn schleunigst zurückkehren zu lassen, damit nicht wegen der häufigen Podagraanfälle des Registrators Langenhain eine treffliche Confusion entstehe, auch sei der Substitut weder im Archiv noch im Gewölbe schon hinreichend bekannt, und sei zu befürchten, daß wenn Langenhain krank werde oder sterbe, niemand Bescheid wissen werde. Beide, Langenhain und Cernitius, hätten auch angefangen, alle Acten im Gewölbe zu registriren, seien aber damit lange noch nicht fertig22. Nach diesem Bericht gab es also damals zwei Aufbewahrungsorte, das Gewölbe für die Acten und das Archiv für die Urkunden23. Cernitius muß hierauf auch aus Preußen zurückgekehrt sein, denn wir finden, daß er im Jahr 1620 eine Eingabe an den Statthalter und die Geheimen Räthe richtete, worin er bat, ihn in Sold und Deputat dem Amts-Kammer-Registrator gleich zu machen. Seine Gläubiger verlegten ihm alle Gassen und Pässe zum Archive, verfolgten ihn mit schimpflichen Briefen und Mahnsuppen, er würde sein Wohnhaus zum Schaden von Weib und Kind verkaufen müssen und in Schimpf gerathen, und bitte er daher, ihn des Archivdienstes zu entlassen, und ihn wegen der Dienste, die er einige Jahre in der Geheimen Kanzlei geleistet, zum Amtsschreiber in Fürstenwalde zu machen. Hierauf erging indessen ein churfürstliches Rescript aus Preußen, wonach Cernitius als Vice-Registrator, da er jetzt der Registratur kundig sein werde, nicht entlassen sondern Sold und Deputat, wie der Amts-Kammer-Registrator haben solle, bis Langenhain sterbe, da er dann dessen Posten erhalten sollte. Churfürst Georg Wilhelm wollte im Jahr 1623 die alten Landtagsreverse von 1602 und 1615 nicht eher bestätigen, als bis er sie gelesen, und befahl daher, ihm solche aus dem Archiv vorzulegen. Auch wurde 1628, bei Gelegenheit des bekannten RestiNach diesem Bericht hatte der geheime Rath damals nur 2 Schreiber. Hainhofer erzählt (p. 122) daß er 1617 „die Kammer zu den Archivis“ im Schloß gesehen habe. 22 23
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tutionsedicts eine Nachforschung nach den Reformationsacten gehalten, insbesondre Vergleiche wegen Annahme der lutherischen Religion mit den Brandenburgischen Stiftern vergeblich gesucht. Im Jahre 1624 schrieb Cernitius an den Churfürsten, er habe seinem Versprechen zufolge angefangen, die Genealogie des Brandenburgischen Hauses zu bearbeiten und überreiche als Probe das in Kupfer gestochene Portrait Churfürst Friedrichs des Ersten; da dies Werk dem ganzen churfürstlichen Hause zu Ehren gereiche, so bitte er, ihm zu den Kosten 50 Th. aus eingehenden Strafgeldern anzuweisen, ihm auch aus den churfürstlichen Papiermühlen zu Cottbus und Zehdenick unentgeldlich Papier verabfolgen zu lassen. Letzteres wurde ihm vom Churfürsten bewilligt, und man sieht hieraus, daß George Wilhelm sich für dies schätzbare, unter dem Namen Cernitii Icones noch rühmlich bekannte Werk interessiert hat. Während des bald danach in die Mark einbrechenden dreißigjährigen Krieges suchte man das Archiv, dessen hohe Wichtigkeit man wohl erkannte, in Sicherheit zu bringen; 1626 wurde angefragt, ob etwa die Acten der Sicherheit wegen in den runden Thurm zu setzen seien, und unter dem 15. May 1628 erging ein Befehl des Churfürsten von Preußen aus, alle Acten von 1625 wegen des Kaisers, des dänischen Krieges, der Kronen Schweden, Polen, Siebenbürgen, welche man für gefährlich erachtete, versiegelt nach Cüstrin an einen sichern Ort zu schicken, zu den andern dortigen geheimen Sachen, und sollte der Kanzler die Schlüssel zur Kiste behalten. Hierauf wurden viele der wichtigsten Archivalien nach Spandau, Cüstrin und Peitz gebracht, von wo sie erst nach Beendigung des Krieges unter dem großen Churfürsten zurückgebracht wurden. In Spandau standen die Acten-Kisten im Zeughause an einem feuchten Ort und sollen dadurch sehr gelitten haben. In den letzten Jahren seines Lebens befand sich der fast völlig erblindete Langenhain nicht mehr im Archive, sondern zog mit der schwedischen Armee umher. Cernitius wollte auch den Registraturdienst für den bisherigen Sold nicht mehr versehen und forderte seinen Abschied oder eine andre Stellung, die man ihm aber nicht gern ertheilen wollte, da man seinen Nutzen im Archive wohl einsah. Churfürst Georg Wilhelm gab daher unter dem 10ten December 1631 dem Cernitius eine neue Bestallung, in der es heißt, er sei zwar auf das Protonotariat am Kammergericht vertröstet worden, da er aber der Registratur vor andern kundig und es unmöglich sei, beide Officia in einer Person zu vereinigen, so habe man seiner nicht gern entrathen wollen und durch Kanzler und geheime Räthe mit ihm gehandelt, daß er sich des Protonotariats begebe und in der Registratur bleibe. Man habe daher dem Stolmeister das Protonotariat gegeben, und dem Cernitius an Stolmeisters Stelle neben seinem bisherigen Amt, das Secretariat beim geheimen Rath, wo sich die Geschäfte täglich mehrten; Cernitius werde also hierdurch Geheimer Secretarius, verbleibe dabei Registrator mit seinem vorigen Gehalt, und erhalte dazu Stolmeisters Gehalt, also doppelte Besoldung von 220 Th. gut Geld jährlich aus den Salzgeldern, und doppeltes Deputat, mit Ausnahme der Schweine, deren er nur 2 erhielt, also 4 Winsp. Rokken, 4 W. Gerste, 1 W. Hopfen, 2 Schffs. Erbsen, 7 Hammel aus dem Amt Mühlenhof, 2 Tonnen Käse, 4 Schffs. Salz, 4 Stein Talg oder Lichte, 4 Schffs. Grütze aus
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der Hofküche und 4 Hofkleidungen oder für jede 6 Th. aus der Hofrenthey, außerdem bei Amtsreisen Futter und Zehrung, wie dies alles der Amtskammer liefern zu lassen befohlen wurde. Ueberdies wurde dem Cernitius versprochen, daß sein Gehalt nicht reducirt werden solle, und daß er es lebenslänglich beziehen solle, wenn er auch Altershalber untüchtig werden sollte. Cernitius, der sich für unentbehrlich hielt, schrieb diese Bedingungen förmlich vor, und machte sich, was damals ungewöhnlich war, sogar aus, daß nach seinem Tode seine Wittwe eine lebenslängliche Pension von 50 Th. jährlich aus den Salzgeldern erhalten sollte, wogegen er sich anheischig machte, sich lebenslänglich zur Registratur brauchen zu lassen. Uebrigens soll Cernitius, weil er beim Secretariatsdienst Accidenzen hatte, seitdem das Archiv etwas versäumt haben. Im Sommer 1632 starb endlich der alte, fast erblindete Langenhain als churfürstlicher Agent bei der schwedischen Armee, da diese sich grade im Lager vor Nürnberg befand. Der Statthalter Markgraf Sigismund erließ sobald er dies vernahm, unter dem 17. August dieses Jahres ein Schreiben an den churfürstlichen Kammerjunker Alexander Ludwig von Lüderitz, der sich im Schwedischen Lager aufhielt, und den Langenhain zur Erde bestattet, und dessen Sachen an sich genommen hatte, worin er ihm hierfür dankt, da sich unter Langenhain’s Papieren viele Geheime Churfürstliche befänden, und ihn ersucht, letztre über Leipzig nach Berlin bringen zu lassen. Wenn das Lager schon von Nürnberg aufgebrochen sein sollte, sollte dies Schreiben durch Nürnberger Kaufleute weiterbefördert werden, woraus man sieht, wie viel an dem Habhaftwerden der Langenhainschen Papiere lag. – Seit dieser Zeit war also Cernitius nicht mehr Vice-Registrator, sondern wirklicher Geheimer Registrator, und wurde bald darauf auch wieder ein Viceregistrator mit dem halben obigen Gehalt und Deputat in der Person des Joh. Franke angestellt, der indessen schon 1637 wieder verstarb. Im Jahre 1638 wurde Cernitius zur böhmischen und kaiserlichen Lehnempfängniß nach Wien geschickt, im folgenden Jahre 1639 am 19. May starb er indessen schon; und hielt die Wittwe um die zugesicherte Pension der 50 Th. an. Der Statthalter Graf Schwarzenberg berichtete deshalb aus Spandau 17. Juny d. J. an den Churfürsten, daß Cernitius außer seinem doppelten Gehalt, auch mit 2 Schulzengerichten begnadigt worden, daß ihm der verstorbene Johann Franke als Viceregistrator gehalten worden sei, und dennoch beide das Archiv in großer Unordnung hinterlassen hätten, besonders habe Cernitius schlechten Fleiß gehabt, so daß die Geheimen Räthe oft darüber geklagt hätten, und habe er mehr seine Privatgeschäfte als die Registratur besorgt. Da nun auch die Salzgefälle zum Kriegsstaat gewidmet seien, so könnte die Pension der 50 Th. daraus nicht bezahlt werden, ohne sich Beschwerden der Stände zuzuziehen. Der Churfürst anwortete indessen hierauf aus Ortelsburg (21. July 1639) die 50 Th. müßten, wie es versprochen sei, aus dem Holzgeld und eventuell auch aus dem Salzgelde gezahlt werden, und brauche ja niemand zu erfahren, daß diese geringe Summe aus den Salzgeldern genommen würde. Nach Cernitius Absterben wurde das Archiv interimistisch verwaltet, bis ein Mann hineinberufen wurde, dem, wiewohl ihm das Amt, wie er selbst sagt, anfangs
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ganz unbekannt war, dieses Institut sehr vieles, namentlich seine ganze jetzige Einrichtung und die noch in Gebrauch seienden Repertorien verdankt, wie dies in der folgenden Periode näher gezeigt werden wird. Es war der Christoph Schönebeck [April 1639 – 29. 9. 1662], ein Bruder der Frau des bekannten Vicekanzlers Kohl (in dessen Hause er sich auch aufhielt) und aus Stendal gebürtig. Churfürst Georg Wilhelm schrieb deshalb aus Königsberg den 14. April 1639, also noch ehe Cernitius gestorben, daß zwar ein fleißiger Mann das Archiv allein versehen könne, daß es indessen nöthig sei, noch einen zu halten, der bei einem plötzlichen Todesfalle sucondiren könne, weshalb Schönebeck, der ihm sehr dazu gerühmt worden, Registrator werden, die Vice-Registratorstelle aber offen bleiben solle. Das Amt gehörte damals nicht zu den erfreulichen. Das Archiv war in Unordnung24, fast alles unrichtig, Indices oder Repertorien fehlten fast ganz, an eine förmliche Uebergabe war daher nicht zu denken, so sehr auch Schönebeck auf eine solche drang, und es war nicht einmal ein Diener vorhanden, der dem nunmehr alleinstehenden Registrator hätte Hülfe leisten können. Dabei war wegen der Kriegsdrangsale das Gehalt (wie alle andre Gehalte damals) auf die Hälfte, also auf 60 Th. reducirt, und alles Sollizitiren bei dem Statthalter um Zugabe eines Dieners half nichts. Der Advocat Johann Tornow, dem das Amt angeboten war, hatte es daher ausgeschlagen, und Schönebeck mag wohl Recht haben, daß ihm bei dessen Uebernahme alle Bekannte condolirt hätten, es sei gleichsam ein perpetuus carcer ohne Gage und spes fortunae. Es fehlte an allem und im Jahr 1640 mußten sogar die Kammergerichtskanzleiverwandte Abschriften aus dem Archive machen, als Reichstagsacten gebraucht wurden, weil die churfürstliche Kanzlei sich in Spandau und Preußen befand. Schönebeck leistete jedoch alles, was eines Menschen Kräfte unter solchen Umständen vermochten. Die nähere Aufsicht über die Archive führte nach wie vor der Kanzler, namentlich Friedrich Pruckmann († 1630), von dem sich z. B. eine Correspondenz mit Cernitius aus dem Jahr 1623 findet, und nach dessen Ableben alle Papiere inventirt und zum Archiv gebracht wurden. Die Theilnahme des Levin v. d. Knesebeck an diesem Institut wird auch sehr gerühmt, und soll er das Archiv für eine äußerst importante Sache gehalten haben. Unter der Regierung Churfürst Georg Wilhelms gab es übrigens schon neben dem Archiv oder der Geheimen Registratur einige Nebenregistraturen untergeordneter Behörden, namentlich: (1) Die Amtskammerregistratur, deren Registrator ebenfalls 110 Th. Gehalt und das obenerwähnte Deputat hatte25. (2) War ein Registrator bei der Geheimen Kammerkanzlei. Dazu wurde im Jahr 1630 (Königsberg 15.125. Januar) zuerst Johann Sauppe bestellt, welcher alle 24 [Marginalnotiz von anderer Hand auf S. 60 des Manuscriptes:] Bemerkg. von Schoenebeck in: R 7 alte H., fasc. 7: „Diese Regulae [Registraturae] seindt recht nützlich, aber bey dem Archiv ganzt nicht practiciret, wie es d[er] Augenschein An[no] 1639 gegeben, da die confusion so groß war, daß es damit nicht viel ärger werden können.“ 25 Ebenso viel hatte auch ein Secretair bei der Geheimen Kanzlei.
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Expeditionen fleißig registriren und verwahren, die darin vorkommenden verschiedenen Punkte (am Rande) rubriziren und keine Acten ohne Vorwissen der Geheimen Räthe und Kammer-Secretarien herausgeben sollte. Der Registrator erhielt 200 Th. Gehalt, sollte dafür aber in der Kammerkanzlei besonders lateinische Briefe abschreiben. Diese geheime Kammerkanzlei enthielt besonders die preußischen Sachen. (3) Ein besonderer Registrator befand sich zu Königsberg in Preußen. Nach der Bestallung des preußischen Kanzleiregistrators von 1636 erhielt derselbe baar Geld und ein Deputat von Malz, 5 Tonnen Bier, Holz, 1 Ochsen, 1 Tonne Butter und die Hofkleidung. (4) In Cüstrin befand sich ein Registrator für die Neumärksche Regierung, welcher 120 Th. Gehalt, Kleidung fur 2 Personen, 2 Wspl. Rocken, ebensoviel Gerste, einen halben Ochsen, 2 Schweine, 3 Hammel und eine halbe Tonne Butter, 1 Tonne oder 24 Schock Käse, 1 Stein Talg, 2 Schff. Salz, 1 Schff. Erbsen, 1 Schff. Buchweizen, 12 Schff. Hopfen erhielt26. (5) Auch für die Cleveschen Lande gab es Archivbeamte, und zwar war hier das Archiv von der Registratur getrennt, und gab es neben einem besondern Archivar einen Registrator mit 300 Th. Gehalt. Endlich entstand unter Schwarzenbergs besonderer Leitung der geheime Kriegsrath, dessen Sitz in Spandau war und der die wichtigsten Militairverhandlungen während des großen deutschen Krieges besorgte, auch bald eine eigene Kanzlei und Registratur erhalten zu haben scheint27.
III. Periode unter der Regierung Churfürst Friedrich Wilhelm des Großen Der glorreiche große Churfürst hat persönlich dem Archive viele Aufmerksamkeit gewidmet, da er die Wichtigkeit desselben für die ganze Staatsverwaltung wohl erkannte; zu Anfange seiner Regierung verhinderten aber seine Abwesenheit und die Kriegsdrangsale, daß er nicht sogleich mit der ihm eigenen Weisheit und Festigkeit in diesen Geschäftskreis eingreifen konnte, doch erging wenige Wochen nach dem Regierungsantritt des Churfürsten am 23 / 13 December 1640 aus Königsberg der Befehl, daß wie zuvor, alle Concepte zur Registratur sollten und daß alle Sachen, so bei der geheimen Kammer-Kanzlei ausgefertigt würden, gesammelt und nach Jahresfrist zur Registratur zu Cölln an der Spree eingeliefert werden sollten. Bis dahin solle der geheime Kämmerer-Kanzlist Michael Mathiaß die mundirten Concepte sammeln, auch ohne Vorwissen der geheimen Räthe nichts weggeben und erhielt er dafür ein besonderes Gehalt von 50 Th. vom Hofrentmeister. Seitdem wurde es üb-
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Diese Anführungen sind wohl nicht ohne alles Interesse. Siehe Cosmar pr. Staatsrath [Anm. 19], p. 152.
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lich, daß die Geheime Kanzlei alle Jahre die bei ihr gesammelten Sachen zum Archiv lieferte. Schönebeck befand sich in ungünstigen Umständen. Alle seine Bitten, die er 1641 um Verbesserung seines Gehalts an die geheimen Räthe richtete, seine Vorstellungen, daß ein solches weitberühmtes Werk (das Archiv) wohl eines Menschen würdig sei, waren umsonst, wie wohl die Räthe seinen Fleiß und seiner Unverdrossenheit das beste Zeugniß gaben; er mußte 3 Jahre für das reducirte halbe Gehalt dienen, bis der Churfürst von Königsberg aus (19. Novbr. 1641) die Reduction der Gehalte allgemein aufhob, und die alten Bestallungen herstellte, so daß Schönebeck von 1642 ab wieder 120 Th. neben dem bisherigen Korndeputat erhielt. Indessen ließ sich Schönebeck nicht abhalten, Hand ans Werk zu legen und mehrere von ihm in den Jahren 1642 und 1643 aufgesetzte Berichte ergeben, was er für das Archiv gethan hat. Er fand das Archiv, wie er sich ausdrückt, in einer exquisiten Unordnung, weil sein Vorgänger Cernitius sich mehr um den einträglichen Kanzleidienst bekümmert habe, und seine Vorstellung, daß ein Diener nöthig sei, unbeachtet blieb. Im Archiv befanden sich etliche hundert Kästchen mit Nummern, worin die Sachen confus genug lagen. Schönebeck vertheilte also die Spinden in 9 Reposituren und letztere wieder in Nummern nach den Kästen, so daß die Repositur auf den Kasten, diese auf jene wiesen. Dann fing er an, die Reichsacten zu binden (heften) stellte es aber auf die Bemerkung des churfürstlichen geheimen Raths Thomas v. Knesebeck, daß sich viele Privatsachen, auch andre Gegenstände z. B. Jülichsche Sachen, dazwischen befänden, ein und begann dagegen die Acten, welche bisher nur für jede Provinz nach den Jahren chronologisch niedergelegt waren, nach Materien, Orten, Familien usw. jeder Provinz, zumal der Mark Brandenburg, zu sondern, und nach dieser neuen Ordnung in Repertorien einzutragen. Alles hierbei durchzulesen, war unmöglich, weshalb auch nicht alles speciell in das Repertorium eingetragen wurde, wie Anfangs versucht wurde, indessen haben diese Repertorien doch große Vorzüge vor den frühern ganz summarischen. Aus jedem Repertorium wurde ein Index freilich auch nur oberflächlich gemacht, Ausarbeitungen über einzelne Städte, Familien etc. zu jeder Rubrik seien zwar trefflich, aber schwer zu erreichen, und über eines einzigen Menschen Kraft, und wurden daher aufgegeben. Wo eine Sache mehrere Materien betraf, wurden Hinweisungen von einem Convolut auf das andre angelegt, dergleichen sich noch jetzt viele von Schönebecks Hand vorfinden. Aus diesem Verfahren ging nur allmählig die noch jetzt bestehende Ordnung hervor (welche ein späterer Nachfolger des Schönebeck nicht ohne Grund ein Meisterstück genannt hat) und die noch jetzt gebrauchten Repertorien. Zugleich zeigte Schönebeck in mehreren wohlgearbeiteten Memoiren den geheimen Räthen die Wichtigkeit des Archivs und die Nothwendigkeit, demselben die Aufmerksamkeit zu schenken, von der mancher nichts wissen wolle. Zunächst sei die Auswahl des Archivars ein sehr erhebliches Ding, es müsse ein gelehrter Mann sein, der Historie und fremde Sprachen könne und beständig fortstudiern, dazu sei es gut, ihn zu Geschäften zuzuziehen, um nicht das Erlernte in der Registratur zu
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verscharren, besonders aber sei Ordnung und Fleiß eine Haupteigenschaft, da nichts schädlicher sei, als Sachen ungeordnet in die Reposituren zu legen, wo sich ihrer bald die Mäuse bemächtigten, und eine einmal eingerissene Unordnung sei sehr schwer zu redressiren, besser sei es immer, minutissima gar nicht ins Archiv zu thun. Nöthig sei es dann aber auch, den Archivar gehörig in Ehren zu halten, wie z. B. man in Pommern nur Doctoren zu Archivare mache, und bei andern Fürsten nur Räthe, was dem Churfürsten auch großen Nutzen schaffen würde, und wobei er nicht seinen eigenen Vortheil, sondern nur das Aufnehmen dieses so niedrig gehaltenen Werks suche, denn jetzt sei die Stellung eines Archivars gering ästimirt28 und werde für eine melancholische Charge gehalten. Freilich habe ein Archivar kein Geld unter Händen, was jetzt allein ästimirt werde und seine Mühewaltung, wie fleißig er auch sei, bleibe verborgen, gleichwohl sei die Wahl dieses Beamten eine sehr wichtige Sache, und dem Archive eine schlimme Nativität zu stellen, wenn man nicht besser darauf achte. Hiermit verband Schönebeck bestimmte Vorschläge: (1) Früher habe man 3 Registratoren gehabt, nemlich einen Registrator, Viceregistrator und dann den Kammerregistrator Saupe für die preußischen Sachen, jetzt stehe er ganz allein, wiewohl zwei Gewölbe voll Acten angehäuft wären, was für einen Registrator fast zu viel sei. Zu drei Personen könne er indessen nicht rathen, weil die Diversität der Humoren zu beachten sei, höchstens würden zwei Personen zu bestellen sein, einer für die preuß- und jülichschen, der andre für die Reichs- und märkischen Sachen; es genüge aber auch wohl ein Registrator, wenn man diesem nur einen Diener halte (den er bisher trotz seines reducirten Gehalts aus seiner Tasche habe unterhalten müssen) und diesem auch einige Aussicht auf Versorgung gebe, da ihm des beständigen Sitzens wegen schon zwei weggegangen wären, und der öftere Wechsel gefährlich sei. (2) Auf die Vervollständigung des Archivs müsse man besonders ein Augenmerk haben. Viele Sachen wären nie ins Archiv gekommen z. B. die Erbverbrüderungsacten von 1614 (welche in Cüstrin später aufgefunden wurden); 1621 habe Pruckmann schon geklagt, daß die wichtigsten Acten aus der Zeit Churfürst Johann Sigismunds fehlten, weshalb man solches auch von ihm nicht fordern könne; oft werde Jahre lang nichts abgeliefert und die Acten des Herrenmeisters Schwarzenberg seien höchst confus aus Spandau eingeliefert. Noch ständen zu Cüstrin 20 Centner Acten in 5 Kisten, zu Spandau 3 Kisten und anderes sei nach Peitz geflüchtet, z. B. die Reichs- und Böhm. Lehns-Acten von 1638, was alles wieder herbeigeschafft werden müsse. (3) Müsse für eine richtige und promte Einlieferung der Sachen aus der Kanzlei gesorgt, auch vorgeschrieben werden, daß alle Sachen in der Kanzlei in margine gehörig rubricirt (überschrieben) würden. 28 Es findet sich bemerkt, daß bei der Beerdigung Markgraf Ernsts am 7. April 1643 der Registrator Schönebeck vor dem Secretair Taschenberg und dem Hofrentmeister gegangen sei.
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(4) Sei die schon von Levin v. Knesebeck und Pruckmann gemißbilligte Distraction der Materien zu vermeiden, da jetzt fast alles zur Kriegskanzlei gezogen, und viele preuß. und clevische Sachen in die Amtskammer oder auch ins Archiv gebracht würden; woher alles ungewiß werde, insbesondre seien auch die Claves der Chiffres z. B. in polnischen Sachen zum Archiv zu bringen, da nicht alles dechiffrirt sei. (5) Sei der alte Gebrauch aufrecht zu erhalten, daß nur die geheimen Räthe gegen Bescheinigungen unter ihrer eignen Hand Acten aus dem Archiv zu erhalten befugt seien, und der Amtskammer unter Unterschrift des Kammermeisters und der Amtskammerräthe nur die Oeconomica mitgetheilt würden. (6) Müsse die so beengte geheime Registratur, zu der übrigens noch ein Cabinetchen in der geheimen Kanzleistube gehörte, etwa durch das Gewölbe, wo die Schatzkammer gewesen, erweitert werden. Wiewohl Schönebeck diese Mängel am Archive 1643 auch dem Kanzler Sigismund v. Götzen als „Oberpatron“ des Archivs anzeigte, so konnte doch bis zur Beendigung des Krieges nicht viel geschehen, außer daß am 13ten“ November 1643 noch ein eigener Viceregistrator in der Person eines gewissen Nicolaus Wernicke [13. 11. 1643 – April 1659] angestellt wurde, welcher einen Eid leistete, die Registratur in Ordnung zu halten, alle Geheimniße bis in seine Sterbegrube zu bewahren und ohne Vorwissen des Kanzlers und der geheimen Räthe nichts zu extradiren, und erhielt er 1644, 20. März eine förmliche Bestallung als Viceregistrator mit 120 Th. Gehalt und dem Deputat. Es finden sich auch einige Befehle des Churfürsten selbst an den geheimen Kammerregistrator (auch geh. Kanzleiregistrator benannt) Schönebeck von 1645 und 1646 z. B. dem v. Blaspiel die Clevischen Sachen vorzulegen, auch wurden 1645 den Archivaren, wegen ihrer vielen Geschäfte mit preußischen und clevischen Sachen, 70 Th. aus preuß. Revenuen und ebensoviel aus Cleve beigelegt; der Ursprung der s. g. (Provinzial) Archivgelder, welche bis 1806 bestehen geblieben sind, und wovon noch mehr die Rede sein wird. Im Jahre 1646 berichteten beide Archivbeamte dem Churfürsten, er habe ihnen zwar befohlen, das Archiv ordentlich zu conserviren, und alles gehörig einzutragen, nun erhielten sie aber die Acten nicht ordentlich eingeliefert, z. B. die jetzt aus Preußen gekommenen Acten seien noch nicht zum Archiv gekommen, dann erhielten sie wieder anderthalb Jahr lang aufgesammelte Acten auf einmal, so daß ihnen schwer falle, sie einzutragen, früher habe man alle halbe Jahr abgeliefert und in Cleve geschehe dies alle Vierteljahr, man möge der geheimen Kanzlei einen ordentlichen Termin zur Abgabe setzen. Hierauf verfügte der Churfürst (22. July 1646), die geheimen Sachen müßten die geheimen Räthe noch an sich behalten, die märkischen, preuß. und clevischen Sachen sollten bald ausgeantwortet oder ihnen wenigstens Specificationen vorgelegt werden. Man sieht, daß der Churfürst Ursache hatte, die aus Preußen mitgebrachten geheimsten Sachen noch zurück zu behalten. Mit dem Abschluß des Osnabrückschen Friedens im Jahre 1648 erlangte das Archiv eine neue Bedeutsamkeit, weil der preußische Staat so sehr vergrößert wurde,
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und von den neu hinzugetretenen Landestheilen erhielten Pommern, Magdeburg, Halberstadt und Minden eigene Reposituren im Archiv. Bei Gelegenheit der Einlieferung der Osnabrückschen und Münsterschen Friedensacten 1650 erstattete Schönebeck einen Bericht an den Churfürsten und äußerte darin: da das Archiv wegen der neu incorporirten Provinzen sehr erweitert sei, erscheine sehr nothwendig, (1) alle Sachen in der Kanzlei gehörig zu rubriziren; (2) einen Befehl an die verschiedenen Regierungen zu erlassen, daß sie in ihren Berichten alle Materien absonderten; (3) daß von jeder Regierung Abschriften der wichtigsten älteren Privilegien, Landtagsrecesse usw. zur Information der geheimen Räthe an das hiesige Geheime Archiv eingesendet würden; (4) die Acten der Reichstage usw. kämen jetzt in großer Unordnung zum Archiv; früher sei einer der Archivare (Cernitius oder Franke) mit auf die Reichstage gereiset, um die Acten in Ordnung zu halten, dies sei jetzt zwar nicht mehr möglich, es müsse aber die Unordnung abgestellt werden; auch müßten alle anderen Gesandte Directoria ihrer Papiere halten und gehörig abliefern; (5) daß der Reise- oder Kammerregistrator, der den Churfürsten auf Reisen begleite, ein Mitglied des Archivs sei, würde sehr nützlich sein, weil er dann die Acten, die sich bei den Reisen sammelten, desto eher archivmäßig in Stande halte; (6) die Vorschrift, daß nur auf eigenhändige Befehle der Geheimen Räthe, Acten, und zwar versiegelt, ausgegeben, und solche bald zurückgeliefert werden müßten, sei aufrecht zu erhalten, früher seien auch wohl die geheimen Räthe selbst ins Archiv gekommen, um sich mit dem Registrator zu besprechen; jetzt werde alles durch dritte Personen abgefordert; (7) ehedem sei alles Wichtigere ins Archiv gelangt, z. B. befänden sich aus der Zeit der Kanzler Pruckmann und Levin v. Knesebeck alle preußische und clevische Oeconomica im Archive, jetzt behalte die Amtskammer und der Oberjägermeister viel wichtige Sachen hinter sich. Hiermit verband Schönebeck Vorschläge wegen der mit der Post eingehenden Sachen und deren Verzeichnung, wegen Einführung eines Diarii (Journals) aller einkommenden Sachen usw. und er bat zugleich um Hülfe, namentlich durch Anstellung eines Dieners, den die beiden Registratoren bisher auf ihre Kosten unterhalten hätten, was aber nicht zuverlässig sei, und müßte dem Diener eine Aussicht auf dereinstigen Zolldienst gegeben werden, damit man sich seiner Treue versichere. Die Acten häuften sich täglich in den zwei großen Gewölben, so daß es für 2 Personen fast zuviel sei, oft kämen sie daher vor vieler Arbeit nicht zum Essen und scheine es billig, ihnen dann etwas aus der churf. Küche und Keller zu liefern. Von diesem Zeitpunkt ab begann der Churfürst sich für das Archiv zu interessieren, wie er denn 1651 selbst einen Befehl an den Kammerpräsidenten unterzeichnete, daß Geld zu Tischen, Schemeln, Repertorien, zu Blechkapseln für die alten
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Siegel an das Archiv zu zahlen sei. Es findet sich ein Brief des Viceregistrators Wernicke an Schönebeck von 1650, worin es heißt, es scheine als ob der Churfürst und die Geheimen Räthe nunmehr etwas mehr Gefühle und Lust zu den alten Briefschaften empfänden, der Churfürst habe sich z. B. das alte Zollprivilegium mit Wohlgefallen angesehen. Um diese Zeit kaufte auch der Churfürst viele sehr alte Magdeburgische Originalurkunden, welche mit den aus Cüstrin zurückgebrachten noch eine Zierde des Cabinettarchivs sind, auch wurde 1650 Schönebecks Gehalt um 80 Th. verbessert, so daß er nun 200 Th. hatte, und geschah dies hauptsächlich aus dem Grunde, weil der Vicekanzler Kohl, in dessen Hause er bisher gelebt hatte, gestorben war und er eine eigene Haushaltung anfing. Unter dem 4. December 1651 erließ der Churfürst von Cleve aus eine Ordnung für den Geheimen Rath, worin diesem überhaupt, einigen Geheimen Räthen aber noch besonders die Aufsicht über das Archiv übertragen wird. Es heißt darin, daß die Registratoren des Morgens um 8, des Mittags um 2 Uhr sich einfinden sollten, der Registrator solle (da hier das Archiv und die Registratur vereinigt sei) Archivar heißen, und dafern er den Rathstitel nicht habe, den Rang unter den zwei Kammer (Kabinets-)Secretairen haben, da er ein gebildeter Mann sein, fremde Sprachen usw. verstehen müsse, der bisherige Viceregistrator aber solle Registrator heißen. Außerdem solle der Reiseregistrator zum Archiv gehören, dessen Pflicht sei, unterwegs die eingehenden Sachen aufzusammeln, zu verzeichnen, und demnächst ins Archiv abzugeben. Von den beiden Beamten im Archiv solle der Archivar alles Eingehende annehmen, der Registrator dagegen ausgeben und weglegen, auch könne einer auf Convente und Reichstage mitgeschickt werden, der andre aber und der Archivdiener solle stets in Berlin bleiben. Ein beständiger Archivdiener, so im Schreiben geübt, sei von nun an zu halten und durch eine Anwartschaft auf einen Zolldienst festzuhalten, das Ofenheizen, Kehren, die Tischlerarbeit usw. solle die Amtskammer besorgen. Wenn die Archivare Arbeits halber ungegessen im Archive verbleiben, sollen sie, wie die Geheime Kanzlei, nothdürftiges Essen und Trinken erhalten. Zugleich genehmigte der Churfürst, daß die wichtigsten Privilegien der Provinzen abschriftlich ins Archiv eingeschickt würden, und befahl dahin zu sehen, daß alles z. B. die Claves der Chiffres ordentlich zum Archiv komme, auch wenn ein Geheimer Rath sterbe, durch den Archivar gehörig inventirt werde, daß ferner die Geheimen Räthe auch ihre Privatcorrespondenz mit den Gesandten zum Archiv gäben, und letztere solche Correspondenz mit in ihr Directorium aufnähmen, und die Acten überhaupt in Ordnung hielten. Daß viele Prototolle des Geheimen Raths nicht zum Archiv kämen, sei unrecht, da die Nachkommen doch nur aus den Prototollen, wenn der Churfürst anwesend oder aus den Relationen, wenn er abwesend sei, wissen könnten, was vorgefallen sei. Wie üblich, dürfe nichts ausgegeben werden, als auf eigenhändige Schrift der geheimen Räthe, auch sei alles Ausgegebene vorher ordentlich zu numeriren und wo es viel sei, ein Directorium darüber zu machen. Die Geheimen Räthe sollten den Archivar fleißig nach den Anteacta fragen, und nicht, wie zu geschehen pflege, bloß die letzte Verhandlung nachlesen, niemand aber solle Acta länger als 4 Wochen behalten, auch soll der Archivar auf die Defecte in den Acten passen, und müsse das Archiv von Zeit zu Zeit durch einen Geheimen Rath visitirt werden. Da
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die Urkunden 20 Jahre in Cüstrin gelegen und es gefährlich sei, stets die Originale zu brauchen, wolle der Churfürst Personen bestellen, welche der alten Schrift kundig, um sie abzuschreiben, auch sollten die preußischen Landtagsrecesse abschriftlich, dergleichen die Abschriften neumärkischer Urkunden aus Warschau, die der König von Polen bewilligt, zum Archiv kommen. Endlich werden die Pflichten des churf. Reiseregistrators aufgeführt; besonders merkwürdig ist aber in dieser Instruction, daß darin der Archivar verpflichtet wird, den Churfürsten selbst aufmerksam zu machen, wenn er in den Acten befinde, daß etwas der Observanz entgegen gehandelt oder der Churfürst nicht recht informiert worden sei. – Dieser Instruction ungeachtet richtete Schönebeck mancherlei Vorstellungen wegen des Archives an die Geheimen Räthe, und da er zu seinem großen Mißvergnügen keine Resolution erhielt, ließ er im Jahr 1652 ein Memorial wegen des Archivs an den Churfürsten selbst abgehen, worin er seine Vorschläge und Bedenken abermals vorträgt. In dem hiesigen Archive sei nicht, wie in Cleve, das Archiv von der Registratur getrennt, sondern Alles zusammen, doch sei der Registrator ohne Ansehn, da doch in Cleve und Pommern der Archivar den Rathscharakter habe. Bisher sei das Archiv in die Provinzen Mark, Preußen, Cleve zerfallen, jetzt träten die zuerworbenen Provinzen hinzu, auch sei früher in den Provinzen keine Ordnung nach Materien, nur eine chronologische, beobachtet worden, er habe nun chronologische Repertorien der Provinzen zuerst angelegt, außerdem die Materien zusammengelegt und für jede Provinz besondre Titel gemacht, theils alphabetisch nach den Aemtern, Städten pp. theils sonst, auch habe er die Reichssachen von den Privatis der einzelnen Stände und Fürsten getrennt, da sie bisher vermischt gewesen, und werde diese Ordnung künftig nicht leichtsinnig zu verlassen sein. Es seien jetzt 400 große Kasten, dann gewisse Titel z. B. in der Repos [itur] 21 (Relationen der Geheimen Räthe) habe der Titel No. 136 wohl 34 Convolute und enthalte alle Berichte des Geheimen Raths von 1608 an. Nichts sei nothwendiger und nützlicher, als ein gehöriges Rubriciren der eingehenden Sachen durch die Räthe und Secretare, wie dies unter Cernitius stets geschehen, entweder oben oder an der Seite, mit kurzer Anführung des Inhalts, auch werde es gut sein, wenn die Provinzialregierungen ihre Sachen gehörig separirten und numerirten, und ein Verzeichniß der Beilagen beifügten. Daß alle Gesandten gleich nach ihrer Rückkehr ihre Acten mit einem Directorium derselben ins Archiv gäben, sei höchst nothwendig, da er wisse, wieviel verlorengegangen sei und oft fehlten die Claves der Chiffren. Noch schlimmer sei, daß die Gesandten oft die wichtigsten Sachen nicht an den Churfürsten richteten, sondern privatim darüber mit einem der Geheimen Räthe correspondirten, so daß oft das Allerwichtigste gar nicht ins Archiv gelange. Pruckmann habe alle solche Privatcorrespondenz mit ins Archiv gegeben, nach dem Absterben solcher Personen fehle zuweilen vieles, und sei es immer besser, ganz geheime Sachen versiegelt zum Archiv zu geben; als privatim aufzuheben. Ferner klagt Schönebeck über die Nebenarchive z. B. vom Kriegswesen, wodurch alles zerstreut werde, und daß die Amtskammer und der Oberjägermeister so viel Wichtiges hinter sich hätten; er könne importante Beispiele von Nachtheilen anführen, die daraus entstanden seien, daß Sachen der Registratur vorenthalten worden. Endlich fügte Schönebeck Regeln bei, nach denen
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sich der Reiseregistrator zu richten habe und im Jahre 1653 setzte er eine „Ordnung für die Archivbedienten“ auf, welche aber nie übergeben und genehmigt worden ist. Unter dem 13. Februar 1652 machte der Churfürst dem Archiv bekannt, daß er alle Sachen unter die Geheimen Räthe vertheilt, und jedem eine gewisse Expedition aufgetragen habe, weshalb von nun an in allen Berichten die Materien gesondert werden müßten. In demselben Jahre wurde dem Archiv befohlen, einige Acta publica gewissen Kammergerichtsräthen zu extradiren, auch schrieb der Churfürst selbst von Cleve aus (17ten Juny 1652) an den Registratur Schönebeck, daß der Rath, Historiograph und Bibliothekar Joachim Hübner nach Berlin ziehen solle, um dort ein historisches Werk zu bearbeiten, daher er freien Zutritt zum Archiv haben, auch alles nach Belieben dort durchsuchen und was er bedürfe, gegen Schein erhalten solle. Dies ist das erste Beispiel einer wissenschaftlichen Benutzung des Archivs, welche der große Churfürst angeregt hat. Im Jahr 1653 (3. Januar) wurde der Archivarius Schönebeck wegen seiner guten Qualitäten churfürstlicher Rath und solle er auf sein Ansuchen eine Rathsstelle in einem Raths-Collegio erhalten; da er 5 Jahre das Archiv allein verwaltet und 14 Jahre einen Diener auf seine Kosten gehalten habe, solle er jetzt 400 Th. jährlich Gehalt haben29, und wiewohl der Churfürst im Allgemeinen die Deputate eingezogen und dagegen die Gehalte verbessert habe, solle Schönebeck doch lebenslänglich 1 Wspl. Rocken, ebensoviel Gerste, 4 Hammel, 3 Schweine, einen halben Centner Karpfen, Butter und Käse, wie sonst auch 40 Th. auf einen Diener erhalten. Der jetzige Diener solle, weil er eine gute Hand schreibe, zu seiner Zeit in der Geheimen Kanzlei versorgt werden, und es ebenso mit den künftigen Dienern gehalten werden, sobald sie dem Archiv 6 Jahr gedient. Diese vom Oberpräsidenten Schwerin unterzeichnete Bestallung enthielt auch, daß der Churfürst, wenn etwas Widerliches gegen den Archivar vorgebracht werde, ihn zuerst darüber hören wolle, eine damals allgemein übliche Clausel. Dieser Bestallung ungeachtet fuhr Schönebeck fort zu klagen, bat um ein caduces Schulzengericht und einen ordentlichen Registraturdiener und richtete überhaupt viel Beschwerden an den Oberpräsidenten über das Archiv, welches er ein krankes abandonnirtes Corpus nannte, worauf denn endlich auch 1658 den Archivaren ein Diener für 30 Th. Gehalt und 5 Th. wöchentlich Kostgeld erlaubt wurde, der besonders den Staub verhüten sollte, jedoch erst 1659 ein förmliches Patent erhielt, wie unten folgen wird. Als im Jahr 1655 wegen des polnischen Krieges einige Gefahr entstand, fragte Schönebeck an, ob nicht die Acten nach Spandau zu flüchten und ihm dazu ein Paß zu ertheilen sei. Als im folgenden Jahr im October die Besorgniß eines polnischen Einfalls stieg, erbat das Archiv sich abermals Kähne zum Transport nach Spandau, wo der Churfürst in der Kriegskanzlei schon Zimmer dazu bestimmt habe, auch könne das, was aus Cüstrin gekommen, wieder dahin gebracht werden. Nach der 29 Mit der Hälfte des Gehalts (200 Th.) wurde Schönebeck an den Rath in Stendal verwiesen u. zwar auf Pächte, welche der Rath zu Stendal aus Tangermünde u. dem Dorf Hemert [Hämerten] zu heben berechtigt war. Rep. 21 betr. die Stendal[er] Kämmerei- und Schuldensachen.
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Meinung der Archivare sollten alle Acten geflüchtet werden, weil die Polen so barbarische Völker seien, jedenfalls aber das Wichtigere, z. B. die Testamente Joachims I. und II. und Johann Georgs, der Geraer Vertrag, alle Händel mit Polen usw. Indessen ging die Gefahr vorüber und es kam nicht zum Flüchten des Archives. 1656 wurde vom Churfürsten dem v. Hoverbeck der Zutritt zum Archiv vergönnt, um sich zu informiren, und 1657 baten die zum Archiv bestellten Diener den Churfürsten um drei Gewölbe, worin früher die Lehnacten gewesen, zur Registratur, da diese zu eng werde, und man sich vor Kasten darin nicht mehr behelfen könne. Vielleicht gab dies Veranlassung, daß der Churfürst selbst am 13. März 1658 unter Schwerins Contrasignatur ein Rescript an den Archivar Schönebeck und den Registrator Wernicke erließ und sie zu einem ausführlichen Bericht über das Archiv aufforderte. „Euch ist genugsam bekannt, heißt es in diesem Rescript, wie hoch und viel uns und unserem Hause und ganzer Posterität an guter Ordnung und Richtigkeit bei unserm Archiv gelegen.“ Schon lange, fährt der Churfürst fort, sei er entschlossen gewesen, Information einziehen zu lassen, wie es eigentlich mit dem Archiv bewandt sei, die Geschäfte hätten ihn aber bisher abgehalten; nunmehr sollten die Archivbeamten berichten, was es mit dem churf. Archiv für eine Bewandtniß habe, was für Mängel bemerkt und welche Remedia dagegen vorhanden seien, auch was für Defecte sie im Archiv entdeckt hätten. Vorläufig werde bemerkt, daß sie nichts ohne Scheine und nur an die Geheimen Räthe ausgeben sollten, auch möchten sie stets an die Rückgabe erinnern, auch achten, daß die churf. Gesandten alle ihre Papiere gehörig abgeben. Sollte einer der geheimen Räthe oder Gesandten dies übel deuten, so möchten sie sich nur auf diesen churf. Befehl beziehen. Hierauf erstatteten die Archivdiener (oder vielmehr Schönebeck) unter dem 15. April 1658 einen sehr weitläufigen Bericht an den Churfürsten ab. Bei Schönebecks Anstellung 1639 habe kein Repertorium für die märkischen, preußischen usw. Sachen existirt, alles sei nach den Provinzen blos chronologisch, wie es eingekommen, pele mele hingelegt worden. Jetzt, nach dem er eine neue Ordnung geschaffen, bestehe das Archiv aus 62 Reposituren, welche einzeln aufgeführt werden (es sind dieselben, welche noch die Grundlage des Archivs bilden, und in der sogenannten General-Disposition des Archivs verzeichnet stehen) und wobei einzelne Bemerkungen zugefügt werden, z. B. in Repos. 6 seien die preuß. Lantagssachen unvollständig, ob nicht Abschrift der preuß. Privilegien einzuziehen, Repos. 7 (Preußen) sei nach Materien getrennt, und mit Hinweisungen versehen. Rep. 20 Brandenburgische Landtagssachen seien unvollständig usw. Jede Repositur zerfalle in literirte oder numerirte Convolute (deren zusammen damals 6096 waren), auch werden die Repertorien der einzelnen Reposituren angegeben. Außer diesen 62 Reposituren seien 11 Schränke mit 416 Kästlein vorhanden, deren Inhalt außen zu sehen sei, und worin viele Materien nebeneinander lägen (die Grundlage des nachherigen Cabinetsarchivs). Was die Mängel anbetreffe, so habe das Archiv deren leider sehr viele, die alten Räthe und Kanzler hätten sich darum bekümmert, jetzt sei es pro morbo inveterato et vulnere immedicabili zu halten, da man alle Memoriale, die er seit 1641 eingege-
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ben, nicht einmal gelesen habe, bis 1646 ein Decret erfolgt sei, was nichts geholfen habe. Wenn der Churfürst in die Residenz gekommen, fehle, ihrer Erinnerung ungeachtet, immer viel an den bis dahin aufgesammelten Acten, weshalb der Reise-Registrator instruirt werden müsse, ebenso fehle viel von den gesandschaftlichen Acten, und die Geheimen Räthe lieferten auch nicht ordentlich zurück. Es sei ein schädliches Mißtrauen, daß ihnen oft Sachen versiegelt gegeben würden, ohne daß sie wüßten, was es sei, weshalb sie nöthigenfalls nicht darauf aufmerksam machen könnten, der Churfürst selbst habe ihm, Schönebeck, oft geheime Sachen anvertraut, die er dann versiegelt habe. An Defecten zeige sich mancherlei im Archiv, die Münsterschen und Osnabrückschen Friedens-Acten z. B. seien unvollständig, die preuß. und clevischen Oeconomica habe zum Theil die Amtskammer, sehr viele Sachen habe die Kriegskanzlei noch hinter sich, der Oberjägermeister von Hertefeld sei viel in Grenzregulirungen gebraucht, wovon das wenigste zum Archiv gekommen, in Cüstrin befänden sich noch immer viele Originale, und von den Arcanis, so im 30jährigen Kriege nach Spandau gebracht, fehle eine ganze Lade, ebenso sei eine ganze Kiste in Cüstrin verlorengegangen, der einzelnen Defecte zu geschweigen, daß z. B. viele alte Grenzurkunden fehlten. Polen habe 1644 Mittheilung der neumärkischen Urkunden aus dem Archiv zu Warschau versprochen, man habe aber versäumt, die Zusicherung zu benutzen, und sie abschreiben zu lassen. Große Klage sei endlich über den üblen Geruch im Archive zu führen. Was die Vorschläge zur Abhülfe dieser Mängel betreffe, so beschränkten sie sich auf Folgende: (1) sei ein Diener förmlich anzustellen (dies geschah denn auch 1659, wie bemerkt worden ist); (2) des Churfürsten Eltervater (Joachim Friedrich) habe zuerst im Erzstift Magdeburg Tagebücher (Journale) über alle einkommende Sachen führen und zusammenbinden lassen, was eine sehr nützliche Sache sei, auch sei das Binden, z. B. der Reichstagsacten überhaupt sehr zu empfehlen, die märkischen Landtagsacten von 1550 seien gebunden im Archiv und daher am vollständigsten von allen; (3) bei allen Regierungen müsse die Separation der Materien gehörig beobachtet, auch alle Vierteljahr ein Verzeichniß aller nach Berlin abgesendeten Relationen ins Archiv zur Controlle eingeschickt werden; (4) zur Zeit Georg Wilhelms sei stets ein Registrator mit auf die Reichstage gezogen, um dort die Acten zu ordnen, dies sei sehr gut, da aber die jetzigen Archivbeamten dazu zu alt seien, möge der Churfürst einen Secretair dazu bestimmen; (5) an Gesandte usw. müßten stets nur Abschriften der Urkunden, nicht die Originale mitgegeben werden; (6) die erkauften Magdeburgischen und die alten Cüstriner Urkunden gut in gewisse Bücher abschreiben zu lassen, sei sehr zu empfehlen, da sie Alters halber fast unleserlich seien;
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(7) brächten sie auch die Einlieferung von beglaubigten Abschriften der Privilegien aller Provinzen und Stände in das hiesige Archiv in Erinnerung; Daß auf diesen Bericht etwas veranlaßt sei, findet sich nicht. Im Jahr 1658 befahl der Churfürst selbst, daß die Criminal- oder fiscalischen Sachen, die wie er höre, in seiner Registratur seien, den dazu verordneten Räthen gegeben werden sollten. Im April 1659 starb der Viceregistrator Nicolaus Wernicke, worauf der Churfürst ein aus Wiburg in Jütland (30. April) datirtes Rescript erließ, daß er zu diesem hochwichtigen Werk einen neuen Beamten setzen und im Archiv eine solche Verfassung machen wolle, daß solches besser als bisher, den eingegangenen Klagen nach, respicirt werde; für jetzt solle niemandem gestattet werden, das Archiv zu durchsuchen, als dem Statthalter und geheimen Räthen, auch solle alles Extradirte herbeigeschafft werden. Schönebeck zeigte hierauf an, daß diese churfürstliche Willensmeinung ihn sehr freue, eine curiose Durchsuchung habe er während seiner 20jährigen Dienstzeit niemals geduldet, er bitte aber sehr um ein friedfertiges Subjekt, weil Einigkeit und vertrauliche Conversation ein sehr gutes Ding im Archive sei. Die Wittwe des Wernicke erhielt hierauf ein Gnadenjahr, an die Stelle desselben aber als Viceregistrator wurde unter dem 27. May 1659 der geheime Secretair und Protocollist Johann Görling [27. 5. 1659 – 26. 2. 1677] mit dem Gehalt von quartaliter 64 Th. und dem Deputat, auch mit der Aussicht, nach Schönebecks Tod in dessen Stelle zu treten, angestellt, und in der Bestallung ihm aufgegeben, das Archiv in Ordnung zu halten, Alles geheim zu halten, und nichts ohne Schein der Geheimen Räthe und des Oberpräsidenten auszuhändigen; Bestimmungen, die seitdem in alle Patente der Archivare übergingen. Am 30. December dieses Jahres wurde denn auch der oft verlangte Registraturdiener förmlich angestellt, und dazu zunächst Friedrich Wilhelm Schönfeld [30. 12. 1659 – 3. 4. 1693], so schon im Archiv beschäftigt war, mit 134 Th. Sold angestellt. Es wurde ihm dabei auferlegt, im Archiv aufzuwarten, für dasselbe zu schreiben, Acten auszutragen, das Archiv zu verschließen, die Actenreposituren vom Staub zu reinigen, Dinte und Federn in Ordnung zu halten, ohne der Archivare Erlaubniß nicht zu verreisen, und besonders keine Copien ohne höhere Erlaubniß zu machen, auch niemandem die Acten lesen zu lassen. Dieser Diener leistete auch 1660 einen besondern Eid vor dem Oberpräsidenten und dem Registrator Görling, und sah man sich, da Schönebeck anfing alt und stumpf zu werden, in diesem Jahr (6. April) auch genöthigt, dem Georg Conrad Goldteisen [6. 4. 1660 – 7. 9. 1673] eine Expectanz zu ertheilen, bis auf eine künftige Anstellung im Archive, und sollte er einstweilen sich mit dem Archive bekannt machen und den Archivaren an die Hand gehen. Gehalt erhielt er nicht30. Im Jahre 1660 wurden die Archivgelder, welche die Archivare aus den Provinzen erhielten, auch für Halberstadt mit 50 Th., für Minden mit 40 Th., für Ravensberg mit 50 Th., für Pommern mit 60 Th. festgesetzt. 30 In einem seitens der geh. Räthe unter dem 28. May 1661 an den Churfürsten wegen des pomm. Archivars erstatteten Bericht heißt es: Archivare sind so zu versorgen, daß sie nicht zu andern Mitteln greifen dürfen!
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Hierzu treten 1681 70 Th. aus Magdeburg, im Jahr 1713 verlor das Archiv die Gelder aus Preußen, Pommern und Halberstadt, die andern Provinzialarchivgelder haben die Archivbeamte bis 1806 unter sich getheilt. – 1661 richtete Schönebeck ein Memorial an den Statthalter Fürsten von Nassau, worin er die vom Churfürsten allgemein befohlne Separation der Materien in den Berichten, auch die Vorschrift, daß die Kanzleien der Regierungen, alle Vierteljahr ein Verzeichniß der hieher eingesandten Relationen zum Archiv schicken sollten, in Erinnerung brachte. Unter dem 16. May 1662 erließ der Churfürst selbst ein Rescript an das Archiv, daß alle Acten durch einen Buchbinder, der täglich im Archiv sitze, gebunden werden sollten. Schönebeck fragte hierauf beim Churfürsten an, womit angefangen werden solle, mit den märkischen, Reichsacten usw.? Er muß sich damals für ungerecht beim Churfürsten angegeben geglaubt haben, da er in diesen Bericht einfließen läßt, daß ihn in den 23 Jahren, da er diene, niemand je betrunken gesehen haben werde, auch leide sein böser Schenkel das Spazierengehen nicht, es heiße aber nach einem Verse seines Vorgängers (wohl Cernitius): „Wer nicht will Noth und Kummer leiden, wer Taubheit will im Alter meiden, wer will behalten sein Gesicht, der werde kein Registrator nicht.“
In diesem Jahre 1662 und zwar am 29. September starb denn auch dieser alte Rath und Registrator (wie er noch 1658 vom Churfürsten titulirt wird) Christoph Schönebeck, etwa 60 Jahre alt. Er war ein tüchtiger kenntnißreicher Mann, dem das Archiv seine noch jetzt bestehende Ordnung verdankt, und dessen Handschrift man nicht nur auf allen ältern Etiketten und in den Repertorien findet, sondern auch vielfach in den Packeten selbst durch nützliche Hinweisungen und Randglossen, und mag er das ältere Archiv (alle Acten vor 1648) wohl ziemlich ganz durchgelesen haben, dessen sich wohl nach ihm nie wieder ein Archivar rühmen wird. Das Archiv scheint, da er unverheirathet blieb, sein eigentliches Lebenselement gewesen zu sein, er beseufzet beständig den wenigen Antheil, den man daran nehme, und das traurige Loos eines Archivars, und fertigte schon im Jahr 1643 Disticha (Epigramme) auf das Archiv, von denen der Anfang, wo das Archiv redend eingeführt wird, als Probe genügen mag: „Merk auf wer wissen will, von wem ich bin gezeuget, bald hoch, bald schlecht geacht, daß jedermann mich scheut, usw.“
Schönebeck war übrigens auch Capitular der Stiftskirche zu Havelberg, und so wurde sein Körper nach seinem Geburtsort Stendal zur Beerdigung, seinem Willen gemäß, abgeführt31. Der Oberpräsident Schwerin zeigte diesen Todesfall alsbald dem Churfürsten an, und bat Görling zum Archivar und den seit drittehalb Jahren adjungirten Goldteisen, 31
Er hat eine Stiftung mit seinem Vermögen gemacht.
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welcher nun seit einem Jahre mit den unleserlichen Magdeburgischen Documenten sich beschäftigt habe, dessen Vater Kammersecretär, dann Kammergerichtsprotonotar gewesen sei, zum Registrator zu machen. Schönebeck habe 440 Th. Gehalt gehabt, davon könne Görling 300 Th. und der geheime Secretar Taschenberg 140 Th. Zulage erhalten. Nachdem der Churfürst dies genehmigt, erhielt Görling (aus Pillau 11. October 1662) seine Bestallung als Archivar mit 300 Th. und dem Deputat, mit den gewöhnlichen Clauseln, das Archiv in Ordnung und Alles geheim zu halten, nur an die geh. Räthe zu extradiren usw. An demselben Tage wurde Goldteisen wegen seiner guten Qualitäten und Wandels, wie es heißt, Registrator beim Archiv an Görlings Stelle und mit dessen Pflichten, auch mit 250 Th. Gehalt und dem Deputat. Im Jahr 1662 ließ sich auch der Churfürst alle preußischen Landtagssachen von 1618 an nach Königsberg kommen, und 1663 erging ein Rescript an den geheimen Rath, daß alle Acten complett an das Archiv eingeliefert und diesem stets ein Empfangsschein ausgestellt werden solle. 1663 wurde Görling nach Paris geschickt, zu einem besondern (nicht näher angegebenen) Auftrage, wofür er 200 Th. erhielt, und 1665 befahl ihm der Churfürst selbst, dem Historiographen Martin Schoockius Documenta ad opus historicum, so er verfertige, gegen Schein zu verabfolgen. 1668 (21. / 31. December) wurde Görling (welche Gnade ihm nach seiner Angabe ganz unerwartet kam) wegen seiner sonderbaren Geschicklichkeit und guten Qualitäten zum churfürstlichen Rath ernannt. Im Jahre 1672 (7. August) wurde Conrad Schardius [† 4. 9. 1679]32 churfürstl. Rath und Protonotar beim Consistorium, zum Registrator bestellt mit der Anwartschaft auf Görlings Stelle nach dessen Tode. Am 7. September 1673 verstab Goldteisen und 1674 im November wurde (wegen des schwedischen Einfalls) angefragt, ob und was vom Archiv zu flüchten sei, es wurden auch vielerlei für Schweden gefährliche Sachen z. B. die Brandenburg französ. Allianz 1633, die Allianz mit Rußland 1656, mit Dänemark 1659 und 1666, mit England 1661, mit Frankreich 1656 und 1664, das Testament des Churfürsten usw. eingepackt und in Spandau Zimmer dazu bereitgehalten, es kam aber nicht zur wirklichen Abschickung. 1676 wurde den Archivbeamten die herkömmliche Einquartierungsfreiheit bestätigt. Am 26. Februar (alten Styls) 1677 verstarb Görling mit dem Lobe eines geschickten und gottesfürchtigen Mannes, und Schaardius wurde mit Beibehaltung seiner Stelle beim Consistorium unter dem 6. / 16. April denn auch wirklich Registrator, mit 400 Th. Gehalt auf zeitlebens, weil die Acten sich täglich mehrten, und mit der üblichen Clausel ihn auf nachtheilige Berichte erst zu hören. Daneben war Schönfeld Viceregistrator. 1678 befahl der Churfürst dem Archivar Schaardius, die defecte Acten anzuzeigen, und 1679, 30. May, äußerte sich der Churfürst von Potsdam aus, er höre, daß viele ins Archiv gingen und Inspection der Acten begehrten, dies stehe aber nur den geheimen Räthen oder denen, die von diesen, dem Oberpräsidenten oder dem Churfürsten selbst eine besondre Erlaubniß erhalten hätten, zu, und da dem Archive von dem geheimen Rath verwiesen worden sei, daß sie jemandem (doch nur Privatsa32
Schaardius soll schon seit 29. April 1671 im Archiv beschäftigt worden sein.
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chen) mitgetheilt hätten, so ertheile er ihnen auf ihre Bitte diese schriftliche Verordnung zu ihrer Legitimation. Am 4. September 1679 starb Schaardius, dessen Verlust der Churfürst selbst als den eines geschickten und treuen Dieners beklagte, und dessen Wittwe auch außer dem Sterbequartal ein Gnadenhalbjahr erhielt. Schwerin zeigte den Todesfall sogleich eigenhändig dem Churfürsten an, mit dem Bemerken, daß es ein Dienst sei, an dem sehr viel gelegen und mit dessen Besetzung sich daher der Churfürst nicht übereilen möge, indessen schlage er den Magirus vor, der wohl studirt habe, fremde Sprachen rede, verschwiegen und „ein rechter Calmeuser“ sei. Hierauf ernannte der große Churfürst schon den 6. September von Groß-Schönebeck aus, den geheimen Secretair Johann Magirus [6. 9. 1679 – Febr. 1697] zum Archivar mit dem bisherigen Gehalt der 400 Th. und einer Zulage von 200 Th. weil die Arbeit stets größer werde, und er auch die churfürstlichen Actiones beschreiben solle. Es wurde ihm nemlich in seinem Patent auferlegt, wo er nicht sonst dienstlich beschäftigt sei, alle Actiones von der Zeit der Regierung des Churfürsten an zu beschreiben, und wenn dies fertig, die Geschichte des ganzen Churhauses. Da hiervon in Schwerin’s Schreiben nichts vorkommt, so sieht man, daß die ganze Idee vom Churfürsten ausging. Uebrigens sollte Magirus sich auch zu lateinischem und französischem Concipiren gebrauchen lassen. Im Jahr 1680 ließ Friedrich Wilhelm die Acten wegen der Magdeburgischen Ansprüche an Anhalt durch den geheimen Registrator Schönfeld aus Halle holen, namentlich die Urkunden von 1444, 1460 und 1556, und die Magdeburgischen Besitzergreifungsacten von 1680, und im Jahr 1682 kamen die Niedersächsischen Kreistagsacten ins Archiv, wo der Raum immer enger und der Arbeit immer mehr wurde. 1682 (29. Sept.) erging ein churfürstliches Rescript an das Archiv, daß ein ordentliches Ausgabejournal gehalten und nichts ohne Schein ausgegeben, auch alles nach 14 Tagen wieder eingefordert werden sollte. Alle Monate solle dem Churfürsten selbst ein Verzeichniß der ausgeliehenen Acten vorgelegt werden. Im folgenden Jahre wurde Magirus nach Cüstrin geschickt, um dort alle Kisten im Lehngewölbe, im Archiv und in der Amtskammerregistratur durchzusehen, es fand sich jedoch nichts zum Archiv gehöriges und im 30-jährigen Kriege zurückgelassenes, nur allerhand wegen des Johanniterordens, namentlich wegen der damals erneuten Ansprüche auf Gartow, wurde gefunden. 1684 wurde Magirus (27. März) als Nebenstelle, zum Altmärkischen Quartalgerichtsrath33 ernannt, und erhielt in diesem Jahre den Auftrag, vom Churfürsten alle Publica im Archiv zusammenzubringen, damit man solche nicht an vielen Orten zu suchen habe, dagegen sollten alle Zollsachen, mit Ausnahme der kaiserlichen Zollprivilegien und der Original-Zollverträge mit benachbarten Landesherrn, an die Amtskammer, bei der sich die Zollsachen theils schon befanden. Auch schickte der große Churfürst in diesem Jahre (1684) den Kanzler von Jena nach Bamberg, Würzburg, Mainz, Trier, Heidelberg und Nürnberg, um dort nach Brandenburgischen Urkunden Nachfrage zu halten, und den Archivar Magirus nach Baireuth, um sich von dem Bestande des Plassenburger Archivs zu unterrichten. Nach den Berichten, die der Kanzler Jena 1685 über seine Reise erstattete, wurde indessen der gewünschte 33
Er soll schon 25. May 1681 den Rathscharacter erhalten haben.
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I. Teil
Zweck nicht erreicht, da namentlich die Bischöfe von Bamberg und Würzburg behaupteten, daß sie vom Plassenburger Archiv nichts mehr hinter sich hätten, und daß dasselbe nach der Eroberung (im Jahr 1553 gegen Markgraf Albrecht Alcibiades) schon 1557 vollständig zurückgegeben sei. Auch in Baiern bat der Churfürst um historische Nachrichten aus der Zeit, da die Bairischen Fürsten die Mark besessen, und über den Zustand des Fürstenthums Hohenzollern (dessen Anwartschaft er bekanntlich erlangte) ließ er sich vom Kanzler v. Jena einen ausführlichen Bericht erstatten, alles Beweise von dem Interesse des großen Churfürsten für die Geschichte seines Hauses und Landes. Noch kurz vor seinem Tode rescribirte Churfürst Friedrich Wilhelm, er könne nicht zugeben, daß öffentliche Papiere in Privathänden blieben, man müsse daher bei Todesfällen der Beamten aufmerksam darauf sein, und so wurden denn auch aus dem Nachlasse des Consistorialraths und Hofpredigers Bartholomeus Stosch 1686 viele geistliche Acten abgefordert. In die Regierungsperiode des großen Churfürsten fällt denn auch die erste Entstehung eines abgesonderten Geheimen Cabinetsarchivs, unter einem eigenen Beamten (denn sonst waren die Urkunden und Haussachen immer besonders asservirt). Es wurde nemlich (Potsdam den 23. Novbr.) 1685 von dem Churfürsten dem Geheimen Kammerkanzlisten Schulte und dem geheimen Secretair Johann Bergius „das Cabinet dero geheimsten Staatsacten“ übertragen, und sollte stets einer von ihnen in Berlin bei dem Cabinet sein. Letztres begriff damals offenbar die geheime Staats- und Privatcorrespondenz des Churfürsten. Neben dem Archive, dem „churf. geheimen und Hauptarchive“, kommen zur Zeit des großen Churfürsten auch schon manche Nebenregistraturen vor, nemlich: (1) die geheime Kammerkanzlei (wo alle geheime Rathssachen expedirt wurden) hatte Anfangs keinen besondern Registrator, da jeder Secretar seine Sachen sammelte und ins Archiv gab, bis Churfürst Georg Wilhelm 1630 (wie schon bemerkt ist) dem ältesten Kammerkanzlisten Sauppe die Registratur d. h. das Aufsammeln der Acten übertrug, welche dann nach Jahresschluß in folle ins Archiv gegeben wurden; dabei blieb es nach Sauppe’s Tod 1640 und hatte stets der älteste Kammerkanzlist gegen ein besonderes Gehalt von 200 Th. das Aufsammeln der Acten zu besorgen; (2) die Registratur der Kriegskanzlei, welche wichtig, und Anfangs, um 1640, in Spandau war; (3) die Amtskammerregistratur; (4) die Jagdregistratur. Sie wurde 1636 in Kisten nach Spandau geflüchtet, und 1643 wieder geholt, und befand sich seitdem in den Wohnungen der Dr. Fritz, Eckert und Schultze, welche die Jagdsachen bearbeiteten; im Jahr 1663 veranlaßte der Oberjägermeister von Hertefeld eine Recherche nach den in der Amtskammer und im Nachlaß des Dr. Fritze befindlichen Jagdacten, um solche ins Archiv zu schaffen; wichtig war diese Registratur, weil dem von Hertefeld seit 1648 viele Grenzregulirungen übertragen waren;
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(5) die Hofkammerregistratur (wohl die Acten der Hofrenthei); (6) die Lehnkanzlei; (7) das erwähnte Cabinet. Alle ins Archiv aufzunehmen, war kein Raum, es entstand aber schon die Frage, ob man sie nicht aus dem Archiv complettiren solle. Von den Provinzialarchiven findet sich über die zu Königsberg, Halle, Minden usw. keine nähere Nachricht. 1661 wurde Mathias Hölzner pommerischer Archivar und Lehnsecretar (zu Cöslin). Das Archiv zu Cleve sollten 1641 die geheimen Räthe v. Blumenthal und Seidel wegen der ständischen Prätensionen durchsehen, was aber nicht geschah. Es war 1611 mit Chur-Pfalz getheilt worden34, wobei Brandenburg alles erhielt, was Cleve und Mark betraf und wurde es zum Theil nach Emmerich und Huissem gebracht. Schwarzenberg wollte alles nach Berlin bringen lassen, es ging aber nicht, weil die Regierung und die Stände sich widersetzten. Uebrigens hat der große Churfürst während seiner Regierung viele Magdeburgische und Mindensche Acten nach Berlin bringen lassen. Zu bemerken ist auch, daß sich Beispiele vorfinden, daß z. B. 1684 auf besonderen churfürstlichen Befehl Privattestamente im Archiv niedergelegt und dort auch publicirt worden sind, was das römische Recht als testamenta principi oblata kennt. Der stärkste Beweis endlich von dem Werth, den er große Churfürst auf das Archiv legte, ist, daß er in den eigenhändigen Regierungsvorschriften, die er seinem Sohn hinterließ (die s. g. Monita secreta paterna von 1671) es ihm als ein wichtiges Stück seines Hauses besonders empfahl.
IV. Periode, unter der Regierung Churfürst Friedrich des dritten und König Friedrichs I Beamte des Archivs waren Magirus, Friedrich Wilhelm Schönfeld und daneben Friedrich Hartmann, der 1684 zuerst erwähnt wird und 1689 auch als Geh. Secretar und Ravensbergischen Appellationsgerichtsprotonotar vorkommt. Im Jahre 1687 wurde durch eine vom Churfürsten selbst unterschriebene Verfügung das Dufrésne Glossarium und 1692 für 200 Th. die Manuscripte des Bibliothecar Hendrich für das Archiv erkauft, 1688 (12. May) die Vorschrift erneut, daß Acten aus dem Archiv nur auf eigenhändige Unterschrift der geheimen Räthe und gegen Zurücklieferung in 14 Tagen ausgegeben werden sollten, daß auch außer ihnen niemand Inspection derselben habe, indessen erläuterte der Churfürst dies in demselben Jahre dahin, daß die Kammersecretare die Acten, welche sie brauchen, auch erhalten sollten. 1689 wurden Magirus und der geheime Secretar und Registrator Friedrich Wilhelm Schönfeld gegen Erlegung gewisser Jura vom Churfürsten in ih34
Der pfälzische Theil kam damals nach Salzburg.
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I. Teil
ren Aemtern bestätigt. Im Jahr 1694 wurde dem Archive aufgegeben, dem Frankfurter Buchhändler Völker alle gedruckten Edicte zu einer von ihm zu veranstaltenden Sammlung derselben herauszugeben; die ungedruckten aber nur gegen besonders einzuholende Erlaubniß. In diesem Jahre wurde auch der Universität Frankfurt befohlen, das ihr vom Kaiser Maximilian I. ertheilte Privilegium einzureichen und dem Hof- und Kammergerichtsrath Friedrich Carl von Danckelmann wurde, damit er vom churfürstlichen Hause Wissenschaft erlange, freier Zutritt zu dem geheimen Hofarchiv gestattet. 1691 war das Archiv sehr beschäftigt, um die Materialien zu beschaffen, welche Pufendorf zu der Biographie des großen Churfürsten erhielt, und bei denen sich jetzt leider manche Defecte zeigen. Das Archiv bat vergeblich wegen seiner vielen Arbeit um einen Thürknecht, um Geld zu Dielen (da der Pflasterstaub so sehr schade) und zu neuen Reposituren und Kasten, auch wurde um die Erlaubniß angehalten, alte Acten cassiren zu dürfen, um Platz zu gewinnen. Viele Acten z. B. über die Refugié’s, das Spandauer Zuchthaus u. dergl. gehörten in die Amtskammer, manche Schloßsachen in die Hofkammer, und die Commissariatacten seien bereits zum Generalcommissariat gebracht worden. Auch sei es des Raumes wegen nöthig, das, was nach Magdeburg gehöre, dahin abzugeben, dergleichen alle Pommersche Sachen, da das vom Churfürsten Friedrich Wilhelm in Stralsund eroberte vorpommerische Archiv größtentheils an Schweden zurückgegeben sei. Auf diesen von Magirus, Hartmann und Schönfeld unterzeichneten Bericht scheint übrigens keine Resolution erfolgt zu sein. Im Jahr 1691 (21. December) wurde noch Wilhelm Ludwig Schönfeld [† 1699], welcher Registrator bei dem Commissariat war, befehligt, seinem Vater Friedrich Wilhelm an die Hand zu gehen, bis letzterer am 3. April 1693 als geh. Secretar und Registrator bei dem geh. Hofarchiv starb, wo ihm dann sein Sohn folgte, und seine Wittwe eine jährliche Pension von 100 Th. erhielt. 1694 (12. Februar) wurde Magirus zum Hofrath befördert, auch schlossen in diesem Jahre die Archivbeamten einen förmlichen Vergleich unter sich ab, daß der Wittwe eines Archivbeamten stets ein Gnadenjahr gebühren solle. Im Jahr 1696 starb Johann Schulte, welchem der große Churfürst wie oben bemerkt ist, das Cabinetsarchiv anvertraut hatte, und dieses, oder wie es heißt: „die Ziffern sammt dem Cabinet der churf geh. Staatsacten“ erhielt der Geh. Secretar Johann Chuno [1696 – 1716], mit der ausdrücklichen Bedingung, sich alles familiären Umgangs mit den fremden Gesandten zu enthalten. Unter dem 17. August 1695 wurde der gewesene Legations-Secretar am Dänischen Hofe Herrmann Reck wegen seiner Erudition, als Secretar mit 400 Th. Gehalt bei dem Archive angestellt und dem Magirus cum spe succedendi adjungirt, und als Magirus im Februar 1697 mit Hinterlassung einer Wittwe (die das beim Archiv übliche Gnadenjahr erhielt) und 9 Kindern, starb, wurde er auch (den 20. Februar) in dessen Stelle Rath und Archivar mit einer Besoldung von 600 Th. außer dem Fortbezug des Secretariatsgehalts von 250 Th., indessen wurde er noch im Jahre 1697 als Regierungsrath nach Cüstrin versetzt. In demselben Jahre am 23. December wurde der Neumärkische Regierungsrath Johann Siegmund Sturm als Hofrath und Archivar mit seinem bisherigen Range und ebenfalls 600 Th. Gehalt angestellt, er blieb aber auch nur bis in das folgende Jahr 1698, wo er zum geheimen Justizrathe ernannt wurde. An seine Stelle
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trat nach einem churf. Rescript aus Königsberg vom 27. Juni / 7. Juli 1698 der Secretar Chuno als Rath und Archivar mit derselben Besoldung aus der Hofrentei und Receptur-Casse. Im Jahre 1697 (20. Februar) wurde Ludwig Senning [bis 1735] Registrator der geheimen Kammerkanzlei (des churf. Cabinets?) mit der Verpflichtung, die Papiere alljährlich ins Archiv abzuliefern, als aber 1699 Wilhelm Ludwig Schönfeld starb, wurde Senning als Geh. Secretar und Registrator bei dem Archive mit 382 Th. Gehalt, wie sein Vorgänger angestellt, und Carl Stoschius wurde Kammerkanzleiregistrator. Nach Sennings Bestallung, in welcher die Registratur als ein weitläuftiges und wichtiges Werk geschildert wird, sollten die Archivare allezeit die Direction im Archive haben, und die andern Bedienten desselben anweisen. Aus dieser Zeit (1698) findet sich (wohl von Hartmanns Hand) eine summarische Vorstellung von der Disposition des geh. Archives, worin es heißt, das Archiv sei wohl so nützlich als irgend ein Schatz oder Raritätenkammer, und doch oft nicht considerirt und werde bei Anstellungen mehr auf den Nutzen des Subjects, als des Archivs gesehen. Das Archiv bestehe in Registraturen (1) von Convoluten, (2) von Kästlein oder Schubladen. Ersterer Art seien 63 (Reposituren) nach Provinzen und Materien geordnet, jedes mit einem alphabetischen Repertorium versehen. Elf Registraturen beständen in Kästlein mit besondern Repertorien und enthielten diese Kästlein die Originalien der Hausverträge und Lehnbriefe. Alle Jahre gebe die Kanzleiregistratur die bei ihr gesammelten Acten zum Archive ab, wo sie dann eingetragen, bezeichnet und reponirt würden; die tägliche Arbeit bestehe im Aufsuchen und Herausgeben der Acten und sei zum Copiren alter Urkunden daher keine Zeit, überhaupt aber gehörten Docti nicht ins Archiv, weil sie die nöthigste Arbeit negligirten, sondern mediocriter eruditi. Seit 50 Jahren seien 3 Personen vollauf beschäftigt und sehr beschwerlich, daß wieder kein Archivdiener existire. Schlimm sei es, daß in der Kanzleiregistratur die Sachen nicht mehr wie früher rubrizirt würden, und ein Hauptmangel die entstandenen Nebenregistraturen, deren jetzt jedes Collegium für sich haben wolle, während alles immer im Archiv gesucht, und diesem daher viel unnütze Arbeit verursacht würde. Dieses Memorial gab vielleicht Veranlassung, daß den 2. Septb. 1699 Johann Christoph Börner [† 13. 7. 1748] als Copist bei dem Archive angestellt wurde. Unter dem 2. / 12. December 1699 erging das gedruckte Hofkanzleireglement, welches darum sehr merkwürdig ist, weil es die Grundzüge der dem preußischen Königshause eigenthümlich gewordenen sogenannter Kabinetsregierung enthält35. Alle mit der Post ankommenden Relationen der verschiedenen Regierungen eröffneten danach die Secretare, welche verpflichtet wurden, von wichtigen Sachen dem Könige sogleich einen mündlichen Rapport zu machen, sonst aber die Sachen 35 Noch der große Churfürst präsidirte im geheimen Rath; „lectum in consilio in praesentia domini Electoris“, heißt es oft, die Cabinetsregierung hängt mit der Königswürde zusammen.
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an die Minister oder, wo Anteacta beizufügen waren, zunächst ins Archiv gelangen ließen. Die auswärtigen Sachen dagegen z. B. die gesandschaftlichen Berichte, kamen verschlossen an den Churfürsten zu dessen weiterer Bestimmung. Auf alle Sachen sollte ein praesentatum gesetzt werden36, übrigens gelangten alle Justiz-, Lehn-, Consistorial-, Gnadensachen, und was für den Churfürst selbst bestimmt war, an die geheime Kammerkanzlei, die Chatoul-Sachen an den Chatoul-Secretair, die Militair- und Steuersachen an die geh. Kriegskanzlei und das Commissariat, die Domainensachen an die Hofkammer, die Jagdsachen endlich an die Jagdkanzlei zur Ausfertigung und sollte jeder Kanzlist und expedirende Secretar sein bestimmtes Departement haben. Bei dem, was der Churfürst künftig selbst unterschreibe (was z. B. nicht geschah, wo noch ein Bericht gefordert wurde, wie dies noch im Cabinet üblich ist) sollte das Contextum unten kurz angegeben werden, damit der Churfürst gleich sehe, was es sei, und contrasigniren sollte der Graf Kolb-Wartenberg, Barfues. Letzterer die Militair- und Steuersachen als Oberkriegspräsident und Fuchs die Justizsachen37, es sollte auch ein eigenes Titularbuch angelegt werden. Was das Archiv betrifft, so wurde den Archivaren auferlegt, nicht mit fremden Ministern usw. umzugehen, oder gar Billette zu wechseln, sondern alle solche Anforderungen gleich an die Minister zu verweisen und überhaupt alles secret zu halten. Die vielen particular Registraturen seien ein Uebelstand, weil man nicht wisse, wo etwas zu suchen sei, es solle daher Bedacht genommen werden, ob alles künftig in Ein Corpus zu bringen, und bis dahin sollte der Archivar nicht blos die Oberaufsicht über das Archiv haben, sondern auch über alle Registraturen in der Residenz, ob sie ordentliche Repertorien halten usw. und sollten alle Registraturen seinen Anordnungen folgen, übrigens künftig alles geheftet und foliirt werden. In einem vom Churfürsten selbst am 13. März 1700 unterschriebenen Rescript wurde hierzu noch die Vorschrift wiederholt, daß niemand von den geh. Räthen ohne einen besondern Schein Archivacten erhalten, und daß er sie in 4 Wochen zurückgeben solle, mit dem eigenthümlichen Zusatz, daß diejenigen, welche die Acten länger behalten, durch den Requêtenmeister dem Churfürsten selbst angezeigt werden sollen; eine Bestimmung, die schwerlich zur Ausführung gekommen ist. Am 8. Juli 1700 richtete der berühmte Leibniz eine Eingabe an den Churfürsten, in der er anzeigt, daß er sich viel mit der deutschen Geschichte beschäftige, und jetzt einen Codex juris gentium herausgebe, da nun der Churfürst bei der neuerrichteten Academie der Wissenschaften auf die Ursprünge der deutschen Historie und Sprache mit zu sehen befohlen habe, so bitte er, ihm aus dem Archive, der Bibliothek zu Berlin und sonst an die Hand zu gehen. Es erfolgte hierauf auch ein (nach damaliger Art auf der Rückseite der Eingabe mundirter) churf. Befehl an den Archivar und Rath Chuno, nachzusehen, ob im Archive Curiosa vorhanden seien, die dem Supplicanten zum Corpus juris gentium diplomaticum communicirt werden könnten. Das Archiv hielt damals (nach einer Anzeige von 1702) die Leidensche, Harlemmer und Hagensche Dies geschah im 16. Jahrhundert auf dem Couvert, im 17. schon oben auf der Eingabe. 1708, 18. Septb. erging ein neues Reglement darüber, was der König selbst unterschreiben wolle, worin es heißt, daß die Contrasignatur nach der Observanz stattfinden soll. 36 37
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(Haag) Zeitung. Bei dem Cabinetsarchiv wurde den 2. Januar 1700 der geh. Secretar Friedrich Hamrath, welchem die geheimsten Sachen schon anvertraut waren, geheimer Cabinets- und Kammersecretar und sollte er den Churfürsten besonders auf Reisen begleiten; als Hamrath (der durch sein nachheriges Unglück bekannt ist) 1702 geheimer Rath und Maitre des Requêtes wurde, so erhielt (den 10. May 1702) der wirkliche geh. Secretar Dietrich Dieckhof das geheime Cabinet, welcher bald darauf (18. Januar 1703) Hofrath wurde. In dem eigentlichen Archiv befanden sich damals Chuno, Hartmann, ein gewisser Cochius und Ludwig Senning, unter dem 4. September 1705 wurde nun der Hofrath und wirkliche Geh. Secretar Hermann Cochius, der 18 Jahre in der geh. Staatskanzlei und im Archive (hier wohl nur nebenher) sei, an Dieckhof’s Stelle geheimer Cabinetssecretar und erhielt das Cabinet der geheimsten Staatssachen mit dem Auftrage, alle dort eingehenden Papiere zu sammeln, und sie alljährlich ins Archiv zu geben, sonst aber nichts ohne Wissen der Minister zu extradiren, und wird ihm im Patent noch zugesichert, daß der Churfürst ungehört keine Ungnade auf ihn werfen wolle. Als im Jahr 1710 Cochius die Clevische Expedition erhielt und daher die Registratur in publicis nicht mehr respiciren konnte, wurde (den 8. Decbr.) bestimmt, daß künftig alle Publica, sobald sie abgemacht wären, gleich in das geheime Archiv und zwar speciell an den Hofrath Chuno gelangen sollten, der dafür 200 Th. Zulage erhielt. Hieraus sieht man also, wie das geheime Cabinetsarchiv mit dem geh. Staatsarchiv verbunden worden ist. Es war ursprünglich getrennt und enthielt die Sachen, die sich bei dem Landesherrn selbst aufsammelten, bis es nunmehr mit dem Archive vereint wurde, wo denn, wie es scheint, seit König Friedrich Wilhelm I. alle Haussachen und Urkunden zum Cabinetsarchiv gerechnet wurden. Es bildete sich indessen bald wieder eine besondere Registratur im Kön. Cabinet, welche aber, bis auf neuere Zeiten, ihre Papiere, die Minutes usw. regelmäßig ins Cabinetsarchiv abgeliefert hat. Im Jahre 1704 erhielt Cocceji gewisse Chroniken aus dem Archive und dem Geheimen Rath v. Bartholdi wurde der Zutritt dazu gestattet. Unter dem 4. December 1710 erging die, neuerdings wieder in Aufnahme gebrachte kön. Verordnung, daß 50 Exemplare aller gedruckten landesherrlichen Edicte usw. zu etwanigem Gebrauch im Archive niedergelegt werden sollten und 1711 (14. Febr.) erließ der König ein Reglement, wie es mit den Papieren der auswärts sterbenden Gesandten und Minister zu halten sei. Da die Archivbedienten theils alt und krank waren, so wurde den 10. May 1710 der Hofrath Schmettau [bis 1714] mit 200 Th. nebenher im Archiv angestellt und dem Hartmann (dem er schon in Ravensbergischen Sachen adjungirt war) zum täglichen Archivdienst beigegeben und Friedrich Wilhelm Senning wurde als Copist beim Archive angestellt, nachdem der bisherige Copist Joh. Christoph Börner (6. May 1710) zum Registrator bei dem geh. Archiv befördert war. Uebrigens hat auch König Friedrich I. in den Monita paterna an seinen Sohn von 1707 ihm das Archiv speciell empfohlen. Was die Nebenregistraturen unter der Regierung König Friedrichs I. anbetrifft, so ist schon oben bemerkt, welche Klage über deren Vervielfältigung geführt wurde
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und daß man beabsichtigte, alle zu combiniren. Ich finde von solchen Nebenregistraturen erwähnt: (1) das Cabinets-Archiv, auch geheime Cammerregistratur u.s.g. Cabinet genannt, von welchem schon ausführlicher die Rede gewesen ist, und welches 1710 mit dem geh. Archiv vereint wurde; (2) die Registratur der geh. Kanzlei, welche damals schon 3 Registratoren hatte und (nach Magirus Relation) wurden 1691 die kurmärkischen und andern Provinzialsachen schon nicht mehr in der geh. Kanzlei und in der geh. Kammerkanzlei (dem churf. Cabinet) expedirt und der alten Observanz nach alljährlich ins Archiv abgeliefert, sondern jedes Collegium (die Amtskammern pp.) hatte seine eigene Kanzleien und Registraturen, in denen es seine Acten zurückbehielt; (3) das Generalcommissariat unter dem geh. Rath und Generalkriegscommissar v. Dankelmann usw. (in Steuersachen) hatte seinen eigenen Registrator ebenso; (4) die Amtskammer; (5) die Hofkammer. Das nähere Verhältniß aller dieser Behörden und Registraturen, welche demnächst zum Theil in die Registratur der Generaldirectorii übergegangen sind (der Verbleib der Amtskammerregistratur bleibt ganz ungewiß) bedarf noch sehr der Erläuterung. Von Kanzleien findet sich die Geh. Kriegskanzlei, die Hofkammerkanzlei, die Commissariatskanzlei und die Jagdkanzlei, neben der Geh. Staatskanzlei, erwähnt. Unter König Friedrich I. wurde noch 1700 das Testament des Grandmaître v. Kameke im Archiv niedergelegt und wird schließlich aus einer Notiz damaliger Zeit angeführt, daß das Originaltestament des großen Churfürsten vom 27. Aug. 1655, die Disposition vom 25. April 1654 wegen Vermachung einiger Provinzen, die kaiserlichen Bestätigungen hierüber und eine dazu gehörige Specification von Pretiosen im Archiv nicht zu finden sein sollten. König Friedrich I. hat übrigens den ältern Beckmann veranlaßt, weitläufige Sammlungen zur Geschichte der Mark anzulegen, welche sodann 1717 zum Archiv gezogen wurden.
V. Regierungsperiode König Friedrich Wilhelm I. Der König ließ sich gleich nach seinem Regierungsantritt das oben erwähnte Hofkanzleireglement von 1699 vorlegen, bestätigte aber dessen Inhalt größtentheils, indem er bei allen Artikeln „guht“ schrieb, und nur bei dem Artikel von der Geheimhaltung zusetzte: „zub pene gebraut Marck [= gebrandmarkt] zu werden“. Auch die Contrasignatur bestätigte der König und änderte nur ab, daß alle Militairsachen ihm vorgelegt werden sollten. Uebrigens traf die Sparsamkeit des Königs auch das Archiv, er ließ sich dessen Etat vorlegen, und verkürzte dem Registra-
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tor Börner sein Gehalt von 600 auf 100 Th.38, wiewohl Ilgen ihm vorstellte, daß die Armuth, da er unmöglich damit bestehen könne, den Börner treiben werde, wegzugehen, und dann möglicherweise secreta zu propaliren. Der König scheint auch die Wichtigkeit des Archivs bald selbst eingesehen zu haben, denn schon 1714, da Schmettau Oberamtmann der Joachimsthaler Schule wurde, ließ der König sich (18. Februar) bewegen, an dessen Stelle und weil die Arbeit wachse, den Geheimen Secretar Wilhelm Adrian Royé [gest. 1728] als Rath beim Archiv anzustellen, welcher dem schon sehr alten Hartmann sucondiren sollte. 1713 erging der Befehl an den Geheimen und Legations-Secretair Achenbach die schon von langen Jahren her im Haag aufgesammelten sehr wichtigen Papiere zu ordnen und zum Theil herzuschaffen39 und 1714 wurden die Acten des aufgelöseten Heroldamts zum Archiv gebracht. Ein gewisser Kammergerichtsrath Krause, welcher 1712 gestorben, hatte bei Revisionen der Magistrate viel märkische Städteurkunden gesammelt (doch nur von Ruppin Originale) und sonst allerhand Excerpte hinterlassen, der König befahl diese Sammlung dem Professor bei der Ritteracademie Gundling zu übergeben, um daraus eine Specification zu machen (welche doch nicht da ist) und solche zu benutzen, auch 1716 wurde dem Archiv befohlen, dem Gundling Mittheilungen zur Historie der Churfürsten von Brandenburg zu machen, und ihm die gedruckten Deductionen wegen Jülich, Reinstein usw. auszuhändigen. Es sind noch manche Anfragen, welche Gundling zu seinen historischen Arbeiten an das Archiv richtete z. B. über die Anwartschaft an Grubenhagen 1564, an ganz Braunschweig 1574, die erste preuß. Huldigung an Joachim II. 1565, über Wernigerode und Dernburg usw. nebst den Antworten der Archivare vorhanden. Im Jahr 1715 befahl der König aus dem Feldlager bei Alt-Stettin (24. Juni) den Archivbeamten in der beglaubigten Abschrift der kaiserlichen Confirmationen (deren Bestätigung Metternich in Wien betrieb) statt der Worte: „von uns und unsern Vorfahren am Reich und per pacta publica erlangten Anwartschaften“ zu setzen: „auch sonst per pacta publica“ usw., was freilich für das Gewissen der Archivare ein mißliches Ding war. Im Jahr 1716 (7. Januar) wurde nach Chuno’s Tode der Hof- und Legationsrath auch geheime Secretair Wilhelm Heinrich Thulemeier [† 1740] Archivar mit einem Theil des Chunoschen Gehaltes „wegen des geheimen Cabinets, welches er im Archiv behält“. Uebrigens aber erhielt (13. Octbr. 1716) Chuno’s Stelle mit 500 Th. Gehalt der Hofrath von der Lith [† Dez. 1760] als „Archivar bei dem Geheimen Hauptarchiv“ und mit der im Patent wiederholten Verpflichtung, nichts ohne Schein der geh. Räthe herauszugeben und 1717 erhielt auch der (wegen der Recrutencassen so wichtige) Geheime Rath v. Marschall Zutritt zum Archive. Unter dem 11. April 1716 erging eine Verordnung an alle Provinzialregierungen zu Magdeburg, Cleve, in Pommern, der Neumark, Halberstadt, Minden, Tecklenburg, Moeurs und an den Drosten zu Ravensberg, daß die Originale und Codices aller Urkunden über die Gerechtsame der verschiedenen Landestheile, über die 38 39
Auch die s. g. Provinzengelder verkürzte der König, wie schon erwähnt ist. War es die s. g. Orange Registratur?
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Rechte der Stände, auch die zur Geschichte dienlichen hieher zum Hauptarchiv abgegeben und nur eine Abschrift zurückbehalten werden solle, auch sollten baldigst Specificationen davon eingereicht werden. Was hierauf erfolgt ist, constirt nicht. Im folgenden Jahre 1718 wurde das Archiv in das neuerbaute Schloß in die Gemächer gebracht, in denen es sich noch jetzt befindet. Der König schrieb nemlich unter dem 14. Januar dieses Jahres an dasselbe, daß es um Johanni verlegt werden solle, und am 14. März bestimmte er dies näher dahin, daß zuerst die Geheimen und Haussachen „das edelste Kleinod unsers Hauses“ mit Sorgfalt zu transportiren sei, was denn auch im Sommer geschah40. Zugleich wurde befohlen, daß künftig niemand in die Gemächer gelassen werden solle, als die wirklichen Geheimen Räthe und wer expresse königliche Erlaubniß habe, auch sollte nur an diese gegen Bescheinigung oder auf königliche Specialpermission Acten ausgegeben werden, sonst solle jeder, der etwas darin einzusehen befugt sei, es nur im Archiv selbst thun, damit alles dabei bleibe41. Dem Hofrath Thulemeier, der das s. g. Cabinet unter Händen habe, wurde die Beobachtung des „theuern Schatzes“ noch besonders empfohlen, übrigens wiederholt ausgesprochen, daß alle Urkunden der Provinzen und rare Privilegien z. B. aus Stettin ins Archiv gebracht werden sollten. Der König begab sich hierauf 1719 persönlich in das Archiv, um dasselbe in Augenschein zu nehmen, und eröffnete dort in des Ministers Ilgen Gegenwart mehrere Sachen. 1729 wurde auch aus Veranlassung eines versuchten Einbruchs in das Archiv vom Könige befohlen, daß ein Nachtposten davor gestellt werden sollte, eine Anordnung die noch 1790 bei einer ähnlichen Veranlassung erneut worden ist. Unter der Regierung dieses Königs erhielten auch mehrere Gelehrte Mittheilungen aus dem Archive z. B. im Jahr 1717 wurde dem Criminalrath Berger, der ein Werk de poenis delictorum verfertigen sollte, dazu die Inspizirung der Criminalacten gestattet, 1718 erhielt der Prediger Beausobre Acten zur Geschichte der Kirchenreformation in Deutschland von 1500 bis 1552, jedoch sollte er das Werk vor dem Druck zur Censur vorlegen, 1721 wurden dem Prof. Schöttgen zu Stargard alte pomm. Urkunden aus dem Archiv und von der Stargarder Regierung gegeben, um Uebersetzungen davon zu machen, und in demselben Jahre erhielt Prof. Dietmar in Frankfurt allerhand wegen Jülich, 1725 wurde dem Professor Dittmar, der ein s. g. Zeitungscollegium las, dazu der Olivaer Frieden mitgetheilt und 1719 wurde befohlen, daß jeder Stadt in der Neumark eine sie betreffende Abschrift aus Beckmanns Chroniken (von denen oben die Rede gewesen ist, und welche 1717 zum Archiv gezogen waren) erhalten sollte. Im Jahr 1722 schrieb der König an Ilgen, er solle ihm 50 Neujahrbriefe von allerhand deutschen Puissancen „die die Puissancen an meinen Vater geschrieben als er Churfürst geworden, item 50 als er König geworden“ zuschicken und dabei die schlimmsten Hände aussuchen, ferner 50 Briefe von Sterbefällen, Hochzeiten 40 Schon damals entstand Klage, daß der durch das Archiv gehende Küchenschornstein dasselbe gefährde. 41 [Marginalvermerk von anderer Hand:] 17. 5. 1734 werden dem Mgr. v. Ansbach Nachrichten aus dem Archive verweigert, weil die Acten an Niemand überlassen werden sollen; „sonst könnte leicht das ganze Archiv in Unordnung kommen“. Minüten 10, no. 238.
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und Kindtaufen, die wolle der König seinem Sohn (dem Kronprinzen) zu lesen geben, damit er allerhand schlimme Hände lesen lerne, und durch öfteres Lesen auch die Curialien und Titulaturen kennen lerne. Diesem Befehl wurde auch Folge geleistet. Im Jahr 1728 starb der Rath und Archivar Royé und an seine Stelle wurde den 9. Mey Senning Hofrath und Archivar mit 200 Th. Gehalt. Als der Hofrath Thulemeier im Jahr 1731 Minister wurde, behielt er das Cabinetsarchiv, und den Sold als Cabinetsarchivar42 und stand das Archiv damals unter der Oberaufsicht der Minister der auswärtigen Angelegenheiten v. Bork und v. Podewils, so wie des Thulemeier, wie man dies aus einem Verweise sieht, den das Archiv 1731 darüber erhielt, daß die Beifügung der Acten an die Minister oft so aufgehalten werde. In diesem Jahre wurde auch die Vorschrift von 1710 erneuert, daß von allen Edicten usw. einige Exemplare in das Archiv gegeben werden sollten, auch kamen zu dieser Zeit viele Gundlingsche Papiere z. B. die Geschichte König Friedrichs I. zum Archiv, andres z. B. eine Nachricht über märkische Städte wurde dem Archiv der Generaldirectorii übergeben, und manches Unverfängliche verblieb auch der Wittwe. Im Jahre 1732 berichteten Bork, Podewils und Thulemeier dem Könige, es melde sich ein gewisser Rhode zum Archive, dessen jetzige Beamte schon alt seien, es werde gut sein, ihn ohne Gehalt dabei anzustellen, damit er angelernt werde. Der König verwarf aber diesen Vorschlag mit der gewiß sehr richtigen Bemerkung: „ich nehme keinen in „Archiff“, der mir nit schon als Registrator und in Cancelleien gedient hat, der nit 36 Jahr aldt ist und der nit besoldet wird“. Dessen ungeachtet war doch einem gewissen jungen Menschen Namens Raitt durch eine Cabinetsordre von 1729 (desgleichen 1726 einem v. Hucke) der Zutritt zum Archiv eröffnet. Unter dem 25. Juny 1732 wurde vom Könige der Hof- und Altmärkische Obergerichtsrath, auch Magdeburgische Regierungssecretar Jacob Ludwig Striepe, dem geh. Rath Senning cum spe succedendi adjungirt, er blieb aber vorerst in Magdeburg. Auch als Senning (Ende 1735 oder Anfangs des Jahres 1736) gestorben, wollte Striepe nicht in das Archiv eintreten und es wurde daher dem König ein gewißer Hofrath Quentin vorgeschlagen. Der König setzte indessen auf den Bericht: „Landeskinder vorschlagen“. Hierauf schlugen die Minister einen gewissen Rath Gause vor, der die Stelle einstweilen versah, der König wollte ihn aber nicht haben, weil er sonst viel zu thun habe. Als hierauf ein andrer Vorschlag geschah, bemerkte der König am Rande: „was vor Religion hat er, das will ich wissen“. Auf die Anzeige daß der Vorgeschlagene (ein gewisser Löfen, so Informator gewesen) reformirter Religion sei, sagte der König: „sol ein Lutteraner sein“. Endlich erhielt denn doch 14. Februar 1736 der Hof- und Criminalrath Christian Philip Gause [bis 1760] die Stelle mit 225 Th. Gehalt, da er 700 Th. zur Recrutenkasse zahlte. Diese Einzahlungen an die Recrutencasse waren überhaupt damals, auch um in das Archiv zu gelangen, nothwendig, wiewohl die Minister vorstellten, daß es gefährlich sei, Archivstellen für dergleichen Offerten zu vergeben. Im Jahr 1736 (27. Januar) wurde, da Thulemeier oft gefährlich krank sei, der Kriegsrath 42
Siehe Cosmar pr. Staatsrath [Anm. 19], p. 417.
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Heinrich Rötger von Ilgen43 [† 1750] statt seiner ins Archiv gesetzt, besonders in das geheime und secrete Archiv, wie es im Bericht der Minister der ausw. Angelegenheiten heißt. Thulemeier sollte ihn anlernen und wurde er „wegen des geheimen Archivs und dazugehörenden secreten Archiv-Cabinets“ in Pflicht genommen, erhielt auch alle publike und geheime Sachen, wie sie posttäglich einkamen. Als Thulemeier 1740 starb, wurde dem Ilgen das Archiv-Cabinet gänzlich übertragen und ihm 500 Th. Zulage bewilligt. Ein Journal über die Krankheit des Königs wurde 1735 besonders zum Archiv gegeben und 1737 auf königlichen Befehl dem Geh. Justizrath v. Arnim der Zutritt eröffnet. Im Jahre 1739 baten Borck, Podewils und Thulemeier, dem Sohn des Hofraths und geh. Archivars Chuno eine Adjunction und eventuelles Successionsrecht bei dem alt gewordenen Archivar Börner zu ertheilen. Der König setzte darauf: „was ist das vor einer, wie ist sein Vater und Mutter gehießen, hat er Mittel vor Berlin, wo hat er sich aufgehalten, wie viel Tractament ist dabei?“ Auf die fernere Anzeige, daß kein Tractament dabei sei, Chuno auch keine Mittel besitze, befahl der König, daß er sich nach Börners Tode wieder melden solle. Man sieht hieraus, wie genau sich der König um die Anstellungen im Archive bekümmerte. Die Nebenarchive, namentlich der Amtskammer, der Finanzdirectorii und des GeneralKriegs-Commissariats blieben unter der Regierung dieses Königs bestehen, und wurden, wie auch die Geh. Kanzlei, alle im Sommer 1718 in das neue Schloß verlegt. Im Jahre 1723 wurde bekanntlich das Finanzdirectorium mit dem Generalcommissariat zu einem General-Ober-Finanz-, Kriegs- und Domainen-Directorium vereinigt, und es entstand für diese, die eigentliche Verwaltung aller Provinzen umfassende Behörde ein eigenes Archiv (welches sich bis zum Jahre 1806 im Schlosse, seitdem im Lagerhause befindet44) auch erhielt das Generaldirectorium eine eigene Kanzlei, getrennt von der ältern Staatskanzlei. Seitdem kamen die eigentlichen Verwaltungssachen nicht mehr in das Archiv, sondern nur noch die Haus- und Cabinetsachen, die auswärtigen und Justizangelegenheiten, so wie die Verhandlungen der gesamten Staatsministerii oder geheimen Raths. Auch viele alte Verwaltungsacten z. B. der Hofkammer kamen in das Archiv der Gen. Directorii, es ist aber zu bedauern, daß die meisten ältern Acten namentlich der Kurmark, dort untergegangen sind. Was die Provinzialarchive anbetrifft, so wurden 1718 Relationen der Regierungen, was für kaiserliche Privilegien usw. Halberstadt, Minden, Pommern, Preußen, Tecklenburg und die Neumark besitze, zu diesen Provinzen gelegt. Es findet sich aber auch ein Bericht des Archivars Chuno von 1716, welcher über den damaligen Ob ein Sohn des Ministers? ja! [Gemeint ist (vgl. schon oben) das sogen. alte Lagerhaus in der Klosterstraße, wohin 1874 das Geheime Staatsarchiv gleichfalls aus dem Schlosse verlagert und mit dem dortigen Ministerialarchiv (= der hier gemeinten Registratur des Generaldirektoriums) vereinigt wurde. Vgl. dazu Eckart Henning, 50 Jahre Geheimes Staatsarchiv in Berlin-Dahlem – 100 Jahre seit seiner Vereinigung mit dem Ministerialarchiv (m. 6 Abb.), Jahrbuch für brandenb. Landesg. 25 (1974) 154 – 174, desgl. in diesem Sammelbd. S 85 – 101.] 43 44
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Zustand der Provinzialarchive Aufschluß gewährt. Er sagt darin, daß das preußische Archiv zu Tapiau im Jahr 1697 eine Mördergrube voller Unflath, ohne Reposituren und Repertorien gewesen sei, seitdem solle es nach Königsberg gebracht sein. Vom Archiv zu Minden seien Repertorien im Archiv, ebenso vom Cleve Märkischen, welches im Niederländischen Kriege oft hin und wieder transportirt sei. Alle Ravensverger Urkunden seien im Archiv und von Magdeburg (Halle) seien 7 Register da, auch sei Professor Ludewig in Halle beauftragt, solche zu suppliren. Die Domcapitel zu Magdeburg, Halberstadt, Minden und Cammin besäßen ein besonderes Archiv, jedoch ohne jus Archivi und von dem Halberstädter und Camminschen seien Repertorien hier vorhanden. Das Magdeburger Capitelarchiv sei 1631 verloren gegangen, Kurfürst Friedrich Wilhelm habe vieles davon wieder zusammengekauft und (was zu bedauern sei) dem Capitel geschenkt, auch habe letztres selbst z. B. aus Cöln am Rhein manches wieder herbeigeschaft. Ob eine Trennung dieser Archive und eine Abgabe des den Landesherrn interessirenden vorzunehmen sei, stelle er anheim. Das Hinterpommersche Archiv sei 1632 von Schweden ausgeliefert und auch das 1678 in Stralsund eroberte nach Stargard gebracht. Schließlich wird bemerkt, daß unter dieser Regierung in den Jahren 1716 und 1737 Reglements für die Staatskanzlei, das Archiv und die Registratur ergingen, welche dem von 16% meist gleich kamen.
VI. Regierungsperiode König Friedrichs des Großen Unter der Regierung dieses Königs wurde den 4. April 1750 das ältere Reglement für das Archiv und die geheime Kanzlei erneuert, beiden das Secretum befohlen, alle Connexion und Correspondenz mit fremden Ministern, das Sollicitiren in Privatangelegenheiten usw. verboten, auch angeordnet, daß die Registratur der geheimen Kanzlei ordentliche Repertorien halten und bei der Methode die Acten zu asserviren, den betreffenden Archivar zuziehen sollte, indem alljährlich die Acten aus der Registratur in das Hauptarchiv abgegeben werden sollten. Letztres wurde auch besonders für die Justizacten, in der Kanzleiordnung vom 24. Novbr. 1755 wiederholt und in beiden das seitdem auch allgemein üblich gewordene Heften der Acten empfohlen45. Der, erlauchte Verfasser der Histoire de Brandenbourg hat übrigens das Archiv selbst benutzt und sich 1746 und 1747, auch sonst durch den nachherigen Minister Herzberg historische Nachrichten über den Zustand der Mark vor dem dreißigjährigen Kriege, über das preuß. Militairwesen usw. vorlegen lassen46, und im Jahre 1750 verlangte er zu wissen, was über Schwarzenbergs gefährliche Absichten im Archiv vorhanden sei. Auch anderen Gelehrten wurde das Archiv zu-
45 Eine Declaration des Reglements von 1750 vom 8. Juli 1771 betrifft nur die geh. Staatskanzlei und deren Registratur. 46 Siehe [Johann David Erdmann,] Preuß. Leben [Friedrich d. Große, Berlin 1832] Nr. 2 I [Bd 1, Anh. 2], p. 473.
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gänglich gemacht z. B. im Jahre 1740 dem Strausberger Prediger Hundertmark das Landbuch zur Benutzung übergeben, auch wurde ihm 1749 zu einer Geschichte der Stadt Bernau erlaubt, die Repertorien im Beisein der Archivare durchzusehen. Durch eine Cabinets-Ordre vom 19. Novb. 1740 erhielt der jüngere Prof Beckmann die 11 Bände Manuscripte, die sein Vater gesammelt hatte, um sie in Druck ausgehen zu lassen (wobei jedoch bemerkt wird, daß ohne Vorwissen des ausw. Departements ihm ein Mehreres nicht mitzutheilen sei) und sodann zurückzuliefern, was aber leider niemals geschehen ist47, und sind bekanntlich auch nur 2 Theile wirklich gedruckt worden. Als Beckmann 1750 um Mittheilung von allerhand HausDocumenten bat, wurde ihm jedoch aufgegeben, erst zu specificiren, was er wolle. Im Jahre 1744 wurden viele Documente und Acten, Ostfriesland betreffend, vom 15. Jahrh. an aus Aurich hieher gebracht. Da im Jahr 1742 der geh. Archivar Börner sehr alt geworden war, so wurde ihm durch eine mündliche königl. Resolution auf die Anfrage der Minister Podewils und Bork der geh. Secretar und Kanzlei-Registrator Johann Friedrich Bergemann [† 11. 2. 1760] als geheimer Archivar adjungirt, sollte ihm auch nachfolgen. Die Geschäftsvertheilung war damals so, daß der geh. Rath und erste Archivar von der Lith alle Publica, Börner alle Preuß. und Märk. Sachen, Senning und Gause einige andre Provinzen und der Kriegsrath v. Ilgen das Archivcabinet und die Secreta hatte. Am 30. October 1744 starb der Registrator bei dem geheimen Archiv, Hofrath Senning, worauf die Minister dem König mehrere Personen vorschlugen, unter denen der König den Namen Friedrich Wilhelm Müller unterstrich48. Dieser war bisher geh. Secretar bei der geh. Kanzlei gewesen, und erhielt also (1744 12. Decbr.) Sennings Stelle mit der Auflage, täglich im Archiv zu sein, und nur an geh. Räthe auf deren eigenhändige Zettel Acten auszugeben. Als der Kammergerichtsrath v. Froben im Jahre 1744 bat, ihn ins Archiv zu setzen, um es kennen zu lernen, sagte der König mündlich: ist jetzo noch nicht nöthig. In den Jahren 1745 und 1746 wurde das Archivcabinet der Kriegsgefahr wegen nach Spandau und Stettin geflüchtet. 1747 kam der berühmte Ewald Friedrich v. Herzberg [bis 1765] zum Archiv. Er war unter dem Gesandten v. Danckelmann Legationssecretair gewesen und wurde ihm anfänglich nur Acceß zum geheimen Archiv ohne Einsicht der Secreta gestattet. Eine Cab. Ordre vom 22. Dec. 1746 hatte nemlich den Ministern befohlen, den Herzberg, der ein fähiger Kopf sei, gelegentlich zu einer convenablen Stelle in Vorschlag zu bringen. Hierauf zeigten die Minister dem Könige an, der alte geh. Rath v. d. Lith wolle ihm sein halbes Gehalt abtreten, und ihn im Archive anlernen. Die mündliche königliche Resolution war aber: das ist meine Intention nie gewesen, sondern daß er in einem Justizcollegio gelegentlich untergebracht werden soll. Hierauf schrieb Herzberg 1747 dem Könige, das „droit public“ sei sein Hauptfach und bat nochmals ihn neben Lith ins Archiv zu setzen. Der Cabinetsrath Eichel antwortete den Ministern, gegen diesen
Auch in Ludwigs Nachlaß 1746 sollen viel Archivdocumente abhanden gekommen sein. Bei dem Namen eines gewissen Pagenhofmeisters setzte der König: „une bete, soit dit par parantaise“. 47 48
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Wunsch habe der König nichts, weil Herzberg verschwiegen und treu sein, auch Capacité haben solle, nur könne der König keine Survivance leiden und v. d. Lith solle das Gehalt behalten. In der Schilderung, welche bei dieser Gelegenheit von Herzberg entworfen wurde, heißt es, daß er ganz arm sei, aber die Kenntnisse eines Professors besitze, daß er keine Gesellschaften besuche (il prend plus de plaisir à parlir sur des anciennes pancartes que de hanter les compagnies) und also ganz zum Archivar geeignet sei, welches ein nicht brillanter und penibler Posten sei. Auf diese Weise wurde Herzberg zur Seite des v. d. Lith förmlich Archivar, leistete als solcher am 1. Februar 1747 den Eid, gab auch Acten aus usw. Gehalt erhielt er aber nicht, da der König sagte, daß er dazu keine Fonds habe. Im Jahre 1747 wurde auch dem Geh. Legationsrathe v. Voß und einigen andern bei der Legation beschäftigten Personen Zutritt zum Archive, besonders zu den Reichssachen, verstattet, die sie auch wohl nach Hause nehmen dürften, doch sollten ihnen ohne Erlaubniß der Cabinetsminister keine Secreta vorgelegt werden. Am 13. May 1747 erhielt Johann Jacob Chuno [† Febr. 1768], wie es heißt, mitwegen der Dienste seines Vaters im Archive, eine Bestallung als geheimer Archivar an die Stelle des wo anders untergebrachten Müller, und im Jahr 1748 am 13. July starb der alte Archivar Börner und der geh. Secretar und Archivar Bergemann rückte in sein Gehalt, an Bergemann’s Stelle aber wurde der geheime (Kanzlei) Registrator Dietrich im Archiv angestellt. In diesem Jahre geschah auch eine Anfrage an den König, ob nicht die in vielen Exemplaren vorräthigen Deductionen wegen Schlesien zum Besten des Archivs verkauft werden könnten, worauf der König dies genehmigte, wofern es ohne bruit geschehe, er fügte jedoch hinzu, er zweifle, daß sie jemand kaufen werde, und sollten sie dann an die Artillerie zu Patronen abgegeben werden. Im Jahre 1750 starb der alte Kriegsrath v. Ilgen, dessen Treue und exactitude imaginable sehr gerühmt wird49, und nunmehr erhielt der Legationsrath v. Herzberg das Archivcabinet mit 800 Th. Gehalt ohne besondre Bestallung, er leistete aber deshalb am 30. October 1750 einen eigenen Eid in der geheimen Etatsconferenz. Herzberg fand, nach seiner damaligen Anzeige, das Archivcabinet in großer Unordnung, weil seit 1742 nichts reponirt war, ja die meisten Sachen noch in den Couverten steckten, und er begann unverzüglich dasselbe in Ordnung zu bringen, auch war er es wohl, der zuerst die Urkunden zum Cabinetsarchiv brachte, da sie früher v. Lith und nicht der Cabinetsarchivar v. Ilgen unter sich gehabt hatte. Nicht lange darauf brach der siebenjährige Krieg aus, während dessen der größte Theil des Archivs (von 1757 bis 1763) nach Cüstrin und Magdeburg der Sicherheit wegen transportirt wurde. Ein unersetzlicher Verlust war es aber, daß bei dem Bombardement von Cüstrin durch die Russen viele der schönsten Urkunden der Neumark nebst dem ganzen städtischen Archive in Rauch aufgingen. Inzwischen war der v. d. Lith alt und schwächlich geworden, weshalb ihm 1757 der geh. Kanzlist und Registrator der französischen Registratur Balthasar Friedrich Reimari adjungirt wurde. Der Geh. Archivar Gause wurde 1758 geheimer Obertribunalrath, blieb aber im Archive, wo er die
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Ilgen war auch Secretar bei der preuß. Expedition der geh. Kanzlei.
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Magdeburger und Halberstädter Sachen hatte, bis er 1760 resignirte und Reimari seine Stelle mit 225 Th. Gehalt erhielt, der auch am 25. Januar 1761 eine förmliche Bestallung mit der herkömmlichen Verflichtung, nur an geh. Räthe auf deren eigenhändigen Schein Acten zu geben, erhielt. Im December 1760 starb der geh. Rath von der Lith und der geh. Secretar Spicker wurde Archivar beim Hauptarchiv, laut Bestallung vom 25. Januar 1761, wonach er und Reimari übrigens ihre Sporteln in der Geh. Kanzlei behielten. Kurz darauf, am 11. Februar 1761, starb auch der geheime Secretar und Archivar Bergemann, worauf Herzberg berichtete, es seien von jeher vier Archivare gewesen und unrecht, diese Stellen, wie Mode werden wolle, mit Posten bei der geh. Kanzlei zu verbinden, Cuno tauge auch nicht viel, er schlage vor, die offene Stelle dem Canonicus Schlüter zu geben, der aus einer reichen Kaufmannsfamilie in Rathenow herstamme und drei Schwestern an Obristen und Generale verheirathet habe, übrigens aber eingezogen lebe und gelehrt sei. Hierauf wurde denn auch unter dem 8. März 1761 der Canonicus Joachim Andreas Schlüter [† 18. 3. 1804] als geh. Archivar mit dem Character als Kriegsrath bei dem geheimen Hauptarchiv angestellt, und übernahm er, nachdem er vereidet worden, die Publica, so der v. d. Lith gehabt, Reimari und Spiker aber erhielten Gehaltserhöhungen. Auch in Schlüters Bestallung kommt vor, nur an die wirkl. Geh. Räthe auf eigenhändige Zettel Acten auszugeben. Im Jahr 1760 sollten die Churmärkischen Predigersachen, die bis dahin in Privathäusern bei den Beamten aufbewahrt waren, ins Archiv gebracht werden; aus Mangel an Raum sah man sich aber genöthigt, sie in der geh. Kanzlei unterzubringen, dagegen wurden 1763 Charten und dergleichen aus dem Nachlaß des Markgrafen Carl im Archiv deponirt. Nachdem Herzberg Minister geworden, wurde am 18. Februar 1765 der Kriegsrath Köpke50, gewesener Legations-Secretair in Stuttgart und Dänemark, geheimer Archivar, und erhielt besonders das Archivcabinet mit 1000 Th. Gehalt, er trat aber diesen Posten gar nicht an, sondern wurde zur Legation nach England geschickt, und da er im Jahr 1767 aufgefordert wurde, zurückzukehren, erklärte er, daß er dies nicht wolle, sondern lieber seinen Abschied verlange. Während seiner Abwesenheit hatte Herzberg das Archivcabinet weiter besorgt, nunmehr wurden aber am 20. Januar 1768 Schlüter und ein gewisser Legations-Secretar Diestel [bis 1793] dem Könige persönlich vorgestellt, und er erwählte den Diestel zum Archivar für das geh. Archivcabinet. Diestel erhielt also eine Bestallung (24. Januar 1768) mit dem Character Kriegsrath, das geh. Archivcabinet, „welches alle Original-Documente und wichtigste Hausgeheimnisse enthält“ wurde ihm besonders übergeben, er erhielt dafür, neben seinem bisherigen Gehalt von 800 Th. noch 1000 Th. und Schlüter bekam 400 Th. Zulage. Diesen Diestel finde ich auch zuerst als geheimen Cabinets Archivar bezeichnet. In diesem Jahre (Februar 1768) starb Chuno (oder Cuno) und der Archivar Spiker wurde in die geh. Kanzlei versetzt. Die Chunosche Stelle ging ein (bei diesem Antrag setzte der König eigenhändig bené) an Spikers Stelle aber kam am 15. Februar d. J. der geh. Secretar Johann Daniel Kluge [bis
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Er scheint schon 1763 im Archiv beschäftigt worden zu sein.
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1792] und dem Reimari wurde 29. Februar d. J. der Kriegsrathstitel beigelegt. Im eigentlichen Archive befanden sich also nur Schlüter, Reimari und Kluge, es wurde aber schon 1769 (6. Novbr.) der geheime Kanzlist Johann David Fäsch zum supernumerären geheimen Archivar bestellt. Im Jahre 1764 war das s. g. Orangearchiv in das Schloß, in ein besonderes Local gebracht worden, und wiewohl man 1770 zum Besten des Archives viele Deductionen über den siebenjährigen Krieg verkaufte, so erneute sich doch 1771 die Klage über Mangel an Raum, welcher auch durch die 1774 ertheilte Erlaubniß, die Duplicate der Gesandschaftsberichte zu verbrennen, wenig abgeholfen wurde. Auf eine Anfrage der Cabinetsministerii vom Jahr 1775, ob wegen des Zutritts von Schlesien und Westpreußen nicht ein neuer Archivar bestellt werden solle, sagte der König: „vous avez des archivaires, tant d’archivaires, qu’on peut ménager les gages“. 1777 wurde dem Plassenburgischen Archivar Spiess für die eingesendete Schrift „von Archiven“ bestens gedankt und im folgenden Jahre trug sich die unangenehme und wie es heißt, für das Archiv gefährliche Begebenheit zu, daß der Archivar Kluge wegen Wechselschulden zur Hausvoigtei gebracht werden sollte, die Sache wurde indessen ausgeglichen. Unter dem 28. September 1779 wurde auf Herzbergs Vorstellen, daß ein Publizist im Archive nöthig sei, der Professor Christian Wilhelm Dohm aus Cassel geheimer Archivar und Kriegsrath, und ihm besonders Schlesien untergeben, auch sollte er die preußische Krönungsgeschichte bearbeiten, wozu es jedoch nicht kam, denn 1783 wurde er anderweitig placirt und an seine Stelle unter dem 28. Septbr. d. J. der Legations-Secretair Johann Heinrich August Höfler [bis 1787] und der Rechtscandidat Johann Christoph Kypke [b. 1787] geheime Archivare und Secretare, von denen jener Westpreußen und Pommern, dieser Schlesien erhielt. 1784 wurde dem Kluge, dessen Departement sehr in Unordnung war, eine Visitation angedroht, und wohl mit deshalb am 14. März der Rechtscandidat Christian August Ludwig Klaproth [† 30. 5. 1812] als Supernumerar im Archive angestellt. Da Reimari selten im Archive erschien, so wurde am 19. Februar 1786 Klaproth zum Geh. Secretar und Archivarius adjunctus ernannt, dem Reimari auch aufgegeben, ihm 100 Th. aus seinem Gehalte zu geben, worüber er sich sehr beschwerte. Außerdem wurde 1786 der bekannte Wohlbrück [bis 1788] zum geh. Archiv-Assistenten angenommen. Unter der Regierung König Friedrichs des Großen hat zuerst das Archivcabinet sich als ein besonderer Corpus im Archiv, wie er noch jetzt ist, abgesondert, und gehörten dazu außer den Originalien, Hausurkunden usw. die Secreta und die laufenden Geschäfte der auswärtigen Ministerii, sobald sie zum Archiv kamen. Namentlich hat Ilgen, dann Hertzberg diese unter sich gehabt. Sonst zerfielen die Geschäfte im großen Archiv nach Provinzen und Departements z. B. hatte Lith, dann Schlüter, die Publica (mit Ausnahme der zum Cabinet gehörigen neueren und geheimeren Sachen) Bergemann, dann Reimari hatte Preußen, Kurmark und Ostfriesland, Gause Magdeburg und Halberstadt, ein anderes Departement enthielt Pommern und Oranien, und mit Schlesien und Westpreußen entstanden neue Abtheilungen. Das königliche Cabinet und die geheime Kanzleiregistratur lieferten alljährlich die bei ihnen aufgesammelten Acten und Papiere in das Archiv ab.
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Hertzberg hat bekanntlich unter der Regierung dieses Königs das Archiv vielen Gelehrten eröffnet und Gerken und Nicolai verdankten ihm größtentheils die Materialien, welche sie den Urkundensammlungen und der Geschichte von Berlin einverleibten, doch soll der Frankfurter Prof. Reitemeier und selbst Nicolai die ihnen von Hertzberg ertheilte Erlaubniß zur Einsicht von Archivacten in etwas gemißbraucht haben. Dem Nicolai muthete man auch die Anfertigung der preuß. Krönungsgeschichte an, als er aber die 22 Volumina Acten darüber zu sehen bekam, verging ihm die Lust.
VII. Regierungsperiode König Friedrich Wilhelms II. Im Juny 1787 wurde Kypke geheimer Archivar bei dem neu errichteten Oberkriegscollegium und Höfler trat auch aus, weshalb den 8. July d. J. Klaproth zum Geh. Archivar und Secretar ernannt, auch der bisherige geheime Secretar bei der Etatskanzlei Friedrich Heinrich Wernitz zum geh. Archivar und Secretar bestellt und dem Archiv-Assistenten und Secretar Wohlbrück ein Gehalt von 200 Th. bewilligt wurde. Gegen den Wohlbrück entstand indessen im folgenden Jahre eine Untersuchung, da er sich nicht nur durch sein Betragen den andern Archivbeamten sehr verhaßt gemacht hatte, sondern auch große Klage über seine Liederlichkeit und darüber, daß er einen Archivschlüssel verloren hatte, geführt wurde. Besonders aber vermochte er die Beschuldigung, Siegel von allerhand Couverten zu einer von ihm angelegten Siegelsammlung abgeschnitten zu haben, nicht abzulehnen, und er wurde daher (jedoch mit Beibehaltung seines Gehalts) aus dem Archive entlassen. Unter dem 15. Novbr. 1788 wurde der geh. Secretar Carl Friedrich Wilhelm Kenkel [† 1825] geheimer Archivar und Secretar bei dem Hauptarchiv. Durch eine Cabinetsordre vom 11. July 1791 wurde dem Gießener Professor Crome, der die Protection des damals sehr einflußreichen Flügeladjutanten v. Manstein besaß, zu einer von ihm beabsichtigten Geschichte des siebenjährigen Krieges unverfängliche Mittheilungen aus dem Archive zugesagt, das auswärtige Departement berichtete indessen hiergegen, er verlange die Negoziationen mit andern Mächten aus jener Zeit, was viel zu neu, wichtig und gefährlich sei, und hierauf erging eine anderweitige Cabinetsordre vom 4. Januar 1792, welche ihn zu bescheiden befahl, daß er allerdings nur das verlangen könne, was ungefährlich sei. Dem Crome wurde daher eröffnet, daß die von ihm geforderten „wahren Staatsgeheimnisse“ nicht herausgegeben werden könnten, worauf die Sache auf sich beruhen blieb. Auch wurden 1792 dem Professor Bernoulli die Acten über den berüchtigten [Johann Reinhold] Patkul [1660 – 1707] verweigert, weil Mißbrauch, auch für die betheiligte Familie, möglich sei. Im Jahr 1791 verlor der Minister v. Herzberg sein Amt (mit Ausnahme des Seiden-Departements); er fühlte sich darüber sehr gekränkt, und legte dem Könige die Absicht vor, eine Geschichte Friedrichs des Großen zu schreiben. Der König sagte ihm durch einen eigenhändigen Nachsatz zu einer Cabinetsordre vom 5. July 1791 hierüber folgendes: „je n’ignore pas que vous vous proposez d’écrire l’histoire du feu Roy, je verrais avec plaisir, que vous y employez vos né-
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cessaires heures de loisir et je donnerai les ordres nécessaires, que l’on vous donne les pièces des Archives nécessaires pour cette interéssante histoire“. Unter dem 26. Februar 1792 erging darüber auch eine Cabinetsordre an den Minister der auswärtigen Angelegenheiten, wonach dem Minister Herzberg zwar der Accès zum Archiv gestattet wurde, aber die Minister autorisirt wurden, ihm Alles zu verweigern, was Inconvenienzen herbeiführen könnte. „Vous veillerez“, heißt es, „que les papiers reviennent au archives – mon intention est, que vous mettiez dans ces communications toute la circonspection convenable, je compte à ce sujet sur votre jugement et sur votre prudence“. An Herzberg selbst schrieb der König: „je suis nullement indisposé contre votre personne“, allein den Accès illimité, wie früher, zum Archiv könne er nicht behalten, weil dies mit der Responsabilität der jetzigen Minister unvereinbar sein würde51, er habe sich daher nur an das auswärtige Departement zu wenden, welches ihm alles mittheilen werde, was nicht noch der Kenntniß des Publicums entzogen bleiben müsse, da die Epoche noch zu neu sei, und man riskire, gegen die auswärtigen Mächte compromittirt zu werden. Selbst aufsuchen dürfe er nichts, dies sei die Sache der Archivbeamten, auch wurde ihm empfohlen, alles bald zurückzugeben, indem er nicht eher etwas anderes erhalten könne. „Je me chargerai“, fährt die Cabinetsordre fort, „moi même de la revision de votre manuscript“, doch solle er es vor dem Druck einsenden und „absolument rien“ eher publiciren, „pas même en forme de discours academiques52 avant que d’ en avoir obtenu mon agrément“. Diese Restrictionen könnten ihn nicht geniren, „dès que vous vous bornez simplement â écrire l’histoire du régne precédent“. Zugleich wünscht der König, daß seine Gesundheit ihm erlauben möge, ein so unermeßliches Werk („un ouvrage si immense“) zu vollbringen; „je prendrai un interet bien sincére d la gloire, dont il doit vous combler, si vous parvenez à l’achever“. Schließlich wird ihm aber vorgehalten, daß der dritte Band seiner Deductionen Nachtheiliges für fremde Mächte enthalte, weshalb er diese Sammlung künftig nicht gedruckt, sondern im Manuscript einreichen solle. Auf diese Ordre erhielt Herzberg die Acten wegen der Thronbesteigung des Königs, die Wiener Correspondenz von 1740 und die Acten über den ersten schlesischen Krieg, er hat indessen, so viel bekannt ist, nichts zu Stande gebracht. Im Jahre 1792 wurde auch der noch lebende Oehlert zum Archivdiener bestellt, und ihm außer dem Gehalt noch eine Summe für Montirung und einen Roquelaure zugesichert. 1792 trat Kluge aus dem Archive aus und der Candidatus juris Martin Kahlen [gest. 1822] wurde den 6. März 1793 als geh. Archivar für Schlesien und Südpreußen und zugleich als Translator der polnischen Sprache angestellt. Im Jahre 1793 wurde auch der Kriegsrath und geheime Cabinetsarchivar Diestel, Krankheits und Alters halber, auf sein Ansuchen dispensirt, und der Kriegsrath Klaproth erhielt interimistisch das Archivcabinet und die Reichssachen, welche Schlüter 51 Es ist bekannt, daß Herzberg trotz seiner Entlassung fortfahren wollte, sich in auswärtige Angelegenheiten zu mischen und z. B. eigne Instructionen an Gesandte abgehen ließ! 52 Woran man Anstoß genommen hatte, besonders was er über König Friedrich Wilhelm II. gesagt.
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bis dahin gehabt hatte. Man fand sich nemlich veranlaßt, diese dem Schlüter wegen seiner auffallend schlechten Handschrift abzunehmen, dagegen behielt er die Depeschen und Kahlen übernahm die Provinzen, die Klaproth bisher unter sich gehabt hatte. Nach Diestels Tode im August 1796 wurde Klaproth durch ein kön. Patent v. 14. August d. J. wirklich zum geh. Archivar des Archiv-Cabinets mit verbessertem Gehalte angestellt, und ihm dabei aufgegeben, diesen Theil des Archivs, der die geheimsten Sachen enthalte, vorzüglich geheim zu halten und nur an die Geheime Cabinetsminister auf deren eigenhändige Zettel, davon etwas herauszugeben. Noch hat im Jahre 1794 der geh. Justizrath Gossler zu einer von ihm unternommenen Justizgeschichte König Friedrichs des Großen viele Acten, gegen ausbedungene Censur des Manuscripts Seitens der Cabinetsministerii, erhalten und 1796 wurde ein Verzeichniß der in Cracau aufbewahrten Brandenburg und Pommern betreffenden Urkunden angefertigt. Hinsichts der Provinzial-Archive unter der Regierung dieses Königs ist nur zu bemerken, daß das General-Directorium unter dem 1ten März 1788 eine gedruckte Anweisung wegen der Finanz-Registraturen im ganzen Lande erließ.
VIII. Regierungsperiode König Friedrich Wilhelm III. Das Wichtigste, was im Anfange dieser Periode geschah, war die Erweiterung des Archives. Schon 1793 wurden stets sich mehrende Klagen über Mangel an Raum geführt, der Hinzutritt von Polen und später der fränkischen Fürstenthümer steigerte diese noch und man wird sich einen Begriff von dem Zuwachs des Archives machen können, wenn man erfährt, daß die Minutes (Abschriften der kön. Cabinetsordres) für 1785, 19 Bände, für 1786, 16 Bände ausmachen und daß von 1793 bis 1796 jährlich 4 bis 5000 Actenstücke ins Archiv gelangten. Die Cabinetspapiere König Friedrich Wilhelms des zweiten, der Nachlaß Herzog Ferdinands von Braunschweig und die im Jahr 1799 für das Archiv und das auswärtige Departement erkaufte Bibliothek des verstorbenen geh. Legationsraths v. Steck53 erforderten auch viel Raum, so daß alles Umsetzen der Reposituren usw. endlich nichts mehr half. Gegen die beabsichtigte Cassation der alten Justizacten für die Wittwen-Casse, wie gegen eine durch Cabinetsordre vom 22. August 1799 allgemein angeordnete Vernichtung unbrauchbarer Acten, protestirte das Archiv mit Recht, da sich bei ihm (mit Ausnahme der Duplicate in den Gesandschaftsarchiven) nichts Unbrauchbares finde. Es fanden deshalb 1798 und 1799 viele Verhandlungen um Erweiterung des Locals statt, ohne daß solche möglich gemacht werden konnte, der König schlug auch die Uebergabe einiger leer gewordenen Cassenzimmer ab, mit dem Bemerken, daß die Stecksche Büchersammlung zur großen Bibliothek gebracht werden könnte. Endlich fand sich der Minister v. Alvensleben veranlaßt, Seiner Majestät vorzustel-
53 Das Archiv besaß außerdem schon 300 Bücher zu seinem Gebrauch. [Heute sind es 73000 Stück.]
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len, daß das Archiv eins der wichtigsten Institute seines Hauses und Landes, daß darin nichts zu vernichten, und eine baldige Remedur des Raummangels höchst nöthig sei, weshalb er pflichtgemäßig und wiederholt auf Beschaffung des nöthigen Raumes antragen müsse. Hierauf wurden denn auch fünf Kassenzimmer dem Archiv überwiesen. Im Jahre 1798 wurden alle, die große königliche Bibliothek betreffende Acten an diese ausgeliefert. Beamten des Archivs waren damals der Kriegsrath Schlüter, der Kriegsrath Klaproth, der außer dem Cabinetsarchive auch ein Departement im großen Archiv hatte und die geheime Archivare Wernitz, Kenkel und Kahlen. Im Jahr 1801 erging eine Cabinetsordre, wonach dem Professor Reitemeier zu Frankfurt die Benutzung des Archivs gestattet wurde, „vous saurez“, heißt es jedoch, „juger du mode, qui en éloignera toute espèce d’inconveniens“. Reitemeier wurde hierauf aufgefordert, anzuzeigen, was er haben wolle, worauf er um ganz freien Zutritt und Anstellung im Archive bat. Man antwortete ihm, es gehe nicht an, jemanden im Archive anzustellen, bloß damit er ein Buch schreibe. Das Archiv fand sich auch zur Anzeige verpflichtet, daß Reitemeier eine ihm früher von Herzberg ertheilte Erlaubniß zur Benutzung des Archivs gemißbraucht habe, um hinterrücks neue Sachen, die Universität Frankfurt betreffend, einzusehen, woher namentlich Streitigkeiten unter den Professoren entstehen könnten. Ueberhaupt hätten Schriftsteller meist ganz falsche Vorstellung vom Archive, als ob da alle Materien zu irgend einem literarischen Gebrauch schon zusammenlägen, während es oft selbst für den Archivar sehr schwer sei, alles Zusammengehörige auch zusammen zu bringen54. Diese Verhandlungen sind beachtenswerth wegen der oft prätendirten unbeschränkten Benutzung der Archive und das Resultat war auch, daß Reitemeier zur Angabe specieller Daten verpflichtet wurde. Im Jahre 1804 wurde indessen durch eine Cabinetsordre vom 17. April der taub gewordene Prediger Cosmar zum Archivassistenten bestellt und ihm zugleich aufgegeben, die ältere vaterländische Geschichte zu bearbeiten, jedoch alles Manuscript, ehe es gedruckt werde, mit Ausnahme ganz alter Anecdota, dem Cabinetsministerium zur Censur einzureichen. Dies verweigerte auch 1806 einem Aufsatz über einen im 16. Jahrh. gemachten Versuch, das Heermeisterthum des Johanniterordens einzuziehen, die Druck-Erlaubniß, weil dadurch jetzt Besorgnisse ähnlicher Art entstehen könnten. Dennoch erregten Cosmar’s Mittheilungen aus dem Archive z. B. im Hausfreund, später das Bedenken der Archivare, und Klaproth berichtete 1810 deshalb, worauf Cosmar 1812 mit Pension und dem Titel Consistorialrath, entlassen, seine Arbeiten aber, zumal über den Johanniter54 Die Wahrheit obiger Bemerkung bestätigt sich noch täglich, da den Gelehrten meist entgeht, daß alle Archivverhandlungen ursprünglich practische waren, und sie daher lächerliche Anforderungen stellen, z. B. sich Acten betreffend das preuß. Staatsrecht erbitten. Wer es überhaupt weiß, welche große Mühe und Zeit oft die Durchsicht nur eines einzigen Convoluts erfordert, welche schwierige Hände da zu lesen sind, wie viel Unnützes durchgegangen werden muß, um das Erhebliche zu finden, der würde sich nicht so zur Benutzung eines Riesenwerkes drängen, von dem die Durchsicht einer einzigen Repositur ein Menschenalter erfordert. Lucrative Arbeit ist da am wenigsten zu hoffen.
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orden, dem Archiv erworben wurden. Im Jahr 1805 unternahm der preußische Historiograph Cuhn55 die früher dem Dohm und Nicolai angesonnene Arbeit über die Erwerbung der preuß. Königswürde. Er führte sie auch sehr fleißig aus, sie wurde dem Könige selbst vorgelegt und er erhielt eine Gratification von 100 Stück Frd’or und die Erlaubniß zum Druck, zu welchem er aber wegen der nachher eingetretenen Kriegsverhältnisse nicht kam56. Unter dem 4. Juny 1801 erging ein neues Reglement für die geheime Staatskanzlei und das Archiv, in dessen § 1 und 2 den Archivaren das Secretum empfohlen, alle Ertheilung von Abschriften und Correspondenz mit Gesandten usw. verboten wird. Nach § 3 steht das Archiv sowohl als die Staatskanzlei und deren Registratur direct unter dem Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten, es war jedoch allen Ministern zu gebührlichem Gehorsam verpflichtet. Im § 9 heißt es, Seiner Majestät gereiche zum gnädigsten Wohlgefallen und Zufriedenheit, daß von den bei dem geheimen Staats- und Landesarchiv stehenden geheimen Archivaren dasselbe in die dabei eingeführte musterhafte und nöthige, in vorigen Zeiten vermißte Ordnung wiedergebracht worden, der König hoffe, daß sie auch ferner das Archiv in guter Aufsicht und Ordnung halten, und zu immer größerer Vollkommenheit zu bringen sich bestreben werden; besonders müssen die Acten, so die Archivare und die Registratur für geschlossen halten und sich daher zu der mit Ablauf jeden Jahres vorzunehmenden Ablieferung an das Archiv qualificiren, in die Repertoria eingetragen und reponirt, auch ordentliche Augabebücher gehalten, und das Ausgegebene von Zeit zu Zeit in Erinnerung gebracht werden. Sobald Archivacten wieder current werden, gelangen sie wieder in die Registratur, bis sie erledigt sind, wo sie dann am Ende des Jahres wieder in das Archiv kommen. Auch im § 10 wurde die Registratur der geh. Staatskanzlei verpflichtet zu Ende des Jahres alle abgemachte Acten ins Archiv zu liefern und § 11 empfiehlt nochmals die Beobachtung der Secreti und verbietet, daß irgend ein Unbefugter Zutritt ins Archiv oder gar inspectio actorum erlange. Dies Reglement galt indessen nur wenige Jahre, denn schon im Jahre 1803 wurde das alte Institut der geheimen Staatskanzlei völlig aufgelöset. Die geheime Staatskanzlei war von Anfang an die Behörde gewesen, wo sämmtliche Verhandlungen des geheimen Raths (Staatsrathes, jetzt Staatsministerii) expedirt und mundirt wurden. Zuerst legte 1723 das Generaldirectorium sich eine eigene Kanzlei an, die Staatskanzlei behielt aber immer alle Sachen, welche das gesammte Staatsministerium betrafen, außerdem alle Haus- und Hoheitssachen, alle Justiz-, Lehn-, Criminal- und geistliche Sachen, es hatte die Expedition der Oberconsistorii und der Jurisdictionscommission und war nach den verschiedenen Provinzen in 8 Expeditionen getheilt, welche die bedeutenden Sporteln unter sich theilten. Das auswärtige Departement besetzte alle Stellen, und hatte auch sonst die nähere Aufsicht über die Staatskanzlei. Jetzt, im Jahre 1803 legte nun jedes Ministerium z. B. das
Er starb 1809 in Cassel. Ein Auszug steht in [Johann Emanuel] Küsters Beiträgen [zur preußischen Staatskunde, Slg 1 ff., Berlin 1805 ff.]. 55 56
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Justiz-Ministerium eigene Kanzleien und Registraturen für sich an und die Registratur der Staatskanzlei, welche durch ihre jährliche Actenablieferung in innigster Verbindung mit dem Archiv stand, hörte auf. Nur das auswärtige Departement erhielt keine eigene Registratur. Von Anfang an waren alle eigentliche Politica desselben unmittelbar in das Archiv gelangt, ohne durch die Registratur des Staatskanzlei zu gehen, jetzt 1803 wurden auch die nicht politischen Acten des auswärtigen Departements unmittelbar im Archiv hintergelegt, und dies Verhältniß dauerte bis 1808, wo das auswärtige Departement eine eigene Registratur erhielt. Am 18. März 1804 starb der geheime Archivar und Kriegsrath Schlüter, 82 Jahr alt, und sein Gehalt von 1150 Th. wurde unter die übrigen Archivare vertheilt, auch durch Cab. Ordre vom 14. April 1804 Klaproth zum geheimen Kriegsrath, Kenkel und Kahlen zu Kriegsräthen ernannt. Um diese Zeit erlangte der berühmte Geschichtsschreiber Johannes v. Müller57 Zutritt zu dem Archive, um die Geschichte König Friedrich des Großen zu schreiben. Es erging darüber unter dem 5. July 1806 eine Cabinetsordre, wonach dem geheimen Kriegsrath und Historiographen von Müller zur Bearbeitung der Geschichte Friedrichs des Großen die Archive, auch die der General-Directorii und der Justiz eröffnet werden sollten, der Minister v. Haugwitz instruirte jedoch das Archiv dahin, dem v. Müller nur das vorzulegen, was ohne sich zu compromittiren mitgetheilt werden könne, und sollten die Archivare ermessen, wobei erst Anfrage bei dem Ministerium nöthig sei (z. B. bei allen politischen und militairischen Sachen), aus dem Cabinetsarchiv aber sei nichts mitzutheilen. Zugleich wurde Müllern aufgegeben, sein Werk vor dem Druck dem Ministerium zur Censur vorzulegen. Die Archivare wurden mit der Vorlegung der Acten und Repertorien an Müller sehr belästigt58, weshalb man endlich den Ausweg traf, ihn als Archivar förmlich zu vereidigen, worauf er denn unbedingten Zutritt zu allen, auch den geheimsten Sachen erlangte. Daß Johannes Müller übrigens nichts zu Stande gebracht und sich bald dem neuen Königreich Westphalen zugewendet hat, ist bekannt. Wir kommen nunmehr nervlich auf die unglückliche Kriegsperiode des Jahres 1806. Noch eben zu rechter Zeit, am 16. Octbr. 1806, wurde ein großer Theil des Archives unter Klaproth und dem Archivdiener Oehlert nach Preußen, dann sogar über Memel bis nach Riga geflüchtet, und kam erst 1810 wieder von Königsberg zurück. In der Wohnung des Minister v. Haugwitz wurden mehrere geheime politische Sachen verbrannt59, ein Theil sehr geheimer Papiere aber, welche der Cabinetsrath Lombard hinter sich hatte, noch glücklich gerettet. Ein Glück war es auch, daß bis zum Jahre 1813 so wenig aus dem Archiv extradirt war, da eigentlich alle Acten der abgetretenen Provinzen hätten ausgeliefert werden sollen, nur viele Acten wegen Polen von 1792 bis 1806 wurden von einigen polnischen Commissarien weggeführt Vgl. dessen gedruckten Briefwechsel. Er erhielt unter andern die Untersuchungsacten gegen Friedrich II. als Kronprinzen. Diese hatte Friedrich II. stets verschlossen gehalten, als sie einst Friedrich Wilhelm II. sich vorlegen ließ, kamen sie offen ins Archiv zurück. 59 Es ist darüber eine besondre Notiz vorhanden. 57 58
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und sind für das Archiv verloren gegangen. Einen empfindlichen Verlust hat der Staatsrath Sack, zwar nicht dem großen, sondern dem Archiv der General-Directorii zugefügt; in der Meinung’ daß Preußen die abgetretenen Provinzen nicht wieder erlangen werde, ließ er viele Verwaltungsacten abgetretener Provinzen verkaufen, sonderte auch aus der kurmärkischen Registratur viele, angeblich unbrauchbare Acten aus, und verkaufte sie zum Besten brodloser Beamter, wobei sich mehrere Privatleute Berlins ganz artige Sammlungen von Originalcabinetsordren angelegt haben. Der Actenverkauf ging dann – auch auf eigne Rechnung eines betrügerischen Registrators – immer weiter, so daß jetzt die Registratur der Kurmark im Generaldirectorii ein jämmerlicher Torso ist und fast alle Acten aus der Zeit vor 1770 vermißt werden, ja nicht einmal die Repertorien davon da sind. Wo die alte Amtskammerregistratur nach der Errichtung der Regierung zu Potsdam geblieben sei, ist mir unbekannt. Andre Registraturen wechselten 1806 ihre Behörden z. B. die des Pfälzer Colonie-Departements, des Magdeburgischen und Brandenburgischen Lehndepartements (dessen Acten und Lehnbücher 1810 an das Kammergericht kamen, wo sie noch sind), die Registratur des Großkanzleramts und Schuldepartements usw.60. Dagegen wurde im Jahr 1809 das Archiv der schlesischen Ministerii von Breslau hieher gebracht, und wird es noch separat unter dem Hofrath Pauli bei dem Ministerium der geistlichen Angelegenheiten aufbewahrt, auch kam bei dieser Gelegenheit die geheime Instruction des schlesischen Ministers zum Vorschein, welche König Friedrich der Große eigenhändig, zuletzt für den Minister v. Hoym aufgesetzt hatte. Das große Archiv kam 1807 unter die obere Aufsicht des Haus-, Hoheits- und auswärtigen Departements61, welches sich, wie schon erwähnt, 1808 eine eigene Registratur bildete, dies dauerte aber nur bis 1810, wo in dem Edicte über die Verfassung der obern Behörden alle Archive dem Staatskanzler, Freiherrn (nachherigen Fürsten) von Hardenberg untergeben wurden. Im Jahre 1811 erstattete Klaproth einen Bericht über das Archiv, namentlich über die Frage, ob alle zusammenzuziehen seien (was er für schwer ausführbar erklärt) worin er die alte Archiveinrichtung, auf der seither noch immer fortgebaut wird, ein Meisterstück nennt und eine Trennung des Archives fast für unmöglich hält, weil die Archivbücher nach der bestehenden Einrichtung angelegt sind. Am 2. July 1812 erließ hierauf der Staatskanzler eine, noch gültige, Dienstinstruction für das Archiv in 15 Paragraphen. Nach § 1 derselben steht das Archiv allein unter dem Staatskanzler, § 2 setzt indessen fest, daß die jedem Ministerium speciell angehörigen Acten diesem ohne Anfrage verabfolgt werden dürfen, § 3 befiehlt die fernere Ablieferung in das Archiv von den Behörden, so zeither dahin abgegeben haben, § 4 ernennt den Cabinetsarchivar zum Vorstand des Archive in gewisser Weise, § 5 bestätigt die Provinzial60 Siehe darüber die Acten von 1828 betr. eine Recherche nach den ältern Registraturen in Berlin. 61 Die von alten Zeiten her an das Archiv gezahlten s. g. Archivgelder aus den Provinzen (siehe Periode des großen Churfürsten) erreichten ihre Endschaft im Jahre 1806.
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abtheilung der Geschäfte der Archivare62, § 6 empfiehlt die sorgfältige Aufbewahrung der Acten, § 7 die gehörige Reponirung der eingehenden Acten, § 8 die gute Obacht auf Feuer und Licht, § 9 setzt die Dienststunden auf Vormittags 9 bis 12, und Nachmittags 3 bis 5 Uhr fest63, § 10 befiehlt ein Ausgabejournal zu halten, § 11 legt strengste Verschwiegenheit für alles, was auf die entfernteste Weise dem Staat nachtheilig sein könnte, auf und nach § 12 sollen alle schriftstellerische Arbeiten dem Staatskanzler vorgelegt werden, § 13 und 14 reden vom Archivdiener und Calefactor, endlich 15 setzt einen Archivbedürfnißfonds von 100 Th. aus. Von 1806 bis 1813 ist das Archiv amtlich vielfach benutzt, z. B. 1809 wegen der fremden Enclaven (zumal sächsischen) im preuß. Staat, 1809 wegen Verfassung der alten Landschaft, 1810 bei Aufhebung der Domstifter64, es wurde untersucht, ob und wann (seit 1620) die Landstände bei Taufen im königlichen Hause Gevatter gestanden usw. Am 30. May 1812 starb der Cabinetsarchivar, geh. Kriegsrath Klaproth, ein Mann von ausgezeichneten Eigenschaften und Verdiensten um das Archiv. Im Anfange des Jahres 1813 betrieb der geh. Legationsrath v. Raumer, der sich dazu ein eigenes Commissorium erwirkte, daß ein großer und geheimerer Theil des Archivs erst nach Breslau, dann über Crossen unter starker Militairbegleitung nach Königsberg in Preußen geflüchtet wurde, wohin ihn der Kriegsrath Kahlen und der Archivdiener Oehlert brachten. Namentlich wurden alle Depechen von 1790 an, die Hausverträge und Testamente, die politischen Testamente Friedrichs des Großen, die literarischen Arbeiten des letztern, die Acten über das Wiener Bündniß von 1805, die königliche Correspondenz mit Kaiser Alexander und dem Kaiser v. Oestreich von 1809, die Pillnitzer Declaration vom 27. August 1791, die Potsdammer Convention mit Rußland 1805, die Correspondenz mit dem Prinzen Wilhelm nach Paris 1809, und vieles andre geflüchtet. Viele Kisten voll Acten ließ der v. Raumer durch Vermittlung des Kammergerichts-Präsidenten Woldermann bei dem Kammergericht niederlegen, als wenn es Justizacten wären. Im Juny 1814 wurde das Geflüchtete von Königsberg nach Berlin zurückgebracht. Im Jahre 1815 erhielt der bekannte Schriftsteller Dohm, der früher im Archive angestellt war, den s. g. Fürstenbund König Friedrichs II. mit dem geheimen Artikel. Auch wurden in diesem Jahre die genealogischen Sammlungen des Ordensraths König für die Bibliothek und eine Faszikel desselben über Rangverhältnisse und das Heroldamt zum Archiv erkauft. Die Idee, ein eigenes kriegsgeschichtliches Archiv zur Geschichte des preuß. Heeres aus dem Archive auszusondern, welche von 1816 und späterhin verfolgt wurde, wurde glücklicherweise verlassen, und dem Major Wagner, der eine Geschichte des großen Kurfürsten schreiben wollte, aufgegeDiese findet nicht mehr statt. Dies ist 1821 geändert und sind die Dienststunden von 9 bis 2 Uhr Morgens bestimmt. 64 Schon 1806 wurde eine Nachweisung der Statuten der Domstifter angelegt. Uebrigens kamen bei Aufhebung des Johanniterordens alle Stammbäume und viele Acten und Urkunden desselben in das Archiv. 62 63
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ben, die Punkte näher anzugeben, auf die es ihm ankomme. Eine Cabinetsordre vom 23. Januar 1817 ernannte den Professor Rühs zum Historiographen des preuß. Staates und legte ihm ein, nach den bestehenden Regeln modificirtes Recht bei, das Archiv zu benutzen, jedoch ohne Acten nach Hause zu nehmen, und dieselbe Befugniß wurde auch dem 1821 zum Historiographen ernannten Professor Wilken beigelegt. Im Jahre 1817 wurde den Staats-Ministern v. Altenstein, Klewitz und Beyme die Einsicht aller ständischer Acten im Archive gestattet, um sie bei Errichtung der neuen provinzialständischen Verfassungen zu benutzen. Im Jahre 1819 wurde der jetzige geh. Archivrath Höfer im Archive angestellt, und ihm das Cabinetsarchiv untergeben, auch im Jahr 1821 der jetzige Archivrath Klaatsch, da die beiden Geh. Archivare Kenkel und Kahlen schwach zu werden anfingen, und später, 1824, der geh. Archivrath Hein, welche das jetzige Personal des geheimen Archivs bilden, nachdem 1822 Kahlen und 1825 Kenkel gestorben sind. Alle Vermehrungen, welche das Archiv in dieser Zeit erfahren hat, hier aufzuführen, würde zu weitläufig sein. Es wird daher nur der Ankauf der wichtigen Kindlingerschen Handschriftensammlung 1820, die neuerdings erfolgte Uebernahme vieler Copialbücher des Lehnarchivs, vorzüglich aber die auf mehreren Reisen des geh. Archivraths Höfer bewerkstelligte Anlegung einer besondern Sammlung der ältesten und schönsten Urkunden aus allen Provinzialarchiven für das hiesige Urkundenarchiv hervorgehoben, worüber der p. Höfer besondre Register bearbeitet hat. Das Local des Cabinetsarchivs wurde auch ganz neu eingerichtet, namentlich schöne Schränke zur Aufbewahrung der Urkunden angeschaft, und neuerdings, 1834, darin die Büste des Geh. Raths von Raumer, als gewesenen Directors der Archive, aufgestellt, anderer baulicher Einrichtungen im großen Archive zu geschweigen. Dagegen erfuhr 1825 das Archiv eine Verminderung seines alten Bestandes, indem die Repos. 2 (Dom Berlin) Repos. 52 (Univers. Frankfurt) und Repos. 47 (geistliche Sachen) um Raum zu gewinnen, zum Archiv der General-Directorii abgegeben wurden65; letztre Repositur enthält nicht nur viele schöne alte Sachen über die Einführung der Reformation 1540, sondern auch alle spätern Religions-Verhandlungen der Reformirten und Lutheraner, welche z. B. für die Geschichte des großen Churfürsten von der größten Wichtigkeit und Interesse sind. Vermehrt ist das Archiv dagegen worden durch die Acten der Friedensvollziehungscommission, und durch Ablieferungen des königlichen Cabinets bis 1806, der Justizministerii bis 1813 und des auswärtigen Departements, nemlich aller politischer Acten bis zur Julirevolution 1830 und sehr vieler nicht politischer Acten, auch sind viele von Bayern ausgelieferte Plassenburger Acten und die Acten des Staatskanzleramts in das Archiv gekommen66. Nachdem im Jahre 1822 der Fürst Staatskanzler verstorben, wurde das Archiv (der alten Verfassung wieder gemäß) als eine dem gesammten Staatsministerium untergebene Behörde der nähern Leitung der Ministerii des königlichen Hauses und der auswärtigen Angelegenheiten untergeben. 65 66
Wo sie sehr ungünstig stehen. Das Staatsministerium hat eine eigene Registratur und nichts abgeliefert.
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Im Jahre 1818 war bereits in der Person des geheimen Legationsraths v. Raumer ein eigner Director der gesammten Archivverwaltung des Staats bestellt, welchem im Jahre 1834 der geh. Oberregierungsrath Tzschoppe folgte, da indessen der Geschäftskreis derselben nicht allein das hiesige Archiv, sondern auch die in ganz neuer Art in das Leben gerufene Provinzialarchive umfaßt, so wird er hier übergangen und nur bemerkt, daß die schon unter dem großen Churfürsten oft gehegte, höchst nützliche Absicht, Repertorien aller Provinzialarchive im hiesigen großen Archiv niederzulegen, gegenwärtig wirklich realisirt ist.
Die Leitung der Preußischen Archivverwaltung 1810 – 1945* Von Georg Winter, herausgegeben und ergänzt von Eckart Henning Die hier vorliegende kleine Arbeit von Georg Winter war ursprünglich nicht zur Veröffentlichung bestimmt, sondern ist, wie man dem erhalten gebliebenen Begleitschreiben vom 23. Februar 1939 entnehmen kann, „auf Anweisung des Generaldirektors Dr. Zipfel“ für Ministerialdirektor Dr. Gramsch im Preußischen Staatsministerium angefertigt worden, der es freilich noch am gleichen Tage nach mehr oder weniger eingehender Lektüre für „erledigt“ erklärte und „zu den Akten“ schrieb. Da Winters Aufsatz, der vom Geheimen Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz in Berlin-Dahlem noch heute im Aktenbestand des Preußischen Staatsministeriums verwahrt wird1, mehr als eine bloße „Liste der früheren Direktoren und Generaldirektoren der Archivverwaltung“ darstellt – wie es untertreibend im Begleitschreiben heißt –, sondern in der Tat, wie die Manuskriptüberschrift verspricht, einen ausgezeichneten behördengeschichtlichen Überblick über die „Leitung der preußischen Archivverwaltung“ bietet, soll er den Teilnehmern des 51. Deutschen Archivtages 1977 in Berlin zur Begrüßung vorgelegt werden. Da noch immer manche von ihnen ihre berufliche Laufbahn als preußische Beamte begonnen haben, oder doch, soweit sie einer jüngeren Generation von Archivaren angehören, wie z. B. der Herausgeber, heute vielfach in Staatsarchiven mit preußischer Tradition ihren Dienst versehen, mag diese Zusammenstellung, nicht zuletzt auch wegen ihres Autors, ihr Interesse finden. Als Georg Winter (1895 – 1961) diese Arbeit abfaßte, war er bereits seit einem knappen halben Jahr als Staatsarchivdirektor und Referent in der Archivabteilung des Preußischen Staatsministeriums tätig2, in das er schon zwei Jahre zuvor zur Unterstützung des Generaldirektors als kommissarischer Sachbearbeiter eingetreten war3. Seine gründlichen Kenntnisse verdankt Winter noch der Ausbildung, die ihm * Erstdruck in: Mitteilungen des Vereins für die Geschichte Berlins 73 (1977), S. 308 – 314, mit 9 Abbildungen. 1 GStA, Rep. 90, Nr. 213. 2 Ernannt am 9. 9. 1938. 3 Über Winters archivarische Laufbahn wie über die anderer preußischer Berufskollegen vgl. Eckart Henning / Christel Wegeleben: Archivare beim Geheimen Staatsarchiv 1924 – 1974, in: Jahrbuch für brandenburgische Landesgeschichte 27 (1976), S. 155 – 178, mit Litera-
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im alten Geheimen Staatsarchiv in der Berliner Klosterstraße zuteil wurde, wo er von 1921 – 1922 am Lehrgang für den wissenschaftlichen Archivdienst teilnahm und am 6. 12. 1922 die Archivarische Staatsprüfung ablegte. Auch als junger Archivassistent (12. 12. 1922) und späterer Staatsarchivrat (1. 10. 1927) war es Winter vergönnt, in Berlin zu bleiben. 1930 übertrug ihm Albert Brackmann als Generaldirektor der Preußischen Staatsarchive die Geschäftsführung seines neugegründeten „Instituts für Archivwissenschaft und geschichtswissenschaftliche Fortbildung“ (IfA) in der Dahlemer Archivstraße4, die er bis zu seinem Wechsel in die Dorotheenstraße, wo damals die Archivabteilung des Preußischen Staatsministeriums untergebracht war, besorgt hat. Doch auch später blieb Georg Winter dem Geheimen Staatsarchiv verbunden, das er nach Kriegsende vorübergehend vom 16. 6. – 18. 7. 1945 kommissarisch leitete und das seiner Fachaufsicht auch noch unterstand, als er Direktor (1952 – 60) des in Koblenz neugegründeten Bundesarchivs geworden war. *** Durch die Verordnung vom 27. 10. 18105 wurde „das Archiv“ der unmittelbaren Leitung des Staatskanzlers unterstellt, und zwar auf persönliche Veranlassung Hardenbergs entgegen dem ursprünglichen Vorschlag, es dem Ministerium der Auswärtigen Angelegenheiten anzugliedern. Die Sachbearbeiter für das Archiv und Archivfragen überhaupt waren der Wirk[liche] Geheime Legationsrat Karl Georg von Raumer, geb. 16. 11. 1753, und der Regierungsrat Gustav Adolf Tzschoppe, geb. 22. 8. 1794. Nach dem Tode des Staatskanzlers Fürsten von Hardenberg bestimmte die K[abinetts-] O[rdre] vom 30. 4. 1823, daß die bisher unter der unmittelbaren Oberaufsicht des Staatskanzlers erfolgte Bearbeitung der das Geheime Archiv betreffenden Angelegenheiten dem gesamten Staatsministerium verbleiben sollte in der Art, daß turangaben. – An Würdigungen Winters sei hier nur verwiesen auf: Wilhelm Rohr, in: Der Archivar 13 (1961), Sp. 137 – 140; Ernst Posner, in: American Archivist 24 (1961), S. 457 – 459; Wolfgang Mommsen, in: Historische Zeitschrift (künftig: HZ) Bd. 194 (1962), S. 457 – 459. 4 Vgl. Wolfgang Leesch, Das Institut für Archivwissenschaft und geschichtswissenschaftliche Fortbildung (IfA) in Berlin-Dahlem (1930 – 1945), in: Brandenburgische Jahrhunderte. Festschrift für Johannes Schultze zum 90. Geburtstag, hrsg. von Gerd Heinrich / Werner Vogel, Berlin 1971, S. 219 – 254. 5 Vgl. die Verordnung über die veränderte Verfassung aller obersten Staatsbehörden, in: Gesetz-Sammlung für die Kg1. preußischen Staaten, 1810, S. 3 – 23, hier: S. 4, u. Das Reglement für das Geheime Staatsarchiv, 1812; ferner: Reinhold Koser, Die Neuordnung des preußischen Archivwesens durch den Staatskanzler Fürsten Hardenberg, Leipzig 1904. – Adolf Brenneke, Archivkunde. Ein Beitrag zur Theorie und Geschichte des europäischen Archivwesens, hrsg. von W. Leesch, Leipzig 1953, hier: Brandenburg-Preußen bis 1815, S. 144 – 148, sowie Geheimes Staatsarchiv ab 1803 und Preußische Archivverwaltung, S. 402 – 408. – Gerhard Zimmermann, Hardenbergs Versuch einer Reform der preußischen Archivverwaltung und deren weitere Entwicklung bis 1933, in: Jahrbuch der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, Bd. 4 (1966), S. 69 – 87.
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die spezielle Bearbeitung dem Minister des Königlichen Hauses und dem Minister für die Auswärtigen Angelegenheiten gemeinsam übertragen würde. Die Archivangelegenheiten zerfielen in 2 Gruppen: I. betr. das Geheime Staatsarchiv und das Archivkabinett, II. betr. Archive und Archivstücke in den Provinzen. Die genannten beiden Minister teilten demgemäß dem Oberpräsidenten [= Präsidenten des Staatsministeriums] unter dem 26. 5. 1823 mit, daß ihnen die „Leitung des Archivwesens“ gemeinschaftlich übertragen sei. Die eigentliche Leitung des Geheimen Staatsarchivs und damit der Archivsachen überhaupt lag in der Hand Karl Georgs von Raumers, gest. 30. 6. 1833 als Wirkl[icher] Geh[eimer] Rat, Exzellenz, Direktor des Geheimen Staatsarchivs6. Sein „vortragender Rat im Geheimen Staatsarchiv“ war Gustav Adolf Tzschoppe, zugleich vortragender Rat (Regierungsrat) im Staatsministerium. Die Leitung des Geheimen Staatsarchivs wurde als ein Nebenamt wahrgenommen; Raumer war im Hauptamt vortragender Rat im Staatsministerium, im Ministerium des Königlichen Hauses und im Ministerium der Auswärtigen Angelegenheiten. Seit 1831 ist von einem „Direktorium der Staatsarchive“ die Rede. Seit diesem Jahre gibt es einen Etat für die Provinzialarchive, während bis dahin laut KO. vom 2. 4. 1822 die zur Verwaltung der Provinzialarchive (seit 1819 im Entstehen) erforderlichen Kosten aus dem Extraordinarium der Generalstaatskasse bestritten waren. Bis 1874 hatte das Direktorium keinen Bürobeamten, was hauptsächlich in der nebenamtlichen Wahrnehmung dieser Stelle begründet lag. Nach Karl Georg von Raumers Tode wurde gemäß seinem Vorschlage durch KO. vom 9. 8. 1833 Gustav Adolf Tzschoppe (1836 geadelt) zum „Direktor des Geheimen Staats- und Kabinettsarchivs und der gesamten Archivverwaltung“ [ernannt]. Er starb am 16. 9. 1842 als Wirklicher] Geh[eimer] Oberregierungsrat. Sein Hauptamt war zuletzt die Stelle des Direktors der 1. Abteilung des Ministeriums des Königlichen Hauses. Zum „vortragenden Rat beim Geheimen Staats- und Kabinettsarchiv und der Archivverwaltung“ wurde gleichzeitig der Sohn des verstorbenen Direktors, der Regierungsrat Georg Wilhelm von Raumer, geb. 19. 9. 1800, ernannt7; auch er war außerdem als Referent im Finanzministerium, später im Hausministerium tätig. 6 Hermann von Raumer, Die Geschichte der Familie von Raumer. Neustadt / Aisch 1975, S. 81 – 83 (= Bibliothek familiengeschichtl. Arbeiten, Bd. 38). – Ernst Friedlaender, Karl Georg v. Raumer, in: Allgemeine Deutsche Biographie (künftig: ADB), Bd. 27 (1888), S. 416 – 418. – Johannes Schultze, Karl Georg v. Raumer, in: Mitteldeutsche Lebensbilder, Bd. 4, Magdeburg 1929, S. 186 – 198. 7 H. v. Raumer: Geschichte der. Familie von Raumer, S. 83 – 87. – Ernst Friedlaender, in: ADB Bd. 27 (1888), S. 414. – Vgl. auch: Georg Wilhelm v. Raumer: Die Geschichte des Geheimen Staats- und Cabinets-Archivs zu Berlin. Hrsg. von Eckart Henning, in: Archivalische Zeitschrift (künftig: AZ) Bd. 72 (1976), S. 30 – 75, Vorbem. über d. Verf. S. 30 – 33.
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Nach von Tzschoppes Tode wurde durch KO. vom 17. 3. 1843 der Geheime Oberregierungsrat Georg Wilhelm von Raumer zum „Direktor der Archive“ ernannt. Die Stelle des vortragenden Rats beim Geheimen Staatsarchiv blieb zunächst vakant; aus ihr wurden der Professor der Rechte von Lancizolle als Konsulent des Ministeriums des Königlichen Hauses und der Geheime Finanzrat von Obstfelder remuneriert für Gutachtertätigkeit auf politischem und staatsrechtlichem Gebiet. Die Stelle ist 1848 eingegangen. Im Jahre 1852 wurde die Abtrennung des Hausarchivs vom Geheimen Staatsarchiv durchgeführt. Die KO. vom 2. 2. 1852 bestimmte, daß Hausarchiv und Geheimes Staatsarchiv ein Ganzes unter der gemeinsamen Leitung des Hausministers und des Präsidenten des Staatsministeriums (dieser anstelle des bisherigen Ministers der Auswärtigen Angelegenheiten) darstellen und daß dem letzteren zugleich die Provinzialarchive speziell untergeordnet bleiben sollten. Die gemeinsame Leitung des Geheimen Staatsarchivs und des Hausarchivs durch Ministerpräsidenten und Hausminister ist praktisch nicht durchgeführt worden. Gleichzeitig wurde auf eigenen Antrag der Wirkl[iche] Geheime Oberregierungsrat Georg Wilhelm von Raumer von seinem Amte entbunden; er starb am 11. 3. 1856. Sein Amt übernahm mit dem 1. 4. 1852 der am 17. 2. 1796 geborene Professor der Rechte, Karl Wilhelm von Deleuze de Lancizolle, Direktor der Staatsarchive, der etwas später den Titel Geheimer Oberarchivrat erhielt, wobei der Rang des Inhabers dieser Stelle als der eines Ministerialrats II. Klasse festgesetzt wurde8. Lancizolle war weiterhin als Universitätslehrer tätig. Er legte infolge von Kränklichkeit endgültig mit dem 1. 1. 1867 sein Amt nieder. Er wurde pensioniert durch KO. vom 22. 10. 1866 und starb nach schwerem Siechtum am 26. 5. 1871. Sein Nachfolger wurde am 8. 7. 1867 wieder einer der Räte des Staatsministeriums, nämlich der Geheime Regierungsrat Max Duncker, Direktor der Staatsarchive, geb. 15. 10. 1811, gest. 21. 7. 1886. Auch er blieb zugleich und der Form nach im Hauptamt vortragender Rat beim Kronprinzen. Der Geheime Oberregierungsrat Duncker verzichtete auf die Stellung als Direktor der Staatsarchive am 28. 9. 1874 und erhielt das Dimissoriale durch KO. vom 11. 11. 18749. Zu seinem Nachfolger wurde berufen am 23. 6. 1875 Professor Heinrich von Sybel, Direktor der Staatsarchive und Direktor des Geheimen Staatsarchivs, geb. 2. 12. 1817, gest. 1. 8. 1895 als Wirkl[icher] Geh[eimer] Rat, Exzellenz10. Mit sei8 Vgl. ADB Bd. 17 (1883), S. 583 – 584, und [Richard Béringuier?] Guillaume Charles von Lancizolle, in: Vermischte Schriften im Anschluß an die Berlinische Chronik und an das Urkundenbuch, Bd. 1, B: Namhafte Berliner, Taf. 11, Berlin 1887, S. 1 – 8. 9 Eckart Henning, 50 Jahre Geheimes Staatsarchiv in Berlin-Dahlem – 100 Jahre seit seiner Vereinigung mit dem Ministerialarchiv, in: Jahrbuch für brandenburgische Landesgeschichte, Bd. 25 (1974), S. 154 – 174, hier: S. 155 – 157. Kurzfassung, in: Der Archivar 28 (1975), S. 143 – 152. – Über M. Duncker siehe auch Neue Deutsche Biographie (künftig: NDB) 4 (1959), S. 195 – 196.
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ner Ernennung wurde die Stelle des Direktors der Staatsarchive zum Hauptamt. Der Direktor der Staatsarchive war wie bisher dem Präsidium des Staatsministeriums unterstellt und daselbst zugleich Referent für Archivsachen. Mit jener Stelle wurde das neugeschaffene Amt eines Direktors des Geheimen Staatsarchivs als Nebenamt verbunden. Ihm folgte am 9. 3. 1896 Professor Reinhold Koser (1913 geadelt), Direktor der Staatsarchive und zugleich Direktor des Geheimen Staatsarchivs, geb. [7. 2.] 1852, gest. als Wirkl[icher] Geh[eimer] Rat, Exzellenz, am 25. 8. 191411. Seine Amtsbezeichnung wurde durch Allerhöchsten Erlaß vom 27. 12. 1899 umgewandelt in die eines „Generaldirektors der Staatsarchive“, indem gleichzeitig die Vorsteher der zwölf größten Staatsarchive damals die Amtsbezeichnung „Archivdirektoren“ erhielten. Am Geheimen Staatsarchiv wurde die Stelle eines Zweiten Direktors des Geheimen Staatsarchivs geschaffen, durch Beschluß des Abgeordnetenhauses aber in die eines Zweiten Direktors der Staatsarchive umgewandelt. Der erste Inhaber dieser Stelle wurde im April 1896 der Archivrat Karl Sattler (gest. 13. 7. 1906), dem im September 1906 der Geheime Archivrat Paul Bailleu folgte. Nach Kosers Tode wurde durch KO. vom 16. 8. 1915 Professor Paul Fridolin Kehr, geb. 28. 12. 1860, zum Generaldirektor der Staatsarchive und zugleich zum Direktor des Geheimen Staatsarchivs unter Beilegung des Charakters als Geheimer Oberregierungsrat ernannt12. Als Geheimrat Bailleu am 1. 4. 1921 mit Einführung der Bestimmung wegen der Altersgrenze aus dem Dienste schied13, wurde die Stelle 10 E. Henning, Geheimes Staatsarchiv, S. 157 – 162; vgl. auch H. Rössler / G. Franz, Biographisches Wörterbuch zur deutschen Geschichte. München 1952, S. 827 – 828. Winter irrt vermutlich, wenn er sagt, daß D. weiterhin vortragender Rat b. Kronprinzen blieb; richtig ist vielmehr, daß er dies hauptamtl. im Staatsministerium war. Seine Bindung an den Kronprinzen hatte aufgehört vgl. Rudolf Haym, Das Leben Max Dunckers, Berlin 1891, S. 418f. 11 Vgl. Nachrufe über R. K. von Berthold Volz, in: Hohenzollern-Jahrbuch, 1914, S. 166 ff.; Otto Hintze, in: HZ 114 (1915), S. 65 ff.; Melle Klinkenborg, in: Forschungen zur Brandenburgischen und Preußischen Geschichte (künftig: FBPG) 28 (1915), S. 285 – 310, mit Schriftenverz.; Johannes Schultze, in: AZ 35 (1925), S. 270 – 272; ferner die Würdigung von Stephan Skalweit, in: Bonner Gelehrte. Beitr. z. Wissenschaft, Bonn 1968, S. 272 – 277; vgl. künftig Eckart Henning; Der erste Generaldirektor der preußischen Staatsarchive, Reinhold Koser (1896 – 1914), in: Neue Forschungen zur Brandenburgischen und Preußischen Geschichte, Berlin 1977 (i. Vorher.) u. Bernhard vom Brocke, R. K., in: NDB (i. Druck). Von seiner persönl. Nobilitierung i. J. 1913 scheint K. jedoch keinen Gebrauch gemacht zu haben. 12 Aufschlußreich zum vorliegenden Thema; auch zur Würdigung seiner Amtsvorgänger, vgl. Paul Fridolin Kehr, Ein Jahrhundert preußischer Archivverwaltung. Rede gelegentl. d. Wiedereröffnung d. Geheimen Staatsarchivs am 26. 3. 1924, in: AZ 35 („1925), S. 3 – 21. – Über Kehr vgl. Nachrufe u. a. von Ernst Zipfel, in: Mitteilungen der preußischen Staatsarchive, 1944, S. 103 – 107; Leo Santifaller, in: Almanach d. Akademie der Wissenschaften i. Wien f. d. J. 1945, 195 (1947), S. 192 – 199; Walther Holtzmann, in: Deutsches Archiv 8 (1950), S. 26 – 58; Friedrich Baethgen, in: Jahrb. d. Deutschen Akademie d. Wiss., 1950 / 51, S. 157 – 160; Karl Brandi, in: Jahrb. d. Akademie d. Wiss. in Göttingen, Übergangs-Bd. 1944 – 60 (1962), Sp. 134 – 152 (mit Bibliographie seiner Schriften). – Vgl. auch Martha Kehr, Die Vorfahren v. P.F.K., in: Genealogie 17 (1968), S. 321 – 330, nebst Nachtr. ib. 20 (1971), S. 471 – 472.
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eines Zweiten Direktors der Staatsarchive in eine solche des Zweiten Direktors des Geheimen Staatsarchivs umgewandelt (Archivrat Dr. Klinkenborg14 [Aug. 1821 – 29. 3. 1930]). Generaldirektor Professor Dr. Kehr schied nach mehrmaliger Verlängerung der infolge Erreichens der Altersgrenze abgelaufenen Dienstzeit mit dem 1. 4. 1929 aus dem Amte. Ihm folgte am 1. 4. 1929 – 10. 9. 1936 Generaldirektor der Staatsarchive Professor Dr. Brackmann15. Mit der Besoldungsordnung vom 4. März 1936 und dem Haushalt 1936 hörte das Verhältnis des Generaldirektors zum Geheimen Staatsarchiv als dessen Erster Direktor auf; der Leiter des Geheimen Staatsarchivs führte [bis 1946 und wiederum seit 1963] die Amtsbezeichnung: „Direktor des Geheimen Staatsarchivs“16. *** Am 21. 9. 1938 wurde der bereits seit dem 29. 8. 1936 mit der Vertretung beauftragte Oberregierungsrat Dr. Ernst Zipfel (geb. 23. 3. 1891 in Dresden) zum Generaldirektor der Staatsarchive ernannt. Er war zugleich seit dem 19. 9. 1936 Direktor des Reichsarchivs Potsdam, seit 22. 5. 1940 auch Reichskommissar für den Archivschutz (für das gesamte westliche, seit 21. 4. 1941 auch für das östliche Operationsgebiet), und seit dem 18. 6. 1942 daneben noch als Leiter des neugeschaffenen Sonderreferates „Archivwesen“ in der Hauptabteilung I des Reichsministeriums für die besetzten Ostgebiete, sowie seit dem 21. 1. 1944 als Leiter der Unterabteilung 1 „Archiv- und Schriftgutwesen“ im Reichsministerium des Innern tätig; vom 2. 2. – 30. 9. 1944 übernahm Zipfel vorübergehend noch die Leitung des Geheimen Staatsarchivs. Am 21. 4. 1945 wurde er, der gleichsam in seiner Person die von ihm wiederholt vergeblich geforderte Bildung einer „Reichsarchivspitze“ durch Ämterkumulation verwirklicht hatte17, „einem Arbeitsstab des Reichsministeriums des In13 Gest. 25. 6. 1922. Über P. B., siehe Melle Klinkenborg, in: Deutsches biographisches Jahrbuch 4 (1922), S. 3 – 10, u. Preußischer Wille. Gesammelte Aufsätze von P. B. mit e. Nachruf v. Melle Klinkenborg, Berlin 1924, ferner NDB 1 (1953), S. 545. 14 Er war vom August 1921 bis zu seinem Tode am 29. 3. 1930 im Amt. Vgl. Johannes Schultze, M. K., in: FBPG 43 (1930), S. 1 – 21, mit Schriftenverz. Klinkenborgs (letzter) Nachfolger als Zweiter Direktor wurde am 1. 7. 1930 Adolf Brenneke, der bis zu seiner Ernennung zum Direktor des Geheimen Staatsarchivs am 8. 4. 1936 ( – 30. 9. 1943) diese Amtsbezeichnung führte. 15 Über A. Brackmann vgl. Nachrufe u. a. von: F. Baethgen, in: Bayer. Akademie d. Wiss., Jhb. f. 1952, S. 169 – 174; W. Ohnsorge, in: HZ 166 (1952), S. 580 – 586; H. Meinert, A. B. u. das deutsche Archivwesen, in: AZ 49 (1954), S. 127 – 138; F. Steinhoff, in: Nds. Lebensbilder, Bd. 2, Hildesheim 1954, S. 20 – 36 (= Veröff. d. Hist. Komm. f. Nieders., 22); H. Goetting, in: NDB 2 (1955), S. 504 – 505; L. Santifaller, in: Der Archivar 15 (1962), S. 317 – 328. 16 Vgl. die Liste der Direktoren des Geheimen Staatsarchivs bei Johann Caspar Struckmann: Katalog der Ausstellung 50 Jahre Geheimes Staatsarchiv in Berlin-Dahlem – 100 Jahre seit seiner Vereinigung mit dem Ministerialarchiv, Berlin 1974, S. 29 – 30. 17 Gerhard Zimmermann, Das Ringen um die Vereinheitlichung des Archivwesens in Preußen und im Reich von 1933 – 45, in: Jahrbuch Preußischer Kulturbesitz 5 (1968), S. 129 –
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nern zugeteilt, der zur Aufrechterhaltung eines Notbetriebes gebildet worden“ war und mit der Reichsführungsspitze nach Schleswig-Holstein versetzt, wo er am 7. 5. 1945 in den Ruhestand trat. Ernst Zipfel starb am 17. 4. 1966 in Bad Pyrmont. Zuvor ernannte man am 18. 4. 1945 noch im Falle von Zipfels Verhinderung Staatsarchivdirektor Dr. Erich Randt, seit 16. 10. 1944 selbst Direktor des Geheimen Staatsarchivs, zum stellvertretenden Generaldirektor der Preußischen Staatsarchive, ferner sollte ihm die stellvertretende Leitung der Archivabteilung des Preußischen Staatsministeriums übertragen werden18. Diese Funktionen suchte Randt auch über den Zeitpunkt des Zusammenbruchs hinaus aufrechtzuerhalten, bis er am 15. 6. 1945 aus dem Dienst ausschied.
142. – Über E. Zipfel vgl. den Nachruf von Wilhelm Rohr, in: Der Archivar 20 (1967), Sp. 206 – 210. 18 Ein entsprechendes Gesuch Zipfels vom 18. 4. 1945 an den Preußischen Ministerpräsidenten liegt im Konzept bei den Akten; es wurde einem Bearbeitungsvermerk zufolge am selben Tage gefertigt – AV 636 / 45 – und abgesandt, doch scheint die erbetene Bestätigung nicht mehr eingegangen zu sein (vgl. GStA, Rep. 178 A, Nr. 39).
50 Jahre Geheimes Staatsarchiv – 100 Jahre seit seiner Vereinigung mit dem Ministerialarchiv (1874 – 1924 – 1974)* Nach Hardenberg, der 1810 das „Geheime Staats- und Kabinettsarchiv“ direkt dem Staatskanzleramt unterstellte1, hatte vor allem Bismarck immer wieder Interesse am preußischen Archivwesen gezeigt. Daher konnte Paul Fridolin Kehr als Generaldirektor der Archive in seiner Rede, die er anläßlich der Wiedereröffnung des Geheimen Staatsarchivs in seinem neuen Dahlemer Gebäude am 24. März 1924 hielt, darauf hinweisen, daß es „kein Zufall“ sei und „darum ein Moment von geschichtlicher Bedeutung, daß in der langen Reihe preußischer Ministerpräsidenten, welche zugleich Chefs der Archivverwaltung waren, gerade diejenigen und nur diejenigen Verständnis für die Aufgaben der Archive, Initiative zu ihrer Reform, Interesse für ihre wissenschaftlichen Funktionen bekundet und betätigt haben, welche unter allen die bedeutendsten Staatsmänner Preußens gewesen sind, Hardenberg und Bismarck“.2 * Bei dem folgenden Beitrag handelt es sich um die erweiterte, mit Anmerkungen und Abbildungen versehene Fassung meiner historischen Einleitung „Zur Geschichte des Geheimen Staatsarchivs in den letzten hundert Jahren (1874 – 1974)“, die zuerst in der Informationsbroschüre über das Geheime Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz (Berlin 1974, S. 7 – 19) erschienen ist. Für Anregungen und Kritik möchte ich auch an dieser Stelle meinen Kollegen, vor allem aber Herrn Dr. Gerhard Zimmermann danken, der das GStA bis zu seiner am 31. 7. 1974 erfolgten Pensionierung über zwanzig Jahre leitete und mir mit seinem Rat und seinen Erfahrungen jederzeit bereitwillig zur Verfügung stand. Dankbar bin ich schließlich auch meinem Mitarbeiter, Herrn Archivoberinspektor Johann Caspar Struckmann, für verschiedene Hinweise auf entlegene Quellen zur Archivgeschichte, deren Kenntnis er sich durch die Vorbereitung der Ausstellung (31. Juli – 31. Dezember 1974) zum Doppeljubiläum des GStA erwarb, auf deren Katalog ich in diesem Zusammenhang verweise (Berlin 1974, 30 S., hekt.). – Erstdruck in: Jahrbuch für brandenburgische Landesgeschichte 25 (1974), S. 154 – 174, mit 5 Abbildungen. 1 Vgl. die Verordnung über die veränderte Verfassung aller obersten Staatsbehörden (1810) und das Reglement für das Geheime Staatsarchiv (1812), ferner Reinhold Koser, Die Neuordnung des preußischen Archivwesens durch den Staatskanzler Fürsten von Hardenberg, Leipzig 1904; Gerhard Zimmermann, Karl H. Ritter v. Lang und seine durch den Fürsten von Hardenberg angeregte Denkschrift zur Preußischen Archivreform (von 1823, nach Akten des Preußischen Kultusministeriums im Berliner Hauptarchiv), in: Mitteilungen des österreichischen Staatsarchivs 4, 1952, 215 – 234 und ders., Hardenbergs Versuch einer Reform der preußischen Archivverwaltung und deren weitere Entwicklung bis 1933, in: Jahrbuch der Stiftung Preußischer Kulturbesitz 4, 1966, 69 – 87. 2 Paul Kehr, Ein Jahrhundert preußischer Archivverwaltung, in: Archivalische Zeitschrift (künftig AZ zitiert) 3. F., 2. Bd. (35.), 1925, S. 4.
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Unter den Bewerbern um die Nachfolge des ausscheidenden Karl Wilhelm v. Lancizolle als Direktor der Archive3 hatte sich Bismarck für den Geheimen Regierungsrat Max Duncker (1811 – 86) entschieden4, der als Historiker vor allem durch seine Geschichte des Altertums bekannt geworden und ihm überdies durch sein organisatorisches Geschick als Zivilkommissar für das besetzte Kurhessen aufgefallen war5. Duncker blieb übrigens auch nach seiner Ernennung zum Direktor der Archive am 8. Juli 1867 im Hauptamt vortragender Rat beim Kronprinzen6. Trotz aller Bemühungen gelang es Max Duncker während seiner Amtszeit (1867 – 75) jedoch nicht, Bismarcks Intentionen entsprechend, die Forschung nach dem Vorbild einiger westeuropäischer Länder an zentraler Stelle des Archivwesens zusammenzufassen und eine amtliche Publikationsreihe zu begründen. Ihren Anfang hatte, einer Anregung Lancizolles zufolge, die Veröffentlichung von Hardenbergs „Denkwürdigkeiten“ durch Leopold v. Ranke machen sollen, jedoch wurde ihr amtlicher Charakter vom Bearbeiter schließlich selbst verwischt, weil dieser um sein „Renommé“ fürchtete7. Dunckers nächster Plan, nunmehr mit einer großangelegten Edition der „Politischen Korrespondenz Friedrichs des Großen“ hervorzutreten, kam trotz Bismarcks Unterstützung ebenfalls nicht durch die Archivverwaltung, sondern erst nach 1875 durch die Preußische Akademie der Wissenschaften zustande8. Erfolgreicher war Duncker auf archivorganisatorischem Gebiet. Ihm verdanken die Staatsarchive in den Provinzen die erste allgemeine Dienstordnung. Ferner gliederte er nach dem Deutschen Krieg (1866) die Archive der neuen preußischen Landesteile, u. a. des Königreichs Hannover, Kurhessens und des Herzogtums Nassau, 3 Vgl. von ihm die „Denkschrift über die preußischen Staatsarchive nebst vergleichenden Notizen über das Archivwesen einiger fremder Staaten“, Berlin 1855, 52 S. Desgl. sein Beitrag: Das Staats-Archivwesen und der darauf bezügliche Beschluß des Herrenhauses, Mai 1856, Berlin 1856, 8 S. 4 Bismarck hatte Duncker nicht nur dem tüchtigen Hausarchivar Traugott Märcker, sondern sogar dem besten Kenner der brandenburgischen Geschichte, dem Direktor des Ministerialarchivs A. F. Riedel, vorgezogen. 5 Kehr (wie Anm. 2), S. 11 f. Worauf Brennekes abweichende Meinung beruht, der meinte, Duncker habe „den technischen und den Fragen der inneren Organisation fern“ gestanden, ist nicht zu erkennen; vgl. Adolf Brenneke, Archivkunde. Leipzig 1953, S. 404. 6 Ich folge in meinen Angaben über die amtliche Stellung der verschiedenen Direktoren bis auf Brackmann einer „Liste der früheren Direktoren und Generaldirektoren der Archivverwaltung“, die Archivdirektor Dr. Winter am 23. 2. 1939 im Auftrage des Generaldirektors Dr. Zipfel für Ministerialdirektor Dr. Gramsch anfertigte. GStA Rep. 90, 213. Vgl. dazu ferner Rep. 90, Nr. 555: Rang, Titel etc. der höheren Beamten der Archivverwaltung (1826 – 1926), Nr. 766: Die Besoldung der Beamten der Archivverwaltung (1894 – 1928), Nr. 946: Der Zweite Direktor der Staatsarchive (1896 – 1939), Nr. 948: Die höheren Beamten der Staatsarchive 1909 – 1921 u. a. 7 Kehr (wie Anm. 2), S. 13. 8 Der Plan wurde von Duncker auch noch nach seinem Ausscheiden als Direktor der Archive, gemeinsam mit Droysen, bei der Akademie befürwortet.
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dem preußischen Archivwesen ein und gründete seinerseits neue Archive in Schleswig (1868 auf Schloß Gottorf, 1871 nach Schleswig verlegt) und Posen (1868 / 69). Vor allem jedoch ist Max Duncker wegen der 1874 noch unter seiner Ägide erfolgten Vereinigung des „Geheimen Ministerialarchivs“ mit den im Berliner Schloß verwahrten Beständen des Geheimen Staatsarchivs9 zu würdigen. Letztere wurden nun in das „Lagerhaus“ in der Klosterstraße10 überführt, wo sich das Ministerialarchiv bereits befand, das nach Auflösung des Generaldirektoriums im Jahre 1808 als zweites preußisches Zentralarchiv, sozusagen aus der Altregistratur dieser Behörde gebildet worden war. Irrtümlich sind später, statt an das Geheime Staatsarchiv, auch Akten der jüngeren Zentralbehörden an das Ministerialarchiv abgegeben worden, darunter auch die des Staatskanzleramtes, unter dessen Aufsicht das Geheime Staatsarchiv von 1810 – 23 gestanden hat, ferner des Finanzministeriums, bei dem das Ministerialarchiv ressortierte. Durch die längst fällige, mehrfach vergeblich angestrebte Vereinigung mit dem Geheimen Staatsarchiv, deren Jubiläum wir in diesem Jahr begehen, entstand nunmehr ein einheitliches Zentralarchiv für die Akten sämtlicher oberster Zivilbehörden; eine drohende Zersplitterung im Archivwesen des preußischen Staates war damit abgewendet. Nur die Akten und archivischen Sammlungen des Königlichen Hauses sind seit 1852 in einem eigenen Archiv zusammengefaßt11, und die Archivalien der militärischen Sphäre wurden noch gesondert verwahrt. Als Duncker Ende 1874 auf seine Stellung als Direktor der Staatsarchive verzichtete12 und Johann Gustav Droysen, den Bismarck gern in diesem Amt gesehen hätte, sich ebenso wie u. a. Heinrich v. Treitschke der Ernennung mit der Begründung entzog, er fühle sich wohl den wissenschaftlichen, nicht aber den administrativen Aufgaben dieses Amtes gewachsen, wurde schließlich der Bonner Professor Heinrich v. Sybel zu Dunckers Nachfolger als Direktor der Archive und zugleich 9 Vgl. u. a. Albert Brackmann, Weshalb Geheimes Staatsarchiv?, in: Deutsche Allgemeine Zeitung, Ausgabe Groß-Berlin, Nr. 97 v. 26. 2. 1933. 10 Vgl. Berlin und seine Bauten. Berlin 1896, S. 240 f.: „Das Archivgebäude in der Neuen Friedrichstraße gehörte im Verein mit dem Lagerhaus, dem alten Hohen Hause, Klosterstr. 76, und der heutigen Kunstschule zum ältesten landesherrlichen Besitz Berlins. Das Hohe Haus [errichtet z. Zt. Friedrichs I. war die älteste Residenz der Markgrafen und Kurfürsten Brandenburgs in Berlin. Nachdem jedoch Kurfürst Friedrich II. das Schloß zu Köln an der Spree erbaut hatte, machte er 1451 das Hohe Haus zu einem Burglehen. Als dann das Anwesen dem Kurfürsten wieder anheim gefallen war, wurde es von König Friedrich I. im Jahre 1705 zu einer Ritter-Akademie eingerichtet. Letztere geriet aber bald in Verfall, und so kam das Haus 1713 an den nachmaligen Staatsminister v. Kraut, der darin auf seine Kosten ein Lagerhaus für Wollmanufacturen errichtete. Nach mannigfachem Wechsel in ihrer Benutzung in unserem Jahrhundert wurden die Baulichkeiten in den Jahren 1872 – 73 durch einen Umbau für die Zwecke des Kgl. Staatsarchivs eingerichtet. Das Gebäude wurde um zwei Geschosse aufgestockt.“ 11 Die Geschichte des Brandenburg-Preußischen Hausarchivs bleibt einer späteren Darstellung vorbehalten und muß hier ausgeklammert bleiben. 12 Er verzichtete zum 28. 9. 1874, sein Dimissoriale trägt das Datum vom 1. 11. 1874.
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zum Direktor des Geheimen Staatsarchivs (1875 – 95) bestellt13. Das letztere Amt wurde bei dieser Gelegenheit neu geschaffen und blieb bis 1936 mit dem des nunmehr zum Hauptamt erhobenen „Direktor der Archive“ in Personalunion verbunden, der – wie bisher – dem Präsidium des Staatsministeriums unterstand und gleichzeitig als Referent für Archivangelegenheiten fungierte. Sybel hatte lediglich die für ihn besonders charakteristische, auch heute noch für das Amt des Direktors unverzichtbare Bedingung gestellt, daß sein Inhaber in den Stand gesetzt werden müsse, „wissenschaftliches Leben in den Archiven, wissenschaftliche Forschungen wirksam zu unterstützen und wichtige Publikationen zu bewirken“14. Diesem Zweck ordnete Sybel bedingungslos alle anderen archivischen Aufgaben unter. Abwägend urteilt P. F. Kehr über seinen Vorgänger: „Diese großartige Einseitigkeit war seine Stärke und zugleich seine Schwäche. Sybel ist in der Tat der größte Organisator auf dem Gebiete der Geschichtsforschung gewesen, den wir je gehabt haben, und mit einer wahrhaft souveränen Selbstverständlichkeit hat er über die Menschen und Mittel für seine wissenschaftlichen Arbeitspläne disponiert“15. Sybels wichtigstes Verdienst war die Begründung der „Publikationen aus den preußischen Staatsarchiven“, einer Buchreihe, deren erster von insgesamt 94 Bänden 1878 erschien. Unter Sybel konnte sich in der preußischen Archivverwaltung auch das Provenienzprinzip gegenüber dem älteren Pertinenzprinzip durchsetzen. Den ersten Schritt dazu stellte das am 1. Juli 1881 erlassene „Regulativ für die Ordnungsarbeiten im Geheimen Staatsarchiv“ dar16. Bis 1881 / 82 hatte man immer noch versucht, neu abgegebene Akten den vom Archivarius Schönebeck im 17. Jahrhundert geschaffenen Sachreposituren „aufzupfropfen“, obwohl diese ausschließlich den Akten des Geheimen Rates dienen sollten. Dieses Verfahren, „neuen Wein in alte Schläuche“ zu füllen17, hatte zu einer heillosen Verwirrung geführt, an der nicht zuletzt Gottlieb Friedländer Schuld trug, der 1853 zweiter und 1860 erster Geheimer Staatsarchivar geworden war und quasi die Funktionen des Archivdirektors erfüllte. Max Duncker hatte sich gegen Friedländer, der die Geschicke des Geheimen Staatsarchivs bis zu seinem Ausscheiden aus dem Amte am 1. Juni 1874 maßgeblich bestimmt hatte, nicht durchsetzen können. Friedländer, von Beruf eigentlich Bibliothekar18 und daher gewöhnt, in Sachbetreffen zu denken, war wohl auch aus diesem Grunde „völlig in dem von SchöneSybel wurde am 23. 6. 1875 berufen. Zitiert nach Kehr (wie Anm. 2), S. 15. 15 Ib. S. 16. 16 Abgedruckt in den Mitteilungen der K. preußischen Archivverwaltung 10, 1908, 16 ff. 17 Paul Bailleu, Das Provenienzprinzip und seine Anwendung im Geheimen Staatsarchiv, in: Korrespondenzblatt des Gesamtvereins der deutschen Geschichts- und Altertumsvereine 50, 1902, 193 ff. (künftig nur Korrespondenzblatt zitiert). – Meta Kohnke, Die Ordnung der Bestände im Geheimen Staatsarchiv in Berlin vor und nach der Einführung des Provenienzprinzips, in: Archivmitteilungen 11, 1961, 111 – 116. 18 1828 – 1842 und 1850 – 53 Bibliothekar an der Königlichen Bibliothek, dazwischen von 1842 – 1850 Leiter der Bibliothek der Berliner Kriegsakademie. 13 14
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beck geschaffenen Ordnungssystem befangen und schien überzeugt zu sein, daß diese althergebrachte Ordnung auch allen künftigen Anforderungen genügen würde“19. Das ganze Ausmaß der von Friedländer angerichteten Schäden wird vollends in einem Schreiben Dunckers vom 18. November 1873 an den Präsidenten des Staatsministeriums deutlich, das die archivische Situation des Geheimen Staatsarchivs vor Einführung des Provenienzprinzips beleuchtet: „Die eigentliche Aufgabe des Archivars: gewissenhafte Inventarisierung der ihm anvertrauten Papiere hat er [Friedländer] nie begriffen, nie begreifen wollen. Geordnete und verzeichnete Registraturen [wie die des Kabinetts] sind von ihm auseinandergenommen und in die verschiedenen Bestände zerstreut worden. Meinen zur Abhilfe erlassenen Anordnungen hat er auf geraden und ungeraden Wegen Widerstand geleistet, meinen Verfügungen in den Akten widersprechende Bemerkungen hinzugefügt und seine Kollegen in der Ausführung meiner Weisungen, soviel er vermochte, behindert“20. Es spricht für den Wirklichkeitssinn Dunckers, daß er, ähnlich wie vor ihm schon Lancizolle, überhaupt dem Provenienzprinzip zuneigte, wenn er seine Überzeugungen, zu denen er mehr aus praktischen Gründen als durch theoretische Überlegungen gelangt war, auch noch nicht in die Tat umsetzen konnte. Selbst unter Sybel gelangte das Provenienzprinzip zunächst nicht voll zur Anwendung, weil die Stelle Friedländers noch einmal mit einem Verfechter des Pertinenzprinzips besetzt wurde, mit Paul Hassel (1875 – 1882)21, den freilich der einhellige Widerstand seiner Fachkollegen an der Verwirklichung seiner weitreichenden Umordnungsabsichten hinderte. Die Auffassung, daß auch im Archiv Akten in ihrem Registraturzusammenhang belassen werden sollten, um benutzbar zu bleiben, vertrat Max Lehmann, ein früherer Berliner Gymnasiallehrer, der von 1873 – 1888 am Geheimen Staatsarchiv tätig war, und zwar in seiner Denkschrift „Über die Ordnung von Archiven im allgemeinen und des Geheimen Staatsarchivs im besonderen“22. Diese Denkschrift ist als „Geburtsurkunde des Provenienzprinzips“ anzusehen23, das seitens der Archivare zwar als Erlösung empfunden, freilich fortan von vielen Archivbenutzern mangels ausreichender behördengeschichtlicher Kenntnisse als Erschwernis ihrer Forschungen beklagt wurde. Es ist in dem bereits erwähnten, ebenfalls von Lehmann verfaßten und durch Sybel am 1. Juli 1881 in Kraft gesetzten „Regulativ für die Ordnungsarbeiten im Geheimen Staatsarchiv“ wie folgt formuliert worden: „§ 2: Die Aufstellung des Geheimen Staatsarchivs erfolgt nach der Provenienz seiner Bestände. § 3: Alle diejenigen Reposituren, welche nicht dazu bestimmt sind, die Akten einer noch funktionierenden Behörde aufzunehmen, werden für immer geschlossen, in dem Sinne, daß
Kohnke (wie Anm. 17), S. 112 f. GStA PK Rep. 178 XIII B 2 Bd. 2, fol. 213. 21 1875 erfolgte seine Ernennung zum Geheimen Archivar, 1882 nahm Hassel dann das Amt des Direktors des sächsischen Geheimen Hauptstaatsarchivs in Dresden an. 22 GStA PK Rep. 178 XVII, Nr. 11, Bd. 2, fol. 16 ff. 23 Kohnke (wie Anm. 17), S. 114. 19 20
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I. Teil keine Akzession denselben überwiesen werden darf, es sei denn, daß sie sich als integrierender Bestandteil der betreffenden Repositur erweist. § 4: Jede Behörde erhält, sobald sie Akten abzuliefern beginnt, eine ausschließlich für sie bestimmte Repositur. Innerhalb derselben werden die Akten in der Ordnung und mit den Marken belassen, die sie im Geschäftsgange der betreffenden Behörde erhalten haben.“
Das Provenienzprinzip in seiner hier vorliegenden Form als Registraturprinzip sollte freilich noch verschiedentlich umgestaltet werden24, lag ihm doch die optimistische Überzeugung zugrunde, daß auch künftige Behördenregistraturen dem Idealzustand der preußischen Ministerialregistraturen gleichen müßten. Im Kern blieb das Provenienzprinzip freilich bis heute die Grundlage archivarischen Tuns. Zunächst führte seine Anwendung im Geheimen Staatsarchiv dazu, daß auch alle seit 1807 entstandenen Behörden eigene Reposituren erhielten, so etwa das Kultusministerium (Rep. 76), das Staatsministerium (Rep. 90), das Auswärtige Amt wegen seiner besonders umfangreichen Registraturbestände gar eine eigene, nämlich die III. Hauptabteilung. Bis 1945 stieg die Zahl der Reposituren im Geheimen Staatsarchiv auf 202; Umstrukturierungen im Behördenaufbau des preußischen Staates bereiteten nach Einführung des Provenienzprinzips keine archivischen Schwierigkeiten mehr. In Sybels Amtszeit fallen noch zwei weitere wichtige Ereignisse: Da sich im Lagerhaus in der Klosterstraße auch die archivreifen Akten der mittleren und unteren Behörden der Provinz Brandenburg befanden, fühlte man sich 1883 entsprechend dem neu eingeführten Provenienzprinzip bewogen, für diesen Archivkörper beim Geheimen Staatsarchiv eine eigene Provinzialarchiv-Abteilung zu gründen25, der 24 Vgl. Kohnke (wie Anm. 17), S. 116; ferner Berent Schwineleöper, Zur Geschichte des Provenienzprinzips, in: Forschungen aus mitteldeutschen Archiven (Kretzschmar-Festschrift), Leipzig 1953, S. 48 – 65; H. O. Meisner, Provenienz – Struktur – Bestand – Fonds, in: Archivmitteilungen 5, 1955, 2 – 5, und Gerhard Enders, Probleme des Provenienzprinzips, in: Archivar und Historiker (Meisner-Festschrift), Berlin 1956, 27 – 44. 25 Bereits das oben erwähnte „Regulativ für die Ordnungsarbeiten im Geheimen Staatsarchiv“ aus dem Jahre 1881 sah im C 18 die Bildung einer besonderen Archivabteilung vor; zwei Jahre später wurde dieser Gedanke dann durch das „Regulativ zur Stiftung des brandenburgischen Provinzialarchivs“ vom 7. 2. 1883 in die Tat umgesetzt (vgl. Mitteilungen der k. preuß. Archivverwaltung H. 10, S. 20 ff.). Aus den ursprünglich vorgesehenen 16 Reposituren wurden bald 51. Wegen der engen Verflechtung der brandenburgischen mit der preußischen Geschichte hatte man zunächst davon abgegesehen, ein räumlich wie organisatorisch vom Geheimen Staatsarchiv getrenntes Provinzialarchiv zu schaffen und sich mit der Errichtung der Abteilung X des Geheimen Staatsarchivs begnügt. Sie führte zum Schluß die Bezeichnung „Staatsarchiv für die Provinz Brandenburg und die Reichshauptstadt Berlin“. Die Kartensammlung des Provinzialarchivs nahm die XI. Hauptabteilung des Geheimen Staatsarchivs auf. Pläne einer völligen Verselbständigung des Provinzialarchivs vom Geheimen Staatsarchiv kamen wegen Ausbruch des Zweiten Weltkriegs nicht mehr zur Durchführung. Über die früher im Brandenburgischen Provinzialarchiv vorhandenen Bestände und. ihre Geschichte berichten Melle Klinkenborg, Ein Inventar des Archivs der brandenburgischen Provinzialverwaltung, in: Korrespondenzblatt 63, 1915, Sp. 262 ff. (Geschichte des kur- und neumärkischen Ständearchivs). – Das Archiv der brandenburgischen Provinzialverwaltung, bearb. v. Melle
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man auch die Akten der älteren brandenburgischen Behörden zuwies, aus denen keine preußischen Zentralbehörden erwachsen waren. In Anlehnung an das Wiener Institut für österreichische Geschichtsforschung, das Theodor Sickel 1850 / 52 nach dem Vorbild der Pariser École des Chartes gründete, rief sein Schüler Paul Fridolin Kehr im Jahre 1893 / 94 mit Unterstützung Sybels (gest. 1895) in Marburg / Lahn ebenfalls eine Archivschule ins Leben, die in enger Verbindung mit der Universität arbeiten sollte. Nachdem diese ältere Marburger Archivschule zunächst als staatliche Prüfungskommission für das Archivwesen für sich bestand (ihr gehörten außer dem Direktor des Staatsarchivs Marburg, Gustav Koennecke, an der Universität so berühmte Historiker wie Michael Tangl und Karl Brandi an) ging sie später ganz im Seminar für Historische Hilfswissenschaften der Universität auf26. Unter Koser wurde 1904 schließlich der Sitz der Prüfungskommission von Marburg nach Berlin verlegt, ein geregelter Unterrichtsbetrieb jedoch zunächst nicht in Gang gebracht. Die Prüfungskandidaten mußten das erforderliche Wissen an der Berliner Universität erwerben. Die Doktorprüfung wurde noch nicht zur Bedingung gemacht, aber meist nach Bestehen des Archivarischen Staatsexamens zusätzlich abgelegt. Kehr, seit 1917 Generaldirektor der Preußischen Archive, stellte die Archivarausbildung auf eine neue Grundlage, indem er sie zu einem „Graduierten-Unterricht“ machte, der sowohl die Ablegung des Doktorexamens als auch des Philologischen Staatsexamens für den höheren Schuldienst (mit Prädikat) voraussetzte. Dieser Unterricht fand im Geheimen Staatsarchiv statt, jedoch ohne festen Stundenplan. Der klassische Unterricht des Archivars in den Historischen Hilfswissenschaften wurde nun vor allem von Otto Heinrich Meisner erweitert, dem damals noch in Potsdam lebenden Nestor (gest. 1976) der modernen Aktenkunde und hervorragenden Kenner der preußischen Verwaltungsgeschichte. Sybels Werk führte der durch seine Biographie Friedrichs des Großen weithin bekannte Reinhold Koser27 als Direktor der Staatsarchive und zugleich als Direktor des Geheimen Staatsarchivs (1896 –1914) fort. Seine Amtsbezeichnung wurde durch Allerhöchsten Erlaß vom 27. Dezember 1899 in die eines „Generaldirektors der Staatsarchive“ umgewandelt; damals erhielten auch die Leiter der zwölf größeren Archive erst die Amtsbezeichnung „Archivdirektor“. Das Geheime Staatsarchiv sollte einen „Zweiten Direktor“ erhalten, jedoch rief ein entsprechender Beschluß des Abgeordnetenhauses gewissermaßen als „Konzession an den beginnenden Parlamentarismus“28 stattdessen das Amt eines „Zweiten Direktors der Staatsarchive“ Klinkenborg, Bd. I: Das kurmärkische Ständearchiv, 1920, Bd. II: Das neumärkische Ständearchiv, 1925. – Übersicht über die Bestände des Geheimen Staatsarchivs, Bd. 3: Provinzialarchiv, bearb. von R. Lüdicke, Leipzig 1939. Zu Lüdicke vgl. Erich Kittel, Lüdicke und, das Brandenburgische Provinzialarchiv, in: AZ 53, 1957, 153 – 160. 26 Vgl. Johannes Papritz: Archivwissenschaft, Teil 1, Marburg 1971, S. 6. 27 Geb. 1851, geadelt 1913, als Wirklicher Geheimer Rat, Prädikat Exzellenz, am 25. 8. 1914 gestorben. 28 Kehr (wie Anm. 2), S. 18 Anm. 1.
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ins Leben, dessen Träger gleichwohl die Aufgabe hatte, sich speziell der Leitung des Geheimen Staatsarchivs zuzuwenden bzw. den Generaldirektor als Ersten Direktor des Geheimen Staatsarchivs von dieser Tätigkeit zu entlasten. Dem ersten Inhaber dieser neuen Stelle, Karl Sattler (April 1896 bis 13. Juli 1906), folgte im September 1906 der Geheime Archivrat Paul Bailleu. Als dieser am 1. April 1921 aus dem Dienst schied, wurde das Amt wieder eingezogen, stattdessen, wie ursprünglich beabsichtigt, das eines „Zweiten Direktors des Geheimen Staatsarchivs“ geschaffen und Melle Klinkenborg damit betraut (August 1921 – 29. März 1930)29. Unter Koser dehnte man am 12. Oktober 1896 die Gültigkeit des „Regulativs für die Ordnungsarbeiten im Geheimen Staatsarchiv“ (von 1881) auf alle preußischen Staatsarchive in den Provinzen aus. Dadurch wurde das Provenienzprinzip nicht allein allgemein eingeführt, sondern nun auch zur Grundlage für die regionale Zuständigkeit bei Aktenabgaben gemacht; damit konnten auch Irrtümer der Vergangenheit nachträglich noch bis zu einem gewissen Grade korrigiert werden. Koser verbesserte die Benutzungsmöglichkeiten der Archive beträchtlich, u. a. dadurch, daß er das Verbot der Vorlage von Repertorien aufhob. Die Zahl der archivarischen Planstellen in Preußen konnte von 23 auf 41 angehoben werden. Koser beschränkte die Buchreihe „Publikationen aus den preußischen Staatsarchiven“ inhaltlich auf preußisch-deutsche Geschichte und überließ regionale Themen Heimatvereinen und den historischen Kommissionen der Provinzen: für rein archivarische Fragen (Archivgeschichte, Bestandsgeschichte etc.) gründete er die „Mitteilungen der K. Preußischen Archivverwaltung“ als zweites Veröffentlichungsorgan. Ferner rief Koser das Westpreußische Staatsarchiv Danzig ins Leben und trat als „Baumeister der preußischen Staatsarchive“ hervor30; u. a. prüfte er bereits erste Pläne für einen Neubau des Geheimen Staatsarchivs in Berlin-Dahlem. Bei Ausbruch des ersten Weltkrieges hatte die preußische Archivverwaltung den Höhepunkt ihrer Entwicklung erreicht31. Koser, der dem Geheimen Staatsarchiv besonders verbunden war und auch seine Bibliothek dem Archiv vermacht hat, starb am 25. August 1914. Er war ein Mann, der „ohne Hast mit ruhiger Überlegung mehrere wohltätige Reformen in seiner Verwaltung durchgeführt und die beiden ruhigen Jahrzehnte vor dem Kriege mit ihren blühenden Finanzen zum weiteren Ausbau der Staatsarchive planvoll ausgenutzt“ hat. 29 Johannes Schultze, Melle Klinkenborg, in: FBPG 43, 1930, 1 – 21. Von Klinkenborg stammt die bisher einzige im Druck erschienene ältere „Geschichte des Geheimen Staatsarchivs, Abt. 1: Die Begründung des Markgräflich-brandenburgischen Archivs im 15. Jahrhundert“ (Leipzig 1911). Weniger gründlich – vgl. GStA Rep. 178 B, Nr. 834, Bl. 110 – ist die nach seinem Tode erschienene Fortsetzung (Abt. 2): „Das Geheime Staatsarchiv im 17. und 18. Jahrhundert“ (Berlin 1934, Masch.-schr.). Ergänzend heranzuziehen ist künftig Georg Wilhelm v. Raumer, Geschichte des Geheimen Staats- und Cabinetts-Archiv in Berlin bis zum Jahre 1820, hrsg. von Eckart Henning, in: AZ 71, 1975 (bisher GStA Rep. 94, Nr. 25). 30 Kehr (wie Anm. 2), S. 18. 31 Vgl. u. a. Reinhold Koser, Über den gegenwärtigen Stand der archivalischen Forschung in Preußen, Leipzig 1900.
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Seine Nachfolge als Generaldirektor und zugleich als Direktor des Geheimen Staatsarchivs trat unter Beilegung des Charakters eines Geheimen Oberregierungsrates der Göttinger Professor der Historischen Hilfswissenschaften Paul Fridolin Kehr (1915 – 1929)32 an. Wenn auch das Tätigkeitsfeld der preußischen Archivverwaltung nach Beendigung des Ersten Weltkrieges zunächst kleiner wurde – 1919 Verlust der Staatsarchive in Posen und Danzig, 1924 Auflösung des Staatsarchivs in Wetzlar –, so verlief doch die weitere Entwicklung des Geheimen Staatsarchivs sowohl in baulicher Beziehung wie auch im Hinblick auf die Abrundung seiner Bestände durch Neuzugänge außerordentlich günstig: Das starke Anwachsen der Akten hatte im Lagerhaus in der Klosterstraße schon bald zu kaum zumutbaren Arbeitsbedingungen geführt, so daß man 1893 / 95 zur Entlastung zunächst den südöstlichen Flügelanbau niederlegte und durch ein neues Gebäude ersetzte, das als Verbindungsbau zwischen dem Lagerhaus (Klosterstraße 76) und dem Archivgebäude in der Neuen Friedrichstraße 83 errichtet wurde; es nahm mehrere Beamtenzimmer und einen Lesesaal auf. Doch schon um 1900 wurde die Situation unhaltbar, so daß wieder Neubaupläne für das Geheime Staatsarchiv erwogen werden mußten. 1909 wurden die bisherigen Archivgrundstücke bereits verkauft, 1914 die ersten Mittel für den geplanten Dahlemer Neubau in den Staatshaushalt eingesetzt; die Bauplanung begann, die Erdarbeiten wurden im April 1915 aufgenommen. Leider verzögerte sich jedoch die Fertigstellung des Baues, da dieser infolge des Ersten Weltkrieges im Januar 1917 sogar vorübergehend stillgelegt werden mußte. Erst im Mai 1920 konnte der Neubau des Archivgebäudes33 in Dahlem weitergeführt und am 26. März 1924 durch den Preußischen Ministerpräsidenten Otto Braun der Öffentlichkeit übergeben werden34. Für den Umzug der Magazingebäude aus der Klosterstraße wurden über sechshundert Möbelwagen benötigt. Die Bestände mußten teilweise neugeordnet und systematisch aufgestellt werden;. in den folgenden Jahren kam eine große Zahl von Neuzugängen archivreifer Akten aus Behörden hinzu, die schon vor dem ersten Weltkrieg aus Raummangel nicht mehr in das Lagerhaus in der Klosterstraße hatten aufgenommen werden können. Außer diesen Beständen sind vor allem die Heeresarchivalien zu nennen, die 1924 / 25 im Zuge einer Bestandsaufteilung nach Grenzjahren zwischen der Abteilung Berlin des Reichsarchivs und dem Geheimen Staatsarchiv vorgenommen und letzterem zugeführt35 wurden. In die neu geschaffene IV. Hauptabteilung „Preußisches Heeresarchiv“ gelangten das ältere Archiv der Geheimen Kriegskanzlei bis 1874 (das seit 1809 dem MilitärErnannt am 16. 8. 1915. Vgl. Entwurf für den Neubau des Geheimen Staatsarchivs in Berlin-Dahlem, Gutachten der Kgl. Akademie des Bauwesens, in: Zentralblatt der Bauverwaltung 35, 1915, 26 f. – Ernst Posner, Der Neubau des Geheimen Staatsarchivs in Berlin-Dahlem, in: AZ 35, 1925, 22 – 40 u. Nachtr.; Franz Peters, Das Preußische Geheime Staatsarchiv. Seine Bedeutung für die technische Erkenntnis, in: Rundschau technischer Arbeit Nr. 37, 1935. 34 Die faktische Eröffnung des Archivs erfolgte bereits am 7. 1. 1924. 35 Vgl. Abkommen zwischen der Preußischen Archivverwaltung und dem Reichsarchiv vom 18. Juni 1924. 32 33
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kabinett unterstellt war), das „Archiv des Großen Generalstabes“ (bis 1855) und weitere Bestände aus dem 1839 gegründeten Geheimen Archiv des Kriegsministeriums. Folglich konnte nunmehr das Geheime Staatsarchiv auch für den militärischen Bereich als vollfunktionsfähiges Zentralarchiv gelten36. Die nach Provenienzgesichtspunkten wohlgeordneten Heeresarchivalien mußten jedoch nebst den militärischen Nachlässen des Geheimen Staatsarchivs im Jahre 1937 dem am 1. Oktober 1936 in Potsdam begründeten Heeresarchiv übergeben werden, wo sie ein Bombenangriff noch am 20. April 1945 gänzlich zerstörte. Sogar die Verbindung zum ehemaligen Königlichen Hausarchiv, jetzt „Brandenburg-Preußisches Hausarchiv“ genannt, konnte wieder enger geknüpft werden: Die preußische Archivverwaltung erreichte ein Kondominat über dessen Bestände, die seit 1924 in einem eigenen Gebäude in Berlin-Charlottenburg lagerten; als dieses am 22. November 1943 einem Bombenangriff zum Opfer fiel, wurde die Geschäftsstelle des Hausarchivs vom 29. Dezember 1943 an in das Geheime Staatsarchiv nach Berlin-Dahlem verlegt. Schließlich wurde am 1. Oktober 1929 auch das für die Provinz Grenzmark Posen-Westpreußen geschaffene Staatsarchiv als Archivkörper im Geheimen Staatsarchiv deponiert37, ehe 1938 das Staatsarchiv Stettin den größeren Teil dieser Bestände erhielt (Beschluß von 24. Oktober 1938). Generaldirektor Geheimrat Kehr schied schließlich nach mehrmaliger Verlängerung seiner Dienstzeit am 1. April 1929 aus dem Amte. Zu seinem Nachfolger als Generaldirektor der Archive und Direktor des Geheimen Staatsarchivs wurde am 1. Oktober 1929 der Berliner Ordinarius für mittelalterliche Geschichte, Albert Brackmann38, berufen, für den sich vor allem der Preußische Ministerpräsident Otto Braun persönlich eingesetzt hatte. Brackmann war der letzte Chef der Archivverwaltung, der beide Ämter versah; mit seinem Ausscheiden endete am 4. März 1936 die Verknüpfung des Amtes des Generaldirektors mit dem des Ersten Direktors des Geheimen Staatsarchivs39, dessen Leiter künftig die Amtsbezeichnung „Direktor des Geheimen Staatsarchivs“ führte. 36 Vgl. C. Jany, Die preußischen Militärarchive, in: FBPG 36, 1924, 67 – 86; Rudolf Vaupel, Die Aufteilung der preuß. Heeresarchivalien in den Jahren 1918 – 20, in: Korrespondenzblatt 72, 1924, Sp. 172; Wilhelm Rohr, Die militärischen Bestände des preußischen Geheimen Staatsarchivs und ihre Bedeutung für die Personen- und Familienforschung. Leipzig 1927 (= Flugschr. d. Zentralstelle f. dt. Personen- und Familiengeschichte, H. 7). 37 Vgl. Jozef Stojanowski, Das Schicksal der ehem. preuß. Provinz „Provinz Grenzmark Posen-Westpreußen“, in: Archeion 27, 1957, 95 – 118; Wolfgang Hassel, Rolle und Funktion des Grenzmarkarchivs im Dienste des deutschen Revanchismus und die Fortführung seiner Tradition durch das Geheime Staatsarchiv in Westberlin, in: Archivmitteilungen 21, 1971, 214 – 219. 38 Vgl. Hermann Meinert, Albert Brackmann und das deutsche Archivwesen, in: AZ 49, 1954, 127 – 138. 39 Brackmann war als Generaldirektor bis zum 30. 9. 36 im Amte, bis zum Inkrafttreten der Besoldungsordnung vom 4. 3. 36 auch als Direktor des Geheimen Staatsarchivs. Im „Mittei-
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Brackmanns persönliches Interesse galt der Ausbildung der Archivare. Er errichtete auf den von Kehr geschaffenen Grundlagen – u. a. Einführung des GraduiertenUnterrichts – im Jahre 1930 das „Institut für Archivwissenschaften und geschichtliche Fortbildung“ (IfA)40, das nicht nur der Heranbildung des archivarischen, sondern zugleich auch des universitären Nachwuchses dienen sollte. Das Institut arbeitete mit festem Stundenplan und erhielt im Geheimen Staatsarchiv eigene Räume, ferner eine besondere Bibliothek. Aus diesem Institut sind zahlreiche spätere Hochschullehrer hervorgegangen. Neben Meisner und anderen unterrichtete Brenneke41, seit 1930 Zweiter Direktor des Geheimen Staatsarchivs (bis 1943), Archivtheorie und Archivgeschichte. Das neue am 1. Mai eröffnete Institut unterstand dem Preußischen Ministerpräsidenten, anfänglich also Otto Braun, seinem besonderen Förderer, und dem Kultusminister, aus dessen Etat es finanziert wurde. Die Leitung lag in den Händen von Brackmann selbst, auf dessen Intentionen die Konzeption des „IfA“ eindeutig beruhte. An seiner Organisationsstruktur scheint indessen auch Geheimrat Kehr noch Anteil gehabt zu haben. Die Tradition des Instituts wurde nach dem zweiten Weltkrieg in Potsdam und in Marburg (Lahn) weitergeführt. Auch die 1932 ins Leben gerufene „Publikationsstelle“, die im Geheimen Staatsarchiv ihren Sitz hatte, unterstand, ebenso wie das IfA, zunächst dem Generaldirektor, dem es auch seine Entstehung verdankte. Die Reihe der Publikationsstelle „Deutschland und der Osten. Quellen und Forschungen zur Geschichte ihrer Beziehungen“ (1936 ff. 21 Bde.), ursprünglich einmal als Fortsetzung der „Publikationen aus den Preußischen Staatsarchiven“ geplant, ergänzte diese auch weiterhin erscheinende Buchreihe, indem sie vornehmlich Arbeiten zur „volksdeutschen Siedlungs-, Kultur- und politischen Geschichte“42 aufnahm. Für kleinere Arbeiten wurde ihr noch eine Zeitschrift zur Seite gestellt, die man „Jomsburg, Völker und Staaten im Norden und Osten Europas“ (1937 ff.) nannte. Ein Schwerpunkt in der Arbeit der Publikationsstelle bildete die Übersetzungstätigkeit, die ihren Niederschlag in einer polnischen, tschechischen, lettischen, estnischen, lilungsblatt“ der Archivverwaltung Nr. 1 vom 9. 4. 1936 wird freilich der 1. April als Termin seines Ausscheidens genannt: „Der Generaldirektor der Staatsarchive ist mit dem 1. April 1936 aus seiner Stellung als Erster Direktor des Geheimen Staatsarchivs in Berlin-Dahlem ausgeschieden; der bisherige zweite Direktor ist fortan als Direktor des Geheimen Staatsarchivs der alleinige verantwortliche Leiter dieser Behörde“ (S. 1). Vgl. dazu wie auch unten Gerhard Zimmermann, Das Ringen um die Vereinheitlichung des Archivwesens in Preußen und im Reich von 1933 – 1945, in: Jahrbuch Preuß. Kulturbesitz 5, 1968, 129 – 142. 40 A. Brackmann, Das IfA am Geheimen Staatsarchiv in Berlin-Dahlem, in: AZ 40, 1931, 1 ff.; ders. Das Dahlemer IfA in den Jahren 1930 – 32 und das Problem des archivarischen Nachwuchses, in: Korespondenzblatt 80, 1932), 150 ff.; Wolfgang Leesch, Das Institut für Archivwissenschaft und geschichtswissenschaftliche Fortbildung (IfA) in Berlin-Dahlem (1930 – 1945), in: Brandenburgische Jahrhunderte. Festgabe für Johannes Schultze zum 90. Geburtstag, Berlin 1971, 219 – 254. 41 Wolfgang Leesch, Adolf Brenneke, in: Der Archivar 6, 1953, 97 – 106. 42 Brenneke (wie Anm. 5), S. 407.
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tauischen und weißruthenischen Reihe fand43. Den krönenden Abschluß der Verzeichnungsarbeiten bildete die dreibändige „Übersicht über die Bestände des Geheimen Staatsarchivs zu Berlin-Dahlem“, die in den Jahren 1934 – 1939 von Ernst Müller, Ernst Posner, Heinrich Otto Meisner, Georg Winter und Reinhard Lüdecke bearbeitet wurde. Das Personal war Ende der dreißiger Jahre im Geheimen Staatsarchiv auf 85 Personen angewachsen. Nachdem die Kapazitätsgrenze des Magazins erreicht war, nahm man schließlich auch Böden und Keller in Benutzung. Im Forschungssaal des Geheimen Staatsarchivs betrug die Zahl der Benutzer durchschnittlich sechzig pro Tag44. Da das in Berlin-Dahlem neuerrichtete Aktenmagazin als feuersicher galt und auch sonst zunächst nicht kriegsgefährdet schien, meinte man bei Ausbruch des Zweiten Weltkrieges 1939 auf Auslagerungen größeren Stils verzichten zu können. Man begnügte sich mit Luftschutzübungen, begann im Sommer 1939 auch mit Aktenumlegungen innerhalb des sechsgeschossigen Gebäudes und verbrachte kostbarere Archivalien in die, inzwischen freilich nur mit Holzregalen durchgängig ausgerüsteten, Kellerräume. Erst im September 1941 entschloß man sich zu Verlagerungen kleineren Ausmaßes (vornehmlich in die Tresore der Hauptsparkasse in Lübben45), später dann – als die Luftangriffe auf Berlin zunahmen – zu größeren Evakuierungsaktionen: Ausweichstellen waren das Johanniterschloß Sonnenburg bei Küstrin, vorübergehend nicht genutzte Munitionsbunker des Ostwalls bei Hochwalde / Krs. Meseritz und der Flakturm im Berliner Friedrichshain. Die Bibliothek des Geheimen Staatsarchivs wurde mit Ausnahme der kriegsgeschichtlichen Bestände in das östlich der Oder gelegene Rokokoschloß Balkow / Neumark und in dessen Wirtschaftsgebäude verlagert, wo sie „fast völlig benutzbar“ aufgestellt werden konnten46. Der Verbleib der mehr als 100 000 Bücher ist seit Kriegsende ungeklärt. Die Hauptmasse der Archivalien nahmen jedoch seit 1943 ausschließlich die weiträumigen Schachtanlagen der Preußischen Bergwerks- und Hütten A.G. (Preussag) bei Staßfurt auf47; als es 1944 die Kriegsereignisse notwendig machten, die Verlagerungen östlich der Elbe zurückzunehmen, wurden auch sie in den benach-
43 Vgl. Übersetzung der Publikationsstelle 1935 – 42. Nur für den Dienstgebrauch. Vorwort von Johannes Papritz, Berlin 1943, 80 S. 44 Bellée, Ausgang (1954), Sp. 24. Vgl. auch Ernst Posners Beitrag über Aufgaben und Dienstbetrieb des Geheimen Staatsarchivs, in: Der Beamtenbund Nr. 60 (1928). 45 Verlagert wurden u. a. das auf Geheiß Kaiser Karls IV. angelegte Landbuch der Mark Brandenburg (1375), verschiedene Manuskripte Friedrichs des Großen, die Preuß. Reformgesetze 1807 / 08, die Friedensverträge von Hubertusburg (1763) und Tilsit (1815), die Wiener Kongreßakte (1815), ferner Grünenbergs Wappenbuch. Vgl. dazu Bellée, Ausgang, Sp. 25. 46 Ib. Sp. 27. 47 Der Berlepsch-Schacht wies allein schon eine Tiefe von 300 Metern, die 9 zur Verfügung gestellten Firsten mitunter 60 Meter Länge und 30 Meter Breite auf.
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barten Moltkeschacht bei Schönebeck an der Elbe verbracht, wo das Bergungsgut in der Tat vor der Zerstörung durch Kriegsereignisse bewahrt blieb. Die Archivalien waren in den Bergungsschächten überdies so übersichtlich gelagert worden, daß behördliche Vorlagen von Akten in eingeschränktem Umfange weiterhin möglich waren, ja der Plan auftauchte46, in Schönebeck eine „Zweigstelle des Geheimen Staatsarchivs“ einzurichten; die private Benutzung im Forschungssaal des Archivs hatte indessen, von wenigen Ausnahmen abgesehen, 1942 infolge der Verlagerungen aufhören müssen. Für den trotz größerer Treibstoffschwierigkeiten durchgeführten Transport der nahezu 300 000 Aktenpakete wurden zwanzig Lastzüge, siebenunddreißig Güterzüge und drei Schiffsladungen benötigt. Bis Anfang 1945 war dann die Evakuierung des Magazins mit Ausnahme der Keller und des ersten Geschosses abgeschlossen. Diese großangelegten Verlagerungsaktionen hatte man auch angesichts der besonderen Ortslage des Archivs48 keinen Tag zu spät vorgenommen, denn bereits am 29. Dezember 1943 wurde das Aktenmagazin des Geheimen Staatsarchivs zum ersten Male, später erneut von Luftangriffen in Mitleidenschaft gezogen. Dank der bereits weitgediehenen Bergungsaktionen, aber auch wegen des modernen selbsttragenden Stahlregalsystems im Magazin, zerstörten durchschlagende Bomben nur wenige der im Keller und im ersten Geschoß lagernden Restakten; anfangs waren lediglich Schäden an den Zwischenböden, den Außenwänden und an der Bedachung zu verzeichnen. Stärksten Zerstörungen war das Archiv eigentlich erst in den letzten Kriegstagen ausgesetzt: Am Verwaltungsgebäude entstanden Luftdruckschäden durch Sprengbomben, die in der Nähe niedergingen oder im Magazin eingeschlagen waren. Die Dächer wurden abgedeckt. Am 23. / 24. April 1945 schlugen ferner Brandbomben im südlichen Dachstuhl ein, denen die Restaurierwerkstatt nebst dem kostbaren Materiallager zum Opfer fiel, doch Rettungsmaßnahmen der Mitarbeiter verhinderten die Ausdehnung der Brände und größere Katastrophen; am 25. April wurde die Fassade des Geheimen Staatsarchivs durch Flakeinwirkung schwer beschädigt, und in der Nacht vom 28. zum 29. April 1945 vernichtete schließlich ein von Plünderern gelegter Großband die restlichen, meist für Auslagerungen weniger geeigneten Akten im Magazin. Dieser Brand, dem erst an den geschlossenen Stahltüren des Nordmagazins Einhalt geboten werden konnte, zerstörte nun das von Luftminen bereits arg lädierte Magazingebäude – mit Ausnahme des Nordtraktes – völlig. Der Personalstand des Archivs war kriegsbedingt bereits 1944 von ursprünglich 85 Personen auf 30 zurückgegangen. Eine vorübergehende Besserung, jedenfalls was den Luftschutz anging, trat ein, als im Januar 1944 die Abteilung 14 des Forschungsinstitutes des Luftfahrtministeriums im Verwaltungsgebäude des Geheimen 48 Auf dem freien Feld der Dahlemer Domäne, unmittelbar vor dem Archivgebäude, waren schwere Flakgeschütze der Wehrmacht installiert worden; der durch Abwehreinsätze erzeugte Luftdruck bewirkte erste Gebäudeschäden. Gefährdend für das Archiv wirkten auch die nahen Einrichtungen einer Befehlsstelle für die Flugabwehr im Postamt Dahlem, schließlich bei den ersten Radareinsätzen gegen Ende des Krieges auch die umfangreichen Eisenkonstruktionen im Magazin und in den Dachstühlen des Archivs (vgl. Bellée, Ausgang, Sp. 26).
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Staatsarchivs ihren Sitz nahm, nachdem dessen Dienstgebäude am Knie durch Bombeneinwirkung unbenutzbar geworden war. Da es nach Kriegsende nicht gelingen sollte, die verlagerten Archivalien aus den Bergungsorten in Mitteldeutschland wieder in das Geheime Staatsarchiv zurückzuführen, mußten als Grundstock für den Neuaufbau zunächst die Restbestände an Archivalien dienen, die den Krieg im Nordmagazin überdauert hatten. Dabei handelte es sich immerhin noch um 10 000 Aktenpakete verschiedener Provenienzen (einzelner Ministerien, des Brandenburg-Preußischen Hausarchivs, des Provinzialarchivs und der Kartensammlungen). Nach dem Zusammenbruch wurde das Geheime Staatsarchiv zunächst von Plünderern verwüstet49 und später von Sowjettruppen besetzt. Die Leitung wechselte nach dem Abgang des Direktors Erich Randt (16. Oktober 1944 bis 15. Juni 1945) häufig; sie ging nach Kriegsende in rascher Folge zunächst auf Georg Winter (16. Juni – 18. Juli 1945) und Gottfried Wentz (18. Juli bis 8. September 1945) über, die das Amt des Direktors des „Preußischen Geheimen Staatsarchivs“, wie es zunächst noch hieß, nur kommissarisch versahen; am 7. November 1945 wurde schließlich Ulrich Wendland die Leitung des Hauses übertragen, der sie bis zu seinem Tode am 15. November 1947 innehatte; dessen Nachfolger waren Hans Bellée (5. Dezember 1947 bis 30. September 1954) und Gerhard Zimmermann (1. Oktober 1954 – 31. Juli 1974). In den ersten beiden Nachkriegsjahren blieb der jeweilige GStA-Direktor noch dazu einem Sonderbeauftragten des Berliner Magistrats unterstellt; im Auftrage von Otto Winzer, damals Leiter der Abteilung für Volksbildung, kontrollierte der Vortragende Legationsrat a. D. Dr. Traugott Böhme als Kurator das Geheime Staatsarchiv (1945 / 46). Die im Hause verbliebenen Archivangestellten begannen trotzdem sofort mit ersten Aufräumungs- und Wiederherstellungsarbeiten. Fußend auf der Deklaration der Alliierten (Art. 8) über die Niederlage Deutschlands vom 4. Juni 1945 wurde das Geheime Staatsarchiv vom Berliner Magistrat am 3. Juli 1945 damit beauftragt, „alle im Raum von Berlin gelegenen staatlichen Archive zu betreuen und zu überwachen“. Wenig später kam der Auftrag, „sämtliches Aktenmaterial der ehemaligen Reichs- und Staatsbehörden sowie der nicht kommunalen Dienststellen usw. und auch der ehemaligen Parteiinstanzen, öffentlich-rechtlichen Körperschaften innerhalb Groß-Berlins zu ermitteln und zu erfassen, zu sichten, und so gut als nur irgend möglich, sicherzustellen“, hinzu. Damit war für das Geheime Staatsarchiv nicht nur die archivische Zuständigkeit für das Gebiet von Groß-Berlin gegeben, es versah zunächst auch die Aufgaben des früheren Reichsarchivs mit und „fühlte sich fortan treuhänderisch verantwortlich auch für alle in den deutschen Ostgebieten aktionsunfähigen preußischen Staatsarchive“50. 49 Vgl. in Rep. 94, Nr. 255 den Augenzeugenbericht über die Zerstörungen im Geheimen Staatsarchiv im April und Mai 1945, den der Buchbindermeister Paul Freudenberg verfaßt hat. 50 Gerhard Zimmermann, Das Geheime Staatsarchiv, in: Jahrbuch Preußischer Kulturbesitz 1, 1962 / 63, S. 303 – 323, hier S. 319.
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Im einzelnen sah diese Tätigkeit der Archivangestellten des Hauses so aus, daß sie in den ersten Nachkriegsjahren im Einvernehmen mit dem Bergungsamt des Magistrats fast zweihundert Registraturen ehemaliger Reichs- und Staatsbehörden überprüften, deren Akten sie teilweise erst aus den Kellern zerstörter Dienstgebäude retten und sichten mußten. Unter diesen Archivalien befanden sich nicht selten auch wichtige Generalakten der einzelnen Ministerien aus älterer Zeit, die von diesen jedoch wegen ihrer anhaltenden Bedeutung nie für archivreif gehalten und daher auch nicht an das Geheime Staatsarchiv abgegeben worden waren. Die Zahl der Aktenpakete erhöhte sich infolge dieser Bergungsaktionen von 10 000 bis 1962 wieder auf 46 000 Aktennormalpakete (davon waren 15 000 Pakete Reichssachen), ferner auf 50 000 Karten und 1000 Pergamenturkunden. Diese Archivalien fügte man entweder dem bisherigen Repositurenschema ein oder bildete neue Reposituren für Behörden, die bisher noch keine Akten an das Geheime Staatsarchiv abgegeben hatten (z. B. Rep. 203 – 205, 212); die Reposituren der Reichsakten, die erst 1969 im Zuge eines großangelegten Archivalienaustausches zwischen dem Bundesarchiv in Koblenz und dem Geheimen Staatsarchiv an ersteres abgegeben wurden, erhielten Nummern ab 300. Neugegründet wurden nach 1945 außer der XII. Hauptabteilung für die Zeitgeschichtliche Sammlung auch Hauptabteilungen für die ehemaligen deutschen Ostgebiete, und zwar die XIII. Hauptabteilung für Ostpreußen, die XIV. für Westpreußen, die XV. für Pommern, die XVI. für Posen, die XVII. für Schlesien und die XVIII. für Sachsen. Die meisten der bis 1948 im Ostsektor von Berlin und in der Provinz Brandenburg von Angestellten des Geheimen Staatsarchivs ermittelten Registraturreste preußischer und Reichsbehörden konnten freilich nicht mehr nach Berlin-Dahlem verbracht werden; sie mußten auf alliierte Weisung bis 1948 im sowjetischen Sektor in eigenen Aktendepots gesammelt werden, wo sie nach der Spaltung Deutschlands für das Geheime Staatsarchiv unzugänglich wurden. Das gleiche Schicksal erlitten auch trotz der Bestrebungen des Archivs wie des Berliner Magistrats die nach Staßfurt und Schönebeck ausgelagerten Archivalien; sie sind ebenfalls aus politischen Gründen nicht mehr nach Berlin (West) zurückgelangt51.
51 Vgl. Pressestimmen über die Tätigkeit des Geheimen Staatsarchivs in den ersten Nachkriegsjahren, u. a.: Das Preußische Geheime Staatsarchiv, in: Das Volk, Tageszeitung der sozialdemokratischen Partei Deutschlands, Berlin, den 18. Okt. 1945; Der Aktenschrank der Berliner Behörden – Das Archiv in Dahlem arbeitet wieder, in: Der Morgen, Berlin, den 22. März 1947; Akten des Preuß. Geheimen Staatsarchivs, in: Der Abend, Berlin, den 30. April 1947; Berliner Hauptarchiv – 250 000 Kisten Archivgut verlagert, in: Neue Zeit, Berlin, 13. Januar 1948; Rückgabe deutscher Archive, in: Der Tag, Berlin, 25. November 1949; Historische Dokumente in Chausseegräben (Berichte über die Nachkriegsschicksale der Bestände des Preuß. Geheimen Staatsarchivs), in: Westphalenpost, Soest, 3. Nov. 1949; Karl Bremmer, Ein deutsches Bundesarchiv. Dokumente aus dem Osten verschwunden und wiedergefunden (Bericht über die Bestände und Aufgaben des Berliner Hauptarchivs), in: Der Tag, Berlin, den 1. 9. 1949; desgl. in Allgemeine Zeitung, Mainz, 9. 9. 1949 und in Deutsches Zeit-Archiv, Hamburg, Ausgabe B, Kulturnachrichten Nr. 73, 14. Sept. 1949.
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Im September 1950 erfolgte die Aufnahme des Stadtarchivs (später Landesarchiv) von Berlin-West in das Geheime Staatsarchiv, wo es bis 1958 verblieb. Von diesem Zeitpunkt an wurde die kommissarische Leitung Staatsarchivrat Dr. Berthold Schulze vom Berliner Hauptarchiv übertragen, die dann vom 1. November 1962 – 30. 9. 1964 vom Direktor des Geheimen Staatsarchivs selber wahrgenommen wurde. Das Geheime Staatsarchiv erhielt 1946 die offizielle Bezeichnung „Hauptarchiv für Behördenakten“, 1950 „Berliner Hauptarchiv“, 1952 „Berliner Hauptarchiv (ehem. Preußisches Geheimes Staatsarchiv)“52, 1955 „Hauptarchiv (ehem. Preußisches Geheimes Staatsarchiv)“53. Die Dienstaufsicht übte der Senator für Volksbildung seit 1945 aus. Die Fachaufsicht wurde 1954 dem 1952 in Koblenz gegründeten Bundesarchiv übertragen, als der Bund zusätzlich auch die Kosten für die Unterhaltung des Geheimen Staatsarchivs übernahm. Nach § 2,7 des Gesetzes über die Errichtung der „Stiftung Preußischer Kulturbesitz“ vom 25. Juli 1957 gingen dann sämtliche Archivalien, die bis 9. Mai 1945 entweder durch den Reichsminister für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung oder durch den Preußischen Ministerpräsidenten verwaltet wurden, in das Eigentum der Stiftung über. Entsprechend wurde durch Beschluß des Stiftungsrates vom September 1962 auch das Hauptarchiv mit Wirkung vom 1. Januar 1963 als „Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz“ in die Stiftung übernommen. Die feierliche Übergabe fand am 14. Januar 1963 statt. Die archivarischen Aufgaben entsprachen in den ersten Nachkriegsjahren noch durchaus denen eines „lebenden“ Archivs, obwohl das Land Preußen, dessen Zentralarchiv das Geheime Staatsarchiv war, 1947 auf Beschluß des Alliierten Kontrollrates aufgehoben worden war. Der Umstand, daß die Archivare 1945 / 46 aus den zerstörten Berliner Dienstgebäuden größere Bestände noch nicht archivreifer Akten geborgen hatten, führte zu einer regen Auskunftstätigkeit des Archivs (besonders in Vertriebenenfragen) gegenüber den Nachfolgebehörden, die vielfach ohne die preußischen Vorakten nicht arbeitsfähig waren. Erst allmählich trat diese Tätigkeit eines lebenden Archivs hinter jener des historischen Archivs zurück. Auch die Verzeichnung der geborgenen und später auch durch Ankäufe etc. hinzugewonnenen Archivalien machte gute Fortschritte, so daß 1967 / 68 wieder eine zweibändige „Übersicht über die Bestände des Geheimen Staatsarchivs in Berlin-Dahlem“ vorgelegt werden konnte, die von H. Branig, R. und W. Bliß und W. Petermann bearbeitet wurde. Ihre Angaben sind freilich teilweise überholt, da im Herbst 1969 alle Bergungsakten der Nachkriegszeit, die Reichsangelegenheiten betrafen und seither ebenfalls durch das Geheime Staatsarchiv verwaltet worden waren, im Austausch gegen preußische Akten an das Bundesarchiv Koblenz abgegeben wurden. Hervor52 Neue Bezeichnung und Abgrenzung des Aufgabenbereichs gegenüber dem Landesarchiv Berlin, in: Dienstblatt des Senats von Berlin, Teil I vom 4. Sept. 1952, S. 113. 53 Umbenennung, in: Dienstblatt des Senats von Berlin, Teil I, S. 161 vom 6. Juni 1955; desgl. Teil III, S. 51 vom 6. Juni 1955. Hinweis auch im „Archivar“ 8, 1955, Sp. 385.
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zuheben sind hier vor allem die umfangreichen Bestände des preußischen Justiz- sowie des Finanzministeriums, die anläßlich dieser archivarischen Flurbereinigung in das Geheime Staatsarchiv gelangten; sie waren nach dem Kriege in Westdeutschland geborgen und vom Bundesarchiv übernommen worden. Mit diesem Aktenaustausch ist das Geheime Staatsarchiv wieder zu einem ausschließlich preußischen Zentralarchiv geworden. Das Geheime Staatsarchiv wird sich als historisches Archiv künftig noch stärker als bisher zu einem Forschungsinstitut für preußische Geschichte entwickeln und somit zu einer Einrichtung werden, die es mit dieser ausschließlichen und umfassenden Zielsetzung bisher nicht gibt. Da sich wichtige Quellen heute in Mitteldeutschland befinden und dort auch nur eingeschränkt zugänglich sind, wird es zunächst auf eine systematische Dokumentation aller erreichbaren Unterlagen zur preußischen Geschichte ankommen. Dabei wird es sich vor allem um die Erfassung sämtlicher Unterlagen zur preußischen Geschichte handeln, die sich in der Bundesrepublik Deutschland einschließlich Berlin (West) befinden, aber auch in der Deutschen Demokratischen Republik einschließlich des Ostteils von Berlin und im europäischen Ausland, besonders in Polen, aber auch in Schweden, Frankreich, England etc. Soweit diese Dokumentation die Bundesrepublik einschließlich Berlin (West) betrifft, sind das Stiftungsgesetz und das sogenannte Rechtsträgerabwicklungsgesetz als Rechtsgrundlage heranzuziehen. Neben diesen Dokumentationsaufgaben ist auch die Bearbeitung und Auswertung der Quellen durch Publikationen wie durch geschichtliche Darstellungen vorgesehen. Dies geschieht seit 1968 in der Buchreihe „Veröffentlichungen aus den Archiven preußischer Kulturbesitz“ (Ende 1974 werden es 12 Bände sein). An ihr war auch das Staatliche Archivlager in Göttingen beteiligt, das die Bestände des früheren Staatsarchivs Königsberg im Auftrage der Stiftung Preußischer Kulturbesitz verwaltete. Seit Jahren bemüht sich das Geheime Staatsarchiv überdies, seine Bestände durch Ausstellungen der Öffentlichkeit stärker zugänglich zu machen, wovon bereits zahlreiche Kataloge Zeugnis ablegen. Anläßlich des Doppeljubiläums des Hauses – 50 Jahre Geheimes Staatsarchiv in Berlin-Dahlem / 100 Jahre seit seiner Vereinigung mit dem Ministerialarchiv – konnte im Juli 1974 auch die Dauerausstellung des Archivs im wieder hergerichteten Ausstellungsraum eröffnet werden; im Anbau des 1973 wieder errichteten Magazingebäudes, können kleinere Wechselausstellungen des Geheimen Staatsarchivs veranstaltet werden. Größere Ausstellungen sollen auch künftig an wechselnden Orten innerhalb Berlins durchgeführt werden.
Das Preußische Geheime Staatsarchiv zwischen Krieg und Frieden Augenzeugenberichte April bis Mai 1945*
Von Joachim Lachmann und Paul Freudenberg, herausgegeben und eingeleitet von Eckart Henning
Es gibt genügend Quellen über das Deutsche Reich und sein bitteres Ende in Berlin, aber nur wenige, die auch über die vermeintliche Stunde Null im Preußischen Geheimen Staatsarchiv berichten. Lediglich die Aufzeichnungen des Abteilungsleiters Dr. Reinhard Lüdicke über seinen Volkssturm-Einsatz vom 20. April bis 2. Mai 19451 erwähnen das ehemalige preußische Zentralarchiv vor und nach seinem Einsatz, enthalten aber begreiflicherweise weder etwas über den Untergang von dessen vorgesetzter Dienststelle in der Mitte Berlins noch über die tatsächlichen Geschehnisse im Gebäude oder auf dem Archivgelände während des Umbruchs in Dahlem. Dieser unbefriedigenden Quellenlage sollen die beiden hier edierten Augenzeugenberichte etwas abhelfen. Über das Ende in der Dorotheenstraße, ja das „letzte Stündchen“ der Archivabteilung des Staatsministeriums, der Dr. Ernst Zipfel2 als Generaldirektor der Preußischen Staatsarchive vorstand, gibt ein Blatt Auskunft, das dem Herausgeber im Juli 1974 von seinem damals bereits pensionierten Verfasser, dem ersten Direktor des (West-)Berliner Landesarchivs, Dr. Joachim Lachmann3, kurz vor seinem Tode im Geheimen Staatsarchiv persönlich übergeben wurde4, als es galt, ein * Erstdruck in: Archivarbeit für Preußen, hrsg. von Jürgen Kloosterhuis, Berlin 2000, S. 441– 471 (= Veröffentlichungen aus den Archiven Preußischer Kulturbesitz, Arbeitsberichte 2). 1 Reinhard Lüdicke, Straßenkämpfe im Südwesten Berlins, hrsg. von Eckart Henning, in: Der Bär von Berlin 26 (1977), S. 119 – 128, kommentiert nachgedruckt unter dem Titel: Im Kampf um Berlin, in: Archivmitteilungen 43 (1994), S. 5 – 14 mit biographischer Einleitung, Nachlassbericht, Anmerkungen und Nachweisen. 2 Über den Generaldirektor Dr. Friedrich Zipfel vgl. Eckart Henning / Christel Wegeleben, Archivare beim Geheimen Staatsarchiv in Berlin-Dahlem 1924 – 1974, in: Jb. für brandenburgische Landesgeschichte 27 (1976), S. 155 – 178, hier S. 178 (künftig zit. Henning / Wegeleben, GStA-Archivare II); und Nachruf von Wilhelm Rohr, in: Der Archivar 20 (1967), Sp. 206 – 210. 3 Zu Lachmann vgl. Henning / Wegeleben, GStA-Archivare II (wie Anm. 2), S. 170.
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Doppeljubiläum des Archivs – 50 Jahre in Berlin-Dahlem, 100 Jahre seit seiner Vereinigung mit dem Ministerialarchiv5 – zu begehen. Es sind maschinengeschriebene Notizen eines Zeitzeugen, der sich seiner Rolle wohl bewußt war oder zumindest nach 25 Jahren bewußt geworden ist, weshalb er den Hergang der Ereignisse aufschrieb und durch seine Unterschrift beglaubigte. Schon in diesem kurzen Text taucht der Name des Autors der anderen Quelle als Abholer von Akten auf, nämlich des Buchbinders Paul Freudenberg, der Dr. Lachmann kurz zuvor im Amt aufsuchte, ehe dieser die Preußische, im Reichsinnenministerium untergebrachte6 Archivverwaltung am 21. April 1945 als letzter verließ und sie damit gleichsam „aufgab“.
I. Augenzeugenbericht Lachmann „Anläßlich des Jubiläums des Preußischen Geheimen Staatsarchivs im Juli 1974 möchte ich etwas vom Ende der einst angesehenen Preußischen Archivverwaltung berichten, deren bedeutendstes Archiv das alte Preußische Geheime Staatsarchiv gewesen ist. Als ich am 9. Februar 1945, dem letzten Tage vor der Einschließung der schlesischen Hauptstadt, dessen reiches Staatsarchiv in Breslau ich zuletzt geleitet habe7, verlassen mußte und über Görlitz8 als Flüchtling in meine Berliner 4 Ich bin als junger Archivrat beim Geheimen Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz in Kontakt mit Herrn Dr. Lachmann zur Vorbereitung der in Anmerkung 2 genannten Arbeit getreten, worauf er mich unterstützte und mir zur Vorbereitung meines Jubiläumsbeitrags (vgl. Anm. 5) die untenstehenden Aufzeichnungen überließ, die freilich hier erst Verwendung finden konnten. 5 Vgl. Eckart Henning, 50 Jahre Geheimes Staatsarchiv in Berlin-Dahlem – 100 Jahre seit seiner Vereinigung mit dem Ministerialarchiv, in: Jb. für brandenburgische Landesgeschichte 25 (1974), S. 154 – 174, und ders., Das Geheime Staatsarchiv in Berlin-Dahlem. Rückblick anläßlich seines Doppeljubiläums 1874 – 1924 – 1974, in: Der Archivar 28 (1975), Sp. 143 – 152. Aus diesem Anlaß erschien auch ein vom Verf. und Cécile Lowenthal-Hensel redigierter Archivführer: Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz, Vorwort Gerhard Zimmermann, Berlin 1974, 76 S. 6 Diese „Ämtersymbiose“ hing zweifellos damit zusammen, dass Dr. Zipfel neben seinen sonstigen Funktionen (vgl. die in Anm. 2 genannte Literatur) von 1944 bis 1945 auch Leiter der Unterabteilung für Archiv- und Schriftgutwesen im Reichsinnenministerium war, dem er auch als Kommissar für den Archivschutz wie als Direktor des Reichsarchivs unterstand (nicht aber als Direktor der Preußischen Staatsarchive, da er als solcher beim Vorsitzenden des Staatsministeriums und damit beim Preußischen Ministerpräsidenten, nämlich bei Hermann Göring, ressortierte). Vgl. dazu Matthias Herrmann, Das Reichsarchiv (1919 – 1945). Eine archivische Institution im Spannungsfeld der Politik, Phil. Diss. Humboldt-Universität zu Berlin 1993, T. II, S. 456 ff. (= Kap. 9.4.4.): Die Verschmelzung der archivischen Leitungsgremien zwischen 1940 und 1944. 7 Dr. Joachim Lachmann ist im April 1940 zum Staatsarchivrat in Breslau, im Februar 1943 zum Stellvertretenden Direktor des Staatsarchivs Kattowitz und Ende 1944 zum Stellvertretenden Direktor des Staatsarchivs Breslau ernannt worden, das er in dieser Eigenschaft bis zum 9. Februar 1945 leitete (da Dr. Randt bereits ans Geheime Staatsarchiv nach Berlin versetzt worden war). Vgl. Henning / Wegeleben, GStA-Archivare II (wie Anm. 2), S. 170.
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Heimat kam, nahm der letzte Generaldirektor der Preußischen Staatsarchive, Dr. Zipfel, mich in die Preußische Archiv-Verwaltung9, die im Reichs- und Preußischen Innenministerium in der Dorotheenstraße damals ihr Domizil hatte, mit. Der Generaldirektor mußte Mitte April auf Anordnung des Staatssekretärs Stukkardt zu der sogenannten Regierung nach Schleswig-Holstein10, so daß ich die letzte Woche in der Preußischen Archiv-Verwaltung allein amtierte. Staatsarchivdirektor Dr. Randt11, der damals Direktor des Preußischen Geheimen Staatsarchivs war, wurde in diesen Tagen zum Staatssekretär bestellt. Er kam zu mir, da Stuckardt sich nicht meldete. Ich durchlief dessen Amtsräume, und siehe, er war inzwischen verschwunden. Inzwischen waren die Einschläge von der nahen Front im Osten immer lauter geworden. Dr. Randt nahm eine fast ohnmächtig werdende Angestellte mit nach Dahlem; die letzte Angestellte verschwand auch bald. Die Militärwache im Hause kam zu mir und fragte mich, ob mir die Einschläge noch nicht genügten, und ich immer noch Dienst tun wolle. Ich packte dann das Wichtigste zusammen, wobei Herr Freudenberg vom Geheimen Staatsarchiv mir noch half und vor mir das Haus verließ. Als letzter – wie im Staatsarchiv Breslau – verließ ich die Räume der Preußischen Archiv-Verwaltung, umgeben von einstürzenden, in Folge der Einschläge erschütterten bombengeschädigten Häuser in der Neuen Wilhelmstraße und eilte durch den von Bomben arg mitgenommenen Tiergarten, bis ich zum Wittenbergplatz kam, wo sogar noch die Untergrundbahn nach Dahlem verkehrte. Dies war das Ende der Preußischen Archivverwaltung am 21. April 1945.“ *** Der Verfasser der zweiten Quelle ist der „stets unerschrockene“12 Buchbinder und Restaurator, Paul Freudenberg (geb. 14. März 1890 in Reichenberg / Oberbarnim) gewesen, der seit dem 10. Juli 1934 beim Preußischen Geheimen Staatsarchiv bis zu seinem Tode am 1. Januar 1953 beschäftigt war13. Auch er hatte sich offen-
8 Vom 10. bis 26. Februar 1945 fungierte Dr. Lachmann noch als Leiter der Außenstelle Görlitz des Staatsarchivs Breslau, die er wegen der heranrückenden Front ebenfalls aufgeben musste. 9 Nachdem Dr. Lachmann auf der Flucht Ende Februar 1945 im Geheimen Staatsarchiv eingetroffen war, ist er vom 1. März an zur Dienstleitung an die Archivabteilung des Preußischen Staatsministeriums abgeordnet worden. Anschließend war er vom 21. April bis Ende 1946 wieder am Geheimen Staatsarchiv beschäftigt. Vgl. Henning / Wegeleben, GStA-Archivare II (wie Anm. 2), S. 170. 10 Am 21. April 1945 versetzt zusammen mit der Reichsführungsspitze. Vgl. Anm. 17. 11 Dr. Erich Randt war vom 1. Oktober 1944 bis zum 15. Juni 1945 Direktor des Geheimen Staatsarchivs. Vgl. Henning / Wegeleben, GStA-Archivare II (wie Anm. 2), S. 173; sowie Nachrufe von Adolf Diestelkamp, in: Der Archivar 2 (1949), Sp. 82 – 88 (mit Schriftenverzeichnis), und K. G. Bruchmann, in: Zschr. für Ostforschung 6 (1957), S. 403 – 411. 12 Hans Bellée, Der Ausgang des Preußischen Geheimen Staatsarchivs, in: Der Archivar 7 (1954), Sp. 23 – 30, hier Sp. 28.
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sichtlich in der Kriegszeit, wie Dr. Lüdicke, Notizen gemacht („… nach meinen Aufzeichnungen 462 Mal die Sirenen ertönt …“), die er in der Nachkriegszeit ausgearbeitet und als einen mit seiner Unterschrift beglaubigten maschinenschriftlichen „Augenzeugenbericht über die Zerstörungen im Preußischen Staatsarchiv April – Mai 1945“ im Umfang von 18 Seiten 1952 seiner Behörde übergeben hat14. Sie hat ihn dann in die I. HA Rep. 94 Kleine Erwerbungen unter Nr. 255 aufgenommen. Der Bericht beginnt – wie die unter I. abgedruckte Quelle – mit dem 21. April, endet aber bereits am 29. April 1945 (d. h. er erreicht nicht den Mai, wie die Überschrift verspricht), um dann aber in einen „Nachtrag“ zu münden, der erst im Herbst 1945 abbricht. Dieser Nachtrag bietet auch einen Anhaltspunkt für die Datierung von Freudenbergs Ausarbeitung, da er darin noch Dr. Ulrich Wendland als „Leiter unseres Archivs“ bezeichnet, der es zwischen dem 7. November 1945 und dem 15. November 1947 kommissarisch leitete, ehe seine Parteizugehörigkeit zur NSDAP aufgedeckt wurde15.
II. Augenzeugenbericht Freudenberg „21. April 1945. Die zusammengebrochene Heeresmacht einer in der Geschichte noch nicht dagewesenen Diktatur nähert sich der Hauptstadt des Deutschen Reiches Berlin16. Gegen 11 Uhr vormittags schlagen die ersten Granaten Unter den Linden und Umgebung ein. Im Auftrage des Preußischen Geheimen Staatsarchivs in Dahlem hatte ich wertvolles Aktenmaterial vom Innenministerium abzuholen. Nach ca. zwei Stunden Beschuß trat eine Feuerpause ein, die ich benutzte, um per Fahrrad nach Dahlem zu kommen. Mein Bericht, daß die ersten Granaten, aus der Richtung Ostberlin abgeschossen, die Innenstadt erreicht haben, wurde nicht geglaubt, und mit der Bemerkung, daß starke Kräfte vom Westen her zur Befreiung von Berlin im Anmarsch seien, abgewiesen. Entsprang der Zweifel an meinem wahrheitsgetreuen Bericht nun der unverzeihlichen Gläubigkeit an die Diktatoren, oder verbarg sich dahinter die dem deutschen Volk seit 1933 eingeimpfte Furcht? 13 Vgl. GStA PK, I. HA Rep. 178 D Geheimes Staatsarchiv Personalakten, Nr. 2982 – 2984. 14 GStA PK, Akzessionsjournal Nr. 78 / 1952. 15 Der 1897 geborene Westpreuße Dr. Ulrich Wendland leitete bis 1945 als Oberarchivrat das Reichsarchiv Danzig und nach dem Tode von Dr. Gottfried Wentz für zwei Jahre auch kommissarisch das „Hauptarchiv für Behördenakten“ (wie das Preußische Geheime Staatsarchiv zunächst nach seiner Umbenennung 1946 hieß). Vgl. Henning / Wegeleben, GStA-Archivare II (wie Anm. 2), S. 177, und Nachruf von Kurt Forstreuter, in: HZ 185 (1958), S. 736. 16 Vgl. Berlin. Kampf um Freiheit und Selbstverwaltung 1945 – 46, Berlin 1957, Berliner Chronik, S. 40 ff (= Schriftenreihe zur Zeitgeschichte, 1); dazu: Das Kriegstagebuch des Oberkommandos der Wehrmacht, eingeleitet u. erläutert von Percy Ernst Schramm, Bd. IV, 1 u. 2, Frankfurt 1961: Eintragungen vom 1. Januar 1944 bis 22. Mai 1945, sowie Tony Le Tissier, Chronik der Schlacht um Berlin, in: Der Todeskampf der Reichshauptstadt, hrsg. von Bengt von zur Mühlen, Berlin 1994, zu Dahlem S. 68, 74.
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Die Bestätigung, daß ich die Wahrheit berichtet hatte, ließ nicht lange auf sich warten. Ein Telefonanruf brachte die nicht mehr zu vertuschende Tatsache unserer kleinen stark zusammengeschmolzenen Belegschaft zum Bewußtsein. Hoffen, Bangen und Zweifel lähmten jede Tätigkeit. Hoffen darauf, endlich von all den ausgestandenen Leiden erlöst zu werden. Seit Beginn des Krieges im September 1939 sind nach meinen Aufzeichnungen 462mal die Sirenen ertönt, 344 Fliegerangriffe mit Bombenabwürfen mußte Berlin bei sehr mangelhafter Abwehr über sich ergehen lassen. Besonders folgenschwer waren die Bombenabwürfe am 1. März 1943 in Steglitz, 23. und 24. August 1943 in Steglitz, Südende und Lankwitz und am 1. März 1945 in der Innenstadt; der letztere hatte verheerende Folgen. Die ungeheuren Zerstörungen, das nie wiedergutzumachende Elend, die Tränen, die um liebe Angehörige vergossen waren, hatten die Sehnsucht nach Ruhe, Frieden und Beendigung dieser unmenschlichen Barbarei bei allen Berlinern aufs höchste gesteigert. 22. April 1945, Sonntag. 355. Luftschutzwache im Geheimen Staatsarchiv. Es sollte die letzte, die längste und die nie zu vergessende sein. Von der Front aus östlicher Richtung war ab und zu Geschützdonner zu vernehmen. Meine Dienststelle war verwaist. Die zum Luftschutz eingesetzten Mitarbeiter konnten nicht mehr nach Dahlem kommen, der öffentliche Verkehr funktionierte nicht mehr. Alle unsere sonst in ruhigen Tagen so tapferen Parteigenossen, an der Spitze unser Generaldirektor, hatten bei Zeiten das Weite gesucht und sich nach dem vermeintlich sicheren Westen abgesetzt17. Es fehlte ihnen der Mut, für das von ihnen heraufbeschworene Ende des einst so blühenden Landes und seiner fleißigen Bewohner gerade zu stehen. Ihr eigenes bißchen Ich trieb sie zu der erbärmlichen Fahnenflucht. 23. April 1945. Der Kreis um Berlin wurde stündlich enger. Die Propagandisten vom Rundfunk, der noch sendete, forderten die Hörer zum Ausharren und zur Abwehr auf und vertrösteten noch immer auf eine stündlich zu erwartende Befreiungstruppe, wiesen aber gleichzeitig darauf hin, daß noch eine Möglichkeit, über Spandau nach dem Westen zu entkommen, bestehe. Die unersetzlichen Bestände des Geheimen Staatsarchivs an Archivalien und Büchern waren zu ca. 80 Prozent verlagert und nach menschlichem Ermessen für das Archiv gerettet18, um am Ende des Krieges wieder zurückgeführt zu werden19. Die noch im Archiv verbliebenen Bestände waren sehr wertvoll, da es sich in der Hauptsache um Archivalien handelte, die die deutschen Ostgebiete und Branden-
17 Vgl. oben Anm. 10. Der Generaldirektor war am 21. April nicht mit der Reichsregierung nach Plön, ab 2. / 3. Mai nach Flensburg-Mürwik, versetzt worden, sondern erhielt seinen Dienstsitz nach vorübergehendem Aufenthalt in Eutin im Stadtarchiv Lübeck. 18 Vgl. Henning, 50 Jahre Geheimes Staatsarchiv in Berlin-Dahlem (wie Anm. 5), S. 169. 19 Vgl. Walter Nissen, Das Schicksal der ausgelagerten Bestände des Preußischen Geheimen Staats-Archivs und des Brandenburgisch-Preußischen Haus-Archivs und ihr heutiger Zustand, in: Archivalische Zschr. 49 (1954), S. 139 – 150.
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burg betrafen. Ich hielt es für erforderlich, alles daran zu setzen, um die Vernichtung dieser unersetzlichen Archivalien zu verhüten. Von den beim Archiv beschäftigten männlichen Personen waren in den kritischen Stunden niemand außer mir zur Stelle; es war daher für mich selbstverständliche Pflicht, auszuharren. Ich mußte darauf verzichten, zu Hause nach dem Rechten zu sehen; meine Frau mitsamt den paar Habseligkeiten mußte ich dem Schicksal überlassen. 24. April 1945. Die Kampfhandlungen wurden stündlich deutlicher vernehmbar. Flüchtende Männer, Frauen und Kinder zogen in Richtung der Innenstadt die Cäcilien-Allee20 entlang, dazwischen Fuhrparkkolonnen der Wehrmacht. Ab und zu waren Flieger zu hören. Das veranlaßte mich, die aufgestellten Wasserbehälter vorsorglich aufzufüllen, um im Bedarfsfalle Wasser bei der Hand zu haben. In den Diensträumen herrschte eine beklemmende Stille. Als letzten habe ich Herrn Dr. Lachmann das Archiv verlassen sehen. In diesen aufregenden Tagen bin ich keinem tapferen Parteigenossen mehr begegnet. In banger Erwartung der ungewissen Dinge harrend, die da kommen könnten, waren die schlaflosen Nächte besonders ungemütlich. In dem Luftschutzraum verbrachten die aus der näheren Umgebung (Villa und Zweifamilienhaus21) schutzsuchenden alleinstehenden Frauen und Kinder die Nächte. Die aus dem Radio kommenden Meldungen über das Verhalten der Russen gegenüber der Zivilbevölkerung waren nicht dazu angetan, besonders große Hoffnungen auf unsere „Befreier“ zu setzen. Während des Ersten Weltkrieges und auch noch danach war ich oft mit Russen in Berührung gekommen; ich war damals zu der Überzeugung gelangt, daß der Russe ein gutmütiger Mensch sei. Darauf habe ich vertraut; mein Vertrauen wurde jedoch erschreckend enttäuscht. Recht unangenehm wurde der Aufenthalt im Archiv dadurch, daß die Lebensmittel knapp wurden. Bei meinem Dienstantritt am Sonntag zur 355. Luftschutzwache hatte ich mich in Vorahnung der kommenden Ereignisse auf drei Tage mit Verpflegung versehen. Ein vorsorglich beschaffter Kartoffelvorrat mit Salz mußte alles Fehlende ersetzen. 25. April 1945. Noch vor Tagesbeginn zogen Mann und Roß und Wagen22 einer vernichteten einst so tapferen Wehrmacht, vermischt mit flüchtenden deutschen Zivilpersonen, in ununterbrochener Folge der Innenstadt zu. Auch im Archiv suchten verängstigte Flüchtlinge, in der Mehrzahl Frauen und Kinder, für kurze Zeit Unterkunft, um Atem für die weitere Flucht ins Ungewisse zu schöpfen. Die von den Frauen gegebenen Berichte ließen bange Zweifel an den ,Befreiern‘ aufkommen. Cäcilien-Allee (Cecilien-Allee), heute Pacelliallee. Gemeint ist die Villa des Generaldirektors der Preußischen Staatsarchive, Archivstraße 11, und das Zweifamilienhaus für Magaziner, Archivstraße 15. 22 Zitatanspielung auf ein Gedicht von Ferdinand August über das Ende des napoleonischen Rußlandfeldzugs 1812: „Mit Mann und Ross und Wagen, / so hat sie Gott geschlagen“; vgl. Du mein Vaterland. Eine Sammlung nationaler Dichtung […] von Albert Sergel, Reutlingen o. J., S. 127. 20 21
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Von der so oft im Radio Moskau in deutscher Sprache versprochenen Freundschaft gegenüber der Zivilbevölkerung war aus den verängstigten und verstörten Frauen wenig herauszuhören. Unsere bisher tapfer mit ausgehaltene Reinemachefrau, Fräulein Schuch, verließ in der Hoffnung, ihre Wohnung in Steglitz zu erreichen, als letzte das Archiv. Später erfuhr ich, daß es ihr gelungen war, wohlbehalten durchzukommen. Stündlich wurde es im Archiv ungemütlicher. Beim Versuch, einen Telefonanruf entgegenzunehmen, setzte Infanterie-Beschuß von der deutschen Flakbedienung gegenüber dem Haupteingang ein. Flieger tauchten auf und ließen ihre Bombenlast fallen. Acht Einschläge lagen hinter dem Magazin und in dem angrenzenden Garten-Grundstück. Auf meinen Vorschlag suchten Frauen und Kinder Schutz im Nordkeller vom Magazin. Unter den Schutzsuchenden war auch ein beherzter junger Mann. Wir zwei begaben uns auf Beobachtungsposten ins Verwaltungsgebäude. Eine gewisse Beruhigung war es für uns, als wir feststellten, daß die Flakbedienung noch an den Geschützen war. Bei einem Rundgang durch das Verwaltungsgebäude kamen wir auch ins obere Stockwerk der Bibliothek; vorsichtig hielten wir Ausschau. Die Flakbedienung muß uns wohl bemerkt haben und schickte eine Gewehrsalve als Morgengruß auf unseren Ausguck. Resultat: Dem jungen Mann wurde der Hut durchschossen; die Schützen hatten wohl Russen in uns vermutet. Der Mut meines jungen Begleiters war dahin, er ist auf Nimmerwiedersehen verschwunden. In der Buchbinderwerkstatt (seit dem Brandschaden am 23. / 24. August 1943 im Dachgeschoß23 befand sich die Werkstatt im Parterre, Nordflügel) angelangt, und im Begriff, mein Fahrrad in Sicherheit zu bringen, schlug die erste Granate in die Werkstatt ein und riß einen Zentralheizungskörper weg. Als sich der Kalkstaub verzogen hatte, stand ich einige Zentimeter tief im Wasser. Um zu verhindern, daß die immerhin 60 – 70 Kubikmeter Heizungswasser nicht alles überschwemmten, habe ich schnell einen Sandwall an der Tür zum Keller aufgeschüttet und die Wassermassen zur Tür heraus auf den Hof geleitet; danach habe ich den Haupthahn der Wasserleitung abgesperrt. Während dieser Tätigkeit setzte eine Beschießung durch unsere Flak auf das Archiv ein, die aber nur kurze Zeit dauerte24. Wie sich später ergab, war ein Teil von den an der Archivstraße im Bereich der Flak liegenden Häuser stark beschädigt worden. Während ei23 Brandbomben auf das Verwaltungsgebäude zerstörten vor allem die Restaurierungswerkstatt im Südflügel mit ihrem wertvollen Materiallager. 24 Diese Angaben kommentiert Bellée, Ausgang des GStA (wie Anm. 12), Sp. 28, der den Autor noch persönlich befragen konnte: „Freudenberg sah überall nach dem Rechten und war auch unablässig bemüht, sich über die Gesamtlage zu informieren. Daher ließ es sich nicht vermeiden, aus verschiedenen Fenstern Ausschau zu halten. Dabei wurde, ohne es zu ahnen, bei der dem Archiv gegenüber im Domänengelände aufgestellten und von sehr jugendlichen Helfern bedienten Flakbatterie die irreführende Auffassung hervorgerufen, als seien bereits Feinde in dem sonst für geräumt angesehenen Archivgebäude. In ihrer Angst richteten sie ihre Abwehr gegen das Gebäude und zerfetzten seine Fassade mit neun schweren Treffern aus der kurzen Entfernung. Dann floh die Besatzung“.
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ner Feuerpause kam ich auf einen Gang durch das Verwaltungsgebäude in das Zimmer des Direktors. Im Begriff, einen Blick aus dem Fenster zu tun, sauste eine Granate ins Zimmer. Vom Luftdruck zu Boden geworfen, konnte ich nach kurzer Zeit unverletzt das Zimmer verlassen; weitere Abschüsse habe ich nicht mehr gehört. Vom Benutzersaal aus konnte ich etwas später feststellen, daß die Flakbedienung die Geschütze verlassen hatte. Es war wohl der letzte Gruß von unserer Flak an das Archiv. Über vier Jahre waren wir Nachbarn, und hatten dadurch schon immer vorher, ehe die Sirenen ertönten, Kenntnis von der Annäherung feindlicher Flugzeuge und konnten schon immer vor Beginn des Fliegeralarms unsere Schutzmaßnahmen treffen. Meines Wissens sind drei Bombenflugzeuge von der Flak abgeschossen worden. Nachdem ich mich nochmals vergewissert hatte, daß die Flakgeschütze ohne Bedienung waren, ging ich zu den Frauen und Kindern in den Magazinkeller Nord. Alle waren in großer Unruhe. Nach der Ursache gefragt, zeigte mir Frau Nicol25 die Einschlagstelle einer Granate im äußersten Winkel im Keller Nord. Der Hinweis, daß die Flak nicht mehr schießen würde, brachte eine Beruhigung. Noch brannte Licht, auch das Radio brachte noch tröstende Meldungen vom bevorstehenden Entsatz Berlins. Meine Empfindung, daß die Russen jeden Augenblick kommen würden, teilte ich den Frauen mit und bat darum, möglichst ruhig zu bleiben. Auf dem Weg vom Keller zum Verwaltungsgebäude kamen mir die ersten schwerbewaffneten Russen entgegen26. Bevor ich mich von dem Schrecken erholt hatte, waren auch schon zwei Gewehrläufe auf mich gerichtet. Der Ruf: ,Stoi! Hände hoch!‘ klang nicht sehr freundlich. Es war 11 Uhr vormittags. Eine Handbewegung, die bedeuten sollte ‚Nicht schießen‘, wurde von den Russen auch so verstanden, denn sie ließen die Gewehre sinken. Ich ging auf sie zu und reichte ihnen die Hand, die auch zum Gruß genommen wurde. Unter Vorantritt mußte ich zurückgehen bis zu den Frauen. Die beiden Russen haben sich nur kurze Zeit aufgehalten; ohne jemanden zu belästigen, trabten sie wieder dem Ausgang zu. Auf halbem Wege trat eine recht peinliche Si25 Sophie Nicol, Frau des Magazinverwalters Johannes Nicol, der von 1928 bis 1945 als Magazinverwalter beim Geheimen Staatsarchiv und in gleicher Funktion von 1946 bis 1959 beim Staatlichen Archivlager Göttingen tätig war; vgl. GStA PK, I. HA Rep. 178 D Geheimes Staatsarchiv Personalakten, Nr. 3117. 26 In der Tat ist Dahlem am Mittwoch, 25. April 1945, eingenommen worden. Vgl. dazu verschiedene Schilderungen vom Russeneinmarsch in Dahlem: Preußisch Dienen und Genießen. Die Lebenszeiterzählung des Ministerialrats Dr. Herbert du Mesnil (1875 – 1947), bearb. von Jürgen Kloosterhuis, Köln u. a. 1998 (Veröff. aus den Archiven Preußischer Kulturbesitz, 21), S. 502 – 504 (Haus Vogelsang 4, Gemeindehaus St. Annen); Erna Saenger, Geöffnete Türen. Ich erlebte 100 Jahre, Berlin 1978, S. 361f. (Haus Falkenried 10); Eckart Henning, Das Harnack-Haus in Berlin-Dahlem (1929 – 1995), in: Fixpunkte. Wissenschaft in der Stadt und der Region (Festschr. Laitko), Berlin 1996, S. 209 – 234, hier S. 228 (Marianne Reinold, Ihnestraße 16 – 20). Für weitere Berichte vgl. Hans-Norbert Burkert / Klaus Matußek / Doris Oberschernitzki, Zerstört, besiegt, befreit. Der Kampf um Berlin bis zur Kapitulation 1945, Berlin 1985, S. 229 ff.
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tuation ein. Das Licht ging aus, und wir standen in dem dunklen Durchgang. Die Russen waren wohl ebenso erschrocken wie ich. Ein wenig beherzt und durch das anständige Verhalten der beiden ermutigt, ergriff ich sie an den Händen und führte sie ans Tageslicht. Die Russen waren scheinbar ebenso froh wie ich, als wir den dunklen Gang hinter uns hatten, denn jeder gab mir ein Päckchen Zigaretten. Nach einer flüchtigen Besichtigung der Räume im Verwaltungsgebäude zogen die beiden Russen wieder ab. Wieder im Keller Nord angekommen, suchte ich eine brauchbare Sicherung und konnte das Licht wieder in Gang bringen. Unsere verängstigten Frauen atmeten wie erlöst auf. Jede Furcht war gewichen; wir waren über das Verhalten der beiden Russen angenehm überrascht. Die von den Flüchtlingen und auch durch das Radio verbreiteten Berichte über Ausschreitungen der Russen wurden nicht geglaubt und auch nicht mehr gefürchtet. Alsbald sollten wir eines anderen belehrt werden. Ein wenig später kamen wieder zwei schwerbewaffnete Russen. Alle Anwesenden mußten aufstehen, niemand durfte sich vom Platz, den er gerade innehatte, entfernen. Die Aufforderung zu diesem Verhalten wurde in einem drohenden Ton und mit Gewehr im Anschlag erteilt. Es erfolgte nun eine systematische Ausplünderung: Uhren, Ringe und was sonst noch glitzerte, verschwand in den Taschen der Russen. Bevor ich an die Reihe kam, konnte ich meine Taschen- und Armbanduhr und auch den Trauring am hinteren Hosenträger befestigen und dadurch vor dem Zugriff der Russen bewahren. Es war allerdings nicht so ganz einfach, die Uhrimarder davon zu überzeugen, daß ich keine Wertgegenstände besaß. Nach der Ausplünderung erging an zwei Frauen die Aufforderung: ,Frau komm!‘ Lähmender Schrecken und eine ohnmächtige Wut ergriff alle Anwesenden. Angesichts der erhobenen Gewehre war jeder Widerstand aussichtslos. Um die Erregung noch zu steigern und die auf den Siedepunkt angelangte Empörung noch zu erhöhen, ging das Licht wieder aus und ist auch trotz aller Bemühungen nicht wieder in Gang gekommen. Die Stromzufuhr war endgültig unterbrochen. Die eben geschilderten häßlichen Vorgänge wiederholten sich bis gegen Abend laufend. Das Kommen und Gehen der Russen riß nicht mehr ab. Immer wieder der gleiche Vorgang: Ausplünderungsversuche und der Ruf ,Frau komm‘. Im Laufe des Nachmittags tauchte Herr Heßler27 auf, auch zwei Mann von der Forschungsabteilung28, die
27 Vgl. Henning / Wegeleben, GStA-Archivare II (wie Anm. 2), S. 167. Der 1916 geborene Dr. Wolfgang Heßler hatte 1943 die Staatsprüfung für das höhere Lehramt abgelegt und ist noch in Halle / S. promoviert worden. Nach einer ungefähr halbjährigen Tätigkeit am Institut zur Erforschung des Magdeburger Stadtrechts ist er am 1. Januar 1944 zum Staatsarchivreferendar ernannt worden und wurde ab 1. Dezember 1944 ans Institut für Archivwissenschaft beim GStA abgeordnet, wo er bis Ende April 1945 aushielt. 28 Seit März 1944 hatte die Abteilung 14 des Forschungsinstituts des Luftwaffenministeriums im Verwaltungsgebäude „Zuflucht gefunden“, nachdem ihre Dienststelle am heutigen Ernst Reuter-Platz ein Opfer der Bomben und im Februar ein entsprechender Vertrag abgeschlossen worden war. Damit war auch das Luftschutzpersonal vergrößert worden. Vgl. Bellée, Ausgang des GStA (wie Anm. 12), Sp. 28, jedoch mit irrtümlichen Monatsangaben.
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ihre Diensträume seit längerer Zeit im Archiv hatten. Die beiden Angestellten der Forschungsabteilung waren der Aufforderung, Berlin in Richtung Spandau zu verlassen, gefolgt. Nach vergeblichen Versuchen, zu entkommen, und tagelangem Umherirren in den Wäldern blieb ihnen kein anderer Ausweg, als das Archiv als Obdach zu benutzen. Übermüdet und ausgehungert kamen sie an ihrem Ausgangspunkt zurück. Ein wenig erleichtert und auch ermutigt durch den Zuwachs an Männern beschlossen wir nach einer übereinstimmenden Besprechung darauf zu achten, nach Möglichkeit die Frauen vor den russischen Bestien zu schützen. Wir beobachteten die Zugänge zum Archiv, um die Frauen bei sich nähernder Gefahr zu warnen. Das Magazin bot, da es dunkel war, gute Verstecke und wurde von den Russen anfangs nicht durchsucht. Am späten Nachmittag rückte eine Kolonne von ca. 60 schwerbewaffneten Russen mit motorisierten Fahrzeugen an, um die Nacht über im Archiv zu bleiben. Der Führer der Kolonne ordnete eine Durchsuchung aller Räumlichkeiten an. Alle anwesenden Zivilpersonen mußten im Luftschutzraum unter Bewachung verbleiben. Bei der Durchsuchung wurden in den Räumen, die von der Forschungsstelle benutzt worden waren, SS-, SA-Uniformen und ein Revolver mit Munition gefunden. Die Durchsuchung dauerte wohl eine Stunde und war nicht ohne Gewehrkolben und Beilhiebe vor sich gegangen. Verschlossene Türen und Schränke wurden kurzerhand eingeschlagen29. Nach der Durchsuchung mußten wir vier Männer nach der Koserstraße30. Unter starker Bewachung wurden wir an die Mauer, die eine mir lieb gewordene Arbeitsstätte umschloß, dirigiert. Uns gegenüber nahmen vier Russen mit Maschinenpistolen Aufstellung. Besonders wohl war uns gerade nicht beim Anblick der auf uns gerichteten Gewehrläufe. Ein russischer Offizier mit zwei Begleitern erschien und sagte uns in deutscher Sprache, daß er Kommissar sei und von uns wissen wolle, zu welchem Zweck wir die Munition und die Waffen versteckt hätten und wer von uns Träger der aufgefundenen Uniformen gewesen sei. Herr Heßler machte unseren Verteidiger und versuchte klarzustellen, daß wir Mitarbeiter des Historischen Archivs seien. Das Vorhandensein von Waffen und Munition und auch der Uniformen sei uns nicht bekannt, da die Räume, wo die Funde gemacht worden sind, von einer anderen Dienststelle benutzt wurden und niemand von dieser Stelle anwesend war. Die ganze Vernehmung ging nicht so schnell und leicht vonstatten, wie ich es hier niedergeschrieben habe; sie dauerte ca. eine Dreiviertelstunde. Mehrmals wurden 29 Dazu gehörte leider auch der auf Geheiß Otto Hintzes angefertigte Spezialschrank für die Acta Borussica, dessen untere Tür mit einem Gewehrkolben zerstört worden war. Dabei blieben seine für die Weiterführung der Edition unerläßlichen Akten erfreulicherweise unbeschädigt. Dort hat sie Ernst Posner bei einem Besuch im GStA (vor 1961) wiederentdeckt; vgl. Ernst Posner 1892 – 1980. Archivar in Deutschland und Amerika. Eine biographische Skizze, bearb. von Dagmar Giesecke, Potsdam 1997, S. 12. – Die demolierte Tür wurde in den 50er Jahren ersetzt, 1974 den anderen Schrankteilen farblich angepaßt und das gesamte Möbelstück 1996 gründlich restauriert. 30 Die Koserstraße hatte in der Kriegs- und ersten Nachkriegszeit einen etwas anderen Verlauf: sie reichte durchgängig vom heutigen Friedrich Meinecke-Institut der Freien Universität, der ehemaligen Veterinärpathologie, bis zum Postamt Dahlem.
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wir mit Erschießen bedroht, wenn sich bei einer späteren Nachprüfung Unwahrheiten ergäben. Der Kommissar begnügte sich mit den Angaben von Herrn Heßler nicht recht; einer nach dem anderen mußte diverse Fragen beantworten. Die beiden in Begleitung des Kommissars befindlichen Russen machten eifrig Notizen und verglichen Fragen und Antworten. Wie so manches im Leben ging auch dieses Verhör vorüber. Der Kommissar stellte sich am Ende der Vernehmung als Oberlehrer an einer Höheren Schule in Kiew vor. Wir erhielten die Erlaubnis, im Archiv zu verbleiben. Bevor wir weggeführt wurden, fragte ich den Kommissar, ob wir nicht etwas zu essen haben könnten; wir seien seit Sonntag im Archiv und konnten unsere Wohnungen nicht mehr erreichen. Seit 24 Stunden seien wir ohne jede Verpflegung und hätten gehörigen Hunger. Die mir darauf gegebene Antwort klang nicht sehr ermutigend und hörte sich ungefähr so an, daß die Russen für die Zerstörer ihres Landes nichts übrig hätten und wir dankbar sein müßten, wenn nicht alle Deutschen an die Wand gestellt und erschossen würden. Unter Bewachung wurden wir in den Luftschutzraum zurückgeführt und bedeutet, den Raum nicht zu verlassen. In der Zwischenzeit waren die Fahrzeuge auf dem Rasen vor dem Verwaltungsgebäude aufgefahren, noch immer schwirrten Flieger umher. Das veranlaßte die Russen, ihre Fahrzeuge zu tarnen. Zu diesem Zweck mußten eine Reihe bester junger Obstbäume herhalten, obwohl anderes Strauch- und Buschwerk genügend vorhanden war. Der Versuch, die Russen darauf hinzuweisen, wäre mir beinahe teuer zu stehen gekommen; ein schneller Sprung zur Seite rettete mich vor einem gut gezielten Beilwurf. Bei Anbruch der Dunkelheit versuchten wir, uns für die Nacht eine Schlafgelegenheit herzurichten. Es gelang uns bei gutem Willen und der großen Müdigkeit, für Frauen und Kinder und auch für uns Männer ein Plätzchen zu finden. Bevor wir uns verkrochen hatten, erschien der Kommissar und brachte für uns zwei Brote und zwei Büchsen Fleisch. Er übergab uns dieselben mit der Bemerkung: ,Dies zur Belohnung für Ihr tapferes Verhalten bei der Vernehmung.‘ Wir haben redlich geteilt; ausgehungert wie wir waren, ist nichts übrig geblieben. Es folgte trotz großer Ermüdung eine schlaflose Nacht; die Russen verursachten über uns einen derartigen Lärm, daß an Schlafen nicht zu denken war. Die nochmalige Durchsuchung der Räume wurde mit einer Gründlichkeit vorgenommen, daß nach deren Beendigung alle Behältnisse entleert waren, nur der Geldschrank hielt stand und konnte nicht geöffnet werden. Die Russen wußten sich zu helfen. Der schwere Schrank wurde kurzerhand umgestürzt und dann die Rückwand solange mit Maschinenpistolen beschossen, bis ein Loch entstand. Es war gegen 3 Uhr morgens, als endlich einige Ruhe eintrat. Während der Nacht wurden wir ca. zwölfmal aufgestöbert und nach Uhren und Wertgegenständen durchsucht. Auch die Frauen kamen nicht zur Ruhe; dabei wurden auch Kinder von 15 Jahren nicht verschont. Das viehische Verhalten der Russen mag das Ergebnis beleuchten, daß eine Frau 27mal in noch nicht 24 Stunden wehrlos der Aufforderung ,Frau komm‘ folgen mußte.
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26. April 1945. Bei Anbruch des neuen Tages wagte ich es, auf Strümpfen einen Blick in die Büroräume zu tun. In meinem Leben hatte ich so etwas von Chaos noch nicht gesehen. Überall lagen anscheinend schwer betrunkene Russen umher. Um das Malheur noch zu vergrößern, fehlte das Wasser für die Toiletten. Der Anblick war verheerend. Nicht nur die Toiletten boten einen nicht zu beschreibenden Anblick, auch die Zimmer waren als Toiletten benutzt worden. Auf den Korridoren lagen fest schlafend neben einem Häufchen verdautem Essen unsere ,kulturbringenden Befreier‘. Während des Ersten Weltkrieges haben unsere damaligen Gegner die deutschen Soldaten als Hunnen und Barbaren verschrieen. Ich habe den Ersten Weltkrieg als Infanterist vom August 1914 an mitgemacht. Bei einem Vergleich, den ich nach der ersten Begegnung mit den Russen im Archiv 1945 nach noch nicht 24stündiger Bekanntschaft gestellt habe, kann ich nur sagen, daß wir uns wie Engel gegenüber der Zivilbevölkerung benommen haben. Mir sind derartige Übergriffe, wie sie bei den Russen gebräuchlich sind, niemals bekannt geworden31. Ein Vorfall möge meine Behauptung bekräftigen. Auf dem Vormarsch 1914 in Belgien kamen wir durch das vollkommen zerstörte und von der Bevölkerung verlassene Städtchen Visé. Ein Soldat holte sich aus einem beschädigten Geschäft eine Uhr. Von der Feldgendarmerie wurde der Fall gesehen und zur Meldung gebracht. Das nach kurzer Zeit erfolgte Kriegsgerichtsurteil, das uns bekanntgegeben wurde, lautete auf sechs Monate Festung wegen Plünderung. Als alter Soldat war ich über die beobachtete Disziplinlosigkeit der russischen Soldaten den Vorgesetzten gegenüber sprachlos. Ich konnte beobachten, wie ein Vorgesetzter den Versuch machte, zwei besonders rabiate Rowdys zur Ordnung zu rufen. Dies ergab folgendes Resultat: Die Burschen richteten ihre Maschinenpistolen auf ihn und zwangen den Vorgesetzten, das Feld zu räumen. Unsere mißliche Lage hatte sich ein wenig gebessert. Wir durften zweimal am Tage an einer warmen Verpflegung bei den Russen teilnehmen. Da sich die Frauen versteckt halten mußten, haben wir redlich mit ihnen geteilt, ohne daß es von den Russen bemerkt wurde. Solange die Kolonne Russen im Verwaltungsgebäude war, herrschte bei Tage eine gewisse Ruhe. Die umherstrolchenden Russen kamen nicht ins Archiv. Die Frauen waren irgendwo sicher versteckt und wurden von den Unholden nicht gefunden. Vormittags bezog russische Artillerie auf dem Gutsgelände gegenüber dem Archiv Feuerstellung. Von hier aus begann die Beschießung von Steglitz und Friedenau. Circa 12 Stunden mußten wir die Beschießung unserer Heimstätte mit anhören; qualvolle Stunden, die nicht enden wollten. Immer wieder habe ich vom Magazin in Richtung Steglitz Ausschau gehalten und um das Schicksal meiner Frau und 31 Vgl. zur differenzierteren Betrachtung des Benehmens der Rotarmisten Anthony Read / David Fisher, Der Fall von Berlin, Berlin 1995, S. 629 ff.
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das bißchen Habe gebangt. Am Nachmittag kam als erster Archivangehöriger unser leider allzu früh verstorbener Archivrat Dr. Wentz ins Archiv, um zu sehen, was sich hier ereignet hatte32. Herr Dr. Wentz verließ nach kurzem Aufenthalt, erschüttert über so viel Zerstörung, die ihm liebgewordene Stätte seines bisherigen Wirkens. Beim Fortgang dankte er uns für unser treues Ausharren und äußerte die Hoffnung, daß wir mit vereinten Kräften alles wieder aufbauen werden. Gegen Abend zogen die Russen ab. Wir atmeten erleichtert auf, hofften wir doch, endlich Ruhe zu haben. Unsere Hoffnung wurde arg getäuscht. In Trupps zu zwei und drei Mann kamen die Russen, durchsuchten uns und sämtliche Räume. Es ergaben sich immer wieder kritische Situationen je nach dem Temperament der Soldaten, wenn keine Uhren oder andere Wertgegenstände gefunden wurden. Die Jagd auf Frauen wurde unvermindert fortgesetzt. Wir waren zuvor bemüht gewesen, die ärgsten Spuren der Einquartierung zu beseitigen, aber jede neue Durchsuchung verursachte das gleiche Chaos. Unsere beiden Gefährten von der Forschungsstelle hatten den Kanal voll und verschwanden auf Nimmerwiedersehen. Herrn Heßler versagten die Nerven den Dienst; auch er zog es vor, anderswo unterzutauchen. Mit Frau Hilse33 und Tochter blieb ich allein zurück. Frau Nicol34, Fräulein Dr. Kaiser35 und einige Frauen aus der näheren Umgebung hatten sich andere Unterkünfte gesucht. Solange der Tag währte, war es noch erträglich; gefährlich wurden die Nächte. Auch da riß der Zulauf und die Durchsuchung kaum vor 3 Uhr morgens ab. Selten hatten die Russen Taschenlampen. Um etwas sehen zu können, wurden Papierhäufchen gemacht und angesteckt. Keinem der Uhrimarder ist es eingefallen, irgendwelche Vorsicht walten zu lassen. Als ich die drohende Gefahr erkannte, ergriff ich als einziges Abwehrmittel zwei Wassereimer. Es galt nun möglichst unbemerkt die Russen zu beobachten, um hinterlassene Brandstellen zu löschen. Erst gegen Morgen konnte ich einige Stunden schlafen. Zum ersten Frühstück gab es Kartoffeln mit Salz. Dieses Frühstück war nicht so leicht und ohne weiteres fertig gemacht. Ein
32 Der durch seine Hanseforschungen und seine Arbeit für die Germania Sacra besonders verdiente Dr. Gottfried Wentz starb am 8. September 1945 als Kommissarischer Direktor des GStA (seit 18. Juli als Nachfolger von Dr. Georg Winter), vgl. Henning / Wegeleben, GStAArchivare II (wie Anm. 2), S. 177; sowie die Nachrufe auf ihn von Georg Winter, in: Der Archivar 1 (1947 / 48), Sp. 46, und von Johannes Bauermann, in: Hansische Geschichtsbl. 70 (1951), S. 105 – 107. 33 Frau des Hausmeisters Hilse. 34 Vgl. Anm. 25. 35 Die 1916 in Dresden geborene Archivangestellte Dr. Lisa Kaiser war seit 1. Dezember 1944 zugleich dem Institut für Archivwissenschaft beim Geheimen Staatsarchiv zur Ausbildung überwiesen worden und blieb bis 1947 als Wissenschaftliche Hilfsarbeiterin dort beschäftig. Vgl. Henning / Wegeleben, GStA-Archivare II (wie Anm. 2), S. 168.
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vorgefundener eiserner Ofen diente als Kochmaschine. Brauchbares Wasser mußte vom Nachbargrundstück (Tiergartenverwaltung) unter äußerster Vorsicht geholt werden. 27. April 1945. Fortsetzung meiner Tätigkeit vom Vortage. Mit Wassereimer bewaffnet, verfolgte ich möglichst unbemerkt die Beutejäger. Bald mußten Brandherde im Magazin, bald in der Villa gelöscht werden. Auch im Verwaltungsgebäude gab es oft in den dunklen Ecken Brandherde. Einige Male war ich den Russen wohl zu dicht auf den Fersen und wurde bemerkt. Meine Unvorsichtigkeit gab mir Gelegenheit, den Unterschied zwischen nüchternen und betrunkenen Angehörigen unserer Befreier kennenzulernen. Solange die Uhrijäger nüchtern waren, gelang es manchmal schon durch einige Handbewegungen und furchtloses Verhalten unbehelligt zu bleiben. Vorsichtig mußte ich sein, wenn Alkohol dem Mut auf die Sprünge geholfen hatte. Gefährlich wurden die Asiaten, wenn ihr Gang und ihre Bewegungen den Anschein erweckten, daß die Berliner Straßen nur im Zickzack begangen werden durften. Nur aus einiger Entfernung, und mit dem Blick auf eine schnell zu erreichende Deckung, durfte ich diesen Helden folgen. Die Schießprügel saßen dann immer schußbereit viel zu locker. Wehe den Frauen, die diesen Unholden über den Weg liefen. Die Berührung mit diesen Untieren in Menschengestalt hat mancher braven deutschen Frau und oft auch Mutter unversorgter Kinder das Leben gekostet. Am Nachmittag bin ich mit nicht geringem Schrecken noch recht knapp einer Entführung nach Rußland entgangen. Zwei russisch sprechende Zivilpersonen tauchten auf und sagten zu mir: ,Du Professor, Du mit nach Rußland‘. Nach vielem Kauderwelsch und Gestikulieren mit den Händen gelang es mir, den Irrtum aufzuklären. Dabei kam mir ein neugebundenes Buch, das ich in der Tasche hatte, zu Hilfe. Ich zeigte es den Russen und versuchte ihnen klarzumachen, daß Buchbinden mein „Rabotta“ sei. Sie hatten es wohl begriffen, ließen mich in Ruhe und zogen wieder ab. In der vergangenen Nacht war es mir möglich gewesen, einige Stunden ungestört schlafen zu können. Nach 11 Uhr abends habe ich keinen Russen mehr bemerkt. Übermüdung und bisher durchgemachte Aufregungen könnten auch einen so festen Schlaf verursacht haben, daß ich das Kommen und Gehen der Russen nicht gehört habe. Der Tag brachte insofern eine kleine Aufmunterung zum Ausharren, als ich nicht mehr allein war. Unser Mitarbeiter Kamin36 kehrte als abgekämpfter Volkssturmmann ins Archiv zurück und berichtete, daß Friedenau und Steglitz nicht allzu sehr gelitten hätten. Auch Herr Choinsky37 hatte sich wieder eingefunden; beide waren derart abgekämpft und ausgehungert, daß auf irgendeine Hilfe bei eintretender Ge36 Hermann Cammin, seit 1942 beim Geheimen Staatsarchiv als Amtsgehilfe tätig; vgl. GStA PK, I. HA Rep. 178 D Geheimes Staatsarchiv Personalakten, Nr. 2952. 37 Walter Choinsky, zunächst beim Staatsarchiv Breslau, seit 1945 beim Geheimen Staatsarchiv, und seit 1949 beim Staatsarchiv Münster als Verwaltungssekretär tätig; vgl. GStA PK, I. HA Rep. 178 D Geheimes Staatsarchiv Personalakten, Nr. 2954.
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fahr kaum zu rechnen war. Im Laufe des Nachmittags kam auch Herr Heßler neu gestärkt zurück. Der Tag verlief schon etwas ruhiger. Der Strom der Uhrimarder ließ nach; es waren ja auch keine mehr zu holen. Nebenbei möchte ich bemerken, daß meine Uhren noch immer am Hosenträger meiner Hinterwand baumelten. Die Russen begannen nun mit der systematischen Ausplünderung der Diensträume. Manchmal gelang es uns mit vereinten Kräften und energischem Auftreten, das Wort ,Kommissar‘ war uns dabei besonders behilflich, ihnen ein und das andere Stück wieder abzujagen. Zu vieren fühlten wir uns den einzelnen Russen gegenüber stark. Auch hatten wir herausgefunden, daß energisches Entgegentreten manchmal zum Erfolg führte. Heute versuchten wir das erste Mal abwechselnd das Archiv zu verlassen, um etwas für den leeren Magen zu beschaffen. Auf dem Gutshof war eine Feldküche aufgestellt, die von Russen bedient wurde. Leider kamen wir schlecht an, denn Männer bekamen grundsätzlich nichts. Vom aufgestellten Posten wurden wir mit erhobenem Gewehr verjagt. Aus den Dahlemer Geschäften war auch für Geld und gute Worte nichts zu haben. Geld hatte anscheinend jeden Wert verloren. Wer Lust und Neigung dazu hatte, konnte auf den Straßen alle möglichen Geldscheine einsammeln. Ob die Geldscheine von den Russen oder Deutschen fortgeworfen wurden, konnte ich nicht feststellen. Hungrig wie wir gegangen waren, kamen wir einer nach dem anderen wieder zurück. Wir mußten weiterhin mit Kartoffeln und Salz zufrieden sein. Der Ernst unserer bedrängten Lage ließ uns nicht froh werden. Dazu kam die Sorge um liebe Angehörige, die unzureichende Verpflegung. Das Fehlen einwandfreien Wassers machte sich besonders bemerkbar. Das der Pumpe auf dem Grundstück der Tiergartenverwaltung38 entnommene Wasser erschien mir nicht besonders einwandfrei zu sein; es war trübe und unklar. Den betrunkenen Russen, die ich des öfteren wie eine Hammelherde zur Tränke an die Pumpe führte, ist der unhygienische Anblick des Wassers nicht aufgefallen. Die vorherrschende gedrückte Stimmung ließ sich nicht fortreden. Solange die großen Aufregungen anhielten, waren wir uns nicht so recht klar über unsere Lage geworden. Da sich nun aber der Hunger ernstlich bemerkbar machte und nicht einmal brauchbares Wasser vorhanden war, sank der Mut zu weiterem Ausharren bei meinen Leidensgefährten auf den Nullpunkt. Der Hinweis, daß wir die wertvollen Archivalien und das Archiv nicht ohne jede Bewachung den umherstrolchenden Russen preisgeben könnten, wurde anerkannt. Ich hegte die Hoffnung, daß doch recht bald die in der Nähe wohnenden Mitarbeiter zu unserer Ablösung kommen würden. Meine Hoffnung setzte ich vor allem auf unsere wissenschaftlichen Beamten, von denen ich ganz besonders erwartete, daß ihnen das Archiv etwas bedeute. Als wir uns das zerstörte Verwaltungsgebäude und die Nachbarhäuser in der Archivstraße ansahen, fiel mir eine Rede Hitlers ein, die er vor den von seiner Gnade 38 Es handelt sich um ein Versuchsfeld der Staatlichen Tiergartenverwaltung (hinter Archivstraße 11), das heute von der Biologischen Bundesanstalt genutzt wird.
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lebenden Volksvertretern in der Krolloper gehalten hat. ,Deutsche Männer und Frauen! Gebt mir fünf Jahre Zeit und ihr werdet Berlin nicht wiedererkennen.‘ Zum großen Schaden aller Deutschen hat er recht behalten, aber nicht in dem Sinne, wie seine Worte von seinen Zuhörern aufgefaßt wurden. Berlin, einst auch von ausländischen Besuchern als sauberste Stadt des Kontinents anerkannt, hat Hitler in ein Trümmerfeld verwandeln lassen. 28. April 1945. Mein Vorhaben, an diesem Tage nach Hause zu gehen, mußte ich einstweilen aufgeben. Die Russen hatten anscheinend Nachschub erhalten oder aber besonders geschulte Marodeure auf die Zivilbevölkerung losgelassen. Schon früh setzte ein Zustrom von Plünderern ein. Die uns schon sattsam bekannten Rufe ‚Uhri Uhri‘ und ,Frau komm‘ versetzten uns aufs neue in Angst und Schrecken. Zum Glück hatten die bisher tapfer mit durchgehaltenen Frauen, die besonders schwer den Niedergang der Diktatur zu spüren bekamen und wehrlos jede willkürliche Erniedrigung über sich ergehen lassen mußten, sichere Verstecke gefunden und wurden von den Bestien nicht entdeckt. Bei allen bisher vorangegangenen Durchsuchungen war die Buchbinderwerkstatt verschont geblieben. Ich hatte die Spuren von dem Einschlag der Granaten nicht beseitigt, so daß die Werkstatt einen zerstörten Eindruck machte und von den Russen nicht näher besichtigt wurde. Die heute angekommene Sorte mußte wohl eine besondere Freude am Vernichten gehabt haben. Die Beschneidemaschine wurde von ihnen entdeckt und an meinem Arbeitsplatz vorgefundene Bücher und Repertorien in die Kreuz und Quere zerschnitten. In der Bildstelle vorgefundene Filme, teils belichtet, teils unbelichtet, wurden in der ganzen Länge (50 m) sinnlos durch das Verwaltungsgebäude und die Archivstraße entlang aufgerollt und dadurch wertlos gemacht. Tatenlos mußten wir alle diese und andere Zerstörungen mit ansehen und Gott danken, daß wir von diesen Mordbrennern nicht über den Haufen geschossen wurden. Gegen 9 Uhr vormittags setzte eine Beschießung des Archivs mit Infanteriewaffen aus der Richtung vom Winkel her ein. Wir konnten den Luftschutzraum nicht verlassen. Auch die Fliegertätigkeit lebte noch einmal auf, aber Bomben wurden nicht geworfen. Was wir für überwunden angenommen hatten, erlebten wir noch einmal; wir empfanden es besonders unangenehm, da wir nicht voraussehen konnten, was darauf folgen würde. Es erfolgte Gott sei Dank nichts. Gegen 2 Uhr trat wie auf Kommando völlige Ruhe ein. Umherstrolchende Russen kamen nur selten und zogen auch immer sehr bald wieder ab. Unsere Lebensmittel waren nun vollkommen aufgebraucht. Herr Choinsky war schon völlig mutlos und behauptete, nicht mehr länger aushalten zu können. Ich machte nun den Vorschlag, daß Herr Heßler, Herr Kamin und unser halbverhungerter Herr Choinsky doch noch bis Sonntag früh aushalten möchten und nicht in letzter Minute die Flinte ins Korn werfen sollten. Ich wies darauf hin, daß wir es nicht verantworten könnten, wenn durch unsere Fahnenflucht alles noch vorhandene Archivmaterial vernichtet und verbrannt würde; auch hatte ich noch die Hoffnung, daß nun recht bald einige unserer Mitarbeiter kommen würden, um uns abzulösen und jede weitere Vernichtung zu verhüten.
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Wir kamen überein, daß ich versuchen sollte, nach Steglitz durchzukommen, um von [zu] Hause Verpflegung zu holen. Meine drei Leidensgefährten waren bereit, bis Sonntag Vormittag auf mich zu warten und darauf zu achten, daß nicht noch mehr vernichtet würde. Mit dem Rade konnte ich leider nicht fahren; es war von dem Granateinschlag so stark beschädigt worden, daß es nicht einmal die Russen genommen haben, obwohl es von mir mehrmals als Wertgegenstand angeboten wurde. Für den Heimweg wählte ich die Königin-Luise- / Grunewaldstraße. Vor dem Botanischen Garten sah ich die ersten gefallenen Volkssturmmänner am Straßenrand liegen. Je näher ich nach Steglitz kam, umso erschreckender war der Anblick. Volkssturmmänner, Russen und Frauenleichen lagen an den Straßenrändern. Erst jetzt kam mir voll zum Bewußtsein, daß ich meine Frau39 allein gelassen hatte und nicht bei der jeder Frau drohenden Gefahr zu Hause war. Bevor ich die Bergstraße erreichen konnte, mußte ich dauernd Deckung suchen und von Haus zu Haus weiter schleichen. Im und um den Steglitzer Stadtpark waren die Kämpfe noch nicht beendet. Gewehrkugeln peitschten noch immer durch die Gegend; es war nicht ganz ungefährlich, meine Wohnung40 zu erreichen. Zu Hause fand ich alles unbeschädigt und in bester Ordnung vor; ich atmete erleichtert auf. Kein russischer Soldat hatte unsere Wohnung betreten. Zwei verängstigte Frauen hatten bei meiner Frau Unterkunft gesucht; sie waren vor verfolgenden Russen geflüchtet. Nach der ersten freudigen Begrüßung sagte ich meiner Frau, daß ich Sonntag früh wieder nach Dahlem müßte, um meine drei Leidensgefährten, die nun schon mehrere Tage keine richtige Mahlzeit hatten, Verpflegung zu bringen. Kaum hatte ich das erste Mal seit Sonntag den 22. April ein anständig zubereitetes warmes Abendbrot gegessen, als es an der Tür klopfte. Beim Öffnen standen mir zwei Russen gegenüber. Ihr Verlangen war das gleiche und uns allen bekannte ,Uhri Uhri‘ und ,Frau komm‘. Meine bisher bewahrte Geduld und Ruhe ging in die Brüche; ohne die eventuellen Folgen zu bedenken, platzte mir der Kragen. Ein barscher energischer Kommandoton verbunden mit abwehrenden Gesten veranlaßte die Russen zur Umkehr; wir blieben unbehelligt. 29. April 1945. Sonntag früh machte ich mich mit Verpflegung versehen auf denselben Weg, den ich Sonnabend gegangen war, um das Archiv wieder zu erreichen. Die Zerstörungen waren noch größer geworden; der größte Teil der Straßenbahnoberleitungen lag auf der Straße. Zwei auf Motorrädern an mir vorbeijagende Russen verfingen sich darin und stürzten so schwer, daß sie tot liegen blieben. Zum Glück war die Straße menschenleer; ich konnte schnell und ungehindert fortkommen. Vom Botanischen Garten aus, wo noch immer die gefallenen Volkssturmmänner lagen, sah ich in der Richtung des Archivs starke Rauchwolken. Nichts Gutes ahnend und von Angst und Sorge getrieben erreichte ich das Archiv. Mein Bemühen, die vorhan39 40
Berta Freudenberg, geb. Tessmer. Bergstraße 3, Berlin-Steglitz.
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denen Bestände an Archivalien zu retten und die weitere Zerstörung der noch erhalten gebliebenen Gebäude zu vermeiden, war vergeblich gewesen. Übermüdung, Hunger und die ausgestandenen Aufregungen haben wohl die Wachsamkeit meiner drei Mitarbeiter gelähmt. Die Russen hatten das Magazin in den frühen Morgenstunden bei der Jagd nach Beute in Brand gesteckt. Meine beiden Abwehrgeschütze (Wassereimer) standen verwaist vor dem Eingang zum Luftschutzraum. Leider konnte nur ein kleiner Teil vom Magazin Nord durch Schließen der eisernen Türen vor einer völligen Vernichtung bewahrt werden. Wieweit das Preußische Geheime Staatsarchiv in der Zeit vom 1. September 1939 bis zum 29. April 1945 zerstört worden ist41, zeigen von mir gemachte fotografische Aufnahmen, die in einer Mappe unter der Signatur 1 M 77 in der Bibliothek aufbewahrt werden.42 Nachtrag. Angesichts der Trümmer und der Vernichtung unersetzlicher Werte, insbesondere für das Archiv der Verlust an nie wieder zu beschaffenden Archivalien, verursacht durch das Naziregime, war es für mich ein Schlag ins Gesicht und mir unbegreiflich, als bei der ersten Begegnung nach dem Zusammenbruch unser damals ältester wissenschaftlicher Beamter sagte: ,Die Idee des Nationalsozialismus war doch eine sehr gute.‘43 Beim Anblick des brennenden Magazins war ich, obwohl erst elf Jahre am Archiv beschäftigt, über den Verlust der restlichen Archivalien und die Vernichtung des Magazins von einem lähmenden Schrecken ergriffen. Für mich war und ist es unbegreiflich, daß ein Wissenschaftler beim Anblick der Vernichtung seines Lebenswerkes noch den Urhebern der Vernichtung Anerkennung zollen konnte. Die lobende Anerkennung des Naziregimes angesichts der verheerenden Folgen für das deutsche Volk, ausgesprochen von einem Beamten, der bisher von uns Arbeitern als Vorbild hoch geachtet worden war, ließ ihn jeden Kredit einbüßen und löste bei den Arbeitern ein Signal zur größten Vorsicht aus. Unsere Hoff-
41 Die schlimmsten Zerstörungen vor dem 28. / 29. April 1945 hatten Luftangriffe am 29. Dezember 1943 bewirkt. Die erste Sprengbombe beschädigte die Außenmauer des Magazins, durchschlug mehrere Decken und zerstörte Regale. Beim zweiten wenig später erfolgenden Luftangriff riß eine Bombe das Magazindach des Mitteltraktes auf, ließ Außenwände einstürzen und zerschlug wiederum Decken bis in den Keller. Akten konnten noch aus freischwebenden Regalen geborgen werden, doch waren die meisten längst ausgelagert, so dass sich die Verluste in Grenzen hielten. 42 Freudenbergs Fotoalbum wurde 1974 in die Bildersammlung des GStA überführt (GstA PK, IX. HA Bilder, Nr. IV 18) und die angegebene Bibliotheks-Signatur anders belegt. 43 Diese Äußerung paßt wenig zu Dr. Reinhard Lüdicke (Jahrgang 1878), dem damals „ältesten wissenschaftlichen Beamten“ am Geheimen Staatsarchiv, „schmerzte es“ doch den früheren Generaldirektor Dr. Ernst Zipfel noch in einem Schreiben vom 13. Oktober 1945 an den (damals bereits verstorbenen Dr. Wentz), dass „Herr Brennecke und Herr Lüdicke trotz vieler Bemühungen meinerseits nicht mitgingen – die einzigen Fälle in ganz Deutschland“. Vgl. Im Kampf um Berlin (wie Anm. 1), S. 5; dazu vgl. GStA PK, I. HA Rep. 178 D Geheimes Staatsarchiv Personalakten, Nr. 274. Wahrscheinlicher ist es, dass Freudenberg mit der wiedergegebenen Äußerung seinen Chef (bis 15. Juni 1945) Dr. Erich Randt (Jahrgang 1887), einen überzeugten Nationalsozialisten, meinte.
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nung, in den kritischen Tagen des April auf ein Interesse von dieser Seite zu warten, entpuppte sich durch diese Äußerung als Trugschluß. Die herrschende Unsicherheit war auch in den ersten Maiwochen nicht abgeklungen. Es vergingen Tage und Wochen, bevor sich der übriggebliebene Teil unserer Mitarbeiter wieder zusammenfand. Alle Aufbauwilligen machten sich mit vereinten Kräften an die Beseitigung der Schuttmassen und wieder waren es unsere tapferen Frauen, die Wochen hindurch die Schippe zur Hand nahmen. Bewunderungswürdig unsere körperlich schwächste Stenotypistin; von früh bis abends war sie mit mir dabei, die Schuttberge aus den oberen Stockwerken heraus zu schaffen, eine Arbeit, der mancher starke Mann aus dem Wege ging. Von den Russen wurde die Ausplünderung des Archivs fortgesetzt. Lastwagen wurden mit allen zur Forschungsstelle gehörenden Materialien beladen und abgefahren. Alle erreichbaren Werte, ob Schreibmaschinen, Teppiche, Werkmaschinen und Bürobedarf, nichts war wertlos genug, um es liegen zu lassen. Selbst unsere fest eingebaute Telefonanlage wurde gewaltsam entfernt. Die Buchbinderei-Maschinen entgingen dem Abtransport dadurch, daß ich allerhand Gerümpel um die Maschinen aufgetürmt hatte. Eine erträgliche Ruhe trat erst ein, als die Amerikaner nach Berlin kamen und das Weiterbestehen des Archivs als solches beschlossen wurde. Alle ehemaligen Parteigenossen durften nicht wieder beschäftigt werden. Unsere Stamm-Mannschaft schmolz dadurch stark zusammen, denn der überwiegende Teil der am Archiv beschäftigten gehörte der Partei an. Ein unersetzlicher Verlust traf uns beim Wiederaufbau. Ein uns allen als aufrechter Demokrat bekannter, gerecht urteilender, mit hervorragenden Kenntnissen begabter wissenschaftlicher Mitarbeiter starb unerwartet. Herr Archivrat Dr. Wentz44 hat sich durch sein nachahmenswertes Verhalten, auch bei schwersten Luftangriffen und sonstigen Notständen, als wahrer Kamerad allen seinen Mitarbeitern gegenüber bewährt. Es gab für ihn keinen Unterschied in der Tätigkeit oder gar Entlohnung des einzelnen. Ein immerwährendes Gedenken wird bei allen denen, die ihn kannten, bestehen bleiben; der unersetzliche Verlust wird aufrichtig bedauert. Ein wahrheitstreuer Bericht muß auch die von den amerikanischen Soldaten begangenen Übergriffe erwähnen. Der Leiter unseres Archivs, Herr Dr. Wendland45, wurde abends von amerikanischen Soldaten übel zugerichtet, als es ihm nicht möglich war, das Verlangen nach Alkohol zu befriedigen. In den Verkehrsstraßen konnte wiederholt beobachtet werden, daß manche Schaufensterscheibe, die noch heilgeblieben war, mutwillig eingeschlagen worden ist. Kaum zwei Monate waren vergangen, seitdem das von vielen Millionen Deutschen verhaßte System beseitigt war, als die Russen mit gleichen verführerischen Versprechungen ein neues erdacht hatten. Allen tätigen Deutschen wurde der Bei44 45
Vgl. Anm. 32. Vgl. Anm. 15.
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tritt zu einer freien deutschen Gewerkschaft angeraten. Bedauerlicherweise wurde die sich dahinter verbergende Gefahr einer neuen Versklavung nicht erkannt. Von unseren z. Z. beschäftigten Mitarbeitern fielen von 22 zwanzig auf den Schwindel herein. Die Vernebelung war so groß, daß ich, was nicht einmal während der Nazizeit vorgekommen war, vom Betriebsrat mit Entlassung bedroht wurde, wenn ich mich weiterhin weigerte, einen von mir bezahlten Vormund zu halten. Die Drohung konnte mich nicht beirren; der dem deutschen Volk von den Russen gegebene Anschauungsunterricht genügte mir vollkommen; ich vermutete nichts Gutes in allem, was vom Kommunismus kam. Bis Mitte September war für die vom April abgeleistete Arbeit keine Entlohnung erfolgt. Die noch vorhandenen Spargroschen waren nahezu aufgebraucht, kaum war es noch möglich, die völlig unzureichend zugeteilten Lebensmittel zu bezahlen. Die Beiträge zur neuen Versklavung – für eine unter falscher Flagge segelnde Gewerkschaft – sollten aufgebracht werden. Solange das warme Sommerwetter anhielt, wurden die starken Beschädigungen am Verwaltungsgebäude nicht voll wahrgenommen. Anders wurde es, als der Herbst mit kalten Winden und Regenfällen seinen Einzug hielt. Selbst für die dringendsten Reparaturen waren keine Handwerker zu haben. Wir mußten versuchen, nach bestem Können und mit unzureichendem Material die größten Löcher zu stopfen. Ein besonders schwieriges Kapitel war das zu 80 Prozent beschädigte Dach. Das Regenwasser mußte auch aus den unteren Räumen mittels Schippe und Eimer entfernt werden. Die Unmöglichkeit dieses Zustands erkennend, fühlte ich mich kurz entschlossen veranlaßt, ohne Auftrag, ohne Widerspruch, aber auch ohne jede Hilfe das Dach dicht zu machen. Nach vier Wochen angestrengter, mir völlig ungewohnter Arbeit, hatte ich Stein bei Stein gefügt und die fehlenden von unten heraufgetragen; das Dach des Verwaltungsgebäudes und das der Villa waren wieder dicht; das Regenwasser konnte die Schreibtische der Angestellten nicht mehr erreichen. Eine Anerkennung meines selbstlosen Verhaltens währen der kritischen Tage und der folgenden Wochen sollte nicht ausbleiben. Der Untergang des Tausendjährigen Reiches hatte alles in Unordnung gebracht und auch die Hausbrandversorgung lahmgelegt. Viele alte Leute sind in ihren Wohnungen erfroren aufgefunden worden. Vorsorglich hatten meine Frau und ich im Sommer Stubben aus dem Grunewald geholt, um wenigstens abends, nachdem der Dienst in den kalten Arbeitsräumen beendet war, eine warme Stube zu haben. Eines nachmittags hatte ich es gewagt, vor Eintritt der Dunkelheit 20 Minuten Dienstzeit zu benutzen, etwas Stubbenholz klein zu machen. Oh weh, welches Verbrechen! Wie durfte ich es wagen, ohne Erlaubnis kostbare Arbeitszeit für meine privaten Zwecke zu verwenden! Eine Strafpredigt mit dem Hinweis, daß Pflichtvergessenheit ein Grund zur Entlassung sei, mußte ich schuldbewußt und widerspruchslos hinnehmen. Siebenmal 24 Stunden freiwilliger Dienst, verbunden mit Entbehrungen an Schlaf und Verpflegung, des öfteren unter Einsatz des Lebens, wogen die 20 Minuten versäumter Arbeitszeit nicht auf. Die starke, führende Hand, die wir in den kritischen Apriltagen so gern wahrgenommen hätten, war wieder zur Stelle. Die mir zuteil gewordene Verwarnung habe ich als
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Quittung für mein Verhalten in den Apriltagen 1945 stillschweigend hingenommen und mir meine eigenen Gedanken über Demokratie und Diktatorenregime gemacht. Die niedergeschriebenen, für das deutsche Volk so traurigen Ereignisse, möchte ich nicht ohne Mahnung an die nachkommenden Generationen beschließen: Seid stark bei der Abwehr jeder Diktatur. Geht aufrecht und ohne Zagen durchs Leben. Vermeidet jedes Kriechertum. Tut selbstlos Eure Pflicht. Seid Helfer in der Not allen Mitmenschen. Erwartet niemals eine Anerkennung. Paul Freudenberg“ *** In den Tagen des Zusammenbruchs amtierte nominell noch der am 16. Oktober 1944 zum Direktor des Preußischen Geheimen Staatsarchivs ernannte Dr. Erich Randt (Spitzname „der Turm“), dessen Personal bereits durch Einberufungen zum „letzten Aufgebot“ stark dezimiert gewesen ist. Dr. Lüdicke berichtete noch über einen Dienstbesuch am 21. April im Geheimen Staatsarchiv, als er sich – „von 1 / 11 – 2 beurlaubt“ – dort zum Volkssturm „abmelden“ wollte und seinen ebenfalls einberufenen Direktor Dr. Randt und seinen Kollegen Dr. Gottfried Wentz schon nicht mehr antraf. Dienst tat dort noch Dr. Lachmann, wie Freudenberg bezeugt, um dann aber nach dessen Fortgang höhnisch zu konstatieren: „in diesen aufregenden Tagen bin ich keinem tapferen Parteigenossen mehr begegnet“; schon vorher hatte er über „alle unsere sonst in ruhigen Tagen so tapferen Parteigenossen“ gespottet, von denen er nicht ohne Überheblichkeit meinte, „Ihr eigenes bißchen Ich trieb sie zu der erbärmlichen Fahnenflucht“. Demgegenüber unterstrich Freudenberg gern selbstgefällig seine eigene Rolle, wenn er feststellt: „von den beim Archiv beschäftigen männlichen Personen waren in den kritischen Stunden niemand außer mir zur Stelle“. Abgesehen davon, dass dies auch nach seinen eigenen Aufzeichnungen nicht ganz stimmt, da ihm nach Dr. Lachmanns Rückzug, der immerhin noch vom 21. bis 24. April im Archiv Dienst tat, auch der Archivreferendar Dr. Wolfgang Heßler noch tagelang zur Seite stand (25. bis 28. April) und Archivrat Dr. Wentz am 26. April dem Geheimen Staatsarchiv einen Kontrollbesuch abstattete, vermißt man doch etwas Verständnis für alle diejenigen, die ihre Familien bedroht sahen, ihnen Schutz bieten und ihre Habe vor Plünderern retten wollten – ein Ziel, das Freudenberg offenbar bereitwillig dem Wohl der Akten unterordnete: „Ich hielt es für erforderlich, alles daran zu setzen, um die Vernichtung dieser unersetzlichen Archivalien zu verhüten“. Darüber vergaß er zeitweise selbst die eigene Frau und seine Steglitzer Wohnung, die er erst am 28. / 29. April aufsuchte und unversehrt fand. Allerdings geschah es tragischerweise gerade während dieser kurzen Abwesenheit Freudenbergs, dass Plünderer im dunklen Südmagazin des Geheimen Staatsarchivs Feuer legten, das erst an den Türen des Nordmagazins zum Stillstand zu bringen und zu löschen war. Damit war ein Teil der schutzwürdigen Archivalien vernichtet, doch „zurückgeblieben waren hauptsächlich die zur Versendung ungeeigneten Teile: Journale, Kassenbücher, Teile der Siegelsammlung und eine Reihe von unpa-
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ketierten Beständen meist des [Brandenburgischen] Provinzialarchivs, Karteien, ferner der größte Teil der Kartensammlung“46. Wie sind Freudenbergs Schilderungen zu bewerten, wie authentisch sind sie? Er selber spricht beteuernd von seinem „wahrheitsgetreuen Bericht“, was sich wegen weithin fehlender Vergleichsquellen kaum widerlegen läßt, jedenfalls wirkt er so wirklichkeitsnah bzw. so detailgetreu, dass man ihm wohl Glauben schenken kann. Was allerdings seine eigene Retterrolle anbelangt, so führt offenbar die mangelnde Anerkennung („mein Bericht […] wurde nicht geglaubt“) und die Rüge fürs Stubbenspalten zu einer gewissen Übertreibung. Die Behauptung, dass er selbst in vier Wochen das riesige Dach des Verwaltungsgebäudes und das der Villa auf dem Archivgelände gedeckt habe, geht zu weit. Aus den Aufzeichnungen Dr. Lüdickes, der sich am Nachmittag des 3. Mai wieder im Geheimen Staatsarchiv einfand, um seinen Dienst wieder aufzunehmen, wissen wir, dass der alte Herr bald selbst an den Dachdeckerarbeiten beteiligt war wie andere auch. Doch weniger Freudenbergs Übertreibungen, die man für „berlinisch“ halten könnte, oder seine Pauschalurteile über Nazis und Russen stören ebenso wie seine Überheblichkeit, die sich u. a. in der Beurteilung seiner Vorgesetzten zeigt: „Meine Hoffnung setzte ich vor allem auf unsere wissenschaftlichen Beamten, von denen ich ganz besonders erwartete, daß ihnen das Archiv etwas bedeutete“. Selbstgefällig, wenn auch politisch richtig wirkt auch seine Kritik an ihrer „unverzeihlichen Gläubigkeit an die Diktatoren“, ferner sein Schlußappell an die Leser „mit der Moral von der Geschicht“, die weniger besserwisserisch vorgetragen überzeugender wirken könnte. Trotzdem ist Freudenbergs Bericht, der leider preußisches Pflichtgefühl ganz unpreußisch hervorhebt, mehr als der Ausdruck von menschlichen Schwächen; seine Mitteilungen über die traurigsten Tage „seines“ Archivs sind zu wichtig, um weiter unbeachtet zu bleiben, nur weil das hohe Lied der Dienstauffassung des Autors bisweilen eher hohl klingt und somit einer uneingeschränkt positiven Bewertung dieser Quelle im Wege steht. Dr. Randt hatte seine Einberufung zum Kampf um Berlin überlebt. Vom Zehlendorfer Bürgermeister auch während der Besatzungszeit mit der Weiterführung der Geschäfte im verwüsteten Dahlem47 beauftragt, leitete er umsichtig den Wiederaufbau des Preußischen Geheimen Staatsarchivs; er galt bei allen, die ihn kannten, als ein ruheloser, strenger Chef von großer Zielstrebigkeit mit überragenden organisatorischen Fähigkeiten und einer kaum erlahmenden Arbeitskraft. Er musste jedoch am 15. Juni 1945 sein Amt wegen seiner Parteizugehörigkeit aufgeben, um dann im Zuge einer Erfassung aller arbeitsfähigen Berliner als Bauarbeiter dem Sondereinsatz ehemaliger Parteimitglieder zugewiesen zu werden48. Nach Randt übernahm der nicht weniger durchsetzungsfähige, spätere Gründungspräsident des Bundesarchivs, Dr. Georg Winter, vom 16. Juni bis zum 18. Juli 1945 die Kommissarische Bellée, Ausgang des GStA (wie Anm. 12), Sp. 28. Vgl. Margret Boveri, Tage des Überlebens. Berlin 1945, München 1968, bes. zum 4. / 5. Mai 1945. 48 Vgl. Bruchmanns Nachruf auf Erich Randt (wie Anm. 11). 46 47
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Leitung des Preußischen Geheimen Staatsarchivs, die er freilich ebenfalls aus politischen Gründen – war er doch u. a. in der Ukraine einer der engsten Mitarbeiter49 des abgesetzten Generaldirektors – an den tüchtigen, nicht nur bei Freudenberg beliebten Dr. Wentz wieder abgeben sollte. Als dieser dann unerwartet starb, brachte schließlich Dr. Ulrich Wendland die Aufräumungs- und Wiederherstellungsarbeiten zu einem vorläufigen Abschluß, ehe auch er aus ähnlichen Gründen wie Randt und Winter seine Leitungsfunktion am 15. November 1947 verlor. Da mit Wendland aber Freudenbergs „Nachtrag“ schließt, soll hier nicht näher auf die Nachkriegsgeschichte des Archivs unter der Leitung von Hans Bellée eingegangen werden50, das erst nach dem 1. Dezember 1952 wieder einen „Direktor“ erhielt, als nämlich auch in Berlin das Berufsbeamtentum wieder eingeführt worden war. Die beiden hier edierten memoirenartigen Quellen51 stellen einen Beitrag zum Jubiläum des Geheimen Staatsarchivs aus Anlaß der 400. Wiederkehr der Begründung seiner archivischen Tradition dar; sie bilden ein kleines Kapitel der noch ungeschriebenen Gesamtgeschichte dieser Forschungsstätte zur brandenburg-preußischen Geschichte.
49 Vgl. Nachruf auf Winter von Wilhelm Rohr, in: Der Archivar 14 (1961), Sp. 179 – 190, hier Sp. 186f.; dazu Georg Winter, Die Leitung der Preußischen Archivverwaltung, hrsg. und ergänzt von Eckart Henning, in: Mitt. des Vereins für die Geschichte Berlins 73 (1977), S. 308 – 314, hier S. 309. 50 Vgl. Gerhard Zimmermann, Das Hauptarchiv (ehemaliges Preußisches Geheimes Staatsarchiv) in den ersten Nachkriegsjahren, in: Der Archivar 8 (1955), Sp. 173 – 180. 51 Eckart Henning, Selbstzeugnisse, in: Die archivalischen Quellen, hrsg. von Friedrich Beck / Eckart Henning, Weimar (2. Aufl.) 1994, S. 107 – 114; und ders., Unterschiede und Gemeinsamkeiten in der Struktur der Selbstzeugnisse, besonders der Tagebücher, Autobiographien, Memoiren und Briefe, in: Genealogie 10 (1971), S. 385 – 391.
Zeittafel zur Archivgeschichte Brandenburg-Preußens von den Anfängen bis 1874* 1282: Erste Erwähnung des im Mittelalter mit der Kanzlei noch fest verbundenen markgräflichen Archivs in Stendal. In der Folgezeit wechseln die „Archivorte“ noch häufig: neben Stendal werden Frankfurt (Oder), Tangermünde, Brandenburg, das Graue Kloster in Berlin, das Dominikanerkloster in Cölln und – seit dem 15. Jahrhundert – der „Grüne Hut“ im Residenzschloß in Cölln an der Spree genannt. 1374: Die wichtigsten Urkunden für den Übergang der Mark Brandenburg an die Luxemburger werden in Tangermünde in zwei mit A und B gekennzeichneten Kästen verwahrt. 1437: Absicht Kurfürst Friedrichs I., ein „Samtarchiv“ auf der Burg in Tangermünde zu errichten. 1453 / 1468: Wegen der Trennung von Kanzlei (im Cöllner Schloß) und Archiv (damals in Brandenburg a. d. Havel), Gründung eines ersten brandenburgischen Archivs unter Friedrich II. Anlage des frühesten Kopialbuchs (nach 1453) durch Heinrich Howeck. Nach 1468 wird, ebenfalls durch Howeck, ein erstes Urkundenrepertorium angelegt. 1537: In der Hofordnung Joachims II. wird das Archiv dem Kanzler unterstellt. 1598: Erbauseinandersetzungen führen zum Auftrag Joachim Friedrichs an Erasmus Langenhain, das Archiv neu zu ordnen. Dieser erste „ständige Beamte des Archivs“ (Klinkenborg) legt die „Registratura archivorum in superiori conclavi turris“ an und begründet damit für die Urkunden, die er in Reposituren einteilt, das sogen. „Kästleinarchiv“. Johann Zernitz führt seine Verzeichnungsarbeiten fort. 1658: Christoph Schön(e)beck legt ein Repertorium des in elf Reposituren eingeteilten Kästleinarchivs (416 Kästlein) vor. Anschließend ordnet er die Aktenbestände nach dem Pertinenzprinzip (Formierung von Betreffserienakten), das durch ein dreiteiliges „Allgemeines Repertorium“ (rote Bücher) erschlossen wird, ergänzt durch chronologisch angelegte Registratur- (für Landessachen) und durch alphabetisch gegliederte Publicabücher (für außenpolitische Sachen). Diese Aufteilung der Akten blieb bis zur Einführung des Provenienzprinzips (1881) grundlegend für die Struktur des Geheimen Staatsarchivs. * Erstdruck in: GStA. Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz, Redaktion: Eckart Henning / Cécile Lowenthal-Hensel, Berlin 1974, S. 19 – 21.
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1685: Umgestaltung der Urkundenbestände nach dem Pertinenzprinzip durch Magirus. Änderung der alten Langenhain-Schönebeckschen Ordnung. Magirus legt in drei Teilbänden sein „Repertorium documentorum originalium archivi aulae electoralis Brandenburgiae“ (grünes Buch) vor. 1710: Die Urkundenabteilung gewinnt eine Sonderstellung durch die Verbindung mit dem Kabinettsarchiv („geheimste Staatssachen“ – registratura in publicis), das seinerseits seit 1685 unter Bergius und seinen späteren Nachfolgern, den Kabinettsarchivaren Thulemeier und Graf Herzberg, eine feste Ordnung erhalten hatte. Damit ist das Archiv nicht nur mit dem Geheimen Rat, sondern auch mit dem Kabinett des Königs verbunden. Diestel bearbeitet das „Repertorium des Königl. Geheimen Kabinetts- und Hausarchivs“ (weißes Buch), dessen zweiter Teil im 19. Jahrhundert von Hoefer nochmals umgearbeitet wird. Eine Verwechselung mit den Konvolutakten wurde vermieden, indem man die von Schönebeck eingeführte Zählung nach Reposituren durch die der Kästen – von K 1 schließl. bis K 645 – ersetzte. 1723: Errichtung des Generaldirektoriums anstelle des seit 1604 bestehenden Geheimen Rates als oberste staatliche Zentralbehörde, deren Akten jedoch nicht mehr an das bestehende Archiv abgegeben werden; Bildung eines „zweiten großen Landesarchivs“ (G. Zimmermann) – vgl. auch unter 1874. Im weiteren 18. Jahrhundert erhält das bisherige Archiv nur noch Abgaben durch das Kgl. Haus, des Kabinetts des Königs und des Geheimen Etatrats (mit seinen beiden Abteilungen, dem Departement der Auswärtigen Angelegenheiten bzw. Kabinettsministerium und dem Justizdepartement mit dem Geistlichen Departement). 1742 ff.: Umfangreiche Aktenabgaben aus dem Kabinett der Könige Friedrich Wilhelm I., Friedrich II., Friedrich Wilhelm II. führen zur Bildung einer neuen Abteilung des Kabinettsarchivs (der späteren Repositur 96). 1803: Auflösung der Geheimen Kanzlei, deren Registraturbeamte den einzelnen Departements (dem Justiz-, Kriminal-, Geistlichen- und Lehensdepartement) beigegeben werden, wo eigene Registraturen entstehen. Die jährlichen Ablieferungen an das Archiv hören auf. Dieses fungiert (bis 1809) zunächst noch als unmittelbare Registratur des Auswärtigen Departements weiter, das erst später eine eigene Registratur begründet. Der Minister der Auswärtigen Angelegenheiten, Graf Haugwitz, verleiht dem Archiv den Ehrentitel „Geheimes Staatsarchiv“ (27. April 1803). 1810: Das Geheime Staatsarchiv wird direkt dem Staatskanzleramt unterstellt. 1823: Nachdem das Staatskanzleramt 1822 nach Hardenbergs Tod nicht mehr besetzt wurde, ist das Archivwesen durch Kabinettsordre vom 2. 5. 1823 dem Staatsministerium unterstellt worden; die Aufsicht über das „Geheime und Kabinetts-Archiv“ führten der Minister des Königl. Hauses und der Minister der Auswärtigen Angelegenheiten, anfangs also zunächst Fürst v. Sayn-Witt-
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genstein und Graf Bernstorff. 1852 wurde das Archivwesen nach Gründung des Königl. Hausarchivs dem 1848 errichteten Amt des Preußischen Ministerpräsidenten unterstellt. 1848 / 1852: Auflösung des Geheimen Kabinettsarchivs wegen Abgaben wertvollster Bestände an das neuerrichtete Königl. Hausarchiv, das dem Minister des Königl. Hauses allein unterstellt wurde. 1874: Vereinigung des Geheimen Ministerialarchivs (gegründet 1808 aus der Altregistratur des Generaldirektoriums) mit dem Geheimen Staatsarchiv im „Hohen Haus“ in der Klosterstraße. Die weitere Entwicklung von 1874 bis 1974 ist in der Darstellung S. 85 ff. enthalten.
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Der erste Generaldirektor der Preußischen Staatsarchive, Reinhold Koser (1852 – 1914)* Obwohl Reinhold Koser der erste Direktor der Preußischen Staatsarchive war, dem durch Allerhöchsten Erlaß vom 27. 12. 1899 der klingende Titel eines „Generaldirektors“ verliehen wurde, hat sich die Archivgeschichte seiner Amtsführung bis jetzt nur unzureichend angenommen1. Die Nachrufe, die Koser in größerer Zahl zuteil wurden, pflegten seine archivarische Tätigkeit zumeist zugunsten seiner wissenschaftlichen Leistung aus der Betrachtung auszuklammern oder das Feld seiner beruflichen Tätigkeit nur zu streifen2. So heißt es selbst in der jüngsten und zugleich kompetentesten Einzelwürdigung: „Was Koser als Wissenschaftsorganisator und Behördenchef, als Anreger und Betreuer großer editorischer Unternehmen, als fürsorglicher Vorgesetzter eines wachsenden Beamtenapparates für die preußische Archivverwaltung geleistet hat, kann hier nicht gewürdigt werden.“3 Der schon früh von archivischer Seite aufgestellten Behauptung: „Die Gelehrtentätigkeit ist nur eine Seite der Wirksamkeit Kosers, nicht geringere Erfolge hat er auf dem Gebiet der Verwaltung der preußischen Staatsarchive erzielt“4 – soll daher diese archivgeschichtliche Studie hauptsächlich nachgehen. Vergegenwärtigt man sich, wie die Leitung der preußischen Archivverwaltung5 vor Koser beschaffen war, muß man von der „Verordnung über die veränderte Ver* Erstdruck in: Neue Forschungen zur Brandenburg-Preußischen Geschichte, Berlin 1979, S. 259 – 293, 2 Abbildungen (= Veröffentlichungen aus den Archiven Preußischer Kulturbesitz, 14). 1 Vgl. etwa Adolf Brenneke, Archivkunde, bearb. nach Vorlesungsniederschriften u. erg. v. Wolfg. Leesch, Leipzig 1953, S. 406 (zit. Brenneke, Archivkunde). 2 Vgl. beispielsweise Gustav Berthold Volz, Reinhold Koser als Geschichtsschreiber Friedrichs des Großen, in: Hohenzollern-Jahrbuch, 18 (1914) S. 166 – 175; ders. auch in: Deutsches Biographisches Jahrbuch, Überleitungsbd. 1914 – 16 = Bd. 1 (1925) S. 58 – 64. 3 Stephan Skalweit, Reinhold Koser 1852 – 1914, in: Bonner Gelehrte. Beiträge zur Geschichte der Wissenschaften in Bonn, Bonn 1968, S. 272 – 277, hier S. 274 (150 Jahre Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität zu Bonn 1818 – 1968) (zit. Skalweit, Koser). 4 Melle Klinkenborg, Reinhold Koser. Ein Nachruf, in: Forschungen zur Brandenburgischen und Preußischen Geschichte (zit. FBPG), 28 (1915) S. 285 – 303, hier S. 296 (zit. Klinkenburg, Koser). Ansätze zu einer archivarischen Würdigung bietet auch der Nachruf von Johannes Schultze, in: Archivalische Zeitschrift (zit. AZ), 35 (1925) S. 270 – 272 (zit. Schultze). 5 Vgl. Georg Winter, Die Leitung der preußischen Archivverwaltung, hrsg. u. erg. von Eckart Henning, in: Mitteilungen d. Vereins f. d. Geschichte Berlins, Jg. 73 (1977), S. 308 – 314 (zit. Winter, Leitung).
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fassung aller obersten Staatsbehörden“ vom 27. 10. 1810 ausgehen, nach der die Archive, einem persönlichen Wunsch Hardenbergs folgend, seiner direkten Aufsicht unterstellt wurden. Nach seinem Tode trat an die offen bleibende Stelle des Staatskanzlers das Preußische Staatsministerium als Aufsichtsbehörde der Archive, deren spezielle Belange von den Ministern des Königlichen Hauses und der Auswärtigen Angelegenheiten gemeinsam wahrgenommen wurden. Nach der Abtrennung des Königlichen Hausarchivs vom Geheimen Staatsarchiv ressortierten beide Archive, der Kabinettsordre vom 2. 2. 1852 entsprechend, gemeinsam beim Hausminister wie beim Präsidenten des Staatsministeriums, bei letzterem auch die Provinzialarchive. Wenn diese gemeinsame Leitung auch praktisch nicht durchgeführt worden ist, blieb es doch für die Staatsarchive bei der Unterstellung unter den Ministerpräsidenten bis zum Ende des preußischen Staates. Die eigentliche Leitung der Archivangelegenheiten, die zur Zeit Hardenbergs vor allem das Geheime Staatsarchiv, das Kabinettsarchiv und die seit 1819 im Entstehen begriffenen Provinzialarchive betrafen, wurde jedoch nur nebenamtlich von einem Vortragenden Rat des Staatsministeriums und der beiden genannten Minister wahrgenommen (zuerst von Karl Georg von Raumer). Von einem „Direktorium der Staatsarchive“ ist erst seit 1831 die Rede, als es auch einen Etat für die Provinzialarchive gab, für deren Kosten bis dahin die Generalstaatskasse aufkam. Auch G. A. v. Tzschoppe, der als Nachfolger Raumers seit 1833 den Titel eines „Direktors des Geheimen Staats- und Cabinettsarchivs und der gesamten Archivverwaltung“ führte, ist hauptamtlich zuletzt als Direktor der 1. Abteilung des Ministeriums des Königlichen Hauses und nur nebenamtlich im Archivwesen tätig gewesen. Das änderte sich weder 1843 nach Tzschoppes Tod, als Georg Wilhelm von Raumer6 zum „Direktor der Archive“ bestellt wurde (aber weiterhin hauptamtlich als Referent im Finanz-, später im Hausministerium tätig war), noch nach 1856, als ihm Karl Wilhelm von Deleuze de Lancizolle folgte (aber hauptamtlich als Professor der Rechte an der Berliner Universität wirkte). Lancizolle wurde mit dem Titel eines „Geheimen Oberarchivrats“ als Ministerialrat II. Klasse „eingestuft“. An seine Stelle trat 1867 der Geheime Regierungsrat Max Duncker, vorher Vortragender Rat beim Kronprinzen, der hauptamtlich im Staatsministerium tätig war. Erst als Heinrich von Sybel 1875 Direktor der Staatsarchive und zugleich Archivreferent des Preußischen Staatsministeriums war, wurde die Stelle des Direktors der Staatsarchive in ein Hauptamt umgewandelt und mit dem neugeschaffenen eines Direktors des Geheimen Staatsarchivs im Nebenamt verbunden. Als Exzellenz Sybel als Wirklicher Geheimer Rat unerwartet am 1. 8. 1895 gestorben und die Diskussion um seine Nachfolge voll entbrannt war, stellte sich allseits das später von Kehr als „lächerliche Stammtischstreitfrage“ bezeichnete, aber bis heute immer wieder diskutierte Problem, „ob [ein] Archivar oder Professor, ob Gelehrter oder Verwaltungsmann“7 Nachfolger des wegen seiner Verdienste um die 6 Vgl. Georg Wilhelm v. Raumer, Geschichte des Geheimen Staats- und Cabinets-Archivs zu Berlin bis zum Jahre 1820, hrsg. von Eckart Henning, in: AZ, 72 (1976) S. 30 – 75.
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„Publikationen aus den k. preußischen Staatsarchiven“ hochgeachteten Gelehrten werden sollte8. Dieses Problem beschäftigte für fast ein dreiviertel Jahr die Berliner Zeitungen, aber auch die auswärtige Presse mit einer Heftigkeit, die heute in vergleichbaren Fällen – leider – unvorstellbar wäre. Am 7. 8. 1895 meldete der „Hamburgische Correspondent“, daß nach Sybels Tod der Vortragende Rat im Staatsministerium, Geh. Ober-Regierungsrat Freiherr v. Rheinbaben, Dezernent für den Reichs- und Staatsanzeiger, interimistisch die Geschäfte des Direktors der Staatsarchive und des Archivreferenten beim Staatsministerium, die Leitung des Geheimen Staatsarchivs aber der dienstälteste Archivar übernommen habe. Nach Vermutungen über Schmoller als möglichen Nachfolger Sybels („schon wegen seiner engen Beziehungen zu der preußischen Archivverwaltung als Mitherausgeber der Publikationen …“), konstatierte das Blatt: „Es ist üblich, daß ein hervorragender Gelehrter an die Spitze der Archivverwaltung gestellt wird“. Dagegen polemisierte die „National-Zeitung“ in ihrer Ausgabe vom 16. 8. 1895: „Es erscheint daher in hohem Maße im Interesse einer ersprießlichen Archivverwaltung wünschenswert …, daß bei der Neubesetzung der erledigten Stelle weniger der wissenschaftliche Name als die Kenntnis und Bewährtheit im Verwaltungsdienst in Rücksicht gezogen werde“. Am 18. 8. 1895 gab der „Hannoversche Courier“ sorgenvoll zu bedenken: „Unter allen Umständen aber dürfte es sich empfehlen, vor der Besetzung des Postens erfahrene Persönlichkeiten über das, was dem Archivwesen Noth thut, zu Rathe zu ziehen.“ In der in Berlin erscheinenden „Post“ vom 29. 8. 1895 ergriff wiederum ein anonym gebliebener Universitäts-Professor das Wort, er nannte die Orientierungsmöglichkeiten über die preußischen Archivbestände „mangelhaft“, erklärte die Repertorien, deren Veröffentlichung er forderte, für „vielfach ganz unzulänglich“ und bezeichnete das Archiv ausschließlich als „eine Verwaltungsstelle für Aktenstücke“. Er schloß sich daher der Forderung der „National-Zeitung“ nach einem „höheren Staatsbeamten mit wirklich warmem Interesse für die Archivverwaltung und freiem Blick für die Bedürfnisse der Wissenschaften“ an. Da sein mit erfrischender Einseitigkeit vorgetragener Standpunkt bis heute kaum etwas an Aktualität eingebüßt hat, seien einige typische Passagen aus seiner Begründung zitiert: „Es ist wohl eine der seltsamsten Erscheinungen, die nur als Beleg für die vollständig falsche Auffassung des Berufs eines Staatsarchivars angesehen werden kann, wenn ein Sammelwerk, die ,Publikationen aus den preußischen Staatsarchiven‘, unter hervorragender Mitwirkung der Archivbeamten herausgegeben wird, und noch dazu mit Staatssubvention. Und wenn es dabei noch vorgekommen ist, daß für diese Arbeiten die Beamten theilweise die Dienststunden benutzen durften, so weiß man wirklich nicht, was man dazu sagen soll, ebensowenig, wie ich ein Verständnis dafür habe, daß Archivbeamte jahrlang unter Fortbezie7 Paul Kehr, Ein Jahrhundert preußischer Archivverwaltung, in: AZ, 35 (1925) S. 20 (zit. Kehr, Archivverwaltung). 8 Sybel gab in zwanzig Amtsjahren (1875 – 95) allein 60 Bände der „Publikationen“ heraus.
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hung ihres Gehaltes nach Rom zu Arbeiten an dem römischen Institute beurlaubt werden. Ja, wenn es sich bei den Arbeiten in Rom um Förderung des Archivwesens handelte, vielleicht um Herstellung oder Vervollständigung von Repertorien oder Verzeichnissen, die der preußische Archivdienst erfordert, aber – und das ist das Unglaubliche – es handelt sich um historische Arbeiten, als wenn Archivbeamter und Historiker identisch wäre!“ Ähnliche Auffassungen wiederholte derselbe Autor in einer ebenfalls in der „Post“ erschienenen „Duplik“ vom 8. 10. 1895, auf eine zuvor von anderer Seite erfolgte „Abwehr“. Am 19. 10. 1895 griff die „Kreuz-Zeitung“ in die Debatte ein, um die Stimmen „eines malkontenten Provinzialarchivars“ und eines „unzufriedenen Archivbenutzers“ zum Schweigen zu bringen, die sich darauf „vereinigt“ hätten, daß „eine technisch-bureaukratische Leitung [der Archive] das einzig wünschenswerthe sei“. Die Zeitung hielt ihnen entgegen: „Ob der künftige Direktor der Staatsarchive Professor oder Archivar oder höherer Verwaltungsbeamter ist, ist völlig gleichgültig. Unerläßlich aber ist es, einen Mann an die Spitze zu stellen, der in der wissenschaftlichen Welt einen Namen hat, wobei wir es als ein günstiges Accidenz bezeichnen wollen, wenn er zugleich archivalische Erfahrung mitbringt. Der bureaukratische Theil der Archivverwaltung findet ohnehin in der bestehenden Organisation sein Recht. Worauf es ankommt, ist, daß der Geist nicht verloren gehe, in dem seit Sybels Tagen und schon vor ihm die preußischen Archive geleitet wurden … Der Archivdirektor, an den die fremden Gelehrten mit ihren Wünschen herangehen, muß nicht nur fähig sein, sich mit ihnen zu verständigen, sondern auch ihre wissenschaftlichen Interessen zu verstehen und zu fördern. Jedes Manko nach dieser Richtung hin wäre eine Schädigung unseres Ansehens und zugleich eine Schädigung der Wissenschaft. Die Stellung eines Leiters des preußischen Staatsarchivs ist für den Besten und Tüchtigsten gerade gut genug“. Daraufhin meinte sich die „National-Zeitung“ am 25. 10. 1895 der „Invektiven“ und des „anmaßenden Tones“ der „Kreuz-Zeitung“ erwehren zu müssen und warnte nochmals vor den „sprichwörtlichen Mängeln und Mißständen einer Professorenverwaltung“. Auch die „Post“ bekräftigte am 26. 10. „daß die Quelle dieser Übelstände in dem Umstande gesucht werden muß, daß die Leitung der preußischen Staatsarchive bisher fast ausschließlich in die Hände von Männern gelegt worden ist, die Gelehrte von großem Namen, nur nicht mit den Verhältnissen einer Verwaltung und den Archivgeschäften im Besonderen ausreichend vertraut waren“. Am 26. 10. widersetzte sich die „Kreuz-Zeitung“ der „himmelstürmenden Polemik“ der „National-Zeitung“, indem sie gerade die Kompetenz der Sybelschen Verwaltung auf archivischem Gebiet betonte, aber einräumte, daß „entweder ein Gelehrter mit archivalischer Bildung, oder ein Archivar von gelehrter Bildung und wissenschaftlicher Bedeutung“ für die Leitung der Archive in Frage komme. Am 2. 11. 1895 lenkte daraufhin die „National-Zeitung“ überraschenderweise ein, indem sie sich gegen ihre vermeintliche „Überschätzung archivalischer Routine und Geringschätzung wissenschaftlichen Könnens“ verwahrte. Am 6. 11. 1895 warf die „Kölnische Zeitung“ neue Personalgerüchte in das Gezänk der Hauptstadtpresse (die sich vielleicht auf
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Paul Hassel und Karl Sattler bezogen) und beschwor den „liberalen wissenschaftlichen Geist“, den Sybel den Staatsarchiven einzuhauchen wußte. Abgewogen artikelte sie: „Es erfordert also die Tätigkeit eines jeden Archivbeamten nicht bloß eine rein technische Vorbildung, welche sich auf die zweckmäßigste Art der Behandlung und auf die beste Kunst des Ordnens und Verzeichnens der ihm anvertrauten Schätze zu erstrecken hat, sondern auch ein umfassendes Maß allgemein geistiger Bildung, welches ihm ermöglicht, einen klaren Überblick über die nach Millionen zählenden Urkunden, Briefe und Actenstücke eines jeden Archivs zu gewinnen und zu behalten, sowie über den großem oder geringern Wert des einzelnen Stückes stets ein zutreffendes Urteil sich zu bilden. Und wie viel mehr muß dies der Fall bei dem obersten Leiter der Archivbehörde sein“. In der „Frankfurter Zeitung“ vom 16. 11. 1895 schließlich empfahl man wärmstens „von sehr berufener Seite“ den Chef der sächsischen Archivverwaltung, den 1882 beim Geheimen Staatsarchiv in Berlin ausgeschiedenen und nach Dresden übernommenen Dr. Paul Hassel, der „als Gelehrter und Schriftsteller nicht sonderlich hervorgetreten“ sei, dem es aber „an Sachkenntnis nicht fehlen könne“ und dessen Persönlichkeit „volle Gewähr ehrenhafter Gesinnung …“ biete; Hassel war ein erklärter Anhänger des archivischen Pertinenzprinzips und wäre somit wohl am wenigsten geeignet gewesen, dem im Ansatz unter Sybel bereits entwickelten Provenienzprinzip im preußischen Archivwesen zum Durchbruch zu verhelfen9. Eine Entscheidung des Streites um Sybels Nachfolge brachte erst die Sitzung des Preußischen Staatsministeriums vom 5. 2. 1896, in der unter Vorsitz von Ministerpräsident Fürst v. Hohenlohe-Schillingsfürst die Lage der Staatsarchive zur Debatte stand10. Wegen seines archivgeschichtlichen Wertes soll das Protokoll, von dem man bisher nur wußte, daß es „viel Beachtenswertes und manche kluge Bemerkung“ enthält11, hier auszugsweise – Tagesordnungspunkt 3 – wiedergegeben werden: „In der Angelegenheit des Direktors der Staatsarchive hielt Herr Vice-Präsident [Staatsminister Dr. v. Boetticher] Vortrag. Die Staatsarchive ressortierten vom Präsidium des Staats-
9 Vgl. zu Hassel Anm. 21. – Ist ferner mit diesem „ganz unmöglichen“, im selben Artikel dieser Zeitung erwähnten Professor im Archivdienst, „der leider seine Wiederberufung an eine Universität immer noch vergeblich erwartet“, Julius v. Pflugk-Harttung gemeint gewesen, „weiland Universitätsprofessor“ (in Basel), der damals bereits Archivar beim Geheimen Staatsarchiv in Berlin war? Vgl. sein vergebliches Gesuch um Übertragungen der erledigten Stelle des Direktors der Archive vom 30. 1. 1896 (GStA Rep. 90, Nr. 947, Bl. 195). Er führte die Ablehnung, wie sein Schreiben vom 7. 11. 1895 bereits erkennen läßt, nicht nur auf „die Gegnerschaft einflußreicher deutscher Gelehrter“ zurück, sondern vor allem auf die Tatsache, daß ihm „nicht die Freundschaft des Herrn Geh. Rats Dr. Althoff“ zuteil geworden ist (ib. Bl. 191). 10 GStA, Rep. 76 (Acta betreffend die Staats-Archive); auszugsweise Abschrift der Sitzung des Kgl. Staatsministeriums vom 5. 2. 1896 (St. M. 668); teilgenommen haben der Präsident des Staatsministeriums, Reichskanzler Fürst zu Hohenlohe-Schillingsfürst, der Vize-Präsident, Staatsminister v. Boetticher, die Staatsminister Dr. Miquel, Thielen, Dr. Bosse, Bronsart v. Schellendorff, Freiherr v. Marschall, Freiherr v. Hammerstein, Schönstedt, Freiherr v. d. Rekke, sowie der Unterstaatssekretär Humbert. 11 Kehr, Archivverwaltung, S. 17.
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ministeriums, welches sie in letzter Instanz beaufsichtige. Unter dem Präsidium stehe der Direktor, welcher gleichzeitig Referent im Präsidium für Archivsachen sei. Herr von Sybel habe diese Stellung bekleidet und sei gleichzeitig Direktor des hiesigen Geheimen Staatsarchives gewesen. Nach seinem Tode hätten sich in der Presse und in Monographien Klagen erhoben, in denen eine andere Organisation gefordert wurde. Er habe sich indirekt an einige Sachverständige gewandt, um den Umfang der Klagen und ihrer Begründung festzustellen und Vorschläge zu Abhülfe zu erhalten. Es seien Äußerungen erfordert worden von den Professoren Schmoller, Lenz, Koser, Max Lehmann und dem Archivrath Dr. Sattler. Auf Grund dieser Vorschläge hätten Herr Geheimer Ober-Regierungsrath Althoff und der mit der interimistischen Leitung der Staatsarchive betraute Geheime Ober-Regierungsrath von Rheinbaben, zum Schluß der Unterstaatssekretär Humbert sich geäußert. Die erhobenen Beschwerden ließen sich dahin präzisieren, daß man es beklage, daß Herr von Sybel nicht genügende Aufmerksamkeit auf die Ordnung der Archive und die Repertorisierung der Bestände gewandt, und daß er die Publikationen systemlos behandelt und diejenigen Zweige protegiert habe, die ihm am Herzen lagen. Die Gutachten besagten, daß die Hauptaufgabe in den Ordnungs- und Repertorisierungsarbeiten bestehe, daß unsere Archive in dieser Hinsicht hinter den französischen und österreichischen zurückständen, daß wir noch keine gedruckten Repertorien hätten, auch die Ordnung nicht nach einem bestimmten System erfolge. In ihrer Mehrheit stimmten die Professoren aber mit dem Dr. Sattler dahin überein, daß eine wesentliche Aenderung in der Gestaltung des Archivwesens nicht nothwendig sei. Herr von Rheinbaben sei der Ansicht, daß es den Vorzug verdiene, den Direktor der Staatsarchive und Referenten im Staatsministerium vereint zu lassen, dagegen die Stellung des Direktors des hiesigen Geheimen Staatsarchivs zu einem besonderen Amte zu machen. Geheimrath Althoff wolle den Direktor der Staatsarchive beseitigen und seine Geschäfte in das Präsidium verlegen, welches zu deren Bearbeitung einen vortragenden Rath erhalten solle. Der Unterstaatssekretär Humbert befürwortete, die bisherige Organisation beizubehalten, mithin den Direktor der Staatsarchive und Referenten im Staatsministerium mit dem Direktor des Geheimen Staatsarchivs vereint zu lassen, aber daneben für den Direktor des Geheimen Staatsarchivs einen ständigen Vertreter zu bestellen. Er – der Minister – schließe sich dem Vorschlage des Unterstaatssekretärs an. Wenn man den Direktor des Geheimen Staatsarchivs von dem Direktor der Staatsarchive und Referenten im Staatsministerium loslöse, so sei die Gefahr vorhanden, daß die Generalien der Archivsachen zu sehr vom grünen Tische aus bearbeitet würden, daß die Fühlung mit der unmittelbaren Archivverwaltung verloren gehe. Es sei ein Vorzug der jetzigen Einrichtung, wenn dem Direktor der Staatsarchive die Möglichkeit gegeben werde, Kraft seines Amtes an der unmittelbaren Verwaltung des wichtigsten Archives sich zu betheiligen. Wenn das Staatsministerium diese Auffassung theile, empfehle es sich aber, dem Direktor des Geheimen Staatsarchivs einen ständigen Vertreter zu geben. Diese ständige Vertretung sei nothwendig, weil der Direktor eines Vertreters im Hinblick auf seine vielen Geschäfte bedürfe und die unter Herrn von Sybel bestandene Einrichtung, wonach alle sechs Monate ein anderer Staatsarchivar mit der stellvertretenden Leitung betraut war, nicht zweckmäßig erscheine. Auch sei die Bildung eines wissenschaftlichen Beiraths angeregt; es werde sich aber empfehlen, diese Frage zu vertagen, bis der neue Direktor ernannt sei. Sei das Staatsministerium auch hiermit einverstanden, so würde es sich noch um die Personalfragen und um die etatsmäßige Regelung handeln. In der Frage des Direktors stimmten die Herrn nicht ganz überein. Schmoller halte sich selbst für den geeignetsten Direktor, erkläre sich dazu aber außer Stande, da er alsdann seine akademische Thätigkeit nicht fortsetzen könne. Herr von Rheinbaben befürworte, wenn Schmoller wegfalle, den Professor Lenz zu wählen; von Lenz behaupte Geheimrath
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Althoff, daß er erst in letzter Linie in Betracht komme, da er zwar sehr talentvoll, aber noch zu jung, nicht fertig, in der Gährung sei. Geheimrath Althoff sei für den Geheimen Regierungsrath Dümmler, Vorsitzenden der Central-Direktion der ,Monumenta Germaniae historica‘; als solcher gehöre derselbe zu seinem Ressort – Reichsamt des Innern –, sei aber ein mit dem Archivwesen nicht vertrauter Gelehrter und habe daher nicht die wünschenswerthen Eigenschaften, um an die Spitze einer nicht unbedeutenden Verwaltung zu treten. In zweiter Linie werde Herr Professor Koser in Bonn vom Geheimen Rath Althoff vorgeschlagen, ein Historiker von Ruf und patriotischer Gesinnung, der mehrere Jahre auch in der Archiv-Verwaltung gearbeitet habe. Der Unterstaatssekretär Humbert und Professor Schmoller hätten sich in ihren Gutachten, welche der Herr Vice-Präsident verlas, in recht günstigem Sinne über denselben geäußert. Weniger geeignet scheine Lehmann. Noch ein Kandidat sei der Archivrath Dr. Sattler, ein sehr befähigter Mann und langjähriger Archivbeamter, bekannt durch seine Wirksamkeit als Abgeordneter, für den der Abgeordnete von Eynern sich brieflich sehr dringend verwandt habe. Aber es komme das Moment in Betracht, daß Dr. Sattler nur im Archivdienste gearbeitet habe und die Eigenschaften eines Gelehrten nicht besitze, auch sei er in der Anciennität unter den 7 Geheimen Staatsarchivaren erst der 6te und habe unter den Vorstehern der Provinzial-Archive noch viele Vorderleute. Es wäre hart, diesen Herrn einen Beamten von Sattlers Anciennität vorzusetzen. Auch würde es ihn durch seine Tätigkeit als Abgeordneter, die ihn mitunter 5 bis 6 Monate in Anspruch nehme, erschwert, sich der Leitung des gesamten Archivwesens in der gewünschten Weise zu widmen. Nach eingehender Erwägung komme er zu dem Ergebnis, für die Stelle des Direktors der Staatsarchive in Verbindung mit derjenigen des Referenten im Staatsministerium, sowie des ersten Direktors des Geheimen Staatsarchivs den Professor Koser in Vorschlag zu bringen, und da der Generaldirektor durch seine Geschäfte häufig behindert sei, sich um die laufenden Geschäfte des Geheimen Staatsarchivs zu kümmern, ihm für dieses einen zweiten Direktor zur Seite zu stellen. In diese zweite Stelle würde er keine Bedenken haben, den Dr. Sattler zu berufen. Allerdings kämen auch die angedeuteten Bedenken in Betracht, aber unter den übrigen Archivbeamten sei keiner so geeignet wie Sattler. Mit dem dauernden Vertreter würden wir den Vortheil erreichen, die unzweckmäßige bisherige Vertretung in einem sechsmonatlichen Turnus aus der Welt zu schaffen. Der neue Direktor der Staatsarchive würde, wie Herr von Sybel, étatsmäßig 9.000 M und daneben 3.000 M als erster Direktor des Geheimen Staatsarchivs beziehen; für den zweiten Direktor würde er vorschlagen, als Dotation eine Zulage von 3.000 M im Wege eines Nachtragétats auszubringen; Dr. Sattler beziehe jetzt 4.800 M. Im Falle der Annahme seiner Vorschläge bitte er um die Ermächtigung, mit Professor Koser in Unterhandlungen zu treten. Die Neubesetzung werde erst zum 1. April erfolgen können. Der Herr Finanzminister [Dr. Miquel] äußerte sich bezüglich der Organisation dahin: Er halte dafür, daß die Aufsicht über die Provinzial-Archive von einem Manne geübt werde, der mit dem Archivwesen vertraut sei. Den Vorschlag, einen vortragenden Rath zu ernennen, erachte er für unpraktisch. Nöthig sei es, daß der künftige Direktor der Staatsarchive sich mehr als Herr von Sybel um die Verwaltung der Archive kümmere. In den ProvinzialArchiven herrschten große Mängel. Die nach Wiesbaden entsandte Kommission habe festgestellt, daß ganz werthlose Sachen aufbewahrt würden, wie Badelisten von Ems; die Archivare wollten alles aufbewahren. Die Autorität von oben müsse bestimmen, daß werthlose Archivalien vernichtet würden. Die Städte seien uns mit der Anlegung von Repertorien, Urkundenbüchern weit voraufgegangen; es sei mit Ordnungs- und Repertorisierungsarbeiten viel nachzuholen. Nach seiner Ansicht müßten die Provinzial-Archivare den Mittelpunkt der historischen Studien in den Provinzen bilden; sie müßten den Forschern die
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Archivalien aptieren und Jeden unterstützen, der dort Studien machen wolle. Deshalb halte er es auch, wie er in der Budgetkommission geäußert, nicht für richtig, die Provinzial-Archive in die Universitätsstädte zu verlegen, sondern sie gehörten dahin, wo der Sitz der Geschichte sei. Halle a. / S. habe keine Geschichte, wohl aber Magdeburg. Es gelte, historische Vereine und Forscher, die auf diesem Boden gewachsen seien, an Ort und Stelle in ihren Studien zu fördern. Mit den Personal-Vorschlägen des Herrn Vice-Präsidenten sei er einverstanden, wenn man die Frage des Direktors nicht aus dem Zusammenhange mit der Geschichtsforschung herauszubringen geneigt sei. Wolle man den neuen Direktor der Staatsarchive nicht bloß mit Rücksicht auf seine Tüchtigkeit in der Archiv-Verwaltung berufen, sondern auch an dem Glanze des gelehrten Historikers festhalten, so sei Dr. Sattler allerdings nicht der geeignete Mann. Professor Koser vereinige glänzende historische Leistungen mit praktischer Erfahrung im Archivdienste; aber er werde als etwas weich bezeichnet, und es frage sich, ob er gegenüber seinen früheren Kollegen im Archivdienste die volle Autorität finden werde, um die Provinzial-Archive in die richtige Ordnung zu bringen. Vielleicht könne man dem in Aussicht genommenen zweiten Direktor des Geheimen Staatsarchivs zugleich die Vertretung des Direktors der Staatsarchive in der Beaufsichtigung der Provinzial-Archive übertragen. Für diese Aufgaben erscheine Dr. Sattler wohlgeeignet. Es sei ein berechtigter Wunsch der Nationalliberalen, in Anerkennung aller Unterstützung, die sie der Regierung ohne Nebenabsichten gewährten, auch einmal für einen der ihrigen eine höhere Stellung im Staatsdienste zu erhalten. Herr von Sybel habe ihn selbst auf Sattler aufmerksam gemacht. Wenn man seinem Vorschlage gemäß dem zweiten Direktor des Geheimen Staatsarchivs auch die Vertretung des Direktors der Staatsarchive, insbesondere in der Kontrolle der Provinzial-Archive übertrage, erscheine es angemessen, für denselben 4.000 M als Zulage auszuwerfen. Der Herr Minister-Präsident [Fürst Hohenlohe-Schillingsfürst] bemerkte, er sei anfänglich für Sattler als Direktor der Staatsarchive gewesen, habe aber Bedenken gehabt im Hinblick auf Sattlers Mandat als Abgeordneter; würde derselbe nur zweiter Direktor des Geheimen Staatsarchivs, so werde er das Mandat nicht niederzulegen brauchen; dieser Auffassung schlossen sich auch der Herr Vice-Präsident [Dr. v. Boetticher] und der Herr Finanz-Minister [Dr. Miquel] an. Das Staatsministerium erklärte sich einverstanden, daß 1. die Stelle des Direktors der Staatsarchive, des Referenten für Archivsachen im Staatsministerium und des Direktors des hiesigen Geheimen Staatsarchivs in ein und derselben Person vereinigt bleibe, und mit Professor Koser in Bonn in Unterhandlung getreten werde; 2. ein zweiter Direktor des Geheimen Staatsarchivs, dem man auch die Vertretung des Direktors der Staatsarchive übertragen könne, bestellt, dem mit dieser Stellung zu betrauenden Archivar am Geheimen Staatsarchiv – Dr. Sattler – eine étatmäßige Zulage von 4.000 M gewährt und ein bezüglicher Nachtragsétat pro 1896 / 97 eingebracht werde.“
Dieses Protokoll ist nicht nur im Hinblick auf die grundsätzliche Frage „Archivar oder Professor“ oder wegen der Personalentscheidung für Koser interessant, sondern auch deswegen, weil offenbar der „allmächtige Althoff“ auf dieser Sitzung seinen Favoriten, nämlich den Präsidenten der Monumenta Germaniae historica, Ernst Dümmler, nicht durchsetzen konnte. In dem ausführlichen Gutachten „Einige Bemerkungen über die preußische Archivverwaltung und die Wiederbesetzung eines
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obersten Archivdirektors“, das Althoff für diese Sitzung des Staatsministeriums, wie so oft von Schmoller erbeten und bereits mit Datum vom 10. – 14. 8. 1895 erhalten hatte12, fehlte Dümmlers Name unter den Kandidaten. Schmoller ging stattdessen eine Reihe anderer Kandidaten für eine solche Stellung durch und gab dabei auch über Koser eine seiner „meisterhaften“ Charakteristiken13 ab: „Nicht so fein und geistvoll wie [Max] Lehmann, aber dafür nüchterner, praktisch, weltkundig ist Prof. Dr. Koser. Auch er war jahrelang Archivbeamter; sein Werk über Friedrich d[en] G[roßen] hat ihm den Ruf eines bedeutenden, ja glänzenden Historikers verschafft. Er hat sich als Herausgeber der Friedericianischen Politischen Korrespondenz und des ersten Bandes der Staatsschriften aus der Zeit Friedrichs d[es] G[roßen] eine große Kenntnis der preußischen und außerpreußischen Archive verschafft; er hat längere Zeit in Paris und London gearbeitet. Er ist kein Historiker großen Stils, aber er ist sehr zuverlässig, streng kritisch und methodisch, er war stets ein sehr guter Lehrer. Ob er Lust und Energie hätte, erhebliche Reformen in preußischen Archivwesen durchzuführen, weiß ich nicht; er würde vielleicht dazu seinen alten Collegen zu nahe stehen. Im Übrigen würde er sicher einer der besten Nachfolger Sybels werden und würde zugleich eine vortreffliche Kraft sein, um in die Leitung der großen akademischen Publikationen für preußische Geschichte mit einzutreten, sowie um in die jetzt vom Archiv allein ausgehenden Publikationen mehr System und Zusammenhang zu bringen.“
Gleichzeitig teilte Schmoller mit, daß er selbst, inzwischen sechzigjährig, für das neue Amt nicht mehr kandidieren, sondern lieber ungehindert seine akademische Lehrtätigkeit an der Berliner Universität, – die ihn 1897 sogar zu ihrem Rektor wählen sollte –, fortsetzen wolle. Damit enthob er den Fürsten zu Hohenlohe-Schillingsfürst der Notwendigkeit, ihm, der sich eigentlich für den „geeignetsten Direktor“ hielt, zu eröffnen, daß er aus politischen Gründen für die Sybel-Nachfolge nicht mehr infrage komme. Die privaten Aufzeichnungen des Reichskanzlers und Ministerpräsidenten aus dem selben Monat über seinen Vortrag bei Kaiser Wilhelm II. lassen daran jedoch keinen Zweifel; er berichtete über seine Audienz vom 18. 8. 1895: „Bei der Erwähnung Schmollers für die Nachfolge Sybels machte der Kaiser eine Grimasse und stimmte mir bei, als ich die Vermutung aussprach, daß es bedenklich sei, einen sozialistischen Gelehrten die Reichsarchivarsstelle zu geben.“14 12 Vgl. den Hinweis von Kehr / Archivverwaltung, S. 18, auf das Gutachten Schmollers. Genauere Kenntnis verdanke ich Herrn Univ.-Dozent Dr. Bernhard vom Brocke (Marburg / L.), der das umfangreiche Gutachten ungekürzt publizieren wird, und mir liebenswürdigerweise sein Manuskript über Reinhold Koser zur Verfügung stellte, das demnächst im Band „K“ der Neuen Deutschen Biographie erscheinen wird. Schmollers Gutachten liegt in seinem (Teil-)Nachlaß in der Universitätsbibliothek Tübingen unter der Sign. Md 1076, Kapsel 49, Mappe 7 (freundliche Auskunft von Herrn Oberbibliotheksrat Dr. F. Seck). 13 Kehr, Archivverwaltung, S. 18. 14 Fürst Clodwig zu Hohenlohe-Schillingsfürst, Denkwürdigkeiten aus der Reichskanzlerzeit, Bd. 3, hrsg. von Karl Alexander v. Müller. Stuttgart / Berlin 1931, S. 88. Später änderte sich die Einstellung des Kaisers zu Schmoller, vgl. dazu unter Hinweis auf Bülows Erinnerungen (Bd. 2, S. 285 ff., S. 497) Dieter Fricke, Zur Militarisierung des deutschen Geisteslebens im wilhelminischen Kaiserreich. Der Fall Leo Arons, in: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft, 8 (1960) S. 1069 – 1107, hier S. 1097 u. 1106.
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Abgesehen davon, daß es sich bei dem Amt des Direktors der Staatsarchive nicht um ein Reichsamt, sondern um ein preußisches handelte, verrät die Bemerkung doch die Unkenntnis von Kaiser und Kanzler, daß gerade Schmoller, „Kathedersozialist“, aber nicht Sozialdemokrat, zu jenen Gelehrten zählte, die die „bestehende Gesellschaftsordnung und deren Grundlagen, das Privateigentum auch an den Produktionsmitteln, Boden und Kapital verteidigt“ hatten15. Immerhin ist das Staatsministerium unter Hohenlohes Vorsitz dann wenigstens einer Empfehlung Schmollers gefolgt, als es die Sybelsche Stelle mit Koser besetzte. Damit trat auf „sozialistischen“ Vorschlag, unterstützt durch einen Nationalliberalen als zweiten Direktor, ein im besten Sinne konservativer Gelehrter an die Spitze der preußischen Archivverwaltung, ein Staatsdiener „friederizianischer“ Provenienz. Reinhold Koser entstammte wie sein Lehrer Droysen, wie Mommsen, Schliemann und Lamprecht und viele andere einem evangelischen Pfarrhaus; er wurde am 7. Februar 1852 als Kind des Pastors Bernhard Koser in Schmarsow nördlich Prenzlaus in der Uckermark geboren. Sein Vater bereitete ihn, besonders in Latein und deutscher Literatur, vorzüglich auf das Joachimsthalsche Gymnasium – damals noch in der alten Burggasse gegenüber dem Berliner Stadtschloß – vor, das er zwölfjährig im Oktober 1864 mit der Quarta bezog, in dessen Alumnat – zunächst im „Schlafsaal Nr. 7“ – er sich aber nur schwer eingewöhnen konnte16. In der Schulzeit tat er sich u. a. im lateinischen und deutschen Aufsatz hervor, worin sich vielleicht das stilistische Erbe seines Großvaters, des Schriftstellers und Übersetzers Karl Kannegießer, ausprägte17. Koser bestand am 20. 9. 1870 das Abitur als primus omnium. Die Entlassungsrede des Gymnasialdirektors Kießling stand unter einem Wort des Pylades aus Goethes „Iphigenie“, das Koser bald in einzigartiger Weise befolgen sollte: „Ein jeglicher muß seinen Helden wählen, dem er die Wege zum Olymp hinauf sich nacharbeitet.“ Als Kriegsfreiwilliger im Deutsch-Französischen Kriege als nicht felddiensttauglich abgelehnt, studierte Koser Philologie und, unter dem Einfluß Johann Gustav Droysens, neuere Geschichte18, zunächst in Berlin, dann in Wien, wo sein Bruder in diplomatischen Diensten stand. Hier trat er in die Burschenschaft Silesia ein und nahm vor allem am geselligen Wiener Studentenleben teil. Koser hörte dort bei Ottokar Lorenz, aber als Anfänger blieb ihm das Historische Institut verschlossen, so daß er seine hilfswissenschaftliche Ausbildung später bei Dümmler in Halle / S. 15 Adolph Wagner / Gustav Schmoller / Hans Delbrück, Über die Stumm’sche HerrenhausRede gegen die Kathedersozialisten, Berlin 1897, S. 3 f. 16 Klinkenborg, Koser, S. 286, ausführlicher bei Georg Lokys, Reinhold Koser. Ein Erinnerungsblatt zu seinem 80. Geburtstag (7. Februar 1932), in: Vergangenheit und Gegenwart, 22 (1932) S. 129 – 136, hier bes. S. 130 (zit. Lokys / Koser). 17 Klinkenborg, Koser, S. 286. Professor Kannegießer war Direktor des reformierten Friedrich-Gymnasiums in Breslau u. Dozent für neuere Literatur an der dortigen Universität. 18 Vgl. die schon in J. G. Droysens Seminar angeregte Untersuchung von R. Koser über: Die Katastrophe der Schweden im Schleswig-Holstein Konflikt im Jahre 1713, in: Zeitschrift für preußische Geschichte, 12 (1875) S. 529 – 608, Nachtrag, ib. 13 (1876) S. 625 – 631.
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nachholen mußte, wo er auch am 18. Juni 1874 bei Gustav Droysen, dem Sohn seines Berliner Lehrers, über den „Kanzleienstreit, ein Beitrag zur Quellenkunde der Geschichte des 30-jährigen Krieges“ promoviert wurde. Ein Jahr später legte Koser in Halle das Staatsexamen für das höhere Lehramt mit glänzendem Ergebnis ab, und erwarb dadurch die Facultas für den Gymnasialunterricht der oberen Klassen in Geschichte und Geographie sowie der mittleren Klassen in Latein, Griechisch und Deutsch. Bald zeigte sich jedoch, daß er von dieser Facultas keinen Gebrauch machen würde. Schon im Herbst 1874 war Koser endgültig nach Berlin zurückgekehrt, wo er an mittelalterlichen Vorlesungen und Übungen von Karl Wilhelm Nitzsch und neuzeitlichen von J. G. Droysen teilnahm, der ihm dann auch zum Ende des Jahres eine Anstellung als Hilfsarbeiter bei der Preußischen Akademie der Wissenschaften erwirkte und ihm damit die Möglichkeit gab, sich ganz der Forschung zu widmen. Im Auftrage der Akademie gab Koser zunächst in zwei Bänden „Preußische Staatsschriften“ aus der Zeit Friedrichs des Großen19 sowie bis zum zehnten Bande dessen „Politische Korrespondenz“ von 1740 –1756 heraus und fand damit Thema und Gestalt für seine zukünftige Arbeit. Umfangreiche Studien führten ihn in Berlin in das Geheime Staatsarchiv, das Königliche Hausarchiv und in das Kriegsarchiv des Großen Generalstabs, ferner in die Archive Hannovers und Dresdens, erneut auch nach Wien, schließlich nach Stockholm und Paris. Im Dezember 1880 habilitierte sich Koser an der Berliner Universität, sah sich aber schon 1882 „veranlaßt, da die Aussichten auf eine Professur trotz aller Anerkennung seiner Leistungen nicht eben günstig waren, sich durch den Eintritt in die Archivverwaltung eine Lebensstellung zu sichern“20. Sybel stimmte dem gern zu, da sich nach seiner Überzeugung am Geheimen Staatsarchiv ohnehin zu viele Archivare mit der mittelalterlichen Geschichte und zu wenige mit der Neuzeit beschäftigten21. Koser trat am 1. 9. 1882 die Stelle eines Geheimen Staatsarchivars an und nahm in den folgenden Jahren intensiv an der Neuordnung der Bestände nach dem eben im Jahr zuvor von Sybel eingeführten, aber noch kaum erprobten Provenienzprinzip teil22, das sich indessen bis heute als Kerngedanke archivischer Arbeit be19 Preußische Staatsschriften aus der Regierungszeit König Friedrichs II., bearb. von Reinhold Koser, Bd. 1 (1740 – 45) u. Bd. 2 (1746 – 56), Berlin 1877 u. 1885; Bd. 3 (1756 – 1763), bearb. von Otto Krauske, Berlin 1892. 20 Otto Hintze, Nachruf auf Reinhold Koser, in: HZ, 114 (1915) S. 72. 21 Zudem war Paul Hassel, der durch seine Geschichte der preußischen Politik von 1807 – 09 bekannt geworden war, gerade nach Dresden gegangen und Max Posner, der über Friedrich den Großen als Schriftsteller arbeitete, eben gestorben. Über beide vgl. Eckart Henning / Christel Wegeleben, Archivare beim Geheimen Staatsarchiv in der Berliner Kloster- und Neuen Friedrichstraße (1874 – 1924), in: Jahrbuch für brandenburgische Landesgeschichte, 29 (1978) S. 25 – 61, hier: S. 47, 55. 22 Paul Bailleu, Otto Hintze und Michael Tangl über Koser im Sitzungsbericht des Vereins für die Geschichte der Mark Brandenburg vom 14. 10. 1914, (zit. Sitzungsbericht) in: FBPG, 28 (1914) SB, S. 4.
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währt hat. Im gleichen Jahr wurde Koser auch Mitglied des Vereins für die Geschichte der Mark Brandenburg, in dessen Sitzungen er im Laufe der Zeit fünfzehn Vorträge hielt; vor allem aber gab er als Redakteur des Vereins die ersten vier Bände der „Forschungen zur Brandenburgischen und Preußischen Geschichte“ (1888 ff.) heraus, die er mit einer programmatischen „Umschau auf dem Gebiete der brandenburgisch-preußischen Geschichte“ einleitete. Am 7. 10. 1884 schied Koser wieder aus dem Archivdienst aus, um nach dem Tode seines Lehrers J. G. Droysen eine außerordentliche Professur für neuere Geschichte an der Berliner Universität zu übernehmen. Überdies galt es – gemeinsam mit Delbrück – auch Treitschke zu vertreten, der bereits völlig ertaubt war und keine Übungen mehr abhalten konnte. Unter Kosers Seminaristen, von denen Albert Naudé, Otto Krauske und Friedrich Meinecke die wichtigsten waren, befand sich damals auch Kurt Breysig, der ihn folgendermaßen schilderte: „Koser war ein Mann von großer Tüchtigkeit23, ein echter Märker, dessen Vorlesungen das Gepräge seiner Trockenheit trugen, dessen Seminar aber den Zweck einer gründlichen Schulung im Handwerk vollkommen erreichte“24. Otto Hintze nannte Kosers Berliner Dozententätigkeit „reich und fruchtbar“25. Nach sechsjähriger erfolgreicher Vorlesungstätigkeit, in der Koser Berufungen an andere Universitäten ausschlug, nominierte ihn 1890 der aus seiner Bonner Professur scheidende Joachimsthaler Alfred Dove (Abiturient des Jahres 1861), der wieder Redakteur bei der in München erscheinenden „Allgemeinen Zeitung“ wurde, gemeinsam mit seinem Gymnasial-Kommilitonen, dem Historiker Max Lehmann (Abiturient 1863) zum Nachfolger im Ordinariat für neuere Geschichte an der Rheinischen Friedrich-WilhelmsUniversität. Damals schrieb Dove an Althoff: „Hinter Lehmann steht mir Koser am höchsten. Auch er ist als historischer Forscher, Darsteller und Lehrer schon jetzt ganz vorzüglich und wird es noch immer mehr werden“26. Da Max Lehmann das Bonner Ordinariat ausschlug, erhielt Koser den Ruf, dem er 1891 nicht ohne Zögern gefolgt ist – später hat er den Bonner Aufenthalt „als den Höhepunkt seines Lebens betrachtet“27. Dazu trug auch nicht wenig seine Frau Elisabeth bei, Tochter des Wolfenbüttler Bibliothekars Otto v. Heinemann, die er noch vor seinem Weggang aus Berlin am 5. 8. 1887 geheiratet hatte28. Aus dieser Ehe gingen zwei Söhne und eine Tochter hervor29. 23 Diese Bezeichnung für Koser kehrt auch dort wieder, wo er davon spricht, daß er sich einen Begriff von der „ehrlichen Tüchtigkeit Kosers“ gemacht habe. Vgl. Kurt Breysig, Aus meinen Tagen und Träumen. Memoiren, Aufzeichnungen, Briefe, Gespräche. Aus dem Nachlaß hrsg. v. Gertrud B. / Michael Landmann, Berlin 1962, S. 42 (zit. Breysig). Vgl. auch Bernhard vom Brocke, Kurt Breysig. Geschichtswissenschaft zwischen Historismus und Soziologie, Lübeck u. Hamburg 1971, S. 21 ff., S.33. (= Historische Studien, H. 417). 24 Breysig, S. 14. 25 Sitzungsbericht, S. 3. 26 Alfred Dove, Ausgewählte Briefe, hrsg. v. Oswald Dammann, München 1925, S. 137 (zit Dove, Briefe); vgl. auch Vergangenheit und Gegenwart, 21 (1931) S. 755. 27 G. B. Volz, in: Deutsches Biographisches Jahrbuch, 1 (1925) S. 59.
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Wie sein berühmtester Vorgänger auf dem Bonner Lehrstuhl, Heinrich v. Sybel, wurde Reinhold Koser dann am 9. 3. 1896 zum „Direktor der Staatsarchive“ ernannt30, womit im Nebenamt nicht nur das des Direktors des Geheimen Staatsarchivs, sondern in Personalunion auch der Vorsitz im Kuratorium des Preußischen Historischen Instituts in Rom verbunden war. Neben Koser wurde, wie vom Staatsministerium beschlossen, der liberale Abgeordnete und Geheime Staatsarchivar Dr. Karl Sattler zum „Zweiten Direktor der Staatsarchive“ ernannt, was als eine vom Finanzminister Miquel durchgesetzte „Konzession an den beginnenden Parlamentarismus“ angesehen wurde31; wichtigste Aufgabe Sattlers war die eigentliche Leitung des Geheimen Staatsarchivs32. Am 27. 12. 1899 wurde Koser „nach Analogie des dem Vorstand der Königlichen Bibliothek zustehenden Titels ‚Generaldirektor‘, der Amtstitel ,Generaldirektor der Staatsarchive‘ verliehen“33; zugleich erhielten damals die Vorsteher der größeren Staatsarchive in Breslau, Düsseldorf, Hannover, Koblenz, Königsberg / Pr., Magdeburg, Münster, Posen, Schleswig, Stettin und Wiesbaden die Amtsbezeichnung „Archivdirektor“34. Entsprechend den Forderungen, die zu seiner Ernennung geführt hatten, nahm sich Koser nach seinem Amtsantritt stärker der organisatorischen, im engeren Sinne aber archivischen Aufgaben an, nämlich der Sicherung und Erschließung der Bestände, wie der Schulung des archivarischen Nachwuchses. Beides war unter seinem Vorgänger gegenüber den wissenschaftlichen Aufgaben vernachlässigt worden, zumal „ja die geringe Anzahl der damals vorhandenen wissenschaftlichen Archiv28 Dazu und über Kosers Bonner Zeit vgl. Paul Egon Hübinger, Das Historische Seminar der Rheinischen-Friedrich-Wilhelms-Universität zu Bonn, Bonn 1963, S. 20, 182 – 185. 29 Begraben auf dem alten Friedhof der Zwölf-Apostel-Gemeinde in Berlin-Schöneberg (Grabstätten Nr. 5 A 17 / 19) sind außer R. K. selbst u. seiner Gemahlin Elisabeth geb. v. Heinemann (7. 10. 1849 – 19. 5. 1915), seine Eltern Bernhard (21. 3. 1807 – 2. 3. 1885) und Marie Koser geb. Kannegießer (4. 7. 1818 – 7. 2. 1891) u. seine Söhne Bernhard (7. 9. 1890 – 5. 3. 1922) und Otto Koser (28. 4. 1893 – 17. 8. 1941); letzterer wurde wie der Vater Archivar, über ihn vgl. Eckart Henning / Christel Wegeleben, Archivare beim Geheimen Staatsarchiv in Berlin-Dahlem 1924 – 1974, in: Jahrbuch für brandenburgische Landesgeschichte, 27 (1976) S. 155 – 178, hier S. 169. 30 Amtsantritt am 1. 4. 1896. 31 Vgl. Kehr, Archivverwaltung, S. 18, Anm. 1. 32 GStA Rep. 90, Nr. 946, Bl. 10 f. mit dem Regulativ Kosers vom 27. 4. 1896 über den Aufgabenbereich des „Zweiten Direktors der Staatsarchive“. Ober die spätere Umwandlung dieses Amtes in das eines „Zweiten Direktors des Geheimen Staatsarchivs“, vgl. Winter, Leitung, passim. 33 GStA Rep. 90 Nr. 946, Bl. 11. In der gleichen Sitzung des Staatsministeriums vom 18. 12. 1899, in der für Koser der Titel eines „Generaldirektors“ beantragt u. genehmigt wurde, erhielt der Zweite Direktor der Staatsarchive den Charakter als „Geheimer Regierungsrat“. 34 Allerhöchster Erlaß vom 27. 12. 1899, in: Ministerialblatt für die gesamte innere Verwaltung (zit. MBl Verw.), 61 (1900) S. 9 f., vgl. auch Korrespondenzblatt des Gesamtvereins der deutschen Geschichts- und Altertumsvereine. Jg. 48 (1900) S. 29 (zit. Korrespondenzblatt) u. die Einleitung zu Henning / Wegeleben, Archivare 1874 – 1924.
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beamten nicht im entferntesten imstande sein konnte, den verschiedenen Ansprüchen zu genügen“35. Es gelang Koser im Laufe der Zeit, die Zahl der Planstellen für Archivare zu erhöhen (obwohl sich die preußischen Staatsarchive im gleichen Zeitraum nur um eines vermehrten), was aber auch angesichts der sprunghaft angestiegenen behördlichen und privaten Benutzung der Archive unabweislich gewesen sein dürfte. Im Jahre 1854 betrug die Zahl der wissenschaftlich vorgebildeten Beamten der Staatsarchive 21, 1875 bereits 43, beim Amtsantritt Kosers waren es 59 und schon im Jahre 1900 gab es 71 entsprechende Stellen36 – Zahlen, die bis zum Ende seiner Amtszeit noch beständig weiter gestiegen sind. Koser trat ferner in einer Denkschrift vom 4. 8. 1896 erfolgreich für eine Verbesserung und Anpassung der Besoldungsverhältnisse der Archivare ein, die trotz höherer Anforderungen hinter denen der übrigen Beamten mit akademischer Ausbildung (wie Oberlehrern und Bibliothekaren) zurückgeblieben waren, wodurch er Ansehen und Arbeitsfreude dieses Berufsstandes spürbar stärkte. Wie sich für Koser aus seinen Inspektionsreisen ergab, waren für die Sicherung und zweckmäßige Lagerung der Archivalien zahlreiche Neu- und Umbauten von Archivgebäuden erforderlich, die er gründlich plante und Zug um Zug verwirklichte; aus den Erfahrungen des einen Baues lernte er für den nächsten, und so entstanden in seiner Amtszeit allein acht Neu- bzw. Erweiterungsbauten für die Provinzialarchive in Koblenz, Magdeburg, Stettin, Düsseldorf, Breslau, Münster, Wiesbaden und Osnabrück. Hinzu kam 1901 der Bau für das neugegründete westpreußische Staatsarchiv in Danzig. Die Krönung dieses Bauprogramms sollte aber der seit 1906 geplante und in Kosers letzten Lebensjahren noch eingehend durchdachte Neubau des Geheimen Staatsarchivs, zunächst auf dem Gelände des ehemaligen Botanischen Gartens (dem heutigen Kleist-Park), dann in Dahlem bilden. Koser erlebte es noch, daß der preußische Landtag im März und Mai 1914 die erste Rate für diesen technisch modernsten Archivbau bewilligte, wenn es ihm auch nicht mehr vergönnt war, die Fertigstellung des Gebäudes zu erleben, die zahlreichen kriegsbedingten Verzögerungen unterworfen war37 und das später auch, als Vermächtnis seiner Witwe, seine gesamte Privatbibliothek aufnahm38. Zu Ehren Kosers wurde in Dahlem eine kleine von der Archivstraße abgehende Querstraße – sie begrenzt das Gelände des Geheimen Staatsarchivs in nördlicher Richtung – nach ihm benannt. Seine intensive Bautätigkeit für zehn von insgesamt achtzehn preußischen Archiven, brachte Koser den Ehrentitel eines „Baumeisters der Staatsarchive“ ein39. 35 Schultze, S. 270. Zur Situation der Staatsarchive in Sybels Amtszeit, vgl. am informativsten Gustav Könnecke, Über Preußisches Archivwesen. Ein Promemoria. Als Ms. nur für vorgesetzte Behörden gedr., Marburg / L. 1895. 36 Vgl. die veröffentlichten Zahlen in Mitteilungen der k.preußischen Archivverwaltung (zit. Mitt.), H. 1 (1900) S. 29. 37 Ernst Posner: Der Neubau des Geheimen Staatsarchivs in Berlin-Dahlem, in: AZ, 35 (1925) S. 23 – 40. 38 Kehr, Archivverwaltung, S. 19.
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Doch Koser war keineswegs „nur“ Baumeister, sein Augenmerk richtete sich auch auf Ordnen und Erschließen der Bestände selbst. Er teilte noch im Jahr seines Amtsantrittes das von Sybel am 1. Juli 1881 erlassene „Regulativ für die Ordnungsarbeiten im Geheimen Staatsarchiv“40, an dessen Erprobung er als Archivar noch gemeinsam mit Max Lehmann, der es formulierte41 und Paul Bailleu, der maßgeblich für seine Verwirklichung eintrat42, mitgewirkt hatte, durch Verfügung vom 12. Oktober 1896 den Provinzialarchiven, „soweit der Inhalt anwendbar erscheint, zur Nachachtung mit“43. In diesem archivgeschichtlich höchst bedeutsamen, weit über Preußen hinaus wirkenden „Regulativ“, wurden, im Gegensatz zu dem bis dahin angewandten Pertinenzprinzip, das Provenienz- wie das Registraturprinzip festgelegt44, in Kosers Worten archivische Ordnungsgrundsätze, nach welchen „die Bestände so beieinander zu bleiben haben, wie sie organisch entstanden, wie die einzelnen Stücke im Geschäftsgang der Behörden zu den Akten genommen sind“45. Daß sich bei der Anwendung beider Prinzipien Bestandsprobleme ergaben, zumal sich nach der Provenienz nun auch die archivische Zuständigkeit regelte, die eingehend beraten46 und zentral entschieden werden mußten, zeigt deutlich Kosers ergänzende „Verfügung an die Staatsarchive vom 6. Juli 1907 betr. die Ordnungsar39 Vgl. schon Korrespondenzblatt, 49 (1901) S. 181, u. 50 (1902) S. 190 – 192; Kehr, Archivverwaltung, S. 19. 40 Abgedr. in: Mitt., H. 10 (1908) S. 16 – 20; vgl. dazu E. Henning, 50 Jahre Geheimes Staatsarchiv in Berlin-Dahlem – 100 Jahre seit seiner Vereinigung mit dem Ministerialarchiv, in: Jahrbuch für brandenburgische Landesgeschichte, Bd. 25 (1974) S. 158 – 161. 41 Ernst Posner, Max Lehmann and the Genesis of the Principle of Provenance, in: The Indian Archives, 6 (1950) S. 133 – 141, erneut in: E.P., The Archives and the Public Interest, Washington 1967, S. 36 – 44. Vgl. auch Meta Kohnke, Die Ordnung der Bestände im Geheimen Staatsarchiv in Berlin vor und nach der Einführung des Provenienzprinzips, in: Archivmitteilungen, 11 (1961) S. 111 – 116. 42 Paul Bailleu, Das Provenienzprinzip und dessen Anwendung im Berliner Geheimen Staatsarchiv, in: Korrespondenzblatt, 50 (1902) S. 193 – 195. 43 Johannes Papritz (: Archivwissenschaft, T. III / 1, Marburg 1976, S. 14 – zit. Papritz, Archivwissenschaft) hat darauf hingewiesen, daß Koser das Provenienzprinzip nicht etwa für die Provinzialarchive „obligatorisch“ gemacht habe. 44 Vgl. § 2 u. 4 des Regulativs von 1881. Für die in der Literatur eingehend erörterten Unterschiede und Gemeinsamkeiten des Provenienz- und des Registraturprinzips, sowie für die Diskussion von Brennekes unglücklichem Begriff des „freien Provenienzprinzips“ ist auf Heinrich Otto Meisner, Provenienz-Struktur-Bestand-Fonds. Ein Beitrag zur Archivterminologie, in: Archivmitteilungen 5 (1955) S. 2 – 5 u. auf Johannes Papritz, Grundfragen der Archivwissenschaft, in: AZ, 52 (1956) S. 127 – 176, bes. S. 172 ff. zu verweisen, vgl. auch Papritz, Archivwissenschaft II / 2, S. 490 ff. u. III / 1, S. 32 ff. Weiterhin wichtig zu diesem Problem bleiben die Arbeiten von Georg Winter (1930), Johannes Schultze (1931), Berent Schwineköper (1953) und Gerhart Enders (1956), vgl. die Literaturnachweise bei Eckhart G. Franz, Einführung in die Archivkunde, Darmstadt 1974, S. 39 – 42. 45 R. K.: Die Neuordnung des preußischen Archivwesens durch den Staatskanzler Fürsten von Hardenberg, Leipzig 1904 (= Mitt. H. 7), S. VII u. in: Mitt. H. 3, S. VI. 46 Vgl. die verschiedenen Stellungnahmen und Gutachten der Archive, GStA Rep. 90N, Nr. 54, Bll. 30 ff.
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beiten“47, die ihrerseits Grundlage eines sogen. „Territorialitäts-Prinzips“ wurde48. Diese Verfügung nahm alle diejenigen Fälle von der Anwendung des Provenienzprinzips aus, in denen (provenienzwidrig) Archivalien nach dem älteren Grundsatz der Archivfolge von ihren Fonds abgetrennt und neuen Behörden abgezweigter Gebietsteile, bzw. ihren Archiven zur Verfügung gestellt wurden, wie beispielsweise bei der Festlegung der neuen Provinzgrenzen zu Beginn des 19. Jahrhunderts; eine Rückgabe an das ursprünglich zuständige Archiv sollte nur erfolgen, wenn es sich dabei um Stücke aus den brandenburg-preußischen Zentralbehörden handeln würde. Weiter hieß es: Wenn territorial aufgeteilte Aktenbestände von der einen Behörde der anderen zu Verwaltungszwecken übergeben werden, bei ihr aber keine „planmäßige Verschmelzung“49 mit den eigenen Akten stattfindet, sind sie nicht als Vorakten der neuen Behörde (bzw. Nachfolgebehörde), sondern „als Registratur dieser Vorbehörde selbständig aufzustellen“50. Diese letztere Bestimmung erwies sich als „von größter Wichtigkeit und weitreichender Nachwirkung“51 und würde später auch noch bei Ordnungs- und Verzeichnungsarbeiten u. a. im Zentralen Staatsarchiv der DDR angewandt52. Daß Koser bei der Einführung des Provenienzprinzips in den Staatsarchiven der preußischen Provinzen behutsam und bei seiner archivischen Anwendung durchaus praxisbezogen und nicht schematisch vorging, zeigt sein Begleitschreiben an die Vorstände der Provinzialarchive vom 7. September 1908 zu einem „Entwurf“ seiner „Leitsätze für die in den Staatsarchiven zum Zwecke der Abgabe oder des Austausches von Archivalien zu bewirkenden Aussonderungsarbeiten“53. Er teilte darin mit, daß diese Leitsätze sämtlich von der „Erwägung“ ausgingen, „daß an sich zwar die Möglichkeit für die Rekonstruktion der in ihrem ursprünglichen Bestande gestörten Registraturen vorliegt, daß aber die dazu erforderlichen Aussonderungsarbeiten nicht nur wegen ihres Umfanges, sondern häufig auch wegen ihrer Schwierigkeit einen außer allem Verhältnis zu dem praktischen Ertrag stehenden Zeitaufwand erfordern würden und daß jedenfalls zur Zeit noch überall dringlichere Ordnungsarbeiten ihrer Erledigung harren“54. Koser wies am 10. März 1909 in einer Konferenz mit den Beamten des Geheimen Staatsarchivs55 über diese 47 Mitt. H. 10 (1908) S. 22 – 23, notabene vom 6., nicht vom 5., Juli 1907, wie es bei Papritz, Archivwissenschaft III / 1, S. 14 u.ö. heißt. 48 Papritz, Archivwissenschaft III / 1, S. 14. 49 Wortlaut der Verfügung, in: Mitt. H. 10 (1908), S. 22. 50 Ebd. 51 Papritz, Archivwissenschaft III / 1, S. 15. 52 Papritz, Archivwissenschaft 1I1 / 2, S. 20 – 22. 53 Ausgangspunkt für diese Überlegungen war die Gründung des Staatsarchivs Danzig, für das der mit seiner Errichtung beauftragte Max Bär auch westpreußische Akten des Königsberger Staatsarchivs anforderte. Vgl. Brenneke, Archivkunde, S. 72, u. Bär, Die Begründung des Staatsarchivs Danzig, in: Korrespondenzblatt, 52 (1904) Sp. 423 ff.; ders., Das Staatsarchiv zu Danzig, Leipzig 1912 (= Mitt. H. 21), S. 19 ff. 54 GStA Rep. 90 N, Nr. 54, Bl. 80.
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„Leitsätze“ u. a. hin „auf die vornehmlich in Breslau, Posen und Wiesbaden geübte Praxis einer rein ideellen Rekonstruktion der alten Registraturen durch Herstellung von Repertorien nach dem strengen Provenienzprinzip, während die örtliche Lagerung der Archivalien nach dem Sachprinzip, die früher durchgeführt worden und deren gänzliche Rückgängigmachung mancherlei Bedenken unterliegen würde, bestehen bleibt. Dasselbe Verfahren ließe sich mutatis mutandis auch in den Fällen anwenden, wo die Bestände einer alten Registratur auf mehrere Archive verteilt worden sind“. Aus dem Protokoll dieser Konferenz56 ergibt sich weiter, daß die Leitsätze in erster Linie als „eine Konsequenz der Verfügung vom 6. Juli 1907“ anzusehen waren, aber nicht zuletzt „wegen der Schwierigkeit einer grundsätzlichen Lösung dieser Fragen“ nur als solche und daher auch „nicht als Verfügung“ den Staatsarchiven übermittelt werden sollten. Sie boten, wie es in dem schon erwähnten Begleitschreiben hieß, nur „Anhaltspunkte für die Behandlung derjenigen einschlägigen Stücke oder Gruppen, deren Provenienzverhältnis entweder bereits sicher bestimmt ist oder sich im Zusammenhang der jeweiligen Ordnungsarbeiten feststellen läßt“57. Da anscheinend diese 12 Leitsätze in ihrer endgültigen Fassung vom 7. 9. 1909 wegen ihres nur empfehlenden Charakters (vielleicht auch im Bewußtsein der nicht abschließend gelösten Fragen) ungedruckt blieben, und daher innerhalb der archivtheoretischen Diskussion des Provenienzprinzips leider nicht die gebührende Beachtung gefunden haben58, sollen sie, nicht zuletzt als Beispiel für Kosers archivarisches Wirken, aber auch zur Vervollständigung unserer Kenntnis über die Weiterentwicklung und Durchführung dieses Prinzips in Preußen nachfolgend wiedergegeben werden: „Leitsätze für die in den Staatsarchiven zum Zwecke der Abgabe oder des Austausches von Archivalien zu bewirkenden Ordnungsarbeiten59. 1. Die Verteilung nach dem territorialen und lokalen Bezuge (nach der Pertinenz), der zu Anfang des vorigen Jahrhunderts die Archivalien aufgelöster Staaten und Körperschaften und aufgehobener Behörden sowie der an neue Besitzer abgetretenen oder zu anderen Verwaltungsbezirken gelegten Landesteile unterzogen worden sind, ist als historisch gegeben und aus den damals und zum Teil bis heute vorliegenden sachlichen Gründen gerechtfertigt, im allgemeinen aufrecht zu erhalten (Verfügung vom 6. Juli 1907).
55 Teilgenommen an dieser Konferenz haben, soweit sich dies aus den im Protokoll vermerkten Wortmeldungen entnehmen läßt, der Zweite Direktor der Staatsarchive Bailleu, ferner die Archivare beim Geheimen Staatsarchiv Arnold, Keller, Klinkenborg, Kohlmann, Lüdicke, Martiny, Müsebeck und v. Pflugk-Harttung. 56 GStA Rep. 90 N, Nr. 54, Bl. 70 f. 57 Wie Anm. 54. 58 Vgl. jedoch Brenneke, Archivkunde, S. 72 ff. 59 GStA Rep. 90 N, Nr. 54, B11.81 – 83 (AV 1863 / 09).
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II. Teil 2.
Wo bei jener Aufteilung Teile eines Bestandes, entgegen dem für die Sonderung damals aufgestellten Grundsatze, aus Versehen oder durch Zufall abgesplittert worden sind, werden solche Bruchstücke nachträglich dem Staatsarchiv zuzuführen sein, an das der Hauptbestand gelangt ist. 3. Indes sollen die in staatlichen Besitz übergegangenen stiftischen und Klosterarchive und sonstigen Korporation- sowie Familienarchive, soweit sie, wenn auch nur bruchstückweise, noch erhalten sind, eine weitere Verminderung ihres Bestandes nicht erfahren. Vielmehr bleibt es vorbehalten, Archiven dieser Art die bei dem Aufteilungsgeschäft ihnen entfremdeten Stücke, welche in andern preußischen Staatsarchiven sich nachweisen lassen, in Abweichung von der durch die Verfügung vom 6. Juli 1907 aufgestellten Regel wiederzuzuführen. 4. Akten von Lokalbehörden sind, wie es sowohl dem Provenienz- als auch dem Pertinenzprinzip entspricht, dem Archiv derjenigen Provinz oder desjenigen Archivsprengels zuzuweisen, worin der entsprechende lokale Bezirk heute gelegen ist. 5. Bei der Aufnahme von Ablieferungen der heute bestehenden Behörden ist in erster Linie darauf zu achten, daß eine Vermischung von Beständen aus verschiedenen Registraturen ausgeschlossen bleibt, daß also diejenigen Akten, welche die abliefernde Behörde von einer anderen als Vorakten übernommen hat, bei der Einordnung in die Archivbestände ausgesondert und als Akten der Vorbehörde aufgestellt werden. Wo die Akten einer Behörde von einer anderen in demselben Hefte unmittelbar fortgeführt worden sind, ist das Heft ungetrennt bei den Akten der zweiten Behörde zu belassen (Verfügung vom 6. Juli 1907). Ausgenommen wird weiter der gleichfalls in der Verfügung vom 6. Juli 1907 bereits vorgesehene Fall, ,daß vor der Abgabe an das Archiv eine planmäßige Verschmelzung der verschiedenartigen Bestandteile durchgeführt und in übersichtlichen Repertorien oder Indices zum Ausdruck gelangt ist‘. Ein Beispiel bietet das von der Regierung in Magdeburg an das dortige Staatsarchiv abgegebene s. g. Kultusarchiv, dessen Repertorium über die verschiedenen Provenienzen dieses Archivs (über die bei der Regierung unmittelbar geführten Akten und über die von ihr übernommenen Vorakten der älteren, sowohl magdeburgischen wie kurmärkischen Behörden) eine systematische, der für Verwaltungszwecke künstlich hergestellten Ordnung entsprechende Übersicht gibt. 6. Der Regel nach soll bei Übernahme einer Ablieferung auch eine Teilung einheitlich erwachsener Registraturen (nach Ausscheidung der unter 5 bezeichneten fremdartigen Bestandteile: Vorakten) nicht stattfinden. Nach diesem Grundsatz werden z. B. die Ablieferungen des Oberpräsidiums der Rheinprovinz ungeteilt dem Staatsarchiv zu Coblenz überwiesen, ohne Rücksicht darauf, ob sich die Akten auf die Verwaltung der dem Archivsprengel Düsseldorf entsprechenden Regierungsbezirke Aachen, Cöln und Düsseldorf beziehen.
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7. Eine Teilung von Registraturbeständen hat ausnahmsweise auch dann stattzufinden, wenn aus einem Verwaltungsbezirk ein anderer selbständig und gleichgeordnet herausgelöst worden ist. Bei Abzweigung der Provinz Westpreußen hat das Oberpräsidium zu Königsberg seine auf Westpreußen bezüglichen Akten an das neue Oberpräsidium zu Danzig als Vorakten abgegeben, von dem sie im Ablieferungsfalle ohne Rücksicht auf ihre ehemalige Zugehörigkeit zu der Königsberger Oberpräsidialregistratur an das Staatsarchiv zu Danzig gelangen. Auch hat das Staatsarchiv zu Königsberg die ausschließlich auf Westpreußen bezüglichen Teile älterer Bestände (z. B. die s. g. Westpreußischen Folianten) bei der Errichtung des Staatsarchivs zu Danzig an dieses abgegeben. Ein weiteres Beispiel bietet innerhalb des Geheimen Staatsarchivs die aus der Abzweigung des Ministeriums der öffentlichen Arbeiten von dem Ministerium für Handel und Gewerbe sich ergebende gesonderte Aufstellung der auf das eine und das andere dieser beiden Ministerien entfallenden Akten, einschließlich der bei dem älteren Ressort erwachsenen Vorakten des jüngeren60 8. Eine Teilung von Registraturen hat weiter da stattzufinden, wo die Zuständigkeit einer Behörde sich über verschiedene Provinzen oder Teile verschiedener Provinzen erstreckt. Das Oberbergamt in Bonn verteilt seine Ablieferungen nach der örtlichen Beziehung auf die Archive der Rheinprovinz und zu Wiesbaden, das Oberbergamt in Halle auf die Staatsarchive der betreffenden Provinzen61. Das Landgericht Neuwied, zu dessen Bezirk auch nassauische Amtsgerichte gehören, schickt seine Ablieferungsverzeichnisse pro rata nach Wiesbaden. In entsprechendem Verhältnis stehen das Landgericht Limburg zu dem Amtsgericht Wetzlar, das Landgericht Hannover zu den Gerichten des hessen-nassauischen Kreises Grafschaft Schaumburg, das Landgericht Meiningen zu dem Amtsgericht Schmalkalden, die Regierung in Minden zu den Forstbehörden des Kreises Grafschaft Schaumburg. Daß sie bei den Unterbehörden (Amtsgerichten usw.) entstandenen Akten dem nach seinem örtlichen Sprengel zuständigen Staatsarchiv zu überweisen sind, ergibt sich aus dem Satz Nr. 4. Für die Behandlung von Ablieferungen der Eisenbahndirektion ist Entscheidung von Fall zu Fall einzuholen62.
60 Vgl. Papritz, Archivwissenschaft II / 2, S. 27 f.; desgl. Helmut Dahm, Behördenprovenienz und Ressortprovenienz, in: Der Archivar, 16 (1963) Sp. 219 – 230, bes. Sp. 222 f. 61 Vgl. Papritz, Archivwissenschaft II / 2, S. 326 f. u. 331 über den Kompetenzwandel der preußischen Geheimen Bergregistratur und die archivische Behandlung dieses Aktenbestandes. 62 In der Konferenz am 10. März 1909 machte Reinhard Lüdicke „auf Unzuträglichkeiten aufmerksam, die sich bei einer Anwendung des in § 8 ausgesprochenen Grundsatzes auf die Ablieferung der Eisenbahndirektionen ergeben würden, da die Direktionsbezirke ohne Rücksicht auf die Provinzialgrenzen nach rein verkehrstechnischen bzw. strategischen Rücksichten gebildet seien“ (aus dem Protokoll).
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II. Teil 9.
Für den Austausch mit den Archivverwaltungen anderer Staaten sind in erster Linie die in Staatsverträgen etwa enthaltenen Bestimmungen maßgebend. 10. Wo derartige Bestimmungen nicht vorgreifen, ist die Aussonderung zum Zwecke eines Austausches nach dem Grundsatz der Provenienz vorzunehmen. 11. Kriegsbeute an Urkunden und Akten ist unter dem Gesichtspunkt des archivalischen Provenienzprinzips als untrennbarer Bestandteil derjenigen Registratur zu betrachten, der sie nach ihrer Bergung einverleibt worden ist. Die 1756 in Dresden mit Beschlag belegten sächsischen Staatsakten wurden damals dem Departement der Auswärtigen Affären übergeben und bilden im Geheimen Staatsarchiv zu Berlin einen Bestandteil der entsprechenden Reposituren. Ebenso wird die Aktenbeute aus dem Kriege 1870, soweit sie durch das Auswärtige Amt dem Geheimen Staatsarchiv überwiesen worden ist, bei den andern aus der Registratur des Auswärtigen Amts dorthin gelangten Akten aufbewahrt. Nicht anders bilden im Bayrischen Staatsarchiv zu München die durch die Bayern 1620 in der Schlacht von Prag und 1623 bei der Einnahme von Heidelberg erbeuteten kurpfälzischen Akten noch heute einen Bestand der ‚bayrischen‘, nicht der ‚pfälzischen‘ Abteilung. 12. In den Fällen, in denen sich aus den vorstehenden Leitsätzen Abweichungen von dem Provenienzprinzip ergeben, empfiehlt sich die Anlage von Hilfsverzeichnissen (ProvenienzRepertorien; vergl. Mitteilungen der Königlich Preußischen Archivverwaltung Heft 12, S. 26 Anm.), d. h. von summarischen Nachweisungen derjenigen mit Archivalien anderer Herkunft vermischten Stücke, aus denen sich die Cadres aufgelöster Registraturen rekonstruieren lassen würden. Auch werden derartige Hilfsverzeichnisse im gegebenen Fall einem daran interessierten benachbarten Staatsarchiv abschriftlich mitzuteilen sein.“
Diese archivgeschichtlich bedeutsamen Leitsätze wurden am 10. 2. 1938 durch eine Verfügung der Generaldirektion wieder aufgehoben; „die in dieser Verfügung vertretene Meinung, durch die Leitsätze von 1909 sei eigentlich auch die Aufteilung der Registraturen der Oberbehörden (Oberpräsidium usw.) in den Provinzen mit mehreren Staatsarchiven (Hessen-Nassau, Hannover, Rheinprovinz) vorgesehen gewesen, beruht auf irriger Auslegung; denn hier handelt es sich weder um Herauslösung eines selbständigen und gleichgeordneten Verwaltungsbezirks noch um Behörden, deren Zuständigkeit sich über mehrere Provinzen erstreckt“63. Neben den grundsätzlichen Fragen der Archivorganisation wandte sich Koser auch anderen archivischen Problemen zu, wie etwa der Archivalienkonservierung 63 Vgl. Fußnote 44 bei Brenneke, Archivkunde, S. 74; „selbständig“ und „gleichgeordnet“ sind dort gesperrt.
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und der inzwischen immer wichtiger werdenden photographischen Aufnahme von Akten. Auf seine Anordnung hin wurde der auf letzterem Gebiet als Pionier tätige Archivrat beim Staatsarchiv in Posen, Professor Dr. Adolf Warschauer, vom 29. 1. – 1. 3. 1906 und vom 15. – 26. 10. 1907 an das Photochemische Laboratorium in Berlin abgeordnet, um in Zusammenarbeit mit dem ersten Assistenten dieses Instituts, Otto Menthe, entsprechende Versuche über „Die Anwendung der Photographie für die archivalische Praxis“ durchzuführen, über die in Protokollen berichtet wurde64. Dabei ergab sich, „daß endgültige, für die archivalische Praxis wertvolle Ergebnisse und Leistungen sich nur bei einer dauernden Befestigung der nunmehr angebahnten Beziehungen zwischen archivalischer und technischer Schulung werden gewinnen lassen …“65 Immerhin erprobte man schon die Anwendung der Photographie auf „spezielle Fälle“, wie die Aufnahme eines gelben, braunen oder roten Siegels, die Aufnahme von Schrift, deren Lesbarkeit von durchgeschlagener Schrift oder von Rostflecken gestört wurde, ferner die Aufnahme von Urkunden. Auch die Bedeutung direkter Kopierverfahren (ohne Negativ) für die Zukunft wurde nicht allein erörtert, sondern in verschiedenen Verfahren bereits eingehend geprüft. Ein weiteres Problem, das Koser erfolgreich in Angriff nahm, war die „Erschließung der nichtstaatlichen Archive“66. Seit Lancizolle konnte die preußische Archivverwaltung aus Mangel an Personal und Etatmitteln selbst bei den Stadtarchiven nicht annähernd für eine angemessene Ordnung und Verzeichnung der Archivalien sorgen67, obwohl gelegentlich staatliche Archivbeamte zu diesem Zwecke beurlaubt und an ein Stadtarchiv abgeordnet wurden. Unter Koser wurde nun die Übernahme des süddeutschen Archivpfleger-Systems nach Preußen ernsthaft beraten und mit der Inventarisierung der nichtstaatlichen Archive, beispielsweise in Westfalen, begonnen. Im Jahre 1900 betonte der Generaldirektor, daß die „bisher gewonnenen Erfahrungen bereits gezeigt“ hätten, „daß es verfehlt sein würde, die Lösung einer in allen Provinzen gleichmäßig gestellten archivalischen Aufgabe überall nach der gleichen Schablone zu versuchen“. Er erklärte jedoch seine Bereitschaft, einen „Zuschuß zu den Kosten im Bedürfnisfall“ nach Maßgabe der bei der Archivverwaltung „gerade verfügbaren Mittel“ zu leisten, „wenn in der Provinz selbst die Bedeutung der Aufgabe gewürdigt und das eigene Interesse daran anerkannt wird und wenn der Boden überhaupt genügend vorbereitet erscheint …“68 64 Erschienen in: Mitt. 15 (1900). Vgl. die Hinweise auf die Sonderschau „Archivarische Photographie von Menthe und Warschauer in Leipzig“, in: Korrespondenzblatt, 62 (1914) Sp. 193 – 194. 65 Mitt. 15 (1909) S. 9. 66 Vgl. Mitt. 1 (1900) S. 21 – 26. 67 Karl Wilhelm von Lancizolle, Die Preußischen Provinzial-Archive und ihre Zukunft, Berlin 1854, S. 3 f.; vgl. dazu die Instruktion für die Beamten der Staatsarchive in den Provinzen vom 31. 8. 1867, in: MBlVerw., 28 (1867) S. 327 – 331. 68 Mitt. 1 (1900) S. 26.
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II. Teil
Die von Sybel begonnene und von der historischen Forschung allseits begrüßte Liberalisierung der wissenschaftlichen Archivbenutzung setzte sich unter seinem Nachfolger fort. Das Genehmigungsverfahren vereinfachte Koser 1898 vor allem dadurch, daß die Vorsteher der Provinzialarchive künftig auch ohne vorherige Rückfrage beim Oberpräsidenten dem Benutzer Akten bis zum Jahre 170069, seit 1910 sogar bis 1806, zu wissenschaftlichen Zwecken vorlegen durften70. Ausnahmen für jüngere Akten kamen vor, doch waren sie anfangs für die Zeit nach 1840 noch verhältnismäßig selten71, während diese Benutzungsgrenze später „nur noch für Studierende beibehalten“72 wurde. Durch die häufigere Archivalienausleihe von einem Staatsarchiv in ein anderes nahm der Aktenversand zu73, über die Reichsgrenzen hinaus jedoch nur nach dem Grundsatz der Gegenseitigkeit. Auch das Verbot, dem Archivbenutzer Repertorien vorzulegen74, wurde aufgehoben, was der wissenschaftlichen Benutzung sehr zugute kam75. Auf dem Gebiet der Archivarsausbildung führte Koser Sybels Arbeit auf seine Weise fort. Dieser hatte nach dem Vorbild der Pariser „Ecole des Chartes“ 1893 / 94 in Marburg (Lahn) eine „Archivschule“ begründet und einen bestimmten Ausbildungsgang für angehende Archivare vorgeschrieben, die sich nach hilfswissenschaftlichen Übungen am Historischen Seminar der Philipps-Universität und dem Marburger Staatsarchiv einem besonderen Archivarsexamen zu unterziehen hatten76. 1897 verfügte Koster jedoch insofern eine einschneidende Änderung, als er von den Kandidaten ein Zeugnis über die Ableistung eines zweijährigen Volontärdienstes in der Archivverwaltung verlangte, wovon ein Jahr in Marburg abzuleisten war. Das geschah sicherlich nicht nur, „um einem allzu großen Andrang von Archiv69 Vgl. Korrespondenzblatt, 46 (1898) S. 55, u. Abdruck der Bestimmung vom 27. 1. 1898 in: MBlVerw., 59 (1898) S. 39 f. 70 Korrespondenzblatt, 58 (1910) S. 98. 71 Korrespondenzblatt, 51 (1903) S. 194. 72 Sitzungsbericht, S. 4. Vgl. auch Klinkenborg, Koser, S. 300. Zum ganzen Komplex „Umfang und Bedingungen der Benutzung der Staatsarchive zu Forschungszwecken“, siehe auch Mitt. 1 (1900) S. 26 – 30. 73 Vgl. dazu die skeptischen, immer noch aktuellen Bemerkungen von Paul Bailleu, Die Benutzung der Archive durch Studierende zu Dissertationszwecken, in: Korrespondenzblatt, 61 (1913) Sp. 425 – 428. 74 Erst in der Benutzungsordnung für die staatlichen Archive in der DDR v. 19. 3. 1976 (abgedr. i. Gesetzbl. d. DDR, T. I, Nr. 10, S. 172 – 174) heißt es in § 8 (2) wieder: „Die Erteilung der Benutzungserlaubnis begründet keinen Anspruch auf Vorlage und Einsichtnahme in Findhilfsmittel.“ 75 Sitzungsbericht, S. 4. 76 Vgl. die Prüfungsordnung für Archiv-Aspiranten vom 6. April 1894, abgedruckt in: MBlVerw., 55 (1894) S. 68 – 70, und die Bekanntmachung über die akadem. Vorbildung der Archiv-Aspiranten, ib. S. 67 f. Nach Arnold Sachse (: Friedrich Althoff und sein Werk, Berlin 1928, S. 182 – zit. Sachse, Althoff) bleibt es offen, ob Sybel oder Althoff den Anstoß zur Gründung der Marburger Archivschule gaben.
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aspiranten vorzubeugen und für ihre Zulassung oder Zurückweisung der Direktion der Staatsarchive die völlig freie Hand zurückzugewinnen“77, sondern auch mit dem Ziel, die Ausbildung im ganzen „archivbezogener“ zu gestalten. Der Ausbildungsschwerpunkt wurde somit von der Universität in das Volontariat verlegt, was eine Abkehr vom Sybelschen Modell und eine „grundsätzliche Änderung des 1894 gewählten Systems“ bedeutete78. Im Jahre 1904 verlegte Koser den Sitz der Prüfungskommission von Marburg nach Berlin79, wodurch die praktische Ausbildung dem Geheimen Staatsarchiv zufiel, das diese Aufgabe für Preußen bis zum Jahre 1945 wahrnehmen sollte. Der Generaldirektor, der selbst „Vorlesungen über Archivkunde“ für Archiv-Aspiranten im Geheimen Staatsarchiv abhielt, übernahm auch den Vorsitz in der Prüfungskommission, die sich darüberhinaus aus „einem oder mehreren Archivaren“ zusammensetzte, ferner aus „vier Professoren der Universität, welche vorzugsweise dem Kreise der Vertreter der Geschichte, der Rechtswissenschaft, der historischen Hilfswissenschaften und der deutschen Philologie zu entnehmen” waren. Diese und andere Bestimmungen enthält die „Prüfungsordnung für Archivaspiranten“, die das Preußische Staatsministerium auf Kosers Veranlassung am 3. Mai 1906 erließ80. Mit ihr erfolgte auch eine erneute „Bekanntmachung betreffend die akademische Vorbildung und die Prüfung der Archivaspiranten“, in der nun auch die seit 1897 geforderte „Ablegung eines zweijährigen Volontärdienstes an einem oder mehreren Staatsarchiven“ enthalten war81. Aus einer Anmerkung zum veröffentlichten Text82 ergibt sich, daß auch die „Ablegung der Doktorprüfung“, obwohl nicht ausdrücklich verlangt, doch der Aufnahme in den Archivdienst vorauszugehen hatte – Bedingungen, die Koser angesichts der großen Bewerberzahl stellen konnte. Die Verbindung zum Geheimen Staatsarchiv, dessen Erster Direktor Koser auch als Generaldirektor geblieben war, hielt er durch monatliche Konferenzen aufrecht, in denen er sich mit dem Arbeitsablauf vertraut machte, Aussprachen herbeiführte und Gelegenheit zu Rückfragen gab. Einzelheiten der archivarischen Amtsgeschäfte wurden auf seine Veranlassung in einer auch heute in verschiedener Beziehung noch vorbildlichen „Dienstanweisung für die Beamten der Staatsarchive in den Provinzen“ vom 21. Januar 1904, die „soweit anwendbar, auch für das Geheime Staatsarchiv zu Berlin maßgebend“ sein sollte, festgelegt und vom Staatsministerium in 77 W. Wiegand, Die wissenschaftliche Vorbildung des Archivars, in: Korrespondenzblatt, 47 (1899) S. 168 – 174, hier S. 169. Vgl. auch Klinkenborg, Koser, S. 297. Die Bekanntmachung über die Ablegung eines zweijährigen Volontärdienstes ist abgedruckt in: MBlVerw., 58 (1897) S. 3. 78 Klinkenborg, Koser, S. 297. 79 Korrespondenzblatt, 51 (1903), S. 228. Mitglieder waren zunächst für drei Jahre (außer Koser als Vorsitzendem und Bailleu als Vertreter) die Professoren Hintze, Roethe, Seckel und Tangl. 80 MBIVerw., 67 (1906) S. 207 – 209 u. Mitt. 10 (1908) S. 12 – 16. 81 MBlVerw., 67 (1906) S. 206 f. u. Mitt. 10 (1908) S. 10 – 11. 82 Mitt. 10 (1908) S. 11 – 12.
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II. Teil
Kraft gesetzt; diese generelle Anweisung trat damit an die Stelle der veralteten „Instruktionen“ vom 31. August 186783. Auf dem Veröffentlichungssektor setzte Koser die auf Bismarcks Anregung begonnenen „Publikationen aus den k. preußischen Staatsarchiven“ fort, die in seiner Amtszeit immerhin von 64 Bänden auf 88 anwuchsen, „konzentrierte“ sie aber „auf das abgegrenzte Gebiet der allgemeinen Geschichte des preußischen Staates und seiner Herrscher“84. Landesgeschichtliche Forschungen sollten künftig allein Aufgabe der „historischen Vereinigungen in den Provinzen“ sein, die dafür „reichlicher und häufiger aus Staatsmitteln Zuschüsse erhalten sollten, als es bisher hat geschehen können“85. Neben den „Publikationen“ rief Koser, einen Gedanken Lancizolles wieder aufgreifend, noch eine zweite Veröffentlichungsreihe der Archive, die „Mitteilungen aus den k. preußischen Staatsarchiven“ ins Leben, die „teils zur Aufnahme von Übersichten über die Bestände der Staatsarchive bestimmt, teils zur Sammlung von fachwissenschaftlichen Beiträgen, Erörterungen über Fragen der Verwaltung und Archivtechnik, Berichten über archivalische Forschungsreisen und wissenschaftliche Unternehmungen, Darstellungen der Geschichte der einzelnen Archive und Beschreibungen ihrer Unterkunftsstätten“ vorbehalten blieben86. Koser selbst förderte die Entwicklung dieser Reihe durch das Eröffnungsheft „Über den gegenwärtigen Stand der archivalischen Forschung in Preußen“ (1900), ferner durch „Studien über die Neuordnung der preußischen Archivverwaltung durch Hardenberg“ (H. 7, 1904) und den Abdruck der wichtigsten „Bestimmungen aus dem Geschäftsbereich der Preußischen Archivverwaltung“ (H. 10, 1908), die auch heute noch für die archivische Arbeit anregend zu lesen sind. Insgesamt erschienen in Kosers Amtszeit 23 Hefte, darunter Beständeübersichten der Staatsarchive in Hannover, Schleswig und Breslau. Bereits im Jahre 1900 plante Koser auch die Veröffentlichung einer Beständeübersicht des Geheimen Staatsarchivs, die jedoch erst in den Bänden 24 – 27 (1934 – 39) die „Mitteilungen“ würdig abschloß87. Doch damit noch nicht genug! In Kosers Händen lag nicht nur die Organisation dieser beiden Publikationsreihen der Staatsarchive, sondern, seit Angliederung des Preußischen Historischen Instituts in Rom, ruhte auf ihm auch die Verantwortung für dessen Veröffentlichungen: die Sammlung der „Nuntiatur-Berichte aus Deutschland“, das „Repertorium Germanicum“ und die Institutszeitschrift „Quellen und Forschungen aus italienischen Archiven und Bibliotheken“. 83 Instruktionen für die Beamten der Staats-Archive in den Provinzen vom 31. 8. 1867, in: MB1Verw., 28 (1867) S. 327 – 331. – Dienstanweisung vom 21. 1. 1904 für die Beamten der Staatsarchive in den Provinzen, in: MB1Verw., 65 (1904) S. 34 – 38 u. Mitt. 10 (1908) S. 1 – 8. 84 Mitt. 1 (1900) S. 7 – 12, hier S. 11. 85 Mitt. 1 (1900) S. 10, vgl. dazu auch über „Archivalische Publikationen wissenschaftlicher Vereinigungen in den Provinzen“, S. 14 – 20. 86 Aus Kosers programmatischen Vorbemerkungen zu: Mitt. 1 (1900) S. 5. 87 Übersicht über die Bestände des Geheimen Staatsarchivs zu Berlin-Dahlem, T. 1, hrsg. von Ernst Müller / Ernst Posner; T. 2, hrsg. von Heinrich Otto Meisner / Georg Winter; T. 3, hrsg. von Reinhard Lüdicke, Leipzig 1924 – 39 (= Mitt., H. 24 – 26).
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Neben diesen unmittelbaren Publikationsaufgaben der preußischen Archivverwaltung oblag Koser die Förderung 1) der „Urkunden und Actenstücke zur Geschichte des Kurfürsten Friedrich Wilhelm“, die „seit 1861 durch wiederholte Bewilligungen aus dem königlichen Dispositionsfonds“ finanziert wurden88, ferner 2) verschiedene Aktenveröffentlichungen der Preußischen Akademie der Wissenschaften, wie der „Politischen Korrespondenz Friedrichs des Großen“, der „Preußischen Staatsschriften aus der Regierungszeit Friedrichs des Großen“, die Koser einst selbst, wie erwähnt, als angestellter Hilfsarbeiter der Akademie begonnen hatte, und schließlich der auf Schmollers Initiative 1887 begründeten „Acta Borussica, Denkmäler der Preußischen Staatsverwaltung im 18. Jahrhundert“89. Als Koser die Leitung der Staatsarchive übernahm, wählte ihn die Preußische Akademie der Wissenschaften am 12. 7. 1896 zum ordentlichen Mitglied der philosophisch-historischen Klasse90. In seiner 1897 gehaltenen Antrittsrede bekannte er sich, wie vor ihm Treitschke und Sybel, zu dem Grundsatz: Männer machen Geschichte, und fügte hinzu: „sie setzen das unmöglich Scheinende, das Irreguläre, Unerwartete, Ungemeine durch –, wer fest auf dem Sinne beharrt, der bildet die Welt sich“91. Koser bestätigte damit seine bereits als Geschichtsschreiber Friedrichs des Großen bewiesene Neigung zur individualistischen Geschichtsbetrachtung, die heute, angesichts einer vielfach zu einseitig quantitativ-soziologisch forschenden Geschichtswissenschaft, schon wieder wohltuend „unzeitgemäß“ anmutet. Kosers Ernennung zum Generaldirektor am 27. 12. 1899 ging die zum Geheimen Oberregierungsrat am 14. 4. 1897 voraus92, am 7. 2. 1907 erfolgte seine Beförderung zum Wirklichen Geheimen Oberregierungsrat93, und schließlich erhielt er beim Kaiserjubiläum am 16. 6. 1913 den Titel eines Wirklichen Geheimen Rats mit Prädikat Exzellenz. Ihn scheint er allerdings, wie auch bereits den eines „Generaldirektors der Archive“, weniger seinen Verdiensten als Historiker und Archivar, als den Bemühungen des Staatsministeriums um eine relative Titel- und Ordensgerechtigkeit zu verdanken, das in seinen Verleihungsvorschlägen an Kaiser Wilhelm II. im Falle Kosers geltend machte: „Die Generaldirektor der Staatsarchive pflegt in Ansehung der Auszeichnungen mit dem Generaldirektor der Königlichen Bibliothek und dem Generaldirektor der Königlichen Museen in Vergleich gestellt zu werden (vgl. auch Votum des Kultusministers vom 10. 9. 1896, StM 3971). Diese beiden Herren sind bereits, nachdem sie viereinviertel bzw. dreieinhalb Jahre der ersten Rangklasse angehört hatten, zu Wirklichen Geheimen Räten ernannt worden, Harnack im Oktober 1910 (Universitäts-Jubiläum) und Bode zum Allerhöchsten Geburtstage 1910.
Mitt. 1 (1900) S. 12 f. 89 Mitt. 1 (1900) S. 13 f. Adolf v. Harnack, Geschichte der Königlich Preußischen Akademie der Wissenschaften zu Berlin, Bd. 3, Berlin 1900, S. 155 (zit. Harnack, Akademie). 90 Harnack, Akademie, S. 155. 91 Zit. nach Lokys, Koser, S. 135. 92 Klinkenborg, Koser, S. 290. 93 GStA, Rep. 90, Nr. 1979, Bl. 1166. 88 89
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II. Teil
Dr. Koser ist Rat I. Klasse seit Februar 1907 = sechseinhalb Jahre“94. Persönlich bekundete der Kaiser Koser seine Sympathie, indem er ihn alljährlich im Oktober zu seinen Jagdtagen in Hubertusstock einlud95. 1912 wurde Koser, bis dahin u. a. Träger des Kreuzes der Komture des Kgl. Hausordens von Hohenzollern (30. 3. 1901), des Roten Adler-Ordens 2. Klasse (27. 1. 1906) sowie des Kronen-Ordens 2. Klasse mit dem Stern (27. 1. 1911)96, anläßlich des 200. Geburtstages von Friedrich dem Großen, zu dem er auch die Gedenkrede im Weißen Saal des Berliner Schlosses hielt, in die Friedensklasse des Ordens Pour le mérite für Wissenschaft und Künste aufgenommen97 – zweifellos die angemessenste Auszeichnung, die er empfangen hat98. Die Preußische Akademie der Wissenschaften entsandte Koser 1903 vorübergehend als Nachfolger von Theodor Mommsen in die Zentraldirektion der Monumenta Germaniae historica, er verzichtete jedoch, „um einem Berufeneren Platz zu machen“99, noch im gleichen Jahre zugunsten von Dietrich Schäfer. Nachdem die verwaiste Professur für mittelalterliche Geschichte an der Friedrich-Wilhelms-Universität wieder besetzt worden war, hielt Koser als Neuhistoriker seine „Gastrolle“ für beendet, für die ihn die Zentraldirektion im Jahre 1904 aus Dankbarkeit zu ihrem Mitglied auf Lebenszeit wählte. Als sich jedoch nach dem Tode von Ernst Dümmler (September 1902) Schwierigkeiten bei der Nominierung eines neuen Vorsitzenden der Zentraldirektion ergeben hatten und Dietrich Schäfer ablehnte100, trat Koser schließlich im April 1905 auf allseitigen Wunsch, selbst jedoch überwiegend seinem Freunde Oswald Holder-Egger zuliebe101, auch dieses Amt und damit die Nachfolge des Mannes an, den Althoff einst an seiner Stelle zum Direktor der Staatsarchive ausersehen hatte und der sein Hallenser Lehrer gewesen war. Kosers Augenmerk galt auch bei den MGH zunächst Gehaltsverbesserungen der Mitarbeiter, ferner einem Abkommen mit der Archivverwaltung und auf wissenschaftlichem Gebiet besonders der Edition der spätmittelalterlichen „Staatsschriften“. Nach dem Tode Holder-Eggers (1911) war Koser nur schwer dazu zu bewegen, den Vorsitz der MGH weiter zu behalten, die er als Geschäftsleiter durch sein großes organisatorisches Geschick wie durch seine „ungewöhnlich hohe repräsentative Gewandtheit“102 hervorragend leitete.
GStA, Rep. 90, Nr. 1977, Bl. 42. Otto Hintze, Reinhold Koser. Ein Nachruf, in: HZ 114 (1915), S. 65 – 87, hier S. 85 f (zit. Hintze, Koser). 96 Zum 30. 3. 1901 vgl. GStA, Rep. 90, Nr. 2161, StM 1486 / 01; zum 21. 1. 1906 GStA, Rep. 90, Nr. 2166, StM 382 / 06; zum 27. 1. 1911 GStA, Rep. 90, Nr. 2171, StM 432 / 11. 97 GStA, Rep. 90, Nr. 1979, B1.1166. 98 Vgl. Skalweit, Koser, S. 275. 99 Michael Tangl, Reinhold Koser. Ein Nachruf, in: Neues Archiv der Gesellschaft für ältere deutsche Geschichtskunde, 39 (1914) S. 767 – 770, hier S. 767 (zit. Tangl, Koser). 100 Dietrich Schäfer, Mein Leben, Berlin / Leipzig 1926, S. 144. 101 Tangl, Koser, S. 768. 94 95
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Dieser Fähigkeiten Kosers scheint Althoff gedacht zu haben, als er 1907 im Zusammenhang mit seinen Vorschlägen für eine Aufteilung des Kultusministeriums in eines für geistliche Angelegenheiten, höhere Schulen und Volksschulen und ein zweites für Wissenschaft, Kunst und Technik, davon sprach, daß „für das ganz unpolitische Ministerium II ein liberaler (nicht im Fraktions-, sondern im antiken Sinne) wissenschaftlicher Techniker, wie z. B. Harnack oder Koser (ich könnte noch diverse andere nennen), gewonnen werden könnte“103. Da diese Pläne unausgeführt blieben, läßt sich natürlich auch nicht abschätzen, ob überhaupt eine Ernennung eines Mannes wie Koser zum „Wissenschaftsminister“ erörtert worden wäre – doch beweist sie, daß seine organisatorischen Fähigkeiten im Bereich der Wissenschaften allseits Anerkennung fanden. Im April des Jahres 1907 reiste Koser zur Einweihung des Carnegie-Institutes in Pittsburg in die USA104, wo er zum Dr. iur. h. c. promoviert wurde; er veröffentlichte als Ergebnis seiner Beobachtungen den Aufsatz „Geschichtsinteresse und Geschichtsforschung in Amerika“105. Im Jahre 1908 führte Koser den Vorsitz auf dem Internationalen Historikertag in Berlin106. Aus Kosers philologisch-historischer Arbeit an der „Politischen Korrespondenz“107 wie der „Staatsschriften“108 ging neben zahlreichen Einzelschriften109 sein Buch „Friedrich der Große als Kronprinz“ (1887), erschienen zum hundertsten Todestag des Königs110, und auch sein Hauptwerk, die dreibändige „Geschichte Friedrichs des Großen“111 hervor, die Koser berühmt gemacht hat und mit der er Leopold v. Rankes Postulat am Ende von dessen Friedrichsskizze112 ganz glänzend erfüllte: „Allmählich muß sich die zufällige und sporadische individuelle Kenntnisnahme zu wirklicher Wissenschaft ausgestalten“. Unter den Begriff der „Königspflicht“113, ist Ebd. Sachse, Althoff, S. 156. 104 GStA Rep. 90, Nr. 602, Bl. 944. 105 Vgl. Schriftenverzeichnis Kosers bei Klinkenborg, Koser, S. 309. 106 Lokys, Koser, S. 135. 107 Klinkenborg, Koser, S. 304 ff. 108 Ebd. 109 Ebd. 110 Im Hinblick auf Kosers Buch und die Scharnhorst-Biographie von Max Lehmann, „Joachimsthaler“ wie Koser selbst (Abitur 1863), schrieb H. v. Treitschke damals: „Erst unter den Jüngeren sind wieder einige, wie Koser und Lehmann, die etwas Ungewöhnliches versprechen“ (Briefe, Bd. III, S. 583). 111 Bd. 1 erschien von 1893 bis zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges in insgesamt 5 immer überarb. Aufl.; Bd. 2 erschien erst 1903. Die vierbändige Ausgabe kam 1912 heraus (darin auch Friedrich der Große als Kronprinz). 112 ADB, Bd. 7, S. 685. 113 Vgl. dazu Kosers Ausführungen aus der 1. Aufl. seiner „Geschichte Friedrichs des Großen“, zitiert aus der 4. u. 5. Aufl., Bd. 1, 1912, Seite IX: „So ist es diesem Sterblichen zwar nicht vergönnt gewesen, aus dem Zwiespalt seiner Natur zu jener inneren Harmonie vorzu102 103
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II. Teil
sie vollständig aus den Akten gearbeitet – keine Kompilation, wie bei Preuß, keine Heldenverehrung, wie bei Carlyle, und daher „bis heute die einzig vollständige Friedrich-Biographie von wissenschaftlichem Rang geblieben“114. Eine zur Zweihundertjahrfeier des Königs veranstaltete (gekürzte) Volksausgabe dieser Biographie stieß in weitesten Kreisen auf patriotisches Interesse, zumal man damals glaubte, der „Friederizianismus habe seine Berechtigung erwiesen und seine Vollendung in dem Kampf um Vorherrschaft in Deutschland und dem Einheitskrieg von 1870 gefunden“115. 1904 erhielt Koser für seine Darstellung Friedrichs des Großen die höchste Auszeichnung, die einem Geschichtswerk im kaiserlichen Deutschland zuteil werden konnte, den von König Friedrich Wilhelm IV. 1844 „für das beste Werk, welches im Bereich der deutschen Geschichte von je fünf zu fünf Jahren in deutscher Sprache erscheint“116, gestifteten und mit tausend Talern Gold dotierten Verdun-Preis117. Neben Kosers beständiger Arbeit an den verschiedenen Auflagen seines „Friedrich“, fand er auch noch Zeit für neue Quelleneditionen, nämlich der Memoiren und Tagebücher Heinrichs de Catt118 und des Briefwechsels Friedrichs mit Grumbkow, Maupertuis119 und – zusammen mit Hans Droysen – auch Voltaires120. Diese Editionen beruhten überwiegend auf erfolgreichen Neuerwerbungen von Archivalien – zu nennen sind hier etwa die Tagebücher der Gräfin Voß, der Nachlaß Altensteins, die Habel’sche Urkundensammlung –, die Koser durch konzentrierten Einsatz seiner Ankaufsmittel und der Zuschüsse aus dem Allerhöchsten Dispositionsfond121 gelangen.
dringen, deren Erreichung den Geistesheroen unserer klassischen Literaturperiode als das Bildungsideal galt; wohl aber hat er es vermocht, seine auseinanderstrebenden Neigungen unter die monarchische Herrschaft eines höchsten Triebes zu zwingen, unter den kategorischen Imperativ seiner Königspflicht. Und damit ist einer Darstellung seines Lebens der feste Richtpunkt gewiesen, dessen sie bei der Mannigfaltigkeit des zu behandelnden Stoffes nicht entbehren kann, wenn sie auf innere Einheit nicht von vornherein verzichten will.“ 114 Skalweit, Koser, S. 275. 115 Klinkenborg, Koser, S. 292. 116 Heinrich v. Treitschke, Deutsche Geschichte, Bd. 5, Leipzig 1894 S. 225, u. Harnack, Akademie Bd. 1, S. 922; Bd. 2, S. 548 – 550. 117 Vor Koser erhielten unter anderen Giesebrecht 1859 und Max Lehmann 1889 diesen Preis. 118 Unterhaltungen mit Friedrich dem Großen. Memoiren und Tagebücher von Heinrich de Catt, hrsg. von Reinhold Koser, Leipzig 1884 (= Publikationen aus den k.preuß. Staatsarchiven, Bd. 22). 119 Friedrich II. König von Preußen: Briefwechsel mit dem Staatsminister, General und späteren Feldmarschall Friedrich Wilhelm v. Grumbkow und dem Präsidenten der Berliner Akademie der Wissenschaften, Pierre Louis Moreau de Maupertuis, hrsg. v. Reinhold Koser, Leipzig 1898 (= Publikationen aus den k.preuß. Staatsarchiven, Bd. 72). 120 Briefwechsel Friedrichs des Großen mit Voltaire, hrsg. von Hans Droysen / Reinhold Koser, Leipzig 1908 – 11. 121 Ebd., Einleitung, u. Korrespondenzblatt, 54 (1906) Sp. 484.
Der erste Generaldirektor der Preußischen Staatsarchive, R. Koser
161
Leider ist Kosers Gesamtdarstellung der „Geschichte der brandenburgisch-preußischen Politik“, die freilich nur bis 1848 reicht, in der er aber nicht mehr, wie sein Lehrer Droysen in dessen monumentaler Geschichte der preußischen Politik in 14 Bänden (bis 1756), Preußens „deutschen Beruf“ zu beweisen versucht, wegen seines zu frühen Todes nicht zum Abschluß gekommen, doch schon der erste 1913 erschienene Band122 zeigt Koser als wahren „Historiographen des Preußischen Staates“, zu dem ihn der Kaiser an seinem Geburtstag im Jahre 1898 als Nachfolger Treitschkes ernannt hatte123; zu seinen Vorgängern gehörte unter anderen auch Leopold v. Ranke124. Am 25. 8. 1914 starb Exzellenz Koser nach kurzer Krankheit, wie Treitschke, im Alter von nur 62 Jahren, an einem „im Verborgenen wirkenden tückischen Leiden“125, bzw. an den Folgen einer nur scheinbar glimpflich verlaufenen Operation, wenige Wochen nach Ausbruch des ersten Weltkrieges, dessen deutsche Anfangserfolge, der „Siegeszug“ durch Belgien und der Fall von Metz, ihn noch mit patriotischem Enthusiasmus erfüllten und zu „fast friderizianischen Träumereien“ hinrissen126. Kosers Grab befindet sich auf dem alten Friedhof der Zwölf-Apostel-Gemeinde an der Kolonnenstraße in Berlin-Schöneberg, wo auch schon seine Lehrer J. G. Droysen und K. W. Nitzsch beerdigt wurden. Blickt man noch einmal auf sein weniger bekanntes archivarisches Lebenswerk zurück, so fällt besonders „die ungewöhnliche Vereinigung von wissenschaftlichem Geist, archivalischer Sachkunde und Verwaltungstechnik“ (Paul Bailleu)127 dieses ersten Generaldirektors ins Auge, die sicherlich dafür ausschlaggebend war, daß die „preußische Archivverwaltung unter Koser ihren Höhepunkt erreichte“ (Adolf Brenneke)128. Aber auch „der Zauber seiner Persönlichkeit“ (Michael Tangl)129 zog jeden an, der ihr näher trat, da sie „immer voller Rücksicht war“ (Melle Klinkenborg)130 Auch „im Kreise der Archivare gab er sich stets als Kollege, wobei das An-
Vgl. Rezension von Otto Hintze, in: FBPG, 27 (1914). GStA Rep. 90 Nr. 974. In seiner Eigenschaft als Historiograph des preußischen Staates schrieb Koser übrigens den viel beachteten Nachruf auf Bismarck im Reichs- und Staatsanzeiger, den er jedoch nicht namentlich gezeichnet hat. Sein Auftraggeber war der Reichskanzler Fürst Clodwig zu Hohenlohe-Schillingsfürst, der statt des ursprünglich vorgesehenen Schrikker lieber einen „gewiegten Geschichtsschreiber“ damit befaßt sehen wollte (vgl. Hohenlohe, Denkwürdigkeiten, T. 3, S. 456). 124 Das Amt wurde auch in der Weimarer Zeit noch besetzt. Kosers Nachfolger wurde Erich Marcks im Jahre 1922. Es darf nicht mit jenem älteren eines „Historiographen der Brandenburgischen Geschichte“ verwechselt werden, das unter anderen auch Kosers Förderer Gustav Schmoller innehatte. Sein Nachfolger wurde im Jahre 1922 Kosers Schüler Friedrich Meinekke, vgl. GStA, Rep. 90, Nr. 974. 125 Schultze, S. 270. 126 Klinkenborg, Koser, S. 285 f. 127 Sitzungsbericht, S. 5. 128 Brenneke, Archivkunde, S. 407. 129 Sitzungsbericht, S. 6. 122 123
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II. Teil
sehen der Persönlichkeit und ein gewandtes, verbindliches Auftreten von vornherein unangebrachte Vertraulichkeit ihm gegenüber fern hielt“ (Johannes Schultze)131. Der Eindruck, den man von ihm gewann, war der einer „unverkennbar preußischen Gestalt, aber vom alten Schlag: straff zwar, tatkräftig, etwas spröde vielleicht, des Führens gewohnt, ein Gelehrter, der zugleich ein hoher Beamter war –, aber als Gelehrter wie als Beamter ohne eine Spur von Pose und Selbstsucht, sachlich, zuverlässig, unermüdlich arbeitsam und dabei von einer durchschimmernden Liebenswürdigkeit und Güte des Herzens, die neben der Achtung vor dem Mann auch die Zuneigung für den Menschen gewannen“ (Karl Alexander v. Müller)132. Alfred Dove versuchte in einem Brief an Friedrich Meinecke Kosers Persönlichkeit aus seiner Erziehung zu verstehen: „Sein Wesen leuchtete so einfach ein; der echte Joachimsthaler – was Sie so ganz nicht nachfühlen können, wie ich, der ich mitten unter diesen Alumnen aufgewachsen, den märkischen Pastorssöhnen von altem Zuschnitt, eigentlich immer noch Kindern des 18. Jahrhunderts, so eifrig sie auch alles Lernbare vom 19. lernten“133. Insgesamt kann man heute wohl auch als Archivar Otto Hintze zustimmen, wenn er in seinem Nachruf hervorhebt, daß mit Koser ein Gelehrter (und eben auch ein Generaldirektor der Archive) starb, „der freilich keine neuen Ziele gewiesen und keine neuen Bahnen gebrochen hat, der aber, wie nur ganz wenige, die Gabe besaß, fortzusetzen und zu vollenden, was andere begonnen hatten, und der doch kein bloßer Epigone war, sondern ein selbständiger Geist von unbestechlicher kritischer Schärfe und Gewissenhaftigkeit“134.
130 131 132 133 134
Klinkenborg, Koser, S. 303. Schultze, S. 272. Karl Alexander v. Müller, Zwölf Historikerprofile, Stuttgart 1935, S. 29. Dove, Briefe, S. 296. Hintze, Koser, S. 86 f.
Der erste Generaldirektor der Preußischen Staatsarchive, R. Koser
163
Geschäftsbetrieb der preußischen Staatsarchive 1880 – 1914 Kalenderjahr
Amtliche Benutzungen
Privatbenutzungen Gesamtzahl
persönlich
schriftlich
Arbeitstage
1880
602
1044
419
625
4427
1890
574
1553
1891
672
1709
561
992
7452
629
1080
8375
1892
661
1763
576
1187
7569
1893
649
1875
675
1200
8893
1894
887
1900
681
1219
8883
1895
758
1880
609
1271
7905
1896
798
1999
677
1322
9251
1897
803
2091
721
1370
11356
1898
820
2254
799
1455
10975
1899
893
2485
874
1611
11906
1900
962
2407
857
1550
10391
1901
1077
2612
915
1697
11886
1902
1229
2993
1071
1922
13951
1903
1457
3318
1187
2131
13653
1904
1775
5204
1504
3700
15551
1905
1889
5220
1469
3751
15481
1906
1981
5458
1627
3831
16807
1907
1849
5902
1787
4115
17005
1908
2076
6406
1771
4635
17957
1909
2089
6535
1966
4569
19660
1910
2099
6998
2132
4866
21525
1911
2021
6921
2354
4567
22834
1912
2008
7663
2170
5493
24973
1913
1977
8402
2713
5689
23525
1914
1526
5444
1875
3569
15991
Quellenhinweis: Alle Zahlenangaben für die Zeit von 1880 –1899 wurden Reinhold Kosers Schrift „Über den gegenwärtigen Stand der archivalischen Forschung in Preußen“ (= Mitteilungen der k. preußischen Archivverwaltung H. 1, 1900, Seite 27), für die anschließende Zeit (1900 –1914) den Jahresberichten der Archivverwaltung entnommen, die im Korrespondenzblatt des Gesamtvereins für die deutschen Geschichtsund Altertumsvereine veröffentlicht wurden. Zahlenangaben für die Zeit vor 1880 fehlen mangels entsprechender Erhebungen und waren auch für das folgende Jahrzehnt (1881 – 1889), da von Koser nicht mitgeteilt, nicht zu erhalten.
Archivare beim Geheimen Staatsarchiv 1874 – 1974* Mit Christel Wegeleben Durch die noch unter Max Duncker als Direktor der Staatsarchive1 erfolgte Vereinigung des Ministerialarchivs2 mit dem Geheimen Staatsarchiv, entstand 1874 in Berlin ein preußisches Zentralarchiv für die Akten sämtlicher oberster Zivilbehörden. Das bis dahin noch immer im Schloß an der Spree viel zu beengt untergebrachte Geheime Staatsarchiv3 bezog in diesem Jahr sein neues „Geschäftslokal“ im alten Berlin, über dessen Standort sich die Angaben in der einschlägigen Literatur überraschenderweise widersprechen: Nach Ernst Posner hat das Archiv damals „ein eigenes Dienstgebäude an der Stelle des sog. Hohen Hauses (Neue Friedrichstr. 83) erhalten4, was von Carl Hinrichs bestätigt und dahingehend erläutert wird, daß man „an der Stadtmauer ,gegen die Wallseite‘ liegende kleine Häuser abgebrochen und an ihrer Stelle ein mächtiges Reithaus, das spätere sog. ,Hohe Haus‘ und Magazingebäude des alten Geheimen Staatsarchivs errichtet“5 habe. Anders liest man es bei Louis Erhardt, der von der Überführung der Urkunden- und Aktenbestände des Geheimen
* Erstdruck in zwei, hier verändert kombinierten Aufsätzen, im: Jahrbuch für brandenburgische Landesgeschichte 27 (1976), S. 155 – 178; unter dem Titel: Archivare beim Geheimen Staatsarchiv in Berlin-Dahlem 1924 – 1974, und 29 (1978), S. 25 – 61, mit 7 Abbildungen, unter dem Titel: Archivare beim Geheimen Staatsarchiv in der Berliner Kloster- und Neuen Friedrichstraße 1874 – 1924, beide mit Christel Wegeleben. 1 Vgl. Georg Winter, Die Leitung der Preußischen Archivverwaltung, hrsg. u. erg. von Eckart Henning, in: Mitt. VG Berlins 73 (1977), S. 308 – 314 (m. 9 Abb.). 2 Das der Aufsicht des preußischen Finanzministeriums unterstellte Ministerialarchiv wurde 1808 vor allem für die Altregistratur des Generaldirektoriums gegründet. Sein Name erlosch bei seiner Vereinigung mit dem Geheimen Staatsarchiv. 3 Vgl. für die frühere Zeit Georg Wilhelm v. Raumer, Geschichte des Geheimen Staats- und Cabinetts-Archivs zu Berlin bis zum Jahre 1820, hrsg. von Eckart Henning, in: AZ 72 (1976), S. 30 – 75 u. Melle Klinkenborg, Geschichte des Geheimen Staatsarchivs, Abt. 1: Die Begründung des Markgräflich-Brandenburgischen Archivs im 15. Jahrhundert, Leipzig 1911, 81 S., u. Abt. 2: Das Geheime Staatsarchiv im 17. und 18. Jahrhundert, Berlin 1934, Masch.-schr. 125 S. 4 Ernst Posner, Der Neubau des Geheimen Staatsarchivs in Berlin-Dahlem, in: AZ 35 (1925), S. 22 – 40, hier S. 23. 5 Carl Hinrichs, Das Königliche Lagerhaus in Berlin, in: FBPG 44 (1932), S. 58.
Archivare beim Geheimen Staatsarchiv 1874 – 1974
165
Staatsarchivs „aus dem Königlichen Schlosse in das ,Hohe Haus‘ nach der Klosterstraße“ berichtet6, während Gerhard Zimmermann von dem früher „im ,Alten Lagerhaus‘ in der Klosterstraße“7 gelegenen Archiv sprach. Auch die Äußerung von Johannes Schultze, daß er seinen Archivdienst noch „in der Klosterstraße 76, ehemaliges ,Lagerhaus‘ hinter ,Hohem Haus‘ antrat“8 , wirkt auf diesem Hintergrund eher verwirrend als klärend. All diese Angaben, die sich noch vermehren ließen, zeigen deutlich, daß man sich imgrunde über den Sitz des alten Geheimen Staatsarchivs, wie über die Lage des ehemaligen Hohen Hauses, im Unklaren war – lag das eine oder lagen beide in der Neuen Friedrich- oder in der Klosterstraße und wie verhält es sich mit der häufig synonym verwendeten Bezeichnung „Lagerhaus“? Von den genannten Gebäuden ist das „Hohe Haus“ zweifellos das älteste und nachweisbar nicht, wie Hinrichs meinte, der Nachfolgebau der ehemaligen Reithalle in der Neuen Friedrichstraße. Es wird urkundlich zwar „erst“ 1429 erwähnt9, ist aber nach dem Grabungsbefund aus den dreißiger Jahren unseres Jahrhunderts bereits Anfang des vierzehnten Jh. in Berlin entstanden10 und diente damals den Kurfürsten von Brandenburg bei ihren häufigen Besuchen in der Doppelstadt als Aufenthaltsort. Als Kurfürst Friedrich II. schließlich Berlin zur ständigen Residenz erhob und 1442 / 43 mit dem Schloßbau auf der Cöllner Spreeseite begann11 , genügte das Hohe Haus weder seinem Repräsentations- noch seinem Sicherheitsbedürfnis mehr. Ein Aufruhr der Bürgerschaft12, der aber vom Markgrafen bald niedergeschlagen wurde, richtete sich nicht nur gegen „seine Burg“, sondern machte auch vor dem „alten Schloß, das Hohe Haus genannt, so in der Klosterstraße gelegen“13 nicht halt. Aus diesem Quellenzitat ergibt sich eindeutig, daß das Hohe Haus nicht in der – damals noch gar nicht bestehenden – Neuen Friedrichstraße lag, sondern in der schon im 13. Jahrhundert angelegten, nach dem Grauen Kloster benannten 6 Louis Erhardt, Die Hauptphasen der Entwicklung des Berliner Geheimen Staatsarchivs, in: Korrespondenzbl. 52 (1904) Sp. 435. Ähnlich Gerhard Zimmermann, Das Geheime Staatsarchiv, in Jb. der Stiftung Preußischer Kulturbesitz 1 (1962 / 63), S. 309. 7 Gerhard Zimmermann, Das Geheime Staatsarchiv, in: Diplomatisches Bulletin 43 v. 15. 11. 1971, S. 1. 8 Johannes Schultze, Meine Erinnerungen. Im Auftr. d. Autors hrsg. v. G. Knoll, Berlin 1976, S. 12. 9 Codex diplomaticus Brandenburgensis hrsg. v. Riedel, C I Nr. 126, S. 190 – 191. Vgl. zur Burgfreiheit an der Klosterstraße und der Geschichte ihrer Gebäude im Mittelalter auch Ernst Fidicin, Berlinische Chronik, Berlin 1868, Sp. 23 Z. 35 ff., Sp. 41 Z. 40 f., Sp. 136 Z. 5 – 10, Sp. 178 Z. 16 ff., Sp. 193 Z. 29 ff. 10 Julius Kothe, Das Hohe Haus in Berlin. Ein Beitrag zur Baugeschichte Berlins im Mittelalter, in: FBPG 48 (1936), S. 146 – 163, hier S. 146 und 159. 11 Vgl. Albert Geyer, Geschichte des Schlosses zu Eterlin, 1. Bd., Berlin 1936 (mehr nicht ersch.). 12 Ernst Kaeber, Der „Berliner Unwille“ und seine Vorgeschichte, in: E. K., Beiträge zur Berliner Geschichte. Ausgewählte Aufsätze, bearb. u. mit e. biogr. Einleitung von Werner Vogel, Berlin 1964, S. 60 – 118. 13 Chronik von Peter Hafftiz nach Riedel, D I, S. 62.
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II. Teil
Straße, die „lange Zeit hindurch eigentlich der vornehmste Stadtteil Berlins“14 war, in dem neben Franziskanerkloster und Hohem Haus auch die Höfe der Bischöfe von Brandenburg und Lebus, der Kalandshof und die Häuser mehrerer vermögender Familien lagen. 1451 scheint dann der Schloßbau soweit fortgeschritten gewesen zu sein, daß der Kurfürst am 14. Dezember „unsern alten Hoff und hohe Hauß zum Berlin, da wir selbst ein gewohnt haben mit seinem Raum, Garten und allem Gebäw“ zunächst Georg v. Waldenfels als Burglehen, später anderen Dienstleuten übertrug15.
Das Geheime Staatsarchiv in der Kloster- und Neuen Friedrichstraße (mittelalterl. Gebäude schraffiert, barocke getüpfelt; ehem. Stadtmauer, soweit nachgewiesen, in vollen, sonst soweit erschlossen, in unterbrochenen Linien), Lageplan nach J. Kothe, 1936 (Maßstab 1 : 1500)
Nach 1685 wurde dann das Hohe Haus, barock umgebaut und dabei großzügig erweitert16, Amtswohnung des Gouverneurs von Berlin, allerdings nur für kurze Zeit, denn schon 1706 zog die Ritterakademie17 im „Gouvernement“18 ein, das nun Martin Hürlimann, Berlin. Bilder und Berichte, Berlin 1934, S. 15. Riedel, C I Nr. 186, S. 303 – 305. 16 Auch das zweite Obergeschoß wurde damals erst errichtet, in dem Christian Daniel Rauch später Wohnung nahm, vgl. Kohte (wie Anm. 14), S. 161. 17 Vgl. Dominique Laborie, Die Neue Akademie (Fürsten- und Ritterakademie), Cölln a. d. Spree 1684; Jacob Paul Gundling, Kurtzer Entwurff womit bey der Fürsten- und Ritterakademie in Berlin der hohen und adeligen Jugend er mit Antretung seiner Profession sein Vorhaben bekannt machet, Cölln a. d. Spree 1705; Boaton, Epitre à Messieurs les élèves de l’Academie royale et militaire des nobles, Berlin 1775. 18 Als solches erscheint das „Hohe Haus“ auch bereits auf den Berlin-Plänen von La Vigne (1685) und Schultz (1688). 14 15
Archivare beim Geheimen Staatsarchiv 1874 – 1974
167
mit dem zum Oranienburger Waisenhaus gehörenden Nachbargebäude zusammengezogen wurde. Für die Zöglinge der Akademie errichtete man nach Niederlegung der alten Stadtmauer und Anlage der Neuen Friedrichstraße eine dreischiffige Reithalle, die mit dem Vordergebäude in der Klosterstraße durch zwei Seitenflügel verbunden wurde19. Doch schon 1713 änderte sich die Bestimmung dieser Gebäude erneut, als die damals „größte deutsche Tuchmanufaktur“ in das „Königliche Lagerhaus“ einzog20. Zugleich entstanden weitere Bauten im Anschluß an die vorhandenen, nämlich ihnen gegenüber, durch eine Straße getrennt, ein größeres und daneben ein weiteres entlang der früheren Stadtmauer. In diesen Lagerhausbauten an der Neuen Friedrichstraße wurden in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts Bildhauerwerkstätten eingerichtet, in denen Christian Daniel Rauch seine Denkmäler schuf21. Außerdem zogen verschiedene Behörden wie die Königliche Kriegskasse, das Gewerbesteueramt, die Postzollungsstelle, die Königliche Rentenbank für die Provinz Brandenburg und andere in den Gebäudekomplex zwischen der Klosterund der Neuen Friedrichstraße ein22, der seit 1808 auch vom Ministerialarchiv sowie als Depot für archivreife Akten mittlerer und unterer brandenburgischer Behörden genutzt wurde23. Als der Umzug des Geheimen Staatsarchivs aus dem Schloß in die Gebäude des ehemaligen Lagerhauses bevorstand, wurde 1872 / 73 die frühere Reithalle in der Neuen Friedrichstraße 83 für seine Bestände umgebaut, u. a. dem Erdgeschoß „zwei gewölbte Obergeschosse und ein feuersicheres Dachgeschoß aufgesetzt, die Fronten neu gestaltet“24. Im ersten Stock befand sich außer einem kleinen „Archivsaal“, der mit dem größeren Erdgeschoß durch eine eiserne Wendeltreppe direkt verbunden war, das Geschäftszimmer des Staatsarchivs (bis 1893), im zweiten Stock die des Heroldsamtes und des Königlichen Hausarchivs (bis 1895), ferner ein großer Raum für die Archivalien des Hausarchivs und ein weiterer für seine Dienst19 Kohte (wie Anm. 14), S. 161. Vgl. auch Reinhard Lüdicke, Geschichte der Berliner Stadtgrundstücke seit der Einführung der Grundbücher Ende des 17. Jahrhunderts, Bd. 1, Berlin 1933, S. 266 f., bes. S. 343 m. Anm. 1. 20 Vgl. Carl Hinrichs (wie Anm. 9), S. 53 u. 58. Vgl. auch Georg Gottfried Küster, Des Alten und Neuen Berlin, 3. Abt., Berlin 1756, Sp. 2 f., 76 ff.; Friedrich Nicolai, Beschreibung der Kgl. Residenzstädte Berlin und Potsdam, 3. Aufl., Bd. 1, Berlin 1786, S. 15 f.; Ernst Fidicin, Berlin historisch und topographisch dargestellt, Berlin 1843, S. 72 ff. 21 Anneliese Wagner, Christian Daniel Rauch. Leben und Werk mit Berücksichtigung der Beziehungen zu Neustrelitz, in: Jb. f. brand. Lg. 27 (1976), S. 7 – 50, hier S. 23 ff. 22 Christian Voigt, Das Lagerhaus in Berlin, in: Brandenburgia 26 (1917), S. 25 – 32, hier S. 32. Vgl. auch die nicht ganz klare Beschreibung in den Bau- und Kunstdenkmälern von Berlin, bearb. v. R. Borrmann, Berlin 1893, S. 343 – 344. 23 Sie wurden 1874 ebenfalls dem Geheimen Staatsarchiv angegliedert, doch gründete man für sie 1883, dem damals gerade erst eingeführten Provenienzprinzip entsprechend, eine eigene (die X.) Hauptabteilung, die später die Bezeichnung „Staatsarchiv für die Provinz Brandenburg und die Reichshauptstadt Berlin“ führte. Vgl. Henning (wie Anm. 1), S. 160 f. und Anm. 25 m. Literatur zur Geschichte des Provinzialarchivs. 24 Kohte (wie Anm. 14), S. 161.
168
II. Teil
bibliothek25. Rauchs künstlerischer Nachlaß war mit Ausnahme des gewaltigen Modells (1 : 1) seines Reiterstandbildes Friedrichs des Großen, das bis 1924 im Erdgeschoß des Aktenmagazins aufgestellt blieb26, später in das südlich gegenüber gelegene Gebäude (Rauch-Museum) umgezogen. Bald stellte sich angesichts der großen Zahl von Akten jedoch heraus, daß der Platz dafür kaum ausreichen würde, so daß man sich entschloß, die umgebaute Reithalle nur als Magazingebäude zu nutzen und für die Geschäftsräume – statt des bisherigen südlichen Seitenflügels – am Durchgang von der Kloster- zur Neuen Friedrichstraße ein eigenes Verwaltungsgebäude zu errichten (1893 –1895). Doch „waren die Mißstände nur für kurze Zeit beseitigt, ja sie traten bald in verstärktem Maße auf, zumal als sich die Aktenabgaben der Behörden häuften. Da die Magazinräume überfüllt waren, mußten Zugänge schließlich zwischen Fenstern und Regalen auf dem Boden gelagert werden, Beamtenzimmer und Benutzersaal erwiesen sich als zu knapp bemessen, Pack- und Ordnungsräume wurden schmerzlich entbehrt. Dazu kamen die Unzulänglichkeiten der inneren Einrichtung, Mangel jeder künstlichen Beleuchtung, Dunkelheit und Feuchtigkeit im untersten Geschoß des Magazins, vor allem aber Gefährdung der Bestände durch Feuer, da Aktenhaus, Geschäftsräume und Dienstwohnungen innig zusammenhingen. Nahm man schließlich hinzu, daß das Archivgebäude mit einer Seite an ein Geschäftshaus stieß, an einer anderen nur durch Straßenbreite von Privathäusern getrennt war, daß die Stadtbahn und ein nahegelegenes Elektrizitätswerk Wolken von Ruß entsandten, die mit schwärzlicher, fettiger Schicht die Aktenbündel überzogen, so war klar, daß das Geheime Staatsarchiv unmöglich weiterhin an seiner alten Stelle verbleiben konnte“27. Nachdem Koser als Generaldirektor der Staatsarchive28 bereits seit 1906 Schritte für einen Archivneubau unternahm, der nicht mehr auf dem allzu beengten und aus den angeführten Gründen ungeeigneten Gelände des Lagerhauses errichtet werden sollte, entschloß sich der Fiskus 1909, die Grundstücke Klosterstraße 75 / 76 und Neue Friedrichstraße 83, die von der 1911 gebauten U-Bahnlinie Spittelmarkt – Alexanderplatz unterfahren werden sollten, für 4 1 / 2 Mill. Mark an die Hoch- und Untergrundbahngesellschaft zu verkaufen. Diese beantragte zur besseren Ausnutzung der Grundstücke, die Grunerstraße von der Neuen Friedrichstraße zur Klosterstraße durchzulegen, d. h. die kleine, bereits durch das Grundstück führende, entlang des Archivverwaltungsgebäudes verlaufende Privatstraße zu öffnen. Der Magistrat stimmte dem 1917 zu, doch sollten die Gebäude auf den genannten Grundstücken Berlin und seine Bauten, hrsg. v. Architekten-Verein zu Berlin, Berlin 1877, S. 150. Das Modell fand später Platz unter der Kuppel der Kadettenanstalt in Berlin-Lichterfelde. 27 Posner (wie Anm. 8), S. 22 f. Vgl. für die Arbeitssituation der Archivare die Memoiren von Friedrich Meinecke, Erlebtes 1862 – 1901, Leipzig o.J. (1941), S. 137 ff., und Johannes Schultze, Meine Erinnerungen, S. 12 ff. 28 Vgl. E. Henning, Der erste Generaldirektor der preußischen Staatsarchive, Reinhold Koser, in: Neue FBPG, Berlin 1979, und Posner (wie Anm. 8), S. 24. 25 26
Archivare beim Geheimen Staatsarchiv 1874 – 1974
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noch bis zur Errichtung der Neubauten für das Geheime Staatsarchiv und die Kunstschule genutzt werden. Andererseits war man sich darüber klar: „Die alten Gebäude müssen natürlich abgebrochen werden; besonderen architektonischen Wert besitzen sie nicht“29 – an ihre historische Bedeutung dachten augenscheinlich nur wenige30. Die Errichtung eines Archivneubaues ist vor dem ersten Weltkrieg jedoch wegen der schwierigen Suche nach einem geeigneten Bauplatz und wohl auch aus politischen Gründen gescheitert, da man sich nicht über das Projekt eines gemeinsamen Archivgebäudes für Preußen und das Reich einigen konnte, für das man schließlich das Gelände des ehemaligen Botanischen Gartens (des heutigen Kleist-Parks in Berlin-Schöneberg) ins Auge gefaßt hatte. Im Reichstag hielt man diese Lösung jedoch für unvereinbar mit der Würde des Reiches und seiner Institute, auch fürchtete man, wie Noske, daß das Reich zum „Kostgänger Preußens“ werde31. Als man sich im preußischen Ministerium für öffentliche Arbeiten endlich entschlossen hatte, einen eigenen Archivneubau an der neuen U-Bahnlinie in Dahlem zu errichten, verhinderte der Krieg die Weiterführung. Der 1915 begonnene Bau wurde erst 1924 bezugsfertig32. Das Gelände in der Kloster- und Neuen Friedrichstraße ging 1926 in den Besitz des Kaufhauses Wertheim über, das 1931 zum Bedauern vieler Berliner das traditionsreiche Haus in der Klosterstraße 76 abbrechen ließ, um dort ein Geschäftsgebäude zu errichten. Dabei traten sogar noch Reste eines frühgotischen Ziegelbaues zutage33. Das Eingangsportal und wenige weitere Stücke des abgerissenen Hauses wurden sichergestellt und im Märkischen Museum wiedererrichtet34. *** Zum Verständnis der Personalübersicht ist es erforderlich, auf Rang und Titel der höheren preußischen Archivbeamten im Kaiserreich näher einzugehen, zumal entsprechende archivgeschichtliche Vorarbeiten in der einschlägigen Literatur fehlen. Eine aktenmäßige Darstellung kann hier freilich nur in großen Zügen und in der Beschränkung auf die Entwicklung der wichtigsten amtlichen Verlautbarungen und Erlasse geboten werden; eine weitergreifende Analyse des sozialen Hintergrunds und der verschiedentlich anklingenden Beziehungen der Archivare zu verwandten Berufsgruppen und deren Besoldungsentwicklung im wilhelminischen Staat, muß schon aus Raumgründen einer eigenen Untersuchung vorbehalten bleiben. Durchlegung der Grunerstraße?, in: Vossische Zeitung vom 24. 6. 1917. Chr. Voigt (wie Anm. 26), S. 26 f. 31 Reichstag, 13. Legislaturperiode, 1. Session 1912 / 14. Kommission für den Reichshaushaltsétat, 118. Sitzung, S. 4 ff., u. 135. Sitzung, S. 3 ff. 32 E. Posner (wie Anm. 8), S. 30. 33 J. Kohte (wie Anm. 14), S. 159: Sie wurden vermessen und in das Jahr 1316 datiert; bis dahin hielt man Teile eines spätgotischen Kreuzgewölbes (neben dem Treppenhaus erkennbar) für die älteste Bausubstanz. 34 Ib. S. 149. 29 30
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Den allgemeinen Rahmen für die Veränderungen im Rang- und Titelwesen der Archivare gibt die „Verordnung wegen der den Civilbeamten beizulegenden Amtstitel und der Rang-Ordnung der verschiedenen Klassen derselben“ ab, die König Friedrich Wilhelm III. von Preußen aufgrund der „Umgestaltungen der Behörden“ und drohender „Rangstreitigkeiten“ unter den Beamten am 7. 2. 1817 erließ35. Danach wurden die höheren Beamten der Ministerien in drei, die der Provinzialkollegien sogar in fünf Klassen eingeteilt. Die Zuweisung der kleinen Berufsgruppe der Archivare zu diesen Rangklassen erwies sich dabei als besonders schwierig, da diese zwar ähnliche Ausbildungsvoraussetzungen (Hochschulstudium) wie etwa Bibliothekare, Gymnasiallehrer oder Juristen zu erfüllen hatten, sich aber durch ihre stärker wissenschaftlich ausgerichteten Aufgaben deutlich von diesen unterschieden. Die höchste Rangklasse, die im preußischen Archivwesen erlangt werden konnte, war die zweite der Ministerialräte; sie blieb, entsprechend dem Erlaß vom 15. 5. 1852 allein dem Direktor der Staatsarchive vorbehalten36. Ihm wurde daher auch nicht der Charakter eines „Präsidenten“ der Staatsarchive beigelegt, wie Bismarck als Chef der preußischen Archivverwaltung einmal im Entwurf zu einem Immediatbericht vorgeschlagen hatte, aber von ihm als „unlogisch“ verworfen wurde, sondern der zweiten Rangklasse entsprechend, im Jahre 1878 der Titel eines „Geheimen Oberregierungsrates“ verliehen37. Am 27. 12. 1899 erhielt dann der Direktor der Staatsarchive, zunächst noch ohne Änderung der Rangklasse, „nach Analogie des dem Vorstand der Königlichen Bibliothek zustehenden Titels ,Generaldirektor‘, den Amtstitel ,Generaldirektor der Staatsarchive‘“38. Aus denselben Analogiegründen wurde ihm persönlich schließlich auch die erste Rangklasse beigelegt, indem er am 7. 2. 1897 noch zum Wirklichen Geheimen Oberregierungsrat39 und am 16. 6. 1913 zum Wirklichen Geheimen Rat mit Prädikat „Exzellenz“40 ernannt wurde. Doch schon Kosers Amtsnachfolger Kehr blieb als Geheimer Oberregierungsrat in der zweiten und damit in der dem Direktor bzw. Generaldirektor der Staatsarchive von früher her zuerkannten Rangklasse41. Die dritte Rangklasse der Ministerialräte erreichte nur der Stellvertreter des Direktors bzw. Generaldirektors der Staatsarchive, dessen wichtigste Aufgabe darin bestand, für seinen Behördenchef, der im Nebenamt Direktor des Geheimen Staatsarchivs (bis 1852 auch des Geheimen Kabinettsarchivs) blieb, die Geschäfte dieses GStA PK Rep. 90, Nr. 555, Bl. 1 – 7; vgl. GS 1817, Nr. 410, S. 61. Rep. 90, Nr. 555, Bl. 9. 37 Vgl. Bismarcks Bericht vom 5. 3. 1878, den der Kaiser genehmigte (Rep. 90, Nr. 555, Bl. 14). 38 Rep. 90, Nr. 555, Bl. 84 – 90 u. Min. BI. für die gesamte innere Verwaltung 61 (1900) S. 9 (künftig zit. MBLiV), ferner künftig: E. Henning, Koser (für 1979 i. Vorb.). 39 Klinkenborg, Koser, in: FBPG 28 (1915), S. 303. 40 Rep. 90, Nr. 2161; StM 1486 / 1901. 41 Winter (wie Anm. 5), S. 312. 35 36
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Archivs (bzw. dieser Archive) zu führen. Dementsprechend hatte bereits König Friedrich Wilhelm III. auf den gemeinschaftlichen Vortrag der Minister des Königlichen Hauses, Fürst Wittgenstein, und der Auswärtigen Angelegenheiten, Graf Bernstorff, denen das Staatsministerium die spezielle Bearbeitung der Archivangelegenheiten übergeben hatte42, am 20. 6. 1826 in einer Kabinettsordre festgelegt, daß dem „ersten Geheimen Staats-Archivar und dem ersten Geheimen KabinettsArchivar ohne Rücksicht auf den ihnen verliehenen Titel Geheimer Archiv-Räte und lediglich wegen ihrer Funktion als Vorsteher der Archive, der Rang der Ministerialräte 3. Klasse beizulegen“ sei43. Veränderungen ergaben sich dadurch, daß im Jahre 1852 „aus dem hiesigen geheimen Staats- und Kabinetts-Archiv zwei Abteilungen, ein königliches Haus-Archiv und ein geheimes Staats-Archiv gebildet worden war“ – das Kabinettsarchiv hatte aufgehört zu bestehen44. Die Leitung des Geheimen Staatsarchivs scheint von nun an stärker als früher vom Direktor der Staatsarchive selbst bzw. in seinem Auftrage von den, in der Geschäftsführung sich abwechselnden Geheimen Staatsarchivaren wahrgenommen worden zu sein. Ein „Vorsteher“ ist aus ihrem Kreise jedenfalls nicht mehr bestimmt worden. In einer gemeinsamen Verfügung des Präsidenten des Staatsministeriums und des Finanzministers vom 18. 6. 1873, die die Tagegelder, Reisekosten etc. der Archivbeamten betraf, heißt es daher auch: „Da der jetzige erste Geheime Staats-Archivar nicht zum Vorsteher des Geheimen Staats-Archivs ernannt ist, so kann ihm auch lediglich der wegen dieser Funktion in dem Allerhöchsten Erlaß vom 20. Juni 1826 bewilligte Rang der Ministerialräte 3. Klasse nach den damit verknüpften Kompetenzen nicht zugestanden werden“45. Seit 1852 haben ihn die höheren Archivbeamten auch tatsächlich nicht mehr erreicht. Erst 1897 wieder wurde die 3. Rangklasse dem Zweiten Direktor der Staatsarchive zuerkannt, dessen Amt das Staatsministerium mit Beschluß vom 5. 2. 189646 für Sattler neu schuf, da seine eigentliche Aufgabe die Leitung des Geheimen Staatsarchivs war47. Am 4. 8. 1896 suchte es ihm auch, den entsprechenden Rang der Ministerialräte 3. Klasse zu erwirken, mit der Begründung, daß die „neue Stellung ohne Frage umfassender ist als die ehemalige Vorsteherstelle an einem einzelnen, dem Berliner Archive“48, der bereits 1826 die dritte Rangklasse zuerkannt worIb., S. 310. Rep. 90, Nr. 555, Bl. 8. 44 Es wurde auf die beiden anderen Archive aufgeteilt, vgl. den Allerhöchsten Erlaß vom 20. 3. 1852, in: MBLiV 13 (1852), S. 80. 45 Abschrift in Rep. 90, Nr. 555, Bl. 12. 46 Rep. 76, Acta betr. die Staats-Archive; StM 668 / 96. Vgl. den vollständigen Abdruck des Sitzungsprotokolls vom 5. 2. 1896, künftig in E. Henning, Koser. 47 Vgl. Rep. 90, Nr. 946, Bl. 10 f. mit dem Regulativ Kosers vom 27. 4. 1896 über den Aufgabenbereich des „Zweiten Direktors der Staatsarchive“, abgedruckt bei Gerhard Zimmermann, Hardenbergs Versuch einer Reform der preuß. Archivverwaltung und deren weitere Entwicklung bis 1933, in: Jb. der Stiftung Pr. Kulturbesitz 4 (1966) S. 69 – 87, hier S. 84 f. 48 Rep. 90, Nr. 555, Bl. 48 – 51, hier Bl. 49. 42 43
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den war. Doch erst am 24. 3. 1897 gelang es, diese Forderung neben Besoldungsverbesserungen für die übrigen Archivbeamten (siehe unten!), durchzusetzen49. In der gleichen Sitzung des Ministeriums vom 18. 12. 1899, in der erstmals für Koser der Titel eines Generaldirektors der Staatsarchive beantragt und genehmigt wurde, erhielt schließlich auch Sattler als Zweiter Direktor den Charakter eines „Geheimen Regierungsrats“, der seiner Rangklasse entsprach50. Als sein Nachfolger Bailleu am 1. 4. 1921 aus dem Amte schied, wurde es, seiner Funktion entsprechend, in das eines „Zweiten Direktors des Geheimen Staatsarchivs“ umgewandelt51. Die vierte Rangklasse der Provinzialkollegien erhielten (1) die Geheimen Staatsarchivare in Berlin und (2) die Staatsarchivare in den Provinzen. Beide Gruppen mußten, am längsten jedoch die Geheimen Staatsarchivare, um diesen Status kämpfen, der für sie seit 1852 ungeklärt war. Über diese Gruppe heißt es in dem bereits erwähnten Bericht des Vizepräsidenten des Staatsministeriums, v. Boetticher, vom 4. 8. 1896: „Den ,Geheimen Staatsarchivaren‘ in Berlin ist seither ein bestimmter Rang nicht ausdrücklich zugesprochen; doch sind sie geraume Zeit hindurch tatsächlich der vierten Rangklasse zugezählt worden, was schon aus der oben angeführten Königlichen Kabinettsordre vom 20. Juni 1826 zu schließen ist, durch die dem ältesten dieser Geheimen Staatsarchivare der Rang der dritten Klasse zuerkannt wurde. Dem entspricht, daß nach der 1856 erfolgten Einordnung der Vorsteher der Provinzialarchive in die fünfte Rangklasse, die Geheimen Staatsarchivare noch immer als höher gestellt betrachtet wurden, wie dies u. a. in einem Schreiben des Herrn Minister Präsidenten an den Herrn Finanzminister vom 11. November 1864 in bestimmter Weise geschieht. Erst 1873 bei Ausführung der Gesetze betr. die Ermessung der Reise- und Umzugskosten sowie des Wohnungsgeldzuschusses, sind die Geheimen Staatsarchivare den Ernannten der fünften Rangklasse gleichgestellt worden, jedoch mit der Zusicherung, daß damit über ihr Rangverhältnis nichts entschieden sein sollte“52. Da nun Staatsministerium und Archivverwaltung sich in diesem Bericht erstmals darauf einigten, auf die Vorrangstellung der Geheimen Staatsarchive gegenüber den „Vorstehern der Provinzialarchive“, den sog. Staatsarchivaren, zu verzichten und stattdessen einheitlich für beide Gruppen die Vierte Rangklasse zu beantragen, ist es zunächst erforderlich, auch einen Blick auf die Rangund Titelentwicklung bei den „Staatsarchivaren“ zu werfen. In der Allerhöchsten Ordre vom 26. 11. 1855, bekanntgemacht am 3. 1. 1856, wurde festgelegt, daß den „Vorständen der Provinzial-Archive, denen das RangReglement vom 7. Februar 1817, wegen der erst später erfolgten Organisation die-
GStA PK Rep. 90, Nr. 555, Bl. 75 und MBLiV 58 (1897), S. 95. Rep. 90, Nr. 555, Bl. 84 – 86, Sitzung d. Staatsministeriums v. 18. 12. 1899. 51 Henning (wie Anm. 1), S. 162. 52 Vgl. MBliV 34 (1873), S. 172, desgl. 51 (1890), S. 240 u. Bericht d. Staatsministeriums vom 24. 7. 1893, der ebenfalls schon die Zuweisung der Geheimen Staatsarchivare zur 4. Ratsklasse und damit etwa die Gleichstellung mit den ordentlichen Professoren an den Universitäten forderte, Rep. 90, Nr. 555, Bl. 38 – 41. 49 50
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ser Institute noch nicht hat gedenken können, derselbe Rang, wie nach § 6 des gedachten Edikts den höheren Subalternen der Ministerien und den Assessoren der Landes-Gerichts-Kollegien zustehen soll“, d. h. den Vorständen der Provinzial-Archive wurde die fünfte Rangklasse beigelegt. Ihr Titel lautete, entsprechend dieser Bekanntmachung, künftig: „Königlicher Provinzial-Archivar von Preußen, von Schlesien, von Westphalen, von Pommern, der Provinz Sachsen, der Rheinprovinz zu Koblenz, der Rheinprovinz zu Düsseldorf“53. Sie stehen nach der „Instruktion für die Beamten der Staats-Archive in den Provinzen“ vom 31. 8. 1867 „unter der Oberaufsicht und Disziplinar-Gewalt des Präsidenten des Königlichen Staatsministeriums, unter der unmittelbaren Aufsicht und Kontrolle des bezüglichen Königlichen Ober-Präsidenten, unter Leitung des Direktors der Staats-Archivare“54. Im gleichen Jahre wurde der Amtstitel der bisherigen „Provinzial-Archivare“ jedoch erneut durch einen Allerhöchsten Erlaß vom 9. 11. 1867 in „Staats-Archivare“ verändert und zugleich verfügt, daß die Archive, denen sie vorstehen, „fortan die amtliche Bezeichnung ,Staats-Archiv‘ unter Hinzufügung des Namens der Stadt, in welcher sie sich befinden“, zu tragen hätten55. Infolge der Rangverbesserungen für die Archivare zweiter Klasse (s. u.) vom 10. 8. 1890, die damals die Zuordnung zur 5. Rangklasse der Provinzialkollegien erreicht hatten, befanden sie sich nun unverhofft in derselben Rangklasse wie ihre Vorgesetzten, die „Staatsarchivare“. Dies führte naturgemäß zu Änderungswünschen seitens der Staatsarchivare und zu Bestrebungen im Staatsministerium, ihnen künftig wie den Geheimen Staatsarchivaren in Berlin, deren beanspruchte Rangklasse noch nicht eindeutig geklärt war, die vierte Rangstufe der Provinzialkollegien zu erwirken. Diese zuerst am 28. 3. 1891 formulierte Absicht war zunächst auf Einwände des Kultusministers gestoßen, der es für ungerechtfertigt hielt, damit den Archivbeamten einen höheren Rang als den Gymnasialprofessoren zu geben56, doch wurden diese Einwände gegenstandslos, als der Hälfte der Gymnasialprofessoren durch Allerhöchsten Erlaß vom 28. 7. 1892 der Rang der vierten Klasse verliehen wurde. Das Staatsministerium versuchte daher am 4. 8. 1896 „die Rangverhältnisse der Archivbeamten von Neuem zur Sprache zu bringen“, indem es für die Geheimen Staatsarchivare in Berlin und die Staatsarchivare in den Provinzen die 4. Ratsklasse, für das inzwischen neugeschaffene Amt eines zweiten Direktors der Staatsarchive aber den Rang der Ministerialräte 3. Klasse beantragte. Die Vorschläge des Staatsministeriums blieben nicht unwidersprochen, u. a. seitens des Ministers der öffentlichen Arbeiten, des Kultusministers sowie des Ministers für Landwirtschaft, Domänen und Forsten, die für die Bauinspektoren mit akademischer Vorbildung, die wissenschaftlichen Beamten der MBIiV 17 (1856), S. 26. MBIiV 28 (1867), S. 327 – 331, hier S. 327. 55 Rep. 90, Nr. 555, Bl. 11. Die Verfügung vom 1. 7. 1877 sah übrigens vor, daß der Amtstitel eines „Staatsarchivars“ wieder wegfallen sollte, wenn seinem Träger die Stelle eines „Archiv-Vorstehers“ wieder entzogen werden würde. 56 Rep. 90, Nr. 555, Bl. 48. 53 54
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Königlichen Bibliothek wie der Universitätsbibliothek und die Ökonomie-Kommissare ebenfalls die 4. Rangklasse forderten. Der Finanzminister bat daraufhin am 29. 10. 1896 die Entscheidung in der Rangfrage der Archivbeamten auszusetzen, bis die „in Aussicht genommene Aufbesserung und Neuregelung der Beamtengehälter endgültig abgeschlossen“ sei. Gleichwohl konnte der Vize-Präsident des Staatsministeriums in den Sitzungen vom 19. 12. 1896 und 15. 1. 1897 durchsetzen, „die vorgeschlagenen Rangerhöhungen für die Archivbeamten in separato“ dem König vorzutragen. Die übrigen Besoldungsfragen wurden einer Kommission überwiesen. Der von Koser entworfene Allerhöchste Erlaß vom 24. März 1897 erhielt folgenden Wortlaut: „Auf den Bericht vom 15. d. M. will Ich hierdurch dem zweiten Direktor der Staatsarchive den Rang der Ministerialräte dritter Klasse und den Staatsarchivaren (ersten Beamten) in den Provinzen sowie den am Geheimen Staatsarchiv étatmäßig angestellten Geheimen Staats-Archivaren den Rang der Räte vierter Klasse beilegen und zugleich bestimmen, daß außerhalb der genannten Kategorien einzelnen älteren verdienten Archivaren (Archivräte), bis zu einem Sechstel der als Archivare étatmäßig angestellten Beamten, der Rang der Räte vierter Klasse als persönliche Auszeichnung verliehen werden kann.“57 Nach Klärung der langwierigen Rangprobleme bei den Staatsarchivaren, kam 1899 erneut die Titelfrage zur Sprache, als Koser am 6. Dezember für die Vorsteher der zwölf Provinzial-Hauptarchive58 in Breslau, Koblenz, Düsseldorf, Hannover, Königsberg, Magdeburg, Marburg, Münster, Posen, Schleswig, Stettin und Wiesbaden – später kam auch noch Danzig dazu – den Titel eines „Archiv-Direktors“ erbat, der „mit Rücksicht darauf, daß sie in Rang und Gehalt den Königlichen Bibliotheksdirektoren gleichgestellt“ sind, auch bewilligt wurde59. Die Vorsteher der drei kleineren Archive in Aurich, Osnabrück und Wetzlar behielten jedoch ihren bisherigen Amtstitel eines „Staatsarchivars“. Die fünfte Rangklasse der Provinzialkollegien stand anfangs nur den „ersten Archivaren“ zu, denen als „Vorstände“ die Geschäftsführung eines Archivs oblag. Neben diesen später als „Staatsarchivaren“ bezeichneten, denen es 1897, wie beschrieben, gelang, in die vierte Rangklasse aufzusteigen, gab es aber auch „zweite Archivare“, die ehemaligen „Archiv-Sekretäre“, die den ersten als Mitarbeiter zur Seite standen. In den bereits erwähnten „Instruktionen für die Beamten der Staats-Archive in den Provinzen“ (1867) wurde für diese Archivare nur der „Rang der Assessoren“ bestimmt60. 57 MBIiV 58 (1897), S. 95. Vgl. dazu den Allerhöchsten Erlaß vom 30. 10. 1907, der in Abänderung des genannten, vorsah, daß künftig die Archivare, übrigens wieder „nach dem Vorbild der Oberlehrer“ (Bethmann Hollweg) sogar „bis zur Hälfte der Gesamtzahl zu Archivräten charakterisiert“ und dem König, „sofern sie eine zwölfjährige Archivdienstzeit zurückgelegt haben, zur Verleihung des persönlichen Ranges als Räte vierter Klasse vorgeschlagen werden dürfen“ (GS 1907, S. 297). 58 Die Zahl der Vorsteher-Stellen wurde auf Kosers Veranlassung bereits 1897 von sechs auf zwölf erhöht. 59 MBliV 61 (1900), S. 9.
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Am 8. 1. 1884 machte sich dann Heinrich v. Sybel als Direktor der Staatsarchive vergeblich zum Fürsprecher einer Petition von Archivbeamten. Seine „Bemerkungen“ zu Fragen der „Rangerhöhung und Titelveränderung“ gipfelten in der dringenden Empfehlung, wenigstens die Archivare in die vierte und die ArchivSekretäre mit dem Titel „Archiv-Assessoren“ oder „Archivare zweiter Klasse“ in die fünfte Rangklasse zu erheben. Das scheiterte zunächst weniger an dem Mangel an Mitteln für den archivischen Bereich als an der Sorge der Regierung vor den Auswirkungen einer solchen Maßnahme auf die ungleich personalintensivere Schulverwaltung; selbst „die Gleichstellung der Archiv-Secretaire mit den Archivaren“ hielt man wegen möglicher Forderungen „der großen Anzahl der Lehrer an den höheren Unterrichtsanstalten“ auf Gleichstellung mit den Oberlehrern derzeit für „inopportun“. Daher versuchte Sybel am 21. 5. 1884 wenigstens Titelveränderungen „unter Beibehaltung des jetzigen Ranges und der jetzigen Besoldung der betreffenden Beamten“ zu erreichen, was er folgendermaßen begründete: „Die Abneigung gegen den gedachten Amtstitel (sc. eines Archiv-Sekretärs) beruht darin, daß deren Träger dem Publikum als Subalternbeamte gelten, während die Tätigkeit der Archiv-Secretaire genau dieselbe wie jene der Archivare ist, und demnach auch kein Aspirant die Anstellung als Archiv-Secretair erhält, der nicht die wissenschaftliche Vorbildung des akademischen Docenten oder des Gymnasial-Oberlehrers erhalten hat. Es scheint mir daher angezeigt, den Amtstitel Archiv-Secretair umzuwandeln in ,Archivar zweiter Klasse‘.“61 Nachdem Bismarck als Chef der Archivverwaltung den Sybelschen Vorschlägen zugestimmt hatte, wurden die entsprechenden Veränderungen in der Allerhöchsten Ordre vom 30. 2. 1885 veröffentlicht, die allen Archivaren künftig den Amtscharakter eines „Archivars erster Klasse“ und allen „Archiv-Sekretären“ den Titel eines „Archivars zweiter Klasse“ zuerkannte62. Als der Kultusminister dann in der Sitzung des Staatsministeriums vom 3. 12. 1889 endlich aufgrund der Tatsache, daß das Ministerium bereits am 1. 2. 1885 seine Zustimmung dazu gegeben hatte, die Lehrer an höheren Unterrichtsanstalten für die 5. Ratsklasse zuließ und sie nun auch für die höheren Beamten der Provinzialkollegien, vor allem für wissenschaftliche Beamte staatlicher Institute und Sammlungen, forderte, konnte man sie auch den Archivbeamten gleicher Kategorie nicht länger verweigern. Die Folge dieses Beschlusses war die Allerhöchste Ordre vom 10. 8. 1890, nach der rückwirkend zum 1. 4. 1890 15 Archivare zweiter Klasse am Geheimen Staatsarchiv in Berlin und an den Staatsarchiven der Provinzen in Düsseldorf, Hannover (2 Stellen), Königsberg (desgl.), Marburg (desgl.), Münster (desgl.), Posen, Schleswig, Stettin und Wiesbaden (2 Stellen) „den Rang der 5. Klasse der höheren Beamten“ verliehen bekamen, mit der die dringend erwünschte Gewährung eines Wohnungsgeldzuschusses verbunden war63. 60 61 62 63
MBliV 28 (1867), S. 327 – 331, hier S. 327. Rep. 90, Nr. 555, S. 23 – 24. MBliV 46 (1885), S. 64. Veröffentlicht im Reichs- und Staatsanzeiger vom 17. 10. 1890.
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Als Konsequenz dieser Ordre vom 10. 8. 1890 ist wohl auch der Allerhöchste Erlaß vom 19. 11. 1894 aufzufassen, der festlegte, „daß die bei den Staatsarchiven angestellten, und künftig anzustellenden Archivare erster und zweiter Klasse fortan nur den Amtstitel ,Archivar‘ zu führen hätten64. Daß einem Teil der älteren Archivare nach zwölf Berufsjahren die Möglichkeit eröffnet wurde, aus der fünften in die vierte Rangklasse der Provinzialkollegien aufzusteigen, ist an der betreffenden Stelle bereits gesagt worden. Dieser Abriß über Rangentwicklung und Amtsbezeichnung preußischer Archivare in wilhelminischer Zeit wäre unvollständig, bezöge man nicht die diffizile Frage des Titels, der mit der Amtsbezeichnung weder identisch war noch ihr zu entsprechen hatte, in diese Betrachtung mit ein. Was den Zeitgenossen der hier behandelten Archivare ganz geläufig war, begegnet heute Verständnisschwierigkeiten: die Anstellung als Direktor bzw. Generaldirektor der Staatsarchive, als Geheimer Staatsarchivar oder als Staatsarchivar bzw. Archivdirektor der Provinzialarchive, ebenso als Königlicher Archivar erster oder zweiter Klasse (bzw. als Archiv-Sekretär) etc. geschah grundsätzlich durch den Präsidenten bzw. Vizepräsidenten des preußischen Staatsministeriums, während die Verleihung des Titels eines „Archivrats“ oder „Geheimen Archivrats“ durch den König, d. h. mittels „allerhöchst vollzogenem Patent“ erfolgte. Beides mußte sich nicht entsprechen, Amtsbezeichnung und Titel standen nicht in einem genau festgelegten Verhältnis zueinander. So konnten Staatsarchivare als Geheime Archivräte charakterisiert sein, während es Geheime Staatsarchivare gab, denen selbst der Titel eines Archivrats noch fehlte, während gleichzeitig ein im Rang tiefer stehender Archivar erster Klasse in der Provinz ihn schon führen durfte. Ein Blick auf eine Jahresübersicht im „Handbuch für den königlichen preußischen Staat“ verdeutlicht diese vermeintlichen „Ungereimtheiten“, hinter denen sich jedoch, sieht man näher hin, ein gut durchdachtes System der Belohnung oder auch „Bestrafung“ von Beamtenleistungen verbirgt, das nur noch durch die Ordensdiplomatie im wilhelminischen Staat übertroffen wurde: 1892 gab es 7 Geheime Staatsarchivare in Berlin, davon 4 mit dem Titel „Geheimer Archivrat“ und 3 mit dem Titel „Archivrat“, ferner 15 Staatsarchivare in den Provinzen (und zwar 8 mit Ernennung und 7 mit der bloßen Amtsbezeichnung), davon wieder 5 mit dem Titel „Geheimer Archivrat“ und 7 mit dem des „Archivrats“, schließlich gab es 8 Archivare 1. Klasse in den Provinzen, davon 2 mit dem Titel eines „Archivrats“ und 15 weitere Archivare 2. Klasse65. Eine Anwartschaft auf die Verleihung des Archivratstitels bestand für Archivare allerdings seit 1907 bis zur Hälfte ihrer Gesamtzahl, auf die des Titels eines „Geheimen Archivrats“ aber erst nach zweiundzwanzigjähriger Dienstzeit. Da der hier behandelte Zeitraum nicht nur bis 1918, sondern bis zum Umzug des Geheimen Staatsarchivs von der Kloster- und Neuen Friedrichstraße nach Dahlem im Jahre 1924 reicht, sollen an dieser Stelle noch einige abschließende Bemerkun64 65
MBliV 55 (1894), S. 212. Ib., S. 64.
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gen über die Umstellung des Rang- und Titelwesens im Bereich der Staatsarchive nach dem ersten Weltkrieg folgen: Am 14. 12. 1918 machte die neue „Preußische Regierung“ bereits bekannt, daß „die Verleihung von Titeln“ nicht mehr stattfindet, doch bereits verliehene „weitergeführt“ werden dürfen. Außerdem heißt es in der Bekanntmachung: „Für die Beamten wird eine Neuregelung der Amtsbezeichnungen im Anschluß an die in Aussicht stehende Reform des Beamtenrechts und der Besoldungsverhältnisse vorgenommen werden. Bis dahin bleiben für sie die bisherigen Bestimmungen über Amtsbezeichnungen bestehen“66. Ein Jahr später, am 30. 11. 1919, unterbreitete der Generaldirektor der Staatsarchive, Kehr, dem Präsidenten des Staatsministeriums einen Antrag des Verbandes wissenschaftlicher Beamter der preußischen Staatsarchive, in dem dieser darum bittet, „die frühere Amtsbezeichnung als ‚Königlicher Archivar‘ bzw. ,Königlicher Archivdirektor‘ in ,Staatsarchivar‘ und ,Staatsarchivdirektor‘ zu ändern und den bisherigen ,Archivassistenten‘ die Bezeichnung als ,Archivassessor‘ und den ,Archivvolontären‘ die Bezeichnung als ‚Archivreferendar‘ zu verleihen“. Diesen Anträgen trat Kehr im wesentlichen bei, zumal die bisherigen Amtsbezeichnungen „nach den Bestimmungen der Reichsverfassung fortan nicht mehr verliehen werden sollten. Diese Titel waren neben dem Prädikat ,Königlich‘ bisher die einzig unterscheidenden Merkmale der staatlichen Archivbeamten von denen der Städte und Privaten. Daß unsere Beamten Wert darauf legen, daß auch in Zukunft eine Unterscheidung stattfinde, erscheint berechtigt, und ich trage keine Bedenken, für die Archivdirektoren die Amtsbezeichnung als ,Staatsarchivdirektor‘ oder besser ,Direktor des Staatsarchivs‘ und für die Archivare die Amtsbezeichnung als ,Staatsarchivar‘ in Vorschlag zu bringen67. Auch gegen die vorgeschlagene Amtsbezeichnung ,Archivassessor‘ statt ,Archivassistent“, in Analogie zu den neuerdings kreierten ,Studienassessoren‘ habe ich keine Bedenken. Assistent heißt jemand, der ,beisteht‘, Assessor der, der ,beisitzt‘, und da die Tätigkeit der Archivare überwiegend in sitzender Haltung vor sich geht, ist sogar der Titel ,Archivassessor‘ sinngemäßer als der des ,Archivassistenten‘. Übrigens sehe ich keinen Anlaß, die Volontäre mit der Amtsbezeichnung als ,Archivreferendare zu begnaden. Unsere Volontäre sind Lehrlinge, die erst ausgebildet werden, nach Bedarf angenommen und jederzeit entlassen werden können; sie sind keine Beamten und haben auch keinerlei Anspruch auf spätere Einstellung. In der Verleihung einer Amtsbezeichnung würde eine Änderung in ihrer jetzigen Stellung liegen, die mir nicht zweckmäßig und sachlich begründet erscheint“68. Reichs- und Staatsanzeiger v. 24. 12. 1918. Die bisherige Gruppe der „Staatsarchivare“ als Leiter der kleineren Staatsarchive in Aurich, Osnabrück und Wetzlar sollte in Kürze ohnehin wegfallen, so daß diese Amtsbezeichnung wieder frei verfügbar werden würde: Osnabrück sollte in die Reihe der größeren, durch einen Archivdirektor geleiteten Staatsarchive aufsteigen, während Aurich nach der Pensionierung des derzeitigen Stelleninhabers mit einem anderen Archiv zusammengelegt werden sollte (nicht ausgeführt!), während die Stelle in Wetzlar bereits gestrichen worden war. 68 90, Nr. 555, Bl. 106 – 108. 66 67
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Als Ergebnis dieser Bemühungen wurde im sog. Beamten-Diensteinkommensgesetz vom 17. 12. 1920 vorläufig statt „Archivdirektor“ (in den Provinzen) die Amtsbezeichnung „Direktor des Staatsarchivs“, statt „Staatsarchivare“ nun „Erste Staatsarchivare“, statt „Archivare“ nun „Staatsarchivare“ eingeführt69. Da aber zugleich gemäß dem „Antrage des Bundes höherer Beamter alle oder fast alle akademisch vorgebildeten Beamten endgültig eine Ratsbezeichnung“ erhalten sollten, was in diesem Gesetz „größtenteils bereits vorgesehen“ war, wandte sich der „Verband der wissenschaftlichen Beamten der preußischen Staatsarchive“ am 24. 6. 1921 erneut mit einer Eingabe an den Präsidenten des Staatsministeriums. Der Verband begründete seine Erklärung, daß „die Staatsarchivare unmöglich davon ausgenommen werden“ dürften, damit, daß die Archivare sonst „bei der allgemeinen Unkenntnis über den Archivarberuf Gefahr laufen, in der öffentlichen Meinung nicht zur Klasse der höheren Beamten gerechnet, ja wenn die Ratsbezeichnung auch auf bestimmte mittlere Beamte ausgedehnt werden sollte, noch hinter diesen mittleren Beamten eingeordnet zu werden“. Die Forderung nach dem Titel „Staatsarchivrat“ enthielt zugleich die Ablehnung der einfachen Bezeichnung „Archivrat“, und zwar interessanterweise nicht nur deswegen, „weil sie keine Beziehung zum Staate ausdrückt“, sondern weil „ihre Verleihung an die Potsdamer Reichsarchivare, die zum größten Teile keine fachwissenschaftliche und zum großen Teile überhaupt keine akademische Vorbildung besitzen, entwertet ist“70. Auch dieser Petition scheint man sich seitens der vorgesetzten Dienstbehörde nicht verschlossen zu haben, denn schon am 29. 8. 1922 berichtete sie dem Finanzminister über die gewünschten Amtsbezeichnungen71. Doch erst im Frühjahr 1924 kam es zur Entscheidung, nachdem das Staatsministerium schon am 27. 3. 1923 beschlossen hatte, das „in kommissarischer Erörterung im Finanzministerium aufgestellte alle Ressorts umfassende Verzeichnis der für die gegenwärtige Regelung in Frage kommenden Amtsbezeichnungen nunmehr mit den Beamtenorganisationen besprochen werden soll“72. In seiner Sitzung vom 18. 3. 1924 beschloß dann das Staatsministerium endgültig die neuen Amtsbezeichnungen gemäß einer vom Finanzminister bereits am 3. 4. 1923 erarbeiteten Zusammenstellung; danach wurde aus dem „Direktor des Staatsarchivs“ ein „Staatsarchivdirektor“, aus dem „Ersten Staatsarchivar“ ein „Erster Staatsarchivrat“, aus dem „Staatsarchivar“ der „Staatsarchivrat“, während weitergehenden Wünschen, statt des „Archivassistenten“ jetzt „Archivassessoren“, statt der „Archivvolontäre“ jetzt „Archivreferendare“ einzuführen, vermutlich wegen der gegenteiligen Auffassungen Kehrs, nicht stattgegeben wurde73. Als die Archivare des Geheimen Staatsarchivs – der neben dem Kammergericht ältesten Behörde in Berlin – 1924 den vom preußischen Ministerpräsidenten Otto 69 GS 1921, S. 135 ff., bes. S. 181, 186, 190, 193. Die Bezeichnung „Geheime Staatsarchivare“ (in Berlin) und die des „Zweiten Direktors der Staatsarchive“ wurde noch beibehalten. 70 Rep. 90, Nr. 582, Bl. 110. 71 Rep. 90, Nr. 579, Bl. 293. 72 Rep. 90, Nr. 580, Bl. 131. 73 Ib. Bl. 242.
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Braun der Öffentlichkeit übergebenen, damals modernsten Archivbau Europas in der Dahlemer Archivstraße 12 – 14 bezogen, stellte Paul Fridolin Kehr – als Generaldirektor der Archive zugleich Erster Direktor des Geheimen Staatsarchivs74 – in einer programmatischen Einweihungsansprache fest, „daß die preußische Archivverwaltung … mit ihrer wissenschaftlichen Richtung seit 1852 auf dem richtigen Wege ist“. Zukunftweisend für den höheren Archivdienst und wohl heute ebenso beherzigenswert wie früher waren Kehrs Ausführungen zum Berufsbild des Archivars: „Es handelt sich heute nicht mehr um die lächerliche Stammtischstreitfrage, die noch einmal nach Sybels Tod75 erhoben wurde, ob Archivar oder Professor, ob Gelehrter oder Verwaltungsfachmann. Die Aufgaben der Archivverwaltung und der Wissenschaft sind vollkommen identisch. Was sind denn am Ende die Voraussetzungen der historischen Wissenschaft? Ich denke: im ethischen Sinne Freiheit und Wahrheit, im technischen Ordnung. Dieser wissenschaftliche Charakter soll nicht etwa die Prärogative des Leiters sein; er sei Gemeingut der Archivare überhaupt“.76 Seit Kehr aufgrund einer Umfrage unter den Direktoren der Staatsarchive am 28. 8. 1917 die „Verordnung betr. die Zulassung zum wissenschaftlichen Archivdienst bei den Kgl. Staatsarchiven“ erlassen hatte, war für die Zulassung zum zwei Jahre dauernden freiwilligen Vorbereitungsdienst, den bereits Koser eingeführt hatte, der Nachweis der Staatsprüfung für das höhere Lehramt sowie die Promotion verlangt worden. Das erste Volontärjahr sollte der Archivaspirant, wie er damals noch hieß, am Geheimen Staatsarchiv verbringen, wo er zur Teilnahme an sogenannten Fortbildungslehrgängen verpflichtet war; das zweite, das vor allem der praktischen Ausbildung dienen sollte, war an einem der preußischen Provinzialarchive abzuleisten. Brackmann gestaltete diese Kehr’sche Archivschule, die sich durch eine „fruchtbare Verbindung von theoretischer und praktischer Ausbildung“ auszeichnete77, schließlich stärker zu einem Forschungsinstitut um, das unter Beteiligung von Universitätslehrern nicht nur eine „Pflanzschule der staatlichen und nichtstaatlichen Archivare, sondern zugleich ein Lehr- und Forschungsinstitut für jüngere Historiker“78 sein sollte. Die Bezeichnung „Staatsarchivreferendar“ wurde erst mit der „Verordnung über die Ausbildung und Prüfung der Anwärter des höheren Archivdienstes in der Preu74 Vgl. Henning, Die Generaldirektoren der Preußischen Archivverwaltung; siehe auch GStA Rep. 90, Nr. 213: Georg Winter, Liste der früheren Direktoren und Generaldirektoren der Archivverwaltung vom 23. 2. 1939, S. 4. 75 Heinrich v. Sybel, gest. 1. 8. 1895. 76 Paul Kehr, Ein Jahrhundert preußischer Archivverwaltung, in: Archivalische Zeitschrift 35 (1925), S. 20. 77 W. Leesch, a. a. O., S. 226. 78 Albert Brackmann, Das Dahlemer Institut für Archivwissenschaft in den Jahren 1930 bis 1932 und das Problem des archivarischen Nachwuchses, in: Korrespondenzblatt des Gesamtvereins der Geschichts- u. Altertumsvereine 80 (1932), Sp. 150 – 157, hier Spalte 150; vgl. ders., Das Institut für Archivwissenschaft und geschichtswissenschaftliche Fortbildung am Geheimen Staatsarchiv in Berlin-Dahlem, in: Archivalische Zeitschrift 40 (1931), S. 1 – 16.
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ßischen Archivverwaltung“ vom 10. 7. 1939 eingeführt79, die auf Grund der „Verordnung über die Vorbildung und die Laufbahnen der deutschen Beamten“ vom 28. 3. 193980 notwendig wurde. Diese Ausbildungs- und Prüfungsordnung trat an die Stelle der bisherigen „Verordnung über die Zulassung zum wissenschaftlichen Archivdienst bei den preußischen Staatsarchiven“ vom 27. 6. 193081. Seit 1939 führten diejenigen Archivare, die nach bestandenem Examen in den staatlichen Archivdienst übernommen wurden und somit ihre erste planmäßige Anstellung erhielten, die Bezeichnung „Staatsarchivassessor“ (früher „Archivassistent“). Diejenigen, die aus dem Beamtenverhältnis ausschieden, nannten sich „Archivassessoren“. Erstere konnten später zu „Staatsarchivräten“ (früher „Staatsarchivare“ zweiter bzw. erster Klasse), zu „Staatsoberarchivräten“ (früher „Staatsarchivräten“) und „Staatsarchivdirektoren“, freilich nicht mehr zu „Geheimen Archivräten“ aufsteigen. Frauen waren, entsprechend der nationalsozialistischen Weltanschauung, als Beamte vom Archivdienst ausgeschlossen; sie durften zwar als Hospitantinnen an Ausbildungskursen teilnehmen, eine Abschlußprüfung abzulegen, blieb ihnen verwehrt. Der gehobene mittlere Archivdienst wurde in Preußen erst im Jahre 1936 (in Bayern bereits 1924) eingeführt und die ersten vier Archivinspektorenstellen geschaffen82. Diese Erweiterung der Stellenpläne verdanken die preußischen Archive nicht zuletzt der amtlich geförderten Sippenforschung, die damals vorzugsweise im Dienst der „Ariernachweise“ stand83, und den Archiven einen Arbeitsanfall bescherte, der ohne Personalvermehrung nicht mehr zu bewältigen war. Heute nehmen die Archivare des gehobenen Dienstes vielfältige andere Aufgaben wahr; z. B. wäre in den meisten Staatsarchiven der Anfall moderner Massenakten ohne ihre Mithilfe gar nicht mehr zu verarbeiten. Als diese Laufbahn eingerichtet wurde, sind Anwärter als „Archivzivilsupernumerare“ in das Beamtenverhältnis übernommen worden; nach dreijähriger Ausbildung und Prüfung erhielten sie die Bezeichnung „Staatsarchivpraktikanten“. Seit Ende 1939 erhalten die zum Vorbereitungsdienst einberufenen Anwärter die Dienstbezeichnung „Staatsarchivinspektor-Anwärter“, die nach bestandener Prüfung in der Regel zunächst als „außerplanmäßiger Staatsarchivinspektor“ (heute Archivinspektor z[ur] A[nstellung] genannt) eingestellt wurden; bei Einweisung in eine Planstelle wurde die Amtsbezeichnung „Staatsarchivinspektor“ verliehen84. St.M.I, 6561 / 39. Reichsgesetzblatt I, S. 371. 81 Ministerialblatt für die preuß. innere Verwaltung 1930, S. 627 und Zentralblatt für die gesamte Unterrichtsverwaltung in Preußen 1930, S. 212; vgl. auch: Archivalische Zeitschrift 40 (1931), S. 9 – 13. 82 W. Leesch, a. a. O., S. 238 ff. 83 Vgl. Eckart Henning / Wolfgang Ribbe: Handbuch der Genealogie. Für den Herold, Verein f. Heraldik, Genealogie u. verwandte Wissenschaften unter Beteiligung zahlr. Mitarbeiter bearb. u. hrsg., Neustadt / Aisch 1972, S. 12, 42, 187. 84 Dienst- und Amtsbezeichnung des Beamten des einfachen, mittleren und gehobenen Dienstes der Preußischen Archivverwaltung v. 16. 11. 1939, in: Mitteilungen d. pr. Archivverw. Nr. 1, 1940, S. 5 – 7. 79 80
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Diese Angaben seien der Vollständigkeit halber gemacht, wenngleich im Geheimen Staatsarchiv während der Kriegs- und Vorkriegszeit, wo auch die Anwärter des gehobenen Dienstes im Rahmen des „Instituts für Archivwissenschaft“ theoretisch ausgebildet wurden, keine Inspektoren eingesetzt waren. Erst seit 1956 sind hier Archivinspektoren kontinuierlich tätig. Unsere Personalübersicht gilt, wie erwähnt, nur den Archivaren des höheren und gehobenen Dienstes; es hieße den Kreis allzu weit ziehen, wollte man auch die mit archivarischen Aufgaben betrauten wissenschaftlichen Angestellten, die Sachbearbeiter und Regierungs- bzw. Verwaltungsinspektoren des Archivs berücksichtigen, so notwendig und verdienstvoll ihre Arbeit auch für die Tätigkeit dieser Behörde war und ist. *** Hier noch einige praktische Hinweise für die nachstehende Übersicht: Die meisten Abkürzungen wurden in das Verzeichnis S. 15 – 18 aufgenommen. Fehlende Ortsangaben beim Abitur sind aus dem Geburtsort zu folgern, bei der Promotion aus dem zuletzt genannten Studienort. Die Universitätsstädte Freiburg / Breisgau, Halle (Saale), Könisberg i. Preußen und Marburg (Lahn) sind ohne diese Zusatzbezeichnungen gedruckt worden; ein gleichnamiger Ort wurde entsprechend gekennzeichnet. Laufbahnstationen wurden häufig auch dann vermerkt, wenn sich kein genaues Datum ermitteln ließ, der Tatbestand aber als sicher gelten kann. GStA – Archivare 1874 – 1974 Ahlers, Olof: 1939 – 1945 Geb. 31. 5. 1913 Staßfurt. 1931 – 37 Univ. Kiel, Wien. 1939 Prom. u. Staatspr. f. d. höh. Lehramt. 1939 – 40 IfA, Berlin-Dahlem. 1. 8. 1939 StARef. 1940 vereinf. Staatspr. f. d. höh. ADienst. Z. Wehrdienst eingez. 1. 2. 1943 StAAss. 1948 A. d. Hansestadt Lübeck. 1952 AR, ib. 1962 ADir., ib. Arnold, Karl Robert: 1884 – 1891, 1901 – 1910 Geb. 4. 8. 1854 Gera. Ostern 1874 Abitur. Univ. Leipzig. 1875 während d. Studiums Hauslehrer i. Gera. Okt 1877 Prom., anschl. Hauslehrer b. Frhrn. Franz v. Keudell auf Gielgudyszk, Gouvernement Schuwalki / Russ. Polen. 1880 desgl. b. Graf Solms-Rödelheim auf Altenhagen / Neuvorpommern. Oberlehrer-Examen, Leipzig. Okt. 1884 AHilfsarb., GStA. 5. 4. 1889 versetzt a.d. StA Hannover, 15. 4. 1889 Versetzung zurückgenommen. 1. 5. 1889 AAssist., GStA. 1. 6. 1889 Kgl. Archivar 2. Kl., auftragsw. ib. Frühjahr 1891, 3 Monate abgeordnet a.d. Preuß. Histor. Inst., Rom. 1892 „mit d. Wahrnehmung d. Geschäfte d. 1. Assistenten beauftr.“, ib., 1893 v. ihnen wieder entbunden, ib. 1. 4. 1893 – 30. 3. 1901 Repertorium Germanicum. 1. 4. 1901 GStA. 2. 2. 1903 Kgl. Archivar u. AR, ib. Seit 30. 10. 1907 Rat
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4. Kl., ib. Anschl. StA Wiesbaden. 1908 Versetzung widerrufen. 1. 10. 1910 Staatsarchivar u. AR, StA Osnabrück. 22. 1. 1913 Staatsarchivar und GehAR, ib. Gest. 28. 7. 1916 Osnabrück. – Lit.: AZ 35 (1925) S. 301. – Melle Klinkenborg, in: FBPG 30 (1918) SB v. 11. 10. 1916, S. 4 – 5. Bailleu, Paul: 1876 – 1921 Geb. 21. 1. 1853 Neustadt-Magdeburg. 24. 9. 1870 Abitur. 1870 – 74 Univ. Berlin, Göttingen. 1873 – 76 Sekr. b. Leopold v. Ranke, ib. 1874 Prom. 21. 8. 1876 AAspir., GStA. 30. 11. 1876 AHilfsarb., später AAssist., ib. 1880 ASekr., ib. 1884 Geh. Staatsarchivar, ib. 1890 Geh. Staatsarchivar u. AR, ib. 1900 Geh. Staatsarchivar u. Geh. AR, ib. Seit 1903 stellv. Vorsitzender d. Prüfungskomm. f. AAspir., ib. 1. 9. 1906 Zweiter Dir. d. StaatsA. e u. Geh. AR, zugl. Geschäftsführung d. GStA. 1. 4. 1921 Pensionierung. Gest. 25. 6. 1922 Berlin-Charlottenburg. – Lit.: Melle Klinkenborg, in Korrespondenzbl. 70 (1922) Sp. 67 – 78 m. Schriftenverz., zus. gest. v. Eugen Meyer. – H.O. Meisner, in: Familiengeschichtl. Bll. 20 (1922) S. 203. – F(riedrich) M(einecke), in: HZ 127 (1923) S. 373 – 374. – Hermann Dreyhaus, in: P. B., Königin Luise, 2. Aufl. Berlin 1923, S. I – II. – Melle Klinkenborg, in: Preußischer Wille, ges. Aufsätze von P. B., hrsg. u. m. e. Nachw. versehen von M. K., Berlin 1924, S. 1 – 13. – Reinhard Lüdicke, in: AZ 35 (1925) S. 290 – 291. – Stephan Kekulé v. Stradonitz, in: Dt. Rundschau 53 (1927) S. 266 – 270. – Melle Klinkenborg, in: Biograph. Jb. 4 (1929) S. 3 – 10. – Hans Bellée, in: NDB 1 (1953) S. 545. Bauermann, Johannes: 1922 – 1924 Geb. 24. 6. 1900 Görlitz. 1918 Abitur. 1918 – 21 Univ. Leipzig; Breslau. 30. 7. 1921 Prom. 1922 Staatspr. f. d. höh. Lehramt. 2. 10. 1922 AVol, GStA. 19. / 20. 3. 1924 Staatspr. f. d. höh. ADienst. 1. 4. 1924 AHilfsarb., StA Münster. 1. 10. 1925 AAssist., ib. 1. 4. 1928 StA Magdeburg. 1. 7. 1928 StAR, ib. 1. 10. 1931 StA Münster. 1. 1. 1939 m. d. Ltg. d. StA Osnabrück beauftragt. 14. 8. 1939 StA Dir., StA Münster (seit 1. 5. 1939 komm. Ltg.); zugl. b. 1958 Leiter d. ABeratungsst. Westfalen. Seit 1940 Hon. Prof., Univ. Münster. 1942 zugl. Univ.-Archivar, ib. 1961 Pensionierung. Becker, Kurt: 1941 – 1945 Geb. 5. 11. 1911 Oberstein / Nahe. Univ. Erlangen. 1941 – Sommer 1941 IfA, Berlin-Dahlem, wegen Wehrdienst nur nom. Mitgl. 1. 7. 1943 i. Wehrdienst z. StARef. ern. 1948 StA Koblenz. 1949 – 50 ASchule Marburg. 1951 StAAss, StA Koblenz. 1954 StAR ib. 1965 OAR, ib. 1971 ADir., ib. Bellée, Hans: 1914 – 1916, 1933 – 1954 Geb. 6. 2. 1889 Görlitz. 17. 2. 1908 Abitur. 1908 – 13 Univ. München, Berlin. 27. 2. 1913 Staatspr. f. d. höh. Lehramt. 1. 4. 1913 AVol., StA Posen. 25. 9. 1913 Prom. 1. 5. 1914 AVol., GStA. 25. 9. 1914 Staatspr. f. d. höh. ADienst, anschl. Wehrdienst. Nach Entlassung Forts. s. AVol.-Zeit, GStA. Apl. 1916 – Nov. 1918 AVerw. b. Ksl. Dt. Generalgouvernement, Warschau. 1. 4. 1919 AHilfsarb., StA Münster. 1. 10. 1919 AAssist., ib. Jan. 1920 StA Breslau. 1. 8. 1921 Staatsarchivar,
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ib. 1923 StAR, ib. 1. 4. 1926 StA Stettin. 1. 7. 1933 GStA. 20. 8. – 20. 11. 1945 stellv. Leiter, ib. 5. 12. 1947 komm. Leiter d. Blner. HauptA. 1951 Dir., ib. 30. 9. 1954 Pensionierung. Gest. 6. 1. 1960 Berlin. – Lit.: G. Zimmermann, in: Der Archivar 23 (1970) Sp. 131 – 132. Benninghoven, Friedrich: seit 1971 Geb. 9. 3. 1925 Berlin. Univ. Berlin, Hamburg. 1958 Prom. 1962 Staatspr. f. d. höh. Lehramt. 1962 – 64 VorbDienst Staatl. ALager, Göttingen u. StA Osnabrück. 1964 – 65 ASchule Marburg. 1965 Staatspr. f. d. höh. ADienst. 1965 AAss, Staatl. ALager Göttingen. 1968 AR, ib. 1970 AOR, ib. 1971 Wiss.Dir., GStA 1974 Dir. ib. Berner, Ernst: 1878 Geb. 6. 7. 1853 Berlin. Univ. Heidelberg, Berlin. 1877 (?) Prom. 1878 AAspir., GStA. 1. 8. 1878 Kgl. HausA, Charlottenburg. 1882 ASekr., ib. 1886 Kgl. Archivar 2. Kl., ib. 1890 2. Hausarchivar, ib. 1896 2. Hausarchivar u. AR, ib. 1901 (1.) Hausarchivar u. AR, Prof., ib. 1905 Hausarchivar u. Geh. AR, ib. Gest. 12. 10. 1905 Berlin. – Lit.: Paul Bailleu, in: FBPG 19 (1906) SB v. 11. 10. 1905 – 13. 10. 1906, S. 5 – 6. – Hohenzollern-Jb. 9 (1905) S. 325. Bier, Hermann: 1916 – 1922 Geb. 15. 9. 1882 Hannover. Ostern 1902 Abitur. 1902 – 1907 Univ. Berlin. 5. 8. 1907 Prom. 1. 6. 1907 A Vol. 1. 11. (8. 12.?) 1908 Staatspr.f.d.höh. ADienst. 1. 6. 1909 AHilfsarb., StA Koblenz. 1. 6. 1910 AAssist., ib. 1911 StA Osnabrück. 1. 4. 1912 StA Marburg. 1. 4. 1914 Schleswig. 1915 StA Hannover. 1. 2. 1916 Kgl. Archivar, GStA. 1. 4. 1920 Staatsarchivar, ib. 15. 9. 1922 StA Wiesbaden. 1923 StAR, ib. 1. 4. 1931 StA Breslau. 1939 mit der Ltg. d. A betraut. 1944 krankheitshalber vom Dienst beurlaubt. Gest. 1946 Leipzig. Bleich, Johannes: 1944, 1954 – 1965 Geb. 18. 4. 1913 Berlin-Charlottenburg. 1932 – 38 Univ. Berlin, München. 1939 – 45 Wehrdienst. 1943 Prom. 1. 11. 1944 StARef. Z. Ausbildung a. d. StA Marburg überwiesen, 1. 12. 1944 a. d. GStA. 1944 – 45 IfA, Berlin-Dahlem, wegen Wehrdienst nur nom. Mitgl. 1945 – 52 Dolmetscher u. Übersetzer. 1952 – 54 ASchule Marburg. 10. 3. 1954 Staatspr. f. d. höh. ADienst. 1. 9. 1954 – 28. 2. 1955 Wiss. Hilfsreferent BundesA Koblenz. 1. 3. 1955 AAss Berliner HauptA. 1957 AR, ib. 1965 StadtADir. Mannheim. 1. 5. 1975 Pensionierung. Bliss, Ruth, geb. Hahl: 1965 – 1967 Geb. 24. 10. 1935 Sternhof, Krs. Jerven / Estland. 1956 – 59 VorbDienst, HStA Stuttgart. 1956 – 57 ASchule Marburg. 1957 Staatspr. f. d. geh. ADienst. 1959 – 64 Reglnsp, HStA Stuttgart. 1965 – 67 AAng., GStA. Bliss, Winfried: seit 1959 Geb. 9. 11. 1938 Berlin. 1959 – 62 VorbDienst, GStA. 1959 – 60 ASchule Marburg, 1960 Staatspr. f. d. geh. ADienst. 1962 Alnsp. z.A.! GStA. 1964 Alnsp, ib., 1 965 AOInsp., ib. 1971 AAmtm., ib. 1972 AOAmtm., ib. 1975 AAmtsR, ib.
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II. Teil
Brackmann, Albert: 1929 – 1936 Geb. 24. 6. 1871 Hannover. 1889 – 93 Univ. Tübingen, Leipzig, Göttingen. 1. theolog. Examen. Hauslehrer b. Baron v. Alten-Hemmingen. Kursus a. Volksschullehrerseminar, Hannover, 1895 2. theolog. Examen, anschl. erneut Univ. Göttingen. 1896 – 97 Staatspr. f. d. höh. Lehramt. 1898 – 99 Seminar- u. Probej. a. Gymn. Göttingen. 1898 Prom. 1898 – 1901 Wiss. Mitarb. d. MGH, Leitung d. Edition d. Liber Pontificalis u. 1900 Italienreise i. Auftr. d. MGH. 1901 – 13 höh. Schuldienst, zunächst Berlin, seit 1902 Hannover, 1905 Marburg. Seit 1901 nebenamtl. Mitarb. d. Regesta Pontificum Romanorum, bes. d. Germania Pontificia. 1905 apl. a.o. Prof., Marburg. Ltg. d. Sem. f. Hist. Hilfswiss., ib. 1912 pl. a.o. Prof., ib. 1913 o. Prof. Univ. Königsberg / Pr. 1920 desgl. Univ. Marburg. 1922 – 29 desgl. Univ. Berlin. 1. 10. 1929 Gen.Dir. d. Preuß. StaatsAe, zugl. Erster Dir. d. GStA. 1929 – 45 Hon. Prof., Univ. Berlin. 1. 5. 1930 auch Dir. d. von ihm begr. IfA, Berlin-Dahlem. 1931 als Dir. d. GStA auch Leiter d. v. ihm gleichfalls begr. Publikationsstelle, ib. 1935 auch kommiss. Dir. d. ReichsA, Potsdam. 12. 10. 1936 Pensionierung. Weiterhin leitende Tätigkeit u. a. in d. ZentralDir. d. MGH, der Nord- u. Ostdeutschen Forschungsgemeinschaft, d. Zentralstelle f. Nachkriegsgesch. Gest. 17. 3. 1952 BerlinDahlem. – Lit.: A. B., Gesammelte Aufsätze. Festschr. z. 70. Geb., Weimar 1941, mit A. B.-Bibliographie, S. 529 – 541 (vgl. dazu W. Ohnsorge, in: HZ 166 (1942) S. 580 – 586); F. Baethgen, in: Bayer. Akad. d. Wiss. Jb. 1952, S.169 – 174; H. Büttner u. O. Vasella, in: Zs. f. Schweiz. Kirchengesch. 46 (1952) S. 308 – 310; H.-E. Feine, in: Zs. d. Savigny-Stiftung f. Rechtsgesch., Kan.Abt. 69 (1952) S. 569; W. Ohnsorge, in: Bll. f. deutsche Landesgesch. 89 (1952) S. 348; ders., in: Nds. Jb. f. Landesgesch. 24 (1952) S. 252 – 254; ders., in: HZ 166 (1952) S. 580 – 586; L. Santifaller, in: Almanach d. Österr. Akad. d. Wiss. 102 (1952); F. Baethgen, in: Jb. d. Deutschen Akad. d. Wiss. z. Bln. 1954, S. 343 – 347, davon S. 347 – 348 Erg. u. Fortf. d. A. B.-Bibliographie d. J. 1941 (s. o.); H. Büttner, in: Hist.Jb. 73 (1954) S. 502 – 503; H. Meinert, A. B. u. d. dtsche. AWesen. in: AZ 49 (1954) S. 127 – 138; F. Steinhoff, in: Nds. Lebensbilder, Bd. 2, Hildesheim 1954, S. 20 – 36 (= Veröff. d. Hist. Komm. f. Nds., 22); H. Meinert, in: HZ 180 (1955) S. 655 – 657; H. Goetting, in: NDB 2 (1955) S. 504 – 505; e. Autorenkollektiv über B.s Tätigkeit i. d. Ostforschung, in: Zs. f. Geschichtswiss. 6 (1958) S. 1193 ff.; L. Santifaller, in: Der Archivar 15 (1962) Sp. 317 – 328. Branig, Hans: 1933 – 1934, 1947 – 1970 Geb. 6. 7. 1906 Goldentraum, Krs. Lauban / Schlesien. 1925 – 29 Univ. Berlin, Greifswald. 1929 Prom. 5. 12. 1931 Staatspr. f. d. höh. Lehramt. 6. 4. – 30. 9. 1932 Stud.Ref., Provinzialschulkollegium Berlin. 1933 – 34 IfA, Berlin-Dahlem. 1934 Staatspr. f. d. höh. ADienst. 15. 5. 1935 – 30. 6. 1936 Wiss. AHilfsarb., StA Stettin. 1. 7. 1936 – 31. 3. 1939 AAssist., ib. 1. 4. 1939 – 1945 StAR, ib. 25. 8. 1939 – Juni 1940 Wehrdienst. 1940 abgeordnet a. d. Amt d. Distriktchefs Radom f. d. ehem. polnischen StAe Radom, Petrikau, Kielce. 1942 innerhalb d. Generalgouvernements versetzt a. d. AAmt Krakau. 12. 8. 1943 AR i. Reichsdienst, Leiter d. AAmtes War-
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schau. 1944 – 45 Wehrdienst. 9. 5. 1945 – 25. 11. 1946 russ. Kriegsgefangenschaft. 1947 Wiss. Ang. b. Berliner HauptA. 1953 AR, ib. 1964 OAR, ib. 1969 Wiss. Dir., ib. 1970 Pensionierung. Brenneke, Adolf: 1930 – 1943 Geb. 23. 8. 1875 Gandersheim. 1895 – 98 Univ. Jena, Göttingen, München, Marburg. 1898 Prom. ASchule Marburg. 1. 5. 1900 AVol, StA Münster. 1. 6. 1902 Wiss. Hilfsarb. b. d. Hist. Komm. f. Westfalen, Münster. 1. 4. 1903 desgl. StA Münster. 1. 4. 1904 AAssist., ib. 1. 10. 1905 StA Danzig. 1. 10. 1908 StA Hannover. 1. 10. 1910 Staatsarchivar, ib. 1914 – 18 Wehrdienst. 1919 Hist. Komm. Hannover. 1. 10. 1923 StADir., StA Hannover. 1. 7. 1930 Zweiter Dir., GStA u. Doz. IfA, Berlin-Dahlem. 8. 4. 1936 Dir. d. GStA. 30. 9. 1943 auf eigenen Wunsch Versetzung in den Ruhestand. Gest. 20. 1. 1946 Gelsenkirchen. – Lit.: A. Brackmann, in: Nieders. Jb. f. Landesgesch. 20 (1947) S. 215 – 218; W. Leesch, in: Der Archivar 6 (1953) Sp. 97 – 106 (m. Schriftenverz.); ders., in: A. Brenneke, Archivkunde, bearb. u. hrsg. v. W. L., Leipzig 1953. S. IX – XIX. Caemmerer, Hermann v.: 1902 – 1904 Geb. 28. 8. 1879 Kassel. Ostern 1897 Abitur. 1897 – 1901 Univ. Bonn, Berlin. 9. 11. 1901 Prom. 1. 10. 1902 AVol., GStA. 15. 5. 1904 AHilfsarb., HausA., Charlottenburg. 20. 12. 1904 Staatspr. f. d. höh. ADienst. 1. 1. 1907 Kgl. Archivar, ib. Gefallen 16. 9. 1914 Aizy b. Soissons. – Lit.: Melle Klinkenborg, in: Korrespondenzbl. 62 (1914) Sp. 434 – 435, Literar. ZentralbL 65 (1914) Sp. 1333. – HZ 113 (1914) S. 700. – Hist. Vjschr. 17 (1914 / 15) S. 590. – Melle Klinkenborg, in: Korrespondenzbl. 62 (1914) S. 434 – 435. – Ders., in: FBPG 28 (1915) S. 311 – 315 u. SB. S. 6. – Biogr. Jb. 1 (1925) S. 277 (Notiz). Dehio, Ludwig: 1919 – 1933, 1942 – 1945 Geb. 25. 8. 1888 Königsberg. 1906 Abitur. 1906 – 10 Univ. Berlin, Straßburg. Sommer 1910 Staatspr. f. d. höh. Lehramt. 25. 1. 1913 Prom. Mitte April 1913 AVol. b. Preuß. Hist. Inst., I Rom, 1914 abgeordnet n. Venedig. 1914 – 18 Wehrdienst. 1. 4. 1919 AVol., GStA. 1920 Lehrg. f. d. wiss. ADienst, ib. 16. 4. 1920 AAssist., StA Münster. 1. 4. 1921 GStA. 1. 10. 1921 Staatsarchivar, ib. Doz. f. d. Ausb. f. d. wiss. ADienst, später Doz. IfA, Berlin-Dahlem. Seit 1923 StAR. 16. 10. 1933 Leiter d. Brandenburg-Preuß. HausA, Berlin-Charlottenburg. 2. 3. 1942 Dienstantr. GStA (?). 1943 – 45 Pflege ausgelagerter Archivalien, zuletzt abgeordnet a. StA Marburg. 16. 8. 1946 StADir. und Dir. d. ASchule Marburg, Hon. Prof., ib. 1. 10. 1954 Pensionierung. Gest. 24. 11. 1963 Marburg. – Lit.: Johannes Papritz, in: der Archivar 12 (1959) Sp. 81 – 86; Kurt Dülfer, in: Der Archivar 17 (1964) Sp. 367 – 368; Walter Kienast, in: HZ 198 (1964) S. 263 – 264; Hans Rothfels, in: Vjh. f. Zeitgesch. 12 (1964) S. 102; Theodor Schieder, in: HZ 201 (1965) S. 1 – 12. – Volker R. Berghahn, in: Dt. Historiker, hrsg. v. H.U. Wehler, Bd. 4, Göttingen 1972, S. 97 – 116. – Erik Thomsen: Ludwig Dehio – ein Historiker im Dienste der Zukunft, in: Kulturpolitische Korrespondenz Nr. 348 v. 5. 8. 1978, S. 19 – 20 (m. Abb.)
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II. Teil
Diestelkamp, Adolf: 1922 – 1924 Geb. 30. 1. 1900 Hannover. 1918 Abitur. 1918 – 22 Univ. Göttingen, Freiburg. 3. 8. 1922 Prom. 3. 1. (1. 10.?) 1922 AVol, GStA. 1923 Staatspr. f. d. höh. Lehramt. 19. / 20. 3. 1924 Staatspr. f. d. höh. ADienst. 1. 4. 1924 AHilfsarb., StA Magdeburg. 1. 10. 1925 AAssist., ib. 1. 4. 1929 StAR, ib. 1. 7. 1933 StA Stettin. 1. 4. 1935 StADir. ib. 1939 Wehrdienst. 1945 – 31. 5. 1947 StAR, StA Münster. 1946 – 31. 5. 1947 zugl. Wiss. Hilfsarb. b. d. ABeratungsstelle d. Prov. Westf., Münster. 1. 6. 1947 StAR, StA Hannover. 1952 AR, BundesA Koblenz, später OAR, ib. Gest. 26. 2. 1955 Koblenz. – Lit.: Georg Winter, Teilabdr. seiner Traueransprache v. 3. 3. 1955, in: Der Archivar 8 (1955) Sp. 139 –142. – Bll. f. dt. Landesgesch. 92 (1956) S. VIII – IX. Doebener, Richard: 1885 – 1895 Geb. 18. 4. 1852 Meiningen. 1870 Abitur. 1870 – 74 Univ. Tübingen, Leipzig, Berlin, Göttingen, Jena. Dez. 1874 Staatspr. f. d. höh. Lehramt, Göttingen. März 1875 Prom. Mai 1875 AHilfsarb., StA Breslau. 1. 10. 1877 ASekr., StA Hannover. Juni 1885 Geh. Staatsarchivar, GStA. 1891 Geh. Staatsarchivar u. AR, ib. 1. 4. 1893 – 1895 beurlaubt, StadtA Hildesheim. 1895 Staatsarchivar u. AR, StA Hannover. 1896 zusätzl. als AVorsteher bez., ib., seit 27. 12. 1899 als ADir. 1902 ADir. und GehAR, ib. 1. 10. 1910 krankheitshalber Pensionierung. Gest. 28. 11. 1911 Blankenburg / Harz, begraben in Meiningen. – Lit.: Bruno Krusch, in: Zs. d. Hist. Ver. f. Nds. 77 (1912) S. 104 – 108. Dülfer, Kurt: 1933 – 1945 Geb. 10. 6. 1908 Elberfeld. 1926 – 33 Univ. Würzburg, München, Marburg. 1933 Prom. u. Staatspr. f. d. höh. Lehramt. 1933 – 34 IfA, Berlin-Dahlem. 1934 Staatspr. f. d. höh. ADienst. 1. 2. 1935 AHilfsarb., GStA. 1. 11. 1935 AAssist., ib. 1937 – 39 beurlaubt als stellv. Leiter d. Leibniz-Edition z. Preuß. Akademie d. Wiss. 1939 AAss, GStA. 1. 7. 1941 – 45 StAR, ib. 1944 als BezirksOR abgeordnet z. Reichskomm. f. d. Ostland. 1946 StA Marburg. 1949 auch Doz. a. d. ASchule, ib. 1951 Lehrtätigkeit a. d. Univ., ib. 1962 desgl. a. d. Univ. Gießen. 1963 StADir. u. Dir. d. ASchule Marburg. 1963 Hon. Prof., Gießen. 1969 Vizepräsident, 1972 – 73 Präsident d. J. G.-Herder-Forschungsrates. 1973 Pensionierung. Gest. 3. 9. 1973 Marburg. – Lit.: Helmut Dahm, K. D. Zur Vollendung s. 65. Lebensjahres, in: Der Archivar 26 (1973) Sp. 153 – 156. Duncker, Max: 1867 – 1874 Geb. 15. 10. 1811 Berlin. 1830 Abitur. 1830 – 34 Univ. Bonn, Berlin. 16. 7. 1834 Prom. Herbst 1834 – Herbst 1835 b. d. Kgl. Bibl. beschäftigt, daneben i. d. Verlagsbuchhandlung Duncker & Humblot tätig. Juli – Dez. 1837 Festungshaft i. Köpenick wegen s. Mitgliedschaft b. d. „Markomannen“. Frühj. 1839 Habil., Univ. Halle, anschl. Priv. Doz., ib. 20. 11. 1842 a.o. Prof., ib. daneben seit 1. 7. 1843 Redakteur der „Allgem. Literaturzeitung“, seit 9. 5. 1848 Mitgl. d. Nationalversammlung,
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Frankfurt a. M., Austritt am 20. 5. 1849. Juni 1849 2. Präs. d. Gothaer Versammlung. Seit 27. 7. 1849 Mitgl. d. preuß. Abgeordnetenhauses, seit 1850 auch des Erfurter Parlaments. 1857 o. Prof., Univ. Tübingen. Seit 28. 4. 1859 Geh. RegR i. Preuß. StMin., m. d. Ltg. d. Presse-Zentralstelle beauftr. Dez. 1859 erneut Mitgl. d. preuß. Abgeordnetenhauses. 6. 6. 1861 als Geh. RegR. u. Rat 3. Kl. z. Dienst b. Kronprinzen abgeordnet. 16. 6. – 2. 7. 1866 Preuß. Zivilkommissar f. Kurhessen, Kassel. 12. 2. 1867 Mitgl. d. Reichstages. 8. 7. 1867 Vortr. R. b. preuß. StMin., Dir. d. StAe., zugl. Dir. d. GStA. Seit 1872 nebenamtl. Doz. a. d. Kriegsakad. Berlin. 28. 9. 1874 als Geh. ORR pensioniert. 1884 Historiograph d. Hauses Brandenburg. Gest. 21. 7. 1886 Ansbach. – Lit.: Rud. Haym, Leben M. D. s. Berlin 1891. – H. v. Treitschke, in: Hist. u. polit. Aufs., Bd. 4, S. 401 ff. – Nasemann, in: Der Grenzbote 1886, S. 361 – 372. – S. Reinach, in: Revue historique 32 (1886). – Reinhold Brode, in: Biogr. Jb. f. Altertumskunde. 1886, S. 147 – 174. – W. v. Giesebrecht, in: SBB d. Akadem. München, 1887. – Reinh. Brode, in: FBPG 6 (1893), S. 159 – 185. – Constantin Rößler, in: Preuß. Jbb. 68 (1891), S. 404 ff. – H. v. Petersdorff, in: ADB 48 (1904), S. 171 – 199. – Wilh. Stolze, M. D., in: Qu. u. Darst. z. Gesch. d. Burschenschaft u. d. dt. Einheitsbewegung 7 (1921). – Joh. Schultze, Biogr. Einl. zu: Polit. Briefwechsel M. D.s. Aus d. Nachl. hrsg. Bln. 1923 (= Dt. Geschichtsqu. d. 19. Jhs. Bd. 12). – Ders., NDB 4 (1959), S. 195 – 196. – Biogr. Staatshandb., hrsg. v. W. Kosch, Bd. 1 (1963), S. 266. Erhardt, Louis: 1893 – 1908 Geb. 21. 9. 1857 Gadebusch / Mecklenburg. 1875 Abitur. 1875 – 78 Univ. Göttingen, Berlin, Leipzig. Dez. 1878 Prom. u. Staatspr. f. d. höh. Lehramt. 1879 – 83 Hauslehrer, längere Auslandsaufenthalte u. a. in Rumänien, England, Frankreich. 1883 Rückkehr nach Berlin, Mitarbeiter d. HZ u. versch. Ztgen. 1893 AHilfsarb., GStA, später AAssist., ib. 1898 Kgl. Archivar (auftragsw.), GStA, zunächst geführt b. StA Hannover. 1907 Kg1. Archivar u. AR. Selbstmord 21. 1. 1908 Berlin. – Lit.: Otto Hintze, in: FBPG 21 (1908) SB v. 12. 2. 1908, S. 17 – 24. – HohenzollernJb. 12 (1908), S. 270. – Friedrich Meinecke, in: HZ 101 (1908), S. 90 – 99, erneut in F. M., Preußen u. Deutschland im 19. Jhdt. München 1918, S. 439 – 448. – Biogr. Jb. 13 (1910), S. 26* (Notiz). Feige, Rudolf: 1943 – 1945 Geb. 6. 8. 1910 Gadderbaum / Bethel b. Bielefeld. Univ. Marburg, München, Göttingen. 1939 Wehrdienst, dazw. 1940 Prom. u. Staatspr. f. d. höh. Lehramt. Nach Kriegsverletzung 1942 Wiss. Hilfsarb., Inst. f. Rechtsgesch., Univ. München. 1. 4.1943 StARef., VorbDienst, GStA, d. IfA, Berlin-Dahlem, überwiesen, wegen Wehrdienst nur nom. Mitgl. 1. 1. 1945 StAAss, GStA Berlin. Nach Kriegsende keine Beschäftigung mehr i. GStA. 1946 – 59 Stadtarchivar Rinteln / Schaumburg. 1947 – 48 Stud.Ref., Hannover. 1949 – 57 Kustos Heimatmuseum, ib. 1950 – 52 nebenamtl. Heimleiter d. Lehrerfortbildungsseminars i. Rinteln. Seit 1953 auch Stadtarchivar v. Hameln. Gest. 9. 1. 1969 Hameln. – Lit.: Herbert Mundhenke, in: Der Archivar 23 (1970) Sp. 230 – 232.
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II. Teil
Finke, Karl: 1927 – 1944 Geb. 2. 11. 1897 Oberbronn, Krs. Hagenau / Elsaß. 1915 – 18 Wehrdienst. 1919 – 22 Univ. Freiburg, Münster 1922 (?) Prom. 26. 7. 1922 Staatspr. f. d. höh. Lehramt. 1922 – 24 Stud.Ref. 1927 AVol., GStA. 1927 – 1930 Vorb.Dienst. 11. 12. 1928 Staatspr. f. d. höh. ADienst. 1930 AHilfsarb., GStA. 1. 4. 1932 AAssist., ib. 1934 StAR, ib. 1944 StA Hannover, Außenstelle Schwöbber. 1947 Pensionierung. Gest. 27. 10. 1966 Wildbad / Schwarzwald. Forstreuter, Kurt: 1925 – 1927, 1946 – 1952 Geb. 8. 2. 1897 Weedern, Krs. Tilsit-Ragnit. 1917 – 18 Wehrdienst. 1919 – 24 Univ. Königsberg, Berlin. 1923 Prom. 1924 Staatspr. f. d. höh. Lehramt. 1925 – 27 Lehrgang f. d. Wiss. ADienst, GStA. 7. 6. 1927 Staatspr. f. d. höh. ADienst. 1. 7. 1927 Wiss. Hilfsarb., StA Königsberg. 1928 AAssist., ib. 1. 10. 1931 – 45 StAR, ib. 1943 – 45 Wehrdienst. 1943 Preis d. Forschungskreises d. Univ. Königsberg / Pr. 1945 – 1946 Kriegsgefangenschaft. 1947 – 52 Berliner HauptA. 1. 9. 1952 beurlaubt a. d. Staatl. ALager Goslar. 1. 12. 1952 StADir., ib. 1953 – 62 Staatl. ALager, Göttingen. – Lit.: Festschr. für K. F. z. Vollendung s. 60. Lebensj., in: Preußenland u. Deutscher Orden, Würzburg 1958 (m. Schriftenverz.) S. 374 – 381 (= Ostdeutsche Beiträge, 9). Frederichs, Johannes: 1938 – 1945 Geb. 20. 5. 1903 Berlin-Charlottenburg. 1921 – 26 Univ. Berlin. 15. 7. 1926 Prom. 1927 Staatspr. f. d. höh. Lehramt. 1. 1. 1930 AHilfsarb., StA Stettin. 1. 10. 1931 AAssist., ib. Okt. 1932 StAR, ib. 1936 – 38 StA Königsberg. 1938 GStA Berlin, auch Doz. a. d. If A, Berlin-Dahlem. 1942 AAbt. d. Preuß. Staatsmin. 1944 Wehrdienst. Apl. 1945 b. Trebbin gefallen. Friedländer, Ernst: 1874 – 1903 Geb. 28. 8. 1841 Berlin. Univ. Heidelberg, Berlin. 5. 1. 1866 AAspir., StA Münster. Anschließend Wehrdienst. 24. 2. 1867 AAssist., StA Münster. 1870 / 71 Wehrdienst. 1. 4. 1872 Komm. Vorstand d. neuerrichteten StA.s Aurich. 1873 ASekr., ib. 1. 10. 1874 Geh. Staatsarchivar, GStA. 1882 Geh. Staatsarchivar u. AR., ib. 7. 12. 1891 Geh. Staatsarchivar u. Geh. AR, ib. Gest. 1. 1. 1903 Berlin. – Lit.: HohenzollernJb. 7 (1903), S. 298. – Ernst Berner, in: Biogr. Jb. 8 (1905) S. 299 – 304, – Günter Möhlmann u. Joseph König, in: Gesch. und Bestände d. Nds. StA Aurich. Göttingen 1955, S. 90 (= Veröff. d. Nds. AVerw., H. 5). Friedländer, Gottlieb: 1853 – 1874 Geb. 25. 9. 1805 Berlin. 1824 Abitur. 1824 – 28 Univ. Bonn, Berlin, dzw. Militärdienst b. Gardeschützen-Reg., ib. Prom. 14. 4. 1828 Assist., Kgl. Bibl., Berlin. Juli 1831 Kustos, ib. 1850 Bibliothekar, ib. 1842 daneben auch Bibliothekar a. d. Kgl. Allgem. Kriegsschule (sp. Kriegsakad.). Sommer 1853 Geh. Staatsarchivar, GStA,
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unter Beibehaltung seines Nebenamtes b. d. Kriegsakad. Herbst 1853 Geh. Staatsarchivar u. AR, ib. 1855 Geh. Staatsarchivar u. Geh. AR., ib. 1860 Erster Geh. Staatsarchivar u. Geh. AR., ib. Frühj. 1874 Pensionierung. Gest. 27. 6. 1878 Berlin (?). – Lit.: Ernst Friedländer, in: ADB 48 (1904), S. 778 – 780. Ginsberg, Fritz: 1914 – 1916 Geb. 12. 2. 1887 Struthütten b. Siegen. Ostern 1907 Abitur. 1907 – 12 Univ. Berlin. 19. 11. 1912 Prom. 1. 4. 1913 AVol., StA Münster. 1. 5. 1914 GStA. 27. / 28. 7. 1914 Staatspr. f. d. höh. ADienst. Gefallen 17. 10. 1916 b. Pastomiti, Wolhynien. Gollmert, Louis: 1858 – 1905 Geb. 1827. 1858 Geh. ASekr., GStA. 1860 Geh. Staatsarchivar, ib. 1867 Geh. Staatsarchivar u. AR., ib. 1879 Geh. Staatsarchivar u. Geh. AR, ib. 1897 Pensionierung. Gest. 22. 7. 1905 Berlin. – Lit.: Biogr. Jb. 10 (1907), S. 174. – Allgem. Ztg. 1905, Beil. III, S. 192. Gollub, Hermann: 1920 – 1921 Geb. 20. 9. 1888 Zeysen b. Lyck / Ostpr. 1908 – 14 Univ. Berlin. 1. 6. 1914 AVol., GStA. 5. 8. 1914 Prom. 1914 – 18 Wehrdienst u. russ. Gefangenschaft. 7. – 10. 4. 1920 Staatspr. f. d. höh. ADienst. 16. 4. 1920 AAssist., GStA. 1. 8. 1921 Staatsarchivar, ib., im gleichen Jahr versetzt a. d. StA Königsberg / Pr.; seit 1923 StAR. 1. 5. 1930 StA Breslau. 1939 abgeordnet a. d. StA Posen. 1. 4. 1941 StA Breslau. 28. 8. 1941 abgeordnet z. Ltg. d. StA Stettin vertretungsweise, später mit den verlagerten Beständen in Greifswald, 2. 7. 1945 im GStA zur Wiederaufnahme des Dienstes gemeldet. Juli 1945 Landesverw. f. Mecklenburg, Betreuung d. westpommerschen AAusweichstellen. Gest. 14. 10. 1947 Greifswald. – Lit.: Kurt Forstreuter, in: Der Archivar 11 (1958) Sp. 86 – 87. Graber, Erich: 1905 – 1908 Geb. 14. 4. 1881 Berlin. Michaelis 1901 Abitur. 1901 – 05 Univ. Heidelberg, Berlin. 1. 8. 1905 AVol, GStA. 9. 12. 1905 Prom. 18. 2. 1908 Staatspr. f. d. höh. ADienst, anschl. StAe Hannover, Schleswig u. Posen, von dort 1. 10. 1908 – 30. 9. 1909 abgeordnet an d. StadtA Flensburg. 1. 3. 1909 AHilfsarb., StA Schleswig. Herbst 1909 StA Posen. 1. 7. 1915 Kgl. Archivar, StA Breslau, später StA Posen. 1918 Hauptgeschäftsf. d. Fürsorgestelle d. Dt. Beamtenbundes u. d. Preuß. Fürsorgekommissariats, zugl. Vertr. d. Reichskommissars f. d. Gefangenenaustausch, ib. 1. 4. 1920 Staatsarchivar. 1. 8. 1920 erneut StA Breslau. 1921 vom Ausw. Amt z. techn. Durchführung d. Abstimmung in Oberschl. herangezogen. 1922 wieder StArchivar, StA Breslau. 1923 StAR, ib. 1. 10. 1931 Leiter des StA Osnabrück. 1. 4. 1934 mit d. Zusatz 1. StAR, StA Kiel. 1. 10. 1937 Pensionierung. 1941 – 46 in d. Reichsgruppe Industrie m. kriegswirtschaftl. Aufgaben betraut. Gest. 17. 7. 1958 Kiel. – Lit.: G.E. Hoffmann, in: Der Archivar 14 (1961) Sp. 86 – 87. – Waschinsky, in: Schlesien 1 (1956), S. 150 –151.
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II. Teil
Granier, Friedrich: 1925 – 1938 Geb. 1. 5. 1893 Berlin. 1912 – 15 Univ. Breslau, Besançon, München. 1915 – 18 Wehrdienst. 1920 – 22 Univ. Berlin. 1922 Prom. 1. 10. 1922 Dienstantr. i. d. Preuß. AVerw. 20. 3. 1924 Staatspr. f. d. höh. ADienst, Berlin-Dahlem. 1. 4 1924 – 30. 6. 1925 Wiss. Hilfsarb., StA Stettin. 1. 7. 1925 AAssist., GStA. 1. 4. 1928 StAR, ib. zugl. Doz. a. d. IfA, Berlin-Dahlem. 1938 beurlaubt z. HeeresA Potsdam. 8. 8. 1939 HeeresAR, ib. Gest. Februar 1946 Tscherepowez, i. d. russ. Gefangenschaft. – Lit.: Berthold Poll, in: Der Archivar 6 (1953) Sp. 106 – 112. Granier, Hermann: 1893 – 1900, 1903 – 1906 Geb. 8. 12. 1857 Breslau. Offizierslaufbahn. Nach 8 Jahren Militärdienst aus Gesundheitsrücksichten Studium d. Gesch. 16. 8. 1889 Prom. 1893 AAspir., GStA. 1895 AAssist., ib. 1898 Kgl. Archivar, auftragsw., ib. jed. b. StA Koblenz geführt. 1. 4. 1900 StA Breslau. 1. 4. 1903 GStA. 1906 Hausarchivar b. Kg1. HausA, Berlin-Charlottenburg. 1. 4. 1920 Staatsarchivar. 1923 Pensionierung. Gest. 14. 1. 1941 Berlin. – Lit.: Mitteilungsbi. d. preuß. AVerw. 1941, Nr. 1, S. 3 – 4. Grieshammer, Werner: 1930 – 1931, 1934 – 1935 Geb. 7. 6. 1905 Dresden. 1923 – 30 Univ. Rostock, München, Berlin. 1. 5. 1930 – 12. 9. 1931 IfA, Berlin-Dahlem. Sept. 1931 Staatspr. f. d. höh. ADienst. Mrz. 1932 Staatspr. f. d. höh. Lehramt. 1. 4. 1932 AHilfsarb., Brandenb: Preuß. HausA, Berlin-Charlottenburg. 1. 10. 1932 AAssist., ib. 1934 – 35 StAAssist, GStA. 1935 Prom. 1936 AR, ReichsA, Potsdam. 1938 Doz. a. d. IfA, Berlin-Dahlem. 1939 – 45 Wehrdienst. 1950 Dir. d. Berufsförderungswerkes d. Landes Niedersachsen, Bad Pyrmont. 1974 Verabschiedung. Gutbier, Ewald: 1913 – 1914 Geb. 10. 12. 1887 Langensalza. Ostern 1907 Abitur. 1907 – 12 Univ. Jena, Marburg, Berlin. 24. 9. 1912 Prom. 1. 10. 1912 AVol., StA Münster. 1. 5. 1913 GStA. 3. 3. 1914 Staatspr. f. d. höh. ADienst. 1. 6. StA Münster, seit 1. 11. 1914 Wehrdienst. 2. 1. 1919 AHilfsarb., StA Marburg. 1. 8. (1. 10.?) 1919 AAssist., ib. 1. 3. 1921 Staatsarchivar, seit 1923 StAR, ib. Juli 1945-Sommer 1946 vertretungsw. Ltg. d. StA.s. 1947 (?) Doz. a. d. ASchule Marburg. 1. 1. 1953 Pensionierung. Gest. 11. 2. 1965 Marburg. – Lit.: Zum 70. Geb., in: Zs. d. Ver. f. hess. Gesch. u. Landeskde. 68 (1957) S. 8 – 9. – Claus Cramer, in: Der Archivar 20 (1967) Sp. 493 – 495. Hagemann, Arnold: 1878 (?) – 1880 Geb. 2. 12. 1847 Wolgast / Pommern. Nach Studium u. Prom. Oberlehrer. 1. 10. 1877 AAspir. 1878 AHilfsarb., GStA. Vor 1880 AAssist., ib. 1880 ASekr., StA Idstein, nach Verlegung d. StA.s 1882 StA Wiesbaden. 1886 Kgl. Archivar, 2. Kl., ib. 1892 Kgl. Archivar 1. KI., ib., seit 19. 11. 1894 nur als Kgl. Archivar bez. 1895 Kgl. Archivar u. AR, ib. 1. 4. 1897 Staatsarchivar u. AR, StA Aurich. 24. 4. 1897 Gesuch um Pensionierung. 13. 5. – 30. 6. 1897 beurlaubt. 1. 7. 1897 Entlassung a. d. ADienst. Gestorben 14. 4. 1913 Wiesbaden. – Lit.: Günther Möhlmann und
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Joseph König: Gesch. u. Bestände des Nds. StA i. Aurich, Göttingen 1955, S. 96 (= Veröff. d. Nds. AVerw., H. 5). Hahn, Adalbert: 1934 – 1941 Geb. 22. 9. 1908. Bis 1933 Univ. Berlin. 1933 Prom. 1934 – 35 IfA, Berlin-Dahlem. 1936 Wiss. Hilfsarb., GStA 1937 AAssist., ib. 1938 AAss, ib. 1940 StAR, ib. Vorübergehend z. Wehrdienst eingezogen. 1941 versetzt a. d. Zweigstelle Bromberg d. ReichsA Danzig. 1944 – 45 Wehrdienst. Gefallen. Harless, Woldemar: 1873 – 1875 Geb. 27. 3. 1828 Bonn. 21. 8. 1847 Abitur. 2. 10. 1847 – 52 Univ. Bonn. 22. 1. 1853 Prom. 15. 5. – 10. 10. 1854 1. Sekr. d. Germ. Nationalmuseums, Nürnberg. 14. 3. 1855 Staatspr. f. d. höh. Lehramt, anschl. Schuldienst. 20. 8. 1855 AHilfsarb., StA Düsseldorf. 14. 3. 1857 Ständischer Registrator u. Kanzlei-Insp., ib. 25. 10. 1861 ASekr., ib. 30. 4. 1866 Kgl. Provinzialarchivar d. Rheinprovinz zu Düsseldorf. 1870 / 71 Bereisung des Kriegsschauplatzes u. Untersuchung d. Archive i. Elsaß, sowie d. okkup. Gebiete Frankreichs. 5. 8. 1871 Staatsarchivar u. AR, StA Koblenz. 6. 2. 1873 Geh. Archivar u. AR, MinisterialA Berlin. 1. 7. 1873 1. Geh. Archivar (= Vorstand) u. AR, ib. 1. 5. 1874 Geh. Staatsarchivar u. AR., GStA. 1. 4. 1875 Staatsarchivar u. AR, StA Düsseldorf. 6. / 24. 12. 1879 Staatsarchivar u. Geh. AR, ib. Seit 1896 zugl. m. d. Zusatz AVorsteher, seit 27. 12. 1899 ADir. 1. 10. 1900 Pensionierung. Gest. 4. 6. 1902. – Lit.: Otto R. Redlich, in: Zs. d. Bergischen Geschver. 36 (1902 / 03) S. 1 – 13. – Biogr. Jb. 7 (1905) S. 42 (Notiz). – F.W. Oediger: Das Haupt StA Düsseldorf u. s. Bestände, Bd. 1, Siegburg 1957, S. 29 – 30. Hassel, Paul: 1871 – 1882 Geb. 22. 7. 1838 Berlin. Univ. Gießen, Berlin. 1862 Prom. 15. 8. 1862 (1866?) Priv: Doz., Univ. Berlin. 1870 – 71 Wehrdienst. 1871 Geh. Archivar u. AR, MinisterialA Berlin. 1874 Geh. Staatsarchivar u. AR, GStA. 30. 6. 1875 Geh. Staatsarchivar u. Geh. AR, ib. 1. 10. 1882 Ausscheiden aus d. Preuß. AVerw. u. Übertr. i. d. sächs. Staatsdienst als Geh. Reg. R. sowie Leiter d. HauptstaatsA Dresden. Pensionierung zum 1. 8. 1906 beantragt. Gest. 31. 7. 1906 Dresden (Jena?). – Lit.: Archival. Almanach 1 (1903 / 04) S. 79 – 80. – J. C., in: Neues Archiv f. Sächs. Gesch. 27 (1906) S. 412. – Dresdner Journal Nr. 175, S. 1, v. 31. 7., desgl. Nr. 176, S. 4 u. 6 v. 1. 8. 1906. – Dresdner Anzeiger Nr. 209, S. 5 u. 23 v. 1. 8. 1906. – Dresdner Nachrichten Nr. 210, S. 1 v. 2. 8. 1906. – Norddt. Allgem. Ztg. Nr. 179, Unterhaltungsbeil. v. 3. 8. 1906. – Illustr. Universum Jb. 1906, S. 376 u. 385. – J. Trefftz, in: Hist. Vjschr. 10 (1907) S. 127 – 128. – Biogr. Jb. 11 (1908), S. 223 – 224, m. Schriftenverz. Beiträge zur Archivwissenschaft u. Geschichtsforschung, hrsg. v. Reiner Groß u. Manfred Kobuch, Weimar 1977, S. 150 – 151, 163 (= Schriftenreihe d. Staatsarchivs Dresden, Bd. 10). Hegert, Anton: 1878 – 1906 Geb. 22. 10. 1842 Saarlouis. Univ.? Prom.? 1872 Staatsarchivar, StA Idstein. 1873 StA Düsseldorf. 1. 4. 1875 StA Posen, abgeordnet z. GStA. 1878 Geh. Staatsarchi-
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II. Teil
var, GStA. 1883 Geh. Staatsarchivar u. AR, ib. 1892 Geh. Staatsarchivar u. Geh. AR, ib. Gest. 1906. – Lit.: G. v. Schmoller, in: FBPG 20 (1907) SB v. 10. 10. 1906, S. 3. Hein, Max: 1910 – 1918 Geb. 7. 10. 1885 Angerburg / Ostpreußen. Ostern 1905 Abitur. 1905 – 09 Univ. Berlin, Heidelberg. 24. 7. 1909 Prom. 1. 10. 1909 AVol., StA Danzig. Mai 1910 GStA. 20. 12. 1910 Staatspr. f. d. höh. ADienst. 1911 z. d. MGH abgeordnet. 1. 11. 1911 AHilfsarb. 1. 12. 1912 AAssist. Im 1. Weltkrieg zeitweilig Wehrdienst. 1. 10. 1918 Kgl. Archivar, StA Stettin, 1. 4. 1920 Staatsarchivar, StA Königsberg, seit 1923 StAR. 1. 10. 1927 StADir., ib. 1945 Leiter d. StA Kiel (später verlegt nach Schloß Gottorp). Gest. 13. 11. 1949 Schleswig. – Lit.: H. Brulin, in: Historisk Tidskrift 4 (1949). – Kurt Forstreuter, in: Der Archivar 4 (1951) Sp. 46 – 48. – W. Suhr, in: Zs. d. Ges. f. Schleswig-Holstein. Gesch. 76 (1952) S. XVII – XIX. Henning, Eckart: 1970 (– 1984, vgl. S. 269 f.) Geb. 27. 1. 1940 Berlin. 1961 – 67 Univ. Berlin (FU), Marburg, Wien. 1967 Staatspr. f. d. höh. Lehramt. 1968 Akadem. Abschlußpr. (Magister-Examen). 1967 – 69 Wiss. Assist. German. Sem. d. FU Berlin. 1970 ARef., VorbDienst, GStA. 1970 – 71 ASchule Marburg. 1972 Staatspr. f. d. höh. ADienst. 1972 AR z.A. 1974 AR. Herrmann, Klaus-Jürgen: 1973 – 1975 Geb. 25. 7. 1947 Elversberg / Saar. 1966 – 72 Univ. Saarbrücken. 1971 PädagogikExamen z. Staatspr. f. d. höh. Lehramt. 1968 – 71 Wiss. Hilfskraft. 1971 – 72 Wiss. Assist. Univ. d. Saarlandes. 1972 Prom., ib. 1973 ARef., VorbDienst GStA. 1. 4 1973 – 74 ASchule Marburg. 25. 9. 1974 Staatspr. f. d. höh. ADienst, anschl. erneut GStA. 1975 Städt. AAss, StadtA Schwäbisch-Gmünd. Hessler, Wolfgang: 1944 – 1945 Geb. 21. 1. 1916 Berlin-Wilmersdorf. 1936 – 41 Univ. Halle / S. 1. 8. 1941 – 11. 5. 1942 Wehrdienst. 19. 3. 1943 Staatspr. f. d. höh. Lehramt u. Prom. 1. 5. – 31. 12. 1943 Wiss. Hilfsarb. a. Inst. z. Erforschung. d. Magdeburg. Stadtrechts, Magdeburg. 1. 1. 1944 StARef., GStA. 1. 3. 1944 – Apl. 1945 IfA (1. 3. – 30. 11. 1944 b. StA Marburg, 1. 12. 1944 – Apl. 1945 Berlin-Dahlem). 1. 10. 1945 – 31. 1. 1946 Stud. Ref., Halle / S. 1. 7. 1947 – 31. 3. 1948 Stipendiat d. landesgeschichtl. Forschungsstelle f. Sachsen-Anhalt, ib. 1. 5. 1948 – 31. 12. 1949 Wiss. Hilfskraft a. Hist. Sem., Univ. Halle. 1. 1. 1950 – 31. 1. 1952 Ref. a. Deutschen ZentralA Potsdam bzw. Merseburg. 1. 2. 1952 – 1957 Mitarb. a. Mittellat. Wörterbuch b. d. Deutschen Akademie d. Wiss., Berlin. 1. 2. – 31. 3. 1958 Stipendiat d. Min. f. Gesamtdtsche. Fragen. Gießen. 1. 4. 1958 – 31. 3. 1962 Mitarb. b. Fuldaer Urkundenbuch, Marburg / L. Seit 1. 4. 1962 Mitarb. a. Mittellat. Wörterb. a. d. Bayer. Akademie d. Wiss., München. Hinrichs, Carl: 1928 – 1938 Geb. 30. 4. 1900 Emden. Seit 1918 Univ. Jena, Heidelberg, Marburg, Bonn. 1925 Prom., anschl. thür. Stud.Ref. 1926 Stipendiat d. Notgem. d. Dt. Wiss. 1928 AVoI,
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GStA 1929 Staatspr. f. d. höh. Lehramt. Lehrg. f. d. Wiss. ADienst. m. Staatspr. 1. 1. 1930 – 1. 10. 1931 AHilfsarb., ib. 2. 10. 1931 – 1. 4. 1934 AAssist., ib. 2. 4. 1934 – 31. 3. 1938 StAR, ib. 1. 4. 1938 StA Königsberg / Pr. 1938 von Königsberg aus Habilitation, Univ. Berlin. 1941 vorübergehend Wehrdienst. 1942 beurlaubt als Univ.-Doz., Königsberg / Pr. 1944 beamteter a.o. Prof., Univ. Halle-Wittenberg. 1951 o. Prof., Berlin (FU). 3. 12. 1959 Ehrenprom. Dr. theol. h. c., Univ. Mainz. Gest. 6. 3. 1962 Berlin. – Lit.: Gerhard Oestreich, Gedächtnisrede f. C. H. (m. Abb.), in: Jb. f. d. Gesch. Mittel- u. Ostdeutschlands 11 (1962) S. 1 – 12; Kurt Forstreuter, in: Der Archivar 16 (1963) Sp. 409 – 411; Werner Schochow: Bibliographie C. H., in: C. H., Preußen als historisches Problem. Gesammelte Abhandlungen, Berlin 1964, S. 421 – 430 (= Veröffentl. d. Hist. Komm. f. Berlin, 10); Anton Kappelhof, in: Jb. d. Ges. f. bildende Kunst u. vaterländische Altertümer zu Emden 45 (1965) S. 5 – 7 (m. Abb.); Gerhard Oestreich, in: HZ 196 (1963) S. 249 – 251. Hoffmann, Ernst: 1924 – 1926 Geb. 12. 12. 1898 Niedercunnersdorf, Krs. Löbau / Sachsen. 1917 – 22 Univ. München, Leipzig, Erlangen. 15. 9. 1922 Prom. 1923 Staatspr. f. d. höh. Lehramt. 1. 11. 1923 – 31. 3. 1926 Wiss. Assist. b. d. MGH, daneben seit 1. 1. 1924 Lehrgang f. d. wiss. ADienst. 28. 7. 1925 Staatspr. f. d. höh. ADienst. 1. 4. 1926 AHilfsarb., GStA. 12. 4. 1926 StA Kiel. 1. 10. 1927 AAssist., ib. 1. 7. 1929 StAR, ib. 1935 nebenamtl. Lehrtätigkeit Univ. Kiel. 1. 11. 1938 – 49 ADir., StA Kiel. 1942 Hon. Prof., Univ. Kiel. 1949 – 1963 (Ltd.) Dir. d. LandesA Schleswig-Holstein. 1963 Pensionierung. Jan, Helmut von: 1939 – 1941 Geb. 11. 12. 1910 Straßburg / Elsaß. 1929 – 36 Univ. Frankfurt, Göttingen. 1938 Prom. 1939 Staatspr. f. d. höh. Lehramt. 1939 – 40 IfA, Berlin-Dahlem. 29. 6. 1940 Staatspr. f. d. höh. ADienst mit anschl. prakt. Ausbildung a. GStA. 3. 3. 1941 AAss, ib. Apl. 1941 Archivar a. reichskirchl. A. b. d. dt. Evangel. Kirche. 1. 5. 1942 als AR a. d. LandesA Straßburg / Elsaß berufen. Nov. 1944 als AR i. d. Beamtenverh. übern., ib. 1947 StAR, StA Speyer. 1964 StadtA u. Stadtbibl. Hildesheim. 1967 städt. ADir. u. Bibl.Dir., ib. 1975 Pensionierung. Kaeber, Ernst: 1907 – 1911 Geb. 5. 12. 1882 Charlottenburg b. Berlin. 19. 2. 1901 Abitur. Univ. Berlin, Königsberg. 24. 11. 1906 Prom. 1. 4. 1907 AVol., GStA. 19. 5. 1908 Staatspr. f. d. höh. ADienst. 1. 6. 1908 – 1. 10. 1908 StA Aurich. Winter 1908 / 09 StA Düsseldorf. 1. 4. AHilfsarb. StA Aurich. 1. 11. 1909 GStA. 1. 4. 1910 AAssist., ib. 2. 5. 1910 StA Aurich. 1. 11. 1910 GStA. 1. 5. 1911 StA Magdeburg. 1913 Archivar d. Stadt Berlin. 1. 4. 1913 Leiter d. StadtA.s. Berlin. 1. 10. 1927 StadtADir., ib. Seit 1931 nebenamtl. Doz. IfA, Berlin-Dahlem. 1937 aus polit. Gründen pensioniert. Seit Aug. 1942 wiss. Mitarb. d. ABeratungsstelle b. GStA. 29. 6. 1945 erneut Leiter d. StadtA.s Berlin. 31. 3. 1950 Pensionierung. 1. 8. 1952 wieder eingesetzt als StadtADir., Berlin(-West). 31. 8. 1955 Pensionierung. Gest. 5. 7. 1961 Berlin-Lich-
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II. Teil
terfelde. – Lit.: Günther Möhlmann u. Joseph König, in: Gesch. u. Bestände des Nds. StA.s Aurich. Göttingen 1955,S. 106 (= Veröff. d. Nds. AVerw., H. 5). Konrad Kettig, in: Der Bär von Berlin 7 (1957 / 58), S. 7 – 18, m. Schriftenverz. – Joachim Lachmann, in: Jb. f. d. Gesch. Mittel- u. Ostdeutschlands 9 / 10 (1961), S. 698 – 701. – Ders., in: Der Archivar 15 (1962) Sp. 187 – 190. – W. G. Oschilewski, in: Der Bär von Berlin 11 (1962), S. 121 – 122. – Werner Vogel, in: E. K., Beitr. z. Berliner Gesch., Berlin 1964, S. 377 – 385. – Joachim Lachmann, in: Der Bär von Berlin 14 (1965), S. 313 – 324. Käker, Günther: seit 1972 Geb. 2. 8. 1936 Rostock. 1972 – 75 VorbDienst, GStA. 1973 – 74 ASchule, Marburg. 1975 Staatspr. f. d. geh. ADienst, Alnsp. z.A., GStA. Kaiser, Lisa: 1944 – 1947 Geb. 21. 2. 1916 Dresden. 1935 – 42 Univ. Leipzig, Jena. Febr. 1942 Staatspr. f. d. höh. Lehramt. 26. 5. 1944 Prom. 15. 6. 1944 Hospitantin b. Lehrg. f. d. wiss. ADienst, StA Marburg. Ab 1. 7. 1944 zugl. AAng., i. 1. 12. 1944 z. weiteren Ausbild. d. IfA, Berlin-Dahlem, überwiesen. Mai 1945 – 47 Weiterbeschäftigung als Wiss. Hilfsarb., GStA 22. 3. 1946 Staatspr. f. d. höh. ADienst, anschl. weitere Tätigkeit b. GStA. 1. 7. 1947 Archivarin b. Länderrat d. U.S. Zone, Stuttgart. 1948 Bibl.- u. ARef. b. Statist. Bundesart, Wiesbaden. 1954 AR, ib. 1962 Teiln. a. Stage technique d’archives, NationalA Paris. 1963 OAR, Wiesbaden. 1967 – 68 Aufbau e. Dokumentationszentr. f. Planung u. Statistik, Phnom-Penh / Kambodscha. 1969 Bibl.Dir. b. Statist. Bundesamt. Gest. 10. 10. 1972 Mainz. – Lit.: Heinz Boberach u. Gerh. Jungjohann, in: Der Archivar 26 (1973) Sp. 348 – 350. Kausche, Dietrich: 1937 – 1945 Geb. 20. 5. 1914 Kolberg. 1932 – 35 Univ. Tübingen, Halle, Berlin, Greifswald, 1936 Prom. 1937 – 39 IfA, Berlin-Dahlem. 1938 Staatspr. f. d. höh. Lehramt. März 1939 Staatspr. f. d. höh. ADienst, April – September 1939 prakt. Vorb.Dienst, StA Oldenburg. Okt. – Nov. 1939 Wiss. Ang. ib. 1. 12. 1939 StAAss, GStA. 1940 Wehrdienst. 1942 StAR, GStA. 1946 ABeratungsstelle, Münster. 1948 Wiss. Ang., StA Hamburg. 1951 AR, ib. 1958 Abt.Vorsteher, ib. 1962 umben. i. OAR, ib. 1966 ADir., ib. Kehr, Paul Fridolin: 1915 – 1929 Geb. 28. 12. 1860 Waltershausen b. Gotha. 1879 – 83 Univ. München, Göttingen. 1883 Prom. 1884 – 85 österr. Inst. f. Gesch.forschung, Wien. Okt. 1885 – Okt. 1886 Wiss. Forschungen i. Auftr. Sickels i. ital. Archiven. 1886 – Okt. 1888 Wiss. Mitarb. d. Wiener Diplomata-Abt. d. MGH, zeitw. Forschungsaufenthalt i. Venedig. 1889 Priv: Doz., Univ. Marburg. 1893 – 95 a.o. Prof., ib. Verlegung d. Ausbildung d. preuß. Archivare a. s. dortiges Sem. f. Histor. Hilfswiss. (seit 1902 Berlin). 1895 o. Prof., Univ. Göttingen. 1. 10. 1903 – Mai 1915 u. 1924 –1. 4. 1936 Dir. d. Preuß. Hist. Inst., Rom. Sept. 1915 – 1. 10. 1929 Gen Dir. d. Preuß. StAe. zugl. Erster Dir. d. GStA, ferner Dir. d. neubegründeten Kaiser-Wilh.-Inst. f. Dt. Geschichte, Berlin.
Archivare beim Geheimen Staatsarchiv 1874 – 1974
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1. 9. 1919 – 1934 auch Vors. d. Zentraldir. d. MGH, Berlin. 1931 Errichtung d. PiusStiftung f. Papsturkunden u. mittelalterl. Geschichte b. Schweizer. Bundesrat. Gest. 9. 11. 1944 Schloß Wässerndorf (Unterfranken). – Lit.: Papsttum u. Kaisertum. Festschr. z. 65. Geb., Berlin 1921; P.F.K., Italien. Erinnerungen, in: Vortr. d. Abt. f. Kulturwiss. d. Kaiser-Wilh.-Inst. i. Palazzo Zuccari, in Rom 21 (1940). – Ernst Zipfel, in: Mittbl. d. preuß. AVerw. 1944, Nr. 10, S. 103 – 107. – Ders., in: Völkischer Beobachter v. 24. 11. 1944 (gek. Fassung). – H. Nabholz, in: Zs. f. Schweizer. Gesch. 24 (1944) S. 590 – 592. – W. Holtzmann, in: Dt. Allgem. Ztg. Nr. 321 v. 1. 12. 1944. – O.Vasella, in: Zs. f. Schweizer. Kirchengesch. 39 (1945) S. 72 – 74. – Leo Santifaller, in: Almanach d. Akad. d. Wiss. i. Wien f. d. J. 1945, 95 (1947), S. 192 – 199. – Walther Holtzmann, in: Zs. d. Savigny-Stiftung f. Rechtsgesch., Germ. Abt. 65 (1947) S. 478 – 481. – Ders., in: Dt. Archiv f. d. Gesch. d. Mittelalters 8 (1951) S. 26 – 58. – Friedr. Baethgen, in: Jb. d. Dt. Akad. d. Wiss. 1950 / 51, S. 157 – 160. – (Günther) F(ranz), in: Biograph. Wörterb. z. dt. Gesch., München 1952, S. 456. – Walther Holtzmann, in: Miscellania archivistica Angelo Mercati, Vatikanstadt 1952, S. 43 – 49. – Walter Goetz, in: W. G., Historiker meiner Zeit. 1957, S. 318 – 325. – Karl Brandi, in: Jb. d. Ak. d. Wiss. i. Göttingen, ObergangsBd. 1944 – 60 (1962) Sp. 134 – 152 m. Schriftenverz. – Martha Kehr: Die Vorfahren v. P.F.K., in: Genealogie 17 (1968) S. 321 – 330, nebst Nachtr. ib. 20 (1971) S. 471 – 472. Keller, Ludwig: 1895 – 1915 Geb. 28. 3. 1849 Fritzlar. 2. 1. 1874 AAspir., StA Marburg. 9. 7. 1874 AHilfsarb., ib, 1. 10. 1874 StA Münster. 6. 10. 1874 AAssist. ib. 1. 1. 1875 ASekr., ib. 1. 5. 1881 Staatsarchivar, ib. 5. 5. 1888 Staatsarchivar u. AR, ib. 1. 7. 1895 Geh. Staatsarchivar u. AR, GStA. 12. 12. 1900 Geh. Staatsarchivar u. Geh. AR, ib. Gest. 9. 3. 1915 Berlin. – Lit.: Monatsh. d. Comenius-Ges. f. Volkserziehung, N. F. 5 (1925), desgl. Monatsh. d. Comenius-Ges. f. Kultur- u. Geistesleben N. F. 7 (1915), S. 68 – 76 – Biograph. Jb. 1 (1925), S. 331. Kittel, Erich: 1927 – 1933, 1935 – 1945 Geb. 30. 12. 1902 Budweis / Böhmen. 1921 – 26 Univ. Greifswald, Tübingen, Berlin. 1925 Prom. 1926 Staatspr. f. d. höh. Lehramt. 1927 – 28 Lehrg. f. d. wiss. ADienst, Berlin-Dahlem. 1928 Staatspr. f. d. höh. ADienst. 1. 9. 1928 AHilfsarb., GStA bzw. Brandenburg-Preuß. Hausarchiv, Berlin-Charlottenburg. 1928 beurlaubt a. d. MGH. 1. 4. 1929. StAAss, ib. 1. 10. 1931 StAR, ib., zugl. Doz., IfA, BerlinDahlem. 1934 StA Wiesbaden. 1935. GStA. 1936 Doz. a. d. IfA, Berlin-Dahlem. 1939 – 45 Wehrdienst. 1945 StA Osnabrück. 1946 – 67 StADir., StA Detmold. 1946 – 50 zugl. Dir. d. Landesbibl., bis 1956 auch Leiter d. Staatl. Büchereistelle f. d. Reg.Bez. Detmold. 1967 Pensionierung. Gest. 19. 8. 1974 Detmold. – Lit.: Günther Engelbert, Bibliographie E. K., in:. Lippische Mitt. aus Gesch. u. Landeskunde 41 (1972) S. 331 – 342; ders., in: Der Archivar 28 (1975) Sp. 386 – 388; Hans Patze, in: Bll. f. dt. Landesgesch. 111 (1975) S. 241 – 244.
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II. Teil
Klinkenborg, Melle: 1898 – 1930 Geb. 23. 1. 1872 Grimersum, Krs. Emden. 1891 Abitur. 1891 – 95 Univ. Leipzig, München, Marburg, Berlin. 2. 3. 1895 Prom. 29. 2. 1896 Staatspr. f. d. höh. ADienst. 1896 wiss. Mitarb. d. Göttinger Ges. d. Wiss. 1897 – 98 Forschungsaufenthalte i. Italien. 2. 7. 1898 GStA. 1. 10. 1899 – Ostern 1901 abgeordnet als AHilfsarb. a. d. Preuß. Hist. Inst., Rom. 1. 10. 1900 AAssist., GStA. 1. 5. – 1. 8. 1902 abgeordnet a. d. StA Danzig, anschl. erneut GStA. 1. 10. 1906 Kgl. Archivar, ib. 1908 zugl. Archivar d. Ständ. A.s d. Prov. Brandenburg. 1915 – Apl. 1916 Kriegshilfsdienst, weiterhin teilbeschäftigt b. GstA. 1915 Geh. Staatsarchivar. 1. 1. 1916 Geh. Staatsarchivar u. AR, ib. 1. 4. (em. 21. 8.) 1921 Zweiter Dir. d. StA.e, ib., zugl. Doz. f. d. Ausb. d. wiss. ADienst. Gest. 29. 3. 1930, Berlin. – Lit.: Johannes Schultze, in FBPG 43 (1930) S. 1 – 21, m. Schriftenverz. – Ernst Müller, in: AZ 40 (1931) S. 282 – 285. König, Joseph: 1941 – 1945 Geb. 24. 9. 1915 Kiel. 1934 – 39 Univ. München, Münster. 1939 Staatspr. f. d. höh. Lehramt u. Prom. 1. 4. – Sommer 1941 IfA, Berlin-Dahlem, anschl. Wehrdienst. 1. 4. 1941 StARef. 1. 4. 1943 StAAss, GStA. 1945 – 47 VorbDienst, StA Osnabrück. 1947 Staatspr. f, d. höh. ADienst. 1947 StA Aurich. 1952 StAR, ib. 1954 StA Hannover. 1964 StA Wolfenbüttel. 1965 OAR, ib. 1967 ADir., ib. Kohlmann, Karl: 1897 – 1918 Geb. 11. 9. 1850 Stralsund. 1876 Prom. 1877 Staatspr. f. d. höh. Lehramt. 4. 4. 1877 AAspir. StA Schleswig. 1. 7. 1877 AHilfsarb., ib. 1. 1. 1879 AAssist., ib. 1. 3. 1880 ASekr., ib. 1. 7. 1884 StA Königsberg. 1. 4. 1885 Kgl. Archivar 2. Kl., ib. 1. 1. 1889 Kgl. Archivar 1. Kl., StA Hannover. Seit 19. 11. 1894 Kgl. Archivar, ib. 1. 7. 1895 StA Münster. 9. 12. 1895 Archivar u. AR, ib. 1. 4. 1897 Staatsarchivar (Vorsteher), ib. 1. 10. 1897 Geh. Staatsarchivar u. AR, GStA. 15. 9. 1906 Geh. Staatsarchivar u. Geh. AR, ib. 1. 4. 1918 Pensionierung. Gest. 26. 10. 1928. Kohte, Wolfgang: 1932 – 1945 Geb. 22. 10. 1907 Berlin-Charlottenburg. 1925 – 31 Univ. Marburg, Wien, Berlin. 1930 – 31 IfA, Berlin-Dahlem. 12. 9. 1931 Staatspr. f. d. höh. ADienst u. Prom., anschl. Ableistung d. prakt. Halbj., StA Danzig. 10. 5. 1932 Staatspr. f. d. höh. Lehramt. 1. 12. 1932 AHilfsarb., GStA. Ab 1. 10. 1933 beurlaubt / abgeordnet a. d. Publikationsfonds (d. späteren Publikationsstelle) d. GStA, seit 1938 d. Reichsmin. d. Innern. 1. 4. 1934 AAssist. 1. 10. 1937 StAR. 1. 9. 1944 abgeordnet a. d. Publikationsstelle Frankfurt / M., anschließend Verlagerung Neustadt b. Coburg. 1947 Provinzialinst. f. westf. Landes- u. Volkskunde, Münster. 1952 BundesA Koblenz. 1961 OAR, ib. Seit 1963 Gastdoz. ASchule Marburg. 1965 ADir., BundesA, Koblenz. 1969 – 72 Ltd. ADir., ib. 6. 10. 1972 Pensionierung. Koser, Otto: 1936 Geb. 28. 4. 1893 Berlin-Charlottenburg. 1924 Prom. Bis 30. 3. 1936 AR ReichsA Potsdam. 1. 4. 1936 StAR, GStA. 1. 2. 1937 StA Osnabrück. 1. 7. 1938 Pensionierung. Gest. 17. 8. 1941 Osnabrück.
Archivare beim Geheimen Staatsarchiv 1874 – 1974
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Koser, Reinhold: 1882 – 1884, 1896 – 1914 Geb. 7. 2. 1852 Schmarsow b. Prenzlau. 20. 9. 1870 Abitur, Berlin. 1870 – 74 Univ. Berlin, Wien, Halle. 18. 6. 1874 Prom. Ende 1874 wiss. Hilfsarb. b. d. Preuß. Akad. d. Wiss., Berlin, dazw. 1875 Staatspr. f. d. höh. Lehramt, Halle. 18. 12. 1880 Habil., Univ. Berlin. 1. 9. 1882 – 7. 10. 1884 Geh. Staatsarchivar, GStA. 7. 10. 1884 a.o. Univ.-Prof., Berlin. 1890 o. Univ.-Prof., Bonn. 9. 3. 1896 Dir. d. StA.e, Berlin, zugl. bis 1914 Dir. d. GStA.s. 14. 4. 1897 Geh. ORegR, ib. 27. 1. 1898 Historiograph d. Preußischen Staates. 27. 12. 1899 GenDir. d. StA.e, ib. Seit Apl. 1905 zugl. Vors. d. Zentraldir. d. MGH, ib. 7. 2. 1907 Wirkl. Geh. ORegR, ib. 16. 6. 1913 Wirkl. Geh. Rat, m. Prädikat „Exzellenz“, ib. Gest. 25. 8. 1914 Berlin. – Lit.: J. Fr., in: Illustrierte Ztg. Nr. 3714 (1914) m. Bild. – Michael Tangl, in: Neues Archiv d. Ges. f. ältere dt. Geschkde. 39 (1914) S. 767 – 770. – Georg Berthold Volz, in: Hohenzollern Jb. 18 (1914) S. 166 – 175. – Paul Seidel, ib. S. 165 m. Bild. – Ernst Salzer, in: Hist. Vjschr. 17 (1914 / 15) S. 595 – 598. – Paul Bailleu, Otto Hintze, Michael Tangl, in: FBPG 28 (1915) SB v. 14. 10. 1914, S. 3 – 6. – Otto Hintze, in: HZ 114 (1915) S. 65 – 87. – Ders., in: Abh. d. Kgl. Preuß. Akad. d. Wiss., hist.phil. Kl. 1915, S. 3 – 11. – Melle Klinkenborg, in: FBPG 28 (1915) S. 285 – 331 m. Schriftenverz. – Paul Kehr: Ein Jhdt. preuß. AVerw., in: Preuß. Jbb. 196 (1924) S. 159 – 178, desgl. in: AZ 35 (1925) S. 3 – 21, Koser bes. S. 17 ff. – Johannes Schultze, in: AZ 35 (1925) S. 270 – 272. – Georg Berthold Volz, in: Biogr. Jb. 1 (1925) S. 58 – 64. – Georg Lokys, in: Vergangenheit u. Gegenwart 22 (1932) S. 129 – 136. – K. A. v. Müller: Zwölf Historikerprofile. Stuttgart 1935, Koser S. 28 – 33. – Stephan Skalweit, in: Bonner Gelehrte, Beitr. z. Gesch. d. Wiss. i. Bonn. Bonn 1960, S. 272 – 277 (= 150 Jahre Rhein. Friedrich-Wilhelms-Univ. zu Bonn 1818 – 1968). – Eckart Henning: Der erste Generaldirektor d. preuß. StAe. – R. K., in: Neue FBPG Berlin 1979, S. 259 – 293. Krabbo, Hermann: 1918 – 1927 Geb. 23. 2. 1875 Hamburg. Ostern 1894 Abitur, ab 1894 Univ. Genf, Tübingen, Marburg, Berlin. 8. 6. 1901 Prom. 1901 – 02 Assist. a. Sem. f. hist. Geographie, Univ. Berlin. 1905 Habil., ib. 1913 a.o. Prof., Univ. Leipzig. 1914 Wehrdienst. 1. 4. 1918 Kgl. Archivar. 1. 4. 1920 Staatsarchivar, GStA, zugl. Doz. f. d. Ausb. d. wiss. ADienstes, ib. Seit 1923 nebenamtl. Lehrtätigkeit Univ. Berlin, StAR u. Hon. Prof. 1. 10. 1927 krankheitshalber Pensionierung. Gest. 9. 7. 1928 Jena. – Lit.: Gustav Abb, in: FBPG 41 (1928) S. 383 – 393, m. Schriftenverz. – Ernst Müller, in: AZ 38 (1929) S. 309 – 310. – Eugen Meyer, in: HZ 139 (1929) S. 222. – Biogr. Jb. 10 (1931) S. 329 (Notiz). Brandenburgia 37 (1928) S. 136. Kretzschmar, Hellmut: 1920 – 1922 Geb. 12. 7. 1893 Stolpen / Sachsen. 1913 Abitur. 1913 – 19 Univ. Freibùrg, Leipzig, Berlin, m. 1 1 / 2 j. Unterbrechung wegen Wehrdienst. 1919 Prom. 1. 10. 1920 AVol, GStA u. StA Magdeburg. Febr. 1922 Staatspr. f. d. höh. ADienst. 1. 3. 1922 AAssist., GStA, i. gl. Jahr StA Magdeburg. 1. 4. 1927 StAR, ib. 1928 Haupt StA,
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II. Teil
Dresden. 1936 OStAR, ib. 1937 ADir., ib. (seit 1946 LandeshauptA). 1941 – 61 Univ. Leipzig, zuerst Hon. Prof., seit 1953 m. vollem Lehrauftrag. Seit 1950 Dozent IfA Potsdam. 1958 Pensionierung. Gest. 2. 12. 1965 Dresden. – Lit.: Forschungen aus Mitteldten. Archiven. Z. 60 Geb. v. H. K., Berlin 1953 (= Schriftenreihe d. Staatl. AVerw. Nr. 3). – K. Blaschke, in: FUF 37 (1963) S. 221 – 222. – Manfred Kobusch, Bibliographie H. K., in: Sächs. Akad. d. Wiss. zu Leipzig. Jb. 1960 – 62. Berlin 1964. – Horst Schlechte, in: AM 16 (1966) S. 71 – 74. – Ders. in: Der Archivar 19 (1966) Sp. 466 – 470. – H. Gringmuth-Dallmer, in: AZ 63 (1967) S. 204 – 206. – Harald Schieckel, in: HZ 207 (1968) S. 262 – 263. – Beiträge zur Archivwissenschaft und Geschichtsforschung, hrsg. v. Reiner Groß u. Manfred Kobuch, Weimar 1977, S. 151, 167 (= Schriftenreihe des Staatsarchivs Dresden Bd. 10). Kretzschmar, Johannes: 1906 – 1907 Geb. 1864 Dresden. 1884 Abitur. 1884 – 88 Univ. Freiburg, Berlin. 10. 10. 1888 Prom. Zweij. Tätigkeit i. Auftr. d. Prov. Brandenburg b. Vatikan. A., Rom. Anschl. Eintr. i. d. preuß. AVerw. 1891 AHilfsarb., StA Marburg. 1892 AAssist., ib. 1895 StA Osnabrück. 1898 Kgl. Archivar, StA Hannover. 1. 10. 1906 Geh. Staatsarchivar, GStA. 1907 Geh. Staatsarchivar u. AR, ib. Im gl. Jahr Lübeckischer Staatsarchivar. 1932 Pensionierung. Ehrendoktor d. Univ. Uppsala. Gest. 18. 2. 1947 Lübeck. – Lit.: Georg Fink, in: Zs. d. Ver. f. Lübeckische Gesch. u. Altertumskde. 31 (1949), S. 257 – 258. – Ders., in: Hans. Geschbll. 69 (1950), S. 90 – 92. Krusch, Bruno: 1882 – 1887 Geb. 8. 7. 1857 Görlitz. Ostern 1876 Abitur. 1876 – 1879 Univ. München, Leipzig. 29. 11. 1879 Prom. 1879 Mitarb. MGH. 2. 10. 1882 AAspir., GStA. 7. 12. 1882 AHilfsarb., ib. 1. 5. 1884 AAssist., ib. 1. 4. 1887 Kgl. Archivar 2. Kl., StA Marburg. 1. 10. 1890 StA Hannover. 19. 11. 1894 Kgl. Archivar, ib. 1. 7. 1900 StA Breslau. 2. 12. 1901 Kgl. Archivar u. AR, ib. 1. 4. 1907 Staatsarchivar u. AR, StA Osnabrück. 1. 10. 1910 ADir. u. AR, StA Hannover. 15. 4. 1912 ADir. u. Geh. AR, ib. 1. 10. 1923 Pensionierung. Gest. 29. 6. 1940 Hannover. – Lit.: Georg Schnath, in: Nds. Jb. f. Landesgesch. 17 (1940) S. 224 – 225. – Ders., ib. 29 (1957) S. 310 – 311. – Mittbl. d. preuß. AVerw. 1940, S. 74 – 75. – Walther Kienast, in: HZ 163 (1941) S. 450. – E. Heymann, in: Dt. Archiv f. d. Gesch. d. Mittelalters 4 (1941) S. 504 – 518. Kühne, Ulrich: 1928 – 1929 Geb. 9. 12. 1903 Staßfurt. Studium. Prom. 1. 10. 1928 AHilfsarb. L 4. 1929 AAssist., GStA. 1. 12. 1929 StA Hannover. 1. 10. 1931 StAR, StA Wiesbaden. 1. 7. 1933 StA Magdeburg. 1. 6. 1936 StA Koblenz. Seit 23. 10. 1940 Wehrdienst. Gefallen (?). Kutzsch, Gerhard: 1952 – 1957 Geb. 5. 8. 1914 Leipzig. 1936 – 42 Univ. Leipzig. 1941 Prom. 1943 – 45 kriegsdienstverpflichtet b. d. Deutschen Reichsbahn. 1947 – 49 Schuldienst. 1949 – 52 Studium Dt. Hochschule f. Politik, Berlin. 1. 11. 1952 Vol.-Tätigkeit b. Berliner
Archivare beim Geheimen Staatsarchiv 1874 – 1974
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HauptA, angest. seit 5. 5. 1953. 1955 – 56 ASchule Marburg. 1957 AAss. LandesA, Berlin. 10. 6. 1960 AR, ib. 1965 ADir., ib. Lachmann, Joachim: 1930 – 1937, 1945 – 1946 Geb. 11. 10. 1897 Berlin-Charlottenburg. 1919 – 25 Univ. Innsbruck, Berlin. 1926 Staatspr. f. d, höh. Lehramt. 1927 Schuldienst. 1929 Prom. 1930 – 31 IfA, BerlinDahlem. 12. 9. 1931 Staatspr. f. d. höh. ADienst. Okt. 1931 – Apl. 1932 AVol, GStA. 1933 Wiss. Mitarb. b. A. d. Prov. Grenzmark-Posen-Westpr. d. Publikationsstelle a. GStA. 1. 10. 1937 – 31. 3. 1938 Wiss. Mitarb., StA Breslau. 1. 4. 1938 StAAss, ib. Apl. 1940 StAR, ib. Febr. 1943 stellv. Dir., StA Kattowitz Ende 1944 – 9. 2. 1945 stellv. Dir., StA Breslau. 10. 2. – 26. 2. 1945 Leiter d. Außenstelle Görlitz d. StA Breslau. 26. 2 – Ende Febr. 1945 GStA. 1. 3. – 20. 4. 1945 abgeord. z. Dienstleistung a. d. AAbt. d. Preuß. Staatsministeriums. 21. 4. 1945-Ende 1946 GStA. 1947 AR b. StadtA, seit 1948 LandesA Berlin. März 1960 – 1. 11. 1962 Ltg. d. LandesA, ib. 1961 OAR, ib. Anfang 1962 LandesADir., ib. 1. 11. 1962 Pensionierung. – Lit.: G. Kutzsch, in: Mitt. d. Vereins f. d. Gesch. Berlins 68 (1972) S. 221. Lau, Friedrich: 1898 – 1900 Geb. 1. 6. 1867 Lübeck. Ostern 1887 Abitur. Univ. Freiburg, Berlin, Bonn. 1. 8. 1891 Prom., anschl. Hrsg. d. Kölner Denkwürdigkeiten d. 16. Jhdts., HistA. Köln. 1. 10. 1898 AHilfsarb., GStA. 1900 StA Stettin. Jan. 1901 AAssist., ib. 1. 10. 1902 StA Düsseldorf, nebenamtl. auch Betreuung d. d. StA angegliederten Landesbibl. 1. 11. 1906 Kgl. Archivar, ib. 17. 12. 1916 Kgl. Archivar u. AR, sowie Rat. 4. Kl., ib. 1. 4. 1920 Staatsarchivar. Seit 1923 StAR, ib. Pensionierung 1. 10. 1932: Gest. 5. 2. 1947 Stockum b. Anrath. – Lit.: Bernh. Vollmer, in: Düsseldorfer Jb. 45 (1951) S. 299 – 304 (m. Bild). – Ders., in: Bll. dtsche. Landesgesch. 89 (1952) S. 343. – P. Müller, in: Uerdinger Festschr. z. 700 Jahrf. d. Rheinstadt, Krefeld-Uerdingen 1955, S. 105 – 107, desgl., in: Uerdinger Rundschau 6 (1956) Nr. 13 / 14, S. 40 – 41. – J. Kau, in: Die Heimat, Zs. f. Düsseldorf u. Umgebung 15 (1964) S. 7. Ledebur, Ernst Freiherr v.: 1873 (?) – 1885 Geb. 6. 5. 1835. Seit mindestens 1873 ASekr., GStA. Seit 1875 (?) Geh. ASekr., ib. Im Amt gest. 6. 4. 1885 Berlin. Lehmann, Max: 1875 – 1886 Geb. 19. 5. 1845 Berlin. Seit 1863 Univ. Königsberg, Bonn, Berlin. 12. 1. 1867 Prom. Priv. Tätigkeit b. L. v. Ranke u. H. v. Sybel. 16. 6. 1868 Staatspr. f. d. höh. Lehramt. Okt. 1868 Probandus b. Luisenstädt. Gewerbeschule, Berlin. Ostern 1869 Luistenstädt. Gymn., ib. 1875 Geh. Staatsarchivar, GStA. 1882 Geh. Staatsarchivar u. AR. Seit 1879 zugl. Doz. a. d. Kriegsakademie Berlin. 1886 a.o. Prof. 1888 o. Prof., Univ. Marburg. 1893 Univ. Leipzig, anschl. Göttingen. 1921 emeritiert, ib. Ehrenpromotion z. Dr. theol. GehRegR. Gest. 8. 10. 1929 Göttingen. – Lit.: Friedrich Meinecke: Adresse d. Preuß. Akad. d. Wiss. z. 50 j. Dr.-Jub. von M. L. (12. 1. 1917). Wiederabdr. in: F. M., Preußen u. Deutschld. i. 19. u. 20. Jhdt. Hist. u. polit.
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II. Teil
Aufsätze. München 1918, S. 436 – 438 u. desgl. in: F. M.Werke, Bd. 7, hrsg. v. E. Kessel, München 1968, S. 303 – 305. – M. L., Lebensbild von eigener Hand, in: Mitt. d. Univ.-Bundes Göttingen, Jg. 4 (1923) S. 27 – 44. – Desgl. in: Geschichtswiss. d. Gegenwart L Selbstdarstellungen 1 (1925), m. Schriftenverz. – Friedr. Meinecke, in: HZ 141 (1930) S. 449 – 450. Wiederabgedr. in: F.M.Werke, Bd. 7, hrsg. v. E. Kessel. München 1968, S. 306 – 307. – E. Daniels, in: Biogr. Jb. 11 (1932) S. 169 – 172. – Biogr. Staatshandb., hrsg. v. H. Rößler u. G. Franz, Bd. 2 (1963) S. 746. – Ernst Posner: M.L. and the Genesis of the Principle of Provenance, in: The Indian Archives 6 (1950) S. 133 – 141, nachgedr. in E. P., Selected Essays (1967). Letkemann, Peter: Seit 1970 Geb. 12. 5. 1938 Danzig. 1957 – 64 Univ. Bonn, Berlin (FU). 1965 Prom. 1965 – 67 Vorb.Dienst StA Marburg, ASchule ib. 1967 Staatspr. f. d. höh. ADienst. 1967 AAss, LandesA, Berlin. 1970 AR, GStA. 1974 OAR, ib. Loewe, Victor: 1901, 1931 – 1933 Geb. 18. 9. 1871 Laurahütte / Schlesien. 1890 Abitur, Breslau. 1890 – 94 Univ. Breslau, Berlin, Marburg, Freiburg. 1894 Prom. AVol. StA Magdeburg. 1899 AHilfsarb., StA Hannover. 1901 als AAssist. versetzt a. d. GStA. 1902 StA Hannover. 1. 4. 1908 Kg1. Archivar, StA Posen. 1. 10. 1909 StA Breslau. 1. 1. 1918 Kgl. Archivar u. AR, sowie Rat 4. Kl., ib. 1. 4. 1920 Staatsarchivar, seit 1923 StAR. 1. 10. 1926 beurlaubt nach Berlin f. d. Hrsg. d. Jahresberichte z. dt. Gesch.wiss. Seit 1. 10. 1931 wieder GStA. Gest. 28. 6. 1933 Berlin. – Lit.: E. Maetschke, in: Zs. d. Ver. f. d. Gesch. Schlesiens. 67 (1933) S. 273 – 274. – AZ 42 / 43 (1934) S. 413. Lowenthal-Hensel, Cécile, geb. Hensel: seit 1965 Geb. 3. 10. 1923 Erlangen. 1941 – 49 Univ. Erlangen. 1949 Prom. 1950 – 65 Journalistin u. Redakteurin, Bad Nauheim, Bonn, Erlangen, München, Zürich. 1965 Wiss. Ang., GStA. 1970 Referentin u. Wiss.R, ib. 1972 WissOR. Lubenow, Herwig: 1965 – 1970 Geb. 8. 2. 1935 Stettin. Univ. Kiel. 1962 – 64 Wiss. Mitarb. a. Hist. Sem. d. Univ. Kiel. 25. 7. 1964 Prom., ib. 17. 11. 1964 Staatspr. f. d. höh. Lehramt. 1. 6. 1965 ARef., VorbDienst, GStA. 1. 10. 1965 – 22. 3. 1967 ASchule Marburg. 17. 5. 1967 AAss. 1970 a. d. ADienst i. d. Schuldienst d. Landes Schleswig-Holstein übergetreten. Lüdicke, Reinhard: 1904 – 1905, 1907 – 1947 Geb. 13. 7. 1878 Magdeburg. 1897 – 1901 Univ. Freiburg, Berlin, Göttingen. 1. 9. 1901 Prom. 1. 4. 1903 AVol, StA Münster. 1. 4. 1904 GStA. 6. 6. 1905 Staatspr. f. d. höh. ADienst. Anschl. b. d. Hist. Komm. d. Prov. Westfalen, Münster. 1906 Zentraldir. d. MGH, Berlin. 1. 1. 1907 AHilfsarb., GStA. 1. 1. 1908 AAssist., ib. 1. 4. 1913 Kgl. Archivar. 8. 7. 1915 – 19. 3. 1916 Wehrdienst. 1. 4. 1920 Staatsarchivar, seit 1923 StAR, GStA. 1. 7. 1931 Abt. Leiter f. d. Brandenburgische ProvinzialA
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(= X. Hauptabt. d. GStA). 15. 9. 1943 – 31. 1. 1944 auch komm. Dir., GStA. 20. 4. 1945 Volkssturm. 3. Mai 1945 – 1947 Wiss. Ang. u. Abt.Leiter b. GStA, st. Frühj. 1947 Blner. HauptA. Gest. 22. 7. 1947 Berlin. – Lit.: Erich Kittel, in: AZ 53 (1957) S. 153 – 160. – R.L.: Straßenkämpfe im Südwesten Berlins 1945. Aufzeichnungen über s. Volkssturmeinsatz, hrsg. v. Eckart Henning, in: Der Bär v. Berlin 26 (1977) S.119 – 128). – Eckart Henning: Der Nachlaß Lüdicke im Geheimen Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz, in: Mitteilungsbl. d. Landesgeschichtl. Vereinigung f. d. Mark Brandenburg, Jg. 79 (1978), S. 23 – 25. – Ders.: Zum 100. Geburtstag: Dr. Reinhard Lüdicke, in: Märkische Ztg. 29, Nr. 7 v. 10. 7. 1978, S. 3. Martiny, Rudolf: 1907 – 1910 Geb. 12. 8. 1870 Bad Liebenstein / Thüringen. 1890 Abitur. 1890 – 95 Univ. Halle, Tübingen, Berlin, Marburg. 20. 5. 1895 Prom. 1. 4. 1899 AVol., StA Königsberg / Pr. 1. 7. 1899 AHilfsarb., StA Koblenz. 1. 7. 1901 AAssist., StA Breslau, später StA Koblenz. 1906 StA Breslau. 1. 11. 1907 Kg1. Archivar, GStA. 1911 StA Posen. 1. 4. 1912 StA Osnabrück. 7. 9. 1915 Wehrdienst. 13. 7. 1917 Kgl. Archivar u. AR, sowie Rat 4. Kl., StA Osnabrück. 1. 4. 1923 Staatsarchivar, seit 1923 StAR. 1. 4. 1924 StAR a.W. 19. 3. 1926 verzogen nach Freiburg. April 1936 verzogen nach Heidelberg. Meinardus, Otto: 1885 – 1894 Geb. 4. 5. 1854 Jever / Oldenburg. 1874 Abitur. 1874 – 78 Univ. Jena, München, Berlin, Göttingen. 6. 8. 1878 Prom. 17. 5. 1879 Staatspr. f. d. höh. Lehramt. Sept. 1879 AAspir., StA Hannover. 1. 1. 1880 AHilfsarb., ib. 1. 4. 1881 AAssist., ib. 1. 1. 1885 ASekr., GStA. 30. 3. 1885 Archivar 2. Kl., ib. Seit 1891 nebenamtl. Lehrtätigkeit als Priv.-Doz., Univ. Berlin. 1. 10. 1894 StA Wiesbaden, seit 19. 11. 1894 Archivar. 1898 Archivar u. AR, ib. 1. 7. 1900 StA Königsberg, komm. zur Neugründung d. StA Danzig abgeordnet. 1. 4. 1901 ADir. u. AR, StA Breslau, zunächst noch StA Danzig. 1. 1. 1909 ADir. u. Geh. AR, StA Breslau. Gest. 24. 5. 1918 Bad Kissingen. – Lit.: Victor Loewe, in: Jahresber. d. schles. Ges. f. vaterländ. Kultur 96 (1918) S. 53 – 55. – Literar. Zentralbl. f. Deutschld. 69 (1918) Sp. 472. – Biograph. Jb. 2 (1928), S. 698. – K. Wutke, in: Zs. d. Ver. f. d. Gesch. Schlesiens 53 (1919) S. 1 – 28, m. Schriftenverz. Meinecke, Friedrich: 1887 – 1901 Geb. 30. 10. 1862 Salzwedel. 1882 Abitur. 1882-86 Univ. Berlin, Bonn. 4. 8. 1886 Prom. 1887 Eintr. i. d. preuß. ADienst, GStA. Später AAssist., ib. 1892 Kgl. Archivar 2. Kl. (auftragsw.), ib. 20. 5. 1896 nebenamtl. Priv. Doz., Univ. Berlin. 1901 o. Prof., Univ. Straßburg. 1906 Univ. Freiburg. 1914 Univ. Berlin. 31. 3. 1928 emer. 1. 10. 1948 Gründungsrektor d. FU Berlin. Gest. 6. 2. 1954 Berlin. – Lit.: Wilh. Goetz, in: Frankfurter Ztg. Nr. 815 (1932). – F. M.: Erlebtes 1861 – 1901, Leipzig 1941. – G.-P. Gooch, in: German Life and Letters NF. 1 (1948). – Walter Goetz, in: HZ 174 (1952) S. 231 – 250, m. Schriftenverz. v. A.-M. Reinhold, ib. S. 503 – 523 (s. dort Schrifttum über F. M. nebst Festschriften, S. 522 – 523). – Das Hauptstadt-
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II. Teil
problem i. d. Geschichte. Festg. z. 90. Geb., Tübingen 1952 (= Jb. f. d. Gesch. d. dt. Ostens, Bd. 1.) – L. Dehio: F. M., Der Historiker i. d. Krise, Berlin 1953. – Hans Rothfels, Trauerrede 1954. – F. T. Epstein, in: Jb. f. d. Gesch. Mittel- u. Ostdeutschlands 3 (1954) S. 119 – 144. – H. Holldack, in: Hochland 46 (1954) S. 437 – 451. – Franz Schnabel, in: Jb. d. Bayer. Akad. d. Wiss. f. 1954, S. 174 – 200. – Eduard Spranger, in: Universitas 9 (1954) S. 825 – 832. – E. Wittenberg, in: Statsvetenskaplig Tidskrift 1954, S. 471– 492. – S. A. Kaehler, in: Dt. Univ. Ztg. v. 9. 4. 1954. – Leo Santifaller, in: Almanach d. österr. Akad. d. Wiss. f. d. Jahr 1954, Jg. 104 (1955) S. 333 – 342. – F. Chabod, in: Rivista storica Italiana 68 (1955) S. 272 – 288. – Wilh. Kienast, in: HZ 179 (1955) S. 374 – 375. – Ph. J. Wolfson, in: Journal of history of ideas 17 (1956) S. 511 – 525. – Beitr. v. G. Masur, H. Rothfels u. E. Spranger, in: Studium Berolinense, hrsg. v. H. Leussingk, 1960. – W. Bußmann, Ein Gedenkvortr., 1963. – E. Schulin, Das Problem d. Individualität. Ein krit. Beitr. d. Historismuswerkes von F. M., in HZ 197 (1963) S. 102 – 133. – Claire MaillardZechlin, in: Genealogisches Jahrb. 5 (1965) S. 143 – 177. – M. Pistone, F. M. e la crisi dello stato nationale tedesco, 1969. – E. Schulin: F. M., in: Dt. Historiker, hrsg. v. H.-U. Wehler, Bd. 1, Göttingen 1971, S. 39 – 57. – Georg G. Iggers, Deutsche Geschichtswissenschaft 1971, S. 227 – 294. Meinert, Hermann: 1925 – 1939 Geb. 20. 9. 1894 Bremen. 1912 – 14 Univ. München, Freiburg. 1914 – 1920 Wehrdienst u. franz. Gefangenschaft. 1920 – 24 Univ. Marburg, Berlin. 1924 Prom. 1925 Staatspr. f. d. höh. Lehramt. 1925 – 27 VorbDienst, GStA. 1925 Kaiser-Wilh.-Inst. f. Dt. Gesch., Berlin- Dahlem. 1927 Staatspr. f. d. höh. ADienst. 1927 AAssist., GStA. 1. 4. 1930 S.tAR, ib. 1934 – 38 zeitweilige Abordnungen z. Neuorganisation d. Awesens i. d. Hohenzollernschen Landen, StA Sigmaringen. 1937 – 39 Doz. IfA, Berlin-Dahlem. 1940 OAR, ReichsA Reichenberg / Sudetenland. Juli-Dez. 1940 Mitgl. d. Gruppe ASchutz b. Militärbefehlshaber, Paris. 1941 OAR, Leiter d. ReichsA Reichenberg. 1942 – 45 Wehrdienst. 1945 StadtA u. DomA, Erfurt. 1946 StA Marburg. 1947 – 59 ADir., StadtA Frankfurt. 1951 Prom. z. Dr. jur. h. c., ib. Seit 1956 Lehrtätigkeit Univ. Frankfurt. 1959 Pensionierung. 1967 Hon. Prof., ib. Meisner, Heinrich Otto: 1914 – 1923, 1929 – 1935 Geb. 1. 4. 1890 Berlin. 1908 Abitur. 1908 – 13 Univ. Berlin. 15. 3. 1913 Prom. 1. 8. 1913 AVoI, StA Stettin. 1914 GStA. 3. 11. 1914 Staatspr. f. d. höh. ADienst, ib., anschl. Wehrdienst. 1. 4. 1919 AHilfsarb., GStA. 1. 10. 1919 AAssist., ib. 1. 8. 1921 Staatsarchivar, ib. 1922 auch Mitgl. d. Prüfungskomm. f. d. wiss. ADienst. 1923 Staatl. Kommissar d. Preuß. Finanzmin., abgeordnet z. Brandenburg-Preuß. Hausarchiv, Berlin-Charlottenburg. 1925 – 27 Leiter d. HausA., ib. 1. 4. 1928 GStA. 1928 Im Auftr. d. preuß. Ministerpräs. als Chef d. AVerw. Forschungsaufenthalte i. Moskau u. Leningrad. 1929 GStA. 1930 zugl. Doz. IfA, Berlin-Dahlem. 19. 11. 1935 Stellv. d. Leiters d. ReichsA, Potsdam. 1937 OAR, ib. 1942 nebenamtl. Lehrtätigkeit, Univ. Berlin. 1945 / 46 AVerw. Potsdam. 1947 AAbt. SMA. 1950 – 60 IfA, Potsdam. 1953 Prof. m. vollem Lehrauftr. a. d. Humboldt-Univ., Berlin. Gest.
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26. 11. 1976 Potsdam. – Lit.: AM I (1953) S. 75. – H. Kretzschmar, in AM 5 (1955) S. 24 – 25 – H. Lötzke, in: Zs. f. Gesch.wiss. 3 (1955) S. 303 – 304. – Archivar u. Historiker. Stud. z. Archiv- u. Gesch.wiss. z. 65 Geb. v. H. O. M. Berlin 1965 (= Schriften. d. Staatl. AVerw., 7). – H. Lötzke, in: AM 10 (1960) S. 62. – Ders., in: AM 27 (1977) S. 37. – W. Leesch, in: Der Archivar 30 (1977) S. 469 – 474. Merx, Otto: 1898 Geb. 26. 5. 1862 Bleicherode, Krs. Nordhausen. Univ. Göttingen. 16. 5. 1888 Prom. 17. 10. 1892 AAspir., StA Hannover. Dez. 1892 AHilfsarb., ib. 1. 5. 1894 AAssist., ib. 1. 1. 1898, GStA. 1. 7. 1898 Kgl. Archivar, StA Magdeburg. 1. 4. 1900 StA Osnabrück. 1. 10. 1903 StA Marburg. 1. 10. 1906 StA Münster. 19. 12. 1906 Archivar u. AR. 1914 Wehrdienst. Gest. 11. 9. 1916 Antwerpen. – Lit.: Westfalen 8 (1916) S. 94 (Notiz). Meyer, Eugen: 1920 – 1932 Geb. 17. 2. 1893 Püttlingen / Saar. Bis 1920 Univ. Heidelberg, Berlin. 20. 5. 1920 Prom. 1. 10. 1920 AVol., GStA. Dez. 1920 Staatspr. f. d. höh. Lehramt. 24. 11. 1921 Staatspr. f. d. höh. ADienst. 1. 11. (12.?) 1921 AAssist., GStA. 1. 4. 1923 StAR, ib. 1. 5. 1930 – Nov. 1932 Doz. a. d. IfA, Berlin-Dahlem. 1. 10. 1932 – 30. 9. 1939 StADir., StA Münster. 1. 5. 1939 beurlaubt als a. o. Prof., Univ. Berlin. 1946 o. Prof., ib. 1947 nebenamtl. Ltg. d. Handschriftenabt. d. preuß. Staatsbibl. 1949 – 61 o. Prof., Univ. Saarbrücken. 1951 – 52 u. 1955 – 56 Dir. d. Saarländ. Kultusministeriums. Gest. 29. 8. 1972 Saarbrücken. – Lit.: Hans-Walter Herrmann, in: Der Archivar 27 (1974) Sp. 146 – 149. Meyer-Rodehüser, Hermann: 1908 – 1911, 1913 – 1918 Geb. 1. 4. 1883 Soest. 1902 Abitur. 1902 – 07 Univ. Münster, Berlin, München. 9. 3. 1907 Prom. 2. 11. 1908 AVol., GStA. 26. 7. 1910 Staatspr. f. d. höh. ADienst. 1. 10. 1911 StA Magdeburg. 1. 11. 1911 AHilfsarb., ib. 1. 11. 1912 AAssist., ib. 1. 10. 1913 GStA. Nach 1914 Wehrdienst. Okt. 1917 Kgl. Archivar, GStA. Dez. 1918 Komm. im Ausw. Amt beschäftigt. 1. 2. 1920 in d. Komm. z. Organisation d. künftigen HauptA.s d. Ausw. Amtes berufen. 2. 8. 1920 Leiter des HauptA.s d. Ausw. Amtes, zugl. 23. 2. 1923 Korreferent u. ab 23. 4. 1924 Referat II: Vatikan, 1925 auch vorübergehende Ltg. d. Sonderreferats Deutschland. 9. 6. 1921 Ausscheiden aus d. preuß. AVerw. u. Ern. z. ORegR, Ausw. Amt. 23. 11. 1923 LegRat 1. Kl., ib. 16. 12. 1924 Vortr. Leg.Rat., ib. 28. 3. 1929 der Botschaft b. Vatikan komm. zugeteilt; Amtsbezeichnung „Botschaftsrat“ (Dienstantr. 12. 4. 1929). 9. 10. 1929 def. Ern. z. Botschaftsrat, ib. 9. 7. 1931 Gen. Konsul 1. Kl., Marseille (Übern. d. Geschäfte: 2. 11. 1931). 31. 7. 1935 Vers. i. d. einstweil. Ruhestand (Überg. d. Geschäfte: 2. 11. 1935). 13. 4. 1937 entspr. § 6 d. Gesetzes z. Wiederherstellung d. Berufsbeamtentums i. d. dauernden Ruhestand versetzt. Gest. 9. 12. 1943 Bonn.
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II. Teil
Mittelberger, Herta: 1931 – 1933, 1935 – 1945 Geb. 9. 7. 1904 Ingolstadt. Univ. Göttingen, Berlin, München. 1931 – 33 IfA, Berlin-Dahlem. 1932 Prom. 1933 Staatspr. f. d. höh. ADienst. 1933 AAss., Brandenburg-Preuß. HausA, Berlin-Charlottenburg. 1935 – 45 GStA. 1954 – 56 Mädchengymn. Schloß Schwarzenberg / Oberösterreich. Gest. 24. 2. 1976 Diessen. Moderhack, Richard: 1936 – 1945 Geb. 14. 10. 1907 Berlin. 1927 – 31 Univ. Berlin. 1932 Prom. 1932 – 34 Redakteur i. Propyläen Verl., Berlin. 1936 Staatspr. f. d. höh. Lehramt. 1936 – 37 IfA, BerlinDahlem. 1937 Staatspr. f. d. höh. ADienst. 1. 4. 1938 Wiss. AHilfsarb., GStA. 1. 6. 1938 StAAss., GStA. 1940 – 45 Wehrdienst. 1. 5. 1941 StAR, GStA. 1. 11. 1945 – 1956 A- u. Bibl.R, StadtA u. Stadtbibl. Braunschweig. 1956 Dir., seit 1966 auch der Offentl. Bücherei der Stadt. 1970 Pensionierung. Mommsen, Wolfgang A.: 1933 – 1936, 1938 – 1945 Geb. 11. 11. 1907 Berlin-Schöneberg. 1927 – 33 Univ. Heidelberg, Berlin. 1933 Prom. 1933 – 34 IfA, Berlin-Dahlem. 30. 6. 1934 Staatspr. f. d. höh. ADienst. Jan. 1936 Staatspr. f. d. höh. Lehramt. Seit 1. 2. 1936 Wiss. Hilfsarb., GStA. 1. 4. 1936 Brandenburg-Preuß. HausA, Berlin-Charlottenburg. 1. 6. 1936 AAssist., ib. 1. 3. 1938 GStA. 22. 6. 1939 StAR, ib. 1. 2. 1940 v. Ausw. Amt abgeordnet z. d. Gesandtschaften i. Riga, dann Reval. Sommer 1941 d. Dienststelle d. GeneralDir. d. Preuß. StAe u. Komm. f. d. ASchutz i. Berlin überwiesen. Okt. 1941 – 43 als StAR, dann LandesOR z. Reichskomm. f. d. Ostland nach Riga abgeordnet, 1942 z. Reichsminist. f. d. besetzten Ostgebiete. 1943 – 45 Wehrdienst. Sommer 1946 tätig i. A d. Fürsten zu Hohenlohe-Schillingsfürst. 1947 StA Nürnberg. 1949 StAR, ib. 1952 BundesA Koblenz. 1957 OAR, ib. 1965 ADir., ib. 1967 Dir. d. BundesA, ib. 1967 Präsident, ib. 1968 – 72 Mitgl. d. Comité executif du Conseil International des Archives. 1972 Pensionierung. – Lit.: Peter Bucher, Wechsel i. d. Ltg. des BundesA, in: Der Archivar 26 (1973) Sp. 59 – 74. Morré, Franz: 1934 – 1936 Geb. (?). Univ. Berlin. 1935 Prom. Staatspr. f. d. höh. Lehramt? 1934 – 35 IfA, Berlin-Dahlem. 1935 Staatspr. f. d. höh. ADienst. 1936 Wiss. Hilfsarb., GStA. Berlin. 1. 12. 1936 AAssist., ib. 1937 StA. Stettin. StARat., ib. 1941 Wehrdienst. Am 21. 11. 1941 vor Leningrad gefallen. Müller, Ernst: 1905, 1911 – 1939 Geb. 22. 3. 1877 Kalbe (Saale) 1896 – 1900 Univ. Marburg, Halle, Berlin. 11. 5. 1901 Prom. 1. 2. 1901 AVol., StA Münster, 1. 10. 1901 – Febr. 1903 StAe Magdeburg, Marburg / L. 28. 2. 1903 Staatspr. f. d. höh. ADienst. 1. 3. 1903 Hist. Komm. f. Westfalen, Münster. 1. 4. 1904 AHilfsarb., StA Magdeburg. 1. 6. 1905 AAssist., GStA. 1. 7. 1905 Wiss. Mitarb. d. Zentraldir. d. MGH. 1911 wieder GStA. 1. 4. 1912 Kgl. Archivar, ib. 1. 4. 1920 Staatsarchivar, zugl. Doz. f. d. Ausb. f. d. wiss. ADienst; seit 1923 StAR. 1. 7. 1931 Abt.Leiter, GStA. 1. 10. 1939
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Pensionierung auf eigenen Wunsch. Gest. 4. 1. 1941 Kleinmachnow b. Berlin. – Lit.: Mittbl. d. preuß. AVerw. 1941, S. 2 – 3. Müller, Wolfgang: 1934 – 1945 Geb. 6. 10. 1903 Domnau / Ostpr. 1923 – 24, 1926 – 34 Univ. München, Berlin, Marburg. 1933 Prom. 14. 12. 1934 Staatspr. f. d. höh. Lehramt. 1934 – 35 IfA, BerlinDahlem. 1. 7. 1936 Wiss. Hilfsarb., GStA. 1. 11. 1937 AAssist., ib. 1. 10. 1939 StAR, ib. 1940 Doz. a. d. IfA, Berlin-Dahlem. 1941 – 45 Wehrdienst. 1945 russ. Gefangenschaft; seit Herbst 1945 b. e. Berliner Buchhandlung tätig. 1948 Leiter e. Raiffeisenkasse, Mk. Brandenburg, später Lektor i. Gustav-Warneck-Verl., Hannover. 1950 Wiss. Ang., StA Hannover. 1952 ABeratungsstelle f. Westfalen, Münster. 1953 AR, BundesA Koblenz. 1955 AOR, ib. 1965 ADir., ib. Gest. 1. 6. 1966 Koblenz. – Lit.: Wolfgang Mommsen, in: Der Archivar 20 (1967) Sp. 95 – 97. Müsebeck, Ernst: 1908 – 1919 Geb. 4. 4. 1870 Conerow b. Greifswald. 1890 Abitur. 1890 – 94 Univ. Greifswald, Halle, Marburg, m. Besuch d. ASchule, ib. 16. 7. 1895 Staatspr. f. d. höh. ADienst. 30. 7. 1897 Prom. 1. 11. 1897 StadtA Zerbst. 1. 7. 1898 AHilfsarb., StA Marburg. 1. 1. 1900 StA Breslau. 1. 11. 1900 AAssist., StA Schleswig; von dort beurlaubt a. d. Ksl. Bez. -A. Metz. 1. 10. 1906 Kgl. Archivar, StA Marburg / L. 1. 4. 1908 GStA. 1915 Kgl. Archivar u. AR, sowie Rat 4. Kl., ib. 1. 4. 1918 Geh. Staatsarchivar u. AR, ib. Herbst 1919 ReichsA, Potsdam. 1920 Dir. d. AAbt., ib. 1935 Pensionierung. Gest. 19. 11. 1939 Kassel-Wilhelmshöhe. – Lit.: Mittbl. d. preuß. AVerw. 1940 S. 2 – 3. – H. Rogge, in: Der Archivar 9 (1956) Sp. 327 – 336. – Biograph. Staatshandb., hrsg. v. G. Franz u. H. Rößler, Bd. 2 (1963) S. 895 – 896. Nissen, Walter: 1939 – 1945 Geb. 3. 9. 1908 Bergedorf b. Hamburg. 1928 – 31, 1936 – 38 Univ. Hamburg, Halle / S. 1936 – 38 Wiss. Assist. a. Hist. Sem. d. Univ. Halle. 1938 Prom. 1939 Staatspr. f. d. höh. Lehramt. 23. 10. 1939 StARef., GStA. 1939 – 45 Wehrdienst m. Beurlaubungen, danach russ. Gefangenschaft. 1941 IfA, Berlin-Dahlem, anschl. Staatspr. f. d. höh. ADienst. 1941 StAAss., GStA. 1949 – 50 apl. Wiss. Mitarb., StA Magdeburg. 1950 – 58 StADir. Dt ZentralA, Abt. Merseburg. 1958 – 59 Lehrtätigkeit Univ. Halle / S. 1959 LandesAR, ABeratungsstelle f. Westfalen, Münster. 1959 StadtADir., StadtA Göttingen. 1965 AOR, ib. Ohnsorge, Werner: 1930 – 1938 Geb. 16. 1. 1904 Dresden. 1922 – 27 Univ. Berlin. 1927 Staatspr. f. d. höh. Lehramt u. Prom. 1927 Germania Pontifica. 1930 – 31 IfA, Berlin-Dahlem. 1932 Staatspr. f. d. höh. ADienst. 1. 4. 1932 AHilfsarb., GStA. 1934 AAss., ib. 1935 StAR, ib. 1938 HStA Dresden. 1947 StA Hannover. 1963 OStAR, ib. 1965 – 69 AOR u. ständiger Vertreter d. Ltd. ADir., ib. seit 1959 nebenamtl. Lehrtätigkeit Univ. Hamburg, 1961 Hon.Prof., ib. 1969 Pensionierung.
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II. Teil
Overmann, Alfred: 1899 Geb. 6. 11. 1866 Bergheim / Erft. Ostern 1882 Abitur. 1887 – 92 Univ. Berlin. 17. 12. 1892 Prom. 1893 AAspir., StadtA Köln.1. 12. 1894 AAssist., Ksl.Bez.-A., Straßburg. 1. 4. 1899 AVol. GStA. 1. 7. 1899 StA Münster. 1. 3. 1900 Stadtarchivar, StadtA Erfurt. 1. 4. 1901 Ltg. d. StadtA Erfurt. Nov. 1901 – 11 zugl. Ltg. d. Städt. Museums, sowie d. Volks- u. Verwaltungsbücherei, ib. 1912 Verleihung d. Prof.-Titels durch d. Stadt Erfurt. 1919 ADir., ib. 1932 Pensionierung, anschließend noch 1 Jahr tätig. Gest. 7. 2. 1946, ib. – Lit.: Erich Gaenschalz, in: Aus Erfurts alter Zeit. Ges. Aufsätze z. Erfurter Kulturgesch. m. d. i. Tageszeitungen ersch. Aufsätzen A. O.s, 1948 – F. Wiegand: Das StadtA Erfurt u. s. Bestände. Weimar 1953, S. 55 ff. (= Thüringische AStud., Bd. 5). – Aloys Schmidt, in: Der Archivar 18 (1965) Sp. 324 – 328. – Ders. in: Heimatbll. Lippstadt 48 (1967) S. 25 – 26. Paczkowski, Josef: 1900 – 1903, 1905 – 1919 Geb. 15. 3. 1861 Kawiary, Krs. Gnesen. 1882 Abitur. Univ. Leipzig, Berlin. 20. 7. 1889 Prom. 5. 6. 1890 Eintr. i. d. Kgl. Bibl., Berlin. 13. 4. 1894 Bibl. Assist., ib. 1. 4. 1896 Hilfsbibliothekar, ib. 1. 3. (12.?) 1899 Bibliothekar, ib. 1899 „Aufhebung“ d. Wittgenstein’schen A.s i. Auftrag d. Kanzlers Fürst v. Hohenlohe-Schillingsfürst. 15. 2. 1900 Kgl. Archivar, StA Posen, im selben Jahr desgl. auftragsw. GStA. 1. 5. 1904 StA Danzig. 30. 10. 1904 Rat. 4. Kl., ib. 1. 10. 1905 abgeordnet GStA. 1906 Geh. Staatsarchivar, ib. 27. 5. 1907 Geh. Staatsarchivar u. AR, ib. 29. 8. 1914 Kriegspresseamt. 13. 7. 1917 Geh. Staatsarchivar u. Geh. AR, ib. 31. 1. 1919 Ausscheiden a. d. preuß. AVerw. 1. 2. (4.?) 1919 Leiter d. poln. StaatsAe. 22. 10. 1925 Gen. Dir. d. poln. StaatsAe. 1. 10. 1926 Pensionierung. Gest. 25. (26.?) 10. 1933 Posen. – Lit.: Adam Wojtkowski, in: Rocznik: historyczne 9 (1933) S. 316 – 319. – Bachulski, in: AZ 42 / 43 (1934) S. 414 – 415. Papritz, Johannes: 1924 – 1925, 1929 – 1945 Geb. 19. 4. 1898 Berlin-Charlottenburg. 1919 – 22 Univ. Berlin, Jena. 1922 Staatspr. f. d. höh. Lehramt. 1924 AVol., GStA. Lehrg. f. d. wiss. ADienst. 1925 Staatspr. f. d. höh. ADienst. 1. 10. 1925 AHilfsarb. beim Brandenburg-Preuß. HausA, Berlin-Charlottenburg. 1. 10. 1927 AAssist., StA Danzig. 1. 4. 1929 StR, GStA. 1932 Prom. 1932 Publikationsstelle b. GStA. 1934 Nord- u. Ostdeutsche Forschungsgemeinschaft. 1. 9. 1938 StADir. b. GStA Leiter d. Publikationsstelle. 1949 StA Marburg u. Doz., ASchule Marburg. 1954 – 63 Dir. d. StA u. d. ASchule Marburg. Seit 1950 1. stellv. Präsident d. J.-G.-Herder-Forschungsrates. 1963 Pensionierung. – Lit.: Festg. f. J. P., in: Der Archivar 16 (1963) Sp. 105 – 294, darin: Etienne Sabbe, Hommage au Dr. J. P., Sp. 111 – 114. Petersdorff, Hermann v.: 1894, 1918 – 1929 Geb. 16. 1. 1864 Stettin. 1884 Abitur. 1884 – 88 Univ. Heidelberg, Freiburg, Berlin. 22. 12. 1888 Prom. 1. 5. 1894 AAspir., GStA. 1. 8. 1894 AHilfsarb., ib. 1. 10. 1894 StA Marburg. 1. 10. 1896 AAssist. ib. 1. 10. 1897 StA Koblenz. 1. 3. 1900 Kgl. Archivar, ib. 1. 10. 1901 StA Stettin. 13. 4. 1908 Kgl. Archivar u. AR, sowie Rat 4.
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Kl., ib. 1. 4. 1918 Geh. Staatsarchivar u. AR, GStA. 1. 4. 1920 Staatsarchivar, ib. 25. 3. 1924 StAR, ib. 31. 3. 1929 Pensionierung. Gest. 23. 7. 1929 Berlin. – Lit.: Neue Preuß. Kreuzztg. v. 26. 7. 1929. – Graf N. Rehbinder, in: ib. v. 4. 8. 1929. – A. v. Wilke, in: ib. v. 7. 8. 1929. – Friedr. Granier, in: Akadem. BII. 44 (1929) S. 209 ff. – HZ 140 (1929) S. 704. – [Melle Klinkenborg], in: Az 39 (1930) S. 319 – 320. – H. Paalzow, in: Annalen u. Historien. Mitt. d. Ver. ehem. Schüler d. Friedr.-Wilhelm-Gymn. zu Berlin 49 (1930) S. 34 ff. – Friedr. Granier, in: 50 Jahre Arbeit f. Volkstum u. Staat, hrsg. v. K. Maßmann u. R. P. Oßwald. Berlin 1931, S. 69 – 73, m. Bild. – Ernst Müller, in: Biograph. Jahrb. 11 (1932) S. 236 – 238. Pflugk-Harttung, Julius v.: 1893 – 1919 Geb. 8. 11. 1848 Wernikow b. Wittstock, sp. Kaufmannslehre, Hamburg. Versch. Auslandsreisen u. a. i. d. USA. 1870 / 71 Wehrdienst, anschl. Abitur u. Univ. Bonn, Berlin, Göttingen. 7. 1. 1876 von Georg Julius v. Pflugk (mecklenburg. Adelsanerk. v. 9. 8. 1846), s. Großv. mütterlichers., vertragl. als „v. Pflugk-Harttung“ an Kindesstatt angenommen. 31. 3. 1876 Prom., Bonn. 1877 Habil. Univ. Tübingen. Verl. d. Charakters e. Kgl. württemberg. Univ.-Prof. 8. 2. 1884 a.o. Prof., Univ. Tübingen. 12. 6. 1886 o. Prof., Univ. Basel. 5. 10. 1889 Entlassung, ib. Anschl. Priv.-Gelehrter, Gohlis / Schweiz. 1. 4. 1893 Archivar 1. Kl. StA Düsseldorf, komm. GStA. 30. 10. 1893 Preuß. Adelsanerkennung. 19. 11. 1894 Kgl Archivar, ib. 1900 Geh. Staatsarchivar u. AR, GStA. 30. 10. 1907 Rat 4. Kl. 19. 10. 1910 Geh. Staatsarchivar u. Geh. AR, ib. 1. 4. 1919 Pensionierung. Gest. 5. 11. 1919. – Lit.: J. v. Pf.-H., Mein Fortgang von Basel, Stuttgart 1889. – Dt. Zs. f. Geschwiss. 2 (1889) S. 534 – 535. – E. Bernheim, Nachruf auf J. v.Pf.-H., in: Hist. Vjschr. 19 (1919 / 20) S. 562 – 564. – Seewald: Die Vertretung der Geschwiss. a. d. Univ. Tübingen i.d. 2. H. d. 19. Jhdts. (1837 – 1907). Masch. Schr. Diss. Tübingen 1949, S. 157 ff. – E. Bonjour: Jacob Burckhardts Nachfolger auf dem Lehrstuhl für Gesch., in: Die Schweiz u. Europa 1 (1958) S. 429 ff. – Biograph. Staatshandb., hrsg. v. W. Kosch, Berlin 1963, S. 977. Philippi, Friedrich: 1885 Geb. 14. 7. 1853 Elberfeld. Univ. Bonn. Sommer 1876 Prom. 17. 7. 1876 AAspir., StA Münster. 30. Okt. 1876 AHilfsarb., ib. 1. 10. 1877 AAssist, ib. 1. 8. 1879 ASekr., StA Marburg. 1. 6. 1881 StA Münster. 1. 8. 1885 Archivar 2. Kl., GStA. 1886 StA Stettin. 1. 10. 1886 Archivar 1. Kl., 1888 StArchivar, StA Osnabrück. 1894 StArchivar u. AR, ib. 1. 10. 1897 StArchivar u. AR m. Zus. Archiv-Vorst., seit 1899 als ADir. bez., StA Münster. 9. 6. 1900 Hon Prof., Akademie (sp. Univ.), ib. Jan. 1905 Geh. AR. 31. 3. 1921 Pensionierung. 1923 Ehrenprom. z. Dr. jur. Gest. 26. 4. 1930 Münster. – Lit.: Aus Vergangenheit u. Gegenwart. Festg. z. 70. Geb. von Schülern u. Freunden dargebr., Münster 1923. – L. Schmitz-Kallenberg, in: Westfalen 14 (1928), S. 1 – 12, m. Schriftenverz. – Fr. v. Klocke, in: Die Heimat 10 (1928), S. 202 ff. – Nachr. d. Vorstands, in: Mitt. d. Ver.s f. Gesch. u. Landesk. v. Osnabrück 52 (1930) S. XX. – Robert Krumbholtz, in: Siegerland, Bll. d. Ver. f. Heimatkde. u. Heimatschutz i. Siegerlandesamt Nachbargeb. 12 (1930)
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II. Teil
S. 134 ff. – Ders., in: AZ 40 (1931) S. 285 – 289. – J. Bauermann, in: HZ 142 (1930) S. 447 – 448. Pischel, Wolf-Reinhard: 1968 – 1972 Geb. 22. 10. 1944 Baerwalde / Neumark. 1963 – 68 Univ. Berlin (FU). Akadem. Abschlußpr. (Magister-Examen). 1. 11. 1968 AAng., GStA. 1969 AlnspAnw. 1970 – 71 ASchule Marburg. 1971 Staatspr. f. d. geh. ADienst. 1971 Alnsp z.A., GStA. Gest. 12. 8. 1972 Berlin-Tempelhof. Posner, Ernst, 1920 – 1935 Geb. 9. 8. 1892 Berlin. 1910 Abitur. 1910 – 14 Univ. Berlin, Bonn, Straßburg. 1914 – 18 Wehrdienst. 1920 Staatspr. f. d. höh. Lehramt. 26. 7. 1920 Prom. 1. 10. 1920 AVol., GStA. 19. 11. 1921 Staatspr. f. d. höh. ADienst, anschl. AAssist., GStA. 1. / 18. 12. 1922 Staatsarchivar, ib. Doz. f. d. Ausb. f. d. wiss. ADienst, später Doz. a. d. IfA, Berlin-Dahlem, seit 1923 StAR. 1926 – 38 nebenamtl. Mitarb. d. Preuß. Akad. d. Wiss. f. d. Edition d. „Acta Borussica“. 1. 12. 1935 aus d. ADienst entlassen. Ende 1938 KZ Sachsenhausen. 1939 Auswanderung n. Schweden u. U.S.A.: Lektor d. American Univ. Washington, 1940 adj. Prof., ib., 1942 – 61 Leiter d. AKurses, ib. 1945 o. Prof., ib. 1961 emer. Prof., Dr. h.c. of Humane Letters. Seit 23. 6. 1961 Berechtigung z. Führung d. Titels „Dir. d. GStA i.R.“ (mit Wirkung v. 1. 1. 1961). – Lit.: Ph. C. Brooks, The Archival contribution of E. P., in: Indian Archives 18 (1964) S. 1 – 8. – Wolfgang Mommsen, in: Der Archivar 20 (1967), Sp. 217 – 230; Paul Lewinson, in: Archives and the Public Interest. Selected Essays of E. P. presented to honor him of the 75th birthday. Ed. by K. Munden, Washington 1967, S. 7 – 19, m. Schriftenverz. – Ph.C. Brooks, in: The American Archivist 18 (1969) S. 1 – 8. – Eckhart G. Franz, in: Jb. f. Amerikastudien 15 (1970) S. 233 – 236. Posner, Max: 1880 – 1882 Geb. 8. 11. 1850. Univ.? AAssist., GStA. 1. 7. 1879 ASekr., StA Marburg. 1. 7. 1880 GStA. Gest. 1882 Berlin. Preuss, Sabine: seit 1968 Geb. 5. 4. 1948 Berlin. 1968 – 71 VorbDienst, GStA: 1970 – 71 ASchuleMarburg. – 1971 Staatspr. f. d. geh. ADienst. 1971 Alnsp z.A., GStA. 1973 Alnsp, ib. 1975 AOInsp., ib. Randt, Erich: 1912 – 1914, 1920, 1944 – 1945 Geb. 17. 5. 1887 Neupaleschken, Krs. Berent / Westpreußen. Ostern 1907 Abitur. 1907 – 12 Univ. Breslau, Königsberg. 6. 5. 1912 Prom. 1. 10. 1912 AVol, StA Königsberg u. GStA. – 1. 4. 1914 StA Breslau. 27. / 28. 6. 1914 Staatspr. f. d. höh. ADienst. 1914 – 19 Wehrdienst u. Gefangenschaft. 1. 1. 1920. AAssist., GStA. 1. 4. 1921 Staatsarchivar, seit 1923 StAR, StA Breslau. 1. 10. 1930 StADir., StA Stettin. Apl. 1935 StA Breslau. 1939 zugleich Dir. d. Ae i. Generalgouvernement. 1. 10. 1944 – 15. 5. 1945 Dir. d. GStA. 1944 Doz. a. d. IfA, Berlin-Dahlem. 1947 Beauftragter
Archivare beim Geheimen Staatsarchiv 1874 – 1974
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d. Poln. Militärmission f. d. AFragen d. Ostens. Gest. 6. / 7.? 5. 1948 Berlin, begraben in Sonthofen. – Lit.: Ad. Diestelkamp, in: Der Archivar 2 (1949) Sp. 82 – 88, m. Schriftenverz.; K. G. Bruchmann, in: Zs. f. Ostforschung 6 (1957) S. 403 – 411. Reuter, Bruno: 1874 – 1898 Etwa seit 1865 Archivar, MinisterialA Berlin. 1873 Archivar u. AR, ib. 1874 Geh. Staatsarchivar u. AR, GStA. 1883 Geh. Staatsarchivar u. Geh. AR, ib. Gest. 6. 8. 1898 Zehlendorf b. Berlin. – Lit.: Paul Bailleu, in: FBPG 12 (1899) SB. v. 12. 10. 1898, S. 573. – Biogr. Jb. 5 (1903) S. 51* (Notiz). Rieckenberg, Heinrich.: 1939 – 1945 Geb. 4. 7. 1912 Mandelsloh, Krs. Neustadt / Hannover. Univ. Königsberg / Pr. 1939 Prom. 1. 8. 1939 StARef., GStA. 1939 – 40 IfA, Berlin-Dahlem. 1940 Staatspr. f. d. höh. ADienst. 1. 2. 1943 StAAss. Seit 1940 Wehrdienst. Gefallen? Rohr, Wilhelm: 1924 – 1927, 1929 – 1930, 1933 – 1945 Geb. 29. 10. 1898 Oldenburg. 1916 – 18 Wehrdienst u. Kriegsgefangenschaft. 19.18 – 23 Univ. Berlin. 1923 Prom. 1924 Lehrg. f. d. wiss. ADienst, Berlin-Dahlem. 1925 Staatspr. f. d. höh. ADienst, anschl. GStA. Apl. 1927 – Juni 1929 Brandenburg-Preuß. HausA, Berlin-Charlottenburg. 1. 7. 1929 StAR, GStA. 1. 4. 1930 StA Düsseldorf. 1. 10. 1933 – 1939 GStA u. Doz. a. d. IfA, Berlin-Dahlem. Okt. 1939 abgeordnet z. GeneralDir. d. preuß. StAe bzw. z. AAbt. d. Preuß. Staatsministeriums, 1940 z. Kommissar f. d. ASchutz. 1. 1. 1944 Referent d. Unterabt. I f. Au. Schriftgutwesen i. Reichsmin. d. Innern. 1. 11. 1944 – 1945 ORegR, ib. 1950 StA Hannover. 1951 Ltd. Ang. i. PersonenstandsA I Koblenz-Ehrenbreitstein. 1952 AR, BundesA Koblenz. 1953 OAR, ib. 1960 Pensionierung. Gest. 26. 7. 1968 Koblenz. – Lit.: Walter Vogel, in: Der Archivar 22 (1969) Sp. 352 – 357. Salzer, Ernst: 1900 – 1908, 1911 – 1915 Geb. 18. 2. 1876 Worms. 1894 – 99 Univ. Heidelberg, Straßburg, Berlin. 9. 8. 1899 Prom. 1. 5. 1900 AVol., GStA, StAe Stettin u. Magdeburg. 12. 7. 1902 Staatspr. f. d. höh. ADienst., anschl. StadtA Köln. 1. 4. – 30. 9. 1903 AHilfsarb., abgeordnet a. d. Preuß. Hist. Inst., Rom. 1. 10. 1903 StA Danzig. 1. 10. 1904 AAssist., GStA. 1908 StA Stettin. 1. 4. 1911 Geh. Staatsarchivar, GStA. Mai 1915 Wehrdienst. Gefallen 10. 11. 1915 b. Krusevac / Serbien. – Lit.: Paul Bailleu, in: FBPG 29 (1916) SB v. 9. 2. 1916, Seite 10. Sattler, Karl: 1888 – 1906 Geb. 26. 1. 1850 Varel / Oldenburg. Ostern 1869 Abitur, Celle. 1869 Univ. Göttingen. 23. 7. 1870 Wehrdienst. 1871 Univ. Göttingen. 24. 10. 1872 Prom. Seit Ostern 1873 Hilfslehrer a. Gymn., ib. 25. 10. 1873 Staatspr. f. d. höh. Lehramt. 1. 5. 1874 AAspir., StA Magdeburg. 1875 StA Düsseldorf. 1. 2. 1876 ASekr., StA Königsberg. 1. 1. 1879 komm. Vorstand, StA Posen. 1. 2. 1880 Kgl. Archivar, StA Hannover. 1884 – 1888 Mitgl. d. Reichstages. Ab 30. 3. 1885 als Archivar 1. Kl. bez., StA
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II. Teil
Hannover. Seit 1885 auch Mitgl. d. pr. Landtags. 1. 10. 1888 Geh. StArchivar, GStA. 1. 12. 1888 StArchivar u. AR, ib. 1885 – 1896 Mitgl. d. preuß. Abgeordnetenhauses. 16. 4. 1896 Zweiter Dir. d. StA.e, zugl. geschäftsf. Dir. d. GStA u. AR. 1898 Mitgl. d. Reichstages. 1900 Verl. d. Charakters e. Geh. RegR. Gest. 13. 7. 1906 Lankwitz, b. Berlin. – Lit.: Hdb. d. preuß. Abgeordnetenhauses 1904, S. 352. – Biogr. Jb. 11 (1908) Sp. 56*, m. Schriftenverz. – Antonie Sattler, Zur Erinnerung an den Landtags- und Reichstags-Abgeordneten Dr. Karl Sattler, Hannover 1910. – W. Rothert, in: Allg. Hann. Biographie 1 (1912) S. 364. Schaus, Emil: 1879 – 1900 Geb. 13. (14.?) 11. 1869 Ehrenbreitstein. Ostern 1888 Abitur. Univ. München, Marburg, Berlin. 6. 1. 1894 Prom. AAspir. 1. 10. 1897 AHilfsarb. GStA. Jan. 1900 AAssist., StA Wiesbaden. 1901 Kgl. Archivar, ib. 25. 4. 1912 Kgl. Archivar, AR u. Rat 4. Kl., ib. 1. 4. 1920 Staatsarchivar. 1. 10. 1921 ADir., StA Koblenz. 1. 4. 1935 Pensionierung. Gest. 28. 2. 1944 Koblenz. – Lit.: Mittbl. d. preuß. AVerw. 1944 S. 42 – 43. – K. Becker, in: Stadtrechtsorte u. Flecken i. Reg. Bez. Trier u. i. Landkr. Birkenfeld von E. Schaus, bearb. v. R. Laufner u. a. Trier 1958, S. 141 – 145, m. Schriftenverz. S. 146 – 148 (= Schriftenr. z. Trierer Landesgesch. u. Volksde., Bd. 3). Schieffer, Theodor: 1937 – 1942 Geb. 11. 7. 1910 Bad Godesberg. 1929 – 34 Univ. Bonn, Paris, Berlin. 1934 Prom. 1935 Staatspr, f. d. höh. Lehramt. 1938 MGH, Berlin. 1937 – 39 IfA, Berlin-Dahlem. 11. 3. 1939 Staatspr. f. d. höh. ADienst, anschl. Ableist. d. prakt. Halbj., GStA. 1. 10. 1939 StAAss., GStA. 1. 2. 1942 AR, ib. 1942 Wehrdienst. 1942 Dr. habil. Univ. Berlin. 1946 apl. Prof. Univ. Mainz. 1949 a.o. Prof., ib. 1951 o. Prof., ib. 1954 desgl. Univ. Köln, Leiter d. UnivA. Schiemann, Theodor: 1889 – 1892 Geb. 5. 7. 1847 Grobin. 1867 Abitur, Mitau. 1867 – 74 Univ. Dorpat, Göttingen, dazw. Hauslehrer i. Jensel / Livland u. am Herzogl.A in Mitau, sowie RatsA Danzig. 1874 Prom. 1874 StAe Dresden u. Wien. 1875 Oberlehrer a. Landesgymn., Fellin / Livland. 1883 StadtADir. Reval. 1887 Priv: Doz., Univ. Berlin, zugl. st. 1888 Doz. a. d. Kriegsakad., ib. 1889 Archivar 1. Kl., StA Hannover, abgeordnet a. d. GStA. 1892 a.o. Prof., Univ. Berlin. 1902 a.o. Hon.Prof., ib. 1903 Hon. Prof., ib. 1906 o. Prof. u. Dir. d. Sem. f. Osteurop. Gesch., ib. 1918 Kurator der Univ. Dorpat. Gest. 26. 1. 1921 als Geheimrat u. Prof., Berlin. – Lit.: Deutsch-balt. biogr. Lexikon 1710 – 1960. Köln 1970, S. 676 – 677, m. zahlr. Lit. Ang. Schnath, Georg: 1922 – 1924 Geb. 6. 11. 1898 Hannover. 1918 – 22 Univ. Marburg, Göttingen. 1922 Staatspr. f. d. höh. Lehramt. 27. 7. 1922 Prom. 1. 10. 1922 AVoI., GStA. Mai 1923 BrandenburgPreuß. HausA. Berlin-Charlottenburg, 19. / 20. 3. 1924 Staatspr. f. d. höh. ADienst. 1. 4. 1924 AHilfsarb., Brandenburg-Preuß. HausA, Berlin-Charlottenburg. 1. 4.
Archivare beim Geheimen Staatsarchiv 1874 – 1974
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1925 AAssist., ib. 1. 10. 1927 StAR, StA Hannover. 1. 10. 1938 StADir., ib. Seit 1942 auch Hon. Prof., Univ. Göttingen. 1959 o. Prof., ib. 1967 emeritiert. – Lit.: Z. 70. Geburtstag, in: Nds. Jb. f. Landesgesch. 40 (1968) S. V – VI. Schottmüller, Kurt Adolf Heinrich: 1902 Geb. 3. 7. 1871 Berlin. Ostern 1891 Abitur. 1891 – 95 Univ. Berlin, Marburg, 27. / 28. 6. 1895 Staatspr. f. d. höh. ADienst. 19. 12. 1896 Prom. 2. 4. 1898 AHilfsarb., zuletzt StA Posen. Aug. 1900 AAssist., ib. April 1902 GStA. Okt. 1903 StA Posen. 1. 4. 1906 Kgl. Archivar, StA Danzig. 3. 5. 1913 Kgl. Archivar, AR u. Rat 4. Kl., ib. Gest. 11. Aug. 1919 Danzig. – Lit.: A. Warschauer, in: Korrespondenzbl. 67 (1919) S. 220. Schroeder, Johann Karl von: seit 1966 Geb. 17. 4. 1923 Dresden. 1945 Metallhandwerker. 1948 Rundfunkmechanikermeister. 1948 – 54 Univ. Münster. 1954 1. jurist. Staatspr. 1954 – 57 Justizdienst. 1958 Prom. 1950 – 62 Betreuer versch. PrivatAe. 1957 StA Münster. 1959 Landesamt f. APflege, ib. 1959 – 66, StadtA, Minden. 1960 AR, ib. 1963 – 66 DomA, ib. 1966 GStA. 1968 – 72 nebenamtl. Lehrtätigkeit Univ. Berlin (FU). 1969 OAR, GStA. 1975 Wiss. Dir. ib., seit Mai 1975 ADir. Schubert, Hans: 1908 – 1909, 1928 – 1931 Geb. 22. 8. 1884 Militsch. Ostern 1903 Abitur. 1903 – 08 Univ. Heidelberg, Berlin, Erlangen, Marburg. 20. 2. 1908 Prom. 1. 4. 1908 AVol., StA Düsseldorf u. GStA. 27. 4. 1909 Staatspr. f. d. höh. ADienst. 1. 4. 1911 AHilfsarb., StA Düsseldorf. 1. 4. 1912 AAssist., ib. 1914 – 1917 Wehrdienst. 1. 10. 1917 Kgl. Archivar, StA Wiesbaden. 1. 10. 1918 StA Koblenz. 1. 4. 1920 Staatsarchivar. Seit 1923 StAR, ib. 1928 GStA. 1. 10. 1931 ADir., StA Wiesbaden. 1. 10. 1933 zurückgestuft z. StAR „unter Beibehaltung seiner Amtsbezeichnung u. d. Diensteinkommens d. bisherigen Stelle“ (Gesetz z. Wiederherstellung d. Berufsbeamtentums), StA Osnabrück. 1. 12. 1936 in d. Ruhestand versetzt. 1940 – 47 Univ.-Doz. Reading / England. Gest. 9. 7. 1961 Ascott, Eastbourne. Schultze, Johannes: 1905, 1914 – 1944, 1945 – 1950 Geb. 13. 5. 1881 Groß-Kraußnigk, Krs. Luckau. Ostern 1901 Abitur. 1901 – 05 Univ. Freiburg, Berlin. 2. 6. 1905 Prom. 1. 7. 1905 AVol., GStA. Juli 1906 Staatspr. f. d. höh. ADienst. 1. 10. 1906 StA Koblenz. 1. 8. 1907 AHilfsarb., ib. 1. 1. 1908 StA Magdeburg. 1. 8. 1908 AAssist., ib. 1. 1. 1909 StA Marburg. 1. 11. 1914 GStA, ab 15. 11. 1914 Kgl. Archivar, ib. 1914 – 18 Wehrdienst, davon Apl. – Mai 1917 b. d. AVerw., Brüssel. 1. 4. 1920 Staatsarchivar, seit 1923 StAR. Doz. f. d. Ausb. f. d. wiss. ADienst, später Doz. a. d. IfA, Berlin-Dahlem. 1930 – 45 zugl. Archivar d. Provinzialverw. Brandenburg. 1. 10. 1944 Pensionierung. 1. 10. 1945 Wiedereintr. i. d. GStA. 10. 12. 1945 Dienstentlassung. 15. 1. 1946 wieder aufgehoben. 1949 – 70 Lehrtätigkeit Univ. Berlin (FU). 31. 3. 1950 Pensionierung. 1956 Hon. Prof., Univ. Berlin (FU). Gest. 2. 10. 1976 Berlin-Dahlem. – Lit.: Jb. f. d. Gesch. Mittel- u. Ostdeutschlands 5 (1956) als Festg. f. J. Sch. z. 75. Geb.; FBPG
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II. Teil
Ausgew. Aufs. v. J. Sch. Mit e. Vorw. v. Wilh. Berges u. Bibliographie J. Sch., Berlin 1964 (= Veröff. d. Hist. Komm. zu Berlin, 13). – Herbert Rexilius, in: Genealogie 14 (1965) S. 825. – Werner Vogel, in: Jb. f. brandenburg. Landesgesch. 22 (1971) S. 7 – 10; Brandenburgische Jahrhunderte. Festg. z. 90. Geb., hrsg. v. G. Heinrich u. W. Vogel, Berlin 1971. – J. Sch., Meine Erinnerungen. I. Auftr. d. Verf. hrsg. v. G. Knoll, Berlin 1976 (m. Bibliographie J. Sch., S. 112 – 145, bearb. v. Ulf Heinrich, seit 1971 fortgef. v. Hrsg., enth. S. 135 f. auch weitere Würdigungen f. J. Sch. i. Ztgen.). – Werner Vogel, in: Der Herold N.F. 8 (1976) S. 43*. – Ders., in: Jb. f. brandenburg. Landesgesch. 27 (1976) S. 204. – Ders., in: Der Tagesspiegel v. 5. 10. 1976: – Ders., in: Steglitzer Lokalanzeiger v. 8. / 9. 10. 1976. – Ders., in: Der Archivar 30 (1977) Sp. 357 – 359. – Wolfgang Ribbe, in: Familiengesch. Bll. N. F. Bd. 2 (1977) S. 179 – 180. Schulze, Berthold: 1928 – 1930, 1945 – 1963 Geb. 5. 2. 1904 Berlin-Lichterfelde. 1922 – 26 Univ. Tübingen, Marburg, Berlin. 1926 Prom. 1926 – 28 Wiss. Assist. a. Hist.-Geogr. Inst. d. Univ. Greifswald. 1928 Staatspr. f. d. höh. Lehramt. 1928 – 30 Lehrg. f. d. wiss. ADienst, Berlin-Dahlem. 28. 3. 1930 Staatspr. f. d. höh. ADienst. 1930 – 39 Wiss. Hilfsarb. bzw. Forschungsbeauftragter d. Hist. Komm. f. d. Prov. Brandenburg u. d. Reichshauptstadt Berlin. 1939 desgl. b. d. Brandenburg. Provinzialverw. 1940 – 45 Wehrdienst u. russ. Gefangenschaft. 1943 Doz. a. d. IfA, Berlin-Dahlem. 1. 8. 1945 Wiss. Ang. u. Referent b. Berliner HauptA. 31. 8. 1953 StAR, ib. 1958 – 60 nebenamtl. Ltg, d. Geschäfte b. LandesA Berlin. 1960 nebenamtl. Lehrtätigkeit a. d. Päd. Hochschule Berlin. Gest. 21. 8. 1963 Berlin. – Lit.: Johannes Schultze, in: Jb. f. d. Gesch. Mittel- u. Ostdeutschlands 12 (1963) S. 555 – 556; Erich Kittel, in: Der Archivar 17 (1964) Sp. 146 – 148; Gerhard Zimmermann, in: AZ 60 (1964) S. 184 – 186; ders., in: Steglitzer Heimat 9 (1964) S. 23 – 24. Schwineköper, Berent: 1939 – 1945 Geb. 8. 11. 1912 Magdeburg. 1931 – 38 Univ. Göttingen, Wien, Freiburg. 1937 Prom. 1939 Staatspr. f. d. höh. Lehramt. 1. 8. 1939 StARef. 1939 – 40 IfA, BerlinDahlem. 1940 z. Ableist. d. prakt. Halbj. a. d. GStA überwiesen. 1940 Staatspr. f. d. höh. ADienst. 1. 4. 1941 StAAss., GStA. 1941 – 45 Wehrdienst. 26. 10. 1944 StAR, GStA. 1946 – 59 StA Magdeburg. 1955 Lehrtätigkeit, IfA Potsdam. 1958 desgl. Humboldt-Univ. Berlin. 1959 StadtA Freiburg / Br., 1960 OAR, ib. 1964 Lehrtätigkeit Univ. Freiburg. 1966 StadtADir., ib. 1972 Hon.Prof., ib. Sello, Georg: 1878 – 1880 Geb. 20. 3. 1850 Sanssouci i. Potsdam. 1868 Abitur. 1868 – 73 Univ. Berlin, Jena. 3. 7. 1873 Prom. Justiz-Ref. b. d. Gerichten i. Freienwalde, Potsdam u. Brandenburg, desgl. b. Kammergericht Berlin. 17. 11. 1877 AAspir., StA Breslau. 1. 4. 1878 AHilfsarb., GStA. 1. 7. 1879 AAssist., ib. 1. 1. 1880 ASekr., StA Koblenz. 1. 7. 1884 StA Magdeburg, ab 1. 4. 1885 als Archivar 2. Kl. bez., ib. Sommer 1886 AR u. Vorstand d. Grhzgl. Haus- u. ZentralA.s, Oldenburg. 1905 Geh. AR, ib. 1920
Archivare beim Geheimen Staatsarchiv 1874 – 1974
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Pensionierung. Gest. 17. 7. 1926 Oldenburg. – Lit.: Jb. d. Ges. f. bildende Kunst u. vaterl. Altertümer in Emden 21 (1925) S. 268 – 271, m. Bild u. Schriftenverz. Skalweit, Stephan: 1937 – 1945 Geb. 5. 2. 1914 Gießen. 1932 – 37 Univ. Kiel, Wien, Paris, Frankfurt / M. 1937 Staatspr. höh. Lehramt u. Prom. 1937 – 39 IfA, Berlin-Dahlem. 11. 3. 1939 Staatspr. f. d. höh. ADienst, am 12. 4. d. GStA z. Ableist. d. prakt. Halbj. überwiesen. 1. 10. 1939 StAAss., ib. 1939 – 45 Wehrdienst. 1. 8. 1942 StAR, ib. 1945 – 46 Dolmetscher u. Übersetzer, TH Darmstadt, 1947, Wiss. Assist., Univ. Bonn. 1954 Priv. Doz., ib. 1957 apl. Prof., Univ. Saarbrücken. 1957 o. Prof., ib. 1963 desgl. Univ. Berlin (FU), 1964 desgl. Univ. Bonn. Spangenberg, Hans: 1900 – 1901 Geb. 27. 3. 1868 Berlin. 1886 Abitur. Univ. Freiburg, Straßburg, Berlin. 17. 11. 1891 Prom. 1. 4. 1898 AVol, StA Osnabrück. 7. 7. 1898 AHilfsarb., ib. 1. 4. 1900 GStA. 1. 7. 1900 AAssist., ib. 1. 10. 1901 StA Münster. 1. 4. 1903 StA Breslau. 1. 11. 1905 StA Königsberg. 1. 2. 1906 Kgl. Archivar, ib., zugl. Priv. Doz., ib. 3. 5. 1913 Kgl. Archivar, AR u. Rat 4. Kl., ib. 1920 Hon. Prof., ib. 1921 aus d. ADienst ausgeschieden, 1921 o. Prof., Univ. Rostock. 1934 emeritiert, ib. Gest. 2. 10. 1936, ib. – Lit.: k.-t., in: HZ 155 (1937) S. 446. Stegemann, Bernd: 1970 – 1972 Geb. 10. 11. 1938 Berlin-Schöneberg. 1958 – 64 Univ. Berlin (FU). 1968 – 31. 3. 1970 Wiss. Assist. a. Friedrich-Meinecke-Inst. d. FU Berlin. 1969 Prom. 1. 4. 1970 ARef., GStA. 1. 4. 1970 – 30. 9. 1971 ASchule Marburg. 25. 9. 1971 Staatspr. f. d. höh. ADienst. 13. 6. 1972 AR z.A., GStA. 1. 7. 1972 Wiss. Rat z.A. am Militärgesch. Forschungsamt, Freiburg. Stephan, Walther: 1904, 1919 Geb. 10. 3. 1873 Berlin. 1894 – 1902 Univ. Freiburg, Leipzig, München, Berlin, Marburg. 15. 1. 1903 Prom. 6. 2. 1903 AVol., StA Danzig. 1904 GStA. 1905 StA Danzig. 6. 6. 1905 Staatspr. f. d. höh. ADienst. 1. 4. 1906 AHilfsarb., ib. 1. 1. 1908 AAssist., ib. 1. 10. 1912 Kgl. Archivar, ib. 1914 – 1918 Wehrdienst. 1919 komm. Tätigkeit b. Ausw. Amt. 1920 vorübergehend AR, GStA. 10. 10. 1920 Staatsarchivar StA Schleswig, 1922 / 23 nach Kiel verlegt. Seit 1923 StAR. 1. 10. 1931 StADir. StA Kiel. 31. 1. / 1. 4.? 1938 Pensionierung. 1943 – 44 erneut Ltg. d. StA Kiel. 1. 11. 1944 endgültiges Ausscheiden a. d. ADienst. Gest. 18. 2. 1959 Kiel. – Lit.: G. E. Hoffmann, in: Der Archivar 12 (1959) Sp. 159 – 161. Ders., in: Zs. d. Ges. f. schleswig-holstein. Gesch. 84 (1960) S. 9 – 18, m. Schriftenverz. u. Bild. – E. Waschinski, in: Jb. d. Albertus-Univ. 10 (1960) S. 5 – 8. Stix, Franz: 1938 Geb. 24. 9. 1910. Vor 1938 Univ.-Studium, Prom. 1. 5. 1938 aus Wien berufen, Wiss. AHilfsarb., GStA. 1. 7. 1938 StAAss., ib. 1938 Abordnung a. d. ReichsA, Potsdam. 1941 AR, ib. Wehrdienst.
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II. Teil
Struckmann, Johann Caspar: 1965 – 1975 Geb. 2. 3. 1940 Celle. 1961 – 65 Univ. Marburg. 1965 – 68 VorbDienst, GStA. 1965 – 66 abgeord. z. ASchule Marburg. 1967 Staatspr. f. d. geh. ADienst. 1969 Alnsp z.A., GStA. 1970 Alnsp, ib. 1972 AOInsp., ib. 1974 – 75 AAng., ib. Seit. 1973 Studium Univ. Berlin (FU). Suhr, Wilhelm: 1936 – 1937, 1943 – 1945 Geb. 16. 2. 1909 Kiel. 1927 – 34 Univ. Kiel, Freiburg / Br., München. 1935 Staatspr. f. d. höh. Lehramt u. Prom. 1936 – 37 IfA, Berlin-Dahlem. 1937 Staatspr. f. d. höh. ADienst. 1. 4. 1938 Ableist. d. prakt. Halbj. AHilfsarb., StA Düsseldorf. 1. 6. 1938 AAss., ib. 1. 5. 1939 StA Münster. 1940 – 41 Wehrdienst. 1. 5. 1941 StAR, ib. 1942 – 43 StA Wiesbaden. 1943 – 45 GStA, abgeord. z. GenDir. d. Preuß. StAe. 1945 StA Kiel, 1948 LandesA Schleswig. 1963 OAR, ib. 1972 ADir., ib. 1973 Pensionierung. Sybel, Heinrich v.: 1875 – 1895 Geb. 2. 12. 1817 Düsseldorf. 1834 Abitur, ib. Herbst 1834 – Ostern 1838 Univ. Berlin, dazw. Frühj. 1837 – 1838 Einjährig Freiwilliger b. d. 2. Garde-Ulanenreg. 18. (27.?) 4. 1838 Prom. Herbst 1838 Bonn, Herbst 1840 Habil., ib. 7. 11. 1840 Antrittsvorl., 1841 Priv. Doz., ib 29. 4. 1844 unbes. a.o. Prof., ib. Herbst 1845 o. Prof., Univ. Marburg. 1848 Abgeordneter i. Frankfurter Vorparlament. Herbst 1848 – 49 Deputierter d. Univ. Marburg i. kurhess. Landtag, Kassel. 1850 vom hess. Landtag i. d. Staatenhaus d. Erfurter Parlaments delegiert. Herbst 1856 o. Prof., Univ. München. 1857 Examinator d. Lehramtskandidaten d. Gesch. u. Vorstand beider Abt. d. Hist. Sem., ib. 20. 8. 1858 Gründung d. Hist. Komm. b. d. Bayer. Akad. d. Wiss. u. 1858 – 62 deren Sekr., 1886 – 1895 ihr Präsident. Juni 1861 o. Prof. Univ. Bonn. Mai 1862 – 64 Mitgl. d. preuß. Abgeordnetenhauses. 1867 Mitgl, d. konst. Reichstages d. Norddt. Bundes. 1867 / 68 Rektor d. Univ. Bonn. 1873 auch Stadtverordneter, Bonn. 1874 – 1880 erneut Mitgl. d. preuß. Abgeordnetenhauses. 23. 6. 1875 Dir. d. preuß. StAe., zugl. Dir. d. GStA u. Leiter d. v. ihm gegr. Preuß. Histor. Inst., Rom. 1878 Geh. ORegR. 19. 4. 1894 Wirkl. Geh. Rat m. Prädikat „Exzellenz“. Gest. 1. 8. 1895 Marburg / L. – Lit.: Männer d. Zeit. Biogr. Lexikon d. Gegenwart Lpz. 1860, Sp. 226 – 229. – Julius Harttung, in: Daheim 13 (1877) S. 486 – 490. – Ders., jetzt als Julius v. Pflugk-Harttung, z. 50.j. Doktor-Jub., in: Westermanns Illustr. Dt. Monatsh. 64 (1888) S. 331 – 346 (m. Bild). – F. L. K. v. Sybel: Nachrichten über die Soester Familie Sybel 1423 – 1890. München 1890. – Paul Bailleu, in: Dte. Rundschau 85 (1895) S. 58 – 76. – Alfred Dove: Ranke u. Sybel i. ihrem Verhältnis zu König Max. Festrede, gehalten i. d. öffentl. Sitzung d. Akad. d. Wiss. z. München am 15. 11. 1895. München 1895. Erneut, in: Ausgew. Schriften vornehml. histor. Inhalts. Leipzig 1898, S. 110 – 128. – Erich Marcks, in: Die Zukunft 4 (1895) S. 162 – 175. Erneut in: Männer und Zeiten, Aufsätze u. Reden z. neueren Gesch. Leipzig 1911, S. 257 – 274. – Friedr. Meinecke, in: HZ 75 (1895) S. 390 – 395. Erneut, in: F. M., Zur Gesch. d. Geschichtsschreibung, hrsg v. E. Kessel. München 1968, S. 175 – 182 (= Ges. Werke, Bd. 7). – R. Oldenbourg, in: HZ 75 (1895)
Archivare beim Geheimen Staatsarchiv 1874 – 1974
215
S. 385 – 389. – Gustav v. Schmoller: Gedächtnisrede auf Heinrich v. Sybel u. Heinrich v. Treitschke, zuerst gedr. in: Beil. z. Ailgem. Ztg. v. 2. – 4. 7. 1896, erneut in: FBPG 9 (1897) S. 357 – 394 u. in: G. v. Sch., Charakterbilder. München u. Leipzig 1913, S. 257 ff. – Conrad Varrentrapp: Biogr. Einleitung zu H. v. Sybel, Vortr. u. Abh. München u. Leipzig 1897, S. 1 – 174, m. Schriftenverz. (= Histor. Bibliothek, Bd. 3). – E. Zeller: Erinnerungen an H. v. S., ib. S. 73 – 79. – Paul Bailleu, in: ADB 54 (1908) S. 645 – 667. – A. Lübbe: Friedrich v. Gentz u. H. v. S. Phil. Diss. Göttingen 1913. – J. v. Pflugk-Harttung: H.v.S. zum 100jähr. Geb., in: Berliner BörsenCourier, Nr. 564 (1917). – Martin Ferres: H.v.S., Stellung zu d. polit. Vorgängen 1859 – 1862. Phil. Diss. Berlin 1930 (= Hist. Stud., Bd. 199). – Karl Buchheim: H. v. S. u. d. Staatsgedanke. Publizist. Dokumente aus d. Köln. Ztg. 1844 – 1851, in: Hist. Vjschr. 26 (1931) S. 96 – 116. – Walther A. Ricklinger: H. v. S. u. d. HZ. Ein Beitrag z. Gesch.schreibung i. 19. Jhdt. Phil. Diss. München 1936. – Karl Alexander v. Müller: Histor.-polit. Denkschr. Sybels f. König Maximilian H. v. Bayern a. d. Jahren 1859 – 1861, in: HZ 162 (1940) S. 59 – 95. – Hellmut Seier: Sybels Vorlesung über Politik u. d. Kontinuität d. „staatl. Liberalismus“, in: HZ 187 (1959) S. 90 – 112. – Ders.: Die Staatsidee H.v.S. i. d. Wandlungen d. Reichsgründungszeit 1862 / 71. Lübeck u. Hamburg 1961 (= Histor. Stud., Bd. 383). – W. Schulte: Die Sybels, in: Westfäl. Köpfe. Münster 1963, S. 328 ff. – Paul Egon Hübinger: H. v. S. u. d. Bonner Philologenkrieg, in: Hist. Jb. 83 (1963) S. 162 – 216. – Ders.: Sybels Bonner Rektoratsjahr (1867 / 1868), in Spiegel d. Gesch. Festg. f. Max Braubach, hrsg v. K. Repgen u. St. Skalweit. Münster 1964, S. 752 – 782. – Schleier: Sybel u. Treitschke. Antidemokratismus u. Militarismus im hist.-polit. Denken großbourgeoiser Geschichtsideologen. Berlin 1965. – P. E. Hübinger: H. v. S., in: Rhein.-Westfal. Rückblende, hrsg. v. W. Först. Köln u. Berlin 1967, S. 104 – 110 (Beitr. z. neueren Landesgesch. d. Rheinlandes u. Westfalens, Bd. 1). – Walter Bußmann: H.v.S., in: Bonner Gelehrte. Beiträge z. Gesch. d. Wiss. i. Bonn. Bonn 1968, S. 93 – 103 (= 150 J. Rhein. Friedr. Wilh. Universität zu Bonn 1818 – 1968). – Hellmut Seier: H. v. S., in: Deutsche Historiker, hrsg. v. H.-U. Wehler. Bd. 2. Göttingen 1971, S. 24 – 38. – Folkert Haferkorn: Soziale Vorstellungen H. v. S. Stuttgart 1976 (= Kieler Hist. Stud., Bd. 23). – Volker Dotterweich: H. v. S. Geschwiss. i. polit. Absicht (1817 – 1861), Göttingen 1977 (= Schriften. d. Hist. Komm. b. d. Bayer. Akad. d. Wiss., Bd. 16). Thierfelder, Hildegard: 1943 Geb. 19. 7. 1908 Ribnitz, Krs. Rostock. 1927 – 33 Univ. Tübingen, Freiburg, München, Rostock. 1931 Prom. 1935 Staatspr. f. d. höh. Lehramt. 1942 ReichsA Troppau. 1. 5. – 30. 11. 1943 IfA, Berlin-Dahlem, zugl. angestellt b. GStA. 1943 StA Kattowitz. 1945 Sudetendeutsche Anstalt f. Landes- u. Volksforschg., Reichenberg. 1945 StadtA Rostock. 1953 – 59 StadtADir., ib. 1960 Stipendiat d. Deutschen Forschungsgemeinschaft. 1962 Hist. A. d. Stadt Köln. 1969 – 30. 9. 73 StadtADir., Lüneburg. 1. 10. 1973 – 31. 12. 1973 StadtA. Celle. 1974 Leitung d. StadtA. Rinteln.
216
II. Teil
Thimme, Hans: 1920 Geb. 27. 4. 1889 Schmedenstedt. Ostern 1908 Abitur. Univ. Berlin, Freiburg. 1913 Prom. 26. 8. 1914 Staatspr. f. d. höh. ADienst, anschl. Wehrdienst. 1. 1. 1920 AAssist., GStA 1920 ReichsA. Potsdam. 1926 als AR, ib. erwähnt. 1940 ORegR. kriegsgeschichtl. Forschungsanstalt d. Heeres, Potsdam. Gest. 14. 4. 1945 Potsdam. Vaupel, Rudolf: 1919 – 1920 Geb. 10. 1. 1894 Kassel. 26. 2. 1912 Abitur. 1912 – 14 Univ. Marburg, Berlin. 5. 8. 1914 – 30. 4. 1916 Wehrdienst, nach Lazarettaufenthalt militär. Bürodienst. 1916 – 1918 z. Stud. beurlaubt., Univ. Marburg. 22. 2. – 25. 11. 1918 Beamtenstellvertr. 1918 Prom. 12. 7. 1919 Staatspr. f. d. höh. Lehramt. 1. 10. 1919 AVol., GStA. 20. 11. 1920 Staatspr. f. d. höh. ADienst. 1. 12. 1920 AHilfsarb., GStA. 15. 12. 1920 – 31. 12. 1921 abgeordnet z. ReichsA. Potsdam. 1. 4. 1921 AAssist. 1. 7. 1922 Staatsarchivar, GStA, seit 1923 StAR. Febr. 1928 abgeordnet z. Brandenburg-Preuß. HausA., Berlin-Charlottenburg. 1. 4. 1929 m. d. Ltg. beauftragt, ib. 1. 10. 1933 StADir., StA Wiesbaden. 1. 9. 1938 StA Marburg / L., seit SS 1939 Lehrauftr. a. d. Phillipps-Univ., ib. 13. 8. 1943 Hon.-Prof., ib. 1944 Doz. a. d. IfA, derzt. Marburg / L: Bln. Gest. 18. 6. 1945 Marburg / L. – Lit.: E. E. Stengel, in: Hess. Jb. f. Landesgesch. 1 (1951) S. 248 ff. – Wilh. Rohr, in: Der Archivar 17 (1964) Sp. 368 – 374. Vogel, Werner, seit 1966 Geb. 28. 11. 1930 Berlin. 1951 – 57 Univ. Berlin (FU). 1957 Prom. 1958 – 59 Verl. Duncker & Humblot, Berlin. 1960 Staatspr. f. d. höh. Lehramt. 1960 VorbDienst, LandesA, Berlin. 1960 – 61 ASchule Marburg. 1961 Staatspr. f. d. höh. ADienst. 1962 AAss., LandesA, Berlin. 1965 AR, ib. 1966 GStA. 1970 OAR, ib. 1971 Wiss. Dir., ib. 1975 ADir. Vollmer, Bernhard: 1913 – 1914, 1919 Geb. 12. 3. 1886 Braunschweig. 8. 3. 1906 Abitur. 1906 – 12 Univ. München, Münster. 7. 5. 1912 Prom. 1. 10. 1912 AVol., StA Koblenz. 1913 GStA. 2. 7. 1914 Staatspr. f. d. höh. ADienst, anschl. StA Hannover. 1915 – 18 Wehrdienst. 1919 AHilfsarb., GStA. 1. 4. (10.?) 1919 AAssist., StA Düsseldorf. 1. 4. 1921 Staatsarchivar, ib. Seit 1923 StAR. – 1. 4. 1929 StADir., ib., dazw. 1940 – 44 abgeordnet z. Reichskomm. d. Niederlande, Abt. Archivwesen. 6. 11. 1950 – 31. 3. 1952 zugl. Ministerialreferent f. AWesen d. Landes Nordrhein-Westf. 31. 3. 1952 Pensionierung. Gest. 1. 3. 1958. – Lit.: Günter v. Roden, in: Romerike Berge 7 (1957 / 58) S. 192 – 186. – W. Classen, in: Der Archivar 11 (1958) Sp. 99 – 102. – H. Stöcker, in: Das Tor 24 (1958) S. 111 – 112. – G. Winter, in: Der Archivar 11 (1958) Sp. 97 – 98. – H. Dahm, in: AZ 55 (1959) S. 165 ff. – Kurt Loup, in: Der Malkasten 6 (1961) S. 2 – 4. Warschauer, Adolf: 1918 – 1921 Geb. 13. 10. 1856 Kempen / Posen. Univ. Breslau. 1881 Prom. 12. 5. 1882 Staatspr. f. d. höh. Lehramt. AAspir., StA Breslau. 15. 2. 1882 StA Posen. 2. 5.
Archivare beim Geheimen Staatsarchiv 1874 – 1974
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1882 AHilfsarb., ib. 1. 5. 1883 AAssist., ib. 1. 10. 1886 Archivar 2. Kl., ib. Seit 19. 11. 1894 nur als Kgl. Archivar bez., ib. Dez. 1901 Kgl. Archivar u. AR, ib. 1903 nebenamtl. Prof. a. d. Kgl. Akademie, ib. 30. 7. 1907 Rat 4. Kl. 9. 9. 1911 Kgl. Archivar u. Geh. AR, ib. 1. 10. 1912 Dir., StA Danzig. Nach 1915 Leiter d. AVerw. b. Ksl. Deutschen Generalgouvernement Warschau. 11. 11. 1918 GStA. 1. 4. 1921 Pensionierung. Gest. 27. 12. 1930 Berlin. – Lit.: Walther Recke, in: AZ 40 (1931) S. 295 – 297. – Rodgero Prümers, A. W., ein Dankes- u. Erinnerungsbl. b. s. Scheiden aus Posen, Lissa 1912, m.e. Schriftenverz. – A. W., Dte. Kulturarbeit i. d. Ostmark, Erinnerungen aus vier Jahrzehnten, Berlin 1926. Wegeleben, Christel, geb. Günther: 1956 – 1964, seit 1974 Geb. 23. 11. 1934 Bad Polzin / Pommern. 1956 – 59 VorbDienst GStA. 1956 – 57 ASchule Marburg. 1957 Staatspr. f. d. geh. ADienst. 1959 Alnsp. z.A., GStA. 1962 – 64 Alnsp, ib. 1974 AAng., ib. Weise, Erich: 1921 – 1927, 1935 – 1942 Geb. 4. 9. 1895 Krefeld. 1914 Univ. Königsberg / Pr. 1914 – 17 russ. Internierung, Mitau / Lettland. 1917 – 20 Univ. Berlin. 24. 1. 1921 Prom. 24. 6. 1921 Staatspr. f. d. höh. Lehramt. 1. 10. 1921 AVol., GStA. 7. 12. 1922 Staatspr. f. d. höh. ADienst. 1. 12. 1922 AAssist., GStA. 1. 10. 1927 StAR, StA Düsseldorf. 1. 4. 1930 StA Königsberg / Pr. 1935 GStA. 1937 z. Errichtung v. Agutstellen z. Reichsarbeitsführer abgeord., später m. d. ASchutz i. Polen betraut. 1942 OAR, Leiter d. ReichsA Posen. 1944 Doz. a. d. IfA, Berlin-Dahlem. Seit 1945 ehrenamtl. m. d. Vorb. z. Wiedereröffnung d. StA Stade betraut. 1. 10. 1948 StAR, StA. Hannover, abgeord. z. StA Stade. 30. 9. 1959 – 60 StADir. nach Wiedereröffnung d. StA Stade. 1960 Pensionierung. Gest. 10. 4. 1972 Hannover. – Lit.: R. Grieser, in: Nds. Jb. f. Landesgesch. 44 (1972) S. 456 – 458. Richard Drögereit, in: Der Archivar 27 (1974) Sp. 287 – 290. Wendland, Ulrich: 1931 – 1934, 1945 – 1947 Geb. 18. 2. 1897 Hohenkirch, Krs. Briesen / Westpr. 1914 – 19 Wehrdienst u. Gefangenschaft. 1920 – 25 i. d. Privatwirtsch. tätig. 1925 – 30 Studium Techn. Hochschule Danzig, Univ. Königsberg / Pr., Marburg, Greifswald. 1930 Prom. Apl. 1931 Staatspr. f. d. höh. Lehramt. 2. 11. 1931 – 18. 3. 1933 IfA, Berlin-Dahlem. 20. 3. 1933 Staatspr. f. d. höh. ADienst. 1. 5. 1934 StAR, StA Danzig. 1941 komm. Leiter d. ReichsA, Danzig. 1943 – 45 OAR u. Leiter d. ReichsA, ib. 1945 Doz. a. d. IfA, Berlin-Dahlem. Okt. 1945 wiss.-techn. Fachart. GStA. 7. 11. 1945 – 15. 11. 1947 komm.Leiter d. GStA bzw. d. Berliner HauptA. 1952 StadtA Lüneburg. Gest. 12. 8. 1957 Lüneburg. – Lit.: Kurt Forstreuter, in: HZ 185 (1958) 736. Wentz, Gottfried: 1922 – 1931, 1936 – 1945 Geb. 24. 3. 1894 Lüchow / Hannover. 1. 4. 1913 – 31. 7. 1914 Univ. Tübingen, anschl. Wehrdienst. 12. 5. 1919 – 31. 3. 1922 Univ. Göttingen, Hamburg, Berlin. 14. 8. 1922 Prom. 1. 10. 1922 AVol., GStA. 19. / 20. 3. 1924 Staatspr. f. d. höh. ADienst. 1. 4. 1924 AHilfsarb., GStA. 1. 10. 1925 AAssist., ib. 1. 4. – 30. 7. 1926
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II. Teil
Geschäftsf. d. Preuß. Hist. Inst., Rom. 1. 1. 1928 StAR, GStA. 1. 10. 1931. StA Magdeburg. 1. 4. 1936 GStA. 1940 Doz. a. d. IfA, Berlin-Dahlem. 1. 4. 1942 Abt. Leiter. 18. 7. – 8. 9. 1945 komm. Dir., ib. Gest. 8. 9. 1945 Berlin. – Lit.: Georg Winter, in: Der Archivar 1 (1947 / 48) Sp. 46; J. Bauermann, in: Hans. Geschbll. 70 (1951) S. 105 – 107. Winter (d. Ä.), Georg: 1880(?) Geb. 3. 2. 1856 Breslau. 1873 – 78 Univ. Breslau, Berlin. 1878 Prom. 1879 AAspir. 1880 AHilfsarb. (?), GStA. 1881 AAssist., StA Düsseldorf. 1882 ASekr. StA Marburg. 1886 Archivar 2. Kl., ib. 1893 StA Magdeburg. Seit 1894 Archivar. 1897 StA Stettin. 1899 Archivar u. AR, ib. 1901 Staatsarchivar u. AR, 1906 als ADir. bez, StA Osnabrück. 1906 ADir. u. AR, StA Magdeburg. 1911 ADir. u. Geh. AR, ib. Gest. 1. 9. (2. 11.?) 1912 Magdeburg. – Lit: G. Liebe, in: Geschbll. f. Stadt u. Land Magdeburg 47 (1912) S. 169 – 170. Winter (d. J.), Georg: 1921 – 1945 Geb. 28. 4. 1895 Neuruppin. 1913 – 14 Univ. Berlin. 1914 – 18 Wehrdienst. 1918 – 21 Univ. Berlin. 21. 7. 1921 Prom. 1. 10. 1921 AVol., GStA. 6. 12. 1922 Staatspr. f. d. höh. ADienst. 12. 12. 1922 AAssist., ib. 1. 10. 1927 StAR, ib. zugl. Doz. f. d. Ausb. f. d. wiss. ADienst. 1930 abgeordnet z. Geschäftsführung d. IfA, Berlin-Dahlem. 21. 10. 1936 – 27. 7. 1937 komm. Ltg. d. IfA, ib. 1936 komm. Sachbearbeiter i. d. AAbt. d. Preuß. Staatsmin., Berlin. 9. 9. 1938 StA-Dir., StA Osnabrück, abgeordnet an d. AAbt. d. Preuß. Staatsmin. u. Referent, ib. 1939 – 42 Wehrdienst, seit Juli 1940 zugeteilt d. Chef. d. Militärverwaltung i. Frankr., VerwStab (Gruppe ASchutz). 1941 OKriegsVerwR, i. Okt. z. ASchutz b. VerwStab d. komm. Generals i. rückw. Heeresgebiet Süd (Ukraine) versetzt. Seit Dez. 1941 erneut i. d. AAbt. d. Preuß. Staatsmin. tätig. Anfang 1942 a. d. Heeresdienst entlassen. Sommer 1942 f. einige Monate z. dtschen. Zivilverw. i. d. Ukraine abgeordnet. Seit Dez. 1942 ständig abgeordnet z. Reichskomm. f. d. Ukraine (Abt. Wiss.) als Leiter d. AWesens, Kiew. 1943 Leiter d. Landesverw. d. Ae., Bibl. u. Museen b. Reichkomm. f. d. Ukraine, ib.; seit Sept. 1943 i. Kamenez-Podolsk / Ukr., seit Jan. 1944 mit Sitz i. Troppau. 15. 9. 1944 Wiederaufnahme s. Dienstgeschäfte i. d. AAbt. d. Preuß. Staatsmin., Berlin. Seit 1. 2. 1945 Wehrdienst i. Zeuthen b. Berlin. Ab Mai 1945 GStA. 16. 5. – 18. 7. 1945 komm. Leiter des GStA. Aug. 1945 – 17. 9. 1946 b. d. Evangel. Kirche v. Berlin-Brandenburg beschäftigt. 1. 10. 1946 StA Hannover. 1. 12. 1946 StadtA Lüneburg. 15. 3. 1952 Dir. d. BundesA, Koblenz. 28. 4. 1960 Pensionierung. Gest. 4. 6. 1961 Koblenz. – Lit.: Festg. z. Vollendung d. 60. Lebensj., 1955; Georg Wilhelm Sante, Ansprache z. Ausscheiden a. d. ADienst, in: Der Archivar 13 (1960) Sp. 137 – 140; desgl., in: Gesch. in Wiss. u. Unterricht 11 (1960) S. 565 – 566; Wilhelm Rohr, in: Der Archivar 14 (1961) Sp. 179 – 190; Gerhard Schröder, in: Bulletin d. Presse- u. Informationsamts d. Bundesregierung 1961, S. 992; Ernst Posner, in: American Archivist 24 (1961) S. 457 – 459; Wolfgang Müller, G. W. u. d. Bundesarchiv, in: AZ 58 (1962) S. 136; Wolfgang Mommsen, in: HZ 194 (1962) S. 775 – 776. R. A., in: Archeion 37 (1962) S. 350 – 351. – Herta Thierfelder, in: Führer durch das StadtA. Luneburg 1973, S. 6 – 7.
Archivare beim Geheimen Staatsarchiv 1874 – 1974
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Wirsig, Eva: Seit 1973 Geb. 26. 2. 1942 Berlin-Steglitz. 1961 – 68 Univ. Berlin (FU). 1968 Staatspr. f. d. höh. Lehramt. 1968 – 70 Assist. a. Friedrich-Meinecke-Inst. d. FU-Berlin. 1970 – 72 Wiss. Redaktionsang. b. d. Hist. Komm. zu Berlin, ib. 1. 1. 1973 ARef., VorbDienst, GStA. 1973 – 74 ASchule Marburg. 1974 Staatspr. f. d. höh. ADienst. 1. 1. 1975 AR z.A., GStA. 1. 8. 1975 abgeordnet a. d. Staatl. ALager, Göttingen. Wolff, Richard: 1910 – 1911, 1913 – 1918 Geb. 9. 3. 1885 Berlin. Ostern 1905 Abitur. 1905 – 1909 Univ. Heidelberg, Straßburg. 24. 7. 1909 Prom. 1. 10. 1909 AVol., StA Münster. 1. 2. 1910, StA Magdeburg. 2. 5. 1910 GStA. 1. 11. 1911 AHilfsarb., StA Hannover. 1. 4. 1912 StA Stettin. 1. 11. 1912 AAssist., ib. 1. 1. 1913 GStA. 1. 10. 1918 a. d. ADienst ausgeschieden, Übergang z. Universität. Um 1926 Doz. a. Sem. f. Politik (Nationalökonomie), Univ. Leipzig. Gest. Wurmb, … von: 1898 – 1899 1898 – 99 AVoI, GStA. Zimmermann, Gerhard: 1937 – 1939, 1945 – 1974 Geb. 2. 7. 1900 Grottkau / Oberschlesien. 1928 – 34 Univ. Breslau. 1. 1. 1933 – 31. 5. 1935 Wiss. HilfsAssist., Hist. Sem. d. Univ. Breslau. 1. 6. 1935 – 30. 9. 1937 Hist. Komm. f. Schlesien. 29. 5. 1935 Prom. 21. 12. 1937 Staatspr. f. d. höh. Lehramt. 4. 10. 1937 – 10. 3. 1939 IfA, Berlin-Dahlem. 9. 6. 1939 Staatspr. f. d. höh. ADienst. 16. 6. – 15. 12. 1939 prakt. Halbj. b. StA Stettin. 1. 1. 1940 – 31. 3. 1943 StAAss., ib. 2. 4. 1940 – 7. 5. 1945 Wehrdienst. 1. 4. 1943 StAR, StA Stettin. 7. 5. – 10. 5. 1945 russ. Kriegsgefangenschaft. 13. 7. 1945 Dienstantr. als Wiss. Ang. u. Referent, GStA. 1953 AR, ib. 1954 komm. Dir. d. Berliner HauptA. 1955 – 62 Dir., ib. 1962 – 64 zugl. komm. Dir. d. LandesA. Berlin. 1964 – 74 nach Eintr. i. d. Stiftung Dir. d. GStA Preußischer Kulturbesitz. 1974 Pensionierung. – Lit.: Eckart Henning, in: Der Archivar 27 (1974) Sp. 479 – 480. Zipfel, Ernst: 1938 – 1945 Geb. 23. 3. 1891 Dresden. 1911 – 20 akt. Offizier i. sächs. Diensten, zuletzt Referent i. Kriegsmin., Dresden. 1920 Hilfsarchivar, ReichsA Potsdam, daneben Studium a. d. Univ. Berlin, Würzburg. 1922 Prom. 1923 AR, ReichsA, Potsdam. 1935 ORegR, ib. 11. 6. 1936 Sachbearb. f. Haushalts-, Verw.- u. Personalangelegenheiten i. ReichsA u. i. d. AAbt d. Preuß. Staatsmin. 29. 8. 1936 m. d. Vertr. d. beurl. Generaldir d. Preuß. StaatsAe beauftr. 19. 9. 1936 zugl. Dir. d. ReichsA, Potsdam. 1938 – 45 GeneralDir. d. Preuß. StaatsAe u. Dir. d. IfA, Berlin-Dahlem, unter Beibehaltung d. Ltg. d. ReichsA, zugl. Leiter d. AAbt. d. Preuß. Staatsministeriums. 1940 vorübergehend z. Wehrdienst eingezogen; am 22. 5. unter Beibehaltung s. bisher. Ämter v. Reichsmin. d. Innern z. Kommissar f. d. ASchutz f. d. westl. Operationsgebiet, sowie f. d. besetzte Holland, Belgien und Frankreich ern. 1941 Kommissar
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f. d. ASchutz f. sämtl. bisher besetzte und etwa noch zu besetzende Gebiete (einschließl. d. Ostens). 1942 – 45 unter Beibehaltung bisher. Amter, Leiter d. neugebildeten Sonderreferates „Awesen“ i. d. Hauptabt. I des Reichsmin. f. d. besetzten Ostgebiete. 1944 – 45 auch Leiter d. Unterabt. I f. A- und Schriftgutwesen i. Reichsmin. d. Innern. 2. 2. – 1. 4. 1944 zugl. Dir. d. GStA. 21. 4. 1945 m. d. Reichsführungsspitze n. Schleswig-Holstein versetzt. Seit 7. 5. 1945 i. Ruhestand. Gest. 17. 4. 1966 Bad Pyrmont. – Lit.: Wilhelm Rohr, in: Der Archivar 20 (1967) Sp. 206 – 210. *** Wie im Vorwort bereits vermerkt, enden unsere Nachforschungen für die damals noch lebenden Kollegen, die selbst oft alle Unterlagen im 2. Weltkrieg verloren hatten, mit der Ära Zimmermann (1974). Danach waren den Bearbeitern im GStA keine weiteren dienstlichen Recherchen mehr gestattet und wären wohl auch bald durch die spätere Datenschutzgesetzgebung behindert bzw. zum Erliegen gebracht worden. Nur einige Todesdaten seien hier, soweit publiziert, noch nachgetragen: Bauermann: 11. 3. 1987, Becker 20. 5. 1979, Branig 28. 4. 1985, Forstreuter 28. 2. 1979, Hoffmann 1. 3. 1978, v. Jan 11. 3. 1991, König 10. 2. 1996, Kutzsch 19. 2. 2000, Lachmann 1. 6. 1979, Lowenthal-Hensel 21. 1. 2012, Meinert 7. 12. 1987, Moderhack 14. 7. 2010, Mommsen 26. 2. 1986, Papritz 20. 7. 1992, Posner 18. 4. 1980, Schnath 27. 10. 1989, v. Schroeder 17. 12. 1989, Thierfelder 19. 1. 1985, Zimmermann 8. 12. 1994.
Reinhard Lüdicke, der „Listenreiche“ (1878 – 1947)* Lüdickes Name ist aus der Geschichte des märkischen Archivwesens kaum wegzudenken, war er doch der erste Leiter eines Brandenburgischen Landesarchivs. Ihm verdankt die Geschichtsschreibung sowohl eine umfassende Beständeübersicht staatlicher Akten als auch den Aufbau einer Archivpflegeorganisation des nichtstaatlichen Archivgutes in der Mark Brandenburg. Umso erstaunlicher ist es, dass eine Würdigung dieses durch und durch vom preußischen Pflichtgefühl geprägten Archivars bisher fehlt, sieht man von wenigen Einträgen in Nachschlagewerke1, einem verständnisvollen Nachruf2 und verschiedenen Fehldeutungen in den Memoiren eines Kollegen einmal ab3. Der am 13. Juli 1878 in Magdeburg geborene Reinhard Gottfried Lüdicke war der Sohn des Direktors der Magdeburg-Halberstädtischen Eisenbahngesellschaft, Max Lüdicke, den er sehr verehrte, und dem er gar später in einer kleinen – nicht zur Veröffentlichung bestimmten – Schrift zum 100. Geburtstag noch ein familiäres * Erstdruck unter dem Titel: „Der Listenreiche“. Zum 60. Todestag des märkischen Archivars Reinhard Lüdicke am 22. Juli 2007, in: Jahrbuch für brandenburgische Landesgeschichte 58 (2007), S. 161 – 173, mit 1 Abbildung. 1 Auf Personalakten des Geheimen Staatsarchivs Preußischer Kulturbesitz (zit. GStA PrK) in Berlin beruht die Auswertung von Eckart Henning / Christel Wegeleben, Archivare beim Geheimen Staatsarchiv in der Berliner Kloster- und Neuen Friedrichstraße 1874 – 1924, in: Jahrbuch für brandenburgische Landesgeschichte 29 (1978), S. 25 – 61, hier S. 51 (zit. Henning / Wegeleben, Archivare I, 1874 – 1924) und Eckart Henning / Christel Wegeleben, Archivare beim Geheimen Staatsarchiv in Berlin-Dahlem 1924 – 1974, in: Jahrbuch für brandenburgische Landesgeschichte 27 (1976), S. 155 – 178, hier S. 170 (zit. Henning / Wegeleben, Archivare II, 1924 – 1974). Vgl. ferner Eckart Henning, Dr. Reinhard Lüdicke. Zum hundertsten Geburtstag, in: Märkische Zeitung 29, Nr. 7 vom 10. Juli 1978, S. 3, mit 2 Abb.; Wolfgang Leesch, Reinhard Lüdicke, in: W L., Die deutschen Archivare 1500 – 1945, Bd. II: Biographisches Lexikon, München 1992, S. 378 f.: Klaus Neitmann, Reinhard Lüdicke, in: Friedrich Beck / Eckart Henning (Hrsg.), Brandenburgisches Biographisches Lexikon, Potsdam 2002, S. 263 f. (= Einzelveröffentlichung der Brandenburgischen Historischen Kommission, 5). 2 Erich Kittel, Reinhard Lüdicke und das Brandenburgische Provinzialarchiv, in: Archivalische Zeitschrift 53 (1957), S. 153 – 160. 3 Johannes Schultze, Meine Erinnerungen. Im Auftrage des Autors hrsg. von Gerhard Knoll, Berlin 1976, S. 29. Die langgehegte Abneigung des Verfassers gegen R. L. kommt auch an anderen – unten erwähnten – Stellen der Memoiren zum Ausdruck und resultiert wohl aus einer vermeintlichen oder tatsächlichen Zurücksetzung Schultzes in seiner Laufbahn wegen seines geringeren Dienstalters sowie aus beruflichen Reibungen, die sich aus ihrem gemeinsamen brandenburgischen Tätigkeitsfeld ergaben.
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Denkmal setzte (gest. 1904 in Berlin als Wirklicher Geheimer Oberregierungsrat und Eisenbahndirektionspräsident a. D.); sie zeugt von Lüdickes ausgeprägtem Familiensinn, der wohl auch seine Vorfahren auszeichnete – besaß er doch aufgrund verschiedener Verwandtenehen nur 10 statt 16 Ahnen. Der Großvater seiner 1886 schon früh verstorbenen Mutter Helene geb. Borsche, war Staatsrat Samuel Gottfried Borsche, der bis 1821 im preußischen Finanzministerium die Sektion für Domänen und Forsten geleitet hat. Ihm widmete Lüdicke das „Lebensbild eines preußischen Beamten“4 und gab dessen Jugendbriefe an den westfälischen Oberpräsidenten Vincke unter dem Titel „Wanderung durch die Oberlausitz und das Riesengebirge“ heraus5. Seine Schulbildung erhielt Reinhard Lüdicke in der Hauptsache am Königlichen Gymnasium in Bromberg, das er von Herbst 1887 bis Ostern 1893 besuchte, sein Reifezeugnis dann aber 1897 nach einem zweijährigem Besuch der Prima am Paulinum in Münster / Westfalen. Auch wenn er nach dem Abitur nicht dort, sondern von 1897 bis 1901 in Freiburg / Br., Berlin und Göttingen Geschichte, Historische Hilfswissenschaften, Volkswirtschaftslehre und neuere Kunstgeschichte studierte, zeigt doch Lüdickes Dissertation bei Otto Krauske „Die landesherrlichen Zentralbehörden im Bistum Münster, ihre Entstehung und Entwicklung bis zum Jahre 1650“ bereits sein westfälisches Geschichtsinteresse6. Nachdem er zunächst in Münster bei der Historischen Kommission für die Provinz Westfalen beschäftigt war, trat er am 1. April 1903 als Archivvolontär unter Geheimrat Friedrich Philippi beim Staatsarchiv Münster in den preußischen Archivdienst ein. Westfälische Aufgaben sollten ihn noch lange beschäftigen und auch später manche Urlaubswochen kosten, nämlich zum Abschluß der Inventarisierung der nichtstaatlichen Archive im Kreis Lüdinghausen (1917 gemeinsam mit Ernst Müller)7und zur Bearbeitung von Unna in der Reihe der Stadtrechte der Grafschaft Mark (1930)8; außerdem verfaßte er klei4 Reinhard Lüdicke, Samuel Gottfried Borsche. Lebensbild eines preußischen Beamten, in: Sachsen und Anhalt 12 (1936), S. 214 – 251, und ders., Über die preußische Verwaltung in Neu-Ostpreußen. Briefe des Kammerassessors Samuel Gottfried Borsche aus Plock 1799 – 1801, in: Altpreußische Forschungen 17 (1940), S. 200 – 227. Fehlt bei Kittel (wie Anm. 2). 5 Reinhard Lüdicke, Eine Wanderung durch die Oberlausitz und das Riesengebirge. Ein Reisebericht aus dem Sommer 1796, in: Schlesische Geschichtsblätter 1936, S. 40 – 56. 6 Vgl. Angaben aus der – nur der Dissertation beigegebenen – Vita Lüdickes, Münster 1901, zugleich erschienen in der Zeitschrift für vaterländische Geschichte und Altertumskunde Westfalens 59 (1901), S. 1 – 168. 7 Reinhard Lüdicke, Inventare der nichtstaatlichen Archive des Kreises Lüdinghausen, bearbeitet von R. L. gemeinsam mit Ernst Müller, Münster / W. 1917 (= Veröffentlichungen der Historischen Kommission der Provinz Westfalen. Inventare, 2; Regierungsbezirk Münster, 3). Vgl. dazu Eckart Henning, Der Nachlaß Lüdicke im Geheimen Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz, in: Landesgeschichtliche Vereinigung für die Mark Brandenburg. Mitteilungsblatt 79 (1978), S. 23 – 25, hier: S. 24 f. Unter Nr. 10 befindet sich der Schriftwechsel Lüdickes zur Inventarisation aus den Jahren 1905 – 1909, der sich außer auf Lüdinghausen auch auf Beckum und Münster Land bezieht. 8 Reinhard Lüdicke, Unna. Mit einem Stadtplan und einer Karte, Münster / W. 1930 (= Die Stadtrechte der Grafschaft Mark, 3; Westfälische Stadtrechte, 1; Veröffentlichungen der Histo-
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nere Arbeiten über „Vier Münstersche Hofordnungen des 16. Jahrhunderts“ (1902) und die „Statuten der Wollweber zu Dortmund“ (1903)9 und schließlich zu den Aufzeichnungen des Freiherrn Johann Theodor v. d. Reck über seine Gesandtschaftsreise nach Konstantinopel 1665 / 66 (1906)10. In Münster lernte Reinhard Lüdicke sowohl seinen späteren Archivkollegen Ernst Müller bei der Arbeit an der erwähnten Inventarisierung als auch seine künftige Ehefrau Maria geb. Hütte kennen, doch die Brautleute konnten erst in Berlin einen Hausstand begründen; aus der 1906 geschlossenen Ehe gingen drei Töchter, nämlich Hilde (geb. 1907) und Gerda (geb. 1913) hervor, sowie die 1934 zur besonderen Freude des Vaters zum Doktor der Philosophie promovierte Edith (geb. 1909)11. Lüdicke wechselte am 1. April 1904 als Archivvolontär ans Preußische Geheime Staatsarchiv nach Berlin und legte am 6. Juni 1905 noch die Archivaspirantenprüfung für den höheren preußischen Archivdienst ab. Obwohl er künftig regelmäßig die „Münsteranerabende“ besuchte, begann er sich nun allmählich von seiner westfälischen Wahlheimat zu lösen12. Dabei half ihm eine Anstellung als Mitarbeiter, die er ab 1. Januar 1906 zur Überbrückung der Wartezeit im Zentrum der deutschen Mittelalterforschung fand, nämlich bei den Monumenta Germaniae historica (MGH). Dort begegnete er u. a. Oswald Holder-Egger, Albert Werminghoff, Bernhard Schmeidler, Ernst Perels, Adolf Hofmeister und gehörte erst einmal zu der von Michael Tangl geleiteten Abteilung Diplomata (Karolinger), später den Leges an. Bis Ende 1907 arbeitete er hier an den Constitutiones Kaiser Karls IV. mit und publizierte einen Aufsatz über die „Sammelprivilegien Karls IV. für die Erzbischöfe von Trier“13. Auch sein Auftrag, ein von Karl Zeumer 1906 angeregtes Gesamtverrischen Kommission des Provinzialinstituts für westfälische Landes- und Volkskunde, 3 A, Abt.1, 3). 9 Reinhard Lüdicke, Vier Münstersche Hofordnungen des 16. Jahrhunderts, in: Zeitschrift für Kulturgeschichte 9 (1901 / 02), S. 137 – 162, und ders., Die Statuten der Wollenweber zu Dortmund, in: Beiträge zur Geschichte Dortmunds und der Grafschaft Mark 12 (1903), S. 1 – 32. 10 Reinhard Lüdicke, Eine Gesandtschaftsreise nach Konstantinopel 1665 – 1666. Aufzeichnungen des Freiherrn Johann Theodor von der Reck im Freiherrlich-Landsbergischen Archiv des Hauses Dren-Steinfurth, hrsg. von R. L., in: Zeitschrift für vaterländische Geschichte und Altertumskunde Westfalens 64 (1906), S. 192 – 247. 11 Alle drei Töchter Lüdickes, nämlich Hilde (Apothekerin) in Frankfurt / M., desgl. Dr. Edith (Oberstudienrätin), promoviert von Erich Caspar an der Berliner Universität über den „Rechtskampf des Deutschen Ordens gegen den Bund der preußischen Stände 1440 – 1453“ (Phil. Diss. 1934), und Gerda (Graphikerin, Freitod aus Liebeskummer), blieben unverheiratet lt. freundlicher Auskunft von Herrn Rechtsanwalt Dr. Ludwig Becker (Friedrichsdorf-Seulberg, Taunus) vom 28. Februar 2007. Andere biographische Angaben beruhen auf dem in Anm. 7 genannten, 1948 gebildeten Dienstzimmernachlaß Lüdickes im GStA PrK, VI. Abt. 12 Dem steht entgegen, dass Lüdicke auch dann noch westfälische Themen bearbeitete, wenn sie ihm in Berliner Quellen begegneten, z. B.: Der Straßenauflauf in Münster am 11. Dezember 1837 und Generalmajor Freiherr v. Wrangel, in: Westfalen 13 (1927), S. 27 – 47. 13 Reinhard Lüdicke, Die Sammelprivilegien Karls IV für die Erzbischöfe von Trier, in: Neues Archiv der Gesellschaft für ältere deutsche Geschichtskunde 33 (1908), S. 345 – 398 u. 2 Bll.
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zeichnis der Originalausfertigungen aller Königs- und Kaiserurkunden der Königlich preußischen Staatsarchive und des Königlichen Hausarchivs bis 1439 zu erstellen (erschienen 1910, Nachträge 1912)14, ist Lüdicke noch als „Monumentist“ erteilt worden. Diese Aufgabe ist archivgeschichtlich besonders interessant, da Staatskanzler von Hardenberg zunächst alle Königs- und Kaiserurkunden in Berlin zentral zusammenführen ließ. Erst bei der Durchführung des Provenienzprinzips wurden sie den zuständigen Archiven wieder zurückgegeben, nun freilich mit der von der Zentraldirektion der MGH kritisierten Folge, dass die Archivsignaturen in den Regestenwerken und Urkundeneditionen nicht mehr zutrafen; das neue Gesamtverzeichnis Lüdickes reparierte diesen Schaden. Auch einen anderen Dienst leistete er noch den MGH, als er Ende 1913 auf Tangls Bitte einwilligte, die ihr angeschlossene Traube-Bibliothek nebenamtlich zu betreuen (bis 1922)15. Nach einer Unterredung am 26. Februar 1906 beim Generaldirektor der preußischen Staatsarchive, Reinhold Koser16, wurde Lüdicke – zunächst probeweise – als (wissenschaftlicher) Archivhilfsarbeiter zum 1. Januar 1907 im Geheimen Staatsarchiv in der Berliner Kloster- und Neuen Friedrichstraße, im Hohen- bzw. LagerHaus (beides ursprünglich nicht identisch17), angestellt, aber erst zum 1. Januar 1908 als planmäßiger Archivassistent (= Assessor) in den staatlichen Archivdienst übernommen („Um acht Uhr zehn kommt angerennt / Herr Lüdicke, der Assistent“, heißt es in einem zeitgenössischem Gedicht). Am 1. März erfolgte seine Bestallung als „Königlicher Archivar“ zum 1. April 1913 in dem von Karl Sattler und Paul Bailleu sowie von Karl Robert Arnold und Louis Erhardt geprägten Archivmilieu18, das Friedrich Meinecke in seinen Erinnerungen beschrieb19. Man kann folglich 14 Reinhard Lüdicke, Die Königs- und Kaiserurkunden der Königlich preußischen Staatsarchive und des Königlichen Hausarchivs bis 1439. Chronologisches Gesamtverzeichnis der Original-Ausfertigungen, Leipzig 1910, Nachträge und Berichtigung dazu Leipzig 1912 (= Mitteilungen der K. preußischen Archivverwaltung, 16 u. 20). Im Nachlass Lüdicke (wie Anm. 7) unter Nr. 6 befinden sich noch zahlreiche Rezensionen des Werks, die seinen Nutzen für die praktische Forschung und Lüdickes Verdienste hervorheben. 15 Ebenfalls im Nachlass unter Nr. 5 (wie Anm. 7) liegen noch Unterlagen über Lüdickes Beziehungen zur Zentraldirektion der Monumenta Germaniae historica aus den Jahren 1905 – 1922, auch über die Besoldungsverhältnisse der „Monumentisten“ und deren Eingaben. Zu nennen wären u. a. Schreiben Kehrs, Kosers, Schmeidlers und Tangls an Lüdicke. Vgl. Annekatrin Schaller, Michael Tangl (1861 – 1921) und seine Schule. Forschung und Lehre in den Historischen Hilfswissenschaften, Stuttgart 2002 (= Pallas Athene, 7). 16 Vgl. Eckart Henning, Der erste Generaldirektor der preußischen Staatsarchive – Reinhold Koser. In: Neue Forschungen zur Brandenburgischen und Preußischen Geschichte, Berlin 1979, S. 259 – 293 (= Veröffentlichungen aus den Archiven Preußischer Kulturbesitz, 14). 17 Reinhart Strecke, Der lange Weg nach Dahlem. Baugeschichte und -probleme des Geheimen Staatsarchivs, in: Archivarbeit für Preußen, Berlin 2000, S. 27 – 45, hier S. 35 f. (= Veröffentlichungen aus den Archiven Preußischer Kulturbesitz, Arbeitshefte 2). 18 Henning / Wegeleben, Archivare I, 1874 – 1924 (wie Anm. 1), S. 42, 45, 56. Zu Paul Bailleu vgl. auch Reinhard Lüdickes Nachruf, in: Archivalische Zeitschrift 35 (1925), S. 290 – 291. Ursprünglich trug der Teil der heutigen Koserstraße in Dahlem, der das Archivgelände des GStA nach Norden begrenzt, Bailleus Namen.
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kaum mit Johannes Schultze von Lüdicke (und seinem Münsteraner Kollegen Müller) sagen, dass sie erst „im Kriege hineingeschneit“ seien, keine „besonderen wissenschaftlichen Leistungen aufzuweisen hatten, auch andere Archive nicht kannten“20. Was Lüdicke angeht, stimmt auch nicht ganz, dass „beide nicht vom Militärdienst berührt worden“ wären21, hatte sich dieser doch 1915 als Kriegsfreiwilliger beim 2. Ersatz-Bataillon des Infanterie-Regiments v. d. Goltz (7. Pommersches) Nr. 54 in Kolberg gemeldet, wo er am 8. Juli 1915 zum Gefreiten befördert wurde, jedoch am 19. März 1916 „im Zusammenhang einer größeren Aktion als Familienvater mit drei Kindern wieder entlassen wurde“; auch in den Nachkriegswirren (1919) war Lüdicke – ähnlich wie am Ende des Zweiten Weltkriegs – ein „aktives Mitglied der Einwohnerwehr in Berlin-Steglitz“22. Noch während des Krieges standen für Lüdicke zwei große – wohl ausreichend dotierte – Auftragsarbeiten an, von denen „Die preußischen Kultusminister und ihre Beamten“ (1918)23, zur Säkularfeier des Ministeriums bearbeitet, ein bis heute häufig benutztes, wegen seiner hohen Verlässlichkeit angesehenes Standardwerk darstellt, dessen Quellen z. T. später zu den Kriegsverlusten gerechnet werden mussten. Der andere Auftrag erscheint uns im Zeitalter von Computern ohne ein Textverarbeitungsprogramm nahezu undurchführbar, nämlich ein Personen- und Sachregister zu Heinrich v. Treitschkes fünfbändiger „Deutschen Geschichte im neunzehnten Jahrhunderts“ zu erstellen, das 1921 erschien und das Werk eigentlich erst benutzbar bzw nachschlagbar machte24. Deshalb soll Ernst Müller seinen Freund den „Dolimochanos“ bzw. den „Listenreichen“ (Odyssee) genannt haben, wie uns Johannes Schultze überliefert, der dann freilich unzutreffend hinzufügte: „Lüdickes wissenschaftliche Tätigkeit beschränkte sich aufs Registermachen“25.
Friedrich Meinecke, Erlebtes 1862 – 1901, Leipzig 1941, S. 237 ff. Schultze (wie Anm. 3), S. 41. 21 Schultze (wie Anm. 3), S. 34. 22 Schreiben von Dr. Edith Lüdicke vom 13. März 1977 an den Verf. 23 Reinhard Lüdicke, Die preußischen Kultusminister und ihre Beamten im ersten Jahrhundert des Ministeriums 1817 – 191, im amtlichen Auftrag bearb. von R. L., Stuttgart 1918. Im Nachlass Lüdickes (wie Anm. 7) gibt es in Nr. 7 noch drei umfangreiche Mappen über dieses Publikationsprojekt von bleibendem Wert, da nicht alle seine Vorarbeiten zur Geschichte dieses Ministeriums Eingang in die gedruckte Darstellung gefunden haben. Erhalten geblieben sind auch seine zahlreichen Recherchen über Angehörige des Kultusministeriums, wo schon die damalige Aktenbasis nicht ausreichte. 24 Heinrich v. Treitschke, Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert, T. 1 – 5, Leipzig 1882 – 1894, Personen- und Sachregister von R. L. 1921 (= Staatsgeschichte der neuesten Zeit, 24 – 28). 25 Schultze (wie Anm. 3), S. 41. Kurz vor dem von Schultze offenbar verächtlich betrachteten Treitschke-Register hatte Lüdicke zwei kleinere Darstellungen publiziert, die das Urteil seines Kollegen wohl nicht beeinflussen konnten, nämlich (1) Bürger und Militär vor dem Berliner Stadtgericht. Eine Kabinettsorder von 1766, in: Forschungen zur Brandenburgischen und Preußischen Geschichte 32 (1920), S. 189 – 191, und (2) Zu Schills Auszug und Tod, in: Mitteilungen des Vereins für die Geschichte Berlins 37 (1920), S. 24 – 29. 19 20
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Der am 1. April 1920 zum Staatsarchivar bzw. (seit 1923) zum Staatsarchivrat ernannte Lüdicke widmete sich nach dem Ersten Weltkrieg, insbesondere nach dem Archivumzug (1924) von der Mitte Berlins nach Dahlem ins „deutsche Oxford“, mit seiner ganzen Kraft und Beharrlichkeit dem Auf- und Ausbau des 1883 im Geheimen Staatsarchiv als eigenem Archivkörper geführten und von Karl Sattler und Anton Hegert besonders geförderten Brandenburgischen Provinzialarchiv. Die 1931 als „Staatsarchiv für die Provinz Brandenburg und die Reichshauptstadt Berlin“ neu eingerichtete III. Hauptabteilung des Geheimen Staatsarchivs stellte „einen gewissen Abschluß seiner Lebensarbeit“ dar, die Lüdicke im 61. Lebensjahr noch durch eine Beständeübersicht (1939) krönte26. Der zum Abteilungsleiter ernannte Lüdicke – der andere am Geheimen Staatsarchiv, zuständig für die Abteilung II: Neues Zentralarchiv, ist der bald krankheitshalber pensionierte Ernst Müller geworden – war nun für den Bestandsaufbau verantwortlich, wobei er sich speziell für die „Kurmärkische Kriegs- und Domänenkammer, das Polizeipräsidium Berlin, das Kurmärkische Konsistorium sowie die unteren Gerichtsbehörden“ zuständig fühlte, „deren Hinterlassenschaft namentlich an Grund- und Hypothekenbüchern er durch systematische Bereisung der Amtsgerichte unermüdlich zusammentrug“27. Über „Die Berliner Grundbücher“ hat er übrigens an versteckter Stelle in Fortsetzungen (1924) berichtet28. Schultze kritisierte die Bildung eines eigenen Provinzialarchivs und meinte dazu, eine Abtrennung der regionalen von den zentralen Registraturen, „wie es wohl Lüdicke vorschwebte, wäre in Berlin geradezu Irrsinn gewesen“29. Wenn auch das Provinzialarchiv gegenüber dem Zentralarchiv über den Abteilungsstatus nicht hinausgelangt ist, bildete es nun Grundlage und Mittelpunkt der landesgeschichtlichen Forschung von Berlin-Brandenburg, die von der Historischen Kommission30 und dem Verein für die Geschichte der Mark Brandenburg gelenkt und von Willy Hoppe, Berthold Schulze, Johannes Schultze, Ulrich Stutz und Gottfried Wentz besonders geprägt wurde.
26 Kittel (wie Anm. 2), S. 155; Reinhard Lüdicke, Übersicht über die Bestände des Geheimen Staatsarchivs zu Berlin-Dahlem, Teil 3, Hauptabteilungen X – XI, Leipzig 1939 (= Mitteilungen der Preußischen Archivverwaltung, 26). Wichtige Vorarbeiten leistete Melle Klinkenborg, Das Archiv der brandenburgischen Provinzialverwaltung, 2 Bände: Das kurmärkische Ständearchiv (I) und Das neumärkische Ständearchiv (II), Strausberg 1920 / 1925. Friedrich Beck, Zur Geschichte des Brandenburgischen Provinzialarchivs und heutigen Brandenburgischen Landeshauptarchivs in Potsdam, in: Archivmitteilungen 8 (1958), S. 2 – 14, nachgedr. in ders., Ausgewählte Aufsätze aus den Jahren 1956 – 2000, hrsg. von Klaus Neitmann, Potsdam 2003, S. 263 – 292. 27 Kittel (wie Anm. 2), S. 155 f. 28 Reinhard Lüdicke, Die Berliner Grundbücher seit dem Ende des 17. Jahrhunderts, in: Familiengeschichtliche Blätter 22 (1924), S. 118 – 122 u. 191 – 196. 29 Schultze (wie Anm. 3), S. 53. 30 Vgl. Henning, Nachlass Lüdicke (wie Anm. 7), S. 23. Unter Nr. 3 befinden sich die Sitzungsprotokolle der Historischen Kommission für die Provinz Brandenburg und die Reichshauptstadt Berlin; sie wurden von Lüdicke ergänzt durch Ausarbeitungen zu Fragen von grundsätzlicher Bedeutung (u. a. über Editionstechnik und Regestierung von Urkunden).
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Aus der Beschäftigung mit dem Liegenschaftsrecht entwickelte sich Lüdickes auch methodologisch wie sozialgeschichtlich aufschlussreiche „Geschichte der Berliner Stadtgrundstücke seit der Einführung der Grundbücher Ende des 17. Jahrhunderts“31. Darin sind nicht nur alle Hauseigentümer, sondern auch Hypothekengläubiger erfasst (nicht die Bewohner!), ferner der ganze kommunale Haus- und Grundbesitz in vier Altstadtstraßen, der Stralauer-, Königs-, Neuen Friedrich- und Burgstraße (1933). Dieses von der neugegründeten Historischen Kommission für die Provinz Brandenburg und die Reichshauptstadt Berlin getragene Projekt eines „Berliner Häuserbuchs“ ist leider über den erwähnten Band nicht hinausgelangt, sei es nun, weil es zu umfassend angelegt war, um von einem Einzelnen und auch von der Kommission finanziell bewältigt werden zu können, sei es kriegsbedingt. Tragischerweise ist Lüdickes noch abgeschlossenes Manuskript zum zweiten Band des Häuserbuches einem von Plünderern im Magazin des Geheimen Staatsarchivs im Jahre 1945 gelegten Brand zum Opfer gefallen, mit ihm die meisten der von ihm und seinen Mitarbeitern ermittelten märkischen und Berliner Gerichtsprotokolle; Johannes Schultze machte den Verlust seinem Kollegen zum Vorwurf32, doch hätten diese Quellen tatsächlich auch an anderen Auslagerungsorten Brandstiftern in die Hände fallen können33. Mit der Bedeutung des nichtstaatlichen Archivgutes kommunaler und privater Provenienz, das das staatliche in wünschenswerter Weise ergänzt, ist Lüdicke bereits durch seine westfälischen Inventarisierungsarbeiten bestens vertraut gewesen. Daher forderte er in seinem Referat auf dem 18. Deutschen Archivtag in Kiel im Jahre 1926 über „Die staatlichen und nichtstaatlichen Archive und ihr Verhältnis zueinander“34 und ab 1928 im Vorstand des „Verbandes der wissenschaftlichen Beamten der preußischen Staatsarchive“ ein rigides staatliches Aufsichtsrecht, falls die Kommunen nicht in der Lage seien, ihr Registraturgut nach denselben fachlichen Grundsätzen wie die Staatsarchive zu betreuen, in denen es dann – wenn man sich schon keinen eigenen Fachmann leisten wolle – wenigstens zu deponieren sei35. 31 Reinhard Lüdicke, Geschichte der Berliner Stadtgrundstücke seit der Einführung der Grundbücher Ende des 17. Jahrhunderts. Nach den Hypotheken- und Grundbüchern bearb. von R. L., Bd. 1, Berlin 1933 (= Berliner Häuserbuch, 2; Veröffentlichungen der Historischen Kommission für die Provinz Brandenburg und die Reichshauptstadt Berlin, 7). 32 Schultze (wie Anm. 3), S. 70. 33 Kittel (wie Anm. 2), S. 159. 34 Vgl. Korrespondenzblatt des Gesamtvereins für die Geschichts- und Altertumsvereine 74 (1926), Sp. 233 – 251, 287 f. und im Nachlass Lüdicke (wie Anm. 7), S. 23, die Nr. 1 mit Unterlagen über den 18. Deutschen Archivtag, darunter Lüdickes Vortragsmanuskript, die verschiedensten Stellungnahmen zum Tagungsthema (u. a. von Ernst Kaeber) und Presseberichte. 35 Henning, Nachlaß Lüdicke (wie Anm. 7), S. 23 f. Nr. 2 besteht aus Lüdickes Vorstandsakten seines oben genannten Vereins, aber auch aus Akten anderer wie der „Vereinigung deutscher staatlicher Archivare“ (ab der ersten Tagung seit 1924), des „Verbandes der deutschen wissenschaftlichen Beamten“ (später: „Reichsbund der höheren Beamten“) und somit aus interessantem Material zur Geschichte der archivarischen Standesorganisationen. In Nr. 4 liegen „Personal-Listen und dergleichen auch über das Preußische Geheime Staatsarchiv“ nebst Mitgliederverzeichnissen der genannter Vereine usw. vor.
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Entsprechend ergriff die Historische Kommission 1929, die Lüdicke bereits im Vorjahr kooptiert hatte, erste Erfassungs- und Sicherungsmaßnahmen für vernachlässigtes nichtstaatliches Archivgut, insbesondere für kommunale Dachbodenarchive, indem sie dafür eine von ihm geleitete Unterkommission einsetzte; dabei wird er vor allem an die kleineren Stadtarchive der Mark, etwa von Crossen oder Finsterwalde, nicht aber an das fachlich geleitete Berliner Stadtarchiv gedacht haben, das gegen ihn polemisierte36. Ab 1934 gelang es Lüdicke als zuständigem Abteilungsleiter, eine Archivpflegeorganisation in der Mark Brandenburg aufzubauen, die 1937 ministerielle Richtlinien für ihre Arbeit erhielt. Sie wurde vom Provinzialverband finanziert, der 1939 sogar eine Archivberatungsstelle des Landeshauptmanns beim Geheimen Staatsarchiv einrichtete37. Lüdicke war ein intimer Kenner der preußischen Behörden- und Verwaltungsgeschichte, ein aktenkundlicher Spezialist und daher auch der geborene Leiter für die im Geheimen Staatsarchiv eingesetzte „Bürokommission“, als der Arierparagraph alle Archivare überschwemmte bzw. seine Nachweisnöte den Geschäftsgang lähmten38. Als Archivar, der keine Kärrnerarbeit scheute, fand man ihn „regelmäßig im Magazin mit einer alten Uniformjacke bekleidet“39; repräsentative Aufgaben überließ er gern seinem – einst ebenfalls in Münster ausgebildeten – Chef Adolf Brenneke40, mit dem er auch politisch übereinstimmte, gehörten doch beide nicht der NSDAP an. Daher „schmerzte es“ den ehemaligen Generaldirektor der Preußischen Staatsarchive, Ernst Zipfel, in einem Schreiben an Gottfried Wentz noch rückblickend, dass „Herr Brenneke und Herr Lüdicke trotz vieler Bemühungen meinerseits nicht mitgingen – die einzigen Fälle in ganz Deutschland“41. Daher wird Lüdicke Kittel (wie Anm. 2), S. 156. Vgl. Walther Laging, Der Provinzialverband der Provinz Brandenburg. Entwicklung, Aufbau und Aufgaben, Potsdam 1940. 38 Kittel (wie Anm. 2), S. 158. Vgl. dazu Henning, Nachlaß Lüdicke (wie Anm. 7), S. 24, Nr. 9: Die hier verwahrten Briefe des Staatsarchivrats Dr. Heinrich Kochendörffer aus Aurich von 1914 bis 1936 veranschaulichen recht drastisch die Situation der Archive in den dreißiger Jahren, die unter der Flut der Ariernachweise seufzten. Am 16. Oktober 1936 teilte Dr. Erich Weise Lüdicke den Tod seines Freundes K. mit: „Der Verstorbene klagte mir oft genug, daß ihm die hoffnungslose und stumpfsinnige Ariersucherei längst alle Freude am Arbeiten genommen hätte. (Ich selber habe ja seit meinem Eintritt in den Archivdienst 1934 überhaupt nichts anderes kennen gelernt)“. – Ähnlich äußerte sich Wolfgang Mommsen, von 1967 – 1972 Präsident des Bundesarchivs, in einem Brief an den Verf. vom 15. Dezember 1977: „Ich trat beim GStA am 1. Februar 1936 an. Jeden Tag bekam ich rund 25 mit schönen roten Aktendeckeln umhüllte Anfragen in mein Dienstzimmer, in denen nach Vätern, Müttern, Großeltern gefragt wurde, die mit Sorgfalt zu bearbeiten waren. Diese Tätigkeit füllte 75 % der Tagesarbeit aus. Ich war totunglücklich, denn ich hatte mir die Arbeit eines Archivars anders vorgestellt …“ Zu Mommsen vgl. Henning / Wegeleben, Archivare II, 1924 – 1974 (wie Anm. 1), S. 172. 39 Kittel (wie Anm. 2), S. 153. 40 Henning / Wegeleben, Archivare II, 1924 – 1974 (wie Anm. 1), S. 164, und Wolfgang Leesch, Nachruf auf Brenneke, in: Der Archivar 6 (1953), Sp. 97 – 196, mit Schriftenverzeichnis. 36 37
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der Abschied von seinem jüdischen Kollegen Ernst Posner besonders schwer gefallen sein, als er ihm im April 1938 im Auftrage Brennekes Hausverbot erteilen musste. Dazu äußerte Posner sich später gegenüber dem Verf. folgendermaßen: „Wenn ich an meine Zeit im GStA zurückdenke, so wird mir sogleich die Persönlichkeit R.L.’s lebendig, und es ist eine gute Erinnerung. Mit Ordnungsarbeiten im Provinzialarchiv betraut, konnte ich viel von ihm lernen. Das kam mir zu Gute, als ich 1924 für Lüdicke die so wichtige ältere Domänenregistratur der Regierung Potsdam aussonderte und provisorisch verzeichnete, zusammen mit unserem trefflichen Amtsgehilfen Scharnow. Mein Verhältnis zu Lüdicke blieb harmonisch und freundschaftlich bis zu dem Tage, an dem er – von Archivdirektor Brenneke mit dieser diffizilen Mission betraut – mir zu eröffnen hatte, daß mir das Betreten des GStA verwehrt sei. Wie zu erwarten, entledigte sich Lüdicke des Auftrags mit großem Takt“42. Als Brenneke zum 30. September 1943 als Direktor des Geheimen Staatsarchivs auf eigenen Wunsch in den Ruhestand versetzt wurde, übernahm der unter normalen Umständen bereits pensionsreife Lüdicke als dienstältester Beamter noch bis zum 31. Januar 1944 die kommissarische Leitung des Hauses, ehe sie ihm dann allerdings „in den damals üblichen Kommissformen abgenommen (wurde), wodurch er sich mit Recht verletzt fühlen mußte“43. Außer zur gelegentlichen Weiterarbeit am Manuskript des Häuserbuches fehlte im Zweiten Weltkrieg die Zeit für wissenschaftliche Veröffentlichungen, sieht man von einer letzten Quellenstudie Lüdickes über „Theodor Fontanes Bericht über den Fähnrich von Arnstedt“ (1941)44 einmal ab. Die verspätet begonnene Auslagerung der Bestände45 und die Beseitigung erster Bombenschäden am Dienstgebäude Archivstraße 12 – 14 banden alle Kräfte46 und dies nicht erst unter Leitung des zum 41 Dr. Ernst Zipfel gab dieses Urteil in einem Brief vom 13. Oktober 1945 an Gottfried Wentz ab, der diesen – bereits im September Verstorbenen – nicht mehr erreichte, vgl. GStA PrK I. HAbt., Rep. 178 D Geheimes Staatsarchiv, Personalakten Nr. 274. Zu Zipfel siehe Henning / Wegeleben, Archivare II, 1924 – 1974 (wie Anm. 1), S. 178, und Johanna Weiser, Geschichte der Preußischen Archivverwaltung und ihrer Leiter. Von den Anfängen unter Staatskanzler von Hardenberg bis zur Auflösung im Jahre 1945, Köln 2000, Kapitel 10, S. 144 – 212: Die Archivverwaltung unter Generaldirektor Dr. Ernst Zipfel (1936 – 1945). Vgl. auch Gerhard Zimmermann, Das Ringen um die Vereinheitlichung des Archivwesens in Preußen und im Reich von 1933 bis 1945, in: Jahrbuch der Stiftung Preußischer Kulturbesitz 1967 (1968), S. 129 – 143. 42 „Entwurf“ einer Anlage zum Schreiben von Prof. Dr. Ernst Posner vom 6. März 1977 an den Verf. 43 Kittel (wie Anm. 2), S. 158. 44 Reinhard Lüdicke, Theodor Fontanes Bericht über den Fähnrich von Arnstedt. Seine Quellen und ihre Behandlung, in: Der Herold, Vierteljahrsschrift N.F. 2 (1941), S. 181 – 202. 45 Vgl. Walter Nissen, Das Schicksal der ausgelagerten Bestände des Preußischen Geheimen Staats-Archivs und des Brandenburgisch-Preußischen Haus-Archivs und ihr heutiger Zustand, in: Archivalische Zeitschrift 49 (1954), S. 139 – 150; Gerhard Zimmermann, Das Hauptarchiv (ehemaliges Preußisches Geheimes Staatsarchiv) in den ersten Nachkriegsjahren, in: Der Archivar 8 (1955), Sp. 173 – 180. 46 Die schlimmsten Zerstörungen vor dem 28. / 29. April 1945 hatten Luftangriffe am 29. Dezember 1943 bewirkt: Die erste Sprengbombe beschädigte die Außenmauer des Maga-
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1. Oktober 1944 aus Breslau bzw. Krakau ans Geheime Staatsarchiv berufenen Archivdirektors Erich Randt47. Ein halbes Jahr vor dem Zusammenbruch des Dritten Reiches stellte sich Lüdicke im Herbst 1944 freiwillig dem letzten Aufgebot in Berlin zur Verfügung, während seine Familie die Stadt gerade noch rechtzeitig verließ. Da ihm das NS-Regime stets „unsympathisch“ (Kittel) gewesen ist, erklärt sich seine Meldung zum Volkssturm bzw sein aktiver Einsatz vom 20. April bis 2. Mai 1945 als Gruppen-Führer auch nicht daraus, dass er „dem armen Führer in seiner Not beistehen wollte“48, sondern aus einer Haltung, die er in das Bekenntnis zusammenfasste, „bis zuletzt meine Pflicht getan“ zu haben, getreu der friderizianischen Maxime: „Es ist nicht wichtig, dass ich lebe, wohl aber, dass ich meine Pflicht tue“49. Lüdickes Erziehung und seine von tiefem Pflichtgefühl geprägte, vorwurfsfreie Dienstzeit verbanden sich mit seiner Vaterlandsliebe zu einer nationalen Einsatzbereitschaft, die älter war als der Nationalsozialismus, der sie missbrauchte50. Bei der Eroberung Berlins durch die Rote Armee geriet Lüdicke nicht in Kriegsgefangenschaft, wurde aber verwundet und auf einem Verbandsplatz von Russen noch seiner letzten Habe beraubt. Als vermeintlicher Straßenpassant geriet er nicht in den Abtransport von Gefangenen, sondern konnte am 3. Mai 1945 seinen Dienst im Geheimen Staatsarchiv wieder aufnehmen, um am Wiederaufbau unter Randts energischer Leitung (bis 15. Juni 1945), ja selbst beim Dachdecken des schwer in Mitlei-
zins, durchschlug mehrere Decken und zerstörte Regale. Beim zweiten, wenig später erfolgten Angriff riss eine Bombe das Magazindach des Mitteltraktes auf, ließ Außenwände einstürzen und zerschlug wiederum Decken bis in den Keller. Akten konnten noch aus freischwebenden Regalen geborgen werden, doch waren die meisten bereits ausgelagert, so dass sich die Verluste in engen Grenzen hielten. Vgl. Eckart Henning, 50 Jahre Geheimes Staatsarchiv in BerlinDahlem – 100 Jahre seit seiner Vereinigung mit dem Ministerialarchiv, in: Jahrbuch für brandenburgische Landesgeschichte 25 (1974), S. 154 – 174, hier: S. 169 f. 47 Dr. Erich Randt war vom 1. Oktober 1944 bis zum 15. Juni 1945 Direktor des Geheimen Staatsarchivs, vgl. Henning / Wegeleben, Archivare II, 1924 – 1974 (wie Anm. 1), S. 173, mit Nachweis der Nachrufe von Adolf Diestelkamp und Karl Georg Bruchmann. Ihn lösten in dieser Funktion anschließend in schneller Folge Georg Winter, Gottfried Wentz und Ulrich Wendland (s. u.) ab. 48 Vgl. Kittel (wie Anm. 2), S. 158, u. Schultze (wie Anm. 3), S. 70. Dr. Edith Lüdicke weist diese Deutung als „eine ausgesprochen niederträchtige Unterstellung“ Schultzes in ihrem Schreiben vom 14. März 1977 an den Verf. zurück. 49 Reinhard Lüdicke, Straßenkämpfe im Südwesten Berlins, hrsg. von Eckart Henning, in: Der Bär von Berlin 26 (1977), S. 119 – 128. Erneut kommentiert nachgedruckt unter dem Titel: Im Kampf um Berlin, in: Archivmitteilungen 43 (1994), S. 5 – 14, hier S. 13, mit biographischer Einleitung, Nachlassbericht, Anmerkungen und Nachweisen. 50 Aufschlussreich erscheint mir die briefliche Stellungnahme dazu von Wolfgang Mommsen (wie Anm. 38) zu sein: „Ich habe auch das vollste Verständnis für Lüdickes Einsatz bis zum bitteren Ende, obwohl mir unklar ist, weshalb er bis zum Schluß die tatsächliche Lage nicht erkannt hat. Psychische Verdrängung einer bösen Tatsache? Wir waren halt so von Kindesbeinen erzogen im Pflichtbewußtsein, und wir machten einen Unterschied zwischen staatlicher Notwendigkeit und Einstellung zur Partei.“
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denschaft gezogenen Gebäudes, mitzuwirken, dessen Magazintrakt zu zwei Dritteln ausgebrannt war51. Sein eigenes Dienstzimmer (wie seine Steglitzer Privatwohnung, Buggestraße 12a) fand er verwüstet, die Fenster unverglast, vor, alle Behältnisse waren von Plünderern erbrochen und Papiere im Raum zerstreut worden; nur sein noch aus dem Lagerhaus stammendes Stehpult blieb benutzbar, auch der Pseudorenaissance-Schrank, in dem er die Gartengeräte aufzubewahren pflegte, mit denen er mit Begeisterung einen kleinen Garten auf dem Gelände des Geheimen Staatsarchivs bearbeitet und mit dessen Erträgen er sich während des Krieges gut beholfen hatte52. Von seinen Kollegen fand Lüdicke nach Kriegsende außer Randt noch Hans Bellée53, Lisa Kaiser54, Joachim Lachmann55, ab 1. August Berthold Schulze56 und Gottfried Wentz57 vor, der freilich schon am 8. September 1945 einer Seuche erlag. Lüdickes 1944 pensionierter „Freund“ Johannes Schultze konnte noch zum 1. Oktober 1945 reaktiviert werden, doch besserte sich das Verhältnis beider nicht, wie dessen „Erinnerungen“ zeigen. Die darin geäußerten Ressentiments erklären sich aus Lüdickes höherem Dienstalter und angeblich daraus abgeleiteten Vorrechten; auch befürchtete Schultze wiederholt „hinter meinem Rücken angesponnene Gemeinheiten“, bezichtigte Lüdicke, innerhalb der Historischen Kommission gegen ihn „zu intrigieren“, auch „unverschämter Verlangen“ und sogar der „wilden Agitation“58. Lüdicke hat ihm offenbar „ein Leben lang im Wege gestanden“59. Als Zeitzeuge hat sich der Bon51 Eckart Henning, Das Preußische Geheime Staatsarchiv zwischen Krieg und Frieden, April–Mai 1945. Augenzeugenberichte von Joachim Lachmann und Paul Freudenberg, in: Jürgen Kloosterhuis (Hrsg.), Archivarbeit für Preußen, Berlin 2000, S. 441 – 471 (= Veröffentlichungen aus den Archiven Preußischer Kulturbesitz, Arbeitsberichte, 2). 52 Fernmündliche Mitteilung von Dr. Gerhard Zimmermann, Direktor des Geheimen Staatsarchivs von 1954 – 1974, vom 25. März 1977 an den Verf. Zu Zimmermann vgl. Henning / Wegeleben, Archivare II, 1924 – 1974 (wie Anm. 1), S. 178. 53 Hans Bellée, Der Ausgang des Preußischen Geheimen Staatsarchivs, in: Der Archivar 7 (1954), Sp. 23 – 30. Vgl. Henning / Wegeleben, Archivare II, 1924 – 1974 (wie Anm. 1), S. 163. 54 Die 1916 in Dresden geborene Archivangestellte Dr. Lisa Kaiser war seit 1. Dezember 1944 zugleich dem Institut für Archivwissenschaft beim Geheimen Staatsarchiv zur Ausbildung überwiesen worden und blieb bis 1947 als Wissenschaftliche Hilfsarbeiterin dort beschäftigt, vgl. Henning / Wegeleben, Archivare II, 1924 – 1974 (wie Anm. 1), S. 168. 55 Zu Dr. Joachim Lachmann vgl. Anm. 51 und Henning / Wegeleben, Archivare II, 1924 – 1974 (wie Anm. 1), S. 170. 56 Zu Dr. Berthold Schulze vgl. Henning / Wegeleben, Archivare II, 1924 – 1974 (wie Anm. 1), S. 175, aber auch Schultze (wie Anm. 3), S. 86 f. 57 Der wegen seiner Hanse-Forschungen und seiner Arbeit für die Germania Sacra besonders verdiente Dr. Gottfried Wentz starb am 8. September 1945 als kommissarischer Leiter des Geheimen Staatsarchivs (seit 18. Juli Nachfolger von Dr. Winter). Vgl. Henning / Wegeleben, Archivare II 1924 – 1974 (wie Anm. 3), S. 177 mit bibliographischen Angaben der Nachrufe von Georg Winter und Johannes Bauermann sowie Eckart Henning: Gottfried Wentz – „ein Stiefkind des Glücks“? Zu den Brandenburg-Bänden der Germania sacra, ihrem Bearbeiter und dem KaiserWilhelm-Institut für Deutsche Geschichte, in: Dahlemer Archivgespräche 12 (2006), S. 11 – 23. 58 Schultze (wie Anm. 3), S. 29, 41, 49 – 52. 59 Schreiben von Dr. Edith Lüdicke (wie Anm. 22).
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ner Neuzeit-Historiker Stephan Skalweit, der Lüdicke selbst noch erlebt hat, einmal zu diesen Anschuldigungen geäußert: „Das Bild von Lüdickes Persönlichkeit steht mir noch ganz klar vor Augen. Ein kleiner zarter Mann von liebenswürdigem Wesen und mit vollendeten Umgangsformen. Er genoß nicht nur hohes Ansehen im Hause, sondern war auch bei uns jungen Leuten ausgesprochen beliebt, weil er uns nicht als Untergebene, sondern stets als Kollegen behandelte – eine Haltung, die damals im GStA keineswegs selbstverständlich war. Während meines praktischen Halbjahres zwischen Archivexamen und Kriegsausbruch durfte ich mich seines besonderen Wohlwollens erfreuen und habe das besonders dankbar empfunden. Es erschüttert mich, dass dieser sensible, auf Grund seiner Konstitution für militärische Anstrengungen denkbar ungeeignete Mann noch in den Strudel der letzten Kriegstage gerissen worden ist. Wahrscheinlich haben die Aufregungen und Strapazen sein Leben verkürzt … Daß Johannes Schultze ihn haßte, war damals im Hause allgemein bekannt. Man fragte sich nur, wie dieser freundliche, hilfsbereite, im besten Sinne des Wortes anständige Mann eine solche Antipathie hervorrufen konnte. Nach dem Erscheinen von Schultzes Selbstbiographie liegen diese Gründe klar am Tage“60. In Lüdickes am 25. Oktober 1945 abgeschlossenem – auf Kalendernotizen zwischen den Einsätzen beruhenden – nüchternen Typoskript über seine „Erlebnisse während der Kampfzeit in Berlin“ (16 Seiten)61, insbesondere über Straßen- und Häuserkämpfe in den südwestlichen Stadtbezirken Steglitz und Wilmersdorf, tritt er als Person ganz hinter den Ereignissen zurück. Gerade, dass er uns noch wissen lässt, dass er einen Band Schiller („Don Carlos“) mit in sein Volkssturmgepäck tat, für „stille Stunden“, die dann allerdings ausblieben. In diesen memoirenartigen Aufzeichnungen beschreibt ein Augenzeuge die Berliner Kampftage, der keinen Augenblick der Gefahr erliegt, ein Selbstporträt auf dem Hintergrund dieser Vorgänge geben zu wollen, oder seine eigene Beteiligung an Ereignissen über Gebühr zu betonen62. Sein sonst fast noch ex eventu niedergeschriebener Bericht schließt mit folgenden Sätzen: „Nachträglich ist mir natürlich klar geworden, daß diese ganzen Kämpfe um und in Berlin einer wohl bereits rettungslos verlorenen Sache gegolten haben. In jenen Tagen selbst hatte man einerseits nicht viel Muße, sich solche Gedanken zu machen, und wurde andererseits durch allerlei Nachrichten über nahenden Entsatz getäuscht. Trotzdem bereue ich auch jetzt noch keinen Augenblick, daß ich bis zuletzt meine Pflicht getan habe, buchstäblich bis zur Kampfunfähigkeit. So hat die Erinnerung an meine Beteiligung keinen bitteren Nachgeschmack für mich“.63 Kennzeichnend für Lüdicke sind wohl einige Worte Ulrich Wendlands64, die der ehemalige Danziger Reichsarchivdirektor und kommissarische Leiter (1945 – 1947) Schreiben von Prof. Dr. Stephan Skalweit vom 20. Oktober 1977 an den Verf. Lüdicke, Im Kampf um Berlin (wie Anm. 49). 62 Vgl. Eckart Henning, Selbstzeugnisse, in: Friedrich Beck / Eckart Henning, Die archivalischen Quellen. Mit einer Einführung in die Historischen Hilfswissenschaften. 4. Aufl., Köln 2004, S. 119 – 127, 365 f. (= UTB, 8273). 63 Lüdicke, Im Kampf um Berlin (wie Anm. 49), S. 13. 60 61
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des seit 1946 in „Hauptarchiv für Behördenakten“ umbenannten Dahlemer Hauses, seinem Kollegen nach immerhin 44 Jahren Archivdienst nachrief, als dieser im 70. Lebensjahr, nämlich am 22. Juli 1947, einer Herzmuskelschwäche erlag: „Jeder, der mit ihm dienstlich oder außerdienstlich in Berührung kam, spürte sogleich etwas von seinem gütigen, verständnisvollen, stets hilfsbereiten Wesen. Keiner von uns, glaube ich, hat sich wohl dieser liebenswürdigen, wirklich freundlichen, dabei auch von feinstem Humor und offenem Sinn für alles Menschliche zeugenden Art Dr. Lüdickes entziehen können. So verstand er es, sich allenthalben, sei es als Vorgesetzter, sei es als Gleichgestellter, sei es als Untergebener, Achtung, Liebe und Verehrung zu verschaffen. Ein besonders schöner und in unserer Zeit seltener gewordener Zug an ihm war es, daß er trotz mancher bitterer Ausbrüche über das Dunkel und die Leiden der Zeit und trotz aller, ja keinem von uns erspart bleibenden Entbehrungen und Schwierigkeiten, stets im Grunde unverzagt und aufrecht blieb, ja sogar die Hoffnung auf die Wiederkehr besserer Zeiten und auf die Zukunft sowohl unseres geschlagenen Volkes als auch namentlich unseres von diesem Kriege gewiß hart betroffenen Instituts nie ganz aufgab …“65. Mit diesem – damals ungedruckt gebliebenen – Nachruf Wendlands ließe sich diese biographische Skizze abschließen, bliebe da nicht noch eine unbewusste „Selbstbeschreibung“ Lüdickes, die der Würdigung seines 1922 verstorbenen Vorgesetzten, des Geheimen Archivrats Paul Bailleu, entnommen werden soll. Sie drückt am Ende nicht nur seine Verehrung für den großen Biographen der Königin Luise aus, der als Zweiter Direktor der preußischen Staatsarchive von 1905 bis 1921 das Geheime Staatsarchiv praktisch leitete65, sondern umreißt bis in die Wortwahl ein Ideal, das ihren Verfasser sicher ebenso gut beschreibt wie den Porträtierten: ,,… umso bedeutsamer war der Einfluß, den er durch seine geistige und wissenschaftliche Überlegenheit, seine große Geschäftskenntnis und nicht zuletzt durch sein feines Gefühl für die von ihm selbst mit Meisterschaft beherrschte sprachliche Form ausübte. Sachlich und stilistisch prüfte er alles, was aus dem Geschäftskreise des Geheimen Staatsarchivs mit seiner Namensunterschrift hinausgehen sollte, auf das Sorgfältigste und sein Scharfsinn, verbunden mit der in jahrzehntelanger Wirksamkeit erworbenen genauen Kenntnis des Archivs, löste manches Rätsel, vor dem andere versagt hatten. Dabei verfuhr er aber in keiner Weise kleinlich oder engherzig; wen er als zuverlässig bewährt gefunden hatte, dem ließ er vollste Selbständigkeit, höchstens daß er dann und wann Schärfen milderte und in der Richtung möglichsten Entgegenkommens wirkte … Ebenso war er auch persönlich stets hilfsbereit, wo er ernstes wissenschaftliches Streben sah oder wo ihn auch nur das Ziel oder die Schwierigkeit einer Aufgabe reizte“.66
64 Der 1897 geborene Westpreuße Dr. Ulrich Wendland leitete bis 1945 als Oberarchivrat das Reichsarchiv Danzig und nach dem Tode von Dr. Wentz (vgl. Anm. 57) für zwei Jahre kommissarisch das „Hauptarchiv für Behördenakten“ (wie das Preußische Geheime Staatsarchiv zunächst nach seiner Umbenennung 1946 hieß) bis er entlassen wurde, weil er seine Mitgliedschaft in der NSDAP verschwiegen hatte. 65 GStA PrK I. HAbt., Rep. 178 Pers., Nr. 132, Bl. 56 66 Lüdicke, Nachruf auf Paul Bailleu (wie Anm. 18), S. 291.
Im Kampf um Berlin Aufzeichnungen über seinen Volkssturm – Einsatz vom 20. April bis 2. Mai 1945 in Berlin* Von Reinhard Lüdicke, mit einer Nachlaßübersicht herausgegeben und eingeleitet von Eckart Henning Die hier abgedruckten Aufzeichnungen Reinhard Lüdickes (1878 – 1947) übergab seine Familie1 im Sommer 1976 dem Geheimen Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz2, wo sie als Selbstzeugnis seines 1947 verstorbenen Abteilungsleiters3 gern entgegengenommen wurden. Doch dieser Umstand allein würde wohl sicherlich, bei aller Wertschätzung für die Person dieses verdienten preußischen Archivars, ihre Veröffentlichung noch nicht rechtfertigen, wäre nicht auch der Inhalt bedeutsam genug, um als individuelles Zeugnis eines Volkssturm-Gruppenführers aus den letzten Tagen des zweiten Weltkrieges publiziert zu werden. Lüdicke hat den Bericht über seine „Erlebnisse während der Kampfzeit in Berlin“, in dem er die Straßenkämpfe vor allem in den südwestlichen Stadtbezirken Steglitz und Wilmersdorf schildert, „am 25. Oktober 1945 abgeschlossen“ und ihn anschließend auf einer alten Schreibmaschine, deren eigentümlich große Typen immer wieder hakten, auf sechzehn Seiten ins Reine geschrieben. Sein besonderer Quellenwert ergibt sich nicht nur aus dem relativ geringen zeitlichen Abstand zwischen Erlebnis und Aufzeichnung, der eine getreue Wiedergabe von Tatsachen und Zusammenhängen be* Erstdruck in: Archivmitteilungen 43 (1994), S. 119 – 128, mit 3 Abbildungen. Im Bär von Berlin 26 (1977), S. 119 – 128 erschien nur unter dem Titel „Straßenkämpfe im Südwesten Berlins“ eine um die biographische Einleitung, den Nachlaßbericht und alle Anmerkungen und Nachweise des Herausgebers stark verkürzte Fassung dieser Aufzeichnungen, der hier noch die wichtigsten Meldungen aus der amtlichen Chronik von Berlin (Anm. 30) und dem Kriegstagebuch des Oberkommandos der Wehrmacht (Anm. 31) zum Vergleich zu Lüdickes jeweiligem Tagesbericht vorangestellt wurden. 1 Sie wurden auf Anregung seines Neffen, Herrn Professor Dr. Hansjörg Becker (Frankfuгt / M-Höchst), von den noch lebenden Töchtern Dr. Lüdickes (vgl. Anm. 33 u. 37), dem Geheimen Staatsarchiv (künftig: GStA) übersandt. 2 Archivsignatur GStA Rep. 92 Lüdicke Nr. 13. 3 Vgl. Eckart Henning / Christel Wegeleben, Archivare beim Geheimen Staatsarchiv in Berlin-Dahlem 1924 – 1974, in: Jahrbuch für brandenburgische Landesgeschichte 27 (1976) S. 155 – 178, hier S. 170 (künftig: zit. Henning / Wegeleben, Archivare 1924 – 1974).
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günstigt, sondern auch daraus, daß Lüdicke, daran gewöhnt, Tagebücher zu führen, selbst während der Kampfhandlungen knappe Eintragungen in sein Notizbuch machte. Bei der Abfassung seines Berichtes bot es ihm dann „besonders bezüglich der Zeitangaben eine zuverlässige Grundlage“, so daß seinen gleichsam ex eventu niedergeschriebenen Memoiren eine hohe Faktenauthentizität eigen ist, auf die es dem Historiker ankommt, die aber bei Selbstzeugnissen aller Art sonst keineswegs die Regel ist4. Wie es Lüdicke in seinen wissenschaftlichen Arbeiten hielt und wie es auch seinem eher bescheidenen Wesen entsprach, tritt er darin als Person ganz hinter den geschilderten Ereignissen zurück. Gerade daß er uns noch wissen läßt, daß er einen Band Schiller mit in sein Volkssturmgepäck tat für „stille Stunden“, die dann freilich ausblieben. Hier beschreibt ein Augenzeuge die Berliner Kampftage, der keinen Augenblick der Gefahr erliegt, ein „Selbstporträt“ auf dem Hintergrund dieser Vorgänge geben zu wollen oder seine eigene Beteiligung an Ereignissen, deren Bedeutung ihm als Chronist vor Augen stand, über Gebühr zu betonen. Dem Leser wird es heute nicht leichtfallen, sich in Lüdicke hineinzuversetzen, die Motive für seine im Herbst 1944 erfolgte freiwillige Meldung zum Volkssturm (um „jüngere Kräfte für den Frontdienst“ freizumachen), wie seine Schlußbemerkung richtig zu verstehen, daß er die Beteiligung an diesen Kämpfen auch später „keinen Augenblick“ bereut habe. Lüdicke hat der NSDAP nicht angehört (sonst wäre er auch von 1945 bis 1947 im Gegensatz zu einigen anderen Kollegen nicht im Geheimen Staatsarchiv weiterbeschäftigt worden); vielmehr „schmerzte es“ den früheren Generaldirektor der Preußischen Staatsarchive in der NS-Zeit, Dr. Ernst Zipfel5, in einem Schreiben, das er nach dem Zusammenbruch am 13. Oktober 1945 an den (damals bereits verstorbenen) Dr. Wentz6 richtete, noch rückblickend, das „Herr Brenneke7 und Herr Lüdicke trotz vieler Bemühungen meinerseits nicht mitgingen – die einzigen Fälle in ganz Deutschland“8. So erklärt sich Lüdickes Meldung zum Volkssturm nicht daraus, daß er „dem braven Führer in seiner Not beistehen“ wollte9 oder aus einem besonderen, wie auch immer gearteten Treueverhältnis 4 Eckart Henning, Selbstzeugnisse, in: Handbuch der Genealogie, für den Herold hrsg. v. E. Henning u. W. Ribbe, Neustadt / A. 1972, hier bes. S. 135, und ders., Unterschiede und Gemeinsamkeiten in der Struktur der Selbstzeugnisse, besonders der Tagebücher, Autobiographien, Memoiren und Briefe, in: Genealogie 10 (1971), S. 385 – 391. Vgl. in Beck / Henning (Hrsg.), Die archivalischen Quellen. Eine Einführung in ihre Benutzung, Weimar 1994, S.107 ff. 5 Henning / Wegeleben, Archivare 1924 – 1974, S. 178. 6 Ebd., S. 177. 7 Ebd., S. 164. 8 GStA Rep. 178 Pers. Nr. 274. 9 Johannes Schultze, Meine Erinnerungen. Im Auftr. d. Autors hrsg. von Gerhard Knoll, Berlin 1976, S. 70. – Die langgehegte Abneigung des Verfassers gegen L. kommt auch an anderen Stellen seiner Memoiren zum Ausdruck und resultiert wohl aus einer gewissen vermeintlichen oder tatsächlichen Zurücksetzung, die Schultze in seiner Archivlaufbahn wegen seines geringeren „Dienstalters“ hinnehmen mußte (vgl. S. 29, 41, 49, 56) sowie aus beruflichen Reibungen, die sich aus ihrem gemeinsamen brandenburgischen Тätigkеitsgebiet ergaben (vgl. S. 50 – 52).
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zum nationalsozialistischen Regime, das ihm „unsympathisch“ war10, sondern aus der Haltung heraus, die er, als alles vorbei war, in das schlichte Bekenntnis faßte, „daß ich bis zuletzt meine Pflicht getan habe, buchstäblich bis zur Kampfunfähigkeit“. Schon die Bitte seiner Familie, mit ihr zusammen Berlin zu verlassen, hatte er „in Rücksicht auf die übernommenen Pflichten beim Volkssturm und auf mein Amt beim Geheimen Staatsarchiv“ abgelehnt, getreu der friderizianischen Maxime: „Es ist nicht wichtig, daß ich lebe, wohl aber, daß ich meine Pflicht tue“11. Und trotz der Vergeblichkeit seiner Beteiligung in letzter Stunde spürte er daran in der Erinnerung „keinen bitteren Nachgeschmack“. Wohl ging es Lüdicke damals bei der Einschätzung der militärischen Lage – für uns heute unfaßlich – wie vielen Berlinern, wenn er schreibt: „Nachträglich ist mir natürlich klargeworden, daß diese ganzen Kämpfe um und in Berlin einer wohl bereits rettungslos verlorenen Sache gegolten haben. In jenen Tagen selbst hatte man einerseits nicht viel Muße, sich solche Gedanken zu machen und wurde andererseits durch allerlei Nachrichten über nahenden Entsatz getäuscht“. Doch ändert dieser „Optimismus“ nichts daran, daß uns Lüdicke als einer der „wirklich Vornehmen“ erscheint, „die gehorchen, nicht einem Machthaber, sondern dem Gefühl ihrer Pflicht“. Fontane spricht in diesem Zusammenhang mit Recht davon, daß eben dieser Haltung „etwas speziell Preußisches“12 innewohne. Lüdickes Erziehung und eine jahrzehntelange, wie er mit Recht sagen konnte, „vorwurfsfreie Dienstzeit“13, die er noch vor dem ersten Weltkrieg als königlich preußischer Archivar im Geiste strenger Pflichterfüllung begann und als Staatsarchivrat in der Weimarer Zeit wie im Dritten Reich bis in die ersten Jahre nach dem zweiten Weltkrieg hinein fortsetzte, verbanden sich mit seiner Vaterlandsliebe zu einer Art nationaler Einsatzbereitschaft, die älter war als der Nationalsozialismus, und die sich Lüdicke auch nach dem Kriege noch bewahrte, die ihn leitete und ihn aufrecht erhielt. Es geht hier nicht darum, Lüdicke zu rechtfertigen, sondern das SpinozaWort auf ihn anzuwenden, das jeder Besucher, der früher das Geheime Staatsarchiv betrat, an der Innenseite des Forschungssaales über der Eingangstür lesen kann: „Humanas actiones non ridere, non lugere neque destestari, sed intellegere“. Da eine Würdigung Lüdickes aus der Feder eines seiner früheren Kollegen bereits vorliegt14, genügt es, hier auf sie zu verweisen bzw. sich für den vorliegenden Zusammenhang auf die Wiedergabe eines kurzen Lebenslaufes aus der erhalten ge10 Erich Kittel, Reinhard Lüdicke und das Brandenburgische Provinzialarchiv, in: Archivalische Zeitschrift 53 (1957), S. 153 – 160, hier S. 158. 11 Friedrich der Große an den Marquis d’Argent (1760), zitiert nach Hans-Joachim Schoeps (Hrsg.), Das war Ргеußеn. Zeugnisse der Jahrhunderte, 3. Aufl., Berlin 1968, S. 121. 12 Theodor Fontane, Der Stеchlin, Berlin 1898, zugl. in der Gesamtausgabe der erzählenden Schriften, 2. Reihe, Bd. 3, Berlin 1925. 13 GStA Rep. 178 Pers. Nr. 274. 14 Neben Kittels Würdigung (Anm.10) vgl. auch Eckart Henning, Zum hundertsten Geburtstag: Dr. Reinhard Lüdicke, iп: Märkische Zeitung Jg. 29, Nr. 7 vom 10. 7. 1978, 5.3 (mit Abb.), u. ders., Der Nachlaß Lüdicke im GStA, in: Mitteilungsblatt der Landesgeschichtlichen Vereinigung für die Mark Brandenburg 79 (1978), S. 23 – 25.
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bliebenen Personalakte zu beschränken, der von ihm selbst verfaßt wurde: „Geboren bin ich, Reinhard Gottfried Lüdicke, zu Magdeburg am 13. Juli 1878 als Sohn des damaligen Direktors der Magdeburg-Halberstädter-Eisenbahngesellschaft, Max Lüdicke (gest. 1904 als Wirklicher Geheimer Oberregierungsrat und Eisenbahndirektionspräsident a. D.) und seiner Ehefrau Helene Borsche15 (gest. 1886). Meine Schulbildung empfing ich in der Hauptsache am Kgl. Gymnasium zu Bromberg, wo ich nach Besuch der Volksschulklassen vom Herbst 1887 bis Oktober 1895 den Klassen Sexta bis Obersekunda angehörte. Das Zeugnis der Reife erhielt ich nach zweijährigem Besuch der Prima am Kgl. Gymnasium Paulinum zu Münster in Westfalen. Hierauf widmete ich mich zu Freiburg i. Br. (Sommer 1897), Berlin (Herbst 1897 bis Herbst 1898) und Göttingen (Herbst 1898 bis Frühjahr 1901) dem Studium der Geschichte und ihrer Hilfswissenschaften, wobei ich auch volkswirtschaftliche, kunstgeschichtliche, rechtswissenschaftliche und deutschsprachliche Vorlesungen hörte. Am 7. Mai 1901 bestand ich die Doktorprüfung an der Philosophischen Fakultät der Universität Göttingen „cum laude“ und wurde danach auf Grund einer Dissertation über „Die landesherrlichen Zentralbehörden im Bistum Münster. Ihre Entstehung und Entwicklung bis 1650“ am 3. 9. 1901 zum Dr. phil. promoviert. Nachdem ich zunächst privaten wissenschaftlichen Arbeiten, u. a. für die Historische Kommission für die Provinz Westfalen, obgelegen hatte, trat ich am 1. April 1903 als Archivvolontär bei dem Staatsarchiv Münster i. W. in den preußischen Archivdienst ein16 und gehörte in gleicher Eigenschaft vom 1. April bis 31. März 1905 dem Geheimen Staatsarchiv zu Berlin an, wo ich am 6. Juni 1905 die Prüfung für Archivaspiranten bestand. Nach kurzer Tätigkeit für die Historische Kommission der Provinz Westfalen bei der Inventarisation der nichtstaatlichen Archive im Regierungsbezirk Münster, der ich später noch mehrfach meine Urlaubszeit widmete, trat ich am 1. Januar 1906 als Mitarbeiter bei der Zentraldirektion der Monumenta Germaniae historica ein, wo ich zunächst der Abteilung „Diplomata (Karolinger), dann der Abteilung „Constitutiones“ (Karl IV.) angehörte, auch noch eine Zeit lang, nachdem ich am 1. Januar 1907 als Hilfsarbeiter beim Geheimen Staatsarchiv zu Berlin einberufen war, dem ich seitdem ununterbrochen angehört habe: vom 1. Januar 1908 ab als Archivassistent (= Archivassessor), vom 1. April 1913 ab (Bestallung vom 1. März 1913) als Kgl. Archivar (sechs Jahre) später (als) Staatsarchivrat. Am 26. Juni 1931 wurde mir mit Genehmigung des Preußischen Ministerpräsidenten durch den Generaldirektor der Staatsarchive die Leitung der Abteilung III des Geheimen Staatsarchivs (= Staatsarchiv für die Provinz Brandenburg und die Reichshauptstadt Berlin) übertragen. [In der Zeit vom 15. 9. 1943 bis 31. 1. 1944
15 Vgl. Lüdickes Arbeit über seinen Urgroßvater: Samuel Gottfried Borsche. Lebensbild eines preußischen Beamten, in: Sachsen und Anhalt 12 (1936), S. 214 – 251. 16 Es ist mithin unzutreffend, wenn Schultze (Erinnerungen S. 53, vgl. Anm. 9) betont, daß Lüdicke „nie ein anderes preußisches Archiv kennengelernt hatte“.
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ist L. als dienstältester Beamter auch mit der kommissarischen Leitung des Geheimen Staatsarchivs betraut gewesen.] Vom 1. Januar 1914 bis 1. Oktober 1922 habe ich nebenamtlich die Bibliothek der Monumenta Germaniae historica (Traube-Bibliothek) verwaltet. Seit dem 5. Juni 1906 bin ich verheiratet mit Maria geb. Hütte; aus dieser Ehe sind drei Töchter, Hilde (geb. 1907), Edith (geb. 1909) und Gerda (geb. (1913) hervorgegangen. Während des Krieges 1914 – 1918 trat ich im Juli 1915 als Kriegsfreiwilliger bei dem II. Ersatzbatallion des Infanterie-Regiments 54 zu Kolberg ein, wurde aber im März 1916 als nicht felddiensttauglich wieder entlassen; seit Dezember 1915 war ich überzähliger Gefreiter gewesen“17. Diesen knappen Angaben, die Lüdicke am 7. September 1945 für die Dienstakten des Archivs machte, bleiben nur wenige Fakten hinzuzufügen: nach seinem Volkssturm-Einsatz vom 20. April bis zum 2. Mai betrat er das Geheime Staatsarchiv wieder am 3. Mai 1945. Dort wurde er bei Kriegsende nach Abschaffung des Berufsbeamtentums (das in Berlin erst am 1. Dezember 1952 wieder eingeführt wurde) als „wissenschaftlich-archivtechnische Fachkraft“ eingestuft und als „Leiter für das Provinzialarchiv Brandenburg, Referent für Archivpflege“ bis zu seinem Tode am 22. Juli 1947 als unentbehrlicher Sachkenner weiterbeschäftigt. Lüdicke starb an Herzmuskelschwäche, die sich seit Ende November 1945 bemerkbar machte, nach über vierzigjähriger ununterbrochener Zugehörigkeit zum Geheimen Staatsarchiv im 70. Lebensjahr. Ulrich Wendland18, der Lüdicke als Geschäftsleiter des inzwischen „Berliner Hauptarchiv“ genannten Preußischen Geheimen Staatsarchivs den Nachruf hielt, sagte darin: „Jeder, der mit ihm dienstlich oder außerdienstlich in Berührung kam, spürte sogleich etwas von seinem gütigen, verständnisvollen, stets hilfsbereiten Wesen. Keiner von uns, glaube ich, hat sich wohl dieser liebenswürdigen, wirklich freundlichen, dabei auch von feinstem Humor und offenem Sinn für alles Menschliche zeugenden Art Dr. Lüdickes entziehen können. So verstand er es wirklich, sich allenthalben, sei es als Vorgesetzter, sei es als Gleichgestellter, sei es als Untergebener, Achtung, Liebe und Verehrung zu verschaffen. Ein besonders schöner und in unserer Zeit selten gewordener Zug an ihm war es, daß er trotz mancher bitteren Ausbrüche über das Dunkel und die Leiden der Zeit und trotz aller, ja keinem von uns erspart bleibenden Entbehrungen und Schwierigkeiten stets im Grunde unverzagt und aufrecht blieb, ja sogar die Hoffnung auf die Wiederkehr 17 Vgl. dazu J. Schultze, Erinneгungen, S. 34: „Die beiden ehemaligen Monumentisten Müller und Lüdicke waren überhaupt nicht vom Мilitärdiеnst berührt worden“, entsprechend auch S. 29. Überdies hatte sich L. als aktives Mitglied der 1919 in den Nachkriegswirren gebildeten Einwohnerwehr in Berlin-Steglitz betätigt (frdl. Mitteilung von Frau Dr. E. Lüdicke, Frankfurt / M.). 18 Vgl. Henning / Wegeleben, Archivare 1924 – 1974, S. 177.
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besserer Zeiten und auf die Zukunft sowohl unseres geschlagenen Volkes als auch namentlich unseres von diesem Kriege gewiß hart betroffenen Instituts nie ganz aufgab …“19 Da der im Geheimen Staatsarchiv im Jahre 1948 gebildete, nicht sehr umfangreiche, aber wissenschaftlich interessante Dienstzimmernachlaß Lüdickes der Forschung kaum bekannt ist und daher entsprechend wenig benutzt wird, sei hier kurz auf die vorhandenen Stücke eingegangen: Nr. 1: Diverse Unterlagen über den 18. Deutschen Archivtag in Kiel im Jahre 1926. Lüdicke hielt dort eine Referat über“Die staatlichen und die nichtstaatlichen Archive und ihr Verhältnis zueinander“20, in dem er aus seinen westfälischen und brandenburgischen Erfahrungen heraus ein kommunales Aufsichtsrecht der Staatsarchive über die oft vernachlässigten städtischen Registraturen, vor allem aber über die sogen. „Dachbodenarchive“, forderte21. Der Aktenband enthält außer Lüdickes Vortragsmanuskript die verschiedensten Stellungnahmen zu diesem Thema (u. a. von Ernst Kaeber), Tagungsunterlagen und Presseberichte. Nr. 2 besteht vor allem aus Lüdickes Handakten über „Verbandsangelegenheiten“, wie etwa des „Verbandes der wissenschaftlichen Beamten der preußischen Staatsarchive“, dessen Vorstand er seit 1928 angehörte, der „Vereinigung deutscher staatlicher Archivare“ (von der ersten Tagung im Jahre 1924 an) und des „Verbandes der deutschen wissenschaftlichen Beamten“, des späteren „Reichsbundes der höheren Beamten“, und somit aus interessantem Material zur Geschichte der archivarischen Standesorganisationen. Nr. 3 betrifft die „Historische Kommission für die Provinz Brandenburg und die Reichshauptstadt Berlin“ (1928 ff.), der Lüdicke ebenfalls angehörte; die Sitzungsniederschriften werden ergänzt durch Ausarbeitungen zu Fragen von grundsätzlicher Bedeutung (u. a. über Editionstechnik, Registrierung von Urkunden). Lüdicke leitete innerhalb der Kommission die von ihr eingesetzte Unterkommission für den Archivalienschutz. Seit 1934 konnte er, vom Provinzialverband finanziert, an den Aufbau einer Archivpflegeorganisation gehen, die 1937 ministerielle Richtlinien für ihre Arbeit erhielt; die Archivberatungsstelle des Landeshauptmanns beim Geheimen Staatsarchiv wurde errichtet. Unter Nr. 4 liegen „Personallisten und dergleichen auch über das Preußische Geheime Staatsarchiv“ nebst Mitgliederverzeichnissen einiger unter Nr. 2 genannter Berufsvereinigungen der Archivare, wichtiges Material zur Personalgeschichte der Archive22. GStA Rep. 178 Pers. Nr. 132, ВI. 56. Vgl. Korrespondenzblatt des Gesamtvereins der deutschen Geschichts- und Altertumsvereine 74 (1926) Sp, 233 – 251, hier Sp. 287 f. 21 Ausdruck von Kittel: Lüdicke, S. 156. 22 Sie wurden von Frau Christel Wegeleben und dem Herausgeber ausgewertet, vgl. Henning / Wegeleben, Archivare beim Geheimen Staatsarchiv in der Berliner Kloster- und Neuen 19 20
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Nr. 5 enthält Unterlagen über Lüdickes Beziehungen zur Zentraldirektion Monumenta Germaniae historica aus den Jahren 1905 bis 1922, deren Bibliothekar er – siehe Lebenslauf – seit 1913 war. Sie stellen daher eine nicht unwesentliche Ergänzung zu den Akten dieses Instituts dar23; enthalten sind u. a. Schreiben Kehrs, Kosers, Schmeidlers, Tangls, und darüber hinaus Unterlagen über die Besoldungsverhältnisse der „Monumentisten“, deren Eingaben etc. Nr. 6 bezieht sich auf den ursprünglich von Karl Zeumer angeregten „Plan der Publikation eines Gesamtverzeichnisses der in den Preußischen Staatsarchiven vorhandenen Kaiser- und Königsurkunden (bis 1439)“ aus dem Jahre 1906, der von Lüdicke bereits 1910 durch eine entsprechende Publikation in Heft 16 der „Mitteilungen der kgl. preußischen Staatsarchive“ verwirklicht wurde; dieser Auftrag war ihm von der Archivverwaltung aufgrund der Zeumer’schen Anregung erteilt worden, da die Archivsignaturen der Urkundenbücher und Regestenwerke durch die von Hardenberg bewirkte Zentralisierung der Urkunden in Berlin und die spätere Rückführung dieser Bestände seit Einführung des Provenienzprinzips nicht mehr stimmten24. Dem Aktenstück liegen zahlreiche Rezensionen des Werkes bei, die seinen großen Nutzen für die praktische Forschung und Lüdickes Verdienste hervorheben. Nr. 7 umfaßt in drei umfangreichen Mappen das Material für das gleichfalls im amtlichen Auftrag von ihm geschriebene Buch über „Die Preußischen Kultusminister und ihre Beamten im ersten Jahrhundert des Ministeriums 1817 – 1917“25. Nicht alle Vorarbeiten Lüdickes haben Eingang in die gedruckte Darstellung bzw. die dazugehörigen Beamtenlisten gefunden. Erhalten geblieben sind auch seine zahlreichen Recherchen über Angehörige des Kultusministeriums, wo schon die damalige Aktenbasis nicht ausreichte. Nr. 8 besteht aus Lüdickes Manuskript des ersten Bandes der „Geschichte der Berliner Stadtgrundstücke seit der Einführung der Grundbücher Ende des 17. Jahrhunderts“26. Der zweite Band lag ebenfalls im Manuskript vor, ist aber zusammen mit den zugrundegelegten Akten bei einem nach Kriegsende im Geheimen Staatsarchiv von Plünderern gelegten Magazinbrand vernichtet worden. Friedrichstraße 1874 – 1924, in: Jahrbuch für brandenburgische Landesgeschichte 29 (1978), S. 25 – 61. 23 Das Depositum GStA Rep. 338 – Monumenta Gennaniae historica – wurde 1976 wunschgemäß an die Zentraldirektion in München zurückgegeben und ist heute dort einzusehen. 24 Vgl. dazu Eckart Henning, Der erste Generaldirektor der Preußischen Staatsarchive – Reinhold Koser, in: Neue Forschungen zur Brandenburgischen und Preußischen Geschichte, Berlin 1979, S. 259 – 293 (= Veröffentlichungen aus den Archiven Preußischer Kulturbesitz, Bd. 14). 25 Erschienen Stuttgart u. Berlin 1918. 26 Ein Band erschien 1933 mit einem Umfang von 662 Seiten in den Veröffentlichungen der Historischen Kommission für die Provinz Brandenburg und die Reichshauptstadt Berlin, Bd. 7.
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Nr. 9 enthält an Lüdicke gerichtete Briefe des Staatsarchivrates Dr. Heinrich Kochendörffer von 1914 bis zu seinem Tode, über den ihm Dr. Erich Weise27 am 11. November 1936 berichtet. Dieser veranschaulicht zugleich die Situation der Staatsarchive in den dreißiger Jahren, die unter der Flut der Arier-Nachweise seufzten: „Schon als ich meinen Dienst hier (d. h. in Aurich) am 2. 6. dieses Jahres (1936) antrat, machte Herr Staatsarchivrat K. auf mich den Eindruck eines kranken Mannes … Er klagte mir gegenüber auch bald über seine Schmerzen … Trotzdem saß der Kranke in diesen Wochen, da das Archiv besonders unter der Arierflut zu leiden hatte, allwöchentlich Sonnabend Nachmittags und Sonntags im Archiv und stellte Geburtsscheine usw. aus. Während seines letzten Urlaubes ging es ihm immer schlechter. Er erschien während dieser Zeit öfters im Archiv, um mir bei schwierigen Anfragen helfen zu können, und erledigte eigenhändig immer noch arische Anfragen … Am Freitag (16. 10. 1936) trat der Tod gegen Morgen ein … Von dem 3. Vincke Band hat der Verstorbene nie gesprochen. Ich fürchte daher, er wird liegen geblieben sein, wie alles, aber auch alles hier liegen geblieben ist, seit die Arier aufkamen. Der Verstorbene klagte mir oft genug, daß ihm die hoffnungslose und stumpfsinnige Ariersucherei längst alle Freude am Arbeiten genommen hätte. (Ich selber habe ja seit meinem Eintritt in den Archivdienst 1934 überhaupt nichts anderes kennen gelernt!) …“ Der Nr. 10 ausmachende Schriftwechsel aus den Jahren 1905 – 1909 bezieht sich auf die Lüdicke von der Historischen Kommission Westfalens übertragene Aufgabe der Inventarisation der nichtstaatlichen Archive in den Kreisen Lüdinghausen, Beckum und Münster Land, für die er durch seine Dissertation bestens ausgewiesen war. Erschienen ist davon in Gemeinschaftsarbeit mit seinem langjährigen, später auch Berliner Kollegen, Dr. Ernst Müller28 im Jahre 1917 nur der Inventarband für den Kreis Lüddinghausen29. In Nr. 11 ist vor allem ein umfangreiches „Promemoria über das Landesarchiv in Lübben“ (62 S.) von Martin Stahn erwähnenswert, ferner dessen Korrespondenz mit Lüdicke aus den Jahren 1933 – 1936. Am Schluß stehen Nr. 12 mit der persönlichen Korrespondenz Lüdickes und des damaligen Stadtarchivars Dr. Rudolf Lehmann in Senftenberg / Niedersachsen wegen der Amtsakten im Stadtarchiv (1936 – 1937) und Nr. 13 mit Lüdickes autobiographischen Aufzeichnungen aus den Berliner Kampftagen des Jahres 1945, die hier abgedruckt sind. *** Um jeweils die von Lüdicke aus dem Raum Steglitz-Wilmersdorf berichteten Ereignisse in Beziehung zum allgemeinen Berliner Kampfgeschehen setzen zu könVgl. Henning / Wegeleben, Archivare 1924 – 1974, S. 176 f. Ebd., S. 172 29 Inventare der nichtstaatlichen Archive des Kreises Lüdenscheid, Münster 1917 (= Inventare der nichtstaatlichen Archive, Bd. 2, Н. 3). 27 28
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nen, wurden zur besseren Orientierung vor jeder Tageseintragung des Autors die wichtigsten Meldungen aus der Chronik von Berlin30 wie aus dem Kriegstagebuch des Oberkommandos der Wehrmacht31 kursiv wiedergegeben: „Ehe die Erinnerung ganz entschwindet, will ich den Versuch machen, meine Erlebnisse während der Kampfzeit in Berlin etwas ausführlicher zu schildern, als es in den ganz kurzen Tagebucheintragungen und dem für die Familie bestimmten Sammelbrief geschehen konnte, in dem aus naheliegenden Gründen manches nicht gesagt werden konnte. Vieles ist inzwischen schon etwas verblaßt und hat sich im Gedächtnis verwischt und mit anderen Eindrücken vermischt. Jene gleichzeitigen Aufzeichnungen bieten aber wenigstens eine, besonders bezüglich der Zeitangaben, zuverlässige Grundlage. Dem Volkssturm war ich bei seiner Errichtung im Herbst 1944 freiwillig beigetreten, nicht weil ich glaubte, zu besonderem kämpferischen Einsatz berufen und geeignet zu sein, sondern in dem Gedanken, daß ich durch meinen Eintritt jüngere Kräfte für den Frontdienstvielleicht frei machen konnte, wobei ich an Wachdienst u. dgl. von meiner Seite dachte. Eine besonders gründliche militärische Ausbildung fand bei unserer Steglitzer VolkssturmEinheit (3 / 306: Kompanie Paulsen) auch nicht statt. Wir wurden am Sonntag Vormittag meist zum Schanzen eingesetzt, wovon ich mich in Rücksicht auf mein Alter bald frei machte, und am Dienstag Abend, der für ‚Innendienst‘ im Jugendheim (Ecke FlemmingPaulsen-Straße) vorgesehen war, wurden wir immer häufiger durch Fliegeralarm gestört. Kompanieführer war zunächst Herr P.32, nach dessen Fortgang zu anderer höherer Verwendung an seine Stelle Herr K. (bisher Führer des 2. Zuges) trat. Zugführer dieses meines 2. Zuges war seitdem Herr F. Meine eigene Stellung als ‚Gruppenführer‘ war im Wesentlichen die eines Befehlsübermittlers innerhalb der ‚Gruppe‘ und hatte, vor allem bei dem späteren Kampfeinsatz, keine praktisch-militärische Bedeutung, außer daß ich in den letzten Wochen an den wöchentlichen Ausbildungslehrgängen für ‚Unterführer‘ teilnahm, in denen wir mit den hauptsächlichsten Waffen vertraut gemacht werden sollten (Maschinengewehr, Panzerfaust, Pistole, Handgranate). Etwa Ende März oder Anfang April – der genauere Zeitpunkt ist mir nicht mehr erinnerlich – wurde erhöhte Alarmbereitschaft für den Volkssturm angesagt, ohne daß aber darauf zunächst Weiteres erfolgte. Inzwischen waren am 1. April meine Frau, am 8. April meine Töchter Hilde und Gerda33 zu Verwandten nach Lübeck abgereist, da ihr Verbleiben in Berlin im Hinblick auf einen wahrscheinlich bevorstehenden feindlichen Angriff gegen Berlin, das verteidigt werden sollte, nicht mehr verantwortet werden konnte. Auch die zunehmenden und sich verstärkenden Luftangriffe warer schließlich für sie kaum noch erträglich gewesen. Ihrem Wunsch daß ich 30 Berlin. Kampf um Freiheit und Selbstverwaltung 1945 – 46, Berlin 1957, Berliner Chronik, S. 40 П. (= Schriftenreihe zur Berliner Zeitgeschichte, Bd. 1); (künftig: zit. Berliner Chronik). 31 Das Kriegstagebuch des Oberkommandos der Wehrmacht, Bd. IV, 1 u. 2: 1. Jan. 1944 bis 22. Mai 1945, eingel. u. erl. von Percy Ernst Schramm, Frankfurt / M. 1961 (zit. Kriegstagebuch). 32 Aus Gründen des Schutzes noch lebender Personen wurden von den im Manuskript vollständig angegebenen Namen, von einigen Ausnahmen abgesehen, nur die Initialen wiedergegeben. 33 Lüdickes Töchter Hilde (geb. 1907, Apothekerin) und Gerda (geb. 1913, Graphikerin) waren infolge der Kriegsereignisse in Berlin von ihren Dienststellen freigestellt worden (frdl. Mitteilung von Frau Dr. Edith Lüdicke, Frankfurt / M.).
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Berlin gleichfalls verlassen und ihnen folgen sollte, konnte ich nicht entsprechen, einmal in Rücksicht auf die übernommener Pflichten beim Volkssturm und auf mein Amt beim Geheimen Staatsarchiv, sodann aber auch, weil ein gänzliches Verlassen unserer Wohnung deren völlige Preisgabe an fragwürdige Elemente bedeutet hätte, was durch die Erfahrungen der späteren Zeit bestätigt worden ist. Freitag, den 20. April 1945 Lage: Der Belagerungszustand für Berlin wird durch das Stichwort ‚Clausewitz‘ ausgelöst. Die Übernahme der zivilen Gewalten erfolgt durch den Kampfkommandanten. Auf die Stadt wird der letzte strategische Bombenangriff geflogen34. – Wehrmachtsbericht: In der Schlacht vor Berlin errangen unsere tapferen Divisionen beiderseits Frankfurt einen vollen Abwehrerfolg und stellten im Gegenangriff die alte Hauptkampflinie wieder her35. Am Freitag, den 20. April 1945 kam es dann auch für mich zum tatsächlichen Einsatz beim Volkssturm. Als ich mittags vom Geheimen Staatsarchiv nach Hause kam, fand ich dort den Befehl vor, daß das II. Aufgebot, zu dem ich als Gruppenführer rechnete, während ich meinen Jahren nach zum IV. Aufgebot gehörte, an Nachmittag um 5 Uhr 45 auf dem Schulhof der Paulsen-Oberschule (ehemals: Realgymnasium)36 anzutreten habe. Unmittelbar ehe ich das Haus verließ, erhielt ich noch Besuch von Fr(äu)l(ein) Brigitte F., einer Schülerin meiner Tochter Edith37, die vom Arbeitseinsatz nach Berlin zurückgekehrt war und sich nach Edith und unserem (!) Ergehen erkundigen wollte. Auf dem Schulhof gab es zunächst die übliche längere Warterei bis dann schließlich die Diensteinteilung erfolgte. Ich kam mit allen nicht beruflich oder sonst Behinderten zu einer besondere Alarmbereitschaftsgruppe unter Führung meines bisherigen Zugführers F. (Sonderzug F.). Wir wurden dann noch kurz nach Hause beurlaubt, wo ich rasch etwas aß, und traten um 8 Uhr 30 in der Lepsius-Schule38 an. Hier hatten wir erst einmal einen Fliegeralarm abzuwarten, der uns von 9 Uhr bis 2 Uhr 45 morgens in den Luftschutzkeller nötigte. Es waren ausgedehnte, dicht gefüllte Räume. Wir saßen enggedrängt auf schmalen Holzbänken. Den Rest der Nacht schliefen wir auf Strohsäcken (in Bettgestellen) in einer Schulklasse, wo wir auch am 21. 4. (Sonnabend) bis zum Nachmittag blieben. Sonnabend, den 21. April 1945 Lage: Nach dem Durchbruch durch die deutsche Ostfront in einer Tiefe von 50 bis 100 Kilometern erreichen die Spitzenverbände der sowjetischen Armeen den Verteidigungsgürtel der Reichshauptstadt. Es kommt zu Kämpfen der Linie Lichtenberg, Niederschönhausen, Frohnau39. – Wehrmachtsbericht: Der Großraum Berlin war gestern das Angriffsziel ame-
Berliner Chronik, S. 40. Kriegstagebuch, S. 1257. 36 In Berlin-Steglitz, Gritznerstr. 57. 37 Die zweite Tochter, Dr. Edith L. (geb. 1909, Studienassessorin), befand sich im Rahmen der Kinderlandverschickung mit der Lietzenseeschule in Schüttenhofen, damals Protektorat Вöhmen und Mähren. Interessant ist, daß sie von dort aus, noch am 20. Aрril 1945, bevor sie sich auf den Treck nach Bayеrn begab, mit ihrem Vater in Berlin telefonieren konnte (frdl. Mitteilung von Frau Dr. E. Lüdicke, Fгankfuгt / M.). 38 Jetzt Dunant-Schule in Berlin-Steglitz, Lepsiusstr. 26. 39 Berliner Chronik, 5.40. 34 35
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rikanischer Bomberverbände. In der Nacht wurden wiederum Wohnviertel der Reichshauptstadt durch Terrorflieger bombardiert40. Von 1 / 2 11 bis 2 Uhr wurde ich nach Hause beurlaubt und benutzte die Zeit zu einem Gang in die Wohnung (Waschen und Frühstück), einen Besuch auf dem Geheimen Staatsarchiv (Abmeldung; auch Randt41 und Wentz42 waren inzwischen einberufen worden) und zum Mittagessen im Breitenbachkeller43. Um 3 Uhr 15 marschierten wir zu der Schule44 in der Florastraße, von wo aus wir irgendeinen Stützpunkt besetzen sollten. Nach längerem Abwarten wurden wir schließlich um 8 Uhr 30 für die Nacht nach Hause entlassen, wo ich noch einmal im Bett schlafen konnte, allerdings gestört durch Fliegeralarm (1 / 2 12 Uhr), der mich veranlaßte, den Rest der Nacht in den Kleidern zu bleiben. Nachmittags und abends war vielfach Artilleriefeuer vernehmbar gewesen, das aber, wie uns gesagt wurde, im Wesentlichen von den auf den Flacktürmen aufgestellten deutschen Geschützen herrühren sollte. Immerhin wurden auch vereinzelte feindliche Geschoßeinschläge in der Innenstadt (Alexanderplatz, Unter den Linden) zugegeben. Sonntag, den 22. April 1945 Lage: Gestapoangehörige ermorden an diesem wie an dem folgenden Tag in Moabit und am Lehrter Bahnhof Teilnehmer des 20. Juli 1944, unter ihnen A. Haushofer, E. Schneppenhorst, K. Bonhoeffer und den Kommandanten des Invalidenhauses Berlin, Oberst W. Staehle. Der größte Teil der Berliner Feuerwehr verläßt mit 1.400 Löschfahrzeugen befehlsgemäß die Stadt45. – Wehrmachtsbericht: Südlich Cottbus ziehen die Bolschewisten weitere Kräfte zur Nährung ihrer Angriffe gegen den Raum südlich Berlin nach und erreichen mit ihren Angriffsspitzen die Linie Treuenbrietzen-Zossen – südlich Königs Wusterhausen, … Östlich und nördlich Berlin schob sich der Feind in schweren Kämpfen bis an die äußerste Verteidigungszone der Reichshauptstadt heran. In der Linie Lichtenberg-Niederschönhausen-Frohnau wird erbittert gekämpft46. Sonntag den 22. 4. war ich zum Antreten um 6 Uhr 45 wieder in der Flora-Schule, von wo wir dann aber sehr bald (Abmarsch 9 Uhr) nach der Paulsen-Oberschule in der Flemmingstraße47 verlegt wurden. Hier blieben wir nun die nächsten Tage in ständiger Alarmbereitschaft. Unterkunft und Nachtlager hatten wir in einem Bunker, der bisher zur nächtlichen Unterbringung von Kindern gedient hatte, auf Strohsäcken. Ich schlief nachts in den Kleidern, die ich bis zum Schluß nicht mehr ablegte. (Ausrüstung: brauner Sportanzug mit langen Hosen, Lodenmantel, Mütze und Stahlhelm, Rucksack mit Decke und Blechnapf; für stille Stunden 1 Band Schiller (Don Carlos), von dem aber doch wenig Gebrauch gemacht werden konnte.) Verpflegung erhielten wir zunächst nicht und auch später nur wenig Kriegstagebuch, S. 1260 f. Henning / Wegeleben, Archivare 1924 – 1974,5. 173. 42 Ebd., S. 177. 43 „Breitenbachkeller“, später Schüler- und Studentenlokal „Eierschale“ am Breitenbachplatz (jetzt: am U-Bahnhof Podbielskiallee). 44 Flora-Schule, heute „Heпnann-Hollerith-Oberschule“, kaufmännische Berufsfachschule in Berlin-Steglitz, Florastr. 13. 45 Berliner Chronik, S. 40. 46 Kriegstagebuch, 5. 1261. 47 Die Paulsen-Oberschule (vgl. Anm. 36), liegt auf einem Eckgrundstück Gritzner / E. Flemmingstraße. 40 41
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und gelegentlich (hauptsächlich nur Brot); wir wurden daher nach Möglichkeit zum Einnehmen der Mahlzeiten kurz nach Hause beurlaubt; mittags konnte ich meist noch in den Breitenbachkeller gehen. Montag, den 23. April 1945 Lage: Durch Artilleriebeschuß sowjetischer Einheiten kommt es zur völligen Ausschaltung der öffentlichen Verkehrsmittel48. – Wehrmachtsbericht: Die Schlacht um die Reichshauptstadt ist in voller Heftigkeit entbrannt. Südlich der Stadt fingen unsere Truppen starke Panzerkräfte der Bolschewisten an der Linie Beelitz-Trebbin-Teltow-Dahlwitz auf. Der verlorengegangene Bahnhof Köpenick wurde im Gegenstoß wieder genommen. Ein feindlicher Einbruch entlang der Prenzlauer Allee wurde abgeriegelt. Nördlich der Stadt drangen sowjetische Angriffsspitzen bis zur Havel vor, die sie vergeblich zu überschreiten suchten49. Montag, den 23. 4., verging ohne besondere Ereignisse; am Nachmittag wurde etwas Waffenausbildung gemacht (Pistole, Gewehr, Maschinengewehr). Mit Waffen waren wir noch nicht ausgerüstet! Dienstag, den 24. April 1945 Lage: Der sowjetische Kriegskommandant ernennt Dr. K. Steiner zum Ortsbürgermeister von Hermsdorf50. – Wehrmachtsbericht: In der Schlacht um die Reichshauptstadt stießen die Bolschewisten trotz erbitterten Widerstandes unserer Truppen und Volkssturmeinheiten bis in die Räume südöstlich Brandenburg, südlich Potsdam, nördlich Königs Wusterhausen und in die Randgebiete der östlichen und nördlichen Stadtteile vor51. Dienstag, den 24. 4. war ich vormittags als ‚Stubendienst‘ im Quartier, während der Zug zum Streifendienst ausrückte, und auf eine Stunde zum Archiv beurlaubt, wo nur noch Bellée52 anwesend war. Nachmittags wurden von dem größten Teil des Zuges aus der Schule in der Florastraße Waffen abgeholt (Panzerfäuste sowie französische und italienische Gewehre, die sich nachher z. T. als unbrauchbar erwiesen!). Während unserer Abwesenheit waren bei einem Fliegerangriff im Hof der Paulsen-Oberschule mehrere Bomben heruntergekommen – es hatte 7 Tote und mehrere Verwundete gegeben, meist von einer Abteilung französischer Kriegsgefangener, die vorübergehend auf dem Durchmarsch in der Schule untergebracht waren. Die Beisetzung der toten Franzosen erfolgte abends auf dem Schulhof in sehr würdiger Form mit Ansprachen des deutschen kommandierenden Offiziers und eines Franzosen. Die schwer verwundete Frau des Schulwarts starb am folgenden Tage im Krankenhaus Ebenezer53 und wurde hinter der Turnhalle im Garten begraben. Mittwoch, den 25. April 1945 Lage: Wiederbeginn der deutschem, von sowjetischer Seite befohlenen und kontrollierten Verwaltungstätigkeit im Ortsteil Berlin-Karlshorst. Ein weiterer Bezirksbürgermeister wird vom sowjetischen Kriegskommandanten in Berlin-Zehlendorf ernannt54. – Wehrmachtsbe48 49 50 51 52 53 54
Berliner Chronik, S. 40. Kriegstagebuch, S. 1263. Berliner Chronik, S. 40. Kriegstagebuch, S. 1265. Henning / Wegeleben, Archivare 1924 – 1974, S. 163. Krankenhaus Ebenezer, jetzt Sophien-Krankenhaus in Berlin-Steglitz, Paulsenstr. 5. Berliner Chronik, S. 40.
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richt: In der Schlacht um Berlin wird um jeden Fußbreit Boden gerungen. Im Süden drangen die Sowjets bis in die Linie Neubabelsberg-Zehlendorf-Neukölln vor. Im östlichen und nördlichen Stadtgebiet dauern heftige Straßenkämpfe an55. Der wirkliche Einsatz begann am 25. 4.: um 2 Uhr wurden wir geweckt und um 1 / 2 3 rückten wir mit einer Gruppe unter Führung von F. zur Besetzung der Straßensperre an der Einmündung der Grunewaldstraße in die Schloßstraße. Mein Posten war zunächst auf dem Altan an der Ecke im Wiesandtschen Garten56, von wo aus gegebenenfalls von Lichterfelde anrollende feindliche Panzer mit der Panzerfaust bekämpft werden sollten. Quartier für die abgelöste Mannschaft im Wiesandtschen Hause (Frau Sch. kocht uns Kaffee, wogegen wir ihr Wasser aus dem Brunnen im Berlinickischen Hof57 heranschleppten). Mit dem vorschreitenden Tage zunehmende starke Fliegerangriffe mit Einschlägen in nächster Nähe; Geschützfeuer unsererseits vom Südwesthang des Fichtebergs. Gegen 4 Uhr zurück zur Paulsenschule. Die Fliegerangriffe dauern bis in die Nacht. Inzwischen drangen feindliche Panzer usw. in Dahlem ein und in Richtung auf den Breitenbachplatz vor und wurden an der Englerallee, später auch am Breitenbachplatz bekämpft. Um 1 / 2 12 Uhr Alarm und Abrücken in eine Stellung in der Rathstraße58 zwischen Herder- und Forststraße mit Front gegen den Herdersportplatz59 zur Beobachtung etwa vom Breitenbachplatz einsickernder feindlicher Kräfte. Donnerstag, den 26. April 1945 Lage: Völlige Einschließung der Stadt durch sowjetische Truppen der 1. Bjelowrussischen Front unter Marschall Shukow und der 1. Ukrainischen Front unter Marschall Konjew60. – Wehrmachtsbericht: Bei dem für die Zukunft des Reiches und für das Leben Europas entscheidenden Kampf um Berlin wurden gestern von beiden Seiten Reserven in die Schlacht geworfen. im Südteil der Reichshauptstadt toben schwere Straßenkämpfe in Zehlendorf, Steglitz und am Südrand des Tempelhofer Feldes. Im Osten und Norden leisten unsere Truppen, tapfer unterstützt von Einheiten der Hitlerjugend, der Partei und des Volkssturms, am Schlesischen Tor und Görlitzer Bahnhof sowie in Tegel und Siemensstadt erbitterten Widerstand. Auch in Charlottenburg ist der Kampf entbrannt. Zahlreiche Panzer der Sowjets wurden in diesen Kämpfen vernichtet61. Donnerstag, den 26. 4. 1945. Der Wachposten, der bis 3 Uhr 45 ohne Ablösung dauerte, wurde mir infolge Kälte und Müdigkeit recht sauer. Nachher konnte ich im Quartier bis Kriegstagebuch, S. 1265 П. Wiesandtscher Garten, ein parkartiges Villengrundstück zwischen Schloß-, Grunewaldund Rothenburgstraße. Lüdickes waren mit der Familie W. befreundet, als sie im Nachbarhaus Schloßstraße 41 von 1918 – 1933 wohnten. Frau Sch. war die Haushälterin der Familie M. (frdl. Mitteilung von Frau Dr. L., Frankfurt / M.). 57 Der Вerlinickesche Hof, einer der alten Steglitzer Вauernhöfe, lag in der Schloßstraße gegenüber dem Hause Nr. 41. Frau Dr. Lüdicke, Frankfurt / M., berichtet: „Wir haben als Kinder dort noch Milch geholt und beobachtet, wie bei Feueralarm die Feuerwehr die dort untergestellten Pferde aus den Ställen holte. Die Brunnen solcher alten Höfe haben wohl nach dem Kriege bei Zusammenbruch der Wasserversorgung eine wichtige Rolle gespielt.“ 58 Rathstraße, heute Gгitznerstгaße. 59 Herdersportplatz, heute Spielplatz ebd. 60 Berliner Chronik, S. 40. 61 Kriegstagebuch, S. 1267. 55 56
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1 / 2 7 schlafen, Von 1 / 2 8 bis 9 Uhr stand ich auf Posten am Schuleingang in der Rathstraße. Um 10 Uhr wurden wir wieder alarmiert und lagen bis gegen 12 Uhr in Stellung an der Ecke der Lepsius- und Schildhornstraße zur Abriegelung der Schildhornstraße gegen etwa vom Breitenbachplatz her durchbrechende feindliche Panzer. Am Nachmittag 1 / 2 6 Uhr bezog mein Zug erneut die gleiche Stellung, jetzt auch mit Front in der Lepsiusstraße in Richtung auf den Fichteberg. Ich stand bis zum Abend zusammen mit Dr. A. in der Schildhornstraße (ich mit Panzerfaust, Dr. A. als Feuerschutz). Von einer wohltätigen Geschäftsfrau bekamen wir je ein dickbestrichenes Butterbrot mit Schinken belegt und eine Anzahl Stück Würfelzucker! Abends wurden wir beide in einen Graben vor der Lepsiusschule verlegt, wo wir die ganze Nacht ohne Ablösung verblieben; doch wurden wir auf kurze Zeit vorübergehend in den Luftschutzkeller der Schule zurückgezogen. In der Nacht und vor allem gegen Morgen herrschte starker Artillerie- und Fliegerbeschuß in der nächsten Umgebung, wobei leider auf dem Hof der rückwärts angrenzenden Schule in der Rathstraße etwa 16 Mann der dort liegenden Polizeimannschaft umkamen. Die in der seitlichen Kolonnade des Schulhofes niedergelegten Leichen boten mir einen schauerlichen Anblick, als ich gegen 7 Uhr mit einem dienstlichen Auftrage dort vorbei mußte. Freitag, den 27. April Lage: Die frühere Ortsamtsstelle Mariendorf wird auf Befehl des sowjetischen Kriegskommandanten als Bürgermeisteramt wiedererrichtet 62. – Wehrmachtsbericht: Im Mittelpunkt der Kämpfe stand auch gestern die Schlacht im Raum Berlin. Schulter an Schulter mit allen waffenfähigen Männern führten unsere Truppen einen heldischen Kampf gegen den bolschewistischen Massenansturm, verteidigten jedes Haus und warfen den Feind durch Gegenangriff an vielen Stellen aus dem inneren Verteidigungsring der Stadt wieder zurück63. Am Freitag, den 27. 4. 1945 kam dann die Nachricht, daß die Paulsen-Oberschule vor dem eindringenden Feinde von der Kompanie geräumt wurde. Wir verließen daher unsere Stellung und setzten uns zusammen mit zurückgehenden Wehrmachtsangehörigen in Richtung auf die Bornstraße ab. Von dort zogen wir dann weiter nach Wilmersdorf hinein, wo wir Anschluß an eine Befehlsstelle suchten und uns auch um Verpflegung bemühten, da wir seit 24 Stunden nichts bekommen hatten. Wir wurden schließlich in ein Lokal nicht weit von der Wilhelmsaue verwiesen, wo wir aber auch nichts bekommen konnten und nur eine etwas längere Rast machten. Von dort zogen wir wieder zurück zum Bahnhof Wilmersdorf, wo wir in dem Gewölbe der Eingangshalle blieben, bis uns schwere Granateinschläge auf das Gewölbe und von dessen Eingängen veranlaßten, die Stellung zu wechseln und uns seitwärts nach der Straßenunterführung im Zuge der Prinzregentenstraße zu ziehen. Hier blieben wir einige Zeit in einem Hauseingang und in der Unterführung. Als dort (nicht bei unserer Abteilung) Verluste durch Verwundung und Tod erfolgten, kam der Zug beim Abtransport von Verwundeten auseinander. Ich blieb allein mit Herrn H. zurück. Bis zum Abend waren wir auf der Suche nach Wiederanschluß (bis zur Stenzelstraße)64 und kehrten schließlich nach der alten Stellung zurück, wo wir einige Kameraden links von der Prinzregentenstraße bei der Besetzung des Bahndammes fanden. Der seit einiger Zeit einsetzende Regen war nicht gerade angenehm. Dr. B. (aus Schlageterstr. 1)65 und ich wurden als Streife 62 63 64 65
Berliner Chronik, S. 40. Kriegstagebuch, S. 1268 f. Stenzelstraße, heute Blissestraße in Berlin-Friedenau bzw. Wilmersdorf. Schlageterstraße, heute Spinozastraße in Bеrlin-Steglitz.
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hinter dem Bahndamm zur Beobachtung des rückwärtigen Geländes eingesetzt. Deutsche Granatwerfer schossen über den Bahndamm auf den Feind, Eine zu kurz gehende Granate schlug in die Kuppe des Bahndammes ein; es gab mehrere Verwundete und, wie ich nachher hörte, auch Tote (darunter, wie sich später herausstellte, Dr. A.), Dr. B. und ich brachten den verwundeten Hauptmann zu einer Verbandsstelle im Gebäude des Kali (oder Stickstoff-)Syndikats66, da wir das eigentliche Lazarett in der Dunkelheit verfehlten. Die freundliche Küchenschwester stärkte uns mit einem Teller Kaninchenragout oder -suppe, das erste Warme seit 48 Stunden!, und wies uns endlich ein kleines Zimmer im Erdgeschoß zur Ruhe an, wo wir über Nacht bleiben wollten, da wir (besonders Dr. B.) ziemlich am Ende unserer Kräfte waren. Dr. B. legte sich auf einen Liegestuhl, ich auf ein etwas kurzes Sofa. Im gleichen Zimmer nächtigte noch der Hauswart. Sonnabend, den 28. April 1945 Lage: Generaloberst Bersarin wird nach der Besetzung weiterer Stadtteile zum Chef der sowjetischen Besatzungstruppen und zum Stadtkommandanten ernannt. Die Verwaltung in den einzelnen Stadtbezirken übernehmen militärische Bezirks- und Revierkommandanturen67. – Wehrmachtsbericht: Während in einem in der neuen Geschichte einmaligen, grandiosen Ringen die Hauptstadt verteidigt wird, haben unsere Truppen an der Elbe den Amerikanern den Rücken gekehrt, um von außen her im Angriff die Verteidiger von Berlin zu entlasten. In den inneren Verteidigungsring ist der Feind von Norden her in Charlottenburg und von Süden her über das Tempelhofer Feld eingebrochen. Am Halleschen Tor, am Schlesischen Bahnhof und am Alexanderplatz hat der Kampf um den Stadtkern begonnen. Die Ost-West-Achse liegt unter schwerem Feuer68. Als dieser (sc. der Hauswart) sich gegen 5 Uhr erhob, stöhnte Dr. B. ziemlich laut wie in schweren Träumen, ohne daß wir das sehr beachteten. Ich schlief, ermüdet wie ich war, noch 1 bis 2 Stunden weiter. Als ich dann aufstand, wunderte ich mich, daß trotz heftigen Artillerie- oder Fliegerbeschusses Dr. B. sich gar nicht rührte. Ich vernahm auch keine Atemzüge, trat näher und fand ihn tot, offenbar um 5 Uhr an Herzschlag gestorben. Ich machte nun im Hause Anzeige bei einer im Bunker zufällig anwesenden Ärztin und beim Hausverwalter, fand aber nirgends Neigung, sich mit der Angelegenheit zu befassen. Ich mußte mich schließlich damit begnügen, die Sachen von Dr. B. in seinem mit Namen versehenen Rucksack zusammenzupacken und die Leiche mit Hilfe des Hauswarts auf einer Decke auf dem Fußboden zu betten; die Erkennungsmarke des Volkssturms (rosa) steckte ich sichtbar in die äußere Brusttasche des Toten. Dann begab ich mich auf die Suche nach einer Dienststelle, der ich Meldung von dem Todesfall machen könnte, und nach Anschluß an eine Kampfgruppe. Beides gelang zunächst nicht, da die Gegend bereits zum Kampfgebiet zu werden begann. Bei einer Schöneberger Volkssturmabteilung, bei der ich mich erst meldete, hatte man keine Zeit mehr für dergleichen Dinge. Ich verließ sie daher, nach einem gemeinsamen Sprung über einen großen offenen Hof, bald und fand schließlich Aufnahme bei dem Zug B. 3 / 307 (Lankwitz), bei dem ich überraschender Weise Rohr69 traf. Nach kurzem Aufenthalt in einer Wohnung an der Freiherr-vom-Stein-Straße rückten wir ab zur Verstärkung der Besatzung einer Straßensperre in der Innsbruckerstraße nahe dem Bayeri66 67 68 69
Gebäude des Kali-Syndikats Berlin. Berliner Chronik, S. 41. Kriegstagebuch, S. 1269 f. Henning / Wegeleben, Archivare 1924 – 1974, S. 174.
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schen Platz. Von 3 Uhr ab wurden wir zusammen mit Leuten einer Panzerpionierabteilung zur Besetzung der Häuserfront an der Martin-Luther-Straße – Ecke Wartburgstraße gegenüber dem Wartburgplatz eingesetzt. Nach schwerem feindlichen Beschuß (zwei Granateinschläge in die Hausfront, während Rohr und ich im Hauseingang auf Posten standen) gingen wir gegen Abend durch die Hinterhäuser und Höfe auf die Berchtesgadenerstraße zurück. Über Nacht bezog ich mit 3 Mann einen Beobachtungsposten in dem Eckhause Berchtesgadener-und Wartburgstraße, 1. Treppe, wo wir uns paarweise stündlich in der Beobachtung ablösten. Sonntag, den 29. April 1945 Lage: Die letzte Ausgabe der deutschen Frontzeitung ‚Der Panzerbär‘ erscheint. Der sowjetische Bezirkskommandant setzt einen Bezirksbürgermeister für Berlin-Neukölln ein. Die elektrische Stromversorgung in Berlin-Karlshorst wird wieder aufgenommen70. – Wehrmachtsbericht: Tag und Nacht tobte der fanatische Häuserkampf um den Stadtkern von Berlin … Ein weiteres Vordringen des Feindes (konnte) in einzelnen Stadtteilen nicht verhindert werden. Längs der Potsdamer Straße und am Belle-Alliance-Platz sind heftige Straßenkämpfe im Gange. Von Plötzensee aus zwängte sich der Gegner bis zur Spree durch71. Um 9 Uhr morgens des 29. 4. unter feindlichem MG-Beschuß weiteres Absetzen durch Hinterhäuser und Höfe sowie über unter Feuer liegende Straßen, wobei wir einen Toten (von den Panzerpionieren) verloren, bis zum Bayerischen Platz, wo wir in der Ecke Grunewaldstraße in Stellung gingen. Als ich dort meinen zuständigen Bataillonsführer aus Steglitz (3 / 306) mit seinem Adjutanten zufällig traf, meldete ich mich bei ihm zurück, trennte mich mit aufrichtigem Bedauern vom Zug B., wo man mir in kameradschaftlicher Weise entgegengekommen war, und schloß mich meinem alten Steglitzer Volkssturm wieder an, dessen Bataillonsgefechtsstand Ecke Grunewald / Münchenerstraße war, während die 2. Kompanie (K.) Berchtesgadener- / Ecke Rosenheimerstraße lag. Nachmittags standen wir Ecke Grunewald- / Münchenerstraße. Gegen Abend bezogen wir nach kurzer Rast in einem als Unterkunftsraum dienenden Kellerlokal in der Meraner Straße, wo uns die Inhaber reichlich mit Wasser und Fruchtsaft erquickten, ein Quartier in der gleichen Straße, dicht hinter einer Panzersperre an der Bozenerstraße, deren Besatzung wir verstärken sollten. In einem leidlich bequemen Sessel fand ich einige Stunden Schlaf. Montag, den 30. April 1945 Lage: Selbstmord Adolf Hitlers im Bunker der Reichskanzlei. Sowjetische Truppen hissen die rote Fahne auf dem Reichstagsgebäude. Der sowjetische Bezirkskommandant ernennt einen Bezirksbürgermeister von Tempelhof und einen Bürgermeister des Ortsteils Marienfelde72. – Wehrmachtsbericht: In erbitterten Häuser- und Straßenkämpfen halten Truppen aller Wehrmachtsteile, Hitlerjugend und Volkssturm den Stadtkern – ein leuchtendes Sinnbild deutschen Heldentums. Der am Anhalter Bahnhof, entlang der Potsdamer Straße und in Schöneberg eingebrochene Feind wurde von den tapferen Verteidigern zum Stehen gebracht. Fliegende Verbände warfen unter aufopferungsvollem Einsatz der Besatzungen erneut Munition über der Stadt ab73. 70 71 72 73
Berliner Chronik, S. 41 Kriegstagebuch, S. 1271. Berliner Chronik, S. 41. Kriegstagebuch, S. 1272.
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Ehe ich zum Wacheinsatz kam wurden wir am Montag, 30. 4. 1945 morgens 2 Uhr alarmiert und marschierten zur Pariser Straße, wo wir zunächst in einem Kino eine mehrstündige Ruhepause (aber mit Fliegerangriffen) hatten. Zwischen 9 und 10 Uhr rückten wir dann zur Besetzung einer Straßensperre in der Landhausstraße ab, wo beiderseits heftig geschossen wurde. Da ich ohne eigenes Gewehr war (mein ziemlich mangelhaftes italienisches oder französisches Gewehr hatte ich bei Gelegenheit abgeben müssen) und nur ein paar italienische Handgranaten hatte, so daß ich nur bei einem mittelbaren Angriff auf die besetzte Barrikade mich hätte betätigen können, wurde ich sehr bald als Melder zwischen Kompanie und Bataillon eingeteilt und begleitete als solcher den Bataillonsführer auf einem Rundgang zu den sämtlichen vom Bataillon besetzten Stellungen (entlang Kaiserallee74 bis zum Nikolsburger Platz). Zurück zur Kompanie an der Landhausstraße-Barrikade, wo inzwischen blutige Verluste eingetreten waren. Mehrere Tote lagen hinter der Barrikade, einem davon war das ganze Obergesicht und die Schädeldecke abgerissen! Mit dem Kompanieführer K. zur Güntzelstraße, wo uns das Anrollen feindlicher Panzer auf der Kaiserallee gemeldet wurde. Wir gingen an der Ecke Kaiserallee in einem offenen Ladenraum in Stellung. Während wir beide Feuerschutz bildeten, wurden 2 Panzerfäuste, auf 2 sich nähernde Panzer geschossen, die dadurch zum Stehen gebracht wurden. Der vordere davon brannte mit hoher Flamme vollständig aus. Während ich danach auf einem Meldegang unterwegs war, wurde Kompanieführer K. beim Vorgehen durch die Höfe zur Bekämpfung der ausgestiegenen Mannschaft der Panzer im Gesicht verwundet. Ich sah und sprach ihn gerade noch, als er in dem Gefechtsstand (Friseurgeschäft!) Ecke Güntzel- / Landhausstraße verbunden wurde, und übernahm sein Gewehr 98 bis zu seiner Rückkehr aus dem Lazarett. (Dazu ist es nicht mehr gekommen, K. ist an einem der folgenden Tage, als er sich nach Hause durchschlagen wollte, in der Zimmermannstraße75 von den Russen gestellt und erschossen worden.) Auch der Bataillonsführer war inzwischen verwundet (Beinschuß) und in das Lazarett am Nikolsburger Platz gebracht worden. Unsere Führung übernahm der Führer der ersten Kompanie G. Zunächst blieben wir noch an der Ecke Güntzel- / Landhausstraße, zogen uns dann in den Nachmittagsstunden aber zusammen mit Wehrmachtsteilen zum Hohenzollernplatz hinüber, wo wir erst an der Südseite bei der Kirche und dann weiter westlich in Stellung gingen, um feindliche Panzer, die von der Kaiserallee aus herüberkamen, aufzuhalten. Dann zogen wir uns durch Hinterhäuser und Höfe nach der Ecke Hohenzollerndamm / Uhlandstraße zurück. Hier wurde ich (neben dem M.’schen Hause)76 zusammen mit einem Wehrmachtsgefreiten (F.) als Beobachtungsposten (Richtung U-Bahn) hinter Schutthaufen vor ausgebrannten Ladenräumen aufgestellt. Dort blieben wir die ganze Nacht ohne Ablösung, beobachteten das Anrollen feindlicher Panzer, die aber am Ostrande des Hohenzollernplatzes hielten (oder nach Norden abschwenkten, und den Brand mehrerer Häuser (dicht an der Ecke Fasanenstraße). In den späteren Nachtstunden lösten wir uns gegenseitig stündlich ab, so daß einer von uns beiden immer auf einem Stuhl etwas einnicken konnte. Gegen Morgen standen wir eine Weile an der Ecke der Uhlandstraße auf Posten. Inzwischen waren unsere Volkssturmleute, ohne uns zu benachrichtigen, abgerückt. Wir 2 waren allein bei der Wehrmachtsformation zurückgeblieben, wo man auf uns aber offenbar keinen Wert legte.
Kaiserallee, heute Bundesallee. Gemeint ist die Zimmermannstraße in Berlin-Steglitz. 76 Im Hause Hohenzollemdamm 17 in Berlin-Wilmersdoгf pгaktizierte der Нausarzt der Familie Lüdicke, Herr Dr. M. 74 75
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Dienstag, den 1. Mai 1945 Lage: Selbstmord des Gauleiters der NSDAP und Verteidigungskommissars von Berlin, Dr. Joseph Goebbels, im Bunker der Reichskanzlei. Der sowjetische Bezirkskommandant setzt einen Bezirksbürgermeister von Reinickendorf ein77. – Wehrmachtsbericht: Im Stadtkern von Berlin verteidigt sich die tapfere Besatzung um unseren Führer geschart auf verengtem Raum gegen die bolschewistische Übermacht. Unter schwerstem feindlichem Artilleriefeuer und rollenden Luftangriffen dauert das heroische Ringen an78. Wir fanden uns dann wieder zum Volkssturm zurück und zu meinem Bataillon 3 / 306 (Steglitz), das mit anderen Volkssturmeinheiten am Fehrbelliner Platz lag. Dort wurde aus uns eine neue Kompanie G. gebildet, deren 1. Zug (S.) ich zugeteilt wurde. Dieser bezog nun in den Vormittagsstunden des 1. Mai 1945 eine Auffang- und Beobachtungsstellung an der Pommerschen- / Ecke Wittelsbacherstraße. Wir waren im Luftschutzkeller eines Häuserblocks untergebracht, der einen ziemlich großen etwa quadratischen Hof umgab. Von einem Hauseingang an der Ecke hatten wir einen ziemlich unbehinderten Blick über einen freien Teil des Fehrbelliner Platzes und rechts davon anschließendes Parkgelände; links befand sich in nicht sehr großer Entfernung ein größerer Gebäudekomplex (Lazarett). Gegen Mittag übernahm ich mit einem anderen Kameraden (aus Lankwitz) den Beobachtungs- und Streifenpostendienst an jenem Hauseingang. Bei einer gemeinsamen Streife bis zur Ecke des Lazaretts war mir eigentlich zum ersten Mal in diesen Tagen etwas bänglich zu Mute. Es ging dabei über ziemlich deckungsloses Gelände, das mit abgeschossenen Baumästen u. dgl. übersät war; auch einige Tote lagen noch dort. Bei der Rückkehr mußten wir infolge einsetzenden feindlichen Beschusses in Deckungslöcher. Schon in den Vormittagsstunden hatte unser Häuserblock unter Artilleriefeuer gelegen, dessen Einschläge auch im Keller sehr spürbar waren. Jetzt in den frühen Nachmittagsstunden setzte dieses Artilleriefeuer wieder ein. Infolgedessen trat ich zusammen mit dem Zugführer S., um Deckung gegen Sprengstücke zu haben, in den Hauseingang zurück, während ein Melder hinter einem Baum links vor dem Eingang noch weiter beobachtete. Gleich darauf schlug eine Granate unmittelbar vor dem offenen Hauseingang ein. Der Zugführer und der Melder waren sofort tot. Mir, der ich etwas seitwärts (links) hinter dem Türpfeiler stand, wurde ein Gemisch von Stein- und Granatsplittern ins Gesicht geschleudert, so daß ich zunächst halb betäubt in die Knie sank und glaubte, daß die Augen verloren seien, über die das Blut herunterlief. Als ich wieder ganz zur Besinnung kam, konnte ich ohne Hilfe aufstehen, durch den Blutschleier einige Wahrnehmungen machen, so daß ich schon den Eindruck gewann, daß die Augen selbst nicht völlig vernichtet waren. Herbeigerufene Kameraden führten mich in den Keller hinunter, wo mir 2 Rote-Kreuz-Helferinnen, die zufällig da waren, einen ersten Notverband anlegten. Als dann gleich darauf der Zug die bisherige Stellung räumte, wurde ich von mehreren Verwundeten, die sich inzwischen eingefunden hatten, zu dem oben erwähnten Lazarett mitgenommen. Es war kein sehr angenehmer Weg über das freie deckungslose Gelände, auf dem allerlei Hindernisse (abgeschossene Zweige, Draht u. dgl.) herumlagen, die ich nicht sehen konnte, weil mir beide Augen durch den Verband zugebunden waren; dabei trieben meine Begleiter aus begreiflichen Gründen zur Eile. In dem Lazarett konnten wir nicht mehr aufgenommen werden – es war überfüllt oder sollte geräumt werden – und wurden weiter gewiesen durch die Untergrundbahn (Bahnhof Fehrbelliner Platz) zu einem anderen Lazarett (Karstadt)79. Hier versicherte mir der im Aufnahmeraum verbindende Arzt 77 78
Berliner Chronik, S. 42. Kriegstagebuch, S. 1273.
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sofort, daß die beiden Augen selbst unverletzt seien und alles wieder gut werden würde. Ein Verband wurde nur noch über das rechte Auge gelegt, das linke freigelassen. Über Nacht sollte ich im Lazarett bleiben und wurde in den Bunker hinuntergebracht, wo in einem bisher leeren Raum Bettgestelle mit Strohsäcken aufgestellt wurden. Ich deckte mich mit meiner eigenen Decke zu (der alten bunten Decke, die Tante Marie H. uns zur Hochzeit geschenkt hatte). Ich erhielt auch einen Napf mit Erbsensuppe, wobei sich herausstellte, daß mein eigener Emaille-Eßnapf völlig durchlöchert war ebenso wie die Decke und der Rucksack; den letzteren hatte ich bei Antritt meiner letzten Wache ab- und in dem Hauseingang niedergelegt, wo er von den Sprengstücken der einschlagenden Granate stärker getroffen worden war. In den Abend- und ersten Nachstunden habe ich dann ohne wesentliche Schmerzen hingedämmert, auch wohl richtig geschlafen, da ich in den letzten Nächten kaum wirklich Ruhe mehr gehabt hatte. Mittwoch, den 2. Mai 1945 Lage: Sprengung des S-Bahn-Tunnels unter dem Landwehrkanal. Die deutschen Truppen strecken die Waffen. Der deutsche Stadtkommandant, General Weidling, unterzeichnet in Berlin-Tempelhof die ihm vom sowjetischen Armeegeneral Tschuikow vorgelegte Kapitulationsurkunde. Tagesbefehl Stalins: Berlin ist vollständig erobert80. – Wehrmachtsbericht: An der Spitze der heldenmütigen Verteidiger ist der Führer gefallen81. Von dem Willen beseelt, sein Volk und Europa vor der Vernichtung durch den Bolschewismus zu erretten, hat er sein Leben geopfert. Dieses Vorbild, getreu bis zum Tode, ist für alle Soldaten verpflichtend. Die Reste der tapferen Besatzung von Berlin kämpfen im Regierungsviertel, in einzelnen Kampfgruppen aufgespalten, erbittert weiter82. Gegen Morgen gingen die Schwestern mit dem Ruf ‚Munition! Munition!‘ durch die Räume und forderten unter Hinweis auf die beginnende Besetzung des Lazaretts durch die Russen zu sofortiger Abgabe von Munition und Waffen auf, die bei Lazarettinsassen nicht mehr gefunden werden dürften. Bald erschienen nun auch die Russen, traten an jedes Bett und verlangten von jedem ‚Pistolet‘ und ‚Uri‘. Schweren Herzens trennte ich mich von meiner alten goldenen Uhr mit der silbernen Kette, die mir meine Frau zur silbernen Hochzeit geschenkt hat, und gab auch die Armbanduhr ab, die ich von dem verstorbene Dr. B. in Verwahrung genommen hatte, um sie seiner Familie zu bringen. Meinen Trauring und Siegelring streifte ich mit großer Mühe von den Fingern und tat sie in den Brustbeutel, worin ich sie in den nächsten Wochen bis zum Abzug der Russen verborgen behielt. Etwa zwischen 7 und 8 erhielten die gehfähigen Verwundeten von den Russen den Befehl, sich zum Abmarsch fertig zu machen. Wir traten im Hof des Lazaretts an. Meinen Stahlhelm ließ ich zurück und setzte die, wie ich später merkte, ziemlich zerfetzte blaue Mütze auf; die Volkssturmausweise und -papiere vernichtete ich mit Ausnahme meines Tagebuchs. Wir marschierten dann (über Bahnhof Schmargendorf) zur Kolonie Grunewald: unterwegs wurden uns noch einmal die Taschen revidiert und dabei mir meine kleine zusammenlegbare Schere (als gefährliches Werkzeug?!) abgenommen und fortgeworfen. In Kaufhaus Karstadt in Вerlin-Wilmersdorf, Berliner Straße 150. Berliner Chronik, S. 42. 81 Hitler starb bereits, siehe oben, am 30. April, 15.30 Uhr, vgl. Karl Dönitz, 10 Jahre und 10 Tage, Bonn 1958, S. 445; in den nach Mürwik durchgegebenen Nachrichten war der Selbstmord verschwiegen worden. 82 Kriegstagebuch, S. 1274. 79 80
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der Wangenheim (= Ecke Warmbrunner-)Straße wurde Halt gemacht und eine Einteilung zur Unterbringung in den benachbarten Häusern begonnen. Auf Zureden meiner Nachbarn meldete ich mich als auf der Straße verwundet und wurde ohne Weiteres entlassen. Ich ging dann zu Fuß über Schmargendorf und die Schorlemer Allee, wo ich R.83 und Fr(äu)l(ein) Dr. St.84 begrüßte, unbehelligt von mir begegnenden Russen, nach Hause. Auf der Straße vor dem Hause traf ich die Familie W.85, die mir über die Erlebnisse der Hausbewohner während der letzten Tage berichtete. Beim Eindringen der Russen (am 27. / 28. April) hatten sie sich unter dem Eindruck persönlicher Bedrohung entschlossen, das Haus zu verlassen, und hielten sich seitdem im Luftschutzkeller in der Königin-Luise-Straße (bei Dr. G.) auf. Das Haus Buggestraße 12a war, abgesehen von Fensterschäden, durch 2 Granattreffer beschädigt worden: der eine war in die Nordwand unseres Wohnzimmers gegangen, wo er fast ein mannshohes Loch in die Mauer gerissen hatte, der zweite hatte wenige Meter entfernt, die Nordwestecke des Daches (über unserem Wohnzimmer) getroffen, das Dachgebälk stark beschädigt und die Decke über unserem Wohnzimmer z. T. eingedrückt. Unsere Wohnung selbst war durch russische Eindringlinge stark verwüstet worden, die alle Schränke und sonstigen Behältnisse geöffnet oder erbrochen und den Inhalt in buntem Durcheinander auf dem Fußboden zerstreut hatten. Das gleiche Verfahren hatten sie in unserem Keller und im Luftschutzkeller angewendet; im Sonderraum neben der Waschküche war anscheinend nur die Bettenkiste aufgebrochen und einiges herausgerissen worden. Der dort in einer Zinkwanne eingelagerte Kartoffelvorrat war allerdings verschwunden; ebenso natürlich mein Fahrrad. Was sonst an Sachen abhanden gekommen ist, ließ sich im allgemeinen nicht genauer feststellen: vermißt wurde der größte Teil meiner Garderobe, fast alle Nahrungsmittelvorräte und der noch vorhanden gewesene kleine Weinbestand. An Möbeln war im Wohnzimmer das kleine Bücherregal (an der Nordwand) und ein Mahagoniestuhl gänzlich zertrümmert, der Bücherschrank eingedrückt, vom Sofa eine Ecke abgerissen, ein Sessel in die Diagonale gequetscht, alles durch den Granateinschlag; ein Splitter hatte die Wand der Küche durchschlagen und einiges Geschirr im Küchenschrank zertrümmert. Den Mahagonie-Sekretär meiner Frau hatte man mit Brechstangen in rohester Weise erbrochen und demoliert, ebenso wie die eine Ecke meines Schreibtischs. Verhältnismäßig am wenigstens hatte das Schlafzimmer gelitten. Die beiden Zimmer meiner Tochter Hilde bei Frau B. (1. Treppe) waren in ähnlichem Zustand wie unsere Wohnung; von den Möbeln nur der Nähtisch stärker beschädigt. Die ersten Tage nach meiner Rückkehr fand ich bei Rs. Unterkunft und Verpflegung, wo sich eine Wirtschaftsgemeinschaft zusammen mit Fr(äu)l(ein) Dr. St. und Fr(äu)l(ein) W. und dem Fr(äu)l(ein) M. von K. aufgetan hatte, während gleichzeitig im Erdgeschoß russische Offiziere einquartiert worden waren. Vom 5. Mai ab schlief ich wieder zu Hause und verpflegte vom 10. Mai ab mich dort auch vollständig allein, wobei mir die Familie F. im Erdgeschoß das Essen auf ihrem Herd wärmte, da ich zunächst weder elektrischen Strom noch Gas hatte. Am 3. Mai hatte ich mir auf der Rettungsstelle Schloßstraße 107 den Augenverband abnehmen lassen. Ein Augenarzt war zunächst nicht erreichbar. Erst am 1. Juni konnte ich Dr. F. (damals Schorlemer Allee) aufsuchen, der mir einen Granatsplitter aus der linken Augenhöhle entfernte, von dem ich in den letzten Tagen vorher empfindlicher belästigt worden Damals wohnhaft in Beгlin-Dahlem, Schorlemer Allee 36. Desgl., wohnhaft Schorlemer Allee 38. 85 Sie bewohnten die Parterre-Wohnung unter der Familie Lüdicke in Berlin-Steglitz, Buggestr. 12a. 83 84
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II. Teil
war. Das Geheime Staatsarchiv86 hatte ich am 3. Mai nachmittags zuerst aufgesucht und fand dort das Verwaltungsgebäude außen stark zerschossen und innen verwüstet; in meinem Zimmer war (genau wie in unserer Wohnung) alles erbrochen, die Sachen zusammen mit Schutt und Trümmern auf dem Fußboden verstreut, vieles auch gestohlen. Immerhin konnte aus dem Inhalt des im Kleiderschrank befindlich gewesenen Koffers einiges (vor allem Wäsche) geborgen werden. Sehr viel später fanden sich im Zimmer von Herrn Wentz sogar noch einige Silberbestecke aus dem Nachlaß meiner Schwester Anna (Eigentum meiner Tochter Edith), dagegen waren die im Keller des Magazingebäudes untergestellten Sachen dort restlos verbrannt, da beim Eindringen der Russen in diesem Keller in der Nacht vom 28. zum 29. April Feuer ausgebrochen war, durch das der südliche und mittlere Teil des Magazingebäudes vollständig ausbrannte. Im Geheimen Staatsarchiv setzten nun sehr bald die Aufräumungsarbeiten und der innere organisatorische Wiederaufbau ein. Zu Hause begann ich ebenfalls mit der Säuberung und Aufräumung in Wohnung und Keller, die ich in wochenlanger systematischer Arbeit unter Ausnutzung jeder freien Stunde durchführte. Ich ging in der Weise vor, daß ich zunächst Schutt und Schmutz beseitigte und alles vielleicht noch Nutzbare in die vorhandenen Schränke und sonstigen Behältnisse stopfte, dann die Räume besenrein machte, die Fenster mit Pappe vernagelte (Glas war nicht zu haben) und das Granatloch mit Steinen lose zusetzte. Bei der Ordnung und Wiedereinräumung der Bücher half mir Ediths Schülerin Brigitte F. Aus dem Luftschutzkeller wurden mit Ausnahme des kleinen Sofas alle Sachen herausgeschafft (Matratzen, Bücher und Regale in die Wohnung; Gerdas Tisch in das sogen. Geschäftszimmer, das eiserne Bett in unseren Keller). In den ersten Wochen nächtigte das Ehepaar F. bei mir, weil immer mit einem Eindringen von plündernden Russen gerechnet werden mußte, die auch zweimal nachts im Hause waren. Als Gegenleistung durfte ich bei F. mein Essen kochen, bis ich mich so einrichten konnte, daß ich mittags in Dahlem aß und die Nebenmahlzeiten auf dem elektrischen Kocher herrichtete. Morgens versorgten mich in den ersten Wochen erst Fs., dann Frau H. mit Kaffeeersatz. Erschwerend für die häusliche Wirtschaft war, daß bis zum 21. Mai weder in der Wohnung noch im Hause die Wasserleitung in Betrieb war, so daß ich das Wasser von einem Brunnen am Herdersportplatz holen mußte, was mir recht sauer fiel. Vom 22. Mai ab gab wenigstens die Leitung im Keller wieder Wasser, vom 6. Juni ab auch in der Wohnung, wenn auch zunächst nur spärlich. Anders herum regnete es bei verschiedenen Anlässen vom Dach her durch, vor allem in den beiden Wohnzimmern, einmal nachts auch im Schlafzimmer, bis endlich durch Herrn v. Sch. das Dach wieder dicht gemacht wurde. Seit dem 12. Juni gab es wieder regelmäßig Wasser in der Leitung, seit dem 13. Juni elektrischen Strom, so daß ich nun auf der Heizplatte meine Sachen selbst wärmen und kochen konnte. Gas allerdings gab es erst viel später (am 18. Oktober).
86 Über das Schicksal des Geheimen Staatsarchivs und seiner Bestände, vgl. Gerhard Ritter, Ergebnis meiner Archivreise nach Berlin, 11. – 18. 10. 1950, in: Der Archivar 4 (1951), Sp. 49 – 55; Walter Nissen, Das Schicksal der ausgelagerten Bestände des Preußischen Geheimen Staatsarchivs und des Brandenburgisch-Preußischen Haus-Archivs und ihr heutiger Zustand, in: Archivalische Zeitschrift 49 (1954), S. 139 – 150; Hans Bellée, Der Ausgang des Preußischen Geheimen Staatsarchivs, in: Der Archivar 7 (1954), Sp. 23 – 30; Gerhard Zimmermann, Das Hauptarchiv (ehemal. Preußisches Geheimes Staatsarchiv) in den ersten Nachkriegsjahren, in: Der Archivar 8 (1955) S. 173 – 180; Eckart Henning, 50 Jahre Geheimes Staatsarchiv in Berlin-Dahlem – 100 Jahre seit seiner Vereinigung mit dem Ministerialarchiv (mit 6 Abb.), in: Jahrbuch für brandenburgische Landesgeschichte 25 (1974), S. 154 – 174, hier bes. S. 169 ff.
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Nachträglich ist mir natürlich klar geworden, daß diese ganzen Kämpfe um und in Berlin einer wohl bereits rettungslos verlorenen Sache gegolten haben. In jenen Tagen selbst hatte man einerseits nicht viel Muße, sich solche Gedanken zu machen, und wurde andererseits durch allerlei Nachrichten über nahenden Entsatz getäuscht. Trotzdem bereue ich auch jetzt noch keinen Augenblick, daß ich bis zuletzt meine Pflicht getan habe, buchstäblich bis zur Kampfunfähigkeit. So hat die Erinnerung an meine Beteiligung keinen bitteren Nachgeschmack für mich. Abgeschlossen am 25. Oktober 1945. Reinhard Lüdicke“
Gottfried Wentz, „ein Stiefkind des Glücks?“ (1878 –1945)* Unter den Archivaren, die als Gelehrte Grundlegendes für die Geschichtsschreibung der Mark Brandenburg geleistet haben, steht der viel zu früh verstorbene Kirchenhistoriker Gottfried Wentz an vorderster Stelle. Zu würdigen ist er aber nicht nur als Bearbeiter der Germania sacra und der Hanserezesse, sondern auch als Hüter zweier gefährdeter Institutionen in schwerer Zeit: Als Vertrauter des hochbetagten Paul Kehr war er zuletzt der „eigentliche Geschäftsführer des Kaiser-Wilhelm-Instituts für Deutsche Geschichte“1 und als kommissarischer Direktor des Preußischen Geheimen Staatsarchivs der letzte Leiter dieser „gebildetsten und vornehmsten Behörde des alten Preußen“2, ehe sie dann ein Jahr nach der Kapitulation zum „Hauptarchiv für Behördenakten“ (1946) degradiert wurde3. Gottfried Friedrich Albert Wentz entstammte einer süddeutschen Familie, wurde aber in Norddeutschland am 24. März 1894 in Lüchow im Wendland als Sohn des Leinen-Fabrikanten Ernst Otto Wentz und seiner Ehefrau Helene Ludwig geboren und wuchs dann in Wustrow, einem benachbarten Landstädtchen, auf. Südlich davon liegt die Altmark, wo er später in Salzwedel die Tochter des Superintendenten, Irmgard Moschütz4, heiraten sollte (1926), die ihm zwei Kinder gebar, Brigitte (1931) und Dietrich (1934).
* Erstdruck unter dem Titel: Gottfried Wentz – „ein Stiefkind des Glücks?“. Zu den Brandenburg-Bänden der Germania Sacra, ihrem Bearbeiter und dem Kaiser-Wilhelm-Institut für Deutsche Geschichte, in: Dahlemer Archivgespräche 12 (2007), S. 11 – 23, mit 1 Abbildung. 1 Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz, Berlin-Dahlem, künftig zit. GStA PK, I. Hauptabt., Rep. 178, Nr. 3263, Bl. 15 und Nachruf von Georg Winter, Gottfried Wentz, in: Der Archivar 5 ( 1952), Sp. 40 – 47, hier Sp. 46. Vgl. auch Eckart Henning / Christel Wegeleben, Archivare beim Geheimen Staatsarchiv in der Berliner Kloster- und Neuen Friedrichstraße 1874 – 1924, in: Jahrbuch für brandenburgische Landesgeschichte 29 (1978), S. 25 – 61, zu Kehr S. 48 und Wentz S. 60 (zit. Henning / Wegeleben, Archivare I). 2 Schreiben von Wolfgang A. Mommsen, Präsident des Bundesarchivs von 1967 – 1972, vom 15. Februar 1976 an den Verf. mit einem Rückblick auf seine Dienstzeit beim Preußischen Geheimen Staatsarchiv in Berlin-Dahlem und dem Brandenburg-Preußischen Hausarchiv in Berlin-Charlottenburg in den dreißiger Jahren, vgl. dazu auch Eckart Henning / Christel Wegeleben, Archivare beim Geheimen Staatsarchiv in Berlin-Dahlem 1924 – 1974, in: Jahrbuch für brandenburgische Landesgeschichte 27 (1976), S. 155 – 178, hier S. 172 (zit. Henning / Wegeleben, Archivare II). 3 Eckart Henning, 50 Jahre Geheimes Staatsarchiv in Berlin-Dahlem – 100 Jahre seit seiner Vereinigung mit dem Ministerialarchiv, in: Jahrbuch für brandenburgische Landesgeschichte 25 (1974), S. 154 – 174, hier S. 173.
Gottfried Wentz, „ein Stiefkind des Glücks?“ (1878 –1945)
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Doch nicht am Gymnasium in Salzwedel, sondern im berühmteren Johanneum in Lüneburg hat Wentz (ab Quinta) seine Schulbildung empfangen, wo er auch mit der hansischen Vergangenheit der Salzstadt vertraut gemacht wurde. Nach dem Abitur zu Ostern 1913 studierte er ab 1. April 1913 an der Tübinger Universität Geschichte und deutsche Philologie und trat einer Burschenschaft bei, doch endete sein Studium bereits nach drei Semestern am 31. Juli 1914 mit Ausbruch des Ersten Weltkriegs. Wentz meldete sich, wie die meisten jungen Leute seiner Generation, freiwillig zu den Waffen und zwar zu dem in Lüneburg stehenden Dragonerregiment Nr. 16. Er erwarb, zuletzt als Bataillonsadjutant des Infanterieregiments Nr. 167, im Kriege das Eiserne Kreuz II. und I. Klasse und behielt auch, nachdem er am 12. Mai 1919 als Leutnant aus dem Militärdienst entlassen wurde, im späteren Zivilleben etwas von der „Drahtigkeit des Kavalleristen“5. Nun galt es für Wentz, sein unterbrochenes Studium fortzusetzen, indem er ab 12. Mai 1919 für je zwei Semester die Göttinger, die junge Hamburger und die Berliner Universität bezog, wo er leider nicht mehr, wie beabsichtigt, bei dem so plötzlich in seiner Heimat Kärnten verstorbenen Michael Tangl promovieren konnte6, aber von Dietrich Schäfer mit einem selbstgewählten heimatgeschichtlichen Thema angenommen wurde. Diese im Dezember 1921 verteidigte und seinen Eltern gewidmete Arbeit über „Das Wirtschaftsleben des altmärkischen Klosters Diesdorf im ausgehenden Mittelalter“, die auf den Rechnungen einer geistlichen Grundherrschaft fußte, wurde mit „eximium“ beurteilt7. „Angesichts der ungeheuren Verteuerung der Druckkosten“ nahm er das Angebot der „Hansischen Geschichtsblätter“ (1923) und der „Forschungen zur Brandenburgischen und Preußischen Geschichte“ (1924) gern an, „gewisse Partien“ seiner Dissertation in ihre Zeitschriften zu übernehmen8. Schäfer sollte seinem Doktoranden, der ja nicht sein „Schüler“ war, fünf Jahre später noch die Weiterführung der seit 1913 stagnierenden Hanserezesse anvertrauen (1927), deren neubegründete vierte Reihe ab 1531 er in erstaunlich kurzer Zeit um zwei weitere Manuskriptbände vermehrte (doch leider nur einen davon noch – 1941 – gedruckt erlebte9); der Hansische Geschichtsverein be4 Meine biographischen Kenntnisse beruhen größtenteils auf Gesprächen mit der Witwe Wentz, die ich Anfang 1974 im dienstlichen Auftrag zwecks Übernahme des Nachlasses ihres Mannes ins Geheime Staatsarchiv aufsuchte, ehe sie von Berlin-Lichterfelde nach Düsseldorf übersiedelte, ferner auf dem Nachlaß selbst (GStA PK, VI. Hauptabt.: NL Gottfried Wentz) sowie einer schmalen Personalakte (wie Anm. 1). Vgl. auch Wolfgang Leesch, Die deutschen Archivare 1500 – 1945, Bd. 2, München 1992, S. 660. 5 Vgl. Winter (wie Anm. 1), Sp. 41. 6 Annekatrin Schaller, Michael Tangl (1861 – 1921) und seine Schule. Forschung und Lehre in den Historischen Hilfswissenschaften, Phil. Diss. HU-Berlin, Stuttgart 2001 (= Pallas Athene, 7). 7 Gottfried Wentz, Das Wirtschaftsleben des altmärkischen Klosters Diesdorf im ausgehenden Mittelalter. Zugleich ein Beitrag zur Geschichte der geistlichen Grundherrschaft aus den Klosterrechnungen des 14. und 15. Jahrhunderts, Phil. Diss. Berlin, Salzwedel 1922. 8 Gottfried Wentz, Das offene Land und die Hansestädte. Studien zur Wirtschaftsgeschichte des Klosters Diesdorf in der Altmark, in: Hansische Geschichtsblätter 28 (1923), S. 61 – 98, und ders., Gewerbe und Kloster. Zur Wirtschaftsgeschichte des Klosters Diesdorf, in: Forschungen zur Brandenburgischen und Preußischen Geschichte 36 (1924), S. 1 – 13.
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II. Teil
richtete jährlich von den Fortschritten des Werks durch Wentz, dessen Leistungsfähigkeit (und Zielstrebigkeit) ungewöhnlich war10. Anläßlich des 100. Geburtstages beschäftigte er sich auch mit dem Leben des Begründers der Rezesse, als er in Osnabrück den Rostocker Ratsarchivar Dr. Karl Koppmann (1939) würdigte, den er als Wahlverwandten zu empfinden schien: „Die Ungunst der äußeren Lebensumstände vermochten doch den festen Willen Koppmanns, es in seinem Fache zu einer beachtlichen Leistung zu bringen, nicht zu brechen“. Noch deutlicher scheint sich Wentz in dem 1905 gestorbenen Koppmann zu spiegeln, wenn er – wie unten zu verdeutlichen – ausführt: „Das Leben hat ihn um berechtigte Erwartungen betrogen. Gleichwohl, mag er uns auch als ein ,Stiefkind Gottes auf Erden‘ erscheinen, seine Leistung hebt ihn empor über die Widrigkeiten eines missgünstigen Schicksals“11. Aus der Arbeit an den hansischen Quellen, die ihn in viele Hansearchive, aber auch nach Kopenhagen und Reval führte, ging u. a. eine viel beachtete Studie über Jürgen Wullenwevers Prinzipat und die wendischen Städte hervor, die er auf dem Bremer Hansetag (1931) vortrug; darin schilderte ihn Wentz erstmals als „politischen Dilettanten, dem staatsmännische Fähigkeiten so gut wie völlig mangelten“12. Nach der durch den Krieg verspäteten Promotion verwarf Wentz – wohl aus wirtschaftlichen Gründen (nämlich infolge der „durch die Auswirkungen des verlorenen Krieges zerrütteten Vermögensverhältnisse meines Vaters“13) – den ihm unterbreiteten Vorschlag, einer Habilitation an der Berliner Universität und damit die Hochschullehrerlaufbahn. Vielmehr legte er zu seiner Absicherung noch das Staatsexamen für das höhere Lehramt in Geschichte und Deutsch (Hauptfächer), Latein und Erdkunde (Nebenfächer) ab. Auf Anregung Hermann Krabbos trat er am 1. Oktober 1922 als Volontär (= Archivreferendar) ins Preußische Geheime Staatsarchiv in Berlin ein, wo er durch seine Archivstudien über Diesdorf am Rechnungsbestand des Provinzialarchivs (Repositur 10) bereits bekannt war. Beim Archivumzug von Berlins Mitte nach Dahlem, ins „deutsche Oxford“, tat er sich besonders hervor und legte dort am 19. / 20. März 1924 erfolgreich die Archivaspirantenprüfung (= Assessorexamen) ab14. Schon als Volontär war Wentz dem Generaldirektor der preußischen Staatsarchive, Geheimrat Paul Kehr15, aufgefallen, der in Personalunion auch dem KaiserWilhelm-Institut für Deutsche Geschichte vorstand und ihn nun dafür auswählte, 9 Hanserezesse, 4. Abteilung, Bd. 1: 1531 – 1535 Juni, bearb. von Gottfried Wentz. Weimar 1941. Band 2 blieb wegen der Kriegsverhältnisse zu Lebzeiten von Wentz leider ungedruckt. 10 Nachruf von Johannes Bauermann, Gottfried Wentz, in: Hansische Geschichtsblätter 70 (1951), S. 105 – 107. 11 Gottfried Wentz, Karl Koppmann zum 100. Geburtstag, in: Hansische Geschichtsblätter 64 (1940), S. 88 – 110, hier S. 88 und 110. 12 Gottfried Wentz, Das Prinzipal Jürgen Wullenwevers und die wendischen Städte, in: Hansische Geschichtsblätter 56 (1932), S. 83 – 111, hier S. 110. 13 GStA PK, I. Hauptabt., Rep. 178, Nr. 3263, Bl. 14. 14 Winter (wie Anm. 1), Sp. 41. 15 Henning / Wegeleben, Archivare I (wie Anm. 1), S. 48.
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die Kirchenprovinz Magdeburg für die von diesem Institut geplante große historisch-statistische Edition der Germania sacra zu bearbeiten – eine wissenschaftliche Lebensaufgabe für einen Archivar von hohem Anspruch! Kehr ernannte Wentz bereits zehn Tage nach seiner Archivprüfung am 1. April 1924 zum (wissenschaftlichen) Archivhilfsarbeiter beim Geheimen Staatsarchiv und ordnete ihn schon im Sommer 1924 an das von ihm gleichfalls geleitete Preußische (später: Deutsche) Historische Institut in Rom ab. Am 1. Oktober 1925 bereits zum Archivassistenten ernannt, übertrug ihm Kehr dort vom 1. April bis 20. Juli 1926 noch die Geschäftsführung des Instituts16 (vgl. NL Nr. 1): Wentz nutzte seinen römischen Aufenthalt zu einer Studie über „Niedersachsen in Rom“ (192517), behandelte ein Breve Sixtus IV. an den Bischof Arnold von Brandenburg, als „der sittliche Verfall besonders des niederen Klerus teilweise erschreckende Formen“ annahm18, und beschrieb „Die Anfänge einer Geschichtsschreibung des Bistums Brandenburg“ (192719), während er schon eifrig Regesten aus den Vatikanischen Archiven anfertigte und den ersten Band „seiner“ Germania sacra vorbereitete. Nachdem Wentz 1927 ans Geheime Staatsarchiv nach Berlin zurückgekehrt war, ernannte ihn Kehr zum 1. Januar 1928 zum Staatsarchivrat. Schon im Jahre 1929 erschien der erste, gemeinsam mit dem Abteilungsdirektor der Preußischen Staatsbibliothek, Gustav Abb, bearbeitete, Adolf v. Harnack als Präsidenten der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft20 und besonderen Förderer des Kaiser-Wilhelm-Instituts für Deutsche Geschichte zum 78. Geburtstag am 7. Mai gewidmete Band der Kirchenprovinz Magdeburg21, der den I. Teil des Bistums Brandenburg mit 19 Stiftern und Klöstern der Diözese behandelte; als Institutsdirektor erklärte Kehr dazu einleitend: „Erst nach den schlimmen Jahren, die dem Kriege folgten, haben wir ernstlich an die Arbeit gehen können und den Versuch gewagt, die GStA PK, VI. Hauptabt., NL Wentz, Nr. 1. Gottfried Wentz, Niedersachsen in Rom. Aus den Konfraternitätsbüchern von Santa Maria dell’ Anima und San Spirito in Sassia, in: Zeitschrift des Vereins für Kirchengeschichte der Provinz Sachsen 21 (1925), S. 1 – 12. 18 Gottfried Wentz, Ein Breve Sixtus IV. an Bischof Arnold von Brandenburg, in: Zeitschrift des Vereins für Kirchengeschichte der Provinz Sachsen 22 (1926), S. 158 – 161. 19 Gottfried Wentz, Die Anfänge einer Geschichtsschreibung des Bistums Brandenburg, in: Forschungen zur Brandenburgischen und Preußischen Geschichte 39 (1927), S. 28 – 50. Behandelt Alphonse de Vignoles und Philipp Wilhelm Gercken, vgl. dazu auch Anm. 27. 20 Über Harnacks Tätigkeit als Präsident dieser Forschungsgesellschaft von 1911 – 1930 vgl. Eckart Henning / Marion Kazemi, Chronik der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften, Berlin 1988 (= Veröffentlichungen aus dem Archiv der Max-PlanckGesellschaft, 1), und dies., Die Harnack-Medaille der Kaiser-Wilhelm- / Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften 1924 – 2004. Berlin 2005 (= Veröffentlichungen aus dem Archiv der Max-Planck-Gesellschaft, 19). 21 Germania sacra: I. Abteilung: Die Bistümer der Kirchenprovinz Magdeburg, 1. Bd.: Das Bistum Brandenburg. Im Auftrage des Kaiser-Wilhelm-Instituts für Deutsche Geschichte bearb. von Gustav Abb und Gottfried Wentz, Berlin / Leipzig 1929. Vgl. Archiv der MaxPlanck-Gesellschaft, Berlin-Dahlem, I. Abt., Rep. 1A, Nr. 1679, Bl. 82: Verlagsvertrag für Wentz vom 25. 5. 1928. 16 17
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nach allen Richtungen hin durchgearbeiteten Materialien eines Bistums und seiner geistlichen Institute für den Druck fertigzustellen“22. Das Werk wurde von der Fachwelt mit höchster Anerkennung bedacht und blieb bis heute maßgeblich für die märkische Kirchengeschichte. Andere Studien von Wentz zum „Urkundenbestand des Bischofsarchivs in Wittstock“23, über „Die staatsrechtliche Stellung des Stifts Jerichow“24 sowie eine wichtige „Übersichtskarte der kirchlichen Einteilung der Mark Brandenburg und der angrenzenden Gebiete im Jahre 1500“ nebst einem Erläuterungsheft25 folgten noch im selben Jahr. Außer einer Familiengeschichte der Krautts26 (1926) und Lebensbildern über Philipp Wilhelm Gercken27, Samuel Lentz28 und Gerhard Cornelius v. Walrave29 (1928 – 1930) erschien 1930 eine vom Deichhauptmann Peter Friedrich Mengel geförderte „Geschichte des Oderbruchs“30, der Wentz 1931 eine vergleichende Untersuchung über „Havelberg, Jerichow und Broda“ in der Festschrift für Albert Brackmann31, eine Studie „Zur Geschichte des Mönchhofes Kotze“32 und die Veröffentlichung einer „Pfründenordnung des Havelberger Domkapitels“33 folgen ließ, ferner zweimal „Regesten aus dem Vaticanischen Archiv zur Kirchengeschichte der Mark Brandenburg“34 herausgab. Vorwort (wie Anm. 21), S. XIII. Gottfried Wentz, Der Urkundenbestand des Bischofsarchivs zu Wittstock nach einem Inventarfragment aus den Jahren 1476 – 1487, in: Archivalische Zeitschrift 38 (1929), S. 74 – 86. 24 Gottfried Wentz, Die staatsrechtliche Stellung des Stifts Jerichow, in: Sachsen und Anhalt 5 (1929), S. 266 – 299. 25 Übersichtskarte der kirchlichen Einteilung der Mark Brandenburg und der angrenzenden Gebiete im Jahre 1500 mit Erläuterungsheft, bearb. von Gottfried Wentz (= Historischer Atlas der Provinz Brandenburg, 1. Reihe: Kirchenkarten, Karte Nr. 1). 26 Gottfried Wentz, Die Familie Krautt in Berlin und Magdeburg (Beamte und Offiziere des preußischen Ancien regime), in: Forschungen zur Brandenburgischen und Preußischen Geschichte 38 (1926), S. 1 – 29 m. Stammtafel (S. 28). 27 Gottfried Wentz, Philipp Wilhelm Gercken, in: Mitteldeutsche Lebensbilder, Bd. 3, Magdeburg 1928, S. 24 – 45. 28 Gottfried Wentz, Samuel Lentz, in: Mitteldeutsche Lebensbilder, Bd. 4, Magdeburg 1929, S. 88 – 107. 29 Gottfried Wentz, Gerhard Cornelis von Walrave, in: Mitteldeutsche Lebensbilder, Bd. 5, Magdeburg 1930, S. 63 – 85. 30 Gottfried Wentz, Geschichte des Oderbruchs, in: P. E Mengel, Das Oderbruch. Eberswalde 1930, S. 85 – 238. 31 Gottfried Wentz, Havelberg, Jerichow und Broda. Probleme der märkischen Kirchengeschichte und Beiträge zu ihrer Lösung, in: Festschrift für Albert Brackmann, hrsg. von Leo Santifaller, Weimar 1931, S. 324 – 346. 32 Gottfried Wentz, Zur Geschichte des Mönchhofes Kotze, in: Jahrbuch des Vereins für Mecklenburgische Geschichte 95 (1931), S. 147 – 152. 33 Gottfried Wentz, Eine Pfründenordnung des Havelberger Domkapitels, in: Jahrbuch für brandenburgische Kirchengeschichte 26 (1931), S. 3 – 7. 34 Gottfried Wentz, Regesten aus dem Vaticanischen Archiv zur Kirchengeschichte der Mark Brandenburg und angrenzender Gebiete im Bereich der Diözesen Brandenburg und Havelberg, T. I: 1450 – 1499, in: Jahrbuch für brandenburgische Kirchengeschichte 26 (1931), S. 8 – 21, desgl. T. II: 1501 – 1540, in: ebd. 27 (1932), S. 3 – 23. 22 23
Gottfried Wentz, „ein Stiefkind des Glücks?“ (1878 –1945)
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Zum 1. Oktober 1931 ist Wentz dann von Albert Brackmann, Kehrs ältestem Schüler und seit 1929 Nachfolger als Generaldirektor der preußischen Staatsarchive35, vorläufig an das Staatsarchiv Magdeburg versetzt worden, um dort das Material der auf vier Bände veranschlagten Publikation der Germania sacra über das Erzstift Magdeburg und seine Diözese zusammenzutragen, doch wurde er schon 1936 ans Geheimen Staatsarchiv nach Berlin zurückgerufen. Immerhin ist in dieser Magdeburger Zeit der heute noch unverzichtbare, von Kehr abermals mit einer Einleitung versehene, aber von Wentz nunmehr ganz allein bearbeitete Band der Germania sacra über „Das Bistum Havelberg“ mit seinen 18 Stiftern, Klöstern und Komtureien der Diözese (1933) erschienen36. Ferner sind eine ganze Reihe von „Nebenprodukten“, nämlich eine Übersicht der „Quellen zur Ortsgeschichte der Altmark im Geheimen Staatsarchiv in Berlin-Dahlem“37 und drei Arbeiten über Salzwedel (davon zwei zum Augustinerchorherrenstift sowie eine über sein Stadtrecht) entstanden38, auch zwei kleinere Studien zum Winterfeldzug König Christian II. 153239 (in dänischer Sprache!) und über Adolf II. von Schauenburg40 (1934 / 35), schließlich eine – die Fülle seiner Kenntnisse verarbeitende – Karte über den „Geistlichen Grundbesitz in der Mark Brandenburg mit Stand von 1535“41; hinzuzurechnen sind noch zwei methodologische Arbeiten zur „Erbhofforschung und Bauernehrung“42 wie zum archivariHenning / Wegeleben, Archivare II (wie Anm. 2), S. 163 f. Germania sacra: I. Abteilung: Die Bistümer der Kirchenprovinz Magdeburg, 2. Bd.: Das Bistum Havelberg. Im Auftrage des Kaiser-Wilhelm-Instituts für Deutsche Geschichte bearb. von Gottfried Wentz. Einführung von Paul Kehr, S. VII – IX, Berlin / Leipzig 1933. Vgl. Verlagsvertrag für Wentz im Archiv Max-PlanckGesellschaft, I. Abt., Rep. 1A, Nr. 1680, Bl. 230 vom 13. Februar 1932, vgl. auch Bl. 212. 37 Gottfried Wentz, Die Quellen zur Ortsgeschichte der Altmark im Preußischen Geheimen Staatsarchiv in Berlin-Dahlem, in: Alte Mark 4 (1932), S. 1 – 18. 38 Gottfried Wentz, Urkundliche Beiträge zur Geschichte des Augustinerchorherrenstifts zum Heiligen Geist vor Salzwedel, in: Zeitschrift des Vereins für Kirchengeschichte der Provinz Sachsen und des Freistaates Anhalt 28 (1932), S. 64 – 85; ders., Die verlorenen Urkunden des Augustinerchorherrenstifts zum Heiligen Geist vor Salzwedel, in: ebd. 29 (1933), S. 59 – 78; ders., Das alte Recht der Stadt Salzwedel. Ein Versuch, in: Salzwedel, die alte Markgrafenund Hansestadt in der Altmark 1233 – 1933. Beiträge zur 700jährigen Stadtgeschichte, hrsg. von Friedrich Hartleb, Salzwedel 1933, S. 63 – 74. 39 Gottfried Wentz, Christian II’s Vinterfelttog i Vigen 1532, in: Dansk Historisk Tidsskrift, 10, Rackko III, 1934, S. 42 – 58. 40 Gottfried Wentz, Adolf II. von Schauenburg, in: Westfälische Lebensbilder, Bd. 5, Münster / W. 1935, S. 29 – 47. 41 Der geistliche Grundbesitz in der Mark Brandenburg und angrenzenden Gebieten um das Jahr 1535, bearb. von Gottfried Wentz (= Historischer Atlas der Provinz Brandenburg, 1. Reihe: Kirchenkarten, Karte Nr. 2, Bl. 1 – 3), vgl. Anm. 25. Wentz hat auch für den Mitteldeutschen Heimatatlas die Blätter 14 und 16 bearbeitet, nämlich die Karten der Bistümer und Archidiakonate im mitteldeutschen Raum um das Jahr 1500 und die politische Karte der später in der preußischen Provinz Sachsen vereinigten Gebiete im Jahre 1800 sowie der östlichen Departements des Königreichs Westfalen 1809 – 13. 42 Gottfried Wentz; Erbhofforschung und Bauernehrung. Probleme und Methode, in: Sachsen und Anhalt 11 (1934), S. 193 – 237. 35 36
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schen Dauerthema „Staatsarchiv und Familienforschung“ (1934 / 35). Darin heißt es: „Das von der nationalsozialistischen Staatsführung zur richtungsweisenden Norm erhobene Prinzip der Rasse und insonderheit der jeden einzelnen Volksgenossen treffende Zwang, sich über seine Abstammung von den Voreltern zu unterrichten …“, sehe der Verfasser „nicht ohne Besorgnis“, zumal es keinem Zweifel unterliegen könne, „dass die mit ernsthaftem Wollen und auf wissenschaftlicher Grundlage betriebene Genealogie infolge der Ausbreitung des familienkundlichen Interesses auf weiteste Volkskreise Gefahr läuft, nach und nach in die seichten Niederungen des Dilettantismus abzusinken“43. Der Grund, warum Wentz an das Geheime Staatsarchiv zurückgerufen wurde, obwohl er gern in Magdeburg geblieben wäre und auch später noch (vergeblich) „auf Möllenbergs Abgang“ wartete44, war der Tod von Studienrat Fritz Bünger. Der II. Teil des Bistums Brandenburg der Kirchenprovinz Magdeburg in der Germania sacra wäre nach dem Ableben dieses Bearbeiters wahrscheinlich unvollendet geblieben, wenn Wentz ihn nicht dadurch gerettet hätte, dass er das Material über alle 17 außermärkischen Institute gründlich überarbeitet und mit einem Generalregister zum 80. Geburtstag von Kehr am 28. Dezember 1940 noch herausgebracht hätte, da es ihm „nicht wie einst vor 25 Jahren im Weltkrieg vergönnt war, vor dem Feind im Felde zu stehen“45 (Vorwort, S. XI); den wichtigsten Teil nahm darin das Allerheiligen-Kollegiatstift und das mit Luther verbundene Kloster der Augustiner-Eremiten in Wittenberg ein46. Durch dieses wissenschaftliche Opfer blieb leider kriegsbedingt das eigene Manuskript von Wentz über die Nebenstifter des Magdeburger Hohen Doms – somit der erste Band der Magdeburger Reihe der Germania sacra – zu Lebzeiten des Bearbeiters unveröffentlicht liegen, ehe es Jahrzehnte später endlich aus dem Nachlaß (1972) durch Berent Schwineköper in zwei Teilen veröffentlicht werden konnte, wobei er mit Recht im „Bienenfleiß und Feuereifer [von Wentz] den eigentlichen Motor für die Durchführung der Kehrschen Pläne“ erblickte47. Nur die
43 Gottfried Wentz; Staatsarchiv und Familienforschung. Eine zeitgemäße Betrachtung, in: Sachsen und Anhalt 10 (1934), S. 1 – 29, hier S. 1. Übrigens hat sich Wentz auch heraldisch geäußert, aber nicht über Familienheraldik, sondern in seiner letzten zum Druck gebrachten Arbeit über „gemeindliche Wappenwesen“, in: Die Kulturverwaltung, Zeitschrift für gemeindliche Kulturpflege 5 (1942), S. 166 – 171. 44 GStA PK, VI. Hauptabt., Nachlaß Wentz, Nr. 2: Schreiben vom 22. November 1936 an Johannes Bauermann. 45 Germania sacra, I. Abteilung: Die Bistümer der Kirchenprovinz Magdeburg, 3. Bd., 2. Teil: Das Bistum Brandenburg, bearb. im Auftrage des Kaiser-Wilhelm-Instituts für Deutsche Geschichte von Fritz Bünger und Gottfried Wentz; Berlin / Leipzig 1941. 46 Vgl. dazu auch Gottfried Wentz, Luther in Zerbst, in: Geschichte des EIbe-Saale-Raumes. Festschrift für Walter Möllenberg, Burg 1939, S. 198 – 210. 47 Germania sacra, I. Abteilung: Die Bistümer der Kirchenprovinz Magdeburg, 1. Bd., 1. Teil: Das Domstift St. Moritz in Magdeburg, 2. Teil: Das Kollegiatstift St. Sebastian, St. Nicolai, St. Peter und Paul, St. Gangolf in Magdeburg, bearb. im Auftrage des Kaiser-WilhelmInstituts für Deutsche Geschichte von Gottfried Wentz, hrsg. für das Max-Planck-Institut für Geschichte von Berent Schwineköper, Berlin 1972, hier: S. V.
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Mitglieder des Domkapitels hatte Wentz 1936 vorab48, sowie weitere kleine Einzeluntersuchungen noch erscheinen lassen können49, während der eigentliche Band über das Domkapitel des Erzbistums – bis heute – unbearbeitet blieb. In einem Bericht über „Die Germania sacra des KaiserWilhelm-Instituts für Deutsche Geschichte“ für die „Blätter für deutsche Landesgeschichte“ (1941) konnte er aber noch seine Editionsprinzipien verteidigen, insbesondere seine viel ausführlichere Behandlung der norddeutschen Bistümer gegenüber den west- und süddeutschen Diözesen50. Das Interesse von Wentz war „durchaus auf die wissenschaftlichen Zwecke und Aufgaben des Archivdienstes gerichtet“51, doch zwangen ihn die Kriegsverhältnisse ab 1942 als neu ernannten Abteilungsleiter für die zentralen Bestände des Geheimen Staatsarchivs (und damit in der Nachfolge von Ernst Müller) mehr und mehr dazu, sich um Verwaltungsgeschäfte und Bergungsmaßnahmen zu kümmern. Außerdem wurde Wentz ab 1940 als Dozent vermehrt zu Ausbildungsaufgaben am Institut für Archivwissenschaft und geschichtswissenschaftliche Fortbildung herangezogen. Doch „weiter“ hat er es, dem es nicht an Selbst- oder Leistungsbewusstsein fehlte, nicht gebracht und so „hat es ihn bitter gestimmt, dass ihm in der dienstlichen Laufbahn keine sichtbaren Erfolge beschieden waren, dass sie zumindest immer wieder in die Ferne gerückt wurden“52. Der Grund dafür lag wohl in seiner Zugehörigkeit zur Loge „Johannes zum Wohle der Menschheit“ (1925 – 1933), in der sein Vater der letzte Meister vom Stuhl war. Als Hitler Reichskanzler wurde, trat der ehrgeizige Wentz in den „Stahlhelm“ ein, „um mich äußerlich irgendwie sichtbar in die neue Zeit einzureihen“53, doch wurden seine Mitglieder schon Anfang 1934 in die SA überführt54. Wentz wurde alsbald „wegen früherer Logenzugehörigkeit“ aus der SA entfernt und erhielt eine Bescheinigung über seinen „ehrenvollen Austritt“. Andernfalls, so schrieb er lakonisch, „wäre ich längst Pg.“, aber einfach „hinausgesetzt“, verbot ihm nun seine Offiziersehre, einen erneuten Aufnahmeantrag zu stellen55 (NL Nr. 3, Bl. 40, Schr. v. 25. 6. 1939). Er wäre wohl auch abschlägig beschieden worden, denn am 8. August 1935 berichtete der „Völkische Beob48 Gottfried Wentz, Der Mitgliederbestand des Magdeburger Domkapitels im Mittelalter, in: Magdeburger Geschichtsblätter 70 / 71 (1936), S. 170 – 194. 49 Gottfried Wentz, Die Kirche in der Altmark, Prignitz und Havelland in voraskanischer Zeit, in: Brandenburgische Jahrbücher H. 4 (1936), S. 41 – 48, m. Karte (S. 43); ders., Bischofs- und Domkapitelarchiv im Erzstift Magdeburg, in: Magdeburger Geschichtsblätter 74 / 75 (1939 / 41), S. 3 – 24. 50 Gottfried Wentz, Die Germania sacra des Kaiser-Wilhelm-Instituts für Deutsche Geschichte 86 (1941), S. 92 – 106. 51 Johannes Bauermann (wie Anm.10), S. 107. 52 Ib. 53 GStA PK, VI. Hauptabt., NL Wentz, Nr. 2, Bl. 61 (= Schreiben an seinen Freund Bock vom 26. Dezember 1933). 54 GStA PK VI. Hauptabt., NL Wentz, Nr. 3, Bl. 27. 55 Ib. Nr. 3, Bl. 40.
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achter“ über das Ende der Freimaurerei in Deutschland: „In der Erkenntnis, dass freimaurerischer Geist und das Ideengut des Nationalsozialismus unüberbrückbare Gegensätze darstellen …, lösten sich die Altpreußischen Logen auf“; man warf ihnen vor, eine „Jüdische Weltrepublik“ schaffen zu wollen. An Wentz’ Bekenntnis zum Christentum und zur Freimaurerei – aus seiner Loge war er bis zu deren Auflösung nicht ausgetreten – scheiterte sowohl seine Bewerbung um die Stelle des Staatsarchivdirektors in Bremen56 (1936) als auch mitten im Kriege ein ehrenvoller Ruf auf einen Lehrstuhl der Tübinger Universität57 sowie schließlich jede weitere Beförderung innerhalb der preußischen Archivverwaltung. Statt wissenschaftlicher Arbeit, die sich zum Schluß auf seine Rezensionsverpflichtungen in der „Historischen Zeitschrift“ (Rubrik: Deutsche Landschaften) und im „Deutschen Archiv für die Geschichte des Mittelalters“ beschränkte, nahmen Wentz ab 1943 / 44 im steigenden Umfang seine sonstigen amtlichen Pflichten in Anspruch, wobei er sich noch der Kartenabteilung widmete, die gesamte Findbuchproduktion des Geheimen Staatsarchivs organisierte und die Aktenauslagerung in die Salzbergwerke von Staßfurt und Schönebeck an der Elbe überwachte, schließlich gar zusätzlich das Haus- und Kassenreferat übernehmen musste, als der Personalbestand des Archivs kriegsbedingt immer mehr abnahm. Dieses fast übermenschliche Pensum bewältigte Wentz mit der ihm eigenen Energie und Geschwindigkeit, die in früheren Jahren auch seinen Chef im Kaiser-Wilhelm-Institut für Deutsche Geschichte, Geheimrat Kehr, ausgezeichnet hatten. Unter ihm war Wentz längst, wie eingangs vermerkt, zum Geschäftsführer dieses Instituts aufgestiegen: „Er war hier nicht nur die rechte Hand Paul Kehrs, der ja keinen Nachfolger gefunden hatte, sondern der Vertraute des alternden großen Meisters, der sich – bevor die Bombenangriffe ihn zum Verlassen Berlins zwangen – gern auch zu einem Vormittagsplauderstündchen bei Wentz im Dienstzimmer des Geheimen Staatsarchivs einstellte“58. Im Nachlaß Wentz wird diese enge Beziehung zu Kehr ganz deutlich, der zum 1. April 1936 zwar auch die Präsidentschaft der Monumenta Germaniae historica (umgewandelt in ein Reichsinstitut für ältere deutsche Geschichte) an seine ungeliebten Nachfolger Wilhelm Engel und Edmund E. Stengel abgab, aber die Leitung seines Instituts ab 1928 weiter kommissarisch bzw. „ehrenamtlich“ wahrnahm59, das bis zum 1. Oktober 1940 seinen Sitz im Ihnebau in der Charlotten-
Ib. Nr. 2, Bl. 50. GStA PK, I. Hauptabt., Rep. 178, Nr. 3263, Bl. 16 und Winter (wie Anm. 1), Sp. 46, der allerdings vermutete, dass „der Hochbewährte wohl trotz allem“ bei nächster Vakanz für die Stelle eines Staatsarchivdirektors vorgeschlagen worden wäre. 58 Winter (wie Anm.1), Sp. 46. 59 GStA PK VI. Hauptabt., NL. Wentz Nr. 7, Bl. 29, und Archiv der Max-Planck-Gesellschaft I. Abt., Rep. 1A, Nr. 1679, Bl. 6 (= Kehrs Bericht über sein Institut vom 12. August 1927), Bl. 119 (= Kehr als kommissarischer Institutsdirektor, Schreiben vom 10. Dezember 1928); Nr. 1680, Bl. 35 ff. (= Kehr an Präsident Carl Bosch vom 26. Juli 1938 u. Bl. 42 mit Bescheid Telschows), Bl. 43b (= Senatsbeschluß zur Vertagung vom 23. Mai 1939), Bl. 85 (= das Institut gibt seine der MGH benachbarten Räume in der Charlottenstraße auf). 56 57
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straße 41 (Berlin NW 7) behielt, dann aber von der Generalverwaltung der KaiserWilhelm-Gesellschaft im Schloß (Berlin C 2, Portal III) direkt betreut wurde. Diese Konstruktion erwies sich in den dreißiger Jahren auch für die Germania sacra noch als höchst erfolgreich, so dass der Senat der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft alle Nachfolgevorschläge Kehrs (für Heinrich Ritter v. Srbik / Wien oder K. A. v. Müller / München) dilatorisch behandelte bzw. mehrmals vertagte, bis es – auch kriegsbedingt – zu spät wurde; Kehr war nach seiner Blinddarmoperation am 12. Juli 1942 „doch recht bedenklich gealtert“60 und zog sich für seine letzten Lebensmonate ab Juli 1944 nach Franken auf Schloß Wässerndorf seines Schwiegersohnes zurück, wie seine Frau Doris Kehr geb. v. Baur bis zu seinem Tode am 10. November 1944 nach Berlin eingehend berichtete61. In diesen Jahren führte Wentz, unterstützt durch Marianne Reinold in der Generalverwaltung der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft, die Korrespondenz, wenn auch nach Rücksprache mit seinem häufig monatelang in Rom am Deutschen Historischen Institut weilenden Chef, verfasste die letzten Tätigkeitsberichte des Instituts in den Jahren 1942 und 1943 und begrüßte schriftlich beispielsweise selbst neue Mitarbeiter der Germania sacra, wie am 10. September 1941 Dr. Siegmund Freiherrn v. Poelnitz62, nur Zahlungen wurden noch weiter von Kehr persönlich abgezeichnet (so auch für Wentz, der für seine Arbeit an der Germania sacra vom 1. April 1942 – 31. März 1943 1.620,– RM erhielt63): Ein von ihm noch konzipierter Nachruf auf Kehr scheint leider unveröffentlicht geblieben zu sein64. Als der Zusammenbruch Deutschlands bereits für jedermann erkennbar war, ist Wentz im Februar 1945 in Berlin noch zum Volkssturm eingezogen worden. Genauere Kenntnis über seinen Einsatz – im Gegensatz zu dem seines älteren Kollegen Reinhard Lüdicke65 – fehlen. Aus den Aufzeichnungen des Buchbinders Paul Freudenberg geht hervor, dass Wentz am 26. April 1945 das Geheime Staatsarchiv einmal aufsuchte, um sich ein Bild von den Schäden zu machen; danach zeigte er sich „erschüttert über soviel Zerstörung“, dankte der verbliebenen Archivbesatzung für „treues Ausharren und äußerte die Hoffnung, dass wir mit vereinten Kräften alles wieder aufbauen werden“66. Tatsächlich überlebte Wentz das Kriegsende und begann erst unter Erich Randts, dann Georg Winters tatkräftiger Führung zu retten, GStA PK VI. Hauptabt., NL Wentz, Nr. 7, Bl. 34. Ib. Nr. 9, B1.15 ff. 62 Ib. Nr. 6, Bl. 50. Siegmund v. Poelnitz war der Bruder von Kehrs Schwager. Zu den Tätigkeitsberichten vgl. MPG-Archiv I. Abt., Rep. 1A, Nr. 1682. 63 Ib. Nr. 8, Bl. 61. 64 Ib. Nr. 8, Bl. 100 – 103. 65 Reinhard Lüdicke, Im Kampf um Berlin. Aufzeichnungen des Abteilungsleiters beim Preußischen Geheimen Staatsarchiv über seinen Volkssturm-Einsatz vom 20. April bis 2. Mai 1945, in: Archivmitteilungen 43 (1994), S. 119 – 128. 66 Eckart Henning, Das Preußische Geheime Staatsarchiv zwischen Krieg und Frieden, April – Mai 1945. Augenzeugenberichte von Joachim Lachmann und Paul Freudenberg, in: Archivarbeit für Preußen, hrsg. von Jürgen Kloosterhuis, Berlin 2000, S. 441 – 471, hier S. 456 f. (= Veröffentlichungen aus den Archiven Preußischer Kulturbesitz, Arbeitsberichte, 2). 60 61
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was zu retten war. Als beide aus politischen Gründen nacheinander die Leitung des Geheimen Staatsarchivs niederlegen mussten67, wurde sie schließlich kommissarisch am 18. Juli 1945 Wentz anvertraut68 – viel zu spät, um eine solche Laufbahnchance noch nutzen zu können: Gottfried Wentz starb bereits am 8. September 1945 nach kurzem Krankenhausauftenthalt in Berlin mit 51 Jahren an der Ruhr69, betrauert von allen nun wieder nach Dahlem zurückgekehrten Kollegen und Mitarbeitern, wie Freudenberg berichtete: „Ein unersetzlicher Verlust traf uns beim Wiederaufbau. Ein uns allen als aufrechter Demokrat bekannter, gerecht urteilender, mit hervorragenden Kenntnissen begabter wissenschaftlicher Mitarbeiter starb unerwartet. Herr Archivrat Dr. Wentz hat sich durch sein nachahmenswertes Verhalten, auch bei schwersten Luftangriffen und sonstigen Notständen, als wahrer Kamerad allen seinen Mitarbeitern gegenüber bewährt70. An den Schluß dieser biographischen Skizze stellen wir eine Wesensbeschreibung Georg Winters, seines Kollegen aus der Preußischen Archivverwaltung und späteren ersten Präsidenten des Bundesarchivs, der ihm auch die Grabrede gehalten hat: Wentz „war allerdings den reinen Verwaltungsaufgaben, so geschickt er sie zu meistern verstand, ebenso wie jedem äußeren Auftreten abhold. Jedoch hatte er bei aller bescheidenen Zurückhaltung eine große innere Selbständigkeit, Unabhängigkeit und wissenschaftliches Selbstbewusstsein gewonnen. In der äußeren Erscheinung und im persönlichen Umgang hatte er etwas von heimatlicher Eigenart. Er war nur mittelgroß und schlank, aber zäh und energisch. Sein schneller Schritt auf der Straße oder bei Sucharbeiten im Archivmagazin, der anderen den Atem rauben konnte, zeugte von seiner körperlichen Elastizität. Auf den ersten Blick konnte er als wortkarg und wenig mitteilsam, ja sogar unwirsch erscheinen. Aber bei näherer Bekanntschaft zeigten sich sein gemütvolles Innere, seine Geselligkeit, sein schöner Humor und die Neigung zu freundlich spöttelnder Ironie. Im Dienst war er von nüchterner Sachlichkeit. So hat er auch die archivalischen Fachprobleme, deren Erörterung im Dahlemer Kollegenkreise so oft die Geister erwärmte und miteinander verband, mehr praktisch-aktiv angepackt; seinem gesunden Menschenverstand lag weniger das Theoretisieren und Generalisieren“71. 67 GStA PK I. Hauptabt., Rep. 178 B, Nr. 3263 / PA), Bl. 8. Danach ist der parteilose Georg Winter wegen seiner Tätigkeit „als Sachbearbeiter für Archiv-, Bibliotheks- und Museumsangelegenheiten im Gebiet der Ukraine“ vom Berliner Magistrat als Leiter des Geheimen Staatsarchivs suspendiert worden. Vgl. zum Amtswechsel auch Eckart Henning: 50 Jahre (wie Anm. 19), S. 171. Die Behauptung von Johannes Schultze über Winters Mitgliedschaft in der NSDAP („Ich kann es jedoch beschwören, dass ich ihn bei einem meiner letzten Besuche im Geh. Staatsarchiv 1944 in seinem Dienstzimmer mit dem Parteiabzeichen am Rock gesehen habe“) scheint falsch zu sein, ist vom Beschuldigten energisch bestritten worden und ist Winter jedenfalls nicht nachzuweisen gewesen, vgl. J. Schultze, Meine Erinnerungen, im Auftrage des Autors hrsg. von Gerhard Knoll, Berlin 1976, S. 63 f. 68 GStA PK, I. Hauptabt., Rep. 178 B, Nr. 3263 (PA), Bl. 9. 69 Ib. Nr. 3263, Bl. 10 ff. 70 Freudenberg, zit. nach Henning (wie Anm. 66), S. 465. 71 Winter (wie Anm. 1), Sp. 46.
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Curriculum vitae Am 27. Januar 1940 in Berlin-Wilmersdorf geboren, besuchte ich öffentliche und private Schulen in Schleusingen / Thür. Wald und Berlin, wo ich 1961 ein Extraneerabitur ablegte. Anschließend studierte ich an den Universitäten in Berlin (FU), Wien und Marburg / L. Geschichte, Historische Hilfswissenschaften, Germanistik, Politologie und Philosophie. Nach dem (1.) Staatsexamen für das höhere Lehramt (1967) erwarb ich den Magistergrad / Germanistik (1968), bestand eine politologische Erweiterungsprüfung zum Staatsexamen (1969) und wurde zum Doktor der Philosophie / Geschichte (1980) promoviert. Vom Oktober 1967 bis Dezember 1969 war ich zunächst Hilfsassistent und Tutor, dann als Wissenschaftlicher Assistent eines Lehrstuhls für germanische und mittellateinische Philologie an der Freien Universität Berlin tätig. 1970 / 71 wurde ich als Archivreferendar nach Marburg / L. abgeordnet, wo ich das (2.) Staatsexamen für den höheren Archivdienst (1972) ablegte. Als Assessor des Archivwesens, 1972 / 75 als Archivrat und ab 1978 als Archivoberrat war ich Referatsleiter beim Geheimen Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz in Berlin-Dahlem mit besonderer Zuständigkeit für die preußischen Zentralbehörden und das Brandenburg-Preußische Hausarchiv. 1984 wurde ich zum Direktor des Archivs zur Geschichte der Max-Planck-Gesellschaft, ebenfalls in Dahlem, berufen, das ich bis 2006 geleitet habe, anschließend weiter als Chronist der Kaiser-Wilhelm- / Max-Planck-Gesellschaft (Werkvertrag) beschäftigt. Von 1986 – 1997 nahm ich einen Lehrauftrag für Archivkunde am Friedrich-Meinecke-Institut der Freien Universität Berlin wahr, seit 1990 auch am Institut für Geschichtswissenschaften der Humboldt-Universität zu Berlin, wo ich seit 1993 als Honorarprofessor Archivwissenschaft und Historische Hilfswissenschaften der Neuzeit lehre. Meine Arbeitsgebiete sind ferner die fränkisch-thüringische und brandenburg-preußische Landesgeschichte, die Archiv- und Wissenschaftsgeschichte des 19. / 20. Jahrhunderts. Als Herausgeber betreue ich das „Herold-Jahrbuch“ (1972 –1974 und seit 1996 mit Peter Bahl). Die Herausgebertätigkeit für die gleichfalls von mir begründeten „Veröffentlichungen aus dem Archiv zur Geschichte der Max-Planck-Gesellschaft“ (1988 – 2005, zuletzt mit Marion Kazemi ab 2000), der „Dahlemer Archivgespräche“ (1996 – 2005) und von „Pallas Athene“ (2002 – 2006 mit Rüdiger vom Bruch) endete 2006; vom „Jahrbuch für brandenburgische Landesgeschichte“ redigierte ich mehr als dreißig Bände (von 1978 – 2009, teilweise zusammen mit Werner Vogel, Wolfgang Neugebauer, Felix Escher und Lorenz Friedrich Beck). Dem Vorstand der Deutschen Arbeitsgemeinschaft genealogischer Verbände (DAGV) und dem des Herold, Verein für Heraldik, Genealogie und verwandte Wis-
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senschaften (u. a. als Sprecher seiner Fachgruppe „Historische Hilfswissenschaften“ und Mitglied des Herolds-Ausschusses für die Deutsche Wappenrolle) gehöre ich ebenso an, wie der Académie internationale d’Héraldique und der Académie international de Genealogie als ordentliches Mitglied. Kooptiert haben mich ferner die Historische Kommission zu Berlin, die Brandenburgische Historische Kommission sowie die Preußische Historische Kommission. Weitere wissenschaftliche Gesellschaften des In- und Auslandes haben mich zu ihrem Ehren-, Wahl- und Korrespondierenden Mitglied ernannt. Ausgezeichnet wurde ich mit dem Prix Amerlinck, der Fontane-Plakette, der Silbernen Johann-Christoph-Gatterer-Medaille, der Liechtenstein-Medaille und dem Prix de Bohus.
Im Aufsatzband nicht enthaltene Beiträge über Archivalien und Archivare Preußens 1974: GStA. Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz. Archivführer, Redaktion: E. H. und Cécile Lowenthal-Hensel. Berlin 1974, 84 S., Abb. Beiträge von E. H.: Zur Geschichte des Geheimen Staatsarchivs in den letzten hundert Jahren (1874 – 1974), S. 7 – 19; Zeittafel von den Anfängen bis in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts, S. 19 – 21; Preußisches Ministerium für Wissenschaft und Volksbildung, S. 29 – 30; Preußisches Staatsministerium, S. 32 – 33; Bestände des Brandenburg-Preußischen Hausarchivs, S. 43 – 44. 1974: Verabschiedung von Dr. Gerhard Zimmermann, Direktor des Geheimen Staatsarchivs Preußischer Kulturbesitz, in: Der Archivar 27 (1974), Sp. 479 – 480. 1975: Akten preußischer Lehrerbildungsanstalten im Geheimen Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz, in: Der Archivar 28 (1975), Sp. 334 – 335. 1976: Briefe und Tagebücher der Königin Luise im Brandenburg-Preußischen Hausarchiv. Zur 200. Wiederkehr ihres Geburtstages am 10. März 1976, in: Mitteilungen des Vereins für die Geschichte Berlins 72 (1976), S. 142 – 150 (m. Abb.). Nachgedr. in: Königin Luise von Preußen (1776 – 1810) und ihre Zeit. Katalog der Ausstellung des Stadtarchivs Mülheim a. d. Ruhr vom 9. 10. – 14. 11. 1976. Mülheim / R. 1976, S. 13 – 21. Darin neu: Äußerungen der Mit- und Nachwelt über Königin Luise, zusammengestellt von E. H., S. 22 – 37. 1976: Das Deutsche Kriegsstammbuch von 1870 – 1871, in: Archiv für Sippenforschung 42 (1976), S. 497 – 513, m. zahlr. Abb. 1977: Archivalien zur Geschichte des preußischen Regierungsbezirks Sigmaringen (1850 – 1945) im Geheimen Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz zu Berlin, in: Zeitschrift für Hohenzollerische Geschichte 100 (1977), S. 79 – 90. 1977: Berliner Archive, bearb. von E. H. et al., darunter Eintrag: Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz. Hrsg. von der Arbeitsgemeinschaft Berliner Archivare. Berlin 1977, S. 21 – 24; 2., erw. Aufl. 1980, S. 33 – 36; 3., erw. Aufl. 1983, S. 37 – 40; 4., erw. Aufl. 1992, S. 67 – 75. 1978: Akten zur Meteorologie im Geheimen Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz in Berlin, in: Meteorologische Rundschau 31 (1978), S. 95. 1978: Aus der Tätigkeit der Preußischen Staatsbauverwaltung in Pommern (1770 – 1809). Bearb. von E. H. auf der Grundlage eines amtlichen Berichts von Franz Jahn, in: Baltische Studien N. F. 64 (1978), S. 41 – 65.
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1978: Bismarck-Autographen im Geheimen Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz in Berlin, in: Mitteilungen des Vereins für die Geschichte Berlins 74 (1978), S. 453 – 454, m. Abb. 1979: Chronik des Märkischen Museums der Stadt Berlin. Nachgelassenes Manuskript von Walter Stengel, hrsg. von E. H., in: Jahrbuch für brandenburgische Landesgeschichte 75 (1979), S. 196 – 110, m. Bild. 1979: In memoriam Dr. Franz Jahn, in: Mitteilungen des Vereins für die Geschichte Berlins 75 (1979), S. 106 – 110, m. Bild u. Nachlaßbericht. 1980: David Gilly (1745 – 1808). Aus dem Nachlaß von Franz Jahn hrsg. u. für den Druck bearb. von E. H., in: Baltische Studien N.F. 66 (1980), S. 80 – 94, m. 16 Abb. 1980: Studien zur Baukunst Schinkels, I: Terrassenarchitektur, II: Entwürfe zum Stadtbild Berlins. Nachgelassenes Manuskript von Franz Jahn, hrsg. u. für den Druck bearb. von E. H., in: Jahrbuch für brandenburgische Landesgeschichte 31 (1980), S. 7 – 39, m. 11. Abb. 1980: Zur Verleihung bürgerlicher Wappen in Preußen. Ein vergebliches Immediatgesuch aus dem Jahre 1899, in: Festschrift zum 75. Geburtstag von Heinz F. Friederichs, hrsg. von Gerhard Geßner, Neustadt /Aisch 1980, S. 109 – 122, m. 2 Abb., nachgedr. in: Genealogisches Jahrbuch 20 (1980), S. 109 – 122. 1981: Zur Vorgeschichte des Schinkel-Museums. Eine unbekannte Denkschrift Ch. P. W. Beuths vom 24. November 1841, in: Mitteilungsblatt der Landesgeschichtlichen Vereinigung für die Mark Brandenburg 82 (1981), S. 17 – 21. 1982: Das Geheime Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz, in: Berlin-Archiv, hrsg. von H. Börsch-Supan / Hans-Werner Klünner, Braunschweig 1982, Nr. 5047. 1985: In memoriam Dr. Hans Branig (1905 – 1985). Mit Herzeleide Henning, in: Baltische Studien N.F. 71 (1985) S. 148 – 151, m. Bild. 1988: Althoffs Vermächtnis für Dahlem. Zur Erschließung des Domänenlandes für Staatsbauten. Nach einem unveröffentlichtem Plan vom 3. März 1908, hrsg., eingel. u. bearb. von E. H., Berlin 1988, 12 S. (= Domäne Dahlem. Aus Landgut u. Museum, 3). 1990: Der Herold und seine Bücher. Zur Bestandsgeschichte einer hilfswissenschaftlichen Spezialbibliothek in Berlin [im Geheimen Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz]. Von E. H., unter Mitarbeit von Petra Hauke und Gabriele Jochums, in: Bibliographie und Berichte. Festschrift für Werner Schochow, hrsg. von Hartmut Walravens, München 1990, S. 34 – 122. 2008: Adlers Fittiche. Wandlungen eines Wappenvogels [Zu einer Ausstellung des Geheimen Staatsarchivs Preußischer Kulturbesitz], in: Herold. Vierteljahresschrift N. F. 17 = Jg. 51 (2008), S. 358 – 364.
Im Aufsatzband nicht enthaltene Beiträge
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Alle sonstigen Arbeiten des Verf. zu den Historischen Hilfswissenschaften, zur Wissenschaftsgeschichte etc. sind ab 1967 im Schriftenverzeichnis zur Aufsatzsammlung: Auxilia historica, 2. Aufl., Köln 2004, S. 453 – 482 (chronologisch) und im Jahrbuch Wissenschaftsforschung 2000, S. 203 – 232 (systematisch) verzeichnet.
Personenregister Abb, Gustav 259 Achenbach, Philipp Heinrich 61 Adolf II. von Schauenburg 261 Ahlers, Olof 181 Albrecht Achilles, Kurfürst von Brandenburg 30 Albrecht Alkibiades, Markgraf von Brandenburg 54 Albrecht der Bär, Markgraf von Brandenburg 28 Alexander I., Zar von Rußland 77 Althoff, Friedrich 137 – 141, 144, 154, 158 f., 272 Alvensleben, Philipp Karl Graf von 72 Arnim, Georg Dietloff von 64 Arnold, Bischof von Brandenburg 259 Arnold, Karl Robert 149, 181, 224 August, Ferdinand 109 Bär, Max 148 Bahl, Peter 269 Bailleu, Paul 84, 90, 94, 143, 147, 149, 154 f., 161, 172, 182, 197, 214 f., 224, 233 Barfues, Johann Albrecht Graf von 58 Bartholdi, Christian Friedrich von 59 Bauermann, Johannes 116, 182, 220, 262 Beausobre, Isaac de 62 Beck, Lorenz Friedrich 269 Becker, Hansjörg 234 Becker, Kurt 182, 220 Becker, Ludwig 223 Beckmann, Bernhard Ludwig 66 Beckmann, Johann Christoph 60, 66 Beier, Reichardt 36 Bellée, Hans 26, 100, 110, 126, 182 f., 231 Benninghoven, Friedrich 183 Berg(e)mann, Johann Friedrich 66 – 69
Berger, Christian Gottfried (?) 62 Bergius, Johann 54 Berner, Ernst 183 Bernoulli, Johann 70 Bernstorff, Christian Günther Graf von 129, 171 Bersarin, Nikolai E. 248 Bethmann Hollweg, Theobald von 174 Beuth, Christian Peter Wilhelm 272 Beyme, Karl Friedrich von 78 Bier, Hermann 183 Bismarck-Schönhausen, Otto Graf von 87 – 89, 156,161, 170, 175, 272 Blaspiel, Werner Wilhelm von 43 Bleich, Johannes 183 Bliß, Ruth 102, 183 Bliß, Winfried 183 Blumenthal, Joachim Friedrich von 55 Bode, Wilhelm von 157 Böhme, Traugott 100 Börner, Johann Christoph 57, 59, 61, 64, 66 f. Boetticher, Karl Heinrich von 137, 140, 172 Bonhoeffer, Klaus 244 Borck(e), Caspar Wilhelm von 63, 64, 66 Borsche, Helene 222, 237 Borsche, Samuel Gottfried 222 Bosse, Robert 137 Brackmann, Albert 81, 85, 88, 96 4 f., 179, 184, 260 f. Brandi, Karl 93 Branig, Hans 102, 184 f., 220, 272 Braubach, Max 215 Braun, Otto 95-97, 179 Brenneke, Adolf 21, 23, 25 – 27, 85, 88, 97, 121, 147, 161, 185, 228 f., 235 Breysig, Kurt 144 Bronsart von Schellendorff, Walther 137 Bruch, Rüdiger vom 269
Personenregister Bünger, Fritz 262 Burckhardt, Jacob 207 Caemmerer, Hermann von 185 Cammin, Hermann 117, 119 Carl, Markgraf von Brandenburg 68 Carlyle, Thomas 160 Catt, Heinrich von 160 Cernitius, Johann 21, 36 – 39, 41, 44, 46, 51, 127 Choinsky, Walter 116 f., 119 Christian II. König von Dänemark 34, 257 Chuno d. Ä., Johann 56 – 59, 61, 64 Chuno d. J., Johann Jacob 64, 66 f. Cocceji, Samuel Freiherr von 59 Cochius, Hermann 59 Cosmar, Carl Wilhelm 73 Crome, August Friedrich Wilhelm 70 Danckelmann, Friedrich Carl von 56, 60, 66 Dehio, Ludwig 185 Delbrück, Hans 144 Deleuze de Lancizolle, Karl Wilhelm von 83, 88, 91, 134, 153, 156 Dieckhof, Dietrich 59, 67 Diestel, Heinrich Peter 22, 68, 71 f., 128 Diestelkamp, Adolf 186, 230 Diet(e)rich, Johann Ernst Vollrath 67 Dietmar / Dittmar (=Dithmar), Justus Christoph 62 Distelmeier, Christian 32 Distelmeier, Lampert 32 f. Doebener, Richard 186 Dohm, Christian Wilhelm von 69, 74, 77 Dohna, Christoph Graf zu 25 Dove, Alfred 144, 162 Droysen, Gustav 143 Droysen, Hans 160 Droysen, Johann Gustav 88 f., 142 – 144, 161 Dülfer, Kurt 186 Dümmler, Ernst 139 – 142, 158 Duncker, Max 83 f., 88 – 91, 134, 164, 186 f. Eck(ha)ert, Stephan 54 Eichel, Friedrich August 66 Enders, Gerhart 147 Engel, Wilhelm 264
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Erhardt, Louis 164, 187, 224 Ernst, Markgraf von Brandenburg 42 Escher, Felix 269 Fäsch, Johann David 69 Feige, Rudolf 187 Ferdinand, Herzog von Braunschweig 72 Finke, Karl 188 Fontane, Theodor 229, 236 Forstreuter, Kurt 188, 220 Franke, Johann 38, 44 Franz I., Kaiser von Österreich 77 Frederichs, Johannes 188 Freudenberg, Berta 120 Freudenberg, Paul 13, 100, 105 – 126, 265 f. Friederichs, Heinz F. 272 Friedländer, Ernst 188 Friedländer, Gottlieb 90 f., 188 f. Friedrich, Bischof von Lebus 31 Friedrich I., Kurfürst von Brandenburg 29 f., 34, 37, 60, 89, 127 Friedrich I., König in Preußen 55, 58 – 60, 63, 89, 128 Friedrich II., Kurfürst von Brandenburg 29, 31, 89, 127, 165 Friedrich II., König von Preußen 10, 21 f., 65 – 70, 72, 75 – 77, 98, 128, 141, 143, 157 – 160, 168, 236 Friedrich III., Deutscher Kaiser 88, 187 Friedrich III., Römisch-deutscher Kaiser 31 Friedrich Wilhelm, Kurfürst von Brandenburg 11, 26, 33, 37, 40 – 57, 60, 65, 78 f., 157 Friedrich Wilhelm I., König in Preußen 22, 25, 59 – 65, 128 Friedrich Wilhelm II., König von Preußen 22, 70 – 72, 75, 128 Friedrich Wilhelm III., König von Preußen 72 – 79, 170 f. Friedrich Wilhelm IV., König von Preußen 160 Fritz(e), Petrus 54 Froben, Friedrich Emanuel von 66 Fuchs, Johann Heinrich von 58 Gause, Christian Philipp 63, 66 f., 69 Gentz, Friedrich von 215
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Personenregister
Georg Friedrich, Markgraf von Brandenburg 34 Georg Wilhelm, Kurfürst von Brandenburg 36 f., 39, 49, 54 Gercken, Philipp Wilhelm 28, 70, 259 Giesebrecht, Wilhelm von 160 Gilly, David 272 Ginsberg, Fritz 189 Goebbels, Joseph 251 Göring, Hermann 105 Görling, Johann 50-52 Götzen, Sigismund von 43 Gol(d)teisen, Georg Conrad 50 – 52 Gollmert, Louis 10, 11, 189 Gollub, Hermann 189 Gossler, Gustav von 72 Graber, Erich 189 Gramsch, Bernhard 24, 80, 88 Granier, Friedrich 190 Granier, Hermann 190 Grieshammer, Werner 190 Grünenberg, Konrad 98 Grumbkow, Friedrich Wilhelm von 160 Gundling, Jacob Paul von 61, 63 Gutbier, Ewald 190 Hagemann, Arnold 190 f. Hahn, Adalbert 191 Hahn, Georg 36 Hammerstein, Ernst von 137 Hamrath, Friedrich 59 Hardenberg, Karl August Freiherr (Fürst) von 24 – 26, 76, 78, 81, 87 f., 128, 134, 147, 156, 171, 224, 229, 240 Harless, Woldemar 191 Harnack, Adolf von 157, 159, 259 Hartmann, Friedrich 55 – 57, 59, 61 Hassel, Paul 91, 137, 143, 191 H(a)ucke, Christoph Ernst 63 Haugwitz, Christian Graf von 75, 128 Haushofer, Albrecht 244 Hegert, Anton 191 f., 226 Hein (=Heim), A. 78 Hein, Max 192 Heinemann, Otto von 149 Hendr(e)ich, Christoph 55 Henning, Eckart 8, 192, 268 – 270 Henning, Herzeleide 9
Herhusius, Johann 34 Herrmann, Klaus-Jürgen 192 Hertefeld, Jobst Gerhard von 49, 54 Her(t)zberg, Ewald Friedrich Graf von 22, 65 – 71, 73, 128 Heßler, Wolfgang 112 – 114, 116, 118 f., 124, 192 Hildesheim, Augustin 34 Hilse, Otto 116 Hinrichs, Carl 164 f., 192 f. Hintze, Otto 113, 144, 155, 162 Hitler, Adolf 118 f., 249, 252, 263 Höfer, Ludwig Franz 78, 128 Höfler, Johann Heinrich August 69 f. Hölzner, Mathias 55 Hoffmann, Ernst 193, 220 Hofmeister, Adolf 223 Hohenlohe-Schillingsfürst, Chlodwig Fürst zu 137, 140 – 142, 161, 204, 206 Holder-Egger, Oswald 158, 223 Hoppe, Willy 226 Hoverbeck, Johann von 48 Howeck, Heinrich 127 Hoym, Karl Georg von 76 Hübner, Joachim 34, 47 Hütte, Maria 223, 238 Humbert, Georg 137 – 139 Hundertmark, Andreas 66 Ilgen, Heinrich Rüdiger 61 f., 66 f., 69 Ilgen d. J., Heinrich Rötger von 64, 67 Jahn, Franz 271 f. Jan, Helmut von 193, 220 Jena, Gottfried von 53 f. Joachim I., Kurfürst von Brandenburg 31 f., 34, 48 Joachim II., Kurfürst von Brandenburg 29, 32, 48, 61, 127 Joachim Friedrich, Kurfürst von Brandenburg 33, 49, 127 Johann, Kurfürst von Brandenburg 31 Johann, Markgraf von Brandenburg(-Küstrin) 32 Johann Cicero, Markgraf von Brandenburg 31 Johann Georg, Kurfürst von Brandenburg 21, 33 f., 48
Personenregister Johann Moritz, Fürst von Nassau-Siegen 51 Johann Sigismund Kurfürst von Brandenburg 35, 42 Kaeber, Ernst 193, 239 Käker, Günter 194 Kahlen, Martin 71 – 73, 75, 77 f. Kaiser, Lisa 116, 194, 231 Kannegießer, Karl 142 Karl IV., Römisch-deutscher Kaiser 29 f., 98, 223, 237 Kausche, Dietrich 194 Kazemi, Marion 269 Kehr, Doris 265 Kehr, Paul Fridolin 84 f., 87, 90, 93, 95 – 97, 134, 170, 177 – 179, 194 f., 224, 240, 256, 258 f., 261 f., 264 f. Keller, Ludwig 149, 195 Kenkel, Carl Friedrich Wilhelm 70, 73, 75, 78 Kettwig, Wolfgang 32 Keudell, Franz Freiherr von 181 Kießling, Gustav 142 Kittel, Erich 195, 230 Klaatsch, Eduard Friedrich 78 Klaproth, Christian August Ludwig 69 – 73, 75 – 77 Kleist, Ewald von 33 Klewitz, Wilhelm Anton von 78 Klinkenborg, Melle 9, 21, 26 f., 85, 92, 94, 127, 149, 161, 196 Kloosterhuis, Jürgen 8 f., 11 Kluge, Johann Daniel 68 f., 71 Knesebeck, Levin von dem 39, 43 f. Knesebeck, Thomas von dem 41 Kochendörffer, Heinrich 228, 241 König, Anton Balthasar 77 König, Joseph 196, 220 Koennecke, Gustav 93 Kohl, Andreas 39, 45 Kohlmann, Karl 149, 196 Kohte, Wolfgang 196 Kolb-Wartenberg, Johann Kasimir Graf von 58 Koppmann, Karl 258 Koschewnikow, Alexej J. (?) 26 Koser, Bernhard 145 Koser, Elisabeth 144
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Koser, Marie 145 Koser, Otto 145, 196 Koser, Reinhold 8, 10, 13, 84, 93 f., 133 – 163, 168, 170, 172, 174, 179, 197, 224, 240 Krabbo, Hermann 197, 258 Krause, Johann Friedrich 61 Krauske, Otto 144, 222 Kraut(t), Johann Andreas von 89, 260 Kretzschmar, Hellmut 197 f. Kretzschmar, Johannes 198 Krusch, Bruno 198 Kühne, Ulrich 198 Kuhn, Ernst Wilhelm 74 Kutzsch, Gerhard 198 f., 220 Kypke, Johann Christoph 68, 69, 70 Lachmann, Joachim 13, 104 – 106, 109, 124, 199, 220, 231 Lamprecht, Karl 142 Lancizolle siehe Deleuze de Lancizolle Lang, Karl H. Ritter von 25, 87 Langenhain, Erasmus 21, 34 – 38, 127 f. Lau, Friedrich 26, 199 Ledebur, Ernst Freiherr von 199 Leesch, Wolfgang 9 f. Lehmann, Max 91, 138 f., 141, 144, 147, 159, 160, 199 f. Lehmann, Rudolf 241 Leibniz, Gottfried Wilhelm 58 Lentz, Samuel 260 Lenz, Max 138 Letkemann, Peter 200 Lichnowsky 35 Lith, Johann Conrad von der 61, 66 – 69 Löben, Georg von 34 f. Löfen 63 Loewe, Victor 200 f. Lombard, Johann Wilhelm von 75 Lorenz, Ottokar 142 Lowenthal-Hensel, Cécile 200, 220 Lubenow, Herwig 200 Ludewig, Johann Peter von 28, 65 Ludwig, Helene 256 Lüderitz, Alexander Ludwig von 38 Lüdicke, Edith 223, 238, 242 f., 254 Lüdicke, Gerda 223, 238, 242 Lüdicke, Hilde 223, 238, 242, 253
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Personenregister
Lüdicke, Max 221, 237 Lüdicke, Reinhard 10, 13, 93, 104, 107, 121, 124 f., 149, 151, 182, 200 f., 221 – 255, 265 Luise, Königin von Preußen 233, 271 Luther, Martin 262 Märcker, Traugott 88 Magirus, Johann 21, 53, 55 f., 60, 128 Manstein, Hermann Johann Ernst von 70 Marcks, Erich 161, 214 Marschall, Samuel von 61 Martiny, Rudolf 149, 201 Mathias(s), Michael 31, 40 Maupertuis, Pierre Louis Moreau de 160 Maximilian, Herzog von Bayern 215 Maximilian I., Römisch-deutscher Kaiser 31, 56 Meinardus, Otto 201 Meinecke, Friedrich 7, 26, 144, 162, 187, 200 – 202, 214, 224 Meinert, Hermann 202, 220 Meisner, Heinrich Otto 93, 97 f., 202 f. Mengel, Peter Friedrich 260 Menthe, Otto 153 Merx, Otto 203 Mesnil, Herbert du 111 Metternich, Clemens Wenzel Fürst von 61 Meyer, Eugen 203 Meyer-Rodehüser, Hermann 199 Miquel, Johannes von 137, 139 f., 145 Mittelberger, Herta 204 Moderhack, Richard 204, 220 Möllenberg, Walter 262 Mommsen, Theodor 142, 158 Mommsen, Wolfgang 9, 204, 220, 228, 230, 256 Morré, Franz 204 Moschütz, Irmgard 256 Müller, Ernst 98, 204 f., 222 f., 225 f., 238, 241, 263 Müller, Friedrich Wilhelm 66 f. Müller, Johannes von 75 Müller, Karl Alexander von 162, 265 Müller, Wolfgang 205 Müsebeck, Ernst 149, 205 Naudé, Albert 144 Neugebauer, Wolfgang 269
Nicol, Johannes 111 Nicol, Sophie 111, 116 Nicolai, Friedrich 70, 74 Nissen, Walter 205 Nitzsch, Karl Wilhelm 143, 161 Oehlert, Ferdinand 71, 75, 77 Ohnsorge, Werner 205 Otto, Erzbischof von Magdeburg 31 Otto I., Römisch-deutscher Kaiser 27 Overmann, Alfred 206 Paczkowski, Josef 206 Papritz, Johannes 9, 206, 220 Patkul, Johann Reinhold 70 Pauli, Karl Gustav Theodor 76 Perels, Ernst 223 Petermann, Werner 102 Petersdorff, Hermann von 206 f. Pflugk-Harttung, Julius von 26, 137, 149, 207 Philippi, Friedrich 207 f., 222 Pischel, Wolf-Reinhard 208 Podewils, Heinrich Graf von 63 f., 66 Poelnitz, Siegmund Freiherr von 265 Posner, Ernst 9, 27, 98, 113, 208, 220, 229 Posner, Max 143, 208 Preuss, Johann David Erdmann 160 Preuss, Sabine 208 Pruckmann, Friedrich 35 f., 39, 42 – 44, 46 Pufendorf, Samuel Freiherr von 56 Quentin, Philipp Albrecht 63 Raitt, Johann Eberhard 63 Randt, Erich 86, 100, 105 f., 121, 124 – 126, 208 f., 230 f., 244, 265 Ranke, Leopold von 88, 159, 161, 182, 199, 214 Rauch, Christian Daniel 167 f. Raumer, Georg Wilhelm von 9, 13, 21 f., 24 – 27, 78, 82 f., 134 Raumer, Hermann von 24 Raumer, Karl Georg von 24 f., 77, 79, 81 f., 134 Recke, Hermann von der 56 Reck(e), Johann Theodor von der 137, 223 Reimari, Balthasar Friedrich 67 – 69 Reinold, Marianne 265
Personenregister Reitemeier, Johann Friedrich 70, 73 Reuter, Bruno 209 Rhaden, Lucius von 33 Rheinbaben, Georg Freiherr von 135, 138 Rhode, Marcus 63 Rieckenberg, Heinrich 209 Riedel, Adolf Friedrich 88 Rohr, Wilhelm 209, 249 Rosenberg, Wilhelm von 34 Royé, Wilhelm Adrian 61, 63 Rudolph II., Römisch-deutscher Kaiser 34 Rühs, Friedrich 78 Sack, Johann August 76 Saenger, Erna 111 Salzer, Ernst 209 Sattler, Karl 84, 94, 137 – 140, 145, 171 f., 209 f., 224, 226 Saup(p)e, Jonas 42, 54 Sayn-Wittgenstein, Wilhelm Fürst zu 128, 171 Scha(a)rdius, Conrad 52 f. Schäfer, Dietrich 158, 257 Scharnow, Friedrich 229 Schaus, Emil 210 Schieffer, Theodor 210 Schiemann, Theodor 210 Schill, Ferdinand von 225 Schiller, Friedrich 232, 235, 244 Schinkel, Karl Friedrich 272 Schlieben, Adam von 34 Schliemann, Heinrich 142 Schlüter, Joachim Andreas 68 f., 72 f., 75 Schmeidler, Bernhard 223, 240 Schmettau, Friedrich Wilhelm von 59, 61 Schmoller, Gustav 135, 138 f., 141 f., 161 Schnath, Georg 9, 210 f., 220 Schneppenhorst, Ernst 244 Schönebeck, Christoph 21, 27, 34 f., 39, 41 – 52, 90, 127 f. Schönfeld, Friedrich Wilhelm 50, 52 f., 55 f. Schönfeld, Wilhelm Ludwig 56 f. Schönstedt, Karl Heinrich 137 Schöttgen, Christian 62 Schoockius, Martin 52 Schottmüller, Kurt 26, 211 Schricker, August 161 Schroeder, Johann Karl von 211, 220
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Schubert, Hans 211 Schuch 110 Schulte, Johann 54, 56 Schultze, Joachim 54 Schultze, Johannes 9, 81, 162, 165, 211 f., 225 – 227, 231 f., 237, 266 Schulze, Berthold 102, 212, 226, 231 Schwarzenberg, Adam Graf von 38, 40, 42, 55 Schwerin, Otto Graf von 47 f., 51, 53 Schwineköper, Berent 147, 212, 262 Seidel, Erasmus 55 Sello, Georg 212 f. Senning, Friedrich Wilhelm 59, 63, 66 Senning, Ludwig 57, 59 Sickel, Theodor 93, 194 Sigismund, Markgraf von Brandenburg 38 Skalweit, Stefan 9, 213, 232 Sophie von Brandenburg 34 Spangenberg, Hans 213 Spiess, Philipp Ernst 69 Spiker, Samuel Benedikt 68 Spinoza, Baruch 11 Srbik, Heinrich Ritter von 265 Staehle, Wilhelm 244 Stalin, Josef W. 252 Steck, Johann Christoph von 72 Stegemann, Bernd 213 Stein, Eitelwolf von 31 Stein zum Altenstein, Karl vom 78, 156 Steiner, Karl 245 Stengel, Edmund E. 264 Stengel, Walter 272 Stephan, Walther 213 Stix, Franz 213 Stolmeister 37 Stosch, Bartholomeus 54 Stoschius, Carl 57 Striepe, Jacob Ludwig 63 Struckmann, Johann Caspar 87, 214 Stuckar(d)t, Wilhelm 106 Sturm, Johann Sigismund von 56 Stutz, Ulrich 226 Suhr, Wilhelm 214 Sybel, Heinrich von 83, 89 – 91, 134 f., 137 – 141, 143, 145, 147, 154, 157, 175, 179, 199, 214 f.
280
Personenregister
Tangl, Michael 93, 143, 155, 161, 223 f., 240, 257 Taschenberg, Caspar 42, 52 Thielen, Karl von 137 Thierfelder, Hildegard 215, 220 Thimme, Hans 216 Thulemeier, Wilhelm Heinrich 22, 61 – 64, 128 Tornow, Johann 39 Treitschke, Heinrich von 89, 144, 157, 159, 161, 215, 225 Tschuikow, Wassili I. 252 Tzschoppe, Gustav Adolf von 25, 79, 81 f., 134 Vaupel, Rudolf 216 Völker, Rupert 56 Vogel, Werner 216, 269 Vollmer, Bernhard 216 Voltaire, Marie François Arouet de 160 Voss, Johann Ernst von 67 Voss, Sophie Gräfin von 156 Wagner, A(ugust)? 77 Waldenfels, Georg von 166 Walrave, Gerhard Cornelius von 260 Warschauer, Adolf 153, 216 f. Wegeleben, Christel 9, 13, 164, 217 Weidling, Helmuth 252 Weinleben, Johann 32 f. Weise, Erich 217, 228, 241 Wendland, Ulrich 100, 107, 122, 126, 217, 230, 233
Wentz, Brigitte 256 Wentz, Dietrich 256 Wentz, Ernst Otto 256 Wentz, Gottfried 8, 10, 13, 100, 107, 116, 121 f., 124, 126, 217 f., 226, 228, 230 f., 233, 254, 256 – 266 Werminghoff, Albert 223 Wernicke, Nicolaus 35, 43, 45, 48, 50 Wernitz, Friedrich Heinrich 70, 73 Wiegand, Wilhelm 26 Wiesand(t), Stephan 246 Wilhelm I., Deutscher Kaiser 77 Wilhelm II., Deutscher Kaiser 141 f., 157 f., 161 Wilken, Friedrich 78 Winter, Georg 9, 13, 24, 80 f., 84, 88, 98, 100, 116, 125 f., 147, 218, 231, 266 Winter d. Ä., Georg 214 Winzer, Otto 100 Wirsig, Eva 215 Wohlbrück, Siegmund Wilhelm 69 f. Woldermann, Johann Daniel 77 Wolff, Richard 215 Wrangel, Friedrich Graf von 219 Wullenwever, Jürgen 254 Wurmb, von 215 Zernitz, Johann siehe Cernitius Zeumer, Karl 219, 236 Zimmermann, Gerhard 10, 26, 87, 100, 128, 165, 219 f., 231, 271 Zipfel, Ernst 24, 80, 85 f., 88, 104 – 106, 121, 219 f., 228 f., 235