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German Pages 394 Year 2006
Schriften zum Sozial- und Arbeitsrecht Band 253
Arbeitnehmermobilität und Entsenderecht Tarif- und kollisionsrechtliche Autonomiebegrenzungen als Wettbewerbsschranken
Von
Jessica Sellin
asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin
JESSICA SELLIN
Arbeitnehmermobilität und Entsenderecht
Schriften zum Sozial- und Arbeitsrecht Band 253
Arbeitnehmermobilität und Entsenderecht Tarif- und kollisionsrechtliche Autonomiebegrenzungen als Wettbewerbsschranken
Von
Jessica Sellin
asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin
Die Rechtswissenschaftliche Fakultät der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg hat diese Arbeit im Jahre 2005 als Dissertation angenommen.
Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
D 25 Alle Rechte vorbehalten # 2006 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme: Klaus-Dieter Voigt, Berlin Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0582-0227 ISBN 3-428-11938-X 978-3-428-11938-7 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier ∞ entsprechend ISO 9706 *
Internet: http://www.duncker-humblot.de
Vorwort Die nachfolgende Arbeit lag der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg im Wintersemester 2004/2005 als Dissertation vor. Das Manuskript hierzu war Ende Juni 2004 abgeschlossen, Gesetzgebung, Rechtsprechung und Schrifttum wurden bis Dezember 2004 berücksichtigt. An erster Stelle danke ich ganz herzlich meinem Doktorvater, Herrn Professor Dr. Dr. h.c. Manfred Löwisch, für seine beständige Förderung und Unterstützung. Mein Dank gilt weiterhin Herrn Richter am BGH, Professor Dr. Joachim Bornkamm für wertvolle Anregungen und die zügige Erstellung des Zweitgutachtens. Danken möchte ich auch meiner Familie für den liebevollen Rückhalt während meiner gesamten Ausbildung und nicht zuletzt meinem Mann Roman, ohne dessen Unterstützung die Vollendung dieser Arbeit nicht möglich gewesen wäre. Ihnen ist diese Arbeit gewidmet. Reutlingen, im Mai 2006
Jessica Sellin
Inhaltsübersicht Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Teil 1 Mobiler Arbeitnehmereinsatz als Wettbewerbsfaktor § 1 Nationale Arbeitnehmermobilität auf dem deutschen Arbeitsmarkt . . . . . A. Erscheinungsformen und rechtlicher Rahmen innerstaatlicher Arbeitnehmermobilität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Wettbewerbsfaktoren und -schranken innerstaatlicher Arbeitnehmermobilität
27 27 27 86
§ 2 Internationale Arbeitnehmermobilität auf dem deutschen Arbeitsmarkt 140 A. Erscheinungsformen und rechtlicher Rahmen grenzüberschreitender Arbeitnehmermobilität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 B. Wettbewerbsfaktoren und -schranken grenzüberschreitender Arbeitnehmermobilität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 Teil 2 Autonomiebegrenzung durch Entsenderecht
235
§ 1 Europäisches Modell: Entsenderichtlinie 96/71/EG vom 16.12.1996 . . . . . 235 A. Inhalt des aufgestellten Rahmens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 B. Rechtswirksamkeit der Autonomiebegrenzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 § 2 Nationale Autonomiebegrenzungsmodelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 294 A. Deutschland: Arbeitnehmer-Entsendegesetz vom 26.2.1996 . . . . . . . . . . . . 295 B. Richtlinienumsetzung in Spanien: Entsendegesetz vom 29.11.1999 . . . . . 342 § 3 Erforderlichkeit entsenderechtlicher Mobilitätsschranken . . . . . . . . . . . . . . 364 A. Lauterkeit des grenzüberschreitenden Dienstleistungswettbewerbs . . . . . . . 364 B. Marktpluralität als Legitimationsproblem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 368 Teil 3 Ergebnisse
372
Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 377 Sachwortregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 390
Inhaltsverzeichnis Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Teil 1 Mobiler Arbeitnehmereinsatz als Wettbewerbsfaktor § 1 Nationale Arbeitnehmermobilität auf dem deutschen Arbeitsmarkt . . . . . A. Erscheinungsformen und rechtlicher Rahmen innerstaatlicher Arbeitnehmermobilität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Mobilitätsformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Rechtlicher Rahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Mobiler Arbeitnehmereinsatz innerhalb eines Unternehmens . . . . a) Arbeitsvertragliche Zulässigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Geltung von Tarifverträgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Tarifliche Geltungsbereichsbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Rechtsfolgen einer Tarifgebietsüberschreitung . . . . . . . . . . (1) Verlängerung der Tarifwirkung nach § 3 Abs. 3 TVG (2) Nachwirkung iSd. § 4 Abs. 5 TVG . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Arbeitsvertragsinhalt bei Tariflosigkeit . . . . . . . . . . . . . c) Betriebsverfassungsrechtliche Zulässigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Betriebliche Zuordnung mobiler Arbeitnehmer . . . . . . . . . . bb) Beteiligungsrechte des Betriebsrates nach § 99 BetrVG . . 2. Arbeitnehmerverleih zwischen voneinander unabhängigen Unternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Vertragsstruktur und Abgrenzung zu sonstigen Mobilitätsformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Inhalt des Arbeitsverhältnisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Gewerbsmäßige Arbeitnehmerüberlassung iSd. AÜG . . . . bb) Erlaubnisvorbehalt als Mittel arbeitsvertraglicher Inhaltskontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Grundsatz der Verleiherbezogenheit . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Gleichstellung von Leiharbeitnehmern und Entleiherbelegschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Gleichstellung bei unerlaubter Arbeitnehmerüberlassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
27 27 27 27 29 29 29 31 31 35 35 37 41 45 45 46 50 50 51 51 54 54 56 56
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Inhaltsverzeichnis (b) Gleichstellung während der erlaubten Überlassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Sonderregeln und Ausnahmetatbestände des AÜG . . . . . . c) Betriebsverfassungsrechtliche Zulässigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Grundsatz der betrieblichen Zuordnung zum Verleihbetrieb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Beteiligungsrechte des Betriebsrates nach § 99 BetrVG . . 3. Konzerninterne Mobilität von Arbeitnehmern . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Konzernbegriff und vertragliche Struktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Anwendbarkeit des AÜG gem. § 1 Abs. 3 Nr. 2 AÜG . . . . . . . c) Betriebsverfassungsrechtliche Zulässigkeit und Geltung von Tarifverträgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Betriebliche Zuordnung konzernweit eingesetzter Arbeitnehmer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Beteiligungsrechte des Betriebsrates nach § 99 BetrVG . . cc) Geltung von Tarifverträgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Möglichkeiten konzernweiter Tarifeinheit . . . . . . . . . . . (2) Tarifpluralität im Konzern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Wettbewerbsfaktoren und -schranken innerstaatlicher Arbeitnehmermobilität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Mobilitätsspezifische Wettbewerbsfaktoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Arbeitsbedingungen als Wettbewerbsfaktoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Kartellwirkung arbeitsrechtlicher Gestaltungsfaktoren . . . . . . . . . . a) Kartellwirkung aufgrund zwingender Normgeltung . . . . . . . . . . aa) Einschränkung der individuellen Vertragsfreiheit . . . . . . . . bb) Kartellgarantie des Art. 9 Abs. 3 Satz 1 GG . . . . . . . . . . . cc) Rechtsgrund zwingender Tarifgeltung . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Normunterwerfung iSd. § 4 Abs. 1 Satz 1 TVG . . . . . (2) Normunterworfenheit aufgrund Allgemeinverbindlicherklärung gem. § 5 Abs. 4 TVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Faktische Kartellwirkung von Tarifverträgen . . . . . . . . . . . . . . . aa) Steuerung des Marktwertes der Arbeitsleistung . . . . . . . . . (1) „Übliche“ bzw. „dem Ortsgebrauch entsprechende“ Vergütung iSd. §§ 612 Abs. 2 BGB, 59 HGB . . . . . . . (2) „Angemessene Ausbildungsvergütung“ iSd. § 10 BBiG (3) „Unzulängliche Vertragsbedingungen“ iSd. § 19 HAG (4) Lohnwucher iSd. §§ 138 BGB, 291 StGB . . . . . . . . . . bb) Inhaltskontrolle allgemeiner Geschäftsbedingungen . . . . . cc) Vergaberecht und Tariftreueerklärungen . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Individualvertragliche Steuerbarkeit des Marktverhaltens . . . . . . .
57 63 68 68 68 70 70 73 75 75 77 79 79 82 86 86 86 87 87 87 89 91 92 97 103 104 104 105 107 109 112 113 119
Inhaltsverzeichnis
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II. Innerstaatliche Wettbewerbsschranken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Schranken der Lohnkostenminimierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Gesetzliche Schranken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Staatliche Festsetzung von Mindestarbeitsbedingungen . . . bb) Gleichbehandlungsgebote . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Gesetzliche Gleichstellungsgebote . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Tarifvertragliche Schranken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Anwendungsbereich von Tarifverträgen . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Tariflohnunterschreitung als Rechtsbruch iSd. UWG . . . . 2. Schranken des örtlich flexiblen Arbeitnehmereinsatzes . . . . . . . . . a) Gesetzliche Schranken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Tarifvertragliche Schranken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Tarifliche Mobilitätsregelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Tarifliche Geltungsbereichsbestimmungen . . . . . . . . . . . . . . III. Wettbewerbsrelevanz nationaler Autonomiebegrenzungen . . . . . . . . . .
120 120 120 120 122 124 127 127 128 132 132 133 133 134 138
§ 2 Internationale Arbeitnehmermobilität auf dem deutschen Arbeitsmarkt A. Erscheinungsformen und rechtlicher Rahmen grenzüberschreitender Arbeitnehmermobilität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Mobilitätsformen mit Auslandsbezug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Rechtlicher Rahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Aufenthaltsrecht und Berechtigung zur Ausübung einer unselbständigen Erwerbstätigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Genehmigungspflichten als Marktzugangssperre . . . . . . . . . . . . b) Marktöffnende Sonderregeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Erwerbstätigkeitsbegriff des § 12 DVAuslG . . . . . . . . . . . . . bb) Werkvertragsarbeitnehmer iSd. §§ 3 AAV, 3 ASAV . . . . . . cc) Unionsbürger, Gleichgestellte und Drittstaatsangehörige . . 2. Kollisionsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Qualifikation des zugrunde liegenden Rechtsverhältnisses als Arbeitsverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Arbeitsvertragsstatut nach Internationalem Privatrecht . . . . . . . aa) Parteiautonome Steuerbarkeit des anwendbaren Rechtssystems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Direkte Rechtswahl iSd. Art. 27, 30 Abs. 1 EGBGB . . (2) Indirekte Rechtswahl aufgrund objektiver Anknüpfung gem. Art. 30 Abs. 2 EGBGB . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Lex loci laboris, Art. 30 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB . . (b) Recht der Einstellungsniederlassung, Art. 30 Abs. 2 Nr. 2 EGBGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Ausweichklausel, Art. 30 Abs. 2 a. E. EGBGB . . (3) Kollektive Rechtswahl und Tarifvertragsstatut . . . . . . .
140 140 140 142 142 142 145 145 146 147 153 153 157 157 158 159 160 163 165 166
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Inhaltsverzeichnis (a) Akzessorietät des Tarifstatuts . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Extraterritoriale Geltungsbereichsbestimmung . . . (c) Tarifliche Wahl des Arbeitsvertragsstatuts . . . . . . . bb) Wirkungsgrenzen der Parteiautonomie . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Zwingende Bestimmungen der Art. 27 Abs. 3, 30 Abs. 1 EGBGB bei direkter Rechtswahl . . . . . . . . . . . . (a) Zwingende Bestimmungen iSd. Art. 27 Abs. 3 EGBGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Zwingende Bestimmungen iSd. Art. 30 Abs. 1 EGBGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Eingriffsnormen des Art. 34 EGBGB . . . . . . . . . . . . . . (3) Ordre public iSd. Art. 6 EGBGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Tarifverträge als Schranke der Parteiautonomie . . . . . . (5) Auswirkungen des Betriebsverfassungsstatuts . . . . . . . c) Sozialversicherungspflicht nach Internationalem Sozialversicherungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Autonomes Kollisionsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Lex loci laboris als Anknüpfungspunkt . . . . . . . . . . . . . (2) Einstrahlung bei Entsendung gem. § 5 Abs. 1 SGB IV bb) Sozialversicherungsabkommen iSd. § 6 SGB IV . . . . . . . . cc) Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Europarechtliche Koordination internationalen Sozialrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Lex loci laboris als Anknüpfungspunkt . . . . . . . . . . . . . (3) Einstrahlung bei Arbeitnehmermobilität, Art. 14 VO (EWG) Nr. 1408/71 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Wettbewerbsfaktoren und -schranken grenzüberschreitender Arbeitnehmermobilität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Internationale Wettbewerbsfaktoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Wettbewerbsschranken grenzüberschreitender Arbeitnehmermobilität 1. Spezifische Kontrollinstrumente im Hinblick auf Drittstaatsangehörige . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Marktzugangsbedingungen des Arbeitserlaubnisrechts . . . . . . . aa) Schranken der individuellen Wettbewerbs- und Vertragsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Erlaubnispflichten als Mobilitätshindernis . . . . . . . . . . (2) Bindung an den Arbeitsvertragsinhalt Dritter . . . . . . . . bb) Rechtsfolgen eines Verstoßes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Rechtfertigung der Schranken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Begrenzung der Einstrahlung ausländischer Sozialrechtsstatute 2. Kontrollinstrumente im Hinblick auf EG-Staatsangehörige . . . . . .
167 170 173 174 175 175 176 180 184 185 187 191 191 191 193 197 200 200 202 202 206 206 208 208 208 208 208 210 213 215 217 219
Inhaltsverzeichnis a) Autonomiebegrenzende Wettbewerbsschranken des Internationalen Privatrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Zwingende Bestimmung wettbewerbsrelevanter Arbeitsbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Grenzen der Lohnkostenminimierung . . . . . . . . . . . . . . (2) Grenzen des örtlich flexiblen Arbeitnehmereinsatzes bb) Rechtfertigung der Schranken direkter und indirekter Rechtswahlfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Intern zwingende Bestimmungen gem. Art. 30 EGBGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) International zwingende Bestimmungen gem. Art. 6, 34 EGBGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Koordinierte Einschränkung des Sozialrechtsimports . . . . . . . . III. Autonome Steuerbarkeit des Marktverhaltens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Autonomer Spielraum der Marktteilnehmer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ausnutzung bestehender Wettbewerbsvorteile als „Dumping“ . . . .
13 219 219 219 222 224 224 225 227 229 229 230
Teil 2 Autonomiebegrenzung durch Entsenderecht § 1 Europäisches Modell: Entsenderichtlinie 96/71/EG vom 16.12.1996 . . . . . A. Inhalt des aufgestellten Rahmens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Arbeitnehmermobilitätsformen iSd. Art. 1 EG-RL 96/71 . . . . . . . . . . 1. Dienstleistungserbringung als Wettbewerbsgegenstand . . . . . . . . . . 2. Entsendungsbegriff der Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 3 EG-RL 96/71 . . . 3. Arbeitnehmerbegriff des Art. 2 Abs. 2 EG-RL 96/71 . . . . . . . . . . . II. Zwingende Bestimmungen iSd. Art. 3 Abs. 1, 7 EG-RL 96/71 . . . . . 1. Eingriffsnormen sui generis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Zwingende Arbeitsbedingungen des Einsatzstaates . . . . . . . . . . b) Mittel internationaler Zwangswirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Rechts- und Verwaltungsvorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Allgemeinverbindliche Tarifverträge und Schiedssprüche c) Bedingtheit der internationalen Rechtsdurchsetzung . . . . . . . . . 2. Ausnahmen des Art. 3 Abs. 2–5 EG-RL 96/71 . . . . . . . . . . . . . . . . III. Regelungsdichte und Umsetzungsspielraum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Rechtswirksamkeit der Autonomiebegrenzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Formelle Rechtmäßigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Regelungsziel der EG-RL 96/71 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Rechtsangleichungskompetenzen des EGV . . . . . . . . . . . . . . . . .
235 235 235 235 235 237 241 241 241 242 248 248 249 252 255 256 259 259 259 259 261
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Inhaltsverzeichnis aa) Art. 55 iVm. Art. 47 Abs. 2 EGV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Art. 55 iVm. Art. 46 Abs. 2 EGV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Art. 137 Abs. 2 EGV/Art. 118a Abs. 2 EGV a. F. . . . . . . . dd) Art. 94 EGV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Art. 308 EGV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Konsequenzen der Kompetenzanmaßung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Materielle Rechtmäßigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Prüfungsmaßstab nach EuGH und BVerfG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Grundsatz der Nichteinmischung, Art. 6, 7 EVÜ . . . . . . . . . . . . . . 3. Grundfreiheiten des EGV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Arbeitnehmerfreizügigkeit, Art. 39 EGV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Dienstleistungsfreiheit, Art. 49 EGV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Beschränkungsbegriff des EuGH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Zwingende Allgemeininteressen als Rechtfertigung . . . . . (1) Arbeitnehmerschutz contra wirtschaftliche Interessen (2) Rechtsprechung des EuGH zum Entsenderecht . . . . . . (3) Ausgleichsmodell der Entsenderichtlinie . . . . . . . . . . . . 4. Gemeinschaftsgrundrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Rechtserkenntnisquellen iSd. Art. 6 Abs. 2 EUV . . . . . . . . . . . b) Europarechtliche Autonomiegrundrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Freiheit wirtschaftlicher Betätigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Koalitionsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Negative Koalitionsfreiheit iSd. Art. 11 EMRK . . . . . (2) Tarifautonomie iSd. Art. 28 GRCharta . . . . . . . . . . . . .
262 264 265 267 268 269 271 271 273 274 274 276 276 278 278 279 285 287 287 288 288 290 291 292
§ 2 Nationale Autonomiebegrenzungsmodelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Deutschland: Arbeitnehmer-Entsendegesetz vom 26.2.1996 . . . . . . . . . . . . I. Arbeitnehmermobilität iSd. AEntG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Wettbewerbsgegenstand iSd. §§ 1, 7 AEntG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Entsendungsbegriff des § 1 AEntG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Kollisionsrechtlich zwingende Kernvorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. „Harter Kern“ arbeitsrechtlicher Bestimmungen . . . . . . . . . . . . . . . a) Mobilitätsspezifische Wettbewerbsfaktoren . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Gehaltshöhe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Gleichbehandlungsgebote . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Erholungsurlaub . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Arbeitnehmerüberlassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Sonstige international zwingende Arbeitsbedingungen . . . . . . . 2. Relativität des Normzwangs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Kollisionsrechtlicher Systembruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Eingriffsrechtfertigung durch das Günstigkeitsprinzip . . . . . . .
294 295 295 295 297 298 298 299 299 300 300 301 302 302 302 304
Inhaltsverzeichnis
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aa) Grundrechtspositionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Dienstleistungsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Tarifverträge als Mittel internationalen Normzwangs . . . . . . . . . . . . . . 1. Loslösung des Tarifstatuts vom Arbeitsvertragsstatut . . . . . . . . . . . a) Gesetzlicher Tarifgeltungsbefehl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Gesetzliche Normwirkungserstreckung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Rechtfertigung tariflicher Autonomiebeschränkungen . . . . . . . . . . . a) Verdrängung ausländischer Tarifmacht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Schutzbereichsverkürzung des Art. 9 Abs. 3 GG . . . . . . . . bb) Eingriffsrechtfertigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Tarifunterworfenheit mit Legitimationsdefiziten . . . . . . . . . . . . . aa) Allgemeinverbindlicherklärung iSd. § 1 Abs. 1 Satz 1 AEntG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Rechtsverordnungserlass nach § 1 Abs. 3a AEntG . . . . . . c) Intensivierung der Kartellwirkung von Tarifverträgen . . . . . . . . aa) Tarifkollisionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) „Vorfahrtregel“ des § 1 AEntG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Akzessorietätsmangel der Rechtsverordnung . . . . . . . . (3) Inländerdiskriminierung bei nationaler Arbeitnehmermobilität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Staatliche Lohnkartellierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Flankierende Sicherungsmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Administrative Mitwirkungspflichten, §§ 2, 3 AEntG . . . . . . . . . . . 2. Urlaubskassenverfahren, § 1 Abs. 3 AEntG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Bürgenhaftung Dritter, § 1a AEntG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Wirtschaftliche Betätigungsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Dienstleistungsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Richtlinienumsetzung in Spanien: Entsendegesetz vom 29.11.1999 . . . . . I. Arbeitnehmermobilität iSd. spEntG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Wettbewerbsgegenstand iSd. Art. 1 Abs. 2, 3 spEntG . . . . . . . . . . . 2. Begriff des „desplazamiento“ iSd. Art. 2 spEntG . . . . . . . . . . . . . . 3. Ausnahme des Art. 3 Abs. 3 spEntG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Kollisionsrechtlicher Normzwang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. „El núcleo duro“ zwingender Arbeitnehmerschutzbestimmungen a) Arbeitszeit iSd. Art. 3 Abs. 1a spEntG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Mindestlohn iSd. Art. 3 Abs. 1b iVm. Art. 4 spEntG . . . . . . . . c) Bedingungen des Arbeitnehmerverleihs iSd. Art. 3 Abs. 2 spEntG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Arbeitsschutzbestimmungen iSd. Art. 3 Abs. 1d, e spEntG . . . e) Nichtdiskriminierungsgebote iSd. Art. 3 Abs. 1c, f spEntG . . f) Zusatzaspekte iSd. Art. 3 Abs. 1g, h spEntG . . . . . . . . . . . . . . .
305 307 310 310 311 312 313 313 313 315 318 318 320 325 325 325 326 327 328 331 332 334 336 337 340 342 342 342 343 345 345 345 346 347 348 349 350 350
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Inhaltsverzeichnis 2. Relativität des Normzwangs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Günstigkeitsprinzip des Art. 3 Abs. 5 spEntG . . . . . . . . . . . . . . b) Arbeitnehmerschutz als Allgemeininteresse iSd. Art. 49 EGV 3. Mittel normativer Zwangswirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) „La legislación laboral española“ iSd. Art. 3 Abs. 1, 4 spEntG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Tarifverträge und ihre normative Reichweite . . . . . . . . . . . . . . . aa) Zweispurigkeit des spanischen Tarifsystems . . . . . . . . . . . . bb) „Convenios colectivos“ iSd. Art. 3 Abs. 4 spEntG . . . . . . cc) Legitimation internationaler Tarifmacht . . . . . . . . . . . . . . . . III. Flankierende Sicherungsmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
351 351 352 355 355 356 356 360 361 363
§ 3 Erforderlichkeit entsenderechtlicher Mobilitätsschranken . . . . . . . . . . . . . . 364 A. Lauterkeit des grenzüberschreitenden Dienstleistungswettbewerbs . . . . . . 364 B. Marktpluralität als Legitimationsproblem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 368
Teil 3 Ergebnisse
372
Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 377 Sachwortregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 390
Abkürzungsverzeichnis a. A. AAV abgek. ABl. EG Abs. a. E. AEntG a. F. AFG AGB AiB AktG Allg. Anm. AP ARB AR-Blattei ES AR-Blattei SD ArbG ArbGegw. ArbuR ArbZG ArGV ARHandbuch Art. ASAV AuA AÜG AufenthG/EWG Aufl. AuslG Ausn. BAG BAGE BAG (GS) BAnz
anderer Auffassung Arbeitsaufenthalteverordnung abgekürzt Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften Absatz am Ende Arbeitnehmer-Entsendegesetz alte Fassung Arbeitsförderungsgesetz allgemeine Geschäftsbedingungen Arbeitsrecht im Betrieb Aktiengesetz Allgemeines Anmerkung Arbeitsrechtliche Praxis Assoziationsratsbeschluss Arbeitsrechts-Blattei Entscheidungssammlung Arbeitsrechts-Blattei Systematische Darstellung Arbeitsgericht Arbeitsrecht der Gegenwart Arbeit und Recht Arbeitszeitgesetz Arbeitsgenehmigungsverordnung Arbeitsrechtshandbuch Artikel Anwerbestoppausnahmeverordnung Arbeit und Arbeitsrecht Arbeitnehmerüberlassungsgesetz Aufenthaltsgesetz/EWG Auflage Ausländergesetz Ausnahme Bundesarbeitsgericht Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts Bundesarbeitsgericht Großer Senat Bundesanzeiger
18 BAT BAT-O BB BBiG Bd. Beschl. BetrAVG BetrVG BGB BGBl. BGH BGHZ BKGG BOE BPersVG BRD BR-Dr. BRTV-Bau BSG BSGE BSHG BT-Dr. BUrlG BVerfG BVerfGE BVG BZA bzgl. bzw. CC CCOO CE CEOE CES CGZP DAG DB ders. DGB d.h. dies. DVAuslG
Abkürzungsverzeichnis Bundesangestelltentarifvertrag Bundesangestelltentarifvertrag Ost Betriebs-Berater Berufsbildungsgesetz Band Beschluss Gesetz zur betrieblichen Altersversorgung Betriebsverfassungsgesetz Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen Bundeskindergeldgesetz Boletín Oficial del Estado Bundespersonalvertretungsgesetz Bundesrepublik Deutschland Bundesrats-Drucksache Bundesrahmentarifvertrag für das Baugewerbe Bundessozialgericht Entscheidungen des Bundessozialgerichts Bundessozialhilfegesetz Bundestags-Drucksache Bundesurlaubsgesetz Bundesverfassungsgericht Enscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Bundesversorgungsgesetz Bundesverband Zeitarbeit e. V. bezüglich beziehungsweise Código Civil Comisiónes Obreras Constitución española Confederación Española de Organisaciones Empresariales Consejo Económico y Social Tarifgemeinschaft Christliche Gewerkschaften Zeitarbeit und PSA Deutsche Angestellten Gewerkschaft Der Betrieb derselbe Deutscher Gewerkschaftsbund das heißt dieselbe(n) Verordnung zur Durchführung des Ausländergesetzes
Abkürzungsverzeichnis DVBl DZWir EFTA EG EGBGB EG-RL 96/71 EGV Einl. EMRK ErfKomm EStG ET EU EuGH EuGHMR EuGRZ EuGVÜ EUV EuZW EVÜ EWG EWR EWS Eza f. FAZ ff. FlRG FS GATT gem. GG ggf. ghM. GRCharta Grundl. GRUR GS GVBl. GWB HAG HGB
Deutsches Verwaltungsblatt Deutsche Zeitschrift für Wirtschaftsrecht European Free Trade Association Europäische Gemeinschaft Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch europäische Entsenderichtlinie Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft Einleitung Europäische Menschenrechtskonvention Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht Einkommensteuergesetz Estatuto de los Trabajadores Europäische Union Europäischer Gerichtshof Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte Europäische Grundrechte-Zeitschrift Europäisches Gerichtsstands- und Vollstreckungsübereinkommen Vertrag über die Europäische Union Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Europäisches Schuldvertrags-Übereinkommen Europäische Wirtschaftsgemeinschaft Europäischer Wirtschaftsraum Europäisches Wirtschafts- und Steuerrecht Entscheidungssammlung zum Arbeitsrecht folgende Frankfurter Allgemeine Zeitung fortfolgende Flaggenrechtsgesetz Festschrift General Agreement on Tariffs and Trade gemäß Grundgesetz gegebenenfalls ganz herrschende Meinung Charta der Grundrechte der Europäischen Union Grundlagen Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht Gedächtnisschrift Gesetz- und Verordnungsblatt Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen Heimarbeitsgesetz Handelsgesetzbuch
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20 HS idF. idR. i.Erg. i. e. S. i.Ggs. INZ IPR IPRax IPRspr iRd. iSd. iVm. JW JZ krit. KSchG LAG LAGE lit. Lit. LM MindArbG MüKo MünchArbR m. w. N. NachwG n.amtl.v. n. F. NJW NJW-RR Nr. NStZ-RR NVwZ NZA NZA-RR OEG o. g. PSA RabelsZ RAG
Abkürzungsverzeichnis Halbsatz in der Fassung in der Regel im Ergebnis im engeren Sinne im Gegensatz Interessengemeinschaft Nordbayerischer Zeitarbeitsunternehmen e. V. Internationales Privatrecht Praxis des Internationalen Privat- und Verfahrensrechts deutsche Rechtsprechung auf dem Gebiet des internationalen Privatrechts im Rahmen des im Sinne des in Verbindung mit Juristische Wochenschrift Juristenzeitung kritisch Kündigungsschutzgesetz Landesarbeitsgericht Entscheidungen der Landesarbeitsgerichte littera Literatur Nachschlagewerk des Bundesgerichtshofs Gesetz über die Festsetzung von Mindestarbeitsbedingungen Münchener Kommentar Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht mit weiteren Nachweisen Nachweisgesetz nicht amtlich veröffentlicht neue Fassung Neue Juristische Wochenschrift NJW-Rechtsprechungsreport Nummer NStZ-Rechtsprechungsreport Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht Neue Zeitschrift für Arbeits- und Sozialrecht NZA-Rechtsprechungsreport Opferentschädigungsgesetz oben genannt Personal-Service-Agentur Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht Reichsarbeitsgericht
Abkürzungsverzeichnis RAGE RdA RG RGZ RIW Rn. Rs. Rspr. Rz. S. SAE SchwarzarbG SGB I SGB III SGB IV SGB VIII SGB IX Slg. SMI s. o. sog. SozR spAÜG spEntG SpStr. StGB st. Rspr. s. u. TV TVG TzBfG u. a. UGT Urt. v. u. U. UWG verb. Rs. Verf. VgG Bln vgl. VO
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Entscheidungen des Reichsarbeitsgerichts Recht der Arbeit Reichsgericht Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen Recht der internationalen Wirtschaft Randnummer Rechtssache Rechtsprechung Randziffer Seite Sammlung arbeitsrechtlicher Entscheidungen Gesetz zur Bekämpfung der Schwarzarbeit Sozialgesetzbuch I (Allgemeiner Teil) Sozialgesetzbuch III (Arbeitsförderung) Sozialgesetzbuch IV (Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung) Sozialgesetzbuch VIII (Kinder- und Jugendhilfe) Sozialgesetzbuch IX (Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen) Sammlung salario mínimo interprofesional siehe oben sogenannt Sozialrechtliche Rechtsprechung und Schrifttum spanisches Arbeitnehmerüberlassungsgesetz spanische Entsendegesetz Spiegelstrich Strafgesetzbuch ständige Rechtsprechung siehe unten Tarifvertrag Tarifvertragsgesetz Teilzeit- und Befristungsgesetz unter anderem Unión General de Trabajadores Urteil vom unter Umständen Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb verbundene Rechtssachen Verfasserin Berliner Vergabegesetz vergleiche Verordnung
22 VO (EWG) Nr. 1408/71 Vorbem. wistra WSI-Mitt. WoGG WRP WuW ZAR z. B. ZEuP ZfA ZfSH/SGB ZHR ZIAS ZIP ZTR
Abkürzungsverzeichnis europäische Verordnung über die Anwendbarkeit der mitgliedstaatlichen Sozialsysteme Vorbemerkung Zeitschrift für Wirtschaft, Steuer, Strafrecht WSI-Mitteilungen Wohngeldgesetz Wettbewerb in Recht und Praxis Wirtschaft und Wettbewerb Zeitschrift für Ausländerrecht und Ausländerpolitik zum Beispiel Zeitschrift für europäisches Privatrecht Zeitschrift für Arbeitsrecht Zeitschrift für Sozialhilfe und Sozialgesetzbuch Zeitschrift für das gesamte Handels- und Wirtschaftsrecht Zeitschrift für ausländisches und internationales Arbeits- und Sozialrecht Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Zeitschrift für Tarifrecht
Einleitung Anlässlich der EU-Osterweiterung im Mai 2004 füllte der Begriff des „Sozialdumpings“ die Schlagzeilen der Presse. Gemeint ist das Marktverhalten ausländischer Unternehmen, die an deutschen Güter- und Dienstleistungsmärkten teilnehmen und dabei ihr Angebot unter dem grenzüberschreitenden Einsatz eigener Arbeitnehmer erbringen. Der konkrete Vorwurf richtet sich gegen die Ausnutzung von Wettbewerbsvorteilen durch solche Unternehmen, die dabei ihr Angebot auf der Grundlage eines in ihrem Heimatstaat niedrigeren Arbeitnehmerschutzniveaus erbringen. Bislang waren es vor allem portugiesische und britische Unternehmen, die den Heimatvorteil geringer Lohnkosten im Rahmen der gemeinschaftsweiten freien Dienstleistungserbringung in Hochlohnländern wie Belgien, Frankreich oder Deutschland nutzen konnten. Die entsprechende Wettbewerbsrelevanz solcher grenzüberschreitender mobiler Arbeitnehmereinsätze wird durch die EUOsterweiterung deutlich intensiviert, da letztere den Binnenmarkt für nationale Rechts- und Wirtschaftsräume öffnet, wodurch die Skala der europäischen Niedriglöhne erheblich nach unten erweitert wird. Positiv ist dies nicht nur für die Entsendeunternehmen aus Niedriglohnstaaten, sondern auch für die Verbraucher in Hochlohnländern, die für die entsprechenden Güter und Dienstleistungen weniger bezahlen müssen. Schwerwiegende Nachteile ergeben sich jedoch für die in Hochlohnländern ansässigen Unternehmen hinsichtlich ihrer Marktanteile, deren Absinken mittelbar eine Steigerung der dortigen Arbeitslosigkeit zur Folge haben kann. Zu Lasten der entsandten Arbeitnehmer selbst wirken sich Arbeitsbedingungen aus, wenn diese nach dem Arbeitnehmerschutzverständnis des Einsatzstaates untragbar sind. Die o. g. Schlagzeilen verdeutlichen die trotz der zwischenzeitlich eingeführten entsenderechtlichen Wettbewerbsschranken unvermindert kontrovers geführte Diskussion über diese Aspekte grenzüberschreitender Arbeitnehmermobilität im Rahmen des binnenmarktinternen Wirtschaftsverkehrs. Eine ähnliche Problematik findet sich auch in kleinerem Rahmen wieder: Auch rein nationale Arbeitnehmermobilität kann sich für den Arbeitgeber als wirtschaftlicher Vorteil auswirken, der ihm jedoch teilweise durch gesetzliche Tariftreueverpflichtungen und durch arbeitnehmerüberlassungsrechtliche Gleichstellungsgebote genommen wird. Die vorliegende Arbeit beleuchtet die Wettbewerbsrelevanz internationaler und nationaler Arbeitnehmermobilität und untersucht die Berechtigung gesetzli-
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Einleitung
cher und tariflicher Beschränkungen individueller Autonomie, die sich als Wettbewerbsschranken auswirken. Dabei wird in Teil 1 der Untersuchung die Rechtslage vor Erlass jeglichen Entsenderechts erörtert, da hierin ein Grundmodell der lokalen Anknüpfung von Arbeitsverhältnissen sichtbar wird, das erst später durch das Entsenderecht abgewandelt worden ist, u. U. aber nach wie vor eine letzterem vorzuziehende Alternative darstellt. Eine Analyse der für rein innerstaatliche mobile Arbeitnehmereinsätze in Deutschland geltenden rechtlichen Rahmenbedingungen in Teil 1 § 1 zeigt, dass Arbeitnehmermobilität unmittelbar in der Privatautonomie der Arbeitsvertragsparteien wurzelt. Trotzdem sind es gesetzliche und tarifliche Autonomiebegrenzungen, die den Arbeitsvertragsinhalt zwingend bestimmen und durch ihre Kartellwirkung der Arbeitnehmermobilität Wettbewerbsrelevanz verleihen. Denn Autonomiebegrenzungen verfügen wie individualarbeitsvertragliche Regelungen selbst über einen räumlich festgelegten Wirkungskreis. Nun kann ein mobiler Arbeitnehmereinsatz diesen Wirkungskreis entweder überschreiten oder aber exportieren. Von Vorteil ist dies für den Arbeitgeber dann, wenn die Anwendung der Bedingungen des Einsatzortes zu einer Absenkung der Lohnkosten führt. Sind im umgekehrten Fall die für ihn am Entsendeort maßgeblichen Arbeitsbedingungen wirtschaftlich günstiger als diejenigen des Einsatzortes, wird er den Export der Heimatbedingungen bevorzugen. Dies zeigt, dass Arbeitsbedingungen entscheidende Faktoren des Wettbewerbs auf Güter- und Dienstleistungsmärkten sind. Kernelement jeglicher Arbeitnehmermobilität ist somit die Relativierung der das Marktverhalten des Arbeitgebers als Teilnehmer an Güter- und Dienstleistungsmärkten beeinflussenden arbeitsrechtlichen Regelungen des Entsendeortes, indem sie durch die Arbeitsortverlagerung in Beziehung zu den am Einsatzort geltenden Arbeitsbedingungen gesetzt werden. Da auf nationaler Ebene gesetzliche Autonomiebegrenzungen grundsätzlich bundesweit gelten, sind es neben individuellen Vereinbarungen gerade Tarifverträge, die durch ihre Geltungsbereichsbestimmungen die für den Wettbewerb aufgrund innerstaatlicher Arbeitnehmermobilität relevanten kleineren Geltungseinheiten aufweisen. In Teil 1 § 1 wird gezeigt, dass der Tarifautonomie in Deutschland ein weiter Gestaltungsspielraum für die Begrenzung individueller Autonomien zur Verfügung steht. Die Fremdbestimmung durch Tarifnormen wirft die zwingende Frage nach ihrer Legitimation auf. Der bestehende Spielraum individual- und tarifvertraglicher Regelungen ermöglicht die Identifikation bestimmter Arbeitsbedingungen als spezifische Wettbewerbsfaktoren innerstaatlicher Arbeitnehmermobilität. Deren Wettbewerbsrelevanz wird insbesondere im Ost-West-Tarifgefälle sichtbar. Der Gesetzgeber tendiert jedoch gegenwärtig dazu, einen Export der Arbeitsbedingungen des Entsendeortes als Wettbewerbsvorteil zu unterbinden, indem er die Arbeitsvertragsparteien durch Tariftreuegesetze und Gleichstellungsgebote der Kartellwirkung am Einsatzort geltender individual- und tarifvertraglicher Regelungen Dritter unterwirft. Es wird gezeigt,
Einleitung
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dass einer derartigen autonomiebegrenzenden Fremdbestimmung die erforderliche Legitimation fehlt. Teil 1 § 2 dieser Untersuchung macht deutlich, dass die hinsichtlich rein nationaler Arbeitnehmermobilität als Wettbewerbsfaktoren gekennzeichneten Arbeitsbedingungen auch bei grenzüberschreitenden Arbeitseinsätzen über eine mobilitätsspezifische Wettbewerbsrelevanz verfügen. Hier sind es nicht mehr Tarifverträge, sondern Gesetze, deren nationale Begrenztheit eine Relativierung im obigen Sinne zulässt. Dabei zeigt sich, dass der Export des Rechtssystems des Entsendestaates im binnenmarktinternen Wettbewerb der Regelfall ist, weil internationales Privat- wie Sozialrecht das mobile Arbeitsverhältnis idR. am Ort seines tatsächlichen oder zumindest wirtschaftlichen Schwerpunktes anknüpfen. So stellt sich die Frage, ob derartige Anknüpfungen der parteiautonomen Steuerung zugänglich sind, was lediglich im Hinblick auf außereuropäische Marktteilnehmer aufgrund der Schranken des Arbeitserlaubnisrechts zu verneinen ist. Allerdings erweisen sich die Regeln tariflicher Normwirkung als starr akzessorisch zum Schwerpunkt des Arbeitsverhältnisses und damit als weder individual- noch tarifvertraglich steuerbar. Seit dem Jahr 1996 zielen jedoch entsenderechtliche Autonomiebegrenzungen auf eine Einschränkung des aufgrund internationaler Arbeitnehmermobilität bestehenden Wettbewerbsvorteils ab. Ihr Inhalt und ihre Berechtigung werden in Teil 2 der Arbeit untersucht. Den zunehmenden wirtschaftlichen Verflechtungen innerhalb des EG-Binnenmarktes aufgrund des unter mobilen Arbeitnehmereinsätzen erfolgenden freien Dienstleistungsverkehrs stehen Bestrebungen der Protektion nationaler Wirtschaftssysteme und des Arbeitnehmerschutzes gegenüber, die in dem eingangs genannten Vorwurf des „Lohn“- bzw. „Sozialdumpings“ gipfeln. Die europäische Entsenderichtlinie legt einen Ausgleich dieser konfligierenden Interessen fest, indem sie die Lauterkeit des grenzüberschreitenden Dienstleistungswettbewerbs an die Einhaltung des vergleichsweise höchsten Arbeitnehmerschutzniveaus knüpft und dadurch die o. g. mobilitätsspezifischen Vorteile sowohl des Exports heimischer Arbeitsbedingungen als auch der Absenkung des Arbeitnehmerschutzniveaus durch Übernahme des am Einsatzort geltenden Standards ausschließt. Dieses kollisionsrechtliche Ausgleichsmodell ist europa- und verfassungsrechtlich wie auch ordnungspolitisch fragwürdig. Angeregt durch das laufende europäische Rechtsetzungsverfahren hatten mehrere Hochlohnländer der EG bereits selbständig die Ausnutzung mobilitätsspezifischer Wettbewerbsvorteile als Dumping missbilligt und zunächst im nationalen Alleingang kollisionsrechtliche Wettbewerbsschranken eingeführt, so Deutschland im Februar 1996 durch das Arbeitnehmer-Entsendegesetz (AEntG), in dem gemeinschaftsrechtswidrige Marktabschottungsintentionen sichtbar werden. Die damaligen Niedriglohnländer der EG beschränkten sich idR. auf eine rein reaktive Umsetzung der im Dezember 1996 erlassenen Entsenderichtlinie, so Spa-
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Einleitung
nien mit Gesetz vom November 1999, in dem sich gemeinschaftsrechtskonforme Arbeitnehmerschutzabsichten manifestieren. Wesentliches Merkmal sämtlicher Entsenderegelungen ist neben der Ausdehnung der Reichweite international zwingender Eingriffsnormen des Einsatzstaates eine Ausweitung der Bindungswirkung dortiger Tarifverträge als Mittel kollisionsrechtlicher Wettbewerbsschranken. Der Geltungsbefehl derartiger „Eingriffsnormen sui generis“ wird zudem durch das Günstigkeitsprinzip relativiert. Es wird gezeigt, dass die Entsenderichtlinie auf einen Bruch des bisherigen Kollisionsrechtssystems angelegt ist, indem auf die Maßgeblichkeit der Anbindung gesetzlicher und tarifvertraglicher Autonomiebegrenzungen an den lokalen Schwerpunkt des Arbeitsverhältnisses verzichtet wird. Ein solcher Verzicht erhöht den Rechtfertigungsbedarf individueller wie kollektiver Autonomiebeschränkungen und stößt an national- wie europarechtliche Grenzen. Das spanische Rechtssystem ist in diesem Zusammenhang nicht nur deshalb interessant, weil sich aufgrund des dortigen vergleichsweise niedrigen Lohnniveaus die Entsendeproblematik in einer anderen Ausrichtung als in Deutschland stellt, sondern auch wegen der bestehenden Unterschiede in der Reichweite der normativen Bindungswirkung von Tarifverträgen. Schließlich wird in Teil 2 § 3 die ordnungspolitische Erforderlichkeit entsenderechtlicher Mobilitätsschranken wie auch die sachliche Berechtigung des entsenderechtlichen Lauterkeitsmodells erörtert. Dabei werden Lösungsalternativen für die Entsendeproblematik aufgezeigt, die sich durch die eingangs erwähnte EU-Osterweiterung verschärft und eine Weichenstellung erfordert zwischen dem Konzept mitgliedstaatlicher Arbeitnehmerschutzgarantien mit Marktabschottungstendenzen und der Idee eines europaweit einheitlichen Mindestarbeitnehmerschutzes als Grundlage grenzüberschreitenden Wettbewerbs. Eine solche Entscheidung ist für die Zukunft eines wettbewerbs- und zugleich humanitätsorientierten europäischen Freiheitsraums von elementarer Bedeutung.
Teil 1
Mobiler Arbeitnehmereinsatz als Wettbewerbsfaktor § 1 Nationale Arbeitnehmermobilität auf dem deutschen Arbeitsmarkt A. Erscheinungsformen und rechtlicher Rahmen innerstaatlicher Arbeitnehmermobilität I. Mobilitätsformen In den letzten Jahrzehnten ist die Bereitschaft der Menschen zum Ortswechsel im Zusammenhang mit ihrer Erwerbstätigkeit in der Bundesrepublik deutlich gestiegen. Die zunehmende Internationalisierung der Märkte verlangt insbesondere von Anbietern von Gütern und Dienstleistungen ein erhöhtes Maß an Flexibilität bezüglich des Leistungsortes, insbesondere in Zeiten eines konjunkturellen Abschwunges.1 Örtliche Flexibilität bei der selbständigen Unterbreitung von Warenangeboten und Erbringung von Dienstleistungen setzt ihrerseits die Möglichkeit mobiler Arbeitnehmereinsätze im Rahmen bereits bestehender Beschäftigungsverhältnisse voraus. Das Gesetz steckt der Arbeitnehmermobilität einen Rahmen ab, innerhalb dessen ein vertragsautonomer Spielraum verbleibt, der seinerseits Indiz ist für die Anpassungsfähigkeit eines Dienstleistungs- und Gütermarktes an die konjunkturelle Entwicklung der Wirtschaft. Denn ein wesentlicher Faktor der Flexibilität bei der Erbringung von Dienstleistungen und damit der Wettbewerbsfähigkeit ihrer Anbieter ist der Einsatz von Arbeitskräften an verschiedenen Orten und zu unterschiedlichen Zwecken: Neben der Annahme von Aufträgen, die nicht am Betriebssitz des Schuldners zu erfüllen sind, stellt der Verleih von Arbeitnehmern eine Möglichkeit der flexiblen Reaktion auf Engpässe oder auf einen saisonabhängigen Personalbedarf dar. Auch nutzen Konzerne die rechtlichen Verflechtungen der ihnen angehörigen Unternehmen zum internen Arbeitnehmeraustausch. 1 Dieser Mobilitätsbedarf betrifft auch Arbeitnehmer bei der Beschäftigungssuche. Jedoch stellt sich der Zugang in- oder ausländischer Arbeitnehmer zum Arbeitsmarkt in dieser Untersuchung nicht als Problem, sondern lediglich der Arbeitnehmereinsatz im Rahmen bereits bestehender Beschäftigungsverhältnisse.
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Teil 1: Mobiler Arbeitnehmereinsatz als Wettbewerbsfaktor
Einer erhöhten Dienstleistungs- und Arbeitnehmermobilität steht eine Vielfalt rechtlicher Gestaltungsformen zur Verfügung: Wie bei anderen Vertragsarten wird die klassische dualistische Struktur eines Vertragsverhältnisses auch im Arbeitsrecht durch die Beteiligung Dritter durchbrochen. Die Parteien gestalten ihre Vertragsverhältnisse in der Form eines Dreiecks, im Rahmen dessen der Arbeitnehmer bei der Erbringung seiner Arbeitsleistung zwei Personen gegenüber steht. Hierbei sind verschiedene Konstellationen denkbar, je nach dem, wer Partei des Arbeitsvertrages ist, auf welcher Grundlage die Berechtigung bzw. Verpflichtung des Dritten steht und wie diese ausgestaltet ist. Bereits im Fall der Gleichstufigkeit beider Vertragspartner beschränkt das zwingende Arbeitsrecht die grundgesetzlich garantierte Privatautonomie. Eine Aufweichung der dualistischen Struktur der Vertragsverhältnisse birgt im Arbeitsrecht darüber hinaus die Gefahr einer Absenkung des Arbeitnehmerschutzniveaus in sich: U. a. für die Lohnzahlungspflicht, den Kündigungsschutz, die Beachtung von Arbeitsschutzvorschriften, die Anwendbarkeit von Tarifverträgen und die Betriebszugehörigkeit iSd. BetrVG muss feststehen, wer als Vertragspartner des Arbeitnehmers die Arbeitgeberpflichten trägt. Die rechtlichen Formen von Arbeitnehmermobilität definieren sich daher über die jeweilige Festlegung der Parteien des Arbeitsvertrages. Daraus ergibt sich die folgende, der vorliegenden Untersuchung zugrunde gelegte Einteilung der Mobilitätsformen bei einem bestehenden Beschäftigungsverhältnis: (1) mobiler Arbeitnehmereinsatz innerhalb eines Unternehmens (2) Arbeitnehmerverleih zwischen voneinander unabhängigen Unternehmen (3) konzerninterne Mobilität Diesen Mobilitätsformen lässt sich auch die insbesondere im Baugewerbe häufig vorkommende Abordnung von Arbeitnehmern zu einer zwecks Durchführung eines Großprojektes von mehreren Unternehmen gebildeten, rechtlich selbständigen Arbeitsgemeinschaft (im Folgenden: Arge) zuordnen. Der vorübergehende Einsatz eines Arbeitnehmers bei einer solchen Arge erfolgt in drei Varianten, die sich nach dem o. g. Kriterium der arbeitsvertraglichen Bindung voneinander unterscheiden und einen jeweils zunehmenden Drittbezug aufweisen: Wesentliches Merkmal einer Arge ist die im Innenverhältnis ihr gegenüber bestehende Verpflichtung eines jeden Arge-Mitglieds, eine bestimmte Vertragsleistung zur Förderung des Großprojektes als Gesellschafterbeitrag iSd. § 706 BGB zu erbringen. Der Arbeitgeber kann seinen Arbeitnehmer zunächst ausschließlich im Rahmen dieser eigenen Vertragsleistung nach seinen eigenen Weisungen einsetzen; eine solche eindeutige Arbeitgeberbezogenheit der Arbeitsleistung charakterisiert diese Variante als unternehmensintern iSd. o. g. Mobilitätsform (1). Der Arbeitgeber kann seinen Arbeitnehmer auch an die Arge verleihen und dieser zugleich sein Direktionsrecht übertragen; diese Variante
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gehört zur o. g. Mobilitätsform (2). Schließlich kann das Arbeitsverhältnis infolge einer Freistellung des Arbeitnehmers für seinen Einsatz bei der Arge ruhen und zugleich ein zusätzliches, eigenständiges Arbeitsverhältnis mit der Arge begründet werden, das im Baugewerbe allerdings gem. § 9 Abs. 2 BRTVBau inhaltlich im Sinne einer Besitzstandswahrung zugunsten des Arbeitnehmers an dessen Tarifansprüche gegenüber dem Stammbetrieb gebunden ist. Diese Koppelung eines ruhenden Stammarbeitsverhältnisses an ein separates, aktives Arbeitsverhältnis schafft Rechtsbeziehungen, die der Dreieckskonstellation der konzerninternen Arbeitnehmermobilität sehr ähnlich sind, und ist daher der o. g. Mobilitätsform (3) zuzuordnen. II. Rechtlicher Rahmen 1. Mobiler Arbeitnehmereinsatz innerhalb eines Unternehmens Im Grundfall des Fehlens einer in das Beschäftigungsverhältnis einwirkenden Rechtsstellung eines Dritten wird Arbeitnehmermobilität in folgenden Formen sichtbar: Zunächst als Umsetzung, d.h. als Wechsel des Arbeitsplatzes innerhalb eines Betriebes; dann als dauerhafte oder vorübergehende Versetzung des Beschäftigten in einen anderen Betrieb desselben Unternehmens; schließlich gibt es Arbeitnehmer mit wechselndem Einsatzort, die bei Vertragspartnern des Arbeitgebers als dessen Erfüllungsgehilfen iSd. § 278 BGB eingesetzt werden. Wesentlich für diese drei Mobilitätsformen ist, dass ein mobiler Arbeitseinsatz innerhalb der bestehenden arbeitsvertraglichen Beziehung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer ohne Einschaltung eines aus diesem Verhältnis in irgendeiner Form berechtigten oder verpflichteten Dritten erfolgt. Ein Dritter kann lediglich Vertragspartner des Arbeitgebers sein, wenn letzterer seinen Arbeitnehmer als Erfüllungsgehilfen einsetzt. Für diese Gruppe der Arbeitnehmer mit wechselndem Einsatzort ist deren fortlaufende Zugehörigkeit zu demselben Betrieb des Arbeitgebers ein wesentliches Merkmal. Wird der Einsatzort des Arbeitnehmers mit wechselndem Einsatzort bei gleichzeitig fortbestehender Zugehörigkeit zum Betrieb des Arbeitgebers von diesem jeweils vorübergehend neu festgelegt, spricht man von Entsendung i. e. S.2 a) Arbeitsvertragliche Zulässigkeit Grundlage eines in örtlicher Hinsicht flexiblen Einsatzes des Arbeitnehmers ist die von den Parteien im Einzelfall getroffene individualarbeitsvertragliche Vereinbarung. Gesetze oder Tarifverträge können die vertragliche Arbeitspflicht 2 LAG Berlin, Urt. v. 25.04.1988 – 9 Sa 15/88 –, DB 1988, 1228; Blomeyer in: MünchArbR, § 48 Rn. 83.
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nicht erweitern, sondern allenfalls beschränken3, und auch Anweisungen des Arbeitgebers nur insoweit konkretisierend wirken, als sie sich inhaltlich mit ihr decken. Der Spielraum derartiger Weisungen und Konkretisierungen hängt daher von der Genauigkeit der arbeitsvertraglichen Bestimmung des Leistungsortes ab.4 Tarifverträge und Gesetze regeln den Leistungsort im Allgemeinen nicht.5 Allerdings kann ein Tarifvertrag das Direktionsrecht des Arbeitgebers im Hinblick auf den Leistungsort erweitern, wenn der Einzelarbeitsvertrag insofern keine ausdrückliche Einschränkung enthält.6 Auch dann ist der individuelle Arbeitsvertrag jedoch Grundlage und Rahmen für ein auf diese Weise tarifvertraglich konkretisiertes Direktionsrecht des Arbeitgebers. Denn im System der arbeitsrechtlichen Gestaltungsfaktoren verbleibt ein fester Mindestbestandteil privatautonomer Vertragsgestaltung, der einer Überlagerung durch höherrangige Regelungen nicht zugänglich ist: So stellen u. a. das „ob“ eines Vertragsschlusses, der zeitliche Beginn der vertraglichen Leistungen, die Vereinbarung der Weisungsgebundenheit eines Vertragspartners und die Festlegung der gegen Zahlung eines Entgeltes von diesem geschuldeten Arbeitsleistung einen Kern zwingend individuell zu vereinbarender essentialia negotii dar, an den der ein Arbeitsverhältnis voraussetzende Tarifvertrag erst dogmatisch anknüpfen kann. Durch die individualvertragliche Vereinbarung einer bestimmten Tätigkeit oder eines bestimmten Berufsbildes als geschuldete Arbeitsleistung regeln die Parteien zugleich den Arbeitsort sowie u. U. Eckpfeiler eines mobilen Arbeitnehmereinsatzes mit, innerhalb derer dem Arbeitgeber ein Direktionsrecht zusteht.7 Der Ort, an dem der Arbeitnehmer seine Leistung zu erbringen hat, wird also entweder ausdrücklich oder konkludent im Arbeitsvertrag bestimmt. In der Regel ist Leistungsort iSd. § 269 Abs. 1 BGB ein bestimmter Betrieb des Arbeitgebers. Bei gleichbleibender Tätigkeit sind Umsetzungen an einen anderen Arbeitsplatz innerhalb desselben Betriebes grundsätzlich vom Arbeitsvertrag gedeckt8, wogegen die Versetzung in einen anderen Betrieb desselben Unterneh3
Blomeyer in: MünchArbR, § 48 Rn. 3; Rüthers/Bakker, ZfA 21 (1990), 245. BAG, Urt. v. 10.11.1955 – 2 AZR 591/54 –, BAGE 2, 221. 5 – Abgesehen von Bestimmungen des Arbeitsschutzrechts. 6 Eine solche Erweiterung des Direktionsrechts findet sich z. B. in § 12 BAT (öff. Dienst: Abordnung/Versetzung aus dienstlichen oder betrieblichen Gründen); dazu BAG, Urt. v. 11.6.1992 – 6 AZR 218/91 –, ZTR 1993, 201 (Abordnungsbefugnis des Arbeitgebers nur unter besonderen Voraussetzungen); im Gegensatz dazu stellte § 2 Abs. 2 des zwischen dem Bundesverband Zeitarbeit und der DAG mit Geltung ab dem 1. Januar 1986 für Zeitarbeitnehmer geschlossenen Tarifvertrages bei der Bestimmung des jeweiligen Einsatzortes ausdrücklich auf die „im Rahmen der im Arbeitsvertrag getroffenen Bestimmung“ ab. 7 Dies ergibt sich auch aus § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 NachwG, demzufolge der Arbeitsort bzw. ein Hinweis auf die Möglichkeit eines Einsatzes an verschiedenen Orten schriftlich festzuhalten sind. 4
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mens meist eine entsprechende Vertragsänderung voraussetzt.9 Maßgeblich ist stets die Ausgestaltung der Arbeitspflicht im konkreten Einzelfall. Fehlt eine ausdrückliche vertragliche Vereinbarung, kann sich der Leistungsort „aus den Umständen“ (§ 269 Abs. 1 BGB), d.h. aufgrund erläuternder Vertragsauslegung aus dem Vertragszweck unter Berücksichtigung der Art der übernommenen Arbeitsleistung ergeben. So müssen typischerweise Arbeitnehmer im Baugewerbe ihre Leistung an demjenigen Ort erbringen, der für ihren Arbeitgeber im Verhältnis zu dessen Auftraggeber jeweils den vertragsgemäßen Erfüllungsort darstellt. Sieht die vertraglich festgelegte Leistungsverpflichtung des Arbeitnehmers einen in örtlicher Hinsicht flexiblen Arbeitseinsatz vor, kann der Arbeitgeber mittels seines Direktionsrechts den konkreten Einsatzort einseitig näher bestimmen.10 Grenze einer solchen Weisungsbefugnis ist – neben dem Inhalt des Arbeitsvertrages – deren Angemessenheit iSd. § 315 BGB: Bei im Einzelfall erheblichen geographischen Entfernungen der Einsätze vom Betrieb reicht das einseitige Direktionsrecht als Grundlage für die Leistungsbestimmung nicht mehr aus; hier ist eine ausdrückliche arbeitsvertraglichen Verankerung einer derartigen Mobilität oder aber eine entsprechende Vertragsänderung, ggf. mittels Änderungskündigung, erforderlich. b) Geltung von Tarifverträgen aa) Tarifliche Geltungsbereichsbestimmung Gem. § 4 Abs. 1 TVG setzt die normative Wirkung eines Tarifvertrages voraus, dass die Tarifgebundenen unter seinen Geltungsbereich fallen. Der Geltungsanspruch des auf kollektiver Ebene geschlossenen Tarifvertrages muss also das auf individueller Ebene bestehende Arbeitsverhältnis erfassen. Er wird durch die Tarifparteien innerhalb der Grenzen ihrer gemeinsamen Tarifzuständigkeit autonom festgelegt und ist durch Auslegung zu ermitteln. Ein unternehmensinterner mobiler Arbeitnehmereinsatz kann im Einzelfall die Grenzen des fachlichen und auch räumlichen Geltungsbereiches eines Tarifvertrages überschreiten. Der fachliche Geltungsbereich unterliegt dem Prinzip der Tarifeinheit. Aufgrund der Organisation der meisten Sozialpartner nach dem Industrieverbandsprinzip werden Tarifverträge idR. für einen bestimmten Wirtschaftszweig geschlossen, wobei meist auf die fachliche Ausrichtung des Betriebes im Sinne des arbeitsrechtlichen Betriebsbegriffes Bezug genommen wird. Auch bei Mischbetrieben gilt dann für einen Betrieb derjenige Tarifvertrag, der dem 8
Blomeyer in: MünchArbR, § 48 Rn. 79. Löwisch, Arbeitsrecht Rn. 865. 10 LAG Berlin, Urt. v. 25.04.1988 – 9 Sa 15/88 –, DB 1988, 1228. 9
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Schwergewicht der betrieblichen Tätigkeit entspricht. Hat ein Unternehmen mehrere Betriebe, kann daher unter Umständen für jeden Betrieb ein anderer Tarifvertrag anzuwenden sein.11 In Tarifverträgen kann Anknüpfungspunkt aber auch ein abweichender Betriebsbegriff sein.12 Ebenso sind die Tarifparteien frei, auf die Branchenzugehörigkeit des Unternehmens oder gar des Konzerns abzustellen.13 Die Bestimmung des räumlichen Geltungsbereiches eines Tarifvertrages setzt einen örtlichen Anknüpfungspunkt voraus. Das kann die Betriebsstätte, der Unternehmens- oder Konzernsitz oder ein anderer Ort (z. B. die einzelne Arbeitsstätte) sein.14 Eine ausdrückliche Anknüpfung findet sich allerdings selten. Im Zweifel ist im Wege der Tarifauslegung auf den tatsächlichen Schwerpunkt des Arbeitsverhältnisses als Regelungsgegenstand des Tarifvertrages iSd. § 1 Abs. 1 TVG abzustellen.15 Bei dieser Auslegung ist die Verstetigung der Tarifgeltung sowie das Prinzip der betrieblichen Tarifeinheit als tarifliches Regelungsziel zu beachten, da im Zweifel nicht jeder mobile Arbeitnehmereinsatz zum Herauswandern des Arbeitsverhältnisses aus dem Geltungsbereich führen und ein ständiger Wechsel der Tarifbedingungen vermieden werden soll.16 So stellt die Rechtsprechung bei der Ermittlung des tatsächlichen Schwerpunktes im Zweifel auf den Betriebssitz ab.17 Der räumliche Schwerpunkt des Arbeitsverhältnisses ist der Ort der Leistungshandlung iSd. § 269 BGB. Eindeutig zu bestimmen ist der Leistungsort 11 Allerdings gilt ein Firmentarifvertrag mangels ausdrücklicher Geltungsbereichsregelung grundsätzlich fachlich wie räumlich für alle Betriebe des Unternehmens, die im Tarifzuständigkeitsgebiet des Verbandes liegen, vgl. Schaub, ARHandbuch, § 20 Rn. 22. 12 So knüpfen Bautarife an selbständige Betriebsabteilungen als Betriebe an (z. B. § 1 Abs. 2 Abschnitt VI Satz 1 des BRTV für das Baugewerbe, vgl. BAG, Urt. v. 11.9.1991 – 4 AZR 40/91 –, NZA 1992, 422). 13 Buchner in: AR-Blattei SD 1550.4 Rn. 99. 14 Die Tarifparteien können neben der generellen Festlegung eines räumlichen Geltungsbereichs auch konkretisieren, welche Arbeitnehmer räumlich zu diesem Geltungsbereich gehören sollen, vgl. § 1 Abs. 2 Abschnitt VI Satz 2 des BRTV für das Baugewerbe. 15 BAG, Urt. v. 3.12.1985 – 4 AZR 325/84 –, AP Nr. 5 zu § 1 TVG Tarifverträge: Großhandel; BAG, Urt. v. 25.6.1998 – 6 AZR 475/96 –, NZA 1999, 274; BAG, Urt. v. 21.9.1995 – 6 AZR 151/95 –, NZA 1997, 1003; Dörner in: Kasseler Handbuch, 8.1 Rn. 140; Löwisch/Rieble in: MünchArbR, § 264 Rn. 4. 16 Rieble, ZTR 2000, 435. 17 BAG, Urt. v. 3.12.1985 – 4 AZR 325/84 –, AP Nr. 5 zu § 1 TVG Tarifverträge: Großhandel; LAG Niedersachsen, Urt. v. 3.4.1981 – 9 Sa 134/80 –, BB 1981, 848; für eine „gewisse betriebliche Grundlage“ LAG Hamm, Urt. v. 21.7.1971 – 5 Sa 135/71 – , DB 1971, 1822 und LAG Düsseldorf, Urt. v. 23.8.1956 – 3 Sa 275/56 –, BB 1957, 77; eine Ausnahme gilt jedoch für Ortskräfte, die für vorübergehende Arbeiten außerhalb des Betriebssitzes eingestellt werden, LAG Niedersachsen, Urt. v. 3.4.1981 – 9 Sa 134/80 –, BB 1981, 848.
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bei einem ortsgebundenen Arbeitsverhältnis und im Falle einer dauerhaften Versetzung an einen anderen Ort. Bei Außendienstmitarbeitern mit wechselndem Einsatzort ist auf den Ort der Einsatzzentrale abzustellen, von der aus die Außendiensttätigkeit organisatorisch geplant und gesteuert wird und der Arbeitnehmer Weisungen und Arbeitsmittel für seine tägliche Arbeit erhält. Dies muss insbesondere nicht zwingend ein Betrieb iSd. BetrVG sein18 und gilt unabhängig davon, ob der Einsatz stets oder nur ausnahmsweise außerhalb des Geltungsbereichs erfolgt.19 Auch bei einer längerfristigen, nicht jedoch endgültigen Versetzung eines Arbeitnehmers an einen Ort außerhalb des Geltungsbereiches eines Tarifvertrages bleibt der Schwerpunkt des Arbeitsverhältnisses am Heimatort bestehen, es sei denn, die Tarifparteien legen eine zeitliche Grenze fest, ab der sich dieser Schwerpunkt auf den Einsatzort verlagert. Die Tarifautonomie wie auch das Ziel einer Verstetigung des tariflichen Arbeitsortes verbieten die bloße Unterstellung einer zeitlichen Grenze, und zwar sowohl durch ergänzende Auslegung als auch durch die Heranziehung der Auslegungspraxis zu gesetzlichen Regelungen wie dem AÜG, § 13 Abs. 2 BPersVG, § 95 Abs. 3 BetrVG oder Art. 30 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB.20 Der Schwerpunkt des Arbeitsverhältnisses ändert sich also im Zweifel, d.h. ohne entsprechende tarifliche Regelung, nicht durch Zeitablauf. Insbesondere das gesetzliche Kollisionsrecht des Art. 30 Abs. 2 EGBGB ist deswegen nicht anwendbar, weil es bereits festgelegte, kollidierende Geltungsansprüche zweier Rechtsordnungen voraussetzt, während das interlokale Tarifrecht die Geltungsgrenze einer autonomen Tarifordnung erst bestimmt.21 Diese Geltungsgrenzen sind ausschließlich durch Tarifauslegung zu ermitteln22 und etwaige Geltungsbereichskollisionen nach den Grundsätzen der Tarifkonkurrenz bzw. Tarifpluralität zu lösen. Während die gesetzlichen Kollisionsregeln des Internationalen Privatrechts auf das interlokale gesetzliche Arbeitsrecht analoge Anwendung finden23, lehnt das Bundesarbeitsgericht einen Rückgriff auf das EGBGB bei interlokalen Tarifkollisionen ausdrücklich ab.24 Dies lässt sich dog18 BAG, Urt. v. 3.12.1985 – 4 AZR 325/84 –, AP Nr. 5 zu § 1 TVG Tarifverträge: Großhandel; BAG, Urt. v. 25.6.1998 – 6 AZN 475/96 –, NZA 1999, 274; LAG Frankfurt a. M., Urt. v. 12.7.1989 – 10 Sa 976/88 –, BB 1990, 1977. 19 LAG Niedersachsen, Urt. v. 3.4.1981 – 9 Sa 134/80 –, BB 1981, 848; Schaub, ARHandbuch, § 20 Rn. 22. 20 A. A. Kempen ArbuR 1991, 129; Däubler, ZTR 1992, 145; ders., DB 1991, 1622. 21 Rieble, ZTR 2000, 435; Junker, RdA 1992, 265; Wank in Wiedemann, TVG, § 4 Rn. 127; a. A. Kempen, ArbuR 1991, 129. 22 Das Urteil des BAG vom 25.6.1998 – 6 AZN 475/96 –, NZA 1999, 274 (unter II 2b bb 3 der Gründe) betont nichts anderes als eine bloße Übereinstimmung seiner Tarifauslegung mit dem Kollisionsrecht. 23 BAG, Urt. v. 5.5.1955 – 2 AZR 55/53 –, JZ 1955, 512. 24 BAG, Urt. v. 3.12.1985 – 4 AZR 325/84 –, AP Nr. 5 zu § 1 TVG Tarifverträge: Großhandel.
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matisch mit den zwischen dem Internationalen Privatrecht und dem interlokalen Tarifrecht bestehenden Strukturunterschieden begründen: Beim Internationalen Privatrecht geht es um die Sicht „von unten“ aus der Perspektive der Normunterworfenen und ihres Arbeitsvertrages. Unterliegt dieser einem ausländischen Arbeitsvertragsstatut, sind auch deutsche Tarifverträge, die gem. § 4 Abs. 1 TVG wie Gesetzesnormen auf das Arbeitsverhältnis einwirken, nicht anwendbar.25 Demgegenüber geht es beim interlokalen Tarifrecht um die Sichtweise des tariflichen Normsetzers „von oben“, eine individualarbeitsvertragliche Tarifwahl der Tarifgebundenen ist hier nicht einmal denkbar. Die Begrenzung des räumlichen Geltungsanspruchs ist eine den Tarifparteien im Rahmen ihrer Tarifautonomie zustehende Regelungskompetenz und daher vom Staat und seinem EGBGB weder entschieden noch inhaltlich vorgegeben.26 Die Problematik interlokaler Tarifkollisionen ist mithin eine Frage der Tarifauslegung, d.h. der Definition des Geltungsbereichs einer Tarifordnung im Sinne einer Ortswahl. Demgegenüber setzt das Internationale Privatrecht einen genau definierten Geltungsanspruch einer Rechtsordnung voraus. Eine analoge Anwendung des Art. 30 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB scheitert neben diesen Strukturunterschieden auch an dem das interlokale Tarifrecht beherrschenden Prinzip der Tarifeinheit im Gegensatz zur internationalprivatrechtlichen Maxime der individuellen Anknüpfungsgerechtigkeit.27 Die Auswirkungen eines mobilen, unternehmensinternen Arbeitnehmereinsatzes auf die Anwendbarkeit eines Tarifvertrages hängen daher von dem durch die Tarifparteien autonom gewählten fachlichen und räumlichen Anknüpfungspunkt sowie von dessen Reichweite ab: Je kleiner die Einheit ist, an die angeknüpft wird, desto schneller überschreitet ein mobiler Arbeitnehmer die Tarifgrenzen. Demgegenüber unterfällt ein i. e. S. entsandter Arbeitnehmer sowohl bei einer tariflichen Anknüpfung an den Konzernsitz als auch an die einzelne Arbeitsstätte aufgrund seiner fortbestehenden Zugehörigkeit zur Entsendungsstelle unverändert dem dort geltendenden Tarifvertrag. Im Regelfall einer Anknüpfung des fachlichen und räumlichen Geltungsbereichs an den Betrieb überschreitet auch eine Umsetzung nicht die Tarifgrenzen. Allerdings sind Tarifgebietsüberschreitungen im Fall der Versetzung denkbar, wenn der fachliche wie räumliche Geltungsbereich des Tarifvertrages nur einen Betrieb des Unternehmens erfasst oder sich der Schwerpunkt des Arbeitsverhältnisses aufgrund einer tariflich festgelegten Zeitgrenze auf den Einsatzort außerhalb des tariflichen Geltungsbereiches verlagert.
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BAG, Urt. v. 4.5.1977 – 4 AZR 10/76 –, BAGE 29, 138. So zutreffend Rieble, ZTR 2000, 435. Junker, RdA 1992, 265.
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bb) Rechtsfolgen einer Tarifgebietsüberschreitung Eine durch Arbeitnehmermobilität bedingte Tarifgebietsüberschreitung hat folgende Konsequenzen: Die zwingende und unmittelbare Normwirkung iSd. § 4 Abs. 1 Satz 1 TVG endet, wenn sich der Arbeitnehmer aus dem Geltungsbereich des Tarifvertrages herausbewegt. Unter Berücksichtigung der Tarifkonkurrenzregeln kann ein Tarifwechsel eintreten, wenn beide Arbeitsvertragsparteien auch im Geltungsbereich des neuen Tarifvertrages tarifgebunden sind. Anderenfalls stellt sich die Frage, ob und wenn ja, auf welcher rechtlichen Grundlage der Tarifvertrag im Arbeitsverhältnis überhaupt noch gilt bzw. ob die Vorschriften der §§ 3 Abs. 3, 4 Abs. 5 TVG diese besondere Konstellation erfassen. (1) Verlängerung der Tarifwirkung nach § 3 Abs. 3 TVG Gem. § 3 Abs. 3 TVG bleibt die Tarifgebundenheit bestehen, bis der Tarifvertrag endet. Die Vorschrift verlängert die unmittelbare und zwingende Tarifnormwirkung des § 4 Abs. 1 TVG, indem sie eine fortbestehende Tarifbindung trotz Erlöschens der Verbandsmitgliedschaft fingiert und diese durch das zeitliche Geltungsende des Tarifvertrages begrenzt. Der Wegfall der Tarifbindung iSd. § 3 Abs. 1 TVG muss allerdings monokausal für einen ansonsten eintretenden Ausschluss der normativen Tarifwirkung sein, das Arbeitsverhältnis also dem Geltungsbereich des Tarifvertrages und der Zuständigkeit der Tarifpartner unterfallen.28 Denn Tarifgebundenheit bedeutet Unterworfenheit unter die Geltungswirkung der von Tarifpartnern im Tarifvertrag gesetzten Normen.29 Eine insofern im Falle der Arbeitnehmermobilität allenfalls zu erwägende analoge Anwendung des § 3 Abs. 3 TVG scheitert am Fehlen einer Regelungslücke.30 Die Vorschrift bezweckt allein die Verhinderung von Manipulationen der Tarifbindung durch Austritt des Arbeitgebers aus dem Arbeitgeberverband und will so den Missbrauch privatrechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten ausschließen.31 Auch dies gilt allerdings nur in dem von den Tarifparteien selbst festgelegten Geltungsbereich. Denn durch die gesetzliche Ausnahmeregelung des § 3 Abs. 3 TVG wird nur die fehlende Verbandsmitgliedschaft ersetzt.32 Sie
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Kempen in: Kempen/Zachert, TVG, § 3 Rn. 26; Oetker in: Wiedemann, TVG, § 3 Rn. 48, 51. 29 Dräger, BB 1970, 1141. 30 Wank in: Wiedemann, TVG, § 4 Rn. 133, 144; BAG, Urt. v. 14.6.1994 – 9 AZR 89/93 –, SAE 1995, 75. 31 BAG, Urt. v. 10.12.1997 – 4 AZR 247/96 –, NZA 1998, 484; BAG, Urt. v. 10.12.1997 – 4 AZR 193/97 –, NZA 1998, 488; der Schutz der Verbandskontinuität ist lediglich Nebenwirkung des § 3 Abs. 3 TVG, vgl. Konzen, ZfA 6 (1975), 401. 32 BAG, Urt. v. 15.10.1986 – 4 AZR 289/85 –, BAGE 53, 179.
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stellt keine allgemeine Auffangregelung für sämtliche Fallgestaltungen dar, in denen die normative Tarifwirkung entfällt.33 In der Rechtsprechung wurden in diesem Sinne bislang lediglich Fälle entschieden, in denen die Veränderung der für den fachlichen Geltungsbereich maßgeblichen Anknüpfungspunkte auf ein Verhalten des Arbeitgebers zurückzuführen war (z. B. Branchenwechsel aufgrund Änderung des Unternehmens- oder Betriebszwecks oder Unternehmensumstrukturierung)34, während sich bei der Arbeitnehmermobilität der Arbeitnehmer selbst aus dem räumlichen Geltungsbereich herausbewegt, auch wenn dies mittelbar auf den Arbeitgeber zurückzuführen ist. In der Sache kann aber nichts anderes gelten, da § 3 Abs. 3 TVG die Tarifgebundenheit als ausschließliche Ursache eines Wegfalls der tariflichen Normwirkung behandelt, die aber auch hier nicht alleinursächlich ist. Wenn demgegenüber Däubler für eine analoge Anwendung des § 3 Abs. 3 TVG einen hinter dieser Vorschrift stehenden allgemeinen Grundsatz anführt, Veränderungen auf Arbeitgeberseite dürften nicht zu einer Verschlechterung der Arbeitnehmerrechte führen35, so spricht dagegen, dass § 3 Abs. 3 TVG (wie im Übrigen auch diese Arbeitnehmerrechte selbst) einen fortbestehenden tariflichen Geltungsanspruch voraussetzt, der aber im Falle des Verlassens des tariflichen Geltungsbereiches gerade nicht mehr gegeben ist. Auch sind negative Auswirkungen wirtschaftlicher Entscheidungen des Arbeitgebers auf Arbeitnehmer notwendiges Merkmal einer marktwirtschaftlichen Ordnung und nicht per se zu missbilligen.36 Letztlich wird dies zudem durch § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB belegt, wonach eine Veränderung auf Arbeitgeberseite als Ausnahme zu einer ausdrücklich angeordneten zwingenden Wirkung des Tarifvertrages für ein Jahr auch beim neuen Arbeitgeber führt. Einem etwaigen Missbrauchspotential im Hinblick auf Arbeitnehmermobilität als Mittel der tariflichen Geltungsbereichsüberschreitung ist daher nicht durch eine zwingende Weitergeltung des Tarifvertrages analog § 3 Abs. 3 TVG zu begegnen.
33 – Etwa durch Nichterfüllung der Geltungsbereichsanforderungen, durch Tarifunzuständigkeit oder durch Wegfall der Tarifbindung infolge Tod oder Mitgliedschaftsanfechtung; vgl. Oetker in: Wiedemann, TVG, § 3 Rn. 48, 51; BAG, Urt. v. 26.9.1979 – 4 AZR 819/77 –, EzA § 3 TVG Nr. 2; LAG Düsseldorf, Urt. v. 7.10.1981 – 5 Sa 566/81 –, EzA § 3 TVG Nr. 3. 34 Z. B. BAG, Urt. v. 10.12.1997 – 4 AZR 247/96 –, NZA 1998, 484; BAG, Urt. v. 10.12.1997 – 4 AZR 193/97 –, NZA 1998, 488; BAG, Urt. v. 26.9.1979 – 4 AZR 819/77 –, DB 1980, 262; BAG, Urt. v. 14.6.1994 – 9 AZR 89/93 –, SAE 1995, 75; LAG Düsseldorf, Urt. v. 7.10.1981 – 5 Sa 566/81 –, EzA § 3 TVG Nr. 3. 35 Däubler, Tarifvertragsrecht, Rn. 264, 271; vgl. auch Deinert in: Däubler, TVG, § 4 Rn. 219, 228. 36 Hromadka/Maschmann/Wallner, Tarifwechsel, Rn. 233.
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(2) Nachwirkung iSd. § 4 Abs. 5 TVG Allerdings ist in den Fällen des Sich-Herausbewegens eines Arbeitsverhältnisses aus dem räumlichen und fachlichen Geltungsbereich eines Tarifvertrages aufgrund von Arbeitnehmermobilität auch nicht von einer Nachwirkung iSd. § 4 Abs. 5 TVG auszugehen. Gemäß dieser Vorschrift gelten nach Ablauf eines Tarifvertrages seine Rechtsnormen weiter, bis sie durch eine andere Abmachung ersetzt werden. Der Wortlaut „Ablauf“ des § 4 Abs. 5 TVG meint allein die Beendigung des Tarifvertrages in zeitlicher Hinsicht. Auch eine analoge Anwendung des § 4 Abs. 5 TVG auf Fälle, in denen die Tarifgeltung nicht wegen Ablaufs der zeitlichen Geltungsgrenze, sondern aufgrund Überschreitens der fachlichen oder räumlichen Tarifgrenze endet, kommt nicht in Betracht. In Rechtsprechung und Literatur wird diese Frage wiederum bislang lediglich im Zusammenhang mit Änderungen des fachlichen und nicht des räumlichen Geltungsbereichs diskutiert. Die Rechtsprechung des BAG hierzu ist uneinheitlich: 1979 urteilte der 4. Senat, die Tarifbindung an den bisherigen Tarifvertrag entfalle bei einem Wechsel des tariflichen Geltungsbereiches infolge eines Betriebsüberganges. Eine analoge Anwendung des § 4 Abs. 5 TVG setze voraus, dass der fachliche Geltungsbereich des alten Tarifvertrages nicht weggefallen sei.37 In einem Urteil aus dem Jahr 1992 sprach sich derselbe Senat für eine analoge Anwendung der Vorschrift auf jeden Fall des Tarifbindungswegfalls aus; dem zu entscheidenden Fall lag ein Verbandsaustritt zugrunde.38 1993 verneinte der 3. Senat eine Nachwirkung analog § 4 Abs. 5 TVG für Regelungen über gemeinsame Einrichtungen der Tarifvertragsparteien, wenn der Arbeitgeber durch Änderung des Betriebszwecks aus dem fachlichen Geltungsbereich des alten Tarifvertrages ausscheidet.39 Entsprechend urteilte der 9. Senat im Jahr 1994 in zwei Fällen, in denen es um die Nachwirkung eines Vorruhestandstarifvertrages ging, aus dessen fachlichem Geltungsbereich ein Betrieb ausgeschieden war.40 Der 4. Senat bejahte 1995 erneut eine Nachwirkung analog § 4 Abs. 5 TVG in der Konstellation eines Verbandsaustrittes.41 Den beiden vom 4. Senat am 10.12.1997 entschiedenen Fällen lag sowohl ein Verbandsaustritt des Arbeitgebers als auch eine Änderung des Betriebszweckes zugrunde. Das BAG betonte, § 4 Abs. 5 TVG sei analog auf alle Fallgestaltungen des Wegfalls der Tarifbindung anzu-
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BAG, Urt. v. 26.9.1979 – 4 AZR 819/77 –, DB 1980, 262. BAG, Urt. v. 18.3.1992 – 4 AZR 339/91 –, EzA § 4 TVG Nr. 14. 39 BAG, Urt. v. 5.10.1993 – 3 AZR 586/92 –, AP Nr. 42 zu § 1 BetrAVG Zusatzversorgungskasse. 40 BAG, Urt. v. 14.6.1994 – 9 AZR 89/93 –, SAE 1995, 75; BAG, Urt. v. 25.10.1994 – 9 AZR 66/91 –, AP Nr. 22 zu § 1 TVG Vorruhestand. 41 BAG, Urt. v. 13.12.1995 – 4 AZR 1062/94 –, EzA § 3 TVG Nr. 11. 38
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wenden, wozu auch das Herauswachsen aus dem Geltungsbereich des Tarifvertrages bei gleichzeitigem Verbandsaustritt gehöre.42 Diese sog. Nachwirkungslehre des 4. Senates vermag eine analoge Anwendung des § 4 Abs. 5 TVG in den Fällen der Geltungsbereichsüberschreitung durch Arbeitnehmermobilität nicht zu begründen. Nach dem BAG hat die Nachwirkung den Zweck, im Interesse der Arbeitsvertragsparteien inhaltsleere Arbeitsverhältnisse zu vermeiden und den ansonsten tariflosen Zustand bis zur Ersetzung der Rechtsnormen des Tarifvertrages durch irgendeine andere Abmachung zu überbrücken.43 Sämtlichen o. g. Entscheidungen der Jahre 1992, 1995 und 1997 lag ein Verbandsaustritt des Arbeitgebers zugrunde, es ging somit stets um einen Wegfall der Tarifbindung iSd. § 3 Abs. 1 TVG. Lediglich in den Fällen des Jahres 1997 war ein Betrieb zugleich aus dem fachlichen Geltungsbereich des Tarifvertrages herausgewachsen. Der 4. Senat betonte dabei, die Nachwirkung erfasse analog alle Fallgestaltungen, in denen die Tarifbindung entfallen ist. Die Aussage, § 4 Abs. 5 TVG gelte analog für alle Fälle, in denen nicht die Tarifbindung entfallen ist, sondern das Arbeitsverhältnis nicht mehr dem tariflichen Geltungsbereich unterliegt, ist keinem der o. g. Urteile mit der erforderlichen Eindeutigkeit zu entnehmen. Wenn das BAG in seinen Urteilen vom 10.12.1997 ausführt, der Grund für die Gefahr eines inhaltsleeren Arbeitsverhältnisses sei zumindest dann nicht erheblich, wenn ursprünglich ein Tarifvertrag unmittelbar anwendbar war und es die Arbeitsvertragsparteien deshalb unterlassen haben, Vorsorge durch eigene Regelungen zu treffen, so begegnet diese Argumentation dogmatischen Bedenken: Die Nachwirkung des § 4 Abs. 5 TVG setzt einen prinzipiellen Geltungsanspruch eines Tarifvertrages voraus, dessen normative Wirkung iSd. § 4 Abs. 1 Satz 1 TVG nach dem Wortlaut allein aufgrund zeitlichen Geltungsablaufes entfallen ist. Eine solche verlängerte Tarifgeltung erfasst – ebenso wie der originäre tarifliche Geltungsanspruch – aber nicht diejenigen Arbeitsverhältnisse, die aus seinem räumlichen oder fachlichen Geltungsbereich herausgefallen sind.44 Die Tarifwirkung des § 4 Abs. 1 Satz 1 TVG bedarf nämlich sowohl der Tarifgebundenheit als auch eines Geltungsanspruches. Während das Merkmal der Tarifbindung in den §§ 3 Abs. 3 und 5 Abs. 4 TVG verlängert bzw. erweitert wird, ist der von den Tarifparteien im Rahmen ihrer Tarifmacht autonom festgelegte und durch Tarifauslegung zu ermittelnde Geltungsanspruch eines Tarifvertrages grundsätzlich unverzichtbar für dessen Wirkung. § 4 Abs. 5 TVG macht lediglich bezüglich der zeitlichen Tarifgeltung eine Ausnahme, um rege42 BAG, Urt. v. 10.12.1997 – 4 AZR 247/96 –, NZA 1998, 484; BAG, Urt. v. 10.12.1997 – 4 AZR 193/97 –, NZA 1998, 4888. 43 BAG, Urt. v. 13.12.1995 – 4 AZR 1062/94 –, EzA § 3 TVG Nr. 11; BAG, Urt. v. 18.3.1992 – 4 AZR 339/91 –, EzA § 4 TVG Nr. 14. 44 BAG, Urt. v. 26.9.1979 – 4 AZR 819/77 –, DB 1980, 262; Löwisch in: MünchArbR (Bd. 3 – Vorauflage), § 257 Rn. 24.
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lungslose Schwebezustände zu überbrücken und übereilte Folgetarifabschlüsse zu vermeiden, lediglich diesbezüglich hat die Vorschrift eine Schutz- und Überbrückungsfunktion. Eine solche Nachwirkung setzt aber bereits dem Wortsinn nach einen zuvor bestehenden räumlichen und fachlichen Geltungsanspruch des Tarifvertrages für das jeweilige Arbeitsverhältnis voraus. Denn Rechtsgrund für die normative Wirkung im Nachwirkungszeitraum ist allein der Tarifvertrag.45 Die Nachwirkung führt zu einer Umwandlung unmittelbar zwingend geltender Tarifnormen in nach wie vor unmittelbar, nunmehr aber dispositiv geltende Tarifnormen. Im Kern betrifft sie daher allein die Intensität der Tarifwirkung und schwächt diese ab, da es nunmehr eigentlich an einer Legitimation für die bisherige Rechtsnormwirkung für die ehemals tarifunterworfenen Arbeitsverhältnisse fehlt. Die bisherigen Tarifbedingungen wirken jetzt kraft gesetzlicher Anordnung für diejenigen Arbeitsverhältnisse als dispositives Recht weiter, die zuvor der unmittelbaren und zwingenden Wirkung des Tarifvertrages unterfielen. § 4 Abs. 5 TVG ersetzt somit die vormals bestehende Legitimation für die Rechtsnormwirkung durch einen neuen, selbständigen Rechtsgrund und verlängert dadurch die Tarifgeltung. Dabei wandeln sich die Tarifregelungen allerdings nicht in Gesetzesrecht um, sondern „gelten“ als solche „weiter“. Aufgrund dieses eindeutigen Wortlautes des § 4 Abs. 5 TVG beruht die Legitimation der nachwirkenden Tarifnormen nach wie vor auf der Verbandsmitgliedschaft.46 Die Nachwirkung ist als „modifizierte Normwirkung“ daher stets an den Geltungsbereich des Tarifvertrages gebunden.47 Der Geltungsbereich tariflicher Normen wird von den Tarifvertragsparteien autonom festgelegt. Die Tarifmacht der Tarifvertragsparteien als Grundlage dieser Geltungsbereichsbestimmung ist Bestandteil der durch Art. 9 Abs. 3 GG gewährleisteten Tarifautonomie.48 Zwar können die Tarifvertragsparteien über die durch Verbandsmitgliedschaft begründete Tarifgebundenheit als Grundlage und Legitimation ihrer Normsetzungskompetenz nicht disponieren, sie kann nur durch staatlichen Rechtssatz auf Nichtmitglieder ausgedehnt werden. Im Gegensatz dazu steht aber die Festlegung des Geltungsbereichs zu ihrer Disposition, wobei ihre Normsetzungskompetenz durch die Reichweite ihrer Tarifzuständigkeit begrenzt wird. Die Systematik der §§ 3 Abs. 3, 5 Abs. 4 TVG zeigt, dass 45
Wank in: Wiedemann, TVG, § 4 Rn. 325. Kempen in: Kempen/Zachert, TVG, § 4 Rn. 295; a. A. (Weitergeltung beruht allein auf gesetzlicher Regelung) BAG, Urt. v. 29.1.1975 – 4 AZR 218/74 –, AP Nr. 8 zu § 4 TVG Nachwirkung. 47 Löwisch in: MünchArbR (Bd. 3 – Vorauflage), § 257 Rn. 24; BAG, Urt. v. 26.9. 1979 – 4 AZR 819/77 –, DB 1980, 262; BAG, Urt. v. 5.10.1993 – 3 AZR 586/92 –, AP Nr. 42 zu § 1 BetrAVG Zusatzversorgungskasse; BAG, Urt. v. 14.6.1994 – 9 AZR 89/93 –, SAE 1995, 75; BAG, Urt. v. 25.10.1994 – 9 AZR 66/91 –, AP Nr. 22 zu § 1 TVG Vorruhestand; Buchner, Anm. zu BAG, Urt. v. 4.9.1996 – 4 AZR 135/95 –, EzA § 3 TVG Bezugnahme auf TV Nr. 7. 48 BVerfG, Urt. v. 18.11.1954 – 1 BvR 629/52 –, BVerfGE 4, 96. 46
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eine Verlängerung oder Erweiterung der Tarifgebundenheit stets an den von den Tarifpartnern festgelegten Geltungsbereich gekoppelt ist; es soll keine Bindung geschaffen werden, die bei einer Verbandsmitgliedschaft nicht bestünde. So kann der Gesetzgeber die Geltung der Tarifnormen im Wege der Allgemeinverbindlicherklärung nur von der Verbandsmitgliedschaft lösen, eine Erstreckung der Normwirkung eines Tarifvertrages auf Arbeitsverhältnisse, die die Tarifparteien aufgrund des gewählten Geltungsbereichs gar nicht regeln wollten, ist auch hier nicht möglich. Auch begründet das BAG den Ausschluss erst nach Ablauf des Tarifvertrages begründeter Arbeitsverhältnisse von der Nachwirkung damit, dass „Nachwirkung“ begrifflich eine frühere Geltung der Tarifnormen als wirksames Tarifrecht voraussetze.49 Jeder gesetzliche Eingriff in die autonome Geltungsbereichsbestimmung der Tarifparteien bedarf daher einer Legitimation. Bereits die Frage einer analogen Anwendbarkeit des § 4 Abs. 5 TVG auf Fälle des Tarifvertragsablaufs nach Verbandsaustritt ist umstritten.50 Zugunsten des Arbeitnehmerschutzes ist jedoch dem Arbeitgeber in den Fällen einseitiger Manipulationen der Tarifgeltung durch Verbandsaustritt oder Branchenwechsel eine Beseitigungslast für die alten Tarifbedingungen im Wege der Nachwirkung aufzuerlegen. Im Falle der Arbeitnehmermobilität besteht jedoch kein vergleichbar starkes Bedürfnis nach einer Vermeidung potentiellen Missbrauchs durch den Arbeitgeber. Denn jeglicher mobiler Arbeitnehmereinsatz bedarf grundsätzlich der individualvertraglichen Zustimmung des Arbeitnehmers, so dass sich insofern ein erheblicher Unterschied zu den vom BAG am 10.12.1997 entschiedenen Fällen ergibt, in denen der einzelne Arbeitnehmer weder auf den Verbandsaustritt des Arbeitgebers noch auf den Branchenwechsel Einfluss hatte. Zudem kann die Heranziehung gesetzlicher Regelungen wie § 612 Abs. 2 BGB und der ergänzenden Vertragsauslegung im Einzelfall inhaltsleere Arbeitsverhältnisse verhindern. Auch hier ist eine einseitige Änderung des Vertragsinhaltes durch den Arbeitgeber ausgeschlossen. Insbesondere besteht mangels Rechtsunsicherheit auch kein Bedarf nach einer Ersetzung des tariflichen Regelwerks durch den Arbeitgeber. Eine mögliche Verschlechterung des Arbeitsvertragsinhalts infolge des Wegfalls der Tarifgeltung ist hinzunehmen, da der Schutz der bislang Tarifunterworfenen nicht über den von den Tarifparteien im Rahmen ihrer Tarifautonomie festgelegten Geltungsanspruch des Tarifvertrages hinausgehen kann. Schließlich vermag es eine Nachwirkung des Tarifvertrags im Falle der Geltungsbereichsüber49
BAG, Urt. v. 29.1.1975 – 4 AZR 218/74 –, AP Nr. 8 zu § 4 TVG Nachwirkung. Bejaht u. a. von BAG, Urt. v. 18.3.1992 – 4 AZR 339/91 –, EzA § 4 TVG Nr. 14; Kempen in: Kempen/Zachert, TVG, § 4 Rn. 295; Frölich, NZA 1992, 1105; abgelehnt von Löwisch/Rieble, Anm. zu BAG, Urt. v. 18.3.1992 – 4 AZR 339/91 –, AP Nr. 13 zu § 3 TVG; dies., TVG, § 3 Rn. 101, § 4 Rn. 409; Oetker, Anm. zu BAG, Urt. v. 18.3.1992 – 4 AZR 339/91 – und 27.11.1991 – 4 AZR 211/91 –, EzA zu § 4 TVG Nachwirkung Nr. 14 und 15; LAG Köln, Urt. v. 25.10.1989 – 2 Sa 474/89 –, NZA 1990, 502. 50
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schreitung aufgrund von Arbeitnehmermobilität auch nicht, den Tarifvertragsparteien als Überbrückungsregelung zu dienen. Diese haben die Geltungsgrenzen ihres Tarifwerkes bewusst gezogen. Im Gegensatz zur Konstellation des zeitlichen Ablaufs eines Tarifvertrages besteht hier nicht das Bedürfnis, in Ruhe über einen Neuabschluss zu verhandeln. Insofern kann die Nachwirkung hier auch nicht als Ausgleich für die Friedenspflicht wirken. Die Fälle des Überschreitens des räumlichen oder fachlichen Geltungsbereichs eines Tarifvertrages aufgrund mobilen Arbeitnehmereinsatzes sind daher nicht wertungsmäßig gleichliegend mit dem vom Gesetz in § 4 Abs. 5 TVG geregelten Fall, es besteht insofern keine planwidrige Regelungslücke als Voraussetzung für eine Analogie.51 § 4 Abs. 5 TVG ist mithin kein „Generalauffangtatbestand für den Tarifentfall“.52 (3) Arbeitsvertragsinhalt bei Tariflosigkeit Die Tariflosigkeit des Arbeitsverhältnisses, das den Geltungsbereich eines Tarifvertrages infolge eines mobilen Arbeitnehmereinsatzes verlassen hat, führt freilich zu praktischen Schwierigkeiten bei der Ermittlung des Arbeitsvertragsinhaltes. Dennoch besteht keine Gefahr tatsächlich „inhaltsloser“ Arbeitsverträge. Während früher vertreten wurde, dass die Tarifbedingungen Inhalt des Arbeitsverhältnisses wurden und nach Beendigung des Tarifvertrages als arbeitsvertragliche Regeln weitergalten53, wird heute ein derartiges Eingehen der Tarifnormen in den Arbeitsvertrag abgelehnt. Tarifbedingungen wirken daher lediglich von außen normativ auf das Arbeitsverhältnis ein. Enden die Normen des Tarifvertrages, leben die Regelungen des Arbeitsvertrages wieder auf, was
51 BAG, Urt. v. 26.9.1979 – 4 AZR 819/77 –, DB 1980, 262; BAG, Urt. v. 5.10.1993 – 3 AZR 586/92 –, AP Nr. 42 zu § 1 BetrAVG Zusatzversorgungskasse; BAG, Urt. v. 14.6.1994 – 9 AZR 89/93 –, SAE 1995, 75; BAG, Urt. v. 25.10.1994 – 9 AZR 66/91 –, AP Nr. 22 zu § 1 TVG Vorruhestand; Buchner, Anm. zu BAG, Urt. v. 4.9.1996 – 4 AZR 135/95 –, EzA § 3 TVG Bezugnahme auf TV Nr. 7; a. A. Wank in: Wiedemann, TVG, § 4 Rn. 144, 337; Kempen in: Kempen/Zachert, TVG, § 4 Rn. 303. 52 So aber Rieble, ZTR 2000, 435; ders., Bitburger Gespräche 1998, 109; Löwisch/ Rieble, MünchArbR, § 255 Rn. 83, § 264 Rn. 26, § 273 Rn. 3, 19 (anders noch – nämlich wie hier – Löwisch in der Vorauflage § 257 Rn. 24); auch ist der These Riebles nicht zuzustimmen, § 4 Abs. 5 TVG bezwecke einen Bestandsschutz bzw. Vertragsinhaltsschutz, der jede automatische Veränderung der Arbeitsbedingungen allein durch den Tarifentfall verhindere und demjenigen, der die Änderung will, die Änderungslast auferlege, was allgemeinen vertraglichen Grundsätzen entspreche (Rieble, Bitburger Gespräche 1998, 117). Denn der Vertragsgrundsatz „pacta sunt servanda“ setzt voraus, dass eine zuvor tarifliche Regelung die normative Geltungsebene verlassen hat und zum individualvertraglichen pactum zwischen den Arbeitsvertragsparteien geworden ist, was jedoch beim Tarifentfall aufgrund eines mobilen Arbeitnehmereinsatzes gerade nicht der Fall ist. 53 Nachweise bei Herschel, ZfA 7 (1976), 89.
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ggf. zu einer Schlechterstellung des Arbeitnehmers führt, die aber aus o. g. Gründen hinzunehmen ist. In der überwiegenden Zahl der Fälle fehlen jedoch über die sog. essentialia negotii hinausgehende, detaillierte individualvertragliche Absprachen, da die Vertragsparteien von der Tarifgeltung ausgehen, die Eventualität eines Tarifentfalls wird meist nicht bedacht. Der Arbeitsvertragsinhalt ist sodann durch erläuternde oder gar ergänzende Auslegung zu ermitteln. Eine erläuternde Vertragsauslegung iSd. §§ 133, 157 BGB orientiert sich in der Regel am dispositiven Gesetzesrecht, so dass der gesetzliche Mindestarbeitsschutz Vertragsinhalt wird, wie z. B. der Mindesturlaub des BUrlG oder das ArbZG. Die Gehaltshöhe bestimmt sich gemäß der gesetzlichen Auslegungsregel des § 612 Abs. 2 BGB nach der üblichen Vergütung. Diese Vorschrift ist anwendbar, da die Parteien für einen Tarifentfall keine Vereinbarung getroffen haben, mithin ein von Anfang an bestehender, aber erst später sichtbar werdender Einigungsmangel vorliegt, der der Wirksamkeit des Arbeitsvertrages nicht entgegenstehen soll.54 Was üblich iSd. § 612 Abs. 2 BGB ist, bemisst sich nach der im Betrieb oder am betreffenden Ort im gleichen Gewerbe gewöhnlich für eine vergleichbare Tätigkeit tatsächlich gewährten Vergütung. Der jeweilige Tariflohn des betroffenen räumlichen und fachlichen Bereichs kann hierfür Anhaltspunkt sein, ist aber nicht ohne weiteres identisch mit dem üblichen Lohn. Denn eine automatische Gleichsetzung des Tariflohnes des einschlägigen Tarifvertrages mit der üblichen Vergütung iSd. § 612 Abs. 2 BGB würde die Grenzen der Tarifgebundenheit beseitigen. In derartigen Fällen muss es daher besondere Anhaltspunkte geben, die auf eine Üblichkeit des Tariflohnes schließen lassen.55 In den Fällen der Arbeitnehmermobilität sind zwar beide Arbeitsvertragsparteien tarifgebunden, jedoch unterliegt das Arbeitsverhältnis infolge des mobilen Arbeitseinsatzes nicht mehr dem ursprünglich im Betrieb des Arbeitgebers geltenden Tarifvertrag.56 Fraglich ist daher, ob die übliche Vergütung iSd. § 612 Abs. 2 BGB das Gehalt ist, das der Arbeitgeber an seinem unter den ursprünglichen Tarifvertrag fallenden Betriebs- bzw. Unternehmenssitz vergleichbaren Arbeitnehmern zahlt, oder ob insoweit diejenige Vergütung heranzuziehen ist, die von anderen Arbeitgebern am Arbeitsort gezahlt wird. Das BAG entschied im Fall des Ausscheidens des Arbeitgebers aus dem fachlichen Geltungsbereich eines Vorruhestandstarifvertrages infolge Branchenwechsels, dass Vorruhestands54 A. A. Rieble, demzufolge die Vorschrift des § 612 Abs. 2 BGB nicht auf im Verlauf des Arbeitsverhältnisses entstehende Regelungslücken anzuwenden ist, Anm. zu BAG, Urt. v. 14.6.1994 – 9 AZR 89/93 –, SAE 1995, 75. 55 Richardi in: Staudinger, BGB, § 612 Rn. 46; Einzelheiten hierzu unter Teil 1 § 1 B. I. 2. b) aa) (1). 56 Wird das Arbeitsverhältnis am Arbeitsort vom Geltungsbereich eines anderen Tarifvertrages erfasst, an den beide Parteien gebunden sind, ist aufgrund von § 4 Abs. 1 Satz 1 TVG nicht auf den Arbeitsvertrag iVm. § 612 Abs. 2 BGB zurückzugreifen.
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leistungen gem. § 612 Abs. 2 BGB weiter nach dem „alten“ Tarifvertrag zu erbringen waren.57 Die Annahme einer fortbestehenden Üblichkeit vormals geltender Tarifgehälter ist in den Fällen der Geltungsbereichsüberschreitung jedoch dogmatisch nicht haltbar. Denn ein Tarifvertrag, der außerhalb seines Geltungsbereiches gerade nicht gilt, kann dort nicht „üblich“ sein.58 Die Üblichkeit bestimmt sich daher nach den am Einsatzort des Arbeitnehmers geltenden Umständen. Lässt sich ein solches nach objektiven Beurteilungsmaßstäben „übliches“ Gehalt für eine vergleichbare Arbeit nicht ermitteln, kann nach § 316 BGB der Forderungsberechtigte, d.h. der Arbeitnehmer59, ein angemessenes Gehalt iSd. § 315 Abs. 3 BGB bestimmen, vorausgesetzt, die Parteien sind mit einem solchen einseitigen Bestimmungsrecht einverstanden. Ansonsten kann der Umfang der Gegenleistung, wie der sonstige Arbeitsvertragsinhalt, auch durch ergänzende Auslegung ermittelt werden.60 Die ergänzende Vertragsauslegung ist grundsätzlich erst dann heranzuziehen, wenn der Arbeitsvertrag auch unter Berücksichtigung der Auslegungsregeln und des dispositiven Rechts lückenhaft ist, es sei denn, der Fall weist individuelle Besonderheiten auf, die auf einen Vorrang der ergänzenden Vertragsauslegung vor dispositivem Recht, das einen auf eine typisierte Interessenabwägung gegründeten Beurteilungsmaßstab beinhaltet, schließen lassen.61 Ein derartiger Sonderfall ist anzunehmen, wenn die Parteien dispositives Gesetzesrecht nicht anwenden wollten. Die planwidrige Vertragslücke ist sodann durch Ermittlung des hypothetischen Parteiwillens zu schließen, wobei die Interessen beider Parteien unter Berücksichtigung von Treu und Glauben und der Verkehrssitte gegeneinander abzuwägen sind. Eine interessengerechte Auslegung kann so im Einzelfall durchaus zum Ergebnis einer einzelvertraglichen Inbezugnahme des nicht mehr iSd. § 4 Abs. 1 Satz 1 TVG geltenden Tarifvertrages kommen. Ausgangspunkt einer solchen Auslegung ist die im Arbeitsvertrag enthaltene Formulierung. Eine individualvertragliche Hinweispflicht auf den anwendbaren Tarifvertrag besteht bereits aufgrund von § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 10 NachwG. Wenn die Arbeitsvertragsparteien daher im Arbeitsvertrag die Tarifnormen wiederholen oder darin auf einen bestimmten Tarifvertrag verweisen, wirkt dies zu 57 BAG, Urt. v. 14.6.1994 – 9 AZR 89/93 –, SAE 1995, 75; dagegen Rieble, Anm. zu BAG, Urt. v. 14.6.1994 – 9 AZR 89/93 –, SAE 1995, 75, demzufolge § 612 Abs. 2 BGB auf diese Weise zum „Supernachwirkungstatbestand“ wird. 58 So zutreffend Rieble, Anm. zu BAG, Urt. v. 14.6.1994 – 9 AZR 89/93 –, SAE 1995, 75. 59 Schaub, ARHandbuch, § 67 Rn. 60; Gottwald in: MüKo, BGB, § 315 Rn. 66, § 316 Rn. 1; BAG, Urt. v. 20.9.1989 – 4 AZR 282/89 –, DB 1990, 331; a. A. Raab in: Soergel, BGB, § 612 Rn. 40 (dessen Ansicht, der dienstberechtigte Arbeitgeber sei bestimmungsberechtigt, ist mit dem Wortlaut des § 316 BGB nicht zu vereinbaren). 60 BGH, Urt. v. 13.3.1985 – IVa ZR 211/82 –, BGHZ 94, 102; BGH, Urt. v. 5.7. 1991 – V ZR 117/90 –, NJW-RR 1992, 142. 61 BGH, Urt. v. 1.6.1979 – V ZR 80/77, BGHZ 74, 370.
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Zeiten einer bestehenden Tarifbindung und -geltung iSd. § 4 Abs. 1 Satz 1 TVG rein deklaratorisch. Beim Herauswachsen des Arbeitsverhältnisses aus dem tariflichen Geltungsbereich aufgrund von Arbeitnehmermobilität kann aus einer solchen deklaratorischen eine konstitutive, im Zweifel dynamische62 Verweisungsklausel auf die jeweilige Fassung des konkret benannten Tarifvertrages werden. Während derartige Bezugnahmeklauseln normalerweise eine fehlende Tarifbindung ersetzen, wird hier auf diese Weise allein die fehlende Tarifgeltung bei fortbestehender Tarifgebundenheit iSd. § 3 TVG ersetzt. Da den Tarifvertragsparteien kein Ausschließlichkeitsrecht an ihren Normen zusteht, ist eine solche Bezugnahme tarifrechtlich zulässig.63 Die Arbeitsvertragsparteien sind daher – unter Beachtung zwingenden Gesetzesrechts – frei, ihr Arbeitsverhältnis einem Tarifvertrag ihrer Wahl zu unterstellen. Die Bezugnahme auf einen Tarifvertrag ist grundsätzlich formfrei64 und kann ausdrücklich oder konkludent erfolgen65, solange eindeutig bestimmbar ist, auf welchen Tarifvertrag verwiesen wird. Die Parteien können insbesondere auch einen nicht einschlägigen, fremden Tarifvertrag arbeitsvertraglich vereinbaren, vorausgesetzt, dies ist wirklich gewollt.66 Erst recht muss dies dann gelten, wenn beide Parteien tarifgebunden sind und der Tarifvertrag lediglich aufgrund seines nicht einschlägigen Geltungsbereichs keine zwingende Wirkung iSd. § 4 Abs. 1 Satz 1 TVG entfalten kann. Im Allgemeinen liegt eine Vereinheitlichung der Arbeitsbedingungen im Interesse beider Arbeitsvertragsparteien.67 In den Fällen der Geltungsbereichsüberschreitung infolge Arbeitnehmermobilität kommt ein auf beiden Seiten gesteigertes Bedürfnis nach Rechtssicherheit und -klarheit hinzu, das ebenfalls bereits bei dem Erfordernis einer individualarbeitsvertraglichen Verankerung der Mobilität sichtbar geworden ist. Vor dem Hintergrund dieser Interessenlage kann im Einzelfall eine Inbezugnahme des ehemals geltenden Tarifvertrages in der den mobilen Einsatz zulassenden einzelvertraglichen Vereinbarung enthalten sein. Ein entsprechender Vertragswille ist allerdings nicht pauschal zu unterstellen, sondern im Wege der ergänzenden Auslegung im Einzelfall zu ermitteln. 62 Löwisch/Rieble in: MünchArbR, § 269 Rn. 6; dies., TVG, § 3 Rn. 287; BAG, Urt. v. 20.3.1991 – 4 AZR 455/90 –, NZA 1991, 736. 63 Insbesondere wird dadurch nicht das Schriftformerfordernis des § 1 Abs. 2 TVG unterlaufen, da eine unmittelbare und zwingende Normwirkung im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 1 TVG bei der einzelvertraglichen Inbezugnahme gerade fehlt, a. A. Zachert in: Kempen/Zachert, TVG, § 3 Rn. 73. 64 Allerdings ist § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 10 NachwG zu beachten. 65 Schaub, ARHandbuch, § 208 Rn. 10; Löwisch/Rieble, MünchArbR, § 269 Rn. 11; BAG, Urt. v. 19.1.1999 – 1 AZR 606/98 –, NZA 1999, 879. 66 Dörner in: Kasseler Handbuch, 8.1 Rn. 127; Schaub, ARHandbuch, § 208 Rn. 11; BAG, Urt. v. 13.11.1959 – 1 AZR 320/57 –, BAGE 8, 219; Löwisch/Rieble in: MünchArbR, § 269 Rn. 3, 16; a. A. Zachert in: Kempen/Zachert, TVG, § 3 Rn. 76. 67 Schaub, ARHandbuch, § 208 Rn. 5.
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Zudem unterliegt eine solche individualvertragliche Inbezugnahme des vormals geltenden Tarifvertrages freilich dem Günstigkeitsprinzip, wenn beide Arbeitsvertragsparteien auch im neuen Einsatzgebiet des Arbeitnehmers einem Tarifvertrag gem. § 4 Abs. 1 Satz 1 TVG unterliegen. c) Betriebsverfassungsrechtliche Zulässigkeit Das Betriebsverfassungsrecht dient der Interessenvertretung und Mitverwaltung des Betriebs durch die Arbeitnehmer. Da es sich bei dieser Zielrichtung am Betrieb als organisatorische Einheit von Arbeitsmitteln zur fortgesetzten Verfolgung bestimmter arbeitstechnischer Zwecke68 orientiert, kann ein unternehmensinterner mobiler Arbeitnehmereinsatz diese betriebliche Grenze schnell überschreiten und sich damit auf die Zuordnung des Arbeitnehmers zum Betrieb auswirken sowie als personelle Einzelmaßnahme nach §§ 95, 99 BetrVG mitbestimmungspflichtig werden. aa) Betriebliche Zuordnung mobiler Arbeitnehmer Die Zuordnung eines Arbeitnehmers zu einem bestimmten Betrieb des Arbeitgebers ist insofern von Bedeutung, als das BetrVG in vielen Vorschriften auf die Zahl der (wahlberechtigten) Arbeitnehmer im Betrieb bzw. Unternehmen abstellt. Der betriebsverfassungsrechtliche Arbeitnehmerbegriff erfordert das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses gerade zum Betriebsinhaber und eine tatsächliche Eingliederung in die Betriebsorganisation.69 Eingegliedert in diesem Sinne sind diejenigen Beschäftigten, mit deren Hilfe der Arbeitgeber den arbeitstechnischen Zweck seines Betriebes verfolgt. Gem. § 5 Abs. 1 Satz 2 BetrVG ist unerheblich, ob deren Tätigkeit innerhalb oder außerhalb der Betriebsstätte erbracht wird, so dass auch Arbeitnehmer wie Bauarbeiter oder Monteure trotz ihrer Außendiensttätigkeit einem Betrieb zuzuordnen sind, solange sie dabei dem arbeitstechnischen Zweck dieses Betriebes dienen.70 Die Fallgruppen der Umsetzung und Entsendung verändern daher nicht die Anzahl der Arbeitnehmer eines Betriebes, jedoch kann eine unternehmensinterne Versetzung die Eingliederung in einen anderen Betrieb zur Folge haben.
68
BAG, Beschl. v. 23.9.1982 – 6 ABR 42/81 –, DB 1983, 1498. Löwisch in: Löwisch/Kaiser, BetrVG, § 7 Rn. 7; BAG, Beschl. v. 18.1.1989 – 7 ABR 62/87 –, BB 1989, 1408; BAG, Beschl. v. 22.3.2000 – 7 ABR 34/98 –, BB 2000, 2098. 70 BAG, Beschl. v. 29.1.1992 – 7 ABR 27/91 –, BB 1992, 353; BAG, Beschl. v. 22.3.2000 – 7 ABR 34/98 –, BB 2000, 2098; BAG, Beschl. v. 5.4.2000 – 7 ABR 20/ 99 –, NZA 2001, 629; Löwisch in: Löwisch/Kaiser, BetrVG, § 7 Rn. 14; Hess in: Hess/Schlochauer/Glaubitz, BetrVG, § 7 Rn. 5. 69
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bb) Beteiligungsrechte des Betriebsrates nach § 99 BetrVG Gem. § 99 BetrVG sind personelle Einzelmaßnahmen in Unternehmen mit mehr als zwanzig wahlberechtigten Arbeitnehmern mitbestimmungspflichtig. Der Versetzungs- und Einstellungsbegriff des BetrVG ist weiter gefasst als die entsprechende arbeitsvertragliche Definition; er orientiert sich an den objektiven betrieblichen Gegebenheiten.71 § 95 Abs. 3 Satz 1 BetrVG geht bei der Legaldefinition des Begriffs der Versetzung – unabhängig von deren arbeitsvertraglicher Zulässigkeit – von der Zuweisung eines anderen Tätigkeitsbereichs aus. Im Kontext der vorliegenden Untersuchung ist unter „Tätigkeitsbereich“ allein der Arbeitsort zu verstehen.72 Versetzungen und Umsetzungen innerhalb eines Betriebes73 können daher Beteiligungsrechte iSd. §§ 95, 99 BetrVG auslösen, gem. § 95 Abs. 3 Satz 2 BetrVG jedoch nicht die Fallgruppe des wechselnden Einsatzortes (Entsendung i. e. S.) aufgrund der dabei fortbestehenden ausschließlichen Zugehörigkeit zu einem bestimmten Betrieb des Arbeitgebers. Ein Ortswechsel ist als Versetzung grundsätzlich mitbestimmungspflichtig für den abgebenden Betrieb, wenn er für den Arbeitnehmer mit einer erheblichen Änderung der Arbeitsumstände verbunden ist, und bei im wesentlichen gleichbleibenden Arbeitsumständen, wenn der Aufenthalt des Arbeitnehmers am neuen Einsatzort die Dauer eines Monats voraussichtlich überschreiten wird. Für die „Zuweisung eines anderen Arbeitsbereichs“ iSd. § 95 Abs. 3 Satz 1 BetrVG ist gleichgültig, ob dies einseitig durch den Arbeitgeber oder im Einvernehmen mit dem Arbeitnehmer erfolgt. Die Leistung des Arbeitnehmers muss allerdings auch im neuen Tätigkeitsbereich die dem Arbeitgeber geschuldete Leistung sein74, so dass auch der betriebsverfassungsrechtliche Versetzungsbegriff inhaltlich an eine genaue Festlegung der Parteien des Arbeitsverhältnisses anknüpft; beim unternehmensinternen Wechsel von einem Betrieb in den anderen bleibt der Arbeitnehmer unproblematisch auch im neuen Betrieb für denselben Arbeitgeber tätig. Die wechselnde Betriebszugehörigkeit eines derart mobilen Arbeitnehmers macht deutlich, dass es in dem auf den einzelnen Betrieb als geschlossene personalwirtschaftliche Einheit zugeschnittenen BetrVG75 an einer expliziten Regelung für einen Fall fehlt, in dem eine personelle Maßnahme eine derartige doppelte Betriebsbezogenheit aufweist. Für die 71
BAG, Beschl. v. 26.05.1988 – 1 ABR 18/87 –, DB 1988, 2158. Der Begriff „Arbeitsbereich“ iSd. § 95 Abs. 3 BetrVG umfasst sowohl räumlich den Arbeitsort als auch funktional den Aufgabenbereich, vgl. ArbG Bochum, Urt. v. 22.10.1975 – 3 Ca 403/75 –, DB 1975, 2449. 73 Voraussetzung ist die Herausnahme des Arbeitnehmers aus seiner bisherigen betrieblichen Einheit, BAG, Beschl. v. 29.2.2000 – 1 ABR 5/99 –, BB 2000, 1784, und im Kontext der vorliegenden Untersuchung ein damit verbundener Arbeitsortwechsel. 74 BAG, Beschl. v. 19.02.1991 – 1 ABR 36/90 –, NZA 1991, 565. 75 Sog. interner Arbeitsmarkt, vgl. Kittner in Däubler, BetrVG § 99 Rn. 15; an dieser Betriebsbezogenheit der Beteiligungsrechte hat auch die Betriebsverfassungsrechts72
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Beantwortung der Frage, wann der Weggang eines Arbeitnehmers für den abgebenden Betrieb eine „Versetzung“ und für den aufnehmenden Betrieb eine „Einstellung“ iSd. § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG bedeutet, ist die Funktion des § 99 Abs. 2 BetrVG ausschlaggebend: Der darin enthaltene Katalog von Verweigerungsgründen belegt, dass das Recht des Betriebsrates zur Zustimmungsverweigerung sowohl dem Schutz des von der konkreten Maßnahme betroffenen einzelnen Arbeitnehmers als auch den Interessen der Belegschaft des Betriebes dient. Der dauerhafte Wechsel des Arbeitnehmers berührt als endgültiges Ausscheiden nicht die in § 99 Abs. 2 BetrVG aufgeführten kollektiven Interessen des abgebenden Betriebes.76 Versetzt der Arbeitgeber den Arbeitnehmer auf dessen Wunsch77 dauerhaft in einen anderen Betrieb, wird auch die individualrechtliche Schutzfunktion des § 99 Abs. 2 BetrVG nicht ausgelöst.78 Erfolgt ein solcher Wechsel aber gegen den Willen des betroffenen Arbeitnehmers, ist § 99 BetrVG für den abgebenden Betrieb einschlägig; neben § 102 BetrVG werden so auch Fälle erfasst, in denen die arbeitsvertragliche Gestaltung der Parteien eine entsprechende Änderungskündigung entbehrlich macht.79 Demgegenüber berührt der nur vorübergehende Fremdeinsatz des Arbeitnehmers aufgrund seiner bevorstehenden Rückkehr die in § 99 Abs. 2 BetrVG enthaltenen kollektiven Interessen des „Stammbetriebes“, so dass es insofern auf den Willen des wechselnden Arbeitnehmers nicht ankommt.80 Sind die Arbeitsumstände bei dessen Wiedereingliederung unverändert, so ist diese nicht als „Einstellung“ zustimmungspflichtig; Aus- und Wiedereintritt stellen sich dann als einheitliche Maßnahme dar, die für den Betriebsrat des abgebenden Betriebs lediglich als „Versetzung“ Mitbestimmungsrechte nach § 99 Abs. 2 BetrVG auslöst.81 Für den aufnehmenden Betrieb kann sowohl der endgültige als auch der vorübergehende Wechsel eine mitbestimmungspflichtige Einstellung darstellen, vorausgesetzt, der betroffene Arbeitnehmer wird tatsächlich in diesen Betrieb eingegliedert. Diese Aufspaltung der Mitbestimmungsrechte ist eine notwendige Konsereform 2001 nichts geändert, da der Unternehmensbezug in § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG n. F. nur den Anwendungsbereich der Norm erweitert. 76 BAG, Beschl. v. 30.04.1981 – 6 ABR 59/78 –, AP Nr. 12 zu § 99 BetrVG 1972 mit Anm. Löwisch. 77 BAG, Beschl. v. 20.9.1990 – 1 ABR 37/90 –, BAGE 66, 57 (67 f.), i.Ggs. zu BAG, Beschl. v. 30.4.1981 – 6 ABR 59/78 –, AP Nr. 12 zu § 99 BetrVG 1972, wonach ein bloßes Einverständnis des Arbeitnehmers ausreichte. 78 Es bleibt jedoch bei der Unterrichtungspflicht aus § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG. 79 Eine Parallelregelung besteht seit der Betriebsverfassungsrechtsreform 2001 in § 103 Abs. 3 Satz 1 BetrVG für die Versetzung u. a. von Betriebsratsmitgliedern. 80 „Ausstrahlung“ des Stammbetriebes auf die Tätigkeit im neuen Betrieb, vgl. Kraft in Fabricius, GK-BetrVG § 99 Rn. 102. 81 BAG, Beschl. v. 18.10.1988 – 1 ABR 26/87 –, DB 1989, 732; LAG Düsseldorf, Beschl. v. 01.09.1988 – 12 Ta BV 46/88 –, ArbuR 1989, 186.
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quenz der Konzeption des BetrVG. Eine Zuständigkeitsverlagerung auf den Gesamtbetriebsrat ist mangels überbetrieblichen Bezugs und fehlender betrieblicher Regelungsmöglichkeit nicht zwingend erforderlich iSd. § 50 Abs. 1 Satz 1 BetrVG.82 Ein und dieselbe personelle Maßnahme kann sich in jedem einzelnen Betrieb unterschiedlich auswirken; die Betriebsbezogenheit des Mitbestimmungsrechts macht eine dem Einzelfall angemessene Reaktion des jeweiligen Betriebsrats erst möglich. Aus den unterschiedlichen Interessen resultierende divergierende Entscheidungen sind dabei in Kauf zu nehmen.83 Davon unbenommen bleibt freilich das Recht beider Einzelbetriebsräte, den Gesamtbetriebsrat nach § 50 Abs. 2 Satz 1 BetrVG zu beauftragen.84 Die Missachtung der Mitbestimmungsrechte durch den Arbeitgeber hat einschneidende Folgen für die Durchsetzbarkeit seiner personellen Maßnahme. Allerdings ist die ordnungsgemäße Beteiligung des Betriebsrates nicht als individualrechtliche Wirksamkeitsvoraussetzung der Einzelmaßnahme anzusehen.85 Eine derartige Beseitigung der individualrechtlichen Dispositions- und Vertragsfreiheit des Arbeitgebers ist dem BetrVG nicht mit der erforderlichen Deutlichkeit zu entnehmen und widerspricht zudem der Gesetzessystematik. Denn während § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG ausdrücklich die Unwirksamkeit einer ohne Betriebsratsanhörung ausgesprochenen Kündigung normiert, ist in §§ 100, 101 BetrVG lediglich die Rede von einer Aufrechterhaltung bzw. Aufhebung der personellen Maßnahme. In § 99 BetrVG steht der Schutz kollektiver Belegschaftsinteressen im Vordergrund, so dass eine Auswirkung eines Verstoßes gegen diese Vorschrift durch den Arbeitgeber auf die individualrechtliche Vertragsposition des Arbeitnehmers unverhältnismäßig wäre, der im Einzelfall mit der Versetzung sogar einverstanden sein kann und zudem am Zustimmungsersetzungsverfahren gar nicht beteiligt ist. Es besteht jedoch ein Beschäftigungsverbot, demzufolge der Arbeitgeber gehindert ist, den Arbeitnehmer im neuen Tätigkeitsbereich tatsächlich einzusetzen. Sollte der Betriebsrat seine Zustimmungsverweigerung im Einzelfall auf § 99 Abs. 2 Nr. 3 BetrVG stützen, ist ein solcher Verstoß des Arbeitgebers durch § 101 BetrVG hinreichend sanktioniert. Freilich setzt ein Beschäftigungsverbot ein Vorgehen des Betriebsrates nach 82 BAG, Beschl. v. 30.4.1981 – 6 ABR 59/78 –, AP Nr. 12 zu § 99 BetrVG 1972; BAG, Urt. v. 26.01.1993 – 1 AZR 303/92 –, DB 1993, 1475 (1476); a. A. Richardi/ Thüsing in: Richardi, BetrVG § 99 Rn. 124. 83 Vgl. auch Löwisch, Anm. zu BAG, Beschl. v. 30.04.1981 – 6 ABR 59/78 – in AP Nr.12 zu § 99 BetrVG 1972. 84 Bobke, Anm. zu BAG, Beschl. v. 30.04.1981 – 6 ABR 59/78 – in ArbuR 1981, 354 (356). 85 BAG, Urt. v. 2.7.1980 – 5 AZR 1241/79 –, DB 1981, 272; BAG, Urt. v. 2.7.1980 – 5 AZR 56/79 –, AP Nr. 5 zu § 101 BetrVG 1972; Schlochauer in: Hess/Schlochauer/Glaubitz, BetrVG, § 99 Rn. 9; Kraft in: Fabricius, GK-BetrVG, § 99 Rn. 121 ff.; a. A. Fitting, BetrVG, § 99 Rn. 226, 232; BAG, Urt. v. 26.1.1988 – 1 AZR 531/86 –, BB 1988, 1327.
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§ 101 BetrVG voraus, was jedoch folgerichtig ist, wenn man § 99 BetrVG als eine betriebsverfassungsrechtliche Pflicht des Arbeitgebers allein gegenüber dem Betriebsrat ansieht. Erfolgte die Versetzung im Wege einseitiger Anordnung des Arbeitgebers, so ist diese Anweisung daher vertragsrechtlich zulässig.86 Das betriebsverfassungsrechtliche Beschäftigungsverbot bewirkt aber im Fall des § 99 Abs. 2 Nr. 3 BetrVG ein Leistungsverweigerungsrecht. Mangels Änderung des Arbeitsvertrages ist der Arbeitnehmer zu den bisherigen Bedingungen weiterzubeschäftigen. Er kann daher die Befolgung der Versetzung verweigern und bei Nichtbeschäftigung am alten Arbeitsplatz Annahmeverzugslohn verlangen.87 Wenn die Versetzung aufgrund einer einvernehmlichen Vertragsänderung oder einer vorbehaltlos angenommenen Änderungskündigung erfolgte, ist die Zuweisung des neuen Arbeitsbereichs als Realakt zwar nicht nichtig iSd. § 134 BGB88, jedoch besteht keine Beschäftigungsalternative.89 Der Arbeitnehmer hat Anspruch auf Annahmeverzugslohn, jedoch kann ihm u. U. mangels Beschäftigungsmöglichkeit gekündigt werden. Bei einer Annahme des Änderungsangebotes unter dem Vorbehalt des § 2 KSchG ist der Arbeitnehmer bis zum Ende des Kündigungsschutzprozesses individualrechtlich verpflichtet, auf der neuen Stelle zu arbeiten, auch in diesem Fall besteht aber zunächst diesbezüglich ein Beschäftigungsverbot. Die Mitbestimmungserfordernisse des Betriebsverfassungsrechts schränken Arbeitnehmermobilität daher ein. Mit seiner Definition des Versetzungsbegriffes versucht § 95 Abs. 3 BetrVG jedoch, einen Kompromiss zu schaffen zwischen den Zielen des § 99 BetrVG einerseits, nämlich der Wahrung kollektiver Interessen und des Schutzes des von der Einzelmaßnahme betroffenen Arbeitnehmers, und dem Bestreben des Arbeitgebers andererseits, eine für die Betriebspraxis unerwünschte Ausweitung der Mitbestimmungsrechte auf „Bagatellfälle“ zu vermeiden. Arbeitnehmermobilität als Resultat einer raschen und flexiblen Dispositionsfreiheit des Arbeitgebers stößt letztlich aber sowohl in arbeitsvertraglicher als auch in betriebsverfassungsrechtlicher Hinsicht an ihre Grenze, sobald sie eine erhebliche Änderung der Arbeitsumstände zur Folge hat.
86 Kaiser in: Löwisch/Kaiser, BetrVG, § 99 Rn. 23; Kraft in: Fabricius, GKBetrVG, § 99 Rn. 124; a. A. BAG, Urt. v. 26.1.1988 – 1 AZR 531/86 –, BB 1988, 1327 (Nichtigkeit der Versetzungsanordnung analog § 134 BGB); BAG, Urt. v. 2.4.1996 – 1 AZR 743/95 –, AP Nr. 34 zu § 95 BetrVG 1972. 87 Woltzke, Anm. zu BAG, Urt. v. 30.9.1993 – 2 AZR 283/93 –, AP Nr. 33 zu § 2 KSchG. 88 Kraft in: Fabricius, GK-BetrVG, § 99 Rn. 124. 89 A. A. BAG, Urt. v. 30.9.1993 – 2 AZR 283/93 –, AP Nr. 33 zu § 2 KSchG 1969 (erweitertes Direktionsrecht).
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2. Arbeitnehmerverleih zwischen voneinander unabhängigen Unternehmen a) Vertragsstruktur und Abgrenzung zu sonstigen Mobilitätsformen Der Arbeitnehmerverleih setzt ein bereits bestehendes Beschäftigungsverhältnis des Leiharbeitnehmers zu einem selbständigen Unternehmer (Verleiher) voraus, im Rahmen dessen der Arbeitnehmer an einen Dritten (Entleiher) abgegeben wird. Verleiher und Entleiher schließen hierfür eine Überlassungsvereinbarung. Wesentliches Merkmal dieser Dreieckskonstellation ist der ausschließlich zwischen dem Verleiher und dem Leiharbeitnehmer bestehende Arbeitsvertrag, demzufolge eigentlich nur der Verleiher als Arbeitgeber Anspruch auf die Arbeitsleistung des Leiharbeitnehmers und ein Weisungsrecht hat. Die entsprechende Auslegungsregel des § 613 Satz 2 BGB ist jedoch abdingbar, wobei die Abgabe des Arbeitnehmers an einen Dritten einschließlich der Übertragung des Weisungsrechts eine explizite individualvertragliche Absprache zwischen Verleiher und Arbeitnehmer voraussetzt. Eine tarifvertragliche Abdingbarkeit des § 613 Satz 2 BGB als Erweiterung der Arbeitspflicht des Arbeitnehmers kommt allerdings nicht in Betracht.90 Hintergrund des § 613 Satz 2 BGB ist, dass der Dienstberechtigte dem Dienstpflichtigen keinen anderen Dienstgeber aufzwingen können soll91 – auch nicht im Wege eines Tarifvertrages. Denn sowohl die Vereinbarung der Weisungsgebundenheit des Dienstpflichtigen als auch die Festlegung der Person des Trägers des entsprechenden Weisungsrechts sind konstituierende Merkmale des Arbeitsverhältnisses und seiner Vertragspartner (Arbeitnehmer und Arbeitgeber). Sie gehören damit zum Kern zwingend individuell zu vereinbarender essentialia negotii und stellen einen festen Mindestbestandteil privatautonomer Vertragsgestaltung dar, den ein Tarifvertrag nicht ersetzen kann sondern lediglich voraussetzt.92 Ohne individualvertragliche Abweichung von der Regel des § 613 Satz 2 BGB durch ausdrückliche Zustimmung des Arbeitnehmers oder individualarbeitsvertragliche Vereinbarung kann der Arbeitnehmer daher nicht der Weisungsbefugnis eines anderen Arbeitgebers unterstellt werden.93 Wird der Arbeitnehmer von vornherein zum Zweck des Verleihs an Fremdfirmen eingestellt, folgt der konkrete Einsatz jeweils unmittelbar aus dem Direktionsrecht des Arbeitgebers. In beiden Konstellationen beruht die Berechtigung des Verleihers, sein Direktionsrecht in Abweichung vom gesetzlichen Regelfall auf Dritte zu
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A. A. Ulber, AÜG, § 1 Rn. 105; Windbichler, Arbeitsrecht im Konzern, 486. Schaub in MüKo, § 613 Rn. 21; Richardi in: Staudinger, BGB, § 613 Rn. 16. 92 Vgl. oben Teil 1, § 1 A. II. 1. a). 93 Preis in: ErfKomm, § 613 BGB Rn. 9; Richardi in: Staudinger, BGB, § 613 Rn. 20. 91
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übertragen, auf einer individuellen Vereinbarung mit dem Leiharbeitnehmer, die Umfang und Grenzen dieser doppelten Weisungsgebundenheit festlegt. Im Unterschied zur privaten Arbeitsvermittlung sind die Parteien des Arbeitsverhältnisses beim Arbeitnehmerverleih bereits festgelegt. Zur Abgrenzung stellt § 1 Abs. 2 AÜG die Vermutung auf, dass ein Arbeitnehmer dann von seinem Verleiher vermittelt wird, wenn letzterer nicht das Arbeitgeberrisiko und die typischen Arbeitgeberpflichten wie Lohnzahlung, Urlaubsgewährung oder die Entrichtung von Sozialversicherungsbeiträgen trägt.94 Die Abgrenzung der Leiharbeit von der Entsendung i. e. S. erweist sich oftmals als problematisch, da der Arbeitgeber seinen Arbeitnehmer im Rahmen eines bestehenden Beschäftigungsverhältnisses sowohl an einen Dritten zum Zwecke der Arbeitsleistung abgeben, als auch zur Erfüllung eigener werk- oder dienstvertraglicher Verpflichtungen als Erfüllungsgehilfen iSd. § 278 BGB einsetzen kann. In letzteren Fallgestaltungen ist das Tätigwerden des Überlassenen beim Dritten nur Nebenzweck des zwischen dem Dritten und dem Arbeitgeber geschlossenen Vertrages. Ein weiteres aussagekräftiges Indiz ist die Frage nach dem Träger der Weisungsberechtigung.95 Im Fall gemischter Verträge, bei denen Maschinen mitsamt Personal vorübergehend überlassen werden, ist allein der Schwerpunkt der wirtschaftlichen Leistung taugliches Abgrenzungskriterium.96 b) Inhalt des Arbeitsverhältnisses aa) Gewerbsmäßige Arbeitnehmerüberlassung iSd. AÜG Das Besondere der Fallgruppe des Arbeitnehmerverleihs liegt in der Aufspaltung der Arbeitgeberstellung. Neben dem Verleiher wird auch der Entleiher am Arbeitsverhältnis mit Rechten und Pflichten gegenüber dem Arbeitnehmer beteiligt: Der Verleiher trägt zwar weiterhin die Lohnzahlungs- und Sozialversicherungspflicht97, sein Direktionsrecht geht aber für die Zeit des Verleihs auf den Entleiher über. Die im Entleihbetrieb geltenden öffentlich-rechtlichen Schutzvorschriften sind auch auf den verliehenen Arbeitnehmer anwendbar; der Entleiher trägt die entsprechenden arbeitsvertraglichen Nebenpflichten, und auch ihm gegenüber gilt die beschränkte Arbeitnehmerhaftung. Der Anspruch des Entleihers auf die Arbeitsleistung des Leiharbeitnehmers richtet sich zu94 Sog. Schwerpunkttheorie, vgl. BSG, Urt. v. 29.7.1970 – 7 Rar 44/68 –, BSGE 31, 235. 95 BAG, Urt. v. 30.1.1991 – 7 AZR 497/89 –, BB 1991, 2375; BGH, Urt. v. 8.11.1979 – VII ZR 337/78 –, NJW 1980, 452; weitere Kriterien bei Schaub, ARHandbuch, § 120 Rn. 13 f. 96 BAG, Urt. v. 17.2.1993 – 7 AZR 167/92 –, NZA 1993, 1125. 97 – Aber selbstschuldnerische Bürgenhaftung des Entleihers für Sozialversicherungsbeiträge, § 28e Abs. 2 Satz 1 SGB IV.
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nächst gegen den Verleiher aufgrund der mit diesem abgeschlossenen Überlassungsvereinbarung. Ob und ggf. inwieweit der Entleiher zudem gegenüber dem Leiharbeitnehmer anspruchsberechtigt ist, hängt von der Ausgestaltung der Verträge ab: Ein originärer Leistungsanspruch aus dem Arbeitsvertrag setzt voraus, dass dieser als Vertrag zugunsten Dritter iSd. § 328 BGB vereinbart worden ist; auch kann der Verleiher seinen vertraglichen Anspruch auf die Arbeitsleistung an den Entleiher abtreten. Trotz der Verlagerung bestimmter Rechte und Pflichten auf den Entleiher liegt der Schwerpunkt der arbeitsvertraglichen Rechte und Pflichten weiterhin zwischen dem Verleiher und dem Leiharbeitnehmer. Die Rechtsfigur des Arbeitnehmerverleihs bewegt sich damit in einer Grauzone zwischen der vollständigen arbeitsvertraglichen Gleichstellung des Dritten mit dem Arbeitgeber einerseits und andererseits dessen vom Arbeitsverhältnis isolierter Stellung als Vertragspartner des Arbeitgebers. Diese rechtliche Beteiligung eines Dritten an einem Arbeitsverhältnis ist zwar Ausdruck der Vertragsfreiheit, sie erschwert jedoch die rechtliche Zuordnung des Leiharbeitnehmers und gefährdet dadurch dessen soziale Schutzrechte. Als mögliches Instrument der Tarifumgehung kann sie die Tarifeinheit im Entleihbetrieb durchbrechen. Im Falle der Besetzung von Dauerarbeitsplätzen mit Leiharbeitnehmern kann sie den tatsächlichen Arbeitskräftebedarf auf dem Arbeitsmarkt verschleiern. Insbesondere zum Schutz des früheren Vermittlungsmonopols der Bundesanstalt für Arbeit war daher Arbeitnehmerüberlassung gesetzlich verboten98, bis das Bundesverfassungsgericht dieses kategorische Verbot 1967 in Anbetracht des wirtschaftlichen Nutzens des Arbeitnehmerverleihs für Arbeitgeber und auch Arbeitnehmer als Verstoß gegen Art. 12 GG für verfassungswidrig erklärte.99 Das AÜG von 1972100 versucht, mittels eines Kompromisses eine verhältnismäßige Einschränkung des Art. 12 GG bei der Arbeitnehmerüberlassung zu schaffen. Arbeitnehmerschutz, Sicherung des Beitragsaufkommens zur Sozialversicherung und Lohnsteuer sowie eine Begrenzung der arbeitsmarktpolitischen Auswirkungen des Arbeitnehmerverleihs durch den Ausschluss längerfristiger Überlassungen waren Ziele des Gesetzes101, die in den Sondervorschriften des AÜG, des § 28e Abs. 2 Satz 3, Abs. 4 SGB IV und des § 42d Abs. 6 EStG sichtbar wurden. Dabei zeichnete sich nach einer zunächst erfolgten Verschärfung der Regelungen102 ab 1985 eine zunehmende Liberalisierung zwecks Schaffung zusätzlicher Beschäftigungsmöglichkeiten durch die mehrfache Ver98 Vgl. u. a. § 48 Abs. 5 Arbeitsnachweisgesetz v. 22.7.1922 (RGBl. 1922 I, 657) sowie § 37 Abs. 3 AVAVG (Gesetz über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung i. d. F.v. 3.4.1957, BGBl. 1957 I, 321). 99 BVerfG, Urt. v. 4.4.1967 – 1 BvR 84/65 –, BVerfGE 21, 261. 100 „Gesetz zur Regelung der gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung“ vom 7.8.1972, BGBl. 1972 I, 1393 i. d. F.v. 3.2.1995 (BGBl. 1995 I, 158). 101 Vgl. Regierungsentwurf vom 15.6.1971, BT-Dr. VI/2303.
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längerung der maximal zulässigen Überlassungsdauer und die Aufnahme von Ausnahmetatbeständen ab.103 Eine Flexibilisierung erfolgte u. a. dadurch, dass die Zulässigkeit von Arbeitnehmerüberlassungen nunmehr teils von der Existenz tariflicher Regelungen abhängt.104 Andererseits band im Jahr 2001 das sog. Job-AQTIV-Gesetz den Verleiher bei Überlassungen von mehr als zwölf Monaten an die vom Entleiher gewährten Arbeitsbedingungen und nahm ihm dadurch einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil.105 Diese Entwicklung kulminierte im sog. 1. Hartz-Umsetzungsgesetz vom 23.12.2002, das einerseits von den vormaligen Beschränkungen des § 3 Abs. 1 Nr. 3, 4, 5 und 6 AÜG a. F. (Befristungs-, Wiedereinstellungs-, Synchronisationsverbot und zeitliche Höchstgrenze) befreite, andererseits aber den Inhalt des mit dem Verleiher bestehenden Leiharbeitsverhältnisses ab Überlassungsbeginn an die im Entleihbetrieb für vergleichbare Arbeitnehmer geltenden Bedingungen koppelte.106 Gesetzgeberischer Handlungsbedarf im Sinne einer am Verhältnismäßigkeitsgrundsatz orientierten Regelung bestand stets lediglich hinsichtlich der systematisch betriebenen, d.h. gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung. Damit wird die Gewerbsmäßigkeit zum Differenzierungskriterium zwischen unbeschränkt und nur eingeschränkt zulässigem Arbeitnehmerverleih. Gewerbsmäßig ist jede nicht nur gelegentliche, sondern auf eine gewisse Dauer angelegte und auf die Erzielung unmittelbarer oder mittelbarer wirtschaftlicher Vorteile gerichtete selbständige Tätigkeit.107 Die gewerbsmäßige Arbeitnehmerüberlassung unterliegt gem. § 1 Abs. 1 Satz 1 AÜG einem präventiven Verbot mit Erlaubnisvorbehalt.
102 Z. B. Anordnung eines sektoralen Verbotes für den Bausektor (§ 12a AFG/§ 1b AÜG) durch das Arbeitsförderungs-Konsolidierungsgesetz vom 22.12.1981, BGBl. 1981 I, 1497. 103 Z. B. durch das Beschäftigungsförderungsgesetz 1985 vom 26.4.1985 (BGBl. 1985 I, 710), das Siebte Gesetz zur Änderung des Arbeitsförderungsgesetzes vom 20.12.1985 (BGBl. 1985 I, 2484), das Beschäftigungsförderungsgesetz 1990 vom 22.12.1989 (BGBl. 1989 I, 2406), das Erste Gesetz zur Umsetzung des Spar-, Konsolidierungs- und Wachstumsprogramms – 1. SKWPG – vom 21.12.1993 (BGBl. 1993 I, 2353). 104 Z. B. in § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG, § 1 Abs. 3 Nr. 1 AÜG und § 1b Satz 2 AÜG. 105 § 10 Abs. 5 AÜG i. d. F.d. Gesetzes zur Reform der arbeitsmarktpolitischen Instrumente vom 10.12.2001 (BGBl. 2001 I, 3443). 106 Erstes Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23.12.2002 (BGBl. 2002 I, 4607). 107 BAG, Urt. v. 21.3.1990 – 7 AZR 198/89 –, DB 1991, 282; der Gewerbsmäßigkeitsbegriff des AÜG entstammt dem Gewerberecht, es gilt weder die strafrechtliche noch eine dem AÜG eigene Definition, vgl. BAG, Urt. v. 8.11.1978 – 5 AZR 261/77 –, AP Nr. 2 zu § 1 AÜG.
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bb) Erlaubnisvorbehalt als Mittel arbeitsvertraglicher Inhaltskontrolle Auch der Inhalt des Leiharbeitsverhältnisses richtet sich grundsätzlich nach allgemeinen arbeitsrechtlichen Normen. Über die Erlaubnispflicht des § 1 Abs. 1 Satz 1 AÜG wird die arbeitsvertragliche Gestaltungsfreiheit bei der gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung allerdings zusätzlich eingeschränkt. (1) Grundsatz der Verleiherbezogenheit Da im Dreiecksverhältnis des Arbeitnehmerverleihs ein Arbeitsverhältnis ausschließlich zwischen Verleiher und Leiharbeitnehmer besteht, bestimmt sich dessen Inhalt grundsätzlich nach den von diesen parteiautonom getroffenen Vereinbarungen in den Grenzen der für beide geltenden gesetzlichen und tariflichen Bestimmungen. Entsprechend dieser Zuordnung des Arbeitsverhältnisses zum Verleiher ist die Erteilung einer Überlassungserlaubnis nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 und 2 AÜG dann zu versagen, wenn der Verleiher die ihm obliegenden individualvertraglichen, gesetzlichen oder tarifvertraglichen Arbeitgeberpflichten mangels persönlicher Zuverlässigkeit oder zureichender Betriebsorganisation nicht erfüllt. Die in § 3 Abs. 1 Nr. 3–6 AÜG a. F. enthaltenen Befristungs-, Wiedereinstellungs- und Synchronisationsverbote einschließlich der zeitlichen Höchstgrenze von Überlassungen, die sich als Beschränkungen des Arbeitsvertragsinhaltes auswirkten, sind durch das 1. Hartz-Umsetzungsgesetz vom 23.12.2002 entfallen.108 Als gesetzliche Arbeitgeberpflicht des Verleihers in Zeiten der Überlassung des Arbeitnehmers normieren § 3 Abs. 1 Nr. 3, § 9 Nr. 2 AÜG n. F. nunmehr die Gewährung derjenigen Arbeitsbedingungen, die im Entleihbetrieb einem dem Leiharbeitnehmer vergleichbaren Arbeitnehmer zustehen, was eine Durchbrechung des Prinzips der Verleiherbezogenheit im Hinblick auf den Arbeitsvertragsinhalt darstellt. Gem. § 9 Nr. 4 AÜG ist eine Vereinbarung zwischen Verleiher und Leiharbeitnehmer unwirksam, die dem Leiharbeitnehmer nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Verleiher den Abschluss eines Arbeitsvertrages mit dem Entleiher untersagt, und dem Verleiher obliegen gem. § 11 AÜG über das NachwG hinausgehende Dokumentationspflichten. Für die Zeiten, in denen der Arbeitnehmer nicht verliehen wird, beschränkt das AÜG Verleiher und Leiharbeitnehmer somit nicht wesentlich in ihrer Vertragsgestaltung. Auch die kollektivrechtliche Zuordnung von Leiharbeitnehmern knüpft an das ausschließlich zwischen Verleiher und Leiharbeitnehmer bestehende Arbeitsverhältnis an, eine Tarifwirkung iSd. § 4 Abs. 1 Satz 1 TVG erstreckt sich aus108 Art. 6 Nr. 3b des Ersten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23.12.2002 (BGBl. 2002 I, 4607).
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schließlich auf dieses Rechtsverhältnis. Denn die tarifliche Normsetzungsbefugnis bezüglich sog. Inhaltsnormen betrifft gem. § 1 Abs. 1 TVG lediglich Arbeitsverhältnisse, die Tarifmacht ist auf die Beteiligten dieses Rechtsverhältnisses beschränkt. Dementsprechend erfasst die Wirkung eines für den Entleihbetrieb geltenden Tarifvertrages iSd. § 4 Abs. 1 Satz 1 TVG mangels einer zwischen Entleiher und Leiharbeitnehmer bestehenden arbeitsvertraglichen Beziehung nicht den Leiharbeitnehmer.109 Dies gilt auch für den Fall der Allgemeinverbindlicherklärung eines für den Entleiher geltenden Tarifvertrages, da die Rechtsnormerstreckung des § 5 TVG lediglich die fehlende Tarifbindung, nicht aber die arbeitsvertragliche Beziehung der Normunterworfenen zueinander ersetzt.110 Schließlich können auch die Rechtsbeziehungen des Verleihers zum Entleiher wegen Fehlens eines Arbeitsverhältnisses nicht tarifvertraglich gestaltet werden. Tarifliche Regelungen für die Zeitarbeitsbranche gab es bislang wenig. Die Deutsche Angestellten Gewerkschaft (DAG) hatte mit dem Bundesverband Zeitarbeit e. V. (BZA) bzw. dessen Rechtsvorgänger, dem Unternehmensverband für Zeitarbeit e. V., in der Zeit von 1972 bis 1989 insgesamt sieben Manteltarifverträge für Angestellte in Unternehmen für Zeitarbeit sowie zahlreiche Vergütungstarifverträge geschlossen, der letzte Manteltarif vom 6.3.1986 und der letzte Vergütungstarif vom 2.3.1988 wurden jedoch beide von der DAG zum 31.3.1989 gekündigt. Danach kam zunächst kein weiterer Branchentarifabschluss mehr zwischen Verleihern bzw. der DAG und dem BZA zustande.111 Erst im Frühjahr 2003 wurde ein erster bundesweit geltender Branchentarifvertrag für alle in der Zeitarbeit beschäftigten Arbeitnehmer vereinbart: Die Tarifgemeinschaft Christliche Gewerkschaften Zeitarbeit und PSA (CGZP) schloss mit der Interessengemeinschaft Nordbayerischer Zeitarbeitsunternehmen e. V. (INZ) einen Manteltarifvertrag, einen Entgeltrahmentarifvertrag sowie einen Entgelttarifvertrag/Ost und -/West ab, jeweils mit Geltung ab dem 1. März 2003.112 Zahlreicher sind von Verleihunternehmen vereinbarte Firmentarifverträge.113 Der gewerkschaftliche Organisationsgrad von Leiharbeitnehmern ist je109
LAG Frankfurt/M., Urt. v. 19.12.1972 – 3 Sa 486/72 –, DB 1973, 624. Wank in: Wiedemann, TVG, § 5 Rn. 127 f.; Boemke, AÜG, § 11 Rn. 17; a. A. Ulber, AÜG, § 1 Rn. 51a. 111 Die Funktion fehlender Tarifverträge sollten die „Arbeitsbedingungen und Sozialleistungen der Mitgliedsfirmen des Bundesverbandes Zeitarbeit (ABS-BZA)“ vom 1.8.1991 sowie die regionalen „BZA-Vergütungstabellen für gewerbliches, kaufmännisches und technisches Personal“ übernehmen, die vom BZA seinen Mitgliedern einseitig vorgegeben waren; näher hierzu Schüren, AÜG, Einl. Rn. 250; Ulber, AÜG, § 1 Rn. 104. 112 Hierzu Ankersen, NZA 2003, 421. 113 Z. B. zwischen der Adecco Personaldienstleistungen für die Weltausstellung 2000 GmbH & Co., Hannover und der IG Metall: EXPO-Tarifvertrag mit Geltung vom 1.1.–31.12.2000, abgedruckt in RdA 2000, 183. – Zwischen der Randstad Deutschland GmbH & Co. KG (mit bundesweiter Geltung) und der DAG sowie der 110
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doch vermutlich gering, und bislang ist noch kein Leiharbeitstarifvertrag für allgemeinverbindlich erklärt worden. Allgemein sind bei bestehender Tarifbindung alle im Verleihbetrieb geltenden Tarifnormen auf das Arbeitsverhältnis des Leiharbeitnehmers unabhängig von dessen Besonderheiten anwendbar, vorausgesetzt dessen räumlicher Geltungsbereich erfasst auch diese Form des mobilen Arbeitseinsatzes. In Mischbetrieben unterliegen sämtliche Arbeitsverhältnisse sodann aufgrund des Industrieverbandssystems dem fachlichen Geltungsbereich desjenigen Tarifvertrages, der dem Schwergewicht der betrieblichen Tätigkeit entspricht. (2) Gleichstellung von Leiharbeitnehmern und Entleiherbelegschaft (a) Gleichstellung bei unerlaubter Arbeitnehmerüberlassung Eine fehlende Erlaubnis hat gem. § 9 Nr. 1 AÜG die Unwirksamkeit sowohl des Überlassungs- als auch des Arbeitsvertrages zur Folge. In diesem Fall fingiert § 10 Abs. 1 AÜG zum Schutz des Leiharbeitnehmers ein Beschäftigungsverhältnis mit dem Entleiher.114 Dessen Inhalt richtet sich gem. § 10 Abs. 1 Satz 4 AÜG prinzipiell nach den im Entleihbetrieb geltenden Arbeitsbedingungen. Ein dort geltender Tarifvertrag ist (im Falle beiderseitiger Tarifbindung oder Allgemeinverbindlicherklärung) dann unproblematisch auch auf den Leiharbeitnehmer anwendbar, und dieser gehört zum Entleihbetrieb iSd. BetrVG. Diese Gleichstellung wird durch § 10 Abs. 1 Satz 5 AÜG lediglich bezüglich etwaiger zwischen Verleiher und Leiharbeitnehmer vereinbarter und für diesen günstigerer Entgeltabreden durchbrochen.
ÖTV: Manteltarifvertrag für überbetriebliche Mitarbeiter (Mitarbeiter im Kundeneinsatz), Tarifvertrag über Vergütungsstrukturen für überbetriebliche Mitarbeiter (Mitarbeiter im Kundeneinsatz), Vergütungstarifvertrag, sämtliche mit Geltung ab dem 1. April 2000; neuer Vergütungstarifvertrag mit Geltung ab 1.5.2001. – Zwischen der bsk Zeitarbeit GmbH und der IG Metall: Manteltarifvertrag, Entgeltrahmentarifvertrag und Entgelttarifvertrag, jeweils mit Geltung ab 1.7.1999. – Zwischen der ÖTV und der START-Zeitarbeit GmbH war zudem mit Wirkung ab dem 1.1.1994 ein Haustarifvertrag zur nichtkommerziellen Arbeitnehmerüberlassung für schwer vermittelbare Arbeitnehmer zustande gekommen, abgedruckt bei Ulber, AÜG, Anhang 6. Schließlich wurde im Frühsommer 2003 zwischen dem BZA und den Mitgliedsgewerkschaften des DGB auf Bundesebene ein Manteltarifvertrag Zeitarbeit, ein Entgeltrahmentarifvertrag sowie ein Entgelttarifvertrag vereinbart, jeweils mit Geltung ab dem 1.1.2004. 114 Für das Lohnsteuerrecht ist die Fiktion des § 10 Abs. 1 AÜG nicht maßgebend. Der Verleiher bleibt lohnsteuereinbehaltungs- und -abzugspflichtig iSd. § 38 Abs. 3 Satz 1 EStG. Eine gesamtschuldnerische Haftung von Verleiher und Entleiher besteht gem. § 42d Abs. 6 EStG nur dann, wenn eine Überlassungserlaubnis fehlt und der Entleiher seine Mitwirkungspflichten aus § 51 Abs. 1 Nr. 2d EStG verletzt.
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(b) Gleichstellung während der erlaubten Überlassung Bis zum Ende des Jahres 2001 hatten die in den einzelnen Entleihbetrieben geltenden Arbeitsbedingungen auf erlaubte Arbeitnehmerüberlassungen keinerlei Auswirkungen; Verleiher waren frei, ihre Arbeitsverträge mit Leiharbeitnehmern so zu gestalten, dass diese eine brauchbare Kalkulationsgrundlage für gegenüber potentiellen Entleihern abzugebende Angebote für Überlassungsverträge darstellten. Auch konnten die Sozialpartner der Zeitarbeitsbranche Tarifverträge für Leiharbeitsverhältnisse abschließen. Damit verbunden war freilich eine Durchbrechung der Tarifeinheit im Entleihbetrieb durch die dort aufgrund eigener arbeits- bzw. tarifvertraglicher Bedingungen tätigen Arbeitnehmer des Verleihers. Da dies als Missstand bemängelt wurde, gab es vereinzelt Versuche, eine tarifliche Gleichstellung von Leiharbeitnehmern mit der Stammbelegschaft des Entleihbetriebes auf indirektem Wege in Tarifverträgen mit Entleihern herbeizuführen. Darin wurden Entleihunternehmen verpflichtet, mit Verleihunternehmen zu vereinbaren, dass diese ihren Leiharbeitnehmern gegenüber die Mindestarbeitsbedingungen des jeweiligen Tarifvertrages des Entleihbetriebes einhalten.115 Auch gab es Tarifverträge mit Verleihunternehmen, die eine Pflicht zur Gleichstellung von Leiharbeitnehmern mit vergleichbaren Beschäftigten des jeweiligen Entleihbetriebes enthielten.116 Theoretisch denkbar sind freilich auch Überlassungsverträge, in denen sich der Verleiher zur Gewährung der im Entleihbetrieb für vergleichbare Arbeitnehmer geltenden Arbeitsbedingungen im Sinne eines Vertrages zugunsten des Leiharbeitnehmers als Drittem iSd. § 328 BGB verpflichtet. Das sog. Job-AQTIV-Gesetz fügte in § 10 Abs. 5 AÜG n. F. eine bußgeldbewehrte gesetzliche Verpflichtung des Verleihers zur Gewährung der im Entleihbetrieb für vergleichbare Arbeitnehmer geltenden Arbeitsbedingungen ab dem 13. Überlassungsmonat ein, wobei für das Arbeitsentgelt das Günstigkeitsprinzip galt.117 Begründet wurde diese Durchbrechung der vertraglichen Zuordnung 115 So der „Tarifvertrag über allgemeine betriebliche Arbeitsbedingungen im rheinisch-westfälischen Steinkohlenbergbau“ vom 1.7.1975 und der entsprechende Manteltarifvertrag vom 19.9.1973, Nachweis bei Ulber, AÜG, § 1 Rn. 104. 116 So enthält der Tarifvertrag der START Zeitarbeit NRW GmbH vom 1.1.1994 in § 10 einen Anspruch Leiharbeitnehmers gegen den Verleiher auf den Tariflohn des Entleihers, in verleihfreien Zeiten auf das entsprechende Durchschnittsentgelt; allerdings geriet die START Zeitarbeit NRW GmbH aufgrund dieser Ausrichtung an den Entleihertariflöhnen in Wettbewerbsschwierigkeiten, da die gewerblichen Verleiher Leiharbeitnehmer wesentlich kostengünstiger anbieten konnten, vgl. 9. Erfahrungsbericht der Bundesregierung vom 4.10.2000, BT-Dr. 14/4220. Ebenfalls am Entgelt vergleichbarer Beschäftigter des Entleihbetriebes orientiert sich der zwischen der Euromontec Personaldienstleistungen GmbH und der Tarifgemeinschaft Christlicher Gewerkschaften Zeitarbeit und PSA mit Geltung ab dem 1.6.2003 abgeschlossene Entgeltrahmentarifvertrag (§§ 7, 8). 117 Art. 7 Nr. 2 des Gesetzes zur Reform der arbeitsmarktpolitischen Instrumente vom 10.12.2001 (BGBl. 2001 I, 3443).
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damit, dass durch die Überlassung eines Arbeitnehmers an denselben Entleiher für die Dauer von mehr als einem Jahr die tatsächliche Verbindung zum Entleihbetrieb derart erstarke, dass es nicht gerechtfertigt erscheine, den Leiharbeitnehmer von den Arbeitsbedingungen im Entleihbetrieb auszunehmen.118 Allerdings ist es nach wie vor der Verleiher als Arbeitgeber eines wirksamen Leiharbeitsverhältnisses, der diese gesetzlichen Mindestarbeitsbedingungen einschließlich des Mindestlohns zu gewähren hat. Bereits diese Konstruktion ist unter dem Gesichtspunkt der Tarifautonomie der Sozialpartner der Zeitarbeitsbranche höchst bedenklich.119 Abgesehen von den praktischen Schwierigkeiten des Verleihers, mit einer Vielzahl unterschiedlicher Arbeitsbedingungen umgehen zu müssen, ist auch unklar, wie die Vergleichbarkeit im Einzelfall zu ermitteln und wie weit der Kreis der Arbeitsbedingungen zu ziehen ist. Schließlich kennt die deutsche Rechtsordnung keinen allgemeingültigen Grundsatz „gleicher Lohn für gleiche Arbeit“.120 Die Pflicht zur wirtschaftlichen Anhebung der Arbeitsbedingungen von Leiharbeitnehmern durch den Verleiher auf das Niveau vergleichbarer Kräfte des Entleihers fördert keineswegs die positiven Beschäftigungseffekte der Arbeitnehmerüberlassung, statt dessen ist die gesetzliche Gleichstellungspflicht ab dem 13. Überlassungsmonat geeignet, den Wettbewerb von Verleihunternehmen faktisch auszuschalten, die nunmehr bei der Abgabe eines Überlassungsvertragsangebotes die vollen Lohnkosten des Entleihbetriebes mit einkalkulieren müssen.121 Die Durchbrechung des Grundsatzes der Verleiherbezogenheit im Hinblick auf den Arbeitsvertragsinhalt und die damit verbundenen Wettbewerbsnachteile wurden durch das 1. Hartz-Umsetzungsgesetz vom 23.12.2002122 noch verstärkt: Nunmehr ist der Verleiher für die Gesamtdauer der jeweiligen Überlassung gesetzlich verpflichtet, dem Leiharbeitnehmer die im Betrieb des Entleihers für einen vergleichbaren Arbeitnehmer geltenden wesentlichen Arbeitsbedingungen einschließlich des Gehaltes zu gewähren, anderenfalls wird die Überlassungserlaubnis gem. § 3 Abs. 1 Nr. 3 AÜG nicht erteilt bzw. widerrufen, gegenteilige arbeitsvertragliche Vereinbarungen sind gem. § 9 Nr. 2 AÜG 118 Gesetzentwurf der Fraktionen SPD und Bündnis 90/Die Grünen vom 24.9.2001, BT-Dr. 14/6944, 53 f.; eine Möglichkeit, durch einen für Verleiher und Entleiher geltenden Tarifvertrag hinsichtlich der Arbeitsbedingungen und des Arbeitsentgelts ab dem ersten Tag des 13. Monats etwas anderes zu vereinbaren, wurde zwar diskutiert, nicht aber geschaffen, vgl. Sandmann/Marschall, AÜG, Einleitung Rn. 37u. 119 Behrend, NZA 2002, 372; Boemke/Lembke, DB 2002, 893; Rieble/Klebeck, NZA 2003, 23 (Aushebelung der Tarifverträge der Verleiherbranche, Beseitigung von deren Tarifautonomie). 120 BAG, Urt. v. 21.6.2000 – 5 AZR 806/98 –, NZA 2000, 1050. 121 Behrend, NZA 2002, 372; entgegen der Einschätzung Ulbers (ArbuR 2001, 451) sind daher „zusätzliche Blütezeiten“ der Leiharbeit höchst unwahrscheinlich; vgl. auch Lembke, BB 2003, 98. 122 Erstes Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23.12.2002 (BGBl. 2002 I, 4607).
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unwirksam.123 Lediglich das in Zeiten des Nichtverleihs zu zahlende Arbeitsentgelt unterliegt wie die sonstigen dann einzuhaltenden Arbeitsbedingungen weiterhin der autonomen Vereinbarung zwischen Verleiher und Leiharbeitnehmer.124 Ausweislich der Entwurfsbegründung soll diese Neuregelung den Schutz der Leiharbeitnehmer verstärken und den hohen Flexibilitätsanforderungen Rechnung tragen, denen Leiharbeitnehmer genügen müssen.125 Das 1. Hartz-Umsetzungsgesetz entspricht damit dem EG-Richtlinienentwurf über Leiharbeit, der in seinem Art. 5 ebenfalls einen Grundsatz der Nichtdiskriminierung aufstellt, davon jedoch deutlich weitergehende Ausnahmen zulässt126: So kann vom Grundsatz des „equal pay“ auch dann zu Lasten des Leiharbeitnehmers abgewichen werden, wenn dieser im Rahmen einer oder mehrerer Überlassungen in ein und demselben entleihenden Unternehmen eine Tätigkeit ausführt, die aufgrund ihrer Dauer oder ihrer Natur nicht mehr als sechs Wochen in Anspruch nimmt (Art. 5 Nr. 4). Weiter ist eine Abweichung vom equalpay-Grundsatz möglich, wenn Leiharbeitnehmer einen unbefristeten Vertrag mit dem Verleiher abgeschlossen haben und auch in der Zeit zwischen zwei Überlassungen bezahlt werden (Art. 5 Nr. 2). Hintergrund des Richtlinienentwurfs ist, dass in den EG-Mitgliedstaaten bezüglich der Arbeitsbedingungen und der Befristungsmöglichkeit von Leiharbeitsverhältnissen zwei Modelle existieren: entweder Festanstellung mit geringerer Entlohnung oder befristete Beschäftigung mit Übernahme der Arbeitsbedingungen im Entleiherbetrieb.127 Die Neufassung des AÜG geht daher über den Richtlinienentwurf weit hinaus, indem sie beide Modelle kombiniert, also den Gleichbehandlungsgrundsatz auch dann festschreibt, wenn der Leiharbeitnehmer einen unbefristeten Vertrag mit dem Leiharbeitsunternehmen abschließt und auch in verleihfreien Zeiten weiter bezahlt wird. Deutschland hätte angesichts der vormaligen Befristungs- und Syn-
123 Im Unterschied zu § 10 Abs. 5, 2.HS AÜG a. F. ist in § 10 Abs. 4 AÜG n. F. keine Mindestentgeltgarantie enthalten, so dass der Gleichbehandlungsgrundsatz gegebenenfalls auch zur Schlechterstellung des Leiharbeitnehmers führen kann. 124 Diese Befristung einzelner Arbeitsbedingungen bedarf eines Sachgrundes (vgl. BAG, Urt. v. 23.1.2002 – 7 AZR 563/00 –, BB 2002, 1204), wobei fraglich ist, ob ein solcher in der fehlenden Leistungserbringung und Einkunftserzielung in verleihfreien Zeiten liegt (so Lembke, BB 2003, 98), da dies wohl eher als Betriebsrisiko des Verleihers anzusehen ist. 125 Gesetzentwurf der Fraktionen SPD und Bündnis 90/DIE GRÜNEN vom 5.11. 2002, BT-Dr. 15/25, 24, 38. 126 Geänderter Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über Leiharbeit vom 28.11.2002, KOM (2002) 701 endg.; vgl. auch den ursprünglichen Vorschlag der Kommission für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Arbeitsbedingungen von Leiharbeitnehmern vom 20.3.2002, KOM (2002) 149 endg., ABl. 2002/C 203 E/01 vom 27.8.2002; hierzu Wank, NZA 2003, 14; Thüsing, DB 2002, 2218. 127 Wank, NZA 2003, 14; ders., RdA 2003, 1.
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chronisationsverbote in § 3 Nr. 3–5 AÜG a. F. daher gänzlich von einer Neuregelung absehen können.128 Der sowohl im Richtlinienentwurf als auch in der Neufassung des AÜG festgelegte Grundsatz des „equal treatment“ bzw. „equal pay“ stellt eine staatliche, protektionistische Festsetzung von Mindestarbeitsbedingungen zugunsten der Leiharbeitnehmer dar.129 Dabei handelt es sich keineswegs um eine Gleichbehandlung von Leiharbeitnehmern, sondern um deren Gleichstellung. Sowohl der EuGH als auch das BAG haben jüngst klargestellt, dass sich das Gebot der Gleichbehandlung stets nur an ein und denselben Adressaten richten und diesen zu konsequentem eigenem Verhalten verpflichten kann.130 Bei der Gleichstellung von Leiharbeitnehmern geht es demgegenüber nicht um eine Selbstbindung eines Arbeitgebers, sondern um dessen Fremdbestimmung durch das Verhalten eines Dritten. Diese Bindung ist zudem nur halbseitig und wirkt lediglich zugunsten der Arbeitnehmer des Verleihers, nicht auch im umgekehrten Fall für Arbeitnehmer des Entleihunternehmens, die u. U. schlechter vergütet werden als die Verleiharbeitnehmer.131 Im Gegensatz zur Teilzeitrichtlinie 97/81/EG und zur Befristungsrichtlinie 99/70/EG, die dem Arbeitgeber jeweils eine nichtdiskriminierende Lohnverteilung vorschrieben (relativer Lohn), wird dem Arbeitgeber beim Diskriminierungsverbot wegen der Leiharbeit die Orientierung an einer von einem Dritten bestimmten Lohnhöhe vorgegeben und ihm damit ein von ihm nicht zu beeinflussendes Mindestentgelt vorgeschrieben (absoluter Lohn).132 Ein derartiger gesetzlicher Zwang, den von einem Dritten festgesetzten Lohn zu übernehmen, entspricht der gesetzgeberischen Vorgabe eines Mindestlohns, für die es der EG jedoch an einer Regelungskompetenz fehlt.133 Gestützt wird der Entwurf nämlich auf Art. 137 Abs. 2 EGV – eine Ermächtigungsgrundlage zum Erlass arbeitsrechtlicher Mindestarbeitsbedingungen iSd. Art. 137 Abs. 1 EGV, von denen das Arbeitsentgelt gem. Art. 137 Abs. 6 EGV ausdrücklich ausgenommen ist: Zwecks Vermeidung einer EG-Mindestlohngesetzgebung verbleibt es insofern bei der Alleinzuständigkeit der Mitgliedstaaten und ggf. ihrer Tarifpartner.134 Aber auch die Neufassung des AÜG enthält Ausnahmen: Um einem Verleiher einen Anreiz für die Einstellung von vormals Arbeitslosen zu geben, kann er 128 Hümmerich/Holthausen/Welslau, NZA 2003, 7; Wank, NZA 2003, 14 („Rosinenpickerei“); ders., RdA 2003, 1; Rieble/Klebeck, NZA 2003, 23. 129 Rieble/Klebeck, NZA 2003, 23. 130 EuGH, Urt. v. 17.9.2002 – Rs. C-320/00 – (Lawrence/Regent Office), NZA 2002, 1144; BAG, Urt. v. 21.6.2000 – 5 AZR 806/98 –, NZA 2000, 1050. 131 Rieble/Klebeck, NZA 2003, 23. 132 Thüsing, DB 2002, 2218. 133 Thüsing, DB 2002, 2218; Wank, NZA 2003, 1 („unmittelbare staatliche Lohngestaltung“), 14. 134 Langenfeld in: Grabitz/Hilf, EGV, Art. 137 EGV Rn. 89.
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mit dem Leiharbeitnehmer gem. §§ 3 Abs. 1 Nr. 3, 9 Nr. 2 AÜG ausnahmsweise für insgesamt sechs Wochen der Überlassung nur ein Nettoarbeitsentgelt in Höhe des Betrages vereinbaren, den der Leiharbeitnehmer zuletzt als Arbeitslosengeld erhalten hat.135 Durch einen für Verleiher und Leiharbeitnehmer geltenden Tarifvertrag kann sowohl vom Gleichstellungsgebot als auch von der für die ersten sechs Wochen geltenden einzelvertraglichen Ausnahme zuungunsten des Leiharbeitnehmers abgewichen werden; eine solche Abweichung ist im Geltungsbereich dieses Tarifvertrages auch durch dessen individualvertragliche Inbezugnahme für nicht tarifgebundene Arbeitgeber und Arbeitnehmer möglich. Auf diese Weise soll den Tarifvertragsparteien eine flexible Gestaltung der Arbeitsbedingungen ermöglicht werden.136 Zwar sind tatsächliche Abweichungen zu Lasten der Leiharbeitnehmer in einem solchen Tarifvertrag angesichts der aufgrund des gesetzlichen Gleichstellungsgrundsatzes starken Verhandlungsposition der Gewerkschaften wenig wahrscheinlich.137 Auch setzt eine Tarifwirkung, abgesehen von der Möglichkeit einer Allgemeinverbindlicherklärung, die beiderseitige Tarifbindung voraus, die von Leiharbeitnehmern – ungeachtet ihrer ohnehin geringen Gewerkschaftsorganisation – im Falle einer wirklichen tariflichen Schlechterstellung durch Gewerkschaftsaustritte gemieden werden kann.138 Trotzdem haben der BZA, der rund 100.000 von insgesamt ca. 270.000 Zeitarbeitern vertritt, und die DGB-Mitgliedsgewerkschaften im Juni 2003 für die gesamte Leiharbeitsbranche einen Manteltarifvertrag, einen Entgeltrahmentarifvertrag und einen Entgelttarifvertrag, jeweils mit Geltung ab dem 1.1.2004, vereinbart, durch den sich Verleihfirmen dem gesetzlichen Gebot des „equal treatment“ entziehen können.139 Durch diesen Tarifabschluss verringert sich der Lohnabstand der Leiharbeitnehmer zu Beschäftigten der Entleihbetriebe auf durchschnittlich 20 %. Da das gesetzliche Gebot des „equal treatment“ Zeitarbeit mangels wirtschaftlicher Attraktivität langfristig vom Markt gedrängt und so den politisch gewünschten Beschäftigungsschub konterkariert 135 Insofern weicht die gesetzliche Neuregelung vom Vorschlag der Hartz-Kommission ab, PSA-Arbeitnehmern in einer maximal sechsmonatigen Probezeit einen Nettolohn in Höhe des Arbeitslosengeldes und danach ein tariflich vereinbartes Gehalt zu zahlen, unabhängig davon, ob und in welchem Unternehmen sie eingesetzt werden, vgl. Hartz-Kommission, Moderne Dienstleistung am Arbeitsmarkt, 147 (152 f.). – Eine tatsächliche Entlastung des Verleihers ist angesichts der in § 3 Abs. 1 Nr. 3 AÜG n. F. enthaltenen Nettolohnvereinbarung allenfalls gering, vgl. Wank, NZA 2003, 14. 136 Gesetzentwurf der Fraktionen SPD und Bündnis 90/DIE GRÜNEN vom 5.11. 2002, BT-Dr. 15/25, 38; Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wirtschaft und Arbeit vom 13.11.2002, BT-Dr. 15/77, 3; Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Arbeit vom 14.11.2002, BT-Dr. 15/91, 17. 137 Waas, BB 2003, 2175. 138 Lembke, BB 2003, 98; Düwell, BB 2002, 98. 139 Zweifel an der Wirksamkeit derartiger Tarifabschlüsse wegen möglicherweise fehlender Tariffähigkeit angesichts des minimalen Organisationsgrades in der Verleihbranche hegen Schüren/Behrend, NZA 2003, 521; vgl. auch Rieble in: FS Wiedemann, 519.
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hätte140, haben sich die Gewerkschaften bei diesem Tarifabschluss vermutlich dem Druck der Bundesregierung gefügt. Auch hier bleibt angesichts geringer gewerkschaftlicher Organisation aber die Frage offen, wie viele Leiharbeitsverhältnisse tatsächlich von diesen Tarifverträgen erfasst werden. Die im Entleihbetrieb geltenden Tarifverträge wirken trotz allem nach wie vor nicht normativ iSd. § 4 Abs. 1 Satz 1 AÜG auf das zwischen Verleiher und Leiharbeitnehmer bestehende Arbeitsverhältnis ein, da das Gesetz nicht von einer „Geltung“ der Arbeitsbedingungen des Entleihers, sondern nur von einer Pflicht zur „Gewährung“ spricht und zudem die bloße Gleichstellung aus Leiharbeitnehmern noch keine Arbeitnehmer des Entleihers macht.141 Mit der gesetzlichen Anordnung des „equal pay“ und „equal treatment“ als Mindestarbeitsbedingungen ab dem ersten Tag der Überlassung, von denen nur durch Tarifvertrag oder auf Grund eines Tarifvertrages abgewichen werden kann, hat der Gesetzgeber jedoch einen faktischen Tarifzwang geschaffen, der verfassungsrechtlich höchst bedenklich ist und tragende Grundsätze der Tarifautonomie und die negative Koalitionsfreiheit iSd. Art. 9 Abs. 3 GG verletzt.142 Die Beeinträchtigung der Verhandlungsposition eines Sozialpartners durch staatliche Entgeltvorgaben stellt einen Eingriff in Art. 9 Abs. 3 GG dar143, der keinesfalls durch den vom Gesetzgeber allein bezweckten Schutz der Stammarbeitnehmer vor Lohnunterbietung gerechtfertigt werden kann.144 Auch in die Tarifautonomie der Tarifparteien des jeweiligen im Entleihbetrieb anwendbaren Tarifvertrages wird eingegriffen, da dessen Geltungsbereich rechtswidrig ausgedehnt wird, ohne dass zudem die Tarifparteien dabei in irgendeiner Weise beteiligt werden, wie dies z. B. bei der Allgemeinverbindlicherklärung der Fall ist.145 Auch fehlt es im Falle der Gleichstellung an einer Tarifzuständigkeit wie an der tariflichen Richtigkeitsgewähr.146 Die legitimationslose Tariferstreckung auf Außenseiter stellt zudem einen Verstoß gegen das Demokratie- und Rechtsstaatsprinzip sowie einen Eingriff in die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Arbeitsvertragsfreiheit der nichtorganisierten Leiharbeitnehmer und Verleiher dar, der nicht durch Gründe des Allgemeinwohls in verhältnismäßiger Weise gerechtfertigt werden kann.147 §§ 3 140 Lembke, BB 2003, 98; Hümmerich/Holthausen/Welslau, NZA 2003, 7; Ankersen, NZA 2003, 421. 141 Boemke/Lembke, DB 2002, 893; Lembke, BB 2003, 98. 142 Ankersen, NZA 2003, 421; Hümmerich/Holthausen/Welslau, NZA 2003, 7; Waas, BB 2003, 2175. 143 BVerfG, Beschl. v. 27.4.1999 – 1 BvR 2203/93, 897/95 –, BVerfGE 100, 271; Waas, BB 2003, 2175. 144 Rieble/Klebeck, NZA 2003, 23. 145 Waas, BB 2003, 2175. 146 Rieble/Klebeck, NZA 2003, 23. 147 Rieble/Klebeck, NZA 2003, 23; a. A. Grobys/Schmidt/Brocker, NZA 2003, 777.
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Abs. 1 Nr. 3, 9 Nr. 2 AÜG enthalten mit der Gleichstellung zudem eine dynamische Verweisung auf Tarifverträge, was das BVerfG aufgrund der im Einzelfall fehlenden staatlichen Verantwortlichkeit aber bereits ausdrücklich für verfassungswidrig erklärt hat.148 Auch stellt die nur halbseitige Gleichstellung faktisch eine sachwidrige Ungleichbehandlung von Stamm- und Leiharbeitnehmern entgegen Art. 3 Abs. 1 GG dar.149 Hinzu kommt eine Verletzung der Dienstleistungsfreiheit iSd. Art. 49 EGV derjenigen Unternehmen, die sich mangels eines in Deutschland befindlichen Betriebes nicht durch einen hieran idR. anknüpfenden Tarifvertrag iSd. §§ 3 Abs. 1 Nr. 3, 9 Nr. 2 AÜG von der Gleichstellungspflicht befreien können.150 Schließlich enthält § 434g Abs. 5 SGB III151 ein vergabefremdes Kriterium, wenn die Subventionierung des Leiharbeitsverhältnisses einer Personal-Service-Agentur davon abhängig gemacht wird, dass das Arbeitsverhältnis bis Ende 2003 einem Tarifvertrag für Leiharbeit unterliegt; auch hier ist an der Verfassungsmäßigkeit dieser Vorschrift im Hinblick auf die negative Koalitionsfreiheit des Art. 9 Abs. 3 GG zu zweifeln.152 Der nichtgewerbsmäßige Arbeitnehmerverleih wird von den Beschränkungen durch das „equal treatment“ mangels Anwendbarkeit des AÜG allerdings nicht erfasst.153 Auch würde eine Übertragung dieses Gebotes auf unentgeltliche oder bloß gelegentliche Arbeitnehmerüberlassungen gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verstoßen.154 cc) Sonderregeln und Ausnahmetatbestände des AÜG Von der Erlaubnismöglichkeit des § 1 Abs. 1 Satz 1 AÜG ist ein Wirtschaftszweig ausgenommen: Seit 1982 ist die gewerbsmäßige Arbeitnehmerüberlassung in Betriebe des Baugewerbes für die Tätigkeit von Arbeitern verboten (§ 1b AÜG).155 Das BVerfG hat diesen Flexibilitätsverlust unter Hinweis auf den Gestaltungs- und Prognosespielraum des Gesetzgebers auf dem Gebiet der Arbeitsmarkt-, Wirtschafts- und Sozialordnung für verfassungsmäßig erklärt.156 148
BVerfG, Beschl. v. 14.6.1983 – 2 BvR 488/80 –, BVerfGE 64, 208. Rieble/Klebeck, NZA 2003, 23; vgl. BAG, Urt. v. 14.2.1968 – 4 AZR 275/67 –, NJW 1968, 1396 zu Effektivklauseln in Tarifverträgen. 150 Vgl. insofern zur Parallelkonstellation der §§ 1 Abs. 1 Satz 2, 1b Satz 2 AÜG a. F. das entsprechende Urteil des EuGH vom 25.10.2001 – Rs. C-493/99 (Kommission/Deutschland) –, Slg. 2001, I-8163. 151 Eingefügt durch Art. 1 Nr. 45 des Ersten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23.12.2002, BGBl. 2002 I, 4607. 152 Vgl. BGH, Urt. v. 18.1.2000 – KVR 23/98 –, AP Nr. 1 zu § 20 GWB; hierzu Reipen, BB 2003, 787. 153 Ausn.: § 1 Abs. 2 AÜG, vgl. BAG, Urt. v. 21.3.1990 – 7 AZR 198/89 –, BB 1991, 275; Boemke, AÜG, § 1 Rn. 131; § 14 AÜG, vgl. BAG, Beschl. v. 22.3.2000 – 7 ABR 34/98 –, DB 2000, 2330. 154 Demgegenüber erfasst der Richtlinienentwurf der Kommission vom 28.11.2002, KOM(2002) 701 endg., auch den nichtgewerbsmäßigen Arbeitnehmerverleih. 149
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Die besondere Schutzwürdigkeit des Baugewerbes ergibt sich daraus, dass infolge der Tätigkeit häufig wechselnder Arbeitnehmer mit wechselndem Einsatzort auf Baustellen besonders komplexe, unübersichtliche und nur schwer kontrollierbare Verhältnisse herrschen. § 1b AÜG bezweckt, die Ordnung auf dem Teilarbeitsmarkt des Baugewerbes, das Sozialversicherungsaufkommen und die Effektivität tariflicher Normsetzung abzusichern und eine Gefährdung der Sozialkassen auszuschließen wie auch den infolge fehlender Tarifbindung bestehenden Wettbewerbsvorteil für verstärkt mit Leiharbeitnehmern wirtschaftende Bauunternehmen, um einen fortschreitenden Abbau von Stammarbeitsplätzen zu verhindern. Leiharbeitnehmer sollen nicht den Nachteilen einer Nichtanwendung tariflicher Regelungen und daher fehlender Leistungen aus den Sozialkassen der Bauwirtschaft ausgesetzt sein.157 § 1b AÜG schließt daher für Verleihunternehmen aller Wirtschaftszweige die Abgabe von Arbeitnehmern an zum Bauhauptgewerbe gehörende Entleihbetriebe aus.158 Bei einem Verstoß gegen § 1b AÜG ist die Überlassungsvereinbarung gem. § 134 BGB nichtig, nicht jedoch der Arbeitsvertrag des Leiharbeitnehmers mit dem Verleiher, da der Arbeitnehmer ansonsten schutzlos wäre.159 Ausnahmsweise erlaubnisfähig war seit 1994160 gem. § 1b Satz 2 AÜG a. F. die Arbeitnehmerüberlassung zwischen Betrieben des Baugewerbes, die jeweils zu demselben Tarifbereich gehören (Garten- und Landschaftsbau, Gerüstbau, 155 Arbeitsförderungs-Konsolidierungsgesetz vom 22.12.1981 (BGBl. 1981 I, 1497); bis zum 31.12.1997 § 12a AFG; der nichtgewerbsmäßige Arbeitnehmerverleih ist daher auch im Baugewerbe zulässig. 156 BVerfG, Beschl. v. 6.10.1987 – 1 BvR 1086/82 –, NJW 1988, 1195; kritisch Boemke, AÜG, § 1b Rn. 3. 157 Gesetzesentwurf der Bundesregierung vom 28.9.1981, BT-Dr. 9/846, 35. 158 Das Baunebengewerbe ist nicht vom Verbot des § 1b AÜG erfasst, BGH, Urt. v. 17.2.2000 – III ZR 78/99 –, NJW 2000, 1557; der Begriff der „Betriebe des Baugewerbes“ orientiert sich an den Vorschriften über die Förderung der ganzjährigen Beschäftigung in der Bauwirtschaft, § 211 Abs. 1 SGB III, § 216 II SGB III iVm. Baubetriebe-VO vom 28.10.1980 (BGBl. 1980 I, 2033); Für die Definition von Arbeiten iSd. § 1b Satz 1 AÜG, „die üblicherweise von Arbeitern verrichtet werden“, gelten die allgemeinen Kriterien der Abgrenzung zwischen Arbeitern und Angestellten, wobei es auf die Art der Arbeiten, für die der Arbeitnehmer tatsächlich überlassen wird, ankommt. Die übliche Zuordnung einer Tätigkeit im Baugewerbe zu Arbeiter- oder Angestelltentätigkeiten ergibt sich aus den von den Tarifvertragsparteien getroffenen Bestimmungen (vgl. Berufsgruppenverzeichnis des BRTV-Bau). 159 Denn § 9 AÜG greift mangels fehlender Erlaubnis nicht ein, und § 1b AÜG will nicht den Abschluss von Leiharbeitsverträgen, sondern Überlassungen in Betriebe des Baugewerbe verhindern, vgl. Sandmann/Marschall, AÜG, § 1b Rn. 14; a. A. Becker/Wulfgramm, AÜG, § 1 Rn. 98; Ulber, AÜG, § 1b Rn. 22; differenzierend nach dem Inhalt des Leiharbeitsvertrages Boemke, AÜG, § 1b Rn. 21 f.; BAG, Urt. v. 8.7.1998 – 10 AZR 274/97 –, NZA 1999, 493, lässt diese Frage offen. 160 Gesetz zur Änderung des AFG im Bereich des Baugewerbes vom 20.9.1994, BGBl. 1994 I, 2456; § 1b Satz 2 AÜG geht auf eine Entschließung des Bundestages zurück, der zufolge ein generelles Überlassungsverbot im Baugewerbe angesichts des möglichen wirtschaftlichen Nutzens eines flexiblen Personaleinsatzes nicht mehr zu
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Dachdeckerhandwerk und Bauhauptgewerbe) und von demselben Rahmentarifvertrag und Sozialkassentarifvertrag erfasst werden.161 Damit sollte die Flexibilität innerhalb der Bauwirtschaft erhöht werden, ohne dass zugleich Wettbewerbsverzerrungen zwischen Betrieben der verschiedenen Tarifbereiche entstehen und die Finanzierung der Sozialkassen gefährdet wird, da die Tarifverträge im Baubereich dann auch auf die als Leiharbeitnehmer tätigen Bauarbeiter anwendbar sind. Bei der Beurteilung, ob derselbe Rahmen- oder Sozialkassentarifvertrag gilt, ist allein vom sachlichen und nicht auch vom örtlichen tariflichen Geltungsbereich auszugehen.162 Durch das 1. Hartz-Umsetzungsgesetz wurde diese Vorschrift insofern verschärft, als der verleihende Betrieb nunmehr nachweislich seit mindestens drei Jahren von denselben Rahmen- und Sozialkassentarifverträgen oder von deren Allgemeinverbindlichkeit erfasst sein muss (§ 1b Satz 2 Nr. 2 AÜG). Andererseits wurde mit § 1b Satz 2 Nr. 1 AÜG eine Erleichterung eingeführt: So ist Arbeitnehmerüberlassung künftig nicht nur zwischen Betrieben des Baugewerbes, sondern auch von anderen Betrieben in Betriebe des Baugewerbes zulässig, wenn ein diese Betriebe erfassender, allgemeinverbindlicher Tarifvertrag dies zulässt.163 In dieselbe Richtung ging der Gesetzgeber zeitlich ab 1985 durch die Einfügung von Vorschriften in das AÜG, die dessen Strenge zugunsten wirtschaftlicher Flexibilität auflockerten.164 So wurden die Abordnung von Arbeitnehmern innerhalb von Werkarbeitsgemeinschaften, die wirtschaftszweiginterne und die vorübergehende konzerninterne165 Arbeitnehmerüberlassung von einem Großteil der Vorschriften des AÜG ausgenommen, da sie weder den sozialen Schutz der Leiharbeitnehmer noch die Ordnung des Arbeitsmarktes gefährden: Gem. § 1 Abs. 3 Nr. 1 AÜG166 können Tarifverträge in Unternehmen desselben Wirtschaftszweiges einen Personalaustausch zur Arbeitsplatzsicherung zurechtfertigen sei, vgl. Beschlussempfehlung des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung vom 14.4.1994, BT-Dr. 12/7244. 161 Z. B. infolge Allgemeinverbindlicherklärung; nicht ausreichend ist es aber, wenn ein Gesetz einzelne Tarifteile für anwendbar erklärt oder nur individualvertraglich auf den Tarifvertrag Bezug genommen wird, Boemke, AÜG, § 1b Rn. 28. 162 Es sollen lediglich Wettbewerbsverzerrungen zwischen Betrieben verschiedener Tarifbereiche und eine Gefährdung der Finanzierung der Sozialkassen verhindert werden, nicht aber die bestehenden örtlichen Unterschiede bei den Tarifverträgen genommen werden, BT-Dr. 12/7688, 7; Sandmann/Marschall, AÜG, § 1b Rn. 18; Boemke, AÜG, § 1b Rn. 28. 163 Art. 6 Nr. 2a des Ersten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23.12.2002, BGBl. 2002 I, 4607. 164 So zwecks Schaffung zusätzlicher Beschäftigungsmöglichkeiten die sukzessive Verlängerung der Höchstdauer der Überlassung eines Leiharbeitnehmers an denselben Verleiher von ursprünglich drei auf zuletzt 24 Monate, § 3 I Nr. 6 AÜG a. F. 165 Siehe unter Teil 1 § 1 A. II. 3. b). 166 Art. 8 Nr. 1b des Beschäftigungsförderungsgesetzes 1985 v. 26.4.1985, BGBl. 1985 I, 710.
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lassen. Die Schutzvorschriften des AÜG sind insofern tarifdispositiv, wobei eine einseitige Tarifbindung der Arbeitgeber genügt167, für Entleiher und Verleiher aber nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut derselbe Tarifvertrag gelten muss.168 Legislativer Anlass waren norddeutsche Unternehmen der Werftindustrie, die durch einen gegenseitigen Austausch von Arbeitnehmern je nach Auftragslage Kurzarbeit und Entlassungen zu vermeiden versuchten. Dementsprechend weit ist der Begriff des Wirtschaftszweiges.169 Kurzarbeit und Entlassung müssen jedoch nach der ratio legis im Verleihbetrieb vermieden werden, nicht im Entleihbetrieb.170 Auch gilt das Verbot des § 1b Satz 1 AÜG. Die weitere Ausnahmemoglichkeit des § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG171 betrifft die gerade im Baugewerbe häufig anzutreffende Situation der vorübergehenden Abordnung eines Arbeitnehmers durch seinen Arbeitgeber zu einer Arbeitsgemeinschaft in der Variante des Verleihs ohne Begründung eines separaten Arbeitsverhältnisses.172 Zweck einer solchen Arbeitsgemeinschaft ist die Herstellung eines konkreten Werkes.173 Um Tarifumgehungen zu verhindern, müssen sämtliche Arbeitgeber durch Tarifverträge desselben Wirtschaftszweiges, z. B. der Bauindustrie, gebunden sein174, nicht allerdings durch denselben oder inhaltlich gleichen Tarifvertrag. Anlass für § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG war, dass den Sozialpartnern der Bauwirtschaft die rechtliche Abordnungsvariante der Freistellung iSd. § 9 BRTV-Bau nicht mehr genügte. Die Privilegierung des § 1 Abs. 1 Satz 167 Denn die tarifvertragliche Zulassung des Personalaustauschs ist eine Betriebsnorm im Sinne des § 3 Abs. 2 TVG, Boemke, AÜG, § 1 Rn. 174; Löwisch/Rieble, TVG, § 1 Rn. 122; a. A. Ulber, AÜG, § 1 Rn. 235. 168 Boemke, AÜG, § 1 Rn. 172; Ulber, AÜG, § 1 Rn. 234; a. A. Schüren, AÜG, § 1 Rn. 532 ff.. § 1 Abs. 3 Nr. 1 AÜG ermächtigt zudem lediglich zur Zulassung der wirtschaftszweiginternen Arbeitnehmerüberlassung unter den genannten Voraussetzungen, nicht aber zur Regelung von deren Rechtsfolgen oder Tatbestandsvoraussetzungen, Boemke, AÜG, § 1 Rn. 171; a. A. Ulber, AÜG, § 1 Rn. 233 (Ermächtigung nicht nur bzgl. des „ob“, sondern auch bzgl. des „wie“). Eine bloß individualvertragliche Bezugnahme auf einen derartigen Tarifvertrag reicht nicht aus, Boemke, AÜG, § 1 Rn. 174; Ulber, AÜG, § 1 Rn. 235; a. A. Schüren, AÜG, § 1 Rn. 539 f. 169 BT-Drucks. 10/3206, 33; für den generellen Ausschluss von Verleihunternehmen enthält das Gesetz keine Anhaltspunkte, da es allein auf die Identität des Wirtschaftszweiges abstellt, vgl. Boemke, AÜG, § 1 Rn. 165; a. A. Schüren, AÜG, § 1 Rn. 499; Sandmann/Marschall, AÜG, § 1 Rn. 76. 170 Boemke, AÜG, § 1 Rn. 169; a. A. Sandmann/Marschall, AÜG, § 1 Rn. 77. 171 Art. 11 des Siebten Gesetzes zur Änderung des Arbeitsförderungsgesetzes v. 20.12.1985, BGBl. 1985 I, 2484. 172 Zu den verschiedenen rechtlichen Varianten der Abordnung zu einer Arge s. o. unter Teil 1 § 1 A. I. 173 Arbeitsgemeinschaften allein zwecks Personalaustauschs unterfallen daher nicht § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG. 174 Ggf. auch durch bloße individualvertragliche Inbezugnahme des Tarifvertrages, da der Wortlaut des § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG lediglich auf die Tarifbindung des Arbeitgebers abstellt und auch hierdurch Wettbewerbsverzerrungen vermieden und der Sozialschutz des Arbeitnehmers sichergestellt ist, Boemke, AÜG, § 1 Rn. 114; a. A. Schüren, AÜG, § 1 Rn. 389.
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2 AÜG will Erschwernisse wirtschaftlich sinnvoller Zusammenarbeit bei Großprojekten beseitigen und hat die unwiderlegliche Vermutung zur Folge, dass Arbeitnehmerüberlassung im Rechtssinne nicht vorliegt.175 Lediglich anzeigepflichtig sind schließlich Arbeitnehmerüberlassungen durch Arbeitgeber mit weniger als 50 Beschäftigten zur Vermeidung von Kurzarbeit oder Entlassungen (§ 1a AÜG). Ursprünglich war diese Ausnahme von der Erlaubnispflicht auf den Handwerksbereich beschränkt und ihre Geltung befristet.176 Sie bezweckt den Erhalt von Arbeitsplätzen in kleineren Unternehmen, die sich in einer wirtschaftlichen Notlage befinden.177 Durch die Festlegung der Höchstgrenze auf Überlassungen von 12 Monaten verhindert § 1a AÜG einen dauerhaften Personalaustausch und befreit zudem nicht vom Verbot des § 1b AÜG. Während es also früher vornehmlich um die Abgrenzung des Arbeitnehmerverleihs von der Arbeitsvermittlung ging, stehen heute Aspekte des Arbeitnehmerschutzes und des Erhalts der Tarifvertragsordnung im Vordergrund, die eine schrittweise Öffnung des gewerbsmäßigen Arbeitnehmerverleihs zugunsten eines wirtschaftlich sinnvollen Personaleinsatzes ermöglicht haben. Trotz dieser Liberalisierungen liegt dem AÜG weiterhin die arbeitsmarktpolitische Zielrichtung zugrunde, dass Arbeitnehmerüberlassung auf dem Arbeitsmarkt nur eine begrenzte Funktion erfüllen soll.178 Um Störungen des Arbeitsmarktes und des Lohngefüges zu vermeiden, wird der wirtschaftliche Spielraum von Unternehmen, die einen vorübergehenden Personalmehrbedarf abdecken wollen, und von auf eine solche Nachfrage reagierenden Anbietern erheblich eingeschränkt. Die Vorteile der Arbeitnehmerüberlassung beinhalten dennoch nach wie vor ein nicht unerhebliches Wettbewerbspotential: Entleiher vermeiden hohe Einstellungs- und Personalverwaltungskosten und sparen Arbeitgeberbeiträge zur Sozialversicherung und eventuelle freiwillige Sozialleistungen. Eine Ausleihe macht die Haltung von Personalreserven entbehrlich, lässt das innerbetriebliche Lohngefüge unberührt und führt daher – auch in Anbetracht der Freiheit, den
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Also ist auch § 1b AÜG nicht anwendbar. Sog. „Kollegenhilfe“; Beschäftigungsförderungsgesetz 1990 v. 22.12.1989, BGBl. 1989 I, 2406; kritisch zur Verfassungsmäßigkeit der heutigen Fassung Ulber, AÜG, § 1a Rn. 3 f. 177 Gesetzesentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und FDP vom 14.7.1989, BTDrucks. 11/4952, 8 f. 178 Die Schutzvorschriften des AÜG greifen allerdings nur beim Verleih von Arbeitnehmern ein; die Vermittlung der Leistungen von Selbständigen ist uneingeschränkt zulässig. Dementsprechend zahlreich sind in der Praxis Umgehungsversuche, in denen sich Verleiher als Montageunternehmer oder Subunternehmer tarnen und Arbeitnehmer als angeblich Selbständige ausgeben. Gerade im Baugewerbe und in der Metallindustrie ist der Abschluss von Werk- und Dienstverträgen sowie die Gründung selbständiger Personalunternehmen, die allein der Beschäftigung von Arbeitnehmern in Drittunternehmen auf werk- oder dienstvertraglicher Basis dienen, ein häufiges Mittel zur Umgehung des AÜG, hierzu Becker, ZfA 9 (1978), 131. 176
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Einsatz des Leiharbeitnehmers bei Bedarfsfortfall ohne Kündigungsschutz sofort zu beenden – zu einer beträchtlichen Kostensenkung. c) Betriebsverfassungsrechtliche Zulässigkeit aa) Grundsatz der betrieblichen Zuordnung zum Verleihbetrieb Die individualrechtliche Aufspaltung der Arbeitgeberbefugnisse wirkt sich auch betriebsverfassungsrechtlich aus. Trotz tatsächlicher Eingliederung in die Betriebsorganisation des Entleihbetriebes mitsamt Unterstellung unter das partielle Weisungsrecht des Entleihers gehört der Leiharbeitnehmer aufgrund seiner arbeitsvertraglichen Beziehung allein zum Verleiher sowie aufgrund von dessen fortbestehender primärer Weisungszuständigkeit gem. § 14 Abs. 1 AÜG179 auch während des Fremdeinsatzes weiterhin nur zu dessen Betrieb.180 Dementsprechend besteht nach § 14 Abs. 2 Satz 1 AÜG kein passives Wahlrecht im Entleihbetrieb, allerdings ist der Leiharbeitnehmer dort bei einem Einsatz von mehr als drei Monaten wahlberechtigt gem. § 7 Satz 2 BetrVG, auch kann er an Versammlungen iSd. § 42 BetrVG teilnehmen und von den Rechten aus §§ 81 ff. BetrVG Gebrauch machen. bb) Beteiligungsrechte des Betriebsrates nach § 99 BetrVG Ob bei den Leiharbeitnehmer betreffenden Maßnahmen der Betriebsrat des Ver- oder Entleihbetriebes mitzubestimmen hat, richtet sich danach, ob der Vertragsarbeitgeber oder der Entleiher die im einzelnen mitbestimmungspflichtige Entscheidung trifft und diese die arbeitsvertragliche Beziehung oder aber die Eingliederung, Tätigkeit oder Betriebsordnung im Entleiherbetrieb betrifft.181 Sowohl im Verleih- als auch im Entleihbetrieb kann der mobile Arbeitnehmereinsatz Mitbestimmungsrechte gem. § 99 BetrVG auslösen: Für den Verleihbetrieb stellt der Fremdeinsatz grundsätzlich eine Versetzung dar. Gem. § 95 Abs. 3 Satz 2 BetrVG ist die einzelne Arbeitsplatzzuweisung jedoch dann nicht mitbestimmungspflichtig, wenn der Arbeitnehmer in einem reinen Verleihunternehmen verpflichtet ist, seine Arbeitsleistung ständig wechselnd in verschiedenen Einsatzbetrieben zu erbringen. Andererseits ist eine mitbestimmungspflichtige Versetzung gegeben bei der Umwandlung eines Stamm179 Gilt analog für alle Formen des gewerbsmäßigen und nichtgewerbsmäßigen Arbeitnehmerverleihs, BAG, Beschl. v. 28.9.1989 – 1 ABR 85/87 –, AP Nr. 60 zu § 99 BetrVG 1972; BAG, Beschl. v. 22.3.2000 – 7 ABR 34/98 –, DB 2000, 2330. 180 BAG, Beschl. v. 18.1.1989 – 7 ABR 21/88 –, AP Nr. 1 zu § 9 BetrVG 1972; BAG, Beschl. v. 16.4.2003 – 7 ABR 53/02 –, BB 2003, 2178. 181 BAG, Beschl. v. 19.6.2001 – 1 ABR 43/00 –, BB 2001, 2582; Hamann, NZA 2003, 526.
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arbeitsverhältnisses in ein Leiharbeitsverhältnis, auf dessen Grundlage der Arbeitnehmer erstmals bei einem Dritten die Arbeit aufnehmen soll. Das Gesetz normiert in § 14 Abs. 3 AÜG ausdrücklich Unterrichtungs- und Beteiligungsrechte des Betriebsrates des Entleihbetriebs nach § 99 BetrVG vor der Übernahme eines Leiharbeitnehmers zur Arbeitsleistung, d.h. vor einer tatsächlichen Eingliederung des Leiharbeitnehmers in den Betrieb als Einstellung iSd. § 99 Abs. 1 BetrVG. Dieses Beteiligungsrecht auf Seiten des Entleihbetriebes besteht unabhängig von der Größe des Unternehmens, da § 14 Abs. 3 Satz 1 AÜG als Rechtsfolgenverweisung lediglich auf den Umfang der Beteiligungsrechte des § 99 BetrVG verweist.182 Denn § 14 Abs. 3 AÜG erweitert die Rechte des Betriebsrates und stellt daher eine eigenständige Rechtsgrundlage für die Mitbestimmung im Entleihbetrieb dar. § 99 BetrVG ist auch deswegen in Kleinbetrieben anzuwenden, weil der Sonderstatus des Leiharbeitnehmers anders als bei Neueinstellungen rein theoretisch geeignet ist, in Widerspruch zu den Arbeitsbedingungen der Stammbelegschaft zu treten. Keiner Zustimmung des Entleiherbetriebsrates bedarf das (ggf. vorzeitige) Ausscheiden des Leiharbeitnehmers aus dem Entleihbetrieb, also das Ende der Übernahme.183 Auch die Rückkehr in den Verleihbetrieb ist bei unveränderten Arbeitsbedingungen keine mitbestimmungspflichtige Einstellung; Aus- und Wiedereintritt stellen sich vielmehr als einheitliche Maßnahme dar, die lediglich als Versetzung Mitbestimmungsrechte des abgebenden Betriebes auslösen kann, wenn nicht § 95 Abs. 3 Satz 2 BetrVG einschlägig ist. Im Falle der Gewährung des Gehaltes des Entleihbetriebes nach §§ 3 Abs. 1 Nr. 3, 9 Nr. 2 AÜG durch den Verleiher scheidet zwar eine Mitbestimmung des Entleihbetriebsrates mangels eines mit dem Entleiher bestehenden Arbeitsverhältnisses nach § 99 BetrVG aus184, jedoch stellt sich dies für den Betriebsrat des Verleihers als mitbestimmungspflichtige Umgruppierung dar, vorausgesetzt, es besteht beim Entleiher überhaupt eine Lohn- und Gehaltsgruppenordnung.185
182 Sandmann/Marschall, AÜG, Art. 1 § 14 AÜG Rn. 16; Ulber, AÜG, § 14 Rn. 134; Grimm/Brock, DB 2003, 1113; a. A. Schüren, AÜG, § 14 Rn. 144 (Rechtsgrundverweisung). 183 BAG, Beschl. v. 14.5.1974 – 1 ABR 40/73 –, BAGE 26, 149; Ulber, AÜG, § 14 Rn. 184. 184 Hamann, NZA 2003, 526; a. A. Grimm/Brock (DB 2003, 1113), die im Falle eines Verstoßes gegen den Equal-Pay-Grundsatz durch den Verleiher ein Mitbestimmungsrecht des Entleiherbetriebsrates nach § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG annehmen. 185 Boemke/Lembke, DB 2002, 893; Lembke, BB 2003, 98; Grimm/Brock, DB 2003, 1113; Hamann, NZA 2003, 526.
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3. Konzerninterne Mobilität von Arbeitnehmern a) Konzernbegriff und vertragliche Struktur Ein Konzern ist nach der auch im Arbeitsrecht maßgeblichen Legaldefinition des § 18 AktG eine Verbindung rechtlich selbständiger Unternehmen unter einheitlicher Leitung in der Form des Unterordnungs- oder des Gleichordnungskonzerns. Arbeitnehmermobilität stellt sich hier in der Praxis vorwiegend als konzerninterner Austausch von Führungskräften der mittleren und oberen Leitungsebene dar.186 Konzernarbeitsverhältnisse erscheinen in unterschiedlicher rechtlicher Gestalt: Arbeitgeber ist mangels eigener Rechtspersönlichkeit nicht der Konzern selbst, sondern ein konzernverbundenes Unternehmen, das seinen Arbeitnehmer ggf. in Form der Leiharbeit einem anderen Konzernunternehmen überlässt. Auch gibt es konzernzugehörige Personalführungsgesellschaften, die Arbeitnehmer einstellen und diese sodann im Wege des Verleihs bei den einzelnen Konzernunternehmen einsetzen. Denkbar bei entsprechender Vereinbarung ist aber auch ein einheitliches Arbeitsverhältnis des Arbeitnehmers zu mehreren Konzernunternehmen, die ihm als Gesamtschuldner und -gläubiger gegenüberstehen.187 Häufig ist das Modell, bei dem der Arbeitnehmer von einer Konzernobergesellschaft eingestellt wird, später vorübergehend zu einem Tochterunternehmen versetzt wird und mit diesem einen zusätzlichen Arbeitsvertrag abschließt, wobei zur Konzernobergesellschaft arbeitsvertragliche Restbeziehungen bestehen bleiben188 – im Gegensatz zum endgültigen konzerninternen Arbeitgeberwechsel. Ein Arbeitnehmer kann auch zu mehreren Konzerngesellschaften gleichzeitig jeweils vollständige, aktive Arbeitsverhältnisse haben, die rechtlich miteinander verknüpft sind.189 Für die Bestimmung des Arbeitgebers im Konzern ist entscheidend, welche Konzerngesellschaft der konkrete Vertragspartner des Arbeitnehmers mit entsprechend umfassender Rechts- und Pflichtenstellung ist.190 Die Leitungsmacht einer herrschenden Konzerngesellschaft ist hierfür zunächst unerheblich, allerdings wirkt sie stark auf die wirtschaftlichen Rahmenbedingun186 Nach Martens zählt die konzerninterne Arbeitnehmermobilität „– jedenfalls auf den Führungsebenen und im Stab der hochqualifizierten Arbeitnehmer – zu den notwendigen, sachlich gebotenen Organisationsprinzipien zwecks optimaler Ausnutzung der im gesamten Konzern vorhandenen Personalressourcen“ (FS 25 Jahre BAG, 367, 371). 187 Beispielsfall: BAG, Urt. v. 27.3.1981 – 7 AZR 523/78 –, DB 1982, 1569; beide Arbeitgeber haben sodann jeweils einen unmittelbaren Anspruch auf Leistungserbringung, den sie untereinander koordinieren müssen. 188 Das Arbeitsverhältnis zur Konzernobergesellschaft kann hierbei infolge Freistellung ruhen. 189 Beispiele für derartige Verknüpfungen mehrerer aktiv geführter Arbeitsverhältnisse bei Windbichler, Arbeitsrecht im Konzern, 72. 190 Karamarias, RdA 1983, 353; Martens, FS 25 Jahre BAG, 367.
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gen des abhängigen Unternehmens und damit auf das Konzernarbeitsverhältnis ein. Im Falle konzernweiter Arbeitnehmermobilität wird diese faktische Einwirkung der konzernrechtlichen Leitungsmacht auf das Arbeitsverhältnis noch um sonstigen Fremdeinfluss anlässlich arbeitsrechtlicher Drittbeziehungen ergänzt. Die individualrechtliche Zulässigkeit eines konzernweiten Arbeitnehmereinsatzes bemisst sich dennoch stets nach der im Einzelfall getroffenen arbeitsvertraglichen Vereinbarung, d.h. der Reichweite des gewillkürten Konzernbezugs.191 Auf die Festlegung einer konzernweiten Versetzungsklausel gründet sich ein etwaiges Direktionsrecht des Arbeitgebers bezüglich eines vorübergehenden Verleihs an ein anderes Konzernunternehmen. Anderenfalls bleibt nur der Weg einer einvernehmlichen Vertragsänderung oder aber einer Änderungskündigung. Der dauerhafte Einsatz des Arbeitnehmers in einem anderen Konzernunternehmen erfordert demgegenüber einen konzerninternen Arbeitgeberwechsel, der einvernehmlich entweder durch vertragliche Aufhebung des bestehenden und Begründung eines neuen Arbeitsverhältnisses oder durch die rechtsgeschäftliche Auswechslung einer Vertragspartei im Wege der Vertragsübernahme stattfindet. Ein zwangsweiser Wechsel ist nur mittels Beendigungskündigung seitens des bisherigen Arbeitgebers und durch Begründung eines Arbeitsverhältnisses mit dem neuen Arbeitgeber möglich; der Ausspruch einer Änderungskündigung scheitert an der fehlenden Arbeitgeberidentität. 192 Vertragliche Konzernversetzungsklauseln ermöglichen keinen konzerninternen Arbeitgeberwechsel „ipso iure“, da dies eine einseitige Bestimmung einer Vertragspartei als Kernbereich des Vertragsverhältnisses und essentiale negotii darstellen würde, als Umgehung zwingenden Kündigungsschutzes unzulässig und zudem wegen der langen Bindungsdauer des antizipierten Vertragsübernahmeangebotes des Arbeitnehmers sittenwidrig wäre.193 Da an die konkludente Beendigung eines Arbeitsverhältnisses hohe Anforderungen zu stellen sind, kommt als Alternative zum Arbeitgeberwechsel auch die Überführung eines aktiv durchgeführten in ein ruhendes, Stamm- oder Restarbeitsverhältnis in Betracht. Zwei miteinander verknüpfte Arbeitsverhältnisse laufen dann nebeneinander her, wenn das Vertragsverhältnis zum ersten Arbeitgeber nicht gelöst wird, sondern die Hauptpflichten einvernehmlich nur suspendiert werden, und der Arbeitnehmer einen zweiten Arbeitsvertrag mit dem Beschäftigungsarbeitgeber schließt.
191 Boemke, AÜG, § 1 Rn. 191; Ulber, AÜG, § 1 Rn. 254; Richardi in: MünchArbR, § 32 Rn. 20, 25; Windbichler, RdA 1988, 95; dies., ZIAS 1995, 640; Maschmann, RdA 1996, 24; keine Erweiterung der Arbeitnehmerpflichten durch Tarifvertrag, vgl. Teil 1 § 1 A. II. 1. a). 192 Karamarias, RdA 1983, 353; Maschmann, RdA 1996, 24. 193 Maschmann, RdA 1996, 24; a. A. Windbichler, Arbeitsrecht im Konzern, 97, dies., ZIAS 1995, 640.
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Trotz dieser grundsätzlichen Ausrichtung des Individualarbeitsrechts am Leitbild des wirtschaftlich autonomen Unternehmens führt der konzernspezifische Fremdeinfluss durch Leitungsmacht in Ergänzung durch mobilitätsbedingte arbeitsrechtliche Drittbeziehungen zu einer partiellen Orientierung des Arbeitsverhältnisses an anderen Konzerngesellschaften und damit zu Beschränkungen des Arbeitgebers in seiner unternehmerischen Freiheit.194 Eine Konzerndimension von Arbeitsverhältnissen in diesem Sinne hat das BAG bislang nur bei der betrieblichen Altersversorgung195 und im Kündigungsschutz anerkannt: Ausnahmsweise besteht ein konzernbezogener Kündigungsschutz, wenn das andere Konzernunternehmen ausdrücklich zu einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers bereit ist, wenn eine arbeitsvertragliche Pflicht besteht, im Entlassungsfall für eine Weiterbeschäftigung im Konzern zu sorgen, oder wenn der Arbeitgeber das Vertrauen erweckt hat, er werde sich um eine Beschäftigung innerhalb des Konzerns bemühen – mit der Folge, dass der konzernweite Kündigungsschutz zur Kehrseite einer konzernweiten Versetzbarkeit werden kann.196 In diesem 194 Allerdings ist die dogmatische Herleitung der Einbeziehung eines rechtlich selbständigen Dritten in die Arbeitgeberpflichten umstritten, vgl. Konzen, RdA 1984, 65; ders., ZfA 13 (1982), 259; Henssler, Der Arbeitsvertrag im Konzern, 43 ff., 73 ff., stützt den konzerndimensionalen Arbeitnehmerschutz auf das Vertrauensprinzip und die arbeitsrechtliche Fürsorgepflicht; Weber, Das aufgespaltene Arbeitsverhältnis, 257 ff., 300 f., zieht als Zurechnungskriterien die Elemente „Fremdnützigkeit/Fremdbestimmung“ des Arbeitnehmerbegriffs heran; Worpenberg, Die konzerninterne Arbeitnehmerüberlassung, 63 ff. befürwortet eine konzerndimensionale Auslegung einzelner Normen in speziellen Einzelfragen. Grundsätzlich zu Spezifika des Konzernarbeitsverhältnisses (ohne zugleich konzernweiten Arbeitnehmereinsatz) Konzen, ZHR 151 (1987), 566. 195 So erfolgt bei der Prüfung der wirtschaftlichen Lage des Arbeitgebers als Voraussetzung für eine Anpassung der Leistungen betrieblicher Altersversorgung nach § 16 Abs. 1 BetrAVG ausnahmsweise ein Berechnungsdurchgriff auf das herrschende Unternehmen, wenn zwischen letzterem und dem Versorgungsschuldner eine verdichtete Konzernverbindung besteht und die Leitungsmacht in einer Weise ausgeübt worden ist, die auf die Belange des abhängigen Tochterunternehmens keine angemessene Rücksicht genommen und so deren mangelnde Leistungsfähigkeit verursacht hat, vgl. BAG, Urt. v. 4.10.1994 – 3 AZR 910/93 –, AP Nr. 32 zu § 16 BetrAVG; auch ist eine Durchgriffshaftung der Muttergesellschaft für Versorgungsschulden konzernangehöriger Unternehmen zu bejahen, wenn ein Beherrschungs-, und Gewinn- und Verlustabführungsvertrag besteht oder die Konzernobergesellschaft das abhängige Unternehmen dauernd und umfassend führt und der Versorgungsschuldner keine angemessenen Rücklagen hat bilden können, vgl. BAG, Urt. v. 6.10.1992 – 3 AZR 242/91 –, AP Nr. 5 zu § 1 BetrAVG Konzern; BAG, Urt. v. 8.3.1994 – 9 AZR 197/92 –, NJW 1994, 3244; zum Sonderfall einer von der Konzernmutter selbst erteilten Versorgungszusage BAG, Urt. v. 6.8.1985 – 3 AZR 185/83 –, BAGE 49, 225. 196 BAG, Urt. v. 18.10.1976 – 3 AZR 576/75, AP Nr. 3 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung; BAG, Urt. v. 14.10.1982 – 2 AZR 568/80 –, AP Nr. 1 zu § 1 KSchG 1969 Konzern; BAG, Urt. v. 21.1.1999 – 2 AZR 648/97 –, DB 1999, 806. – Eine entsprechende Verpflichtung des Arbeitgebers bindet allerdings keine andere Konzerngesellschaft im Sinne eines Vertrages zu Lasten Dritter; nur die Konzernobergesellschaft hat eine konzernrechtliche Weisungsmöglichkeit zur Durchsetzung einer derartigen Verpflichtung.
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Teilbereich ist ein gesteigerter Interessenschutz des konzernweit eingesetzten Arbeitnehmers aufgrund des individualvertraglich vereinbarten Konzernbezugs seiner Arbeitsleistung anzuerkennen.197 Demgegenüber lehnt das BAG ein konzernweites Gleichbehandlungsgebot zu Recht aus dem Grund ab, dass sich dieses im Sinne einer Selbstbindung stets nur an ein und denselben Adressaten richten kann, was aufgrund der rechtlichen Selbständigkeit von Konzernunternehmen als jeweils eigenständige Arbeitgeber aber ausgeschlossen ist.198 b) Anwendbarkeit des AÜG gem. § 1 Abs. 3 Nr. 2 AÜG Die vorübergehende Arbeitnehmerüberlassung zwischen Konzernunternehmen iSd. § 18 AktG genießt durch den Ausschluss vom Anwendungsbereich des AÜG eine Privilegierung.199 Im Unterschied zu sonstigen Ausnahmetatbeständen des AÜG bedarf es für § 1 Abs. 3 Nr. 2 AÜG keiner einschlägigen tariflichen Regelung, die Zulässigkeit folgt unmittelbar aus dem Gesetz. Die Konzernunternehmen müssen zudem nicht demselben Wirtschaftszweig angehören, auch ist der Überlassungsgrund ohne Bedeutung. § 1 Abs. 3 Nr. 2 AÜG bezweckt eine Erleichterung der konzerntypischen Arbeitnehmermobilität, zumal der Personalaustausch innerhalb desselben Konzerns nur dessen inneren Arbeitsmarkt berührt und keine arbeits- oder sozialrechtlichen Risiken für die Leiharbeitnehmer in sich birgt.200 § 1 Abs. 3 Nr. 2 AÜG enthält eine rechtsformneutrale Verweisung: Es müssen lediglich die wesentlichen Merkmale eines Konzerns erfüllt sein, nämlich die rechtliche Selbständigkeit der Unternehmen, ihre Zusammenfassung sowie ihre einheitliche Leitung, die ihrerseits eine planmäßige und auf gewisse Dauer angelegte, gezielte Einflussnahme auf wesentliche Bereiche der Geschäftspolitik voraussetzt.201 Von der o. g. Vielfalt rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten von Konzernarbeitsverhältnissen erfasst § 1 Abs. 3 Nr. 2 AÜG lediglich den Arbeitnehmerverleih. Das Kriterium der Gewerbsmäßigkeit ist dabei unbeachtlich.202 Denn weder Wortlaut noch Systematik des § 1 AÜG legen eine Beschränkung 197 Für weitergehenden Arbeitnehmerschutz bei konzerninterner Arbeitnehmermobilität Karamarias, RdA 1983, 353; Martens, FS 25 Jahre BAG, 367; Henssler, Der Arbeitsvertrag im Konzern, 52 ff. 198 BAG, Urt. v. 20.8.1986 – 4 AZR 272/85 –, BAGE 52, 380. 199 Regelung initiiert durch den Ausschuss für Arbeit und Sozialordnung (Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung vom 17.4.1985, BT-Drucks. 10/3206), vgl. Art. 8 Abs. 1 Nr. 1b des Beschäftigungsförderungsgesetzes 1985 v. 26.04.1985 (BGBl. 1985 I, 710). Nach § 1b Satz 1 AÜG bleibt jedoch der konzerninterne Verleih von Arbeitnehmern an das Baugewerbe für arbeitertypische Tätigkeiten verboten. 200 Vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung vom 17.4.1985, BT-Drucks. 10/3206, 33. 201 BAG, Urt. v. 5.5.1988 – 2 AZR 795/87 –, NZA 1989, 18; Boemke, § 1 Rn. 186.
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der Ausnahme auf nichtgewerbsmäßige Arbeitnehmerüberlassung nahe.203 Da lediglich die gewerbsmäßige Arbeitnehmerüberlassung den Einschränkungen des AÜG unterworfen ist, kann auch nur sie Gegenstand einer expliziten Freistellung (mit Ausnahme des § 1b Satz 1 AÜG) sein, während der nichtgewerbsmäßige Verleih ohnehin zulässig ist. Auch steht das Merkmal „vorübergehend“ in § 1 Abs. 3 Nr. 2 AÜG der Annahme von Gewerbsmäßigkeit nicht zwingend entgegen. Da aber auch § 1 Abs. 3 Nr. 2 AÜG die Besetzung von Dauerarbeitsplätzen beim Entleiher mit Leiharbeitnehmern vermeiden will, darf der Verleih nicht als endgültig geplant, sondern nur vorübergehend sein, was sich aus einer Rückkehrzusage oder aus dem Überlassungszweck ergeben kann.204 Vorübergehend muss nicht die Überlassung, sondern die Nichtleistung beim Arbeitgeberunternehmen sein. Dadurch soll verhindert werden, dass durch die Einbeziehung eines reinen Verleihunternehmens in einen Konzern der Verleih von Arbeitnehmern innerhalb eines Konzerns unbeschränkt zulässig wird.205 So ist bei konzernabhängigen Personalführungsgesellschaften nach deren Funktion zu differenzieren: Werden lediglich zentrale Personalverwaltungsaufgaben wahrgenommen und dabei Arbeitnehmer vorübergehend konzernangehörigen Unternehmen überlassen, greift die Ausnahme des § 1 Abs. 3 Nr. 2 AÜG ein. Sind Unternehmensgegenstand Personalbeschaffungsaufgaben, wobei Einstellungen ausschließlich im Namen des jeweiligen Konzernunternehmens erfolgen, liegt mangels Arbeitgeberstellung der Personalführungsgesellschaft keine Überlassung vor. Besteht der Geschäftszweck aber darin, Arbeitnehmer in eigenem Namen einzustellen und diese auf Dauer anderen Konzernunternehmen zur Arbeitsleistung zu überlassen, greift § 1 Abs. 3 Nr. 2 AÜG nicht ein.206 Jedoch ist der Begriff der vorübergehenden Dauer weit auszulegen, um eine sinnvolle Einweisung und Ausbildung innerhalb des Konzerns durch Arbeitskräfteaustausch und Personalflexibilität nicht unnötig zu erschweren.207
202 Boemke, AÜG, § 1 Rn. 179; Rüthers/Bakker, ZfA 21 (1990), 245; Worpenberg, Die konzerninterne Arbeitnehmerüberlassung, 121 f.; Schaub, ARHandbuch, § 120 Rn. 10; vgl. auch BT-Drucks. 10/3206, 33. 203 So aber Becker/Wulfgramm, AÜG, Art. 1 § 1 Rn. 113; Ulber, AÜG, § 1 Rn. 247. 204 Schüren, AÜG § 1 Rn. 577. 205 BT-Drucks. 10/3206, 33. 206 Schüren, AÜG, § 1 Rn. 584 ff.; Becker/Wulfgramm, AÜG, Art. 1 § 1 Rn. 117. 207 BAG, Urt. v. 5.5.1988 – 2 AZR 795/87 –, DB 1989, 1139; BT-Drucks. 10/3206, 33; so sind selbst mehrjährige Abordnungen noch als „vorübergehend“ anzusehen, BAG, Urt. v. 21.3.1990 – 7 AZR 198/89 –, BB 1991, 275; Becker/Wulfgramm, AÜG, Art. 1 § 1 Rn. 120; Schüren, AÜG, § 1 Rn. 577.
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c) Betriebsverfassungsrechtliche Zulässigkeit und Geltung von Tarifverträgen Wie im Individualarbeitsrecht ist auch im kollektiven Arbeitsrecht Leitbild der wirtschaftlich selbständige Arbeitgeber. Auch hier unterliegt dieses Leitbild dem konzernspezifischen Fremdeinfluss durch Leitungsmacht, im Falle konzerninterner Arbeitnehmermobilität ergänzt durch arbeitsrechtliche Drittbeziehungen. aa) Betriebliche Zuordnung konzernweit eingesetzter Arbeitnehmer Betriebszugehörig iSd. BetrVG sind Arbeitnehmer, die in einem Arbeitsverhältnis gerade zum Betriebsinhaber stehen und in dessen Betriebsorganisation tatsächlich eingegliedert sind.208 Konzerninterne Arbeitnehmermobilität kann sowohl eine Änderung als auch eine Erweiterung der betrieblichen Zuordnung des Arbeitnehmers bewirken. Unproblematisch ist der Fall des endgültigen konzerninternen Arbeitgeberwechsels, da hier beide Komponenten des betriebsverfassungsrechtlichen Arbeitnehmerbegriffes in jeweils einem Unternehmen erfüllt sind. Obwohl beim konzerninternen Arbeitnehmerverleih beide Betriebskomponenten streng genommen auseinandergerissen werden, gilt auch hier, wie bei der Arbeitnehmerüberlassung außerhalb eines Konzerns, der Grundsatz der betrieblichen Zuordnung des konzernintern überlassenen Arbeitnehmers zum Verleihbetrieb analog § 14 Abs. 1 AÜG.209 Demgegenüber besteht eine doppelte Betriebszugehörigkeit im Falle des einheitlichen Arbeitsverhältnisses mit mehreren Arbeitgebern, wenn der Arbeitnehmer dabei in mehreren Betrieben tätig ist.210 Auch zwei aktiv durchgeführte, rechtlich miteinander verknüpfte Arbeitsverhältnisse des Arbeitnehmers bewirken eine doppelte Betriebszugehörigkeit, da auch hier eine Vertragsbeziehung zum jeweiligen Betriebsinhaber und eine tatsächliche Einbindung in das betriebliche Geschehen vorliegt.211 Schließlich ist bei der Konstellation eines ruhenden Stamm- und aktiven Zweitarbeitsverhältnisses zu differenzieren: Während die Zugehörigkeit des Arbeitnehmers zum Betrieb des aktiven Zweitarbeitsverhältnisses keine Probleme aufwirft, ist die tatsächliche 208
BAG, Urt. v. 22.3.2000 – 7 ABR 34/98 –, BB 2000, 2098. Vgl. oben Teil 1 § 1 A. II. 2. c) aa); BAG, Beschl. v. 18.1.1989 – 7 ABR 62/87 –, DB 1989, 1419; Worpenberg, Die konzerninterne Arbeitnehmerüberlassung, 305 ff.; a. A. Rüthers/Bakker, ZfA 21 (1990), 245 (doppelte Betriebszugehörigkeit). 210 Kaiser in Löwisch/Kaiser, BetrVG, § 5 Rn. 4; Löwisch in Löwisch/Kaiser, BetrVG, § 7 Rn. 16; Windbichler, Arbeitsrecht im Konzern, 268; – eine betriebliche Zuordnung zu nur einem Betrieb ergibt sich allerdings bei einem gemeinsamen Beschäftigungsbetriebes beider Unternehmen. 211 Windbichler, Arbeitsrecht im Konzern, 269 f.; Fitting, BetrVG, § 5 Rn. 202. 209
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Beschäftigung und Eingliederung in den Stammbetrieb während des Ruhens trotz des grundsätzlichen Fortbestandes dieses Arbeitsverhältnisses unterbrochen, mithin eine Voraussetzung des Betriebszugehörigkeitsbegriffs nicht erfüllt: Der Arbeitnehmer ist während des Ruhens nicht mehr in die Arbeitsorganisation des Stammbetriebes eingebunden und trägt nicht zur Erfüllung des dortigen Betriebszwecks bei, auch wenn dieses Stammarbeitsverhältnis bei seiner Rückkehr wiederauflebt. Seine im Rahmen des zweiten Arbeitsverhältnisses erbrachte Arbeitsleistung kann nicht dem Betriebszweck des Stammarbeitgebers zugeordnet werden. Vielfach wird zwar auch in diesem Fall die Betriebszugehörigkeit als Voraussetzung u. a. für Sozialleistungen und verlängerte Kündigungsfristen zwischen den Parteien vertraglich vereinbart, relevant wird die Frage einer Betriebszugehörigkeit zum Stammarbeitgeber aber für das gesetzlich zwingend geregelte aktive und passive Wahlrecht. § 7 Satz 2 BetrVG lässt als Spezialvorschrift im Hinblick auf die Wahlberechtigung überlassener Arbeitnehmer eine Ausnahme nur vom Erfordernis des Bestehens eines Arbeitsvertrages zum Betriebsinhaber zu, befreit jedoch nicht von der Voraussetzung einer betrieblichen Eingliederung. Nach dem BetrVG gibt es daher zwei Möglichkeiten der Begründung einer Betriebszugehörigkeit: Zum einen das Arbeitsverhältnis zum Betriebsinhaber verbunden mit einer Eingliederung in den Betrieb, zum anderen eine Eingliederung in den Betrieb allein, die länger als drei Monate währt. Eine andere Sondervorschrift, § 14 Abs. 1 AÜG, schreibt ausschließlich für den Arbeitnehmerverleih den Grundsatz der Verleiherbezogenheit trotz fehlender (bzw. eingeschränkter) Eingliederung in den Verleihbetrieb fest. Eine Befreiung von der Komponente der Eingliederung außerhalb des Arbeitnehmerverleihs ist vom Gesetzgeber zwar nicht vorgesehen, macht aber dann Sinn, wenn nur die Hauptpflichten des Arbeitsverhältnisses ruhen, nicht auch die Nebenpflichten, und ein berechtigtes Interesse des Arbeitnehmers an der Zusammensetzung des Betriebsrates bei einer künftigen Wiederaufnahme der Arbeit besteht.212 Der Fortbestand der Zugehörigkeit zum Stammbetrieb hängt somit im Einzelfall vom Umfang des Ruhens des Stammarbeitsverhältnisses sowie davon ab, ob noch ein Rest persönlicher Beziehung des Arbeitnehmers zu den betrieblichen Verhältnissen des Stammbetriebes vorhanden ist und ob das Ruhen lediglich vorübergehend erfolgt, eine Rückkehr in den konkreten Stammbetrieb also vorgesehen ist.
212 BAG, Beschl. v. 29.3.1974 – 1 ABR 27/73 –, BAGE 26, 107 (bzgl. Wehrdienst); Fitting, BetrVG, § 5 Rn. 203; Windbichler, Arbeitsrecht im Konzern, 275 ff.
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bb) Beteiligungsrechte des Betriebsrates nach § 99 BetrVG Betriebsverfassungsrechtliche Beteiligungsrechte variieren je nach der Art des konzernweiten mobilen Arbeitnehmereinsatzes: Im Fall der nur vorübergehenden Überlassung stellt der Fremdeinsatz des Arbeitnehmers in einem anderen Konzernunternehmen für den Verleihbetrieb eine gem. § 99 BetrVG mitbestimmungspflichtige Versetzung dar, weil die bevorstehende Rückkehr die in § 99 Abs. 2 BetrVG enthaltenen kollektiven Interessen des Stammbetriebes berührt; bei einer dauerhaften Überlassung an ein anderes Konzernunternehmen ist lediglich die individualrechtliche Schutzfunktion des § 99 Abs. 2 BetrVG tangiert, so dass eine Versetzung auf Wunsch des Arbeitnehmers mitbestimmungsfrei ist.213 Die einzelne Arbeitsplatzzuweisung ist gem. § 95 Abs. 3 Satz 2 BetrVG ebenfalls dann nicht mitbestimmungspflichtig, wenn der Arbeitnehmer in einem konzernzugehörigen, reinen Verleihunternehmen verpflichtet ist, seine Arbeitsleistung ständig wechselnd in verschiedenen Einsatzbetrieben zu erbringen. Schließlich setzt der Begriff der „Zuweisung“ iSd. § 95 Abs. 3 Satz 1 BetrVG voraus, dass die Leistung des Arbeitnehmers auch im neuen Tätigkeitsbereich die dem Arbeitgeber geschuldete Leistung ist, was beim Arbeitnehmerverleih zu bejahen ist. Für den Betrieb des entleihenden Konzernunternehmens liegt in der tatsächlichen Eingliederung des Arbeitnehmers in den Betrieb, unabhängig vom Abschluss eines Arbeitsvertrages, eine mitbestimmungspflichtige Einstellung iSd. § 99 BetrVG.214 Für die Fallgruppen des endgültigen, konzerninternen Arbeitgeberwechsels und des ruhenden Stammarbeitsverhältnisses gilt folgendes: Aufgrund der tatsächlichen Eingliederung des Arbeitnehmers in den Betrieb des neuen, konzernzugehörigen Arbeitgebers ist für dessen Betriebsrat in beiden Fallgestaltungen eine gem. § 99 BetrVG mitbestimmungspflichtige Einstellung gegeben. Eine für den abgebenden Betrieb mitbestimmungspflichtige Versetzung kann grundsätzlich auch dann gegeben sein, wenn der Arbeitnehmer in einem anderen Unternehmen eingesetzt und dabei ein neues Arbeitsverhältnis begründet wird. Als personelle Einzelmaßnahme setzt der Begriff der Versetzung iSd. § 95 Abs. 3 Satz 1 BetrVG allerdings die „Zuweisung“ eines anderen Arbeitsbereichs voraus. Gemeint ist ein vom Arbeitgeber ausgehendes, zielgerichtetes Handeln, das ein einvernehmliches Vorgehen der Vertragsparteien zwar nicht ausschließt.215 Die Zuweisung eines anderen Arbeitsbereichs liegt jedoch nur dann vor, wenn die Arbeitsleistung auch im neuen Arbeitsbereich dem Arbeitgeber zuzurechnen ist, der Arbeitnehmer auch im u. U. neuen Tätigkeitsbereich beim neuen Kon213
Vgl. hierzu Teil 1 § 1 A. II. 1. c) bb). Dabei dient § 14 Abs. 3 AÜG als Rechtsfolgeverweisung, vgl. Teil 1 § 1 A. II. 2. c) bb). 215 BAG, Beschl. v. 19.2.1991 – 1 ABR 36/90 –, BB 1991, 1486; Richardi/Thüsing in Richardi, BetrVG, § 99 Rn. 110. 214
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zernunternehmen für den alten Arbeitgeber tätig wird, die Arbeitsleistung bei der anderen Konzerngesellschaft mithin die dem alten Arbeitgeber geschuldete Leistung bleibt.216 Es kommt also darauf an, ob der alte Arbeitgeber den Arbeitnehmer zu der neuen Tätigkeit bestimmt. Die Arbeitsleistung im Betrieb eines anderen Konzernunternehmens ist dann als Versetzung mitbestimmungspflichtig iSd. § 99 BetrVG, wenn die Anbindung des mobilen Arbeitnehmers an sein ruhendes Arbeitsverhältnis zum Arbeitgeber währenddessen erhalten bleibt. Nach der Rechtsprechung des BAG ist für den von § 99 BetrVG bezweckten Kollektivschutz nämlich allein entscheidend, ob der Arbeitnehmer auf Veranlassung des Arbeitgebers vorübergehend aus seiner bisherigen betrieblichen Einheit herausgenommen und in dessen Interesse woanders eingesetzt wird.217 Eine mitbestimmungspflichtige Versetzung hängt also im Einzelfall davon ab, ob die im anderen Konzernunternehmen erbrachte Arbeitsleistung dem Stammarbeitgeber noch zuzurechnen ist. Indizien hierfür können der Einfluss des Stammarbeitgebers bei entsprechenden Vertragsverhandlungen sowie eine nur vorübergehende Dauer des Fremdeinsatzes sein. Bei einem dauerhaften Arbeitgeberwechsel wird eine mitbestimmungspflichtige Versetzung daher idR. ausscheiden.218 Auch kann im Einzelfall bereits im Konzerntatbestand das erforderliche Interesse des Arbeitgebers an der Arbeitsleistung im anderen Unternehmen liegen.219 Ruht das Arbeitsverhältnis bei Vereinbarung einer Rückkehrklausel, so ist die Wiederaufnahme der Arbeit im Stammbetrieb aufgrund des zwischenzeitlichen Fortbestandes rechtlicher Beziehungen keine Einstellung iSd. § 99 BetrVG.220 Bei einer unveränderten Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses besteht kein rechtliches Interesse des Stammbetriebsrates an einem Mitbestimmungsrecht. Im Fall eines einheitlichen Arbeitsverhältnisses stellt der wechselnde Einsatz in Betrieben beider Arbeitgeber zu seinem Beginn im jeweiligen Betrieb eine Einstellung iSd. § 99 BetrVG dar. In der Regel scheidet jedoch eine Versetzung aus, da es insofern an einer erheblichen Änderung der vereinbarten Arbeitsumstände fehlt und zudem die Ausnahme des § 95 Abs. 3 Satz 2 BetrVG eingreifen wird.
216 BAG, Beschl. v. 19.2.1991 – 1 ABR 36/90 –, BB 1991, 1486; – die bloße Suspendierung des Arbeitnehmers von der Arbeit initiiert keinen neuen Arbeitsbereich und stellt daher keine Versetzung dar, Fitting, BetrVG, § 99 Rn. 113. 217 BAG, Beschl. v. 19.2.1991 – 1 ABR 36/90 –, BB 1991, 1486. 218 Insbesondere bei entsprechendem Wunsch des Arbeitnehmers, vgl. BAG, Beschl. v. 20.9.1990 – 1 ABR 37/90, BAGE 66, 57 (allerdings lediglich eine unternehmensweite Versetzung betreffend). 219 Kittner in Däubler, BetrVG, § 99 Rn. 18. 220 Richardi/Thüsing in Richardi, BetrVG, § 99 Rn. 45; Fitting, BetrVG, § 99 Rn. 42; BAG, Urt. v. 5.4.2001, AP Nr. 32 zu § 99 BetrVG 1972 Einstellung; Kraft in Fabricius, GK-BetrVG, § 99 Rn. 33; Schlochauer in Hess/Schlochauer/Glaubitz, BetrVG, § 99 Rn. 24.
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Für keinen der Fälle konzernweiter Arbeitnehmermobilität besteht eine originäre Zuständigkeit des Konzernbetriebsrates nach § 58 Abs. 1 Satz 1 BetrVG.221 Aufgrund der bestehenden Regelungsmöglichkeit und größeren Sachnähe jedes einzelnen (Gesamt-)Betriebsrates fehlt es am zwingenden Erfordernis einer einheitlichen Regelung auf Konzernebene. Die betriebsverfassungsrechtliche Aufspaltung einer individualrechtlich einheitlichen Maßnahme kann daher zu divergierenden Entscheidungen der beiden Betriebsräte führen und der mobile Arbeitseinsatz scheitern, was aufgrund der betriebsorientierten Organisations- und Beteiligungsstruktur des BetrVG in Kauf zu nehmen ist. Jedoch können die (Gesamt-)Betriebsräte zur Vermeidung divergierender Entscheidungen Angelegenheiten gem. § 58 Abs. 2 BetrVG an den Konzernbetriebsrat delegieren.222 cc) Geltung von Tarifverträgen (1) Möglichkeiten konzernweiter Tarifeinheit Ein einheitlicher Tarifvertrag mit Geltung für sämtliche Konzernarbeitsverhältnisse ist rechtlich nur über Umwege möglich. Abzulehnen ist ein Konzerntarifvertrag als besonderes Rechtsinstitut, da der Konzern als solcher mangels eigener Rechtspersönlichkeit nicht tariffähig ist.223 Ein Tarifvertrag mit konzernweiter normativer Geltung iSd. § 4 Abs. 1 TVG würde zwischen dem Konzern und den einzelnen Arbeitnehmern bestehende Arbeitsverhältnisse voraussetzen, die jedoch nicht existieren. Auch § 12a Abs. 2 TVG begründet keine Arbeitgebereigenschaft des Konzerns, da diese Vorschrift lediglich das in der Definition des Abs. 1 enthaltene Merkmal wirtschaftlicher Abhängigkeit im Falle einer Konzerntätigkeit arbeitnehmerähnlicher Personen erläutert, denen dabei verschiedene Arbeitgeber gegenüberstehen.224 Ebenso wenig enthält § 55 Abs. 4 BetrVG eine Anerkennung des Konzerntarifvertrages, sondern setzt lediglich einen konzernweit geltenden Tarifvertrag voraus, bei dem dessen betriebsverfassungsrechtliche Normen iSd. § 3 Abs. 2 TVG zudem lediglich die einseitige Tarifgebundenheit des Arbeitgebers verlangen und daher auch durch eine bloß schuldrechtliche Einbeziehung der Konzerntöchter sichergestellt wer221 Rüthers/Bakker, ZfA 21 (1990), 245; Fitting, BetrVG, § 99 Rn. 20; Kittner in Däubler, BetrVG, § 99 Rn. 20; Worpenberg, Die konzerninterne Arbeitnehmerüberlassung, 317 f.; Windbichler, Arbeitsrecht im Konzern, 392 f.; BAG, Beschl. v. 20.9. 1990 – 1 ABR 37/90 –, BAGE 66, 57; BAG, Urt. v. 26.1.1993 – 1 AZR 303/92 –, AP Nr. 102 zu § 99 BetrVG 1972. 222 Eine solche Delegierung kommt aber nur im Falle eines Unterordnungskonzerns in Betracht, da § 58 BetrVG nicht auf den Gleichordnungskonzern anwendbar ist, Löwisch in Löwisch/Kaiser, BetrVG, § 54 Rn. 2. 223 Löwisch/Rieble, TVG, § 2 Rn. 147; Wiedemann, TVG, § 2 Rn. 167. 224 Löwisch/Rieble, TVG, § 2 Rn. 147.
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den können.225 Darüber hinaus ist nicht von der Existenz der Konzernbetriebsvereinbarung auf eine Zulässigkeit des Konzerntarifvertrages zu schließen, da Konzernbetriebsvereinbarungen aufgrund der Wahl der betriebsverfassungsrechtlichen Vertretungsorgane durch alle Beschäftigten über eine Legitimation verfügen, die den Tarifpartnern auf Konzernebene gerade fehlt.226 Schließlich ist der Konzern mangels der für eine tariffähige Vereinigung erforderlichen, im Außenverhältnis greifbaren Organisationsform auch nicht als Arbeitgebervereinigung anzusehen.227 Andererseits nimmt die Konzernbindung weder der Konzernobergesellschaft noch den einzelnen Konzerngesellschaften die Tariffähigkeit bzw. die Fähigkeit, einem Arbeitgeberverband anzugehören. Grundsätzlich hängt es von den Tarifvertragsparteien ab, wie diese ihre Zuständigkeit abgrenzen und ob sie der Besonderheit eines unternehmensübergreifenden Sachverhalts Rechnung tragen. Aber auch eine konzerneinheitliche Geltung eines von einer Konzernobergesellschaft ausgehandelten Tarifvertrages scheitert, wenn nicht bereits an der fehlenden Tarifgebundenheit der Konzerntochter, so jedenfalls am fehlenden Vertragsband zwischen Arbeitnehmer und Konzernspitze.228 Ein „tarifvertraglicher Durchgriff“ von der Obergesellschaft auf den Gesamtkonzern ist abzulehnen.229 Denn ein Tarifvertrag setzt dogmatisch ein bereits bestehendes Arbeitsverhältnis als Anknüpfungs- und Regelungsgegenstand voraus und vermag es nicht erst – etwa im Verhältnis der Konzernobergesellschaft zu den Arbeitnehmern der einzelnen Tochterunternehmen – zu begründen.230 Unverzichtbar für eine normative Tarifwirkung iSd. § 4 Abs. 1 TVG auf das einzelne Konzernarbeitsverhältnis ist somit, dass die einzelnen Konzernunternehmen selbst Tarifvertragspartner und damit – wie auch die Arbeitnehmer – tarifgebunden sind. Auf dieser Grundlage ist die einheitliche Geltung eines Verbandstarifvertrages denkbar, wenn sämtliche Konzerngesellschaften Mitglied im gleichen Arbeitgeberverband sind. Dabei kann auch der Konzern zum Anknüpfungspunkt des fachlichen Geltungsbereichs gemacht werden.231 Möglich sind auch einheitliche Haustarifverträge in der Form mehrgliedriger Tarifverträge, bei denen sämtliche einzelnen Konzernunternehmen als Partei auf Arbeitgeberseite auftreten.232 Auf
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Wiedemann, TVG, § 1 Rn. 167; Löwisch/Rieble, TVG, § 2 Rn. 147. Wiedemann, TVG, § 1 Rn. 167; a. A. Däubler, Tarifvertragsrecht, Rn. 80 (§§ 54 ff. BetrVG analog). 227 Oetker in Wiedemann, TVG, § 2 Rn. 105; Windbichler, Arbeitsrecht im Konzern, 462 f.; a. A. Kempen/Zachert, TVG, § 2 Rn. 74. 228 Konzen, RdA 1984, 65. 229 A. A. Däubler, Tarifvertragsrecht, Rn. 79 f.; ders., ZIAS 1995, 525. 230 Oetker in Wiedemann, TVG, § 2 Rn. 106. 231 Löwisch/Rieble, TVG, § 4 Rn. 81; s. o. unter Teil 1 § 1 A. II. 1. b) aa). 232 BAG, Urt. v. 24.11.1993 – 4 AZR 407/92 –, NZA 1994, 564; BAG, Urt. v. 10.11.1993 – 4 AZR 184/93 –, NZA 1994, 892. 226
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diese Weise ist selbst bei branchenförmigen Mischkonzernen durch eine Mehrgliedrigkeit auch auf Arbeitnehmerseite eine konzerneinheitliche Tarifgeltung möglich. Schließlich können sich die einzelnen Konzernunternehmen bei einem mehrgliedrigen Tarifvertrag auch durch ein drittes Unternehmen vertreten lassen.233 So kann eine Konzernobergesellschaft zugleich im Namen der betroffenen Tochtergesellschaften mit einer Gewerkschaft gleichlautende Paralleltarifverträge abschließen.234 Konzerneinheitliche Arbeitsbedingungen können ausnahmsweise auch dadurch erzielt werden, dass sich die Konzernmutter schuldrechtlich gegenüber einer Gewerkschaft als Tarifvertragspartnerin dazu verpflichtet, kraft ihrer beherrschenden Stellung auf die Tochtergesellschaften dahingehend einzuwirken, dass diese den zwischen der Konzernmutter und der Gewerkschaft ausgehandelten Tarifvertrag trotz fehlender Tarifbindung und -geltung auf ihre einzelnen Arbeitsverhältnisse anwenden.235 Eine normative Tarifgeltung vermag dies allerdings nicht zu begründen, der Tarifvertrag wirkt im übrigen Konzern nur einzelvertraglich (und wird in der Regel lediglich neu abzuschließende Arbeitsverträge erfassen), wenn nicht eine tarifliche Öffnungsklausel gem. § 77 Abs. 3 BetrVG dort entsprechende Betriebsvereinbarungen zulässt. Neben diesen Zweifeln an der praktischen Durchsetzbarkeit in den Tochterunternehmen unterliegt ein solcher Versuch der Erstreckung tariflicher Arbeitsbedingungen auf Nichttarifgebundene rechtlichen Bedenken: Bestandteil der schuldrechtlichen Durchführungspflicht der Tarifvertragsparteien ist deren Verpflichtung, auf ihre Mitglieder zwecks Einhaltung des Tarifvertrages einzuwirken. Eine derartige Erweiterung der tariflichen Einwirkungspflicht, die sich hier auf unabhängige Dritte, die nicht Mitglied der Tarifvertragsparteien sind – weder Arbeitgeber noch Arbeitnehmer –, auswirkt und deren Vertragsfreiheit erheblich einschränkt, sprengt das tarifliche Normsetzungs- und -geltungssystem, ist allenfalls in einem Unterordnungskonzern aufgrund der konzernrechtlichen Leitungsmacht der Konzernmutter denkbar und bedarf darüber hinaus einer ausdrücklichen entsprechenden Vereinbarung im Tarifvertrag. Insbesondere begründet die faktische Einflussmöglichkeit der Muttergesellschaft keinerlei Automatismus, der eine Tariferstreckung auf Außenseiter stets ermöglichen und eine dogmatische Grundlage für einen derartigen Bruch mit dem Grundsatz der juristischen Eigenständigkeit konzernzugehöriger Unternehmen und mit Grundprinzipien des Tarifrechts entbehrlich machen würde. Dies verkennt das BAG in seinem Urteil vom 11.9.1991, demzufolge rechtlich selbständige Tochterunternehmen eines tarifgebundenen Arbeitgebers die – für sie nicht geltenden – Tarifverträge an233 BAG, Urt. v. 24.11.1993 – 4 AZR 407/92 –, NZA 1994, 564; BAG, Urt. v. 10.11.1993 – 4 AZR 184/93 –, NZA 1994, 892. 234 Worpenberg, Die konzerninterne Arbeitnehmerüberlassung, 320; Wiedemann, TVG, § 2 Rn. 107. 235 Löwisch/Rieble in MünchArbR, § 277 Rn. 33.
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wenden müssen, wenn die rechtliche Verselbständigung nur aus Gründen des internationalen Rechts erfolgt ist und das Tochterunternehmen tatsächlich wie eine unselbständige Unternehmensabteilung beherrscht wird.236 Eine – ohne entsprechend ausdrückliche Vertragsgestaltung der Tarifparteien – zu missbilligende Flucht aus dem Tarifvertrag ist darin nicht zu erkennen. (2) Tarifpluralität im Konzern Die rechtliche Selbständigkeit der Konzernunternehmen und die insbesondere bei Mischkonzernen mit verschiedenen Branchen bestehenden unterschiedlichen Tarifzuständigkeiten und fachlichen Geltungsbereiche machen Tarifpluralität auf Konzernebene zum Regelfall. Hier bedeutet Tarifpluralität, dass konzernweit mehrere Tarifverträge nebeneinander gelten, ohne dass sie auf einzelne Arbeitsverhältnisse gleichzeitig anwendbar sind. Während das BAG die Fälle der Tarifpluralität auf Betriebs- und Unternehmensebene dahingehend löst, dass der sachnähere, speziellere Tarifvertrag nach dem Prinzip der Tarifeinheit Vorrang hat237, kommt eine solche – verfassungsrechtlich ohnehin bedenkliche238 – Lösung auf Konzernebene erst recht nicht in Betracht: Hier kann die Tarifbindung des Arbeitgebers aufgrund der Vielzahl von Arbeitgebern nicht als Anknüpfungspunkt fungieren, auch verlangen weder Rechtssicherheits- noch Praktikabilitätserwägungen für die Arbeitsvertragsparteien einen Verdrängungsmechanismus, der die rechtliche Eigenständigkeit der Einzelunternehmen und die dogmatische Anknüpfung des Tarifvertrages an ein Arbeitsverhältnis missachten würde. Allerdings ist zu überlegen, ob konzernweite Arbeitnehmermobilität zu Tarifkonkurrenzen für das einzelne Arbeitsverhältnis führt. Dies gilt jedoch weder für die Fallgruppe des endgültigen konzerninternen Arbeitgeberwechsels, in der bei fortbestehender beidseitiger Tarifbindung ein Tarifwechsel stattfindet, noch für die Fallgruppe der konzerninternen Arbeitnehmerüberlassung: In der Regel unterliegt das Leiharbeitsverhältnis dem Tarifvertrag des Verleihunternehmens, 236 BAG, Urt. v. 11.9.1991 – 4 AZR 71/91 –, ArbuR 1992, 125; Däubler schlussfolgert daraus zu Unrecht eine „de-facto-Erstreckung der mit der Konzernspitze abgeschlossenen Tarifverträge“, Tarifvertragsrecht, Rn. 81; dem BAG ebenfalls zustimmend Zachert, Anm. zum Urt. v. 11.9.1991 – 4 AZR 71/91 –, ArbuR 1992, 127; kritisch Dütz/Rotter, 1. Anm. zum Urt. v. 11.9.1991 – 4 AZR 71/91 –, AP Nr. 29 Internat. Privatrecht; kritisch ebenfalls Arnold, 2. Anm. zum Urt. v. 11.9.1991 – 4 AZR 71/91 –, AP Nr. 29 Internat. Privatrecht. 237 Vgl. BAG; Urt. v. 4.12.2002 – 10 AZR 113/02 –, AP Nr. 28 zu § 4 TVG Tarifkonkurrenz; BAG, Urt. v. 26.1. 1994 – 10 AZR 611/92 –, NZA 1994, 1038; BAG, Urt. v. 14.6.1989 – 4 AZR 200/89 –, AP Nr. 16 zu § 4 TVG Tarifkonkurrenz; BAG, Urt. v. 5.9.1990 – 4 AZR 59/90 –, AP Nr. 19 zu § 4 TVG Tarifkonkurrenz. 238 Vgl. die zutreffenden Erwägungen der herrschenden Lehre: Löwisch/Rieble in MünchArbR, § 276 Rn. 17 ff.; Kempen in Kempen/Zachert, TVG, § 4 Rn. 128; Wank in Wiedemann, TVG, § 4 Rn. 277.
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es sei denn, eine nicht lediglich vorübergehende Überlassung iSd. § 1 Abs. 3 Nr. 2 AÜG verursacht die Anwendung des Gleichstellungsgebotes der §§ 3 Abs. 1 Nr. 3, 9 Nr. 2 AÜG. Eine konzernweite Tarifeinheit entsteht in dem Sonderfall, dass sämtliche bei den abhängigen Unternehmen eingesetzten Arbeitnehmer arbeitsvertraglich der als Personalführungsgesellschaft fungierenden Konzernobergesellschaft zugeordnet sind und sich so die Tarifmacht der Muttergesellschaft auf alle im Konzern beschäftigten Arbeitnehmer erstreckt. Die normative Wirkung eines Tarifvertrages beschränkt sich auf die Arbeitsverhältnisse, die in seinen, durch Auslegung zu ermittelnden Geltungsbereich fallen. In der Regel knüpfen die meist nach dem Industrieverbandsprinzip organisierten Tarifparteien im Hinblick auf den fachlichen Geltungsbereich an die fachliche Ausrichtung des Betriebes an, in dem der Arbeitnehmer tätig ist. In den Fallgruppen des einheitlichen Arbeitsverhältnisses, der zwei aktiv durchgeführten, rechtlich miteinander verknüpften Arbeitsverhältnisse und der Kombination eines ruhenden Stammarbeitsverhältnisses mit einem aktiven Zweitarbeitsverhältnis kann es zu doppelten Betriebszugehörigkeiten239 kommen, was bei ebenfalls doppelter Tarifbindung240 und -geltung Tarifkonkurrenzen bewirken könnte, bei denen sodann die konzernbedingte Besonderheit einer meist doppelten Arbeitgeberschaft zu berücksichtigen wäre. In demselben Arbeitsverhältnis können aber aus Gründen der Rechtssicherheit nicht zwei Tarifverträge nebeneinander gelten, auch würde eine Kombination zweier Tarifverträge die innertarifliche Ausgewogenheit des jeweils gefundenen Tarifkompromisses beseitigen. Insofern ist von einem Gebot der Tarifeinheit im Arbeitsverhältnis zu sprechen, dem durch Konkurrenzregeln nachzukommen ist. BAG und herrschende Lehre ziehen zur Auflösung von Tarifkonkurrenzen das Spezialitätsprinzip heran, demzufolge der dem einzelnen Betrieb räumlich, fachlich und persönlich am nächsten stehende Tarifvertrag angewendet wird.241 In den Fallgruppen der zwei aktiv durchgeführten, rechtlich miteinander verknüpften Arbeitsverhältnisse und der Kombination eines ruhenden Stammarbeitsverhältnisses mit einem aktiven Zweitarbeitsverhältnis scheitert eine tatsächliche Tarifkonkur239 s. o. Teil 1 § 1 A. II. 3. c) aa); für Nachwirkung analog § 4 Abs. 5 TVG im ruhenden Arbeitsverhältnis bei Wegfall der Betriebszugehörigkeit Windbichler, Arbeitsrecht im Konzern, 438. 240 Ggf. aufgrund einer Allgemeinverbindlicherklärung im Sinne des § 5 Abs. 4 TVG. 241 BAG, Urt. v. 14.6.1989 – 4 AZR 200/89 –, AP Nr. 16 zu § 4 TVG Tarifkonkurrenz; BAG, Urt. v. 5.9.1990 – 4 AZR 59/90 –, AP Nr. 19 zu § 4 TVG Tarifkonkurrenz; Wank in Wiedemann, TVG, § 4 Rn. 289 ff.; demgegenüber hält Kempen (in Kempen/Zachert, TVG, § 4 Rn. 131) den Spezialitätsgrundsatz nur bei im Falle doppelter Tarifbindung gegebener Identität des Normgebers für anwendbar, ansonsten sei nach der Anzahl der tarifgebundenen Arbeitsverhältnisse als Kriterium der intensiveren Legitimationsqualität zu entscheiden; Löwisch/Rieble (in MünchArbR, § 276 Rn. 23 ff.) stellen von vornherein auf die Normsetzungskompetenz ab, d.h. auf den Vorrang stärkerer mitgliedschaftlicher Legitimation.
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renz jedoch daran, dass es sich hier gerade nicht um ein und dasselbe Arbeitsverhältnis handelt, auf das zwei Tarifverträge anwendbar sind, sondern vielmehr um zwei gleichzeitig mit unterschiedlichen Arbeitgebern bestehende, grundsätzlich selbständige Arbeitsverhältnisse des Arbeitnehmers. Die Tatsache der konzernbedingten rechtlichen Verbundenheit der zwei aktiv durchgeführten Arbeitsverhältnisse miteinander wie auch des aktiven Zweitarbeitsverhältnisses mit dem ruhenden Stammarbeitsverhältnis bei doppelter Betriebszugehörigkeit vermag einen Fall tatsächlicher Tarifkonkurrenz nicht zu begründen, da ein mit Art. 9 Abs. 3 GG kollidierendes Bedürfnis nach Tarifeinheit aufgrund der an den Arbeitsverhältnissen beteiligten unterschiedlichen Rechtssubjekte nicht zu legitimieren ist. Damit verbleibt als möglicher Konkurrenzfall die Fallgruppe des einheitlichen Arbeitsverhältnisses, bei dem auf Arbeitgeberseite mehrere natürliche oder juristische Personen beteiligt sind.242 Probleme entstehen dann, wenn beide Arbeitgeber einen gemeinsamen Betrieb haben, der unter den fachlichen Geltungsbereich eines Tarifvertrages fällt, aber außer dem dort tätigen Arbeitnehmer nur ein Arbeitgeber tarifgebunden ist. Problematisch ist ebenfalls die Konstellation, dass der Arbeitnehmer in beiden Betrieben tätig ist und infolge unterschiedlicher Branchenzugehörigkeit und Arbeitgeberverbandsmitgliedschaft beider Arbeitgeber in jedem Betrieb ein anderer Tarifvertrag gilt, wobei beide mit der Gewerkschaft des Arbeitnehmers abgeschlossen wurden. Möglich ist auch, dass nur ein Arbeitgeber tarifgebunden ist und in der Folge in nur einem Betrieb ein mit der Gewerkschaft des Arbeitnehmers abgeschlossener Tarifvertrag gilt. Für die Annahme eines einheitlichen Arbeitsverhältnisses soll nach der Rechtsprechung des BAG nicht Voraussetzung sein, dass die Arbeitgeber zueinander in einem bestimmten, insbesondere gesellschaftsrechtlichen Rechtsverhältnis stehen, einen gemeinsamen Betrieb führen oder den Arbeitsvertrag gemeinsam abschließen; erforderlich ist nur ein rechtlicher Zusammenhang zwischen den arbeitsvertraglichen Rechtsbeziehungen des Arbeitnehmers zu den einzelnen Arbeitgebern, der deren rechtlich getrennte Behandlung verbietet.243 Gem. § 4 Abs. 1 Satz 1 TVG gelten die Inhaltsnormen eines Tarifvertrages unmittelbar und zwingend zwischen den beiderseits Tarifgebundenen, die unter den Geltungsbereich des Tarifvertrages fallen. Normadressat sind daher die Arbeitsvertragsparteien, ihre Tarifbindung vorausgesetzt. Bei seiner Konstruktion des einheitlichen Arbeitsverhältnisses geht das BAG ausdrücklich von „einzelnen Vertragsbeziehungen“ aus, wobei die beiden (oder mehreren) Arbeitgeber hinsichtlich der Beschäftigungs- und Vergütungspflicht Gesamtschuldner sein 242
Beispielsfall: BAG, Urt. v. 27.3.1981 – 7 AZR 523/78 –, DB 1982, 1569. BAG, Urt. v. 27.3.1981 – 7 AZR 523/78 –, AP Nr. 1 zu § 611 BGB Arbeitgebergruppe mit krit. Anm. von Wiedemann; ebenfalls ablehnend Schwerdtner, ZIP 1982, 900. 243
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können.244 Auch bei der Gesamtschuld handelt es sich daher um zwei Vertragspartner des Arbeitnehmers. Denn eine Gesamtschuld iSd. § 421 BGB setzt mehrere Schuldverhältnisse mit mehreren Schuldnern voraus. Dabei besteht das in das Gesamtschuldverhältnis eingebettete einzelne Schuldverhältnis grundsätzlich selbständig und unabhängig von den anderen Schuldverhältnissen.245 Auch beim einheitlichen Arbeitsverhältnis ist daher die Tarifbindung jedes einzelnen Arbeitgebers Voraussetzung für die normative Wirkung des § 4 Abs. 1 TVG. Die Tarifbindung ihrerseits setzt – abgesehen vom Ausnahmefall des § 3 Abs. 2 TVG – die Mitgliedschaft beider Arbeitsvertragspartner in der jeweiligen Tarifvertragspartei voraus, da nur auf diese Weise die Normsetzungsbefugnis der Tarifpartner für das einzelne Arbeitsverhältnis akzeptiert wird. Ist ein Arbeitgeber nicht Mitglied einer Arbeitgebervereinigung, fehlt es an der erforderlichen Legitimation für eine normative Tarifwirkung in dessen Arbeitsverhältnis mit dem Arbeitnehmer. Auch die vom BAG entwickelten Fallgruppen einer Verursachung der Tarifgebundenheit von Personengesellschaften durch die Verbandsmitgliedschaft ihrer persönlich haftenden Gesellschafter246 vermögen beim einheitlichen Arbeitsverhältnis keine Tarifanwendung trotz fehlender Tarifbindung eines Arbeitgebers zu begründen. Denn der für ein einheitliches Arbeitsverhältnis ausreichende lose rechtliche Zusammenhang ist keinesfalls geeignet, von der Arbeitgeberverbandsmitgliedschaft des einen Unternehmens auf eine Mitgliedschaft der anderen Gesellschaft im selben Verband zu schließen, geschweige denn eine solche zu begründen. In den drei oben genannten Konstellationen scheitert eine wirkliche Tarifkonkurrenz im Rechtssinne daher bereits am Fehlen einer identischen Tarifbindung beider Arbeitgeber. Denn die Grundsätze der Tarifkonkurrenz können nur eine gegebene Bindung verdrängen, nicht aber die Geltung eines an und für sich unanwendbaren Tarifvertrages begründen.247 Insofern stellt auch das Günstigkeitsprinzip kein taugliches Kriterium für die Ermittlung des Vertragsinhaltes dar, andererseits sind aufspaltende Lösungen angesichts der Einheitlichkeit des Arbeitsverhältnisses zu vermeiden. Abgesehen von einem dreiseitigen, gegenüber den in den einzelnen Arbeitsverhältnissen geltenden Tarifverträgen günstigeren Einzelarbeitsvertrag kann dieses Problem im Falle der Verbandsmitgliedschaft nur eines Arbeitgebers dadurch vermieden werden, dass der nichttarifgebundene Arbeitgeber im Wege individualvertraglicher Inbezugnahme des zwischen dem anderen Arbeitgeber und dem Arbeitnehmer geltenden Tarifvertrages die erforderliche Einheit herstellt. In den anderen Konstellationen ist ein 244
BAG, Urt. v. 27.3.1981 – 7 AZR 523/78 –, DB 1982, 1569. Wolf in Soergel, BGB, § 421 Rn. 5 f. 246 Vgl. BAG, Urt. v. 22.2.1957 – 1 AZR 426/56 –, BAGE 3, 358; BAG, Urt. v. 4.5.1994 – 4 AZR 418/93 –, AP Nr. 1 zu § 1 TVG Tarifverträge: Elektrohandwerk. 247 Windbichler, Arbeitsrecht im Konzern, 436, die die Gesamtproblematik letztlich offen lässt. 245
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Geltungsgrund eines Tarifvertrages für den nichtgebundenen Arbeitgeber nicht zu konstruieren, mangels entsprechender Legitimation auch nicht durch Sonderregelungen der Tarifparteien.248 Es entsteht ein mangelhafter Arbeitsvertrag, dessen Inhalt im Wege einer Auslegung des (Rest-)Individualarbeitsvertrages, ggf. unter Zuhilfenahme gesetzlicher Mindestregelungen, zu ermitteln ist.
B. Wettbewerbsfaktoren und -schranken innerstaatlicher Arbeitnehmermobilität I. Mobilitätsspezifische Wettbewerbsfaktoren 1. Arbeitsbedingungen als Wettbewerbsfaktoren Wettbewerb ist durch das Bestreben mehrerer voneinander unabhängiger Anbieter gekennzeichnet, auf einem gemeinsamen Markt vorrangig vor den Mitbewerbern zu günstigeren Vertragsabschlüssen mit Interessenten zu gelangen.249 Die Wettbewerbsfähigkeit des auf dem jeweiligen Markt konkurrierenden Angebotes wird durch dessen Inhalt und letzterer durch spezifische Wettbewerbsfaktoren bestimmt. Entsprechend der Vielfalt von Produkten und Dienstleistungen liegen den einzelnen Angeboten verschiedene Wettbewerbsfaktoren mit unterschiedlicher Gewichtung zugrunde. Stets bestimmen aber die Bedingungen, unter denen ein Anbieter einen Arbeitnehmer bei der Erstellung einer bestimmten Leistung einsetzen kann, den Inhalt seines auf dem Gütermarkt konkurrierenden Leistungsangebotes mit. Dabei ist die in die jeweilige Vertragsdurchführung bzw. in den Produktionsprozess integrierte menschliche Arbeit ein Kostenfaktor, der auf den Angebotsinhalt „Verkauf einer Ware“ oder „Erbringung einer Werkoder Dienstleistung“ in unterschiedlicher, jeweils branchentypischer Intensität durchschlägt. Diesen Kostenfaktor beeinflussen beide synallagmatischen Hauptleistungspflichten des Arbeitsverhältnisses und die in deren jeweiligem Zusammenhang stehenden sonstigen Vertragspflichten. Offensichtlich ist dies bei der Lohnhöhe, die für den Anbieter darüber hinaus u. a. bei der Pflicht zur Abführung von Lohnsteuer und Sozialversicherungsbeiträgen, bei etwaigen Zusatzleistungen wie Zulagen, Provisionen, Prämien, Gewinnbeteiligungen, vermögenswirksamen Leistungen, Sonderzahlungen oder einer betrieblichen Altersversorgung, bei der Fälligkeit der Zahlungspflicht, bei der Vergütungspflicht ohne Arbeitsleistung im Falle von Urlaub, Feiertagen, Arbeitsunfähigkeit oder Annahmeverzug und 248
So aber Windbichler, Arbeitsrecht im Konzern, 446. Vgl. RG, Urt. v. 18.12.1931 – II 514/30 –, RGZ 134, 342 (350); BGH, Urt. v. 27.1.1956 – I ZR 146/54 –, BGHZ 19, 392 (396); Köhler in: Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, UWG, Einl. Rn. 1.1 ff., 1.8. 249
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bei Einhaltung der Vorschriften zur Lohnsicherung von Relevanz ist. Ebenso gilt dies aber im Hinblick auf die vereinbarte Dienstleistung des Arbeitnehmers, nämlich u. a. bezüglich der Art der Arbeitsleistung, des Leistungsortes und der vom Arbeitgeber zu beachtenden Arbeitszeiten und Arbeitnehmerschutzvorschriften. Für den Arbeitgeber als Leistungsanbieter auf Güter- und Dienstleisungsmärkten sind wesentliche Wettbewerbsfaktoren daher zum einen die Höhe seiner Lohn- und Sozialkosten und zum anderen der Umfang flexibler Reaktionsmöglichkeiten auf Marktveränderungen, u. a. durch örtliche Flexibilität seiner Leistungserbringung mittels eines mobilen Arbeitnehmereinsatzes. 2. Kartellwirkung arbeitsrechtlicher Gestaltungsfaktoren a) Kartellwirkung aufgrund zwingender Normgeltung aa) Einschränkung der individuellen Vertragsfreiheit Eine möglichst weitreichende Flexibilität bei Arbeitseinsätzen gegen geringstmögliche Lohn- und Sozialkosten stellt für den Arbeitgeber als Leistungsanbieter auf dem Güter- und Dienstleistungsmarkt aber nur dann einen Wettbewerbsvorteil dar, wenn ihm bei den Vertragsverhandlungen mit seinen Arbeitnehmern ein Gestaltungsspielraum zusteht, durch den die einzelnen Arbeitsbedingungen als Wettbewerbsfaktoren von ihm beeinflusst werden können. Diese inhaltliche Gestaltungsfreiheit wird allgemein im Privatrecht durch die gem. Art. 2 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich garantierte Privatautonomie gewährleistet, die jedoch gerade im Arbeitsrecht wesentlichen Einschränkungen durch dessen gesetzliches und kollektivvertragliches Normensystem unterliegt. Die dadurch bedingte Einengung der die Vertragsfreiheit voraussetzenden wirtschaftlichen Betätigungsfreiheit bewirkt notwendig eine Beschränkung des Wettbewerbs.250 Diese Freiheit aller Marktteilnehmer, nämlich der Wettbewerber untereinander auf horizontaler Ebene und der Marktpartner im vertikalen Austauschprozess, ist unerlässliche Voraussetzung für die Existenz von Wettbewerb auf einem bestimmten Markt.251 Soweit diese Grundvoraussetzung beseitigt wird – 250 Die allgemeine Handlungsfreiheit des Art. 2 Abs. 1 GG schließt das Recht auf freie wirtschaftliche Betätigung mit ein; Vertragsfreiheit und Wettbewerbsfreiheit sind konkrete Erscheinungsformen dieser wirtschaftlichen Betätigungsfreiheit (BVerfG, Beschl. v. 12.11.1958 – 2 BvL 4, 26, 40/56, 1, 7/57 –, BVerfGE 8, 274 (328); BVerfG, Beschl. v. 16.5.1961 – 2 BvF 1/60 –, BVerfGE 12, 341 (347); BVerwG, Urt. v. 30.8.1968 – VII C 122.66 –, BVerwGE 30, 191 (198)). Die Vertragsfreiheit von Arbeitgeber und Arbeitnehmer zum Abschluss arbeitsrechtlicher Vereinbarungen wird zudem durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützt, BVerfG, Beschl. v. 7.2.1990 – 1 BvR 26/ 84 –, BVerfGE 81, 242 (254); BAG, Urt. v. 16.3.1994 – 5 AZR 339/92 –, AP Nr. 18 zu § 611 BGB Ausbildungsbeihilfe.
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sei es durch staatliche Maßnahmen, sei es durch Abreden oder das Verhalten der Marktteilnehmer – ist der Wettbewerb eingeschränkt. Die soziale Marktwirtschaft als Wirtschaftsform der Bundesrepublik schließt trotz ihrer Ausrichtung auf die Bildung eines freien Marktes ein ungehemmtes „freies Spiel der Kräfte“ aus und verlangt ein Minimum an sozialen Sicherungen.252 Mit der Zielrichtung des Arbeitnehmerschutzes schränkt eine Vielzahl von Gesetzen die Arbeitsvertragsfreiheit individualarbeits- und betriebsverfassungsrechtlich ein, um dadurch einen angemesseneren Interessenausgleich zu gewährleisten.253 Möglichkeiten von Abweichungen bestehen bei einseitig zwingendem Gesetzesrecht nur zugunsten des Arbeitnehmers, bei tarifdispositiven Vorschriften aber auch zu dessen Lasten mittels Tarifvertrag. Zweck des tarifdispositiven Gesetzesrechtes ist es, den Tarifpartnern zu ermöglichen, für einen bestimmten Wirtschaftszweig durch eine eigene Regelung spezifischer Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen iSd. Art. 9 Abs. 3 GG einen vom Gesetz abweichenden sachgemäßen Interessenausgleich zu schaffen.254 Aber auch bei rein dispositivem oder gar fehlendem Gesetzesrecht schränken Tarifverträge bei einschlägigem Geltungsbereich und Tarifbindung beider Arbeitsvertragspartner deren individualvertraglichen Gestaltungsspielraum gem. § 4 Abs. 1 Satz 1 TVG erheblich ein, so dass die Arbeitsvertragsparteien nur noch zugunsten des Arbeitnehmers vom Tarifvertrag abweichen können.255 Diese zwingende unmittelbare Tarifwirkung kann zudem durch Allgemeinverbindlicherklärung des Tarifvertrages gem. § 5 TVG in dessen Geltungsbereich auch auf Nichttarifgebundene erstreckt werden. In der Hierarchie arbeitsrechtlicher Gestaltungsfaktoren schiebt sich daher zwi251 Freiheit wirtschaftlicher Betätigung als „fundamentum competitionis“, vgl. Köhler in: Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, UWG, Einl. Rn. 1.17. 252 Das Grundgesetz ist zwar wirtschaftspolitisch neutral und schreibt kein bestimmtes Wirtschaftssystem vor, so dass dem Staat eine besondere wirtschafts- und sozialpolitische Gestaltungsfunktion obliegt , vgl. BVerfG, Urt. v. 20.7.1954 – 1 BvR 459,484,548,555,623,651,748,783,801/52, 5,9/53, 96,114/54 –, BVerfGE 4, 7 (17 f.); Urt. v. 1.3.1979 – 1 BvR 532,533/77, 419/78, 1 BvL 21/78 –, BVerfGE 50, 290 (336 ff.); Rittner, Wirtschaftsrecht, § 2 Rn. 27. Es steckt aber den Gesamtrahmen für eine dualistische Wirtschaftsordnung ab, die auf den Prinzipien individueller Freiheit und sozialer Gebundenheit beruht. Dementsprechend sind Einschränkungen der wirtschaftlichen Betätigungsfreiheit grundsätzlich zulässig, soweit überwiegende Gründe des Gemeinwohls, nämlich „Rechte anderer“ iSd. Art. 2 Abs. 1 GG oder das Sozialstaatsprinzip, sie rechtfertigen, BVerfG, Urt. v. 27.1.1965 – 1 BvR 213,715/58, 66/60 –, BVerfGE 18, 315 (327). 253 Und zwar durch die Aufstellung gesetzlicher Mindestanforderungen an den Inhalt der Arbeitsbedingungen und die Bindung von Entscheidungen des Arbeitgebers an die Mitwirkung des Betriebsrates; Arbeitsrecht „als ein einziges großes Kontrollsystem gegenüber der Vertragsfreiheit“, so Hanau/Adomeit, Arbeitsrecht, Rn. 41. 254 Schaub, ARHandbuch, § 31 Rn. 14. 255 Sog. Günstigkeitsprinzip, es sei denn, der Tarifvertrag enthält eine Öffnungsklausel, vgl. § 4 Abs. 3 TVG; Söllner bezeichnet das TVG daher nachvollziehbar als „Gesetz zur Regelung von Wettbewerbsbeschränkungen“, ArbRGegw. Bd. 35 (1997), 21 (26).
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schen die Regelungsmacht des Staates und die Privatautonomie des Einzelnen die Ebene kollektivvertraglicher Regelungen, die die Selbstbestimmung des Individuums beschränken und die Regelungszuständigkeit des Staates verkürzen. bb) Kartellgarantie des Art. 9 Abs. 3 Satz 1 GG Die Einschränkung der individuellen Vertragsfreiheit durch Gesetze und Tarifverträge dient vorrangig dem Arbeitnehmerschutz. Dabei kommt Tarifverträgen – ebenso wie gesetzlichen Mindestarbeitsbedingungen – aufgrund des geltenden Günstigkeitsprinzips eine wettbewerbsausschließende Kartellwirkung zu, aufgrund derer Arbeitskosten wettbewerbsneutral werden und der Wettbewerbsdruck auf der Ebene sowohl der Gütermärkte als auch des Arbeitsmarktes gemildert wird.256 Ökonomisch betrachtet sind Gewerkschaften daher Arbeitnehmerkartelle, die mit Hilfe von Tarifverträgen durchsetzen, dass die vom Arbeitgeber zu gewährenden Arbeitsbedingungen oberhalb des sich ansonsten bei echtem Wettbewerb am Markt bildenden Gleichgewichtsniveaus liegen. Durch die gem. Art. 9 Abs. 3 GG abgesicherte Kollektivierung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen wird die arbeitnehmerische Verhandlungsmacht gestärkt, ein Ausgleich von Gruppen- und Mitgliederinteressen nach dem Prinzip der Vertragsgerechtigkeit gewährleistet und dadurch eine Marktregulierung bewirkt. Das arbeitnehmerschutzorientierte Ziel tarifvertraglicher Vereinbarungen liegt in der Ersetzung der dominanten arbeitgeberseitigen Festlegung von Arbeitsbedingungen durch eine vertragsmäßige Gestaltung. Indem es selbst das freie Zusammenspiel von Angebot und Annahme voraussetzt und dabei auf einen vertraglichen Ausgleich gerichtet ist, fußt dieses Kollektivvertragssystem auf der Marktwirtschaft, auch wenn sich kollektiv ausgehandelte Vertragsbedingungen auf dem Arbeitsmarkt einerseits und Güter- und Dienstleistungsmärkten andererseits sehr unterschiedlich auswirken: Auf Güter- und Dienstleistungsmärkten wird eine Marktregulierung maßgeblich durch den leistungsorientierten horizontalen Wettbewerb einzelner Unternehmen untereinander erzielt, der die vertikalen vertraglichen Beziehungen der Marktpartner koordiniert. Das Ideal eines vollkommenen Wettbewerbes steht einer Vermachtung des Marktes entgegen, so dass Kartelle wie sonstige Wettbewerbsbeschränkungen nach dem GWB zu verhindern sind. Denn die kompetitiven Beziehungen zwischen den Wettbewerbern auf horizontaler Ebene müssen erhalten bleiben, damit die kooperativen vertikalen Beziehungen zwischen Anbietern und Nachfragern aufgrund beiderseits freier Entschließung gestaltet werden können. Nur ein grundsätzliches Gleichgewicht der Marktteilnehmer garantiert einen Leistungswettbewerb und vermag Vertragsgerechtigkeit zu gewährleisten. Im Gegensatz dazu ist es auf dem Arbeitsmarkt gerade ein Kartellvertrag, 256
Löwisch/Rieble, MünchArbR, § 247 Rn. 6; Reuter, ZfA 26 (1995), 1.
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der eine Marktregulierung und Vertragsgerechtigkeit absichert. Zur Bewältigung der ökonomisch abhängigkeitsbedingten, stets schwächeren Marktposition der Arbeitnehmer und damit ihrer marktbedingten Unfreiheit bündeln Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände als Kartelle die individuellen Angebote und Nachfragen jeweils horizontal. Auf diese Weise wird eine – auf Individualvertragsebene nicht erreichbare – Parität auf kollektiver Ebene hergestellt, die den Abschluss eines „freien Arbeitsvertrages“ ermöglicht.257 Aufgrund dieses arbeitsmarktlichen Gegenmachtprinzips wirken Tarifverträge im vertikalen Austauschverhältnis auf dem Arbeitsmarkt nicht einseitig marktmachtverstärkend, sondern durch einen Ausgleich der ökonomischen Schwäche der Arbeitnehmer vielmehr marktmachtbegrenzend.258 Diese Kartellwirkung von Tarifverträgen genießt den Schutz des Art. 9 Abs. 3 Satz 1 GG. Denn die darin enthaltene Koalitionsfreiheit beinhaltet zugleich das Recht zur autonomen Regelung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen259, und die Tarifautonomie umfasst ihrerseits notwendig auch die Kartellwirkung von Tarifverträgen. Art. 9 Abs. 3 GG enthält damit eine verfassungsrechtliche Kartellerlaubnis, aufgrund deren die tarifvertragliche Kartellabrede generell vom Geltungsbereich des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) ausgenommen ist.260 Soweit die Parteien daher von ihrer Tarifautonomie in den definierten Grenzen des Art. 9 Abs. 3 Satz 1 GG Gebrauch machen, sind kartellmäßige Fernwirkungen kollektiver Abreden des Arbeitsmarktes auf Güter- und Dienstleistungsmärkte aufgrund der verfassungsrechtlichen Grundentscheidung des Art. 9 Abs. 3 Satz 1 GG in der Regel hinzunehmen.261 Die Kartellgarantie 257
Löwisch/Rieble in: MünchArbR, § 247 Rn. 3. Insofern hat die Bezeichnung von Tarifverträgen als „Kartellverträge“ eine leicht irreführende Tendenz, denn bei einem Kartellvertrag des Gütermarktes gehen die Interessen der Kartellmitglieder in die gleiche Richtung, während dies bei den Tarifpartnern gerade nicht der Fall ist; vgl. Söllner, ArbRGegw. Bd. 35 (1997), 21. 259 BVerfG, Beschl. v. 24.5.1977 – 2 BvL 11/74 –, BVerfGE 44, 322 (340 f.); Urt. v. 18.11.1954 – 1 BvR 629/52 –, BVerfGE 4, 96; Beschl. v. 19.10.1966 – 1 BvL 24/ 65 –, BVerfGE 20, 312 (317). 260 Sowohl eine Bindung von Tarifverträgen an das Kartellverbot des § 1 GWB als auch eine Missbrauchskontrolle von Tarifverträgen über §§ 19 f. GWB ist daher abzulehnen; ghM. in Lit. und Rspr., vgl. BAG, Urt. v. 27.6.1989 – 1 AZR 404/88 –, AP Nr. 113 zu Art. 9 GG Arbeitskampf; BAG, Urt. v. 28.3.1990 – 4 AZR 536/89 –, AP Nr. 25 zu § 5 TVG; BAG, Urt. v. 10.11.1993 – 4 AZR 316/93 –, AP Nr. 169 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau; KG, Urt. v. 21.2.1990 – Kart U 4357/89 –, NZA 1991, 24; Löwisch/Rieble in: MünchArbR, § 247 Rn. 8, 16 f.; Rittner, Wirtschaftsrecht, § 15 Rn. 38; Wiedemann, TVG, Einl. Rn. 36, 371; Schiek in: Däubler, TVG, Einl. Rn. 460 ff.; Söllner, ArbRGegw 1997, 21; auch das Kartellverbot des Art. 81 EGV erfasst keine Tarifverträge, vgl. EuGH, Urt. v. 21.9.1999 – verb. Rs. C-115/97 bis C117/97 (Brentjens Handelsonderneming) –, NZA 2000, 201; a. A. Kulka, RdA 1988, 336; Nacken, WuW 1988, 475; Poth, NZA 1989, 626. 261 Es sei denn, die Tarifparteien umgehen das Kartellverbot absichtlich (nachweisbarer Formenmissbrauch), BAG, Urt. v. 27.6.1989 – 1 AZR 404/88 –, AP Nr. 113 zu Art. 9 GG Arbeitskampf; BAG, Urt. v. 10.11.1993 – 4 AZR 316/93 –, AP Nr. 169 zu 258
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des Art. 9 Abs. 3 Satz 1 GG beschränkt sich allerdings auf die „Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen“, d.h. die Gesamtheit der Bedingungen, unter denen abhängige Arbeit geleistet wird oder die aus ökonomischer Sicht den Arbeitsmarkt regulieren262, dies sind die Grenzen der Tarifmacht. Das GWB nimmt seinen Geltungsanspruch also nur bezüglich des Arbeitsmarktes zurück. Hier obliegt den Koalitionen gem. Art. 9 Abs. 3 Satz 1 GG die im öffentlichen Interesse liegende Aufgabe, das Arbeitsleben durch den Abschluss von Tarifverträgen insbesondere über Lohn- und sonstige materielle Arbeitsbedingungen in einem von staatlicher Rechtssetzung frei gelassenen Raum in eigener Verantwortung und im Wesentlichen ohne staatliche Einflussnahme sinnvoll zu ordnen und zu befrieden.263 Damit wird eine Ordnung des Arbeits- und Wirtschaftslebens gewährleistet, bei der der Staat seine Zuständigkeit zur Rechtssetzung weit zurücknimmt und die Bestimmung über die regelungsbedürftigen Einzelheiten des Arbeitsvertrages im Rahmen des verbleibenden zwingenden Gesetzesrechts den Koalitionen überlässt. Dies geschieht im Vertrauen auf das Selbstregulierungspotential der Wirtschaft durch die Tarifautonomie als tendenziell zweckrationalem Findungsverfahren für gerechte, die gegenseitigen Interessen angemessen zum Ausgleich bringende Arbeitsbedingungen. Im Gegensatz zur bloß faktischen Kartellwirkung als Nebenfolge arbeitnehmerschützender gesetzlicher Mindestarbeitsbedingungen beruht die Kartellwirkung von Tarifverträgen daher als Ergebnis eines vertraglichen Interessenausgleichs auf einem entsprechenden Willensakt privater Rechtssubjekte. cc) Rechtsgrund zwingender Tarifgeltung Die tarifliche Kartellwirkung beschränkt sich aufgrund des Günstigkeitsprinzips iSd. § 4 Abs. 3 TVG auf Mindestarbeitsbedingungen, so dass der Markt übertariflicher Arbeitsbedingungen dem Wettbewerb überlassen ist, was zugleich das Übergreifen der Tarifmacht auf die Güter- und Dienstleistungsmärkte begrenzt. Im Übrigen ist die Reichweite des Wettbewerbsausschlusses geknüpft an den Umfang der normativen, d.h. zwingenden und unmittelbaren Tarifwirkung. Die Kartellwirkung der Tarifverträge wird desto stärker, je mehr Arbeitsvertragsparteien iSd. § 3 TVG tarifgebunden sind und je weiter der räumliche, sachliche und persönliche Geltungsbereich des Tarifvertrages gespannt ist. Diese Kartellwirkung verstärkt sich nochmals, wenn der Tarifvertrag gem. § 5 Abs. 4 TVG für allgemeinverbindlich erklärt wird und sein Geltungsbereich daher auch koalitionsfreie Unternehmen erfasst. In beiden Fällen wird die indivi§ 1 TVG Tarifverträge: Bau; zur Grundrechtsbindung als Korrektiv siehe unter Teil 1 § 1 B. I. 2. a) cc) (1). 262 h. M., vgl. Wiedemann, TVG, Einl. Rn. 99 m. w. N. 263 BVerfG, Beschl. v. 24.5.1977 – 2 BvL 11/74 –, BVerfGE, 44, 322 (340 f.); Urt. v. 6.5.1964 – 1 BvR 79/62 –, BVerfGE 18, 18 (28).
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duelle Vertragsfreiheit des Arbeitgebers beim Arbeitsvertragsschluss durch die zwingende tarifliche Normwirkung und seine Wettbewerbsfreiheit auf dem Gütermarkt durch die Kartellfernwirkung begrenzt. Die Frage, ob und wie weit unternehmerische Entscheidungen einschließlich der individuellen Vertragsgestaltung durch tarifvertragliche Regelungen determiniert werden dürfen, hängt von der Legitimationsgrundlage des kollektivvertraglichen Normdurchgriffs und von dessen etwaiger Grundrechtsbindung ab. (1) Normunterwerfung iSd. § 4 Abs. 1 Satz 1 TVG Ein Tarifvertrag enthält als Normenvertrag iSd. § 4 Abs. 1 Satz 1 TVG abstrakt-generelle Regelungen für Dritte, nämlich Regelungen bezüglich der Arbeitsverhältnisse der Mitglieder der tarifschließenden Parteien. Die Zulassung eines derartigen Normenvertrages verschafft den Tarifparteien eine Normsetzungsbefugnis. Bei der Suche nach dem Ursprung dieser Normsetzungsbefugnis haben sich in Rechtsprechung und Literatur im wesentlichen zwei Lager gebildet, die „Delegationstheorie“ und die „Autonomietheorie“: Bislang herrschend war die Auffassung, die zwingende Normwirkung von Tarifverträgen beruhe auf staatlicher Delegation, aufgrund deren die Tarifparteien vom Staat zur Ausübung von dessen Rechtsetzungsbefugnis ermächtigt seien.264 Zunehmend wird jedoch vertreten, die Tarifautonomie gründe sich auf eine durch die Verbandsmitglieder rechtsgeschäftlich erfolgte Mandatierung.265 Diese Autonomietheorien spalten sich wiederum in einen privatautonom-individualistischen266 und in einen kollektivistischen Ansatz267 auf. Der Rechtsprechung des BVerfG ist eine Lösung des Problems nicht zu entnehmen, da dort lediglich die durch die Ver264 BAG, Urt. v. 15.1.1955 – 1 AZR 305/54 –, BAGE 1, 258 (264); BAG, Urt. v. 23.3.1957 – 1 AZR 64/56 –, BAGE 4, 133 (136); BAG, Urt. v. 23.3.1957 – 1 AZR 326/56 –, BAGE 4, 240 (251); BAG, Urt. v. 20.6.1958 – 1 AZR 245/57 –, BB 1958, 949; BAG, Beschl. v. 29.11.1967 – GS 1/67 –, AP Nr. 13 zu Art. 9 GG; Nikisch, Arbeitsrecht, 68, 216; Hueck/Nipperdey, Arbeitsrecht II/1, 239, 347 f.; Säcker/Oetker, Grundlagen und Grenzen der Tarifautonomie, 102; Gamillscheg, Kollektives Arbeitsrecht I, 557 ff.; Löwer in: v. Münch/Kunig, GG, Art. 9 Rn. 60. 265 BAG, Urt. v. 23.11.1994 – 4 AZR 879/93 –, AP Nr. 12 zu § 1 TVG Rückwirkung; BAG, Urt. v. 14.10.1997 – 7 AZR 811/96 –, AP Nr. 155 zu § 1 TVG Tarifverträge: Metallindustrie; BAG, 25.2.1998 – 7 AZR 641/96 –, AP Nr. 11 zu § 1 TVG Tarifverträge: Luftfahrt; BAG, Urt. v. 11.3.1998 – 7 AZR 700/96 –, AP Nr. 12 zu § 1 TVG Tarifverträge: Luftfahrt; BAG, Urt. v. 31.7.2002 – 7 AZR 140/01 – AP Nr. 14 zu § 1 TVG Tarifverträge: Luftfahrt; Wiedemann, TVG, Einl. Rn. 200, § 1 Rn. 47; Löwisch/Rieble, MünchArbR, § 253 Rn. 19. 266 Picker, Veröffentlichungen der Walter-Raymond-Stiftung Bd. 37 (1997), 113; ders., GS Knobbe-Keuk, 879; ders., ZfA 29 (1998), 573; ders., NZA 2002, 761; Rieble, Arbeitsmarkt und Wettbewerb, Rn. 1102 ff., 1194 ff.; ders., ZfA 31 (2000), 5. 267 Dieterich, FS Schaub (1998), 117; Schiek in Däubler, TVG, Einl. Rn. 204 ff.; Dörner, Kasseler Handbuch, 8.1 Rn. 15; Kempen in: Kempen/Zachert, TVG, Grundl. Rn. 146 f.; Richardi, MünchArbR, § 12 Rn. 5; Söllner, NZA 1996, 897.
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fassung anerkannte und vom Staat ausgeformte Normsetzungsbefugnis bestätigt wird, die Normsetzung selbst aber weder der heteronom staatlichen noch der autonom privaten Seite zugeordnet wird.268 Auch gibt Art. 9 Abs. 3 GG selbst eine derartige Zuordnung nicht ausdrücklich vor. Eng mit der Legitimation tariflicher Normwirkung hängt die Frage einer unmittelbaren Grundrechtsbindung von Tarifverträgen zusammen, die nur im Falle einer Qualifizierung als quasistaatlicher Rechtsakt aufgrund Delegation eindeutig zu bejahen wäre.269 Die kollektivvertragliche Normsetzungsbefugnis steht in der Hierarchie arbeitsrechtlicher Gestaltungsfaktoren zwar zwischen staatlicher Normsetzung und privater Selbstbindung, sie bildet jedoch keine eigenständige, mit originären Kompetenzen ausgestattete Ebene. Denn das deutsche Rechtssystem als eine auf Individualfreiheit gegründete Ordnung kennt als Pole seines Regelungsgefüges allein die Selbstbestimmung des Einzelnen als originäre Autonomie einerseits und die fremdbestimmende, derivative Regelungsmacht des Staates andererseits. Jede weitere Autonomie stellt sich als (wiederum) abgeleitete Regelungskompetenz dar. Die Tarifautonomie ist von der Privatautonomie des einzelnen Verbandsmitgliedes abgeleitet und beruht nicht auf staatlicher Delegation. Dies folgt aus der von Gleichordnung und Freiwilligkeit geprägten Struktur des Tarif- und Verbandswesens sowie aus dem Autonomiebegriff des Art. 9 Abs. 3 GG und ist im Übrigen in der einfachgesetzlichen Ausgestaltung der Tarifautonomie in §§ 3, 4 TVG selbst angelegt: Koalitionen sind gesellschaftliche privatrechtliche Verbände und als solche mitgliederabhängig. Ihre Zielsetzung liegt primär in der Wahrung und Durchsetzung von Mitgliederinteressen. Diese mitgliedschaftliche Struktur ist in Art. 9 Abs. 3 GG durch die Nennung von „Vereinigungen“ vorausgesetzt. Weiter ist der Beitritt zu derartigen Vereinigungen uneingeschränkt freiwillig, ebenfalls ein Merkmal des Koalitionsbegriffs des Art. 9 Abs. 3 GG.270 Diese Freiwilligkeit setzt die Tarifautonomie in Gegensatz zur Gestaltungsmacht der Betriebsparteien, die eine zwangskorporatistische Ordnung darstellt und daher auf staatlicher Delegation beruht. Weiter wurde in § 1 TVG ausdrücklich die Rechtsfigur eines Vertrages gewählt, der zwar ausnahmsweise über eine Individualrechtsbeziehung hinaus auch eine kollektive Ordnung schafft. Grundlage der autonomen Rechtssetzung gegenüber den Koalitionsmitgliedern ist aber eine vertragliche Verhandlung und Einigung der Tarifvertragsparteien auf der Ebene der Gleichordnung. Die zugleich gegenüber den Verbandsmitgliedern entstehende Normwirkung als Ausdruck eines Über-Unterordnungs-Verhältnis268 Vgl. BVerfG, Beschl. v. 27.2.1973 – 2 BvL 27/69 –, BVerfGE 34, 307 (316 f.); BVerfG, Beschl. v. 14.6.1983 – 2 BvR 488/80 –, BVerfGE 64, 208 (215). 269 BAG, Urt. v. 15.1.1955 – 1 AZR 305/54 –, BAGE 1, 258 (262 ff.); BAG, Urt. v. 23.3.1957 – 1 AZR 326/56 –, BAGE 4, 240 (250 ff.). 270 BVerfG, Urt. v. 18.11.1954 – 1 BvR 629/52 –, BVerfGE 4, 96 (106 f.); BVerfG, Urt. v. 6.5.1964 – 1 BvR 79/62 –, AP Nr. 15 zu § 2 TVG.
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ses beruht auf deren freiwilliger mitgliedschaftlicher Unterwerfung und verfügt damit über eine verbandsrechtliche Legitimation „von unten nach oben“. Aber auch der Autonomiebegriff des Art. 9 Abs. 3 GG spricht für eine mitgliedschaftliche Legitimationsgrundlage der Tarifmacht. Art. 9 Abs. 3 Satz 1 GG gibt Vereinigungen das Recht, eigenverantwortlich und grundsätzlich frei von Einflussnahme durch den Staat oder Dritte selbst Entscheidungen und Maßnahmen zum Zweck der Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen zu treffen.271 Bestandteil dieser Betätigungsgarantie ist die Tarifautonomie einschließlich ihrer normativen Wirkung, sie ist bereits in der Grundrechtsgewährleistung des Art. 9 Abs. 3 Satz 1 GG enthalten und wird durch § 4 Abs. 1 Satz 1 TVG näher ausgestaltet. So führt das BVerfG in seinem Beschluss vom 24.5.1977272 aus, „Der Gesetzgeber hat den Koalitionen (. . .) das Mittel des Tarifvertrags an die Hand gegeben, damit sie die von Art. 9 Abs. 3 GG intendierte autonome Ordnung des Arbeitslebens verwirklichen können (. . .).“ Hier wird ausdrücklich der Begriff der Autonomie verwendet, der ethymologisch eine selbständige, von der staatlichen Rechtssetzung unabhängige Regelungsbefugnis bedeutet und zugleich auf eine Selbstbezogenheit dieser Regelungskompetenz auf die normsetzende und zugleich normunterworfene Gruppe hinweist.273 Im Gegensatz zur Privatautonomie als Ausdruck der Selbstbestimmung bedarf jede fremdbestimmende Regelungsmacht, eine staatliche wie eine tarifliche, einer besonderen demokratischen Legitimation. Dies gilt auch für die Verbandsautonomie, in deren unmittelbaren Zusammenhang der Grundgesetzgeber die Tarifautonomie gestellt hat. Jede Fremdbestimmung setzt eine entsprechende Machtübertragung durch das betroffene Individuum voraus. Der von der Delegationstheorie befürwortete Umweg einer Regelungsbefugnis, die vom Individuum ausgeht und sodann über den Staat auf die Tarifparteien übertragen wird, ist Art. 9 Abs. 3 GG nicht mit der erforderlichen Deutlichkeit zu entnehmen. Letztere wäre aber notwendig, um vom Regelfall einer vom Individuum als Legitimationsquelle jeglichen kollektiven (d.h. staatlichen oder tariflichen) Handelns ausgehenden, unmittelbaren Machtübertragung abzuweichen. Die systematische Nähe des Art. 9 Abs. 3 GG zur privatrechtlichen Verbandsautonomie in den Vorabsätzen legt vielmehr das Gegenteil nahe. Autonomie als „Eigengesetzlichkeit“ bedeutet im Falle einer solchen Machtübertragung auf Dritte Fremdbestimmung der originären Rechtsträger, d.h. der Individuen durch diese Dritten.274 Da die Individuen als originäre Rechtsträger sich ausweislich Art. 9 Abs. 3 Satz 1 GG in „Vereinigungen“ u. a. zwecks Tarifabschlüssen zusammen271 BVerfG, Urt. v. 1.3.1979, 1 BvR 532, 533/77, 419/78, 1 BvL 21/78 – AP Nr. 1 zu § 1 MitbestG. 272 BVerfG, Beschl. v. 24.5.1977 – 2 BvL 11/74 –, BVerfGE 44, 322 (341). 273 Der griechische Ursprung des Wortes Autonomie lässt sich u. a. mit „Eigengesetzlichkeit“ übersetzen, vgl. Brockhaus Wahrig, Deutsches Wörterbuch Bd. 1 (1980).
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schließen, ist Tarifautonomie Fremdbestimmung nicht aufgrund staatlicher Delegation, sondern vielmehr kraft privatautonomen Mandats. Dies folgt im Übrigen daraus, dass die Regelung der „Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen“ iSd. Art. 9 Abs. 3 Satz 1 GG jenseits der staatlichen Normen von der dualistischen Grundkonzeption der Verfassung her allein der Privatautonomie des Individuums unterstellt ist, so dass es auch nur dieses Individuum – und nicht der Staat – sein kann, das die entsprechende Regelungskompetenz auf ein Kollektiv übertragen kann. Entsprechend diesem Begriffsverständnis unterwirft auch die einfachgesetzliche Vorschrift des § 4 Abs. 1 Satz 1 TVG lediglich die „Tarifgebundenen“ der Normwirkung von Tarifverträgen. § 3 Abs. 1 TVG setzt für die Tarifgebundenheit ausdrücklich die Mitgliedschaft in einem der vertragsschließenden Verbände voraus, die einfachgesetzliche Ausgestaltung der Tarifautonomie basiert also selbst auf einer mitgliedschaftlichen Konzeption der Tarifnormwirkung. Ein Tarifvertrag erfasst mithin nur Arbeitsverhältnisse, bei denen beide Vertragspartner tarifgebunden sind.275 Eine Erstreckung des persönlichen Geltungsbereichs eines Tarifvertrages durch die Tarifparteien auf Außenseiter mit der Folge, dass diese von der Normwirkung tariflicher Inhaltsnormen erfasst werden, ist mangels mitgliedschaftlicher Legitimation nicht möglich.276 Denn hier fehlt es an einem unmittelbaren Legitimationsband zwischen Urheber und Adressat der Fremdbestimmung, das allenfalls mittelbar über den Umweg eines staatlichen Mitwirkungsaktes geknüpft werden kann. Das mitgliedschaftsbezogene Kriterium der Tarifgebundenheit kraft Verbandszugehörigkeit begründet, begrenzt und rechtfertigt damit die nach Art. 9 Abs. 3 Satz 1 GG scheinbar weitreichende Legitimation der Tarifparteien zur Gestaltung von Arbeitsbedingungen. Obwohl sich die Normsetzungsbefugnis der Tarifpartner durch die entsprechende privatautonome Unterwerfung ihrer Mitglieder legitimiert, wird ihre Regelungsmacht durch die Grundrechte eben dieser Tarifunterworfenen begrenzt. Allerdings lässt sich diese Grundrechtsbindung nicht im Sinne des klassischen Grundrechtsverständnisses von Abwehrrechten des Bürgers gegen den Staat aus Art. 1 Abs. 3 GG herleiten, da Tarifverträge weder unmittelbare noch delegierte 274 Dies entspricht auch dem in anderen Rechtsgebieten verwendeten Autonomiebegriff als Recht, eigene Angelegenheiten selbst zu regeln, z. B. der Kommunen gem. Art 28 Abs. 2 Satz 1 GG, deren Satzungsgewalt angesichts der Existenz von Kommunalwahlen eine unmittelbare demokratische Legitimation gegenüber steht. 275 Lediglich beim Firmentarifvertrag bedarf es auf Arbeitgeberseite keiner mitgliedschaftlichen Begründung der Tarifgebundenheit, weil dort der einzelne Arbeitgeber als unmittelbarer Tarifvertragspartner Normgeber Normadressat zugleich ist. 276 BVerfG, Beschl. v. 14.6.1983 – 2 BvR 488/80 –, BVerfGE 64, 208 (215); diese Auffassung wird auch von Vertretern der Delegationstheorie geteilt, vgl. BAG, Beschl. v. 29.11.1967 – GS 1/67 –, AP Nr. 13 zu Art. 9 GG; allerdings verbleibt die Möglichkeit der Tarifpartner, im rein schuldrechtlichen Teil des Tarifvertrages Verpflichtungen zugunsten der Außenseiter iSd. § 328 BGB zu begründen.
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staatliche Rechtssetzung darstellen.277 Andererseits wird eine bloß mittelbare Drittwirkung von Grundrechten als objektive Wertentscheidungen über die Generalklauseln des Privatrechts278 den Besonderheiten der tariflichen Normwirkung nicht gerecht. Denn Tarifverträge gehen über das dualistische Vertragsbild des Privatrechts, das auch das Satzungsrecht privater Verbände prägt, weit hinaus: Hier entstehen die für die Verbandszugehörigen geltenden, diese fremdbestimmenden Regelungen nicht bereits durch den mit Satzungsautonomie versehenen Verband selbst, sondern erst durch Vertragsschluss mit einem außerhalb des eigenen Verbandes stehenden Tarifpartner. Die Fremdbestimmung der Tarifunterworfenen verstärkt sich durch diesen vertraglichen Interessenausgleich mit einem Dritten, dessen Ausgang für das einzelne Verbandsmitglied angesichts der durch das Konsensprinzip bedingten Fremdeinwirkung der Tarifgegenseite und auch wegen der Größe vieler Verbände nicht im Detail voraussehbar ist. Auch ist die rechtsgeschäftliche Bindung der Tarifunterworfenen aus diesem Vertrag im Vergleich zur Widerruflichkeit einer bloßen Bevollmächtigung deutlich stärker. Die mit Außenwirkung ausgestattete Rechtsetzungsbefugnis der Tarifparteien qualifiziert den Tarifvertrag daher als Normsetzungsvertrag279, der für nicht unmittelbar daran Beteiligte Regeln aufstellt und aufgrund dieser verstärkten Fremdbestimmung sowohl an deren Freiheitsrechte als auch an die Gleichheitsgebote des Art. 3 GG und andere rechts- und sozialstaatliche Prinzipien gebunden ist.280 Die Normwirkung eines Tarifvertrages gründet sich also auf einen autonomen Unterwerfungsakt und ist angesichts seiner faktisch heteronomen Rechtsetzungswirkung durch die Bindung an die Grundrechte des Normunterworfenen begrenzt. Diese Begrenzung ist jedoch in jedem Einzelfall das Ergebnis eines Ausgleichs der Grundrechte des Normgebers mit denen des Normunterworfenen im Wege praktischer Konkordanz und daher mit der reinen Grundrechtsbindung des Staates ohne zugleich bestehender Grundrechtsträgerschaft nicht zu vergleichen. Denn die Garantie eines genau definierten Freiraumes kollektiv ausgeübter Privatautonomie in Art. 9 Abs. 3 Satz 1 GG macht die Tarifparteien selbst zu Grundrechtsträgern.281 Der konkrete Ausgleich der im Einzelfall kollidierenden 277 s. o.; a. A. BAG, Urt. v. 15.1.1955 – 1 AZR 305/54 –, BAGE 1, 258 (262 ff.); BAG, Urt. v. 24.7.2001 – 3 AZR 681/00, NZA 2002, 1291. 278 Vgl. BVerfG, Urt. v. 15.1.1958 – 1 BvR 400/51 –, BVerfGE 7, 198 (204 ff.). 279 So auch Säcker/Oetker, Grundlagen und Grenzen der Tarifautonomie, 242; Wiedemann, TVG, § 1 Rn. 47 („Normsetzung sui generis“). 280 Im Ergebnis ebenso Löwisch/Rieble in: MünchArbR, § 246 Rn. 71, § 259 Rn. 23; Löwisch, ZfA 27 (1996), 293; ders., RdA 2000, 312. 281 Grundrechtsträger iSd. Art. 9 Abs. 3 GG sind neben den einzelnen Staatsbürgern auch die Koalitionen selbst, vgl. BVerfG, Urt. v. 18.11.1954 – 1 BvR 629/52 –, BVerfGE 4, 96; die individualrechtliche Gewährleistung des Art. 9 Abs. 3 GG setzt sich im Freiheitsrecht der Koalitionen fort, da die individuelle Freiheit des Zusammenschlusses nur über die Betätigung der Gruppe tatsächlich wirken kann.
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Grundrechte unterliegt der gerichtlichen Überprüfung. Dies folgt aus dem an den Staat gerichteten Schutzauftrag der Grundrechte, der auch die Gerichte bei der Auslegung und Anwendung von Tarifverträgen erfasst.282 Aufgrund des Rechtsnormcharakters von Tarifverträgen mit gesteigerter Fremdbestimmung geht es dabei allerdings nicht lediglich um den Ausgleich einer etwaigen gestörten Vertragsparität unter Heranziehung privatrechtlicher Generalklauseln, sondern um eine unmittelbare Überprüfung der Tarifvertragsbestimmungen an den Grundrechten, die damit die Funktion einer Schranke vor Fremdbestimmung erhalten. Denn die Tarifautonomie des Art. 9 Abs. 3 GG dient allein dem Schutz der Selbstbestimmung der Normunterworfenen durch Gegenmachtbildung auf dem Arbeitsmarkt infolge der Bündelung individueller Autonomien, weil sich für die Normunterworfenen aufgrund des bestehenden Machtgefälles ein Individualarbeitsvertrag als unzureichendes Instrument zur Begründung sozial angemessener Vertragsbedingungen erweisen würde. Dieser Schutz der Selbstbestimmung des einzelnen durch kollektive Fremdbestimmung darf die Grenzen der Verhältnismäßigkeit nicht überschreiten, da ansonsten das Schutzgut selbst negiert würde. Während Tarifverträge also einer gerichtlichen Rechtskontrolle dahingehend unterliegen, ob ein Verstoß gegen Grundrechte oder zwingendes höherrangiges Recht vorliegt, findet eine Inhaltskontrolle nach Billigkeits-, Zweckmäßigkeits- oder Gerechtigkeitsgesichtspunkten unstreitig nicht statt, so dass den Tarifparteien insofern ein Gestaltungsspielraum mitsamt Einschätzungsprärogative beim vertraglichen Ausgleich der bipolaren Interessen ihrer Mitglieder verbleibt.283 (2) Normunterworfenheit aufgrund Allgemeinverbindlicherklärung gem. § 5 Abs. 4 TVG Die Allgemeinverbindlicherklärung eines Tarifvertrages ist ein Mittel des Staates zur Ausdehnung der Tarifbindung auf alle dem Geltungsbereich des Tarifvertrages unterfallenden Arbeitsverhältnisse nichttarifgebundener Außenseiter. Sie unterliegt drei Voraussetzungen: Zunächst muss der Tarifvertrag gem. § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 TVG eine überwiegende Bedeutung innerhalb seines Gel282 BVerfG, Beschl. v. 7.2.1990 – 1 BvR 26/84 –, BVerfGE 81, 242 (256); Beschl. v. 19.10.1993 – 1 BvR 567,1044/89 –, BVerfGE 89, 214 (234) – das BVerfG lässt bei seiner Auffassung vom Schutzauftrag der Grundrechte als Grundlage für die Grundrechtsbindung die Frage nach der Un- oder Mittelbarkeit dieser Bindung offen; dieser Auffassung folgen BAG, Urt. v. 25.2.1998 – 7 AZR 641/96 –, AP Nr. 11 zu § 1 TVG Tarifverträge: Luftfahrt; BAG, Urt. v. 11.3.1998 – 7 AZR 700/96 –, AP Nr. 12 zu § 1 TVG Tarifverträge: Luftfahrt; BAG, Urt. v. 27.2.2002 – 9 AZR 562/00 –, NZA 2002, 1099; BAG, Urt. v. 31.7.2002 – 7 AZR 140/01 –, NZA 2002, 1155; BAG, Urt. v. 20.8.2002 – 9 AZR 353/01 –, DB 2003, 342; Wiedemann, TVG, Einl. Rn. 207. 283 BAG, Urt. v. 12.3.1992 – 6 AZR 311/90 –, EzA § 4 BeschFG 1985 Nr. 1; eine Tarifzensur wird dadurch ausgeschlossen, ebenso Löwisch, ZfA 27 (1996), 293.
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tungsbereichs haben. So müssen die bislang tarifgebundenen Unternehmer mindestens die Hälfte aller unter den Geltungsbereich des Tarifvertrages fallenden Arbeitnehmer beschäftigen.284 Auf diese Mindestbeschäftigtenzahl kann gem. § 5 Abs. 1 Satz 2 TVG im Falle eines sozialen Notstandes verzichtet werden, wenn in dem vom Tarifvertrag erfassten Bereich eine unsoziale Ausbeutung der Arbeitnehmer verbreitet ist.285 Sodann muss die Allgemeinverbindlicherklärung gem. § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 TVG im öffentlichen Interesse geboten erscheinen. Schließlich erfolgt die Allgemeinverbindlicherklärung nur auf den Antrag einer Tarifvertragspartei hin durch den Bundes- bzw. im Delegationsfall durch die Landesarbeitsminister und setzt zudem gem. § 5 Abs. 5 Satz 1 TVG die Zustimmung des aus je drei von den Spitzenorganisationen der Verbände ernannten Arbeitnehmer- und Arbeitgebervertretern bestehenden Tarifausschusses voraus.286 Zwar steht die Allgemeinverbindlicherklärung als Maßnahme staatlicher Wirtschaftslenkung durch staatliche Mindestarbeitsbedingungen im deutlichen Gegensatz zur marktmäßigen Selbststeuerung auf der Basis rein mitgliedschaftlicher Legitimation, sie ist jedoch an den Inhalt des von Tarifparteien getroffenen vertraglichen Interessenausgleichs gebunden und kann dessen Normwirkung nur unter Zustimmung des Tarifausschusses auf Außenseiter erstrecken. Aufgrund von § 5 Abs. 5 Satz 3 TVG behalten die Tarifparteien zudem die Verfügungsmacht über die Geltungsdauer des allgemeinverbindlichen Tarifvertrages. Insofern sind sowohl Gegenstand als auch Verfahren der Allgemeinverbindlicherklärung eng mit den Tarifpartnern und deren Spitzenorganisationen verbunden, ohne dass allerdings von einer tarifvertragsgleichen Legitimation zu sprechen wäre: Die tarifschließenden Verbände haben Außenseitern gegenüber angesichts deren fehlender Mitgliedschaft keine unmittelbare Regelungszuständigkeit nach Art. 9 Abs. 3 GG. Außenseitern gegenüber erlangt eine Normerstreckung die erforderliche Legitimation ausschließlich über einen Normerstreckungsbefehl des Staates als demokratisch legitimierter Vertreter (auch) der Außenseiter, der hierfür einer zusätzlichen Rechtfertigung bedarf.287 Nach der Rechtsprechung des BVerfG ist dieser Normerstreckungsbefehl ein staatlicher Normset284 Diese 50 %-Klausel dient dem Wettbewerbsschutz, da die durch die Allgemeinverbindlicherklärung eintretende Wettbewerbsbeschränkung nur dann hinzunehmen ist, wenn der betroffene Arbeitsmarkt zumindest gleichgewichtig von tarifgebundenen und nichttarifgebundenen Arbeitgebern bestimmt wird. 285 Die Auslegung des Begriffs „sozialer Notstand“ ist in der Lit. umstritten, Nachweise bei Zachert, NZA 2003, 132; einschlägige Rechtsprechung existiert mangels bislang erfolgter Anwendung der Vorschrift nicht. 286 Allerdings ist der Minister umgekehrt bei Zustimmung des Tarifausschusses nicht zur Allgemeinverbindlicherklärung verpflichtet, vielmehr hat er auch dann nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden. 287 BVerfG, Beschl. v. 24.5.1977 – 2 BvL 11/74 –, AP Nr. 15 zu § 5 TVG; gem. § 5 Abs. 2 TVG können sich die Außenseiter am Normsetzungsverfahren beteiligen.
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zungsakt sui generis „zwischen autonomer Regelung und staatlicher Rechtsetzung, der eine eigenständige Grundlage in Art. 9 Abs. 3 GG findet“.288 Das Zusammenspiel von mitgliedschaftlicher Legitimation der Tarifpartner einerseits und demokratischer Legitimation des Staates durch die Außenseiter andererseits macht aus der Allgemeinverbindlicherklärung qualitativ etwas anderes als eine rein staatliche Rechtsverordnung, für die § 5 TVG als gesetzliche Ermächtigung verfassungswidrig wäre, da dort entgegen Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG Inhalt, Zweck und Ausmaß jeder einzelnen Allgemeinverbindlicherklärung nicht durch den Gesetzgeber hinreichend vorbestimmt ist, sondern erst in jedem Einzelfall durch die Tarifparteien. Das Verfahren zur Allgemeinverbindlicherklärung stellt sich daher als ein „selbständiges Zusammenwirken zweier voneinander unabhängig legitimierter Instanzen zu gemeinsamer Rechtsetzung“289 dar, die sich allerdings in der bloßen Normerstreckung erschöpft. Diese Normerstreckung greift in Grundrechte der Außenseiter ein. Das BVerfG hält die Allgemeinverbindlicherklärung von Tarifverträgen dennoch für verfassungsgemäß.290 Die allgemeine Handlungsfreiheit der Außenseiter sei nicht verletzt, da die Allgemeinverbindlicherklärung tariflicher Inhaltsnormen gem. § 5 TVG Bestandteil der verfassungsmäßigen Ordnung sei. Auch scheide eine Verletzung der negativen Koalitionsfreiheit aus, da die Freiheit, sich einer anderen als der vertragsschließenden oder keiner Koalition anzuschließen, durch die Allgemeinverbindlicherklärung nicht beeinträchtigt werde und auch kein Zwang oder Druck in Richtung auf eine Mitgliedschaft bei der vertragsschließenden Koalition ausgeübt werde. Auch wenn sich aus der Tarifbindung für den einzelnen Tarifunterworfenen ein gewisser Druck ergebe, Mitglied einer Koalition zu werden, so sei dieser nicht so erheblich, dass er sich faktisch zur Pflichtmitgliedschaft verdichten und die negative Koalitionsfreiheit verletzen würde.291 Eine Begründung dieser Einstufung als verfassungsrechtlich unerheblich liefert das BVerfG ebenso wenig wie ein Abgrenzungskriterium gegenüber rechtswidrigem und damit erheblichem Druck.292 288
BVerfG, Beschl. v. 24.5.1977 – 2 BvL 11/74 –, AP Nr. 15 zu § 5 TVG. Kempen in: Kempen/Zachert, TVG, § 5 Rn. 30; im einzelnen ist streitig, ob die Allgemeinverbindlicherklärung einen abstrakt-generellen Rechtsetzungsakt oder einen Verwaltungsakt darstellt, wovon der Rechtsschutz der Beteiligten abhängt, zum Meinungsstand vgl. Wank in: Wiedemann, TVG, § 5 Rn. 30 ff. m. w. N. 290 BVerfG, Beschl. v. 24.5.1977 – 2 BvL 11/74 –, AP Nr. 15 zu § 5 TVG; BVerfG, Beschl. v. 15.7.1980 – 1 BvR 24/74 u. 1 BvR 439/79 –, AP Nr. 17 zu § 5 TVG. 291 BVerfG, Beschl. v. 24.5.1977 – 2 BvL 11/74 –, AP Nr. 15 zu § 5 TVG; BVerfG, Beschl. v. 15.7.1980 – 1 BvR 24/74 u. 1 BvR 439/79 –, AP Nr. 17 zu § 5 TVG; zustimmend Kempen in: Kempen/Zachert, TVG, § 5 Rn. 39; Lakies in: Däubler, TVG, § 5 Rn. 38. 292 Kritisch ebenso Wiedemann, Anm. zu BAG, Urt. v. 24.1.1979 – 4 AZR 377/77 – u. BVerfG, Beschl. v. 15.7.1980 – 1 BvR 24/74 u. 1 BvR 439/79 –, AP Nr. 16 und 17 zu § 5 TVG. 289
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Es ist nämlich keinesfalls davon auszugehen, dass die Allgemeinverbindlicherklärung eines Tarifvertrages stets einen lediglich unerheblichen Beitrittsdruck auf Außenseiter ausübt. Vielmehr stellt jede Tarifnormerstreckung durch Allgemeinverbindlicherklärung zunächst einen Eingriff in den Schutzbereich der negativen Koalitionsfreiheit der betroffenen Außenseiter dar. Unstreitig umfasst die Koalitionsfreiheit als individuelles Freiheitsrecht auch das Recht des Einzelnen im Sinne negativer Koalitionsfreiheit, einer Koalition fernzubleiben.293 „Freiheit des Fernbleibens“ betrifft aber nicht lediglich isoliert den Entschluss zum Verbandsaustritt oder Nichteintritt. Der Beitrittsakt als mitgliedschaftliche Legitimationsgrundlage für die tarifliche Normwirkung294 beinhaltet zugleich die Entscheidung des Beitretenden zur Tarifunterwerfung als individuelle koalitionsspezifische Betätigung. Anerkanntermaßen schützt die Koalitionsfreiheit auch die koalitionsmäßige Betätigung des einzelnen Mitglieds295, der ein Recht zur Unterlassung entsprechender Betätigungen spiegelbildlich gegenüber steht. Insofern hängen individuelle Beitritts- und Betätigungsgarantie des Art. 9 Abs. 3 GG eng miteinander zusammen, und zwar in ihrer positiven Ausprägung ebenso wie in ihrer Ausprägung als negative Koalitionsfreiheit. Wenn das BVerfG296 in Art. 9 Abs. 3 GG die „Garantie eines gesetzlich geregelten und geschützten Tarifvertragssystems, dessen Partner frei gebildete Koalitionen iSd. Art. 9 Abs. 3 GG sein müssen“, sieht, so beinhaltet eben diese Freiheit zur (Nicht-) Bildung von Koalitionen als Säulen eines solchen Tarifvertragssystems zugleich die Freiheit zur (Nicht-)Unterwerfung unter die auf diesen Säulen ruhenden Tarifverträge. Die Normunterwerfung ist daher – wie die Mitgliedschaft selbst als Legitimationsgrundlage für eine das Selbstbestimmungsrecht der Mitglieder verwirklichende Normsetzung – Teil des Individualgrundrechts aus Art. 9 Abs. 3 GG, das als Spiegelbild zugleich die Freiheit vor fremdbestimmter Normsetzung erfasst. Von der Rechtsprechung ist zudem anerkannt, dass gegen das Grundrecht der Koalitionsfreiheit schon dann verstoßen wird, wenn auf einen Arbeitnehmer ein Druck in der Richtung ausgeübt wird, dass er sich den Bestimmungen eines Tarifvertrages unterwirft, der von einer ihm fremden Gewerkschaft abgeschlossen und von seiner eigenen Gewerkschaft abgelehnt worden ist.297 Die vom Staat ausgehende zwangsweise Normunterwerfung der Außenseiter mittels Allgemeinverbindlicherklärung stellt daher erst recht einen Eingriff in deren negative Koalitionsfreiheit als Recht zum Fernbleiben von Ta293
BVerfG, Urt. v. 1.3.1979 – 1 BvR 532, 533/77, 419/78 u. 1 BvL 21/78 –, BVerfGE 50, 290 (367); BVerfG, Beschl. v. 15.7.1980 – 1 BvR 24/74 u. 1 BvR 439/ 79 –, AP Nr. 17 zu § 5 TVG; BAG (GS), Beschl. v. 29.11.1967 – GS 1/67 –, AP Nr. 13 zu Art. 9 GG. 294 s. o. unter Teil 1 § 1 B. I. 2. a) cc) (1). 295 BVerfG, Beschl. v. 14.11.1995 – 1 BvR 601/92 –, BVerfGE 93 (357 ff.). 296 BVerfG, Urt. v. 1.3.1979 – 1 BvR 532,533/77, 419/78 u. 1 BvL 21/78 –, BVerfGE 50, 290 (369). 297 BAG, Urt. v. 15.2.1957 – 1 AZR 391/55 –, BAGE 4, 22 (25).
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rifbindungen dar.298 Insofern kommt es in jedem Einzelfall – wie auch beim gleichzeitigen Eingriff in den Schutzbereich der Vertragsfreiheit des Art. 2 Abs. 1 GG – auf eine Rechtfertigung dieses Eingriffes durch unabweisbare Interessengebote iSd. § 5 TVG und auf dessen Verhältnismäßigkeit an.299 Die Allgemeinverbindlicherklärung eines Tarifvertrages ist zwar tauglich zum Schutz von dessen Mindestarbeitsbedingungen und zur Verhinderung von Wettbewerbsverzerrungen. Denn bei einer zwangsweisen Ausdehnung der Kartellwirkung des Tarifvertrages durch dessen Allgemeinverbindlichkeit wird sowohl der Wettbewerb der nichttarifgebundenen Außenseiter untereinander auf dem Arbeitsmarkt als auch der Wettbewerb zwischen Organisierten und Nichtorganisierten auf dem Güter- und Dienstleistungsmarkt unterbunden. Die ansonsten bestehende Konkurrenz durch tarifungebundene Außenseiter wird teilweise als Missstand empfunden, der zu Nachteilen für die Tarifgebundenen führe, die vor einem Unterschreiten der tariflichen Mindestarbeitsbedingungen zu schützen seien.300 Gerade in Zeiten rückläufiger Konjunktur könne sich die Tarifbindung von Arbeitnehmern als Einstellungshindernis bzw. als Arbeitsplatzrisiko darstellen, wenn der Arbeitsmarkt eine Konkurrenz zwischen Tarifgebundenen und Außenseitern zulasse. Auch erlange der Arbeitgeber auf dem Gütermarkt bei der Beschäftigung nicht tarifgebundener Arbeitnehmer gegenüber seinen Marktmitbewerbern mit voller Tarifbindung einen unerwünschten Wettbewerbsvorteil.301 – Dabei gilt es jedoch zu bedenken, dass Außenseiterkonkurrenz als Korrektiv und Begrenzung der Tarifkartellmacht eine sinnvolle Funktion erfüllt, die von Art. 9 Abs. 3 GG in seiner von Freiwilligkeit geprägten mitgliedschaftlichen Normwirkungskonzeption zudem vorausgesetzt wird. Völlig verfehlt ist daher die pauschale Bezeichnung jedweden Außenseiterwettbewerbs als zu missbilligende „Schmutzkonkurrenz“ bzw. „Lohndrückerei“302. Wenn eine Tarifeinigung in bestimmten Branchen nicht zustande kommt oder eine solche diejenigen Arbeitsverhältnisse nicht erfasst, deren Vertragspartner eine Verbandsmitgliedschaft und damit eine Tarifbindung ablehnen, so dass auf den Märkten ein Bereich des Außenseiterwettbewerbs entsteht bzw. verbleibt, dann ist dies systemimmanent in einem auf freiwillige Verbandsmitgliedschaft und Staatsun298 Im Ergebnis ebenso BGH, Beschl. v. 18.1.2000 – KVR 23/98 –, DB 2000, 465; Kämmerer/Thüsing, ZIP 2002, 596; Schleusener, ZTR 1998, 100; ähnlich Wiedemann, Anm. zu BVerfG, Beschl. v. 15.7.1980 – 1 BvR 24/74 u. 1 BvR 439/79 –, AP Nr. 17 zu § 5 TVG; a. A. Schubert, RdA 2001, 199. 299 Scholz in: Maunz/Dürig, GG, Art. 9 Rn. 238. 300 Dörner in: Kasseler Handbuch, 8.1 Rn. 281. 301 Schaub, ARHandbuch, § 207 Rn. 1 f.; Kempen in: Kempen/Zachert, TVG, § 5 Rn. 1 f., 7, 11 (hier wird der soziale Schutz der nichtorganisierten Arbeitnehmer lediglich als Reflex der auf Konkurrenzschutz gerichteten Allgemeinverbindlicherklärung bezeichnet); Lakies in: Däubler, TVG, § 5 Rn. 6 ff. 302 So aber BVerwG, Urt. v. 3.11.1988 – BVerwG 7 C 115.86 –, AP Nr. 23 zu § 5 TVG; Gamillscheg, Kollektives Arbeitsrecht, 885 f.
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abhängigkeit sowie Mächtigkeit der Koalitionen aufbauenden Tarifsystem, in dem die Tarifpartner keiner Staatshilfe zwecks Wettbewerbsbeseitigung bedürfen und der Staat aufgrund seiner Neutralitätspflicht 303 auch keine solche leisten darf. Die Allgemeinverbindlichkeit eines Tarifvertrages hat zwar wettbewerbsspezifische Folgewirkungen, ist aber keinesfalls auf einen Schutz vor Wettbewerb oder auf die Stärkung schwacher Tarifparteien angelegt, sondern dient primär dem Schutz der nichttarifgebundenen Arbeitnehmer als Individuen vor unzureichenden Arbeitsbedingungen.304 Sie hat insofern eine soziale Funktion, als der Staat hier für Außenseiter sozial verträgliche, angemessene Mindestarbeitsbedingungen schafft, soweit deren Arbeitsvertragsbedingungen sozial nicht hinnehmbar sind und ein existenter Tarifvertrag diesen sozialen Missstand mangels Tarifbindung der Betroffenen nicht auffangen kann. Lediglich in diesem Fall kommt ein Zurücktreten der Grundrechte der nichtorganisierten Arbeitgeber aus Art. 12 Abs. 1, 2 Abs. 1 , 9 Abs. 3 GG gegenüber den entsprechenden staatlichen Schutzpflichten in Betracht.305 Nur dann verhilft die Allgemeinverbindlichkeit als „ein Instrument, das die von Art. 9 Abs. 3 GG intendierte autonome Ordnung des Arbeitslebens durch die Koalitionen abstützen soll, (. . .) den Normen der Tarifverträge zu größerer Durchsetzungskraft“.306 Dieser soziale Schutzzweck der staatlichen Allgemeinverbindlicherklärung entspricht im Übrigen dem Arbeitnehmerschutzprinzip des Tarifvertragssystems, das mit Hilfe des Gegenmachtmodells eine einseitige Festlegung von Arbeitsvertragsbedingungen durch den Arbeitgeber verhindern will. Weder ein Tarifvertrag noch dessen Allgemeinverbindlicherklärung sind primär auf eine Wettbewerbsbeschränkung ausgerichtet, ihnen kommt keine Kartellfunktion, sondern lediglich eine Kartellwirkung zu. Die Definition des „öffentlichen Interesses“ iSd. § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 TVG orientiert sich an dieser Zwecksetzung einer zwingenden Tarifnormerstreckung. Verfolgen nämlich die Tarifparteien mit ihrem Tarifvertrag einen an303 BAG (GS), Beschl. v. 28.1.1955 – GS 1/54 –, BAGE 1, 291 (308 f.); Scholz in: Maunz/Dürig, GG, Art. 9 Rn. 283. 304 BAG, Urt. v. 24.1.1979 – 4 AZR 377/77 –, AP Nr. 16 zu § 5 TVG; BGH, Urt. v. 3.12.1992 – I ZR 276/90 –, AP Nr. 10 zu § 1 UnlWG; Löwisch/Rieble in: MünchArbR, § 268 Rn. 1 ff.; dies., TVG, § 5 Rn. 5, 7; Wank in: Wiedemann, TVG, § 5 Rn. 2, 5; insofern ist zwischen einer intendierten, wettbewerbslenkenden Funktion einerseits und Wettbewerbsbeschränkungen als bloß mittelbare Folgen einer Allgemeinverbindlicherklärung andererseits zu differenzieren. 305 Dass ein für allgemeinverbindlich erklärter Tarifvertrag als gegenüber Außenseitern eindeutig staatlicher Akt einer unmittelbaren Grundrechtsbindung unterliegt, ist allgemein anerkannt (BVerfG, Beschl. v. 15.7.1980 – 1 BvR 24/74 u. 1 BvR 439/79 –, AP Nr. 17 zu § 5 TVG; Lakies in: Däubler, TVG, § 5 Rn. 41 und bedarf daher keiner weiteren Diskussion. 306 BVerfG, Beschl. v. 24.5.1977 – 2 BvL 11/74 –, AP Nr. 15 zu § 5 TVG unter B. II. 1. b) aa).
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erkannten Zweck, so kann von einem öffentlichen Interesse an dessen Allgemeinverbindlicherklärung ausgegangen werden.307 Das Kriterium des „öffentlichen Interesses“ dient damit als Rechtfertigung eines durch die zwingende Tarifnormerstreckung erfolgenden Eingriffs des Staates in die Grundrechte der Außenseiter. Aufgrund einer Abwägung müssen die schutzzweckbezogenen Vorteile der Allgemeinverbindlicherklärung deren Nachteile – wie die Beeinträchtigung des öffentlichen Interesses an möglichst freiem Wettbewerb, der privatautonomen Gestaltungsfreiheit der nunmehr Tarifunterworfenen oder deren negativer Koalitionsfreiheit – überwiegen. So stellt der bloße Wunsch der Tarifpartner nach einer Unterbindung von Lohndrückerei und Schmutzkonkurrenz per se kein taugliches öffentliches Interesse dar, auch kann die Allgemeinverbindlicherklärung nicht mit Wettbewerbserwägungen der Unternehmer untereinander begründet werden.308 Ebenso wenig vermag eine staatliche Schutzpflicht gegenüber der Tarifautonomie ein öffentliches Interesse begründen309, wenn diese Schutzpflicht nicht auf die Erlangung sozial verträglicher Mindestarbeitsbedingungen gerichtet ist. b) Faktische Kartellwirkung von Tarifverträgen Auch wenn ein Arbeitsverhältnis keiner normativen Tarifwirkung unterliegt und die Parteien damit theoretisch bei ihrer autonomen Vertragsgestaltung innerhalb des gesetzlichen Rahmens frei sind, kann eine gesetzlich angeordnete Orientierung des Arbeitsvertragsinhaltes an Tarifverträgen dennoch zu einer faktischen Kartellwirkung dieser Tarifverträge führen. Hier wird die Brücke von Tarifverträgen zu eigentlich tarifungebundenen Arbeitsverhältnissen über einen ausdrücklichen oder zumindest impliziten Geltungsbefehl des Gesetzgebers geschlagen, der im Kontext der vorliegenden Untersuchung insbesondere hinsichtlich des Marktwertes der Arbeitsleistung, der Angemessenheit allgemeiner Geschäftsbedingungen und vergaberechtlicher Tariftreueerklärungen erörterungswürdig ist. Sofern der entsprechenden Gesetzesnorm tatsächlich ein solcher Geltungsbefehl zu entnehmen ist, wird der Tarifinhalt dadurch zu staatlichen Mindestarbeitsbedingungen, die als Einschränkungen der Vertragsfreiheit einen erhöhten Rechtfertigungsbedarf auslösen und sich faktisch wettbewerbsbe-
307 BVerwG, Urt. v. 3.11.1988 – BVerwG C 115.86 –, AP Nr. 23 zu § 5 TVG; darüber hinaus bejaht die Rechtsprechung ein öffentliches Interesse, wenn mit dem Tarifvertrag ein anerkanntes Interesse des Gesetzgebers nachvollzogen wird oder gar wenn sich eine entsprechende tarifliche Regelung lediglich bereits praktisch bewährt hat, BAG, Urt. v. 28.3.1990 – 4 AZR 536/89 –, AP Nr. 25 zu § 5 TVG. 308 s. o.; BAG, Urt. v. 24.1.1979 – 4 AZR 377/77 –, AP Nr. 16 zu § 5 TVG. 309 So aber Kempen in: Kempen/Zachert, TVG, § 5 Rn. 15; BVerwG, Urt. v. 3.11.1988 – BVerwG 7 C 115.86 –, AP Nr. 23 zu § 5 TVG.
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schränkend auf Arbeitsverhältnisse auswirken, die der von den Tarifparteien intendierten Kartellwirkung eigentlich gar nicht unterliegen. aa) Steuerung des Marktwertes der Arbeitsleistung Auch wenn ein Arbeitsverhältnis nicht zwingend durch einen Tarifvertrag geregelt wird, kann der Inhalt eines theoretisch einschlägigen Tarifvertrages in Zweifelsfällen zur Ermittlung des Arbeitsvertragsinhaltes sowie zur Überprüfung von dessen Angemessenheit herangezogen werden. (1) „Übliche“ bzw. „dem Ortsgebrauch entsprechende“ Vergütung iSd. §§ 612 Abs. 2 BGB, 59 HGB In Fällen, in denen das „ob“ einer arbeitsvertraglichen Gehaltszahlungspflicht zwar feststeht, nicht jedoch deren genaue Höhe, ist im Wege der Vertragsauslegung gem. § 612 Abs. 2 BGB die „übliche Vergütung“ und nach § 59 Satz 1 HGB die „dem Ortsgebrauch entsprechende Vergütung“ zu ermitteln.310 Die in § 59 HGB als kaufmännischem Sonderarbeitsrecht für Handlungsgehilfen enthaltenen Auslegungskriterien entsprechen der „üblichen Vergütung“ iSd. § 612 Abs. 2 BGB, da in beiden Fällen auf die geltenden Gepflogenheiten des Leistungsortes abgestellt wird.311 Üblich iSd. § 612 Abs. 2 BGB und dem Ortsgebrauch entsprechend iSd. § 59 HGB ist die in gleichen oder ähnlichen Gewerben oder Berufen am gleichen Ort für vergleichbare Tätigkeiten unter Berücksichtigung der persönlichen Verhältnisse des Berechtigten gezahlte Vergütung.312 Allgemein wird dasjenige Tarifgehalt als „üblich“ bzw. „dem Ortsgebrauch entsprechend“ angesehen, das im Falle einer Tarifbindung der Arbeitsvertragsparteien räumlich und fachlich gelten würde.313 Nur wenn ein solcher Tarifvertrag nicht existiere, seien anderweitige Umstände heranzuziehen, z. B. statistisch ermittelte Durchschnittslöhne314, bevor auf eine einseitige Leistungsbestimmung 310
Vgl. hierzu auch oben unter Teil 1 § 1 A. II. 1. b) bb) (3). Schaub in: ErfKomm, § 59 HGB Rn. 5; v. Hoyningen-Huene in MüKo zum HGB, § 59 Rn. 319; Hopt in: Baumbach/Hopt, HGB, § 59 Rn. 56. 312 Preis in: ErfKomm, § 612 BGB Rn. 37; Schaub in: MüKo, BGB, § 612 Rn. 204; v. Hoyningen-Huene in MüKo zum HGB, § 59 Rn. 320. 313 Putzo in: Palandt, BGB, § 612 Rn. 9; Schaub in: MüKo, BGB, § 612 Rn. 206; BAG, Urt. v. 24.6.1965 – 5 AZR 443/64 –, AP Nr. 23 zu § 612 BGB; ArbG Essen, Urt. v. 1.2.1977 – 6 Ca 3134/76 –, BB 1978, 255; LAG Düsseldorf, Urt. v. 23.8.1977 – 11 Sa 466/77 –, DB 1978, 165; LAG Bremen, Urt. v. 3.12.1992 – 3 Sa 304/90 –, AiB 1993, 834; BAG, Urt. v. 26.5.1993 – 4 AZR 461/92 –, AP Nr. 2 zu § 612 BGB Diskriminierung; BAG, Urt. v. 14.6.1994 – 9 AZR 89/93 –, AP Nr. 2 zu § 3 TVG Verbandsaustritt; BAG, Urt. v. 28.9.1994 – 4 AZR 619/93 –, AP Nr. 38 zu § 2 BeschFG 1985; v. Hoyningen-Huene in MüKo zum HGB, § 59 Rn. 320. 311
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iSd. §§ 315, 316 BGB zurückgegriffen wird. Jedoch vermag weder eine solche automatische Gleichsetzung der „(orts-)üblichen Vergütung“ mit dem Tarifgehalt noch eine tariforientierte Üblichkeitsvermutung den Besonderheiten des Einzelfalls gerecht zu werden, dessen konkretes Umfeld § 612 Abs. 2 BGB und auch § 59 HGB zur Grundlage ihrer Üblichkeitsprüfung machen. Auch würden derartige Automatismen und Vermutungen das Fehlen der Tarifgebundenheit ersetzen und dadurch die Grenzen der Tarifwirkung beseitigen, was zur Folge hätte, dass Arbeitsvertragsparteien ohne besondere Rechtfertigung der Tarifnormwirkung faktisch unterworfen wären. Es ist daher jeder Einzelfall auf besondere Anhaltspunkte zu überprüfen, die es rechtfertigen, im Tariflohn die übliche Vergütung zu erblicken315, z. B. die ständige tatsächliche Zahlung von Tarifgehältern an alle Beschäftigten unabhängig von einer Tarifbindung der Arbeitnehmer oder gar beider Arbeitsvertragsparteien. Unabhängig vom konkreten Verhalten des Arbeitgebers im Einzelfall kann auch in bestimmten Branchen und Gebieten das Tarifentgelt für üblich angesehen werden, in denen nahezu ausschließlich nach dem geltenden Tarifvertrag vergütet wird, so dass mit einer abweichenden Praxis nicht gerechnet zu werden braucht.316 Aufgrund der konkreten, vom beweispflichtigen Arbeitnehmer darzulegenden Umstände des Einzelfalls kann sich daher das Tarifgehalt, ebenso gut aber auch eine höhere oder niedrigere Vergütung als üblich iSd. §§ 612 Abs. 2 BGB, 59 HGB erweisen.317 (2) „Angemessene Ausbildungsvergütung“ iSd. § 10 BBiG Der Auszubildende hat gem. § 10 Abs. 1 Satz 1 BBiG einen unabdingbaren Anspruch auf eine „angemessene Vergütung“, die sowohl als Unterhaltsbeitrag zur Finanzierung der Berufsausbildung als auch als Entgelt für geleistete Arbeit anzusehen ist.318 Während die „Ortsüblichkeit“ iSd. §§ 612 Abs. 2 BGB, 59 HGB ein Auslegungskriterium bei fehlender Klarheit oder Wirksamkeit der Vergütungsvereinbarung darstellt, begrenzt der Begriff der „Angemessenheit“ von vornherein den Spielraum der Parteien des Berufsausbildungsverhältnisses 314
LAG Bremen, Urt. v. 3.12.1992 – 3 Sa 304/90 –, AiB 1993, 834. Richardi in: Staudinger, BGB, § 612 Rn. 46; Raab in: Soergel, BGB, § 612 Rn. 38; Gumpert, Anm. zu ArbG Essen, Urt. v. 1.2.1977 – 6 Ca 3134/76 –, BB 1978, 256; BAG, Urt. v. 16.6.1993 – 4 AZR 317/92 –, AP Nr. 26 zu § 2 BeschFG 1985; BAG, Urt. v. 21.1.1998 – 5 AZR 50/97 –, AP Nr. 55 zu § 612 BGB; Hopt in: Baumbach/Hopt, HGB, § 59 Rn. 56. 316 So im öffentlichen Dienst, vgl. BAG, Urt. v. 27.10.1960 – 5 AZR 427/59 –, AP Nr. 21 zu § 611 BGB Ärzte, Gehaltsansprüche; BAG, Urt. v. 25.1.1989 – 5 AZR 161/ 88 –, AP Nr. 2 zu § 2 BeschFG 1985; BAG, Urt. v. 26.9.1990 – 5 AZR 112/90 –, AP Nr. 9 zu § 2 BeschFG 1985; BAG, Urt. v. 21.11.1991 – 6 AZR 551/89 –, AP Nr. 2 zu § 34 BAT. 317 Vgl. BAG, Urt. v. 21.1.1998 – 5 AZR 50/97 –, AP Nr. 55 zu § 612 BGB. 318 Schlachter in: ErfKomm, § 10 BBiG Rn. 2. 315
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bei der Vertragsgestaltung und -auslegung. Als unbestimmter Rechtsbegriff ergibt sich die „Angemessenheit“ aus einem verhältnismäßigen Ausgleich zwischen den Aufwendungen beider Parteien für die Durchführung des Ausbildungsverhältnisses und orientiert sich damit deutlich stärker am Prinzip der Vertragsgerechtigkeit als die eher tatsachenfixierte Ortsüblichkeit, so dass hier eine Koppelung an den Tariflohn trotz fehlender Tarifbindung vergleichsweise naheliegender erscheint. So ist bei beidseitiger Tarifbindung der Parteien des Ausbildungsverhältnisses eine einschlägige tarifliche Ausbildungsvergütung stets als „angemessen“ iSd. § 10 BBiG zu bezeichnen, da die tariflichen Vergütungssätze zwischen den Tarifpartnern unter hinreichender Berücksichtigung der Interessen beider Seiten ausgehandelt worden sind.319 Dies soll allerdings auch bei bloß einseitiger Tarifbindung des Arbeitgebers für die nicht tarifgebundenen Auszubildenden gelten.320 Darüber hinaus wird sogar im Falle gänzlicher Tariflosigkeit des Ausbildungsverhältnisses eine Heranziehung einschlägiger tariflicher Sätze befürwortet, die sodann stets als angemessen anzusehen seien.321 Die Grenze der Angemessenheit ist nach der Rechtsprechung dann noch gewahrt, wenn eine die tarifliche Ausbildungsvergütung maximal bis zu 20 % unterschreitende Ausbildungsvergütung vereinbart wird.322 Eine vom Erfordernis der Tarifbindung losgelöste automatische Gleichsetzung des einschlägigen Tariflohns mit der angemessenen Vergütung iSd. § 10 BBiG würde jedoch dazu führen, tarifliche Regelungen auch für diejenigen Arbeitsvertragsparteien als unabdingbar zu werten, die nicht tarifgebunden sind323, wodurch die Grenzen der Tarifwirkung beseitigt und in den Schutzbereich der negativen Koalitionsfreiheit eingegriffen würde.324 Daher kann bei fehlender tariflicher Rechtsnormwirkung eine angemessene Ausbildungsvergütung nur unter Abwägung der Interessenlage beider 319
BAG, Urt. v. 25.4.1984 – 5 AZR 540/82 –, EzB Nr. 45 zu § 10 Abs. 1 BBiG. Knopp/Kraegeloh, BBiG, § 10 BBiG Rn. 2. 321 Wohlgemuth, BBiG, § 10 Rn. 5; unklar, ob eine Tarifbindung auch nur einer der Ausbildungsvertragsparteien für erforderlich gehalten wird BAG, Urt. v. 18.6.1980 – 4 AZR 545/78 –, AP Nr. 4 zu § 611 BGB Ausbildungsverhältnis; ebenso BAG, Urt. v. 7.3.1990 – 5 AZR 217/89 –, AP Nr. 28 zu § 611 BGB Ausbildungsverhältnis. 322 BAG, Urt. v. 10.4.1991 – 5 AZR 226/90 –, AP Nr. 3 zu § 10 BBiG; deutlich weiter nach unten wird diese Grenze im Falle einer Förderung der Ausbildung durch die öffentlichen Hand gezogen, BAG, Urt. v. 11.10.1995 – 5 AZR 258/94 –, AP Nr. 6 zu § 10 BBiG; LAG Brandenburg, Urt. v. 2.7.1999 – 4 Sa 129/99 –, ArbuR 2001, 229; gänzlich ausgeschlossen kann ein Anspruch auf Ausbildungsvergütung in einem ausschließlich öffentlich finanzierten Ausbildungsverhältnis sein, wenn und soweit die Ausbildungsvergütung vertraglich an Leistungen der Bundesanstalt für Arbeit gebunden ist und ein sozialrechtlicher Anspruch des Auszubildenden auf Übergangs- oder Ausbildungsgeld nicht besteht, vgl. BAG, Urt. v. 15.11.2000 – 5 AZR 296/99 –, NZA 2001, 1248. 323 BAG, Urt. v. 10.4.1991 – 5 AZR 226/90 –, AP Nr. 3 zu § 10 BBiG; Opolony, BB 2000, 510. 324 s. o. unter Teil 1 § 1 B. I. 2. a) cc) (2). 320
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Vertragsparteien und unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalles ermittelt werden.325 Maßgeblich ist in jedem Einzelfall der Zweck der Vergütung und die Verkehrsanschauung, wobei einschlägige Tarifverträge zwar einen wichtigen Anhaltspunkt darstellen, mangels tatsächlicher Tarifbindung für einen angemessenen Ausgleich der im konkreten Einzelfall beteiligten Interessen aber keine Richtigkeitsgewähr mit einer Gewichtung bieten können, die einen Gleichsetzungsautomatismus rechtfertigen könnte.326 Allerdings sind bei einer einseitigen Tarifbindung des Arbeitgebers zumindest dessen Interessen in den Tarifvertrag eingeflossen, so dass in diesem Fall eine vom Arbeitgeber als Anspruchsgegner zu widerlegende Vermutung der Angemessenheit der einschlägigen tariflichen Ausbildungsvergütung besteht. Hat sich aber keine Partei des Ausbildungsverhältnisses der Geltung eines Tarifvertrages unterworfen, so bewirkt erst eine Unterschreitung des tariflichen Vergütungsniveaus um mehr als 20 % eine solche Vermutung, vorausgesetzt, die jeweiligen Besonderheiten des konkreten Einzelfalls belegen die vom Auszubildenden als Anspruchsteller nachzuweisende Einschlägigkeit dieses Tarifvertrages einschließlich der Verkehrsüblichkeit seiner Regelungen. (3) „Unzulängliche Vertragsbedingungen“ iSd. § 19 HAG In Heimarbeit Beschäftigte sind zwar mangels persönlicher Weisungsabhängigkeit keine Arbeitnehmer i. e. S., aufgrund ihrer wirtschaftlichen Abhängigkeit von ihren Auftraggebern Arbeitnehmern jedoch sehr ähnlich.327 So ermöglicht § 17 HAG trotzdem den Abschluss normativ wirkender Tarifverträge zur Regelung von Vertragsbedingungen zwischen Gewerkschaften und Auftraggebern bzw. deren Vereinigungen. Im Übrigen können Heimarbeitsausschüsse bei unzulänglichen Vertragsbedingungen zum Schutz der Heimarbeiter und Hausgewerbetreibenden iSd. § 1 Abs. 1 HAG gem. § 19 HAG Entgelte und sonstige Vertragsbedingungen mit bindender Wirkung für alle Beteiligten festsetzen, wenn Gewerkschaften und Vereinigungen der Auftraggeber für den Zuständigkeitsbereich des Heimarbeitsausschusses entweder nicht bestehen oder nur eine Minderheit der Auftraggeber und Beschäftigten umfassen. Derartige, von dem aus Vertretern der Auftraggeber und der Beschäftigten paritätisch zusammengesetzten Heimarbeitsausschuss beschlossene Festsetzungen iSd. § 19 HAG bedürfen der vorherigen Anhörung der Beteiligten sowie der Zustimmung und Veröffentlichung durch die Arbeitsbehörde. Die auf diese Weise staatlich festgesetzten Mindestarbeitsbedingungen haben gem. §§ 19 Abs. 3 Satz 1 HAG, 22 Abs. 2 325
BAG, Urt. v. 22.4.1987 – 5 AZR 72/86 –, EzB Nr. 49 zu § 10 Abs. 1 BBiG. So aber BAG, Urt. v. 11.10.1995 – 5 AZR 258/94 –, AP Nr. 6 zu § 10 BBiG; wie hier Natzel, DB 1992, 1521. 327 BAG, Urt. v. 3.7.1980 – 3 AZR 1077/78 –, EzA § 613a BGB Nr. 29; vgl. auch Gleichstellung durch Fiktion des § 5 Abs. 1 ArbGG. 326
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Satz 1 HAG als Rechtsetzungsakt die normative Wirkung einer Allgemeinverbindlicherklärung iSd. § 5 TVG, wobei deren wettbewerbsbeschränkende Kartellwirkung noch dadurch verstärkt wird, dass § 25 HAG den Ländern eine besondere Klagebefugnis zur Geltendmachung der festgesetzten Löhne einräumt. Nach dem BVerfG sind bindende Festsetzungen iSd. § 19 HAG verfassungsmäßig und stützen sich – wie Tarifverträge – auf Art. 9 Abs. 3 TVG. Wie Allgemeinverbindlicherklärungen seien sie als Rechtsetzungsakt sui generis zwischen autonomer Regelung und staatlicher Rechtssetzung zu qualifizieren.328 Im Unterschied zu allgemeinverbindlichen Tarifverträgen liegt der Festsetzung iSd. § 19 HAG allerdings kein zwischen zwei Tarifpartnern ausgehandelter Vertrag zugrunde, dessen bereits existente, mitgliedschaftlich legitimierte normative Wirkung durch Allgemeinverbindlicherklärung auf Tarifungebundene „lediglich“ erstreckt würde, sondern hier entsteht eine normative Bindung von vornherein erstmals mit der staatlichen Festsetzung und von Anfang an für einen zahlenmäßig unbestimmten Kreis normunterworfener Beschäftigter. Diese Festsetzung beruht auf einer Entscheidung des vom Staat errichteten Heimarbeitsausschusses, die zwar einen Konsens der beiden gegensätzlichen Interessengruppen beinhalten mag, vom Gesetz aber zutreffend nicht „Vertrag“ genannt wird, keinen schuldrechtlichen Teil enthält und zudem nicht die für den Tarifvertrag wesentliche mitgliedschaftliche Legitimation aufweist.329 Dementsprechend normiert das Gesetz einen Vorrang von Tarifverträgen vor bindenden Festsetzungen: Gem. § 19 Abs. 1 Satz 3 HAG sollen in einer bindenden Festsetzung keine für die Beschäftigten vergleichsweise günstigeren Vertragsbedingungen festgelegt werden, wenn bereits ein Tarifvertrag zwischen Gewerkschaften und Auftraggebern existiert, und gem. § 19 Abs. 1 Satz 1 HAG dürfen Festsetzungen nur dann erfolgen, wenn Gewerkschaften oder Auftraggebervereinigungen nicht bestehen oder nur eine Minderheit der Beteiligten erfassen. Auch in Anbetracht des der Arbeitsbehörde eingeräumten potentiellen Einflusses auf den Inhalt der Arbeitsbedingungen in § 19 Abs. 2 Satz 4 HAG stellt sich die Festsetzung iSd. § 19 HAG entgegen der Auffassung des BVerfG nicht als Rechtsetzungsakt „eigener Art zwischen autonomer Regelung und staatlicher Rechtssetzung“330, sondern als staatliches Rechtsetzungsverfahren dar, das mit den allgemeinen Besonderheiten der Heimarbeit, nämlich ihrer unübersichtlichen Struktur und ihrer starken Abhängigkeit von Konjunkturschwankungen, einem besonders schwachen Organisationsgrad der Auftraggeber und der in
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BVerfG, Beschl. v. 27.2.1973 – 2 BvL 27/69 –, AP Nr. 7 zu § 19 HAG. Insofern sprechen Schmidt/Koberski/Tiemann/Wascher verfehlt von Heimarbeitsausschüssen als „Ersatz“ für die Tarifvertragsparteien, HAG, § 19 Rn. 8; eher zutreffend die Bezeichnung von Ausschussmitgliedern als „rudimentäre Tarifparteien“ durch das BVerfG im Beschl. v. 27.2.1973 – 2 BvL 27/69 –, AP Nr. 7 zu § 19 HAG. 330 BVerfG, Beschl. v. 27.2.1973 – 2 BvL 27/69 –, AP Nr. 7 zu § 19 HAG. 329
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Heimarbeit Beschäftigten sowie der erhöhten sozialen Schutzbedürftigkeit letzterer begründet wird.331 In Ermangelung einer auch nur ansatzweise vorhandenen mitgliedschaftlichen Legitimation der Normunterworfenheit bedarf die wettbewerbs- und vertragsfreiheitsbeschränkende Festsetzung iSd. § 19 HAG einer stärkeren Rechtfertigung als die Allgemeinverbindlicherklärung eines Tarifvertrages. Diese Rechtfertigung erfolgt über das Tatbestandsmerkmal ansonsten „unzulänglicher Vertragsbedingungen“. Die Ermittlung der Un- bzw. Zulänglichkeit erfolgt gem. § 19 Abs. 1 Satz 2 HAG über einen Vergleich mit tariflichen, hilfsweise ortsüblichen Arbeitsbedingungen. Existiert ein Tarifvertrag für in Heimarbeit Beschäftigte, so sind die vom Heimarbeitsausschuss festzusetzenden Arbeitsbedingungen an diesem Tarifvertrag auszurichten. Als unzulänglich sind nach der Legaldefinition des § 19 Abs. 1 Satz 2 HAG insbesondere Entgelte und sonstige Vertragsbedingungen anzusehen, die unter Berücksichtigung der sozialen und wirtschaftlichen Eigenart der Heimarbeit unter den tarifvertraglichen Löhnen oder sonstigen durch Tarifvertrag festgelegten Arbeitsbedingungen für gleich(wertig)e Betriebsarbeit liegen. Erst wenn es an einer vergleichbaren tariflichen Regelung fehlen sollte, sind die ortsüblichen und durchschnittlichen Arbeitsbedingungen als Vergleichsgegenstand heranzuziehen.332 Hilfsweise sind Arbeitsbedingungen dann als unzulänglich anzusehen, wenn sie sozial für die in Heimarbeit Beschäftigten untragbar sind.333 Indem Tarifverträge beim staatlichen Festsetzungsverfahren von Mindestarbeitsbedingungen sowohl dessen Erforderlichkeit als auch den konkreten Festsetzungsinhalt bestimmen, verstärkt § 19 HAG deren faktische Kartellwirkung auf Rechtsverhältnisse, die einer tariflichen Bindung eigentlich weder kollektivnoch individualvertraglich unterliegen, und bestimmt so den Marktwert der Arbeitsleistung nach dem Tarifvertragsinhalt. (4) Lohnwucher iSd. §§ 138 BGB, 291 StGB Als Wucher beschreiben §§ 138 Abs. 2 BGB, 291 Abs. 1 Satz 1 StGB die Ausbeutung der Zwangslage eines anderen, wenn für eine Leistung Vermögensvorteile versprochen oder gewährt werden, die in einem auffälligen Missverhältnis zur Leistung stehen. Gem. § 138 Abs. 2 BGB bzw. § 134 BGB iVm. § 291 Abs. 1 StGB sind derartige Rechtsgeschäfte nichtig, also auch entsprechende individualarbeitsvertragliche Lohnabsprachen.334 Ein im Einzelfall auffälliges 331
Vgl. Regierungsentwurf vom 15.9.1950, BT-Dr. 1357/1949, 17, 26. Fenski, Außerbetriebliche Arbeitsverhältnisse, Rn. 169. 333 Schmidt/Koberski/Tiemann/Wascher, HAG, § 19 Rn. 29. 334 § 36 Abs. 1 SGB III verstärkt diesen Schutz, indem ein gegen Gesetze oder die guten Sitten verstoßendes Arbeitsverhältnis vom Arbeitsamt nicht vermittelt werden 332
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Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung lässt sich in marktwirtschaftlichen Systemen nur durch Ermittlung des objektiven Wertes335 der Arbeitsleistung feststellen. Der objektive Wert einer Leistung bestimmt sich nach dem Preis, der für die zu bewertende Leistung üblicherweise auf dem Markt erzielt wird.336 Weit verbreitet wird dieser objektive Marktwert ohne weitere Prüfung dem in der jeweiligen Branche einschlägigen Tarifvertrag entnommen337, in Ermangelung einschlägiger Tarifverträge erstreckt sich der Vergleich auf verwandte Tarifverträge.338 Vereinzelt wird dieser Vergleichsmaßstab auf das allgemeine Lohnniveau eines Wirtschaftsgebietes erweitert.339 Eine automatische Gleichsetzung des marktüblichen Gehaltes mit Tariflöhnen würde letztlich aber zu einem gerichtlich angeordneten Tarifzwang führen und wäre mit geltendem Tarifrecht nicht zu vereinbaren. Denn mangels Tarifbindung oder individualvertraglicher Inbezugnahme eines Tarifvertrages sind die Arbeitsvertragsparteien in ihrer Vertragsgestaltung frei, ohne dass eine Tariflohnunterschreitung als solche bereits ein sittenwidriges Missverhältnis iSd. § 138 BGB darstellen würde.340 Die in einem branchenmäßig einschlägigen Tarifvertrag festgelegten Tarifgehälter können aufgrund ihrer tatsächlichen Verbreitung marktüblich sein, müssen es aber nicht. Zwar ist bei einseitiger Tarifbindung des Arbeitgebers eine Orientierung am einschlägigen Tarifvertrag eher zu rechtfertigen als im Falle beidseitiger Tarifungebundenheit. Nichtsdestotrotz verlangt der Begriff der Marktüblichkeit als objektiver Vergleichsmaßstab eine genaue darf. Darüber hinaus kann das Arbeitsamt gem. § 39 Abs. 2 Satz 1 SGB III die Vermittlung wegen Unzumutbarkeit der Arbeitsbedingungen des Stellenangebotes einstellen, wenn sie gegenüber denen vergleichbarer Arbeitsplätze erheblich ungünstiger sind. Eine sehr viel ausdrücklichere Anbindung an Tarifbedingungen enthielt § 16 AFG a. F., demzufolge das Arbeitsamt am Zustandekommen von Arbeitsverträgen zu tarifwidrigen Bedingungen nicht mitwirken sollte, wenn ihm die Tarifwidrigkeit der Arbeitsbedingungen und die Tarifgebundenheit der Tarifvertragsparteien bekannt war. 335 BGH, Urt. v. 4.12.1953 – V ZR 108/52 –, LM Nr. 1 zu § 138 (Ba); BGH, Urt. v. 2.5.1969 – V ZR 32/66 –, WM 1969, 836; Hefermehl in: Soergel, BGB, § 138 Rn. 74. 336 Marktüblicher Preis, Verkehrswert, vgl. BGH, Urt. v. 22.1.1976 – II ZR 90/75, DB 1976, 573; BGH, Urt. v. 16.2.1994 – IV ZR 35/93, BGHZ 125, 135. 337 BGH, Urt. v. 22.4.1997 – 1 StR 701/96 –, AP Nr. 52 zu § 138 BGB; BAG; Urt. v. 4.2.1981 – 4 AZR 967/78 –, AP Nr. 45 zu § 242 BGB Gleichbehandlung; LAG Berlin, Urt. v. 17.7.1961 – 1 Sa 8/61 –, DB 1961, 1458; LAG Köln, Urt. v. 5.2.1986 – 5 Sa 1086/85 –, LAGE § 2 BeschFG Nr. 1; ArbG Hagen, Urt. v. 24.6.1987 – 3 Ca 163/87 –, NZA 1987, 610; ArbG Wesel, Urt. v. 3.5.1995 – 3 Ca 3619/94 –, AiB 1996, 126; Hanau in: Erman, BGB, § 612 Rn. 22. 338 Preis in: ErfKomm, § 612 Rn. 3. 339 BAG, Urt. v. 11.1.1973 – 5 AZR 322/72 –, AP Nr. 30 zu § 138 BGB; ArbG Essen, Urt. v. 1.2.1977 – 6 Ca 3134/76 –, BB 1978, 255; LAG Berlin, Urt. v. 20.2.1998 – 6 Sa 145/97 –, LAGE § 138 BGB Nr. 11; ArbG Bremen, Urt. v. 30.8.2000 – 5 Ca 5152, 5198/00 –, NZA-RR 2001, 27; BAG, Urt. v. 23.5.2001 – 5 AZR 527/99 –, ArbuR 2001, 509. 340 BAG, Urt. v. 10.12.1958 – 4 AZR 528/55 –, BAGE 7, 125.
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Ermittlung des im konkreten Wirtschaftsgebiet tatsächlich für eine vergleichbare Tätigkeit durchschnittlich gezahlten Lohnniveaus.341 Ob ein Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung besteht und ob dieses auffällig ist, muss daher anhand einer Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalles festgestellt werden.342 Individuelle Unterschreitungen des marktüblichen Lohnniveaus werden erst dann zum „auffälligen Missverhältnis“, wenn die Grenzen des noch Hinnehmbaren nach dem Rechtsgefühl „aller billig und gerecht Denkenden“ überschritten sind und eine Verengung marktwirtschaftlicher Spielräume durch die Begrenzung der freien Preisbildung zum Schutz einer Vertragspartei zwingend erforderlich wird. Die Disparität von Leistung und Gegenleistung kann entweder in einem völlig überhöhten oder in einem unvertretbar niedrigen Preis sichtbar werden. Nach der vom BGH entwickelten sog. Grenze des Doppelten ist ein Missverhältnis auffällig, wenn die vom Schuldner zu erbringende Leistung um 100 % oder mehr über dem Marktpreis liegt.343 Übertragen auf den Fall des Lohnwuchers wird ein auffälliges Missverhältnis jedenfalls dann zu bejahen sein, wenn der vereinbarte Lohn den marktüblichen Lohn um 50 % und mehr unterschreitet.344 Mit der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung ist die Spanne zulässiger Unterschreitungen unter Berücksichtigung der Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalles auf einen Richtwert von einem Drittel des marktüblichen Lohnes zu reduzieren, ab dessen Überschreitung ein auffälliges Missverhältnis iSd. § 138 BGB zu bejahen ist.345
341
So auch Sack in: Staudinger, BGB, § 138 Rn. 179, 388. Palm in: Erman, BGB, § 138, Rn. 16; vgl. auch LAG Bremen, Urt. v. 27.9.1974 – 1 Sa 60–61/74 –, AP Nr. 33 zu § 138 BGB; LAG Köln, Urt. v. 5.2.1986 – 5 Sa 1086/85 –, LAGE § 2 BeschFG Nr. 1; ArbG Reutlingen, Urt. v. 16.1.1996 – 1 Ca 610/94 –, AiB 1996, 499. 343 BGH, Beschl. v. 13.7.1989 – III ZR 201/88 –, NJW-RR 1989, 1068. 344 „Als Faustregel gilt, dass ein auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung besteht, sobald der Wert einer vertraglich vereinbarten Leistung und deren marktüblicher Wert im Verhältnis von 1 zu 2 und mehr stehen.“, Sack in: Staudinger, BGB, § 138 Rn. 179. 345 BGH, Urt. v. 22.4.1997 – 1 StR 701/96 –, AP Nr. 52 zu § 138 StGB; BAG, Urt. v. 4.2.1981 – 4 AZR 967/78 –, AP Nr. 45 zu § 242 BGB Gleichbehandlung; BAG, Urt. v. 23.5.2001 – 5 AZR 527/99 –, ArbuR 2001, 509; LAG Köln, Urt. v. 5.2.1986 – 5 Sa 1086/85 –, LAGE § 2 BeschFG Nr. 1; ArbG Hagen, Urt. v. 24.6.1987 – 3 Ca 163/87 –, NZA 1987, 610; ArbG Reutlingen, Urt. v. 16.1.1996 – 1 Ca 610/94 –, AiB 1996, 499; vgl. auch ArbG Essen, Urt. v. 1.2.1977 – 6 Ca 3134/76 –, BB 1978, 255 (Tarifunterschreitung um 37 %); ArbG Wesel, Urt. v. 3.5.1995 – 3 Ca 3619/ 94 –, AiB 1996, 126 (Tarifunterschreitung um mehr als 50 %); LAG Berlin, Urt. v. 20.2.1998 – 6 Sa 145/97 –, LAGE § 138 BGB Nr. 11 (Tarifunterschreitung um mehr als 58 %). 342
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bb) Inhaltskontrolle allgemeiner Geschäftsbedingungen Abreden über das von einem Vertragspartner zu leistende wirtschaftliche Gut, über den Preis und das Verhältnis der Leistungen zueinander gehören zum Kernbereich privatautonomer Vertragsgestaltung. Zu deren Schutz nimmt § 307 Abs. 3 BGB allgemeine Geschäftsbedingungen von der Inhaltskontrolle aus, die sich auf Preis- und Leistungsangebote beziehen und damit keine von Rechtsvorschriften abweichende Regelungen enthalten.346 Damit entfällt grundsätzlich eine richterliche Preiskontrolle arbeitsvertraglicher Entgeltfestsetzungen und sonstiger Preisabsprachen, soweit sie Art und Umfang der Vergütung unmittelbar regeln.347 Jedoch könnte die Schuldrechtsreform 2001 durch die Erstreckung der Anwendung des Rechts der allgemeinen Geschäftsbedingungen auch auf Arbeitsverträge die faktische Kartellwirkung u. a. von Entgelttarifverträgen trotz fehlender Tarifbindung erweitert haben. Denn gem. § 307 Abs. 3 Satz 1 iVm. § 310 Abs. 4 Satz 3 BGB unterliegen nun allgemeine Geschäftsbedingungen eines Arbeitsvertrages insoweit der richterlichen Inhaltskontrolle, als darin eine Abweichung von Tarifverträgen enthalten ist. Tarifverträge selbst sind allerdings gem. § 310 Abs. 4 Satz 1 BGB nach wie vor Bestandteil der Bereichsausnahme, da ansonsten das System der Tarifautonomie konterkariert würde.348 Mit dem Effekt einer erheblichen Verstärkung der faktischen Tarifwirkung wird vereinzelt Tarifverträgen eine Richtlinienfunktion iSd. § 307 Abs. 2 BGB zugemessen, der zufolge Abweichungen von einschlägigen Tarifnormen in allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht tarifgebundener Arbeitsvertragspartner als unangemessene Benachteiligung des Arbeitnehmers unwirksam seien.349 346 Vgl. Regierungsentwurf vom 6.8.1975, BT-Dr. 7/3919, 22; Heinrichs in: Palandt, BGB, § 307 Rn. 54; BGH, Urt. v. 26.1.2001 – V ZR 452/99 –, NJW 2001, 2399. 347 BGH, Urt. v. 24.11.1988 – II ZR 188/87 –, BGHZ 106, 46; BGH, Urt. v. 18.4. 2002 – III ZR 199/01 –, NJW 2002, 2386. 348 Gegenäußerung der Bundesregierung, BT-Dr. 14/6857, 54; bei individualvertraglichen Inbezugnahmeklauseln ist die Reichweite dieses Verbotes einer mittelbaren Tarifzensur umstritten. Die Richtigkeitsgewähr eines Tarifvertrages wird aber auch bei dessen vollständiger Inbezugnahme eine Bereichsausnahme rechtfertigen, nicht jedoch bei dessen bloß teilweiser Inbezugnahme oder im Falle der Bezugnahme auf einen branchenfremden Tarifvertrag. Denn die Vermutung der prinzipiellen Angemessenheit einer durch paritätische Tarifpartner gefundenen Regelung auch für nicht tarifgebundene, aber den Tarifvertrag in Bezug nehmende Arbeitsverhältnisse kann allenfalls innerhalb der Grenzen des tariflichen Geltungsanspruchs bestehen, d.h. im Rahmen des von den Tarifparteien definierten Geltungsbereichs und nur im Falle einer (von ihnen vorausgesetzten) Geltung des gesamten Tarifvertrages, so auch Schaub, ARHandbuch, § 31 Rn. 7b; Ziemann in: Schimmel/Buhlmann, Handbuch neues Schuldrecht, F.I. Rn. 70 ff.; ähnlich Richardi, NZA 2002, 1057; Gotthardt, Arbeitsrecht nach der Schuldrechtsreform, Rn. 240 ff.; weiter Henssler/Muthers in: Henssler, Praxis der Schuldrechtsreform, § 310 Rn. 33, Henssler, RdA 2002, 134 und Heinrichs in: Palandt, BGB, § 310 Rn. 51, die eine Bereichsausnahme auch im Falle einer nur teilweisen Inbezugnahme für möglich halten.
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Eine derartige generelle Erschwerung von Tarifunterschreitungen auch für nicht tarifgebundene Arbeitsvertragsparteien ist der in § 310 Abs. 4 Satz 3 BGB enthaltenen Verweisung jedoch nicht zu entnehmen. Durch § 310 Abs. 4 Satz 3 BGB werden Tarifverträge nicht „gesetzlichen Regelungen“ iSd. § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB gleichgestellt, sondern die Verweisung beschränkt sich ausdrücklich auf § 307 Abs. 3 BGB und erfasst mithin nicht die gesamte Vorschrift. § 307 Abs. 3 BGB stellt im Zusammenhang mit § 310 Abs. 4 BGB lediglich klar, dass sich in der bloßen Wiedergabe des Tarifinhaltes erschöpfende Klauseln keiner Inhaltskontrolle unterworfen sind, und verdeutlicht dadurch die in § 310 Abs. 4 BGB zugunsten der Tarifautonomie enthaltene Bereichsausnahme. §§ 307 Abs. 3, 310 Abs. 4 BGB erweitern die Inhaltskontrolle nicht, sondern beschränken sie, ausschließlich diese Zielrichtung hat auch die spezifische Verweisung auf Abs. 3 des § 307 BGB. Hierdurch soll sichergestellt werden, dass Tarifverträge auch bei einzelvertraglicher Bezugnahme keiner Inhaltskontrolle unterliegen, keineswegs sollen aber umgekehrt Tarifverträge selbst zum Maßstab der Inhaltskontrolle gemacht werden.350 Eine derartige Richtlinienfunktion von Tarifverträgen widerspräche als verdeckte gerichtliche Allgemeinverbindlicherklärung in nicht zu rechtfertigender Weise der negativen Koalitionsfreiheit und der Privatautonomie. Erst recht gilt dies angesichts des o. g. Grundsatzes der generellen Herausnahme von Vergütungsabreden aus der AGB-rechtlichen Inhaltskontrolle, da eine von Gesetzgeber beabsichtigte Ausnahme von diesem Grundsatz eine entsprechend ausdrückliche gesetzliche Anordnung in § 307 BGB voraussetzen würde. cc) Vergaberecht und Tariftreueerklärungen Bund, Länder und Kommunen haben bei der Erteilung öffentlicher Aufträge über Bau-, Liefer- oder Dienstleistungen die vergaberechtlichen Anforderungen des § 97 Abs. 4 und 5 GWB zu beachten. Danach sind öffentliche Aufträge an fachkundige, leistungsfähige und zuverlässige Unternehmen und der Zuschlag auf das wirtschaftlichste Angebot zu erteilen. Andere oder weitergehende Anforderungen dürfen gem. § 97 Abs. 4 Satz 2 GWB an Auftragnehmer nur gestellt werden, wenn dies durch Bundes- oder Landesgesetz vorgesehen ist. Der Begriff der Zuverlässigkeit als Eignungskriterium beschränkt sich auf die Einhaltung gesetzlicher Vorschriften im Zusammenhang mit der Beteiligung am 349 Däubler, NZA 2001, 1329, demzufolge Tariflohnunterschreitungen des einschlägigen Branchen- oder (zumindest repräsentativen) Firmentarifvertrages um mehr als 20 % unangemessen iSd. § 307 Abs. 1 BGB sind; Lakies in: Däubler, TVG, § 5 Anhang 1 Rn. 63 ff. 350 Vgl. Gegenäußerung der Bundesregierung, BT-Dr. 14/6857, 54; Henssler in: Henssler, Praxis der Schuldrechtsreform, § 310 Rn. 31; Henssler, RdA 2002, 134; Gotthardt, Arbeitsrecht nach der Schuldrechtsreform, Rn. 242; Ziemann in: Schimmel/ Buhlmann, Handbuch neues Schuldrecht, F.I. Rn. 131; Richardi, NZA 2002, 1057.
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Vergabeverfahren und der Auftragsausführung und erfasst die Erfüllung arbeitsrechtlicher Pflichten wie der Einhaltung von Tarifverträgen allenfalls bei einem entsprechenden Auftragsbezug.351 Daher setzt ein Zwang zur individuellen Unterwerfung unter einen eigentlich für den Bieter nicht geltenden Tarifvertrag als eindeutig vergabefremdes Kriterium iSd. § 97 Abs. 4 Satz 2 GWB erst recht eine explizite spezialgesetzliche Anordnung voraus. Dementsprechend sind in einigen Bundesländern in den letzten Jahren Vergabegesetze erlassen worden, die eine Auftragsvergabe durch die öffentliche Hand von der Tariftreue der sich bewerbenden Unternehmen abhängig machen.352 So bestimmt § 1 Abs. 1 Satz 2 des Berliner Vergabegesetzes (VgG Bln), dass die Vergabe von Bauleistungen wie von Dienstleistungen bei Gebäuden und Immobilien voraussetzt, dass „die Unternehmen ihre Arbeitnehmer bei der Ausführung dieser Leistungen nach den jeweils in Berlin geltenden Entgelttarifen entlohnen und dies auch von ihren Nachunternehmen verlangen“. Verstöße gegen diese Auflage werden gem. § 1 Abs. 2 VgG Bln mit einem Wettbewerbsausschluss bis zu zwei Jahren sanktioniert. Der BGH hält derartige Tariftreueerklärungen für verfassungswidrig und hat das VgG Bln dem BVerfG zur Klärung vorgelegt, eine Entscheidung in dieser Sache steht noch aus.353 Ausgelöst durch die damit verbundene Rechtsunsicherheit gab es in der Folge mehrere Versuche auf Bundesebene, Tariftreueerklärungen als Voraussetzung für öffentliche Auftragsvergaben einzuführen, diese Versuche scheiterten jedoch sämtlich: Der von Bayern bereits im Sommer 2000 beim Bundesrat eingebrachte Gesetzentwurf beschränkte sich auf eine klarstellende Ermächtigung des Landesgesetzgebers in einem neuen § 5a TVG, bei der Vergabe öffentlicher Bauaufträge eine Tariftreueerklärung des Auftragnehmers zu fordern, und wurde bereits vom Bundestag abgelehnt.354 Das gleiche Schicksal ereilte den von Nordrhein-Westfalen und Berlin im April 2001 initiierten, weitergehenden Gesetzentwurf des Bundesrates, der eine unmittelbar bundesgesetzliche Einführung von Tariftreueerklärungen bei der Vergabe von öffentlichen Bauaufträgen und auch Verkehrsleistungen im öffentlichen Personennahverkehr vorsah.355 Ende 2001 brachten 351
Dreher in: Immenga/Mestmäcker, GWB, § 97 Rn. 113 f. So in Berlin das Berliner Vergabegesetz vom 9.7.1999, GVBl., 369, in Bayern das Bayerische Bauaufträge-Vergabegesetz vom 28.6.2000, BayGVBl., 364 und im Saarland das Gesetz Nr. 1450 über die Vergabe von Bauaufträgen vom 23.8.2000, ABl., 1846; neuerdings auch in Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Bremen und Schleswig-Holstein, Nachweise bei Löwisch, DB 2004, 814 Fn. 2 und bei Löwisch/ Rieble, TVG, § 5 Rn. 170 ff. 353 BGH, Beschl. v. 18.1.2000 – KVR 23/98 –, DB 2000, 465. 354 Gesetzentwurf des Bundesrates vom 8.2.2001, BT-Dr. 14/5263; Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Technologie vom 24.4.2002 mit Ablehnungsvorschlag, BT-Dr. 14/8897. 355 Gesetzentwurf des Bundesrates vom 26.7.2001, BT-Dr. 14/6752; Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Technologie vom 24.4.2002 mit Ablehnungsvorschlag, BT-Dr. 14/8898. 352
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sowohl die Fraktionen der SPD und Bündnis90/Die Grünen als auch die Bundesregierung gleichlautende Entwürfe eines Tariftreuegesetzes in den Bundestag ein, das – einschließlich entsprechender Sanktions- und Kontrollmöglichkeiten wie der Einführung eines Registers für unzuverlässige Unternehmen – die Verpflichtung des Auftragnehmers zum Inhalt hatte, seinen Beschäftigten mindestens den am Ort der Leistungsausführung einschlägigen Tariflohn zu zahlen und dies auch von seinen Nachunternehmern zu verlangen, sowie ein Bestimmungsrecht des Auftraggebers hinsichtlich des anwendbaren Tarifvertrages bei Einschlägigkeit mehrerer Tarifverträge.356 Da der Bundesrat seine Zustimmung zu diesem Gesetz nach Art. 84 Abs. 1 GG verweigerte, scheiterte vorerst auch dieses Projekt.357 Bereits in seinem Beschluss zur Anrufung des Vermittlungsausschusses brachte der Bundesrat zu Recht erhebliche Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzentwurfs vor, der mit der Einführung eines gesetzlichen Tarifanwendungszwangs und einer Befugnis des Auftraggebers zur verbindlichen Festlegung des anwendbaren Tarifvertrages in die Tarifautonomie, die Koalitionsfreiheit und die europarechtliche Dienstleistungsfreiheit eingreife.358 Damit entsprach der Bundesrat im wesentlichen der Begründung des BGH in seinem Vorlagebeschluss vom 18.1.2000.359 Zutreffend weist der BGH darin zunächst darauf hin, dass Tariftreuegesetze tarifrechtliche Regelungen sind, die zum Arbeitsrecht iSd. Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG und damit zur konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz des Bundes gehören.360 Mit der Verabschiedung des TVG hat der Bundesgesetzgeber hiervon aber abschließend Gebrauch gemacht361, so dass weitere landesgesetzliche Regelungen bereits kompetenzrechtlich ausgeschlossen sind.362 Der BGH macht dadurch auch deutlich, dass § 97 356 Gesetzentwurf der Fraktionen der SPD und Bündnis90/Die Grünen vom 12.12. 2001, BT-Dr. 14/7796; Regierungsentwurf vom 20.2.2002, BT-Dr. 14/8285. 357 Beschluss des Bundesrates vom 12.7.2002, BR-Dr. 608/02; Unterrichtung des Bundestages durch den Bundesrat vom 16.7.2002, BT-Dr. 14/9794; laut Koalitionsvertrag der Regierungsparteien soll jedoch in der 15. Legislaturperiode ein erneuter Versuch gestartet werden, vgl. Lakies in: Däubler, TVG, § 5 Anhang 1, Rn. 10a. 358 Unterrichtung des Bundestages durch den Bundesrat vom 10.6.2002, BT-Dr. 14/ 9335; – die Frage eines (zu bejahenden) Verstoßes gegen Art. 49 EGV stellt sich an dieser Stelle der Untersuchung nicht, da sich der vorliegende Teil 1 § 1 auf nationale Arbeitnehmermobilität auf dem nationalen Arbeitsmarkt beschränkt, vgl. hierzu aber überzeugend Kling, EuZW 2002, 229; Seifert, ZfA 32 (2001), 1. 359 BGH, Beschl. v. 18.1.2000 – KVR 23/98 –, DB 2000, 465. 360 Denn Tarifrecht gehört zum Arbeitsrecht iSd. Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG als dem gesamten, für Arbeitsverhältnisse maßgeblichen Recht unter Einbeziehung des individuellen, kollektiven, privaten und öffentlichen Arbeitsrechts, vgl. Maunz in: Maunz/ Dürig, GG, Art. 74 Rn. 165; BVerfG, Beschl. v. 22.4.1958 – 2 BvL 32, 34, 35/56 –, BVerfGE 7, 342. 361 Hiervon ist auch trotz der nachfolgenden Fälle weiterer faktischer Tarifwirkung aufgrund ausdrücklichen staatlichen Geltungsbefehls (§§ 3 Abs. 1 Nr. 3, 9 Nr. 2 AÜG, § 19 HAG) und der Tarifnormerstreckung des AEntG auszugehen, da der Bun-
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Abs. 4 Satz 2 GWB nicht etwa eine eigenständige, vom GG losgelöste Kompetenzzuweisung an die Landesgesetzgeber enthält, sondern die Aufstellung vergabefremder Kriterien im Sinne eines Gesetzesvorbehalts an formelle Gesetze nach der bereits feststehenden föderativen Kompetenzaufteilung knüpft. Ein Tariftreuegesetz auf Bundesebene würde dieser formelle Aspekt freilich nicht verhindern, ebenso wenig der vom BGH gleichfalls überzeugend festgestellte Verstoß des VgG Bln gegen Art. 31 GG iVm. §§ 5 TVG, 20 Abs. 1 GWB. Jedoch würde auch ein Tariftreuegesetz des Bundes gegen die hinter diesen einfachgesetzlichen Normen stehenden, höherrangigen Rechtsgrundsätze verstoßen. So stellt der staatliche Normerstreckungsbefehl des § 5 TVG aufgrund seiner Legitimation durch ein erforderliches öffentliches Interesse und ein besonderes paritätisches Verfahren einen verhältnismäßigen und daher gerechtfertigten Eingriff in die Vertrags-, Wettbewerbs- und negative Koalitionsfreiheit der nichttarifgebundenen Anbieter dar.363 Tariftreueerklärungen fehlt jedoch diese besondere Legitimation angesichts ihrer mangelnden Bindung an besondere, über den bloßen Vertragsschluss bei der Beauftragung des Bieters durch den öffentlichen Auftraggeber hinausgehende sachliche Voraussetzungen und Verfahrensbestimmungen, die auch nur eine geringste Einwirkungsmöglichkeit der betroffenen Anbieter und Tarifparteien ermöglichen würde.364 Insbesondere bei der Frage der Auswahl des maßgeblichen Tarifvertrages im Falle mehrerer am Leistungsort einschlägiger Tarife wird deutlich, dass der Anbieter hier einer Fremdbestimmung durch seinen potentiellen Vertragspartner unterworfen wird, die – ähnlich dem Gleichstellungsgebot der §§ 3 Abs. 1 Nr. 3, 9 Nr. 2 AÜG365 – weit über das dualistische Auftragsverhältnis hinausgeht, indem sie in vom Anbieter mit Dritten geschlossene Arbeitsverhältnisse wie auch in Arbeitsverhältnisse etwaiger Nachunternehmer des Anbieters hineinwirkt.366 Die Fremdwirkung des AÜG wird zudem dadurch noch verstärkt, dass es hierbei gar nicht einmal um einen vom Auftraggeber selbst angewanddesgesetzgeber hier lediglich eng begrenzte Ausnahmen vom Grundmodell staatlicher Tariferstreckungen zugelassen hat; a. A. Kreiling, NZA 2001, 1118. 362 So auch Löwisch/Rieble in: MünchArbR, § 247 Rn. 35; a. A. Schwab, NZA 2001, 701; Seifert, ZfA 32 (2001), 1. 363 s. o. unter Teil 1 § 1 B. I. 2. a) cc) (2). 364 „Kalte Allgemeinverbindlicherklärung“, vgl. Löwisch/Rieble in: MünchArbR, § 247 Rn. 35; Rieble, NZA 2000, 225; Löwisch, DB 2001, 1090; Scholz, RdA 2001, 193; Schubert, RdA 2001, 199; Kämmerer/Thüsing, ZIP 2002, 596; Seifert, ZfA 32 (2001), 1 (Verstoß gegen die Institutsgarantie der Tarifautonomie in Art. 9 Abs. 3 GG); a. A. Kreiling, NZA 2001, 1118 (wie diese dennoch zu einer im Vergleich zu § 5 TVG stärkeren demokratischen Legitimation von Tariftreueerklärungen kommt, ist nicht nachvollziehbar.) 365 Siehe unter Teil 1 § 1 A. II. 2. b) bb) (2) und B. II. 1. a) cc). 366 Seifert weist in diesem Zusammenhang zu Recht auf einen zugleich bestehenden Verstoß gegen das kartellrechtliche Preisbindungsverbot des § 14 GWB hin, ZfA 32 (2001), 1.
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ten Tarifvertrag geht, sondern um Tarifverträge, zu denen auch dieser theoretisch keinerlei Bezug haben muss. Insofern wird jeglicher Ansatz einer mitgliedschaftlichen bzw. privatautonomen Begründung für eine Tarifunterworfenheit im Keim erstickt. Besonders bedenklich wird dies zudem angesichts der marktbeherrschenden Stellung öffentlicher Auftraggeber367, ohne die derartige Tariftreueerklärungen auf dem Markt keine Zwangswirkung und damit auch aus Sicht ihrer Befürworter keinen Nutzen hätten. Der Einsatz der drohenden Nichtvergabe eines öffentlichen Auftrags als Druckmittel stellt sich so als iSd. § 20 Abs. 1 GWB, Art. 82 EGV kartellrechtswidrige Verhalten dar, das gegenüber den Anbietern als Druck zur Unterwerfung unter fremde Tarifverträge wirken soll, und verstößt damit gegen die negative Koalitionsfreiheit des Art. 9 Abs. 3 GG.368 Der Anbieter ist bei seiner Tariftreue dem Auftraggeber uneingeschränkt ausgesetzt, da geltende und bislang entworfene Tariftreuegesetze eine irgendwie geartete Beteiligung des Staates bei der Normerstreckung nicht vorsehen, geschweige denn eine staatliche Überwachung der Angemessenheit dieser Normen im Einzelfall. Dass es sich beim Auftraggeber stets um die öffentliche Hand handelt, ändert hieran nichts, da auch diese sich am Markt als Wirtschaftssubjekt beteiligt und Vergabeverfahren gerade dieser Beteiligung dienen. Zudem erfasst die Richtigkeitsgewähr des vom Auftraggeber ausgewählten und daher den Gegenstand der Tariftreue bildenden Tarifvertrages nur die in seinem Geltungsbereich originär Normunterworfenen, nicht jedoch ohne weiteres aus dem bloßen Grund der Auftragsvergabe herangezogene Außenseiter. Zu Recht weist der BGH in seinem Beschluss vom 18.1.2000 darauf hin, dass der Staat den Bürger nicht schrankenlos der normsetzenden Gewalt autonomer Gremien ausliefern darf, die ihm gegenüber nicht demokratisch bzw. mitgliedschaftlich legitimiert sind.369 Als unverhältnismäßige Fremdbestimmung greifen Verpflichtungen zur Tariftreueerklärung daher in die Vertrags-, Wettbewerbs- und negative Koalitionsfreiheit der Anbieter ein.370 Ein solcher Eingriff liegt ebenfalls hinsichtlich der Tarifautonomie anderer Koalitionen vor, deren autonom ausgehan367 Insbesondere auf dem Markt für Straßenbauleistungen, der besonders stark durch die öffentliche Nachfrage geprägt ist, aber auch allgemein auf dem Markt für Bauleistungen (Tief- und Hochbau), vgl. Seifert, ZfA 32 (2001), 1. 368 s. o. Teil 1 § 1 B. I. 2. a) cc) (2); a. A. Schwab, NZA 2001, 701; Seifert, ZfA 32 (2001), 1; entgegen Lakies (in: Däubler, TVG, § 5 Anhang 1, Rn. 10d) reicht dieser faktische Druck auf die Anbieter aus, um einer zwangsweisen Mitgliedschaft gleichgestellt zu werden, selbst wenn der einzelne Arbeitnehmer keinen unmittelbaren Anspruch auf Tarifgewährung gegenüber dem Anbieter bzw. dessen Nachunternehmer haben soll; im Übrigen wird man im Auftragsvertrag iVm. der Tariftreueerklärung im Zweifel durchaus einen anspruchsbegründenden Vertrag zugunsten Dritter sehen können. 369 BGH, Beschl. v. 18.1.2000 – KVR 23/98 –, DB 2000, 465. 370 Einen Verstoß gegen die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Arbeitsvertragsfreiheit bejahen auch Löwisch/Rieble, TVG, § 5 Rn. 178.
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delte Tarifverträge durch die Tariftreueverpflichtung verdrängt werden.371 Durch schwerwiegende Gründe372 ist auch dieser Eingriff nicht gerechtfertigt: Denn ausdrückliches Ziel sämtlicher Landesgesetze und Gesetzesvorhaben des Bundes ist die Erhaltung heimischer Arbeitsplätze am Bau sowie der Schutz der Ordnungsfunktion von Tarifverträgen angesichts der „arbeitsmarktpolitisch besonders kritischen Entwicklung“ in der Baubranche und im öffentlichen Personennahverkehr, wo der massive Einsatz von Niedriglohnkräften zu starken Wettbewerbsverzerrungen führe.373 Der Schutz der „heimischen Bauwirtschaft vor wettbewerbsverzerrender Dumpingkonkurrenz“ vermag jedoch die o. g. Grundrechtsverletzungen nicht zu rechtfertigen. Denn bereits die Allgemeinverbindlicherklärung eines Tarifvertrages bezweckt weder einen Schutz vor Wettbewerb noch die Stärkung schwacher Tarifparteien, sondern dient primär dem sozialpolitischen Ziel des Schutzes nichttarifgebundener Arbeitnehmer vor unzureichenden Arbeitsbedingungen.374 Dort wo eine solche Allgemeinverbindlicherklärung mit dieser Zielsetzung aber nicht erfolgt ist bzw. erfolgen konnte, müssen sich tarifgebundene Anbieter dem Wettbewerb mit nichtgebundenen Konkurrenten stellen.375 Tariftreueerklärungen führen im Gegensatz dazu als rein protektionistische Maßnahmen zu einer ordnungspolitisch verfehlten Abschottung eines regionalen Marktes vor rechtmäßiger Konkurrenz, indem die nicht tarifgebundenen Anbieter zur Aufgabe ihres aufgrund niedrigerer Löhne legal erzielbaren Preisvorteils gezwungen werden, ohne dass dies durch ein höheres Schutzgut in verhältnismäßiger Weise gerechtfertigt wäre. Insbesondere darf nach dem BGH auch der im Gemeinwohl liegende Zweck der Vermeidung weiterer Arbeitslosigkeit nicht mit einem Mittel verfolgt werden, das mit der auf die Freiheit des Wettbewerbs gerichteten Zielsetzung des GWB und des Vergaberechts unvereinbar ist.376 Auch wenn vergabe- und damit wettbewerbsfremde Aspekte nunmehr durch § 97 Abs. 4 Satz 2 GWB zugelassen sind377, verbleibt es bei der wettbewerbli371
So auch Löwisch/Rieble, TVG, § 5 Rn. 176 f. BVerfG, Beschl. v. 24.4.1996 – 1 BvR 712/86 –, BVerfGE 94, 268 (284 f., Erforderlichkeit schwerwiegender Gründe für die Rechtfertigung eines gesetzlichen Eingriffs in die tarifliche Lohnfindung). 373 Vgl. u. a. Gesetzentwurf des Bundesrates vom 26.7.2001, BT-Dr. 14/6752, 6. 374 BAG, Urt. v. 24.1.1979 – 4 AZR 377/77 –, AP Nr. 16 zu § 5 TVG; BGH, Urt. v. 3.12.1992 – I ZR 276/90 –, AP Nr. 10 zu § 1 UnlWG; vgl. oben Teil 1 § 1 B. I. 2. a) cc) (2). 375 So auch Rieble, NZA 2000, 225; im Übrigen führen Tariftreueerklärung zur Verteuerung von Bauleistungen, die das gesetzgeberische Ziel des Abbaus von Arbeitslosigkeit konterkariert, vgl. Löwisch, DB 2001, 1090; Kämmerer/Thüsing, ZIP 2002, 596. 376 BGH, Beschl. v. 18.1.2000 – KVR 23/98 –, DB 2000, 465; Karenfort/v. Koppenfels/Siebert, BB 1999, 1825; Rieble, NZA 2000, 225; a. A. Lakies in: Däubler, TVG, § 5 Anhang 1, Rn. 10d (Das Sozialstaatsprinzip überwiege gegenüber Freiheitsgrundrechten der betroffenen Arbeitgeber.). 372
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chen Grundausrichtung des GWB, dessen Vorschriften gem. § 130 Abs. 1 Satz 1 GWB uneingeschränkt auch für die öffentliche Hand gelten. Dessen Wettbewerbsprinzip ist nach der ausdrücklichen Formulierung in der Grundnorm des § 97 Abs. 1 GWB „im Wettbewerb“ auch Element des öffentlichen Beschaffungswesens, so dass die Aufträge der öffentlichen Hand als Marktteilnehmer vorrangig als reine Beschaffungsentscheidungen anzusehen sind, mit denen allenfalls in besonders gerechtfertigten Einzelfällen weitere sozialpolitische Ziele verfolgt werden dürfen. Im Spannungsverhältnis zwischen hoheitlichen Lenkungszielen und einem marktwirtschaftlichen Ordnungsrahmen stellen Tariftreueerklärungen jedenfalls eine ordnungspolitisch wie verfassungsrechtlich verfehlte Wahl des Mittels dar. Das Vergaberecht darf daher nicht ohne weiteres – wie im Falle der Tariftreueerklärungen – zur Verwirklichung wettbewerbsfremder Politikziele instrumentalisiert werden, die als Staatshilfe zum Tariferfolg gegen den Grundsatz staatlicher Neutralität in Tarifauseinandersetzungen verstoßen und zudem die für den Koalitionsbegriff des Art. 9 Abs. 3 GG maßgebliche Staatsunabhängigkeit der dadurch „begünstigten“ Tarifpartner in Frage stellen. Denn das GWB will gleiche Wettbewerbsbedingungen für die individuellen Marktteilnehmer sichern, nicht jedoch den Systemwettbewerb zwischen Kollektiv- und Individualarbeitsverträgen sowie den Wettbewerb unterschiedlicher Tarifverträge untereinander durch einen „Anschub“ ansonsten wenig einflussreicher Tarifverträge verfälschen oder gar den Markt geographisch auf den Geltungsbereich eines derartigen Tarifvertrages begrenzen mit der Folge, dass von außerhalb kommende Bieter vom dortigen Wettbewerb ohne Aufgabe eigener Wettbewerbsvorteile faktisch ausgeschlossen sind und damit zu Außenseitern im doppelten Sinne werden. 3. Individualvertragliche Steuerbarkeit des Marktverhaltens Außerhalb der zwingenden tariflichen Normwirkung steht es den Arbeitsvertragsparteien grundsätzlich frei, die Geltung eines Tarifvertrages im Wege einzelvertraglicher Inbezugnahme zu vereinbaren und sich dadurch dessen Kartellwirkung freiwillig zu unterwerfen. Im Übrigen verbleibt der Bereich übertariflicher Leistungen aufgrund des Günstigkeitsprinzips stets Gegenstand freien Wettbewerbs. Arbeits- und Gütermarkt korrespondieren jedoch miteinander. Je größer der Umfang der den Arbeitsvertragsparteien durch Gesetzgeber und Tarifvertragsparteien vorgegebenen Arbeitsbedingungen ist, desto stärker wirkt sich die Abhängigkeit des Wettbewerbs auf dem Güter- und Dienstleistungsmarkt von den Rahmenbedingungen des Arbeitsrechtes als Zwang aus. Allerdings ist die Regelungsdichte zwingender Normen bezüglich der Gehaltshöhe und des Ortes der Arbeitsleistung als Wettbewerbsfaktoren im Ver377
Kritisch hierzu Dreher in: Immenga/Mestmäcker, GWB, § 97 Rn. 92 f.
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gleich zu anderen Arbeitsbedingungen weniger stark, so dass der Unternehmer sein Marktverhalten insofern in einem höheren Maße individualvertraglich steuern kann. Die Bestimmung der vom Arbeitnehmer geschuldeten Art der Dienstleistung unterliegt gänzlich der individuellen Privatautonomie, weder Gesetzgeber noch Tarifparteien können hier regelnd eingreifen. Eng mit der Frage, welche Arbeit zu leisten ist, hängt die Bestimmung des Leistungsortes zusammen, auch sie gehört zum Kern zwingend individuell zu vereinbarender essentialia negotii, an den ein Arbeitsverhältnis voraussetzende Normen erst dogmatisch anknüpfen können.378 Das zur Leistungspflicht einschließlich des Leistungsortes synallagmatische essentiale negotii ist die Vergütungspflicht, deren Höhe allerdings – im Unterschied zum „ob“ einer Vergütungspflicht – der Anknüpfung durch Gesetze und Tarifverträge zugänglich ist. Aber auch hier verbleibt im Vergleich zu den sonstigen Arbeitsvertragsbedingungen mangels gesetzlicher Vorgabe eines Mindestlohnes ein deutlich weiterer Spielraum autonomer Vertragsgestaltung. Die Festsetzung von Löhnen stellt traditionell den eigentlichen Kern der Tarifautonomie dar, für den legitimatorisch hinreichend gewichtige Gründe zur gesetzlichen Intervention nur sehr eingeschränkt denkbar sind. Denn nach der Art. 9 Abs. 3 GG zugrunde liegenden Vorstellung des Verfassungsgebers können die Tarifpartner bei Lohnverhandlungen die gegenseitigen Interessen angemessener zum Ausgleich bringen als der Staat im Wege einseitiger Lohnfestsetzung.379 Damit ist die Bestimmung sowohl der Gehaltshöhe als auch des Arbeitsortes dem Gesetzgeber entzogen und dem marktregelnden Ausgleich von Angebot und Nachfrage, mithin der individual- bzw. kollektivvertraglichen Vertragsgerechtigkeit des Marktes überantwortet. Infolge der stets an der tariflichen Geltungsbereichsbestimmung orientierten und damit räumlich begrenzten Normwirkung von (Gehalts-)Tarifverträgen erweisen sich Gehaltshöhe und Arbeitsort als mobilitätsspezifische Wettbewerbsfaktoren. II. Innerstaatliche Wettbewerbsschranken 1. Schranken der Lohnkostenminimierung a) Gesetzliche Schranken aa) Staatliche Festsetzung von Mindestarbeitsbedingungen Zugunsten von Tarifautonomie und Vertragsfreiheit besteht in Deutschland ein grundsätzlicher Verzicht auf eine gesetzliche Mindestlohngarantie. In beson378
s. o. Teil 1 § 1 A. II. 1. a). BVerfG, Beschl. v. 24.4.1996 – 1 BvR 712/86 –, BVerfGE 94, 268 (285); Urt. v. 4.4.1995 – 1 BvF 2/86, 1,2,3,4/87, 1 BvR 1421/86 –, BVerfGE 92, 365 (395). 379
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deren Ausnahmefällen ermöglicht das Gesetz dem Staat jedoch zur Sicherung eines sozialen Mindeststandards besonders schutzwürdiger Gruppen die Festsetzung von Mindestarbeitsbedingungen und damit auch einer unabdingbaren Mindestvergütung. So können gem. § 1 Abs. 2 MindArbG380 ausnahmsweise Mindestarbeitsbedingungen staatlich festgesetzt werden, wenn für den betroffenen Wirtschaftszweig oder die Beschäftigungsart keine Gewerkschaften oder Arbeitgeberverbände bestehen oder diese nur eine Minderheit von Arbeitnehmern oder Arbeitgebern umfassen, die Festsetzung von Mindestarbeitsbedingungen zur Befriedigung der notwendigen sozialen Bedürfnisse der Arbeitnehmer erforderlich erscheint und eine entsprechende Regelung auch nicht im Wege eines allgemeinverbindlichen Tarifvertrages erfolgt ist. Das Gesetz geht dabei in § 1 Abs. 1, § 8 Abs. 2 MindArbG ausdrücklich von einem Vorrang tarifvertraglicher Bestimmungen aus: Nur wenn keine tariflichen Mindestarbeitsbedingungen gelten oder geschaffen werden können381, besteht die Möglichkeit staatlicher Festsetzungen, die bislang mangels Bedingungseintritt allerdings noch nie wahrgenommen worden ist. Das MindArbG sieht, ähnlich dem § 19 HAG, ein rein staatliches Festsetzungsverfahren vor: Beim Bundesarbeitsministerium wird gem. § 2 MindArbG ein Hauptausschuss für Mindestarbeitsbedingungen errichtet, der sich aus Gewerkschafts- und Arbeitgeberverbandsvertretern zusammensetzt. Dieser entscheidet im Einvernehmen mit dem Bundesarbeitsminister, ob und wenn ja, für welche Wirtschaftszweige und Beschäftigungsarten eine Festsetzung von Mindestarbeitsbedingungen im Einzelfall erforderlich erscheint. Ein sodann vom Ministerium eingerichteter und wiederum paritätisch besetzter Fachausschuss beschließt mit einfacher Stimmenmehrheit Mindestarbeitsbedingungen und schlägt diese dem Minister vor, der sie gem. § 4 Abs. 3 Satz 1 MindArbG nach Anhörung der von der Regelung Betroffenen als Rechtsverordnung festsetzen kann. Dabei handelt es sich im Unterschied zur Allgemeinverbindlicherklärung und zu Festsetzungen iSd. HAG um vom Staat gesetzte Normen ohne jedwede Beziehung zu einem von Tarifparteien geschaffenen Vertragswerk. Andererseits geht es bei den Mindestarbeitsbedingungen des § 4 Abs. 4 MindArbG nicht um einen vollwertigen Ersatz für einen Tarifvertrag, sondern um die Sicherung eines untersten Mindeststandards.382 Derartige staatliche Mindestarbeitsbedingun380
Gesetz über die Festsetzung von Mindestarbeitsbedingungen vom 11.11.1952, BGBl. 1953 I, 17; der primäre Gesetzeszweck lag damals in der Schaffung von Vorkehrungen für den Fall einer Funktionsunfähigkeit des Tarifvertragssystems, vgl. Fitting, RdA 1952, 5; darüber hinaus enthält § 92a HGB eine Möglichkeit zur Festsetzung von Mindest„arbeits“bedingungen für Handelsvertreter. 381 Man wird § 1 Abs. 2c MindArbG wegen des vom Gesetz postulierten Vorrangs der Tarifautonomie teleologisch dahingehend auslegen müssen, dass es nicht lediglich auf die fehlende Existenz einer tatsächlichen Allgemeinverbindlicherklärung ankommt, sondern auch auf die fehlende Möglichkeit einer solchen Normwirkungserstreckung, vgl. Hessel, BB 1952, 64.
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gen stellen zwar einen Eingriff in die Tarif- und Privatautonomie dar, der jedoch angesichts des Subsidiaritätsgrundsatzes der §§ 1 Abs. 1, 8 Abs. 2 MindArbG, des gem. § 4 Abs. 4 MindArbG auf die unterste Grenze der Arbeitsbedingungen beschränkten Regelungsumfangs sowie durch die am zwingenden Arbeitnehmerschutz orientierte Bedingung ansonsten unzumutbarer Arbeitsbedingungen iSd. § 1 Abs. 2b MindArbG gerechtfertigt wird. Der Staat wird nur dann tätig, wenn ohne sein Eingreifen soziale und wirtschaftliche Notstände zu Lasten der Arbeitnehmer eintreten würden. Insofern liegt es nahe, an den in § 5 Abs. 1 Satz 2 TVG enthaltenen Begriff des sozialen Notstandes anzuknüpfen, der voraussetzt, dass die in einer Branche gewährten Arbeitsbedingungen zur Befriedigung der notwendigen sozialen und wirtschaftlichen Bedürfnisse der Arbeitnehmer im Sinne einer Existenzsicherung nicht ausreichen, wobei sich das MindArbG auf einen unmittelbaren Individualbezug beschränkt und keine überindividuellen Gesichtspunkte wie die Störung der sozialen Ordnung mit umfasst.383 Im Unterschied zu § 19 Abs. 1 Satz 2 HAG zieht § 1 Abs. 2b MindArbG zur Ermittlung der Bedürfnisse der Arbeitnehmer als Regelungsvoraussetzung nicht das Niveau vergleichbarer Tarifverträge heran, denn hier geht es um unterste Mindestarbeitsbedingungen im Sinne einer ultima ratio, die sich eher am Sozialhilfeniveau orientiert. Daher ist das MindArbG als Wettbewerbsschranke von geringer praktischer Relevanz.384 bb) Gleichbehandlungsgebote Bei der Ausgestaltung der Vertragsbedingungen mehrerer Beschäftigter ordnet das Gesetz in besonderen Fällen eine Selbstbindung des Arbeitgebers dadurch an, dass es bestimmte Sachverhalte für gleich erklärt, deren Ungleichbehandlung durch den Arbeitgeber bei der Vertragsgestaltung eines besonderen sachlichen Grundes bedarf. So postulieren § 612 Abs. 3 Satz 1 BGB und Art. 141 EGV385 die Gleichbehandlung von Mann und Frau und verbieten explizit eine geschlechtsspezifische Entgeltdifferenzierung; § 81 Abs. 2 Satz 1 SGB IX stellt 382 Fitting, RdA 1952, 5 („unterster Schutzwall gegen Verelendung“); in Anbetracht des weiten Kreises bereits vorhandener zwingender Gesetzesvorschriften (z. B. ArbZG; BUrlG) wird eine am Verhältnismäßigkeitsgebot orientierte staatliche Festsetzung iSd. § 4 Abs. 4 MindArbG idR. nur einen Mindestlohn erfassen, vgl. Nikisch, Arbeitsrecht II, § 89 II.2, 522. 383 Hueck/Nipperdey. Arbeitsrecht II/1, § 35, 678 f.; Andelewski, Staatliche Mindestarbeitsbedingungen, 129 f. 384 Fitting, RdA 1952, 5 („Je besser das freie kollektive Arbeitsrecht sich bewährt, (. . .) um so geringer wird die praktische Auswirkung dieses Gesetzes sein. Andererseits wird zu hoffen sein, dass schon das Vorhandensein eines solchen Gesetzes bei den Beteiligten das Interesse fördern wird, lieber die Verhältnisse in eigener Verantwortung zu ordnen, als staatlichen Regelungen unterworfen zu werden.“). 385 Das Gebot der Lohngleichheit ist als Bestandteil des primären Gemeinschaftsrechts in den Mitgliedstaaten unmittelbar innerstaatlich geltendes Recht, vgl. EuGH
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Schwerbehinderte nicht behinderten Beschäftigten gleich und verlangt eine Gleichbehandlung dieser Gruppen bei arbeitsvertraglichen Vereinbarungen; § 4 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 Satz 2 TzBfG verbieten ausdrücklich, ausgehend von der Gleichstellung teilzeitbeschäftigter mit vollzeitbeschäftigten und befristet eingestellter mit unbefristet beschäftigten Arbeitnehmern, sachgrundlose Lohnhöhendifferenzierungen.386 Nach dem allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz ist es dem Arbeitgeber schließlich generell bei gleichliegenden Sachverhalten verwehrt, einzelne oder Gruppen von Arbeitnehmern willkürlich, d.h. ohne sachlichen Grund, im Sinne einer Schlechterstellung von begünstigenden Regelungen des Arbeitsverhältnisses auszunehmen.387 Keines dieser Gleichbehandlungsgebote führt jedoch dazu, dass sich Nichtorganisierte auf Tarifnormen berufen können, die der Arbeitgeber nur bei Tarifgebundenheit anwendet.388 Eine Tarifnormerstreckung über derartige Gleichbehandlungsgebote ist daher ausgeschlossen. Im Bereich der Vergütung unterliegt die Geltung des allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatzes Einschränkungen: Zwar ist er anwendbar bei Maßnahmen, die der einseitigen Gestaltungsmacht des Arbeitgebers unterliegen, nicht jedoch bei der individuellen Aushandlung der Arbeitsbedingungen mit einzelnen Arbeitnehmern, da hier der Grundsatz der Vertragsfreiheit Vorrang hat, so dass der Arbeitgeber grundsätzlich einzelne Arbeitnehmer hinsichtlich der Vergütung besserstellen kann, ohne dass andere Beschäftigte hieraus einen Anspruch auf Gleichbehandlung herleiten könnten.389 Der Gleichbehandlungsgrundsatz ist erst dann anwendbar, wenn der Arbeitgeber die Leistung nach einem bestimmten, erkennbaren und generalisierenden Prinzip gewährt und sich dabei durch die Festlegung bestimmter Voraussetzungen oder eines bestimmten Zwecks selbst bindet.390 Auch sind individuelle Lohnvereinbarungen den spezialgesetzlichen Gleichbehandlungsgeboten der §§ 612 Abs. 3 Satz 1 BGB, 81 Abs. 2 Satz 1 SGB IX, 4 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 Satz 2 TzBfG unterworfen. Der Arbeitgeber bedarf daher eines besonderen sachlichen Grundes, um die
Urt. v. 11.3.1981 – Rs. 69/80 –, NJW 1981, 2637; Schaub in: MüKo, BGB, § 612 Rn. 242. 386 Bei Teilzeitbeschäftigten gilt daher das Gebot proportionalen Entgelts, Hanau in: MünchArbR, § 62 Rn. 87. 387 St. Rspr. seit BAG, Urt. v. 13.9.1956 – 2 AZR 152/54 –, DB 1956, 991; BAG, Urt. v. 11.8.1998 – 9 AZR 39/97 –, NZA 1999, 474; zur dogmatischen Begründung Marhold/Beckers in: AR-Blattei SD 800.1. Rn. 7 ff. 388 Für den allg. Gleichbehandlungsgrundsatz BAG, 20.7.1960 – 4 AZR 199/59 –, DB 1960, 1131. 389 BAG, Urt. v. 4.5.1962 – 1 AZR 250/61 –, AP Nr. 32 zu § 242 BGB Gleichbehandlung; BAG, 10.4.1973 – 4 AZR 180/72 –, DB 1973, 1755; ebenso bzgl. Einstellungsmodalitäten BAG, Urt. v. 20.8.1986 – 4 AZR 272/85 –, DB 1987, 693. 390 BAG, Urt. v. 15.11.1994 – 5 AZR 682/93 –, NZA 1995, 939; BAG, Urt. v. 18.6.1997 – 5 AZR 259/96 –, BAGE 86, 136.
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durch das Gesetz in diesen Fällen angeordnete Selbstbindung an seine bisherige Vertragsgestaltung bei vergleichbaren Mitarbeitern zu durchbrechen. Dieses sich auf Art. 3 GG gründende Gebot relativer Lohngerechtigkeit beschränkt ihn in seiner Vertrags- und Wettbewerbsfreiheit, indem eigenes vorangegangenes Verhalten über einen gesetzlichen Gleichbehandlungsbefehl zum Maßstab künftiger Vertragsgestaltung wird.391 Gleichbehandlungsgebote dienen damit nicht dem Ausgleich gestörter Vertragsparität oder einer Billigkeitskontrolle einzelner Arbeitsbedingungen, sondern der Verwirklichung austeilender Gerechtigkeit in einer vom Arbeitgeber selbst geschaffenen, eigenen Ordnung.392 cc) Gesetzliche Gleichstellungsgebote Auch das in §§ 3 Abs. 1 Nr. 3, 9 Nr. 2 AÜG enthaltene Gleichstellungsgebot setzt dem Interesse des Verleihers als Arbeitgeber an Lohnkostenminimierung eine Grenze: Für die Zeit der Überlassung muss er seinem Leiharbeitnehmer – unabhängig von dem unmittelbar mit diesem vereinbarten Arbeitsvertragsinhalt – dasjenige Gehalt zahlen, das vergleichbare Arbeitnehmer beim Entleihunternehmen erhalten. In der Regel wird sich dies für ihn nachteilig auswirken, da die Löhne der Leiharbeitsbranche im Vergleich zu sonstigen Wirtschaftsbereichen meist niedriger sind.393 Während die o. g. gesetzlichen und gewohnheitsrechtlichen Gleichbehandlungsgebote letztlich auf der Selbstbestimmung des Arbeitgebers fußen, bewirkt die Gleichstellung des AÜG eine uneingeschränkte Unterworfenheit des Verleihers unter die Arbeitsvertragsgestaltung Dritter ohne jedwede Einflussmöglichkeiten. Hier geht es nicht um die Verpflichtung eines Adressaten zu konsequentem eigenem Verhalten im Sinne einer Gleichbehandlung, sondern um eine gesetzliche Gleichstellung der Leiharbeitnehmer des Verleihers mit den Beschäftigten des Entleihers, die in einer Fremdbestimmung des Verleihers durch die Parteien der beim Entleiher geltenden Arbeitsverträge resultiert. Dieser Fremdbestimmung mangelt es sowohl an einer Legitimation als auch an einer irgendwie gearteten Verhältnismäßigkeitskontrolle des Einzelfalls, so dass sie einen ungerechtfertigten Eingriff in die Vertrags- und Wettbewerbsfreiheit des Verleihunternehmens darstellt, der durch die Schutzfunktion zugunsten der Leiharbeitnehmer nicht aufgewogen werden kann.394 Wenn das BAG bereits im Falle einer grundsätzlich möglichen Selbstbindung eines einzigen Arbeitgebers ausdrücklich festhält, dass es keinen allgemeinen 391 Gleichbehandlungsgebote verursachen daher relative Mindestarbeitsbedingungen, d.h. auch relative Mindestlöhne, vgl. Andelewski, Staatliche Mindestarbeitsbedingungen, 213, 223, 252. 392 Iustitia distributiva i.Ggs. zur iustitia commutativa, vgl. Richardi in: MünchArbR, § 14 Rn. 3 f.; Andelewski, Staatliche Mindestarbeitsbedingungen, 252. 393 Hierzu s. o. unter Teil 1 § 1 A. II. 2. b) bb) (2) (b). 394 A. A. Grobys/Schmidt/Brocker, NZA 2003, 777.
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Grundsatz „gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ gibt395, so gilt dies erst recht für den Fall der Gewährung unterschiedlich hoher Löhne für die gleiche Art von Arbeit durch zwei verschiedene Arbeitgeber. Auch stellen die §§ 3 Abs. 1 Nr. 3, 9 Nr. 2 AÜG keine den Grundsatz des Art. 3 GG konkretisierende Bestimmung im Sinne dieser Rechtsprechung dar, die einen Eingriff in Freiheitsgrundrechte rechtfertigen könnte, da Art. 3 GG lediglich eine Selbstbindung ein und desselben „Normgebers“ verlangt und keine Unterwerfung unter Fremdbestimmungsakte eines Dritten. Diese Fremdbestimmung erfolgt im Falle der §§ 3 Abs. 1 Nr. 3, 9 Nr. 2 AÜG weder durch mitgliedschaftlich legitimierte Tarifparteien noch durch einen demokratisch legitimierten Staat, sondern durch zwei Individuen, nämlich die Arbeitsvertragsparteien im Entleihunternehmen. Die einzige, zudem auf die Person des Arbeitgebers im Entleihunternehmen beschränkte, Verbindung des Verleihers beruht auf der mit diesem geschlossenen Überlassungsvereinbarung. Im Unterschied zu sonstigen staatlich angeordneten Fremdbestimmungen, wie § 5 Abs. 4 TVG, den Fällen faktischer Kartellwirkung von Tarifverträgen iSd. §§ 612 Abs. 2 BGB, 59 HGB, 10 BBiG, 19 HAG, 138 BGB oder dem MindArbG hat der Staat hier keinerlei Einfluss auf den Inhalt der für den Verleiher zwingend geltenden Arbeitsvertragsbedingungen.396 Der pauschale Geltungsbefehl des Staates erschöpft sich hier in der gesetzgeberischen Vorgabe eines Mindestlohnes, auf dessen konkreten Inhalt der Staat sich jedweder Einflussnahme im Sinne einer Angemessenheitsprüfung des Einzelfalls entledigt hat und die Vertrags- und Wettbewerbsfreiheit der Normunterworfenen daher unverhältnismäßig einengt, die ihre Angebote auf dem Leiharbeitsmarkt nur noch unter diesen vom potentiellen Vertragspartner diktierten Bedingungen als Kalkulationsgrundlage erstellen können. Bereits mehrere Jahre vor Einführung der §§ 3 Abs. 1 Nr. 3, 9 Nr. 2 AÜG hatte ein Gesetzentwurf des Bundesrates eine ähnliche Gleichstellung vorgesehen, die der Bundestag aus den oben genannten Gründen damals noch ablehnte.397 Dieser Entwurf betraf sämtliche möglichen Formen eines mobilen Arbeitnehmereinsatzes in fremden Betrieben398 und sah in §§ 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 die Unwirksamkeit des jeweiligen Arbeitsvertrages insoweit vor, als dessen Bedingungen in einem auffälligen Missverhältnis zu den am jeweiligen Einsatzort geltenden Tarifverträgen oder branchenüblichen Arbeitsbedingungen standen. Ein „auffälliges Missverhältnis“ war nach § 1 Abs. 2 des Entwurfes insbesondere dann anzunehmen, wenn die Entlohnung um 20 % hinter dem Tarifvertrag 395
BAG, Urt. v. 21.6.2000 – 5 AZR 806/98 –, NZA 1050. Waas, BB 2003, 2175. 397 Entwurf eines „Gesetzes zur Bekämpfung von Lohndumping“ vom 14.8.1991, BT-Dr. 12/1060; Ablehnung durch Bundestagsbeschluss vom 20.1.1994, BR-Dr. 59/ 94; dessen Begründung ergibt sich aus der Stellungnahme der Bundesregierung, Anlage 2 zum Gesetzentwurf, BT-Dr. 12/1060. 398 s. o. Teil 1 § 1 A. I. 396
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zurückblieb, der für den Entleihbetrieb bzw. den Betrieb des Einsatzortes fachlich einschlägig war; in Ermangelung eines Tarifvertrages sollte derselbe Prozentsatz für Abweichungen von der am Einsatzort branchenüblichen Entlohnung gelten. Im Unterschied zu den Bestimmungen des AÜG setzte der damalige Entwurf eine Tarifbindung des Entleihers nicht voraus. Angeknüpft für die Ermittlung eines „auffälligen Missverhältnisses“ wurde lediglich an den für den Entleih- bzw. Einsatzbetrieb theoretisch fachlich einschlägigen Tarifvertrag bzw. an die am Einsatzort branchenüblichen Bedingungen, unabhängig von der tatsächlichen Handhabung des Entleihunternehmens. Der Entwurf enthält damit zwar keinen Gleichstellungsautomatismus der Leiharbeitnehmer mit den Beschäftigten des Entleihers, aber einen auf die am Einsatzort geltenden tariflichen bzw. branchenüblichen gerichteten staatlichen Geltungsbefehl. Im Unterschied zu den sonstigen Fällen faktischer Kartellwirkung von zur Ermittlung des Marktwertes der Arbeitsleistung herangezogenen Tarifverträgen399 kommt hier dem Fremdbestimmungselement aufgrund des Arbeitnehmereinsatzes in einer fremden Betriebsorganisation noch eine erhebliche Steigerung zu. Arbeitnehmermobilität sollte, unabhängig von einer etwaigen eigenen Tarifbindung der Arbeitsvertragsparteien, zu einer zwingenden Unterwerfung unter die von Dritten ausgehandelten, am Einsatzort geltenden Arbeitsbedingungen führen, so dass auch hier von einer Gleichstellung der mobil eingesetzten Arbeitnehmer, allerdings mit einer lediglich abstrakt definierten Gruppe von Arbeitnehmern anderer Arbeitgeber am Einsatzort, zu sprechen ist. Auch mit diesem Entwurf war eine Unterbindung von „Wettbewerbsverzerrungen“ beabsichtigt, die in dem mobilen Einsatz von Arbeitnehmern aus Tarifgebieten mit niedrigem Lohnniveau in Hochlohngebieten und in dadurch bedingten sozialen Spannungen ihre Ursache habe.400 Kurz nach der Wiedervereinigung betraf er insbesondere ostdeutsche Unternehmen, deren Wettbewerbsvorteil niedrigerer Arbeitskosten auf westdeutschen Güter- und Dienstleistungsmärkten damit entfallen sollte, was zugleich die Arbeitslosigkeit in Ostdeutschland erhöht hätte. Als Durchbrechung bewährter Grundsätze des Tarifrechts, wonach dem Gesetzgeber nicht die Aufgabe zukomme, zumindest indirekt die Lohnhöhe in bestimmten Bereichen der Wirtschaft zu regeln, und er zudem den Bürger nicht schrankenlos der normsetzenden Gewalt autonomer Gremien ausliefern dürfe, wurde der Entwurf vom Bundestag abgelehnt.401 Auch diese Gleichstellung hätte einen unverhältnismäßigen Eingriff in die Arbeitsvertragsfreiheit und individuelle wie kollektive Koalitionsfreiheit dargestellt, der letzt-
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s. o. Teil 1 § 1 B. I. 2. b). Gesetzentwurf des Bundesrates vom 14.8.1991, BT-Dr. 12/1060, 7. 401 Vgl. Stellungnahme der Bundesregierung, Anlage 2 zum Gesetzentwurf, BT-Dr. 12/1060; Beschlussempfehlung des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung vom 30.3.1993, BT-Dr. 12/4723, 4. 400
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lich Wettbewerbsverzerrungen nicht verhindert, sondern einen intakten Wettbewerb erst verfälscht hätte. b) Tarifvertragliche Schranken aa) Anwendungsbereich von Tarifverträgen Die Lohnfindung als Kerngegenstand der Tarifautonomie402 wirkt sich als Grenze arbeitsvertraglicher Entgeltvereinbarungen einseitig zu Lasten des Arbeitgebers aus, indem sie ein Unterschreiten des tariflichen Lohnniveaus verbietet und Abweichungen gem. § 4 Abs. 3 TVG lediglich zugunsten des Arbeitnehmers zulässt. Bei zwingender Tarifwirkung setzen Tarifverträge dem individualvertraglichen Gestaltungsspielraum eine Grenze, die anderenfalls, d.h. in Ermangelung von Tarifverträgen, erst in den Weiten des Lohnwuchers bzw. der „Unzulänglichkeit“ iSv. § 138 BGB und HAG zu suchen wäre. Abgesehen von der Tarifbindung der Arbeitsvertragsparteien hängt die Anwendbarkeit derartiger Tarifverträge auf das einzelne Arbeitsverhältnis vom Umfang der satzungsmäßigen Tarifzuständigkeit der Tarifparteien ab, die ihrerseits die äußere Grenze ihrer Tarifmacht bildet. Innerhalb dieses Rahmens bestimmen die Tarifparteien den Geltungsbereich des Tarifvertrages als Ausschnitt ihrer gemeinsamen Tarifzuständigkeit und legen damit die Reichweite tariflicher Normwirkung fest.403 Je nach dem, welchen Anknüpfungspunkt sie dabei wählen, kann ein mobiler Arbeitnehmereinsatz den räumlichen Geltungsbereich des Tarifvertrages verlassen mit der Folge, dass seine zwingende Norm- und Kartellwirkung erlischt.404 Aber auch die faktische Kartellwirkung von Tarifverträgen aufgrund gesetzlichen Geltungsbefehls ist durch den jeweiligen räumlichen Geltungsbereich des Tarifvertrages begrenzt. So kann der Marktwert der Arbeitsleistung durch einen Rückgriff auf das am Leistungsort geltende Tarifgehalt ermittelt werden405, auch bei der Überprüfung der Angemessenheit des individualvertraglichen Leistungsaustauschs kann das theoretisch räumlich einschlägige Tarifgehalt als Maßstab dienen.406 Schließlich ist auch die Bindung von Tariftreueerklärungen auf ortsübliche, am Leistungsort geltende Tariflöhne beschränkt407, und gesetzliche Gleichstellungsgebote betreffen ebenfalls nur den im Einsatzbetrieb räumlich geltenden Tariflohn.408 Während jedoch die zwingende Normwirkung iSd. 402 403 404 405 406 407
s. o. Teil 1 § 1 B. I. 3. Löwisch/Rieble in: MünchArbR, § 264 Rn. 1. s. o. Teil 1 § 1 A. II. 1. b). Vgl. § 612 Abs. 2 BGB, § 59 HGB, s. o. Teil 1 § 1 B. I. 2. b) aa). Vgl. § 10 BBiG, § 19 HAG, § 138 BGB, s. o. Teil 1 § 1 B. I. 2. b) aa). s. o. Teil 1 § 1 B. I. 2. b) cc).
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§ 4 Abs. 1 Satz 1 TVG im Falle der mobilitätsbedingten Geltungsbereichsüberschreitung zugleich mit ihrer Kartellwirkung erlischt, bleibt die bloß faktische Kartellwirkung bestehen. Denn aufgrund des fortwirkenden gesetzlichen Geltungsbefehls wird der zunächst einschlägige Tarifvertrag durch einen nach der Geltungsbereichsüberschreitung anwendbaren Tarifvertrag ersetzt. Ein solcher Tarifwechsel ermöglicht mithin einen kontinuierlichen Bezugspunkt faktischer Kartellwirkung. bb) Tariflohnunterschreitung als Rechtsbruch iSd. UWG Die o. g. wettbewerbsbeschränkende Wirkung tariflichen Normzwanges verstärkt sich weiter, wenn die Missachtung des tariflichen Mindestlohnes durch einen tarifgebundenen Arbeitgeber auch wettbewerbsrechtliche Sanktionen nach sich zieht. In diesem Fall wandelt sich die Tariflohnunterschreitung vom ausschließlich im Innenverhältnis der Vertragsparteien erfolgten reinen Arbeitsvertragsbruch in einen durch externe Dritte, nämlich die Konkurrenten des Arbeitgebers auf Güter- und Dienstleistungsmärkten, rügbaren Rechtsverstoß um. Die Wirkung des Tarifnormzwangs als Wettbewerbsschranke zieht auf diese Weise deutlich weitere Kreise, vorausgesetzt, die vom Arbeitgeber gegenüber seinen Arbeitnehmern vorgenommene Tariflohnunterschreitung lässt sich zugleich als unlautere Wettbewerbshandlung zu Lasten seiner Konkurrenten auf Güter- und Dienstleistungsmärkten qualifizieren. Auch wenn Tarifverträge trotz ihrer wettbewerbsbeschränkenden Kartellwirkung nicht dem GWB unterliegen409, kommt eine Anwendung der Vorschriften des UWG auf das durch Tarifbindungen beeinflusste Wettbewerbsverhalten von Unternehmern auf Güter- und Dienstleistungsmärkten theoretisch durchaus in Betracht. Das UWG schützt Mitbewerber und Kunden vor unlauterem Marktverhalten und kann dadurch zu Lasten des Arbeitgebers als Marktteilnehmer wettbewerbsbeschränkend wirken. Die Frage, wann genau ein Rechtsnormverstoß zur Unlauterkeit einer Wettbewerbshandlung führt, gehörte bis zur UWGReform 2004 zu den schwierigsten und umstrittensten des Wettbewerbsrechts.410 Eine bereits im Jahr 2000 vollzogene Wende der Rechtsprechung des BGH zur früheren Generalklausel § 1 UWG a. F.411 führte zu einer Einschränkung des zuvor nahezu uferlos gewordenen Rechtsbruchtatbestandes und fand 408
s. o. Teil 1 § 1 B. II. 1. a) cc). s. o. unter Teil 1 § 1 B. I. 2. a) bb). 410 So Köhler in: Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, UWG, § 4 Rn. 11.1; Emmerich, Unlauterer Wettbewerb, 420. 411 BGH, Urt. v. 11.5.2000 – I ZR 28/98 („Abgasemissionen“) –, BGHZ 144, 255; diese Wende wurde eingeleitet durch BGH, Urt. v. 17.7.1997 – I ZR 58/95 („Tiapridal“), NJW 1998, 1792 sowie BGH, Urt. v. 3.12.1998 – I ZR 119/96 („Hormonpräparate“) –, BGHZ 140, 134 und durch BGH, Urt. v. 6.10.1999 – I ZR 46/97 („Gift409
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letztlich ihren Niederschlag in der seit Juli 2004 geltenden Neufassung des § 4 Nr. 11 UWG412: Danach handelt iSd. § 3 UWG unlauter, wer einer gesetzlichen Vorschrift zuwiderhandelt, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln. Objekt des Rechtsbruchs gem. § 4 Nr. 11 UWG ist eine gesetzliche Vorschrift, d.h. jede Rechtsnorm iSd. Art. 2 EGBGB mit Geltung im Inland.413 Davon sind privatautonome Verträge abzugrenzen, auch wenn die Verletzung vertraglicher Bindungen ihrerseits beim Hinzutreten besonderer, über den reinen Vertragsbruch hinausgehender Unlauterkeitsumstände einen Wettbewerbsverstoß iSd. § 3 UWG darstellen kann.414 Derartige Umstände sind insbesondere bei der Missachtung vertraglicher Preisbindungssysteme durch ein Kartellmitglied denkbar. Wenn sich nämlich ein Wettbewerber bewusst über einen Vertrag hinwegsetzt, um die Vertragstreue seiner Mitbewerber zum eigenen Vorteil im Wettbewerb für sich auszunutzen, dann erschöpft sich dieser Vertragsbruch nicht im vertraglichen Unrecht, sondern kann zugleich einen marktbezogenen Wettbewerbsverstoß darstellen.415 Auch ein tarifgebundener Unternehmer kann die zwingende Tarifgeltung bewusst missachten und die Vertragstreue seiner gleichermaßen tarifgebundenen Mitbewerber mittels Tarifunterschreitung zu seinem Vorteil nutzen. Dennoch handelt es sich hierbei nicht um einen Fall der Verletzung vertraglicher Bindungen, da der Rechtsnormcharakter eines Tarifvertrages gegenüber seiner Eigenschaft als schuldrechtlicher Vertrag überwiegt, insbesondere wenn es um das Wettbewerbsverhalten der Tarifunterworfenen geht.416 Denn der hier wettbewerbsrelevante Verstoß betrifft § 4 Abs. 1 Satz 1 TVG, der neben § 1 Abs. 1 TVG den Tarifinhalt ausdrücklich als Rechtsnormen und damit als „Gesetze“ iSd. Art. 2 EGBGB qualifiziert, die aufgrund ihrer gesteigerten fremdbestimmenden Wirkung zumindest gesetzesgleich von außen unmittelbar auf den Arbeitsvertrag einwirken, ohne dass die Tarifbestimmungen zum Bestandteil des Individualvertrages würden.417 Tarifverträge sind
notruf-Box“) –, GRUR 2000, 237; Einzelheiten bei Zeppernick, Vorsprung durch Rechtsbruch, Rn. 227 ff. 412 In die Beispielstatbestände des § 4 UWG n. F. ist die zur früheren Generalklausel entwickelte Klassifizierung von Wettbewerbsverstößen in Fallgruppen – nämlich Kundenfang, Behinderung, Ausbeutung, Rechtsbruch und Marktstörung, vgl. Rittner, Wettbewerbs- und Kartellrecht, § 2 Rn. 44 – miteingeflossen, Köhler in: Baumbach/ Hefermehl, Wettbewerbsrecht, UWG, Einl. Rn. 2.14, 2.19. 413 Köhler in: Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, UWG, § 4 Rn. 11.24. 414 Vgl. BGH, Urt. v. 27.6.1975 – I ZR 97/74 –, GRUR 1976, 427; Urt. v. 9.7.1987 – I ZR 140/85 –, GRUR 87, 832. 415 Vgl. RG, Urt. v. 16.6.1936 – II 295/35 –, JW 1936, 3125. 416 A. A. Rittner, Wettbewerbs- und Kartellrecht, § 2 Rn. 97, der die Tariflohnunterschreitung (ohne nähere Begründung) als Fall des Verstoßes gegen vertragliche Bindungen ansieht.
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daher stets, und zwar unabhängig von ihrer etwaigen Allgemeinverbindlicherklärung, als gesetzliche Vorschriften auch iSd. § 4 Nr. 11 UWG einzustufen.418 Der Rechtsbruchtatbestand des § 4 Nr. 11 UWG verlangt darüber hinaus einen besonderen, durch Auslegung zu ermittelnden Schutzzweck der verletzten Norm: Die Vorschrift muss (zumindest) auch dazu bestimmt sein, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln. Auf diese Weise verengt sich der Rechtsnormbegriff des neuen UWG auf eine Marktverhaltensregelung zum Schutz der Marktteilnehmer als Kern sowohl des Regelungsgegenstandes als auch des Regelungszwecks der gesetzlichen Vorschrift iSd. § 4 Nr. 11 UWG. Ob Tarifverträge über einen solchen Marktbezug verfügen, ist bislang nicht gerichtlich geklärt – im Gegensatz zur früheren Rechtslage: Bis zum Jahr 2000 unterschied die Rechtsprechung generell zwischen der Verletzung wertbezogener und wertneutraler Normen. Der Verstoß gegen Vorschriften, denen eine sittlich-rechtliche Wertung iSd. UWG zugrunde lag, oder die eine unmittelbare Wettbewerbsbezogenheit aufwiesen und besonders wichtige Gemeinschaftsgüter schützten, indizierte in aller Regel die Unlauterkeit des Verhaltens und stellte damit ohne weiteres einen Wettbewerbsverstoß dar.419 Demgegenüber beruhten sog. wertneutrale Normen lediglich auf Gründen ordnender Zweckmäßigkeit, ohne zugleich Ausdruck einer sittlich-rechtlichen Wertung zu sein; ein Rechtsbruch stellte hier erst dann einen Wettbewerbsverstoß dar, wenn der Handelnde dabei bewusst und planmäßig vorging, um dadurch vor normtreuen Mitbewerbern einen Wettbewerbsvorsprung zu erlangen.420 Auf dieser Basis konnte die Nichtanwendung eines zwingend geltenden Tarifvertrages durchaus eine sittenwidrige Wettbewerbshandlung iSd. § 1 UWG a. F. darstellen. Die Rechtsprechung ordnete Tarifverträge, auch allgemeinverbindliche, der Kategorie wertneutraler Normen zu.421 Demnach war die Unterschreitung des an und für sich zwingenden Tarifniveaus nur dann unlauter, wenn sie systematisch und beharr417 GhM., vgl. BAG, Urt. v. 15.1.1987 – 6 AZR 589/84 –, AP Nr. 21 zu § 75 BPersVG; BVerfG, Beschl. v. 24.5.1977 – 2 BvL 11/74 –, AP Nr. 15 zu § 5 TVG; Heldrich in: Palandt, BGB, Art. 2 EGBGB Rn. 1. 418 Die bisherige Rechtsprechung zur Tarifunterschreitung als Wettbewerbsverstoß nach § 1 UWG a. F. ging ohne weitere Erörterung vom Rechtsnormcharakter von Tarifverträgen aus, allerdings handelte es sich in den bislang entschiedenen Fällen stets um allgemeinverbindliche Tarifverträge, vgl. BGH, Urt. v. 3.12.1992 – 1 ZR 276/90 –, AP Nr. 10 zu § 1 UnlWG; RG, Urt. v. 12.4.1927 – II 425/26 –, RGZ 117, 16; KG, Urt. v. 7.11.1980 – 5 U 3757/80 –, WRP 1981, 275; OLG Stuttgart, Urt. v. 8.5.1987 – 2 U 168/86 –, NJW-RR 1988, 103; OLG Frankfurt, Urt. v. 7.7.1988 – 6 U 116/87 –, GRUR 1988, 844; OLG Hamburg, Urt. v. 27.11.1986 – 3 U 42/86 –, NJW 1987, 1651. 419 BGH, Urt. v. 9.10.1986 – I ZR 138/84 –, BGHZ 98, 330 (336 f.); Urt. v. 26.5. 1972 – I ZR 8/71 –, GRUR 1972, 607. 420 BGH, Urt. v. 19.5.1982 – I ZR 122/80 –, BGHZ 84, 130 (135). 421 Ausdrücklich BGH, Urt. v. 3.12.1992 – I ZR 276/90 –, AP Nr. 10 zu § 1 UnlWG; OLG Stuttgart, Urt. v. 8.5.1987 – 2 U 168/86 –, NJW-RR 1988, 103; OLG Frankfurt, Urt. v. 7.7.1988 – 6 U 116/87 –, GRUR 1988, 844; stillschweigend RG,
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lich zu dem Zweck erfolgte, sich damit einen Wettbewerbsvorteil gegenüber vertragstreuen Mitbewerbern zu verschaffen. Für diesen Wettbewerbsvorteil reichte die durch eine Tarifunterschreitung geschaffene bloß theoretische Möglichkeit einer besseren Preisgestaltung nicht aus. Vielmehr musste die durch die Tariflohnunterschreitung gegebene bessere betriebswirtschaftliche Ausgangslage auch tatsächlich in die Kalkulation der Leistungsangebote einfließen und durfte nicht anderweitig wettbewerbsneutral genutzt werden.422 Denn nur dann wurde die Tariflohnunterschreitung als zunächst nur innerbetrieblicher Vorgang wettbewerbsrechtlich relevant, nämlich durch einen tatsächlichen Wettbewerbsvorsprung aufgrund Rechtsbruchs zur unlauteren Wettbewerbshandlung iSd. vormaligen § 1 UWG. Die Abgrenzung rein innerbetrieblicher Vorgänge im Vorfeld der Marktteilnahme vom tatsächlichen Wettbewerbsverhalten als Anknüpfungspunkt des Unlauterkeitsvorwurfs erfolgt heute über das Kriterium des Marktbezugs von Rechtsnorm und zum Verstoß führendem Handeln. Danach ist nicht jede Wettbewerbshandlung, die mittelbar auf einem Verstoß gegen eine gesetzliche Vorschrift beruht und Auswirkungen auf den Wettbewerb haben kann, unlauter. Geht der Gesetzesverstoß dem tatsächlichen Wettbewerbsverhalten am Markt zeitlich voraus, reicht die o. g. reine Kausalität der Auswirkungen des Rechtsbruchs auf den konkreten Angebotsinhalt nicht mehr aus für die Annahme der für den Unlauterkeitsvorwurf erforderlichen Wettbewerbsrelevanz des Verhaltens. Hinzu kommen muss vielmehr eine zumindest „sekundäre wettbewerbsbezogene Schutzfunktion“ des verletzten Gesetzes.423 Trotz ihrer kartellmäßigen Auswirkungen auf den Wettbewerb der Arbeitgeberseite verfügen Tarifnormen über keinen derartigen Schutzzweck. Auch beinhalten tarifliche Lohnfestsetzungen keine Regelung des Marktverhaltens der Arbeitgeber in ihrer Eigenschaft als Unternehmer auf Güter- und Dienstleistungsmärkten. Das für Tarifverträge maßgebliche Prinzip der Vertragsgerechtigkeit reduziert den Tarifinhalt auf einen Interessenausgleich der Arbeitsvertragsparteien, in den weder Allgemeininteressen am Schutz wichtiger Gemeinschaftsgüter noch Wettbewerbsinteressen Dritter miteinfließen. Daran ändert auch die Allgemeinverbindlicherklärung eines Tarifvertrages nichts. Sie dient primär sozialpolitischen Zielen, nicht dem Schutz von Individualinteressen im Wettbewerb, und ist damit wettbewerbsneuUrt. v. 12.4.1927 – II 425/26 –, RGZ 117, 16; KG, Urt. v. 7.11.1980 – 5 U 3757/80 –, WRP 1981, 275. 422 BGH, Urt. v. 3.12.1992 – I ZR 276/90 –, AP Nr. 10 zu § 1 UnlWG; RG, Urt. v. 12.4.1927 – II 425/26 –, RGZ 117, 16; KG, Urt. v. 7.11.1980 – 5 U 3757/80 –, WRP 1981, 275; OLG Stuttgart, Urt. v. 8.5.1987 – 2 U 168/86 –, NJW-RR 1988, 103; OLG Frankfurt, Urt. v. 7.7.1988 – 6 U 116/87 –, GRUR 1988, 844; a. A. OLG Hamburg, Urt. v. 27.11.1986 – 3 U 42/86 –, NJW 1987, 1651. 423 So ausdrücklich BGH, Urt. v. 11.5.2000 – I ZR 28/98 („Abgasemissionen“) –, BGHZ 144, 255 (267); hierzu näher Zeppernick, Vorsprung durch Rechtsbruch, Rn. 242 ff.; ders., WRP 2000, 1069.
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tral.424 Insbesondere kann das öffentliche Interesse iSd. § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 TVG nicht mit Wettbewerbserwägungen im Verhältnis der Arbeitgeber zueinander begründet werden.425 Interessen der Teilnehmer an Güter- und Dienstleistungsmärkten sind weder Regelungs- noch Schutzobjekt tariflicher Lohnfestsetzungen, die ausschließlich arbeitsmarktbezogen wirken. Sowohl allgemeinverbindlichen als auch einfachen Tarifnormen fehlt es mithin am erforderlichen auf den Wettbewerb an Güter- und Dienstleistungsmärkten ausgerichteten Marktbezug.426 Da der Unlauterkeitsvorwurf der §§ 3, 4 Nr. 11 UWG allein an das objektive Marktverhalten anknüpft, kommt es insofern entgegen der früheren Rechtsprechung auch nicht mehr auf die Absicht an, durch den Rechtsbruch einen Vorsprung im Wettbewerb zu erlangen.427 Nach alledem führen Tariflohnunterschreitungen nicht zu wettbewerbsrechtlichen Sanktionen, eine wettbewerbsrechtliche Schrankenwirkung tariflichen Normzwangs entfällt. 2. Schranken des örtlich flexiblen Arbeitnehmereinsatzes a) Gesetzliche Schranken Die individualarbeitsrechtliche Zulässigkeit eines mobilen Arbeitnehmereinsatzes unterliegt keiner originär gesetzlichen Schranke. Der Ort der Leistungshandlung ist mit der Dienstleistungsverpflichtung als solcher untrennbar verbunden und daher ebenfalls Kern der von den Arbeitsvertragsparteien selbst zu vereinbarenden essentialia negotii, an den die ein Arbeitsverhältnis voraussetzenden Vorschriften erst anknüpfen können.428 Diese vertraglich festgelegte Leistungsverpflichtung bildet einen Rahmen, dessen Ausfüllung im Wege arbeitgeberseitiger Anordnungen jedoch der gesetzlichen Kontrolle des § 315 BGB unterliegt. So begrenzt das Gebot der Angemessenheit das Direktionsrecht des Arbeitgebers im Hinblick auf einen örtlichen flexiblen Arbeitnehmereinsatz, und zwar sowohl bei mobilen Arbeitseinsätzen innerhalb eines Unternehmens
424 s. o. unter Teil 1 § 1 B. I. 2. a) cc) (2); a. A. noch das OLG Hamburg, Urt. v. 27.11.1986 – 3 U 42/86 –, NJW 1987, 1651, das für die erforderliche Wettbewerbsrelevanz der Allgemeinverbindlicherklärung bereits deren sozialpolitischen Schutzzweck ausreichen ließ. 425 BAG, Urt. v. 24.1.1979 – 4 AZR 377/77 –, AP Nr. 16 zu § 5 TVG. 426 Im Ergebnis ebenso Zeppernick, Vorsprung durch Rechtsbruch, Rn. 434 ff.; Köhler in: Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, UWG, § 4 Rn. 11.38 (beide bzgl. allgemeinverbindlicher Tarifverträge). 427 „Ein Marktverhalten wird grundsätzlich nicht schon dadurch wettbewerbsrechtlich unlauter, dass es Vorteile aus einem vorangegangenen Verstoß gegen ein Gesetz ausnutzt, das keinen unmittelbaren Marktbezug aufweist (. . .).“, BGH, Urt. v. 11.5.2000 – I ZR 28/98 („Abgasemissionen“) –, BGHZ144, 255 (268); Köhler in: Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, UWG, § 4 Rn. 11.58. 428 s. o. unter Teil 1 § 1 A. II. 1. a) und B. I. 3.
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als auch im Falle des die Unternehmensgrenzen überschreitenden Arbeitnehmerverleihs und der konzerninternen Mobilität.429 Eine erhebliche Änderung der Arbeitsumstände ist die Grenze der §§ 95 Abs. 3, 99 BetrVG, deren Überschreitung durch den Arbeitgeber in betriebsverfassungsrechtlicher Hinsicht zu einem Beschäftigungsverbot führt. Diese Arbeitsumstände sind zwar primär nach den objektiven betrieblichen Gegebenheiten zu beurteilen, jedoch fußen auch diese letztlich auf der individuellen Ausformung der Dienstleistungspflicht durch die Parteien des Arbeitsvertrages. Dies gilt gem. § 95 Abs. 3 Satz 2 BetrVG auch für den Fall der Zuweisung eines anderen Arbeitsbereichs für länger als einen Monat, wenn ein ständig wechselnder Einsatzort nach der Eigenart des Arbeitsverhältnisses üblich ist.430 Damit wird trotz der mobilitätsbeschränkenden Wirkung des § 99 BetrVG auch das Eingreifen von Mitbestimmungsrechten des Betriebsrates letztlich durch den parteiautonom festgelegten Arbeitsvertragsinhalt steuerbar. Demgegenüber stellt § 1 Abs. 1 Satz 1 AÜG eine deutlich stärkere Schranke für mobile Arbeitnehmereinsätze dar. Indem § 3 Abs. 1 Nr. 3 AÜG den Verleiher unter Androhung der Versagung einer Überlassungserlaubnis zur Einhaltung der im jeweiligen Entleihbetrieb geltenden Arbeitsbedingungen zwingt, wirkt bereits die Erlaubnispflicht des § 1 Abs. 1 Satz 1 AÜG als ein Mittel arbeitsvertraglicher Inhaltskontrolle.431 Da § 3 Abs. 3 Nr. 3 AÜG zudem, im Gegensatz zum Unwirksamkeitsgrund des § 9 Nr. 2 AÜG, die Arbeitsbedingungen im Entleihbetrieb nicht als Mindestschutz definiert, kann der Verleiher nicht einmal durch ein eigenes, zugunsten seiner Leiharbeitnehmer hohes Niveau der Arbeitsbedingungen die jeweilige Erlaubniserteilung mittelbar steuern. b) Tarifvertragliche Schranken aa) Tarifliche Mobilitätsregelungen Regelungen in Tarifverträgen über die Zulässigkeit mobiler Arbeitseinsätze sind selten, in der Regel wird sie lediglich mittelbar durch die Festlegung der Bedingungen eines mobilen Einsatzes durch die Aufnahme besonderer finanzieller Entgeltbestandteile wie Fahrtkostenabgeltungen, Verpflegungszuschüsse oder Auslösungen432 beeinflusst. Tarifverträge knüpfen wie Gesetze an die im Arbeitsvertrag getroffene Vereinbarung über die Art der geschuldeten Tätigkeit an, aus der sich – neben der Einstufung in Gehaltsgruppen u. a. – auch der Leistungsort ergibt. Als Kern zwingend individuell zu vereinbarender essentialia 429 430 431 432
s. o. unter Teil 1 § 1 A. II. 1. a), 2. a) und 3. a). s. o. unter Teil 1 § 1 A. II. 1. c) bb), 2. c) bb) und 3. c) bb). s. o. unter Teil 1 § 1 A. II. 2. b) bb) (2) (b). Vgl. § 7 BRTV-Bau vom 4.7.2002.
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negotii ist der hinsichtlich des Leistungsortes ausdrücklich oder zumindest konkludent getroffene Arbeitsvertragsinhalt keiner Erweiterung durch Tarifverträge zugänglich, allenfalls einer Konkretisierung.433 Aus demselben Grund können Regelungen in Tarifverträgen mobile Einsätze der Arbeitnehmer entgegen der jeweiligen arbeitsvertraglichen Vereinbarung nicht einschränken. Teilweise verlangen Tarifverträge sogar ausdrücklich eine Ausrichtung der Bestimmung des jeweiligen Leistungsortes an der „im Rahmen der im Arbeitsvertrag getroffenen Bestimmung“434 und bestätigen damit die Vereinbarung über die Art der Dienstpflicht als Kern individueller Gestaltungsautonomie. bb) Tarifliche Geltungsbereichsbestimmungen Demgegenüber können tarifliche Geltungsbereichsbestimmungen Arbeitnehmermobilität faktisch beschränken. Aufgrund ihrer Tarifautonomie sind die Tarifpartner frei, den Geltungsbereich der von ihnen abgeschlossenen Tarifverträge selbst zu bestimmen und ihn dabei ggf. auf einen Ausschnitt ihrer gemeinsamen Tarifzuständigkeit einzugrenzen. Die Reichweite des räumlichen Geltungsbereichs von Tarifverträgen variiert in den einzelnen Wirtschaftszweigen. Insbesondere im öffentlichen Dienst und im Baugewerbe (BAT bzw. BATO und BRTV Bau) werden Tarifverträge generell auf Bundesebene abgeschlossen, auch weisen Manteltarifverträge häufig eine breitere territoriale Ausdehnung auf als Entgelttarife. Kommt es jedoch im Einzelfall aufgrund einer mobilitätsbedingten Geltungsbereichsüberschreitung zum Tarifwechsel oder gar zur Tariflosigkeit des Arbeitsverhältnisses435, so kann sich die ggf. damit verbundene Änderung des Arbeitsvertragsinhaltes faktisch mobilitätsbeschränkend auswirken, insbesondere wenn dies aus Sicht des Arbeitgebers zu einer Anhebung des Lohnniveaus oder sonstiger Arbeitsbedingungen führt. Bei der autonomen Geltungsbereichsbestimmung durch die Tarifparteien können diese durch die Festlegung besonderer Anknüpfungspunkte auch eigene Kollisionsregeln aufstellen. Derartige Anknüpfungspunkte wurden insbesondere nach der Wiedervereinigung angesichts des Ost-West-Gefälles der tariflichen Lohnhöhen436 relevant, aufgrund dessen die Voraussetzungen eines etwaigen Tarifwechsels im Fall mobiler Arbeitnehmereinsätze als besonders klärungsbedürftig erschienen.437 Denn gilt der Betriebssitz als Schwerpunkt des Arbeits433
s. o. unter Teil 1 § 1 A. II. 1. a). So § 2 Abs. 2 des zwischen dem Bundesverband Zeitarbeit und der DAG mit Geltung ab dem 1.1.1986 für Zeitarbeitnehmer geschlossenen Tarifvertrages. 435 s. o. unter Teil 1 § 1 A. II. 1. b) bb). 436 Nachweise bei Zachert in: Kempen/Zachert, TVG, § 4 Rn. 90. 437 Eine solche Klärung kann allerdings ausschließlich durch die Auslegung der betroffenen Tarifverträge erfolgen, nicht jedoch durch eine analoge Anwendung des gesetzlichen Kollisionsrechts des Art. 30 Abs. 2 EGBGB, s. o. unter Teil 1 § 1 A. II. 1. 434
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verhältnisses, so führt dieser (häufig unterstellte)438 örtliche Anknüpfungspunkt in Tarifverträgen zu einem tariflich begründeten und vielfach als „Dumping“ verurteilten Wettbewerbsvorsprung439 der Unternehmen mit Sitz in den neuen Bundesländern beim mobilen Einsatz ihrer Arbeitnehmer im Gebiet der alten Bundesländer.440 Im Bereich des öffentlichen Dienstes haben dieselben Tarifparteien mit dem BAT und dem BAT-O zwei separate Vertragswerke geschaffen, die zwischen Arbeitsverhältnissen in den alten und neuen Bundesländern differenzieren. Durch die für Arbeitnehmer weniger günstigen Tarifregelungen im Beitrittsgebiet soll den nach wie vor unterschiedlichen wirtschaftlichen Verhältnissen in beiden Teilen Deutschlands Rechnung getragen werden. Diese Differenzierung hat den Zweck, im wirtschaftlich schwächeren Beitrittsgebiet die Erhaltung und Entstehung von Arbeitsplätzen zu fördern, sie zielt jedoch nicht auf eine Verbilligung der Arbeit in den alten Bundesländern als Wettbewerbsvorteil der im Osten ansässigen und ihre Leistungen im Westen erbringenden Unternehmen ab.441 Daher erscheint die Ungleichbehandlung der ost- und westdeutschen Beschäftigten dann nicht gerechtfertigt, wenn diese im jeweils anderen Tarifgebiet eingesetzt werden.442 Ein entsprechendes Differenzierungskriterium als besonderen Anknüpfungspunkt enthält § 1 Abs. 1 BAT-O, demzufolge von diesem Tarifvertrag diejenigen Arbeitsverhältnisse erfasst werden, die in seinem Geltungsbereich „begründet“ sind. Dies sind alle Arbeitsverhältnisse, die einen gegenwärtigen räumlichen Bezug zum sog. Beitrittsgebiet aufweisen. Das BAG stellt dabei auf den Ort ab, an dem das Arbeitsverhältnis seinen Mittelpunkt hat, also die Arbeitsleistungen überwiegend und nachhaltig erbracht werden, ohne dass es dabei auf den Sitz der Dienststelle, den Ort des Vertragsschlusses oder gar den Wohnsitz des Arbeitnehmers ankäme.443 Dementsprechend ist der BAT-O so lange anwendbar, wie der Arbeitnehmer bei einem vorübergehenden Einsatz im Westen noch Aufgaben der bisherigen Dienststelle wahrnimmt.444 Ist allerdings beim Beginn einer eigentlich vorübergehenden Entsendung der Endb) aa); vgl. auch Wank in: Wiedemann, TVG, § 4 Rn. 127; a. A. Schaub, ARHandbuch, § 203 Rn. 23. 438 Hierzu s. o. unter Teil 1 § 1 A. II. 1. b) aa). 439 So u. a. Däubler, DB 1991, 1622; ders., ZTR 1992, 145. 440 Die Ost-West-Entsendung hat insofern einen deutlichen Arbeitskostenhintergrund, so auch Rieble, ZTR 2000, 435. 441 BAG, Urt. v. 20.3.1997 – 6 AZR 10/96 –, AP Nr. 8 zu § 1 BAT-O. 442 BAG, Urt. v. 30.7.1992 – 6 AZR 11/92 –, AP Nr. 1 zu § 1 TVG Ang Bundespost. 443 BAG, Urt. v. 24.2.1994 – 6 AZR 588/93 –, AP Nr. 1 zu § 1 BAT-O; BAG, Urt. v. 21.9.1995 – 6 AZR 151/95 –, AP Nr. 6 zu § 1 BAT-O; BAG, Urt. v. 23.2.1995 – 6 AZR 329/94 –, AP Nr. 2 zu § 1 TV Ang Bundespost; die BAG-Rspr. zusammenfassend Pfeifer, FS Schaub, 557. 444 BAG, Urt. v. 20.3.1997 – 6 AZR 10/96 –, AP Nr. 8 zu § 1 BAT-O.
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zeitpunkt noch nicht bestimmt, so unterfällt das Arbeitsverhältnis für die Zeit der Tätigkeit im Gebiet der alten Bundesländer dem BAT.445 Das gleiche gilt, wenn ein Arbeitnehmer von vornherein auf Dauer in das Gebiet der alten Bundesländer versetzt wird.446 Ein Tarifwechsel tritt im Übrigen ein, wenn die Entsendedauer gemessen an ihrem Zweck unangemessen lang ist.447 Im Moment der Rückkehr in das Beitrittsgebiet erfolgt sodann ein erneuter Tarifwechsel zurück zum BAT-O.448 Wird ein Arbeitnehmer demgegenüber vertragsgemäß an ständig – zum Teil mehrfach täglich – wechselnden, jeweils kurzfristig zu bestimmenden Einsatzorten sowohl im Geltungsbereich Ost als auch im Geltungsbereich West beschäftigt, bestimmt sich das Arbeitsverhältnis nach dem Tarifvertrag, in dessen Geltungsbereich die Beschäftigungsdienststelle liegt, der der Arbeitnehmer arbeitsorganisatorisch zugeordnet ist.449 Die vorgenannten, auf den BAT-O bezogenen Auslegungsregeln des BAG wirken offensichtlich nicht gerechtfertigten Niveauunterschieden entgegen und haben eine gewisse „Trägheit des Tarifwechsels relativ zum Einsatzortwechsel“ zur Folge, die einen Tarifwechsel zwar möglich macht, trotzdem aber am Grundprinzip der Bindung an den Ort des Schwerpunktes des Arbeitsverhältnisses festhält.450 Zugleich erschwert ein Tarifwechsel mit der Folge eines angehobenen Lohnniveaus den ostdeutschen Unternehmen einen mobilen tarifgebietsüberschreitenden Arbeitnehmereinsatz. Eine hiervon abweichende Kollisionsregel hat die Bauindustrie in § 5 Abs. 5 BRTV-Bau451 getroffen, die jegliche Tarifwechsel als Folge des innerdeutschen Lohngefälles sowie daraus entstehende Wettbewerbsvorteile faktisch verhindert: Danach gilt zwar der Lohn des jeweiligen Arbeitsortes452, ein auswärts beschäftigter Arbeitnehmer behält aber den Anspruch auf den Gesamttarifstundenlohn seines Einstellungsortes. Ist der Lohn der auswärtigen Arbeitsstelle höher, so kann er Gesamttarifstundenlohn beanspruchen, solange er auf dieser Arbeitsstelle tätig ist. Er erhält somit im Wege einer dynamischen Verweisung auf den 445 BAG, Urt. v. 6.10.1994 – 6 AZR 324/94 –, AP Nr. 2 zu § 1 BAT-O; BAG, Urt. v. 1.6.1995 – 6 AZR 922/94 –, AP Nr. 5 zu § 1 BAT-O; BAG, Urt. v. 23.2.1995 – 6 AZR 329/94 –, AP Nr. 2 zu § 1 TV Ang Bundespost. 446 BAG, Urt. v. 30.7.1992 – 6 AZR 11/92 –, AP Nr. 1 zu § 1 TV Ang Bundespost. 447 BAG, Urt. v. 20.3.1997 – 6 AZR 10/96 –, AP Nr. 8 zu § 1 BAT-O. 448 BAG, Urt. v. 23.2.1995 – 6 AZR 667/94 –, AP Nr. 3 zu § 1 TV Ang Bundespost. 449 BAG, Urt. v. 25.6.1998 – 6 AZR 475/96 –, ZTR 1999, 122. 450 So zutreffend Deinert in: Däubler, TVG, § 4 Rn. 227. 451 Bundesrahmentarifvertrag für das Baugewerbe vom 4.7.2002 (mit bundesweiter Geltung), für allgemeinverbindlich erklärt am 30.1.2003 mit Wirkung ab dem 1.9. 2002, BAnz Nr. 34 v. 19.2.2003, 3025. 452 D.h. „Ort der Arbeitsleistung“ bzw. „Baustelle“, vgl. BAG, Urt. v. 10.11.1993 – 4 AZR 316/93 –, AP Nr. 169 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau.
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am jeweiligen Arbeitsort geltenden Tarifvertrag, unabhängig von einer auch dort bestehenden Tarifbindung der Arbeitsvertragsparteien, stets das höhere Tarifentgelt, entweder das der heimatlichen Betriebsstätte oder das der in einem fremden Tarifgebiet befindlichen Baustelle. Somit hat auch ein von einem Betrieb im Beitrittsgebiet in die alten Bundesländer entsandter Arbeitnehmer unabhängig von der Einsatzdauer und deren Festlegung stets Anspruch auf den in der Bezirkslohntabelle vorgesehenen Lohn, in dessen Geltungsbereich die Baustelle liegt.453 § 5 Abs. 5 BRTV-Bau bewirkt eine Verstärkung der Kartellwirkung des jeweiligen Tarifvertrages mit den höheren Löhnen. Aufgrund dieser am Günstigkeitsprinzip orientierten Anknüpfung entfällt für Bauunternehmen mit Sitz im Beitrittsgebiet stets der ihnen aus einem gegenüber den alten Bundesländern vergleichsweise niedrigeren Lohnkostenniveau entstehende heimische Wettbewerbsvorteil bei Leistungsangeboten auf Märkten im Gebiet der alten Bundesländer. Da gerade die Baubranche ein besonders lohnkostenintensiver Bereich ist, wirkt sich dieser Vorteilsverlust zwar für die betroffenen Unternehmer wirtschaftlich in nicht unerheblicher Weise aus. In Anbetracht der mitgliedschaftlichen Legitimation der Tarifverträge bestehen jedoch keine Bedenken gegen diese Beschränkung der Vertrags- und Wettbewerbsfreiheit. Das gilt auch im Hinblick auf die fehlende Tarifbindung der Arbeitsvertragsparteien an die einzelnen Bezirkslohntabellen, da die regionalen Verbände an die im BRTV-Bau bezüglich der Lohnhöhe enthaltenen Vorgaben gebunden sind, so dass insofern von einer Fernwirkung der mitgliedschaftlichen Legitimation des BRTV-Bau auf die einzelnen Bezirkslohntabellen auszugehen und auch deren Sachgerechtigkeit zu vermuten ist.454 Problematisch ist jedoch die Tarifunterwerfung von Außenseitern durch die Allgemeinverbindlicherklärung des BRTV-Bau, da der Schutz vor „Lohndrückerei und Schmutzkonkurrenz“, d.h. vor Wettbewerb, kein „öffentliches Interesse“ iSd. § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 TVG darstellt.455 Zudem wird man hier schlecht auf eine soziale Mindestsicherung der Arbeitnehmer abstellen können, wenn dieses Niveau im Beitrittsgebiet absenkbar ist. Auch durch eine Ausdehnung des räumlichen Geltungsbereichs eines Tarifvertrages können die Tarifparteien dessen Kartellwirkung erweitern. So liegt in der satzungsmäßigen Bestimmung der gemeinsamen Tarifzuständigkeit durch die Tarifvertragsparteien als maximale räumliche Grenze des Geltungsbereich eines Tarifvertrages eine Möglichkeit, den räumlichen Geltungsbereich beispielsweise durch eine Zuständigkeit für bestimmte Unternehmenssitze auszudehnen. Schranke der Geltungsbereichsregelung ist auch hier der vom BAG bei
453 BAG, Urt. v. 10.11.1993 – 4 AZR 316/93 –, AP Nr. 169 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau. 454 BAG, Urt. v. 10.11.1993 – 4 AZR 316/93 –, AP Nr. 169 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau. 455 s. o. unter Teil 1 § 1 B. I. 2. a) cc) (2).
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seiner BAT-O-Rechtsprechung dahingehend konkretisierte Gleichbehandlungsgrundsatz, dass das Arbeitsverhältnis einen „gegenwärtigen Bezug“ zu dem von den Tarifparteien geregelten räumlichen Geltungsbereich haben muss.456 Weiter besteht für die Tarifparteien theoretisch die Möglichkeit, den Geltungsbereich ihres Tarifvertrages auch dadurch auszudehnen, dass sie – innerhalb ihrer Tarifzuständigkeit – bestimmen, dass der Tarifvertrag in Kraft bleibt, wenn er nur einmal gegolten hat. Ein Überschreiten des maximalen räumlichen Geltungsbereichs der Tarifzuständigkeit hat aber auch in diesem Fall zur Folge, dass der Tarifvertrag weder weitergelten noch nachwirken kann, weil es für die Normunterworfenen insofern an einem Normgeber fehlt. Nur Fälle der Geltungsbereichsausdehnung mit gleichzeitiger Normwirkungserstreckung auf diesen Bereich sind daher aufgrund der damit einhergehenden Erweiterung der Kartellwirkung geeignet, einen örtlich flexiblen Arbeitnehmereinsatz zu begrenzen. III. Wettbewerbsrelevanz nationaler Autonomiebegrenzungen Im vorangegangenen Teil der Untersuchung wurde gezeigt, dass die vertraglichen Vereinbarungen über den Arbeitsort und die Gehaltshöhe als unmittelbare Bestandteile der synallagmatischen Hauptleistungspflichten ein Kerngegenstand der Privatautonomie sind, die der Gesetzgeber durch eine im Vergleich zu sonstigen Arbeitsbedingungen reduzierte gesetzliche Regelungsdichte respektiert. Neben dem für den Unternehmer durch diesen Spielraum bedingten höheren Maß an individualvertraglicher Steuerbarkeit seines Marktverhaltens sind es gerade die dennoch bestehenden Autonomiebegrenzungen, die erst durch einen mobilen Arbeitnehmereinsatz innerhalb Deutschlands eine gesteigerte Wettbewerbsrelevanz erhalten und dadurch ebenfalls zur Charakterisierung der Gehaltshöhe und des Arbeitsortes als mobilitätsspezifische Wettbewerbsfaktoren beitragen. Die erörterten gesetzlichen Autonomiebegrenzungen des Arbeitsrechts gelten räumlich für das gesamte Bundesgebiet und konditionieren damit im Sinne einer Gleichschaltung den Angebotsinhalt sämtlicher Marktteilnehmer, die in ihr Leistungs- oder Warenangebot einen mobil eingesetzten Arbeitnehmer einbinden. Wettbewerbsrelevanz erhalten dadurch erst inhaltlich jenseits dieser Grenze autonom ausgestaltete Arbeitsbedingungen. Eine wirkliche, jeglichen Einfluss autonomer Vertragsgestaltung ausschaltende Grenze in diesem Sinne stellt lediglich § 1 Abs. 1 Satz 1 AÜG dar. Die übrigen gesetzlichen Schranken sowohl des örtlich flexiblen Arbeitnehmereinsatzes als auch der Lohnkostenminimierung lassen sämtlich einen gewissen Resteinfluss autonomer Vertragsgestaltung und damit eine Steuerung entweder durch die Arbeitsvertragsparteien selbst 456
post.
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oder durch Dritte zu. Dies gilt für §§ 315 BGB, 99 BetrVG ebenso wie für die Selbstbindung aufgrund von Gleichbehandlungsgeboten und für diejenigen Vorschriften, die sich wie §§ 612 Abs. 2 BGB, 59 HGB, § 10 BBiG, § 19 HAG und § 138 BGB bei der Begrenzung der Lohnkostenminimierung durch Begriffe wie die „Üblichkeit“, „Angemessenheit“, „Unzulänglichkeit“ und „auffälliges Missverhältnis“ auf den objektiven Marktwert als autonomes Verhandlungsergebnis Dritter beziehen. Sogar die rein theoretisch mögliche staatliche Festsetzung von Mindestarbeitsbedingungen für Arbeitnehmer nach dem MindArbG beruht auf einem im Hauptausschuss gefundenen Verhandlungskompromiss. Sämtliche dieser gesetzlichen Autonomiebegrenzungen lassen sich durch überwiegende Allgemeinwohlinteressen, insbesondere Arbeitnehmerschutzerwägungen, rechtfertigen. Dies gilt ebenfalls für staatliche Wirkungserstreckungen von Tarifnormen im Wege der Allgemeinverbindlicherklärung. Die Fremdbestimmung der Mitglieder von Tarifparteien durch deren Tarifvertrag fußt schließlich rein autonom auf dem entsprechenden mitgliedschaftlichen Unterwerfungsakt. Gerade der o. g. Autonomiebezug bestimmter gesetzlicher Autonomiebegrenzungen verleiht letzteren eine Wettbewerbsrelevanz, die sonstigen zwingenden gesetzlichen Bestimmungen wie § 1 AÜG angesichts deren bundesweiter unterschiedsloser Geltung fehlt. Denn jede autonom vereinbarte individual- und auch tarifvertragliche Regelung ist in ihrer Wirkung auf die Parteien dieser Vereinbarung sowie auf diejenigen, die sie aufgrund eines autonomen Unterwerfungsaktes für sich akzeptieren, beschränkt. Daraus folgt letztlich auch eine faktische räumliche Wirkungsgrenze, die zugleich die Reichweite der Kartellwirkung entsprechender autonomer Bestimmungen beschränkt und damit – im Gegensatz zu Vorschriften wie § 1 AÜG – jenseits dieser Grenze Wettbewerb zulässt. Insofern kommt den autonomen räumlichen Geltungsbereichsbestimmungen in Tarifverträgen erhebliche Bedeutung zu, da es die Tarifparteien dadurch in der Hand haben, Tarifgebietsüberschreitungen infolge von Arbeitnehmermobilität und damit einen Verlust der tariflichen Kartellwirkung zu verhindern. Denn die Möglichkeit der Befreiung von einem tariflichen oder auch gesetzlichen Normzwang durch das Überschreiten von dessen Geltungsgrenzen mittels eines mobilen Arbeitnehmereinsatzes verleiht derartigen zwingenden Bestimmungen eine mobilitätsspezifische Wettbewerbsrelevanz. Diesen Aspekt der begrenzten Kartellwirkung tariflicher wie auch autonomiebezogener gesetzlicher Bestimmungen versucht der Gesetzgeber neuerdings auf Bereiche zu übertragen, in denen es allerdings nicht mehr um die bloße Auslegung unklarer Entgeltabreden oder die Sicherung eines Mindestniveaus an Arbeitnehmerschutz geht. Insbesondere im Gleichstellungsgebot des AÜG wie auch bei vergaberechtlichen Tariftreueerklärungen wird eine legislative Tendenz sichtbar, den Inhalt des zwischen den Arbeitsvertragsparteien bestehenden Arbeitsverhältnisses durch den ebenfalls autonom ausgehandelten Inhalt der
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Vertragsbeziehungen Dritter fremdzubestimmen. Das gilt ebenfalls für die Diskussion einer etwaigen Richtlinienfunktion von Tarifverträgen nach § 307 Abs. 2 BGB für nichttarifgebundene Arbeitsverhältnisse. Eine solche ordnungspolitische Steuerung mittels Fremdbestimmung durch Träger individueller und kollektiver Autonomien verbleibt scheinbar im Gefüge grundgesetzlich garantierter Autonomien, erweist sich aber durch den jeweiligen gesetzlichen Anwendungsbefehl letztlich als gesetzliche Festlegung von Mindestarbeitsbedingungen. Derartige Autonomiebegrenzungen unterliegen den oben erörterten, erheblichen verfassungs- wie europarechtlichen Bedenken, die sich nochmals durch die in der vordergründig autonomieorientierten Fremdbestimmung liegende Flexibilität verstärken: Durch die Verweisung auf das jeweilige autonome Verhandlungsergebnis Dritter unterbleibt nämlich die Festlegung eines wirklichen Mindestniveaus, das als absolute Basis eines menschenwürdige Arbeitsbedingungen absichernden Arbeitnehmerschutzes verhältnismäßig und damit im Falle des Fehlens entsprechender autonomer und ggf. zu erstreckender Regelungen rein theoretisch einer Rechtfertigung durch das Sozialstaatsprinzip zugänglich wäre.
§ 2 Internationale Arbeitnehmermobilität auf dem deutschen Arbeitsmarkt A. Erscheinungsformen und rechtlicher Rahmen grenzüberschreitender Arbeitnehmermobilität I. Mobilitätsformen mit Auslandsbezug Parallel zur örtlichen Flexibilität der Anbieter auf nationalen Märkten werden Dienstleistungs- und Arbeitnehmermobilität auch auf internationaler Ebene sichtbar, und zwar in den Formen des grenzüberschreitenden Wettbewerbs im Rahmen des europäischen Binnenmarktes und des Marktzuganges außereuropäischer Anbieter.457 Wie bei der nationalen Arbeitnehmermobilität458 erfährt die klassische dualistische Struktur des Arbeitsverhältnisses auch bei diesen internationalen Sachverhalten durch die Beteiligung Dritter eine Aufweichung. Auch hier orientiert sich die Einteilung der Formen grenzüberschreitender Arbeitnehmermobilität an der Frage, wer im Dreiecksverhältnis gegenüber dem Arbeitnehmer die primären Arbeitgeberpflichten trägt, so dass die Einteilung in die Gruppen des mobilen Arbeitnehmereinsatzes innerhalb eines Unternehmens, des
457 Die vorliegende Untersuchung beschränkt sich allerdings auf die Mobilität innerhalb Europas, was mittel- und osteuropäischen Nicht-EG-Mitgliedstaaten mit einschließt. 458 Hierzu s. o. unter Teil 1 § 1 A. I.
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Arbeitnehmerverleihs zwischen voneinander unabhängigen Unternehmen und der konzerninternen Mobilität beibehalten werden kann. Wesentlich für den hier zu untersuchenden Auslandsbezug dieser Mobilitätsformen ist, dass sich der den Arbeitsvertrag symbolisierende Schenkel dieses Dreiecks nicht in Deutschland befindet. Eindeutig ist dies dann, wenn Wohnsitz des Arbeitnehmers und Sitz des Arbeitgebers sowie der gewöhnliche Arbeitsort in ein und demselben Land außerhalb Deutschlands liegen. Aber auch bei ständig wechselnden Einsatzorten des Arbeitnehmers kann es sich um ein ausländisches Arbeitsverhältnis handeln, selbst wenn der Arbeitgeber seinen Sitz in einem weiteren Land oder gar in Deutschland hat, vorausgesetzt der Schwerpunkt des Arbeitsrechtsverhältnisses befindet sich im Ausland. Dieser Schwerpunkt kann sich entweder aus dem gewöhnlichen Leistungsort oder – in Ermangelung eines solchen – aus den Umständen des Vertragsschlusses sowie den persönlichen Bindungen der einzelnen Vertragspartner an das jeweilige Land, wie Sitz bzw. Betriebsstätte oder Wohnsitz, ergeben. Demgegenüber muss im Verhältnis des Arbeitgebers zum Dritten der Leistungs- und Erfüllungsort in Deutschland liegen, unabhängig davon, wo dieser wiederum seinen Sitz und Betrieb hat. Derartige Fälle grenzüberschreitender Arbeitnehmermobilität sind also Lebenssachverhalte, die im Schwerpunkt des zugrunde liegenden Arbeitsverhältnisses den erforderlichen Bezug zum Ausland aufweisen. An diesen Schwerpunkt bereits bestehender Rechtsverhältnisse sind unterschiedliche Rechtsordnungen und marktbedingte Wirtschaftsfaktoren geknüpft, gegenüber denen sich der Aufnahmestaat entweder gänzlich verschließt oder aber sich öffnet und Regeln für Kollisionen mit seinen eigenen Rechtsnormen und nationalen Marktbedingungen schafft.459 Wesentliches Merkmal der in diesem Sinne zu verstehenden Arbeitnehmermobilität auf der Grundlage eines bereits im Ausland bestehenden Rechtsverhältnisses ist der Export, bzw. aus Sicht Deutschlands der Import, ausländischer Rechtsordnungen und Wirtschaftsbedingungen, die sich auf die deutschen Arbeits- wie Güter- und Dienstleistungsmärkte auswirken und diese potentiell beeinflussen. Ein solcher Einfluss kann von Deutschland als Einsatzstaat entweder durch eine ausländerrechtliche Verweigerung des Marktzuganges gänzlich ausgeschlossen werden oder aber dadurch gesteuert werden, dass mit Hilfe von Kollisionsrecht von den verschiedenen beteiligten Rechtsordnungen diejenigen 459 Da sich bei der Fallgruppe der Beschäftigungssuche von Ausländern auf dem deutschen Arbeitsmarkt die Frage nach dem auf den jeweils zustande gekommenen Arbeitsvertrag anwendbaren Rechtssystem nicht stellt (es sei denn, die Parteien haben die Anwendung ausländischen Rechts gem. Art. 27, 30 Abs. 1 EGBGB vereinbart), genügt die ausländische Staatsangehörigkeit als einziger internationaler Bezug nicht für eine Qualifizierung als in diesem Sinne relevante Mobilitätsform, so dass diese Fallgruppe vom Begriff der Arbeitnehmermobilität iSd. vorliegenden Untersuchung auszunehmen ist.
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arbeits- und sozialrechtlichen Normen ermittelt werden, die für den jeweiligen Sachverhalt die sachnächste oder vom Einsatzstaat für zwingend erachtete Lösung bereithalten. II. Rechtlicher Rahmen 1. Aufenthaltsrecht und Berechtigung zur Ausübung einer unselbständigen Erwerbstätigkeit Auch der nur vorübergehende grenzüberschreitende Einsatz eines iSd. Art. 116 Abs. 1 GG ausländischen Arbeitnehmers in Deutschland berührt in ausländerrechtlicher Hinsicht den deutschen Arbeitsmarkt. Ein Zugang zum deutschen Güter-, Dienstleistungs- und Arbeitsmarkt eröffnet sich für ausländische Unternehmen und ihre Beschäftigten daher grundsätzlich nur dann, wenn letzteren vor der Einreise eine Aufenthaltsgenehmigung gem. § 3 AuslG und eine Arbeitsgenehmigung iSd. § 284 SGB III erteilt worden ist. Dabei stehen das Aufenthalts- und Arbeitserlaubnisrecht unter der Spannung eines Zielkonfliktes: Einerseits verlangt ein wirtschaftlich effizient funktionierender, moderner Arbeitsmarkt eine hohe Mobilität internationaler Arbeitskräfte, um flexibel auf entsprechende Nachfragen zu reagieren. Als Ziele auf der anderen Seite stehen die BRD als Nichteinwanderungsland und der Beschäftigungsvorrang deutscher und gleichgestellter Arbeitnehmer zum Schutz einer potentiell gefährdeten Arbeitsmarktordnung vor einer unkontrollierten Erosion sozialer Standards. Gesetzliches Grundprinzip ist daher zwar die Abschottung, d.h. der Ausschluss ausländischer Arbeitnehmer zur Wahrung deutscher arbeitsmarktpolitischer Interessen, die mittelbar auch zu einer Abschottung sonstiger Märkte für Anbieter führt, die unter Einsatz ihrer ausländischen Arbeitnehmer in Deutschland Angebote erstellen und Leistungen erbringen möchten. Dieses Grundprinzip wird aber durch einen selektiven Arbeitsmarktzugang durchbrochen, um einen vorübergehenden Zusatz-, Extra- und Spezialbedarf an Arbeitskräften zu bedienen; von dieser Ausnahme können im Einzelfall auch ausländische Dienstleistungsanbieter auf deutschen Dienstleistungs- und Gütermärkten profitieren. a) Genehmigungspflichten als Marktzugangssperre Grundsätzlich bedürfen gem. § 3 Abs. 1 Satz 1 AuslG alle Ausländer für die Einreise und den Aufenthalt im Bundesgebiet einer Aufenthaltsgenehmigung. Auch die Einreise und der Aufenthalt zwecks Ausübung einer Erwerbstätigkeit erfordern daher stets eine Aufenthaltsgenehmigung460, es sei denn, die Tätigkeit unterfällt nicht dem Erwerbstätigkeitsbegriff des § 12 Abs. 1 DVAuslG. Dieser umfasst im allgemeinen jede unselbständige Tätigkeit gegen Entgelt.461 Es besteht kein Anspruch auf Erteilung einer entsprechenden Aufenthaltsgenehmi-
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gung, sondern lediglich ein Anspruch auf fehlerfreie Ermessensausübung iSd. § 7 Abs. 1 AuslG.462 Eine Aufenthaltsgenehmigung zwecks Ausübung einer unselbständigen Erwerbstätigkeit im Bundesgebiet für die Dauer von mehr als drei Monaten unterwirft die AAV463 iVm. § 10 AuslG zudem strengeren Voraussetzungen als einen Aufenthalt von kürzerer Dauer464 oder zu sonstigen Zwecken. So sieht die AAV beim Aufenthalt ausländischer Arbeitnehmer grundsätzlich nur ermessensabhängige Aufenthaltsbewilligungen und -erlaubnisse als Aufenthaltstitel vor und enthält nur einen eng begrenzten Katalog von unselbständigen Erwerbstätigkeiten, die einer Aufenthaltsgenehmigung im Interesse der internationalen wirtschaftlichen Zusammenarbeit und der auswärtigen Kulturpolitik ausnahmsweise überhaupt zugänglich sind. Dieser umfasst Aufenthalte zwecks Aus- oder Weiterbildung, zeitlich begrenzte Aufenthalte von Schaustellern, Lehrern, Köchen und Pflegekräften sowie Aufenthalte von spezialisierten Fachkräften, Wissenschaftlern, von Seelsorgern, Ordensangehörigen, Pflegekräften, Künstlern, Artisten und Berufssportlern. Zudem können Ausländer, die auf der Grundlage einer zwischenstaatlichen Vereinbarung zur Erfüllung eines bestimmten Werkvertrages beschäftigt werden (sog. Werkvertragsarbeitnehmer), gem. § 3 AAV eine Aufenthaltsbewilligung bis zur Vollendung des Werkes erhalten. Dieser begrenzte Katalog ist Erweiterungen465 zugänglich, insbesondere wenn die Beschäftigung des Ausländers ein besonderes öffentliches regionales, wirtschaftliches oder arbeitsmarktpolitisches Interesse erfüllt (§ 8 AAV).466 Da ein Aufenthalt zwecks unselbständiger Erwerbstätigkeit gem. § 1 2. HS AAV überhaupt nur dann genehmigt werden kann, wenn eine erforderliche Arbeitsgenehmigung in Aussicht gestellt oder erteilt worden ist, und Erteilung wie Bestand einer Arbeitsgenehmigung ihrerseits gem. §§ 284 Abs. 5 SGB III, 8
460 Schlussfolgerung aus § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 DVAuslG (Verordnung zur Durchführung des Ausländergesetzes v. 18.12.1990, BGBl. 1990 I, 2983, zuletzt geändert durch Art. 14 TerrorismusbekämpfungsG v. 9.1.2002, BGBl. 2002 I, 361). 461 Zu den Ausnahmen vom Erwerbstätigkeitsbegriff des § 12 DVAuslG vgl. unten Teil 1 § 2 A. II. 1. b). 462 Ein gebundener Anspruch auf Erteilung einer Arbeitsberechtigung iSd. § 286 SGB III besteht als Ausnahme nur in Fällen eines bereits längeren rechtmäßigen Aufenthaltes in Deutschland, ist also in den für die vorliegende Untersuchung maßgeblichen Fällen grenzüberschreitender Arbeitnehmermobilität nicht einschlägig. 463 Verordnung über Aufenthaltsgenehmigungen zur Ausübung einer unselbständigen Erwerbstätigkeit v. 18.12.1990, BGBl. 1990 I, 2994, zuletzt geändert durch Verordnung vom 4.2.2002, BGBl. 2002 I, 578. 464 Z. B. Ferientätigkeiten von Schülern oder Studenten oder Saisonarbeiten in Landwirtschaft, Gastronomie oder sonstigem Fremdenverkehrsgewerbe. 465 U. a. aufgrund zwischenstaatlicher Vereinbarungen (§ 7 AAV), für Angehörige bestimmter Staaten (§ 9 AAV) und deutsche Volkszugehörige (§ 10 AAV). 466 Dasselbe Ziel verfolgt die (bis zum 31.07.2008 befristete) Verordnung über Aufenthaltserlaubnisse für hoch qualifizierte ausländische Fachkräfte der Informationsund Kommunikationstechnologie (IT-AV) vom 25.07.2000 (BGBl. 2000 I, 1176).
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Abs. 1 Nr. 2 ArGV an das Vorliegen eines Aufenthaltstitels gebunden sind467, sind Aufenthalts- und Arbeitserlaubnisrecht in ihren Voraussetzungen eng miteinander verknüpft. Dies gilt ebenso für ihre Ziele, nämlich die Integration der dauerhaft in Deutschland lebenden Ausländer und die Begrenzung des Neuzuzugs durch das Aufenthaltserlaubnisrecht einerseits und den Schutz des inländischen Arbeitsmarktes vor Arbeitsmarktstörungen durch das Arbeitserlaubnisrecht andererseits, denn diese Ziele stimmen letztlich in ihrer ausländerpolitischen Orientierung an der Konjunktur- und Arbeitsmarktlage überein. Dementsprechend ist grundsätzlich jede abhängige Erwerbstätigkeit genehmigungspflichtig iSd. § 284 SGB III, die geeignet ist, die Beschäftigungsmöglichkeiten Dritter zu beeinträchtigen, was auch auf die vorliegend zu untersuchenden Fälle grenzüberschreitender Arbeitnehmermobilität zutrifft. Nachdem in den sechziger Jahren ausländische Arbeitnehmer angesichts eines akuten Arbeitskräftemangels gezielt für den deutschen Arbeitsmarkt angeworben worden waren, wurde 1973 infolge weltweiter Rezession, Energiekrise und nationaler Arbeitslosigkeit zur Zuwanderungsbegrenzung und zur Wahrung deutscher arbeitsmarktpolitischer Interessen ein rigoroser Anwerbestopp erlassen468, der nunmehr durch das AuslG und das SGB III gesetzlich festgeschrieben ist. Dementsprechend schließt § 285 Abs. 3 SGB III zum Schutz des inländischen Arbeitsmarktes als Grundsatz die Erteilung einer Arbeitserlaubnis zum Zwecke einer Beschäftigung im Bundesgebiet aus, wenn der Arbeitnehmer seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland hat. Dennoch ermöglicht die Anwerbestoppausnahmeverordnung (ASAV)469 gem. § 1 ASAV grenzüberschreitende Arbeitnehmermobilität in einzeln aufgezählten Fällen. Ein Anspruch richtet sich jedoch auch hier nicht auf Bewilligung, sondern lediglich auf ermessensfehlerfreie Bescheidung eines entsprechenden Antrages. Die von der ASAV erfassten Ausnahmen sind beruflicher (Wissenschaftler, Spezialisten, Fachkräfte, § 5; Aus- und Weiterbildung, § 2), regionaler (Herkunftsländer, § 9, Grenzgänger, § 6) oder arbeitsmarktpolitischer Art (Arbeitskräftemangel, § 8) oder auch politisch begründet (zwischenstaatliche Vereinbarungen, § 7). Genehmigungsfähig sind insbesondere Tätigkeiten von Werkvertragsarbeitnehmern für idR. maximal zwei Jahre (§ 3 ASAV), von Arbeitnehmern, die von ihrem Arbeitgeber mit Sitz im Ausland für maximal 12 Monate zur Montage von Fertigund Ausbauhäusern in die BRD entsandt werden (§ 4 Abs. 3 ASAV), und Tätigkeiten für den Personalaustausch qualifizierter Fachkräfte eines international tä467 Vgl. aber die in § 5 ArGV genannten Ausnahmen, aus denen ein grundsätzlicher Vorrang des Aufenthaltsrechts vor dem Arbeitserlaubnisrecht zu schlussfolgern ist. 468 Bulletin der Bundesregierung v. 27.11.1973, 1506. 469 Verordnung über Ausnahmeregelungen für die Erteilung einer Arbeitserlaubnis an neueinreisende ausländische Arbeitnehmer v. 17.9.1998, BGBl. 1998 I, 2893, zuletzt geändert durch Verordnung vom 30.1.2002, BGBl. 2002 I, 575.
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tigen Konzerns für maximal drei Jahre (§ 4 Abs. 7, 8 ASAV). Die ASAV sorgt so für eine gewisse Flexibilität bei der Versorgung der deutschen Wirtschaft mit inländisch nicht verfügbaren Arbeitskräften.470 In jedem Fall muss jedoch ein besonderes öffentliches Interesse an der Beschäftigung des Ausländers bestehen, um eine Ausnahme vom grundsätzlichen Anwerbestopp zu rechtfertigen.471 Die tatsächliche Erteilung einer in diesen Fällen möglichen Arbeitserlaubnis hängt als Ermessensentscheidung gem. § 285 Abs. 1 Satz 1 SGB III davon ab, dass sich die Beschäftigung des Ausländers nicht nachteilig auf den Arbeitsmarkt auswirkt, dass deutsche Arbeitnehmer und solche aus EG-Mitgliedstaaten für die Beschäftigung nicht zur Verfügung stehen und dass der Ausländer nicht zu ungünstigeren Arbeitsbedingungen als vergleichbare deutsche Arbeitnehmer beschäftigt wird.472 Spätere Unterschreitungen dieses Niveaus vergleichbarer Arbeitsbedingungen können gem. § 7 Abs. 1 Satz 1 ArGV zum Widerruf einer bereits erteilten Arbeitserlaubnis führen. Hierdurch sollen die ausländischen Arbeitnehmer vor ausbeuterischen Arbeitsbedingungen geschützt und zugleich Verdrängungseffekte zuungunsten der bevorrechtigten Arbeitsuchenden verhindert werden.473 Auch aus diesem Grund schließt § 6 Abs. 1 Nr. 2 ArGV durch die Verweigerung der Erlaubniserteilung den grenzüberschreitenden gewerblichen Arbeitnehmerverleih iSd. § 1 Abs. 1 AÜG faktisch aus.474 b) Marktöffnende Sonderregeln aa) Erwerbstätigkeitsbegriff des § 12 DVAuslG Die grundsätzliche Marktabschottung des Aufenthalts- und Arbeitserlaubnisrechts erfolgt über den Erwerbstätigkeitsbegriff des § 12 DVAuslG, von dem diese Vorschrift jedoch selbst in den Absätzen 2–5 Ausnahmen festlegt: So be470 Diesem Zweck dient auch die Verordnung über die Arbeitsgenehmigung für hoch qualifizierte ausländische Fachkräfte der Informations- und Kommunikationstechnologie (IT-ArGV) v. 11.7.2000, BGBl. 2000 I, 1146, zuletzt geändert durch Art. 17 des Gesetzes zur Vereinfachung der Wahl der Arbeitnehmervertreter in den Aufsichtsrat v. 23.3.2002, BGBl. 2002 I, 1130. 471 Sprung in: GK-SGB III, § 285 Rn. 25. 472 Vgl. insofern die Verpflichtung des Arbeitgebers, Auskunft über Arbeitsentgelt, Arbeitszeiten und sonstige Arbeitsbedingungen zu erteilen (§ 284 Abs. 3 SGB III) und das strafbewehrte Verbot der Beschäftigung ausländischer (Leih-)Arbeitnehmer zu ausbeuterischen Arbeitsbedingungen in § 15a Abs. 1 AÜG und § 406 Abs. 1 SGB III. 473 Begründung des Entwurfs der Fraktionen der CDU/CSU und FDP eines Gesetzes zur Reform der Arbeitsförderung vom 18.6.1996, BT-Dr. 13/4941, 206. 474 Die Vorschrift wurde eingefügt durch die Zweite Verordnung zur Änderung der Verordnung über die Arbeitserlaubnis für nichtdeutsche Arbeitnehmer vom 22.2.1974, BGBl. 1974 I, 365; vgl. die entsprechenden Ordnungswidrigkeiten in § 404 SGB III und Strafvorschriften für Ver- und Entleiher in §§ 15, 15a AÜG.
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Teil 1: Mobiler Arbeitnehmereinsatz als Wettbewerbsfaktor
freit § 12 iVm. § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 DVAuslG Kurzaufenthalte ausländischer Arbeitnehmer aus bestimmten Herkunftsländern475 vom Erfordernis einer Aufenthaltsgenehmigung, wenn sie die Höchstdauer von insgesamt drei Monaten innerhalb eines Zeitraumes von 12 Monaten nicht überschreiten, der Arbeitnehmer seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland beibehält und der Aufenthalt zum Zweck einer in § 12 Abs. 2, 3, 5 DVAuslG katalogartig festgelegten Tätigkeit erfolgt: Dies sind u. a. Montage-, Wartungs- und Reparaturarbeiten an vom Arbeitgeber gelieferten Maschinen bzw. deren Abnahme für den Arbeitgeber mit Sitz im Ausland, Tätigkeiten des grenzüberschreitend fahrenden Personals und arbeitserlaubnisfreie Tätigkeiten iSd. § 9 ArGV476. In Ergänzung dieser Befreiungen von der Aufenthaltsgenehmigungspflicht enthält § 9 ArGV Ausnahmen vom Erfordernis einer Arbeitsgenehmigung für Personengruppen, die entweder nur kurzfristig unter Beibehaltung ihres gewöhnlichen Aufenthaltes im Ausland oder in den Bereichen Wissenschaft, Kultur und Sport grenzüberschreitend tätig sind und dabei den Inlandsarbeitsmarkt nicht spürbar belasten. Dies sind insbesondere Flugzeugs- und Schiffsbesatzungen, das fahrende Personal im grenzüberschreitenden Personen- und Güterverkehr, Lehrkräfte, Journalisten, Berufssportler, Künstler und Wissenschaftler. Während der grenzüberschreitende gewerbliche Arbeitnehmerverleih aufgrund von § 6 Abs. 1 Nr. 2 ArGV nicht erlaubnisfähig ist477, bedarf die Beschäftigung leitender Angestellter eines internationalen Konzerns oder Unternehmens im Rahmen eines konzerninternen Personalaustausches gem. § 9 Nr. 2 ArGV keinerlei Arbeitserlaubnis, ebenso wenig die kurzfristige Entsendung von Arbeitnehmern zu Montagearbeiten an Maschinen. bb) Werkvertragsarbeitnehmer iSd. §§ 3 AAV, 3 ASAV Werkvertragsarbeitnehmer benötigen einen Aufenthaltstitel nach Maßgabe der §§ 3 Abs. 1 Satz 1, 10 AuslG iVm. § 3 AAV. Ausnahmsweise ist ihre Tätigkeit im Bundesgebiet trotz des grundsätzlichen Anwerbestopps gem. § 3 ASAV arbeitserlaubnisfähig. Voraussetzung hierfür ist die zwischenstaatliche Vereinba475 Vgl. Anlage I zur DVAuslG: Innerhalb Europas sind dies gegenwärtig – abgesehen von den bis zum 30.4.2004 beigetretenen EU-Mitgliedstaaten sowie Malta und Zypern – Island, Norwegen, Estland, Lettland, Litauen, Polen, Tschechien, Slowakei, Ungarn, Slowenien, Kroatien, Schweiz, Liechtenstein, San Marino, Monaco und Andorra. Demgegenüber ausnahmslos genehmigungspflichtig sind Arbeitnehmer aus Weißrussland, der Ukraine, Moldawien, Rumänien, Bulgarien, Mazedonien, Albanien, Jugoslawien und Bosnien-Herzegowina. 476 Verordnung über die Arbeitsgenehmigung für ausländische Arbeitnehmer v. 17.9.1998, BGBl I, 2899, zuletzt geändert durch Art. 15 des Gesetzes v. 23.7.2002 zur Erleichterung der Bekämpfung von illegaler Beschäftigung und Schwarzarbeit, BGBl. 2002 I, 2787. 477 s. o. Teil 1 § 2 A. II. 1. a).
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rung eines Kontingents, im Rahmen dessen Ausländern für bis zu zwei Jahren zur Erfüllung eines oder mehrerer Werkverträge eine Arbeitserlaubnis erteilt wird478. Weiter muss zwischen einem deutschen und einem ausländischen Unternehmen ein Werkvertrag nach deutschem Recht zur Durchführung bestimmter Arbeiten in der BRD abgeschlossen worden sein. Das ausländische Unternehmen wird so als Subunternehmen für eine deutsche Firma engagiert, um mit einem bestimmten Kontingent eigener Arbeitskräfte entsprechende Leistungen zu erbringen. Die meisten Beschäftigungen von Werkvertragsarbeitnehmern erfolgen im Baugewerbe, dabei kommen bislang die größten Kontingente aus Polen und Ungarn.479 Derartige Werkvertragsabkommen entbinden also zwar nicht von der Genehmigungspflicht, räumen jedoch einen Anspruch auf Erteilung der für die Beschäftigten erforderlichen Genehmigung unabhängig von der Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes ein. Sie erleichtern somit den Zugang zum Arbeitsmarkt im Rahmen bestimmt festgelegter Kontingente. Allerdings muss dabei die Entlohnung der ausländischen Arbeitskräfte durch die ausländischen Unternehmen deutschen Tarifverträgen für vergleichbare Tätigkeiten entsprechen.480 cc) Unionsbürger, Gleichgestellte und Drittstaatsangehörige EG-Staatsangehörige481, die im Bundesgebiet eine unselbständige Beschäftigung ausüben wollen, haben im Rahmen der Arbeitnehmerfreizügigkeit freien 478 Derartige Werkvertragsabkommen bestehen zur Zeit mit Bulgarien, BosnienHerzegowina, Kroatien, Slowenien und Mazedonien, Lettland, Polen, Rumänien, Ungarn, mit der Tschechischen Republik, der Slowakischen Republik und mit der Türkei, Fundstellennachweise bei Düe in: Niesel, SGB III, § 285 Rn. 46. Sie sind hinsichtlich des Rechts der Arbeitserlaubnisse im wesentlichen inhaltlich gleichlautend, als Beispiel sei insofern auf die „deutsch-polnische Vereinbarung über die Entsendung von Arbeitnehmern polnischer Unternehmen zur Ausführung von Werkverträgen“ vom 30.5.1990 (BGBl. 1990 II, 602, letzte Änderung vom 1.3./30.4.1993, BGBl. 1993 II, 1125) verwiesen. 479 Bieback in: Gagel, SGB III, § 285 Rn. 136; Kaligin, NZA 1992, 1111; dies ändert sich wegen der zunächst suspendierten Arbeitnehmerfreizügigkeit auch trotz der EU-Osterweiterung nicht, s. u. Teil 1 § 2 A. II. 1. b) cc); zum Missbrauchspotential im Grenzbereich zum unerlaubten Arbeitnehmerverleih angesichts unzureichender staatlicher Kontrollmöglichkeiten Mayer, BB 1993, 1428. 480 Vgl. Art. 4 des deutsch-polnischen Werkvertragsabkommens vom 30.5.1990 (BGBl. 1990 II, 602) und Art. 8 Abs. 3 der Änderung vom 1.3./30.4.1993 (BGBl. 1993 II, 1125). 481 Die Ausnahmen und Erleichterungen hinsichtlich der Visumspflicht, der Aufenthaltsgenehmigung und der Arbeitsgenehmigung gelten auch für Staatsangehörige der EFTA-Staaten mit Ausnahme der Schweiz (Abkommen vom 2.5.1992 über den Europäischen Wirtschaftsraum, BGBl. 1993 II, 267 und Anpassungsprotokoll vom 17.3.1993, BGBl. 1993 II, 1295), vgl. § 9 Abs. 1 Satz 1 DVAuslG, § 15c AufenthG/ EWG, § 284 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB III; bzgl. der Schweiz vgl. Abkommen zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der
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Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt ohne Arbeitsmarktüberprüfung: Ihre Einreise ist gem. §§ 2 Abs. 3 AufenthG/EWG, 9 Abs. 1 Satz 1 DVAuslG visumsfrei gestattet. Gänzlich befreit vom Erfordernis einer Aufenthaltsgenehmigung sind gem. § 8 AufenthG/EWG u. a. Arbeitnehmer, deren Aufenthalt im Bundesgebiet die Dauer von drei Monaten voraussichtlich nicht übersteigt482, und Grenzarbeitnehmer. Alle übrigen Arbeitnehmer bedürfen zwar einer besonderen Aufenthaltserlaubnis für Angehörige eines Mitgliedstaates der EWG, haben aber als Folge des Art. 39 EGV gem. § 1 Abs. 4 iVm. § 3 Abs. 1 AufenthG/EWG einen Anspruch auf deren Erteilung, wenn sie in einem Beschäftigungsverhältnis stehen. Dieser Anspruch kann gem. § 12 AufenthG/EWG nur aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung abgelehnt werden, die auf einem persönlichen Verhalten des Arbeitnehmers beruhen, nicht jedoch wirtschaftspolitisch motiviert sind. Weitere Konsequenz der Arbeitnehmerfreizügigkeit des Art. 39 EGV ist, dass Angehörige von EG-Mitgliedstaaten gem. § 284 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB III von der Pflicht zur Einholung einer Arbeitsgenehmigung in Deutschland gänzlich befreit sind, unabhängig davon, ob sie ihre abhängige Beschäftigung dort erst aufnehmen oder aber in einem bereits bestehenden Beschäftigungsverhältnis dauerhaft oder nur vorübergehend fortführen. Trotz eigentlich fehlender Arbeitnehmerfreizügigkeit erstreckt sich diese Privilegierung in arbeitserlaubnisrechtlicher Hinsicht auch auf in Deutschland vorübergehend eingesetzte, drittstaatsangehörige Stammarbeitnehmer eines Unternehmens mit Sitz in der EG, und zwar als Folge von dessen Dienstleistungsfreiheit iSd. Art. 49 EGV. Denn mit der Dienstleistungsfreiheit sind Vorschriften, die eine Genehmigungspflicht oder ein Zulassungserfordernis vorsehen, nur dann vereinbar, wenn sie nicht diskriminieren und Gründe des Allgemeininteresses verfolgen, denen nicht bereits durch Regeln Rechnung getragen werden kann, denen der Leistungserbringer in dem Staat unterliegt, in dem er ansässig ist.483 Dementsprechend steht seit dem Vander-Elst-Urteil des EuGH vom 9.8.1994484 fest, dass ein solcher Unternehmer in seiner gemeinschaftsrechtlichen Dienstleistungsfreiheit verletzt wird, wenn er für seine in seinem Heimatstaat aufenthalts- und arbeitserlaubnisrechtlich ordnungsgemäß und dauerhaft beschäftigten, drittstaatsangehörigen Mitarbeiter bei deren Einsatz in Deutschland im Rahmen einer vorübergehenden Dienstleistung einer zusätzlichen deutschen Arbeitserlaubnis bedarf. Eine solche Arbeitserlaubnispflicht behindere Schweizerischen Eidgenossenschaft andererseits über die Freizügigkeit vom 21.6.1999, ABl. EG 2002 L 114, 6 ff., in Kraft seit dem 1.6.2002. 482 Bei einer voraussichtlichen Dauer von mehr als einem Monat ist aber gem. § 9 AufenthG/EWG eine Aufenthaltsanzeige gegenüber der zuständigen Ausländerbehörde erforderlich. 483 EuGH, Urt. v. 3.2.1982 – verb. Rs. C-62, 63/81 (Seco) –, Slg. 1982, I-223; Randelzhofer/Forsthoff in: Grabitz/Hilf, EGV, Art. 49/50 EGV Rn. 113. 484 EuGH, Urt. v. 9.8.1994 – Rs. C-43/93 (Vander Elst) –, Slg. 1994, I-3803.
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den ausländischen Dienstleistungsanbieter, ohne dass dies durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses geboten sei. Aufgrund des lediglich vorübergehenden Aufenthalts der einzelnen Arbeitnehmer erfolge kein Zugang zum Arbeitsmarkt des Aufnahmestaates, auch seien aufgrund ihres gefestigten Arbeitsmarktstatus’ infolge ordnungsgemäßer Beschäftigung und Sozialversicherung im Entsendestaat die Gefahren der Ausbeutung und Wettbewerbsverfälschung ausgeschaltet. Bereits im Jahr 1990 hatte der EuGH im Fall Rush Portuguesa entschieden, dass die Verpflichtung zur Beantragung einer Arbeitserlaubnis für Mitarbeiter, die – wie portugiesische Arbeitnehmer aufgrund von beitrittsbedingten Sonderregeln in der Zeit von 1986 bis 1992 – nicht das Recht auf Arbeitnehmerfreizügigkeit genießen, den ausländischen Anbieter diskriminiere, da inländische Anbieter ihre Arbeitskräfte ohne derartige Bedingungen einsetzen könnten.485 Weder drittstaatsangehörige noch einem Beitrittsstaat mit vorübergehend eingeschränkter Arbeitnehmerfreizügigkeit zugehörige Arbeitnehmer bedürfen also nach der Rechtsprechung des EuGH einer Arbeitsgenehmigung, wenn sie von einem Unternehmen mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat vorübergehend in Deutschland zur Dienstleistungserbringung eingesetzt werden.486 Eine Aussage bezüglich einer etwaigen Rechtswidrigkeit der Unterwerfung unter zusätzliche, aufenthaltsrechtliche Verpflichtungen enthalten die beiden vorgenannten Urteile allerdings nicht.487 Die Bundesanstalt für Arbeit (jetzt: Bundesagentur für Arbeit) reagierte auf das Vander-Elst-Urteil mit einem Runderlass488, der den Eingriff in die gemeinschaftsrechtliche Dienstleistungsfreiheit durch die bisherige Praxis, aufgrund des geltenden Anwerbestopps die Erteilung einer Arbeitserlaubnis mit Hinweis auf die Lage am deutschen Arbeitsmarkt gegenüber drittstaatsangehörigen Beschäftigten eines Unternehmens mit Sitz in einem Mitgliedstaat kategorisch auszuschließen, zunächst zumindest abmilderte. Zwar war nach wie vor eine Arbeitserlaubnis zu beantragen, jedoch entfiel nunmehr eine Prüfung des in § 285 Abs. 1 Nr. 1 SGB III genannten Kriteriums der Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt, und eine Arbeitserlaubnis war zu erteilen, wenn die Dienstleistung als solche nur vorübergehender Natur war, der vom entsendenden Unternehmen eingesetzte drittstaatsangehörige Arbeitnehmer dort zum ordnungsgemäß, d.h. aufenthalts- und arbeitserlaubnisrechtlich legal und dorthin rückkehrberechtigt beschäftigten und sozialversicherten Stammpersonal mit einer Unternehmenszu485
EuGH, Urt. v. 27.3.1990 – Rs. C-113/89 (Rush Portuguesa), Slg. 1990, I-1417. So auch Bartz in: Wissing/Mutschler/Bartz/Schmidt-De Caluwe, SGB III, § 284 Rn. 22. 487 So auch EU-Kommissar Monti in seiner Antwort vom 6.10.1995 auf eine parlamentarische Anfrage, ABl. EG 1996 C 9/51; Khan, Anm. zu EuGH, Urt. v. 9.8.1994 – Rs. C-43/93 –, EuZW 1994, 602. 488 Dienstblatt-Runderlass 72/95 der Bundesanstalt für Arbeit vom 8.8.1995, abgedruckt im Dienstblatt der Bundesanstalt für Arbeit 1995. 486
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gehörigkeit von mindestens einem Jahr gehörte; schließlich musste das Unternehmen gegenüber dem Arbeitsamt die Zahlung desjenigen tariflichen Arbeitslohnes schriftlich zusichern, der vergleichbaren Arbeitnehmern in Deutschland nach dem aufgrund der erbrachten Arbeiten (fiktiv) einschlägigen Tarifvertrag zusteht.489 Als die Kommission angesichts mehrerer Beschwerden über diese Regelung die Einleitung eines Vertragsverletzungsverfahrens gegen Deutschland in Erwägung zog490, befreite ein Erlass des Auswärtigen Amtes vom 29.7.1996 nunmehr gänzlich vom Erfordernis der Erteilung einer Arbeitserlaubnis, so dass EG-Unternehmen drittstaatsangehörige Arbeitnehmer grenzüberschreitend in Deutschland nach den Vorgaben des EuGH einsetzen können, was die Auslandsvertretungen bei der Visumserteilung zu überprüfen haben.491 Anfang 1999 legte die Kommission einen Richtlinienvorschlag zur Einführung eines EG-Dienstleistungsausweises492 vor, der den freien Dienstleistungsverkehr unter dem Einsatz drittstaatsangehöriger Arbeitnehmer erleichtern und dem Kontrollbedürfnis des jeweiligen Einsatzstaates Rechnung tragen soll. Ein solcher Ausweis soll Arbeitnehmern aus Drittstaaten von dem Mitgliedstaat erteilt werden, in dem ihr Beschäftigungsverhältnis seinen Sitz hat, mit der Folge, dass sie für den vorübergehenden Einsatz in einem anderen Mitgliedstaat von allen aufenthalts- und arbeitserlaubnisrechtlichen Behinderungen befreit sind. Voraussetzung hierfür ist, dass der Arbeitnehmer seine Haupttätigkeit im Entsendestaat aufenthalts- und arbeitserlaubnisrechtlich legal erbringt, dorthin rückkehrberechtigt und gegen Krankheit und Unfall versichert ist. Der Ausweis kann für eine Maximaldauer von sechs Monaten bei einer mindestens sechsmonatigen vorherigen ordnungsgemäßen Beschäftigung im Entsendestaat erteilt werden.493 Nach Ablauf des Ausweises muss diese Beschäftigungszeit im Entsendestaat erneut erfüllt werden. Zur Kontrolle kann jeder Einsatzstaat vom Dienstleistungserbringer vor der Einreise des Arbeitnehmers eine Anzeige bezüglich seiner Anwesenheit, der Dauer und der konkret durchzuführenden Arbeiten verlangen. Wenn der Aufenthalt die Dauer von sechs Monaten überschreitet, muss der Einsatzstaat dem Arbeitnehmer einen befristeten Aufenthaltstitel ausstellen. Dieser die Rechtssicherheit sowohl für den einzelnen Dienstleistungserbringer als auch den jeweiligen Einsatzstaat erheblich erhö489
Zu den Einzelheiten Marschner, NZA 1996, 186; Borgmann, ZAR 1996, 119. Vgl. die schriftliche Anfrage vom 1.9.1995, EP-Dr. 2468/95DE und die Anwort von EU-Kommissar Monti vom 6.10.1995, beides abgedruckt in ABl. EG 1996 C 9/ 51. 491 Vgl. Hailbronner, EWS 1997, 401. 492 Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Bedingungen für die Entsendung von Arbeitnehmern mit Staatsangehörigkeit eines dritten Landes im Rahmen der grenzüberschreitenden Erbringung von Dienstleistungen vom 12.2.1999, ABl. EG 1999 C 67/12. 493 Eine Gültigkeit von zwölf Monaten ist bei einer vorangegangenen Beschäftigung im Entsendestaat von mindestens gleich langer Dauer möglich. 490
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hende Richtlinienvorschlag ist jedoch derzeit im Rat blockiert. Die Reichweite etwaiger marktöffnender Privilegierungen ist wie die Frage, inwieweit drittstaatsangehörige Arbeitnehmer, die von ihrem Arbeitgeber mit Sitz in einem EG-Mitgliedstaat zur grenzüberschreitenden Dienstleistungserbringung in anderen Mitgliedstaaten eingesetzt werden, dem Erfordernis aufenthalts- und arbeitserlaubnisrechtlicher Genehmigungen einschließlich entsprechender Ermessensspielräume unterworfen werden können, also nach wie vor nicht endgültig geklärt. Demgegenüber unterliegen türkische Arbeitnehmer mit Wohnsitz im Ausland, die zur Arbeitsausübung von der Türkei in die BRD einreisen, eindeutig denselben Beschränkungen wie sonstige, nicht im obigen Sinne privilegierte Drittstaatsangehörige. Sie haben zwar nach bereits erfolgter ordnungsgemäßer Einreise und Beschäftigung in Deutschland gem. Art. 6 Abs. 1 ARB494 einen Anspruch auf die erneute Erteilung einer Arbeits- und Aufenthaltsgenehmigung, so dass insofern kein behördlicher Ermessensspielraum eröffnet ist.495 Dabei sieht Art. 6 Abs. 1 ARB von der Dauer der bisherigen ordnungsgemäßen Beschäftigung im Inland abhängige Abstufungen der Freizügigkeit türkischer Arbeitnehmer vor.496 Dennoch wird das Recht des Mitgliedstaates, nach nationalem Recht über die erstmalige Einreise und Beschäftigung zu entscheiden, durch den ARB nicht berührt. Türkische Arbeitnehmer genießen daher wie Staatsangehörige sonstiger assoziierter Staaten keine generelle Freizügigkeit, sondern haben nur bestimmte Rechte in dem Aufnahmemitgliedstaat, in den sie rechtmäßig eingereist sind und in dem sie bereits eine bestimmte Zeit lang eine aufenthalts- und arbeitserlaubnisrechtlich ordnungsgemäße Beschäftigung ausgeübt haben.497 Für die vorliegend zu untersuchenden Fälle grenzüberschreitender Ar-
494 Beschluss Nr. 1/80 des Assoziationsrates EWG-Türkei über die Entwicklung der Assoziation vom 19.09.1980 (abgedruckt in InfAuslR 1982, 33). Der Assoziierungsbeschluss beruht auf dem „Abkommen zur Gründung einer Assoziation zwischen der EWG und der Türkei“ vom 12.9.1963 (BGBl. 1964 II, 509) und begründet einen allmählich anwachsenden, gesicherten Arbeitsmarktstatus türkischer Arbeitnehmer. Art. 6 Abs. 1 und 7 dieses Beschlusses bilden einen integrierten Bestandteil der Gemeinschaftsrechtsordnung mit unmittelbarer Wirkung in den Mitgliedstaaten, vgl. EuGH, Urt. v. 20.9.1990 – Rs. C 192/89 (Sevince) –, NVwZ 1991, 255 (Rz. 17, 22); BVerwG, Urt. v. 24.1.1995 – 1 C 2/94 –, NVwZ 1995, 1110. 495 EuGH, Urt. v. 30.9.1997 – Rs. C 98/96 (Kasim Ertanir) –, NVwZ 1999, 286 (Rn. 26). 496 So hat ein türkischer Arbeitnehmer nach einem Jahr ordnungsgemäßer Beschäftigung lediglich Anspruch auf Erneuerung seiner Arbeitserlaubnis bei dem gleichen Arbeitgeber, wenn dieser über einen Arbeitsplatz verfügt; erst nach drei Jahren ordnungsgemäßer Beschäftigung hat er das Recht, sich für den gleichen Beruf bei einem Arbeitgeber seiner Wahl auf ein unter normalen Bedingungen unterbreitetes und bei den Arbeitsämtern eingetragenes anderes Stellenangebot zu bewerben; einen gänzlich freien Zugang zu jeder von ihm gewählten abhängigen Beschäftigung hat er erst nach vier Jahren ordnungsgemäßer Beschäftigung.
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beitnehmermobilität ergibt sich hieraus mithin keine besondere marktöffnende Privilegierung. Sofern die mobil eingesetzten Arbeitnehmer selbst über kein eigenes Freizügigkeitsrecht verfügen, wird ihr Marktzugang im Einsatzland also nach der o. g. Rechtsprechung des EuGH mittelbar über die Dienstleistungsfreiheit ihres in einem EG-Mitgliedstaat ansässigen Arbeitgebers privilegiert. Dies betrifft schließlich im Grundsatz auch die zehn mittel- und osteuropäischen Staaten, die der EG am 1. Mai 2004 als Vollmitglieder beigetreten sind.498 Wie bereits bei den vorangegangenen Erweiterungen der Gemeinschaft ist die Arbeitnehmerfreizügigkeit in allen EG-Staaten zu Lasten der Beitrittsstaaten mit Ausnahme von Malta und Zypern während einer Übergangsfrist von mindestens zwei Jahren, die um drei Jahre und im Falle der Gefahr schwerwiegender Arbeitsmarktstörungen nochmals um weitere zwei Jahre verlängert werden kann, suspendiert. Der Zugang osteuropäischer Beschäftigter zum Arbeitsmarkt in den bisherigen Mitgliedstaaten kann also aufgrund dieses sog. „2+3+2-Modells“ gegebenenfalls bis zu sieben Jahren unverändert arbeitserlaubnisrechtlich beschränkt werden. Ausnahmsweise kann diese Marktzugangsbeschränkung trotz der VanderElst-Rechtsprechung des EuGH auch nicht über die Dienstleistungsfreiheit der Unternehmen mit Sitz in Osteuropa ausgehebelt werden, die ihre Arbeitnehmer grenzüberschreitend in Deutschland oder Österreich einsetzen möchten. Diesen Anrainerstaaten wurde nämlich zusätzlich die Möglichkeit eingeräumt, für die Dauer der o. g. Übergangsfrist bei der Arbeitnehmerfreizügigkeit nach entsprechender Unterrichtung der Kommission auch eine Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit in bestimmten Wirtschaftsbereichen vorzusehen, wenn schwerwiegende Störungen in den betreffenden Dienstleistungssektoren gegeben sind. Dementsprechend ist in Deutschland bezüglich der Bereiche des Baugewerbes einschließlich verwandter Wirtschaftszweige, der Reinigung von Gebäuden, Inventar und Verkehrsmitteln und der Tätigkeit von Innendekorateuren die Aufrechterhaltung der bisherigen arbeitserlaubnisrechtlichen Einschränkungen (einschließlich des Fortbestandes von Werkvertragsabkommen) möglich.499
497 EuGH, Urt. v. 30.9.1997 – Rs. C 98/96 (Kasim Ertanir) –, NVwZ 1999, 286 (Rz. 22 f.). 498 Dies sind Tschechien, Slowakei, Estland, Lettland, Litauen, Polen, Slowenien, Ungarn, Malta und Zypern, vgl. Beitrittsvertrag zwischen den EU-Mitgliedstaaten und den Beitrittsstaaten, ABl. EG 2003 L 236, 17 ff. 499 Vgl. Art. 24 des Beitrittsvertrages iVm. den Anhängen V–XIV, ABl. EG 2003 L 236, 40, 803 ff.
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2. Kollisionsrecht a) Qualifikation des zugrunde liegenden Rechtsverhältnisses als Arbeitsverhältnis Im Falle der Öffnung eines nationalen Marktes für Arbeitnehmermobilitätssachverhalte mit Auslandsbezug500 ist Grundlage des dadurch verursachten Wettbewerbs von Individuen und Systemen ein Arbeitsverhältnis, an das die unterschiedlichen Rechtssysteme mit ihren Regelungen anknüpfen und einen individual- wie kollektivarbeitsrechtlichen und sozialrechtlichen Rahmen für das jeweilige individuelle Marktverhalten aufstellen. Die Bestimmung des Begriffs „Arbeitsverhältnis“ wird so zum Ausgangspunkt der Ermittlung international mobilitätsbeschränkender Wettbewerbsfaktoren und zum Anknüpfungsgegenstand für entsprechende Kollisionsnormen. Internationale Arbeitnehmermobilität auf deutschen Märkten führt zu einem Import ausländischer Rechtssysteme und Wettbewerbsbedingungen. Dieser Import vollzieht sich in den Grenzen des jeweiligen Arbeitsvertragsstatuts, das alle mit Begründung, Inhalt, Erfüllung, Störung und Beendigung eines Arbeitsverhältnisses zusammenhängenden Fragen in der Beziehung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer umfasst. Die rechtlichen Möglichkeiten maximaler örtlicher Einsatzflexibilität zu minimierten Lohnkosten richten sich für den ausländischen Arbeitgeber zum einen nach der individualarbeitsrechtlichen Zulässigkeit nach Maßgabe des einschlägigen Arbeitsvertragsstatuts. Ebenso relevant für ihn ist aber die Geltung von Tarifverträgen, öffentlich-rechtlichen Sozialversicherungspflichten als Lohnnebenkosten, von betriebsverfassungsrechtlichen Mitbestimmungsrechten, öffentlich-rechtlichem Arbeitnehmerüberlassungsrecht und sonstigen zwingenden Bestimmungen des deutschen Rechts, die sich sämtlich auf den Inhalt seiner arbeitsvertraglichen Rechte und Pflichten im Verhältnis zum Arbeitnehmer auswirken. Nationale Kollisionsnormen umschreiben ihren jeweiligen Anwendungsbereich mit Begriffen, die dem nationalen materiellen Recht entlehnt sind. Die Auslegung dieser Begriffe durch deutsche Gerichte entscheidet über die Reichweite und Abgrenzung der verschiedenen Kollisionsnormen des zivilen und öffentlichen Rechts. Da das EGBGB generell zum Problem der rechtlichen Qualifizierung eines Sachverhaltes schweigt, ist bei der Einordnung der hier zu untersuchenden Rechtsfrage nach international mobilitätsbeschränkenden Wettbewerbsfaktoren fraglich, ob sich die erforderliche Qualifikation des zugrunde liegenden Rechtsverhältnisses als Arbeitsverhältnis iSd. Art. 30 EGBGB nach der lex fori, der lex causae oder aber autonom, d.h. losgelöst von den Regeln eines nationalen Rechts, beurteilt. Relevant wird diese Problematik insbesondere bei Scheinselbständigen britischer Herkunft, deren 500 Zu Sachverhalten grenzüberschreitender Arbeitnehmermobilität siehe oben unter Teil 1 § 2 A. I.
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Rechtsverhältnis aufgrund einer entsprechenden britischen Bescheinigung auch als selbständiger Werk- oder Dienstvertrag iSd. Art. 27, 28 EGBGB angesehen werden könnte.501 Nach ghM. erfolgt die Qualifikation einer Rechtsfrage zwecks Ermittlung der einschlägigen Kollisionsnorm grundsätzlich nach der lex fori, d.h. nach dem Recht, das am Ort des mit dem Rechtsfall befassten Gerichts gilt, so dass von derjenigen Rechtsordnung auszugehen ist, welche die jeweilige Kollisionsnorm originär aufgestellt hat.502 Dies dient einem internen Entscheidungseinklang, indem das Systemverständnis des Normgebers selbst für den Gehalt der Kollisionsnorm herangezogen wird, allerdings unter gleichzeitigem Vergleich von Zweck und Funktion des in Rede stehenden ausländischen Rechtsinstituts mit denen des Anknüpfungsgegenstandes der deutschen Kollisionsnorm.503 Dieser Grundsatz wird jedoch bei Kollisionsnormen eines vorrangigen völkerrechtlichen Staatsvertrages iSd. Art. 3 Abs. 2 EGBGB zugunsten eines internationalen Rechtsanwendungseinklanges insofern durchbrochen, als hier deren Anwendbarkeit autonom nach Wortlaut, Entstehungsgeschichte, Zweck und der Rechtspraxis in den Vertragsstaaten rechtsvergleichend zu bestimmen ist.504 Denn derartige Staatsverträge bezwecken eine Vereinheitlichung nationaler Kollisionsrechte, der eine Orientierung ausschließlich an nationalen Systembegriffen zuwiderlaufen würde. Dementsprechend postuliert auch Art. 36 EGBGB zugunsten eines vereinheitlichten europäischen Kollisionsrechts die einheitliche Auslegung und Anwendung der Kollisionsnormen für vertragliche Schuldverhältnisse, die auf dem Europäischen Schuldvertragsabkommen von 1980 (EVÜ)505 beruhen.506 501
Hierzu näher Mankowski, BB 1997, 465. BGH, Urt. v. 21.9.1995 – VII ZR 248/94 –, NJW 1996, 54; h. L., vgl. v. Hoffmann, IPR, § 6 Rn. 12 f.; Kropholler, IPR, § 16 I, 120; a. A. (Qualifikation nach der lex causae, d.h. des Wirkungsstatuts, also dem Sachrecht, das durch die Kollisionsnorm berufen werden würde) Martin Wolff, IPR, 54 ff.; gegen diese Theorie spricht jedoch, dass es denklogisch zweifelhaft ist, nach einem Statut zu qualifizieren, zu dem man durch ebendiese Qualifikation erst gelangen will. 503 Sog. funktionelle bzw. teleologische Qualifikation, die sich an Funktion und Zweck einer ausländischen Rechtserscheinung orientiert, vgl. BGH, Urt. v. 19.12.1958 – IV ZR 87/58 –, BGHZ 29, 137 (139); BGH, Urt. v. 22.3.1967 – IV ZR 148/65 –, BGHZ 47, 324 (332); BGH, Urt. v. 28.1.1987 – IVb ZR 10/86 –, NJW 1987, 2161; Kegel/Schurig, IPR, § 7 IV, 355; noch sehr viel weitergehend Rabel, RabelsZ 5 (1931), 241, der eine von den Systembegriffen des Forums gänzlich losgelöste, rein rechtsvergleichende Qualifikation vorschlägt, die derzeit jedoch mangels hinreichend international harmonisierter Rechtsbegriffe praktisch undurchführbar wäre. 504 Junker, IPR, Rn. 51; zur Auslegung ist insbesondere der Bericht von Giuliano/ Lagarde („Bericht über das Übereinkommen über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht“), BT-Dr. 10/503, 33 ff. heranzuziehen. 505 Übereinkommen über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht vom 19.6.1980, ABl. EG 1980 L 266/1; Ratifikation durch Deutschland per Gesetz vom 25.7.1986, BGBl. 1986 II, 809, zugleich Verabschiedung des Gesetzes zur 502
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Eine solche Kollisionsnorm stellt Art. 30 EGBGB für „Arbeitsverträge und Arbeitsverhältnisse von Einzelpersonen“ dar.507 Entgegen einer an der lex fori orientierten Auffassung508 muss der Begriff des Arbeitsverhältnisses in Art. 30 EGBGB angesichts des in Art. 36 EGBGB enthaltenen Gebotes einheitlicher Rechtsanwendung autonom ausgelegt werden.509 Diese im Geltungsbereich dieses Abkommens einheitliche Bestimmung des Anknüpfungsgegenstandes erweitert im Verhältnis zu Drittstaaten die Reichweite der jeweiligen nationalen lex fori; sie wirkt sich damit nicht lediglich intern im Verhältnis der Vertragsstaaten untereinander aus, sondern verfügt über eine Außenwirkung gegenüber Dritten.510 Auch wenn der EuGH bislang keine Zuständigkeit für die Entscheidung von Auslegungsfragen des EVÜ besitzt511, ist hierbei auf dessen RechtspreNeuregelung des Internationalen Privatrechts vom 25.7.1986, BGBl. 1986 I, 1142; dieses Gesetz hat die Regeln des Übereinkommens in die Art. 27–37 EGBGB eingestellt mit der Folge, dass das Übereinkommen gem. Art. 1 Abs. 2 des o. g. Zustimmungsgesetzes innerstaatlich nicht unmittelbar anwendbar ist, es keinen Vorrang iSd. Art. 3 Abs. 2 EGBGB vor autonomem deutschem Kollisionsrecht genießt und ein isolierter Rückgriff auf die bereits inkorporierten Kollisionsregeln des Übereinkommens ausgeschlossen ist; Gegenstand der Auslegung ist also hier nicht der Staatsvertrag selbst, sondern das entsprechende autonome deutsche Kollisionsrecht. Zudem hat Deutschland bei der Ratifizierung des EVÜ von der nach Art. 22 Abs. 1a EVÜ bestehenden Möglichkeit eines Vorbehaltes im Hinblick auf die Anwendung ausländischer zwingender Normen iSd. Art. 7 Abs. 1 EVÜ Gebrauch gemacht, die Lücke ist durch Rechtsfortbildung zu füllen, hierzu näher v. Hoffmann, IPR, § 10 Rn. 98 ff. 506 Hierzu Junker, RabelsZ 55 (1991), 674, der zutreffend darauf hinweist, dass das EVÜ zunächst aufgrund von Art. 1 Abs. 2 des Zustimmungsgesetzes vom 25.7.1986 „am Vordereingang abgewiesen“ und sodann durch Art. 36 EGBGB „an der Hintertür diskret hereingewunken“ wird. 507 Darin wird der Begriff des Arbeitsverhältnisses genannt, um auch das faktische Arbeitsverhältnis auf nichtiger Vertragsgrundlage zu erfassen, vgl. Bericht Giuliano/ Lagarde, BT-Dr. 10/503, 57 f.; Kegel/Schurig, IPR, § 18 I, 684; kritisch Junker, IPR (1998), Rn. 379. 508 v. Bar, IPR, § 4 Rn. 446; Däubler, RIW 1987, 249; Gamillscheg, ZfA 14 (1983), 307 (365). 509 Bericht Giuliano/Lagarde, BT-Dr. 10/503, 70; Junker, IPR, Rn. 379; v. Hoffmann, IPR, § 10 Rn. 75; Mankowski, BB 1997, 465; Birk in: MünchArbR, § 20 Rn. 3, 61, 95. 510 Das EVÜ ist ein Übereinkommen mit universellem Geltungsbereich ohne das Erfordernis der Gegenseitigkeit, also auch im Verhältnis zu Drittstaaten, vgl. Bericht Giuliano/Lagarde, BT-Dr. 10/503, 41; v. Hoffmann in: Staudinger, BGB, vor Art. 27 Rn. 4. 511 BGH, Urt. v. 26.10.1993 – XI ZR 42/93 –, BGHZ 123, 380 (385); die entsprechenden beiden Auslegungsprotokolle vom 19.12.1988 bezüglich der Zuständigkeit des EuGH (1. Protokoll 89/128/EWG, ABl. EG 1989 L 48, 1 ff.; 2. Protokoll 89/129/ EWG, ABl. EG 1989 L 48, 17 ff.) sind bis heute nicht in sämtlichen Vertragsstaaten ratifiziert worden und daher noch nicht in Kraft getreten. Auch fehlt für eine originäre Auslegungskompetenz des EuGH eine unmittelbare Legitimationsgrundlage im EGV. Allerdings ist derzeit eine Revision des EVÜ in Vorbereitung, im Zuge derer es u. U. durch eine sich auf Art. 65 (a) EGV gründende EG-VO ersetzt wird (sog. Rom I-VO). – Im Gegensatz dazu ist der EuGH bezüglich des auf Art. 293 EGV beruhenden früheren EuGVÜ auslegungskompetent, erst recht im Hinblick auf die auf Art. 65 (b)
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chung zu Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ512 und Art. 39 EGV zurückzugreifen.513 Danach ist maßgebliches Kennzeichen für ein Arbeitsverhältnis, „dass jemand für einen anderen nach dessen Weisungen Leistungen erbringt, die einen gewissen wirtschaftlichen Wert haben und für die er als Gegenleistung eine Vergütung erhält“, mithin die Weisungsgebundenheit einer gegen Entgelt erbrachten Tätigkeit.514 Auf diese Weise erlangt der europarechtliche Arbeitnehmerbegriff einen autonom-gemeinschaftsrechtlichen Gehalt.515 Für die Kollisionsnormen des öffentlichen Rechts gelten demgegenüber Besonderheiten, da sich nach dem Territorialitätsgrundsatz die Kompetenz eines öffentlichen Hoheitsträgers nur auf eigenes Recht bezieht. Somit führt hier auch eine lex-causae-Qualifikation nach dem auf den Sachverhalt anwendbaren Recht im Hinblick auf das Sozialrecht zu keinem anderen Ergebnis als eine Bestimmung nach der lex fori, da es sich insofern nicht um allseitige, sondern lediglich um einseitige, die Anwendbarkeit ausschließlich deutschen Rechts bestimmende Kollisionsnormen handelt. Der für deutsches Sozialversicherungsrecht maßgebliche Beschäftigungsbegriff des § 7 Abs. 1 SGB IV setzt die Nichtselbständigkeit der Tätigkeit im Sinne einer persönlichen Abhängigkeit voraus, für deren Vorliegen u. a. die Weisungsgebundenheit der Tätigkeit und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers Indizien sind.516 Grundsätzlich sind auch hier im Falle zwischenstaatlicher Sozialversicherungsabkommen und gemeinschaftsrechtlicher Regelungen autonome Auslegungsgrundsätze heranzuziehen.517 Art. 2 Abs. 1 iVm. Art. 1a der VO (EWG) Nr. 1408/71518 EGV gestützte Verordnung (EG) Nr. 44/2001 vom 22.12.2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivilund Handelssachen, ABl. EG 2001 L 12. 512 Übereinkommen 72/454/EWG vom 27.9.1968 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, ABl EG 1972 L 299, 32. 513 Junker, RabelsZ 55 (1991), 674; v. Hoffmann, IPR, § 10 Rn. 75; Magnus in: Staudinger, BGB, Art. 30 Rn. 21; Mankowski, BB 1997, 465. 514 EuGH, Urt. v. 3.7.1986 – Rs. 66/85 – (Lawrie-Blum/Land Baden-Württemberg), Slg. 1986, 2121 (Rz. 17); siehe auch EuGH, Urt. v. 15.1.1987 – Rs. 266/85 – (Shenavai/Kreischer), Slg. 1987, 239 (Rz. 16); EuGH, Urt. v. 23.3.1982 – Rs. 53/81 – (Levin/Staatssecretaris van Justitie), Slg. 1982, 1035; v. Hoffmann in: Soergel, BGB, Art. 30 Rn. 7 ff.; danach unterfallen auch britische Scheinselbständige dem Arbeitnehmerbegriff des Art. 30 EGBGB, was bei Anwendung der lex causae nicht der Fall wäre. 515 In diesem Sinne auch EuGH, Urt. v. 19.3.1964 – Rs. 75/63 (Unger/Bedrijfsvereniging) –, Slg. 1964, 379. 516 BSG, Urt. v. 1.12.1977 – 12/3/12 RK 39/74 –, BSGE 45, 199 (200); BSG, Urt. v. 28.1.1960 – 3 RK 49/56 –, BSGE 11, 257 (260); Seewald in: Kasseler Kommentar, § 7 SGB IV, Rn. 45 ff. 517 Da das koordinierende Sozialrecht der VO (EWG) Nr. 1408/71 auf Art. 39, 42 EGV beruht, zieht der EuGH grundsätzlich Art. 39 EGV als Auslegungsmaßstab für deren Bestimmungen heran, vgl. EuGH, Urt. v. 10.3.1983 – Rs. 232/82 (Baccini/ ONEM) –, Slg. 1983, I-583; auch enthält Art. 1 der VO internationale Rechtsbegriffe
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enthält jedoch als bloße Koordinationsvorschrift insofern eine spezifisch sozialrechtliche Begriffsdefinition, als sie bei der Bestimmung ihres persönlichen Geltungsbereichs auf den nationalen sozialrechtlichen Arbeitnehmerbegriff des Rechts des Mitgliedstaates verweist, das auf den jeweiligen Sachverhalt anzuwenden ist.519 Danach ist jeder durch ein System eines Mitgliedstaates Gesicherte als Arbeitnehmer iSd. VO anzusehen. Der für eine solche lex-causaeQualifikation typischen Gefahr eines Zirkelschlusses entgeht der EuGH durch eine hypothetische Prüfung, bei der zunächst von der Arbeitnehmereigenschaft des Betroffenen ausgegangen und sodann das danach berufene Recht eines Mitgliedstaates bestimmt wird. Dieses Recht ist auf den Fall aber nur dann auch tatsächlich anwendbar, wenn der Betroffene dessen konkreten Arbeitnehmerbegriff erfüllt; anderenfalls ist auf der Grundlage der VO zu prüfen, ob andere Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts bezüglich Selbständiger oder Nichterwerbstätiger anzuwenden sind.520 b) Arbeitsvertragsstatut nach Internationalem Privatrecht aa) Parteiautonome Steuerbarkeit des anwendbaren Rechtssystems Der Begriff der Autonomie bedeutet die Freiheit, den Inhalt eines Rechtsgeschäftes entweder unmittelbar durch Festlegung im einzelnen oder mittelbar durch Wahl der maßgebenden Rechtsordnung zu bestimmen521, und erfasst damit sowohl die materiellrechtliche als auch die kollisionsrechtliche Bestimmungsfreiheit des Einzelnen. Das Internationale Vertragsrecht der Art. 27 ff. EGBGB beruht auf dem Grundsatz der Parteiautonomie. Diese kollisionsrechtliche Rechtswahlfreiheit reicht in ihrem Selbstbestimmungsumfang über die sachrechtliche Vertragsfreiheit insofern hinaus, als der jeweilige nationale Rahmen zu ihrer Disposition steht, dessen zwingenden Grenzen die sachrechtliche Privatautonomie aber zu beachten hat. So erweist sich die parteiautonome Rechtswahlfreiheit als ein verstärkt wettbewerbsrelevantes Mittel zur Steuerung der für mit einem grundsätzlich autonomen Begriffsgehalt, Eichenhofer in: Nomos-Kommentar, Art. 1 Rn. 4 ff. 518 Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 über die Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, vom 14.6.1971, ABl. EG 1971 L 149/2; zuletzt geändert durch VO (EG) Nr. 118/97 des Rates vom 29.4.1999, ABl. EG 1999 L 164/1. 519 EuGH, Urt. v. 31.5.1979 – Rs. 182/78 (Algemeen Ziekenfonds/Pierik) –, Slg. 1979, II-1977; EuGH, Urt. v. 30.1.1997 – Rs. C 340/94 (de Jeack/Staatssecretaris van Financiën) –, Slg. 1997, I-461; EuGH, Urt. v. 30.1.1997 – Rs. 221/95 (Inasti/Hervein und Hervillier) –, Slg. 1997, I-609. 520 EuGH, Urt. v. 13.10.1993 – Rs. C-121/92 (Staatssecretaris van Financiën/Zinnecker) –, Slg. 1993, I-5023. 521 So Kropholler, IPR, § 40 I, 290 f.
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die Leistungserbringung auf nationalen Märkten jeweils zwingend geltenden Rahmenbedingungen.522 Diese Steuerung kann sowohl direkt aufgrund einer Rechtswahlvereinbarung als auch indirekt durch die bewusste Auswahl eines von mehreren verschiedenen objektiven Anknüpfungspunkten erfolgen, die jeweils zur Anwendbarkeit unterschiedlicher Rechtsordnungen führen. (1) Direkte Rechtswahl iSd. Art. 27, 30 Abs. 1 EGBGB Auch die Parteien eines Arbeitsverhältnisses können – wie sonstige Vertragspartner – gem. Art. 30 Abs.1, 27 EGBGB das auf ihren Vertrag anwendbare Recht frei wählen.523 Dabei verlangt Art. 27 Abs. 1 Satz 2 EGBGB zum Schutz des Arbeitnehmers lediglich, dass sich die Rechtswahl mit hinreichender Sicherheit aus den Bestimmungen des Vertrages oder aus den Umständen des Falles ergeben muss, so dass auch eine stillschweigende Rechtswahl möglich ist, solange sich nur ein entsprechender realer Parteiwille ermitteln lässt.524 Ein derartiges Erklärungsbewusstsein bezüglich der Rechtswahl dient als Abgrenzungskriterium zur indirekten Rechtswahl durch objektive Anknüpfung, dementsprechend stellt eine vorübergehende Entsendung des Arbeitnehmers als solche noch keine stillschweigende Wahl des am Einsatzort geltenden Rechts dar. Indizien für eine konkludente Rechtswahl können u. a. eine Gerichtsstandsklausel, die Inbezugnahme ausländischer Rechtsnormen, die Vereinbarung eines Erfüllungsortes im Ausland oder die Beschränkung der Arbeitspflicht auf einen bestimmten Betrieb sein.525 Auch können die Parteien die Rechtswahl gem. Art. 27 Abs. 1 Satz 3 EGBGB auf einen abtrennbaren Teil des Vertrages beschränken526, nach Art. 27 Abs. 2 EGBGB ihre Wahl jederzeit treffen sowie später mit ex-tunc-Wirkung abändern. Wählbar ist jedes, sogar ein neutrales staatliches Rechtssystem, das in keinem sachlichen Zusammenhang zum Arbeits522 Zutreffend führt Mankowski in: RIW 2003, 2 f. aus, die Parteiautonomie sei „weltweit tragendes Prinzip des Internationalen Schuldvertragsrechts“, der Handel baue auf sie. (. . .) „Kollisionsrechtliche Parteiautonomie bietet Handel und Wirtschaft Bewegungsfreiheit und fördert den grenzüberschreitenden Austausch von Gütern und Dienstleistungen.“ 523 BAG, Urt. v. 12.6.1986 – 2 AZR 398/85 –, NJW-RR 1988, 482; LAG Niedersachsen, Urt. v. 20.11.1998 – 3 Sa 909/98 –, AR-Blattei ES, Internationales Arbeitsrecht Nr. 6. 524 Kropholler, IPR, § 40 IV, 298; ein bloß mutmaßlicher Wille reicht demgegenüber nicht aus, Schaub, ARHandbuch, § 6 Rn. 11. 525 Schaub, ARHandbuch, § 6 Rn. 11. 526 Z. B. auf die betriebliche Altersversorgung; vgl. auch BAG, Urt. v. 20.11.1997 – 2 AZR 631/96 –, IPRax 1999, 174 (partielle Rechtswahl deutschen Kündigungsschutzrechts); den von Gamillscheg in: ZfA 14 (1983), 307 (328) gegenüber einer derartigen Teilverweisung geäußerten Bedenken wegen deren Gefährdungspotentials wird durch das dem Arbeitnehmerschutz dienende Günstigkeitsprinzip des Art. 30 Abs. 1 EGBGB hinreichend effektiv begegnet, vgl. Martiny in: MüKo, BGB, Art. 30 Rn. 14; v. Hoffmann in: Soergel, BGB, Art. 30 Rn. 12.
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vertrag steht. Auch unterliegt eine in Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthaltene Rechtswahlvereinbarung keiner besonderen Inhaltskontrolle, da dem Missbrauchspotential bereits abstrakt durch die Wirkungsbeschränkungen der Art. 30 Abs. 1, 34 EGBGB hinreichend Rechnung getragen wird.527 Das Zustandekommen sowie Form und Wirksamkeit der arbeitsvertraglichen Rechtswahlvereinbarung werden nach dem gewählten Recht beurteilt, insofern gelten über Art. 27 Abs. 4 EGBGB hinaus keine Besonderheiten für arbeitsrechtliche Rechtswahlklauseln.528 (2) Indirekte Rechtswahl aufgrund objektiver Anknüpfung gem. Art. 30 Abs. 2 EGBGB Während Art. 28 EGBGB generell auf die „engsten Verbindungen“ des Vertrages zu einem Staat als objektivem Anküpfungspunkt abstellt und diese im Aufenthalts- bzw. Sitzort der die „charakteristische Leistung“ schuldenden Vertragspartei zudem lediglich vermutet, enthält Art. 30 EGBGB als lex specialis feststehende besondere Anknüpfungsregeln zum Schutz des Arbeitnehmers als der schwächeren Vertragspartei. Jeder Auslandseinsatz kann diese schwächere Position des Arbeitnehmers noch intensivieren, wenn letzterer dabei infolge eines Statutenwechsels Bedingungen eines ausländischen Arbeitsmarktes ausgesetzt wird. Mit dem Ziel einer kontinuierlichen Einbettung des Arbeitsverhältnisses in ein und dasselbe Umfeld soll der mobil eingesetzte Arbeitnehmer stets demjenigen Arbeitsmarkt zugeordnet werden, auf dem er mit anderen Arbeitnehmern unter wegen des Gleichlaufs der dort geltenden gesetzlichen und kollektivvertraglichen Bestimmungen einheitlichen Marktbedingungen konkurrieren kann. Die objektiven Anknüpfungsregeln des Art. 30 Abs. 2 EGBGB dienen also insofern dem Arbeitnehmerschutz, als sie eine möglichst dauerhafte Zuordnung zu einem Regelungssystem anstreben, das dem Arbeitnehmer ausgewogene und einheitliche Wettbewerbsbedingungen beim Angebot seiner Arbeitsleistung sichert. In diesem Sinne kann die räumliche Zuordnung eines Arbeitsverhältnisses zum gewöhnlichen Arbeitsort, zum Ort der Einstellungsniederlassung oder zu einem dritten Ort nach dem Kriterium erfolgen, auf welchem nationalen Arbeitsmarkt hypothetisch Ersatz für den betroffenen Arbeitnehmer gesucht würde.529
527 Mankowski, RIW 2003, 2; Birk in: MünchArbR, § 20 Rn. 9; Martiny in: MüKo, BGB, Art. 30 Rn. 16; a. A. Magnus in: Staudinger, BGB, Art. 30 Rn. 67. 528 Hohloch in: Erman, BGB, Art. 30 Rn. 9, der zutreffend darauf hinweist, dass auch insofern ein Schutz des Arbeitnehmers u. a. durch die Vorschrift des Art. 30 Abs. 1 EGBGB hinreichend gewährleistet ist. 529 So überzeugend das sog. marktorientierte Auslegungsmodell, vgl. Mankowski, IPRax 1999, 332; ders., IPRax 2001, 123.
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(a) Lex loci laboris, Art. 30 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB Mangels einer direkten Rechtswahl unterliegt ein Arbeitsverhältnis gem. Art. 30 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB dem Recht des Staates des gewöhnlichen Arbeitsortes. Voraussetzung hierfür ist, dass der Arbeitnehmer seine vertraglich geschuldete Arbeit gewöhnlich in ein und demselben Staat verrichtet und nur gelegentlich in einen anderen Staat entsandt wird. Indem das Gesetz seinem Wortlaut nach auf die Arbeitsverrichtung abstellt, knüpft es an den Ort der tatsächlichen Arbeitsleistung an.530 Diese ist die den Arbeitsvertrag inhaltlich prägende Hauptleistungspflicht und als solche tauglicher Anknüpfungspunkt für die Bestimmung des Arbeitsvertragsstatuts. Da der Ort der vertragscharakteristischen Leistungserbringung die stärkstmögliche tatsächliche Verbindung zu einem Staat begründet, vermag er eine Unterwerfung der Vertragsparteien unter dessen Rechtssystem grundsätzlich zu legitimieren. Um aber einen ständigen Statutenwechsel bei grenzüberschreitenden mobilen Arbeitseinsätzen zu vermeiden, knüpft das Gesetz an den gewöhnlichen Arbeitsort an. Gewöhnlich im Sinne eines regelmäßigen Inlandseinsatzes wird dieser Arbeitsort erst dann, wenn er den tatsächlichen Schwerpunkt im Sinne eines Mittelpunktes der Tätigkeit des Arbeitnehmers darstellt, der den Arbeitsvertrag insgesamt prägt und demgegenüber andere Einsatzorte als untergeordnet erscheinen.531 Wo der Arbeitgeber seinen Sitz oder Betrieb hat, ist für die ausschließlich auf die tatsächliche Arbeitsleistung abstellende Anknüpfung des Art. 30 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB irrelevant.532 Zwar ist die Mehrheit der Arbeitsverhältnisse betriebsbezogen, in den Fällen mobiler Arbeitsverhältnisse kann sich die Tätigkeit des Arbeitnehmers aber auch auf mehrere Betriebe erstrecken oder gar keine feste Bindung des Arbeitsplatzes an einen örtlich fixierten Betrieb bestehen (z. B. reine Montage, Baustelle, Handelsreisende); der Betriebsort ist hier nicht ohne weiteres mit dem tatsächlichen Arbeitsort gleichzusetzen.533 Dabei ist für Art. 30 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB unerheblich, ob der Arbeitsort in ein 530 Vgl. (bzgl. Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ) EuGH, Urt. v. 13.7.1993 – Rs. C-125/92 – (Mulox/Geels), Slg. 1993, 4075 (Rz. 14, 20); EuGH, Urt. v. 9.1.1997 – Rs. C-383/95 – (Rutten/Cross Medical Ltd.), EuZW 1997, 143 (144); v. Hoffmann in: Soergel, BGB, Art. 30 Rn. 36; Magnus in: Staudinger, BGB, Art. 30 Rn. 99 f.; Martiny in: MüKo, BGB, Art. 30 Rn. 31. 531 EuGH, Urt. v. 9.1.1997 – Rs. C-383/95 – (Rutten/Cross Medical Ltd.), EuZW 1997, 143 (144). 532 Ebenso ist irrelevant, von wo aus dem Arbeitnehmer Weisungen erteilt werden und welchem Betrieb er zugeordnet ist. 533 A. A. insofern Hohloch in: Erman, BGB, Art. 30 EGBGB Rn. 15, der stets auf den Ort, an dem für den Arbeitnehmer das „Zentrum seiner arbeitsrechtlichen Beziehungen“ angesiedelt ist, abstellt und damit der Betrieb auch für Außendienstmitarbeiter den gewöhnliche Arbeitsort darstellt, deren Arbeitszeit im wesentlichen außerhalb des Betriebs abläuft, für die der Betrieb aber gleichwohl als Ausgangspunkt der regelmäßigen Arbeit das Zentrum darstellt.
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und demselben Staat im Sinne nationaler Mobilität wechselt.534 Wesentlich ist nur, dass der Arbeitnehmer seine Arbeit gewöhnlich in einem einzigen Staat verrichtet und in diesem rein nationalen Sinn ein gewöhnlicher Arbeitsort ermittelbar ist; wo der Arbeitnehmer innerhalb dieser Staatsgrenzen örtlich fest oder mobil eingesetzt wird, ist für die internationale Schwerpunktbildung des Art. 30 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB unerheblich. Der inländische Schwerpunkt einer Tätigkeit als gewöhnlicher Arbeitsort kann auch bei einer „Entsendung“ iSd. Art. 30 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB beibehalten werden. Da die Vorschrift einen ständigen Wechsel des Vertragsstatuts vermeiden will, ist hier eine extensive Begriffsauslegung geboten: Erfasst werden sämtliche Formen grenzüberschreitender Arbeitnehmermobilität innerhalb eines bestehenden Arbeitsvertragsverhältnisses535, d.h. sowohl die Arbeitnehmermobilität innerhalb eines Unternehmens als auch der Arbeitnehmerverleih zwischen voneinander unabhängigen Unternehmen sowie konzerninterne Arbeitnehmermobilität, solange die Tätigkeit des Arbeitnehmers noch „in Erfüllung des Vertrages“ iSd. Art. 30 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB, also für das entsendende Unternehmen als Arbeitgeber erfolgt.536 Die vereinzelt befürwortete Einbeziehung von Fällen, in denen mit einer ausländischen Gesellschaft im Ausland ein neuer Vertrag geschlossen wird, in den Entsendungsbegriff des Art. 30 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB537 ist mit dessen Wortlaut nicht vereinbar. Der gewöhnliche Arbeitsort kann allerdings nur so lange tauglicher Anknüpfungspunkt iSd. Art. 30 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB sein, wie sich der Schwerpunkt der Tätigkeit nicht infolge grenzüberschreitender Arbeitnehmermobilität verschiebt oder aber auflöst. Das Gesetz stellt insofern auf die „vorübergehende“ Dauer eines grenzüberschreitenden Einsatzes ab. Die Abgrenzung der Schwerpunktverschiebung oder -auflösung von einer bloß vorübergehenden Entsendung ist nach dem Zweck des Gesetzes vorzunehmen, die vertraglichen Beziehungen dem Recht des gewöhnlichen Arbeitsortes zuzuordnen und einen Statutenwechsel im Falle der Beibehaltung dieses Schwerpunktes auszuschließen.538 Ein Verlust dieses inländischen Schwerpunktes tritt eindeutig dann ein, wenn der Wechsel ins Ausland endgültig erfolgt. Demgegenüber kann ein bloß vorübergehender Auslandseinsatz zur Beibehaltung des heimatlichen Arbeitsvertragssta534 Bericht Giuliano/Lagarde, BT-Dr. 10/503, 58; Schaub, ARHandbuch, § 6 Rn. 21; bei einem Einsatz an wechselnden Orten innerhalb eines Landes ist Arbeitsort das gesamte Staatsgebiet, BAG, Urt. v. 29.10.1992 – 2 AZR 267/92 –, IPRax 1994, 123 (127). 535 s. o. unter Teil 1 § 1 A. I.; – kein Entsendungsfall iSd. Art. 30 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB ist gegeben, wenn ein Arbeitnehmer gezielt für den Auslandseinsatz angeworben und nur dort eingesetzt wird. 536 Ähnlich Birk in: MünchArbR, § 20 Rn. 36. 537 So v. Hoffmann in: Soergel, BGB, Art. 30 Rn. 39. 538 Birk in: MünchArbR, § 20 Rn. 37.
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tuts führen. Ob eine Entsendung vorübergehenden oder endgültigen Charakter hat, ist der Vertragsgestaltung und den ihr zugrunde liegenden Parteiinteressen zu entnehmen, maßgeblich ist insofern eine ex-ante-Perspektive.539 So kann ein Auslandseinsatz aufgrund seiner zeitlichen Befristung oder infolge der Eigenart der dortigen Beschäftigung mit einer begrenzten Aufgabe vorübergehend sein, sofern die Parteien über eine spätere Rückkehr des Arbeitnehmers einig sind. Indizien hierfür sind u. a. ausdrückliche Befristungen des Auslandseinsatzes und vertragliche Rückkehrklauseln, ein im voraus genau feststehender Rückkehrzeitpunkt ist für die Abgrenzung eines bloß vorübergehenden von einem endgültigen Auslandseinsatz nicht erforderlich.540 Aber auch eine im Sinne fehlender Endgültigkeit vorübergehende Auslandsentsendung kann zu einer Verlagerung oder Auflösung des inländischen Schwerpunktes der tatsächlichen Arbeitsleistung führen, wenn die Auslandsgewichtung der Tätigkeit das für einen gewöhnlichen Arbeitsort im Inland erforderliche Mindestmaß an Inlandsbezogenheit überschreitet. Wie dieses Maß zu bestimmen ist, ist umstritten. Teils wird eine maximale Dreijahresfrist des Auslandseinsatzes vorgeschlagen541, teils in Anlehnung an die sozialrechtliche Kollisionsnorm des Art. 14 Abs. 1 EWG-VO 1408/71 eine Frist von zwölf, in Ausnahmefällen 24 Monaten542, teils die Begrenzung auf einen „überschaubaren“ Zeitraum.543 Andere lehnen ein im obigen Sinne zu bestimmendes Maß gänzlich ab und erachten zur Vermeidung eines Statutenwechsels eine Entsendung lediglich dann nicht für vorübergehend, wenn sie endgültig erfolgt, was nach den Umständen des Einzelfalls zu ermitteln sei.544 In Anbetracht der erheblichen Rechtsfolgen eines Statutenwechsels für die Arbeitsvertragsparteien ist zugunsten der Rechtssicherheit und zur Vermeidung von Manipulationen des Vertragsstatutes durch den Arbeitgeber von einer festen Frist von zwölf Monaten auszugehen, bei deren Überschreitung bereits von Anfang an eine Verlagerung des Schwerpunktes der Arbeitsleistung stattfindet. Hierfür spricht neben der im Falle eines mehr als einjährigen Einsatzes stärkeren subjektiven Bindung des betroffenen Arbeitnehmers an seinen neuen Arbeitsort auch der auf diese Weise zu erzielende Einklang mit den europarechtlichen Koordinierungsvorschriften 539
Birk in: MünchArbR, § 20 Rn. 38. A. A. v. Hoffmann, IPR, § 10 Rn. 81. 541 Gamillscheg, ZfA 14 (1983), 307; Kraushaar, BB 1989, 2121; Franzen, ARBlattei SD 920, Rn. 76 (Zeitlimit von zwei bis drei Jahren). 542 V. Hoffmann, IPR, § 10 Rn. 81; ders. in: Soergel, BGB, Art. 30 Rn. 39; LAG Berlin, Urt. v. 23.5.1977 – 9 Sa 75/76 –, BB 1977, 1302 (bzgl. Ausstrahlung des BetrVG); ablehnend (ohne nähere Begründung) Birk in: MünchArbR, § 20 Rn. 39. 543 Kropholler, IPR, § 52 VI, 481. 544 Heldrich in: Palandt, BGB, Art. 30 EGBGB Rn. 7; Magnus in: Staudinger, BGB, Art. 30 EGBGB Rn. 111; Junker, IPR, Rn. 380; Schaub, ARHandbuch, § 6 Rn. 21; Martiny in: MüKo, BGB, Art. 30 Rn. 36a; ders. in: Reithmann/Martiny, Internationales Vertragsrecht, Rn. 1349. 540
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des Sozialrechts im Sinne einer gemeinschaftskonformen Auslegung. Nichts anderes gilt in Fällen, in denen ein Arbeitnehmer regelmäßig vorübergehend in jeweils unterschiedlichen Staaten eingesetzt wird. Art. 30 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB bleibt auch hier für jeden Einzelfall anwendbar, vorausgesetzt es lässt sich trotzdem ein gewöhnlicher Arbeitsort im Inland im Sinne eines einzigen territorialen Mittel- bzw. Schwerpunktes seiner Arbeitsleistung ermitteln. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die im Inland verbrachte Arbeitszeit insgesamt überwiegt, der Arbeitnehmer also deutlich mehr als die Hälfte seiner Arbeitszeit im Inland verbringt.545 Demgegenüber kann es zu einem Wechsel des Arbeitsvertragsstatuts kommen, wenn sich die für die objektive Anknüpfung maßgeblichen Kriterien während der Dauer des Arbeitsverhältnisses ändern, insbesondere wenn der gewöhnliche Arbeitsort aufgegeben wird – sei es zugunsten eines anderen gewöhnlichen Arbeitsortes, sei es zugunsten der Niederlassungsanknüpfung nach Art. 30 Abs. 2 Nr. 2 EGBGB. (b) Recht der Einstellungsniederlassung, Art. 30 Abs. 2 Nr. 2 EGBGB Wenn der Arbeitnehmer seine Arbeit gewöhnlich nicht in ein und demselben Staat verrichtet, so dass ein (einziger) gewöhnlicher Arbeitsort iSd. Art. 30 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB nicht zu ermitteln ist, dann unterliegt das Arbeitsverhältnis gem. Art. 30 Abs. 2 Nr. 2 EGBGB dem Recht desjenigen Staates, in dem sich die Niederlassung befindet, die den Arbeitnehmer eingestellt hat. Indem sie die Existenz mehrerer gewöhnlicher Arbeitsorte in verschiedenen Staaten oder aber das vollständige Fehlen eines gewöhnlichen Arbeitsortes voraussetzt, stellt sich diese Vorschrift in ausdrücklichen Gegensatz zu dem an die Existenz eines gewöhnlichen Arbeitsortes in einem einzigen Staat anknüpfenden Art. 30 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB. Durch die feste Anknüpfung an ein Rechtssystem in Art. 30 Abs. 2 Nr. 2 EGBGB soll vermieden werden, dass die ständigen Veränderungen der Umstände der Arbeitsleistung zu einem permanenten Statutenwechsel führen. Die Vorschrift will in diesen Fällen eine gewisse Konstanz und Berechenbarkeit hinsichtlich des anwendbaren Rechts und damit eine Stetigkeit der Rechtsbeziehungen gewährleisten, für die ein gewöhnlicher Ort tatsächlicher Arbeitsleistung in ein und demselben Staat hier nicht sorgen kann.546 Art. 30 Abs. 2 Nr. 2 EGBGB setzt voraus, dass die Arbeit gewöhnlich und damit regelmäßig nicht in einem einzigen Staat geleistet wird. Dies kann beispielsweise Reisebegleiter, Flugzeugwartungsingenieure oder Außendienstmitarbeiter mit ständig wechselnden Einsatzorten in verschiedenen Ländern betreffen oder Ar-
545 EuGH, Urt. v. 9.1.1997 – Rs. C-383/95 – (Rutten/Cross Medical Ltd.), EuZW 1997, 143. 546 Birk in: MünchArbR, § 20 Rn. 42.
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beitnehmer, deren gewöhnlicher Arbeitsort ortsfest auf staatsfreiem Gebiet, wie einer Bohrinsel auf hoher See, liegt.547 Ebenfalls denkbar ist, dass ein Arbeitnehmer zwischen einem inländischen und einem ausländischen Betrieb oder aber zwischen zwei ausländischen Betrieben gleichmäßig wechselt, so dass er zwei permanente, d.h. gewöhnliche Arbeitsorte in verschiedenen Staaten hat.548 Abgrenzungsbedarf zu Art. 30 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB entsteht in den Fällen, in denen ein Arbeitnehmer regelmäßig vorübergehend in jeweils unterschiedlichen Staaten eingesetzt wird. Solange dieser Arbeitnehmer trotzdem über einen einzigen territorialen Schwerpunkt seiner Arbeitsleistung in ein und demselben Staat verfügt, geht Art. 30 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB als lex specialis vor.549 Als Rechtsfolge bestimmt Art. 30 Abs. 2 Nr. 2 EGBGB die Anwendbarkeit des am Ort der einstellenden Niederlassung geltenden Rechts. Der Begriff der Niederlassung ist weit auszulegen: Gemeint ist eine auf Dauer angelegte organisatorische Einheit des Arbeitgebers, von der aus dieser seine geschäftliche Tätigkeit unter Einsatz seiner Beschäftigten entfaltet.550 Niederlassung in diesem Sinne kann die Hauptniederlassung, eine Zweigniederlassung, aber auch eine selbständige Tochtergesellschaft sein, auf eine eigene Rechtspersönlichkeit kommt es dabei nicht an551; als Niederlassung ist daher auch ein Betrieb, ein Betriebsteil oder eine bloße rechtlich unselbständige Geschäftsstelle denkbar.552 Da allein der rechtlich selbständige Arbeitgeber Arbeitsvertragspartner des Arbeitnehmers sein kann, ist dessen „Einstellung“ durch eine Niederlassung, von der Art. 30 Abs. 2 Nr. 2 EGBGB dem Wortlaut nach spricht, streng genommen ausgeschlossen. Auch ist der Begriff nicht im Sinne einer Eingliederung in den Arbeitsprozess dieser Niederlassung zu verstehen, da eine solche faktische Bindung der Arbeitsleistung an einen Ort in den von Art. 30 Abs. 2 Nr. 2 EGBGB erfassten Mobilitätsfällen gerade nicht besteht.553 Dennoch wird der Arbeitsvertrag vom Arbeitgeber bzw. einem Vertreter und dem Arbeitnehmer an einem bestimmten Ort unterzeichnet, der als Einstellungsort iSd. Art. 30 Abs. 2 Nr. 2 EGBGB anzusehen sein könnte.554 Andererseits ist auch ein mobiler Arbeitneh547
Beispiele bei v. Hoffmann, IPR, § 10 Rn. 81a. Birk in: MünchArbR, § 20 Rn. 44. 549 Dies entspricht dem Bericht Giuliano/Lagarde, der zur Abgrenzung zwischen Art. 6 Abs. 2(a) und (b) EVÜ auf die Existenz eines gewöhnlichen Arbeitsortes in einem einzigen Staat abstellt (BT-Dr. 10/503, 58) – dieser ist expliziter Anknüpfungspunkt in Art. 6 Abs. 2(a) EVÜ bzw. Art. 30 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB; vgl. auch EuGH, Urt. v. 9.1.1997 – Rs. C-383/95 – (Rutten/Cross Medical Ltd.), EuZW 1997, 143; Birk in: MünchArbR, § 20 Rn. 43; Magnus in: Staudinger, BGB, Art. 30 Rn. 117. 550 Birk in: MünchArbR, § 20 Rn. 47; Schaub, ARHandbuch, § 6 Rn. 22. 551 V. Hoffmann, IPR, § 10 Rn. 81a; Hohloch in: Erman, BGB, Art. 30 EGBGB Rn. 18. 552 Schaub, ARHandbuch, § 6 Rn. 22. 553 Insofern ungenau Martiny in: MüKo, BGB, Art. 30 Rn. 42, der auf die Eingliederung bzw. die Aufnahme in den Betrieb abstellt. 548
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mer in die Personalverwaltung des Arbeitgebers organisatorisch eingebunden und wird von dieser u. a. im Hinblick auf die Vertragsverwaltung und Lohnzahlung betreut, so dass auf den Ort dieser Verwaltungsstelle abgestellt werden könnte.555 Ebenfalls in Betracht kommt der Ort der Einsatzniederlassung, wenn die Auslandseinsätze des Arbeitnehmers von einer bestimmten Niederlassung aus erfolgen und gesteuert werden.556 Art. 30 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB enthält aber mit dem Ort der Arbeitsleistung ein tatsächliches Anknüpfungsmoment, das einen aktuellen Bezug des Arbeitsverhältnisses zu ein und derselben Rechtsordnung herstellt und bei vorübergehenden Auslandseinsätzen aufrecht erhält. Auch Art. 30 Abs. 2 Nr. 2 EGBGB verfolgt das Ziel einer Anknüpfungskontinuität zwecks Vermeidung eines ständigen Statutenwechsels und stellt dabei in Ermangelung eines gewöhnlichen Arbeitsortes auf die aktuelle Verbindung des Arbeitnehmers zum Arbeitgeber ab. Im Sinne dieser Kontinuität einer aktuellen Anknüpfung kann der Ort des formalen Vertragsschlusses dann nicht mehr aktueller Bezugspunkt des Arbeitsverhältnisses sein, wenn es tatsächlich von einer anderen Niederlassung des Arbeitgebers betreut und durchgeführt wird. Maßgebend ist daher die Niederlassung, die das Arbeitsverhältnis organisatorisch betreut. Dies kann eine Verwaltungsstelle im Falle ausschließlich personalverwalterischer Betreuung oder eine Einsatzstelle sein, von der aus die Tätigkeit des Arbeitnehmers organisiert wird, je nach dem, welche Stelle über eine intensivere tatsächliche Verbindung zum Arbeitnehmer verfügt. (c) Ausweichklausel, Art. 30 Abs. 2 a. E. EGBGB Ergibt sich in atypischen Fällen aus der Gesamtheit der Umstände, dass das Arbeitsverhältnis engere Verbindungen zu einem anderen Staat als dem Staat des gewöhnlichen Arbeitsortes iSd. Art. 30 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB oder der Einstellungsniederlassung iSd. Art. 30 Abs. 2 Nr. 2 EGBGB aufweist, ist ausnahmsweise gem. Art. 30 Abs. 2 a. E. EGBGB das Recht dieses anderen Staates anzuwenden. Diese Ausweichklausel sorgt für die erforderliche Flexibilität der objektiven Anknüpfung und dient der Korrektur sachlich ungerechtfertigter An-
554 In diesem Sinne ausschließlich auf den Ort des formalen Vertragsschlusses abstellend Birk in: MünchArbR, § 20 Rn. 49; Heldrich in: Palandt, BGB, Art. 30 EGBGB Rn. 7; Junker, IPR, § 15 Rn. 382; Hohloch in: Erman, BGB, Art. 30 EGBGB Rn. 1. 555 Magnus in: Staudinger, BGB, Art. 30 Rn. 124; Franzen, IPRax 2003, 239; Gamillscheg, ZfA 14 (1983), 307; ebenfalls auf die Eingliederung des Arbeitnehmers in eine Organisationseinheit des Arbeitgebers abstellend v. Hoffmann in: Soergel, BGB, Art. 30 Rn. 44; Däubler, RIW 1987, 249. 556 So für den Fall, dass der Arbeitnehmer bei einer anderen Niederlassung als der vertragsschließenden zum Einsatz kommt Hohloch in: Erman, BGB, Art. 30 EGBGB Rn. 18; Martiny in: MüKo, BGB, Art. 30 Rn. 42; ders. in: Reithmann/Martiny, Internationales Vertragsrecht, Rn. 1351.
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knüpfungsergebnisse557, sie ist allerdings im Rechtssicherheitsinteresse zurückhaltend anzuwenden.558 Als eine solche „engere Verbindung zu einem anderen Staat“ indizierende Umstände kommen u. a. ein gemeinsamer gewöhnlicher Aufenthalt, die gemeinsame Staatsangehörigkeit der Vertragsparteien, die Vertragssprache, die vereinbarte Währung, der Ort des Vertragsschlusses und der inländische Wohnsitz des Arbeitnehmers in Betracht.559 Aufgrund der tatsächlichen Auswirkungen der Arbeitsleistung auf das Angebots- und Nachfragegefüge eines örtlichen Arbeitsmarktes ist auch hier ein weiteres Kriterium die Frage, auf welchem Arbeitsmarkt hypothetisch Ersatz für den betroffenen Arbeitnehmer gesucht würde.560 Allerdings stellt der Anknüpfungspunkt „Arbeitsort“ eine besonders starke Verbindung mit dem Rechtssystem eines Staates dar, die nur durch entsprechend gewichtige gegenläufige Kriterien aufgehoben werden kann. Im Gegensatz dazu begründet die Anknüpfung an die Einstellungsniederlassung eine lockerere Verbindung, die leichter überwunden werden kann.561 In jedem Fall muss das Gewicht der Anknüpfungsmomente, die eine engere Verbindung ergeben, das Gewicht des von der Regelanknüpfung verwendeten Elements deutlich übersteigen.562 Auch kann nur eine „Gesamtheit der Umstände“ und nicht ein einzelner Umstand die Regelanknüpfungen der Nr. 1, 2 außer Kraft setzen. Ansonsten würde der durch diese verbürgte Gewinn an Rechtssicherheit ungerechtfertigt aufs Spiel gesetzt. (3) Kollektive Rechtswahl und Tarifvertragsstatut Eine parteiautonome Steuerung des anwendbaren Rechtssystems kann auch durch die Tarifparteien als Träger mitgliedschaftlich-individueller sowie kollektiver Autonomie erfolgen, vorausgesetzt, diese Autonomie bezieht sich auf die rechtlichen Voraussetzungen ihrer Tarifmacht, auf die räumliche Reichweite oder auch auf den Gegenstand ihrer Tarifregelungen.
557 U. a. in Fällen arbeitgeberseitiger Manipulationen z. B. durch die bewusste Wahl des Ortes der Einstellungsniederlassung für eine Anknüpfung iSd. Art. 30 Abs. 2 Nr. 2 EGBGB bei einem Arbeitnehmer, der keiner bestimmten Niederlassung organisatorisch zugeordnet ist. 558 Birk in: MünchArbR, § 20 Rn. 51; Martiny in: MüKo, BGB, Art. 30 Rn. 46. 559 BAG, Urt. v. 24.8.1989 – 2 AZR 3/89 –, AP Nr. 30 zu Internationales Privatrecht, Arbeitsrecht; BAG, Urt. v. 29.10.1992 – 2 AZR 267/92 –, IPRax 1994, 123 (128). 560 Mankowski, IPRax 2001, 123. 561 V. Hoffmann in: Soergel, BGB, Art. 30 Rn. 50. 562 BAG, Urt. v. 29.10.1992 – 2 AZR 267/92 –, IPRax 1994, 123 (127); BAG, Urt. v. 29.10.1992 – 2 AZR 267/92 –, IPRax 1994, 123 (127).
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(a) Akzessorietät des Tarifstatuts Das Tarifstatut als das auf den Tarifvertrag anwendbare Recht entscheidet über die Voraussetzungen der Tarifmacht, u. a. die Tariffähigkeit und -gebundenheit, die möglichen Gegenstände tariflicher Regelungen und vor allem über die Rechtswirkungen eines Tarifvertrages. Die Reichweite des Tarifstatuts beeinflusst mithin den Inhalt der nach seinen Regeln einem Tarifvertrag unterworfenen Arbeitsverhältnisse. Trotz des individualistischen Konzeptes einer mitgliedschaftlichen Legitimation der Tarifnormwirkung bedarf die Tarifautonomie in Anbetracht ihrer faktisch heteronomen Rechtsetzungswirkung und ihrer damit gegenüber dem dualistischen Verbandsrecht gesteigerten Fremdbestimmung der Normunterworfenen eines solchen, in Art. 9 Abs. 3 Satz 1 GG bereits angelegten und durch das TVG ausgeformten Rahmens, der zugleich die Garantie eines genau definierten Freiraums kollektiv ausgeübter Privatautonomie enthält.563 Entgegen einer verbreiteten Auffassung im Schrifttum ist das Tarifstatut nicht wählbar.564 Maßgeblich ist allein das Territorialitätsprinzip, demzufolge das TVG räumlich für Deutschland gilt und inländische Sachverhalte nur der Tarifmacht nach den Voraussetzungen des TVG unterliegen, es sei denn, Art. 30 Abs. 2 EGBGB bewirkt eine Durchbrechung des Territorialitätsprinzips im Sinne einer Aus- oder Einstrahlung in- bzw. ausländischer Tarifmacht. Das Tarifstatut bestimmt sich ausschließlich nach dem objektiven Arbeitsvertragsstatut jedes einzelnen Arbeitsverhältnisses, es handelt sich um eine lediglich abgeleitete, einseitige Rechtsanwendungsregel ohne eigenständige Anknüpfung des Tarifstatuts.565 Denn die Tarifmacht als arbeitsrechtliche Normsetzungsbefugnis ist an die aufgrund objektiver Anknüpfung iSd. Art. 30 Abs. 2 EGBGB einschlägige Arbeitsrechtsordnung gebunden.566 Zwar gründet sich die Tarifmacht nach der Tarifvertragsordnung des TVG auf eine mitgliedschaftliche Legitimation, 563
s. o. unter Teil 1 § 1 B. I. 2. a) cc) (1). Wie hier Löwisch/Rieble, TVG, Grundl. Rn. 91; dies. in: MünchArbR, § 254 Rn. 2; Birk, RdA 1984, 129; ders. in: MünchArbR, § 21 Rn. 28 ff.; ders., FS Beitzke (1979), 831; Schaub, ARHandbuch, § 198 Rn. 55, 57; a. A. Hergenröder in: AR-Blattei SD 1550.15, Rn. 57; Magnus in: Staudinger, BGB, Art. 30 EGBGB Rn. 252; Däubler in: Däubler, TVG, Einl. Rn. 668 ff.; Junker, Internationales Arbeitsrecht im Konzern, 418 ff.; das BAG hat hierzu bislang keine eindeutige Aussage getroffen, da der im Urt. v. 11.9.1991 – 4 AZR 71/91 –, AP Nr. 29 zu Internat. Privatrecht unter II.2b enthaltene Passus, es gelte der „Grundsatz, dass die TVParteien das Rechtsstatut bestimmen können“, sowohl auf das Arbeitsvertragsstatut als auch auf das Tarifstatut bezogen werden kann. 565 A. A. (objektive Anknüpfung an den Regelungsschwerpunkt des Tarifvertrages iSd. Art. 28 Abs. 1 EGBGB, d.h. an den Verwaltungssitz der Tarifparteien bzw. an den Sitz der Mehrzahl der vom Tarifvertrag geregelten Arbeitsverhältnisse) Schlachter, NZA 2000, 57; Franzen in: AR-Blattei SD 920 Rn. 201; Martiny in: Reithmann/Martiny, Internationales Vertragsrecht, Rn. 1392; ders. in: MüKo, BGB, Art. 30 Rn. 83a; Magnus in: Staudinger, BGB, Art. 30 Rn. 253; ähnlich Hergenröder in: AR-Blattei SD 1550.15 Rn. 58 ff. 564
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sie geht aber über eine bloße vereinsrechtliche Beziehung des Verbandes zum einzelnen Mitglied weit hinaus. So setzt die Qualifikation eines Tarifvertrages als Normsetzungsvertrag aufgrund der mit Außenwirkung ausgestatteten Rechtsetzungsbefugnis der Tarifparteien voraus, dass diese gesteigerte Fremdbestimmung durch ein Normengefüge einerseits abgesichert und andererseits begrenzt wird. Dies wird bereits sichtbar in der durch Art. 9 Abs. 3 Satz 1 GG einerseits geschützten individuellen positiven Koalitionsfreiheit, aber auch der negativen Koalitionsfreiheit als Recht des Einzelnen, sich dieser Fremdbestimmung nicht auszusetzen.567 Auch wird die in Art. 9 Abs. 3 Satz 1 GG enthaltene Garantie kollektiv ausgeübter Privatautonomie relativiert durch den gebotenen Ausgleich des entsprechenden Grundrechts der Tarifparteien als Normgeber mit denen der Normunterworfenen im Wege praktischer Konkordanz.568 Die Tarifautonomie kommt somit nicht ohne eine entsprechende gesetzliche Ordnung als Rahmen aus.569 Die Kartellgarantie des Art. 9 Abs. 3 Satz 1 GG sichert einen Interessenausgleich nach dem Prinzip der Vertragsgerechtigkeit und bewirkt durch Gegenmachtbildung letztlich eine Marktregulierung. Dabei wird die Tarifmacht begrenzt auf die „Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen“, d.h. die Gesamtheit der Bedingungen, unter denen abhängige Arbeit geleistet wird bzw. die aus ökonomischer Sicht den Arbeitsmarkt regulieren. Art. 9 Abs. 3 Satz 1 GG liegt aufgrund der territorialen Geltungsbereichsbegrenzung des GG auf das Gebiet der BRD ein nationaler Arbeitsmarktbegriff zugrunde.570 Das Recht zur autonomen Ordnung des Arbeitslebens als Gegenstand der Tarifmacht wurzelt somit in demjenigen nationalen Arbeitsmarkt, dem das einzelne Arbeitsverhältnis dauerhaft zuzuordnen ist. Da diese faktische dauerhafte Zuordnung eines Arbeitsverhältnisses zu einem Arbeitsmarkt wie die Antwort auf die Frage, wo hypothetisch Ersatz für den betroffenen Arbeitnehmer gesucht würde571, von der durch die Parteien u. U. getroffenen direkten Rechtswahl unabhängig ist, besteht eine Kongruenz zwischen dem Tarifstatut 566 Löwisch/Rieble, TVG, Grundl. Rn. 93 f.; Mayer, BB 1999, 842; a. A. (keine notwendige Kongruenz von Tarif- und Arbeitsvertragsstatut) Wimmer, IPRax 1995, 207 (212 f.). 567 s. o. unter Teil 1 § 1 B. I. 2. a) cc) (2). 568 s. o. unter Teil 1 § 1 B. I. 2. a) cc) (1). 569 Löwer in: v. Münch/Kunig, GG, Art. 9 Rn. 60; mit dem Grundrecht der Koalitionsfreiheit ist „zugleich die Institution eines gesetzlich geregelten und geschützten Tarifvertragssystems verfassungsrechtlich gewährleistet“, vgl. BVerfG, Urt. v. 18.11. 1954 – 1 BvR 629/52 –, BVerfGE 4, 96 (108); zutreffend weist Junker darauf hin, dass auch eine als originäre, nicht von Staat delegierte Rechtsetzungsmacht verstandene Tarifautonomie staatlicher Rahmenbedingungen bedarf (Internationales Arbeitsrecht im Konzern, 415 Fn. 33). 570 In diesem Sinne auch Ossenbühl/Cornils, Rechtsgutachten, 116, die den Regelungsauftrag der Tarifpartner „selbstverständlich auf den Bereich deutscher Staatlichkeit und Gesellschaft“ beziehen und beschränken.
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und dem sich ausschließlich aus einer objektiven Anknüpfung iSd. Art. 30 Abs. 2 EGBGB ergebenden Arbeitsvertragsstatut.572 Mit Löwisch ist daher als Tarifvertragsstatut stets diejenige Rechtsordnung zu bezeichnen, „deren Arbeitsrecht über die tarifgebundenen Arbeitnehmer und Arbeitgeber herrscht, denn nur als Bestandteil der Arbeitsrechtsordnung kann der Tarifvertrag seine regelnde Wirkung entfalten“.573 Dieses Ergebnis wird auch nicht durch die in § 21 Abs. 4 FlRG574 enthaltene Ausnahmeregelung575 bezüglich der Arbeitsverhältnisse von Schiffsbesatzungen widerlegt, die das bloße Führen der Bundesflagge nicht für eine objektive Anknüpfung nach Art. 30 EGBGB ausreichen lässt und ausländischen Tarifpartnern Tarifmacht iSd. TVG nur in dem Ausnahmefall zubilligt, dass sie dessen Geltung vereinbaren. Erst dann wird eine objektive Anknüpfung iSd. Art. 30 Abs. 2 a. E. EGBGB möglich, so dass sich auch hier die Geltung des TVG vom objektiven Arbeitsvertragsstatut ableitet576; zumindest geht diese Vorschrift ebenfalls davon aus, dass die Tarifmacht aus dem anwendbaren Arbeitsverhältnisrecht folgt, und regelt ausschließlich letzteres.577 Gegen die Bindung des Tarifstatuts an die objektive Anknüpfung des Art. 30 Abs. 2 EGBGB spricht auch nicht eine tarifliche Wählbarkeit des Arbeitsvertragsstatuts, denn von den Tarifpartnern als zwingend ausgestaltete Normen setzen sich über das objektive Arbeitsvertragsstatut nach Art. 30 Abs. 1 EGBGB gegenüber der abweichenden Rechtswahl durch. Auch können Tarifparteien ihre Regelungsmacht nicht durch die Vereinbarung eines ausländischen Arbeitsvertragsstatuts erweitern.578 Eine Ermittlung des objektiv maßgeblichen Tarifstatuts ist schließlich überhaupt nur dann erforderlich, wenn ein Sachverhalt mit Auslandsberührung vorliegt. Dieser Auslandsbezug ergibt sich nach alledem nicht bereits aus der Auslandsberührung des einzelnen, dem Tarifvertrag unterfallenden Arbeitsverhältnisses, sondern ausschließlich im Fall unterschiedlicher Nationalität der Tarifpartner. Aber auch hier richtet sich das objektive Tarifstatut aufgrund der Bindung der in den nationalen Rechtsordnungen unterschiedlich, stets aber mit 571 Zum sog. marktorientierten Auslegungsmodell s. o. unter Teil 1 § 2 A. II. 2. b) aa) (2). 572 A. A. Nettekoven, Erstreckung tariflicher Mindestlöhne, 19. 573 Löwisch in: Löwisch/Rieble, TVG (Vorauflage 1992), Grundl. Rn. 72; ähnlich auch LAG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 16.6.1981 – 3 Sa 791/80 –, IPRspr. Nr. 44, 96 f. 574 Gesetz über das Flaggenrecht der Seeschiffe und die Flaggenführung der Binnenschiffe i. d. F.v. 26.10.1994, BGBl. 1994 I, 3140. 575 Die Vorschrift enthält keine verallgemeinerungsfähige Regel, so auch Wiedemann in: Wiedemann, TVG, § 1 Rn. 61; Gamillscheg, Kollektives Arbeitsrecht (Bd. 1, 1997), § 12 5b (3). 576 Ähnlich Schaub, ARHandbuch, § 198 Rn. 56. 577 Löwisch/Rieble, TVG, Grundl. Rn. 95; im Ergebnis ebenso Müller, Entsendung, 141 f. 578 Schaub, ARHandbuch, § 198 Rn. 67; Löwisch/Rieble, TVG, Grundl. Rn. 99 f.
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dem Ziel der Gegenmachtbildung ausgestalteten Tarifmacht an den jeweiligen nationalen Arbeitsmarkt nach dem für das einzelne Arbeitsverhältnis maßgeblichen objektiven Arbeitsvertragsstatut iSd. Art. 30 Abs. 2 EGBGB, zumindest solange es keine europäische oder internationale Rechtsgrundlage grenzüberschreitender Tarifmacht gibt. Tatsächliche Tarifmacht weist ein Tarifvertrag mit Geltungsanspruch in mehreren verschiedenen Tarifvertragsordnungen somit nach wie vor nur dann auf, wenn die Anforderungen der jeweils für das einzelne Arbeitsverhältnis nach dessen objektivem Arbeitsvertragsstatut maßgeblichen Tarifordnung erfüllt sind.579 (b) Extraterritoriale Geltungsbereichsbestimmung In diesem Sinne nationale Tarifmacht kann jedoch durch die extraterritoriale Anwendung eines Tarifvertrages „exportiert“ werden. So ist die Erstreckung des räumlichen Geltungsbereichs eines Tarifvertrages auf im Ausland vollzogene Arbeitsverhältnisse möglich, eine entsprechende Tarifzuständigkeit der Tarifpartner und die beidseitige Tarifgebundenheit der Arbeitsvertragsparteien vorausgesetzt. Ob und unter welchen Bedingungen die Tarifparteien im Einzelfall die Auslandsarbeit in den räumlichen Geltungsbereich mit einbezogen haben, ist ausschließlich durch eine Auslegung des Tarifvertrages zu ermitteln.580 Denn bei dieser Geltungsbereichsbestimmung geht es allein um den subjektiven Geltungswillen des Tarifvertrages bzw. seiner Tarifparteien als Ausfluss der Tarifautonomie; sie ist daher durch Vertragsauslegung und nicht unmittelbar durch eine kollisionsrechtliche Anknüpfung zu ermitteln, wenngleich derartige Anknüpfungsregeln Auslegungshilfen darstellen können. Zwar knüpfen die meisten Tarifverträge an die Arbeit in einem Betrieb an, dennoch kann auch ein im Ausland vollzogenes Arbeitsverhältnis hiervon erfasst werden. So ist ein extraterritorialer Geltungsanspruch des Tarifvertrages zu vermuten, wenn sich das betroffene Arbeitsverhältnis trotz Auslandstätigkeit noch aufgrund objektiver Anknüpfung iSd. Art. 30 Abs. 2 EGBGB dem deutschen Rechtssystem und damit dem deutschen Arbeitsmarkt zuordnen lässt. Dementsprechend erstreckt sich der Geltungsanspruch eines Tarifvertrages nach der Rechtsprechung des BAG in der Regel auch auf Arbeitnehmer, die nur zeitlich vorübergehend im Ausland eingesetzt werden.581 Wird der Bezug zur deut579 Löwisch/Rieble in: MünchArbR, § 254 Rn. 18; dies erschwert auch Abschluss und Durchsetzung internationaler Konzerntarifverträge, hierzu Junker, Internationales Arbeitsrecht im Konzern, 445 ff.; zur Problematik konzernweiter Tarifeinheit auf nationaler Ebene s. o. unter Teil 1 A. II. 3. c) cc) (1). 580 So auch Hergenröder in: AR-Blattei SD 1550.15, Rn. 84. 581 So BAG, Urt. v. 27.8.1964 – 5 AZR 364/63 –, AP Nr. 9 zu Internat. Privatrecht; Schaub, ARHandbuch, § 198 Rn. 60; in dem vom BAG, Urt. v. 24.8.1989 – 2 AZR 3/89 –, DB 1990, 1666, entschiedenen Fall führte die tatsächliche Anwendung
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schen Rechtsordnung ausschließlich durch eine entsprechende Rechtswahl hergestellt, bedarf es näherer Anhaltspunkte für einen auch dieses, objektiv einer anderen Rechtsordnung zuzuordnende Arbeitsverhältnis erfassenden tariflichen Geltungswillen. So ist ein deutscher Tarifvertrag nicht ohne weiteres auf im Ausland eingestellte und ausschließlich dort eingesetzte Ortskräfte anzuwenden.582 Andererseits können die Tarifparteien aber auch die Geltung ihres Tarifvertrages für deutsche Arbeitnehmer vereinbaren, die ihre Arbeitsleistung von vornherein ausschließlich oder auch nur schwerpunktmäßig im Ausland erbringen.583 In derartigen Fällen ist die Geltung deutschen Rechts zumindest im Wege der Rechtswahl vereinbart worden.584 Im Falle eines objektiv deutschen Arbeitsvertragsstatuts hat ein solcher extraterritorialer Anwendungsbereich eines Tarifvertrages eine Ausstrahlung nationaler Tarifmacht iSd. § 4 Abs. 1 Satz 1 TVG zur Folge; spiegelbildlich hierzu strahlt im Falle des extraterritorialen Geltungsbereichs eines ausländischen Tarifvertrages dessen nach ausländischem Recht zu beurteilende Tarifmacht beim Einsatz entsprechend tarifgebundener Arbeitnehmer nach Deutschland ein. Eine tatsächliche Steuerung des anwendbaren Rechtssystems durch die Tarifpartner liegt in einer solchen extraterritorialen Geltungsbereichsbestimmung jedoch nicht. Denn die Tarifparteien können damit die normative Wirkung ihres Tarifvertrages nicht auf Arbeitsverhältnisse unter einem ausländischen Arbeitsvertragsstatut erstrecken.585 Die Frage, inwieweit inländischen Tarifparteien die Normsetzungsmacht für im Ausland zu erfüllende Arbeitsverhältnisse zusteht, ist eng mit der Problematik des räumlichen Geltungsbereichs des TVG vereines englischen Tarifvertrages durch die Parteien neben anderen Umständen zur Annahme einer engeren Verbindung zu England iSd. Art. 30 Abs. 2 a. E. EGBGB und damit zur objektiven Anknüpfung an englisches Recht. 582 Vgl. BAG, Beschl. v. 23.6.1994 – 6 AZR 771/93 –, ZTR 1994, 433; Schaub, ARHandbuch, § 198 Rn. 62. 583 Z. B. TV zur Regelung der Arbeitsbedingungen der bei den Zweigstellen des Goethe-Instituts im Ausland beschäftigten deutschen nicht entsandten Angestellten vom 19.11.1973, BAG, Urt. v. 11. 9.1991 – 4 AZR 71/91 –, AP Nr. 29 zu Internat. Privatrecht; Ortskräftestatut des Auswärtigen Amtes, BAG, Urt. v. 10.5.1962 – 2 AZR 397/61 –, AP Nr. 6 zu Internat. Privatrecht; ähnliche Regelungen sehen weitere Institutionen wie politische Stiftungen oder die Deutsche Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit für ihre Auslandsmitarbeiter vor; siehe auch RAG, Urt. v. 20.2.1929 – 457/28 –, RAGE 3, 224; RAG, Urt. v. 25.5.1932 – 620/31 –, RAGE 11, 100. 584 Art. 27 Abs. 1 Satz 2 EGBGB lässt auch eine stillschweigende Rechtswahl zu, solange sie hinreichend deutlich aus den Umständen des konkreten Falles ersichtlich ist. Insbesondere die individualarbeitsrechtliche Inbezugnahme von Tarifnormen wird von den Gerichten häufig als konkludente Rechtswahl verstanden, so in BAG, Urt. v. 12.12.2001 – 5 AZR 255/00 –, NZA 2002, 734 und in BAG, Urt. v. 12.12.1990 – 4 AZR 238/90 –, AP Nr. 2 zu § 4 TVG Arbeitszeit; auch BAG, Urt. v. 11.9.1991 – 4 AZR 71/91 –, AP Nr. 29 zu Internat. Privatrecht, lässt ausdrücklich die Möglichkeit einer individualvertraglichen Inbezugnahme eines deutschen Tarifvertrages trotz objektiv mexikanischem Arbeitsvertragsstatut zu; vgl. auch Schlachter, NZA 2000, 57; v. Hoffmann in: Soergel, BGB, Art. 30 Rn. 25.
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knüpft. Daher ist an der Kongruenz zwischen Tarifstatut und Arbeitsvertragsstatut grundsätzlich festzuhalten, die allerdings insofern eine Aufweichung erfährt, als ein Tarifvertrag einen räumlichen Geltungsanspruch auch für Arbeitsverträge aufweisen kann, die allein aufgrund einer entsprechenden Rechtswahl deutschem Recht unterfallen. Denn bei der räumlichen Geltungsbereichsbestimmung geht es lediglich um den subjektiven Geltungsanspruch der Tarifparteien und ihres Tarifvertrages, während das Tarifstatut die Voraussetzungen tatsächlicher, objektiver Tarifmacht festlegt. Dementsprechend kann ein Tarifvertrag iSd. TVG auch für ein Arbeitsverhältnis gelten, für das ein deutsches Arbeitsvertragsstatut vereinbart worden ist, das aber aufgrund objektiver Anknüpfung ausländischem Recht unterfällt. Tarifmacht im Sinne tatsächlicher Bindungswirkung kann dieser Tarifvertrag aber nur dann entfalten, wenn er die Voraussetzungen des ausländischen Tarifstatuts erfüllt. Somit gilt ein deutscher Tarifvertrag nur für Arbeitsverhältnisse, die entweder aufgrund entsprechender Rechtswahl oder bei fehlender oder anderslautender Rechtswahl aufgrund objektiver Anknüpfung deutschem Recht unterfallen.586 Diese Bindung auch des tariflichen Geltungsbereichs an das Arbeitsvertragsstatut rechtfertigt sich aus dem auf deutsche Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen iSd. Art. 9 Abs. 3 Satz 1 GG gerichteten Regelungsauftrag der Tarifparteien, deren Verhandlungsergebnisse Bestandteil der deutschen Rechtsordnung sein sollen.587 Eine ebenso starke Verwurzelung des Arbeitsverhältnisses im deutschen Arbeitsmarkt wie bei der Frage nach der Geltung des deutschen Tarifstatuts ist hier jedoch nicht zu fordern, so dass zur Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes auch durch die Rechtswahl eines deutschen Arbeitsvertragsstatuts ein ausreichender Bezug zur deutschen Rechtsordnung hergestellt werden kann. Ein solcher Bezug ist jedoch aufgrund des Rechtsnormcharakters von Tarifverträgen und damit ihrer Zugehörigkeit zum Vertragsstatut als dessen Bestandteil erforderlich. Nichts anderes besagen auch die oben als Ausstrahlungsfälle zitierten Urteile: So lag sämtlichen dieser Urteile ein Sachverhalt mit Geltung eines deutschen Arbeitsvertragsstatuts zugrunde.588 Damit gilt im Falle eines objektiv im Inland anzuknüpfenden Arbeitsverhältnisses ein deutscher Ta585 So auch Wiedemann in: Wiedemann, TVG, § 1 Rn. 69, 79 f.; LAG RheinlandPfalz, Urt. v. 26.6.1981 – 3 Sa 791/80 –, IPRspr. 1981 Nr. 44; a. A. Zachert in: Kempen/Zachert, TVG, § 4 Rn. 63; Däubler in: Däubler, TVG, Einl. Rn. 617 ff. 586 So auch Junker, Internationales Arbeitsrecht im Konzern, 435. 587 Auch Schlachter spricht von einem gebotenen „Bezug der erfassten Arbeitsverhältnisse zur einheimischen Arbeitsordnung“, NZA 2000, 57 (64); ähnlich Martiny in: Reithmann/Martiny, Internationales Vertragsrecht, Rn. 1398; Hergenröder in: AR-Blattei SD 1550.15, Rn. 89; ebenso verlangt Birk (in: MünchArbR, § 21 Rn. 51) einen Inlandsbezug des Arbeitsverhältnisses. 588 RAG, Urt. v. 20.2.1929 – 457/28 –, RAGE 3, 224; RAG, Urt. v. 25.5.1932 – 620/31 –, RAGE 11, 100; BAG, Urt. v. 10.5.1962 – 2 AZR 397/61 –, AP Nr. 6 zu Internat. Privatrecht; BAG, Urt. v. 24.8.1989 – 2 AZR 3/89 –, DB 1990, 1666; BAG, Urt. v. 11.9.1991 – 4 AZR 71/91 –, AP Nr. 29 zu Internat. Privatrecht.
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rifvertrag auch bei der Rechtswahl eines ausländischen Arbeitsvertragsstatuts als zwingende Bestimmung iSd. Art. 30 Abs. 1 EGBGB, eine entsprechende Tarifbindung iSd. TVG vorausgesetzt. Ein objektiv im Ausland anzuknüpfendes Arbeitsverhältnis „exportiert“ einen deutschen Tarifvertrag im Fall der Wahl eines deutschen Arbeitsvertragsstatuts; aufgrund des sodann allerdings im Ausland gegebenen Arbeitsmarktbezuges bestimmen sich Voraussetzungen und Reichweite der Tarifwirkung nach dem insofern maßgeblichen ausländischen Tarifstatut. Enthält ein Tarifvertrag eine extraterritoriale Geltungsbereichsbestimmung, so kann dies eine Konkurrenz mehrerer Tarifverträge unterschiedlicher Herkunftsländer zur Folge haben, die iSd. Art. 30 Abs. 1 EGBGB nach dem Günstigkeitsprinzip zu lösen ist. (c) Tarifliche Wahl des Arbeitsvertragsstatuts Nur hinsichtlich des auf das Arbeitsverhältnis anwendbaren Rechtssystems ist eine parteiautonome Steuerung durch die Tarifparteien anzuerkennen: Gegenstand tariflicher Regelungen kann die Wahl des Arbeitsvertragsstatuts iSd. Art. 27, 30 Abs. 1 EGBGB sein, soweit das einschlägige Tarifvertragsstatut dies zulässt.589 Unterliegt der Tarifvertrag deutschem Recht, folgt die Zulässigkeit der Rechtswahl aus § 1 Abs. 1 TVG, da mit dem Arbeitsvertragsstatut das Arbeitsverhältnis inhaltlich ausgestaltet wird, derartige Rechtswahlklauseln mithin Inhaltsnormen im Sinne dieser Vorschrift darstellen.590 Zwar richten sich die Art. 27 ff. EGBGB nicht an Tarifvertragsparteien, sondern lediglich an Individuen591, die mitgliedschaftliche Konzeption der tariflichen Normwirkung lässt jedoch eine stellvertretungsähnliche Rechtswahl des Arbeitsvertragsstatuts durch die Tarifpartner in den Grenzen der Art. 30 Abs. 1, Art. 34, Art. 6 EGBGB zu. Damit eine derartige kollektivvertragliche Statutenwahl Wirkung entfalten kann, ist erforderlich, dass das betroffene Arbeitsverhältnis dem tariflichen Geltungsbereich des Tarifvertrages und seiner Tarifmacht unterfällt. Im Falle der Wahl eines ausländischen Arbeitsvertragsstatuts ist dies unproblematisch, wenn nach objektiver Anknüpfung deutsches Recht mitsamt dem deutschen Tarifstatut an589 LAG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 16.6.1981 – 3 Sa 791/80 –, IPRspr 1981 Nr. 44; allg. Auffassung im Schrifttum, vgl. v. Hoffmann, IPR, § 10 Rn. 76; ders. in: Soergel, BGB, Art. 30 Rn. 13; Birk in: MünchArbR, § 20 Rn. 8, § 21 Rn. 38; Löwisch/Rieble, TVG, § 1 Rn. 76; dies. in: MünchArbR, § 254 Rn. 12; Däubler in: Däubler, TVG, Einl. Rn. 602 f.; Schlachter, NZA 2000, 57; Gamillscheg, Kollektives Arbeitsrecht, § 12 5c); die Rechtswahl kann auch durch die individualvertragliche Inbezugnahme eines Tarifvertrages erfolgen, der seinerseits eine Rechtswahlklausel enthält, vgl. Birk in: MünchArbR, § 20 Rn. 7. 590 Zachert in: Kempen/Zachert, TVG § 4 Rn. 62; a. A. Birk, FS Beitzke, 831 (Abschlussnormen); Däubler in: Däubler, TVG, Einl. Rn. 606 f. (Abschlussnormen, u. U. Betriebsnormen); Junker, Internationales Arbeitsrecht im Konzern, 439 (Abschlussnormen). 591 Bericht Giuliano/Lagarde, BT-Dr. 10/503, 57.
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wendbar ist und der Tarifvertrag sich als zwingende Bestimmung iSd. Art. 30 Abs. 1 EGBGB gegenüber dem ausländischen Arbeitsvertragsstatut durchsetzen kann.592 Auch bei der Wahl des deutschen Arbeitsvertragsstatuts in Fällen, in denen sich ansonsten nach objektiver Anknüpfung ein ausländisches Arbeitsvertragsstatut ergeben würde, wird das entsprechende Arbeitsverhältnis von der Geltung des Tarifvertrages erfasst, da der tarifliche Geltungsanspruch bloß allgemein ein deutsches Arbeitsvertragsstatut voraussetzt. Aufgrund der objektiven Anknüpfung des Arbeitsverhältnisses an ausländisches Recht und damit seiner dauerhaften Zuordnung zum ausländischen Arbeitsmarkt bestimmen sich Voraussetzungen und Reichweite der Tarifwirkung dann allerdings nach dem insofern maßgeblichen ausländischen Tarifstatut. Denn die Tarifparteien können nicht durch eine Wahl des Arbeitsvertragsstatuts auch ihre Tarifmacht selbst erweitern.593 bb) Wirkungsgrenzen der Parteiautonomie Weder die direkte noch die indirekte kollisionsrechtliche Rechtswahlfreiheit im obigen Sinne hat eine unbegrenzte Reichweite. Ihre Wirkung unterliegt dem Einfluss zwingender Bestimmungen des nach dem objektiven Vertragsstatut theoretisch anwendbaren oder aufgrund von Eingriffsnormen der lex fori zwingend geltenden Sachrechts. Das Interesse der Marktanbieter an der Auswahl eines die materielle Vertragsfreiheit möglichst wenig beschränkenden Sachrechts stößt insbesondere im Arbeitsrecht an Grenzen, die aufgrund der ungleichen Verhandlungsstärke der Partner des Individualarbeitsvertrages und zugunsten von Allgemeininteressen zu ziehen sind. Dabei erfährt der Begriff der „zwingenden Bestimmungen“ durch den Zusatz „intern“ bzw. „international“ eine über seine eigentliche Definition als „vertraglich nicht abdingbar“ hinausgehende Ausrichtung.594
592 Wiedemann (in: Wiedemann, TVG, § 1 Rn. 85) weist zutreffend darauf hin, dass es „keine ubiquitäre Rechtsetzungsbefugnis der deutschen Tarifvertragsparteien“ gibt. 593 s. o., vgl. auch Löwisch/Rieble in: MünchArbR, § 254 Rn. 13; dies., TVG, Grundl. Rn. 100; Schaub, ARHandbuch, § 198 Rn. 67. 594 Jede kollisionsrechtliche Verweisung durch (in-)direkte Rechtswahl umfasst auch die zwingenden Bestimmungen des gewählten Vertragsstatuts; tatsächlich beschränkt wird die Parteiautonomie erst durch einen sich über dieses Statut hinwegsetzenden Anwendungszwang.
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(1) Zwingende Bestimmungen der Art. 27 Abs. 3, 30 Abs. 1 EGBGB bei direkter Rechtswahl (a) Zwingende Bestimmungen iSd. Art. 27 Abs. 3 EGBGB Art. 27 Abs. 3 EGBGB schränkt die Rechtswahlfreiheit lediglich in dem Fall ein, dass der Auslandsbezug eines ansonsten rein inländischen Sachverhaltes ohne räumliche, sachliche oder persönliche Verknüpfungen mit dem Ausland ausschließlich auf der Wahl eines ausländischen Rechtssystems beruht. Ein solcher Binnensachverhalt, der – abgesehen von der Rechtswahl und ggf. einer entsprechenden Gerichtsstandsvereinbarung – damit faktisch bloß zu einer einzigen Rechtsordnung Beziehungen aufweist, unterfällt denjenigen Bestimmungen des Rechts dieses Staates, von denen durch Vertrag nicht abgewichen werden kann. Derartige zwingende Bestimmungen iSd. Art. 27 Abs. 3 EGBGB sind sämtliche Normen eines materiellen deutschen oder ausländischen Rechts, die der Disposition der Parteien entzogen sind.595 Nicht zwingend in diesem Sinne sind allerdings tarifdispositive Bestimmungen im Falle einer Wahl des Arbeitsvertragsstatuts durch die Tarifparteien, da die ihnen gesetzlich eingeräumte Dispositionsbefugnis sodann auf die Arbeitsvertragsparteien durchschlägt. Art. 27 Abs. 3 EGBGB wendet sich gegen eine völlig freie, künstliche Verpflanzung eines Vertragssachverhalts in eine Wahlrechtsordnung.596 Unterfällt ein (Arbeits-)Rechtsverhältnis objektiv uneingeschränkt nur einem nationalen Rechtssystem, so konkurriert der Geltungsanspruch der vertraglich unabdingbaren Vorschriften dieses Staates nicht originär mit dem Geltungsanspruch zwingender Bestimmungen eines ausländischen Rechtssystems; eine solche Konkurrenz wird hier erst durch die Rechtswahl der Vertragsparteien geschaffen. Der in einem rein nationalen Sachverhalt uneingeschränkte Geltungsanspruch zwingender Bestimmungen würde inhaltslos, stünde er zur Disposition der Vertragsparteien durch willkürliche Rechtswahl. Nur ein objektives Sachverhaltselement, das eine spezifische Beziehung zum vertraglichen Leistungsaustausch aufweist, vermag den Geltungsanspruch zwingender, die Vertragsfreiheit einschränkender Bestimmungen eines Staates zugunsten denen eines anderen Staates zu verdrängen.597 Bei einem ausschließlich gewillkürten Auslandsbezug setzen sich daher im Konflikt zwischen den lediglich aufgrund der Rechtswahl zwingenden Vorschriften des gewählten Vertragsstatuts und den originär zwingenden Bestimmungen des „normalen“ Vertragsstatuts iSd. Art. 27 Abs. 3 595 Art. 27 Abs. 3 EGBGB enthält damit die – im Vergleich zu den Art. 30 Abs. 1, 34 EGBGB – weiteste Definition des Begriffs „zwingende Bestimmungen“. Wie Art. 30 Abs. 1 EGBGB ist Art. 27 Abs. 3 EGBGB zudem eine allseitige Kollisionsnorm, im Gegensatz zum lediglich auf deutsches Recht verweisenden Art. 34 EGBGB, vgl. v. Hoffmann in: Soergel, BGB, Art. 27 Rn. 85. 596 Hohloch in: Erman, BGB, Art. 34 EGBGB Rn. 4. 597 Ähnlich v. Hoffmann in: Soergel, BGB, Art. 27 Rn. 86 f.
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EGBGB letztere durch. Dies gilt auch dann, wenn das zwingende Inlandsrecht für den Arbeitnehmer ungünstiger ist als das gewählte Recht.598 Weder Wortlaut noch Systematik des Art. 27 Abs. 3 EGBGB lassen eine Öffnung dieser das staatliche Rechtsdurchsetzungsinteresse schützenden Vorschrift für das Günstigkeitsprinzip des Art. 30 EGBGB zu.599 Soweit Art. 30 EGBGB einen allgemeinen Grundsatz enthält, betrifft er ausschließlich die Konstellation einer originären Konkurrenz der Geltungsansprüche zweier Staaten, fußend auf einem objektiv grenzüberschreitenden Sachverhalt mit tatsächlichen, und nicht lediglich künstlich gewillkürten Berührungen beider Rechtssysteme. Art. 27 Abs. 3 EGBGB enthält daher eine im Vergleich zu Art. 30 EGBGB rigorosere Beschränkung der Parteiautonomie. (b) Zwingende Bestimmungen iSd. Art. 30 Abs. 1 EGBGB Gegenüber Art. 27 Abs. 3 EGBGB enthält Art. 30 Abs. 1 EGBGB eine engere Definition des Begriffs der zwingenden Bestimmungen: Beim tatsächlichen Auseinanderfallen von objektivem Arbeitsvertragsstatut und gewähltem Recht ist die Wirkung einer Rechtswahl zwischen den Parteien eines Arbeitsvertrages in der Weise eingeschränkt, dass den Arbeitnehmer schützende Bestimmungen des objektiv zu ermittelnden Arbeitsvertragsstatuts gem. Art. 30 Abs. 1 EGBGB nicht abbedungen werden können. Diese Einschränkung der Rechtswahlfreiheit erfolgt – wie die besonderen Anknüpfungsregeln des Art. 30 Abs. 2 EGBGB – vor dem Hintergrund der Schutzbedürftigkeit des Arbeitnehmers als der schwächeren Vertragspartei und dient damit dem Ausgleich der für das Sonderprivatrecht der Arbeitsverhältnisse typischen Ungleichgewichtslagen. Der Arbeitnehmer soll vor einer gewillkürten Unterstellung seines Arbeitsverhältnisses unter ein Recht mit geringerem Arbeitnehmerschutzstandard bewahrt werden. Es geht dabei allerdings nicht um die Anwendung der lex fori, sondern des Rechts desjenigen Vergleichsstatuts, das über die objektive Anknüpfung des Art. 30 Abs. 2 EGBGB für den konkreten Sachverhalt zu bestimmen ist. Dieses objektive Vertragsstatut steht bei einer Rechtswahl stets als Referenzstatut im Hintergrund. Art. 30 Abs. 1 EGBGB hat daher eine nur relativ zwingende Wirkung: Die Vorschrift ist sowohl offen hinsichtlich des Urhebers der zwingenden Bestimmung und daher allseitig, als auch offen hinsichtlich des Ergebnisses als Folge des Günstigkeitsvergleichs. Mit dieser Aussage ist Art. 30 Abs. 1 EGBGB Ausdruck des kollisionsrechtlichen Grundprinzips der Gleichwertigkeit aller Rechts598 Martiny in: MüKo, BGB, Art. 30 Rn. 27; v. Hoffmann in: Soergel, BGB, Art. 30 Rn. 14; E. Lorenz, RIW 1987, 569. 599 Für einen Vorrang des Günstigkeitsprinzips aber Magnus in: Staudinger, BGB, Art. 30 Rn. 54 f.; Schlachter, NZA 2000, 57.
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ordnungen als Ausgangspunkt für die Suche nach der sachnächsten Lösung für den jeweiligen Einzelfall. Dieses Grundprinzip stützt die Parteiautonomie, die sowohl in der direkten Rechtswahl als auch in der individuellen Auswahl eines objektiven Anknüpfungspunktes als indirekte Rechtswahl sichtbar wird. Die zwingenden Bestimmungen iSd. Art. 30 Abs. 1 EGBGB verbleiben innerhalb des parteiautonomen Gefüges einer subjektiv oder objektiv im Arbeitsvertragsstatut bestimmten sachnächsten Lösung und sind daher als „intern zwingend“ zu bezeichnen. Art. 30 Abs. 1 fußt mithin auf der Parteiautonomie, die das EGBGB in Art. 27 EGBGB als tragendes Prinzip des Vertragskollisionsrechts600 proklamiert, allerdings in Art. 29, 30 zum Schutz von Verbrauchern und Arbeitnehmern als der wirtschaftlich und sozial schwächeren Vertragspartei in typischen Ungleichgewichtslagen einschränkt. Dies belegt bereits der Wortlaut des Art. 30 Abs. 1 EGBGB, auch die Materialien zum EVÜ sprechen von Sachverhalten, „bei denen die Interessen der Vertragsschließenden nicht auf der gleichen Ebene liegen“.601 Die o. g. doppelte Öffnung des Art. 30 Abs. 1 EGBGB dient dem Ausgleich derartig gestörter Vertragsparität. Intern zwingende Bestimmungen haben demzufolge einen durch das Günstigkeitsprinzip bedingten Rechtsdurchsetzungsanspruch. Dabei erfolgt eine nur abgeschwächte Einschränkung der Parteiautonomie, da intern zwingende Bestimmungen immer noch dem Gefüge entstammen, das zumindest durch indirekte Rechtswahl beeinflussbar ist. Auch besteht ein starker Bezug der Parteien zum objektiven Vertragsstatut aufgrund von dessen Sachnähe. Dass das Günstigkeitsprinzip in Art. 30 Abs. 1 EGBGB zudem im Gegensatz zum deutschen Arbeitsrechtssystem keine Normenhierarchie voraussetzt, sondern bei Normen auf gleicher Ebene gilt, ist Ausdruck einer nochmals gesteigerten Relativität des in Art. 30 Abs. 1 EGBGB enthaltenen Normzwangbegriffs. Die Vorschrift ist schließlich in doppeltem Sinne am Gleichgewicht orientiert: Sie setzt zunächst das grundsätzliche Gleichgewicht zweier verschiedener Rechtsordnungen voraus und erklärt dann eine dieser beiden Rechtsordnungen für vorrangig, um das Gleichgewicht der Arbeitsvertragsparteien zu sichern. Auf diese Weise erfüllt Art. 30 Abs. 1 EGBGB in abgeschwächter Weise die Funktion, die Tarifverträge im nationalen Rechtsverkehr durch Gegenmachtbildung innehaben. Art. 30 Abs. 1 EGBGB erklärt Normen des objektiven Arbeitsvertragsstatuts unter bestimmten Voraussetzungen ohne Rücksicht auf das durch Rechtswahl berufene Recht für zwingend anwendbar. Aufgrund der inneren Systematik des Art. 30 Abs. 1 EGBGB sind intern zwingend nur solche Bestimmungen, die zum Arbeitsvertragsstatut gehören, da nur letzteres Gegenstand einer Rechtswahl sein kann. Dessen Umfang wird in Art. 32 Abs. 1 EGBGB beispielhaft umschrieben und umfasst u. a. Bestand, Inhalt und Rechtsfolgen von Vertrags600 601
Magnus in: Staudinger, BGB, Vorbem zu Art. 27–37 EGBGB Rn. 33. Bericht Giuliano/Lagarde, BT-Dr. 10/503, 57.
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pflichtverletzungen. Schutznorm iSd. Art. 30 Abs. 1 EGBGB ist eine Vorschrift aber nur dann, wenn sie eine hinsichtlich einzelner Elemente des Arbeitsvertragsstatuts schwächere Position des Arbeitnehmers beseitigt und dabei nicht individualvertraglich abdingbar ist.602 Wesentlich für Schutznormen iSd. Art. 30 Abs. 1 EGBGB ist, dass sie steuernd in das Geflecht arbeitsvertraglicher Rechte und Pflichten eingreifen und dabei eine Stärkung der Arbeitnehmerposition im Parteiinteresse erfolgt. Das vertragliche Austauschverhältnis ist ihr Regelungsgegenstand, Art. 30 Abs. 1 EGBGB verlässt somit nicht die Ebene bipolarer Individualinteressen. Sowohl privatrechtliche als auch öffentlich-rechtliche Vorschriften können einen solchen, auf den Ausgleich gestörter Vertragsparität gerichteten Schutzzweck aufweisen.603 Dabei ist der Begriff der Arbeitnehmerschutzsausrichtung weit zu interpretieren, so dass neben dem Arbeitnehmerschutzrecht auch das allgemeine Vertragsrecht in Betracht kommt, solange es zum Vertragsstatut gehört.604 Als in diesem Sinne auf den Ausgleich von Parteiinteressen gerichtet und damit innerhalb des Arbeitsvertragsstatuts zwingend sind die Bestimmungen über Entlohnung605 einschließlich Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall606, Urlaub607, allgemeinen Kündigungsschutz608, Befristungsschranken nach TzBfG609, Betriebsübergang610, Arbeitnehmerhaftung611 und Gleichbehandlung612 anerkannt.
602 Art. 30 EGBGB richtet sich ausdrücklich nur an Einzelpersonen, für die auch lediglich tarifdispositive Vorschriften zwingend sind; anders als in Art. 27 Abs. 3 EGBGB sind daher auch tarifdispositive Vorschriften zwingend iSd. Art. 30 EGBGB. Sollten derartige Tarifverträge im Vergleich zum Gesetz günstigere Regelungen enthalten, setzen sie sich ihrerseits als zwingende Bestimmungen des Arbeitsvertragsstatuts über Art. 30 Abs. 1 EGBGB durch, s. u. 603 Bericht Giuliano/Lagarde, BT–Dr. 10/503, 57. 604 Magnus in: Staudinger, BGB, Art. 30 Rn. 75. 605 Magnus in: Staudinger, BGB, Art. 30 Rn. 79, 221; Martiny in: Reithmann/Martiny, Internationales Vertragsrecht, Rn. 1373; v. Hoffmann in: Soergel, BGB, Art. 30 Rn. 22; a. A. Birk in: MünchArbR, § 20 Rn. 160; Gamillscheg, ZfA 14 (1983), 307. 606 Dabei zutreffend auf den gegenüber sozialpolitischen Erwägungen überwiegenden Ausgleich widerstreitender individualrechtlicher Interessen abstellend LAG Hessen, Urt. v. 16.11.1999 – 4 Sa 463/99 –, NZA-RR 2000, 401; a. A. (Art. 34 EGBGB wegen der engen Verknüpfung mit dem Kranken- und Sozialversicherungssystem) Magnus in: Staudinger, BGB, Art. 30 Rn.199, 222 ff.; Martiny in: Reithmann/Martiny, Internationales Vertragsrecht, Rn. 1373; v. Hoffmann in: Soergel, BGB, Art. 30 Rn. 23. 607 BAG, Urt. v. 27.8.1964 – 5 AZR 364/63 –, BAGE 16, 215; ArbG Frankfurt, Urt. v. 29.5.1970 – 5 Ca 181/70 –, IPRspr 1971 Nr. 32; Magnus in: Staudinger, BGB, Art. 30 Rn. 79, 230; Martiny in: Reithmann/Martiny, Internationales Vertragsrecht, Rn. 1377; v. Hoffmann in: Soergel, BGB, Art. 30 Rn. 22; Birk in: MünchArbR, § 20 Rn. 151. 608 BAG, Urt. v. 24.8.1989 – 2 AZR 3/89 –, BAGE 63, 17 (32); LAG Frankfurt, Urt. v. 10.12.1986 – 10 Sa 729/86 –, IPRspr 1986 Nr. 48; Magnus in: Staudinger, BGB, Art. 30 Rn. 236; Martiny in: Reithmann/Martiny, Internationales Vertragsrecht, Rn. 1380; v. Hoffmann in: Soergel, BGB, Art. 30 Rn. 22; a. A. Birk in: MünchArbR, § 20 Rn. 93 (Art. 34 EGBGB).
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Derartig zwingende Bestimmungen des objektiven Vertragsstatuts stellen aufgrund von Art. 30 Abs. 1 EGBGB einen Mindeststandard dar, von dem durch Rechtswahl nicht zu Lasten des Arbeitnehmers abgewichen werden kann. Die Ermittlung des anwendbaren Rechtssystems verlangt daher einen Günstigkeitsvergleich, dessen Methode jedoch umstritten ist. Einigkeit besteht lediglich dahingehend, dass der Günstigkeitsvergleich bezogen auf den konkreten Einzelfall und das konkrete Schutzproblem als Ausgangspunkt – im Gegensatz zu einem abstrakten Gesamtvergleich – vorzunehmen ist.613 Die herrschende Meinung beurteilt das konkrete Klagebegehren des Arbeitnehmers aufgrund eines konkreten Gesamtvergleichs der beteiligten Rechtsordnungen nach dem Recht, das ihn insgesamt besser stellt; dieses wird im Wege eines Sachgruppenvergleichs ermittelt, bei dem zusammengehörige Regelungsbereiche der einen und der anderen Rechtsordnung miteinander zu vergleichen sind.614 Vereinzelt wird demgegenüber ein Einzelvergleich der sich jeweils entsprechenden Vorschriften befürwortet.615 Jedoch würde ein Günstigkeitsvergleich, der sich auf die einzelnen Bestimmungen der Rechtsordnung beschränkt, auf eine Rosinentheorie hinauslaufen, die zur ungeprüften Kumulation sämtlicher Vorteile der jeweiligen Rechtsordnungen führen würde und damit dem Arbeitnehmer ungerechtfertigt stets nur die günstigere Regelung zuteil werden ließe, so dass der von jeder einzelnen Rechtsordnung gewährleistete Standard systemwidrig weit überschritten würde. Stattdessen ist der zusammengehörige Regelungskomplex als einheitliche Frage zu behandeln und jeweils auf die Ergebnisse abzustellen, zu denen die unterschiedlichen Rechtsordnungen im betroffenen Teilbereich im Einzelfall gelangen.616 Der kollisionsrechtliche Günstigkeitsvergleich beruht nach alledem auf einer Diskrepanz zwischen gewähltem und objektiv angeknüpftem Recht und verhindert lediglich die Wirkung einer ansonsten rechtsgültigen Rechtswahl zu Lasten des Arbeitnehmers. 609 Martiny in: Reithmann/Martiny, Internationales Vertragsrecht, Rn. 1371; a. A. Magnus in: Staudinger, BGB, Art. 30 Rn. 200 (Art. 34 EGBGB). 610 BAG, Urt. v. 29.10.1992 – 2 AZR 267/92 –, IPRax 1994, 123; LAG Köln, Urt. v. 6.4.1992 – 3 Sa 824/91 –, RIW 1992, 933; Martiny in: Reithmann/Martiny, Internationales Vertragsrecht, Rn. 1381; v. Hoffmann in: Soergel, BGB, Art. 30 Rn. 22. 611 Magnus in: Staudinger, BGB, Art. 30 Rn. 233; Martiny in: Reithmann/Martiny, Internationales Vertragsrecht, Rn. 1372; v. Hoffmann in: Soergel, BGB, Art. 30 Rn. 22. 612 Magnus in: Staudinger, BGB, Art. 30 Rn. 79; Martiny in: Reithmann/Martiny, Internationales Vertragsrecht, Rn. 1372; a. A. Birk in: MünchArbR, § 20 Rn. 158 (Betriebsbezogenheit). 613 Hohloch in: Erman, BGB, Art. 30 EGBGB Rn. 11 m. w. N. 614 V. Hoffmann, IPR, § 10 Rn. 77; ders. in: Soergel, BGB, Art. 30 Rn. 33; Birk in: MünchArbR, § 20 Rn. 25; Junker, IPR, Rn. 385; Schlachter, NZA 2000, 57; Martiny in: MüKo, BGB, Art. 30 Rn. 25 f.; Magnus in: Staudinger, BGB, Art. 30 Rn. 84 f. 615 E. Lorenz, RIW, 1987, 569; Gamillscheg, ZfA 14 (1983), 307. 616 Heldrich in: Palandt, BGB, Art. 30 EGBGB Rn. 5; Schlachter, NZA 2000, 57; Schaub, ARHandbuch, § 6 Rn. 19; Hohloch in: Erman, BGB, Art. 30 EGBGB Rn. 12.
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(2) Eingriffsnormen des Art. 34 EGBGB Ungeachtet des aufgrund Art. 30 EGBGB ermittelten Arbeitsvertragsstatuts unterfällt das Arbeitsverhältnis stets gem. Art. 34 EGBGB denjenigen Bestimmungen des deutschen Rechts, die den Sachverhalt ohne Rücksicht auf das auf den Vertrag anzuwendende Recht international zwingend regeln. Art. 34 EGBGB hat im Gegensatz zur Relativität des Art. 30 EGBGB insofern absolut zwingende Wirkung, als die Vorschrift ohne Günstigkeitsprüfung des Arbeitsvertragsstatuts stets auf die lex fori verweist, die sich gegenüber jedwedem anderen Rechtssystem durchsetzt. Aufgrund des eindeutigen Wortlauts des Art. 34 EGBGB betrifft dies sowohl das subjektive als auch das objektive Arbeitsvertragsstatut. Art. 34 EGBGB stellt allerdings nur den Grundsatz des kollisionsrechtlichen Durchgriffs inländischer Eingriffsnormen auf, während der erforderliche Eingriffscharakter und internationale Geltungswille der jeweiligen einzelnen Norm zu entnehmen ist.617 Dieser Norm muss ein unbedingter Rechtsdurchsetzungsanspruch des Forumstaates innewohnen. Zusätzlich zum international zwingenden Charakter der Eingriffsnorm ist für Art. 34 EGBGB eine Verknüpfung des Sachverhaltes mit dem Inland erforderlich, da sich nur dann der zwingende territoriale Geltungsanspruch deutschen Rechts rechtfertigen lassen kann. Trotzdem wird die Parteiautonomie stark eingeschränkt, da im Gegensatz zu Art. 30 EGBGB der Inlandsbezug in Art. 34 EGBGB keine für das Arbeitsverhältnis prägende Beziehung zum Forumstaat darstellen muss.618 Der unbedingte, sich über das Arbeitsvertragsstatut hinwegsetzende Anwendungswille bezüglich des jeweiligen Sachverhaltes ist für jede einzelne Vorschrift durch Auslegung zu ermitteln.619 Dabei ist nach allgemeinen Auslegungsregeln auf Wortlaut, Systematik sowie auf den Normzweck und die geschützten Interessen abzustellen.620 Für den international zwingenden Charakter einer Vorschrift müssen Indizien mit erheblichem Gewicht sprechen. Denn international zwingende Eingriffsnormen sind Fremdkörper in dem auf der Parteiautonomie und der Gleichwertigkeit aller Rechtsordnungen aufbauenden System des Internationalen Vertragsrechts und damit als Ausnahmeregeln eng zu begrenzen.621
617 Art. 34 EGBGB ist „eine Blankettnorm, die sich auf eine Öffnungsformel beschränkt“, Sonnenberger in: MüKo, BGB, Einl. IPR Rn. 56. 618 Unabhängig von der Frage der Ermittlung eines entsprechend unbedingten Geltungswillens unterliegt diese Schranke zwangsläufig einem erhöhten Rechtfertigungsbedarf, s. u. unter Teil 1 § 2 B. II. 2. a) bb) (2). 619 Junker (in: Internationales Arbeitsrecht im Konzern, 288) weist hier zu Recht auf die von der Norm ausgehende Perspektive hin, eine Anknüpfung vom Sachverhalt her ist im Gegensatz zum Arbeitsvertragsstatut ausgeschlossen. 620 Martiny in: Reithmann/Martiny, Internationales Vertragsrecht, Rn. 391. 621 Junker in: Internationales Arbeitsrecht im Konzern, 290.
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Während das Arbeitsvertragsstatut des Art. 30 EGBGB den Ausgleich von Parteiinteressen zum Gegenstand hat, setzt ein unbedingter Rechtsdurchsetzungsanspruch ein zu schützendes Allgemeininteresse voraus.622 Zwingend iSd. Art. 34 EGBGB können privatrechtliche wie öffentlich-rechtliche Vorschriften sein, die im öffentlichen Interesse in Schuldverhältnisse eingreifen und sich nicht im Ausgleich widerstreitender Interessen der Vertragsparteien erschöpfen. Ergibt sich aufgrund einer solchen teleologischen Auslegung, dass eine Norm nur individuellen Parteiinteressen dient oder aber ausschließlich Gemeinwohlziele verfolgt, ist die Zuordnung zu Art. 30 bzw. 34 EGBGB eindeutig. Eine Vielzahl arbeitsrechtlicher Bestimmungen dient jedoch sowohl Partei- als auch Allgemeininteressen. Zur Ermittlung des für Art. 34 EGBGB maßgeblichen Zwecks einer Regelung ist auf die überwiegende Schutzrichtung im Sinne einer primären Verfolgung von Gemeinwohlzielen abzustellen.623 International zwingend sind u. a. sozial-, wirtschafts- und ordnungspolitische Vorschriften erst dann, wenn sie nicht allein dem Gerechtigkeitsausgleich zwischen Privatrechtssubjekten, sondern primär den Interessen der Allgemeinheit dienen.624 Wesentlich für international zwingende Bestimmungen ist daher ihr ordnungspolitischer Gehalt zur Verfolgung staatlicher Lenkungsziele. Im Interesse des Gemeinwohls bezwecken sie eine Beeinflussung der Wirtschaft und greifen dabei von außen in das Vertragsverhältnis ein. Demgegenüber ist der Arbeitnehmerschutz auch dann, wenn ihm – wie meist – allgemeine sozialpolitische Erwägungen zugrunde liegen, im Zweifel nur intern zwingend iSd. Art. 30 Abs. 1 EGBGB625, es sei denn, über das Individualinteresse hinausgehende starke öffentliche Interessen verlangen eine unbedingte Rechtsdurchsetzung.626 Als zusätzlicher systematischer Auslegungsaspekt kommt hierbei die Ausrichtung der Unabdingbarkeit der Norm in Betracht: Im Falle bloß einseitig zwingender und damit zugunsten des Arbeitnehmers abdingbarer Normen öffnet sich deren Bindungswirkung zugunsten eines im Parteiinteresse vorzunehmenden Günstigkeitsvergleichs, was einen unbedingten Rechtsdurchsetzungswillen 622 BAG, Urt. v. 24.8.1989 – 2 AZR 3/89 –, BAGE 63, 17 (32); BAG, Urt. v. 29.10.1992 – 2 AZR 267/92 –, IPRax 1994, 123; Magnus in: Staudinger, BGB, Art. 30 Rn. 193; dieses Begriffsverständnis auf der Grundlage einer gebotenen autonomen Auslegung belegt letztlich auch EuGH, Urt. v. 9.11.2000 – Rs. C-381/98 (Ingmar vs. Eaton) –, RIW 2001, 133 (Förderung der Niederlassungsfreiheit und eines unverfälschten Wettbewerbs, mithin der EG-Vertragsziele, als überindividuelle Zwecke einer international zwingenden Vorschrift, Rz. 23 f.). 623 Magnus in: Staudinger, BGB, Art. 30 Rn. 193. 624 BAG, Urt. v. 24.8.1989 – 2 AZR 3/89 –, BAGE 63, 17 (32); BAG Urt. v. 29.10.1992 – 2 AZR 267/92 –, IPRax 1994, 123 (128); vgl. auch für Österreich OGH, Beschl. v. 25.9.2001 – 1 Ob 164/01a –, IPRax 2002, 530. 625 So auch Martiny in: MüKo, BGB, Art. 34 Rn. 79a; a. A. Hohloch in: Erman, BGB, Art. 34 Rn. 12; v. Hoffmann in: Soergel, BGB, Art. 34 Rn. 4. 626 BAG, Urt. v. 24.8.1989 – 2 AZR 3/89 –, BAGE 63, 17 (32); Kropholler, IPR, § 52 IX, 491.
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ausschließt.627 Auch sind tarifdispositive Vorschriften keine zwingenden Bestimmungen iSd. Art. 34 EGBGB, weil das Arbeitsvertragsstatut der tariflichen Rechtswahl zugänglich ist.628 Ein weiteres Indiz für einen unbedingten Rechtsdurchsetzungsanspruch kann die Einschaltung von Behörden bei der Vollziehung und Überwachung von Normen oder die Existenz eines behördlichen Zustimmungsverfahrens sein, denn deren öffentlich-rechtliche Befugnisse und vollziehende Tätigkeiten beschränken sich grundsätzlich auf das Inland, so dass ein entsprechender absoluter Normdurchsetzungswille nahe liegt.629 Als in diesem Sinne international zwingend sind die Höchstarbeitszeiten und Mindestruhezeiten des ArbZG630 wie auch die Bestimmungen über Arbeitssicherheit, Gesundheitsschutz und Hygiene am Arbeitsplatz631, über den Jugendarbeits- und Mutterschutz632 und den besonderen Kündigungsschutz für Schwangere und Mütter633, für Schwerbehinderte634, für Betriebsverfassungsorgane635 und bei Massenentlassungen636 anerkannt. Diese Vorschriften liegen überwiegend im öffentlichen Interesse und dienen nicht ausschließlich den Interessen der Vertragsparteien. Demgegenüber fällt das dem Ausgleich struktureller Ungleichge627 So auch Junker in: Internationales Arbeitsrecht im Konzern, 290; Schlachter, NZA 2000, 57. 628 Ansonsten würde die von Art. 34 EGBGB gewollte Durchsetzung gegenüber dem Arbeitsvertragsstatut konterkariert; der in Art. 34 EGBGB enthaltene Begriff der Unabdingbarkeit ist insofern enger als in Art. 30 Abs. 1 EGBGB (auch tarifdispositive Vorschriften sind zwingend), demgegenüber sind auch in Art. 27 Abs. 3 EGBGB tarifdispositive Vorschriften nicht zwingend, s. o. 629 Junker, Internationales Arbeitsrecht im Konzern, 292. 630 Schutz der Volksgesundheit sowie der Arbeitsruhe und der seelischen Erhebung an Sonn- und Feiertagen als Gemeinwohlinteressen gem. § 1 ArbZG, behördliche Überwachung in § 17 ArbZG; so auch Martiny in: Reithmann/Martiny, Internationales Vertragsrecht, Rn. 1385; a. A. Magnus in: Staudinger, BGB, Art. 30 Rn. 79, 231; Heldrich in: Palandt, BGB, Art. 30 Rn. 6 (Art. 30 EGBGB). 631 Junker, Internationales Arbeitsrecht im Konzern, 292; Martiny in: Reithmann/ Martiny, Internationales Vertragsrecht, Rn. 1385. 632 BAG, Urt. v. 24.8.1989 – 2 AZR 3/89 –, BAGE 63, 17 (32 f.); LAG Hessen, Urt. v. 16.11.1999 – 4 Sa 463/99 –, NZA-RR 2000, 401 (§§ 15, 18 BErzGG); Martiny in: Reithmann/Martiny, Internationales Vertragsrecht, Rn. 1385 (Beschäftigungsverbote für werdende Mütter und Jugendliche); Magnus in: Staudinger, BGB, Art. 30 Rn. 230 (Mindesturlaub im Rahmen von Jugend- und Mutterschutz, § 15 BErzGG); a. A. Heldrich in: Palandt, BGB, Art. 30 Rn. 6 (Art. 30 EGBGB). 633 BAG, Urt. v. 24.8.1989 – 2 AZR 3/89 –, BAGE 63, 17 (32 f.); Magnus in: Staudinger, BGB, Art. 30 Rn. 239; Martiny in: Reithmann/Martiny, Internationales Vertragsrecht, Rn. 427. 634 BAG, Urt. v. 24.8.1989 – 2 AZR 3/89 –, BAGE 63, 17 (32 f.); Martiny in: Reithmann/Martiny, Internationales Vertragsrecht, Rn. 427, 1384 (Zustimmung des Integrationsamts); v. Hoffmann in: Soergel, BGB, Art. 30 Rn. 23. 635 BAG, Urt. v. 24.8.1989 – 2 AZR 3/89 –, BAGE 63, 17 (32 f.); Martiny in: Reithmann/Martiny, Internationales Vertragsrecht, Rn. 427. 636 BAG, Urt. v. 24.8.1989 – 2 AZR 3/89 –, BAGE 63, 17 (32 f.); Martiny in: Reithmann/Martiny, Internationales Vertragsrecht, Rn. 427.
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wichtslagen zwischen den Vertragsparteien dienende Sonderprivatrecht nicht unter Art. 34 EGBGB, sondern unter Art. 30 EGBGB. Eine Abgrenzung zwischen den in Art. 30 und 34 EGBGB enthaltenen Schranken der Parteiautonomie ist nicht nur im Falle einer Rechtswahl iSd. Art. 30 Abs. 1 EGBGB erforderlich. Denn auch Art. 30 Abs. 2 EGBGB verweist auf ein Rechtssystem und dessen zwingende Bestimmungen. Während Art. 30 Abs. 1 EGBGB aufgrund der Rechtswahl insofern eine am Günstigkeitsprinzip ausgerichtete Alternative zulässt, ist die Verweisung des Art. 30 Abs. 2 EGBGB ausschließlich auf ein Rechtssystem gerichtet. Ein Zusammenstoß mit international zwingenden Bestimmungen des Forumstaates, d.h. eine Kollision der Rechtsdurchsetzungsinteressen zweier Staaten, ist in beiden Konstellationen denkbar. Art. 30 EGBGB hat in beiden Absätzen einen starken Bezug zur Parteiautonomie und ist so Ausdruck des freiheitlich-individualistischen Grundkonzeptes der durch das EVÜ erfolgten Kodifizierung des Internationalen Vertragsrechts. Ausgehend von der Gleichwertigkeit aller Rechtsordnungen liegt dem Internationalen Vertragsrecht ausweislich Art. 27 EGBGB als Grundprinzip die Rechtswahlfreiheit einschließlich der Freiheit zur Bestimmung der im einzelnen Rechtssystem gewährleisteten Privatautonomie zugrunde.637 Diese (mittelbare) Koppelung der Privatautonomie an die kollisionsrechtliche Parteiautonomie durchbricht Art. 30 EGBGB, indem er zum Ausgleich gestörter Vertragsparität dasjenige Sachrecht heranzieht, das der schwächeren Partei mehr Schutz bietet und die Privatautonomie folglich stärker einengt, trotzdem aber aufgrund der Anknüpfung in Art. 30 Abs. 2 EGBGB die objektiv sachnächste Lösung bereitstellt. Die ausschließliche Ausrichtung am bipolaren Interessengegensatz der Parteien eines vertraglichen Austauschverhältnisses wie auch die Relativität des Normzwanges haben zur Folge, dass sich Art. 30 EGBGB in die Konzeption des Internationalen Vertragsrechts einfügt und Autonomie in diesem Sinne systemkonform auf verhältnismäßige Weise einschränkt. Demgegenüber fungiert Art. 34 EGBGB als Ausnahme in Sonderfällen eines absoluten Geltungsanspruchs des Forumstaates, der jedoch nur mit überwiegenden Allgemeininteressen begründet werden und damit außerhalb des Arbeitsvertragsstatuts stehen kann. Weist eine Norm einen solchen unbedingten Rechtsdurchsetzungswillen auf, so setzt sie sich aufgrund des insofern eindeutigen Wortlauts des Art. 34 EGBGB gegenüber zwingenden Bestimmungen des Arbeitsvertragsstatuts iSd. Art. 30 EGBGB durch. Eine Vorschrift kann auch dann einen unbedingten Geltungsanspruch aufweisen, wenn sie auch Parteiinteressen schützt, solange ein überwiegendes und damit die Norm prägendes Allgemeininteresse als Schutzgegenstand zu ermitteln ist.638 Zwingende Bestimmungen iSd. Art. 30 EGBGB sind demgegenüber ausschließlich das Arbeitsvertragsstatut betreffende Vor637 638
Magnus in: Staudinger, BGB, Vorbem zu Art. 27–37 EGBGB Rn. 33. Martiny in: Reithmann/Martiny, Internationales Vertragsrecht, Rn. 392.
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schriften, die vorrangig Parteiinteressen schützen und – im Falle des Art. 30 Abs. 1 EGBGB – dem Arbeitnehmerschutz dienen. Eine Arbeitnehmerschutzvorschrift kann somit durchaus gleichzeitig unter Art. 30 EGBGB und unter Art. 34 EGBGB fallen. Das Verhältnis von Art. 30 Abs. 1 EGBGB und Art. 34 EGBGB ist daher weder von gegenseitiger Exklusivität noch von einer stetigen Vorrangstellung des Art. 30 Abs. 1 EGBGB als lex specialis gekennzeichnet. Vielmehr überschneiden sich die Anwendungsbereiche beider Vorschriften, sind aber nicht deckungsgleich.639 Im Falle eines Überschneidens geht Art. 34 EGBGB aufgrund seines eindeutigen Wortlauts stets vor.640 (3) Ordre public iSd. Art. 6 EGBGB Gem. Art. 6 EGBGB ist eine ausländische Rechtsnorm schließlich dann nicht anzuwenden, wenn ihre Anwendung zu einem Ergebnis führt, das mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts, insbesondere den Grundrechten, offensichtlich unvereinbar ist. Diese Ordre-public-Klausel dient der Wahrung der im deutschen Rechtsraum geltenden Wertordnung und ermöglicht bei einem hinreichend starken Inlandsbezug Korrekturen von in Ausnahmefällen vom deutschen Recht eklatant abweichenden Regelungen des Arbeitsvertragsstatuts. Angesichts der jedoch in Art. 27 Abs. 3, 34 EGBGB bereits enthaltenen Einfallstore für inländische Rechtsvorstellungen ist der Anwendungsbereich des ordre public im internationalen Arbeitsvertragsrecht äußerst gering. Denkbar sind Fallgestaltungen, in denen das Arbeitsvertragsstatut mangels Rechtswahl ausschließlich objektiv zu bestimmen ist, eine hiernach anwendbare ausländische Rechtsnorm aber inländischen Rechtsgrundsätzen entgegensteht, die ihrerseits keine Eingriffsnormen iSd. Art. 34 EGBGB darstellen.641 Sehr viel unwahrscheinlicher ist der Fall, dass die Parteien ein ausländisches Arbeitsvertragsstatut bestimmt haben und eine gegen deutsche Grundsätze verstoßende ausländi639
Magnus in: Staudinger, BGB, Art. 30 Rn. 204. Martiny in: Reithmann/Martiny, Internationales Vertragsrecht, Rn. 1365; ob dies im Einzelfall gerechtfertigt ist, ist eine andere Frage; a. A. (Arbeitsvertragsstatut geht bei Günstigkeit vor) Magnus in: Staudinger, BGB, Art. 30 Rn. 208 ff. 641 Denkbare Beispiele: Fehlen jedweden Kündigungsschutzes, bejaht von Birk in: MünchArbR, § 20 Rn. 101, offen gelassen von BAG, Urt. v. 24.8.1989 – 2 AZR 3/89 –, BAGE 63, 17 (30) und von BAG, Urt. v. 10.4.1975 – 2 AZR 128/74 –, AP Nr. 12 zu Internat. Privatrecht, abgelehnt von BAG, Urt. v. 20.7.1967 – 2 AZR 372/66 –, AP Nr. 10 zu Internat. Privatrecht; erhebliche Unterschreitung der gesetzlichen Mindestanzahl von Urlaubstagen iSd. BUrlG, bejaht von Birk in: MünchArbR, § 20 Rn. 102; Ausschluss jeglicher Überhangprovision, abgelehnt von BAG, Urt. v. 26.2.1985 – 3 AZR 1/83 –, NJW 1985, 2910; Vereinbarung unbezahlten Urlaubs wegen Verbots der Frauenarbeit in Saudi-Arabien abgelehnt von LAG Köln, Urt. v. 24.3.1982 – 2 Sa 677/80 –, IPRspr. 1982 Nr. 40 (hier war schon der erforderliche Inlandsbezug zweifelhaft); Fehlen von Bestandsschutz iSd. § 613a BGB abgelehnt von BAG, Urt. v. 29.10. 1992 – 2 AZR 267/92 –, IPRax 1994, 123; weitere Beispiele bei Gamillscheg, ZfA 14 (1983), 307 (315). 640
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sche Rechtsnorm weder von Art. 30 Abs. 1 EGBGB noch durch Art. 34 EGBGB aufgefangen wird. (4) Tarifverträge als Schranke der Parteiautonomie Tarifverträge dienen der Schaffung eines sachgemäßen Interessenausgleichs durch Gegenmachtbildung. Durch die Festlegung von Arbeitsbedingungen wirken sie unmittelbar auf den vertraglichen Leistungsaustausch der Arbeitsvertragsparteien ein und gewährleisten eine aufgrund gestörter Vertragsparität ansonsten nicht zu erzielende Vertragsgerechtigkeit. Die in Tarifverträgen enthaltenen Regelungen gehören mithin zum Arbeitsvertragsstatut.642 Zwingend iSd. Art. 30 Abs. 1 EGBGB sind sie freilich nur bei normativer Tarifwirkung, d.h. im Falle beidseitiger Tarifbindung und eines das Arbeitsverhältnis erfassenden tariflichen Geltungsbereichs, der sich nach entsprechender Auslegung auch auf einen Auslandseinsatz erstreckt. Da eine nach Maßgabe des § 4 Abs. 1 TVG bestehende Tarifnormwirkung ein objektives Arbeitsvertragsstatut in Deutschland voraussetzt643, ist der autonomiebegrenzende internationale Normzwang eines Tarifvertrages zudem stets an denjenigen nationalen Arbeitsmarkt geknüpft, dem sich der Arbeitnehmer dauerhaft zuordnen lässt. Nationale Tarifverträge einschließlich ihrer nach dem Herkunftsland zu beurteilenden Normwirkungsvoraussetzungen lassen sich mithin solange ins Ausland (auch nach Deutschland) exportieren und setzen sich dabei als zwingende Bestimmungen des Arbeitsvertragsstatuts iSd. Art. 30 EGBGB solange durch, wie diese Zuordnung zum Heimatarbeitsmarkt gewahrt bleibt. Bei einer Schwerpunktverlagerung des Arbeitsverhältnisses ins Inland unterfällt die Normwirkung dieses ausländischen Tarifvertrages iSd. Art. 30 EGBGB den Anforderungen des TVG und verbleibt nur im Falle einer Wahl des Heimatrechtes Bestandteil des Arbeitsvertragsstatuts.644 Lediglich in Ausnahmefällen entsprechender Tarifbindung wird sich sodann auch im Einsatzstaat ein dortiger Tarifvertrag zwingend iSd. Art. 30 Abs. 1 EGBGB auswirken, entsprechende Tarifkollisionen sind nach dem Günstigkeitsprinzip zu lösen. In dem Umfang, in dem die Normwirkung von Tarifverträgen die Vertragsfreiheit auf nationaler Ebene nach Maßgabe des § 4 Abs. 1 TVG begrenzt, wirkt sie aufgrund von Art. 30 Abs. 1 EGBGB ebenfalls als Schranke der Parteiautonomie bei der Auswahl der für das Arbeitsverhältnis maßgeblichen Rechtsordnung. Die Kartellwirkung von Tarifverträgen schlägt von der sachrechtlichen Ebene der Privatautonomie also auf den durch kollisionsrechtliche 642
So auch Wank in: Wiedemann, TVG, § 5 Rn. 138. s. o. unter Teil 1 § 2 A. II. 2. b) aa) (3). 644 Da nur dann von einem entsprechend extraterritorialen Anwendungsbereich des Tarifvertrages auszugehen ist, s. o. unter Teil 1 § 2 A. II. 2. b) aa) (3). 643
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Rechtswahl grundsätzlich beeinflussbaren internationalen Wettbewerb durch. Tarifverträge weisen jedoch keine international zwingende Wirkung auf, und zwar aufgrund der vorstehenden Ausführungen weder bei normaler Normwirkung iSd. § 4 Abs. 1 TVG noch im Falle ihrer Allgemeinverbindlichkeit.645 In der sog. Sozialkassenentscheidung hat das BAG eine Tarifnormerstreckung mittels Allgemeinverbindlicherklärung eines deutschen Tarifvertrages auf einen nicht tarifgebundenen ausländischen Arbeitgeber abgelehnt.646 In dem dieser Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt war das Arbeitsverhältnis im ehemaligen Jugoslawien nach jugoslawischem Recht begründet und nur zeitweilig in Deutschland vollzogen worden, unterlag mithin einem subjektiv wie objektiv jugoslawischen Arbeitsvertragsstatut, was aus zutreffender Sicht des BAG eine Normunterworfenheit des ausländischen Arbeitgebers als Außenseiter ausschloss. Dieses Urteil erging zwar zeitlich vor Inkrafttreten des IPRG, jedoch stützt auch die hinter der heutigen Fassung der Art. 30 ff. EGBGB stehende Systematik dieses Ergebnis: Gegen eine international zwingende Wirkung allgemeinverbindlicher Tarifverträge spricht bereits das eindeutig am Parteiinteresse des Arbeitnehmers ausgerichtete Günstigkeitsprinzip des § 4 Abs. 3 TVG, das sich auch gegenüber einem für allgemeinverbindlich erklärten Tarifvertrag durchsetzt. Im Übrigen fehlt es auch der Allgemeinverbindlicherklärung an dem für einen unbedingten Rechtsanwendungswillen erforderlichen Schutz überwiegender Allgemeininteressen, die insbesondere dem öffentlichen Interesse iSd. § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 TVG als Voraussetzung einer Normwirkungserstreckung keineswegs gleichzusetzen sind. Denn auch die Allgemeinverbindlicherklärung ist in ihrer Wirkung auf das vertragliche Austauschverhältnis der Normunterworfenen ausgerichtet und will für Außenseiter sozial verträgliche und angemessene Arbeitsbedingungen schaffen, soweit deren Arbeitsbedingungen sozial nicht hinnehmbar sind.647 Insofern geht ihr sozialer Schutzzweck nicht über das Arbeitnehmerschutzprinzip des Tarifvertragssystems, das mit Hilfe des Gegenmachtmodells eine einseitige Festlegung von Arbeitsbedingungen durch den Arbeitgeber verhindern will, hinaus. Auch ein für allgemeinverbindlich erklärter Tarifvertrag verlässt mithin nicht die Ebene bipolarer Parteiinteressen und dient ausschließlich dem Aus645 Bericht Giuliano/Lagarde, BT-Dr. 10/503, 57; Birk, RabelsZ 46 (1982), 384; Heldrich in: Palandt, BGB, Art. 30 Rn. 6; Hergenröder in: AR-Blattei SD 1550.15, Rn. 29; Junker, Internationales Arbeitsrecht im Konzern, 431 f., 443 ff.; Magnus in: Staudinger, BGB, Art. 30 Rn. 78; Müller, Entsendung, 143; a. A. Däubler, TVG, Einl. Rn. 656; Deinert, RdA 1996, 339; Hönsch, NZA 1988, 113; Hoppe, Entsendung, 255. 646 BAG, Urt. v. 4.5.1977 – 4 AZR 10/76 –, AP Nr. 30 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau; der BAG-Beschl. v. 10.9.1985 – 1 ABR 28/83 –, AP Nr. 3 zu § 117 BetrVG 1972 widerspricht dem vorgenannten Urteil nicht, da es das stets unabhängig vom Arbeitsvertragsstatut anwendbare Betriebsverfassungsstatut betraf, s. u. in Teil 1 § 2 A. II. 2. b) bb) (5). 647 s. o. unter Teil 1 § 1 B. I. 2. a) cc) (2).
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gleich gestörter Vertragsparität. Darüber hinaus würde ein entsprechender, auch das ausländische Arbeitsverhältnis erfassender tariflicher Geltungsanspruch ein aufgrund objektiver Anknüpfung oder Rechtswahl bestehendes deutsches Arbeitsvertragsstatut voraussetzen648, hier wird das Arbeitsverhältnis aber von einem ausländischen Arbeitsvertragsstatut beherrscht. Schließlich beurteilen sich die Voraussetzungen tariflicher Bindungswirkung nach dem für den Tarifvertrag maßgeblichen Tarifstatut. Das Tarifstatut hängt seinerseits aufgrund der Arbeitsmarktzuordnung vom objektiven Arbeitsvertragsstatut ab649, letzteres unterliegt hier jedoch nicht deutschem, sondern ausländischem Recht. Die auf der Grundlage des § 5 TVG gegebene Möglichkeit der Allgemeinverbindlicherklärung eines Tarifvertrages ist mithin territorial auf das Gebiet der BRD begrenzt und kann daher die Tarifbindung ausländischer Arbeitsvertragsparteien nicht entbehrlich machen.650 Ein Tarifvertrag erfasst ausländische Arbeitsverhältnisse mithin nur als relativ zwingende Bestimmung iSd. Art. 30 EGBGB, vorausgesetzt, es besteht eine entsprechende Tarifbindung beider Arbeitsvertragsparteien (ggf. aufgrund Allgemeinverbindlicherklärung)651 und ein gewähltes oder objektiv angeknüpftes deutsches Arbeitsvertragsstatut. (5) Auswirkungen des Betriebsverfassungsstatuts Das Betriebsverfassungsstatut stellt eine Wirkungsgrenze der direkten und indirekten Rechtswahlfreiheit dar, wenn die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates aus § 99 BetrVG auch einen international örtlich flexiblen Arbeitnehmereinsatz beschränken.652 Für das Betriebsverfassungsstatut gilt der Territorialitätsgrundsatz, demzufolge das deutsche BetrVG ausschließlich Betriebe erfasst, die in Deutschland belegen sind.653 Mitbestimmungsrechte eines deutschen Be648
s. o. unter Teil 1 § 2 A. II. 2. b) aa) (3). s. o. unter Teil 1 § 2 A. II. 2. b) aa) (3); die Bindung des Tarifstatuts an das objektive Arbeitsvertragsstatut ergibt sich auch aus den Materialien zum EVÜ: So setzen Giuliano/Lagarde für die Eigenschaft einer Tarifbestimmung als „zwingend“ iSd. Art. 30 Abs. 1 EGBGB deren Verbindlichkeit für das Arbeitsverhältnis nach den Regeln des objektiven Arbeitsvertragsstatuts voraus, vgl. Bericht Giuliano/Lagarde, BTDr. 10/503, 57. 650 Wiedemann in: Wiedemann, TVG, § 1 Rn. 73; im Ergebnis auch Martiny in: Reithmann/Martiny, Internationales Vertragsrecht, Rn. 1395; Magnus in: Staudinger, BGB, Art. 30 Rn. 256; Birk, MünchArbR, § 20 Rn. 79, § 21 Rn. 42. 651 A. A. Hohloch (in: Erman, BGB, Art. 30 Rn. 10), der für eine zwingende Wirkung iSd. Art. 30 Abs. 1 EGBGB auch die einseitige Tarifbindung nur einer Arbeitsvertragspartei genügen lässt; ebenso Martiny in: Reithmann/Martiny, Internationales Vertragsrecht, Rn. 1343 (einseitige Tarifbindung auch aufgrund von Allgemeinverbindlicherklärung ausreichend); ders. in: MüKo, BGB, Art. 30 Rn. 21. 652 Zu den Beschränkungen auf nationaler Ebene s. o. Teil 1 § 1 A. II. 1. c) bb), 2. c) bb), 3. c) bb), B. II. 2. a). 649
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triebsrates betreffen dementsprechend nur solche Arbeitnehmer, die einem deutschen Betrieb als Anknüpfungspunkt zuzuordnen sind.654 Das Arbeitsvertragsstatut des einzelnen Arbeitnehmers ist hierfür unerheblich, ebenso Staatsangehörigkeit und (Wohn-)Sitz der Arbeitsvertragsparteien.655 Gegen eine Bindung an das Arbeitsvertragsstatut spricht insbesondere die notwendige Einheitlichkeit der Betriebsverfassung, die durch eine individualistische Anknüpfung konterkariert würde. Das verfassende Element des Betriebsverfassungsrechts kann nicht vom Parteiwillen abhängen, auch ist es nicht, wie das Tarifstatut, einem bestimmten Arbeitsmarkt zuzuordnen. Die dem Betriebsverfassungsrecht zugrundeliegende Idee einer Vertretung der Arbeitnehmer auf Betriebsebene verlangt eine betriebseinheitliche Lösung. Dem BetrVG liegt ein bipolares Modell zugrunde, in dem sich der Arbeitgeber und die Belegschaft als Gesamtheit, vertreten durch Betriebsräte, als Gegenspieler gegenüberstehen. Ein individualistischer Ansatz verbietet sich auch insofern, als die Gestaltungsmacht der Betriebsparteien eine staatlich delegierte, zwangskorporatistische Ordnung darstellt. Die Betriebsverfassung ist auf diese Weise Teil der territorialen Sozialordnung der BRD, die auch mittels der Mitbestimmungsrechte der Belegschaft die Entscheidungsautonomie des Arbeitgebers begrenzt. Dem steht die Qualifikation des BetrVG als Privatrecht656 ebenso wenig entgegen wie eine objektive Anknüpfung des Betriebsverfassungsrechts an den Betriebssitz. Das BetrVG setzt sich daher als zwingendes Recht iSd. Art. 34 EGBGB gegenüber einem ausländischen Arbeitsvertragsstatut durch.657 Die Tätigkeit des grenzüberschreitend eingesetzten Arbeitnehmers muss sich also einem in Deutschland gelegenen Betrieb als organisatorischer Einheit von Arbeitsmitteln zur fortgesetzten Verfolgung bestimmter arbeitstechnischer Zwecke zuordnen lassen. Eine solche Betriebszugehörigkeit erfordert grundsätzlich das Bestehen eines Beschäftigungsverhältnisses gerade zum Betriebsinhaber 653 BAG, Urt. v. 9.11.1977 – 5 AZR 132/76 –, AP Nr. 13 zu Internat. Privatrecht; BAG; Urt. v. 7.12.1989 – 2 AZR 228/89 –, DB 1990, 992; BAG, Beschl. v. 30.1. 1990 – 1 ABR 2/89 –, DB 1990, 1090. 654 BAG; Urt. v. 7.12.1989 – 2 AZR 228/89 –, DB 1990, 992. 655 BAG, Beschl. v. 25.4.1978 – 6 ABR 2/77 –, AP Nr. 16 zu Internat. Privatrecht; BAG; Beschl. v. 22.3.2000 – 7 ABR 34/98 –, NZA 2000, 1119; BAG, Urt. v. 9.11.1977 – 5 AZR 132/76 –, AP Nr. 13 zu Internat. Privatrecht (bzgl. Staatsangehörigkeit); h. M., Birk in: MünchArbR, § 22 Rn. 7, 21; Junker, IPR, Rn. 386; ders., Internationales Arbeitsrecht im Konzern, 362 ff.; Fitting, BetrVG, § 1 Rn. 15 f.; Richardi in: Richardi, BetrVG, Einl. Rn. 65; a. A. Gamillscheg, Internationales Arbeitsrecht, 370 ff. (Bindung an das Arbeitsvertragsstatut). 656 BAG, Beschl. v. 25.4.1978 – 6 ABR 2/77 –, AP Nr. 16 zu Internat. Privatrecht; anders noch RAG, Urt. v. 4.11.1933 – 182/33 –, RAGE 13, 129 (133) (öffentliches Recht). 657 Martiny in: Reithmann/Martiny, Internationales Vertragsrecht, Rn. 1389; ders. in: MüKo, BGB, Art. 30 Rn. 80; Gamillscheg, ZfA 14 (1983), 307 (344); Hönsch, NZA 1988, 113 (118); Däubler, BetrVG, § 1 Rn. 24; v. Hoffmann in: Soergel, BGB, Art. 30 Rn. 23.
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und eine tatsächliche Eingliederung in die Betriebsorganisation.658 Eingegliedert in diesem Sinne sind diejenigen Beschäftigten, mit deren Hilfe der Arbeitgeber den arbeitstechnischen Zweck seines Betriebes verfolgt. Im Falle der Arbeitnehmerüberlassung verzichtet das AÜG ausnahmsweise hinsichtlich der Wahlberechtigung und der Beteiligungsrechte des § 99 BetrVG auf das Erfordernis der arbeitsvertraglichen Bindung zum Betriebsinhaber und lässt die tatsächliche Eingliederung in den Entleihbetrieb genügen.659 Erfolgt der mobile Arbeitnehmereinsatz vom Ausland aus, kommt eine Zuordnung des betroffenen Arbeitnehmers zu einem in Deutschland gelegenen Betrieb, mithin eine iSd. § 99 BetrVG für den ausländischen Arbeitgeber mitbestimmungspflichtige Einstellung, nur dann in Betracht, wenn in der Fallgruppe der Arbeitnehmermobilität innerhalb eines Unternehmens eine Versetzung in einen in der BRD befindlichen Betrieb des ausländischen Arbeitgebers vorliegt, stets aber in der Fallgruppe des Arbeitnehmerverleihs zwischen voneinander unabhängigen Unternehmen aufgrund der zwangsläufigen Spezialzuordnung zum Entleihbetrieb iSd. §§ 7 Satz 2 BetrVG, 14 Abs. 3 AÜG und schließlich in der Fallgruppe der konzerninternen Mobilität darüber hinaus auch bei doppelter Betriebszugehörigkeit. Demgegenüber entfällt eine Zuordnung im obigen Sinne und damit die Anwendbarkeit des BetrVG sowohl bei der unternehmensinternen als auch bei der konzernweiten Mobilität dann, wenn der Arbeitnehmer lediglich als Erfüllungsgehilfe bei fortbestehender, ausschließlicher Zugehörigkeit zum Heimatbetrieb an andere Einsatzorte entsandt wird.660 Bei einem durch einen Arbeitgeber mit Sitz in Deutschland von dort ausgehenden grenzüberschreitenden Arbeitnehmereinsatz hat sowohl der Fall der doppelten Betriebszugehörigkeit bei konzernweiter Mobilität als auch der Arbeitnehmerverleih gem. § 14 Abs. 1 AÜG eine fortbestehende Zugehörigkeit zum Heimatbetrieb in Deutschland zur Folge. Demgegenüber kann die Zuordnung des betroffenen Arbeitnehmers in sämtlichen Mobilitätsformen bei seiner Versetzung als dem Wechsel in einen anderen, im Ausland befindlichen Betrieb desselben Unternehmens verloren gehen, auch kann bei der Entsendung eines Arbeitnehmers als Erfüllungsgehilfe die Zuordnung zum Heimatbetrieb entfallen. Eine solche Loslösung des Arbeitsverhältnisses tritt ein, wenn sich die Auslandstätigkeit nicht mehr als „Ausstrahlung“ des Inlandsbetriebs darstellt. Auf der Grundlage der geltenden Eingliederungsdefinition ist dabei zu fragen, ob 658
BAG, Beschl. v. 22.3.2000 – 7 ABR 34/98 –, NZA 2000, 1119. Zu den Einzelheiten s. o. unter Teil 1 § 1 A. II. 1. c) bb), 2. c) bb); eine vollständige Betriebszugehörigkeit des Leiharbeitnehmers zum Entleihbetrieb wird dadurch aber nicht begründet, BAG, Beschl. v. 22.3.2000 – 7 ABR 34/98 –, NZA 2000, 1119. 660 Zu den Mobilitätsformen und Begrifflichkeiten s. o. unter Teil 1 § 1 A. I. und II. 1.; die Fallgruppe der betriebsinternen Umsetzung weist keinen Auslandsbezug auf und ist daher auszuklammern. 659
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der im Ausland eingesetzte Arbeitnehmer noch den arbeitstechnischen Zweck des im Inland gelegenen Betriebs seines Arbeitgebers erfüllt. Ob die Auslandstätigkeit als Ausstrahlung der im Inland entfalteten betrieblichen Aktivitäten zu behandeln ist, ergibt sich aus einer Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalls, die eine persönliche, tätigkeitsbezogene und rechtliche Bindung an den Inlandsbetrieb belegen müssen.661 Dementsprechend sind grundsätzlich die nur vorübergehend ins Ausland entsandten, anders als die dauernd im Ausland tätigen Arbeitnehmer dem deutschen Betrieb zuzurechnen.662 Eine genaue zeitliche Grenze lässt sich hier jedoch nicht angeben, für die Frage, ob dem Arbeitnehmer der betriebsverfassungsrechtliche Schutz zukommen soll, ist nicht allein die Dauer des Auslandsaufenthaltes maßgeblich. Neben der Dauerhaftigkeit der Auslandstätigkeit sind vielmehr weitere Indizien für eine Bindung an den Inlandsbetrieb heranzuziehen, so u. a. den Ort der Ausübung des Direktionsrechts und eine vertragliche Rückrufmöglichkeit.663 Wird ein Arbeitnehmer aber von vornherein ausschließlich für die Auslandstätigkeit eingestellt, besteht zu keinem Zeitpunkt eine Verbindung zum Inlandsbetrieb, und zwar weder in der Vergangenheit noch in der Zukunft, so dass er von dessen Betriebsrat auch nicht vertreten werden kann.664 Unerheblich ist dabei, ob die Auslandseinstellung befristet oder unbefristet erfolgte wie auch eine u. U. fehlende Eingliederung in eine betriebliche Organisation im Ausland.665 In nahezu sämtlichen dieser Fallgestaltungen eines von Deutschland aus erfolgenden Auslandseinsatzes besteht jedoch – mit Ausnahme der ausschließlichen Auslandseinstellung im obigen Sinne – im Moment der Anweisung eines Auslandseinsatzes die für die Auslösung eines Mitbestimmungsrechtes nach § 99 BetrVG erforderliche Zugehörigkeit zu einem Inlandsbetrieb, so dass sich eine tatsächliche Mitbestimmungspflicht als Mobilitätsschranke dann ergibt, wenn die Voraussetzungen des sachrechtlichen Versetzungsbegriffs des § 95 Abs. 3 Satz 1 BetrVG im Einzelfall erfüllt sind.666
661
BAG, Urt. v. 7.12.1989 – 2 AZR 228/89 –, DB 1990, 992. BAG, Beschl. v. 25.4.1978 – 6 ABR 2/77 –, AP Nr. 16 zu Internat. Privatrecht; BAG, Urt. v. 30.4.1987 – 2 AZR 192/86 –, BAGE 55, 236. 663 BAG, Urt. v. 7.12.1989 – 2 AZR 228/89 –, DB 1990, 992. 664 BAG, Urt. v. 21.10.1980 – 6 AZR 640/79 –, AP Nr. 17 zu Internat. Privatrecht; BAG, Urt. v. 30.4.1987 – 2 AZR 192/86 –, BAGE 55, 236. 665 Birk, RdA 1984, 129. 666 LAG Köln, Beschl. v. 24.2.1984 – 9 Ta BV 45/83 –, DB 1985, 392 (vorübergehende Versetzung nach Japan). 662
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c) Sozialversicherungspflicht nach Internationalem Sozialversicherungsrecht Sozialrecht ist in seinem Kernbereich öffentliches Recht und als solches vom Territorialitätsprinzip geprägt.667 Bereits die Frage, ob es überhaupt ein internationales öffentliches Recht gibt, ist umstritten.668 Nichtsdestotrotz existieren Sachverhalte mit Auslandsberührung669, die das Sozialrecht bewältigt, und zwar sowohl mittels hierfür inhaltlich besonders ausgestalteter Sachnormen als auch durch ausdrückliche Kollisionsnormen. Im Gegensatz zum Zivilrecht, dessen Rechtsanwendungsnormen idR. allseitig sind, da sie auf die jeweils anwendbare Rechtsordnung verweisen, gibt es im internationalen öffentlichen Recht grundsätzlich nur einseitige Kollisionsnormen, die lediglich eine Aussage über die Anwendung der Sachnormen des normsetzenden Staates selbst treffen. Privatrechtliche Sachverhalte bestehen unabhängig vom Staat, so dass Internationales Privatrecht die Frage stellen kann, welches Recht gilt. Demgegenüber ist an einem sozialrechtlichen Sachverhalt notwendig ein staatlicher Sozialleistungsträger beteiligt. Ein solcher Träger nationaler Hoheitsgewalt bedarf für die Rechtmäßigkeit seines Handelns einer öffentlich-rechtlichen Legitimationsgrundlage. Folglich kann Internationales Sozialrecht lediglich die Frage nach der Kompetenz des nationalen Sozialleistungsträgers und damit nach der Geltung des eigenen Rechts stellen, für eine Suche nach der sachnächsten Lösung, deren Sachbezug eine parteiautonome Steuerung zuließe, ist kein Raum. Trotz dieser grundsätzlichen territorialen Begrenzung staatlichen Handelns und Starrheit seines sozialgesetzlichen Geltungsanspruchs wird das Territorialitätsprinzip im Sozialrecht dadurch aufgelockert, dass nationales Recht seine eigenen Sachnormen mittels Äquivalenzregeln auf Auslandssachverhalte erstrecken und dadurch seine internationale Wirkung sichern kann. Die Grundsätze der Ein- und Ausstrahlung im Falle mobiler Arbeitnehmereinsätze stellen ein zusätzliches Korrektiv des Territorialitätsprinzips dar und eröffnen den Arbeitsvertragsparteien durch die Bereitstellung einer Anwendungsalternative einen gewissen Spielraum bei der Lokalisierung des Schwerpunktes ihres Arbeitsverhältnisses. aa) Autonomes Kollisionsrecht (1) Lex loci laboris als Anknüpfungspunkt Nach § 4 Abs. 1 SGB I hat jeder „im Rahmen dieses Gesetzbuchs“ ein Recht auf Zugang zur Sozialversicherung. § 30 SGB I bestimmt als Grundregel, dass deutsche Sozialgesetze auf sämtliche Personen anwendbar sind, die ihren 667 668 669
Vgl. BSG, Urt. v. 4.7.1962 – 3 RK 53/58 –, BSGE 17, 173. Eichenhofer, Internationales Sozialrecht Rn. 4 m. w. N. Internationale Dimension des Sozialrechts, vgl. v. Maydell, ZIAS 1987, 6.
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Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland haben. Sozialrechtsstatut ist danach die lex domicilii (Wohnsitzprinzip). Dieses Grundprinzip wird in den einzelnen Teilbereichen des Sozialrechts bestätigt, teilweise aber auch abgeändert: So knüpfen das Recht der sozialen Hilfe in §§ 6 SGB VIII, 119 f. BSHG und die Vorschriften über die soziale Förderung in §§ 1 BKGG, 1 WoGG neben dem gewöhnlichen Aufenthalt teils auch an die Staatsangehörigkeit an; die Anwendbarkeit des Rechts der sozialen Entschädigung hängt gem. §§ 7 BVG, 1 OEG von der Staatsangehörigkeit, dem Ort des gewöhnlichen Aufenthaltes oder dem Vornahmeort der zum Unfall führenden Handlung ab. Während in diesen drei rein leistungsorientierten Teilbereichen also die lex domicilii und die lex patriae das Sozialrechtsstatut bestimmen, gilt dies allerdings nicht für den beitragsorientierten Bereich der bedürftigkeitsunabhängigen sozialen Vorsorge mittels Sozialversicherung und Arbeitsförderung: Anknüpfungspunkt für die Vorschriften über die gesetzliche Kranken-, Renten-, Unfall-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung ist gem. § 3 Nr. 1 SGB IV der Beschäftigungsort. Die Institute der Sozial- und Arbeitslosenversicherung sind eng mit der Beschäftigung verknüpft, da sie den Zweck haben, erforderlichenfalls Ersatzleistungen für den Ausfall von Einkommen aus abhängiger Beschäftigung zu gewähren. Zudem werden sie durch aus der Arbeitsleistung als solcher resultierende Beiträge finanziert, die der Arbeitgeber direkt durch Abzug vom Arbeitsentgelt einbehält und gemeinsam mit seinem Arbeitgeberanteil an die Versicherungsträger abführt. Da diese Beiträge die Höhe der Lohnkosten und damit als Kalkulationsgröße das Angebot grenzüberschreitender Dienstleistungen nicht unerheblich beeinflussen, stellt sich vor allem dieser letzte Bereich des Sozialrechts als Wettbewerbsfaktor der Arbeitnehmermobilität dar. Zudem kann die Anknüpfung an den Beschäftigungsort einen mobilitätsbedingten Statutenwechsel verursachen, während sich Anknüpfungspunkte wie Staatsangehörigkeit und gewöhnlicher Aufenthalt bei lediglich vorübergehender Arbeitnehmermobilität nicht auswirken können. Im Folgenden wird daher die Untersuchung auf die zuletzt genannte Gruppe sozialrechtlicher Kollisionsnormen beschränkt, die an die lex loci laboris anknüpfen. Gem. § 3 Nr. 1 SGB IV unterliegen alle im Inland beschäftigten Arbeitnehmer deutschem Sozialversicherungsrecht. Dabei ist gleichgültig, ob dies Inländer, Ausländer oder Staatenlose sind und wo der Arbeitgeber seinen Sitz hat, solange überhaupt eine Beschäftigung iSd. § 7 SGB IV670 im Inland gegeben ist. Als Beschäftigungsort definiert § 9 Abs. 1 SGB IV den Ort, an dem die Beschäftigung tatsächlich ausgeübt wird. Um aber auch bei nationaler Arbeitnehmermobilität einen ständigen Wechsel des zuständigen Versicherungsträgers zu vermeiden, wird gem. § 9 Abs. 2 SGB IV eine existente feste Arbeits670 Zum sozialversicherungsrechtlichen Beschäftigungsbegriff s. o. unter Teil 1 § 2 A. II. 2. a).
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stätte671 als Beschäftigungsort für diejenigen Arbeitnehmer fingiert, die ausnahmsweise mit einzelnen Arbeiten auswärts beschäftigt werden, wie auch für den Fall, dass aufgrund dauerhaft mobilem Einsatz ein gewöhnlicher Arbeitsort nicht zu ermitteln ist, die Einsätze aber sämtlich im Bezirk desselben Versicherungsamtes liegen. Beim Einsatz an mehreren Arbeitsstätten ist gem. § 9 Abs. 3 SGB IV auf den Ort der überwiegenden Beschäftigung abzustellen. In Ermangelung einer festen Arbeitsstätte gilt gem. § 9 Abs. 5 Satz 1 SGB IV der Ort des Betriebssitzes als Beschäftigungsort. Diese Anknüpfungsgrundsätze sind auf den grenzüberschreitenden Arbeitnehmereinsatz zu übertragen. Der Beschäftigungsort ist auch hier also nicht unbedingt deckungsgleich mit dem Tätigkeitsort, sondern vielmehr der Ort, dem die abhängige Beschäftigung sozial und wirtschaftlich zuzurechnen ist.672 (2) Einstrahlung bei Entsendung gem. § 5 Abs. 1 SGB IV Der Anwendungsbereich deutschen Sozialversicherungsrechts erfährt durch § 4 Abs. 1 SGB IV eine Erweiterung, wenn Arbeitnehmer im Rahmen eines unter § 3 Nr. 1 SGB IV fallenden Beschäftigungsverhältnisses ins Ausland entsandt werden, und durch § 5 Abs. 1 SGB IV eine Einschränkung im Falle einer entsprechenden Entsendung ausländischer Arbeitnehmer nach Deutschland. Sowohl die Ausstrahlung des deutschen Sozialversicherungsrechts über das Territorium der BRD hinaus als auch die Einstrahlung ausländischen Sozialversicherungsrechts in den Geltungsbereich des § 3 Nr. 1 SGB IV setzen voraus, dass weiterhin ein Beschäftigungsverhältnis im Entsendestaat besteht und dass die Entsendung jeweils im voraus zeitlich begrenzt ist, was entweder aus der Eigenart der Beschäftigung oder aus einer entsprechenden vertraglichen Vereinbarung folgen muss. §§ 4 Abs. 1, 5 Abs. 1 SGB IV verlangen mithin, dass der Schwerpunkt der rechtlichen und tatsächlichen Merkmale des Beschäftigungsverhältnisses trotz des Auslandseinsatzes im Entsendestaat verbleibt.673 So wie § 9 Abs. 5 SGB IV auf den Ort des wirtschaftlichen Schwerpunktes und des Betriebssitzes abstellt, ist nach der Rechtsprechung des BSG für die Ermittlung des Schwerpunktes iSd. §§ 4, 5 SGB IV die Eingliederung in einen Betrieb insofern maßgeblich, als die Arbeit dann für diesen Betrieb erbracht und die Arbeitsleistung ihm wirtschaftlich zuzurechnen ist.674 Besteht daher im Ausland eine wirtschaftliche Einheit mit eigener Gewinn- und Verlustrechnung, so wird diesem Betrieb das wirtschaftliche Ergebnis der Arbeit des mobilen Arbeitnehmers zu671 Eine solche feste Arbeitsstätte ist ein fester Standort, idR. mit Gebäude und Betriebseinrichtung, vgl. Seewald in: Kasseler Kommentar, SGB IV, § 9 Rn. 6. 672 Eichenhofer, Internationales Sozialrecht, Rn. 163. 673 Regierungsentwurf eines Sozialgesetzbuchs (SGB) v. 8.10.1975, BT-Dr. 7/4122, 30; Udsching in: Hauck/Haines, SGB IV, § 4 Rn. 4a. 674 BSG, Urt. v. 7.11.1996 – 12 RK 79/94 –, BSGE 79, 214 (218).
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gerechnet, wenn dessen Tätigkeit auch tatsächlich den Betriebszweck fördert. Maßgeblich ist insofern auch, an welchem Ort das Arbeitsentgelt bei der Gewinnermittlung als Betriebsausgabe steuerlich geltend gemacht wird.675 Ein weiteres Indiz ist, von wo aus die Gehaltsabrechnung und -auszahlung erfolgt676, der Sitz des Arbeitgebers ist insofern irrelevant. Für den Schwerpunkt eines Beschäftigungsverhältnisses sind folglich wesentliche Merkmale der Erfolg der Arbeit, die Eingliederung in einen Betrieb und die Entlohnung durch diesen Betrieb.677 Die Erweiterung des Territorialitätsgrundsatzes im Wege der Ausstrahlung dient der Aufrechterhaltung des Versicherungsschutzes in Fällen, in denen ein Schutzverlust aufgrund der fortbestehenden Inlandsintegration nicht zu rechtfertigen wäre. Dies setzt jedoch voraus, dass der inländische Betrieb Arbeitgeber der Beschäftigten ist, deren Versicherungspflicht in Frage steht.678 Die Orientierung des BSG bei der Schwerpunktermittlung am Betrieb ist insofern zutreffend, als jede Arbeitsleistung tatsächlich und wirtschaftlich einer organisatorischen Einheit zufließt, der Effekt einer Beschäftigung sich in diesem Sinne lokalisieren lässt und sich das Gehalt als unternehmerische „Kehrseite“ einschließlich der daran anknüpfenden Sozialversicherungsbeiträge letztlich an diesem Effekt bemisst.679 Lässt sich dieser Wert der Arbeitsleistung aber gar nicht im Inland festmachen, so ist die Einstrahlung eines ausländischen Sozialversicherungssystems und damit eine Verdrängung des Territorialitätsprinzips gerechtfertigt. Der erforderliche Schwerpunkt einer Beschäftigung ergibt sich also aus der Intensität der Beziehung zum inländischen Wirtschaftsleben.680 Infolge dieser Anbindung an einen inländischen Schwerpunkt beinhaltet der Entsendungsbegriff der §§ 4, 5 SGB IV die Beschäftigung eines Arbeitnehmers in einem fremden Staatsgebiet im Auftrag und im Interesse seines im Entsendestaat gelegenen Betriebs.681 Das Arbeitsergebnis kommt so dem Heimatbetrieb
675 BSG, Urt. v. 7.11.1996 – 12 RK 79/94 –, BSGE 79, 214 (218); BSG, Urt. v. 1.7.1999 – B 12 KR 2/99 R –, SozR 3-2400 § 28h SGB IV. 676 BSG, Urt. v. 7.11.1996 – 12 RK 79/94 –, BSGE 79, 214 (218 f.); BSG, Urt. v. 1.7.1999 – B 12 KR 2/99 R –, SozR 3-2400 § 28h SGB IV. 677 BSG, Urt. v. 7.11.1996 – 12 RK 79/94 –, BSGE 79, 214 (222). 678 BSG, Urt. v. 4.7.1962 – 3 RK 53/58 –, BSGE 17, 173 (178). 679 So begründet das BSG im Urt. v. 11.6.1975 – 2 RU 4/73 –, BSGE 40, 57 (58 f.) die Ausstrahlung explizit mit dem Fehlen einer „selbständigen wirtschaftlichen Bedeutung“ der Auslandstätigkeit. 680 „Ist diese Einbindung hinreichend eng – charakterisiert durch die Zurechnung der Arbeitsleistung zu einem inländischen Wirtschaftsunternehmen und die Tragung der Arbeitskosten durch ein inländisches Wirtschaftsunternehmen – so rechtfertigt dies auch die Annahme eines Beschäftigungsverhältnisses im Inland“ und damit die Begründung von Versicherungs- und Beitragspflichten nach dem SGB, so BSG, Urt. v. 7.11.1996 – 12 RK 79/94 –, BSGE 79, 214 (223). 681 Udsching in: Hauck/Haines, SGB IV, § 4 Rn. 5.
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zugute.682 Eindeutig ist dies in den Fällen unternehmensinterner Arbeitnehmermobilität, wenn ein Arbeitnehmer lediglich als Erfüllungsgehilfe grenzüberschreitend i. e. S. entsandt683 wird, weniger eindeutig jedoch bereits bei Versetzungen in einen ausländischen Betrieb desselben Unternehmens. Kommt zu dieser neuen betrieblichen Eingliederung gar noch – wie bei der Arbeitnehmerüberlassung – die Übertragung des Weisungsrechts auf einen anderen Rechtsträger hinzu, ist eine Schwerpunktverlagerung ins Ausland denkbar.684 Aber auch hier wird als wesentliches Indiz angesehen, gegen wen sich der arbeitsrechtliche Entgeltanspruch richtet. So bedarf es keiner weiteren Ermittlungen bezüglich der Eingliederung und des Weisungsrechts, wenn der inländische Arbeitgeber das Arbeitsentgelt des im Ausland Beschäftigten – weiterhin – in der Lohnbuchhaltung wie für seine Beschäftigten im Inland ausweist.685 Bei einem Betrieb, der kein Arbeitsentgelt zahlt, kann also kein Beschäftigungsverhältnis iSd. §§ 4, 5 SGB IV liegen.686 Auf diese Weise ist mangels Schwerpunktverlagerung eine Entsendung iSd. §§ 4, 5 SGB IV auch bei grenzüberschreitender Arbeitnehmerüberlassung möglich.687 Das inländische Arbeitsverhältnis muss also auch während des Auslandseinsatzes erhalten bleiben und dabei nach wie vor den maßgeblichen Bezugspunkt bilden. Dies ist insbesondere bei Konzernsachverhalten688 dann nicht mehr gegeben, wenn zur inländischen Obergesellschaft nur ein bloßes Rumpfarbeitsverhältnis verbleibt.689 Auch fehlt es an der fortbestehenden Inlandsintegration als Schwerpunkt im Falle der Existenz mehrerer miteinander verknüpfter Arbeitsverhältnisse des Arbeitnehmers zu mehreren Konzerngesellschaften mit Sitz in jeweils anderen Staaten. Demgegenüber ist 682
Schroeter in: SGB-GK, § 5 SGB IV 4). Zu den einzelnen Formen von Arbeitnehmermobilität mitsamt Definitionen s. o. unter Teil 1 § 1 A. I. und § 2 A. I. 684 Ausdrücklich offen gelassen von BSG, Urt. v. 7.11.1996 – 12 RK 79/94 –, BSGE 79, 214 (220). 685 So ausdrücklich die von den Spitzenverbänden der Sozialversicherungsträger herausgegebenen „Richtlinien zur versicherungsrechtlichen Beurteilung von Arbeitnehmern bei Ausstrahlung (§ 4 SGB IV) und Einstrahlung (§ 5 SGB IV)“ vom 20.11.1997 unter 3.3.1. 686 BSG, Urt. v. 7.11.1996 – 12 RK 79/94 –, BSGE 79, 214 (219). 687 Dem steht auch nicht das BSG-Urt. v. 25.10.1988 – 12 RK 21/87 –, BSGE 64, 145 entgegen. Hier war im Fall eines grenzüberschreitenden Arbeitnehmerverleihs grundsätzlich eine Einstrahlungssituation iSd. § 5 SGB IV gegeben, jedoch scheiterte die Ausnahme von der Geltung deutschen Rechts an der fehlenden Überlassungserlaubnis des ausländischen Verleihers, die aufgrund von § 1 AÜG erforderlich gewesen wäre; das gem. § 10 AÜG fingierte Beschäftigungsverhältnis zwischen Entleiher und Leiharbeitnehmer unterlag sodann deutschem Recht (vgl. auch § 28e Abs. 2 Satz 4 SGB IV); die Vorschriften des AÜG können daher als Eingriffsnormen iSd. Art. 34 EGBGB auch die sozialrechtliche Einstrahlung durchbrechen. 688 Zu den denkbaren Strukturen von Konzernarbeitsverhältnissen s. o. unter Teil 1 § 1 A. II. 3. a). 689 So die Konstellationen in BSG, Urt. v. 7.11.1996 – 12 RK 79/94 –, BSGE 79, 214 und in BSG, Urt. v. 1.7.1999 – B 12 KR 2/99 R –, SozR 3-2400 § 28h SGB IV. 683
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eine Schwerpunktbildung nach den o. g. Indizien denkbar bei einem einheitlichen Arbeitsverhältnis des Arbeitnehmers mit mehreren gesamtschuldnerisch verbundenen internationalen Konzernunternehmen. Da es mithin auf die wirtschaftliche Zurechenbarkeit der Arbeitsleistung ankommt, steht einem inländischen Schwerpunkt nicht entgegen, wenn der Arbeitnehmer eigens für eine Beschäftigung im Ausland eingestellt worden ist.690 Jedoch ist dem Begriff „Entsendung“ iSd. § 4 SGB IV eine von der BRD ausgehende Bewegung immanent, die eine bereits zuvor existente und während des Auslandseinsatzes aufrecht zu haltende Beziehung des Arbeitnehmers zur deutschen Sozialversicherung verlangt, entweder aufgrund einer dort vorangegangenen Beschäftigung oder zumindest aufgrund eines vormaligen dortigen Wohnsitzes oder gewöhnlichen Aufenthaltes.691 Eine trotz des vorübergehenden Auslandseinsatzes fortbestehende Inlandsintegration setzt zudem nach der Rechtsprechung des BSG in diesen Fällen eines bislang allein durch die Entsendung vollzogenen Beschäftigungsverhältnisses voraus, dass nach Beendigung des Auslandseinsatzes eine Weiterbeschäftigung im Inland beim entsendenden Arbeitgeber gewährleistet ist.692 Hiervon wird man jedoch – mangels eines ausdrücklich entgegenstehenden Sachverhalts693 – ausgehen können, auch reicht der künftige Wohnsitz oder gewöhnliche Aufenthalt im Inland als ausreichender Bezug zur deutschen Sozialversicherung aus.694 Zur Vermeidung einer Schwerpunktverschiebung muss die Entsendung zudem im voraus zeitlich begrenzt sein. Zu unterscheiden ist hierfür der vorübergehende vom endgültigen Auslandseinsatz; das SGB IV legt dabei keine Maximaldauer für die Entsendung fest, so dass auch mehrjährige Beschäftigungen unter §§ 4, 5 SGB IV fallen.695 Bereits aufgrund der Eigenart der Beschäftigung vorübergehend sind z. B. projektgebundene Montage-, Instandhaltungs- oder Reparaturarbeiten, ansonsten 690 So auch die von den Spitzenverbänden der Sozialversicherungsträger herausgegebenen „Richtlinien zur versicherungsrechtlichen Beurteilung von Arbeitnehmern bei Ausstrahlung (§ 4 SGB IV) und Einstrahlung (§ 5 SGB IV)“ vom 20.11.1997 unter 3.1; ebenso der Regierungsentwurf eines Sozialgesetzbuchs (SGB) v. 8.10.1975, BTDr. 7/4122, 30. 691 BSG, Urt. v. 27.5.1986 – 2 RU 12/85 –, BSGE 60, 96 (98 f.); vgl. auch BSG, Urt. v. 14.1.1987 – 10 RKg 20/85 –, BSGE 61, 123 (125). 692 BSG, Urt. v. 10.8.1999 – B 2 U 30/98 R –, SozR 3-2400 § 4 SGB IV; BSG, Urt. v. 8.12.1994 – 2 RU 37/93 –, BSGE 75, 232 (234 f.). 693 Ein solcher Sachverhalt, bei dem eine Rückkehr ins Inland nach der Auslandstätigkeit von vornherein ausgeschlossen war, lag zumindest dem BSG-Urt. v. 8.12.1994 – 2 RU 37/93 –, BSGE 75, 232 zugrunde. 694 Ausdrücklich offen gelassen von BSG, Urt. v. 8.12.1994 – 2 RU 37/93 –, BSGE 75, 232 (235). 695 Udsching in: Hauck/Haines, SGB IV, § 4 Rn. 6; vorübergehend ist eine Beschäftigung solange, „als es sich um Arbeiten handelt, deren zeitliches Ausmaß übersehbar, zumindest abschätzbar ist“, BSG, Urt. v. 4.7.1962 – 3 RK 53/58 –, BSGE 17, 173 (179); BSG, Urt. v. 11.6.1975 – 2 RU 4/73 –, BSGE 40, 57 (59, 62); Seewald in: Kasseler Kommentar Sozialversicherungsrecht (Stand 12/03), § 4 SGB IV Rn. 11.
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kommt es auf die Auslegung des Arbeitsvertrages an, aufgrund dessen die zeitliche Begrenzung der Entsendung bereits zu ihrem Beginn feststehen muss.696 Der Grundsatz der Sozialversicherungspflicht aller im Inland tätigen Arbeitnehmer wird nach alledem dann eingeschränkt, wenn der konkrete Tätigkeitsort nicht zugleich der Ort ist, an dem sich die Arbeitsleistung wirtschaftlich auswirkt. Indem die Sozialversicherungsbeiträge an das Arbeitsentgelt als Berechnungsgrundlage anknüpfen, wird die Beitragspflicht mit dem Arbeitsmarkt verbunden, dem der einzelne Arbeitnehmer trotz seines Auslandseinsatzes zugehörig ist.697 Auf diesem Markt besteht ein Schutzbedürfnis des Arbeitnehmers, dem das nationale Sozialversicherungsrecht Geltung verschaffen will. Dessen Marktbedingungen können nun als Kalkulationsgröße im Wege der Aus- oder Einstrahlung grenzüberschreitend in andere Rechtssysteme ex- bzw. importiert werden, wenn Tätigkeitsort und wirtschaftlicher Schwerpunkt des Beschäftigungsverhältnisses vorübergehend auseinanderfallen. Zu einem etwaigen Wettbewerbsvorteil kann dies allerdings nur dann führen, wenn der Einsatzstaat seinen territorialen Geltungsanspruch entsprechend zurücknimmt, da es anderenfalls zu Doppelversicherungen kommt. Dies ist jedoch nicht zwingend, die Rechtsfolgen der §§ 4, 5 SGB IV treten unabhängig davon ein, ob im jeweils anderen Staat eine Versicherungspflicht in der Sozialversicherung besteht. Aufgrund ihrer weitgehenden Öffnung für die Einstrahlung ausländischer Sozialversicherungssysteme konkurriert auf Güter- und Dienstleistungsmärkten in der BRD eine Vielzahl entsprechend kalkulierter Angebote, ohne dass ein dem Arbeitserlaubnisrecht entsprechendes Korrektiv eine Marktregulierung bewirken würde. bb) Sozialversicherungsabkommen iSd. § 6 SGB IV Die Kollisionsregeln des SGB IV gelten insbesondere innerhalb Europas nur gegenüber äußerst wenigen Staaten.698 Denn Unionsbürger werden zum Schutz ihrer Arbeitnehmerfreizügigkeit idR. bereits von der VO (EWG) Nr. 1408/71 erfasst.699 Zudem stellt § 6 SGB IV den allgemeinen Grundsatz klar, dass über696 Ob bei mehreren aufeinanderfolgenden Auslandseinsätzen jeder einzelne Einsatz noch eine befristete Entsendung darstellt, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. 697 Insofern lässt sich auch hier ein arbeitsmarktorientierter Ansatz vertreten. 698 Z. B. gegenüber Rumänien, vgl. die Bekanntmachung über das Außerkrafttreten des deutsch-rumänischen Sozialversicherungsabkommens am 1.1.1996 v. 13.2.1996, BGBl. 1996 II, 340. 699 Nichtsdestotrotz existieren mehrere bilaterale Abkommen zwischen EG-Staaten, die diese VO ergänzen, so das deutsch-finnische Abkommen über soziale Sicherheit vom 28.4.1997, BGBl. 1998 II, 307, das deutsch-niederländische Abkommen über Soziale Sicherheit zur Ergänzung gemeinschaftsrechtlicher Regelungen v. 18.4.2001, BGBl. 2002 II, 1763 und das deutsch-österreichische Abkommen über Soziale Sicher-
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und zwischenstaatliche Regelungen die nationalen Vorschriften der §§ 3 ff. SGB IV verdrängen. Mit der zunehmenden Ausdehnung der EG und der damit verbundenen Anwendung der VO (EWG) Nr. 1407/71 haben derartige mehrseitige Übereinkünfte zwar an Bedeutung verloren. Dennoch gelten innerhalb Europas derzeit Sozialversicherungsabkommen iSd. § 6 SGB IV u. a. zwischen der BRD und Bulgarien700, Kroatien701, Mazedonien702, Bosnien und Herzegowina703 und der Türkei704 als Nicht-EG-Mitgliedstaaten.705 Da für das Territorialitätsprinzip wie für die Ein- und Ausstrahlungsregeln der §§ 4, 5 SGB IV unbeachtlich ist, ob im Inland arbeitende Ausländer bereits in ein soziales System ihres Heimatlandes eingegliedert sind, dienen solche bilateralen und multilateralen Sozialversicherungsabkommen der Vermeidung gänzlich fehlender oder heit v. 4.10.1995, BGBl. 1998 II, 313. Diese Abkommen betreffen insbesondere auch Drittstaatsangehörige, die von einem EG-Staat in den anderen entsandt werden und selbst keine Arbeitnehmerfreizügigkeitsrechte genießen; die Dienstleistungsfreiheit der entsendenden Unternehmen verlangt insofern keine gesonderte Privilegierung, als es hier lediglich um die Koordinierung unterschiedlicher Sozialversicherungssysteme geht und nicht um die Vertragsfreiheit erst einschränkende Genehmigungspflichten (wie im Arbeitserlaubnisrecht, s. o. unter Teil 1 § 2 A. II. 1. b) cc). 700 Deutsch-bulgarisches Abkommen über Soziale Sicherheit v. 17.12.1997, BGBl. 1998 II, 2013. 701 Deutsch-kroatisches Abkommen über Soziale Sicherheit v. 24.11.1997, BGBl. 1998 II, 2034. 702 Hier ist vorerst das Abkommen zwischen der BRD und dem ehemaligen Jugoslawien über Soziale Sicherheit v. 12.10.1968, BGBl. 1969 II, 1438 idF. des Änderungsabkommens v. 30.9.1974, BGBl. 1975 II, 390 weiter anzuwenden, bis beide Seiten etwas Abweichendes vereinbaren, vgl. Bekanntmachung v. 26.1.1994, BGBl. 1994 II, 326. 703 Auch hier ist vorerst das Abkommen zwischen der BRD und dem ehemaligen Jugoslawien über Soziale Sicherheit v. 12.10.1968, BGBl. 1969 II, 1438 idF. des Änderungsabkommens v. 30.9.1974, BGBl. 1975 II, 390 weiter anzuwenden, bis beide Seiten etwas Abweichendes vereinbaren, vgl. Bekanntmachung v. 16.11.1992, BGBl. 1992 II, 1196. 704 Deutsch-türkisches Abkommen über Soziale Sicherheit v. 30.4.1964, BGBl. 1965 II, 1170 idF. des Änderungsabkommens v. 28.5.1969, BGBl. 1972 II, 2. 705 Auf die neuen EG-Mitgliedstaaten ist die VO (EWG) Nr. 1408/71 seit dem 1. Mai 2004 gem. Art. 2 der Beitrittsakte (Akte über die Bedingungen des Beitritts der neuen Mitgliedstaaten und die Anpassungen der die Europäische Union begründenden Verträge, ABl. EG 2003 L 236, 33) als geltender Rechtsakt grundsätzlich anwendbar. Infolge der vorläufigen Suspendierung der Arbeitnehmerfreizügigkeit nach dem „2+3+2-Modell“ aufgrund von Art. 24 der Beitrittsakte wird der Zugang der Arbeitnehmer aus den neuen Mitgliedstaaten zu den Arbeitsmärkten der bisherigen Mitgliedstaaten jedoch vorerst eingeschränkt. Dementsprechend erklärt der für die einzelnen Beitrittsstaaten jeweils geltende Anhang zu Art. 24 der Beitrittsakte ausdrücklich die Freizügigkeitsverordnung VO (EWG) Nr. 1612/68 für zunächst nicht anwendbar. Sollte dennoch ein Zugang im Einzelfall erfolgen, so richten sich die sozialversicherungsrechtlichen Folgen nach der VO (EWG) Nr. 1408/71; die zwischen der BRD und Tschechien, Polen, Ungarn und Slowenien bestehenden Sozialversicherungsabkommen werden erst dann gem. Art. 6 der o. g. VO verdrängt, so auch Wollenschläger/Pietsch, ZAR 2003, 259.
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überflüssiger doppelter Absicherungen der Beschäftigten. Auf der Leistungsseite bestimmen die Abkommen die Addition der in beiden Staaten zurückgelegten Versicherungszeiten für den Anspruchserwerb, die Gleichbehandlung der jeweiligen Staatsangehörigen und den uneingeschränkten Leistungsexport in den anderen Vertragsstaat. Hinsichtlich der Beitragspflichten bewirken sie eine Koordinierung und verhindern damit wettbewerbsbeschränkende Doppelbelastungen bei grenzüberschreitenden Personaleinsätzen. Auch in den Sozialversicherungsabkommen gilt das sog. Beschäftigungslandprinzip, demzufolge die Sozialversicherungspflicht grundsätzlich an den Ort der Beschäftigung geknüpft ist. Ausnahmsweise bleibt bei einer vorübergehenden Entsendung das Sozialversicherungsstatut des Entsendestaates erhalten, der Einsatzstaat nimmt sodann zur Vermeidung doppelter Beitragsbelastungen seinen territorialen Geltungsanspruch zurück.706 Die Bestimmung des Begriffs der Entsendung durch die Abkommen weisen grundsätzlich die gleichen Merkmale auf wie bei §§ 4, 5 SGB IV.707 Dementsprechend wird auch hier der Verbleib des wirtschaftlichen Schwerpunktes im Entsendestaat vorausgesetzt. Als sog. offene Abkommen gelten sie zudem meist unabhängig von der Staatsangehörigkeit des Arbeitnehmers. Auch bei der Entsendung Drittstaatsangehöriger erfolgt daher eine Befreiung von der Versicherungspflicht im Einsatzstaat, eine Mindestbindung des Arbeitnehmers an das Sozialversicherungssystem des Entsendestaates aufgrund seines dortigen Wohnsitzes oder gewöhnlichen Aufenthaltes vorausgesetzt. Im Unterschied zu den lediglich auf einen vorübergehenden Auslandseinsatz abstellenden und damit den Territorialitätsgrundsatz vergleichsweise stark aufweichenden §§ 4, 5 SGB IV enthalten die meisten Abkommen allerdings konkrete Entsendefristen als zeitliche Begrenzung der Freistellung von den Rechtsvorschriften den Beschäftigungsstaates auf idR. maximal 24 Monate.708 706 Vgl. als Beispiel Art. 6, 7 des deutsch-bulgarischen Abkommens v. 17.12.1997, BGBl.1998 II, 2013. 707 Vgl. die von den Spitzenverbänden der Sozialversicherungsträger herausgegebenen „Richtlinien zur versicherungsrechtlichen Beurteilung von Arbeitnehmern bei Ausstrahlung (§ 4 SGB IV) und Einstrahlung (§ 5 SGB IV)“ vom 20.11.1997 unter 2.2. 708 So beschränken die mit Bulgarien und Kroatien geschlossenen Abkommen jeweils in Art. 7 die Entsendung auf 24 Monate (deutsch-bulgarisches Abkommen über Soziale Sicherheit v. 17.12.1997, BGBl. 1998 II, 2013; deutsch-kroatisches Abkommen über Soziale Sicherheit v. 24.11.1997, BGBl. 1998 II, 2034); das gleiche gilt bezüglich der nunmehr in die EG aufgenommenen Länder Tschechien, Ungarn, Slowenien und Polen (vgl. Art. 7 des deutsch-tschechischen Abkommens über Soziale Sicherheit v. 27.7.2001, BGBl. 2002 II, 1128; Art. 7 des deutsch-ungarischen Abkommens über Soziale Sicherheit v. 2.5.1998, BGBl. 1999 II, 902; Art. 7 des deutsch-slowenischen Abkommens über Soziale Sicherheit v. 24.9.1997, BGBl. 1998 II, 1987; Art. 4 des deutsch-polnischen Abkommens über die Sozialversicherung von Arbeitnehmern, die in das Gebiet des anderen Staates vorübergehend entsandt werden v. 25.4. 1973, BGBl. 1974 II, 926). Demgegenüber enthält das für Mazedonien sowie Bosnien und Herzegowina fortgeltende Abkommen der BRD mit dem ehemaligen Jugoslawien keinerlei Zeitgrenze (Art. 6 des Abkommens zwischen der BRD und dem ehemaligen
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Zwar garantieren diese Abkommen den Ausschluss von Doppelbelastungen mit Sozialversicherungsbeiträgen beim grenzüberschreitenden Arbeitnehmereinsatz, ein Export heimatlicher Sozialversicherungsbedingungen als etwaiger Wettbewerbsvorteil ist jedoch aufgrund der Entsendefristen nur eingeschränkt möglich. Allerdings sehen sämtliche Abkommen die Möglichkeit einer Befreiung von den aufgrund des jeweiligen Abkommens geltenden Vorschriften eines Vertragsstaates vor, wenn die Geltung der Regelungen des anderen Staates gesichert, der Arbeitnehmer mithin nicht schutzlos gestellt ist.709 Eine solche Befreiung erfolgt im Wege einer entsprechenden zwischenstaatlichen Vereinbarung, sie steht im Ermessen der Behörden und bedarf eines übereinstimmenden Antrags beider Arbeitsvertragsparteien; dabei schreibt jedes Abkommen ausdrücklich die Berücksichtigung von Art und Umständen der Beschäftigung vor. Da derartige Ausnahmen in den einzelnen Abkommen nicht auf die Verlängerung der Entsendefrist beschränkt werden710, ist theoretisch eine Loslösung der sozialversicherungsrechtlichen Beitragspflichten vom Ort des wirtschaftlichen Schwerpunktes der Arbeitsleistung möglich. Zu einem tatsächlichen Wettbewerbsvorteil des einzelnen Unternehmens wirkt sich dies jedoch nicht aus, da sich das in den Abkommen eingeräumte behördliche Ermessen an deren Ziel der sozialrechtlichen Absicherung der betroffenen Arbeitnehmer orientieren muss, was eine Absenkung der Beitragshöhe als Lohnnebenkosten in der Regel ausschließen wird. cc) Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 (1) Europarechtliche Koordination internationalen Sozialrechts Aufgrund der europaweit strukturell höchst unterschiedlichen Sozialrechtssysteme und ungleichen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen ist eine Harmonisierung der nationalen Sicherungssysteme mit dem Ziel einer einheitlichen Sozialordnung bislang nicht möglich. Dies gilt umso mehr, als das Sozialrecht im Vergleich zu anderen Rechtsgebieten besonders stark in die jeweilige nationale
Jugoslawien über Soziale Sicherheit v. 12.10.1968, BGBl. 1969 II, 1438 idF. des Änderungsabkommens v. 30.9.1974, BGBl. 1975 II, 390); das Abkommen mit der Türkei spricht zumindest ausdrücklich von einer „vorübergehenden“ Entsendung (Art. 6 des deutsch-türkischen Abkommens über Soziale Sicherheit v. 30.4.1964, BGBl. 1965 II, 1170 idF. des Änderungsabkommens v. 28.5.1969, BGBl. 1972 II, 2). 709 So z. B. Art. 9 des deutsch-türkischen Abkommens über Soziale Sicherheit v. 30.4.1964, BGBl. 1965 II, 1170 idF. des Änderungsabkommens v. 28.5.1969, BGBl. 1972 II, 2; Art. 11 des deutsch-bulgarischen Abkommens v. 17.12.1997, BGBl. 1998 II, 2013. 710 Besonders deutlich in Art. 4 Abs. 3, 6 Abs. 1 des deutsch-polnischen Abkommens über die Sozialversicherung von Arbeitnehmern, die in das Gebiet des anderen Staates vorübergehend entsandt werden v. 25.4.1973, BGBl. 1974 II, 926.
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Wirtschafts- und Sozialordnung integriert ist. Anstelle einer Sachrechtsvereinheitlichung beschränkt sich die VO (EWG) Nr. 1408/71711 daher auf die Harmonisierung der sozialrechtlichen Kollisionsnormen mit dem Ziel der Koordination der nationalrechtlichen Geltungsansprüche und damit einer wechselseitigen Verflechtung der nationalen Sozialrechtsordnungen unter Berücksichtigung von deren Eigenheiten.712 Mit dieser Koordinierung wurde ein europaweit einheitliches Internationales Sozialrecht geschaffen, das die Arbeitnehmerfreizügigkeit absichert und durch die Abkehr von auf einzelne Staaten gerichteten autonomen oder staatsvertraglichen Kollisionsnormen trotz der fortbestehenden sachrechtlichen Unterschiede für ein erhebliches Maß an Rechtssicherheit im internationalen Handel und Rechtsverkehr sorgt. Denn die ausschließlich einseitige Bestimmung der internationalen Reichweite des Geltungsanspruchs der Sozialrechtsvorschriften eines Staates birgt die Gefahr der Normenhäufung und des Normenmangels in sich. Dies vermeidet die VO (EWG) 1408/71, indem sie nach einem abstrakten Maßstab bestimmt, wonach die sich in den einzelnen Staaten ereignenden Sachverhalte zwischen den Sozialrechten der Vertragsstaaten aufgeteilt werden.713 Durch die europaweite Vereinheitlichung dieses Maßstabs wird ein gegenüber den meist bilateralen Sozialversicherungsabkommen deutlich erhöhter Abstraktionsgrad erzielt und zugleich durch eine international harmonisierte Öffnung nationaler Märkte für ausländische Sozialrechtssysteme eine Vereinheitlichung der Bedingungen grenzüberschreitenden Wettbewerbs bewirkt. Dabei sichern die einheitliche Regelung der internationalen Zuständigkeit für die einzelnen Versicherungszweige der Mitgliedstaaten und die einheitliche Anknüpfung des internationalen Geltungsbereichs der nationalen Sozialrechte deren internationale Wirkung und verhindern zugleich eine wirtschaftsschädigende Normenhäufung sowie einen den Arbeitnehmer gefährdenden Normenmangel. Die Regeln des europäischen koordinierenden Sozialrechts wirken mithin nie rechtsverkürzend, sondern stets nur rechtserweiternd.714 Im Einzelnen dient die VO (EWG) Nr. 1408/71 der Sicherung des Leistungsexports durch eine Addition von Leistungszeiten und die
711 Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 über die Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, v. 14.6.1971 i. d. F. der VO (EG) Nr. 118/97 v. 2.12.1996, ABl. EG 1997 L 28/1. 712 So ausdrücklich die Präambel der VO (EWG) Nr. 1408/71; eine Angleichung von Sachnormen ist erst dann realistisch, wenn sich auch die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen der einzelnen Länder angeglichen haben. 713 Eichenhofer, Internationales Sozialrecht, Rn. 106; die ursprünglich einseitige Festlegung des territorialen Geltungsanspruchs einer nationalen Sozialrechtsnorm erhält dadurch eine allseitige Ausrichtung. 714 EuGH; Urt. v. 21.10.1975 – Rs. 24/75 (Petroni/ONPTS) –, Slg. 1975, II-1149; Eichenhofer, Sozialrecht, Rn. 94.
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wohnortsunabhängige Leistungsgewährung sowie dem Ausschluss ungerechtfertigter Doppelleistungen. (2) Lex loci laboris als Anknüpfungspunkt Art. 13 Abs. 1 VO (EWG) Nr. 1408/71 legt im Gegensatz zu den §§ 3 ff. SGB IV den Grundsatz fest, dass für Personen, die der Verordnung unterliegen715, die Rechtsvorschriften nur eines Mitgliedstaates gelten, was sowohl eine doppelte Beitragsbelastung verhindern als auch einen lückenlosen Schutz des Arbeitnehmers gewährleisten soll. Zur Ermittlung dieses einen Rechtssystems knüpft Art. 13 Abs. 2a VO (EWG) Nr. 1408/71 an den Beschäftigungsort an. Eine Person, die im Gebiet eines Mitgliedstaates abhängig beschäftigt ist, unterliegt danach stets den Sozialrechtsvorschriften dieses Staates, unabhängig vom Ort ihres Wohnsitzes und vom Wohn- oder Betriebssitz des Arbeitgebers. Zwar enthält die VO (EWG) Nr. 1408/71 keine Legaldefinition des Begriffs des Beschäftigungsortes. Da Art. 13 Abs. 2a VO (EWG) Nr. 1408/71 diesen Ort jedoch ausdrücklich sowohl vom Wohnsitz des Arbeitnehmers als auch vom Unternehmens- und Betriebssitz des Arbeitgebers abgrenzt, ist der Begriff im Rahmen dieser Vorschrift auf den Ort der tatsächlichen Arbeitsleistung zu beschränken. Das Recht der Sozialversicherung folgt also grundsätzlich dem Recht dieses Beschäftigungsortes. (3) Einstrahlung bei Arbeitnehmermobilität, Art. 14 VO (EWG) Nr. 1408/71 Ausnahmsweise wird auch hier der Anwendungsbereich des Rechts dieses Beschäftigungsorts gem. Art. 14 VO (EWG) Nr. 1408/71 entweder infolge der Einstrahlung ausländischer Sozialrechtsvorschriften eingeschränkt oder im Wege der Ausstrahlung erweitert. Die Vorschrift differenziert danach, ob ein Arbeitnehmer überwiegend in einem Mitgliedstaat (Nr. 1a) oder gewöhnlich in mehreren Mitgliedstaaten (Nr. 2) eingesetzt wird.716 Art. 14 Nr. 1a VO (EWG) Nr. 1408/71 geht von der Existenz eines einzigen gewöhnlichen Beschäftigungsortes aus und regelt den Fall der vorübergehenden Arbeitsleistung in ei-
715 Dies sind gem. Art. 2 Abs. 1 VO (EWG) Nr. 1408/71 ausschließlich Staatsangehörige von Mitgliedstaaten, Drittstaatsangehörige sind nicht einbezogen. 716 Art. 14 Nr. 3 VO (EWG) Nr. 1408/71 regelt demgegenüber keinen Fall von Arbeitnehmermobilität, sondern die Konstellation der Beschäftigung eines Arbeitnehmers bei einem Unternehmen, das Betriebe in mehreren Mitgliedstaaten hat. Für den Sonderfall, dass jemand in (ausschließlich) einem Mitgliedstaat für einen Arbeitgeber mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat tätig ist und die gemeinsame Grenze dieser beiden Staaten durch den Betrieb läuft, bestimmt die Vorschrift den Unternehmenssitz als Anknüpfungspunkt.
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nem anderen Mitgliedstaat: Wenn jemand im Gebiet eines Mitgliedstaates von einem Unternehmen, dem er gewöhnlich angehört, abhängig beschäftigt wird und von diesem Unternehmen zur Ausführung einer Arbeit für dessen Rechnung in das Gebiet eines anderen Mitgliedstaates entsandt wird, unterliegt er gem. Art. 14 Nr. 1a VO (EWG) Nr. 1408/71 weiterhin den Sozialrechtsvorschriften des Entsendestaates. Voraussetzung für diese Fortgeltung des dem tatsächlichen Beschäftigungsort fremden Rechts ist, dass die voraussichtliche Dauer der Arbeit zwölf Monate nicht überschreitet und dass die entsandte Person nicht eine andere ablöst, deren Entsendungszeit bereits abgelaufen ist. Die VO (EWG) Nr. 1408/71 enthält keine Legaldefinition des Begriffs der Entsendung. Jedoch ist auch hier eine Beibehaltung des Schwerpunktes des Beschäftigungsverhältnisses im Entsendestaat maßgeblich.717 Dementsprechend erweitert auch diese Ein- und Ausstrahlungsregelung das Begriffsverständnis des Beschäftigungsortes vom reinen Tätigkeitsort auf denjenigen Ort, dem der Erfolg der ausgeübten Tätigkeit wirtschaftlich zuzurechnen ist.718 So gilt das Sozialrechtsstatut des Entsendestaates fort, wenn sich die im Ausland erbrachte Arbeitsleistung als Beitrag zur inländischen Wertschöpfung darstellt. Dies ist in sämtlichen Mobilitätsformen719 im Rahmen eines bestehenden Arbeitsverhältnisses denkbar, insbesondere kann der grenzüberschreitende Einsatz eines Arbeitnehmers als Erfüllungsgehilfe, aber auch die Arbeitnehmerüberlassung eine Entsendung iSd. Art. 14 Nr. 1a VO (EWG) Nr. 1408/71 darstellen, wenn das Verleihunternehmen seine Geschäftstätigkeit gewöhnlich in nennenswertem Umfang vom Entsendestaat aus verrichtet.720 Indizien für einen fortbestehenden wirtschaftlichen Inlandsschwerpunkt sind u. a. die Gehaltszahlung und Weisungserteilung durch das entsendende Unternehmen. Ausweislich Art. 14 Nr. 1a VO (EWG) Nr. 1408/71 muss der Auslandseinsatz zudem zur Erfüllung einer konkret abgrenzbaren Aufgabe erfolgen. Auch eine Einstellung ausschließlich zwecks Entsendung reicht nach der Rechtsprechung des EuGH aus.721 Allerdings meint auch der Entsendungsbegriff der VO (EWG) Nr. 1408/71 eine durch den Arbeitgeber veranlasste und in seinem Interesse erfolgte Ortsverände717
Seewald in: Kasseler Kommentar, § 6 SGB IV, Rn. 4a. Eichenhofer, Internationales Sozialrecht, Rn. 303; die Maßgeblichkeit einer wirtschaftlichen Zuordnung der Gesamtbetätigung wird auch im EuGH-Urt. v. 9.11.2000 – Rs. C-404/98 (Plum/AOK), Slg. 2000, I-9379, deutlich, in dem der EuGH eine Entsendung verneinte, weil der Arbeitgeber seine gesamte Geschäftstätigkeit im Einsatzstaat entfaltete und im „Entsendestaat“ nur interne Verwaltungstätigkeiten ausübte. 719 Insofern ist auf die obigen Ausführungen zum autonomen Kollisionsrecht zu verweisen, Teil 1 § 2 A. II. 2. c) aa) (2). 720 EuGH, Urt. v. 17.12.1970 – Rs. 35/70 (Manpower/Caisse primaire d’assurance maladie)), Slg. 1970, 1251; EuGH, Urt. v. 10.2.2000 – Rs. C-202/97 (Fitzwilliam/ LISV), Slg. 2000, I-883; kritisch hierzu Boecken, ZIAS 1999, 219. 721 EuGH, Urt. v. 5.12.1967 – Rs. 19/67 (Sociale Verzekeringsbank/Van der Vecht) –, Slg. 1967, 461; kritisch hierzu Boecken, ZIAS 1999, 219. 718
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rung, was eine den Wechsel des Beschäftigungsorts überdauernde Bindung zum heimischen Sozialrechtssystem voraussetzt.722 Abweichend von §§ 4, 5 SGB IV und den o. g. Sozialversicherungsabkommen begrenzt Art. 14 Nr. 1a VO (EWG) Nr. 1408/71 die Aus- bzw. Einstrahlung allerdings auf Entsendungen mit einer voraussichtlichen Dauer von nicht mehr als zwölf Monaten, wobei die zeitliche Begrenzung nach dem Vertrag oder der Eigenart der Beschäftigung bereits beim Beginn des Auslandseinsatzes feststehen muss. Eine weitere Einschränkung des Exports heimatlicher Sozialrechtssysteme bewirkt das Ablöseverbot, indem es das einzelne Arbeitsverhältnis als individuellen Bezugs- und Ausgangspunkt inländischer Wertschöpfung verlässt und stattdessen auf den ununterbrochenen Gesamtauslandseinsatz von Arbeitskräften abstellt, was für die nachfolgenden Arbeitnehmer einen Statutenwechsel zur Folge hat. Da diese Regelung nicht nur am sozialversicherungsrechtlichen Schutz des einzelnen Arbeitnehmers als arbeitnehmerfreizügigkeitsgeprägtem Leitgedanken der VO (EWG) Nr. 1408/71 ausgerichtet ist, sondern auch einen als Missbrauch empfundenen Wettbewerb der aufgrund niedrigerer Lohnnebenkosten des Entsendestaates kalkulierenden Marktteilnehmer verhindern will723, ist sie als systemwidrig im Wege einer restriktiven Auslegung auf die Fälle zu beschränken, in denen die Ablösung ausschließlich aufgrund der abgelaufenen Entsendezeit des Vorgängers erfolgt.724 Für Personen, bei denen ein tätigkeitsbezogener Schwerpunkt im Sinne eines bestimmten gewöhnlichen Betätigungsortes nicht zu ermitteln ist, stellt Art. 14 Nr. 2a VO (EWG) Nr. 1408/71 beim internationalen Transportgewerbe grundsätzlich auf den Sitz des Arbeitgebers, ggf. auf dessen Zweigstelle oder ständige Vertretung ab; lässt sich doch ein überwiegender Einsatzort in einem Mitgliedstaat ermitteln, in dem der Arbeitnehmer auch wohnt, so ist gem. Art. 14 Nr. 2a ii) VO (EWG) Nr. 1408/71 dieser Ort maßgeblich. Für die sonstigen Fälle eines fehlenden überwiegenden Einsatzortes stellt Art. 14 Nr. 2b VO (EWG) Nr. 1408/71 auf den Wohnsitz des Arbeitnehmers bei Einsätzen auch im Gebiet dieses Staates ab, ansonsten auf den Sitz des Arbeitgebers. Auch hier erfolgt also eine Ausweitung des Beschäftigungsortbegriffs vom reinen Tätigkeitsort
722 Z. B. durch dortige Weiterbeschäftigung durch den Arbeitgeber nach Beendigung des Auslandseinsatzes oder zumindest einen dortigen Wohnsitz; ähnlich auch Steinmeyer in: Nomos-Kommentar, Art. 14 Rn. 9 f.; Cornelissen, RdA 1996, 329. 723 Hintergrund dieses erst später eingeführten Ablöseverbotes war die Praxis mehrerer Unternehmen mit langfristigen Bauaufträgen, ihre entsandten Arbeitnehmer jeweils nach Ablauf der Maximalfrist auszutauschen, um sich das günstigere heimatliche Sozialrechtsstatut mit niedrigeren Beiträgen zu erhalten, vgl. den Vorschlag der Kommission für eine Verordnung des Rats zur Änderung des Art. 13 der VO (EWG) Nr. 3 und des Art. 11 der VO (EWG) Nr. 4, BT-Dr. 4/1669, und den schriftlichen Bericht des Ausschusses für Arbeit v. 6.12.1963, BT-Dr. 4/1727. 724 So zutreffend auch Steinmeyer in: Nomos-Kommentar, Art. 14 Rn. 15; a. A. Boecken, ZIAS 1999, 219.
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auf den Ort, dem der Erfolg der Arbeitsleistung wirtschaftlich zuzurechnen ist. Nur im Falle der Identität eines der Tätigkeitsorte mit dem Wohnort des Arbeitnehmers wird an letzteren angeknüpft, was mit der sozialrechtlichen Aufgabe der Gewährleistung einer Bedarfsdeckung des Versicherten am Wohnort gerechtfertigt werden kann.725 Dies entspricht der im autonomen Kollisionsrecht der §§ 3 ff. SGB IV zu fordernden Mindestbeziehung zur nationalen Sozialversicherung726, schließt jedoch eine Ausstrahlung des am Sitz des Arbeitgebers geltenden Sozialversicherungssystems in Fällen eines fehlenden überwiegenden tatsächlichen Einsatzortes des Arbeitnehmers, z. B. bei stetiger Arbeitnehmerüberlassung an verschiedene Orte, aus. Die VO (EWG) Nr. 1408/71 sieht in Art. 14 Nr. 1b und Art. 17 Ausnahmen zur Verhinderung eines Statutenwechsels im Einzelfall vor: Dauert die Entsendung im Fall des Art. 14 Nr. 1a VO (EWG) Nr. 1408/71 aus unvorhersehbaren Gründen länger als zwölf Monate, so gelten gem. Art. 14 Nr. 1b VO (EWG) Nr. 1408/71 die Sozialrechtsvorschriften des Entsendestaates bis zur Beendigung der Arbeit, maximal noch zwölf Monate, weiter, wenn die zuständige Behörde des Aufnahmestaates eine entsprechende Genehmigung erteilt. Übersteigt die Dauer des Auslandseinsatzes gar von vornherein diese Grenzen, ist es den zuständigen Behörden des Aufnahme- und Entsendestaates aufgrund von Art. 17 VO (EWG) Nr. 1408/71 möglich, den Verbleib des entsandten Arbeitnehmers in der Sozialversicherung des Entsendestaates zu vereinbaren. Auf diese Weise öffnet sich auch das Internationale Sozialrecht einer Art Rechtswahl, die im Einzelfall einen Gleichlauf des Sozialrechtsstatuts mit dem Arbeitsvertragsstatut sicherstellen und entsprechenden Harmoniestörungen entgegenwirken kann. In der Praxis existiert eine Vielzahl solcher Abreden, die durch die Vereinbarung längerer Entsendefristen einen Ausgleich für die im Vergleich zum autonomen Kollisionsrecht und den Sozialversicherungsabkommen erhebliche Starrheit des kollisionsrechtlichen Systems der VO (EWG) Nr. 1408 darstellen und den grenzüberschreitenden Wettbewerb im Binnenmarkt erleichtern.727 Dennoch handelt es sich dabei um keine wirkliche Parteiautonomie, da die Bestimmung des anwendbaren Sozialrechtssystem nicht dem Individuum, sondern ausschließlich dem Staat obliegt, selbst wenn dieser auf Initiative der Arbeitsvertragsparteien tätig wird. Auch besteht aufgrund des insofern eindeutigen Wortlauts des Art. 17 VO (EWG) Nr. 1408/71 trotz seiner Ausrichtung auf das „Interesse bestimmter Personengruppen oder bestimmter Personen“ kein subjektives Recht des Einzelnen auf den Abschluss derartiger, zu seinen Gunsten wirkender Vereinbarungen der Befreiung von den Kollisionsregeln der Verordnung.728 Das – 725 – Und zudem dem Beschäftigungsortprinzip keineswegs widerspricht, vgl. Eichenhofer, Internationales Sozialrecht (1994), Rn. 304. 726 s. o. unter Teil 1 § 2 A. II. 2. c) aa) (2). 727 Steinmeyer in: Nomos-Kommentar, Art. 17 Rn. 3 m. w. N.; Horn, ZIAS 2002, 120.
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durch das zwischenstaatliche Vereinbarungserfordernis relativierte – Ermessen der Behörde kann sich zudem wegen der ausdrücklichen entsprechenden Schutzrichtung der Verordnung ausschließlich am Interesse des betroffenen Arbeitnehmers an sozialer Sicherung orientieren729 und muss daher über die (auch) im Arbeitnehmerinteresse stehende Verhinderung von Doppelbeitragsbelastungen hinausgehende Wettbewerbsinteressen des Arbeitgebers außer Acht lassen.730 Schließlich lösen die meisten Vereinbarungen iSd. Art. 17 VO (EWG) Nr. 1408/71 in der Praxis nur die Starrheit der Befristung des Art. 14 Nr. 1a VO (EWG) Nr. 1408/71 und ermöglichen dadurch eine sachgerechte Zuordnung eines Beschäftigungsverhältnisses, dessen wirtschaftlicher Schwerpunkt sich trotz eines längeren Auslandseinsatzes nicht in den Einsatzstaat verlagert hat, sondern im Entsendestaat fortbesteht731; die mit einer tatsächlich erfolgten Schwerpunktverlagerung verbundenen sozialrechtlichen Folgen als Bestandteil des Territorialitätsgrundsatzes werden in der Regel nicht abgeändert. Allerdings unterliegt der Arbeitsort, an den sich die sozialrechtlichen Folgen anschließen, der privatrechtlichen Disposition durch die Arbeitsvertragsparteien, so dass die sozialrechtlichen Anknüpfungspunkte auf diese Weise zumindest mittelbar im Sinne indirekter Rechtswahl individuell steuerbar werden.
B. Wettbewerbsfaktoren und -schranken grenzüberschreitender Arbeitnehmermobilität I. Internationale Wettbewerbsfaktoren Die Öffnung nationaler Märkte für grenzüberschreitende Arbeitnehmermobilität hat einen Import ausländischer Rechtssysteme zur Folge. Dabei stehen die einzelnen nationalen Systeme nicht isoliert nebeneinander, sondern treffen über die verschiedenen individuellen Leistungsangebote auf dem jeweiligen Markt zusammen, treten in Interaktion und verschränken sich ineinander. Dadurch entstehen angesichts der zwischen den europäischen Märkten bestehenden tatsäch728
A. A. Eichenhofer, Internationales Sozialrecht, Rn. 300. EuGH, Urt. v. 17.5.1984 – Rs. 101/83 (Raad van Arbeid/Brusse) –, Slg. 1984, 2223, Rz. 18. 730 Dies bestätigt letztlich auch der EuGH, wenn er im Urt. v. 10.2.2000 – Rs. C202/97 (Fitzwilliam/LISV) –, Slg. 2000, I-883 unter Rz. 28 ausführt, Art. 14 Nr. 1a VO (EWG) Nr. 1408/71 fördere auch die Dienstleistungsfreiheit durch die Vermeidung administrativer Schwierigkeiten und des mit einem Statutenwechsel verbundenen erheblichen Verwaltungsaufwandes; vgl. auch EuGH, Urt. v. 5.12.1967 – Rs. 19/67 (Sociale Verzekeringsbank/Van der Vecht) –, Slg. 1967, 461 und EuGH, Urt. v. 17.12.1970 – Rs. 35/70 (Manpower/Caisse primaire d’assurance maladie)), Slg. 1970, 1251, die beide eine Förderung der wirtschaftlichen Verflechtung durch die Vermeidung verwaltungstechnischer Komplikationen als Zweck der Verordnung betonen. 731 Vgl. auch Steinmeyer in: Nomos-Kommentar, Art. 17 Rn. 2. 729
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lichen Unterschiede wirtschaftliche Vorteile, deren Ausnutzung durch die Marktteilnehmer einem freien Wettbewerb immanent ist. Wie bei rein nationaler Arbeitnehmermobilität haben auch bei der unter Einsatz abhängig Beschäftigter erfolgenden grenzüberschreitenden Marktteilnahme zwei Aspekte Einfluss auf den Angebotsinhalt auf nationalen Güter- und Dienstleistungsmärkten: Einmal die Frage, wo die mit dem konkreten Angebot zu erbringende Leistung tatsächlich erbracht werden kann, und sodann die Frage, zu welchem Preis das Angebot erfolgen kann, um im Preiskampf zu bestehen und dabei einen möglichst großen Gewinn zu erzielen. Bereits zwischen den bisherigen EG-Mitgliedstaaten bestehen enorme Unterschiede hinsichtlich der durchschnittlichen Lohnhöhen und Sozialversicherungsbeiträge in den einzelnen Staaten, diese Unterschiede verstärken sich noch im Hinblick auf die Beitrittsländer der EU-Osterweiterung 2004 und erst recht bezüglich künftiger osteuropäischer Beitrittskandidaten. Die verschiedenen Sozialversicherungssysteme der einzelnen Mitgliedstaaten weisen sehr unterschiedliche Finanzierungsstrukturen auf, die hinsichtlich der Arbeitgeberbeiträge der Höhe nach zwischen 9,2 % in Dänemark bis zu 50,3 % in Spanien variieren.732 Was die Höhe der sich aus den Bruttogehältern zuzüglich Arbeitgeberbeiträgen zusammensetzenden Arbeitskosten insgesamt betrifft, so betrugen sie im Jahr 2000 in Schweden 28,56 Euro pro Stunde, in Deutschland 26,34 Euro, in Spanien 14,22 Euro, in Portugal 8,13 Euro, in Polen 4,48 Euro, in Rumänien 1,51 Euro und in Bulgarien 1,35 Euro.733 Aufgrund derartiger tatsächlicher und auch rechtlicher Unterschiede der für die Erstellung von Leistungsangeboten maßgeblichen jeweiligen nationalen Wirtschaftsbedingungen kommt es zum Wettbewerb sowohl der am Markt teilnehmenden Individuen als auch der dahinter stehenden Systeme untereinander. Dabei kann die Grenzüberschreitung des Arbeitnehmers als solche aufgrund von Schranken im Hinblick auf die mobilitätsspezifischen Wettbewerbsfaktoren, nämlich die Möglichkeit eines örtlich flexiblen Personaleinsatzes und der Lohn- und Lohnnebenkosten als Kalkulationsgrundlage, zu einer Marktzugangssperre oder aber zu Angebotsmodifikationen führen.
732 Bergmann, ZfSH/SGB 1999, 586; dessen Aufstellung erfasst allerdings nicht die Beitrittsländer der EU-Osterweiterung, sondern lediglich die bisherigen Mitgliedstaaten. 733 Vgl. Arbeitskostenerhebung 2000 für die EU-Mitgliedstaaten und Beitrittskandidaten, abzurufen unter http://www.europa.eu.int/comm/eurostat.
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II. Wettbewerbsschranken grenzüberschreitender Arbeitnehmermobilität 1. Spezifische Kontrollinstrumente im Hinblick auf Drittstaatsangehörige a) Marktzugangsbedingungen des Arbeitserlaubnisrechts aa) Schranken der individuellen Wettbewerbs- und Vertragsfreiheit Das Arbeitserlaubnisrecht schränkt internationale Arbeitnehmermobilität dadurch ein, dass es in der Regel zunächst ein grundsätzliches Verbot mit partiellem Erlaubnisvorbehalt aufstellt und sodann eine Erlaubniserteilung u. a. von der Einhaltung deutscher Arbeitsbedingungen durch den Arbeitgeber des ausländischen Arbeitnehmers abhängig macht. (1) Erlaubnispflichten als Mobilitätshindernis Der Grundsatz der um eine etwaige Erlaubnispflicht abgemilderten Marktabschottung erfasst nahezu alle Fälle grenzüberschreitender Arbeitnehmermobilität einschließlich der Werkvertragsarbeitnehmer und Angehörigen assoziierter Staaten734: Ausnahmsweise gänzlich befreit vom Erfordernis einer Arbeitserlaubnis ist gem. § 9 Nr. 2 ArGV der grenzüberschreitende Einsatz leitender Angestellte eines international tätigen Konzerns oder Unternehmens im Rahmen eines konzern- bzw. unternehmensinternen Personalaustauschs zur Internationalisierung der Führungsebene bei einem Aufenthalt im Ausland von maximal fünf Jahren. Auch der mobile Arbeitnehmereinsatz innerhalb eines Unternehmens ist u. a. dann erlaubnisfrei, wenn der Arbeitnehmer unter Beibehaltung seines gewöhnlichen Aufenthaltes im Ausland für maximal drei Monate nach Deutschland zwecks Montagearbeiten oder Reparaturen an gelieferten Maschinen oder der Abnahme und Einweisung in bestellte Anlagen und Maschinen geschickt wird (§ 9 Nr. 5a,b ArGV). Sonstige Formen zeitlich begrenzter grenzüberschreitender konzern- bzw. unternehmensinterner Arbeitnehmermobilität sind gem. § 4 Abs. 7, 8 ASAV zumindest erlaubnisfähig. Erlaubnisfähig ist gem. § 4 Abs. 3 ASAV ebenfalls die zeitlich auf maximal zwölf Monate begrenzte grenzüberschreitende unternehmensinterne Arbeitnehmermobilität zwecks Montage von durch den Arbeitgeber im Ausland hergestellten Fertighäusern sowie für damit zusammenhängende Installationsarbeiten. Eine allgemeine Beschränkung jedes erlaubnispflichtigen mobilen Einsatzes ausländischer Arbeitnehmer735 folgt 734
s. o. unter Teil 1 § 2 A. II. 1. b) cc). Zur generell arbeitserlaubnisfähigen grenzüberschreitenden Arbeitnehmermobilität s. o. Teil 1 § 2 A. II. 1. 735
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schließlich daraus, dass der räumliche Geltungsbereich einer Arbeitserlaubnis in der Regel gem. § 4 Abs. 1 Satz 1 ArGV auf den Bezirk des Arbeitsamtes beschränkt ist, das sie erteilt hat. Danach sind nur wenige Fälle grenzüberschreitender unternehmens- und konzerninterner Arbeitnehmermobilität erlaubnisfähig oder gar erlaubnisfrei. Demgegenüber ausdrücklich ausgeschlossen ist die Erteilung einer Arbeitserlaubnis durch § 6 Abs. 1 Nr. 2 ArGV für grenzüberschreitende gewerbliche Arbeitnehmerüberlassung iSd. § 1 Abs. 1 AÜG. Dies entspricht dem überlassungsrechtlichen Versagungsgrund des § 3 Abs. 2 AÜG: Danach ist eine Verleiherlaubnis zwingend zu versagen, wenn der Verleiher seine Betriebsstätte, von der aus die Arbeitnehmerüberlassung erfolgt, weder im Inland noch in einem EG- bzw. EWR-Mitgliedstaat hat. Unerheblich ist dabei seine Staatsangehörigkeit oder Sitz, die Vorschrift gilt mithin gleichermaßen für deutsche, EG-angehörige und drittstaatsangehörige Verleiher bzw. Verleihunternehmen.736 Dieser zwingende Versagungsgrund dient dem Schutz der Leiharbeitnehmer gegen Missbräuche ausländischer Verleiher, die durch die Erlaubnisbehörde bei fehlenden inländischen bzw. europäischen Betriebsstätten mangels entsprechender Kontrollmöglichkeiten nicht verhindert werden können737, und ist daher durch vernünftige Gemeinwohlerwägungen gerechtfertigt.738 Da sich die in § 6 Abs. 1 Nr. 2 ArGV enthaltene Bezugnahme ihrem Wortlaut nach aber auf § 1 Abs. 1 AÜG beschränkt, ist der vorübergehende konzerninterne Arbeitnehmerverleih iSd. § 1 Abs. 3 Nr. 2 AÜG im Rahmen des § 4 Abs. 7, 8 ASAV arbeitserlaubnisfähig, wenn nicht gar aufgrund von § 9 Nr. 2 ArGV erlaubnisfrei. Ebenso ist der sog. echte, d.h. nicht gewerbsmäßige, Arbeitnehmerverleih arbeitserlaubnisfähig. Diese Parallelität von arbeitserlaubnisrechtlichen und überlassungsrechtlichen Erlaubnispflichten wird auch im Zusammenhang mit europarechtlich gebotenen Privilegierungen sichtbar: So greift der kategorische Ausschluss des § 3 Abs. 2 AÜG nicht ein, wenn der Verleiher seine Betriebsstätte innerhalb des Gebiets des EWR hat; sodann besteht gem. § 3 Abs. 4 AÜG ein Anspruch auf Erteilung der Verleiherlaubnis unter den gleichen Voraussetzungen wie für einen Verleiher mit Betriebssitz in Deutschland.739 Allerdings erfolgt diese Gleichstel736
Feuerborn in: Schüren, AÜG, § 3 Rn. 158. Vgl. die amtliche Begründung des Regierungsentwurfs eines Gesetzes zur Regelung der gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung v. 15.6.1971, BT-Dr. 6/2303, 12. 738 Sandmann/Marschall, AÜG, Art. 1 § 3 Rn. 41; Becker/Wulfgramm, AÜG, Art. 1 § 3 Rn. 68; Feuerborn in: Schüren, AÜG, § 3 Rn. 155. 739 Nach § 3 Abs. 3 (iVm. Abs. 4) AÜG kann die Verleiherlaubnis auch dann versagt werden, wenn der antragstellende Verleiher weder deutsch noch Unionsbürger oder Staatsangehöriger eines anderen EWR-Vertragstaates ist oder das Verleihunternehmen keine dauerhafte Verbindung mit einem EU- oder EWR-Mitgliedstaat aufweist. In letzterem Fall hat sich die behördliche Ermessensausübung zudem an der in § 6 Abs. 1 Nr. 2 ArGV enthaltenen Wertung zu orientieren, dass ausländische Arbeitnehmer aus arbeitsmarktpolitischen Gründen und wegen ihrer besonderen Schutzwür737
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lung in dem Fall, dass eine ausländische Gesellschaft lediglich ihren Sitz, aber weder Hauptverwaltung noch Hauptniederlassung in einem Mitgliedstaat hat, gem. § 3 Abs. 4 Satz 3 AÜG nur dann, wenn eine tatsächliche und dauerhafte Verbindung ihrer Tätigkeit mit der Wirtschaft eines Mitgliedstaates, beispielsweise durch die Unterhaltung einer dortigen Betriebsstätte, besteht. Erlaubnisfähig nach dem AÜG ist mithin auch die nach Deutschland erfolgende Überlassung drittstaatsangehöriger Arbeitnehmer durch Unternehmen mit Sitz in der EG. Dies entspricht systematisch der nach der Vander-Elst-Rechtsprechung des EuGH gebotenen arbeitserlaubnisrechtlichen Privilegierung drittstaatsangehöriger Arbeitnehmer, die im Rahmen der Dienstleistungsfreiheit ihrer Arbeitgeber vorübergehend in Deutschland eingesetzt werden.740 Der verfestigte Arbeitsmarktstatus dieser Arbeitnehmer und ihre gesicherte Rückkehr in den Ausgangsstaat lassen gesonderte Allgemeininteressen in Deutschland entfallen, die eine diskriminierende Unterwerfung unter eine Arbeitserlaubnispflicht u. U. rechtfertigen würden.741 Im Sinne des Richtlinienvorschlags der Kommission742 ist das Merkmal „vorübergehend“ allerdings auf maximal zwölf Monate zu beschränken, bei deren Überschreiten eine Arbeitsmarktbezogenheit des Arbeitnehmers zum Entsendestaat in Übereinstimmung mit den entsprechenden Regeln der objektiven Anknüpfung des Arbeitsvertrags- und Sozialrechtsstatuts nicht mehr mit der erforderlichen Sicherheit angenommen werden und ein Aufenthaltstitel daher zumindest formell zu Kontrollzwecken verlangt werden kann. (2) Bindung an den Arbeitsvertragsinhalt Dritter In den danach verbleibenden Fällen grundsätzlich arbeitserlaubnispflichtiger und auch -fähiger grenzüberschreitender Arbeitnehmermobilität dürfen ausländische Arbeitnehmer gem. § 285 Abs. 1 Nr. 3 SGB III bei ihrem Einsatz in Deutschland nicht zu ungünstigeren Arbeitsbedingungen als vergleichbare deutsche Arbeitnehmer beschäftigt werden, ansonsten erhalten sie keine Arbeitserlaubnis. Indem § 1 2. HS AAV seinerseits die Erteilung einer Aufenthaltsgenehmigung vom Vorliegen bzw. der In-Aussicht-Stellung einer Arbeitserlaubnis digkeit grundsätzlich nicht verliehen werden sollen. Dieser fakultative Versagungsgrund stützt sich auf den fehlenden Schutz Drittstaatsangehöriger aus Art. 12 GG und Art. 49 EGV. Allerdings kann der Ermessensspielraum durch Niederlassungsabkommen reduziert sein; insofern enthält § 3 Abs. 5 AÜG ein ausdrückliches Gleichbehandlungsgebot. 740 Im Einzelnen s. o. unter Teil 1 § 2 A. II. 1. b) cc). 741 Ob allerdings – wie der EuGH im Vander-Elst-Urteil (v. 9.8.1994 – Rs. C-43/93 –, EuZW 1994, 600) meint – in diesen Fällen tatsächlich kein Zugang zum Arbeitsmarkt des Einsatzlandes erfolgt, erscheint mehr als fraglich. 742 Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Bedingungen für die Entsendung von Arbeitnehmern mit Staatsangehörigkeit eines dritten Landes im Rahmen der grenzüberschreitenden Erbringung von Dienstleistungen vom 1.2.1999, ABl. EG 1999 C 67/12.
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abhängig macht, wird die in § 285 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB III enthaltene Beschränkung der Arbeitsvertragsfreiheit zum zentralen Kriterium der arbeitsmarktpolitischen Wettbewerbsbeschränkung des Aufenthalts- und Arbeitserlaubnisrechts. Durch die Bindung der betroffenen ausländischen Arbeitsvertragsparteien gem. § 285 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB III an den Arbeitsvertragsinhalt vergleichbarer deutscher Arbeitnehmer wird letzterer in den Rang faktisch zwingender Mindestarbeitsbedingungen erhoben. Hiermit sind Bedingungen gemeint, die zwischen den Parteien des betroffenen Arbeitsverhältnisses per se gerade nicht gelten, also keine das Arbeitsverhältnis zwingend erfassenden deutschen öffentlich- oder privatrechtlichen Bestimmungen oder Tarifnormen. Dabei beschränkt sich der Vergleich aus Gründen der Verhältnismäßigkeit auf die wichtigsten Arbeitsbedingungen wie Gehaltshöhe, Überstundenvergütung, Urlaub und Arbeitszeit. Bezugspunkt sind „vergleichbare deutsche Arbeitnehmer“, deren Vergleichbarkeit tätigkeits- bzw. arbeitsplatzorientiert zu verstehen ist. Da § 285 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB III Verdrängungseffekte zu Lasten der bevorrechtigten Arbeitsuchenden verhindern will, ist auch die Vergleichbarkeit arbeitsmarktorientiert aufzufassen, was punktuelle Vergleiche als willkürlich ausschließt.743 Es ist mithin auf die branchenbezogene Marktüblichkeit unter Berücksichtigung der regionalen Verhältnisse abzustellen.744 Entgegen einer weit verbreiteten Auffassung745 sind auch hier Tarifverträge nicht ohne weiteres heranzuziehen, es sei denn, ihr Inhalt erweist sich tatsächlich als marktüblich.746 Denn eine staatliche Geltungshilfe für Tarifverträge ohne entsprechende Tarifmacht würde auch hier die Grenzen der Tarifwirkung beseitigen und die negative Koalitionsfreiheit der sodann faktisch Tarifunterworfenen legitimationslos beeinträchtigen.747 Die arbeitserlaubnisrechtliche Privilegierung von Werkvertragsarbeitnehmern beschränkt sich auf eine Befreiung von der ansonsten bestehenden Abhängigkeit der Erlaubniserteilung von der Lage und Entwicklung des deutschen Arbeitsmarktes. Die Werkvertragsabkommen koppeln jedoch den Marktzugang ausländischer Unternehmen daran, dass diese ihren Arbeitnehmern denjenigen 743 Demgegenüber verlangt das weitere Ziel der Vorschrift, die ausländischen Arbeitnehmer vor ausbeuterischen Arbeitsbedingungen zu schützen, keine vollumfängliche Gleichstellung mit den Arbeitsbedingungen vergleichbarer deutscher Arbeitnehmer; hier bietet § 138 BGB geringeren, aber hinreichenden Schutz. 744 Dies folgt auch aus § 285 Abs. 5 SGB III, der eine Beschränkung der Arbeitserlaubnis auf bestimmte Regionen und Branchen zulässt. 745 So aber Sprung in: GK-SGB III, § 285 Rn. 9; Düe in: Niesel, SGB III, § 285 Rn. 13. 746 Ähnlich Bartz in: Wissing/Mutschler/Bartz/Schmidt-De Caluwe, SGB III, § 285 Rn. 29 f.; Bieback in: Gagel, SGB III, § 285 Rn. 38. 747 Hierzu näher unter Teil 1 § 1 B. I. 2. a) cc) (2) und b) aa) sowie unter § 2 B. II. 1. a) cc).
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Lohn zahlen, „den deutsche Tarifverträge für vergleichbare Tätigkeiten vorsehen“748, und beschränken sich dabei nach ihrem eindeutigen Wortlaut auf die Entlohnung. Auch wenn derartige Abkommen zudem das Günstigkeitsprinzip des § 285 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB III nicht ausdrücklich nennen, erheben sie dennoch sämtliche im obigen Sinne zu ermittelnden Arbeitsbedingungen vergleichbarer deutscher Arbeitnehmer durch eine uneingeschränkte Gleichstellung zu faktisch zwingenden Mindestarbeitsbedingungen. Denn § 285 Abs. 2 SGB III lässt Abweichungen durch zwischenstaatliche Vereinbarungen nur hinsichtlich seines Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2, nicht aber auch bezüglich Nr. 3 zu.749 Lediglich hinsichtlich des Entgelts verengen die Abkommen das Bezugsobjekt des gebotenen Vergleichs auf den Tariflohn, dessen Vergleichbarkeit eine (mangels Tarifbindung fiktive) persönliche, räumliche und fachliche Geltung für das konkrete Arbeitsverhältnis voraussetzt. Freilich stehen auch dieser Erstreckung der Tarifwirkung auf Außenseiter im Wege der Staatshilfe erhebliche Bedenken entgegen, die jedoch durch die in den Abkommen zugleich erfolgende Befreiung von der Arbeitsmarktprüfung iSd. § 285 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 2 SGB III relativiert werden. Im Gegensatz dazu ist eine materiellrechtliche Verknüpfung der Arbeitserlaubnis an eine Arbeitsmarktprüfung und Gleichstellung iSd. § 285 Abs. 1 SGB III im Falle des grenzüberschreitenden Einsatzes drittstaatsangehöriger Arbeitnehmer zur Dienstleistungserbringung durch ihren Arbeitgeber mit Sitz in einem EG-Mitgliedstaat nach dem Vander-Elst-Urteil des EuGH als Verstoß gegen Art. 49 EGV unmöglich, selbst wenn man die betroffenen Arbeitnehmer ab einer bestimmten Einsatzdauer dem formellen Erfordernis der Erlaubniserteilung unterwirft. Dies entspricht auch dem Richtlinienvorschlag der Kommission, der für diesen Fall einen Anspruch auf einen befristeten Aufenthaltstitel im Sinne eines subjektiven Rechts festlegt.750 Denn die Gleichstellung iSd. § 285 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB III geht in ihrem Umfang weit über die Reichweite kollisionsrechtlich zwingender Bestimmungen des Forumstaates hinaus, indem sie Mindestarbeitsbedingungen ein Niveau zubilligt, das der Forumstaat mittels seiner die Vertragsfreiheit einschränkenden Vorschriften intern selbst gar
748 So Art. 4b und 8 Abs. 3 des deutsch-polnischen Werkvertragsabkommens vom 30.5.1990 (BGBl. 1990 II, 603), zuletzt geändert durch Vereinbarung vom 1.3./ 30.4.1993 (BGBl. 1993 II, 1126); vergleichbare Regelungen finden sich ebenfalls in den sonstigen Werkvertragsabkommen, Fundstellennachweise bei Düe in: Niesel, SGB III, § 285 Rn. 46; in diesen Lohn wird allerdings gem. Art. 4b des o. g. Abkommens der wegen der auswärtigen Beschäftigung gezahlte Vergütungsteil (Kosten für Unterkunft und Verpflegung bzw. entsprechend Zuschüsse) mit eingerechnet, vgl. Kaligin, NZA 1992, 1111. 749 A. A. Bieback, demzufolge sonstige Arbeitsbedingungen – abgesehen von den kollisionsrechtlich zwingenden Bestimmungen – für die ausländischen Arbeitsvertragsparteien nicht gelten, ZAR 1995, 99. 750 Hierzu im einzelnen unter Teil 1 § 2 A. II. 1. b) cc).
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nicht absichern will. Eine solche vollumfängliche Bindung an den Arbeitsvertragsinhalt Dritter lässt sich eindeutig dann nicht mehr rechtfertigen, wenn zur Vertragsfreiheit der einzelnen Arbeitsvertragspartei noch deren Dienstleistungsfreiheit hinzu kommt, zumal diese Bindung ausschließlich auf eine Marktabschottung abzielt. Die arbeitserlaubnisrechtliche Öffnung des Marktes für Drittstaatsangehörige macht den Marktzugang also in der Regel von der Einhaltung deutscher Arbeitsmarktbedingungen abhängig. Auf diese Weise wird ein Wettbewerb sowohl der individuellen Marktteilnehmer als auch der dahinterstehenden Rechts- und Wirtschaftssysteme unterbunden und den Marktteilnehmern ein potentieller Wettbewerbsvorteil durch die Ausnutzung bestehender Systemunterschiede bei der Angebotskalkulation genommen. In Anbetracht der o. g. nationalen Differenzen in der Lohnhöhe als wesentlichem Wettbewerbsfaktor stellt die zwingende Anbindung ausländischer Arbeitsvertragsparteien an deutsche Gehälter eine Protektion des nationalen Lohnniveaus gegenüber nicht zur EG gehörenden Drittstaaten dar. bb) Rechtsfolgen eines Verstoßes Ein Verstoß gegen Arbeitserlaubnisrecht hat sowohl öffentlich- und strafrechtliche Folgen als auch Auswirkungen auf das Arbeitsverhältnis: So darf ein Arbeitgeber ausländische Arbeitnehmer nur dann beschäftigen, wenn sie im Besitz einer Arbeitserlaubnis sind. Aus § 284 SGB III folgt daher ein Verbot des tatsächlichen Einsatzes, nicht jedoch die Unwirksamkeit des zugrundeliegenden Arbeitsvertrages.751 Dementsprechend bedarf der Arbeitgeber im Falle des Auslaufens einer Arbeitserlaubnis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses eines dem Kündigungsschutz im einzelnen standhaltenden, gesonderten Beendigungstatbestandes.752 Die rechtliche Unmöglichkeit der Arbeitsleistung führt zur Suspendierung der gegenseitigen vertraglichen Hauptpflichten. So kann der Arbeitgeber bei fehlender Arbeitserlaubnis die Beschäftigung des Arbeitnehmers ablehnen, ohne in Annahmeverzug zu geraten, anderenfalls ist er aber vertraglich zur Vergütung der tatsächlich geleisteten Arbeit verpflichtet.753 Die tatsächliche Einhaltung von Arbeitsbedingungen „vergleichbarer deutscher Arbeitnehmer“ 751
So auch BAG, Urt. v. 13.1.1977 – 2 AZR 423/75 –, BAGE 29,1, in Abweichung von BAG, Urt. v. 30.5.1969 – 5 AZR 256/68 –, AP Nr. 4 zu § 35 AVAVG (schwebend unwirksam); ausnahmsweise Nichtigkeit jedoch im Fall der Missbrauchsabsicht der Parteien; dabei ist umstritten, ob die Nichtigkeit aus § 134 BGB (so Bartz in: Wissing/Mutschler/Bartz/Schmidt-De Caluwe, SGB III, § 284 Rn. 73) oder aus § 138 BGB (so Bieback in: Gagel, SGB III, vor § 284 Rn. 92) folgt. 752 BAG, Urt. v. 13.1.1977 – 2 AZR 423/75 –, BAGE 29,1; – vorausgesetzt, das deutsche Kündigungsrecht ist auf das Arbeitsverhältnis anwendbar. In diesem Fall ist eine personenbedingte Kündigung denkbar, vgl. BAG, Urt. v. 7.2.1990 – 2 AZR 359/ 89 –, AP Nr. 14 zu § 1 KSchG 1969 personenbedingte Kündigung.
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iSd. § 285 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB III kann der ausländische Arbeitnehmer von seinem Arbeitgeber trotz des bislang anderslautenden Arbeitsvertragsinhalts zwar beanspruchen, jedoch werden hier theoretisch Mögliches und aus Sicht des betroffenen Arbeitnehmers praktisch Machbares meist auseinanderklaffen. Eine öffentlich-rechtliche Absicherung stellt jedoch der Widerruf einer bereits erteilten Arbeitserlaubnis nach § 7 Abs. 1 Satz 1 ArGV dar.754 Ordnungswidrig im Falle eines Verstoßes gegen die Arbeitserlaubnispflicht handeln sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer gem. §§ 1, 2 SchwarzarbG, § 404 Abs. 2 Nr. 3, 4 SGB III; § 16 Abs. 1 Nr. 2 AÜG enthält den Sondertatbestand einer Ordnungswidrigkeit des Entleihers im Fall des ordnungswidrigen Entleihs eines ausländischen Arbeitnehmers ohne Arbeitserlaubnis. Mehrere Bußgeldtatbestände richten sich zudem gegen Arbeitgeber, die zwar selbst nicht gegen das Verbot der Beschäftigung von Ausländern ohne Arbeitserlaubnis verstoßen, denen aber entsprechende Verstöße anderer Arbeitgeber, z. B. Nachunternehmer, zugerechnet werden, so § 404 Abs. 1 Nr. 2 SGB III und § 2 Abs. 1 SchwarzarbG. Die vorsätzliche Kumulation fehlender Überlassungs- und Arbeitsgenehmigungen führt für den Verleiher gem. § 15 Abs. 1 AÜG sogar zu einem Straftatbestand. In sonstigen Fällen einer fehlenden Arbeitsgenehmigung machen sich der Arbeitgeber und auch der Entleiher gem. §§ 406 Abs. 1 SGB III, 15a AÜG erst dann strafbar, wenn sie den (Leih-)Arbeitnehmer zudem vorsätzlich zu Arbeitsbedingungen tätig werden lassen, die in einem auffälligen Missverhältnis zu den Arbeitsbedingungen vergleichbarer deutscher (Leih-)Arbeitnehmer stehen. Angesichts der Offenheit der Begriffe „Arbeitsbedingungen“ und „auffälliges Missverhältnis“ bestehen erhebliche Bedenken im Hinblick auf das verfassungsrechtliche Bestimmtheitsgebot strafrechtlicher Normen, was eine restriktive Auslegung der Vorschriften erfordert.755 Vor diesem Hintergrund sind nur die tatsächlich gewährten Kernarbeitsbedingungen wie Gehalt, Urlaub, Arbeitszeit, Kündigungsfrist in den Vergleich mit einzubeziehen. Auch hier ist nicht ohne weiteres von der Marktüblichkeit ihrem Geltungsbereich nach theoretisch einschlägiger Tarifverträge auszugehen.756 Schließlich ist ein auffälliges Missverhältnis erst dann anzunehmen, wenn die Arbeitsbedingungen der ausländischen Arbeitnehmer aufgrund einer Gesamtschau insgesamt deutlich unter denen vergleichbarer deutscher Arbeitnehmer liegen und dabei das „Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden“ verletzt ist. Hinsichtlich der Gehalts753 Schaub, ARHandbuch, § 27 Rn. 28; Bieback in: Gagel, SGB III, vor § 284 Rn. 96; a. A. Bartz in: Wissing/Mutschler/Bartz/Schmidt-De Caluwe, SGB III, § 284 Rn. 77 (Vergütungspflicht aufgrund eines faktischen Arbeitsverhältnisses). 754 Ein derartiger Widerruf kann aufgrund der Verknüpfung von Arbeitserlaubnisund Aufenthaltsrecht nach § 1 AAV ebenfalls den Widerruf der Aufenthaltsgenehmigung nach sich ziehen. 755 In diesem Sinne auch Becker/Wulfgramm, AÜG, Art. 1 § 15a Rn. 7. 756 A. A. Gagel in: Gagel, SGB III, § 406 Rn. 11.
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höhe liegt es nahe, den Maßstab des § 138 BGB heranzuziehen757, im Übrigen wird man ein wirklich strafwürdiges Verhalten erst bei einer Verletzung des ordre public iSd. Art. 6 EGBGB annehmen können. Denn wenn die Unterschreitung einfacher zwingender gesetzlicher Mindestarbeitsbedingungen als solche keine Strafbarkeit nach sich zieht, kann dies im Fall einer Unterschreitung dieses Niveaus durch ausländische Unternehmen allein aus Gründen der Marktabschottung kein strafbares Unrecht begründen. Die vorgenannten Sanktionen etwaiger Verstöße verstärken die wettbewerbsbeschränkende Wirkung der Erlaubnispflicht und der Bindung an Arbeitsbedingungen vergleichbarer deutscher Arbeitnehmer. cc) Rechtfertigung der Schranken Die grundsätzliche Zugangssperre für ausländische Arbeitnehmer zum deutschen Arbeitsmarkt hindert ausländische wie auch deutsche Unternehmen daran, ihre ausländischen Arbeitnehmer mit gewöhnlichem Wohnsitz im Ausland für die Leistungserbringung gegenüber einem anderen Vertragspartner in Deutschland einzusetzen. Darüber hinaus schränkt im Falle einer Genehmigungserteilung die Bindung an Arbeitsbedingungen vergleichbarer Arbeitnehmer in Deutschland die Parteien des mit dem ausländischen Arbeitnehmer bestehenden Arbeitsvertragsverhältnisses in ihrer Vertragsfreiheit ein. Dieser Wettbewerbsausschluss modifiziert final und unmittelbar den Inhalt des einzelnen Arbeitsverhältnisses mit einem ausländischen Arbeitnehmer und wirkt sich mittelbar auf die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen aus, die ihr Leistungsangebot unter dem Einsatz eines ausländischen Arbeitnehmers erbringen. Arbeitserlaubnisrecht wird so ein Instrument zur Steuerung des Arbeitsmarktzugangs und mittelbar der Wettbewerbsbedingungen auf den benachbarten Güter- und Dienstleistungsmärkten. Die Arbeitserlaubnispflicht stellt sowohl für Arbeitgeber als auch für Arbeitnehmer einen finalen Eingriff in den Schutzbereich ihrer allgemeinen Handlungsfreiheit und Berufsausübungsfreiheit dar; dies gilt erst recht für den gänzlichen Ausschluss der Erlaubnisfähigkeit grenzüberschreitender gewerblicher Arbeitnehmerüberlassungen. Der inhaltliche Gleichstellungszwang des § 285 SGB III greift darüber hinaus unmittelbar in den Schutzbereich der ebenfalls durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützten Vertragsfreiheit ein, einen Nachteil wird dies aufgrund des Günstigkeitsprinzips des § 285 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB III allerdings nur für den Arbeitgeber darstellen. Hauptsächlich letzterer wird hierdurch zudem in seiner wirtschaftlichen Wettbewerbsfreiheit als weiterem Schutzgut des Art. 2 Abs. 1 GG beeinträchtigt, hinsichtlich seiner Teilnahme an 757 Hierzu s. o. unter Teil 1 § 1 B. I. 2. b) aa) (4); Becker/Wulfgramm, AÜG, Art. 1 § 15a Rn. 8.
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Güter- und Dienstleistungsmärkten zumindest mittelbar-faktisch.758 Denn das Gleichstellungserfordernis des § 285 SGB III ist in seinem auf den Arbeitsmarkt gerichteten Schutzzweck zugleich auf die Gestaltung, Ordnung und Lenkung des gesamten Wirtschaftslebens angelegt, das auf den Einsatz von Arbeitnehmern bei der Angebotserstellung angewiesen ist.759 Schließlich tangiert die verpflichtende Ausrichtung der Werkvertragsabkommen auf Tariflöhne die negative Koalitionsfreiheit beider Arbeitsvertragsparteien.760 Während Art. 9 Abs. 3 GG als vorbehaltlos gewährleistetes Grundrecht nur durch kollidierendes Verfassungsrecht eingeschränkt werden kann, sind Eingriffe in die Berufsausübung durch vernünftige Erwägungen des Gemeinwohls legitimierbar.761 Dabei lässt die Schrankentrias des Art. 2 Abs. 1 GG die weitestgehenden Eingriffe, beruhend auf einem formell und materiell verfassungsmäßigen Gesetz, zu. Die in §§ 284, 285 SGB III enthaltenen Freiheitsbeschränkungen dienen in ihrer Ausrichtung auf Vollbeschäftigung und den Abbau von Arbeitslosigkeit auf dem nationalen Arbeitsmarkt sämtlich Gemeinwohlinteressen: So bezweckt das formelle Arbeitserlaubniserfordernis des § 284 SGB III eine Beschäftigungskontrolle von Ausländern zur Verhinderung von Störungen des inländischen Arbeitsmarktes. Die materiellrechtliche Arbeitsmarktprüfung und Gleichstellung des § 285 Abs. 1 SGB III hat den Zweck, den Zugang von Ausländern zum deutschen Arbeitsmarkt zu kontrollieren und durch einen Wettbewerbsausschluss unterhalb des Niveaus in Deutschland üblicher Arbeitsbedingungen den Vorrang deutscher und ihnen gleichgestellter Arbeitnehmer sicherzustellen. § 6 Abs. 1 Nr. 2 ArGV sichert diesen Vorrang ergänzend dadurch ab, dass eine Erlaubniserteilung bei grenzüberschreitenden gewerblichen Arbeitnehmerüberlassungen zwecks Erhalt von (mit deutschen und diesen gleichgestellten Arbeitnehmern zu besetzenden) Dauerarbeitsplätzen in den Einsatzbetrieben ausnahmslos ausgeschlossen ist. Der Grundsatz der Marktabschottung wird nach der Konzeption des Arbeitserlaubnisrechts in festgelegten Einzelfällen auch nur dann durchbrochen, wenn ein besonderes öffentliches Interesse an der Beschäftigung des Ausländers besteht. Das Arbeitserlaubnisrecht dient einschließlich 758 Dies ist für einen Grundrechtseingriff ausreichend, vorausgesetzt die Grundrechtsbeeinträchtigung kann staatlichem Handeln zugerechnet werden, vgl. BVerfG, Beschl. v. 16.12.1983 – 2 BvR 1160, 1565, 1714/83 –, BVerfGE, 66, 39 (60). 759 Insofern ist von einem Mindestmaß an Finalität auszugehen, vgl. BVerfG, Beschl. v. 12.10.1994 – 1 BvL 19/90 –, BVerfGE 91, 207 (221); BVerfG, Urt. v. 14.7.1998 – 1 BvR 1640/97 –, NJW 1998, 2515 (2522). 760 Allerdings ist hinsichtlich ausländischer Arbeitgeber zu beachten, dass sie gem. Art. 19 Abs. 3 GG dann nicht Grundrechtsträger sind, wenn sie als juristische Person ihren Sitz, d.h. den tatsächlichen Mittelpunkt ihrer Tätigkeit, im Ausland haben, vgl. BVerfG, Beschl. v. 1.3.1967 – 1 BvR 46/66 –, BVerfG, Beschl. v. 19.3.1968 – 1 BvR 554/65 –, BVerfGE 23, 229 (236); insofern bedarf es für einen Großteil der betroffenen Arbeitgeber keiner, über die allgemeinen rechtsstaatlichen Wirksamkeitserfordernisse von Gesetzen hinausgehenden Legitimation eines Grundrechtseingriffs. 761 BVerfG, Urt. v. 11.6.1958 – 1 BvR 596/56 –, BVerfGE 7, 377.
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seiner Ausnahmen mithin ausschließlich Belangen der Allgemeinheit, die die vorgenannten Grundrechtseingriffe (mit Ausnahme der Beeinträchtigung der negativen Koalitionsfreiheit durch die o. g. Werkvertragsabkommen) aufgrund ihrer Arbeitsmarktorientierung und ihrem auf Beschäftigungssicherung und Arbeitslosigkeitsabbau gerichteten sozialen Schutzzweck in verhältnismäßiger Weise rechtfertigen.762 Denn in diesem Schutzzweck wird die u. a. auf die Sozialstaatsverpflichtung des Art. 20 Abs. 1 GG gründende Sorge des Staates für seine eigenen Staatsangehörigen sichtbar, die eine unmittelbare wie mittelbare Erhöhung der Arbeitsmarktchancen für Inländer mit einschließt. b) Begrenzung der Einstrahlung ausländischer Sozialrechtsstatute Nach der lex loci laboris des autonomen nationalen Kollisionsrechts unterfällt jede abhängige Arbeit, die im Bundesgebiet tatsächlich geleistet wird, dem territorialen Geltungsanspruch der gesetzlichen Sozialversicherung, mithin der Arbeitgeber der entsprechenden Beitragsabführungspflicht; dies gilt insbesondere auch dann, wenn er für den Arbeitnehmer parallel in anderen Staaten ebenfalls zur (sodann doppelten) Beitragszahlung herangezogen wird. Aufgrund der Zugehörigkeit des Sozialversicherungsrechts sowohl zur Leistungs- als auch (hinsichtlich der Beitragspflichten) zur Eingriffsverwaltung besteht allerdings insofern ein gewisser Zielkonflikt, als Staaten bestrebt sind, einerseits den internationalen Geltungsbereich ihres Sozialrechts möglichst einzuschränken, um Kosten für Sozialleistungen zu entgehen, andererseits das Beitragsaufkommen der Sozialversicherung durch einen möglichst weiten Kreis der Beitragspflichtigen zu sichern. Das SGB IV knüpft mit seinen Ein- und Ausstrahlungsregeln die Sozialversicherungspflicht als Kompromiss an den Beitrag, den die konkrete Arbeitsleistung zur inländischen Wertschöpfung leistet, und erfasst auf diese Weise nur Arbeitsverhältnisse, die ihren wirtschaftlichen Schwerpunkt im Bundesgebiet haben. Gegenüber einem in diesem Sinne im Ausland ansässigen Arbeitgeber nimmt der Staat seinen Geltungsanspruch zu dessen Gunsten zurück, selbst wenn der Arbeitnehmer dadurch einen Schutzverlust erleidet. Demgegenüber wird der staatliche Geltungsanspruch über seine Staatsgrenzen hinaus ausgeweitet, wenn nur der wirtschaftliche Schwerpunkt als Bezugspunkt im Inland liegt, was zu doppelten Beitragspflichten führen kann. Indem §§ 4, 5 SGB IV für die Beibehaltung eines im Entsendestaat befindlichen Schwerpunktes lediglich einen vorübergehenden vom endgültigen Auslandseinsatz abgrenzen, werden die Tore eines Sozialrechtsimports wie -exports weit geöffnet. Durch einen grenzüberschreitenden Arbeitnehmereinsatz bedingte entsprechende Wettbewerbsvorteile auf den Güter- und Dienstleistungsmärkten eines bestimmten 762 Im Ergebnis ebenso Bartz in: Wissing/Mutschler/Bartz/Schmidt-De Caluwe, SGB III, § 284 Rn. 6.
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Staates erlangt ein Arbeitgeber aber nur dann, wenn er sein Angebot im Vergleich zu seinen Konkurrenten billiger kalkulieren kann, und zwar im Falle öffentlich-rechtlicher Pflichten aufgrund ausschließlich für ihn geltender Vorschriften, denen die anderen Marktteilnehmer ihrerseits nicht unterworfen sind, stattdessen aber andere Pflichten bezüglich derselben Kalkulationsgrundlage beachten müssen. Dies erreichen die Sozialversicherungsabkommen, indem sie die Aus- und Einstrahlungsvorschriften der Vertragsstaaten koordinieren und dadurch die Gefahr von Doppelbeitragspflichten ausschließen, was sich faktisch zugunsten des Arbeitgebers auswirkt. Allerdings begrenzen die Staaten in diesen Abkommen den Im- bzw. Export ihrer Sozialversicherungssysteme auf einen Zeitraum von maximal 24 Monaten. Die Einstrahlung eines ausländischen Sozialrechtsstatuts wird mithin erst durch die zwischenstaatliche Abstimmung der jeweiligen staatlichen Geltungsansprüche im Wege der Vereinbarung des Ausschlusses von Doppelbeiträgen für den Arbeitgeber zu einem potentiellen Wettbewerbsvorteil, dessen Umfang jedoch infolge der Entsendefristen zugleich eingeschränkt wird. Diese Begrenzung der Einstrahlung und damit des Wettbewerbsvorteils des ausländischen gegenüber dem inländischen Unternehmen bedarf keiner gesonderten Rechtfertigung. Denn hier erfolgt im Einsatzstaat – im Gegensatz zum Arbeitserlaubnisrecht – hinsichtlich der Unterwerfung unter die Beitragslast als solcher keine Differenzierung gegenüber der Rechtslage im Entsendestaat; die Pflichtenstellung als solche ist die gleiche, Abweichungen bestehen lediglich hinsichtlich der Beitragshöhe. Ein durch die Rücknahme des territorialen Geltungsanspruchs eines Staates verursachter faktischer Vorteil begründet in Ermangelung gesonderter Regelungen keine entsprechende Rechtsposition des Einzelnen, die durch das Wiederaufleben des Territorialitätsprinzips verletzt werden könnte. Im Übrigen stellt die Verpflichtung des Arbeitgebers zur Entrichtung eines Arbeitgeberanteils zur Sozialversicherung seines Arbeitnehmers als solche zwar einen Eingriff in seine Berufsausübungsfreiheit, allgemeine Handlungsfreiheit und Wettbewerbsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG und Art. 2 Abs. 1 GG im Falle der Eröffnung des persönlichen Anwendungsbereichs dieser Grundrechte dar. Als Auswirkung der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers763 und angesichts seines Zwecks der aus dem Wert der Arbeitsleistung selbst herrührenden sozialen Absicherung des Arbeitnehmers ist dieser Eingriff jedoch durch vernünftige Gemeinwohlinteressen gerechtfertigt und aufgrund der ebenfalls den Arbeitnehmer treffenden Beitragsbelastung auch verhältnismäßig.
763 BVerfG, Urt. v. 10.5.1960 – 1 BvR 190, 363, 401, 409, 471/58 –, BVerfGE 11, 105 (113).
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2. Kontrollinstrumente im Hinblick auf EG-Staatsangehörige Der europäische Binnenmarkt mit seinen vier Grundfreiheiten des freien Dienstleistungs-, Waren- und Kapitalverkehrs und der Arbeitnehmerfreizügigkeit verlangt grundsätzlich einen Wegfall sämtlicher Zugangsschranken zu den einzelnen nationalen Märkten, auch kann die Einhaltung der deutschen Arbeitsmarktbedingungen nur noch eingeschränkt vorgeschrieben werden. Angesichts dieser die Existenz internationaler Sachverhalte fördernder Marktfreiheiten entsteht in Ermangelung einer Sachrechtsvereinheitlichung ein verstärkter Abgrenzungsbedarf der einzelnen nationalen Rechtsordnungen voneinander. Mit dem EVÜ und der VO (EWG) Nr. 1408/71 wurde für die Fälle europainterner Arbeitnehmermobilität ein einheitliches Kollisionsrecht geschaffen, das den staatlichen Geltungsanspruch der einzelnen Mitgliedstaaten dann zurücknimmt, wenn das Beschäftigungsverhältnis seinen tatsächlichen oder wirtschaftlichen Schwerpunkt in einem anderen Mitgliedstaat hat, es sei denn, der Anwendung fremder Rechtsnormen stehen zwingende Allgemeininteressen entgegen. a) Autonomiebegrenzende Wettbewerbsschranken des Internationalen Privatrechts aa) Zwingende Bestimmung wettbewerbsrelevanter Arbeitsbedingungen Da das Arbeitsvertragsstatut die Rechtsbeziehung der Arbeitsvertragsparteien zueinander umfänglich regelt, unterfallen ihm sämtliche mit Begründung, Inhalt, Erfüllung, Störung und Beendigung eines Arbeitsverhältnisses zusammenhängenden Fragen. Die bereits als national mobilitätsspezifische Wettbewerbsfaktoren charakterisierten Arbeitsbedingungen der Gehaltshöhe und des Arbeitsortes764 gehören zum Inhalt des Arbeitsverhältnisses und unterliegen als solche im Grundsatz ebenfalls dem Vertragsstatut. Wie sonstige Arbeitsvertragsbedingungen sind sie jedoch zum Teil überlagert durch zwingende Bestimmungen der lex fori oder des durch objektive Anknüpfung ermittelten Arbeitsvertragsstatuts. (1) Grenzen der Lohnkostenminimierung Der Gehaltsanspruch des Arbeitnehmers untersteht dem Vertragsstatut.765 Zugunsten von Vertragsfreiheit und Tarifautonomie besteht in Deutschland ein 764
s. o. unter Teil 1 § 1 B. I. 3. Vgl. BAG, Urt. v. 26.2.1985 – 3 AZR 1/83 –, NJW 1985, 2910; Magnus in: Staudinger, BGB, Art. 30 Rn. 79, 221; Martiny in: Reithmann/Martiny, Internationales Vertragsrecht, Rn. 1373; v. Hoffmann in: Soergel, BGB, Art. 30 Rn. 22. 765
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grundsätzlicher Verzicht auf eine gesetzliche Mindestlohngarantie, die konkrete Lohnhöhe einschließlich etwaiger Überstundensätze ist danach grundsätzlich zwischen den Parteien frei auszuhandeln und damit dem vertraglichen Austauschverhältnis zuzuordnen. Grenzen dieser Vertragsfreiheit in der Gestalt von Mindestlöhnen können sich für die Arbeitsvertragsparteien aus Tarifverträgen ergeben, die ihr Arbeitsverhältnis zwingend erfassen, was nach deutschem Tarifstatut ihre Tarifbindung durch Mitgliedschaft oder Allgemeinverbindlicherklärung voraussetzt. Derartige Tarifverträge dienen im Wege der Gegenmachtbildung ausschließlich dem Ausgleich gestörter Vertragsparität und sind daher lediglich intern zwingend iSd. Art. 30 Abs. 1 EGBGB.766 Als Grenze der Lohnkostenminimierung kann ein solcher Tarifvertrag bei grenzüberschreitender Arbeitnehmermobilität mithin nur wirken, wenn er im Vergleich zum Wahlstatut für den Arbeitnehmer günstigere Regelungen enthält, die Parteien an ihn iSd. TVG gebunden und von seinem Geltungsbereich erfasst sind und das Arbeitsverhältnis objektiv in Deutschland anzuknüpfen ist.767 Im Falle eines ausländischen objektiven Arbeitsvertragsstatuts iSd. Art. 30 Abs. 2 EGBGB wirkt ein deutscher Tarifvertrag also nicht als Wettbewerbsschranke. Dasselbe gilt bei einer gesetzlich angeordneten Orientierung des Arbeitsvertragsinhaltes an Tarifverträgen trotz fehlender Tarifbindung der Arbeitsvertragsparteien; die entsprechend faktische Kartellwirkung dieser Tarifverträge verbleibt innerhalb des Arbeitsvertragsstatuts. Eindeutig der Ebene des vertraglichen Austauschverhältnisses zuzuordnen sind die allein auf die tatsächliche Marktüblichkeit ausgerichteten Auslegungsregeln der §§ 612 Abs. 2 BGB, 59 HGB.768 Aber auch die stärker am Prinzip der Vertragsgerechtigkeit orientierten §§ 10 BBiG, 19 HAG sind lediglich intern zwingend iSd. Art. 30 Abs. 1 EGBGB, da sie über den Schutz der Auszubildenden und Heimarbeitnehmer als Vertragsparteien nicht hinausgehen.769 Bereits aus der Definition des Lohnwuchers als Ausbeutung der Zwangslage des Arbeitnehmers dadurch, dass ihm für seine Arbeitsleistung ein Gehalt gezahlt wird, das in einem auffälligen Missverhältnis zum objektiven Wert seiner Leistung steht770, folgt, dass § 138 BGB ein ausschließlich im Parteiinteresse stehendes Instrument der privatrechtlichen Missbrauchskontrolle ist und als solches nicht als Eingriffsnorm iSd. Art. 34 EGBGB, sondern lediglich intern zwingend gem. Art. 30 Abs. 1 EGBGB wirkt.771 Gegenüber einem ausländischen Vertragsstatut kann sich die Lohnhöhe des § 138 BGB aber als ordre 766
s. o. unter Teil 1 § 2 A. II. 2. b) bb) (4). Nur in diesem Fall kommt auch ein sich auf einem Markt in Deutschland auswirkender Wettbewerbsverstoß iSd. § 1 UWG in Betracht, zu den Einzelheiten s. o. unter Teil 1 § 1 B. II. 1. b) bb). 768 Hierzu näher unter Teil 1 § 1 B. I. 2. b) aa) (1). 769 Einzelheiten s. o. unter Teil 1 § 1 B. I. 2. b) aa) (2) und (3). 770 s. o. unter Teil 1 § 1 B. I. 2. b) aa) (4). 767
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public iSd. Art. 6 EGBGB durchsetzen, wenn ansonsten ein Ergebnis erzielt würde, das mit Grundwerten der deutschen Rechtsordnung offensichtlich unvereinbar wäre.772 Auch das den Vergütungsanspruch flankierende zwingende Recht des Arbeitnehmers auf einen bezahlten Mindestjahresurlaub iSd. BUrlG gehört zum Vertragsstatut, weil es Arbeitnehmerinteressen dient und dabei auf den Ausgleich gestörter Vertragsparität gerichtet ist.773 Staatlich festgesetzte Mindestarbeitsbedingungen iSd. § 1 Abs. 2 MindArbG stellen ebenfalls lediglich intern zwingende Bestimmungen des Arbeitsvertragsstatuts dar, ihre Wirkung als Wettbewerbsschranke setzt mithin voraus, dass das ausländische Arbeitsverhältnis objektiv im Gebiet der BRD anzuknüpfen ist. Denn derartige Festsetzungen sollen fehlende Tarifverträge ersetzen und eine gestörte Vertragsparität in Extremfällen eines sozialen Notstandes der Arbeitnehmer ausgleichen.774 Bereits das Verfahren des paritätisch zusammengesetzten Hauptausschusses verdeutlicht die (staatlich unterstützte) Gegenmachtbildung im Interesse der schwächeren Vertragspartei, so dass auch entsprechende Mindestarbeitsbedingungen die Ebene des vertraglichen Austauschverhältnisses nicht verlassen. Auch das Gebot relativer Lohngleichheit nach dem allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz wie nach den spezialgesetzlichen Gleichbehandlungsgeboten der §§ 612 Abs. 3 Satz 1 BGB, 81 Abs. 2 Satz 1 SGB IX und § 4 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 Satz 2 TzBfG775 ist lediglich innerhalb des Arbeitsvertragsstatuts zwingend iSd. Art. 30 Abs. 1 EGBGB.776 Auch hier geht es ausschließlich um das Interesse des Arbeitnehmers als Vertragspartei an der Verwirkli771 BGH, Urt. v. 19.3.1997 – VIII ZR 316/96 –, BGHZ 135, 125 (139 f.); Heldrich in: Palandt, BGB, Art. 34 EGBGB Rn. 3; v. Hoffmann in: Soergel, BGB, Art. 34 Rn. 9; Sonnenberger in: MüKo, BGB, Einl. IPR Rn. 50; Wichmann, Entsendung, 44; a. A. (Eingriffsnorm iSd. Art. 34 EGBGB) Schaub, ARHandbuch, § 6 Rn. 26; LG Detmold, Urt. v. 29.9.1994 – 9 O 57/94 –, IPRspr. 1994 Nr. 39; LG Berlin, Urt. v. 9.11.1994 – 22 O 319/94 –, NJW-RR 1995, 754; LG Duisburg, Urt. v. 6.10.1994 – 8 O 129/93 –, NJW-RR 1995, 883; LG Tübingen, Urt. v. 8.2.1995 – 7 O 219/94 –, NJW-RR 1995, 1142. 772 BGH, Urt. v. 19.3.1997 – VIII ZR 316/96 –, BGHZ 135, 125 (139 f.); Mankowski, RIW 1996, 8; der erforderliche Inlandsbezug wird sich idR. bereits aus der tatsächlichen Arbeitsleistung im Inland ergeben. 773 BAG, Urt. v. 27.8.1964 – 5 AZR 364/63 –, BAGE 16, 215; ArbG Frankfurt, Urt. v. 29.5.1970 – 5 Ca 181/70 –, IPRspr 1971 Nr. 32; Magnus in: Staudinger, BGB, Art. 30 Rn. 79, 230; Martiny in: Reithmann/Martiny, Internationales Vertragsrecht, Rn. 1377; v. Hoffmann in: Soergel, BGB, Art. 30 Rn. 22; Birk in: MünchArbR, § 20 Rn. 151; Heldrich in: Palandt, BGB, Art. 34 Rn. 3b; Hohloch in: Erman, BGB, Art. 30 EGBGB Rn. 26. 774 Im Einzelnen s. o. unter Teil 1 § 1 B. II. 1. a) aa). 775 Zu den gebotenen Einschränkungen des Gleichbehandlungsgrundsatzes im Bereich der Vergütung s. o. unter Teil 1 § 1 B. II. 1. a) bb). 776 Magnus in: Staudinger, BGB, Art. 30 Rn. 79; Martiny in: Reithmann/Martiny, Internationales Vertragsrecht, Rn. 1372.
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chung austeilender Gerechtigkeit in einer vom Arbeitgeber durch vorangegangene Selbstbindung geschaffenen Ordnung. Demgegenüber hat das Gleichstellungsgebot der §§ 3 Abs. 1 Nr. 3, 9 Nr. 2 AÜG international zwingende Wirkung iSd. Art. 34 EGBGB und erfasst daher auch Arbeitsverhältnisse, deren objektives Arbeitsvertragsstatut im Ausland belegen ist.777 Denn nicht nur die öffentlich-rechtliche Zulässigkeit gewerbsmäßiger Arbeitnehmerüberlassung richtet sich im Falle der tatsächlichen Arbeitsleistung des Leiharbeitnehmers in Deutschland nach dem AÜG, sondern auch die privatrechtlichen Voraussetzungen und Wirkungen der Überlassung.778 Das gesamte AÜG hat eine arbeitsmarktpolitische Steuerungsfunktion, vor der die ebenfalls bestehende Intention des Schutzes der Leiharbeitnehmer vor unzuverlässigen Verleihern in den Hintergrund tritt. Insbesondere die Gleichstellungspflicht dient nicht lediglich dazu, den Leiharbeitnehmern einen gewissen Mindeststandard zu gewährleisten, sondern vorrangig dem Schutz von Dauerarbeitsplätzen bei den Entleihfirmen durch eine fehlende wirtschaftliche Attraktivität des Entleihs von Arbeitskräften. Auch verlässt der Gesetzgeber hier ganz offensichtlich die Ebene des bipolaren vertraglichen Austauschverhältnisses, indem die Arbeitsvertragsparteien ohne jedwede Einflussmöglichkeiten der Vertragsgestaltung Dritter unterworfen werden.779 Dieser Grundsatz des „equal pay“ stellt eine protektionistische Festsetzung von Mindestarbeitsbedingungen dar, mit der vorrangig Ordnungsinteressen des Staates verfolgt werden. Eine auch international wettbewerbsbeschränkende Wirkung des Gleichstellungsgebotes ist daher offensichtlich. (2) Grenzen des örtlich flexiblen Arbeitnehmereinsatzes Die individuelle Vereinbarung des Ortes der vom Arbeitnehmer geschuldeten Arbeitsleistung ist eindeutig Bestandteil des Arbeitsvertragsstatuts. So verlässt auch die gesetzliche Kontrolle der Angemessenheit einer auf der Grundlage des Arbeitsvertrages getroffenen arbeitgeberseitigen Weisung iSd. § 315 BGB nicht die Ebene des vertraglichen Leistungsaustauschs und dient ausschließlich dem Interesse des Arbeitnehmers an der Einhaltung der vertraglichen Grenzen seiner Leistungspflicht. Im Vergleich zur rein nationalen Mobilität ist die faktisch mobilitätsbeschränkende Wirkung tariflicher Geltungsbereichsbestimmungen beim grenzüberschreitenden Arbeitnehmereinsatz eingeschränkt. Zunächst muss das Arbeitsverhältnis dem Normzwang des TVG unterfallen, was ein objektives Arbeitsvertragsstatut in Deutschland voraussetzt.780 Sodann muss der deutsche Tarifvertrag das ausländische Arbeitsverhältnis seinem Geltungsbereich nach über777 778 779 780
Feuerborn in: Schüren, AÜG, Einl. Rn. 612. OLG Karlsruhe, Urt. v. 5.4.1989 – 7 U 274/87 –, BauR 1990, 482 (483). Im Einzelnen hierzu unter Teil 1 § 1 A. II. 2. b) bb) (2) (b) und B. II. 1. a) cc). s. o. unter Teil 1 § 2 A. II. 2. b) aa) (3).
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haupt erfassen, um aufgrund etwaiger, dem Arbeitnehmer günstigerer Bestimmungen gem. Art. 30 Abs. 1 EGBGB als Mobilitätsschranke wirken zu können. Demgegenüber setzt sich § 99 BetrVG als international zwingende Bestimmung iSd. Art. 34 EGBGB gegenüber einem ausländischen Arbeitsvertragsstatut durch.781 Die Vorschrift erschöpft sich nicht im Ausgleich widerstreitender Interessen der Arbeitsvertragsparteien, sondern dient ausweislich des Katalogs der Zustimmungsverweigerungsgründe des § 99 Abs. 2 BetrVG vorrangig den Interessen der Belegschaft als Gesamtheit im Sinne innerbetrieblicher Demokratie, mithin einem überindividuellen Gemeinschaftsinteresse. Allerdings muss sich der betroffene Arbeitnehmer aufgrund des betriebsverfassungsrechtlichen Territorialitätsgrundsatzes einem in Deutschland belegenen Betrieb zuordnen lassen. Die hierfür erforderliche tatsächliche Eingliederung in die Betriebsorganisation ist von der Lokalisierung des objektiven Arbeitsvertragsstatuts völlig unabhängig.782 Die zwingenden Vorschriften des AÜG stellen ebenfalls Eingriffsnormen iSd. Art. 34 EGBGB dar und sind daher unabhängig vom sonstigen Arbeitsvertragsstatut anzuwenden.783 Dies betrifft sowohl das generelle Verbot der Arbeitnehmerüberlassung in das Baugewerbe nach § 1b AÜG als auch die gem. § 1 Abs. 1 AÜG für den Verleiher bestehende Erlaubnispflicht und die Inhaltsbestimmungen der §§ 9, 10 AÜG.784 Das AÜG verfolgt im öffentlichen Interesse des Arbeitsmarktes ordnungspolitische Funktionen, insbesondere die Unterbindung langfristiger Arbeitnehmerüberlassung, um eine Verdrängung von Stammarbeitnehmern in Entleihunternehmen zu verhindern.785 Bereits das Sanktionensystem des AÜG und die Statuierung öffentlich-rechtlicher Erlaubnispflichten weist auf ein gegenüber dem Schutz der Leiharbeitnehmer vor unzuverlässigen Verleihern überwiegendes Gemeinwohlinteresse hin. Durch die Koppelung an die Erlaubniserteilung zwingt der Staat zudem hoheitlich zu einer ganz bestimmten inhaltlichen Ausgestaltung der individualvertraglichen Rechtsbeziehungen der am Verleih beteiligten Personen. Das AÜG hat somit insgesamt einen unbedingten internationalen Rechtsdurchsetzungsanspruch iSd. Art. 34 EGBGB.
781 BAG, Urt. v. 24.8.1989 – 2 AZR 3/89 –, BAGE 63, 17 (32 f.); v. Hoffmann in: Soergel, BGB, Art. 30 Rn. 23; Martiny in: Reithmann/Martiny, Internationales Vertragsrecht, Rn. 427. 782 Zu den insofern maßgeblichen Kriterien s. o. unter Teil 1 § 2 A. II. 2. b) bb) (5). 783 Zu den besonderen Einschränkungen gegenüber Drittstaatsangehörigen s. o. unter Teil 1 § 2 B. II. 1. a) aa) (1). 784 OLG Karlsruhe, Urt. v. 5.4.1989 – 7 U 274/87 –, BauR 1990, 482 (483); Birk in: MünchArbR, § 20 Rn. 138 f.; Franzen in: AR-Blattei SD 920 Rn. 155; Magnus in: Staudinger, BGB, Art. 30 EGBGB Rn. 171; Martiny in: MüKo, BGB, Art. 34 Rn. 82. 785 s. o. unter Teil 1 § 1 A. II. 2. b) aa).
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bb) Rechtfertigung der Schranken direkter und indirekter Rechtswahlfreiheit Die vorgenannten Schranken der Parteiautonomie weisen eine unterschiedliche Intensität auf, die einen entsprechend abgestuften Rechtfertigungsbedarf nach sich zieht. Gem. Art. 30 Abs. 1 EGBGB wird verglichen, ob das gewählte Recht günstiger ist als das nach objektiver Anknüpfung anzuwendende, sodann hat das günstigere den Vorrang; die Vorschrift beschränkt mithin lediglich die direkte Rechtswahlfreiheit und verfügt über eine Relativität im doppelten Sinne.786 Demgegenüber geht nach Art. 6, 34 EGBGB inländisches Recht gegenüber dem gewählten Statut vor, die Normen enthalten die Durchsetzung eigenen zwingenden Rechts ohne Rücksicht auf das gewählte Arbeitsvertragsstatut und begrenzen daher sowohl die direkte als auch die indirekte Rechtswahlfreiheit. (1) Intern zwingende Bestimmungen gem. Art. 30 EGBGB Sämtliche o. g. lediglich intern zwingenden Grenzen der Lohnkostenminimierung und des örtlich flexiblen Personaleinsatzes dienen vorrangigen Arbeitnehmerschutzinteressen als der sozial schwächeren Vertragspartei. Sie stellen zwar einen Eingriff in die Vertragsfreiheit, die Wettbewerbsfreiheit und die Berufsausübungsfreiheit der Arbeitgeber iSd. Art. 2 Abs. 1, 12 Abs. 1 GG787 ein, sind jedoch jeweils durch überwiegende Gemeinwohlinteressen zur Verhinderung eines strukturellen Ungleichgewichts gerechtfertigt. Die Normwirkung entsprechender Tarifverträge ist mitgliedschaftlich legitimiert, ansonsten dient auch eine Allgemeinverbindlicherklärung dem sozialen Arbeitnehmerschutz.788 Die Verhältnismäßigkeit dieser Eingriffe folgt zudem aus der Orientierung des Art. 30 Abs. 1 EGBGB am kollisionsrechtlichen Grundprinzip der Gleichwertigkeit aller Rechtsordnungen als Ausgangspunkt für die Suche nach der sachnächsten Lösung für den jeweiligen Einzelfall. Der Anwendungsbefehl des Art. 30 Abs. 1 EGBGB führt auf diese Weise zu einer Rechtsordnung, zu der die Vertragsparteien bereits aufgrund der objektiven Anknüpfung ihres Arbeitsverhältnisses einen starken Bezug haben. Ist dies – wie vorliegend unterstellt – das deutsche Recht, so legitimiert auch dies die Unterwerfung der Vertragsparteien unter die vorgenannten Normen. Die Maßgeblichkeit intern zwingender Schranken eines Mitgliedstaates beruht mithin auf der dortigen objektiven Anknüpfung des Arbeitsverhältnisses, das in diesem Land seinen tatsächlichen 786
s. o. unter Teil 1 § 2 A. II. 2. b) bb) (1) (b). Allerdings scheitert ein Grundrechtseingriff bei ausländischen juristischen Personen gem. Art. 19 Abs. 3 GG am fehlenden Inlandssitz; zudem ist Art. 12 GG nur auf Deutsche anwendbar. 788 s. o. unter Teil 1 B. I. 2. a) cc) (2). 787
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oder zumindest wirtschaftlichen Schwerpunkt iSd. Art. 30 Abs. 2 EGBGB hat. Dies impliziert idR. auch eine dauerhafte, zumindest nicht nur vorübergehende Geschäftstätigkeit des Arbeitgebers in diesem Staat, so dass zwingende Bestimmungen mangels eines nur vorübergehenden Charakters von Aufenthalt und Tätigkeit im Staat der objektiven Anknüpfung die Dienstleistungsfreiheit iSd. Art. 49 EGV nicht beeinträchtigen. (2) International zwingende Bestimmungen gem. Art. 6, 34 EGBGB Demgegenüber verlangt der absolute Geltungsanspruch international zwingender Vorschriften des Forumstaates eine weitaus intensivere Begründung, da er die objektiv angeknüpfte Sachnähe des vertraglichen Austauschverhältnisses zu einer bestimmten Rechtsordnung völlig ignoriert. Hier sind wiederum die o. g. Grundrechtseingriffe, aufgrund des nun fehlenden Günstigkeitsprinzips allerdings auch zu Lasten des Arbeitnehmers, denkbar: Die Begrenzung des örtlich flexiblen Personaleinsatzes durch das Mitbestimmungserfordernis des § 99 BetrVG dient neben dem Schutz des individuell betroffenen Arbeitnehmers auch den Interessen der Belegschaft als einem Kollektiv der insgesamt sozial schwächeren Vertragspartei und ist so durch vernünftige Gemeinwohlerwägungen zu rechtfertigen. Auch die Erlaubnispflicht des § 1 Abs. 1 AÜG wie das Verbot der Arbeitnehmerüberlassung in das Baugewerbe durch § 1b AÜG lässt sich auf überwiegende Gemeinwohlinteressen an der Verhinderung von Arbeitslosigkeit und am Schutz des einzelnen Leiharbeitnehmers vor ihn sozial gefährdenden Arbeitsbedingungen stützen.789 Die Verhinderung von Lohnwucher durch den ordre public ist als ultima ratio mit sozialstaatlichen Schutzpflichten zur Verhinderung einer Ausbeutung der sozial schwächeren Vertragspartei zu rechtfertigen. Demgegenüber bestehen schwerwiegende Bedenken gegenüber dem Gleichstellungsgebot der §§ 3 Abs. 1 Nr. 3, 9 Nr. 2 AÜG, das als legitimationslose Fremdbestimmung in unverhältnismäßiger Weise und damit ungerechtfertigt in die Vertrags- und Wettbewerbsfreiheit der Verleihunternehmen eingreift.790 Die Anwendung der international zwingenden Bestimmungen der lex fori unterliegt allerdings auch Schranken, die sich aus den Grundfreiheiten des europäischen Gemeinschaftsrechts ergeben.791 Die Verpflichtung des Arbeitgebers zur Beachtung der o. g. zwingenden Vorschriften ist geeignet, seine grenzüberschreitende Geschäftstätigkeit nicht unwesentlich zu behindern und für ihn vor 789 Hinsichtlich § 1b AÜG vgl. BVerfG, Beschl. v. 6.10.1987 – 1 BvR 1086/82 –, NJW 1988, 1195. 790 Im Einzelnen s. o. unter Teil 1 § 1 A. II. 2. b) bb) (2) (b) und B. II. 1. a) cc). 791 Birk in: MünchArbR, § 20 Rn. 227 ff.; Jayme/Kohler, IPRax 2000, 454; Martiny in: Reithmann/Martiny, Internationales Vertragsrecht, Rn. 400, 403.
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allem wirtschaftlich weniger attraktiv zu machen. Derartige Eingriffe in die Dienstleistungsfreiheit des Art. 49 EGV durch unterschiedslos geltende Maßnahmen können durch zwingende Gründe des Allgemeinwohls gerechtfertigt sein. Voraussetzung hierfür ist, dass die zwingende Bestimmung iSd. Art. 34 EGBGB ein legitimes Allgemeininteresse verfolgt, mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im Einklang steht und das Allgemeininteresse nicht schon durch solche Rechtsvorschriften gewährleistet wird, denen der Dienstleistende bereits in seinem Heimatstaat unterliegt.792 Zu den vom EuGH anerkannten zwingenden Gründen des Allgemeininteresses gehört u. a. der soziale Schutz der Arbeitnehmer.793 Insofern wird man die Eingriffe durch §§ 138 BGB, 99 BetrVG aufgrund ihrer eindeutigen entsprechenden Schutzrichtung als in verhältnismäßiger Weise gerechtfertigt ansehen können. Der EuGH hat weiter auch die Unterwerfung unter Genehmigungspflichten des Arbeitnehmerüberlassungsrechts selbst für den Fall als gerechtfertigt angesehen, dass der Unternehmer bereits in seinem Heimatstaat über eine Verleiherlaubnis verfügt, solange der Einsatzstaat hierbei eigene Beurteilungskriterien anwendet und insofern keine bloße Wiederholung von Nachweisen und Sicherheiten stattfindet.794 Da der EuGH das Allgemeininteresse am sozialen Schutz der Arbeitnehmer im Bereich des Baugewerbes besonders betont795, wird nach dieser Rechtsprechung auch das Verbot des § 1b AÜG zu rechtfertigen sein.796 Die Schwierigkeit der Rechtfertigung von Eingriffen aufgrund international zwingender Bestimmungen iSd. Art. 34 EGBGB in Grundfreiheiten des Binnenmarktes liegt in dem für die Charakterisierung als kollisionsrechtliche Eingriffsnorm erforderlichen Überwiegen allgemeiner, meist ordnungspolitischer, Interessen gegenüber Parteiinteressen.797 Dieses Zusammenspiel sieht auch der EuGH, indem er den Mitgliedstaaten das Recht zubilligt, „für die Überlassung von Arbeitnehmern in ihrem Hoheitsgebiet eine Genehmigungsregelung einzuführen, um die Genehmigung versagen zu können, wenn die begründete Befürchtung besteht, dass diese Tätigkeit gedeihliche Verhältnisse auf dem Arbeits-
792 EuGH, Urt. v. 23.11.1999 – verb. Rs. 369/96 und 376/96 – (Arblade und Leloup), RIW 2000, 137. 793 EuGH, Urt. v. 23.11.1999 – verb. Rs. 369/96 und 376/96 – (Arblade und Leloup), RIW 2000, 137, Rz. 36. 794 EuGH, Urt. v. 17.12.1981 – Rs. 279/80 (Webb) –, Slg. 1981, 3305. 795 EuGH, Urt. v. 28.3.1996 – Rs. C-272/94 (Guiot) –, Slg. 1996, I-1905; EuGH, Urt. v. 25.10.2001 – Rs. C-493/99 (Kommission/Deutschland) –, Slg. 2001, I-8163 Rz. 20. 796 Vgl. allerdings auch EuGH, Urt. v. 25.10.2001 – Rs. C-493/99 (Kommission/ Deutschland) –, Slg. 2001, I-8163, demzufolge § 1b Satz 2 AÜG a. F. die Dienstleistungsfreiheit derjenigen Verleihunternehmen verletzt, die sich mangels eines in Deutschland befindlichen eigenen Betriebs nicht vom Verbot des § 1b Satz 1 AÜG befreien konnten. 797 Hierzu s. o. unter Teil 1 § 2 A. II. 2. b) bb) (2).
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markt beeinträchtigen würde oder dass dabei die Interessen der betroffenen Arbeitnehmer unzulänglich gewahrt würden.“798 Für die Rechtfertigung eines Eingriffs in Marktfreiheiten erscheint es bedenklich, wenn sie auf gegenüber dem Arbeitnehmerschutz als Parteiinteresse überwiegende Allgemeininteressen gestützt wird, die auf eine Marktabschottung abzielen. Im Hinblick auf die Zulassungsregeln für die Arbeitnehmerüberlassung wird man insofern auf ansonsten fehlende Kontrollmöglichkeiten abstellen können, für die angesichts der erschwerten rechtlichen Zuordnung des Leiharbeitnehmers zur Verhinderung verworrener Zustände insbesondere in der Baubranche ein öffentliches Interesse besteht. Dies gilt jedoch aus den bereits oben ausgeführten Gründen nicht hinsichtlich des Gleichstellungsgebots der §§ 3 Abs. 1 Nr. 3, 9 Nr. 2 AÜG, hier überwiegt das Allgemeininteresse an einer wirtschaftlichen Erschwerung des Marktzuganges, was mit der Binnenmarktkonzeption nur schwerlich zu vereinbaren sein wird. b) Koordinierte Einschränkung des Sozialrechtsimports Wie die bilateralen Sozialversicherungsabkommen koordiniert auch die VO (EWG) Nr. 1408/71 die einzelnen staatlichen Geltungsansprüche, schafft dabei aber durch eine europaweite Vereinheitlichung Internationalen Sozialrechts allseitige Kollisionsnormen im Unterschied zu den auch in den Abkommen nach wie vor einseitigen staatlichen Geltungsbereichsbestimmungen. Dies bedeutet für die europäischen Marktteilnehmer ein immens gesteigertes Maß an Rechtssicherheit, das dem Wirtschaftsverkehr im Binnenmarkt förderlich ist. Auch die VO (EWG) Nr. 1408/71 koordiniert die Geltungsansprüche der einzelnen Mitgliedstaaten und vermeidet so wettbewerbsschädliche Normenhäufungen wie einen dem Arbeitnehmerschutz widersprechenden Normmangel. Der hinsichtlich seiner Beitragsbelastung für den Arbeitgeber in der Möglichkeit des Exports eines ihn weniger belastenden Beitragssystems liegende Wettbewerbsvorteil wird jedoch im Vergleich zu den Sozialversicherungsabkommen deutlich stärker eingeschränkt: So entfällt die Einstrahlung eines ausländischen Sozialrechtsstatuts in die BRD trotz des eigentlich fortbestehenden wirtschaftlichen Schwerpunktes des einzelnen Arbeitsverhältnisses im Entsendestaat bei länger als zwölf Monate dauernden Entsendungen sowie im Falle der Ablösung eines anderen bereits entsandten Arbeitnehmers. Darüber hinaus gilt die Verordnung ausschließlich für die Entsendung von Staatsangehörigen der EG-Mitgliedstaaten, Drittstaatsangehörige sind von den europaweiten Koordinationsregeln nicht erfasst799; die mit ihrem Auslandseinsatz für den Arbeitgeber verbundenen wei798
EuGH, Urt. v. 17.12.1981 – Rs. 279/80 (Webb) –, Slg. 1981, 3305, Rz. 19. Allerdings existieren mehrere Änderungsvorschläge der Kommission, die eine Einbeziehung Drittstaatsangehöriger in den persönlichen Geltungsbereich der VO (EWG) Nr. 1408/71 vorsehen, vgl. den Vorschlag v. 21.12.1998 für eine Verordnung 799
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tergehenden potentiellen Wettbewerbsvorteile gründen sich mithin auf Sozialversicherungsabkommen oder gar auf §§ 4, 5 SGB IV.800 Diese Einschränkungen des in der Koordination als solcher liegenden potentiellen Wettbewerbsvorteils eines Arbeitgebers verletzen ihn nicht in seinen Rechten. Denn wie im Falle der Sozialversicherungsabkommen entsteht ein solcher Vorteil nicht als geschützte Rechtsposition, sondern allein als Nebeneffekt einer Koordination der hoheitlichen Geltungsansprüche der Mitgliedstaaten. Der Grundsatz des territorial begrenzten Geltungsanspruchs öffentlich-rechtlicher Vorschriften bleibt auch trotz dieser Koordination bestehen, ihm ist der Arbeitgeber stets dann unterworfen, wenn der jeweilige Mitgliedstaat seinen eigenen Geltungsanspruch nicht zugunsten eines anderen Staates zurücknimmt. Auch hier fehlt im Grundsatz eine Differenzierung, da der Arbeitgeber auch im Entsendestaat einer Beitragspflicht unterworfen wird, die durch überwiegende Allgemeininteressen gerechtfertigt ist.801 Im Übrigen hat die Koordination des Anwendungsbereichs nationaler Sozialrechtsstatute keinerlei intentionierten Wettbewerbsbezug, und zwar weder im Sinne einer Förderung der Dienstleistungsfreiheit, noch als Schutz vor Wettbewerbsverzerrungen durch einen ungehinderten Export von Sozialstatuten.802 Die Koordinierungsregeln der VO (EWG) Nr. 1408/71 stellen ausschließlich einen Annex zur Arbeitnehmerfreizügigkeit dar. So hat sie ausweislich ihrer Rechtsgrundlage, Art. 42 EGV, das Ziel, möglichst günstige Voraussetzungen für die Herstellung der Arbeitnehmerfreizügigkeit iSd. Art. 39 EGV im Hoheitsgebiet eines jeden Mitgliedstaates zu schaffen. Die ausschließliche Ausrichtung an einer Verbesserung der Lebensund Arbeitsbedingungen der mobilen Arbeitnehmer wird auch in der Präambel der VO (EWG) Nr. 1408/71 deutlich.803 Sowohl die im Vergleich zu sonstigen Kollisionsregeln verkürzten Entsendefristen als auch das Ablöseverbot sind Ausdruck der Tatsache, dass Sozialversicherungsrecht öffentliches Recht dar(EG) des Rates zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit, ABl. EG 1999 C 38/10; Vorschlag v. 6.2.2002 für eine Verordnung (EG) des Rates zur Erweiterung der Bestimmungen der VO (EWG) Nr. 1408/71 auf Staatsangehörige aus Drittländern, die ausschließlich wegen ihrer Nationalität nicht bereits von den Bestimmungen dieser Verordnung gedeckt sind, KOM(2002) 59endg. 800 Allerdings schließt die Dienstleistungsfreiheit des Arbeitgebers auch in diesen Fällen eine Normenhäufung aus, vgl. EuGH, Urt. v. 3.2.1982 – verb. Rs. 62, 63/81 –, NJW 1982, 1935. 801 s. o. unter Teil 1 § 2 B. II. 1. b). 802 So aber Boecken, ZIAS 1999, 219. 803 Diese Ausrichtung wird auch in den Entwürfen der Kommission für eine Änderung der Verordnung ausdrücklich beibehalten, vgl. den Vorschlag v. 21.12.1998 für eine Verordnung (EG) des Rates zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit, ABl. EG 1999 C 38/10; Vorschlag v. 6.2.2002 für eine Verordnung (EG) des Rates zur Erweiterung der Bestimmungen der VO (EWG) Nr. 1408/71 auf Staatsangehörige aus Drittländern, die ausschließlich wegen ihrer Nationalität nicht bereits von den Bestimmungen dieser Verordnung gedeckt sind, KOM(2002) 59endg.
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stellt und als solches staatliche Eingriffsbefugnisse voraussetzt, die zwar nur territorial begrenzt wirken können, andererseits aber auch territorial legitimiert sind. Insofern besteht kein Zwang zu einer zeitlich unbeschränkten Rücknahme des Geltungsanspruchs eines Staates. Die Sozialversicherungsabkommen begründen insofern keine entgegenstehenden Ansprüche Einzelner, im Falle der Verordnung wäre allenfalls eine geschützte Rechtsposition der Arbeitnehmer, nicht aber der Arbeitgeber denkbar. Auch die Dienstleistungsfreiheit gibt dem Arbeitgeber keinen Anspruch auf eine Rücknahme des staatlichen Geltungsanspruchs eines nach dem Territorialitätsprinzips einschlägigen Sozialrechtsstatuts. Selbst wenn man hier von einem Eingriff in Art. 49 EGV durch die Auferlegung nationaler Sozialversicherungspflichten als unterschiedslos geltende Maßnahme ausgeht, erfolgt dies aus zwingenden Gründen des Allgemeinwohls. So verfolgt die VO (EWG) Nr. 1408/71 in ihrer grundsätzlichen Ausrichtung auf den Arbeitnehmerschutz ein legitimes Allgemeininteresse804, das aufgrund der Koordinierung nicht schon durch Rechtsvorschriften gewährleistet wird, denen der Arbeitgeber bereits im Entsendestaat unterliegt, auch stehen die Beitragspflichten mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im Einklang. III. Autonome Steuerbarkeit des Marktverhaltens 1. Autonomer Spielraum der Marktteilnehmer Die kollisionsrechtliche Rechtswahlfreiheit des Internationalen Privatrechts eröffnet den Arbeitsvertragsparteien als Ausgangslage grundsätzlich einen weiteren Spielraum als die rein innerstaatliche Privatautonomie. Denn die Parteien können im Wege der direkten wie indirekten Rechtswahl denjenigen rechtlichen Rahmen bestimmen, der ihr Vertragsverhältnis beherrschen soll, demgegenüber sind die Parteien eines rein nationalen Sachverhalts stets an den Gestaltungsrahmen dieses einen Staates gebunden. Diese Rechtswahl wird, abgesehen von Rechtswahlvereinbarungen iSd. Art. 27, 30 Abs. 1 EGBGB, insbesondere in der Auswahl der objektiven Anknüpfungspunkte durch die Parteien deutlich: Verbleibt der tatsächliche oder zumindest wirtschaftliche Schwerpunkt der Arbeitsleistung iSd. Art. 30 Abs. 2 EGBGB im Entsendestaat, so sind es dessen Normen, die einen Großteil der für einen mobilen Arbeitnehmereinsatz erheblichen Wettbewerbsfaktoren der Lohnhöhe und der örtlichen Einsatzflexibilität intern zwingend bestimmen. Demgegenüber setzen sich nur wenige Vorschriften des Einsatzstaates als international zwingend durch. Im Gegensatz zu rein innerstaatlichen Sachverhalten erweisen sich bei internationaler Arbeitnehmermobilität auch Tarifverträge nicht als vorrangig autonomiebeschränkend, sondern auf804 Dem steht die aufgrund einer prinzipiellen Systemwidrigkeit des Ablöseverbotes gebotene restriktive Auslegung des Art. 14 Nr. 1a VO (EWG) Nr. 1408/71 nicht entgegen, s. o. unter Teil 1 § 2 A. II. 2. c) cc) (3).
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grund der Möglichkeiten einer tariflichen Rechtswahl des Arbeitsvertragsstatuts wie der Geltungsbereichserstreckung auf Auslandssachverhalte vielmehr rechtskreiserweiternd. Im Internationalen Sozialrecht bleiben entsandte Arbeitnehmer idR. den sozialrechtlichen Systemen ihrer Heimatländer unterworfen. Abgesehen von konkret bemessenen Entsendefristen findet ein Wechsel des Sozialrechtsstatuts nur bei einem grenzüberschreitenden Arbeitsortwechsel auf Dauer statt. Auch hier bestehen faktische Einflussmöglichkeiten der Parteien durch die Wahl der objektiv maßgeblichen Anknüpfungspunkte. Im Falle grenzüberschreitender Arbeitnehmermobilität findet nach alledem ein umfangreicher Export und Import von Rechtssystemen statt, die ihrerseits zwar die Privatautonomie der Vertragspartner beschränken und dem Arbeitgeber als Unternehmer in einem theoretisch völlig rechtsfreien Raum ansonsten existierende Wettbewerbsvorteile nehmen. Dennoch bewirkt der internationale Arbeitnehmereinsatz insgesamt eine Absenkung der Intensität von Autonomiebeschränkungen und eröffnet so einen im Vergleich zu ausschließlich nationalen Sachverhalten weiterreichenden Wettbewerb. Dies gilt allerdings nicht außerhalb der EG: Wenn Drittstaatsangehörige nicht mittelbar über ihren Arbeitgeber von dessen Marktprivilegien in arbeitserlaubnisrechtlicher und auch sozialrechtlicher Hinsicht profitieren können, ist das Marktverhalten bis auf den Zugang als solchen für das betroffene Unternehmen nicht steuerbar. Dies folgt aus der inhaltlichen Bindung an in Deutschland übliche Arbeitsbedingungen, die einen aus der Grenzüberschreitung als solcher resultierenden Wettbewerbsvorteil zunichte macht. 2. Ausnutzung bestehender Wettbewerbsvorteile als „Dumping“ Aufgrund der Unterschiede der in EG- wie in Drittstaaten bestehenden rechtlichen Rahmenbedingungen tritt angesichts zunehmender Verflechtungen im internationalen Wirtschaftsverkehr neben den Wettbewerb der einzelnen Anbieter zwangsläufig auch ein Wettbewerb von Systemen. Die Ausnutzung bestehender Unterschiede ist einerseits Ausdruck des internationalen Wettbewerbs, kann zu Vorteilen führen und prägt wirtschaftliches Handeln, muss sich andererseits aber dem Vorwurf des „Lohn-“ oder „Sozialdumpings“ stellen. Der Begriff des Dumpings beschreibt allgemein ein missbräuchliches und damit als unlauter zu missbilligendes Wettbewerbsverhalten mit dem Ziel der Vorteilserlangung durch niedrige Preisgestaltung. Worin allerdings genau dieser Missbrauch liegt, wird unterschiedlich beurteilt. Die deutsche Übersetzung „hinwerfen, verschleudern“ des englischen Wortes „to dump“805 hilft hier nicht weiter. Nach Art. VI Abs. 1 GATT 1994806 ist 805
Langenscheidts Wörterbuch; vgl. auch Brockhaus, Bd. 6.
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Dumping die einen Wirtschaftszweig des Importhandels schädigende Einfuhr von Erzeugnissen eines anderen Landes zu einem den normalen Wert, aber vor allem den Inlandspreis des Exportlandes unterschreitenden Preis. Wesentlich für diesen Dumpingbegriff ist eine räumliche Preisdifferenzierung, nämlich der Export einer Ware unter ihrem Inlandspreis, um einen ausländischen Markt zu erobern und ausländische Konkurrenz auszuschalten. Wirtschaftlichen Sinn macht dies langfristig nur dann, wenn zugleich Zölle oder Einfuhrkontingentierungen den Rückimport der Ware unmöglich machen. In diesem Sinne entsteht Herstellern auf dem ausländischen Markt ein doppelter Nachteil. Auch der europarechtliche Dumpingbegriff setzt gem. Art. 1 Abs. 2 VO (EG) Nr. 384/96 eine nicht kostenbestimmte Differenzierung zwischen Export- und Inlandspreisen und darüber hinaus den Ausschluss des Reimports voraus. Da allerdings der freie Warenverkehr gem. Art. 28 EGV eine Einschränkung des Rückimports ausschließt, existiert eine entsprechende Anti-Dumpingregelung nur noch im Verhältnis zu Drittstaaten.807 Im internationalen Warenhandel überschreitet ein Marktverhalten nach alledem erst dann die Grenze zum missbräuchlichen Dumping, wenn es zu einer künstlichen Verbilligung von Angeboten und dadurch zu einer Störung des lauteren Wettbewerbs führt. Erfolgt dieses Waren- oder Dienstleistungsangebot aber unter dem Einsatz eigener Arbeitskräfte, so wird vielfach ein weitergehendes Begriffsverständnis vertreten, demzufolge bereits die ausschließlich kostenbestimmte, bar jeglicher räumlicher Differenzierung erfolgende Angebotserstellung als „Lohn- oder Sozialdumping“ zu missbilligen ist: nämlich die Preisunterbietung im Importland aufgrund des Imports ausländischer, den Einsatz von Arbeitskräften bestimmender rechtlicher und wirtschaftlicher Rahmenbedingungen.808 Sozialdumping in diesem Sinne bezeichnet eine Situation, in der eine ausgeführte Ware oder Dienstleistung ihre Wettbewerbsfähigkeit im Importland einem niedrigen Sozialstandard und somit niedrigeren Herstellungskosten im Hinblick auf den Faktor 806 General Agreement on Tariffs and Trade (Allgemeines Zoll- und Handelsabkommen); die Fassung von 1994 hat den Vertragstext von 1947 ersetzt. Ziel des GATT ist es insbesondere, die handelspolitische Zusammenarbeit der Mitglieder auf der Grundlage der Meistbegünstigung zu koordinieren und zu erleichtern, die mengenmäßigen Beschränkungen im Außenhandel (Kontingente) zu beseitigen, Diskriminierungen zu bekämpfen und die Zölle schrittweise herabzusetzen. Beitritt der BRD durch Gesetz vom 10.8.1951, BGBl. 1951 II, 173; Ratsbeschluss vom 22.12.1994, ABl. EG 1994 L 336/1, 11. 807 Bzgl. EG-internen Dumpings vgl. den früheren Art. 91 EGV a. F., der durch den Amsterdamer Vertrag ersatzlos gestrichen worden ist; Abwehr der von Drittstaaten geübten Dumpingpraktiken durch VO (EG) Nr. 384/96 des Rates vom 22.12.1995 über den Schutz gegen gedumpte Einfuhren aus nicht zur EG gehörenden Ländern, ABl. EG 1996 L 56/1, basierend auf Art. 133 EGV (Gemeinsame Handelspolitik). 808 So u. a. Däubler, DB 1995, 726; Hold, AuA 1996, 113; Baumann/Laux/Schnepf, WSI-Mitt. 1997, 134; Wimmer, IPRax 1995, 207 (208); Riester, ArbuR 1999, 1 (3); Hickl, NZA 1997, 513.
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Teil 1: Mobiler Arbeitnehmereinsatz als Wettbewerbsfaktor
Arbeit verdankt.809 Mangels räumlicher Preisdifferenzierung stellt die Ausnutzung vergleichsweise vorteilhafter ausländischer Arbeitsbedingungen bei deren Import in einen inländischen Markt durch einen Anbieter, der dort ein Angebot unter grenzüberschreitendem Arbeitnehmereinsatz erstellt, jedoch kein Dumping im Rechtssinne dar.810 Denn die Preisunterbietung beruht nicht auf einem Verkauf unter Selbstkosten, sondern auf niedrigen Löhnen und Sozialstandards, so dass die niedrigeren Preise ausländischer Anbieter hier aus echten Kostenvorteilen, nicht aber aus einer künstlichen räumlichen Preisdifferenzierung herrühren. Derartige einfache Niedrig-Preis-Einfuhren ohne Preisdifferenzierung erfüllen ganz eindeutig nicht den Tatbestand des Art. VI GATT.811 Die Wettbewerbsbedingungen auf deutschen Güter- und Dienstleistungsmärkten werden für aus- und inländische Anbieter, deren Angebotserstellung unter dem Einsatz unselbständiger Arbeitskräfte erfolgt, maßgeblich von arbeits- und sozialrechtlichen Normen bestimmt. Dabei unterliegt ein Import ausländischer Bestimmungen ausländer- und kollisionsrechtlichen Schranken. Die Einhaltung deutscher Arbeitsmarktbedingungen bei Arbeitsverhältnissen mit Auslandsberührung geschieht nach einem System gespaltener Mobilität infolge einer unterschiedlichen Ausgestaltung der Schranken: Mehr Mobilität aufgrund eines größeren privatautonomen Spielraumes besteht für Marktteilnehmer aus EG-Mitgliedstaaten im rein innereuropäischen Wettbewerb, der auf den Marktfreiheiten des EGV beruht und lediglich durch die Schranken des harmonisierten und koordinierten Kollisionsrechts begrenzt wird. Demgegenüber erlangen Anbieter aus Drittstaaten einen Marktzugang nur über die Hürde des Aufenthalts- und Arbeitserlaubnisrechts mit ihrem Zwang zur umfassenden Bindung an den Arbeitsvertragsinhalt Dritter. Dieser Unterschied betrifft insbesondere die Lohnhöhe als Wettbewerbsfaktor. Die Ausnutzung entsprechender Wettbewerbsvorteile im internationalen Wirtschaftsverkehr einschließlich ihrer Folgen für die vom Import ausländischer Wettbewerbsbedingungen betroffenen inländischen Märkte ist mitsamt ihrem Missbrauchspotential im Sinne der obigen Begriffsdefinition mithin viel stärker innerhalb der EG als im Verhältnis zu Drittstaaten. Die Relevanz dieses Problems wird vor dem Hintergrund der EU-Osterweiterung um mehrere mittel- und osteuropäische Staaten noch deutlicher, der künftige Wegfall der o. g. Marktzugangssperre wird angesichts der erheblichen Lohnunterschiede und sozialen Standards zu einem nochmals verschärften Standortwettbewerb führen. Versteht man Dumping in der o. g. erweiterten Begrifflichkeit, so stellt es sich im Hinblick auf Drittstaaten lediglich als faktisches Problem der Gesetzesumgehung dar, im Rahmen der EG aber als rechtli809
Birk in: MünchArbR, § 17 Rn. 78. Löwisch, GS Eucken, 221 (230); Rieble, NZA 2000, 225; Steinmeyer, DVBl. 1995, 962. 811 Brockhaus, Bd. 6, „Dumping“; Gabler, Wirtschaftslexikon, „Dumping“, „SozialDumping“. 810
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che Problematik, auf deren Untersuchung sich die vorliegende Arbeit im Folgenden beschränkt: Die Frage, wann Erscheinungsformen des Wettbewerbs einer staatlichen Steuerung bedürfen, ist bereits im Hinblick auf rein nationale Sachverhalte höchst problematisch und bedarf stets einer besonderen Rechtfertigung zum Schutz von Interessen Einzelner oder der Allgemeinheit vor dem Missbrauch individueller Vertragsautonomie und Wettbewerbsfreiheit.812 Erst recht gilt dies auf internationaler Ebene, wenn hier eine grenzüberschreitende Marktteilnahme nach dem Konzept eines europaweiten Binnenmarktes durch wettbewerbsrelevante Marktfreiheiten geschützt wird und damit dem Begriff des Missbrauchs ein ganzes Normengefüge gegenübersteht. Und dennoch wird nach einer solchen staatlichen Steuerung verlangt, und zwar zur Bewältigung folgender Konfliktlage: Den zunehmenden wirtschaftlichen Verflechtungen innerhalb des EGBinnenmarktes stehen Bestrebungen der einzelnen Mitgliedstaaten zum Schutz ihrer nationalen Wirtschaften gegenüber. Außerdem kann der freie Dienstleistungsverkehr zu Lasten der Arbeitnehmer eine Absenkung von Löhnen und sonstigen Sozialstandards bewirken. Ein Ausgleich dieser konfligierenden Interessen ist – angesichts der nur schleppenden europaweiten Angleichung nationaler Arbeits- und Sozialrechtssysteme – derzeit lediglich über die Frage nach dem anwendbaren Rechtssystem, also über das Internationale Privatrecht, denkbar. Dabei stellt sich aber die Frage, ob das Konzept des europäischen Binnenmarktes einen Ausgleich mit protektionistischen Interessen der einzelnen Mitgliedstaaten überhaupt verträgt und ob von einem Wettbewerb nur mit besseren Leistungen ein Wettbewerb auch mit schlechteren Arbeitsbedingungen als unerwünscht isolier- und vermeidbar ist. Die Ausnutzung von Wettbewerbsvorteilen muss nicht automatisch ein Unwerturteil in sich bergen. Werden wirtschaftliche Entscheidungen unter Berücksichtigung der zwischen den einzelnen Rechtsordnungen bestehenden Unterschiede getroffen, so liegt darin allein noch kein unlauteres Verhalten. Dies entspricht zudem der Rechtsprechung des BGH zur innerstaatlichen Preisbildungsfreiheit, wonach grundsätzlich jede Form der Preisunterbietung erlaubt (und als wettbewerbsimmanent erwünscht) ist.813 Fraglich ist aber, wie die Grenze konkret zu ziehen ist zwischen dem Missbrauch von Gestaltungsformen
812
s. o. in Teil 1 § 1. Dabei ist unerheblich, ob der Gewerbetreibende mit seinen Preisen seine Selbstkosten oder seinen Einstandspreis unterschreitet, soweit nicht im Einzelfall § 20 Abs. 4 Satz 2 GWB eingreift, vgl. BGH, Beschl. v. 15.7.1966 – KVR 3/65 –, BGHZ 46, 168 (174 ff.); eine Grenze für Preisunterbietungen ist nur dann zu ziehen, wenn der Wettbewerb in seinem Bestand gefährdet wird, weil kein Wettbewerber den Preiskampf überstehen würde, vgl. den sog. Benrather Tankstellenfall des RG als klassisches Beispiel planmäßiger Vernichtungsunterbietung, RG, Urt. v. 18.12.1931 – II 514/30 –, RGZ 134, 342. 813
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Teil 1: Mobiler Arbeitnehmereinsatz als Wettbewerbsfaktor
durch das Ausnutzen von Unterschieden der nationalen Arbeitsrechts- und Sozialrechtssysteme einerseits und dem andererseits auf einem europäischen Binnenmarkt zuzulassenden Wettbewerb zwischen Individuen. Die Charakterisierung eines Wettbewerbsverhaltens als unlauter bedarf mithin stets einer Güterund Interessenabwägung, aufgrund deren Ergebnis die Vielfalt nationaler Rechtsordnungen und Wirtschaftsbedingungen zum Problem wird und nicht als Chance anzusehen ist.
Teil 2
Autonomiebegrenzung durch Entsenderecht Mitte der neunziger Jahre sind auf europäischer wie auf nationaler Ebene entsenderechtliche Abwägungsmodelle entstanden, die auf der Basis eines Ausgleichs der konfligierenden Interessen an freiem Wettbewerb, Arbeitnehmerschutz und Marktabschottung eine eigene Definition der Lauterkeit des grenzüberschreitenden binnenmarktinternen Wettbewerbs festlegen und dabei bislang bestehende Autonomien eingrenzen.
§ 1 Europäisches Modell: Entsenderichtlinie 96/71/EG vom 16.12.1996 A. Inhalt des aufgestellten Rahmens I. Arbeitnehmermobilitätsformen iSd. Art. 1 EG-RL 96/71 Die Entsenderichtlinie gilt gem. Art. 1 Abs. 1 EG-RL 96/71 für Unternehmen, die in einem EG-Mitgliedstaat ansässig sind und ihre Arbeitnehmer im Rahmen einer länderübergreifenden Dienstleistungserbringung im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaates einsetzen.1 1. Dienstleistungserbringung als Wettbewerbsgegenstand Die rechtlichen Möglichkeiten und Folgen mobiler Personaleinsätze einschließlich der sich daraus ergebenden mobilitätsspezifischen Wettbewerbsfaktoren haben Auswirkungen auf das grenzüberschreitende Angebot des Arbeitgebers im Wettbewerb sowohl auf Güter- als auch auf Dienstleistungsmärkten.2 Bei einem solchen Angebot sind abgestufte Intensitätsgrade einer dabei von Arbeitnehmern zu erbringenden Tätigkeit und ihrer Wettbewerbsrelevanz denkbar. So können Arbeitnehmer vorübergehend bei der Warenherstellung in einem im Ausland gelegenen Betrieb des Arbeitgebers, bei der unmittelbaren Angebotsun1 Gem. Art. 1 Abs. 2 EG-RL 96/71 sind allerdings Schiffsbesatzungen von Unternehmen der Handelsmarine vom Anwendungsbereich der Richtlinie ausgenommen. 2 Hierzu näher oben unter Teil 1 § 1 B. und § 2 B.
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Teil 2: Autonomiebegrenzung durch Entsenderecht
terbreitung auf ausländischen Messen oder Märkten und bei der Warenübergabe im Ausland tätig werden, auch wenn sich das Angebot dabei letztlich ausschließlich auf den Verkauf von Gütern richtet und die Gegenstandsbezogenheit der Marktteilnahme daher dominiert. Der Einfluss mobilitätsspezifischer Wettbewerbsfaktoren auf den Angebotsinhalt wächst mit dem Tätigkeitsgehalt des Angebotes, mithin von der im Ausland erfolgenden Erstellung eines Werkes iSd. § 631 BGB als geschuldetem Erfolg über die im Ausland zu erbringenden Dienste als solche iSd. § 611 BGB bis hin zum Arbeitnehmerverleih an einen ausländischen Entleiher, bei der die Arbeitsleistung das ausschließliche Substrat des Leistungsangebotes darstellt. Von diesem Spektrum möglicher Angebotsinhalte erfasst Art. 1 Abs. 1 EGRL 96/71 nur die „Erbringung von Dienstleistungen“ als Gegenstand grenzüberschreitenden Wettbewerbs. Die dem Richtlinientext vorangestellten Gründe beziehen sich durchgehend auf die Dienstleistungsfreiheit iSd. Art. 49 EGV, auch wird darin als Ermächtigungsgrundlage Art. 66 (nunmehr Art. 55) EGV genannt, so dass der in Art. 1 Abs. 1 EG-RL 96/71 enthaltene Begriff der Dienstleistungserbringung im Wege autonomer Auslegung an der Begriffsdefinition der Art. 49, 50 EGV auszurichten ist.3 Der Dienstleistungsbegriff des EGV ist weiter als derjenige des § 611 BGB.4 So definiert der Auffangtatbestand des Art. 50 Abs. 1 EGV selbständige Erwerbstätigkeiten als Dienstleistungen, soweit sie nicht den Bestimmungen über den Warenverkehr, den Kapitalverkehr und die Freizügigkeit der Personen unterliegen. Bei einer dominierenden Gegenstandsbezogenheit des Angebotsinhaltes, wenn also die grenzüberschreitende Leistung größtenteils in einer beweglichen Sache verkörpert ist, wie im obigen Beispiel des Arbeitnehmereinsatzes bei der Warenherstellung im ausländischen Betrieb, der Warenübergabe oder der Angebotsunterbreitung, dann liegt keine Dienstleistung des Arbeitgebers mehr vor, sondern Warenverkehr mit dem Ziel einer Teilnahme an Gütermärkten.5 Dasselbe gilt dann, wenn sich die Tätigkeit als bloß unbedeutender Annex zum Warenvertrieb darstellt.6 Im Falle einer Vermischung gegenstands- und tätigkeitsbezogener Elemente kommt es auf den Schwerpunkt des Angebotsinhaltes an.7 Wesentlich ist weiter, dass der Arbeitgeber seinen Sitz und Tätigkeits3 Dies wird auch aus dem ursprünglichen ersten Richtlinienentwurf der Kommission ersichtlich, dessen Art. 2a noch von der „Ausführung eines Werk- oder Dienstleistungsvertrages“ spricht und sich damit deutlich vom sachbezogenen Kaufvertrag abgrenzt, vgl. den Vorschlag für eine Richtlinie des Rates über die Entsendung von Arbeitnehmern im Rahmen der Erbringung von Dienstleistungen (KOM(91) 230 endg.) vom 28.6.1991, ABl. EG 1991 C 225/6; im gemeinsamen Standpunkt des Rates (EG) Nr. 32/96 vom 3.6.1996 wurde insofern auf den allgemeineren Begriff des „Vertrages“ ausgewichen, ohne dadurch jedoch eine inhaltliche Änderung zu beabsichtigen, ABl. EG 1996 C 220/1. 4 Hakenberg in: Lenz/Borchardt, EUV/EGV, Art. 49/50 EGV Rn. 7. 5 Geiger, EUV/EGV, Art. 50 EGV Rn. 1.
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schwerpunkt auch während des grenzüberschreitenden Wettbewerbs in seinem Heimatstaat beibehält und sich nicht etwa im Staat der Marktteilnahme niederlässt iSd. Art. 43 EGV. Eine Niederlassung ist nach der weiten Begriffsdefinition des EuGH die tatsächliche Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit mittels einer festen Einrichtung in einem anderen Mitgliedstaat auf unbestimmte Zeit.8 Nicht erforderlich ist die juristische Selbständigkeit einer solchen Einrichtung; mithin kann auch ein Betrieb oder eine Agentur eine Niederlassung darstellen, sofern sich der Zweck dieser Einrichtung nicht in der punktuellen Dienstleistung erschöpft.9 Im Gegensatz zur stabilen und kontinuierlichen Teilnahme am Wirtschaftsleben eines anderen Mitgliedstaates mittels einer Niederlassung stellt die Dienstleistung gem. Art. 50 Abs. 3 EGV nur eine vorübergehende Marktteilnahme im Aufnahmestaat dar.10 Dieser vorübergehende Charakter der Leistung ergibt sich aus ihrer zeitlichen Beschränkung, ist aber auch nach ihrer Häufigkeit und etwaigen regelmäßigen Wiederkehr und Kontinuität zu beurteilen.11 Allerdings sind auch Fälle denkbar, in denen der Arbeitgeber zwar eine Zweitniederlassung im Aufnahmestaat unterhält, der vorübergehende dortige Einsatz seines gewöhnlich im Sitzstaat beschäftigten Arbeitnehmers aber trotzdem im Rahmen einer Dienstleistungserbringung erfolgt, für deren grenzüberschreitenden Charakter die Tatsache der vorübergehenden Verlagerung der Arbeitskraft als Produktionsmittel ausreicht. Denn die fehlende Kontinuität derartiger Dienstleistungen verhindert auch hier eine dauerhafte Marktteilnahme des Arbeitgebers. Durch diese Anbindung an den Dienstleistungsbegriff der Art. 49, 50 EGV und die damit erforderlichen Abgrenzungen zu Warenverkehr und Niederlassung verengt die Entsenderichtlinie ihren Anwendungsbereich auf die vorübergehende Teilnahme des Arbeitgebers an ausländischen Dienstleistungsmärkten. 2. Entsendungsbegriff der Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 3 EG-RL 96/71 Vor dem Hintergrund der vorgenannten Dienstleistungsdefinition verstehen sich auch die vom Entsendungsbegriff der EG-RL 96/71 erfassten Mobilitätsformen. Dementsprechend legt Nr. 4 der dem Richtlinientext vorangestellten 6 Vgl. EuGH, Urt. v. 19.3.1991 – Rs. C-202/88 (Frankreich/Kommission) –, Slg. 1991, I-1223 (bzgl. der Errichtung, Inbetriebsetzung und Wartung von Telekommunikationsendgeräten). 7 EuGH, Urt. v. 24.3.1994 – Rs. C-275/92 (Schindler) –, Slg. 199, I-1039. 8 EuGH, Urt. v. 25.7.1991 – Rs. C-221/89 (Factortame u. a.) –, Slg. 1991, I-3905, Rz. 20; EuGH, Urt. v. 30.11.1995 – Rs. C-55/94 (Gebhard) –, Slg. 1995, I-4165, Rz. 23 ff. 9 EuGH, Urt. v. 30.11.1995 – Rs. C-55/94 (Gebhard) –, Slg. 1995, I-4165, Rz. 27. 10 Hakenberg in: Lenz/Borchardt, EU/EGV, Art. 49/50 EGV Rn. 8. 11 EuGH, Urt. v. 30.11.1995 – Rs. C-55/94 (Gebhard) –, Slg. 1995, I-4165, Rz. 27.
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Gründe zwei Grundformen der Dienstleistungserbringung fest, nämlich die Ausführung eines zwischen dem Arbeitgeber und dem Leistungsempfänger geschlossenen Auftrages, wobei darunter sämtliche tätigkeitsorientierten Verträge im obigen Sinne des Dienstleistungsbegriffs fallen, und den Arbeitnehmerverleih. Diese Grundformen finden sich in den genaueren Definitionen des Entsendungsbegriffs in Art. 1 Abs. 3a–c EG-RL 96/71 wieder, dem die zu Beginn dieser Untersuchung vorgenommene Dreiteilung möglicher Formen von Arbeitnehmermobilität zugrunde liegt.12 Den folgenden Fallgruppen immanent ist die Konstante, dass zwischen dem entsendenden Unternehmen und dem mobilen Arbeitnehmer auch während des Auslandseinsatzes ein Arbeitsverhältnis fortbesteht.13 Art. 1 Abs. 3a EG-RL 96/71 nennt die Fallgruppe des mobilen Arbeitnehmereinsatzes innerhalb eines Unternehmens, bei dem der Arbeitnehmer als Erfüllungsgehilfe iSd. § 278 BGB im Rahmen eines zwischen seinem Arbeitgeber und dem Dienstleistungsempfänger bestehenden, tätigkeitsorientierten Vertragsverhältnisses eingesetzt wird.14 Dienstleistungsempfänger in diesem Sinne kann auch eine Arbeitsgemeinschaft sein, die von mehreren Unternehmen zur Durchführung eines bestimmten Großprojektes gebildet worden ist.15 Demzufolge unterfällt auch die erste rechtliche Variante der Abordnung eines Arbeitnehmers an eine solche Arge16, in der ein Arbeitgeber seinen Arbeitnehmer ausschließlich im Rahmen seiner eigenen gesellschaftsrechtlichen Vertragsleistung einsetzt, Art. 1 Abs. 3a EG-RL 96/71. Die Arbeitnehmerüberlassung als durch Art. 49 EGV geschützte Dienstleistung17 findet sich in Art. 1 Abs. 3c EG-RL 96/71, wobei die Norm mangels ausdrücklicher Differenzierung im Wortlaut sowohl den unechten, d.h. gewerbsmäßigen, als auch den echten Arbeitnehmerverleih erfasst.18 Unter Art. 1 Abs. 3c EG-RL 96/71 fällt damit auch die Variante der Abordnung an eine Arge in der Form des Arbeitnehmerverleihs.19 12
s. o. unter Teil 1 § 1 A. I. Däubler, EuZW 1993, 370 (372). 14 Z. B. zur Erfüllung eines Werk- oder Dienstvertrages; sog. Entsendung i. e. S., s. o. unter Teil 1 § 1 A. II. 1. 15 Dies folgt mittelbar aus dem Urteil des EuGH vom 25.10.2001 – Rs. C-493/99 (Kommission/Deutschland) –, Slg. 2001, I-8163, in dem bei der Beurteilung des § 1 Abs. 1 Satz 2, 3 AÜG a. F. die Eigenschaft der Arge als Empfänger einer Dienstleistung iSd. Art. 49 EGV vorausgesetzt wurde. 16 Zu den rechtlichen Varianten des mobilen Arbeitnehmereinsatzes bei einer Arge s. o. unter Teil 1 A. I. 17 EuGH, Urt. v. 17.12.1981 – Rs. 279/80 (Webb) –, Slg. 1981, 3305; EuGH, Urt. v. 25.10.2001 – Rs. C 493/99 (Kommission/Deutschland) –, Slg. 2001, I-8163 Rz. 18. 18 Sowohl der erste als auch der zweite Richtlinienentwurf der Kommission beschränkte den Anwendungsbereich noch auf die gewerbsmäßige Arbeitnehmerüberlassung, vgl. Art. 2b des Vorschlags für eine Richtlinie des Rates über die Entsendung von Arbeitnehmern im Rahmen der Erbringung von Dienstleistungen (KOM(91) 230 endg.) vom 28.6.1991, ABl. EG 1991 C 225/6 und Art. 2b des geänderten Vorschlags 13
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Art. 1 Abs. 3b EG-RL 96/71 regelt schließlich zwei Mobilitätsformen: Einmal die verbleibende Konstellation der Versetzung in einen anderen Betrieb desselben Unternehmens aus der Fallgruppe des mobilen Arbeitnehmereinsatzes innerhalb eines Unternehmens, und sodann die Fallgruppe der konzerninternen Mobilität. Allerdings setzt auch die Entsendung in „ein der Unternehmensgruppe angehörendes Unternehmen“ nach dem eindeutigen Wortlaut dieser Vorschrift voraus, dass „für die Dauer der Entsendung ein Arbeitsverhältnis zwischen dem entsendenden Unternehmen und dem Arbeitnehmer besteht“. Aus Systematik und Regelungszweck der am Arbeitnehmerschutz orientierten und von den objektiven Anknüpfungsregeln des Art. 30 Abs. 2 EGBGB abweichenden Entsenderichtlinie wird deutlich, dass sämtliche Fallgruppen des Art. 1 Abs. 3 EG-RL 96/71 eine eindeutige Zuordnung des Arbeitsvertragsverhältnisses zu einem einzigen Arbeitgeber und einem nationalen Arbeitsmarkt20 voraussetzen. Dies bestätigt auch Nr. 4 der dem Richtlinientext vorangestellten Gründe der EG-RL 96/71, dessen Definition der Dienstleistungserbringung keinen Raum für die Neubegründung eines weiteren Arbeitsverhältnisses lässt. Die bei konzerninterner Arbeitnehmermobilität grundsätzlich möglichen Gestaltungsformen eines endgültigen konzerninternen Arbeitgeberwechsels und der Kombination eines ruhenden Stammarbeitsverhältnisses mit einem aktivem Zweitarbeitsverhältnis, aber auch eines einheitlichen Arbeitsverhältnisses zu mehreren Konzerngesellschaften oder zweier aktiv durchgeführter, rechtlich miteinander verknüpfter Arbeitsverhältnisse21 fallen mithin aus dem Anwendungsbereich der Entsenderichtlinie heraus.22 Art. 1 Abs. 3b EG-RL 96/71 erfasst daher lediglich den konzerninternen Arbeitnehmerverleih.23 Aus demselben Grund ist die EG-RL 96/71 auch nicht auf die dritte Variante der Abordnung an eine Arge anwendbar, in der mit dieser ein separates Arbeitsverhältnis begründet wird.24
für eine Richtlinie des Rates über die Entsendung von Arbeitnehmern im Rahmen der Erbringung von Dienstleistungen (KOM(93) 225 endg.) vom 16.6.1993, ABl. EG 1993 C 187/5; erst der gemeinsame Standpunkt (EG) Nr. 32/96 des Rates vom 3.6.1996 nannte in Art. 1 Abs. 3c nunmehr ausdrücklich auch das „einen Arbeitnehmer zur Verfügung stellende Unternehmen“, ABl. EG 1996 C 220/1; vgl. auch Franzen, ZEuP 1997, 1055 (1057); Müller, Entsendung, 86. 19 Angesichts der Erfassung dieser beiden Varianten der Abordnung an eine Arge trifft die Aussage Löwischs, FS Zeuner, 91 (94), nicht zu, die Richtlinie fasse diese Mobilitätsform „gar nicht ins Auge“. 20 Zum sog. marktorientierten Auslegungsmodell der objektiven Anknüpfungsregeln des Art. 30 Abs. 2 EGBGB s. o. unter Teil 1 § 2 A. II. 2. b) aa) (2). 21 Hierzu näher oben unter Teil 1 § 1 A. II. 3. a). 22 Ähnlich Birk, ZIAS 1995, 481 (487), der allerdings auch die Kombination eines ruhenden Stammarbeitsverhältnisses mit einem aktiven Zweitarbeitsverhältnis als von der EG-RL 96/71 erfasst ansieht. 23 So auch Krebber, Jahrbuch Junger Zivilrechtswissenschaftler 1997, 129 (133).
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Teil 2: Autonomiebegrenzung durch Entsenderecht
Art. 2 Abs. 1 EG-RL 96/71 ergänzt den Entsendungsbegriff des Art. 1 Abs. 3 EG-RL 96/71 um die Kriterien der Grenzüberschreitung und der zeitlichen Begrenzung des Auslandseinsatzes. So muss der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung während eines begrenzten Zeitraums in einem anderen Mitgliedstaat als demjenigen erbringen, in dem er normalerweise arbeitet. Da der grenzüberschreitende Arbeitnehmereinsatz im Rahmen der Erbringung von Dienstleistungen iSd. Art. 49 EGV erfolgt, ist die lediglich vorübergehende Auslandstätigkeit auch für den Entsendungsbegriff bestimmend. Art. 2 Abs. 1 EG-RL 96/71 konkretisiert die bloß vorübergehende Dauer des Auslandseinsatzes durch das Erfordernis einer genauen zeitlichen Befristung.25 Zwar legt die Richtlinie – im Gegensatz zu Art. 14 Abs. 1a VO (EWG) Nr. 1408/71 – nicht selbst ein zeitliches Höchstmaß fest, jedoch verschärft sie die Anforderungen des Art. 30 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB insofern, als der vorübergehende Charakter einer Auslandstätigkeit sich dem Wortlaut der Vorschrift nach nicht lediglich aus den Umständen ergeben kann. Um allerdings hier nicht Umgehungsversuchen Tür und Tor zu öffnen, wird man auch bei einer fehlenden ausdrücklichen Befristung des Auslandseinsatzes, aber dem Vorliegen entsprechender Umstände von einem begrenzten Zeitraum iSd. Art. 2 Abs. 1 EG-RL 96/71 ausgehen müssen. Schließlich setzt Art. 2 Abs. 1 EG-RL 96/71 die Existenz eines gewöhnlichen Arbeitsortes voraus, indem der Einsatzort demjenigen Mitgliedstaat gegenübergestellt wird, in dem der Arbeitnehmer „normalerweise arbeitet“. Damit erfasst die Richtlinie lediglich Fälle, in denen sich ein tatsächlicher Schwerpunkt der Tätigkeit des Arbeitnehmers überhaupt feststellen lässt und sich dieser zudem nicht vom Entsendestaat in das Land des Einsatzortes verschoben hat. Die Entsenderichtlinie modifiziert mithin lediglich die Rechtsfolgen der indirekten Rechtswahl infolge objektiver Anknüpfung an die lex loci laboris iSd. Art. 30 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB; die Konstellation einer objektiven Anknüpfung an das Recht der Einstellungsniederlassung gem. Art. 30 Abs. 2 Nr. 2 EGBGB und die Ausnahmesituation des Art. 30 Abs. 2 a. E. EGBGB fallen aus dem Anwendungsbereich der EG-RL 96/71 heraus.26
24 Im Übrigen könnte eine Arge auch nicht als „Niederlassung“ iSd. Art. 1 Abs. 3b EG-RL 96/71 bezeichnet werden, auch ist sie nicht als „der Unternehmensgruppe“ des entsendenden Unternehmens „angehörig“ im Sinne dieser Vorschrift anzusehen. 25 Dies ergibt sich auch aus Nr. 3 der dem Richtlinientext vorangestellten Gründe, in der ausdrücklich von einer „zeitlich begrenzte(n) Arbeitsleistung“ gesprochen wird. 26 Diese Einschränkung des Anwendungsbereichs der Richtlinie erfolgte erst im gemeinsamen Standpunkt (EG) Nr. 32/96 des Rates am 3.6.1996, ABl. EG 1996 C 220/ 1; sämtliche vorhergehenden Entwürfe und Stellungnahmen stellten lediglich allgemein auf die Divergenz von Arbeitsvertragsstatut und Einsatzstaat ab.
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3. Arbeitnehmerbegriff des Art. 2 Abs. 2 EG-RL 96/71 Art. 2 Abs. 2 EG-RL 96/71 legt fest, dass sich der Begriff des Arbeitnehmers jeweils nach der Definition desjenigen Mitgliedstaates bestimmt, in dessen Gebiet der vorübergehende Arbeitseinsatz erfolgt. Im Gegensatz zu der aufgrund von Art. 36 EGBGB gebotenen vertragsautonomen Qualifikation des in Art. 30 EGBGB enthaltenen Arbeitnehmerbegriffs verzichtet die Richtlinie auf eine autonome Qualifikation des der Entsendung zugrunde liegenden Rechtsverhältnisses als Arbeitsverhältnis, auch scheidet eine Qualifikation nach der lex fori aus. Stattdessen postuliert Art. 2 Abs. 2 EG-RL 96/71 eine lex-causae-Qualifikation, indem sich der Arbeitnehmerbegriff aus demjenigen nationalen Rechtssystem ergeben soll, auf das sich der Anwendungsbefehl des Art. 3 EG-RL 96/71 richtet. Insofern entspricht Art. 2 Abs. 2 EG-RL 96/71 der in Art. 2 Abs. 1 iVm. Art. 1a VO (EWG) Nr. 1408/71 enthaltenen Regelung.27 Wie die VO (EWG) Nr. 1408/71 hat auch die EG-RL 96/71 ausweislich Nr. 13 der dem Richtlinientext vorangestellten Gründe eine Koordinierung national zwingender Bestimmungen zum Ziel. Da die Entsenderichtlinie nationale Vorschriften zum Schutz entsandter Arbeitnehmer für anwendbar erklären will, ist es nur folgerichtig (und zwecks Inländergleichbehandlung auch sinnvoll), die Definition des Arbeitnehmers und dessen Schutzbedürftigkeit dem Einsatzstaat zu überlassen. Zur Vermeidung eines auch hier für lex-causae-Qualifikationen typischen Zirkelschlusses liegt es nahe, die Rechtsprechung des EuGH bezüglich der VO (EWG) Nr. 1408/7128 sinngemäß zu übertragen, der zufolge zunächst hypothetisch von der Arbeitnehmereigenschaft des Betroffenen ausgegangen und sodann das danach anwendbare Recht bestimmt wird, dessen Bestimmungen aber nur dann anzuwenden sind, wenn der Arbeitnehmer die Definitionsmerkmale dieses Rechtssystems auch wirklich erfüllt. Die Entsenderichtlinie überlässt mithin die Festlegung ihres Anwendungsbereichs den Mitgliedstaaten, die ihre zwingenden Bestimmungen mittels entsprechender Umsetzungsakte auf diejenigen Personen erstrecken, die in ihr Hoheitsgebiet entsandt sind und nach ihrem Begriffsverständnis als Arbeitnehmer anzusehen sind. II. Zwingende Bestimmungen iSd. Art. 3 Abs. 1, 7 EG-RL 96/71 1. Eingriffsnormen sui generis Das bislang in EGBGB und EVÜ enthaltene System kollisionsrechtlicher Autonomiebeschränkungen wird im Anwendungsbereich der Entsenderichtlinie we27
Hierzu näher oben unter Teil 1 § 2 A. II. 2. a). Vgl. EuGH, Urt. v. 13.10.1993 – Rs. C-121/92 (Staatssecretaris van Financiën/ Zinnecker) –, Slg. 1993, I-5023; s. o. Teil 1 § 2 A. II. 2. a). 28
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Teil 2: Autonomiebegrenzung durch Entsenderecht
sentlich modifiziert: Art. 3 Abs. 1, 7 EG-RL 96/71 erklären bestimmte gesetzliche und tarifliche Arbeitsbedingungen des Einsatzstaates für international zwingend, es sei denn, aus dem Recht des Heimatstaates ergeben sich für den Arbeitnehmer günstigere Arbeitsbedingungen.29 Diese Modifikationen lösen sowohl die Zugehörigkeit des Arbeitnehmerschutzrechts zur vertraglichen Ausgleichsebene bipolarer Parteiinteressen als auch die Bindung des Tarifstatuts an das Arbeitsvertragsstatut30 auf und führen damit zu einem Bruch des Systems kollisionsrechtlicher Autonomiebeschränkungen. a) Zwingende Arbeitsbedingungen des Einsatzstaates Art. 3 Abs. 1 Satz 1 a)–g) EG-RL 96/71 enthält einen Katalog von Arbeitsbedingungen, deren Geltung im Einsatzstaat auf vorübergehend grenzüberschreitend eingesetzte Arbeitnehmer iSd. Art. 1, 2 EG-RL 96/71 erstreckt werden soll. Darin ist ein Teil der bereits in Teil 1 dieser Untersuchung als mobilitätsspezifische internationale Wettbewerbsfaktoren charakterisierten Arbeitsbedingungen31 enthalten. Der Katalog geht in seinem Umfang jedoch über die Faktoren der Gehaltshöhe und des Arbeitsortes hinaus und weist den Mitgliedstaaten eine Kompetenz zu international zwingenden Festlegungen iSd. Art. 3 Abs. 1 Satz 1 EG-RL 96/71 mit einer teilweise erheblichen Reichweite zu. Die in diesem Sinne engste Kompetenzzuweisung enthält Art. 3 Abs. 1 Satz 1 c) EG-RL 96/71. Die Regelung nennt Mindestlohnsätze einschließlich der Überstundensätze, nimmt hiervon jedoch zusätzliche betriebliche Altersversorgungssysteme aus. Der Begriff der Mindestlohnsätze wird nach der lex causae qualifiziert, indem Art. 3 Abs. 1 Satz 2 EG-RL 96/71 auf Rechtsvorschriften und Praktiken des Einsatzstaates verweist, allerdings auf der Basis eines in der Richtlinie enthaltenen Grundverständnisses. Als „Lohn“ ist danach die vom Arbeitgeber als Gegenleistung für die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers zu zahlende Vergütung im Sinne eines geldwerten Vorteils zu verstehen.32 Gem. Art. 3 29 Franzen, ZEuP 1997, 1055 (1068) sieht in ähnlicher Weise eine Divergenz der EG-RL 96/71 gegenüber dem EVÜ im Hinblick auf Eingriffsnormen und das Günstigkeitsprinzip; auch Krebber spricht von der „Systemwidrigkeit“ entsenderechtlicher Eingriffsnormen, IPRax 2001, 22 (23, 28); a. A. Hanau, FS Everling, 415 (428), demzufolge sich die EG-RL 96/71 nahtlos in das bisherige Kollisionsrecht einfügt. 30 Hierzu im Einzelnen oben unter Teil 1 § 2 A. II. 2. b) aa) (3) und Teil 1 § 2 A. II. 2. b) bb). 31 s. o. unter Teil 1 § 2 B. II. 2. a) aa). 32 Schaub, ARHandbuch, § 66 Rn. 4; der hier erforderliche Bezug zum unmittelbaren vertraglichen Austauschverhältnis ergibt sich zudem aus einem Vergleich mit der – zum Zweck des Diskriminierungsschutzes – weiten Entgeltdefinition des Art. 141 Abs. 2 EGV, die den Begriff der „Mindestlöhne“ ausdrücklich um sonstige Vergütungen erweitert, die zwar ihre Ursache im Arbeitsverhältnis haben, jedoch nicht als Gegenleistung für die Arbeitsleistung gezahlt werden; dementsprechend nimmt Art. 3
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Abs. 7 Satz 2 EG-RL 96/71 gelten auch dem Arbeitnehmer bereits nach dem Heimatrecht zustehende Entsendungszulagen als Bestandteil des Mindestlohnes, es sei denn, sie sind als konkreter Aufwendungsersatz an tatsächlich entstandene Kosten wie Reise-, Unterbringungs- oder Verpflegungskosten gebunden.33 Aus dieser ausdrücklichen Erwähnung einer speziellen Zulagenart lässt sich schlussfolgern, dass Mindestlohnsätze ansonsten lediglich den Grundlohn der untersten Gehaltsstufe und nicht auch Zulagen oder Zuschläge umfassen.34 Aus der Ausrichtung der Richtlinie an einer sozialen Mindestsicherung folgt zudem, dass – abgesehen von einem allgemeinen gesetzlichen Mindestlohn – international zwingend lediglich die für bestimmte Regionen, Gewerbe oder Beschäftigungsarten jeweils geltende unterste Tariflohnstufe sein soll und der Begriff der Mindestlohnsätze in Art. 3 Abs. 1 Satz 1 c) EG-RL 96/71 nicht nach einzelnen Berufsgruppen innerhalb dieser Gewerbe bzw. Beschäftigungsarten relativiert wird.35 Dies ergibt sich auch aus systematischen Erwägungen, da die EG-RL 96/71 selbst in Art. 3 Abs. 8 Satz 1 eine Klassifizierung von Tarifverträgen nach geographischem Bereich, Tätigkeit oder Gewerbe vornimmt und der Begriff der Mindestlohnsätze in Art. 3 Abs. 1 Satz 1 c) EG-RL 96/71 nicht losgelöst von der entsprechenden Festlegung verstanden werden kann, die ihrerseits aber nach Art. 3 Abs. 1 Satz 1 EG-RL 96/71 entweder mittels eines allgemeinen gesetzlichen Mindestlohnes oder aber durch Lohnfestsetzungen in einzelnen Tarifverträgen iSd. Art. 3 Abs. 8 Satz 1 EG-RL 96/71 erfolgt. Der Begriff der „Lohnsätze“ begrenzt den Anwendungsbereich der Richtlinie auf die Lohnhöhe, die Vergütungspflicht als solche im Sinne eines „ob“ der Zahlung wird nicht erfasst. Schließlich weist die Bezeichnung als „Mindestlohn“ darauf hin, dass derartige Lohnsätze von den Mitgliedstaaten als absolute Untergrenze verstanden werden müssen, die als abstrakt-generelle Regelung von den Arbeitsvertragsparteien nicht unterschritten werden kann. Insbesondere hier ist der Verweis des Art. 3 Abs. 1 Satz 2 EG-RL 96/71 auf die „Rechtsvorschriften Abs. 1 Satz 1 c) EG-RL 96/71 Beiträge zu betrieblichen Altersversorgungssystemen und entsprechende Betriebsrenten von seinem Mindestlohnbegriff aus, die jedoch dem Entgeltbegriff des Art. 141 Abs. 2 EGV unterfallen, vgl. EuGH, Urt. v. 11.3.1981 – Rs. 69/80 (Worringham, Humphreys/Lloyds Bank Ltd.) –, Slg. 1981, 767; EuGH, Urt. v. 17.5.1990 – Rs. C-262/88 (Barber/Guardian Royal Exchange Assurance Group) –, Slg. 1990, I-1889. 33 Die Vorschrift wird allerdings erst bei einem nach Art. 7 Abs. 1 EG-RL 96/71 gebotenen Günstigkeitsvergleich relevant. 34 So weist der gemeinsame Standpunkt (EG) Nr. 32/96 des Rates vom 3.6.1996 ausdrücklich darauf hin, dass an der Bezugnahme auf Lohnzuschläge nicht festgehalten wurde, ABl. EG 1996 C 220/1 (220/8); vgl. auch Koberski/Asshoff/Hold, AEntG, § 1 Rn. 208, 211. 35 Löwisch, GS Eucken, 221 (235); dem steht auch nicht die Wortwahl „Mindestlohnsätze“ entgegen, da sich der Plural auf die verschiedenen Gewerbe und Beschäftigungsarten bezieht und damit den Fall des Art. 3 Abs. 1 Satz 1 2. SpStr. EG-RL 96/ 71 meint, in dem Tarifbestimmungen einen einheitlichen gesetzlichen Mindestlohn ersetzen oder ergänzen.
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und/oder Praktiken“ der Mitgliedstaaten sinnvoll, die so einen entsprechenden Normzwang mit verschiedenen Mitteln und unterschiedlicher Reichweite anordnen können.36 Die aus den Lohnkostenstatistiken ersichtlichen erheblichen Differenzen der durchschnittlichen nationalen Lohnkostenhöhen innerhalb der EG wie auch im Verhältnis der Mitgliedstaaten zu künftigen Beitrittskandidaten37 lassen auf entsprechende Unterschiede auch bei den nationalen Mindestlohnsätzen schließen und machen die hohe Wettbewerbsrelevanz dieses preisbildenden Kostenfaktors deutlich. Mittelbaren Einfluss hat dieser Kostenfaktor auch auf den in Art. 3 Abs. 1 Satz 1 b) EG-RL 96/71 genannten bezahlten Mindestjahresurlaub. Aus dem ausdrücklichen Hinweis dieser Vorschrift auf die fortbestehende Vergütungspflicht des Arbeitgebers folgt, dass der Begriff des Urlaubs hier als Freistellung bei Gehaltsfortzahlung, mithin als Erholungsurlaub zu verstehen ist.38 Der Begriff „bezahlt“ meint dabei nach seinem eindeutigen Wortlaut das reine Arbeitsentgelt als Ausprägung der allgemeinen Ausnahmeregel „Lohn ohne Arbeit“ und erstreckt sich insofern auch aus systematischen Erwägungen nicht auf ein etwaiges, ausnahmsweise darüber hinaus zu zahlendes Urlaubsgeld.39 Entsprechende Festlegungen durch den Einsatzstaat iSd. Art. 3 Abs. 1 Satz 1 EG-RL 96/71 betreffen die Dauer der Freistellung, die Höhe der Urlaubsvergütung und darüber hinaus aufgrund des insofern weit gefassten Wortlauts des Art. 3 Abs. 1 Satz 1 b) EG-RL 96/71 alle sonstigen Bedingungen der Inanspruchnahme und Gewährung dieses Urlaubsanspruchs wie z. B. den Krankheitsfall oder eine etwaige Abgeltung. Das hierdurch eröffnete Anwendungsgebiet verfügt mithin bereits über eine größere Reichweite als das vorgenannte.40 Nochmals ausgedehnt wird diese Reichweite in Art. 3 Abs. 1 Satz 1 d) EGRL 96/71 in Bezug auf Festlegungen des Einsatzstaates bezüglich der „Bedingungen für die Überlassung von Arbeitskräften, insbesondere durch Leiharbeitsunternehmen“. Den Begriff der Überlassung umschreibt die Richtlinie in Art. 1 36 Entgegen der Auffassung von Ossenbühl/Cornils, Rechtsgutachten, 165, bezieht sich dieser Konkretisierungsspielraum nicht auf eine Relativierung des Begriffs des Mindestlohns nach einzelnen Lohngruppen, sondern lediglich auf die unterschiedlichen nationalen Arten normativ verbindlicher Lohnfestsetzungen. 37 s. o. unter Teil 1 § 2 B. I. 38 Dieses Begriffsverständnis entspricht dem in Art. 7 der Arbeitszeitrichtlinie verwendeten Wort „Jahresurlaub“, vgl. EG-RL 93/104 des Rates über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung vom 23.11.1993, ABl. EG 1993 L 307/18, geändert durch EG-RL 2000/34 vom 22.6.2000, ABl. EG 2000 L 195/41. 39 Löwisch, GS Eucken, 221 (236); a. A. Ossenbühl/Cornils, Rechtsgutachten, 165. 40 Art. 3 Abs. 1 Satz 1 d) EG-RL 96/71 verweist dabei auf die gesetzlichen Mindestregelungen der einzelnen Mitgliedstaaten, die das Schutzniveau der o. g. Arbeitszeitrichtlinie durchaus überschreiten können, solange dies im jeweiligen Einsatzstaat als national zwingender Mindestschutz angesehen wird; dies verkennt Doppler, die den Begriff des Mindestjahresurlaubs an die in der Arbeitszeitrichtlinie festgelegte Dauer koppelt (Vereinbarkeit des AEntG, 84).
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Abs. 3c EG-RL 96/71 damit, dass ein Arbeitnehmer bei fortbestehendem Arbeitsverhältnis zu seinem Arbeitgeber einem Dritten zur Verfügung gestellt wird. Indem Art. 1 Abs. 3c EG-RL 96/71 diesen Dritten als „verwendendes Unternehmen“ bezeichnet, wird eine entsprechend eigenständige Verwendungsbefugnis des Dritten impliziert, mithin die zeitweilige Übertragung von Aufsicht und Direktionsrecht des Arbeitgebers als wesentliches Kriterium des Arbeitnehmerverleihs.41 Die in Art. 1 Abs. 3c EG-RL 96/71 enthaltene Differenzierung zwischen Leiharbeitsunternehmen und „einen Arbeitnehmer zur Verfügung stellenden Unternehmen“ weist auf einen entsprechenden Unternehmenszweck des Leiharbeitsunternehmens hin und entspricht damit den Varianten echter und unechter, d.h. gewerbsmäßiger, Arbeitnehmerüberlassung; Art. 3 Abs. 1 Satz 1 d) EG-RL 96/71 erfasst aufgrund seines eindeutigen Wortlautes beide Varianten. „Bedingungen für die Überlassung“ sind sämtliche Anforderungen, die der Einsatzstaat an die Wirksamkeit und den Inhalt des Leiharbeitsvertrages stellt, was auch öffentlich-rechtliche Erlaubnispflichten mit einschließt. Art. 3 Abs. 1 Satz 1 a) EG-RL 96/71 nennt Festlegungen des Einsatzstaates bezüglich Höchstarbeitszeiten und Mindestruhezeiten. Damit werden zwei Aspekte exemplarisch für den allgemeinen Arbeitszeitschutz genannt, der neben der Festsetzung einer zeitlichen Höchstdauer für die tägliche Arbeitszeit die zeitliche Lage der Arbeitszeit regelt, Arbeitspausen und Ruhezeiten vorschreibt und die Arbeit an Sonn- und Feiertagen beschränkt.42 Der Begriff der Arbeitszeit meint die Zeitspanne zwischen Arbeitsbeginn und Arbeitsende, in der ein Arbeitnehmer dem Arbeitgeber zur Verfügung steht und seine Arbeitsleistung erbringt. Als Ruhezeit gilt der Zeitraum zwischen dem Arbeitsende und ihrem Wiederbeginn, mithin jede Zeitspanne außerhalb der Arbeitszeit, hiervon nicht erfasst sind Ruhepausen während der Arbeitszeit. Dieses Begriffsverständnis findet sich zudem in den Begriffsdefinitionen des Art. 2 Nr. 1, 2 der Arbeitszeitrichtlinie 43, die zur Auslegung der entsprechenden Regelungen der Entsenderichtlinie aus systematischen Erwägungen heranzuziehen sind. Art. 3 Abs. 1 Satz 1 a) EG-RL 96/71 konkretisiert allerdings nicht den Bezugszeitraum für 41 Insofern ergibt sich ein Gleichklang mit der in Art. 1 Abs. 1 und Art. 3 Abs. 1b des Entwurfs einer EG-Richtlinie über Leiharbeit enthaltenen Definition, vgl. den Geänderten Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über Leiharbeit vom 28.11.2002, KOM (2002) 701 endg., s. o. unter Teil 1 § 1 A. II. 2. b) bb) (2) (b). 42 Die Richtlinienentwürfe der Kommission hatten diese einzelnen Aspekte des Arbeitszeitschutzes noch ausdrücklich genannt, vgl. Art. 3 Abs. 1b i) des Vorschlags KOM(91) 230 endg. vom 28.6.1991, ABl. EG 1991 C 225/6 und Art. 3 Abs. 1b i) des Vorschlags KOM(93) 225 endg. vom 16.6.1993, ABl. EG 1993 C 187/5; nach dem gemeinsame Standpunkt (EG) Nr. 32/96 des Rates vom 3.6.1996 wurde jedoch insofern eine „allgemeinere Formulierung“ gewählt, ABl. EG 1996 C 220/1 (220/8). 43 EG-RL 93/104 des Rates über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung vom 23.11.1993, ABl. EG 1993 L 307/18, geändert durch EG-RL 2000/34 vom 22.6.2000, ABl. EG 2000 L 195/41.
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das geforderte Maximal- und Mindestmaß von Arbeits- und Ruhezeiten, so dass die Regelung im Zweifel vollumfänglich auf mitgliedstaatliche Festlegungen täglicher wie wöchentlicher Mindestruhezeiten und entsprechender Höchstarbeitszeiten anwendbar ist.44 Nach Art. 3 Abs. 1 Satz 1 e) EG-RL 96/71 sollen auch Festlegungen des Einsatzstaates bezüglich Sicherheit, Gesundheitsschutz und Hygiene am Arbeitsplatz maßgeblich sein. Damit erfasst die Entsenderichtlinie sowohl mitgliedstaatliche Normen des technischen Arbeitsschutzes, der auf eine Sicherung des Arbeitnehmers vor den Gefahren von Betriebsanlagen und Produktionsweisen abzielt (sog. Betriebs- oder Gefahrenschutz), als auch nationale Vorschriften des medizinischen Arbeitsschutzes, der eine gesunde Arbeitsumgebung erreichen will.45 Zum Katalog zwingender Festlegungen des Einsatzstaates gehören gem. Art. 3 Abs. 1 Satz 1f) EG-RL 96/71 auch Schutzmaßnahmen im Zusammenhang mit den Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen von Schwangeren und Wöchnerinnen sowie von Kindern und Jugendlichen. Diese betreffen das Schutzrecht für besondere Arbeitnehmergruppen als Bestandteil des sozialen Arbeitsschutzes.46 Auch in diesem Bereich existieren bereits Richtlinien, deren Begriffsdefinitionen bei der Auslegung von Regelungen der Entsenderichtlinie aus systematischen wie auch Zweckmäßigkeitsgründen heranzuziehen sind. So setzt Art. 2a der EG-RL 92/8547 für den Begriff der Schwangeren voraus, dass die schwangere Arbeitnehmerin den Arbeitgeber von ihrer Schwangerschaft in Kenntnis gesetzt hat. Eine Wöchnerin ist gem. Art. 2b EG-RL 92/85 eine Arbeitnehmerin kurz nach der Entbindung, die den Arbeitgeber von ihrer Entbindung unterrichtet hat. Schutzmaßnahmen iSd. Art. 3 Abs. 1 Satz 1f) EG-RL 96/71 zugunsten Schwangerer und Wöchnerinnen lassen sich ebenfalls der Zielrichtung der 44 Demgegenüber verzichtet die Arbeitszeitrichtlinie hinsichtlich der Höchstarbeitszeit auf ein tagesbezogenes Höchstmaß, vgl. Art. 6 EG-RL 93/104. 45 Derartige nationale Vorschriften basieren auf einer Vielzahl europäischer Richtlinien (Nachweise bei Schaub, ARHandbuch, § 152 Rn. 10), die die sog. Rahmenrichtlinie (Richtlinie des Rates 89/391/EWG über die Durchführung von Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer bei der Arbeit vom 12.6.1989, ABl. EG 1989 L 183/1) ergänzen. 46 Die beiden Richtlinienentwürfe der Kommission hatten derartige Schutzmaßnahmen darüber hinaus allgemein auf „sonstige Gruppen, die einen besonderen Schutz genießen“, erstreckt, vgl. Art. 3 Abs. 1b vi) des Vorschlags KOM(91) 230 endg. vom 28.6.1991, ABl. EG 1991 C 225/6 und Art. 3 Abs. 1b vi) des Vorschlags KOM(93) 225 endg. vom 16.6.1993, ABl. EG 1993 C 187/5; nach dem gemeinsame Standpunkt (EG) Nr. 32/96 des Rates vom 3.6.1996 wurde an dieser erweiterten Bezugnahme ausdrücklich nicht festgehalten, ABl. EG 1996 C 220/1 (220/8). 47 Richtlinie 92/85/EWG des Rates über die Durchführung von Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes von schwangeren Arbeitnehmerinnen, Wöchnerinnen und stillenden Arbeitnehmerinnen am Arbeitsplatz – Zehnte Einzelrichtlinie im Sinne des Art. 16 I der Richtlinie 89/391/EWG – vom 19.10.1992, ABl. EG 1992 L 348/1.
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EG-RL 92/85 entnehmen und umfassen zum Schutz ihrer körperlichen und psychischen Gesundheit u. a. bestimmte Beschäftigungsverbote, Nachtarbeitsverbote, die bezahlte Freistellung während des Mutterschutzes und den Ausschluss ordentlicher Arbeitgeberkündigungen. Im Hinblick auf den Kinder- und Jugendarbeitsschutz stellt die EG-RL 94/3348 eine parallele Erkenntnisquelle für die Auslegung des Art. 3 Abs. 1 Satz 1f) EG-RL 96/71 dar: So definiert Art. 3b EG-RL 94/33 als „Kind“ jeden jungen Menschen, der noch nicht 15 Jahre alt ist oder noch der Vollzeitschulpflicht unterliegt. „Jugendlicher“ ist gem. Art. 3c EG-RL 94/33 jeder junge Mensch, der mindestens 15, aber noch nicht 18 Jahre alt ist und nicht mehr der Vollzeitschulpflicht unterliegt. Maßnahmen zum Schutz von Gesundheit und Sicherheit sowie der körperlichen und geistigen Entwicklung der jungen Menschen umfassen nach der Zielrichtung der EG-RL 94/33 das Verbot von Kinderarbeit, die Sicherstellung altersgemäßer Arbeitsbedingungen, den Schutz vor spezifischen, aus mangelnder Erfahrung resultierenden Gefahren, bestimmte Beschäftigungsverbote, Nachtarbeitsverbote und reduzierte Arbeitszeiten bzw. verlängerte Ruhezeiten und Pausen. Auch hier ergibt sich mithin ein weites Feld mitgliedstaatlicher Festlegungen iSd. Art. 3 Abs. 1 Satz 1 EG-RL 96/71. Schließlich erfasst Art. 3 Abs. 1 Satz 1 g) EG-RL 96/71 auch Festlegungen hinsichtlich der Gleichbehandlung von Männern und Frauen sowie andere Nichtdiskriminierungsbestimmungen. Derartige Gleichbehandlungsgebote betreffen in Anbetracht des Regelungsziels der Entsenderichtlinie sämtliche Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen der betroffenen Arbeitnehmergruppen. Hier ist eine sachgrundlose Ungleichbehandlung verboten, wobei die spezifischen Merkmale der dem Diskriminierungsschutz jeweils unterfallenden Arbeitnehmergruppen als solche keinen tauglichen Sachgrund darstellen. Ausdrücklich nennt Art. 3 Abs. 1 Satz 1 g) EG-RL 96/71 die Diskriminierung wegen des Geschlechts, verweist aber durch den Passus „andere Nichtdiskriminierungsbestimmungen“ auch auf sonstige, nach dem Recht des jeweiligen Mitgliedstaates vor Diskriminierungen geschützte Gruppen. So rechtfertigen gem. Art. 3 Abs. 3 GG auch Merkmale wie Abstammung, Rasse, ethnische Herkunft, Heimat, Sprache, Staatsangehörigkeit, Glauben, religiöse und politische Anschauung oder eine Behinderung keine Ungleichbehandlung.49 Eine Vielzahl umgesetzter europäischer Antidiskriminierungsrichtlinien verstärkt diesen Schutz und damit 48 Richtlinie 94/33/EWG des Rates über den Jugendarbeitsschutz vom 22.6.1994, ABl. EG 1994 L 216/12. 49 Der geänderte Richtlinienentwurf der Kommission nannte insofern noch ausdrücklich das Verbot der Diskriminierung aufgrund von Hautfarbe, Rasse, Religion, Überzeugungen, der staatlichen Herkunft, der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der sexuellen Orientierung, vgl. Art. 3 Abs. 1b vii) des Vorschlags KOM(93) 225 endg. vom 16.6.1993, ABl. EG 1993 C 187/5; der gemeinsame Standpunkt (EG) Nr. 32/96 des Rates vom 3.6.1996 zog insofern eine allgemeinere Formulierung vor, ABl. EG 1996 C 220/1 (220/8).
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die Reichweite mitgliedstaatlicher Festlegungen iSd. Art. 3 Abs. 1 Satz 1 g) EG-RL 96/71.50 b) Mittel internationaler Zwangswirkung Art. 3 Abs. 1 Satz 1 EG-RL 96/71 enthält den an die Mitgliedstaaten gerichteten konkreten Umsetzungsauftrag der Richtlinie: Die Mitgliedstaaten sollen in ihrer Eigenschaft als Einsatzstaaten dafür sorgen, dass der Arbeitgeber, unabhängig von dem für das Arbeitsverhältnis mit dem in ihr Hoheitsgebiet entsandten Arbeitnehmer geltenden Arbeitsvertragsstatut, diesem die vorgenannten Arbeitsbedingungen garantiert, die in ihrem Hoheitsgebiet durch Rechts- oder Verwaltungsvorschriften und/oder in der Baubranche durch für allgemeinverbindlich erklärte Tarifverträge oder Schiedssprüche festgelegt sind. Das Richtlinienziel iSd. Art. 249 Satz 3 EGV liegt mithin in der kollisionsrechtlichen Loslösung dieser normativen Festlegungen der genannten Arbeitsbedingungen vom Arbeitsvertragsstatut. aa) Rechts- und Verwaltungsvorschriften Der von Art. 3 Abs. 1 Satz 1 EG-RL 96/71 verwendete Begriff der „Festlegung“ bestimmter Arbeitsbedingungen impliziert einen dadurch erfolgenden Ausschluss entsprechender Vertragsfreiheit.51 Rechts- und Verwaltungsvorschriften iSd. Art. 3 Abs. 1 Satz 1 1. SpStr. EG-RL 96/71 als Mittel derartiger Festlegungen binden daher die Vertragsparteien und stehen in der Hierarchie arbeitsrechtlicher Gestaltungsfaktoren über der Ebene privatautonomer Vereinbarungen. Die separate Nennung kollektivvertraglicher Regelungen in Art. 3 Abs. 1 Satz 1 2. SpStr. EG-RL 96/71 verengt den Begriff der Rechts- und Verwaltungsvorschriften zudem auf Vorschriften ausschließlich staatlichen Ursprungs wie formelle Gesetze, Rechtsverordnungen oder sonstige Verwaltungsregelungen mit Außenwirkung.52 Da der Begriff der „Vorschrift“ auf das Erfor50 So u. a. die Richtlinie 2000/78/EG des Rates zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf vom 27.11.2000, ABl. EG 2000 L 303/16; Richtlinie 2000/43/EG des Rates zur Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes ohne Unterschied der Rasse oder der ethnischen Herkunft vom 29.6.2000, ABl. EG 2000 L 180/22; Richtlinie 76/207/EWG des Rates zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung, zur Berufsbildung und zum beruflichen Aufstieg sowie in Bezug auf die Arbeitsbedingungen vom 9.2.1976, ABl. EG 1976 L 39/40. 51 So sprechen auch Nr. 13 und 17 der dem Richtlinientext vorangestellten Gründe der EG-RL 96/71 von „zwingenden“ Bestimmungen. 52 Diesem Begriffsverständnis entspricht auch die im EGV (z. B. Art. 46 Abs. 1, 58 Abs. 1b, 137 Abs. 2a EGV) zugrunde gelegte Bedeutung von Rechts- und Verwal-
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dernis eines Normcharakters hinweist, muss es sich dabei allerdings stets um eine abstrakt-generelle Regelung handeln. Denn auch der in Nr. 12 und 13 der Gründe der EG-RL 96/71 verwendete Begriff der „Gesetze“ ist vor dem Hintergrund der in Art. 3 Abs. 1 Satz 1 1. SpStr. EG-RL 96/71 aufgeführten „Rechtsund Verwaltungsvorschriften“ im Sinne materieller Gesetze zu verstehen und eröffnet den Mitgliedstaaten so einen entsprechend weiten Gestaltungsspielraum. bb) Allgemeinverbindliche Tarifverträge und Schiedssprüche Als weiteres Mittel einer zwingenden Festlegung von Arbeitsbedingungen hinsichtlich der im Anhang der EG-RL 96/71 aufgeführten Tätigkeiten nennt Art. 3 Abs. 1 Satz 1 2. SpStr. EG-RL 96/71 „für allgemein verbindlich erklärte Tarifverträge oder Schiedssprüche“. Die Entsenderichtlinie enthält allerdings weder eine Definition des Begriffs „Tarifvertrag“ noch des Begriffs „Schiedsspruch“. Aus dem Kontext der in Art. 139 Abs. 1 EGV und Art. 28 GRCharta verwendeten Begrifflichkeiten lässt sich jedoch herleiten, dass Tarifverträge iSd. EGRL 96/71 Kollektivverträge zwischen einer Gewerkschaft und einem Arbeitgeberverband bzw. Arbeitgeber darstellen, die inhaltlich auf die Regelung von Arbeitsbedingungen gerichtet sind.53 Wesentlich ist mithin eine schuldrechtliche Vereinbarung zwischen den Tarifpartnern, die zumindest auf Arbeitnehmerseite als Kollektiv auftreten und darüber hinaus die inhaltliche Beeinflussung einer Vielzahl von Arbeitsverträgen anstreben. In Anbetracht der in den einzelnen Mitgliedstaaten bestehenden rechtlichen Unterschiede hinsichtlich der Art und Intensität dieses Einflusses54 ist eine auch normative Wirkung des Kollektivvertrages iSd. des deutschen TVG vom Tarifvertragsbegriff der EG-RL 96/71 auszunehmen. Ausgehend von diesem auf einem gemeinschaftsrechtlichen Minimalkonsens beruhenden Verständnis des Tarifvertrages als einem schuldrechtlichen Kollektivvertrag über Arbeitsbedingungen stellt ein Schiedsspruch iSd. EG-RL 96/71 eine auf den Abschluss einer solchen Gesamtvereinbarung abzielende Hilfeleistung zur Beendigung einer Gesamtstreitigkeit dar. Der Schiedsspruch ist Bestandteil einer zur Vermeidung von Arbeitskämpfen vorgenommenen Schlichtung von Streitigkeiten zwischen Tarifpartnern über künftige kollektivvertragtungsvorschriften der Mitgliedstaaten als Bestandteil von deren staatlicher Rechtsordnung. 53 Die englische und französische Fassung der EG-RL 96/71 sprechen von „collective agreements“ bzw. „conventions collectives“. 54 So haben Tarifverträge in Großbritannien erst durch eine individualvertragliche Inkorporation der Tarifregelungen Einfluss auf den Arbeitsvertragsinhalt.
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liche Regelungen. In den einzelnen Mitgliedstaaten existiert eine Vielfalt unterschiedlich ausgestalteter Schlichtungsverfahren von der vereinbarten Schlichtung mit freiwilliger Unterwerfung unter Schiedssprüche über staatliche Schlichtungen einschließlich der Verbindlicherklärung des Schiedsspruches bis hin zur Zwangsschlichtung.55 Ziel all dieser Schlichtungsmodelle ist der Abschluss eines neuen Kollektivvertrages. Da Art. 3 Abs. 1 Satz 1 2. SpStr. EGRL 96/71 den Schiedsspruch neben den im obigen Sinne definierten Begriff des Tarifvertrages stellt, muss auch der Schiedsspruch eine zumindest zwischen den Tarifpartnern verbindliche Ausgestaltung von Arbeitsbedingungen enthalten. Es muss sich mithin um einen verbindlichen Schiedsspruch handeln, wobei der Rechtsgrund56 für diese einen vertraglichen Konsens ersetzende Verbindlichkeit unerheblich ist. Die Eigenschaft als international zwingende Festlegungen iSd. Art. 3 Abs. 1 Satz 1 EG-RL 96/71 setzt weiter voraus, dass derartige Tarifverträge und Schiedssprüche „allgemein verbindlich“ sind. Als die Privatautonomie beschränkende „Festlegungen“ müssen ihre Arbeitsbedingungen nun auch für den einzelnen Arbeitsvertrag verbindlich sein, zudem muss sich ihre Bindungswirkung über den Kreis der verbandsmitgliedschaftlich Gebundenen hinaus auch auf Außenseiter erstrecken. Als Mittel dieser Verbindlichkeitserstreckung nennt Art. 3 Abs. 1 Satz 1 2. SpStr. iVm. Abs. 8 Satz 1 EG-RL 96/71 die Allgemeinverbindlicherklärung des Tarifvertrages bzw. Schiedsspruches. In diesem Sinne „universell/generell anwendbar“57 sind nach der Legaldefinition des Art. 3 Abs. 8 Satz 1 EG-RL 96/71 Tarifverträge und Schiedssprüche, die von allen in den jeweiligen geographischen Bereich fallenden und die betreffende Tätigkeit oder das betreffende Gewerbe ausübenden Unternehmen einzuhalten sind. Die Normwirkung richtet sich mithin nach dem räumlichen, persönlichen und fachlichen Geltungsbereich des Tarifvertrages bzw. Schiedsspruches. Durch wen und auf welche Weise eine derartige Allgemeinverbindlicherklärung zu erfolgen hat, lässt die Entsenderichtlinie offen, wesentlich ist allein, dass die kollektive Festlegung von Arbeitsbedingungen nicht an die Mitgliedschaft bei den Tarifpartnern gebunden ist, sondern sämtliche in den Geltungsbereich des Tarifvertrages bzw. Schiedsspruches fallenden Arbeitsverhältnisse von dessen ausgewei55 In Deutschland ist eine Zwangsschlichtung allerdings nach dem Grundsatz des freiheitlichen und sozialen Rechtsstaates verfassungsrechtlich unzulässig, zu den Einzelheiten des Schlichtungsrechts in Deutschland vgl. Schaub, ARHandbuch, §§ 195– 197. 56 Z. B. aufgrund einer antizipierten Unterwerfungserklärung der Tarifpartner, der nachträglichen Annahme durch die Tarifpartner, einer staatlichen Verbindlicherklärung oder der unmittelbaren, per se bestehenden Verbindlichkeit einer Zwangsschlichtung. 57 Vgl. die englische („collective agreements or arbitration awards which have been declared universally applicable“) und die französische Fassung („conventions collectives ou sentences arbitrales, déclarées d’application générale“) des Art. 3 Abs. 8 Satz 1 EG-RL 96/71.
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teter Normwirkung erfasst werden. Hinsichtlich derjenigen Mitgliedstaaten, die über kein System zur Allgemeinverbindlicherklärung von Tarifverträgen oder Schiedssprüchen verfügen, verzichtet Art. 3 Abs. 8 Satz 2 EG-RL 96/71 auf das Kriterium der Wirkungserstreckung mittels Allgemeinverbindlicherklärung und stellt den im obigen Sinne für allgemeinverbindlich erklärten Regelungen Kollektivverträge gleich, deren Bindungswirkung lediglich das Unterfallen unter den tariflichen Geltungsbereich voraussetzt. Dies können Tarifverträge und Schiedssprüche sein, die für alle in den jeweiligen geographischen Bereich fallenden und die betreffende Tätigkeit oder das betreffende Gewerbe ausübenden gleichartigen Unternehmen allgemein wirksam sind. Auch können Festlegungen iSd. Art. 3 Abs. 1 Satz 1 2. SpStr. RL-EG 96/71 durch Tarifverträge erfolgen, die von den auf nationaler Ebene repräsentativsten Organisationen der Tarifvertragsparteien geschlossen werden und innerhalb des gesamten nationalen Hoheitsgebiets zur Anwendung kommen. Voraussetzung beider Varianten, in denen Tarifverträge und Schiedssprüche per se „allgemein verbindlich“ sind, ist, dass diese Regelungen eine Gleichbehandlung der grenzüberschreitend entsendenden ausländischen Arbeitgeber mit den inländischen Unternehmen, die sich in einer vergleichbaren Lage befinden, sicherstellen, so dass für beide Gruppen hinsichtlich der zwingenden Arbeitsbedingungen des Art. 3 Abs. 1 Satz 1 a)–g) EG-RL 96/71 identische Anforderungen gelten, die beiden Gruppen gegenüber mit derselben Wirkung durchgesetzt werden können. Dieses in Art. 3 Abs. 8 Satz 3 EG-RL 96/71 enthaltene allgemeine Diskriminierungsverbot ist in Anbetracht der Parallelregelungen in Art. 12, 49 EGV auch auf die sonstigen Festlegungen iSd. Art. 3 Abs. 1 Satz 1 EG-RL 96/71 mittels Rechts- und Verwaltungsvorschriften und für allgemeinverbindlich erklärter Tarifverträge zu übertragen. Die kollisionsrechtliche Relevanz von in „allgemein verbindlichen“ Tarifverträgen oder Schiedssprüchen festgelegten Arbeitsbedingungen beschränkt Art. 3 Abs. 1 Satz 1 EG-RL 96/71 allerdings auf Bauarbeiten, die der Errichtung, der Instandsetzung, der Instandhaltung, dem Umbau oder dem Abriss von Bauwerken dienen.58 Hierunter sind die folgenden, im Anhang der EG-RL 96/71 als Beispiele aufgelisteten Tätigkeiten zu verstehen: Aushub, Erdarbeiten, Bauarbeiten i. e. S., Errichtung und Abbau von Fertigbauelementen, Einrichtung oder Ausstattung, Umbau, Renovierung, Reparatur, Abbauarbeiten, Abbrucharbeiten, Wartung, Instandhaltung (Maler- und Reinigungsarbeiten) und Sanierung. Die Ausstattung von Tarifnormen mit internationalem Normzwang schreibt die Entsenderichtlinie mithin nur für die Baubranche vor.
58 Diese sektorielle Beschränkung erfolgte erstmals durch den gemeinsamen Standpunkt (EG) Nr. 32/96 des Rates vom 3.6.1996, der jedoch zugleich in Art. 3 Abs. 10 2. SpStr. die Möglichkeit für die Mitgliedstaaten vorsah, andere Sektoren einzubeziehen, vgl. ABl. EG 1996 C 220/1 (220/8).
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c) Bedingtheit der internationalen Rechtsdurchsetzung Art. 3 Abs. 1 Satz 1 EG-RL 96/71 fordert von den Mitgliedstaaten die Ausstattung der vorgenannten Festlegungen bestimmter Arbeitsbedingungen durch Rechts- und Verwaltungsvorschriften sowie „allgemein verbindliche“ Tarifverträge und Schiedssprüche mit einem internationalen Normgeltungswillen des Einsatzstaates. Als Normen mit international zwingendem Charakter sollen sie sich über das Arbeitsvertragsstatut hinwegsetzen, das sich eigentlich aufgrund objektiver Anknüpfung an den gewöhnlichen Arbeitsort iSd. Art. 30 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB als lex loci laboris ergibt. Auf welche Weise die Mitgliedstaaten ihren Festlegungen der aufgezählten Arbeitsbedingungen diese international zwingende Wirkung verleihen, lässt die Entsenderichtlinie offen, wesentlich ist im Ergebnis nur, dass sich Rechts- und Verwaltungsvorschriften sowie „allgemein verbindliche“ Tarifverträge und Schiedssprüche hinsichtlich der in Art. 3 Abs. 1 Satz 1 a)–g) EG-RL 96/71 bestimmten Arbeitsbedingungen gegenüber dem Arbeitsvertragsstatut durchsetzen. Derartige Festlegungen iSd. Art. 3 Abs. 1 Satz 1 EG-RL 96/71 werden so auf die Ebene internationaler Eingriffsnormen gehoben, die von außen in das Arbeitsverhältnis eingreifen. Keine Änderung ergibt sich insofern hinsichtlich der in Art. 3 Abs. 1 Satz 1 a), d), e) und f) EG-RL 96/71 genannten Festlegungen. Denn Vorschriften über Höchstarbeitszeiten und Mindestruhezeiten, über Sicherheit, Gesundheitsschutz und Hygiene am Arbeitsplatz, über Jugendarbeits- und Mutterschutz wie auch die Bedingungen für den Arbeitnehmerverleih schützen überwiegende Allgemeininteressen und verfügen daher über einen unbedingten Rechtsdurchsetzungswillen, der sich bereits nach bisher geltendem Recht aufgrund von Art. 34 EGBGB gegenüber dem Arbeitsvertragsstatut durchsetzt.59 Demgegenüber werden die bislang lediglich intern zwingenden Vorschriften über die Gehaltshöhe, den bezahlten Mindestjahresurlaub sowie Gleichbehandlungsregeln gem. Art. 3 Abs. 1 Satz 1 b), c) und g) EG-RL 96/71 aus dem Gefüge des vertraglichen Ausgleichs bipolarer Parteiinteressen herausgerissen.60 Insofern verdrängt das im Einsatzstaat geltende Ausgleichsmodell gestörter Vertragsparität den im Entsendestaat, mithin der lex loci laboris, gefundenen sonderprivatrechtlichen Ausgleich struktureller Ungleichgewichtslagen zwischen den Arbeitsvertragsparteien, ohne dass das jeweilige Arbeitsverhältnis einen über die kurzfristige Tätigkeit im Einsatzstaat hinausgehenden Bezug zu dessen Rechtsordnung und Arbeitsmarkt aufweisen würde. Bislang lediglich innerhalb des Arbeitsvertragsstatuts und daher intern zwingende Bestimmungen werden so zu international zwingenden Eingriffsnormen, denen allerdings ein gegen59 Im Einzelnen s. o. unter Teil 1 § 2 A. II. 2. b) bb) (2) sowie B. II. 2. a) aa) (1) und (2). 60 Zur Zugehörigkeit derartiger Regelungen zum Arbeitsvertragsstatut s. o. unter Teil 1 § 2 A. II. 2. b) bb) (1) (b) sowie B. II. 2. a) aa) (1) und (2).
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über individuellen Parteiinteressen überwiegendes Allgemeininteresse als normativer Schutzzweck fehlt.61 Indem Art. 3 Abs. 1 Satz 1 2. SpStr. EG-RL 96/71 zusätzlich zu Rechts- und Verwaltungsvorschriften als Mittel internationalen Normzwanges auch Kollektivverträge aufführt, wird zudem die grundsätzliche Bindung des Tarifstatuts an das Arbeitsvertragsstatut62 gelöst. Nunmehr kann ein im Einsatzstaat geschlossener oder mittels Schiedsspruch zustande gekommener Tarifvertrag seine nach den Regeln des Einsatzstaates „allgemein verbindliche“ Normwirkung auch auf Arbeitsverhältnisse erstrecken, die aufgrund ihres ausländischen Schwerpunktes iSd. Art. 30 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB objektiv gar nicht im Einsatzstaat angeknüpft werden. Die Kartellwirkung von Tarifverträgen63 erhält so eine internationale Dimension und erfährt eine – über die Normwirkungserstreckung mittels Allgemeinverbindlicherklärung hinausgehende – erhebliche Verstärkung, obwohl sie nicht mehr in dem Arbeitsmarkt verankert ist, dem der Arbeitnehmer dauerhaft zuzuordnen ist. Die Voraussetzungen der Tarifmacht werden mithin von derjenigen Rechtsordnung losgelöst, deren Arbeitsrecht als lex loci laboris über die tarifgebundenen Arbeitgeber und Arbeitnehmer herrscht und in deren Rahmen der Tarifvertrag für eine Marktregulierung durch Gegenmachtbildung sorgen kann. Im Übrigen liegt gerade der Zweck kollektivvertraglicher Gegenmachtbildung darin, ausschließlich im Parteiinteresse einen sachgemäßen Interessenausgleich bei der Festlegung von Bedingungen des vertraglichen Leistungsaustausches der Arbeitsvertragsparteien zu schaffen und dabei eine aufgrund gestörter Vertragsparität ansonsten nicht zu erzielende Vertragsgerechtigkeit zu gewährleisten. Die Entsenderichtlinie durchbricht diese dem Tarifvertrag wesenseigene Zugehörigkeit zum Arbeitsvertragsstatut. Die Loslösung der o. g. Arbeitnehmerschutzbestimmungen wie auch des Tarifstatuts vom Arbeitsvertragsstatut wird allerdings in gewissem Maße relativiert durch das in Art. 3 Abs. 7 Satz 1 EG-RL 96/71 enthaltene Günstigkeitsprinzip.64 Danach steht der internationale Geltungsbefehl zwingender Normen iSd. Art. 3 Abs. 1 Satz 1 EG-RL 96/71 der Anwendung von für die Arbeitnehmer günstigeren Arbeitsbedingungen nicht entgegen. Aufgrund des insofern offenen Wortlautes des Art. 3 Abs. 7 Satz 1 EG-RL 96/71 können derartige Ar-
61 Zu diesem Erfordernis als Wesenskriterium international zwingender Eingriffsnormen iSd. Art. 34 EGBGB s. o. unter Teil 1 § 2 A. II. 2. b) bb) (2). 62 Hierzu im Einzelnen oben unter Teil 1 § 2 A. II. 2. b) aa) (3) und Teil 1 § 2 A. II. 2. b) bb). 63 Hierzu im Einzelnen oben unter Teil 1 § 1 B. I. 2. 64 Das Günstigkeitsprinzip war im ersten Richtlinienentwurf der Kommission vom 28.6.1991 (KOM(91) 230 endg., ABl. EG 1991 C 225/6) noch gar nicht enthalten und fand seinen Eingang in den Richtlinientext erst durch die vom Europäischen Parlament vorgenommenen Änderungen, vgl. Änderungen Nr. 4 und 24 der Stellungnahme des Europäischen Parlaments vom 10.2.1993, ABl. EG 1993 C 72/78.
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beitsbedingungen sowohl in zwingenden gesetzlichen oder tariflichen Bestimmungen der lex loci laboris als auch in individualvertraglichen Abreden der Arbeitsvertragsparteien enthalten sein. Weist also das objektive Arbeitsvertragsstatut oder der Arbeitsvertrag ein höheres Arbeitnehmerschutzniveau als die Eingriffsnormen des Einsatzstaates iSd. Art. 3 Abs. 1 Satz 1 EG-RL 96/71 auf, so treten letztere zurück und die für die gesetzlichen Arbeitnehmerschutznormen wie für das Tarifrecht charakteristische Bindung an Markt und Rechtsordnung des Entsendestaates lebt wieder auf. Im Hinblick auf die Methode eines solchen Günstigkeitsvergleichs sind die bereits im Rahmen des Art. 30 Abs. 1 EGBGB geltenden Grundsätze des konkreten Gesamtvergleichs65 heranzuziehen: Danach wird im Wege eines Sachgruppenvergleichs der für die konkret in Frage stehende Rechtsposition des Arbeitnehmers maßgebliche Regelungskomplex als einheitliche Frage behandelt und die Ergebnisse, zu denen die unterschiedlichen Rechtsordnungen im betroffenen Teilbereich im Einzelfall gelangen, im Wege einer Gesamtwertung verglichen.66 International zwingende Eingriffsnormen iSd. Art. 3 Abs. 1 Satz 1 EG-RL 96/71 stellen mithin einen Mindeststandard des Einsatzstaates dar, von dem die Arbeitsvertragsparteien auch nicht durch indirekte Rechtswahl mittels Lokalisierung eines gewöhnlichen Arbeitsortes in einem bestimmten Mitgliedstaat abweichen können, wenn sich dies zu Lasten des Arbeitnehmers auswirkt. Die international wettbewerbsbeschränkende Wirkung eines solchen Mindeststandards verengt die Rechtswahlfreiheit der Arbeitsvertragsparteien auf die nicht im Katalog des Art. 3 Abs. 1 Satz 1 a)–g) EG-RL 96/71 enthaltenen Arbeitsbedingungen und auf objektiv nach Art. 30 Abs. 2 Nr. 2 und a. E. EGBGB anzuknüpfende Formen grenzüberschreitender Arbeitnehmermobilität. Die durch Art. 3 Abs. 7 Satz 1 EG-RL 96/71 gebotene Orientierung am Günstigkeitsprinzip schafft einen neuen Typus zwingender Bestimmungen, der sich nicht in das klassische Gefüge relativen und absoluten Normzwanges iSd. Art. 30, 34 EGBGB einordnen lässt und daher als „Eingriffsnorm sui generis“ zu bezeichnen ist.67 Denn der Gedanke der Relativität des Normzwanges findet sich bislang nur in Art. 30 EGBGB und verlässt nicht das zumindest durch indirekte Rechtswahl individuell beeinflussbare Gefüge des Arbeitsvertragsstatuts. Art. 3 Abs. 1 Satz 1 EG-RL 96/71 sprengt dieses Gefüge und hebt vorrangig im Parteiinteresse stehende Vorschriften auf die Ebene von Eingriffsnormen; zugleich ist deren internationaler Rechtsdurchsetzungswille durch das Günstig65
Im Einzelnen s. o. unter Teil 1 § 2 A. II. 2. b) bb) (1) (b). Auch der EuGH bezog in seinen Vergleich der Lohnhöhe des Entsendestaates mit dem des Einsatzstaates im Sinne eines Sachgruppenvergleichs gleichfalls die Höhe von Steuern und Sozialabgaben mit ein, vgl. Urt. v. 15.3.2001 – Rs. C-165/98 (Mazzoleni) –, Slg, 2001, I-2189, Rz. 39; dabei erfolgte allerdings keine Auslegung der maßgeblichen Regelung der Entsenderichtlinie, sondern allein des Art. 49 EGV. 67 A. A. Hoppe, Entsendung, 255 ff. (kein Bruch mit dem System des EVÜ). 66
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keitsprinzip bedingt.68 Das Autonomiebegrenzungsmodell der Entsenderichtlinie überträgt den Gedanken der Relativität des Normzwanges mithin auf die Ebene des von außen erfolgenden Eingriffs in das vertragliche Austauschverhältnis und dehnt damit das kollisionsrechtliche Grundprinzip der Gleichwertigkeit aller Rechtsordnungen als Ausgangspunkt für die Suche nach der für den jeweiligen Einzelfall sachnächsten Lösung erheblich aus. Diese Lösung findet sich nun allerdings nicht mehr ausschließlich – wie bei Art. 30 EGBGB – im parteiautonom steuerbaren (subjektiven oder objektiven) Arbeitsvertragsstatut, sondern gegebenenfalls in den Eingriffsnormen sui generis des Einsatzstaates, wodurch auf das Kriterium der iSd. Art. 30 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB schwerpunktbezogenen Sachnähe verzichtet wird. Damit stellt die Entsenderichtlinie der Dienstleistungs- und Wettbewerbsfreiheit der entsendenden Unternehmen den im Einsatzstaat gewährleisteten Arbeitnehmerschutz als Mindeststandard gegenüber und verstärkt auf diese Weise die bereits bestehenden kollisionsrechtlichen Wirkungsgrenzen der Parteiautonomie. 2. Ausnahmen des Art. 3 Abs. 2–5 EG-RL 96/71 Die Intensität der entsenderechtlichen Autonomiebegrenzung wird durch mehrere Ausnahmeregelungen bzw. -möglichkeiten hinsichtlich der Lohnhöhe und des bezahlten Mindestjahresurlaubs iSd. Art. 3 Abs. 1 Satz 1 b) und c) EGRL 96/71 abgeschwächt. So enthält Art. 3 Abs. 2 EG-RL eine entsprechende Bereichsausnahme für kurzfristige Entsendungen von maximal acht Tagen für Erstmontage- und/oder Einbauarbeiten, die Bestandteil eines Liefervertrages und für die gelieferten Güter unerlässlich sind und von Facharbeitern und/oder angelernten Arbeitern des Lieferunternehmens ausgeführt werden. Dabei darf es sich allerdings nicht um Bauarbeiten iSd. Anhangs der EG-RL 96/71 handeln. In Abgrenzung zur Warenverkehrsfreiheit muss zudem die Liefer- und Einbaubzw. Montagepflicht ein eigenes Gewicht gegenüber einem etwaigen, zugleich erfolgten Warenverkauf haben, da es sich ansonsten nicht um die Erbringung einer Dienstleistung iSd. Art. 1 Abs. 1 EG-RL 96/71 als Anwendungsvoraussetzung der Entsenderichtlinie handelt.69 Diese Bereichsausnahme verpflichtet die Mitgliedstaaten zur entsprechenden Begrenzung des Anwendungsbereichs ihrer nationalen Entsendegesetze. Darüber hinaus kann einem etwaigen Flexibilitätsbedarf auf nationaler Ebene in folgender Weise entsprochen werden: Art. 3 Abs. 3 EG-RL 96/71 eröffnet den Mitgliedstaaten die Möglichkeit, in ihrem Umsetzungsakt die Befreiung von der Pflicht zur Zahlung der Mindestlohnsätze des Einsatzstaates vorzusehen, wenn die Entsendung nur maximal einen Monat lang dauert. Dies betrifft 68 69
Vgl. Jayme/Kohler („bedingte Internationalität“), IPRax 1997, 385 (400). Zum Dienstleistungsbegriff s. o. unter Teil 2 § 1 A. I. 1.
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allerdings nicht den Arbeitnehmerverleih iSd. Art. 1 Abs. 3c EG-RL 96/7170 und setzt zudem eine Konsultation der Sozialpartner vor Erlass einer solchen Ausnahme voraus. Wenn es sich wiederum um eine Entsendung von höchstens einem Monat mit Ausnahme des Arbeitnehmerverleihs im obigen Sinne handelt, können gem. Art. 3 Abs. 4 EG-RL 96/71 bestimmte Tätigkeitsbereiche auch durch allgemein verbindliche Tarifverträge von der Zahlungspflicht von Mindestlöhnen ausgenommen oder die Lohnhöhe verringert werden, auch kann von einer Befreiung iSd. Art. 3 Abs. 3 EG-RL 96/71 mittels allgemein verbindlichem Tarifvertrag abgewichen werden. Voraussetzung ist, dass die Mitgliedstaaten den Tarifpartnern derartige Abweichungsmöglichkeiten eröffnen. Hinsichtlich sämtlicher, eine nur kurzfristige Entsendung von maximal acht Tagen oder einem Monat voraussetzender Ausnahmen ist zu berücksichtigen, dass bei der Berechnung der Dauer des Einsatzes gem. Art. 3 Abs. 6 EG-RL 96/71 Entsendungszeiten mehrerer Arbeitnehmer zu addieren sind, um Tatbestandsumgehungen auszuschließen. Schließlich können die Mitgliedstaaten bei Entsendungen mit Ausnahme des Arbeitnehmerverleihs im obigen Sinne gem. Art. 3 Abs. 5 EG-RL 96/71 auch dann Ausnahmen von den Pflichten bezüglich Mindestlohnsätzen und zudem vom bezahltem Mindestjahresurlaub vorsehen, wenn der Umfang der zu verrichtenden Arbeiten gering ist, was im Umsetzungsakt definitorisch festzulegen ist. III. Regelungsdichte und Umsetzungsspielraum Als Richtlinie beschränkt sich die Verbindlichkeit der EG-RL 96/71 gem. Art. 249 Satz 3 EGV auf die Verwirklichung des festgelegten Ziels, während die Mitgliedstaaten bei der Richtlinienumsetzung hinsichtlich Form und Mittel der Zielerreichung frei sind. Im Unterschied zu den in den Art. 27 ff. EGBGB bzw. dem EVÜ und der VO (EWG) Nr. 1408/71 enthaltenen Kollisionsvorschriften des Internationalen Privatrechts und des Internationalen Sozialrechts, bei deren Übernahme bzw. Anwendung die Einzelstaaten inhaltlich vollumfänglich gebunden waren, beschränkt sich die Entsenderichtlinie im Wege eines zweistufigen Rechtsetzungsverfahrens auf die Definition eines Rechtszustandes, der von den Mitgliedstaaten selbst herzustellen ist. Vor dem Hintergrund des Subsidiaritäts- und Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes des Art. 5 EGV ist die Auswahl der Richtlinie als Mittel europäischer Rechtsetzung gegenüber einer unmittelbar geltenden Verordnung grundsätzlich vorzuziehen, da der Umsetzungsspielraum eine u. U. effektivere Zielerreichung unter Berücksichtigung der mitgliedstaatlichen Besonderheiten und zudem eine größtmögliche Wahrung der Souveränität der Mitgliedstaaten ermöglicht. Auch wenn Richtlinienbestimmun70 Der konzerninterne Arbeitnehmerverleih kann jedoch von einer solchen Ausnahme profitieren, da diese Mobilitätsvariante nicht von Art. 1 Abs. 3c, sondern von Abs. 3b EG-RL 96/71 erfasst wird.
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gen der Umsetzung in zwingendes staatliches Recht bedürfen, hat der in der Richtlinie definierte Rechtszustand dennoch maßgeblichen Einfluss auf die von den Mitgliedstaaten zu ergreifenden Mittel. Insbesondere besteht die Wahlfreiheit der Mitgliedstaaten hinsichtlich Form und Mittel zur Ausführung der Richtlinie nur in dem Umfang, in dem die Richtlinie selbst keine Festlegung des geforderten Rechtszustandes vornimmt. Auch schreibt Art. 249 Satz 3 EGV keinen den Mitgliedstaaten verbleibenden Beurteilungsspielraum vor, so dass auch besonders detaillierte Richtlinien nicht wegen ihrer nationalen Umsetzung durch bloßes „Abschreiben“ unwirksam sind oder ihren Charakter als Richtlinie verlieren.71 Die Entsenderichtlinie verfügt über eine relativ hohe Regelungsdichte und weist den Mitgliedstaaten nur einen geringen Umsetzungsspielraum zu. Der gem. Art. 3 Abs. 1, 7 EG-RL 96/71 von den Mitgliedstaaten herzustellende Rechtszustand als Richtlinienziel liegt in der Ausgestaltung von bestimmte Arbeitsbedingungen regelnden Rechtsnormen des Einsatzstaates als international zwingend, aber vor für Arbeitnehmer günstigeren Arbeitsbedingungen des Arbeitsvertragsstatuts zurücktretend. Derartige Eingriffsnormen sui generis sollen Rechts- und Verwaltungsvorschriften sein und können bezüglich der Baubranche auch allgemein verbindliche Tarifverträge oder Schiedssprüche sein. Auf welche Weise solchen Normen ein durch das Günstigkeitsprinzip relativierter internationaler Normzwang zugewiesen wird, obliegt der Gestaltung durch die Mitgliedstaaten. Insbesondere im Hinblick auf die Normwirkungserstreckung von Tarifverträgen und Schiedssprüchen ergibt sich ein gewisser Umsetzungsspielraum, je nach dem, wie die Tarifmacht in den einzelnen Mitgliedstaaten ausgestaltet ist, was sich bereits in Art. 3 Abs. 8 EG-RL 96/71 andeutet. Demgegenüber tangiert die Richtlinie nicht die Befugnis der Mitgliedstaaten als solche zur materiellrechtlichen Beschränkung der Privatautonomie und verpflichtet nicht zum Erlass entsprechender materieller Mindestregelungen.72 Stattdessen beschränkt sie sich auf eine bloße Koordination bereits existenter zwingender nationaler Bestimmungen und verpflichtet dazu, diesen Normen internationalen Normzwang zu verleihen. Die EG-RL 96/71 verfügt damit lediglich über einen Kollisionsrechtsgehalt, indem sie die Mitgliedstaaten zur Erstreckung ihrer national zwingenden Bestimmungen auf ausländische Arbeitsvertragsstatute verpflichtet, nicht aber zur sachrechtlichen Schaffung entsprechender materiellrechtlicher Regelungen. Sie erweitert also den Wirkungskreis eines bereits existenten Normzwangs von der materiellrechtlichen Vertragsfreiheit auf die direkte und indirekte Rechtswahlfreiheit als Objekte möglicher und nunmehr zwingender Autonomiebegrenzungen. Eine Pflicht zur Anwendung ei71 Geiger, EUV/EGV, Art. 249 Rn. 10; Nettesheim in: Grabitz/Hilf, EGV, Art. 249 EGV Rn. 133. 72 Krebber, Jahrbuch Junger Zivilrechtswissenschaftler 1997, 129 (134 f.); ders., IPRax 2001, 22 (25); Wichmann, Entsendung, 149.
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nes Mindestlohnes auch auf ausländische Arbeitsverhältnisse soll sich mithin nur dann ergeben, wenn im Einsatzstaat eine solche Mindestlohnbestimmung auch tatsächlich besteht.73 Weiter ist für den durch die Entsenderichtlinie angestrebten Rechtszustand wesentlich, dass die Eingriffsnormen sui generis Arbeitgeber iSd. Art. 1 Abs. 1 EG-RL 96/71 erfassen, die ihre Arbeitnehmer in den in Art. 1 Abs. 3 EG-RL 96/71 genannten Mobilitätsformen vorübergehend in einem anderen Mitgliedstaat einsetzen als im Mitgliedstaat des gewöhnlichen Arbeitsortes. Art. 1 EGRL 96/71 zeichnet mithin den Anwendungsbereich nicht nur der Richtlinie, sondern auch der Eingriffsnormen sui generis detailliert vor. Ebenso wenig eröffnet die lex-causae-Qualifikation des Arbeitnehmerbegriffs in Art. 2 Abs. 2 EG-RL 96/71 einen wirklichen Umsetzungsspielraum, da hier lediglich auf bereits existente Definitionen verwiesen wird. Ähnliches gilt hinsichtlich des Katalogs von Arbeitsbedingungen in Art. 3 Abs. 1 Satz 1 a)–g) EG-RL 96/71, die iSd. Richtlinienziels von den Eingriffsnormen sui generis geregelt werden sollen. Abgesehen von der lex-causae-Qualifikation des Begriffs der Mindestlohnsätze in Art. 3 Abs. 1 Satz 2 EG-RL 96/71 eröffnet dieser Katalog jeweils einen sich meist aus dem gemeinschaftsrechtlichen Kontext bereits erlassener Richtlinien ergebenden Anwendungsbereich nationaler Vorschriften mit jeweils unterschiedlicher Reichweite; beides führt jedoch zu keinem wirklichen Umsetzungsspielraum der Mitgliedstaaten im Hinblick auf den o. g. herzustellenden Rechtszustand. Schließlich lässt auch das Gebot der Gleichbehandlung der entsendenden Unternehmen mit inländischen Unternehmen des Einsatzstaates sowie das Verbot der Besserstellung von Unternehmen mit Sitz in Nichtmitgliedstaaten in Art. 1 Abs. 4 EG-RL 96/71 den Mitgliedstaaten keine Ausgestaltungsfreiheit. Ein wirklicher Entscheidungsspielraum ergibt sich für die Mitgliedstaaten erst dann, wenn es um Ausnahmen vom internationalen Normzwang geht. Während Art. 3 Abs. 3 und 4 EG-RL 96/71 die Voraussetzungen derartiger Abweichungen genau festlegen und den Mitgliedstaaten nur das „ob“ ihrer Bereitstellung freistellen, eröffnet Art. 3 Abs. 5 Satz 2 EG-RL 96/71 auch im Hinblick auf die Definition des Begriffs der Arbeiten von geringem Umfang einen wirklichen Gestaltungsspielraum.74 Frei sind die Mitgliedstaaten auch hinsichtlich 73
Die gegenteilige Auffassung von Ulber, AÜG, § 1 AEntG Rn. 31, 56, 61, 67, § 7 Rn. 14, die EG-RL 96/71 beinhalte eine Verpflichtung zur Festsetzung von Mindestentgelten, findet weder im Richtlinienwortlaut noch in deren Begründung eine Stütze; ähnlicher Auffassung scheinen aber auch Ossenbühl/Cornils, Rechtsgutachten, 109 zu sein. 74 Demgegenüber lässt sich die in Art. 3 Abs. 9 EG-RL 96/71 genannte Erstreckung der materiellen Arbeitsbedingungen von Leiharbeitern im Einsatzstaat auf entsandte Leiharbeiter bereits der Verweisung des Art. 1 Abs. 1 Satz 1 d) EG-RL 96/71 auf nationales Arbeitnehmerüberlassungsrecht entnehmen und eröffnet daher keinen gesonderten Gestaltungsraum der Mitgliedstaaten im Hinblick auf den von der Entsen-
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der Frage, mit welchen Formen und Mitteln sie den nationalen gesetzlichen und kollektivvertraglichen Rechtsnormen bezüglich der in Art. 3 Abs. 1 Satz 1 a)–g) EG-RL 96/71 genannten Arbeitsbedingungen einen durch das Günstigkeitsprinzip relativierten internationalen Normzwang zuweisen. Schließlich räumt Art. 5 EG-RL 96/71 den Mitgliedstaaten einen Gestaltungsspielraum hinsichtlich der Sicherstellung der tatsächlichen Einhaltung der Eingriffsnormen sui generis ein.
B. Rechtswirksamkeit der Autonomiebegrenzung I. Formelle Rechtmäßigkeit 1. Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung Die EG verfügt über keine „Kompetenzkompetenz“ zur umfassenden und uneingeschränkten Rechtsetzung. Stattdessen ist nach dem Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung iSd. Art. 5 Satz 1 EGV für jeden sekundärrechtlichen Rechtsetzungsakt der Gemeinschaft eine ausdrückliche oder zumindest durch Auslegung nachweisbare Rechtsgrundlage innerhalb des primären Gemeinschaftsrechts erforderlich. Auch die Entsenderichtlinie bedarf mithin einer primärrechtlichen Ermächtigungsnorm, aus der sich die konkrete Handlungsform wie auch das im einzelnen einschlägige Normsetzungsverfahren iSd. Art. 250– 252 EGV ergibt. a) Regelungsziel der EG-RL 96/71 Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH ist die passende Ermächtigungsgrundlage nach dem Ziel und Inhalt des Rechtsaktes zu ermitteln.75 Allgemein muss jeder sekundärrechtliche Rechtsetzungsakt auf die Verwirklichung der im EGV enthaltenen Ziele der Gemeinschaft ausgerichtet sein. Die Zielrichtung der derichtlinie erstrebten Rechtszustand. Das belegt auch Nr. 19 der Gründe der EG-RL 96/71, wonach die Mitgliedstaaten hinsichtlich der Anerkennung und Ausgestaltung der Arbeitnehmerüberlassung völlig frei sind. Lediglich für den Fall, dass derartige Regelungen existieren, schreibt Art. 3 Abs. 1 Satz 1 d) EG-RL 96/71 deren Erstreckung auf entsendende Unternehmen vor. – Rein deklaratorisch erwähnt Art. 3 Abs. 10 1. SpStr. EG-RL 96/71 die ohnehin bestehende Möglichkeit der Mitgliedstaaten, Vorschriften im überwiegenden Allgemeininteresse zum Schutz der öffentlichen Ordnung nach Art. 34 EGBGB eine unbedingte, international zwingende Wirkung zu verleihen. – Schließlich nennt Art. 3 Abs. 10 2. SpStr. EG-RL 96/71 ebenso deklaratorisch die aus der Loslösung des Tarifstatuts vom Arbeitsvertragsstatut logisch folgende allgemeine Möglichkeit der Erstreckung der Bindungswirkung nationaler Tarifverträge auf ausländische Arbeitsverhältnisse auch in anderen Branchen als der Baubranche, wenn die Mitgliedstaaten eine solche Normwirkungserstreckung vorschreiben. 75 Vgl. EuGH, Urt. v. 13.5.1997 – Rs. C-233/94 (Deutschland/Parlament und Rat) –, Slg. 1997, I-2405, Rz. 12.
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Teil 2: Autonomiebegrenzung durch Entsenderecht
EG-RL 96/71 enthält in Anbetracht der dem Richtlinientext vorangestellten Einzelerwägungen folgende Aspekte: Sie führt für den unter einem mobilen Arbeitnehmereinsatz erfolgenden grenzüberschreitenden Dienstleistungsverkehr eine zusätzliche Wettbewerbsschranke in Gestalt von Eingriffsnormen sui generis76 ein. Ausgehend von der in Nr. 3 der Gründe der EG-RL 96/71 enthaltenen Feststellung, dass der freie Dienstleistungsverkehr zu einer verstärkten Mobilisierung der Arbeitsverhältnisse in Form vorübergehender Auslandseinsätze führt, erweist sich die grenzüberschreitende Dienstleistungserbringung mittels Arbeitnehmerentsendung nach Nr. 5 der Gründe der EG-RL 96/71 nur dann als förderungswürdiges Binnenmarktziel, wenn dabei ein fairer Wettbewerb stattfindet, bei dem die Rechte der Arbeitnehmer gewahrt werden. In Ermangelung einer entsprechenden vollumfänglichen Rechtsvereinheitlichung sehen die einzelnen Mitgliedstaaten hinsichtlich dieser Arbeitnehmerrechte bislang ein jeweils unterschiedliches Schutzniveau vor.77 Diese Unterschiede verlangen im Fall der Arbeitnehmerentsendung gem. Nr. 13 der Gründe der EG-RL 96/71 eine gemeinschaftsrechtliche Koordination der Nationalvorschriften dahingehend, dass ein Kern zwingender Bestimmungen des Einsatzstaates einen auch international zwingenden Mindestschutz darstellt, von dem die entsendenden Dienstleistungserbringer nur zugunsten ihrer entsandten Arbeitnehmer abweichen können. Eine solche Koordination soll gem. Nr. 6 der Gründe der EG-RL 96/71 zudem zugunsten der Arbeitsvertragsparteien die Rechtssicherheit im Hinblick auf das anwendbare Recht erhöhen.78 Die Entsenderichtlinie zielt damit auf einen Rechtszustand ab, der aufgrund seiner autonomie- und wettbewerbsbeschränkenden Wirkung dem freien Dienstleistungsverkehr iSd. Art. 49 EGV als Gemeinschaftsziel zu widersprechen scheint. Andererseits dient die Koordination einzelstaatlicher Arbeitnehmerschutzvorschriften durch die Einführung von Eingriffsnormen sui generis der Sicherstellung eines fairen Wettbewerbs mittels eines bestimmten Arbeitnehmerschutzniveaus, dessen Förderung Art. 2 EGV ebenfalls als Gemeinschaftsaufgabe zu entnehmen ist. Das international zwingende Mindestmaß dieses Arbeitnehmerschutzniveaus legt die Richtlinie allerdings nicht selbst fest, sondern weist die entsprechende Definition dem jeweiligen Einsatzstaat zu. Nr. 5 der Gründe der EG-RL 96/71 verknüpft den Begriff der Lauterkeit des Wettbe76
Zu deren Merkmalen s. o. unter Teil 2 § 1 A. II. 1. c). Dieser Aspekt wird lediglich in den beiden Richtlinienentwürfen der Kommission ausdrücklich erwähnt, vgl. den Vorschlag KOM(91) 230 endg. vom 28.6.1991, ABl. EG 1991 C 225/6 (225/7) und den geänderten Vorschlag KOM(93) 225 endg. vom 16.6.1993, ABl. EG 1993 C 187/5 (187/7). 78 Den Aspekt der im Parteiinteresse gesteigerten Rechtssicherheit betont insbesondere der gemeinsame Standpunkt (EG) Nr. 32/96 des Rates vom 3.6.1996, ABl. 1996 C 220/1 (220/7). 77
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werbs der Dienstleistungserbringer also mit der Garantie eines vergleichsweise höchstmöglichen Arbeitnehmerschutzes.79 Diese parallele Ausrichtung der Richtlinie am freien Dienstleistungsverkehr, der Lauterkeit des Wettbewerbs und dem Arbeitnehmerschutz veranlasste den Wirtschafts- und Sozialausschuss im Rechtsetzungsverfahren, eine fehlende Kohärenz des Richtlinienziels zu bemängeln.80 In jedem Fall erschwert die Existenz mehrerer Aspekte des Richtlinienziels die Suche nach der einschlägigen primärrechtlichen Ermächtigungsgrundlage. b) Rechtsangleichungskompetenzen des EGV Zu den Aufgaben der Gemeinschaft zählt es gem. Art. 3 Abs. 1h EGV, durch Rechtsangleichung Beeinträchtigungen des Gemeinsamen Marktes zu beseitigen, die von nationalen Vorschriften und ihrer Unterschiedlichkeit untereinander ausgehen. Derartige Auswirkungen haben insbesondere die den Mitgliedstaaten ausnahmsweise nach ordre-public-Vorbehalten und der EuGH-Rechtsprechung zugebilligten Diskriminierungen und Beschränkungen hinsichtlich der Grundfreiheiten. Darüber hinaus findet Rechtsangleichung auch zur Verwirklichung der in Art. 2 EGV genannten wirtschafts- und gesellschaftspolitischen Ziele statt, was hinsichtlich des Arbeitnehmerschutzes insbesondere in Art. 136 ff. EGV sichtbar wird. Rechtsangleichung ist – wie die im EGV synonym verwandten Begriffe der Koordinierung und Harmonisierung81 – damit ein „Kernstück“ der Gemeinschaftstätigkeit.82 In allen Fällen dient sie der Beseitigung von für das ordnungsgemäße Funktionieren des Gemeinsamen Marktes abträglichen Unterschiedlichkeiten in bestimmten Rechtsgebieten innerhalb der nationalen Rechtsordnungen der einzelnen Mitgliedstaaten.83 Angesichts der facettenreichen Zielrichtung der EG-RL 96/71 kommt eine Vielzahl von Rechtsangleichungskompetenzen, und zwar von speziellen, sektoral begrenzten Kompetenzvorschriften über die Rechtsangleichungsgrundnormen der Art. 94, 95 EGV bis hin zum „Notanker“ des Art. 308 EGV, in Betracht. 79 Besonders deutlich erkennbar ist diese Verknüpfung in der in den Gründen der beiden Richtlinienentwürfe enthaltenen Formulierung: „Voraussetzung jeglicher Förderung des transnationalen Dienstleistungsverkehrs ist ein Klima fairen Wettbewerbs, das sich nur herstellen lässt, wenn durch entsprechende Maßnahmen die Wahrung der Rechte der Arbeitnehmer garantiert wird.“, vgl. den Vorschlag KOM(91) 230 endg. vom 28.6.1991, ABl. EG 1991 C 225/6 (225/7) und den geänderten Vorschlag KOM(93) 225 endg. vom 16.6.1993, ABl. EG 1993 C 187/5 (187/6). 80 Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses (92/C 49/12) zum ersten Richtlinienentwurf vom 18.12.1991, ABl. 1992 C 49/41. 81 Bröhmer in: Calliess/Ruffert, EUV/EGV, Art. 47 EGV Rn. 10; Taschner in: von der Groeben/Schwarze, EUV/EGV, Art. 94 EGV Rn. 1. 82 Taschner in: von der Groeben/Schwarze, EUV/EGV, Vorbem. zu Art. 94–97 EGV, Rn. 1. 83 So wörtlich Oppermann, Europarecht, § 17 Rn. 1200.
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Teil 2: Autonomiebegrenzung durch Entsenderecht
Die Entsenderichtlinie selbst stützt sich auf Art. 55 iVm. Art. 47 Abs. 2 EGV84, daher konnte die Richtlinie im Mitentscheidungsverfahren des Art. 251 EGV als Mehrheitsentscheidung verabschiedet werden.85 Gleich einer Fortsetzung der oben erwähnten, bereits im Rechtsetzungsverfahren zu Tage getretenen Bedenken des Wirtschafts- und Sozialausschusses ist die Einschlägigkeit dieser Vorschriften als Ermächtigungsgrundlage im Schrifttum jedoch höchst umstritten: Überwiegend wird Art. 55 iVm. Art. 47 Abs. 2 EGV als Rechtsgrundlage abgelehnt86, manche halten Art. 138 EGV für einschlägig87, andere befürworten Art. 94 EGV als Ermächtigungsgrundlage88, vereinzelt wird der Gemeinschaft eine Kompetenz zu Entsenderegelungen abgesprochen89. Der EuGH hat diese Frage bislang nicht entschieden. aa) Art. 55 iVm. Art. 47 Abs. 2 EGV Art. 55 iVm. Art. 47 Abs. 2 EGV haben den Zweck, Hindernisse für den grenzüberschreitenden Dienstleistungsverkehr abzubauen, die durch nationale Zulässigkeitsvoraussetzungen entstehen. Während Art. 47 Abs. 1 EGV insofern speziell die gegenseitige Anerkennung nationaler Befähigungsnachweise fördert, dient Art. 47 Abs. 2 (iVm. Art. 55 EGV) allgemein der Erleichterung der grenzüberschreitenden Dienstleistungserbringung durch eine Koordinierung mitgliedstaatlicher Voraussetzungen und Bedingungen für eine entsprechende Erwerbstätigkeit. Die Verweisung des Art. 55 EGV hat zur Folge, dass derartige Koordinierungen nicht, wie im Rahmen der Niederlassungsfreiheit, lediglich personenorientierte Anforderungen an die Aufnahme und Ausübung der Tätigkeit betreffen, sondern auch produktbezogene Anforderungen an die Dienstleistung selbst.90 Insofern können auch bei der Dienstleistungserbringung zu beachtende arbeitsrechtliche Regeln über den Einsatz von Personal, die sich als 84 Art. 55, 47 Abs. 2 EGV entsprechen den im Erlasszeitpunkt der EG-RL 96/71 geltenden Art. 66, 57 Abs. 2 EGV a. F., die in den dem Richtlinientext vorangestellten Gründen als Ermächtigungsgrundlage angegeben sind. 85 – Und zwar mit Ratsbeschluss vom 24.9.1996 gegen die Stimmen zweier sog. Niedriglohnländer, nämlich Portugals und Großbritanniens. 86 Eichenhofer, ZIAS 1996, 55 (74 f.); Franzen, DZWir 1996,89 (92); ders., ZEuP 1997, 1055 (1059 ff.); Königs, DB 1997, 225 (228); Löwisch, FS Zeuner, 91 (92); Steck, EuZW 1994, 140 (141); a. A. Däubler, EuZW 1997, 613 (614); Lakies in: Däubler, TVG, § 5 Anhang 2 § 1 AEntG Rn. 35; Wank/Börgmann, NZA 2001, 177 (180); Müller, Entsendung, 58; Plesterninks, Entsenderegelungen, 136. 87 Eichenhofer, ZIAS 1996, 55 (76); Koenigs, DB 1997, 225 (228). 88 Franzen, DZWir 1996,89 (92); ders., ZEuP 1997, 1055 (1062); Löwisch, FS Zeuner, 91 (92); Wichmann, Entsendung, 168; dahin tendiert auch das ArbG Wiesbaden, Vorlagebeschl. v. 10.2.1998 – 1 Ca 1672/97 –, AP Nr. 1 zu § 1 AEntG. 89 Steck, EuZW 1994, 140 (142); Gronert, Entsendung, 97 ff.; ähnlich auch AG Tauberbischofsheim, Vorlagebeschl. v. 13.4.1999 – OWi 24 Js 2812/98 AK 48/98 –, NStZ-RR 1999, 343 (344); Konzen, NZA 2002, 781 (783) beschränkt sich auf die zutreffende Bezeichnung als „dubiose Ermächtigungsgrundlage“.
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Wettbewerbsfaktoren auf den Inhalt des Dienstleistungsangebots auswirken, Vorschriften „über die Aufnahme und Ausübung selbständiger Tätigkeiten“ iSd. Art. 47 Abs. 2 EGV darstellen. Art. 47 EGV ermächtigt die Gemeinschaft zur Koordinierung derartiger Hindernisse und schreibt dabei ausdrücklich die Erleichterung grenzüberschreitender Niederlassungen sowie – über Art. 55 EGV – Dienstleistungen vor. Rechtsangleichung auf der Basis des Art. 47 Abs. 2 EGV muss mithin stets zu einer Liberalisierung des Dienstleistungsverkehrs führen. Die durch die EG-RL 96/71 erfolgende Verknüpfung der Lauterkeit des Wettbewerbs mit einem vergleichsweise maximalen Arbeitnehmerschutz durch die Einführung neuer kollisionsrechtlicher Eingriffsnormen sui generis verschärft jedoch die bereits aufgrund des EVÜ bestehende Systematik von Parteiautonomiebeschränkungen. So wird zwar wiederum für ein gemeinschaftsweit einheitliches Schrankensystem gesorgt, zugleich aber die Intensität dieser Beschränkungen der Dienstleistungsfreiheit über das Maß hinaus erhöht, das zuvor auf der Grundlage des EVÜ europaweit bestanden hat. Eine Liberalisierung des Dienstleistungsverkehrs findet auf diese Weise eindeutig nicht statt.91 Auch vermag das in Nr. 6 der Gründe der EG-RL 96/71 suggerierte Klarstellungsbedürfnis der Parteien keine solche Erleichterung zu begründen, da Nr. 12 der Gründe lediglich die theoretische Möglichkeit des einzelstaatlichen Erlasses international zwingender Arbeitsvertragsnormen behauptet, nicht aber eine tatsächlich bestehende entsprechende Praxis der Mitgliedstaaten, die zudem den Regeln des EVÜ widersprechen würden. Nach ihren eigenen Erwägungsgründen dient die Entsenderichtlinie mithin nicht der Angleichung untereinander unterschiedlicher nationaler Kollisionsregeln, sondern vielmehr der Anhebung eines bereits zuvor einheitlichen Beschränkungsniveaus, das ganz offensichtlich nicht zur Erleichterung des freien Dienstleistungsverkehrs führt. Zu einer Erschwerung des Dienstleistungsverkehrs ist die Gemeinschaft jedoch nicht befugt.92 Die EG-RL 96/71 lässt sich mithin nicht auf Art. 55 iVm. Art. 47 Abs. 2 EGV stützen.
90 Die dieser Verweisung zugrunde gelegte Parallelität zwischen der Niederlassungsfreiheit und der Dienstleistungsfreiheit als Personenfreiheiten besteht insofern nur eingeschränkt, als die Dienstleistungsfreiheit eine Doppelnatur als Personen- und Produktfreiheit aufweist, die sie ebenso in die Nähe der Warenverkehrsfreiheit rücken lässt, hierzu näher Randelzhofer/Forsthoff in: Grabitz/Hilf, EGV, Art. 55 Rn. 1, 15. 91 Im Ergebnis ebenso Franzen, DZWir 1996, 89 (92); Königs, DB 1997, 225 (228); a. A. im Ergebnis Huster, Anwendbarkeit des AEntG, 98, die es sich aber insofern zu leicht macht, als sie diese Problematik durch einen Verweis auf die „Einschätzungs- und Entscheidungsprärogative des europäischen Gesetzgebers“ schlichtweg umgeht. 92 EuGH, Urt. v. 13.5.1997 – Rs. C-233/94 (Deutschland/Parlament und Rat) –, Slg. 1997, I-2405 Rz. 17, 19; Bröhmer führt insofern zutreffend aus, die Gemeinschaft besitze keine Kompetenz zum Erlass von „überschießenden“ Vorschriften, „die das Regulierungsniveau in der Gemeinschaft über die in den Mitgliedstaaten existierende
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Teil 2: Autonomiebegrenzung durch Entsenderecht
bb) Art. 55 iVm. Art. 46 Abs. 2 EGV Im Gegensatz zum Liberalisierungsziel des Art. 47 Abs. 2 EGV lässt Art. 55 iVm. Art. 46 Abs. 2 EGV ausdrücklich nationale Beschränkungen der Dienstleistungsfreiheit aus Gründen des ordre public zu und ermächtigt die Gemeinschaft lediglich zur Koordinierung der entsprechenden Vorschriften. „Gründe der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit“ iSd. Art. 46 Abs. 1 EGV verlangen eine tatsächliche und hinreichend schwere Gefährdung, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt.93 Derartig sensible Bereiche nationalstaatlicher Souveränität bleiben mithin von Liberalisierungsmaßnahmen unangetastet. Art. 46 EGV ist als Ausnahmeregelung eng auszulegen94, bislang wurden lediglich zwei Richtlinien bezüglich des Einreise- und Aufenthaltsrechts auf Art. 46 Abs. 2 EGV gestützt.95 Arbeitnehmerschutzvorschriften gehören mangels einer hinreichend intensiven Berührung mit gesellschaftlichen Fundamentalinteressen jedoch nicht zum ordre public.96 Aufgrund der in Art. 46 Abs. 1 EGV gebotenen Achtung fundamentaler Souveränitätsinteressen der Mitgliedstaaten ist die Gemeinschaft hier zudem noch eindeutiger lediglich zur Harmonisierung des bestehenden Niveaus nationaler Freiheitsbeschränkungen im Sinne eines status’ quo befugt und keinesfalls zu dessen Erweiterung. Auch Art. 55 iVm. Art. 46 Abs. 2 EGV stellt somit keine taugliche Rechtsgrundlage für die Entsenderichtlinie dar.97
Regulierungstiefe hinaus noch zu verdichten trachten“, in: Calliess/Ruffert, EUV/ EGV, Art. 47 EGV Rn. 10. 93 EuGH, Urt. v. 28.10.1975 – Rs. 36/75 (Rutili/Minister des Innern) –, Slg. 1975, 1219, Rz. 26/28. 94 EuGH, Urt. v. 19.1.1999 – Rs. C-348/96 (Calfa) –, Slg. 1999, I-11, Rz. 23. 95 Richtlinie 64/221/EWG des Rats vom 25.2.1964 zur Koordinierung der Sondervorschriften für die Einreise und den Aufenthalt von Ausländern, soweit sie aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit gerechtfertigt sind, ABl. EG 1964, 850; Richtlinie 75/35/EWG des Rats vom 17.12.1974 zur Erweiterung des Geltungsbereichs der Richtlinie 64/221/EWG (. . .) auf die Staatsangehörigen, die von dem Recht, nach Beendigung einer selbständigen Tätigkeit im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates zu verbleiben, Gebrauch machen, ABl. EG 1975 L 14/14. 96 EuGH, Urt. v. 5.2.1991 – Rs. C-363/89 (Roux/Belgischer Staat) –, Slg. 1991, I273, Rz. 10 ff., 27, 30 f. (bzgl. Verstoß gegen Sozialrecht); auch bei einer aufgrund der Produkteigenschaft der Dienstleistung als solcher denkbaren Orientierung des ordre public an Art. 30 EGV ergibt sich kein anderes Ergebnis. 97 Die im Zeitpunkt des Richtlinienerlasses geltende Fassung des Art. 56 Abs. 2 EGV a. F. hätte zudem – im Gegensatz zu Art. 46 Abs. 2 EGV n. F. – keine Mehrheitsentscheidung im Verfahren der Mitentscheidung des Art. 251 EGV n. F. (Art. 189b EGV a. F.) erfolgen können, statt dessen hätte der Rat einstimmig auf Vorschlag der Kommission und nach Anhörung des Parlaments entscheiden müssen; die EG-RL 96/ 71 wäre angesichts des abweichenden Abstimmungsverhaltens von Portugal und Großbritannien mithin nicht zustande gekommen.
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cc) Art. 137 Abs. 2 EGV/Art. 118a Abs. 2 EGV a. F. Die Ausrichtung der Entsenderichtlinie am Arbeitnehmerschutz führt schließlich zu Art. 137 Abs. 2 EGV bzw. Art. 118a Abs. 2 EGV a. F. als letzter denkbarer spezieller, weil sektoral begrenzter Kompetenznorm. Zur Verwirklichung der in Art. 2 EGV enthaltenen Gemeinschaftsaufgabe der Förderung eines angemessenen sozialen Schutzes unterstützt und ergänzt die Gemeinschaft gem. Art. 137 Abs. 1, 5 EGV die Tätigkeit der Mitgliedstaaten hinsichtlich eines Katalogs materiellrechtlicher Arbeitsbedingungen mit Ausnahme des Arbeitsentgelts. Hierfür eröffnet Art. 137 Abs. 2 EGV eine Kompetenz der Gemeinschaft zum Erlass schrittweise anwendbarer Mindestvorschriften. Diese können auch eine Anhebung des Schutzniveaus vorsehen, müssen dann jedoch – wo erforderlich – Übergangsfristen vorsehen. Da Art. 137 Abs. 2 EGV – wie seine im Erlasszeitpunkt der EG-RL 96/71 geltende Vorgängervorschrift des Art. 118a Abs. 2 EGV – auf diese Weise nur einen materiellrechtlichen Mindestschutzstandard absichern will, können die einzelnen Mitgliedstaaten in ihren nationalen Vorschriften gem. Art. 137 Abs. 4 2. SpStr. EGV auch einen stärkeren Schutz vorsehen.98 Die primäre Zuständigkeit verbleibt bei den Mitgliedstaaten, die Gemeinschaft ist insofern ausweislich Art. 137 Abs. 1 EGV auf deren Unterstützung und auf die Ergänzung ihrer Tätigkeit beschränkt. Eine tiefgreifende Rechtsangleichung durch die Gemeinschaft ist daher nicht auf der Grundlage des Art. 137 Abs. 2 EGV möglich.99 Ein Teil der in Art. 3 Abs. 1 Satz 1 a)–g) EG-RL 96/71 genannten Arbeitsbedingungen könnte rein theoretisch iSd. Neufassung des Art. 137 Abs. 2 EGV auf einem Mindestniveau harmonisiert werden100, jedoch gem. Art. 137 Abs. 5 EGV mit Ausnahme des Arbeitsentgelts. Dessen ausdrückliche Herausnahme aus dem Katalog des Art. 137 Abs. 1 EGV entzieht den bedeutendsten Wettbewerbsfaktor einer möglichen Harmonisierung.101 Damit entspricht Art. 137 EGV der Begrenzung des Art. 118a Abs. 1 EGV a. F., der sogar eine noch engere Kompetenzzuweisung lediglich für Harmonisierungen im Bereich des Arbeitsschutzes enthielt.102 Der im Erlasszeitpunkt der EG-RL 96/71 maßgebliche Art. 118a Abs. 2 EGV ermöglichte mithin keine Rechtsangleichung für einen Großteil der in der Entsenderichtlinie genannten Arbeitsbedingungen.103 Gegen98 Diese Beschränkung auf Mindestvorschriften bezweckt eine weitgehende Schonung der mitgliedstaatlichen Handlungsfreiheit hinsichtlich der Beibehaltung bzw. Einführung höherer Standards, vgl. Langenfeld in: Grabitz/Hilf, Das Recht der Europäischen Union (Bd. 2 Stand 08/03), Art. 137 Rn. 4. 99 So zutreffend Krebber in: Calliess/Ruffert, EUV/EGV, Art. 137 EGV Rn. 3. 100 Dies ist zudem im Hinblick auf den Arbeitsschutz bereits durch eine Vielzahl von Richtlinien erfolgt. 101 Hierauf weist auch AG Tauberbischofsheim, Vorlagebeschl. v. 13.4.1999 – OWi 24 Js 2812/98 AK 48/98 –, NStZ-RR 1999, 343 (344) explizit hin. 102 Jansen in: Grabitz/Hilf, EGV-Altband, Art. 118a Rn. 3.
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Teil 2: Autonomiebegrenzung durch Entsenderecht
stand der EG-RL 96/71 sind zudem nicht materielle Arbeitsbedingungen, sondern Kollisionsregeln über den Anwendungsbereich entsprechender nationaler Sachnormen. Weder Art. 137 Abs. 2 EGV noch Art. 118a Abs. 2 EGV enthalten jedoch eine Ermächtigung zur Angleichung des internationalen Privatrechts. Diese ergibt sich auch nicht als Annexkompetenz zur Sachrechtsangleichung iSd. Art. 137 Abs. 2 bzw. Art. 118a Abs. 2 EGV. Denn Art. 3 Abs. 1 Satz 1, Abs. 7 EG-RL 96/71 garantiert kein einheitliches Mindestniveau, sondern erklärt jeweils denjenigen Arbeitnehmerschutzstandard zum Mindeststandard, der sich nach dem Günstigkeitsprinzip im konkreten Fall entweder aus dem Recht des Einsatzorts oder des gewöhnlichen Arbeitsorts ergibt. Dadurch wird ein gemeinschaftsweiter Mindestlevel in der Regel deutlich überschritten. Rechtsangleichung auf der Grundlage des Art. 137 Abs. 2 EGV bzw. Art. 118a Abs. 2 EGV a. F. stellt jedoch lediglich eine Harmonisierung der Mindestgarantien dar und ändert nichts daran, dass – insbesondere wegen unterschiedlicher Rahmenbedingungen – regionale Besonderheiten innerhalb der Gemeinschaft bestehen bleiben können. Darin wird deutlich, dass dem EGV ein Konzept zugrunde liegt, das in Anbetracht der Auswirkungen sozialer Kosten auf den Preis der Wirtschaftsgüter zwar nicht von der Wettbewerbsneutralität der Sozialpolitik ausgeht, sondern eine Beeinflussung der Wettbewerbsfähigkeit durch sozialpolitische Maßnahmen zulässt, die sozialpolitische Zuständigkeit aber bis auf eine Harmonisierung von Mindestgarantien den Mitgliedstaaten vorbehalten bleibt.104 Die Sozialpolitik der Gemeinschaft unterliegt zudem gem. Art. 136 Abs. 2, 3 EGV der wettbewerbspolitischen Vorstellung, dass sich eine erfolgreiche Wirtschaftspolitik auch positiv auf die soziale Integration auswirkt. Diese Einbettung der Sozialpolitik in die Wettbewerbspolitik verpflichtet die Gemeinschaft bei ihrem sozialpolitischen Handeln, dabei wettbewerbspolitischen Erwägungen Rechnung zu tragen.105 Europäische Wettbewerbspolitik ist gem. Art. 4 Abs. 1 EGV am Grundprinzip einer offenen Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb in einem Binnenmarkt iSd. Art. 14 Abs. 2 EGV ausgerichtet. Die Entsenderichtlinie erklärt jedoch regionale Besonderheiten zu einem zwingenden Mindeststandard und knüpft dadurch die Lauterkeit des Wettbewerbs an Bedingungen, die das von Art. 136, 137 EGV aufgestellte sozial- und wettbewerbspolitische Kompetenzgefüge verlassen.
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So auch Franzen, ZEuP 1997, 1055 (1061). Diese Zuständigkeit für ein Mindestniveau erfährt lediglich dann eine Erweiterung, wenn die Rechtsetzung auf der Grundlage einer Vereinbarung der Sozialpartner auf Gemeinschaftsebene gem. Art. 139 Abs. 2 EGV erfolgt. 105 Krebber in: Calliess/Ruffert, EUV/EGV, Art. 136 Rn. 6. 104
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dd) Art. 94 EGV Als lex generalis ermöglicht Art. 94 EGV iSd. Vertragszielbestimmung des Art. 3 Abs. 1h EGV die Angleichung nationaler Vorschriften, die sich unmittelbar auf die Errichtung oder das Funktionieren des Gemeinsamen Marktes auswirken.106 Zwingende Arbeitnehmerschutzbestimmungen sind im Falle ihrer Wirkung als internationale Wettbewerbsschranken geeignet, den freien Dienstleistungsverkehr als Bestandteil des Gemeinsamen Marktes zu beeinträchtigen. Art. 94 EGV setzt nicht voraus, dass derartige anzugleichende Normen in sämtlichen Mitgliedstaaten existieren.107 Auch bei einer gemeinschaftsweit materiellen Gleichartigkeit der existenten nationalen Vorschriften ist eine Rechtsangleichung möglich, sofern jene aufgrund ihres Inhalts den Gemeinsamen Markt beeinträchtigen.108 Selbst in dem Fall, dass es in dem betreffenden Sachbereich an jeglichen Regelungen in den Mitgliedstaaten fehlt, kann Recht zur Vorbeugung einer „heterogenen Entwicklung der nationalen Rechtsvorschriften“109 im Wege der Rechtsneuschöpfung angeglichen werden.110 Die Kreation von Eingriffsnormen sui generis durch die EG-RL 96/71 stellt in Anbetracht ihrer Erwägungsgründe eine solche präventive Rechtsangleichung dar. Art. 94 EGV ermöglicht auf diese Weise die Annäherung des Rechts der Mitgliedstaaten an einen gemeinschaftsrechtlich definierten Standard. Im Gegensatz zur insofern ausdrücklichen Regelung in Art. 95 Abs. 3 EGV schreibt Art. 94 EGV allerdings keine Erhöhung des (Arbeitnehmer-)Schutzstandards durch die Gemeinschaft und die entsprechende Anpassung nationaler Schutznormen mit dem Ziel eines möglichst hohen Schutzniveaus vor. Art. 95 Abs. 3 EGV ist insofern als Sonderregel aufzufassen, die im Hinblick auf den Schutz von Gesundheit, Sicherheit, Umwelt und Verbrauchern ein Abgleiten auf den kleinsten gemeinsamen Nenner verhindern will, dabei aber gerade Bestimmungen „über die Rechte und Interessen der Arbeitnehmer“ sowie über Freizügigkeit gem. Art. 95 Abs. 2 EGV, also die Regelungsgegenstände der EG-RL 96/71, von ihrem Anwendungsbereich ausdrücklich ausnimmt. Rechtsangleichungsrichtlinien iSd. Art. 94 EGV müssen auf eine Verbesserung des Funktionierens des Gemeinsamen Marktes gerichtet sein. Im sog. Ta106 Art. 94 EGV setzt einen einstimmigen Ratsbeschluss voraus, diese Voraussetzungen erfüllt die EG-RL 96/71 angesichts der Gegenstimmen aus Portugal und Großbritannien nicht. 107 Kahl in: Calliess/Ruffert, EUV/EGV, Art. 94 Rn. 7; Taschner in: von der Groeben/Schwarze, EUV/EGV, Art. 94 Rn. 33. 108 Kahl in: Calliess/Ruffert, EUV/EGV, Art. 94 Rn. 7. 109 So EuGH, Urt. v. 13.7.1995 – Rs. C-350/92 (Spanien/Rat) –, Slg. 1995, I-1985, Rz. 35; EuGH, Urt. v. 9.10.2001 – Rs. C-377/98 (Niederlande/Parlament und Rat) –, EuZW 2001, 691, Rz. 15. 110 Oppermann, Europarecht, § 17 Rn. 1207, 1211; Taschner in: von der Groeben/ Schwarze, EUV/EGV, Art. 94 EGV Rn. 34; Geiger, EUV/EGV, Art. 94 EGV Rn. 8.
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bakwerbung-Urteil vom 5.10.2000 führte der EuGH aus, präventive Rechtsangleichung könne eingesetzt werden, „um der Entstehung neuer Hindernisse für den Handel infolge einer heterogenen Entwicklung der nationalen Rechtsvorschriften vorzubeugen. Das Entstehen solcher Hindernisse muss jedoch wahrscheinlich sein und die fragliche Maßnahme ihre Vermeidung bezwecken“.111 Art. 94 EGV setzt mithin entweder nationale Regelungen oder aber eine gemeinschaftsweite Regelungslücke voraus, die das ordnungsgemäße Funktionieren des Gemeinsamen Marktes stören. Diese Beeinträchtigung kann sodann im Wege der Rechtsangleichung beseitigt oder zumindest abgemildert werden.112 Eine zu beseitigende Beeinträchtigung des Gemeinsamen Marktes durch die in den Mitgliedstaaten existente Kollisionsregel der lex loci laboris iSd. EVÜ legt die EG-RL 96/71 jedoch nicht dar, auch würde hierfür nach dem Tabakwerbung-Urteil die – in der Endfassung der Richtliniengründen gar nicht enthaltene – bloße Feststellung von Unterschieden zwischen den nationalen Sachnormen des Arbeitnehmerschutzes und der abstrakten Gefahr von Wettbewerbsverzerrungen nicht genügen.113 Durch die Einführung kollisionsrechtlicher Eingriffsnormen sui generis stellt sich die EG-RL 96/71 vielmehr als binnenmarktbehindernde Regelung dar, die von dem auf eine Verbesserung des Funktionierens des Binnenmarktes ausgerichteten Art. 94 EGV114 nicht erfasst wird.115 Zöge man Art. 94 EGV dennoch als Ermächtigungsgrundlage heran, so würde in Anbetracht des Arbeitnehmerschutzziels der EG-RL 96/71 die diesbezüglich ausdrücklich durch Art. 137 Abs. 2 EGV auf einheitliche Mindestgarantien reduzierte sozialpolitische Regelungskompetenz der Gemeinschaft durch eine kollisionsrechtliche Hintertür umgangen. Das wäre rechtsmissbräuchlich.116 ee) Art. 308 EGV Für den Fall, dass der EGV die für die Erreichung der Ziele des Gemeinsamen Marktes konkret erforderlichen Rechtsetzungsbefugnisse nicht vorsieht, stellt Art. 308 EGV eine subsidiäre Generalermächtigung117 bereit. Die Ziele 111 EuGH, Urt. v. 5.10.2000 – Rs. C-376/98 (Deutschland/Parlament und Rat) –, EuZW 2000, 694, Rz. 86. 112 Taschner in: von der Groeben/Schwarze, EUV/EGV, Art. 94 Rn. 1, 3 f. 113 EuGH, Urt. v. 5.10.2000 – Rs. C-376/98 (Deutschland/Parlament und Rat) –, EuZW 2000, 694, Rz. 84. 114 So ausdrücklich EuGH, Urt. v. 5.10.2000 – Rs. C-376/98 (Deutschland/Parlament und Rat) –, EuZW 2000, 694, Rz. 84. 115 Im Ergebnis ebenso Eichenhofer, ZIAS 1996, 55 (75). 116 Insofern ergibt sich eine deutliche Parallele zum Tabakwerbung-Fall, in dem eine in Art. 152 Abs. 4 Satz 1c EGV enthaltene Kompetenzbeschränkung hinsichtlich der Verbesserung der menschlichen Gesundheit durch den Erlass einer Richtlinie auf der Grundlage des Art. 95 EGV umgangen worden wäre, vgl. EuGH, Urt. v. 5.10. 2000 – Rs. C-376/98 (Deutschland/Parlament und Rat) –, EuZW 2000, 694, Rz. 86.
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des Gemeinsamen Marktes umfassen gem. Art. 2 EGV die Errichtung eines Gemeinsamen Marktes und einer Wirtschafts- und Währungsunion sowie die Durchführung der in den Art. 3, 4 EGV genannten gemeinsamen Politiken und Maßnahmen, deren Verwirklichung im Rahmen des Gemeinsamen Marktes erforderlich sein muss. Auf diese Weise wird die Rechtsetzungskompetenz des Art. 308 EGV auf das zur Zielverwirklichung unbedingt notwendige Maß begrenzt, auch darf die Regelung keine negativen Auswirkungen auf das System des Gemeinsamen Marktes haben.118 Letzterer besteht aus den Elementen Marktfreiheit, Marktgleichheit und Wettbewerbsfreiheit.119 Durch den Ausschluss einer Beeinträchtigung dieser Elemente wird ihnen gegenüber den sonstigen nach Art. 2 ff. EGV zu verwirklichen Zielen ein größeres Gewicht eingeräumt.120 Im Gegensatz dazu hat die Entsenderichtlinie eine Beschränkung der Wettbewerbsfreiheit zur Folge.121 Zwar dient dabei der Arbeitnehmerschutz als sozialpolitisches Ziel, die Kompetenz der Gemeinschaft im Bereich der Sozialpolitik ist jedoch gem. Art. 136, 137 EGV auf die Sicherstellung eines einheitlichen Mindestschutzes beschränkt. Darüber hinausgehende sozialpolitische Kompetenzen sind nach der insofern eindeutigen Wertung des EGV bei den Mitgliedstaaten verblieben. Dem entspricht auch die nach Art. 125 ff. EGV gemeinschaftlich lediglich zu koordinierende Beschäftigungspolitik der einzelnen Mitgliedstaaten. Diese sozialpolitische Zurückhaltung der Gemeinschaft kann nicht durch das Ziel der Sicherstellung eines lauteren Wettbewerbs durch ein vergleichsweise höchstmögliches Arbeitnehmerschutzniveau untergraben werden. Die EG-RL 96/71 lässt sich mithin auch nicht auf Art. 308 EGV stützen.122 2. Konsequenzen der Kompetenzanmaßung Die fehlende Kompetenz der Gemeinschaft zum Erlass der EG-RL 96/71 führt zu deren Rechtswidrigkeit. Da aber für jeden im Rahmen des EGV erlassenen Rechtsakt eine Rechtmäßigkeitsvermutung gilt, ist auch die Entsenderichtlinie ungeachtet ihrer Fehlerhaftigkeit so lange als in vollem Umfang wirksam anzusehen, bis sie vom EuGH für nichtig erklärt wird.
117
Rossi in: Calliess/Ruffert, EUV/EGV, Art. 308 EGV Rn. 3. Grabitz in: Grabitz/Hilf, EGV-Altband, Art. 235 Rn. 62; die französische Fassung spricht vom „fonctionnement du marché commun“. 119 Rossi in: Calliess/Ruffert, EUV/EGV, Art. 308 EGV Rn. 22. 120 So zutreffend Rossi in: Calliess/Ruffert, EUV/EGV, Art. 308 EGV Rn. 24. 121 So auch Steck, EuZW 1994, 140 (141 f.). 122 Auch Art. 308 EGV würde zudem eine einstimmige Beschlussfassung voraussetzen, die bei der Verabschiedung der EG-RL 96/71 nicht zustande gekommen ist. 118
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Eine solche Nichtigerklärung im Wege einer Nichtigkeitsklage gem. Art. 230 Abs. 2 EGV ist bislang nicht erfolgt, auch wäre eine entsprechende Klage mittlerweile verfristet.123 Möglich ist allerdings nach wie vor die Feststellung der Ungültigkeit der EG-RL 96/71 im Rahmen eines Vorabentscheidungsverfahrens gem. Art. 234 Abs. 1b EGV. Ein entsprechendes Gestaltungsurteil hätte eine erga-omnes-Wirkung124, würde aber nicht zur Unanwendbarkeit der nationalen Umsetzungsakte in den Mitgliedstaaten führen.125 Denn diese stellen trotz der Umsetzungsverpflichtung souveräne nationalstaatliche Rechtsakte dar, deren Wirksamkeit sich bei einem Wegfall der Richtlinie nach nationalem Verfassungsrecht wie Europarecht beurteilt und die gegebenenfalls bei entsprechenden politischen Mehrheiten von den nationalen Parlamenten wieder aufgehoben werden können. Die nunmehrige Existenz derartiger Umsetzungsakte hat das Bild des gemeinschaftsweiten Kollisionsrechts allerdings nicht unerheblich verändert. Auch können einzelne Mitgliedstaaten unabhängig von der EG-RL 96/71 ihre eigenen, das arbeitsvertragliche Austauschverhältnis betreffenden Bestimmungen mit einem internationalen Normzwang – u. U. gar ohne ein relativierendes Günstigkeitsprinzip – ausstatten und sich dadurch von den im EVÜ enthaltenen Vereinbarungen lösen. Art. 23 EVÜ schafft die Möglichkeit für ein einseitiges Abweichen durch einzelne Mitgliedstaaten und verlangt hierfür lediglich die Einhaltung eines Konsultationsverfahrens. Ob derartige Regelungen auch materiellrechtlich wirksam wären, ist eine andere Frage.126 Sollten aber tatsächlich in einzelnen Mitgliedstaaten nationale Entsenderegelungen bestehen127, würde sich für die Gemeinschaft ggf. ein liberalisierender Vereinheitlichungsbedarf ergeben. Eine entsprechende Richtlinie könnte die bereits in den Mitgliedstaaten existierenden international zwingenden Arbeitnehmerschutzvorschriften koordinieren, was eine mit den Gemeinschaftszielen nicht in Einklang zu bringende (s. o.) Verschärfung kollisionsrechtlicher Wettbewerbsschranken durch die Einführung von sozialpolitisch motivierten Eingriffsnormen sui generis ausschließen würde. Ein von der Richtlinie einheitlich postuliertes Günstigkeitsprinzip würde so für eine abgestimmte Vorrangregel und damit für Rechtssicherheit zugunsten der Dienstleistungserbringer sorgen. Der Amsterdamer Vertrag hat mit Art. 65 lit. b EGV iVm. Art. 61 lit. c EGV eine Kompetenz zur Rechtsanglei123 Gem. Art. 230 Abs. 5 EGV gilt eine Klagefrist von zwei Monaten ab Bekanntgabe des Rechtsaktes. 124 Gaitanides in: von der Groeben/Schwarze, EUV/EGV, Art. 234 Rn. 90. 125 So zutreffend auch Röttinger, EuZW 1993, 117 (120); a. A. Borchardt in: Lenz/ Borchardt, EUV/EGV, Art. 231 Rn. 4. 126 Hierzu unter Teil 2 § 1 B. II. und § 2. 127 Wofür in Anbetracht der in den klassischen Hochlohnländern der Gemeinschaft (Belgien, Frankreich, Österreich, Deutschland) zwar erst zeitlich nach dem ersten Richtlinienentwurf initiierten, jedoch vor der Verabschiedung der Entsenderichtlinie erlassenen nationalen Alleingänge einiges spricht.
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chung nationaler Regelungen des Internationalen Privatrechts geschaffen, die als lex specialis für eine entsprechende Richtlinie einschlägig wäre. Denn der hier zu regelnde Sachbereich ist dem freien Personenverkehr iSd. Titel IV EGV zuzuordnen, weist grenzüberschreitende Bezüge auf, und die Regelung wäre in Ermangelung einer Anhebung des nunmehr bereits existenten Schutzniveaus dem reibungslosen Funktionieren des Binnenmarktes förderlich.128 Im weiteren Gang der Untersuchung wird daher fiktiv von einem entsprechenden Neuerlass der Entsenderichtlinie (einschließlich einer entsprechend abgeänderten, dem Richtlinientext vorangestellten Begründung) mit einem mit der EG-RL 96/71 identischen Gehalt, zumindest aber von einer zugunsten letzterer fortgeltenden Rechtmäßigkeitsvermutung ausgegangen. II. Materielle Rechtmäßigkeit 1. Prüfungsmaßstab nach EuGH und BVerfG Die materielle Rechtmäßigkeit sekundärer Rechtsakte der Gemeinschaft ist nicht nach nationalem Verfassungsrecht der Mitgliedstaaten, sondern ausschließlich nach europarechtlichen Maßstäben zu beurteilen. Daher erübrigt sich die Prüfung eines etwaigen Verstoßes der EG-RL 96/71 gegen Grundrechte iSd. GG. Der EuGH begründet diesen uneingeschränkten Vorrang des Gemeinschaftsrechts gegenüber dem nationalen Recht einschließlich des Verfassungsrechts mit der Eigenständigkeit der Gemeinschaftsrechtsordnung, die einer einheitlichen Rechtsanwendung als Voraussetzung für die Funktionsfähigkeit der Gemeinschaft sowie der Loyalitätspflicht der Mitgliedstaaten iSd. Art. 10 Abs. 2 EGV bedarf.129 Einem solchen uneingeschränkten Vorrang steht das BVerfG jedoch nicht vorbehaltlos gegenüber. Denn der Geltungsanspruch supranationalen Gemeinschaftsrechts entsteht nicht aus sich heraus, sondern bedarf der entsprechenden Öffnung der nationalen Rechtsordnungen. Diese Öffnung erfolgt in Deutschland durch den Integrationshebel des Art. 23 Abs. 1 GG – allerdings nicht schrankenlos, denn die Grundstrukturen der Verfassung sowie grundlegende Rechtsprinzipien, die sich vor allem aus den Grundrechten des GG ergeben, dürfen gem. Art. 23 Abs. 1 Satz 1 GG im Rahmen der europäischen Integration nicht aufgegeben werden. Über die Jahre hat sich die Rechtsprechung 128 Das Rechtsetzungsverfahren des Art. 67 EGV setzt allerdings einen einstimmigen Ratsbeschluss voraus, dessen künftige Erzielbarkeit wegen der bestehenden – und sich angesichts der EU-Osterweiterung verschärfenden – Kontroversen zwischen Hoch- und Niedriglohnländern nur schwer einzuschätzen ist. 129 EuGH, Urt. v. 15.7.1964 – Rs. 6/64 (Costa/ENEL) –, Slg. 1964, 1251; EuGH, Urt. v. 17.12.1970 – Rs. 11/70 (Internationale Handelsgesellschaft/Einfuhr- und Vorratsstelle) – Slg. 1970, 1125.
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des BVerfG von der zunächst ausdrücklichen Aufrechterhaltung seiner diesbezüglichen verfassungsrechtlichen Kontrollbefugnisse zu einer heute nur noch theoretischen Reservekompetenz im Rahmen eines Kooperationsverhältnisses mit dem EuGH entwickelt: In der sog. Solange-I-Entscheidung von 1974 hielt das BVerfG eine verfassungsgerichtliche Kontrolle sekundären Gemeinschaftsrechts solange für erforderlich, wie das Gemeinschaftsrecht selbst und der damalige Stand der EuGH-Rechtsprechung keinen ausreichenden Grundrechtsschutz gewährleisten würde.130 Auch wenn in der Folgezeit kein dem GG vergleichbarer primärrechtlicher Grundrechtskatalog verfasst wurde, entwickelte der EuGH dennoch eine zunehmend dezidierte Rechtsprechung zum Schutz von Grundrechten und rechtsstaatlichen Prinzipien in der Gemeinschaft, die das BVerfG 1986 zur sog. Solange-II-Formel veranlasste. Danach zieht das BVerfG seine Jurisdiktionskompetenz hinsichtlich der Vereinbarkeit sekundären Gemeinschaftsrechts mit nationalen Grundrechten solange zurück, wie auf Gemeinschaftsebene ein wirksamer, dem GG im Wesentlichen gleichzuachtender Grundrechtsschutz generell gewährleistet ist.131 Somit ist kein deckungsgleicher Schutz erforderlich. Allerdings verbleibt dem BVerfG hinsichtlich der Erfüllung dieser Bedingung eine „Wächterfunktion“, aufgrund derer von einem Kooperationsverhältnis zwischen dem BVerfG und dem EuGH zu sprechen ist. Diese Grundsätze hat das BVerfG in späteren Entscheidungen wie dem Maastricht-Urteil132 und der sog. SolangeIII-Entscheidung133 bestätigt. Im Hinblick auf nationale Rechtsakte zur Umsetzung europäischer Richtlinien hängt die Überprüfung von deren nationaler Verfassungsmäßigkeit davon ab, ob die Richtlinie einen Umsetzungsspielraum eröffnet, der dem Mitgliedstaat Alternativen zu einem etwaigen Verfassungsverstoß ermöglicht.134 Reduziert sich aber die Umsetzung auf ein Abschreiben der detaillierten Richtlinie, würde der letztlich sowohl vom EuGH als auch vom BVerfG bestätigte Vorrang des Gemeinschaftsrechts konterkariert, ließe man insofern eine nationale Grundrechtskontrolle allein wegen der Eigenschaft dieser Umsetzung als Akt nationaler Staatsgewalt zu. In Anbetracht der Detailliertheit der EG-RL 96/71 können sich Verfassungsverstöße durch nationale Umsetzungsakte daher nur hinsichtlich der Fragen ergeben, auf welche Weise Rechtsnormen ein durch das Günstigkeitsprinzip relativierter internationaler Normzwang zugewiesen wird, was für Ausnahmen auf der Grundlage von Art. 3 Abs. 3–5 EG-RL 96/71 eingeräumt werden und wie die Einhaltung der zwingenden Arbeitsbedingungen sicherge130 131 132 133 134
BVerfG, Beschl. v. 29.5.1974 – 2 BvL 52/71 –, BVerfGE 37, 271. BVerfG, Beschl. v. 22.10.1986 – 2 BvR 197/83 –, BVerfGE 73, 339. BVerfG, Urt. v. 12.10.1993 – 2 BvR 2134, 2159/92 –, BVerfGE 89, 155. BVerfG, Beschl. v. 7.6.2000 – 2 BvL 1/97 –, NJW 2000, 3124. Vgl. BVerfG, Beschl. v. 12.5.1989 – 2 BvA 3/89 –, NJW 1990 974.
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stellt wird. Denn nur dort erwächst den Mitgliedstaaten ein Umsetzungsspielraum135, bei dessen Ausschöpfung sie vollumfänglich an nationales Verfassungsrecht gebunden sind. Die Kompetenzanmaßung durch die Gemeinschaft bei Erlass der EG-RL 96/ 71 führt insofern zu keinem anderen Ergebnis. Aufgrund der Integrationsoffenheit des Art. 23 Abs. 1 GG würde der Vorrang des Gemeinschaftsrechts allenfalls bei ganz offensichtlichen Legitimationsdefiziten entfallen. Eine derartige Evidenz ist jedoch bei der EG-RL 96/71 nicht gegeben, so dass mit der Rechtmäßigkeitsvermutung auch der Vorrang des Gemeinschaftsrechts fortgilt und beide erst durch eine Entscheidung des EuGH über die Einhaltung der Kompetenzgrenzen entfallen würden. 2. Grundsatz der Nichteinmischung, Art. 6, 7 EVÜ Indem die EG-RL 96/71 Eingriffsnormen sui generis einführt, nimmt sie international zwingenden Eingriffsnormen ihren bisherigen Ausnahmecharakter. Dies stellt einen Verstoß gegen den in Art. 6, 7 EVÜ enthaltenen Grundsatz der Nichteinmischung dar. Nach der Konzeption der Art. 6, 7 EGV liegt die Kompetenz zur normativen Regelung des arbeitsvertraglichen Austauschverhältnisses bei demjenigen Mitgliedstaat, dessen Arbeitsmarkt das jeweilige Arbeitsverhältnis aufgrund seines dortigen gewöhnlichen Arbeitsortes zuzuordnen ist. Die in diesem Mitgliedstaat maßgeblichen sozialen und wirtschaftlichen Bedingungen prägen das dort gesetzlich oder von den Sozialpartnern gefundene Modell des Ausgleichs gestörter Vertragsparität. Dieses Modell manifestiert sich in der inhaltlichen Ausgestaltung intern zwingender Bestimmungen iSd. Art. 6 Abs. 1 EVÜ sowie in der Intensität der entsprechenden Einschränkung von Privatautonomie. Das in diesem System aufgrund seines gewöhnlichen dortigen Tätigkeitsschwerpunktes verwurzelte Arbeitsverhältnis wird so von Bedingungen beherrscht, die ihrerseits dort sozial- und tarifpolitisch als adäquater Ausgleich der Parteiinteressen angesehen werden. Jeder Staat verfügt über ein solches Ausgleichsmodell, mithin auch der Einsatzstaat, in dem der entsandte Arbeitnehmer vorübergehend tätig wird. Art. 6, 7 EVÜ untersagen es jedoch dem Einsatzstaat, dem entsandten Arbeitnehmer das dortige Ausgleichsmodell aufzuerlegen, da die Interessen dieses Arbeitnehmers mangels eines entsprechenden Arbeitsmarktbezugs nicht in das Modell des Einsatzstaates miteingeflossen sind und einem entsprechenden Normzwang daher die nach Art. 6, 7 EVÜ maßgebliche Legitimation fehlt. Normen des Einsatzstaates können das Arbeitsverhältnis des vorübergehend entsandten Arbeit135
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nehmers nur dann erfassen, wenn sie nicht einen Ausgleich von Parteiinteressen beinhalten, sondern gem. Art. 7 Abs. 2 EVÜ überwiegend Allgemeininteressen schützen. Art. 6, 7 EVÜ enthalten mithin ein an den Einsatzstaat gerichtetes Gebot der Nichteinmischung in den vom Entsendestaat nach dessen wirtschaftlichen und sozialen Rahmenbedingungen gefundenen Interessenausgleich. Nach dem EVÜ verbleiben entsprechende sozialpolitische Kompetenzen mithin in dem Mitgliedstaat, in dem das Arbeitsverhältnis seinen tatsächlichen (und damit auch wirtschaftlichen) Schwerpunkt hat.136 Allerdings räumt Art. 20 EVÜ vom Inhalt des EVÜ abweichenden Kollisionsregeln der EG einen Vorrang ein, was sowohl für entsprechende Richtlinien als auch für das durch deren Umsetzung harmonisierte Recht der Mitgliedstaaten gilt.137 Soweit die Gemeinschaft also über eine entsprechende Kompetenz zur Harmonisierung von Kollisionsrecht verfügt, kann sie inhaltlich von Art. 6, 7 EVÜ abweichen, ohne dass dies einen Verstoß gegen dieses Übereinkommen darstellen würde. Da die EG aber im Zeitpunkt des Erlasses der EG-RL 96/71 nur dort internationalprivatrechtliche Regelungen treffen konnte, wo ihr auch die Kompetenz zur Sachrechtsharmonisierung zukam138, eine solche Kompetenz aber nicht existiert139, ist die Abweichung letztlich nicht zu legitimieren. Anders wäre dies freilich im Falle eines Neuerlasses der Entsenderichtlinie auf der Basis der neuen generellen Kompetenz zur Kollisionsrechtsangleichung des Art. 65 lit. b EGV. 3. Grundfreiheiten des EGV a) Arbeitnehmerfreizügigkeit, Art. 39 EGV Ob die Einführung von Eingriffsnormen sui generis durch Art. 3 Abs. 1, 7 EGV einen Eingriff in den Schutzbereich der Arbeitnehmerfreizügigkeit iSd. Art. 39 EGV darstellt, ist fraglich. Für den Fall der grenzüberschreitenden Dienstleistungserbringung beschränken Eingriffsnormen sui generis beide Parteien des Arbeitsverhältnisses in ihrer Vertragsfreiheit, und zwar sowohl in ihrer Privatautonomie als auch in ihrer Rechtswahlfreiheit. Zu Lasten wirkt sich dies allerdings aufgrund des Günstigkeitsprinzips ausschließlich auf Seiten des Arbeitgebers aus: Die von diesen 136
Ähnlich Gerken/Löwisch/Rieble, BB 1995, 2370 (2375, bzgl. des AEntG). Bericht Giuliano/Lagarde, BT-Dr. 10/503, 71; dem in diesem Bericht dokumentierten Wunsch der Mitgliedstaaten, derartige gemeinschaftliche Rechtsakte mögen mit den Vorschriften des EVÜ übereinstimmen, ist in Anbetracht der ausdrücklichen, eine tatsächliche Diskrepanz voraussetzenden Vorrangregel des Art. 20 EVÜ wohl keine gesonderte Bedeutung beizumessen. 138 Helmberg in: Czernich/Heiss, EVÜ, Art. 20 Rn. 4. 139 s. o. unter Teil 2 § 1 B. I. 1. b). 137
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Eingriffsnormen sui generis betroffenen Arbeitsbedingungen verengen als mobilitätsspezifische Wettbewerbsfaktoren den Spielraum, den der Arbeitgeber beim Unterbreiten von Leistungsangeboten auf dem Dienstleistungsmarkt des Einsatzstaates ansonsten hätte: Grenzen der Lohnkostenminimierung führen zu einer Verteuerung seines Angebotes, Grenzen des örtlich flexiblen Personaleinsatzes schränken die Reichweite seiner Leistungserbringung ein oder schließen eine Marktteilnahme im Einsatzstaat gar völlig aus. Die vorübergehende Modifikation des Inhalts des Arbeitsverhältnisses durch die Eingriffsnormen sui generis des Einsatzstaates schränkt den Arbeitgeber mithin in seiner Wettbewerbsfreiheit wie auch in seiner Berufsausübung als Erbringer grenzüberschreitender Dienstleistungen ein. Ein Eingriff zu Lasten des Arbeitnehmers könnte allenfalls in den Schutzbereich der Arbeitnehmerfreizügigkeit iSd. Art. 39 EGV erfolgen und dies nur dann, wenn die o. g. Erschwerung des grenzüberschreitenden Transfers der Dienstleistung auch den Arbeitnehmer erfasst, der dieses Produkt begleitet und durch seine Arbeitsleistung ermöglicht. Maßgeblich ist also, ob die EG-RL 96/71 neben der Produktmobilität und selbständigen Dienstleistungserbringung iSd. Art. 49 EGV auch die Mobilität des Produktionsfaktors Arbeit iSd. Art. 39 EGV als weitere Marktfreiheit einschränkt. Arbeitnehmerfreizügigkeit bedeutet das Recht aller Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten, sich in einen anderen Staat zu begeben, sich dort unter den gleichen Bedingungen wie die Staatsangehörigen dieses Landes um einen Arbeitsplatz zu bewerben und einer abhängigen Beschäftigung nachzugehen sowie am Ende des Arbeitslebens unter bestimmten Bedingungen im Aufnahmestaat zu verbleiben.140 Freizügigkeit iSd. Art. 39 EGV ist mithin auf die Ausübung einer Beschäftigung in einem anderen Mitgliedstaat als wirtschaftlichem Zweck ausgerichtet.141 Verboten sind sowohl Diskriminierungen im Hinblick auf den Zugang zur Beschäftigung und die Ausübung derselben als auch allgemeine Beschränkungen. Insbesondere im Zusammenhang mit letzteren betont der EuGH, dass derartige Bestimmungen nur dann eine Behinderung darstellen, wenn sie die Bedingungen des Zugangs des Arbeitnehmers zum Arbeitsmarkt festlegen.142 Dem Begriff der Beschäftigung iSd. Art. 39 EGV ist mithin eine Berührung des Arbeitnehmers mit dem Arbeitsmarkt des Einsatzstaates im Sinne einer Arbeitsmarktzuordnung immanent. Demgegenüber ist die Entsendung und damit die Tätigkeit im Einsatzstaat gem. Art. 2 Abs. 1 EG-RL 96/71 zeitlich begrenzt, der Arbeitnehmer behält seinen Tätigkeitsschwerpunkt im Rahmen des fortbestehenden Arbeitsverhält140 So wörtlich Wölker/Grill in: von der Groeben/Schwarze, EUV/EGV, Vorbem. zu Art. 39–41 Rn. 1. 141 Geiger, EUV/EGV, Art. 39 EGV Rn. 41. 142 EuGH, Urt. v. 15.12.1995 – Rs. C-415/93 (Bosman) –, Slg. 1995, I-4921, Rz. 103; EuGH, Urt. v. 27.1.2000 – Rs. C-190/98 (Graf) –, Slg. 2000, I-493, Rz. 23.
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nisses am Ort der gewöhnlichen Arbeitsleistung bei, so dass sich auch seine Zuordnung zum Arbeitsmarkt des Entsendestaates nicht verändert oder gar entfällt.143 Der vorübergehend grenzüberschreitende Einsatz eines dem Entsendestaat und seinem Arbeitsmarkt sowohl durch ein dort fortbestehendes Arbeitsverhältnis als auch durch einen dort fortwährend anzusiedelnden Tätigkeitsschwerpunkt verbundenen Arbeitnehmers stellt keine Freizügigkeit des Arbeitnehmers dar, da dieser hierbei kein eigenes Freiheitsrecht wahrnimmt, sondern dabei lediglich eine von der Mobilität der Dienstleistung abgeleitete Grenzüberschreitung stattfindet. Mangels Zutritts der entsandten Arbeitnehmer zum Arbeitsmarkt des Einsatzstaates scheidet ein Eingriff in den Schutzbereich des Art. 39 EGV mithin aus.144 b) Dienstleistungsfreiheit, Art. 49 EGV aa) Beschränkungsbegriff des EuGH Die Dienstleistungsfreiheit iSd. Art. 49 EGV garantiert das Recht, unbehindert von einem Mitgliedstaat aus selbständig einzelne Dienstleistungstätigkeiten in einem anderen Mitgliedstaat zu erbringen, ohne dort eine ständige Niederlassung zu unterhalten.145 Wie bei anderen Grundfreiheiten wird auch hier die Zielrichtung des Binnenmarktes iSd. Art. 14 Abs. 2 EGV deutlich, nämlich die Herstellung von Marktfreiheit und Marktgleichheit durch die Abschaffung aller grenzübertrittsspezifischen Behinderungen in somit neutralen nationalen Marktordnungen.146 Die von Art. 1 Abs. 1, 3 EG-RL 96/71 geregelte länderübergreifende Dienstleistungserbringung entspricht dem Dienstleistungsbegriff der Art. 49, 50 EGV,
143 Dass derartige Kurzeinsätze ausländischer Arbeitnehmer trotzdem mittelbare Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt des Einsatzstaates und u. U. eine Steigerung der dortigen Arbeitslosigkeit zur Folge haben können, ändert am Erfordernis des Arbeitsmarktzutritts iSd. Art. 39 EGV nichts. 144 EuGH, Urt. v. 25.10.2001 – verb. Rs. C-49/98, C-50/98, C-52/98 bis C-54/98 und C-68/98 bis C-71/98 (Finalarte) –, Slg. 2001, I-7831, Rz. 22; ebenso Generalanwalt Mischo in seinen Schlussanträgen vom 13.7.2000 zu diesem Urteil, Slg. 2001, I7835, Rz. 29; vgl. auch Tiedje/Troberg in: von der Groeben/Schwarze, EUV/EGV, Art. 50 Rn. 92; Koberski/Asshoff/Hold, AEntG, § 1 Rn. 156 f.; Lakies in: Däubler, TVG, § 5 Anhang 2 § 1 AEntG Rn. 37; Eichenhofer, ZIAS 1996, 55 (61); Kort, NZA 2002, 1248 (1250); Krebber, Jahrbuch Junger Zivilrechtswissenschaftler 1997, 129 (139); Selmayr, ZfA 27 (1996), 615 (635); Nettekoven, Erstreckung tariflicher Mindestlöhne, 87; Plesterninks, Entsenderegelungen, 46; a. A. Gerken/Löwisch/Rieble, BB 1995, 2370 (2372 f.); Löwisch, GS Eucken, 221 (238); Löwisch/Rieble in: MünchArbR, § 268 Rn. 123; dies., TVG, § 5 Rn. 160 (bzgl. AEntG). 145 Hakenberg in: Lenz/Borchardt, EUV/EGV, Vorbem. Art. 49–55 EGV, Rn. 2. 146 Vgl. Randelzhofer/Forsthoff in: Grabitz/Hilf, EGV, vor Art. 39–55 EGV Rn. 4 ff.
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Entsendeunternehmen erstreben dabei den Zugang zu Dienstleistungsmärkten des Einsatzstaates.147 Die Dienstleistungsfreiheit umfasst dabei auch das Recht, Arbeitnehmer zum Zweck der Dienstleistungserbringung grenzüberschreitend einzusetzen.148 Eingriffsnormen sui generis iSd. Art. 3 Abs. 1 EG-RL 96/71 beschränken den Spielraum des Entsendeunternehmens im Wettbewerb auf einem solchen Dienstleistungsmarkt, und zwar sowohl hinsichtlich der Preiskalkulation als auch hinsichtlich des Angebotsinhalts. Die Entsenderichtlinie stellt damit einen unmittelbaren Eingriff in die Vertrags- und Rechtswahlfreiheit der Arbeitsvertragsparteien dar, der sich mittelbar faktisch wettbewerbsbeschränkend auf die unter dem Einsatz von Arbeitnehmern erfolgende Marktteilnahme des Entsendeunternehmens im Einsatzstaat auswirkt. Allerdings handelt es sich dabei nicht um eine offene oder gar versteckte Diskriminierung des Dienstleistungserbringers durch die entsprechend Art. 3 Abs. 1 EG-RL 96/71 international zwingenden Bestimmungen des Einsatzstaates aufgrund seiner Staatsangehörigkeit oder seines Sitzes in einem anderen Mitgliedstaat. Der Normzwang dieser Vorschriften gilt vielmehr unterschiedslos für alle Dienstleistungserbringer im Einsatzstaat, wirkt sich dennoch aber für die in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Entsendeunternehmen dadurch negativ aus, dass sie ihr Dienstleistungsangebot nur unter für sie wirtschaftlich ungünstigeren Bedingungen als in ihrem Heimatstaat auf dem Dienstleistungsmarkt des Einsatzstaates unterbreiten können. Durch eine vollumfängliche Unterwerfung der Dienstleistungsberechtigten unter dieselben Bestimmungen, die für Inländer des Einsatzstaates gelten, wird die Dienstleistungsfreiheit insbesondere angesichts der im Gegensatz zur Niederlassung nur vorübergehenden Marktteilnahme ausländischer Dienstleistungserbringer erheblich erschwert.149 Dies kann den innergemeinschaftlichen Wirtschaftsverkehr beeinträchtigen sowie Marktfreiheit und -gleichheit als Binnenmarktziele gefährden. Daher erweiterte der EuGH die ursprünglich enge Ausrichtung der Marktfreiheiten auf Diskriminierungsverbote um das Verbot sonstiger Beschränkungen aufgrund unterschiedslos wirkender Maßnahmen.150 Die sog. Dassonville-Formel wurde zunächst für den freien Warenverkehr des Art. 28 EGV entwickelt, in der Folge auf die anderen Grundfreiheiten übertragen und im Cassis-de-Dijon-Urteil151 präzisiert. Das allgemeine Beschränkungsverbot beinhaltet danach die Aufhebung aller Beschränkungen, die geeignet sind, die Tätigkeit des Dienstleistungserbringers, der in einem anderen Mitgliedstaat ansässig ist und 147
s. o. Teil 2 § 1 A. I. 1. „Entsendungsfreiheit“, so Selmayr, ZfA 27 (1996), 615 (631). 149 Insbesondere hier wird die Ähnlichkeit der Dienstleistungsfreiheit als Produktfreiheit mit dem freien Warenverkehr deutlich. 150 EuGH, Urt. v. 11.7.1974 – Rs. 8/74 (Dassonville) –, Slg. 1974, 837. 151 EuGH, Urt. v. 20.2.1979 – Rs. 120/78 (Rewe-Zentral-AG/Bundesmonopolverwaltung für Branntwein) –, Slg. 1979, 649. 148
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dort rechtmäßig ähnliche Dienstleistungen erbringt, zu unterbinden, zu behindern oder weniger attraktiv zu machen.152 Derartige Beeinträchtigungen der Mobilität potentieller Dienstleistungserbringer können auch durch arbeitsrechtliche Beschränkungen erfolgen.153 Die Einführung international zwingender Eingriffsnormen hinsichtlich der in Art. 3 Abs. 1 Satz 1 a)–g) EG-RL 96/71 genannten Arbeitsbedingungen stellt eine Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit der Entsendeunternehmen dar, die sich im Sinne eines produktbezogenen Hindernisses auf Preis und Inhalt der konkreten Dienstleistung auswirkt. Ein Eingriff in den Schutzbereich des Art. 49 EGV ist daher gegeben. bb) Zwingende Allgemeininteressen als Rechtfertigung (1) Arbeitnehmerschutz contra wirtschaftliche Interessen Eine Korrektur des um das allgemeine Beschränkungsverbot ausgeweiteten Schutzbereichs der Marktfreiheiten brachte die – wiederum zunächst auf den Warenverkehr bezogene – Cassis-de-Dijon-Formel des EuGH: Danach bedarf es bei unterschiedslos wirkenden Maßnahmen nicht des Rückgriffs auf den ordre public iSd. Art. 30, 39 Abs. 3, 46 Abs. 1, 55 EGV, wenn sie bereits durch zwingende Erfordernisse bzw. Allgemeininteressen gerechtfertigt und verhältnismäßig sind.154 Als derartige Interessen nannte der EuGH beispielhaft eine wirksame steuerliche Kontrolle, den Schutz der öffentlichen Gesundheit, der Lauterkeit des Handelsverkehrs und des Verbraucherschutzes, der Katalog ist jedoch Erweiterungen zugänglich.155 Der Begriff der „zwingenden Gründe des Allgemeininteresses“ öffnet den Mitgliedstaaten mithin einen weiten Spielraum zur Definition schützenswerter Belange, den auch die Gemeinschaft beim Erlass von Rechtsetzungsakten zu beachten hat, die auf eine Koordinierung entsprechender nationaler Bestimmungen gerichtet sind. Die EG-RL 96/71 knüpft den Begriff der Lauterkeit des grenzüberschreitenden Wettbewerbs an ein im konkreten Günstigkeitsvergleich maximales Arbeit152 EuGH, Urt. v. 3.12.1974 – Rs. 33/74 (Van Binsbergen) –, Slg. 1974, 1299 Rz. 10/12; EuGH, Urt. v. 18.1.1979 – verb. Rs. 110, 111/78 (Van Wesemael) –, Slg. 1979, 35 Rz. 27; EuGH, Urt. v. 17.12.1981 – Rs. 279/80 (Webb) –, Slg. 1981, 3305 Rz. 16; EuGH, Urt. v. 25.7.1991 – Rs. C-76/90 (Säger) –, Slg. 1991, I-4221 Rz. 12; EuGH, Urt. v. 9.7.1997 – Rs. C-222/95 (Parodi) –, Slg. 1997, I-3899 Rz. 18. 153 EuGH, Urt. v. 5.6.1997 – Rs. C-398/95 (SETTG) –, Slg. 1997, I-3091 Rz. 17 f. 154 EuGH, Urt. v. 20.2.1979 – Rs. 120/78 (Rewe-Zentral-AG/Bundesmonopolverwaltung für Branntwein) –, Slg. 1979, 649; dabei versteht der EuGH die Cassis-deDijon-Formel als Tatbestandsbegrenzung, wendet sie jedoch tatsächlich wie einen Rechtfertigungstatbestand bei einer gleichzeitigen Verhältnismäßigkeitsprüfung an. 155 Vgl. die in EuGH, Urt. v. 25.7.1991 – Rs. C-288/89 (Collective Antennevoorziening Gouda) –, Slg. 1991, I-4007 Rz. 14 enthaltene Auflistung bislang anerkannter Allgemeininteressen.
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nehmerschutzniveau. Dieser Lauterkeitsbegriff steht allerdings unter einem Zielkonflikt: Einerseits stellt der soziale Schutz von Arbeitnehmern nach der Rechtsprechung des EuGH ein objektives Allgemeininteresse dar, das Beschränkungen der Dienstleistungsfreiheit rechtfertigen kann.156 Andererseits ist eine solche Verpflichtung zur Einhaltung des im Einsatzstaat geltenden höheren Arbeitnehmerschutzniveaus aufgrund der damit einhergehenden wirtschaftlichen Belastung des Arbeitgebers geeignet, das Entsendeunternehmen zugunsten im Einsatzstaat ansässiger Unternehmen vom Markt zu verdrängen. Dies entspricht dem Interesse des Einsatzstaates an Vollbeschäftigung und am Abbau von Arbeitslosigkeit auf seinem nationalen Arbeitsmarkt. Rein wirtschaftliche Gründe fallen jedoch nach ebenso dezidierter Rechtsprechung des EuGH nicht unter den Begriff des Allgemeininteresses und können einen Eingriff in die Dienstleistungsfreiheit nicht – folglich auch nicht aus Gründen des ordre public – rechtfertigen.157 Denn derartige Gemeinwohlinteressen der Mitgliedstaaten zielen darauf ab, den Marktzugang für ausländische Anbieter wirtschaftlich zu erschweren und dadurch uninteressant zu machen. Eine solche finale Marktabschottung läuft jedoch der Binnenmarktkonzeption des Art. 14 Abs. 2 EGV evident zuwider. Zudem verstößt eine entsprechende nationale Wirtschaftspolitik gegen die gem. Art. 98 Satz 2 EGV bestehende Verpflichtung der Mitgliedstaaten, im Einklang mit dem Grundsatz einer offenen Marktwirtschaft freien Wettbewerb auf einem europäischen Binnenmarkt zuzulassen.158 (2) Rechtsprechung des EuGH zum Entsenderecht Ausgehend von diesem polarisierenden Grundverständnis lassen sich zwei Phasen der EuGH-Rechtsprechung zur Rechtfertigung von Eingriffen in die Freiheit der unter einem mobilen Arbeitnehmereinsatz erfolgenden Dienstleistungserbringung ausmachen. Dabei wird nach der Intensität der Auswirkungen des Eingriffs auf das Arbeitsverhältnis differenziert, die den dogmatischen
156 EuGH, Urt. v. 3.2.1982 – verb. Rs. 62, 63/81 (Seco) –, Slg. 1981, 223 Rz. 10; EuGH, Urt. v. 23.11.1999 – verb. Rs. C-369, 376/96 (Arblade u. Leloup) –, Slg. 1999, I-8543 Rz. 51, 61. 157 EuGH, Urt. v. 26.4.1988 – Rs. 352/85 (Bond van Adverteeders) –, Slg. 1988, 2085 Rz. 34; EuGH, Urt. v. 5.6.1997 – Rs. C-398/95 (SETTG) –, Slg. 1997, I-3091 Rz. 23 („Die Wahrung des Arbeitsfriedens als Mittel, einen Tarifkonflikt zu beenden und so negative Auswirkungen auf einen Wirtschaftszweig und damit auf die Wirtschaft eines Landes zu verhindern, ist aber als Ziel wirtschaftlicher Art anzusehen, das keinen Grund des Allgemeininteresses darstellen kann.“); EuGH, Urt. v. 28.4.1998 – Rs. C-158/96 (Kohll) –, Slg. 1998, I-1931 Rz. 41; a. A. Däubler, EuZW 1997, 613 (615), der den Abbau von Arbeitslosigkeit und den Schutz der Tarifautonomie als rechtfertigende Allgemeininteressen ansieht; ebenso Deinert, RdA 1996, 339 (349, 351). 158 So auch ArbG Wiesbaden, Vorlagebeschl. v. 10.2.1998 – 1 Ca 1672/97 –, AP Nr. 1 zu § 1 AEntG.
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Wechsel von international zwingenden Eingriffsnormen iSd. Art. 34 EGBGB zu Eingriffsnormen sui generis ab dem Jahr 1996 verdeutlichen.159 Nach der bisherigen Systematik kollisionsrechtlicher Wettbewerbsschranken war ein Eingriff in die Dienstleistungsfreiheit nur durch international zwingende Eingriffsnormen des Einsatzstaates iSd. Art. 34 EGBGB möglich. Derartige Eingriffe lagen vier Urteilen des EuGH zur grenzüberschreitenden Arbeitnehmermobilität im Rahmen des freien Dienstleistungsverkehrs zugrunde, in denen der EuGH neben dem Arbeitnehmerschutz ausnahmsweise auch den Schutz des nationalen Arbeitsmarktes als zur Rechtfertigung eines solchen Eingriffs taugliches Allgemeininteresse des Einsatzstaates qualifizierte: Der Fall Webb aus dem Jahr 1981 betraf die im Einsatzstaat bestehende und dem Entsendeunternehmen trotz entsprechender Genehmigungen des Heimatstaates auferlegte Erlaubnispflicht zur Arbeitnehmerüberlassung. Der EuGH kennzeichnete den Arbeitnehmerverleih als „besonders sensiblen Bereich“, in dem das Interesse an gedeihlichen Verhältnissen auf dem Arbeitsmarkt und am Schutz der Leiharbeitnehmer in Anbetracht der Unterschiede der nationalen Arbeitsmärkte wie des Arbeitnehmerüberlassungsrechts der Mitgliedstaaten zwingende Gründe des Allgemeininteresses darstellten, die eine Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs grundsätzlich rechtfertigen könnten.160 Kurz darauf entschied der EuGH im Fall Seco über Vorschriften des Einsatzstaates zur Sozialversicherungspflicht drittstaatsangehöriger Arbeitnehmer. Die Verpflichtung des entsendenden Arbeitgebers zur Entrichtung einer Sozialabgabe ist danach nur dann aus Gründen des sozialen Arbeitnehmerschutzes als zwingendem Allgemeininteresse gerechtfertigt, wenn diese Beiträge für den entsandten Arbeitnehmer auch einen Anspruch auf einen sozialen Vorteil begründen.161 Im Jahr 1990 befasste sich der EuGH im Fall Rush Portuguesa mit der Pflicht eines in Portugal ansässigen Arbeitgebers zur Einholung einer gesonderten Arbeitserlaubnis im Einsatzstaat Frankreich für seine (noch) nicht freizügigkeitsberechtigten portugiesischen Arbeitnehmer. Der EuGH verneinte eine Rechtfertigung der Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit aus Gründen des Allgemein159 Der EuGH hat sich allerdings in keinem dieser Urteile ausdrücklich zur Rechtswirksamkeit der Entsenderichtlinie geäußert: Die bis Anfang Oktober 2004 ergangenen Urteile betrafen Fälle, die zu einem Zeitpunkt entstanden waren, in dem die Frist für die Richtlinienumsetzung (16.12.1999) noch nicht abgelaufen war, vgl. EuGH, Urt. v. 23.11.1999 – verb. Rs. C-369, 376/96 (Arblade und Leloup) –, Slg. 1999, I-8453 Rz. 28; zwar lag dem jüngsten Urteil vom 12.10.2004 ein Sachverhalt aus dem Jahr 2000 zugrunde, so dass die Richtlinienbestimmungen bei der Prüfung der Vorlagefrage zu berücksichtigen waren. Verfahrensgegenstand war jedoch § 1a AEntG als Sicherstellungsmaßnahme iSd. Art. 5 EG-RL 96/71, der den Mitgliedstaaten einen weiten Umsetzungs- und Ermessensspielraum zuweist, um dessen rechtmäßige Ausfüllung es primär ging, vgl. EuGH, Urt. v. 12.10.2004 – Rs. C-60/03 (Wolff & Müller) –, NZA 2004, 1211. 160 EuGH, Urt. v. 17.12.1981 – Rs. 279/80 (Webb) –, Slg. 1981, 3305 Rz. 18 f. 161 EuGH, Urt. v. 3.2.1982 – verb. Rs. 62, 63/81 (Seco) –, Slg. 1982, 223 Rz. 10.
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interesses, da der bloß vorübergehende Aufenthalt der Arbeitnehmer als Erfüllungsgehilfen ihres Arbeitgebers den nationalen Arbeitsmarkt des Einsatzstaates nicht berühre und dort daher keine Gefahr von Arbeitsmarktstörungen bestehe. Anders sei dies jedoch im Falle der Arbeitnehmerüberlassung zu beurteilen.162 Dieses Ergebnis bestätigte der EuGH 1994 im Parallelfall Vander Elst, in dem es um die Verpflichtung eines belgischen Entsendeunternehmens zur Einholung einer Arbeitserlaubnis für den Einsatz seiner drittstaatsangehörigen und über eine belgische Arbeitserlaubnis verfügenden Arbeitnehmer in Frankreich ging.163 Hinsichtlich der Sozialversicherungspflicht orientiert sich der EuGH also am Arbeitnehmerschutz, der unproblematisch ein taugliches Allgemeininteresse darstellt. Das hinter der Arbeitserlaubnis als ausschließlich arbeitsmarktbezogenem Mittel zur Zugangskontrolle und -steuerung stehende Interesse am Schutz des inländischen Arbeitsmarktes rechtfertigt zumindest in den Fällen der unternehmensinternen Arbeitnehmermobilität mangels Berührung des Arbeitsmarktes des Einsatzstaates keine Dienstleistungsbeschränkungen. Dies wird auch für den Fall der konzerninternen Arbeitnehmermobilität aufgrund des dort bestehenden internen Konzernarbeitsmarktes gelten. Problematisch ist lediglich die durch den EuGH erfolgte Heranziehung nationaler Arbeitsmarktinteressen in Bezug auf die Arbeits- und Überlassungserlaubnis beim Arbeitnehmerverleih. Die Kennzeichnung dieses Bereichs als „besonders sensibel“ vermag eine den Binnenmarktzielen zuwider laufende Abschottung nationaler Märkte nicht zu rechtfertigen, solange letztere, wie bei der Arbeitserlaubnis, das einzige Ziel ist und nicht, wie bei der Arbeitnehmerüberlassung, eine Ausrichtung am Arbeitnehmerschutz zumindest hinzukommt.164 Wesentlich für alle diese Fälle ist, dass die vorgenannten Beschränkungen der Dienstleistungsfreiheit durch öffentlich-rechtliche Eingriffsnormen iSd. Art. 34 EGBGB nicht unmittelbar in das arbeitsvertragliche Austauschverhältnis eingreifen und Vertragspflichten nicht inhaltlich modifizieren. Letzteres ist jedoch in der zweiten Rechtsprechungsphase ab dem Jahr 1996 der Fall, die allerdings bereits durch entsprechende obiter dicta in den o. g. Urteilen eingeleitet worden war. So hat der EuGH ab dem Seco-Urteil fortlaufend folgenden Hinweis nebenbei gegeben, ohne dass auch nur eine der Entscheidungen darauf beruht hätte: „Es steht fest, dass es das Gemeinschaftsrecht den Mitgliedstaaten nicht verwehrt, ihre Rechtsvorschriften über Mindestlöhne oder die hierüber von den 162 EuGH, Urt. v. 27.3.1990 – Rs. C-113/89 (Rush Portuguesa) –, Slg. 1990, I-1417 Rz. 14 f. 163 EuGH, Urt. v. 9.8.1994 – Rs. C-43/93 (Vander Elst) –, Slg. 1994, I-3803 Rz. 21. 164 Auf diesen Dualismus der hinter der Überlassungserlaubnis stehenden Allgemeininteressen weist der EuGH im Fall Webb ausdrücklich hin, vgl. EuGH, Urt. v. 17.12. 1981 – Rs. 279/80 (Webb) –, Slg. 1981, 3305 Rz. 18 f.; s. o. unter Teil 1 § 2 B. II. 2. a) bb) (2).
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Sozialpartnern geschlossenen Tarifverträge auf alle Personen auszudehnen, die in ihrem Staatsgebiet, und sei es auch nur vorübergehend, eine unselbständige Erwerbstätigkeit ausüben, und zwar unabhängig davon, in welchem Land der Arbeitgeber ansässig ist; ebenso wenig verbietet es das Gemeinschaftsrecht den Mitgliedstaaten, die Einhaltung dieser Regeln mit den geeigneten Mitteln durchzusetzen.“165 Den entsprechenden Anfang machte der Fall Guiot, in dem es um die einem luxemburgischen Entsendeunternehmen der Baubranche durch einen allgemeinverbindlichen Tarifvertrag des Einsatzstaates Belgien auferlegte Pflicht zur Zahlung von Arbeitgeberbeiträgen für „Treuemarken“ und „Schlechtwettermarken“ ging, der Arbeitgeber jedoch bereits in seinem Heimatstaat ähnlichen Pflichten unterlag. Der EuGH nahm hier eine grundsätzlich mögliche Rechtfertigung ausschließlich durch das Interesse am sozialen Schutz der Arbeitnehmer des Bausektors als Allgemeininteresse an, vorausgesetzt, dem entsandten Arbeitnehmer kommt nicht bereits im Entsendestaat ein Mechanismus zugute, der ihm einen im wesentlichen mit dem System des Einsatzstaates vergleichbaren, durch Arbeitgeberbeiträge gespeisten Schutz gewährt.166 Ende 1999 folgte der Fall Arblade und Leloup167, in dem zwei Bauunternehmen aus Frankreich ihre französischen Arbeitnehmer in Belgien einsetzten und dabei aufgrund eines allgemeinverbindlichen Tarifvertrages des Einsatzstaates zur Zahlung eines tariflichen Mindestgehalts und von Beiträgen für Schlechtwettermarken und Treuemarken sowie zu entsprechenden administrativen Dokumentationen verpflichtet waren. Zur Rechtfertigung der Mindestlohnverpflichtung begnügte sich der EuGH mit einem bloßen Hinweis auf die o. g. obiter dicta und verlangte lediglich die Zugänglichkeit von Informationen über die einzuhaltenden Löhne für den Arbeitgeber. Hinsichtlich der Beitragspflicht zu Treuemarken und Schlechtwettermarken bestätigte der EuGH die Grundsätze des Guiot-Urteils. Maßnahmen des Einsatzstaates zur Sicherstellung der sich aus den international zwingenden Normen ergebenden Pflichten verursachen für das Entsendeunternehmen zusätzliche administrative und wirtschaftliche Belastungen und beschränken daher seine Dienstleistungsfreiheit. Dabei stellte der EuGH ausdrücklich klar, dass rein administrative Erwägungen des Einsatzstaates derartige Eingriffe nicht rechtfertigen, sondern allein das Interesse am sozia165 EuGH, Urt. v. 3.2.1982 – verb. Rs. 62, 63/81 (Seco) –, Slg. 1982, 223 Rz. 14; EuGH, Urt. v. 27.3.1990 – Rs. C-113/89 (Rush Portuguesa) –, Slg. 1990, I-1417 Rz. 18; EuGH, Urt. v. 9.8.1994 – Rs. C-43/93 (Vander Elst) –, Slg. 1994, I-3803 Rz. 23. 166 EuGH, Urt. v. 28.3.1996 – Rs. C-272/94 (Guiot) –, Slg. 1996, I-1905 Rz. 16 f.; der EuGH hält dabei ausdrücklich fest, dass „der soziale Schutz der Arbeitnehmer die einzige Erwägung des Allgemeininteresses ist, die Beschränkungen des freien Dienstleistungsverkehrs wie die in Rede stehenden zu rechtfertigen vermag.“, Rz. 21. 167 EuGH, Urt. v. 23.11.1999 – verb. Rs. C-369, 376/96 (Arblade und Leloup) –, Slg. 1999, I-8453.
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len Schutz der Arbeitnehmer, vorausgesetzt, derartige Kontrollmaßnahmen sind zur Gewährleistung dieses Schutzes im Einzelfall auch wirklich erforderlich, was durch einen Vergleich mit den entsprechenden Verpflichtungen zu ermitteln ist, denen der Arbeitgeber im Entsendestaat unterliegt. Der Fall Mazzoleni aus dem Jahr 2001 betraf ein französisches Bewachungsunternehmen mit Sitz in einer grenznahen Region, das seine Arbeitnehmer zu Überwachungstätigkeiten nach Belgien schickte, wobei derartige Auslandseinsätze häufig nur tage- oder wochenweise mit Zwischeneinsätzen im Heimatstaat erfolgten. Die Verpflichtung des Entsendeunternehmens zur Zahlung der belgischen Mindestlohnsätze eines allgemeinverbindlichen Tarifvertrages rechtfertigte der EuGH wiederum durch einen Hinweis auf die o. g. obiter dicta und auf den als zwingenden Grund des Allgemeininteresses anerkannten Arbeitnehmerschutz. Besondere Anforderungen stellte er jedoch an die Prüfung der Verhältnismäßigkeit dieser Zahlungspflicht im Einzelfall einer aufgrund der Grenzlage des Unternehmens und der ständig wechselnden ausländischen und inländischen Einsatzorte besonders engen räumlichen und tätigkeitsbezogenen Verbindung zwischen Einsatzstaat und Entsendestaat. Hier könne das Schutzinteresse insbesondere dann als verwirklicht angesehen werden, „wenn sich alle betroffenen Arbeitnehmer im Aufnahmemitgliedstaat und im Niederlassungsmitgliedstaat hinsichtlich des Entgelts, der Steuerlast und der Sozialabgaben in einer insgesamt gleichen Lage befinden“.168 Auch könne die Pflicht zur Ermittlung der jeweils einschlägigen Mindestlöhne angesichts des ständigen Wechsel der Einsatzorte zu unverhältnismäßig hohen zusätzlichen Verwaltungskosten führen. Schließlich sei die Zahlung unterschiedlich hoher Löhne an von derselben Operationsbasis aus in einem insgesamt engen räumlichen Umkreis eingesetzten Arbeitnehmer ggf. geeignet, zu belegschaftsinternen Spannungen zu führen und zudem die Kohärenz der im Entsendestaat geltenden Tarifverträge zu bedrohen. Ebenfalls im Jahr 2001 entschied der EuGH den Fall Finalarte, in dem es um die Verpflichtung mehrerer portugiesischer und britischer Bauunternehmen, die ihre Arbeitnehmer nach Deutschland entsandt hatten, zur Beitragszahlung und Auskunftserteilung im Rahmen des durch den allgemeinverbindlichen BRTV-Bau installierten Urlaubskassenverfahrens ging. Auch hier zog der EuGH den Arbeitnehmerschutz als Allgemeininteresse heran, das eine Rechtfertigung dann ermögliche, wenn die Beschränkung den betroffenen Arbeitnehmern im Einzelfall einen tatsächlichen Vorteil verschaffe, der deutlich zu ihrem sozialen Schutz beitrage. Die Effektivität dieses Schutzes könne auch Kontrollmaßnahmen wie Auskunftspflichten des Entsendeunternehmens erfordern. In diesem Fall seien mit dem entsprechenden Gesetz verfolgte Marktabschottungsabsichten des nationalen Gesetzgebers nicht ausschlaggebend. Zugleich betonte 168 EuGH, Urt. v. 15.3.2001 – Rs. C-165/98 (Mazzoleni) –, Slg. 2001, I-2189 Rz. 35.
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der EuGH die Bedeutung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes, der eine Abwägung der für den Arbeitgeber aus der Beschränkung folgenden Nachteile mit den daraus für den Arbeitnehmer entstehenden Vorteilen verlange.169 Im Fall Portugaia Construções, vom EuGH Anfang 2002 entschieden, hatte ein portugiesisches Bauunternehmen seine Arbeitnehmer zur Durchführung von Rohbauarbeiten nach Deutschland entsandt, in Frage stand dessen Verpflichtung zur Zahlung der sich aus dem allgemeinverbindlichen deutschen Mindestlohntarifvertrag für das Baugewerbe ergebenden Mindestvergütung. Wiederum bejahte der EuGH eine mögliche Rechtfertigung des Eingriffs in die Dienstleistungsfreiheit durch das Allgemeininteresse am Arbeitnehmerschutz, selbst wenn der nationale Gesetzgeber eigentlich eine Marktabschottung und damit wirtschaftliche Ziele verfolgt. Diese Absicht sei so lange nicht ausschlaggebend, wie die in Rede stehenden Regelung bei objektiver Betrachtung tatsächlich den Schutz der entsandten Arbeitnehmer gewährleiste und ihnen einen entsprechenden tatsächlichen Vorteil verschaffe. Denn aus den o. g. obiter dicta folge, dass grundsätzlich davon ausgegangen werden könne, dass der Einsatzstaat mit der Anwendung seiner Regelung über den Mindestlohn auf ausländische Entsendeunternehmen zum Schutz der Arbeitnehmer handele.170 Die bislang letzte entsenderechtsspezifische Entscheidung des EuGH erging im Oktober 2004 im Fall Wolff & Müller.171 Hier war Verfahrensgegenstand die von Deutschland als Einsatzstaat Dritten auferlegte Bürgenhaftung des § 1a AEntG als flankierende Sicherungsmaßnahme iSd. Art. 5 Abs. 1 EG-RL 96/ 71.172 Die Wolff & Müller GmbH & Co.KG mit Sitz in Deutschland wurde in ihrer Eigenschaft als Hauptunternehmerin einer Auftragskette von einem Arbeitnehmer ihres in Portugal ansässigen Subunternehmers auf Lohnzahlung als Bürgin in Anspruch genommen. Der portugiesische Arbeitnehmer war für Bau169 EuGH, Urt. v. 25.10.2001 – verb. Rs. C-49, 50, 52–54, 68–71/98 (Finalarte u. a.) –, Slg. 2001, I-7831 Rz. 50 („Zu diesem Zweck wären einerseits die dem Dienstleistenden aufgrund dieser Regelung entstehenden administrativen und wirtschaftlichen Belastungen und andererseits der zusätzliche soziale Schutz, den sie den Arbeitnehmern im Vergleich zur Regelung des Niederlassungsmitgliedstaats ihres Arbeitgebers gewährt, gegeneinander abzuwägen.“); zugleich stellte der EuGH in diesem Urteil fest, dass die Betriebsfiktion des § 1 Abs. 4 AEntG (a. F.) ausländische Entsendeunternehmen im Vergleich zu deutschen Mischunternehmen schlechter stelle und daher als ungerechtfertigte Ungleichbehandlung gegen Art. 49, 50 EGV verstoße. 170 EuGH, Urt. v. 24.1.2002 – Rs. C-164/99 (Portugaia Construções) –, Slg. 2002, I-787 Rz. 21 ff.; in diesem Urteil stellte der EuGH zugleich fest, dass es eine nicht zu rechtfertigende Ungleichbehandlung darstelle, wenn ein inländischer Arbeitgeber den in einem allgemeinverbindlichen Tarifvertrag festgesetzten Mindestlohn durch den Abschluss eines nach nationalen Tarifkonkurrenzregeln spezielleren Firmentarifvertrags unterschreiten kann, während dies einem Arbeitgeber mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat nicht möglich ist. 171 EuGH, Urt. v. 12.10.2004 – Rs. C-60/03 (Wolff & Müller) –, NZA 2004, 1211. 172 Einzelheiten zur Bürgenhaftung Dritter gem. § 1a AEntG unter Teil 2 § 2 A. IV. 3.
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arbeiten nach Deutschland entsandt worden, hatte jedoch von seinem portugiesischen Arbeitgeber nicht den in Deutschland zwingend geltenden tariflichen Mindestlohn erhalten. Der EuGH hielt zwar einen Eingriff in die Dienstleistungsfreiheit des entsendenden ausländischen Subunternehmers auch in dieser Konstellation eher mittelbarer wirtschaftlicher Belastungen173 für möglich. Entsprechend seiner vorangegangenen Rechtsprechung bejahte er aber auch hier eine Eingriffsrechtfertigung durch Allgemeininteressen, sofern die streitige Regelung dem Arbeitnehmer einen tatsächlichen Vorteil verschaffe und der Arbeitnehmerschutz dadurch objektiv intensiviert werde. Letzteres sei angesichts der Bereitstellung eines zweiten Lohnschuldners durch § 1a AEntG der Fall, so dass es auf anderslautende marktabschottungsbezogene Interessen des deutschen Gesetzgebers nicht ankomme. Trotz dieses Ergebnisses scheint der EuGH immerhin von dem noch im vorangegangenen Portugaia-Urteil festgestellten Automatismus einer stets zu vermutenden Arbeitnehmerschutzausrichtung entsenderechtlicher Mindestlohnregelungen Abstand zu nehmen: Zumindest in Bezug auf sekundäre, den internationalen Normzwang nationaler Mindestlöhne absichernde Maßnahmen iSd. Art. 5 Abs. 1 EG-RL 96/71 kann die erklärte Absicht des nationalen Gesetzgebers nach dem EuGH „eine eingehendere Prüfung der Vorteile erforderlich machen, die den Arbeitnehmern durch die gesetzgeberischen Maßnahmen angeblich gewährt werden“.174 Nach alledem sind entsenderechtliche Beschränkungen der Dienstleistungsfreiheit aus Sicht des EuGH zulässig, wenn sie unterschiedslos auf Inländer und Ausländer Anwendung finden, dem Arbeitnehmerschutz als zwingendem Allgemeininteresse durch die Verschaffung entsprechender tatsächlicher Vorteile dienen, den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wahren und dem zu schützenden Allgemeininteresse nicht bereits durch Rechtsvorschriften Rechnung getragen wird, denen der Dienstleistungsberechtigte bereits in seinem Heimatstaat unterliegt. Insofern folgt aus dem Verbot der Doppelbelastung eine Pflicht zur Anrechnung nach dem Arbeitsvertragsstatut zu erbringender Leistungen des Arbeitgebers. (3) Ausgleichsmodell der Entsenderichtlinie Die Rechtfertigung von Eingriffen in die Dienstleistungsfreiheit durch allgemeine Beschränkungen mittels international zwingender Bestimmungen iSd. Art. 34 EGBGB ist problematisch, weil hinter diesen Normen mit international unbedingtem Rechtsdurchsetzungswillen überwiegende ordnungspolitische Erwägungen und damit wirtschaftliche Interessen der einzelnen Mitgliedstaaten 173
Hierzu näher unter Teil 2 § 2 A. IV. 3. EuGH, Urt. v. 12.10.2004 – Rs. C-60/03 (Wolff & Müller) –, NZA 2004, 1211 Rz. 38. 174
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stehen, die wegen ihrer marktabschottenden Wirkung dem Binnenmarktziel der Gemeinschaft zuwiderlaufen.175 Diese Schwierigkeiten entfallen vordergründig bei Eingriffsnormen sui generis, die von außen in das vertragliche Austauschverhältnis eingreifen und dabei trotz ihrer international zwingenden Wirkung durch ihre Ausrichtung am Arbeitnehmerschutz dem Ausgleich von Parteiinteressen dienen. Verstärkt wird dieser Parteibezug durch das sowohl von der Rechtsprechung des EuGH als auch von der EG-RL 96/71 postulierte allgemeine Günstigkeitsprinzip. Die Existenz von Eingriffsnormen sui generis erleichtert somit den Mitgliedstaaten die Rechtfertigung allgemeiner Beschränkungen der Dienstleistungsfreiheit. In Anbetracht der vom EuGH ausdrücklich geforderten Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes wird allerdings nicht jeder noch so knapp zugunsten des Arbeitnehmers ausgehende Günstigkeitsvergleich einen Normzwang zu Lasten des Arbeitgebers zur Folge haben. So können im Vergleich zum geringfügigen Vorteil des Arbeitnehmers zu schwerwiegenden administrativen, finanziellen oder innerbetrieblichen Belastungen führende Verpflichtungen des Arbeitgebers den Eingriff in dessen Dienstleistungsfreiheit nicht rechtfertigen.176 Diese Grundsätze schränken auch die Eingriffsintensität der Entsenderichtlinie wie der entsprechenden nationalen Umsetzungsnormen in einem Ausmaß ein, das über die in Art. 3 Abs. 2–5 EG-RL 96/71 vorgesehenen Ausnahmen im Einzelfall hinaus gehen kann. Die Rechtsprechung des EuGH ist jedoch hinsichtlich mehrerer Aspekte unbefriedigend: So stellt der Rückgriff auf ein bloßes obiter dictum keinen hinreichenden Begründungsaufwand dar, der einen Systembruch kollisionsrechtlicher Wettbewerbsschranken mit erheblichen Auswirkungen auf den freien Dienstleistungsverkehr als Grundfreiheit illustrieren und dogmatisch rechtfertigen würde.177 Auch bewegen sich derartige Eingriffsnormen sui generis in einer Grauzone zwischen zulässigen Arbeitnehmerschutzinteressen und unzulässigen wirtschaftlichen Interessen, die eine Unbeachtlichkeit von offensichtlichen Marktabschottungsabsichten des nationalen Gesetzgebers als höchst fragwürdig erscheinen lässt.178 Das Ausgleichsmodell der Entsenderichtlinie definiert die Ausnutzung eines in niedrigen Lohnkosten liegenden wirtschaftlichen Vorteils 175
s. o. unter Teil 1 § 2 B. II. 2. a) bb) (2). Illustriert wird eine solche Konstellation im Fall Mazzoleni, EuGH, Urt. v. 15.3.2001 – Rs. C-165/98 –, Slg. 2001, I-2189. 177 Zu kurz greift deshalb auch das im Schrifttum weit verbreitete Begründungsmuster, einen Eingriff in Art. 49 EGV bereits durch diese obiter dicta zu rechtfertigen und als Bestätigung hierfür auf den Erlass der Entsenderichtlinie durch den Gemeinschaftsgesetzgeber zu rekurrieren, so aber u. a. Hickl, NZA 1997, 513; ähnlich auch Ossenbühl/Cornils, Rechtsgutachten, 3 f. 178 So räumt auch v. Danwitz, EuZW 2002, 237 (238) ein, dass die Unterscheidung dem Arbeitnehmerschutz dienender Regelungen von „auf die Abschottung nationaler Arbeitsmärkte ausgerichteten Marktzutrittsschranken in praxi aber keineswegs eine 176
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als Wettbewerbsverzerrung und knüpft die Lauterkeit des grenzüberschreitenden Dienstleistungswettbewerbs an die Einhaltung eines mittels eines Günstigkeitsvergleichs höchstmöglichen Arbeitnehmerschutzstandards. Ein hohes Maß an sozialem Schutz ist in jeder Gesellschaft erstrebenswert und auch gemeinschaftsweit als Ziel gem. Art. 2 EGV anerkannt. Dennoch hat die Sicherstellung eines vergleichsweise maximalen Arbeitnehmerschutzniveaus im Systemwettbewerb zwangsläufig eine Marktabschottung des Staates mit dem höchsten Niveau zur Folge. Auch die Ausrichtung am Arbeitnehmerschutz als vom EuGH anerkanntem Allgemeininteresse kann daher zu dem Binnenmarktkonzept des Art. 14 Abs. 2 EGV zuwiderlaufenden nationalen Marktisolationen führen. Vor diesem Hintergrund macht es einen erheblichen Unterschied, ob primäres Ziel des einzelnen Mitgliedstaates eine solche Marktabschottung zum Schutz des eigenen Arbeitsmarktes oder aber die Gewährleistung eines maximalen Arbeitnehmerschutzes ist. Die Absicht des einzelnen Gesetzgebers kann in einer solchen Grauzone entgegen der Auffassung des EuGH nicht für unbeachtlich erklärt werden, selbst wenn sich nach einem Vergleich der einzelnen Arbeitnehmerschutzbestimmungen aus der Anwendung der Normen des Einsatzstaates ein tatsächlicher Vorteil für den Arbeitnehmer ergibt. Letztlich weist jede allgemeine Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit aus den von der Rechtsprechung anerkannten zwingenden Allgemeininteressen einen wettbewerbsbeschränkenden Reflex auf die betroffenen Märkte auf. Derartige Effekte sind zuzulassen, wenn nicht die Wettbewerbsbeschränkung als solche Inhalt und Ziel des Freiheitseingriffs ist. Die europarechtliche Zulässigkeit arbeitsrechtlicher Beschränkungen der Dienstleistungsfreiheit bewegt sich damit auf dem schmalen Grat des überwiegenden Regelungsmotivs. Der Entsenderichtlinie gelingt diese Wanderung am Abgrund in Anbetracht ihrer durch das Günstigkeitsprinzip des Art. 3 Abs. 7 EG-RL 96/71 und ihrer Erwägungsgründe erkennbaren ausdrücklichen Ausrichtung am Arbeitnehmerschutz. 4. Gemeinschaftsgrundrechte a) Rechtserkenntnisquellen iSd. Art. 6 Abs. 2 EUV Die Grundrechtsgebundenheit der Gemeinschaft ist nach übereinstimmender Rechtsprechung von EuGH und BVerfG sowohl Voraussetzung als auch Konsequenz des Anwendungsvorranges des EG-Rechts.179 In Ermangelung eines verbindlichen positivierten Grundrechtskatalogs stützt sich die Begründung von einfache Aufgabenstellung bildet“; kritisch auch Kort, NZA 2002, 1248 (1251 f.); ebenso Koenigs, DB 2002, 1270 (1271 ff.). 179 Vgl. EuGH, Urt. v. 13.12.1979 – Rs. 44/79 (Hauer) –, Slg. 1979, 3727; s. o. unter Teil 2 § 1 B. II. 1.
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Gemeinschaftsgrundrechten auf außerhalb des Gemeinschaftsrechts liegende Erkenntnisquellen. Aus Art. 6 Abs. 2 EUV ergeben sich drei Rechtserkenntnisquellen, nämlich die Grundsätze des Gemeinschaftsrechts und der Gemeinschaftsverträge, gemeinsame Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten und völkerrechtliche Menschenrechtsgewährleistungen (insbesondere die EMRK).180 Auch wenn die Charta der Grundrechte der Europäischen Union181 lediglich rechtlich unverbindlich proklamiert wurde und Art. 6 Abs. 2 EUV folglich nicht ausdrücklich auf sie verweist, stellt sie dennoch einen gemeinschaftsweiten Konsens dar und kann daher zumindest in ihrer Eigenschaft als gemeinsame Verfassungsüberlieferung der Mitgliedstaaten als Rechtserkenntnisquelle dienen.182 b) Europarechtliche Autonomiegrundrechte Europarechtliche Autonomiegrundrechte dienen der individuellen Freiheitsverwirklichung und sind damit untrennbar mit dem Freiheitsmodell des Binnenmarktes verbunden, der auf die Herstellung größerer individueller Freiheit über die staatlichen Grenzen hinweg abzielt. Als unabdingbare Voraussetzungen des dem Binnenmarkt zugrundeliegenden Strukturprinzips der Marktwirtschaft lassen sie sich daher größtenteils als fundamentale Prinzipien unmittelbar aus den Grundfreiheiten selbst, mithin vorliegend der Dienstleistungsfreiheit, herleiten. aa) Freiheit wirtschaftlicher Betätigung Der Normzwang international zwingender Eingriffsnormen sui generis iSd. Art. 3 Abs. 1 EG-RL 96/71 schränkt den Arbeitgeber sowohl in seiner Vertrags- und Rechtswahlfreiheit sowie in seiner Wettbewerbsfreiheit als Ausprägungen der allgemeinen Handlungsfreiheit als auch in seiner Berufsausübungsfreiheit ein. Damit liegt eine Schutzbereichsverkürzung mehrerer vom EuGH anerkannter Gemeinschaftsgrundrechte vor: Die Teilnahme am Wirtschaftsleben wird auf Gemeinschaftsebene durch eine Vielzahl von Einzelgrundrechten abgesichert. So ist die Wettbewerbsfreiheit bereits ausdrücklich in Art. 81, 87 EGV verankert.183 Als weitere wirtschaftlich 180 EuGH, Urt. v. 17.12.1970 – Rs. 11/70 (Internationale Handelsgesellschaft) –, Slg. 1970, 1125 Rz. 4; EuGH, Urt. v. 14.5.1974 – Rs. 4/73 (Nold) –, Slg. 1974, 491 Rz. 13. 181 Charta der Grundrechte der Europäischen Union vom 7.12.2000, ABl. EG 2000 C 364/1. 182 Calliess, EuZW 2001, 261 (267); Kingreen in: Calliess/Ruffert, EUV/EGV, Art. 6 EUV Rn. 35a, 40b („Konzentrat der Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten“); eine Berücksichtigung der GRCharta ist für den EuGH jedoch nicht rechtlich zwingend.
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relevante Grundrechte erkennt der EuGH die Freiheit des Handels184 und die allgemeine wirtschaftliche Betätigungsfreiheit185 an. Darüber hinaus schützt Art. 16 GRCharta ausdrücklich die unternehmerische Freiheit als Grundlage eines freien Binnenmarktwettbewerbs. Alle diese Aspekte sind letztlich besondere Ausprägungen der Berufsausübungsfreiheit, die der EuGH in ständiger Rechtsprechung als Gemeinschaftsgrundrecht anerkennt186 und die auch in Art. 15 GRCharta enthalten ist. Auch die allgemeine Handlungsfreiheit ist als Gemeinschaftsgrundrecht geschützt.187 Demgegenüber geht aus der Rechtsprechung des EuGH eine Anerkennung der Vertragsfreiheit einschließlich der Rechtswahlfreiheit als eigenständiges Grundrecht nicht eindeutig hervor.188 Lediglich der Schutz der „freien Wahl des Geschäftspartners“ wurde anerkannt189, die jedoch als Bestandteil der Vertragsfreiheit anzusehen ist. Wirtschaftliche Betätigungsfreiheit auf dem Binnenmarkt ist nicht denkbar ohne eine zugleich erfolgende grenzüberschreitende Ausübung der Privatautonomie; entsprechende Vertragsschlüsse sind vielmehr zugleich Voraussetzung und Ausprägung eines gemeinschaftsweiten Handels und Wettbewerbs.190 Auch die Privat- wie die Parteiautonomie sind daher als systemimmanent im Rahmen der gemeinschaftsrechtlichen Berufsausübungsfreiheit geschützt anzusehen. Der Rechtsprechung des EuGH191 ist weiter zu entnehmen, dass er die Grundrechtsträgerschaft nicht nur natürlicher, sondern auch juristischer Personen anerkennt, was allerdings eine entsprechende wesensmäßige Anwendbarkeit 183 Pieper in: Bleckmann, Europarecht, § 2 Rn. 108; Kingreen in: Calliess/Ruffert, EUV/EGV, Art. 6 EUV Rn. 130; vgl. auch EuGH, Urt. v. 21.5.1987 – verb. Rs. 133136/85 (Rau) –, Slg. 1987, 2289 Rz. 15 ff. 184 EuGH, Urt. v. 14.5.1974 – Rs. 4/73 (Nold) –, Slg. 1974, 491 Rz. 14; EuGH, Urt. v. 7.2.1985 – Rs. 240/83 (ADBHU) –, Slg. 1985, 531 Rz. 12. 185 EuGH, Urt. v. 19.9.1985 – verb. Rs. 63, 147/84 (Finsider) –, Slg. 1985, 2857 Rz. 23 f.; EuGH, Urt. v. 21.2.1991 – verb. Rs. C-143/88 u. 92/89 (Zuckerfabrik) –, Slg. 1991, I-415 Rz. 76 f. 186 EuGH, Urt. v. 14.5.1974 – Rs. 4/73 (Nold) –, Slg. 1974, 491 Rz. 14; EuGH, Urt. v. 13.12.1979 – Rs. 44/79 (Hauer) –, Slg. 1979, 3727 Rz. 32; EuGH, Urt. v. 21.5.1987 – verb. Rs. 133-136/85 (Rau) –, Slg. 1987, 2289 Rz. 15 ff.; EuGH, Urt. v. 11.7.1989 – Rs. 265/87 (Schräder) –, Slg. 1989, 2237 Rz. 15; EuGH, Urt. v. 8.10. 1986 – Rs. 234/85 (Keller) –, Slg. 1986, 2897 Rz. 8. 187 EuGH, Urt. v. 21.5.1987 – verb. Rs. 133–136/85 (Rau) –, Slg. 1987, 2289 Rz. 15; demgegenüber meint das Recht auf Freiheit iSd. Art. 6 GRCharta nicht die allgemeine Handlungsfreiheit, sondern allein die körperliche Freiheit der Person, vgl. Kingreen in: Calliess/Ruffert, EUV/EGV, Art. 6 EUV Rn. 169; Bernsdorff in: Meyer, GRCharta Art. 6 Rn. 1, 11 („habeas-corpus-Grundrecht“). 188 Vgl. EuGH, Urt. v. 16.1.1979 – Rs. C-151/78 (Sukkerfabriken Nykøbing) –, Slg. 1979, 1 Rz. 20; EuGH, Urt. v. 5.10.1999 – Rs. C-240/97 (Spanien/Kommission) –, Slg. 1999, I-6571 Rz. 99. 189 EuGH – verb. Rs. C-90, 91/90 (Neu u. a.) –, Slg. 1991, I-3617 Rz. 13. 190 Ähnlich Kingreen in: Calliess/Ruffert, EUV/EGV, Art. 6 EUV Rn. 129; so umfasst auch Art. 16 GRCharta die Vertragsfreiheit, vgl. Bernsdorff in: Meyer, GRCharta, Art. 16 Rn. 12.
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der Grundrechte im Sinne des deutschen Art. 19 Abs. 3 GG voraussetzt. Dies ist insbesondere bei den vorgenannten Grundrechten der wirtschaftlichen Betätigungsfreiheit der Fall, da hierin die Marktfreiheit als Binnenmarktziel sichtbar wird und die entsprechende unternehmerische Tätigkeit auch vollzogen werden muss, wofür die Rechtsnatur dieser Wirtschaftssubjekte als natürliche oder juristische Personen unerheblich ist.192 Die Eingriffsnormen sui generis greifen somit in die vorgenannten Grundrechte eines jeden entsendenden Arbeitgebers ein. Ein solcher Eingriff in Gemeinschaftsgrundrechte kann nach der Rechtsprechung des EuGH wie auch gem. Art. 52 Abs. 1 GRCharta gerechtfertigt sein, wenn er tatsächlich dem Gemeinwohl dienende Ziele der Gemeinschaft verfolgt, nicht unverhältnismäßig ist und das jeweilige Grundrecht nicht in seinem Wesensgehalt antastet.193 Der von der EG-RL 96/71 bezweckte Arbeitnehmerschutz ist in Anbetracht der in Art. 2 EGV genannten Förderung eines hohen Maßes an sozialem Schutz ein Gemeinwohlziel der Gemeinschaft, das einen Eingriff in wirtschaftliche Freiheitsrechte grundsätzlich rechtfertigen kann. Trotz des relativierenden Günstigkeitsprinzips verpflichtet die Entsenderichtlinie lediglich zu einem bestimmten Mindestschutzniveau, das den Spielraum wirtschaftlicher Betätigung der Entsendeunternehmen zwar einschränkt, nicht aber völlig leer laufen lässt, so dass keines der o. g. Grundrechte in seinem Wesensgehalt angetastet wird. Im Hinblick auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ist die Rechtsprechung des EuGH zum Entsenderecht heranzuziehen und auf dieser Grundlage eine konkrete Abwägung auf der Grundlage der Umstände des Einzelfalls vorzunehmen. Die Entsenderichtlinie ist insbesondere durch ihre Regelung von ausschließlich Mindestlohnsätzen und dem Mindestjahresurlaub in Art. 3 Abs. 1 Satz 1 b) und c) EG-RL 96/71 trotz des relativierenden, einen insofern maximalen Schutz erzielenden Günstigkeitsprinzips auf eine verhältnismäßige Interessenabwägung zugunsten des Arbeitnehmers ausgerichtet und verstößt daher im Grundsatz nicht gegen die o. g. Grundrechte. bb) Koalitionsfreiheit Für die Baubranche schreibt Art. 3 Abs. 1, 8 EG-RL 96/71 die Loslösung des tariflichen Normzwangs hinsichtlich bestimmter Arbeitsbedingungen vom Arbeitsvertragsstatut vor. Allgemeinverbindliche Tarifverträge des Einsatzstaates erhalten so auf der Grundlage von dessen Tarifstatut Tarifmacht auch für Ar191 Z. B. für eine GmbH EuGH, Urt. v. 17.12.1970 – (Internationale Handelsgesellschaft) –, Slg. 1970, 1125; für eine GmbH & Co. KG EuGH, Urt. v. 11.7.1989 – Rs. 265/87 (Schräder) –, Slg. 1989, 2237. 192 In diesem Sinne auch Pieper in: Bleckmann, Europarecht, § 2 Rn. 118. 193 Vgl. EuGH, Urt. v. 13.7.1989 – Rs. 5/88 (Wachauf) –, Slg. 1989, 2609 Rz. 18.
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beitsverhältnisse mit ausländischem objektivem Arbeitsvertragsstatut. Die Normwirkung eines solchen Tarifvertrages gilt damit zwingend auch für Arbeitsverhältnisse, deren tatsächlicher wie wirtschaftlicher Schwerpunkt gar nicht im Einsatzstaat liegt – unabhängig davon, ob ein ausländischer Tarifvertrag das Arbeitsverhältnis als Bestandteil des objektiven Arbeitsvertragsstatuts bereits erfasst oder nicht. Dadurch wird sowohl die individuelle negative Koalitionsfreiheit der diesem Tarifvertrag unterworfenen Arbeitgeber als auch die kollektive Koalitionsfreiheit derjenigen Tarifparteien beeinträchtigt, deren eigener Tarifvertrag durch die tariflichen Eingriffsnormen sui generis des Einsatzstaates verdrängt wird. Der EuGH bejaht die Vereinigungsfreiheit als Gemeinschaftsgrundrecht nur beiläufig, ohne ihr besondere Konturen zu verleihen194, so dass auf die detaillierteren Regelungen der Koalitionsfreiheit und des Rechts auf Kollektivverhandlungen in Art. 11 EMRK, 28 GRCharta zurückzugreifen ist. (1) Negative Koalitionsfreiheit iSd. Art. 11 EMRK Art. 11 EMRK garantiert das Recht, sich freiwillig zusammenzuschließen, um bestimmte Zwecke zu fördern. Dies gilt für die besonders erwähnten Gewerkschaften ebenso wie für die unter den allgemeinen Vereinigungsbegriff fallenden Arbeitgeberverbände.195 Rechtsträger ist sowohl der Verband als auch das einzelne Mitglied.196 Neben der positiven Freiheit, einer Vereinigung beizutreten, ist auch die negative Freiheit, dies nicht zu tun, erfasst.197 Der EuGHMR hatte hier allerdings bis 1996 das Augenmerk vorwiegend auf die Frage der Mitgliedschaft als solcher gerichtet, nicht jedoch auf eine aus diesem status negativus resultierende Freiheit des Einzelnen von tariflicher Normunterworfenheit. Hinzu kommt, dass Art. 11 EMRK nach der Rechtsprechung des EuGHMR nicht ohne weiteres ein Kollektivvertragssystem garantiert. Geschützt sei lediglich die Freiheit, die Interessen der Gewerkschaftsmitglieder durch kollektive Maßnahmen zu verteidigen; welche Maßnahmen dies sind, lasse Art. 11 EMRK offen, der Abschluss von Tarifverträgen sei zwar ein solches Mittel, es gebe aber auch andere.198
194 EuGH, Urt. v. 8.10.1974 – Rs. 175/73 (Gewerkschaftsbund) –, Slg. 1974, 917 Rz. 14/16; EuGH, Urt. v. 18.1.1990 – verb. Rs. C-193, 194/87 –, NZA 1991, 189 (beide bezüglich der nach dem Beamtenstatut EG-Beamten zustehenden Vereinigungsfreiheit); EuGH, Urt. v. 15.12.1995 – Rs. C-415/93 (Bosman) –, Slg. 1995, I-4921 Rz. 79 (unter ausdrücklichem Verweis auf Art. 11 EMRK). 195 Meyer-Ladewig, EMRK, Art. 11 Rn. 14. 196 Grabenwater, EMRK, § 23 Rn. 62. 197 EuGHMR, Urt. v. 30.6.1993 – Sigurjónsson –, Serie A 264 Rz. 35; Meyer-Ladewig, EMRK, Art. 11 Rn. 11, 14. 198 EuGHMR, Urt. v. 6.2.1976 – Schwedischer Lokomotivführerverband –, EuGRZ 1976, 62 Rz. 40.
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Existiert aber in einem Staat ein Tarifvertragssystem, schützt die negative Koalitionsfreiheit iSd. Art. 11 EMRK auch Außenseiter vor der Bindung an fremde Tarifverträge: Im Fall Gustafsson gegen Schweden bejahte der EuGHMR ausdrücklich einen Eingriff in den Schutzbereich der negativen Koalitionsfreiheit eines tarifungebundenen Arbeitgebers, wenn eine Gewerkschaft diesen Arbeitgeber massiv unter Druck setzt, um ihn an einen Tarifvertrag zu binden.199 Im konkreten Fall konnte der Arbeitgeber auf diesen Druck alternativ durch einen Beitritt in den Arbeitgeberverband, mit dem die Gewerkschaft bereits einen Tarifvertrag abgeschlossen hatte, oder durch die Unterzeichnung eines separaten Firmentarifvertrages reagieren. In seinem Urteil verneinte der EuGHMR eine Verletzung der negativen Koalitionsfreiheit nur angesichts dieser Alternative, die eine Belastung des Arbeitgebers durch den Abschluss eines Ersatztarifvertrages mit individuell auf seinen Betrieb zugeschnittenen Klauseln ohne wirtschaftliche Nachteile verhindert hätte.200 Für die Entsendeunternehmen besteht eine solche Alternative jedoch nicht, ihre zwangsweise Unterwerfung unter einen fremden Tarifvertrag einschließlich entsprechender wirtschaftlicher Nachteile steht von vornherein fest und ist sogar intendiert.201 Nach der Rechtsprechung des EuGHMR ist damit ein Eingriff in den Schutzbereich des Art. 11 Abs. 1 EMRK gegeben. Die Rechtfertigung einer solchen Schutzbereichsverkürzung verlangt gem. Art. 11 Abs. 2 EMRK eine Abwägung mit den „Rechten und Freiheiten anderer“. Auch hier stellt der Arbeitnehmerschutz eine entsprechende Rechtsposition dar, solange er lediglich ein Mindestniveau im Sinne menschenwürdiger Arbeitsbedingungen garantiert. Der von Art. 3 Abs. 1 Satz 1 b) und c) postulierte Mindeststandard ist trotz seiner Relativierung durch das Günstigkeitsprinzip zu einer Rechtfertigung auch eines Eingriffs in die negative Koalitionsfreiheit der Entsendeunternehmen geeignet, vorausgesetzt, im konkreten Einzelfall sind die Grenzen der Verhältnismäßigkeit gewahrt. (2) Tarifautonomie iSd. Art. 28 GRCharta Art. 28 GRCharta garantiert den Tarifpartnern das Recht, Tarifverträge auszuhandeln und abzuschließen. Dieses Recht würde leerlaufen, enthielte es nicht zugleich eine nach Maßgabe der einzelstaatlichen Rechtssysteme bestehende Tarifmacht im Sinne einer Befugnis der Tarifparteien, den Inhalt von tarifge199
EuGHMR, Urt. v. 25.4.1996 – Gustafsson/Schweden –, ArbuR 1997, 408 Rz. 44. EuGHMR, Urt. v. 25.4.1996 – Gustafsson/Schweden –, ArbuR 1997, 408 Rz. 52; so auch Löwisch, DB 2001, 1090 (1094). 201 Insofern verschärft sich im Entsenderecht die Fremdbestimmung des Arbeitgebers im Vergleich zu den von Löwisch (DB 2001, 1090) erörterten Tariftreuepflichten noch um einiges. 200
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bundenen Arbeitsverhältnissen zu regeln. Die Tarifmacht gehört damit zur Betätigungsgarantie der Koalitionen iSd. Art. 28 GRCharta. Tarifliche Eingriffsnormen sui generis iSd. Art. 3 Abs. 1 EG-RL 96/71 verdrängen jedoch ausländische Tarifverträge und beseitigen die an das objektive Arbeitsvertragsstatut gekoppelte Tarifmacht ausländischer Tarifparteien. Dieser Eingriff in die Tarifautonomie ist nicht durch Arbeitnehmerschutzinteressen zu rechtfertigen, ohne das Recht auf Kollektivverhandlungen iSd. Art. 28 GRCharta in seinem Wesensgehalt anzutasten und der Tarifmacht ihre Legitimation zu nehmen. Art. 3 Abs. 1 Satz 1 EG-RL 96/71 bewirkt eine Kollision der Geltungsansprüche zweier Tarifverträge, von denen einer das Arbeitsverhältnis mangels Tarifmacht eigentlich gar nicht erfassen kann. Die Fälle nationaler Tarifkonkurrenz und -pluralität löst das BAG nach dem Grundsatz der betriebseinheitlichen Anwendung des für den Betrieb wie für das einzelne Arbeitsverhältnis sachnäheren Tarifvertrages.202 Kriterien der Sachnähe sind jedoch für den internationalen Normzwang tariflicher Eingriffsnormen sui generis unerheblich, im Gegenteil besteht ein strikter Vorrang des Tarifvertrages des Einsatzstaates. Immerhin sah auch der EuGH im Mazzoleni-Urteil die Gefahr von durch Tarifpluralität im Entsendeunternehmen entstehenden betriebsinternen Spannungen und einer Bedrohung der Kohärenz der im Entsendestaat geltenden Tarifverträge. Das Gericht erörterte diesen Aspekt jedoch nicht im Hinblick auf eine mögliche Grundrechtsverletzung der betroffenen Tarifpartner, sondern beschränkte sich darauf, ihn als Abwägungsmaterial ggf. in eine Verhältnismäßigkeitsprüfung iRd. Art. 49 EGV einzustellen.203 Eine kollisionsrechtliche Tarifverdrängung iSd. EG-RL 96/71 entbehrt jedoch der erforderlichen Legitimationsgrundlage. Gemeinschaftsweit liegt der Zweck von Kollektivverträgen im Ausgleich gestörter Vertragsparität durch Gegenmachtbildung. Ein solches Ausgleichsmodell wurzelt im nationalen Arbeitsmarkt und dessen wirtschaftlichen und sozialen Bedingungen. Die Tarifpartner schaffen so einen marktspezifischen Ausgleich für diejenigen Arbeitnehmer, die diesem Arbeitsmarkt auch zuzuordnen sind. Entsandte Arbeitnehmer iSd. EGRL 96/71 verfügen aber nicht nur über einen wirtschaftlichen204 sondern auch über einen tatsächlichen Schwerpunkt im Entsendestaat. Die aufgrund ihres gewöhnlichen Arbeitsortes iSd. Art. 30 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB eindeutige Marktzugehörigkeit der entsandten Arbeitnehmer legitimiert auch nur die Tarifpartner 202 BAG, Urt. v. 14.6.1989 – 4 AZR 200/89 –, AP Nr. 16 zu § 4 TVG Tarifkonkurrenz: Nach dem Spezialitätsprinzip und dem Grundsatz der Tarifeinheit ist der Tarif anwendbar, „der dem Betrieb räumlich, betrieblich, fachlich und persönlich am nächsten steht und deshalb den Erfordernissen und Eigenarten des Betriebs und der darin tätigen Arbeitnehmer am besten gerecht wird“. 203 EuGH, Urt. v. 15.3.2001 – Rs. C-165/98 (Mazzoleni) –, Slg. 2001, I-2189 Rz. 36; im einzelnen s. o. unter Teil 2 § 1 B. II. 3. b) bb) (2). 204 Wie in Art. 30 Abs. 2 Nr. 2 EGBGB.
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des Entsendestaates, nach den Regeln des dortigen Tarifstatuts den Inhalt des einzelnen Arbeitsverhältnisses normativ zu erfassen. Indem aber allgemeinverbindliche Tarifverträge des Einsatzstaates Tarifmacht auch gegenüber ausländischen Arbeitsverhältnissen erhalten, verlieren sie den für ihre Normwirkung erforderlichen unmittelbaren Bezug zu dem Arbeitsmarkt, dem das einzelne Arbeitsverhältnis aufgrund seines tatsächlichen Schwerpunktes zuzuordnen ist und auf dem sie einen Ausgleich gestörter Vertragsparität bewirken sollen. Das Recht auf Kollektivverhandlungen iSd. Art. 28 GRCharta bedarf mithin der Tarifmacht, die ihrerseits in ihrer Legitimation an den Schwerpunkt des zu regelnden Arbeitsverhältnisses gebunden ist. Die Verdrängung von Tarifverträgen des Entsendestaates durch tarifliche Eingriffsnormen sui generis des Einsatzstaates schränkt die Tarifautonomie der Tarifpartner im Entsendestaat nicht nur ein, sondern beseitigt ihre Tarifmacht vollständig. Dadurch wird der Wesensgehalt des Gemeinschaftsgrundrechts tangiert, was eine Rechtfertigung durch Arbeitnehmerschutzerwägungen aber ausschließt. Art. 3 Abs. 1 Satz 1 2. SpStr. iVm. Abs. 8 EG-RL 96/71 verstößt mithin gegen Art. 28 GRCharta.
§ 2 Nationale Autonomiebegrenzungsmodelle Der erste Richtlinienentwurf der EG-Kommission aus dem Jahr 1991205 und sein zunächst befürchtetes Scheitern veranlasste mehrere Mitgliedstaaten zum Erlass eigener nationaler Entsenderegelungen.206 Ein entsprechendes Bedürfnis zur eiligen Marktabschottung vor ausländischer „Billiglohnkonkurrenz“ entstand ausschließlich in sog. Hochlohnländern. Dementsprechend wurden, außer in Deutschland, auch in Österreich, Belgien, Luxemburg und Frankreich im nationalen Alleingang Entsendegesetze verabschiedet, die den nationalen Arbeitnehmerschutzstandard auf Arbeitsverhältnisse mit ausländischem Arbeitsvertragsstatut erstreckten. In der Folgezeit wurden diese Gesetze der nunmehr erlassenen EG-RL 96/71 inhaltlich angepasst und teils in ihrer Abschottungsintensität modifiziert, so auch das deutsche AEntG207. Demgegenüber lässt sich das Gesetzgebungsverhalten der sog. Niedriglohnländer, deren Lohnkostendurchschnitt im Zeitpunkt der Richtlinienumsetzung, 205 Vorschlag für eine Richtlinie des Rates über die Entsendung von Arbeitnehmern im Rahmen der Erbringung von Dienstleistungen (KOM(91) 230 endg.) vom 28.6. 1991, ABl. EG 1991 C 225/6. 206 So nehmen sämtliche Entwürfe des deutschen AEntG ausdrücklich Bezug auf den Richtlinienentwurf, vgl. Regierungsentwurf vom 25.9.1995, BT-Dr. 13/2414, 6; im Bundesrat eingebrachter Gesetzesantrag des Landes Berlin vom 1.9.1995, BR-Dr. 546/ 95, 4; Gesetzesentwurf der SPD-Fraktion vom 22.9.1995, BT-Dr. 13/2418, 2; vgl. auch Lorenz, AEntG, Einl. 17. 207 Gesetz über zwingende Arbeitsbedingungen bei grenzüberschreitenden Dienstleistungen vom 26.2.1996, BGBl. 1996 I, 227.
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mithin zeitlich vor seiner Relativierung durch die EU-Osterweiterung, im unteren Bereich der EG-Lohnkostenstatistiken208 anzusiedeln war, als ausschließlich reaktiv beschreiben: Hier wurde nationales Entsenderecht vorrangig zwecks Erfüllung der gemeinschaftsrechtlichen Pflicht zur Umsetzung der EG-RL 96/71 geschaffen, zumal sich der Niedriglohn nach der bisherigen Rechtslage nicht nachteilig, sondern vielmehr als Wettbewerbsvorteil inländischer Dienstleistungsunternehmen bei ihrer grenzüberschreitenden Teilnahme an ausländischen Märkten erwiesen hatte, so dass in Ermangelung einer entsendespezifischen Importsituation nationale Marktabschottungsintentionen idR. entfielen. So bestand auch in Spanien kein Eilbedürfnis zur Änderung der Rechtslage mit der Folge, dass der spanische Gesetzgeber die gem. Art. 7 Abs. 1 EG-RL 96/71 am 16.12.1999 ablaufende Umsetzungsfrist mit der Verkündung des spanischen Entsendegesetzes (spEntG) am 29.11.1999209 nahezu vollständig ausschöpfte.
A. Deutschland: Arbeitnehmer-Entsendegesetz vom 26.2.1996 I. Arbeitnehmermobilität iSd. AEntG 1. Wettbewerbsgegenstand iSd. §§ 1, 7 AEntG Gem. §§ 1 Abs. 1, 7 Abs. 1 AEntG findet deutsches Entsenderecht Anwendung auf ein Arbeitsverhältnis zwischen einem im Ausland ansässigen Arbeitgeber und seinem im Inland beschäftigten Arbeitnehmer. Im Hinblick auf den Normzwang von Tarifbestimmungen erfasst § 1 Abs. 1 Satz 3 AEntG wegen des in Art. 3 Abs. 8 Satz 3 EG-RL 96/71 enthaltenen Gleichbehandlungsgebotes ebenfalls inländische Arbeitgeber, die rein inlandsbezogen am Wettbewerb teilnehmen, um gemeinschaftswidrige Diskriminierungen auszuschließen.210 Damit steht lediglich fest, dass der Einsatz des Arbeitnehmers in Deutschland im Rahmen eines mit einem Arbeitgeber mit Sitz im Aus- bzw. Inland bestehenden Arbeitsverhältnisses erfolgen muss. Offen ist jedoch nach dem Wortlaut der Vorschriften der unternehmerische Zweck eines solchen Personaleinsatzes. Die Ursprungsfassung des AEntG211 betraf nur Bauleistungen, Montageleistungen auf Baustellen und die Seeschifffahrtsassistenz, erst seit der Einführung des § 7 n. F. Ende 1998212 werden auch sonstige Unternehmenszwecke erfasst. 208 Vgl. die Arbeitskostenerhebung 2000 für die EU-Mitgliedstaaten und Beitrittskandidaten, abzurufen unter http://www.europa.eu.int/comm/eurostat. 209 Ley 45/1999, de 29 noviembre, sobre el desplazamiento de trabajadores en el marco de una prestación de servicios transnacional, BOE Nr. 286 vom 30.11.1999, 41231. 210 Den in § 7 Abs. 1 AEntG genannten zwingenden Bestimmungen in Gesetzesoder Verwaltungsvorschriften sind inländische Arbeitsvertragsparteien ohnehin unterworfen, so dass insofern keine ausdrückliche Gleichstellung erforderlich war.
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Auch deren Spektrum beschränkt der Gesetzestitel jedoch auf die grenzüberschreitende Erbringung von Dienstleistungen. Der Begriff der Dienstleistung ist richtlinienkonform auszulegen und erfasst danach tätigkeitsbezogene Leistungsangebote des jeweiligen Arbeitgebers auf deutschen Dienstleistungsmärkten.213 Tarifliche Eingriffsnormen sui generis gelten gem. § 1 Abs. 1, 2 AEntG allerdings nach wie vor nur für das Bauhaupt- und Baunebengewerbe iSd. Baubetriebe-Verordnung, für Montageleistungen auf Baustellen und für die Seeschifffahrtsassistenz. Die Zugehörigkeit eines deutschen wie ausländischen Betriebs und einer entsprechenden selbständigen Betriebsabteilung zum Baugewerbe setzt gem. § 1 Abs. 1 Satz 1 AEntG nach dem Überwiegensprinzip voraus, dass dort, bezogen auf die Gesamtarbeitszeit aller Beschäftigten, vornehmlich Bauleistungen iSd. § 211 Abs. 1 SGB III erbracht werden, nämlich Arbeiten zur Herstellung, Instandsetzung, Instandhaltung, Änderung oder Beseitigung von Bauwerken214, wobei ein Bauwerk nach der Rechtsprechung des BAG erst dann vollendet ist, wenn es bestimmungsgemäß benutzt werden kann.215 Dieses weite Begriffsverständnis entspricht dem Umfang des im Anhang der EG-RL 96/71 mit Beispielen illustrierten Begriffs der Bauarbeiten. Die darüber hinaus in § 1 Abs. 2 AEntG genannten Betriebe der Seeschifffahrtsassistenz, nämlich Hafenschlepper in den Handelshäfen Hamburg und Bremerhaven, unterscheiden sich von den nach Art. 1 Abs. 2 EG-RL 96/71 vom Entsenderecht ausdrücklich ausgeschlossenen Schiffsbesatzungen der Handelsmarine; auch lässt Art. 3 Abs. 10 2. SpStr. EG-RL 96/71 eine Befugnis der Mitgliedstaaten zur Unterwerfung weiterer Tätigkeiten unter tarifliche Eingriffsnormen ausdrücklich zu. Der Begriff des Auslands iSd. §§ 1 Abs. 1, 7 Abs. 1 AEntG schließlich erfasst in Anbetracht des in Art. 1 Abs. 4 EG-RL 96/71 enthaltenen Besserstellungsverbotes über die Mitgliedstaaten hinaus auch Drittstaaten.216 In seiner allgemeinen Ausrichtung auf Dienstleistungen iSd. Art. 49 EGV als Wettbewerbsgegenstand der grenzüberschreitenden Marktteilnahme ausländi211 Vgl. § 1 Abs. 1 und 2 des Gesetzes über zwingende Arbeitsbedingungen bei grenzüberschreitenden Dienstleistungen vom 26.2.1996, BGBl. 1996 I, 227. 212 Art. 10 des Korrekturgesetzes vom 19.12.1998, BGBl. 1998 I, 3843. 213 Zum Dienstleistungsbegriff der EG-RL 96/71 s. o. unter Teil 2 § 1 A. I. 1. 214 Zum Überwiegensprinzip vgl. BAG, Urt. v. 24.8.1994 – 10 AZR 980/93 –, AP Nr. 181 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau; die in § 1 Abs. 4 AEntG a. F. enthaltene Betriebsfiktion für ausländische Arbeitgeber führte bei Mischbetrieben zu einer gemeinschaftswidrigen Diskriminierung, vgl. EuGH, Urt. v. 25.10.2001 – verb. Rs. C-49, 50, 52–54, 68–71/98 (Finalarte) –, Slg. 2001, I-7831 Rz. 81 f. 215 BAG, Urt. v. 18.1.1984 – 4 AZR 13/82 –, AP Nr. 59 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau. 216 Aufgrund der Bindung an in Deutschland allgemein (§ 285 SGB III) oder aufgrund einschlägiger Tarifverträge (Werkvertragsabkommen) übliche Arbeitsbedingungen müssen drittstaatsangehörige Arbeitgeber ausländischer Arbeitnehmer idR. ohnehin ein höheres Arbeitnehmerschutz- und Lohnniveau einhalten, als es sich aus dem AEntG ergibt, s. o. unter Teil 1 § 2 B. II. 1. a) aa) (2).
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scher Arbeitgeber entspricht das AEntG also der Entsenderichtlinie, erweitert wird lediglich die Wirkung tariflicher Eingriffsnormen sui generis auf die Seeschifffahrtsassistenz als besondere Dienstleistung. 2. Entsendungsbegriff des § 1 AEntG Der Wortlaut der §§ 1 Abs. 1, 7 Abs. 1 AEntG lässt auch die Lokalisierung des Schwerpunktes des Arbeitsverhältnisses offen. Regelungsbedarf besteht hinsichtlich der in §§ 1, 7 AEntG genannten Arbeitsbedingungen allerdings nur im Fall eines ausländischen objektiven Arbeitsvertragsstatuts, da ansonsten ohnehin deutsches Recht gilt. Insofern setzt das AEntG einen im Ausland befindlichen Schwerpunkt des Arbeitsverhältnisses, mithin einen bloß vorübergehenden Einsatz in Deutschland voraus. Ein solcher Schwerpunkt kann sich nach Art. 30 Abs. 2 EGBGB aufgrund eines gewöhnlichen Arbeitsortes (Nr. 1), einer rein wirtschaftlichen Zuordnung (Nr. 2) oder aus der Gesamtheit der Umstände (a. E.) ergeben.217 §§ 1, 7 AEntG grenzen diese Varianten der Schwerpunktbildung nicht ein, während Art. 2 Abs. 1 EG-RL 96/71 den Anwendungsbereich der Richtlinie ausdrücklich auf Arbeitsverhältnisse beschränkt, die nur aufgrund ihres tatsächlichen Schwerpunktes im Entsendestaat objektiv gem. Art. 30 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB angeknüpft werden.218 Da aber die Richtlinie insofern lediglich eine spezifische Regelung dieses besonderen Falles enthält, deren Ermächtigungsgrundlage ohnehin mehr als fraglich ist219, verbleibt die Kompetenz zur Erweiterung des Anwendungsbereichs entsenderechtlicher Eingriffsnormen sui generis bei den Mitgliedstaaten. §§ 1, 7 AEntG erfassen mithin sämtliche Varianten eines objektiv ausländischen Arbeitsvertragsstatuts nach Art. 30 Abs. 2 EGBGB. Den Begriff der Entsendung verwendet das AEntG außerhalb seines Titels nicht und umschreibt grenzüberschreitende Arbeitnehmermobilität in §§ 1 Abs. 1 Satz 1, 7 Abs. 1 AEntG lediglich allgemein mit der „Beschäftigung eines Arbeitnehmers in Deutschland durch seinen im Ausland ansässigen Arbeitgeber“. Wie bei der EG-RL 96/71 sind der Fortbestand des Arbeitsverhältnisses während des Arbeitseinsatzes in Deutschland und die Zweckbindung dieses Einsatzes an eine vorübergehende Teilnahme des Arbeitgebers an deutschen Dienstleistungsmärkten auch hier charakterisierend für den Entsendungsbegriff.220 Arbeitnehmermobilität nach dem AEntG umfasst nach richtlinienkon217
s. o. unter Teil 1 § 2 A. II. 2. b) aa) (2). s. o. unter Teil 2 § 1 A. I. 2. 219 s. o. unter Teil 2 § 1 B. I. 1. b) und 2.; es handelt sich mithin nicht um eine abschließende Regelung jeglicher Fälle der Divergenz zwischen Arbeitsvertragsstatut und Einsatzstaat durch die Gemeinschaft, die eine Erfassung auch der Fälle des Art. 30 Abs. 2 Nr. 2 und a. E. EGBGB durch mitgliedstaatliche Vorschriften als denselben Regelungsgegenstand ausschließen würde. 218
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former Auslegung sowohl den Einsatz des Arbeitnehmers als Erfüllungsgehilfen im Rahmen eines zwischen seinem Arbeitgeber und dem Dienstleistungsempfänger bestehenden Vertrages als auch die auf eine konkrete Dienstleistung bezogene vorübergehende Versetzung in einen Betrieb in Deutschland als Formen des mobilen Arbeitnehmereinsatzes innerhalb eines Unternehmens, gem. § 1 Abs. 2a AEntG ausdrücklich den Arbeitnehmerverleih221 und auch die konzerninterne Arbeitnehmerüberlassung sowie die Abordnung von Arbeitnehmern an eine Arge in der Variante des Arbeitnehmerverleihs222. Während § 1 Abs. 5 AEntG a. F. den Anwendungsbereich tariflicher Eingriffsnormen noch flexibilisierte und auf der Grundlage des Art. 3 Abs. 5 EGRL 96/71 eine Befreiung vom Normzwang des Urlaubskassenverfahrens bei Leistungen geringen Umfanges ermöglichte, wurde diese Ausnahme nunmehr gestrichen.223 In diesem Verzicht auf jegliche der von Art. 3 Abs. 2–5 EG-RL 96/71 bezüglich Lohn und Urlaub vorgesehenen Ausnahmen vom internationalen Normzwang wird die marktabschottende Tendenz des AEntG sichtbar, die durch das erweiterte Schwerpunktverständnis iRd. Entsendungsbegriffs der §§ 1, 7 AEntG und die Erstreckung tariflicher Eingriffsnormen auf die Seeschifffahrtsassistenz noch verstärkt wird. II. Kollisionsrechtlich zwingende Kernvorschriften 1. „Harter Kern“ arbeitsrechtlicher Bestimmungen Der „harte Kern klar definierter Schutzbestimmungen“ iSv. Nr. 14 der Gründe der EG-RL 96/71 erfasste in der Ursprungsfassung des AEntG zunächst lediglich die Höhe des Tarifgehaltes einschließlich des hiervon hinsichtlich der Urlaubsvergütung beeinflussten Erholungsurlaubs.224 Erst im Wege der Anpassung an die EG-RL 96/71 wurde der Katalog auf die gesetzliche und tarifliche Regelung weiterer Arbeitsbedingungen erweitert225, von denen ein Großteil ei220
Zum Entsendungsbegriff der EG-RL 96/71 s. o. unter Teil 2 § 1 A. I. 2. Mangels ausdrücklicher Differenzierung des Wortlauts sind hiervon sowohl der unechte als auch der echte Arbeitnehmerverleih erfasst; § 1 Abs. 2a AEntG wurde erst im Wege der Anpassung an die EG-RL 96/71 eingefügt, vgl. Art. 10 des Ersten SGB III-Änderungsgesetzes vom 16.12.1997, BGBl. 1997 I, 2970. 222 Auch diese Begrenzung des Anwendungsbereichs hinsichtlich der Abordnung an eine Arge ist aufgrund richtlinienkonformer Auslegung geboten; zur entsprechenden Auslegung der EG-RL 96/71 s. o. unter Teil 2 § 1 A. I. 2, zu den rechtlichen Varianten mobiler Arbeitnehmereinsätze bei einer Arge s. o. unter Teil 1 § 1 A. I. 223 Vgl. Art. 92 des Dritten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23.12.2003, BGBl. 2003 I, 2848. 224 Vgl. § 1 Abs. 1 des Gesetzes über zwingende Arbeitsbedingungen bei grenzüberschreitenden Dienstleistungen vom 26.2.1996, BGBl. 1996 I, 227. 225 § 7 AEntG n. F., vgl. Art. 10 des Korrekturgesetzes vom 19.12.1998, BGBl. 1998 I, 3843. 221
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nen unmittelbaren Bezug zur Gehaltshöhe und zum Arbeitsort als mobilitätsspezifische Wettbewerbsfaktoren226 aufweist. a) Mobilitätsspezifische Wettbewerbsfaktoren aa) Gehaltshöhe § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 7 Abs. 1 Nr. 3 AEntG verpflichten Entsendeunternehmen zur Einhaltung gesetzlicher und tariflicher „Mindestentgeltsätze einschließlich der Überstundensätze“ und verleihen diesen Bestimmungen so einen von außen in das vertragliche Austauschverhältnis eingreifenden Normzwang. In Ermangelung eines gesetzlichen Mindestlohnes227 liegt die entsprechende Bedeutung und praktische Relevanz allein bei tariflichen Gehaltsbestimmungen. Wie in Art. 3 Abs. 1 Satz 1 c) EG-RL 96/71 betrifft auch die vom AEntG geforderte Mindesthöhe des Gehalts ebenfalls Überstundensätze und erfasst dabei nur den Grundlohn, nicht auch Zuschläge und Zulagen.228 Während aber der Begriff der „Mindestlohnsätze“ in der Entsenderichtlinie lediglich den Grundlohn der untersten Gehaltsstufe ohne spezifische Tätigkeitsmerkmale als absoluten Mindestsockel festschreibt, relativiert das AEntG diese Mindesthöhe durch eine Bezugnahme auf die Grundstufe einer jeden Tariflohngruppe: Die Formulierung „Mindestentgeltsätze“ soll die Tarifparteien ermächtigen, auch höhere Lohngruppen als relative Untergrenzen zu erfassen, mithin das gesamte Lohngitter.229 Die Vorschriften des AEntG zur Gehaltshöhe gehen mithin über das vom Ausgleichsmodell der Richtlinie geforderte Mindestmaß einer inhalt-
226 Zur Charakterisierung von Arbeitsbedingungen als mobilitätsspezifische Wettbewerbsfaktoren aufgrund ihres ursprünglich weiten vertraglichen Steuerungsspielraums s. o. unter Teil 1 § 1 B. I. 3. 227 Von der Möglichkeit der staatlichen Festsetzung von Mindestlöhnen nach dem MindArbG wurde bislang kein Gebrauch gemacht. Da sowohl § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bzw. § 7 Abs. 1 Nr. 3 AEntG als auch Art. 3 Abs. 1 Satz 1 c) EG-RL 96/71 auf konkrete Mindestlohn- bzw. -entgeltsätze abstellen, werden die §§ 612 Abs. 2 BGB, 59 HGB, 10 BBiG, 19 HAG und 138 BGB nicht zu entsenderechtlichen Eingriffsnormen sui generis, a. A. Schlachter in: ErfKomm, § 7 AEntG Rn. 2. 228 Koberski/Asshoff/Hold, AEntG, § 1 Rn. 208; derartige Mindestentgelt- und Überstundensätze müssen zudem nicht zwingend in ein und demselben Tarifvertrag geregelt sein, solange jeder dieser Tarifverträge für sich die entsenderechtlichen Kriterien internationaler Normwirkung erfüllt, vgl. BAG, Urt. v. 19.5.2004 – 5 AZR 449/03 –, NZA 2004, 1170. 229 Vgl. die Begründung des Entwurfs des Korrekturgesetzes (BGBl. 1998 I, 3843) vom 17.11.1998, BT-Dr. 14/45, 17, 25; Riester, ArbuR 1999, 1 (3); von dieser Möglichkeit haben die Tarifparteien noch keinen Gebrauch gemacht; die fehlende Praktikabilität dieser Ermächtigung wird zudem in den Schwierigkeiten der Kontrolle tatsächlich zutreffender Eingruppierungen deutlich, so auch Theelen, Das Arbeitnehmerentsendegesetz, 66 Fn. 241.
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lichen Bindung der Arbeitsvertragsparteien weit hinaus230 und intensivieren dadurch den Marktabschottungseffekt entsenderechtlicher Bestimmungen. bb) Gleichbehandlungsgebote § 7 Abs. 1 Nr. 7 AEntG ist wortgleich mit Art. 3 Abs. 1 Satz 1 g) EG-RL 96/71 und hebt so den gesamten nationalen Antidiskriminierungsschutz auf das Niveau internationaler Eingriffsnormen. Insbesondere das Gebot relativer Lohngleichheit war zuvor als lediglich intern zwingende Bestimmung Bestandteil des Arbeitsvertragsstatuts, weil sich der Gedanke der Selbstbindung des Arbeitgebers nicht vom paritätsorientierten Interessenausgleich zugunsten der spezialgesetzlich geschützten schwächeren Vertragspartei trennen lässt. Diese kollisionsrechtliche Anbindung an Parteiinteressen wird nunmehr gelöst. Allerdings ist die tatsächliche Wettbewerbsrelevanz entsprechender Eingriffsnormen für Entsendefälle gering, da Gleichbehandlungsgebote stets austeilende Gerechtigkeit in einer vom Arbeitgeber selbst geschaffenen Ordnung verwirklichen wollen und dadurch vom Arbeitgeber letztlich selbst steuerbar sind, ohne dass er sich dabei an außerhalb dieses internen Gefüges geltenden Arbeitsbedingungen Dritter – wie im Falle der Gleichstellung – orientieren müsste.231 Die Einhaltung allgemein im Einsatzstaat geltender Arbeitsbedingungen kann von einem entsendenden Arbeitgeber im Wege des internationalen Normzwangs daher ausschließlich in der Entsendungskonstellation des Art. 1 Abs. 3b EG-RL 96/71 verlangt werden. Denn nur hier besteht eine Organisationseinheit des Arbeitgebers im Einsatzstaat, die ein Selbstbindungsfeld auch hinsichtlich des entsandten Arbeitnehmers eröffnet, wenn dieser vorübergehend im Rahmen einer konkreten Dienstleistungserbringung dort eingesetzt wird. cc) Erholungsurlaub Art. 3 Abs. 1 Satz 1 b) EG-RL 96/71 beschränkt den an die Mitgliedstaaten gerichteten Rechtsetzungsauftrag auf gesetzliche oder bautarifliche Bestimmungen über den „bezahlten Mindestjahresurlaub“. § 7 Abs. 1 Nr. 2 AEntG nimmt hinsichtlich solcher Gesetzesvorschriften auf den durch die Richtlinie eröffneten, allgemeinen urlaubsrechtlichen Anwendungsbereich232 Bezug und verleiht den entsprechenden, zuvor dem Arbeitsvertragsstatut zugehörigen Bestimmun230 So auch Löwisch, GS Eucken, 221 (235); Löwisch/Rieble, TVG, § 5 Rn. 150; Doppler, Vereinbarkeit des AEntG, 74, 76; Theelen, Das Arbeitnehmerentsendegesetz, 114 f., 119; a. A. (EG-RL 96/71 dient nicht nur der Sicherung eines Existenzminimums) Schlachter in: ErfKomm, § 1 AEntG 10; Koberski/Asshoff/Hold, AEntG, § 1 Rn. 182. 231 Zu den Einzelheiten s. o. unter Teil 1 § 1 B. II. 1. a) bb). 232 s. o. unter Teil 2 § 1 A. II. 1. a).
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gen international zwingende Wirkung. Für Tarifnormen gilt dies gem. § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AEntG allerdings lediglich hinsichtlich der Dauer der Freistellung und der Höhe des währenddessen vom Arbeitgeber geschuldeten Gehalts. Dabei wird die Einhaltung der tariflichen „Dauer des Erholungsurlaubs“ festgeschrieben. Wie § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AEntG lässt auch diese Formulierung Relativierungen (z. B. hinsichtlich unterschiedlicher Altersstufen) zu und verlässt damit die Ebene der Grundsicherung einer für jeden Arbeitnehmer geltenden, absoluten Mindesturlaubsdauer.233 Während sich der Umsetzungsauftrag der Entsenderichtlinie insofern ausdrücklich auf einen absoluten Mindestschutz beschränkt, verstärkt das AEntG die protektionistische Wirkung derartiger Eingriffsnormen zugunsten des nationalen Arbeitsmarktes und Tarifsystems. Dieser Effekt intensiviert sich nochmals hinsichtlich der Urlaubsvergütung, da § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AEntG neben Regelungen des Urlaubsentgelts auch tariflichen Bestimmungen über ein zusätzliches Urlaubsgeld international zwingende Wirkung zuweist. Auch dieser Aspekt ist vom Rechtsetzungsauftrag der Richtlinie nicht gedeckt, die hier ebenfalls an der Sicherung eines Minimalstandards ausgerichtet ist.234 dd) Arbeitnehmerüberlassung § 7 Abs. 1 Nr. 4 AEntG liegt angesichts des mit Art. 3 Abs. 1 Satz 1 d) EGRL 96/71 identischen Wortlautes der Überlassungsbegriff der Entsenderichtlinie235 zugrunde. Als Eingriffsnormen tatsächlich relevant sind freilich nur die im AÜG enthaltenen Beschränkungen der gewerblichen Arbeitnehmerüberlassung, und zwar sowohl die Erlaubnispflicht als auch das Gleichstellungsgebot der §§ 3 Abs. 1 Nr. 3, 9 Nr. 2 AÜG. Diese Bestimmungen verfügten allerdings bereits zuvor über einen internationalen Rechtsdurchsetzungswillen iSd. Art. 34 EGBGB.236 Insbesondere das Gleichstellungsgebot wirkt sich wegen des in § 1b Satz 1 AÜG enthaltenen grundsätzlichen Verbotes der Leiharbeit im Bauhauptgewerbe als Beschränkung der Vertragsfreiheit vorwiegend im Baunebengewerbe aus. Hervorzuheben ist auch, dass erst diese Durchbrechung des über233 So auch Konzen, NZA 2002, 781 (783); dem widerspricht auch nicht das Finalarte-Urteil des EuGH v. 25.10.2001 – verb. Rs. C-49, 50, 52–54, 68–71/98 –, Slg. 2001, I-7831, da dort lediglich die Befugnis der Mitgliedstaaten festgehalten wurde, hinsichtlich der Urlaubslänge ein gegenüber der EG-RL 93/104 hinausgehendes BasisSchutzniveau vorzusehen; entsenderechtlich zwingend können derartige Bestimmungen aber nur dann sein, wenn sie ein nationales Mindestniveau darstellen, das nicht unterschritten werden darf. 234 Ebenso Löwisch, GS Eucken, 221 (236); Theelen, Das Arbeitnehmerentsendegesetz, 115, 119; Doppler, Vereinbarkeit des AEntG, 86. 235 s. o. unter Teil 2 § 1 A. II. 1. a). 236 Im Einzelnen s. o. unter Teil 1 § 2 B. II. 2. a) aa) (1); zur Unvereinbarkeit des Gleichstellungsgebotes mit Art. 49 EGV s. o. unter Teil 2 B. II. 2. a) bb) (2) sowie Teil 1 § 1 A. II. 2. b) bb) (2) (b) und B. II. 1. a) cc).
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lassungsrechtlichen Grundsatzes der Verleiherbezogenheit dem AEntG bezüglich der Arbeitnehmerüberlassung Durchsetzungskraft verleiht. Denn Verleihunternehmen unterfallen dem fachlichen Geltungsbereich der Bautarifverträge iSd. § 1 Abs. 1 AEntG idR. nicht, so dass allein eine Bestimmung des räumlichen Tarifgeltungsbereichs nach dem Arbeitsortprinzip nicht für einen entsenderechtlichen Normzwang ausreichen würde, der auch Leiharbeitsverhältnisse erfasst. Zudem verstärkt die nunmehr europarechtskonforme Erleichterung von Ausnahmen für Verleihunternehmen anderer Mitgliedstaaten durch § 1b Satz 3 AÜG n. F.237 die Bedeutung dieser Form von Arbeitnehmermobilität nicht nur im Bauneben-, sondern auch im Bauhauptgewerbe und damit ebenfalls die Beschränkungsintensität sämtlicher Eingriffsnormen des AÜG. b) Sonstige international zwingende Arbeitsbedingungen Als nicht unmittelbar mobilitätsspezifische Wettbewerbsfaktoren werden von § 7 Abs. 1 Nr. 1, 5 und 6 AEntG Vorschriften des technischen, medizinischen und sozialen Arbeitsschutzes erfasst, die zuvor aufgrund ihrer überwiegenden Gemeinwohlinteressen als Eingriffsnormen iSd. Art. 34 EGBGB unbedingten internationalen Normzwang aufwiesen.238 In Anbetracht der Wortgleichheit der in § 7 Abs. 1 Nr. 1, 5 und 6 AEntG genannten Arbeitsbedingungen mit Art. 3 Abs. 1 Satz 1 a), e) und f) EG-RL 96/71 bestehen auch hier keine Anhaltspunkte für einen über den Richtlinieninhalt hinausgehenden Anwendungswillen des deutschen Gesetzgebers, zumal diese Aspekte als ohnehin international zwingende Bestimmungen des Einsatzstaates über keine besondere Wettbewerbsrelevanz verfügen und so das Marktverhalten des ausländischen Dienstleistungsanbieters nicht mehr erneut ordnungspolitisch steuerbar ist. Hinsichtlich ihres Inhalts ist insofern unproblematisch auf die EG-RL 96/71 zu verweisen.239 2. Relativität des Normzwangs a) Kollisionsrechtlicher Systembruch Die Entsenderichtlinie ist hinsichtlich ausgewählter Arbeitnehmerschutzaspekte des Internationalen Vertragsrechts auf einen Bruch mit dem Kollisionsrechtssystem des EVÜ angelegt240, der mit §§ 1, 7 AEntG durch die Einführung 237 § 1b Satz 3 AÜG wurde eingeführt durch Art. 6 des Ersten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23.12.2002, BGBl. 2002 I, 4607, als Folge des EuGH-Urteils v. 25.10.2001 – Rs. C-493/99 (Kommission/Deutschland) –, Slg. 2001, I-8163. 238 s. o. unter Teil 1 § 2 A. II. 2. b) bb) (2). 239 Hierzu näher s. o. unter Teil 2 § 1 A. II. 1. a).
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nationaler Eingriffsnormen sui generis umgesetzt wird. Wie in Art. 3 Abs. 7 Abs. 1 EG-RL 96/71 ist auch im AEntG das Günstigkeitsprinzip ein Kernelement der besonderen Eigenart entsenderechtlicher Eingriffsnormen. Ausdrücklich erwähnt ist es in § 1 Abs. 1 Satz 2 AEntG hinsichtlich tariflicher Lohnund Urlaubsbestimmungen, nach richtlinienkonformer Auslegung gilt es aber auch für die in § 7 AEntG genannten Bestimmungen. §§ 1, 7 AEntG lösen bestimmte, dem Ausgleich individueller Parteiinteressen dienende Bestimmungen vom Arbeitsstatut los und verleihen ihnen internationalen Rechtsdurchsetzungswillen, allerdings relativiert durch einen arbeitnehmerschutzmaximierenden Günstigkeitsvergleich. Im Vergleich zu den vormalig rein intern zwingenden Bestimmungen des Arbeitsvertragsstatuts sorgt das Entsenderecht so für eine erhebliche Erweiterung der Relativität des Normzwangs: Der Günstigkeitsvergleich erfolgt nicht lediglich zwischen dem gewählten und dem objektiven Arbeitsvertragsstatut, sondern einbezogen in diesen Vergleich sind nunmehr als dritter Faktor die Eingriffsnormen sui generis des Einsatzstaates. Diese verstärkte Offenheit des Anknüpfungsergebnisses beschränkt jedoch die Autonomie des Arbeitgebers als Arbeitsvertragspartei und als Teilnehmer an Dienstleistungsmärkten. Denn der dritte Faktor verhindert eine ausschließliche Orientierung an der für den konkreten Fall sachnächsten Lösung, die sich aus der nach dem tatsächlichen oder zumindest wirtschaftlichen Schwerpunkt zu lokalisierenden Arbeitsmarktzugehörigkeit des Arbeitsverhältnisses ergeben würde und damit letztlich durch die Parteien mittels indirekter Rechtswahl steuerbar wäre. Auch der Eingriffscharakter von Regelungen iSd. § 7 Abs. 1 Nr. 1, 4, 5 und 6 iVm. Abs. 2 AEntG, die bereits zuvor Art. 34 EGBGB unterfielen, wird durch das Günstigkeitsprinzip relativiert. Wesentlich für diese Bestimmungen ist, dass sie sowohl Parteiinteressen als auch (teils ordnungspolitischen) Allgemeininteressen dienen, letztere jedoch überwiegen, was ihren internationalen Anwendungswillen nach Art. 34 EGBGB begründet.241 Das AEntG verstärkt nun die Ausrichtung derartiger gemischter Eingriffsnormen an Parteiinteressen mit der Folge, dass Deutschland als Einsatzstaat seinen eigenen Geltungsanspruch zugunsten eines höheren Arbeitnehmerschutzniveaus des objektiven oder gewählten Arbeitsvertragsstatuts zurücknimmt. Ein auf diese Weise bedingter internationaler Rechtsdurchsetzungsanspruch dieser Bestimmungen hat streng genommen keine Beschränkung der Autonomie zur Folge, da ggf. das Arbeitsrechtssystem Anwendung findet, dem die Arbeitsvertragsparteien im Falle eines ausschließlich nationalen Arbeitnehmereinsatzes ohnehin unterworfen wären. Dennoch führt das von §§ 1, 7 AEntG vorausgesetzte Regel-Ausnahme-Verhältnis, demzufolge die Eingriffsnormen sui generis einer Anbindung an das Ar240 241
s. o. unter Teil 2 § 1 A. II. 1. c). s. o. unter Teil 1 § 2 A. II. 2. b) bb) (2).
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beitsvertragsstatut nur im Falle eines dort höheren Arbeitnehmerschutzniveaus Platz machen, zu einer im Einzelfall bestehenden Rechtsunsicherheit, die sich – wie der erhebliche administrative Aufwand eines vom Arbeitgeber jeweils vorzunehmenden Günstigkeitsvergleichs – als Belastung des Dienstleistungserbringers auswirkt.242 In Anbetracht dieser Relativität des Normzwangs sämtlicher entsenderechtlicher Bestimmungen unterfallen letztere entgegen einer weit verbreiteten Auffassung243 nicht ohne weiteres Art. 34 EGBGB. Insbesondere § 7 AEntG hat nicht lediglich deklaratorische244, sondern vielmehr konstitutive Wirkung, die den Charakter von Eingriffsnormen sui generis als entsenderechtliches Spezifikum innerhalb des Internationalen Vertragsrechts erst begründet. Hinsichtlich sämtlicher von der EG-RL 96/71 erfasster Eingriffsnormen bestand mithin ein Bedarf zur Modifikation des vorherigen Kollisionsrechtszustandes durch das AEntG als Umsetzungsakt. b) Eingriffsrechtfertigung durch das Günstigkeitsprinzip Die vorgenannten, in der EG-RL 96/71 angelegten Schutzbereichsverkürzungen hinsichtlich der Dienstleistungsfreiheit und der Freiheit wirtschaftlicher Betätigung im Sinne europarechtlicher Autonomiegrundrechte245 setzen sich im Umsetzungsakt auf nationaler Ebene fort und bedürfen auch hier der Rechtfertigung. Das AEntG schießt allerdings in mehrfacher Hinsicht über das Richtlinienziel hinaus: Die Erstreckung der Wirkung tariflicher Eingriffsnormen sui generis auch auf die Seeschifffahrtsassistenz, die Ausdehnung des Geltungsbereichs entsenderechtlicher Bestimmungen auf sämtliche Varianten eines objektiv ausländischen Arbeitsvertragsstatuts iSd. Art. 30 Abs. 2 EGBGB, der Verzicht auf jegliche von der Richtlinie vorgesehene Ausnahme wie auch die materiellrechtliche Erweiterung des Normzwangs durch Relativierungen der Mindestentgeltsätze und Urlaubsdauer und die Einbeziehung eines zusätzlichen tariflichen Urlaubsgeldes verlangen eine zusätzliche Rechtfertigung der damit 242 Zu zusätzlichen administrativen Belastungen, die einzelne Entsendeunternehmen von der Dienstleistungserbringung im Einsatzstaat abhalten können, vgl. EuGH, Urt. v. 23.11.1999 – verb. Rs. C-369, 376/96 (Arblade und Leloup) –, Slg. 1999, I-8453 Rz. 50. 243 Lakies in: Däubler, TVG, § 5 Anhang 2 § 7 AEntG Rn. 4; Koberski/Asshoff/ Hold, AEntG, § 1 Rn. 139, § 7 Rn. 5; BAG, Urt. v. 25.6.2002 – 9 AZR 439/01 –, AP Nr. 15 zu § 1 AEntG; Borgmann, IPRax 1996, 315; vgl. auch Deinert, RdA 1996, 339 (348), der sogar hinsichtlich des Eingriffscharakters allgemeinverbindlicher Tarifverträge von einer lediglich klarstellenden Wirkung des AEntG ausgeht; ähnlich wie hier aber Schlachter in: ErfKomm, § 7 AEntG Rn. 5. 244 So aber Hoppe, Entsendung, 257 („zulässige Konkretisierung von Art. 34 EGBGB“). 245 Zu den Einzelheiten s. o. unter Teil 2 § 1 B. II. 3. und 4.
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verbundenen Eingriffe in die Dienstleistungsfreiheit wie auch in die Wettbewerbs-, Vertrags- und Berufsausübungsfreiheit als Grundrechtspositionen der betroffenen ausländischen Arbeitgeber aus Art. 2 Abs. 1 GG. Insbesondere das in § 1 Abs. 1 AEntG enthaltene weite Begriffsverständnis hinsichtlich der Mindestentgeltsätze, der Urlaubsdauer und der ein zusätzliches Urlaubsgeld miteinschließenden Urlaubsvergütung ist als Verstoß gegen die Richtlinie einer Rechtfertigung durch Arbeitnehmerschutzerwägungen gar nicht zugänglich.246 Denn Art. 3 Abs. 10 1. SpStr. EG-RL 96/71 belässt den Mitgliedstaaten eine Kompetenz zum Erlass international zwingender Eingriffsnormen hinsichtlich über den Katalog des Art. 3 Abs. 1 Satz 1 a)–g) EG-RL 96/71 hinaus gehender Arbeitsbedingungen nur im Rahmen des bislang geltenden Kollisionsrechtssystems aus Gründen der öffentlichen Ordnung. Eine Rechtfertigung der o. g., über ein Mindestmaß an sozialem Schutz deutlich hinausgehenden zwingenden Gehaltshöhe und Urlaubsdauer scheitert, wenn nicht bereits an der erforderlichen Verhältnismäßigkeit, ganz offensichtlich am Fehlen einer hinreichend schweren Gefährdung gesellschaftlicher Fundamentalinteressen. Denn weder das Interesse eines Mitgliedstaates am Schutz der nationalen Wirtschaft noch am Arbeitnehmerschutz fällt unter den ordre public.247 Im Übrigen eröffnet das allgemeine Günstigkeitsprinzip als Spezifikum entsenderechtlicher Eingriffsnormen die grundsätzliche Möglichkeit einer Rechtfertigung der Autonomiebegrenzung durch den Arbeitnehmerschutz als überwiegendes Allgemeininteresse. Dabei ist zwischen Eingriffen in Grundrechtspositionen einerseits und in die Dienstleistungsfreiheit andererseits zu differenzieren: aa) Grundrechtspositionen Das AEntG führt zu einer Schutzbereichsverkürzung der Freiheit wirtschaftlicher Betätigung als Autonomiegrundrecht des ausländischen wie inländischen Arbeitgebers, bestehend aus der Rechtswahl- und Vertragsfreiheit, der Wettbewerbsfreiheit und der Berufsausübungsfreiheit, die sämtlich grundgesetzlich und gemeinschaftsrechtlich 248 geschützt sind. Eine Rechtfertigung von Eingriffen setzt gem. Art. 2 Abs. 1 GG bzw. der EuGH-Rechtsprechung und Art. 52 Abs. 1 GRCharta voraus, dass sie zum Schutz überwiegender Gemeinwohlinteressen
246 Auch Konzen, NZA 2002, 781 (783), weist zutreffend darauf hin, dass mehr als ein Mindestschutz mit der Dienstleistungsfreiheit nicht vereinbar ist. 247 Zur Parallelproblematik des Art. 55 iVm. Art. 46 Abs. 2 EGV vgl. Teil 2 § 1 B. I. 1. b) bb). 248 s. o. unter Teil 2 § 1 B. II. 4. (zur Parallelprüfung hinsichtlich der Entsenderichtlinie).
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erfolgen, der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gewahrt und der Wesensgehalt der betroffenen Grundrechte nicht angetastet ist. Die Ausweitung des Geltungsbereichs der Eingriffsnormen des AEntG auf die Seeschifffahrtsassistenz und sämtliche Varianten des Art. 30 Abs. 2 EGBGB lässt sich grundsätzlich mit Arbeitnehmerschutzerwägungen rechtfertigen, da der Günstigkeitsvergleich im Einzelfall auch hier zu einer tatsächlichen Erhöhung des Schutzniveaus zugunsten eines tendenziell wirtschaftlich schwächeren Personenkreises führen kann, dessen Mindestabsicherung sozialstaatlich wie allgemeingesellschaftlich geboten ist. Das gleiche gilt hinsichtlich des Spezialcharakters entsenderechtlicher Eingriffsnormen als Mittel dieser Absicherung, d.h. die Loslösung der dem Ausgleich individueller Parteiinteressen dienenden zwingenden Bestimmungen vom Arbeitsvertragsstatut und die Relativierung des internationalen Normzwangs überwiegend (ordnungspolitischen) Allgemeininteressen dienender Vorschriften. Eine Rechtfertigung von Grundrechtseingriffen durch die in § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 2 AEntG enthaltenen, den Richtlinieninhalt deutlich überschreitenden tariflichen Regelungen ist jedoch abzulehnen. Die relativierende Einbeziehung verschiedener Tariflohngruppen als Mindestentgeltsätze, der Verzicht auf eine unterste Mindestdauer tariflichen Urlaubs und die Erweiterung des Begriffs der Mindesturlaubsvergütung auf ein zusätzliches Urlaubsgeld überschreiten, auch wenn sie faktisch zu einer Erhöhung des Arbeitnehmerschutzes führen, das aus Gründen der Verhältnismäßigkeit tolerierbare Mindestschutzniveau. Dabei ist zu berücksichtigen, dass das Entsenderecht kein gemeinschaftsweit einheitliches Arbeitnehmerschutzniveau festlegt, sondern ein kollisionsrechtlich zu erzielender Schutzstandard erheblichen Schwankungen unterliegt, je nach dem welches Rechtssystem Anwendung findet. Diese Ergebnisoffenheit beruht zum einen auf der Verschiedenheit der nationalen Schutzstandards und zum anderen auf der Relativität des Günstigkeitsprinzips. So ist bereits der Begriff des Mindestschutzes höchst relativ. Diese Relativität des Minimalstandards wird durch die Einbeziehung verschiedener Lohngruppen, Urlaubsgelder und Tarifurlaubsstufen noch erhöht – und dementsprechend auch die Intensität möglicher Belastungen des Arbeitgebers. Sogar für das von der Entsenderichtlinie vorgeschriebene, im wirklichen Sinne unterste Schutzniveau weist Nr. 16 der Gründe der EG-RL 96/71 ausdrücklich darauf hin, dass die Anwendung der Lohn- und Urlaubsbestimmungen „einer gewissen Flexibilität“ bedürfen. Im AEntG sind jedoch keine gesetzlichen Ausnahmen iSd. Art. 3 Abs. 2–5 EG-RL 96/71 vorgesehen, um Extremfälle aufzufangen, in denen eine Unterwerfung unter entsenderechtliche Eingriffsnormen aufgrund des geringen zeitlichen oder tatsächlichen Umfangs der Arbeitsleistung in Deutschland oder wegen sonstiger Umstände unverhältnismäßig wäre. Dass es solche Fälle aber geben kann, zeigt das Mazzoleni-Urteil des
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EuGH: Hier forderte der EuGH ausdrücklich auch für den Fall der tatsächlichen Besserstellung des Arbeitnehmers durch die Eingriffsnormen eine Abwägung dieser Vorteile mit den damit verbundenen Belastungen des Arbeitgebers.249 Vor diesem Hintergrund erweist sich die über den Richtliniengehalt hinausgehende Erhöhung des Mindestniveaus hinsichtlich Gehalt, Urlaubsvergütung und Urlaubsdauer in § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 2 AEntG als Verstoß gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, der eine Rechtfertigung der o. g. Grundrechtseingriffe ausschließt. bb) Dienstleistungsfreiheit Sowohl die Ausweitung des Anwendungsbereichs entsenderechtlicher Eingriffsnormen sui generis als auch deren Spezialcharakter und Intensität iSd. §§ 1, 7 AEntG schränken den ausländischen Arbeitgeber in seiner Dienstleistungsfreiheit ein. Der EuGH rechtfertigt diese Schutzbereichsverkürzungen pauschal mit der Steigerung des Arbeitnehmerschutzes als Allgemeininteresse, sofern der Normzwang im Einzelfall verhältnismäßig ist und die Vermutung des Arbeitnehmerschutzes als überwiegendes Regelungsziel des Gesetzgebers des Einsatzstaates nicht widerlegt wird.250 Wenn das Ausgleichsmodell der EG-RL 97/71 auf diese Weise gerechtfertigt werden konnte251, so weist das Autonomiebegrenzungsmodell des AEntG demgegenüber erhebliche inhaltliche Abweichungen auf: Es hat einen deutlich weiteren Geltungsbereich, beschränkt sich nicht auf einen reinen Mindestschutz und stellt zudem keinen Rahmen für verhältnismäßige Lösungen von Einzelfällen mittels Ausnahmen bereit. Das im Mazzoleni-Urteil aufgestellte Gebot, auch in Fällen einer klaren Besserstellung des Arbeitnehmers durch die Eingriffsnormen zwecks Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes stets eine Interessenabwägung vorzunehmen, ergänzt die in Nr. 16 der Gründe der EG-RL 96/71 enthaltene Forderung nach Flexibilität des Normzwangs. Insbesondere in Fällen der inhaltlichen Erweiterung des Autonomiebegrenzungsmodells der Entsenderichtlinie und einer damit einhergehenden Intensivierung des binnenmarktkon249 EuGH, Urt. v. 15.3.2001 – Rs. C-165/98 (Mazzoleni) –, Slg. 2001, I-2189 Rz. 30 ff. 250 EuGH, Urt. v. 23.11.1999 – verb. Rs. C-369, 376/96 (Arblade und Leloup) –, Slg. 1999, I-8453 Rz. 42; EuGH, Urt. v. 15.3.2001 – Rs. C-165/98 (Mazzoleni) –, Slg. 2001, I-2189 Rz. 28 ff.; allerdings reicht es nach der Rechtsprechung des EuGH für eine derartige Widerlegung nicht aus, wenn sich aus dem Gesetzgebungsverfahren des Einsatzstaates gegenüber der Garantie eines bestimmten Arbeitnehmerschutzniveaus eindeutig überwiegende Marktabschottungsabsichten ergeben, vgl. EuGH, Urt. v. 24.1. 2002 – Rs. C-164/99 (Portugaia Construções) –, Slg. 2002, I-787 Rz. 22, 27; hierzu im Einzelnen bezüglich der Entsenderichtlinie unter Teil 2 § 1 B. II. 3. b) bb) (2) und (3). 251 s. o. unter Teil 2 § 1 B. II. 3. b) bb) (3).
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trären Marktabschottungseffektes nationaler Entsenderegelungen verengt sich der in Art. 3 Abs. 2–5 EG-RL 96/71 eröffnete Entscheidungsspielraum zu einer Pflicht zur Bereitstellung von Ausnahmen hinsichtlich zeitlich oder tatsächlich geringfügiger Arbeitsleistungen im Einsatzstaat. Das AEntG enthält jedoch keine solche Öffnung für flexible und damit verhältnismäßige Lösungen besonderer Einzelfälle. Durch die inhaltliche Überschreitung des Rechtsetzungsauftrags der Entsenderichtlinie verlässt das AEntG auch deren Ausgleichsmodell: Die EG-RL 96/ 71 knüpft die Lauterkeit des grenzüberschreitenden Dienstleistungsverkehrs an die Einhaltung eines vergleichsweise höchstmöglichen Arbeitnehmerschutzstandards, der ausweislich des Textes der Richtlinie, ihrer Begründung und des Rechtsetzungsverfahrens das überwiegende Regelungsmotiv des europäischen Gesetzgebers darstellt.252 Im Dreiecksverhältnis der Dienstleistungsfreiheit des Arbeitgebers als Binnenmarktziel auf der einen Seite, des Arbeitnehmerschutzes als Beschränkungen zulassendes Allgemeininteresse auf der anderen Seite und der nationalen Marktabschottung als zu verhindernder Binnenmarktverstoß auf der dritten Seite verbleibt die Entsenderichtlinie so auf der Achse zwischen Dienstleistungsfreiheit und Arbeitnehmerschutz und sorgt ausschließlich dort für einen Interessenausgleich. Demgegenüber verlässt das AEntG diese Ausgleichsebene und bewegt sich inhaltlich auf der Achse zwischen Dienstleistungsfreiheit und Marktabschottung. Die Problematik liegt auch hier in der Grauzone, die sich aus der Doppelseitigkeit des Lauterkeitsbegriffs der Entsenderichtlinie ergibt: Je nach dem überwiegenden Regelungsmotiv ist entweder die Marktabschottung als unerwünschter Binnenmarktverstoß oder aber der Arbeitnehmerschutz als zulässiges Allgemeininteresse bloß mittelbar-faktische Folge und damit „Kehrseite der Medaille“. Letzteres ist beim AEntG der Fall: Die Eingriffsqualität sämtlicher zwingender Bestimmungen iSd. §§ 1, 7 AEntG zielt final auf eine Abschottung des deutschen Arbeitsmarktes über den Umweg der Beschränkung des Wettbewerbs auf deutschen Dienstleistungsmärkten ab, der Arbeitnehmerschutz ist insofern lediglich Mittel zum Zweck und darüber hinaus nur ein zweitrangiges Regelungsziel.253 Dies ergibt sich bereits aus den Begründungen sämtlicher Gesetzesentwürfe, die im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens eingebracht wurden.254 252
s. o. unter Teil 2 § 1 B. II. 3. b) bb) (3). So auch AG Neubrandenburg, Urt. v. 26.1.1999 – 4 OWi 33/98 –, wistra 1999, 355 (356); ArbG Wiesbaden, Urt. v. 17.5.2002 – 7 Ca 2634/98 –, Juris; BAG, Urt. v. 19.5.2004 – 5 AZR 449/03 –, NZA 2004, 1170 (1172), das die Marktabschottung gar als ausschließlichen Gesetzeszweck nennt; Gerken/Löwisch/Rieble, BB 1995, 2370 (2373); Löwisch/Rieble in: MünchArbR, § 268 Rn. 122; dies., TVG, § 5 Rn. 150, 160 ff.; Schlachter, NZA 2002, 1242 (1245); Selmayr, ZfA 27 (1996), 615 (648); Nettekoven, Erstreckung tariflicher Mindestlöhne, 126, 128; a. A. KG, Beschl. v. 20.3.2000 – 5 Ws (B) 648/98 –, wistra 2002, 193 (Leitsatz, Gründe in Juris), das – entgegen der insofern eindeutigen Rechtsprechung des EuGH – die Abschottung natio253
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So führen der im Bundesrat am 1.9.1995 eingebrachte Gesetzesantrag des Landes Berlin und der Gesetzesentwurf der SPD-Fraktion vom 22.9.1995 die infolge des internationalen Dienstleistungswettbewerbs gestiegene Zahl insolventer Bauunternehmen und arbeitsloser Bauarbeitnehmer in Deutschland sowie die Gefahr gespaltener Arbeitsmärkte und daraus resultierender sozialer Spannungen und Gefährdungen der Tarifautonomie als Gründe für den Erlass des AEntG an; erst am Schluss wird – gleichsam nebenbei – bemerkt: „Aber auch die entsandten Arbeitnehmer bedürfen des Schutzes.“255 Der Regierungsentwurf als Grundlage des AEntG wiederholt die vorgenannten wirtschaftlichen Einzelerwägungen und verzichtet gar gänzlich auf eine Erwähnung des Arbeitnehmerschutzes als auch nur neben dem Ziel der Marktzugangsverhinderung stehender Normzweck.256 Das AEntG wurde auf der Grundlage ausschließlich dieses Entwurfs verabschiedet. Auch die Ausweitung des Geltungsbereichs tariflicher Eingriffsnormen sui generis auf die Seeschifffahrtsassistenz während des Vermittlungsverfahrens wurde aus dem Grund für erforderlich gehalten, dass dort ein ähnlicher „Verdrängungswettbewerb“ herrschte wie im Baugewerbe.257 Darüber hinaus wird die Marktabschottungsabsicht des Gesetzgebers unmittelbar im Gesetzestext selbst in der inhaltlichen Überschreitung des Rechtsetzungsauftrags der Richtlinie hinsichtlich Reichweite und Intensität entsenderechtlicher Eingriffsnormen sowie im Verzicht auf Ausnahmeregelungen sichtbar. Die Vermutung einer überwiegenden Arbeitnehmerschutzorientierung iSd. Mazzoleni-Urteils des EuGH ist daher doppelt widerlegt. In dem hochsensiblen, unmittelbar binnenmarktrelevanten Bereich des Entsenderechts kann auf das naler Arbeitsmärkte dem Arbeitnehmerschutz als tauglichem Allgemeininteresse zuordnet. 254 So auch BSG, Urt. v. 6.3.2003 – B 11 AL 27/02 R –, NZA 2003, 908; ArbG Wiesbaden, Vorlagebeschl. v. 10.2.1998 – 1 Ca 1672/97 –, AP Nr. 1 zu § 1 AEntG; AG Tauberbischofsheim, Vorlagebeschl. v. 13.4.1999 – OWi 24 Js 2812/98 AK 48/98 –, NStZ-RR 1999, 343 (344); vgl. auch die Begründungen von Lorenz (Referent im damaligen Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung), AEntG, Einf. 17 und von Kretz (Oberregierungsrat im damaligen Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung), AEntG, Vorwort und Einf. Rn. 1 ff. 255 Gesetzesantrag des Landes Berlin vom 1.9.1995, BR-Dr. 546/95, 2 ff. (Zitat auf S. 4); Gesetzesentwurf der SPD-Fraktion vom 22.9.1995, BT-Dr. 13/2418, 7 f. (Zitat auf S. 8) – beide Anträge wurden am 30.11.1995 für erledigt erklärt; ähnlich formulieren Koberski/Asshoff/Hold, AEntG, Einl. Rn. 16 („Nicht völlig außer Acht gelassen werden darf, dass das AEntG letztlich auch dafür sorgt, dass entsandte Arbeitnehmer angemessene Arbeitsbedingungen erhalten.“, Hervorhebung durch die Verf.); wenn Ossenbühl/Cornils, Rechtsgutachten, 12, den Arbeitnehmerschutz als Gesetzgebungsziel aus diesem Bundesratsentwurf herzuleiten versuchen, lassen sie dabei außer acht, dass das AEntG gerade nicht auf diesem Entwurf beruht. 256 Gesetzesentwurf der Bundesregierung vom 25.9.1995, BT-Dr. 13/2414, 6 f. 257 Vgl. Beschlussempfehlung des Vermittlungsausschusses vom 2.2.1996, BT-Dr. 13/3663, 2; Lakies in: Däubler, TVG (2003), § 5 Anhang § 1 AEntG Rn. 82; vgl. die Schilderung des „Hamburger Schlepper-Krieges“ bei Selmayr, ZfA 27 (1996), 615 (638).
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Kriterium des überwiegenden Regelungsmotivs zur Abgrenzung von den Prinzipien der Marktfreiheit und -gleichheit konträren Wettbewerbsschranken nicht verzichtet werden, da es ansonsten keine Möglichkeit des Ausschlusses arbeitnehmerschützender und dennoch ganz offensichtlich gemeinschaftswidriger Autonomiebegrenzungen gibt.258 Das AEntG verstößt mithin hinsichtlich sämtlicher Eingriffsnormen gegen Art. 49 EGV.259 III. Tarifverträge als Mittel internationalen Normzwangs 1. Loslösung des Tarifstatuts vom Arbeitsvertragsstatut Zusätzlich zu Gesetzesbestimmungen iSd. § 7 Abs. 1 AEntG wird auch Tarifnormen des Baugewerbes und der Seeschifffahrtsassistenz nach Maßgabe der §§ 1, 7 Abs. 2 AEntG ein internationaler Normzwang verliehen. Das AEntG macht dadurch von der Möglichkeit des Art. 3 Abs. 1 Satz 1 2. SpStr. iVm. Abs. 10 2. SpStr. EG-RL 96/71 Gebrauch. Dabei lag der Schwerpunkt des gesetzgeberischen Anliegens von Anfang an auf der Erstreckung der Tarifnormwirkung in den genannten Branchen.260 Um aber auch entsandte ausländische Arbeitnehmer dem Normzwang eines bestimmten deutschen Tarifvertrages unterwerfen zu können, ist eine den vorübergehenden Inlandseinsatz ausländischer Arbeitnehmer erfassende tarifliche Geltungsbereichsbestimmung erforderlich, auch muss die Hürde fehlender mitgliedschaftlicher Tarifbindung überwunden werden. Beides wird durch die Loslösung des Tarifstatuts vom Arbeitsvertragsstatut ermöglicht. Aufgrund des Gleichbehandlungsgebotes des Art. 3 Abs. 8 258 In Anbetracht dieser offenen Gemeinschaftswidrigkeit scheidet auch der (an sich für die Rechtspraxis konstruktive) Vorschlag des ArbG Wiesbaden im Urt. v. 17.5.2002 – 7 Ca 2634/98 –, Juris, aus, das deutlich zweitrangige Interesse des deutschen Gesetzgebers am Arbeitnehmerschutz im konkreten Fall „mit einem erheblich reduzierten Gewicht in die Waagschale der Interessenabwägung“ zu werfen. 259 So auch AG Neubrandenburg, Urt. v. 26.1.1999 – 4 OWi 33/98 –, wistra 1999, 355; in diese Richtung tendierend auch ArbG Wiesbaden, Vorlagebeschl. v. 10.2.1998 – 1 Ca 1672/97 –, AP Nr. 1 zu § 1 AEntG; ebenfalls AG Tauberbischofsheim, Vorlagebeschl. v. 13.4.1999 – OWi 24 Js 2812/98 AK 48/98 –, NStZ-RR 1999, 343 (344); i.Erg. ebenso Koenigs, DB 1995, 1710; Löwisch, GS Eucken, 221 (237); Löwisch/Rieble in: MünchArbR, § 268 Rn. 122; Selmayr, ZfA 27 (1996), 615 (650); a. A. Koberski/Asshoff/Hold, AEntG, § 1 Rn. 159; Lakies in: Däubler, TVG, § 5 Anhang 2 § 1 AEntG Rn. 40; Ulber, AÜG, § 1 AEntG Rn. 8; Bieback, RdA 2000, 207 (213), der gar den ordre public iSd. Art. 46 EGV zur Rechtfertigung des § 1 AEntG heranzieht, obwohl es sich dabei nicht um ein bloßes Existenzsicherungsniveau handelt; Plesterninks, Entsenderegelungen, 69; KG, Beschl. v. 20.3.2000 – 5 Ws (B) 648/98 –, wistra 2002, 193 (Leitsatz, Gründe in Juris); ausdrücklich offen gelassen von BSG, Urt. v. 6.3.2003 – B 11 AL 27/02 R –, NZA 2003, 908. 260 Dieser Schwerpunkt wird in der gesamten Konzeption des AEntG ersichtlich: So regelte dessen Ursprungsfassung ausschließlich den internationalen Normzwang dieser Branchentarifverträge, auch betreffen sämtliche Sicherungsmaßnahmen und Sanktionen der §§ 1a–6 AEntG nur die Einhaltung der Tarifbestimmungen.
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Satz 3 EG-RL 96/71 haben diese Aspekte ebenfalls Auswirkungen auf die Tarifgeltung und Tarifbindung für inländische Arbeitsvertragsparteien und modifizieren dadurch auch das Schrankensystem rein innerstaatlicher Arbeitnehmermobilität261. a) Gesetzlicher Tarifgeltungsbefehl Tarifverträge werden nur dann zu Eingriffsnormen sui generis, wenn sie über eine von § 1 Abs. 1 AEntG vorgegebene Geltungsbereichsbestimmung verfügen. So muss ihr fachlicher Geltungsbereich Betriebe und selbständige Betriebsabteilungen der Baubranche erfassen; für Mischbetriebe inländischer wie ausländischer Arbeitgeber gilt insofern das Überwiegensprinzip.262 Der räumliche Geltungsbereich muss durch den Ort der tatsächlichen Arbeitsleistung als Anknüpfungspunkt bestimmt sein. Dieses Arbeitsortprinzip muss schließlich (zur Vermeidung gemeinschaftsrechtswidriger Diskriminierungen) gem. § 1 Abs. 1 Satz 3 AEntG auch für rein nationale Entsendungen durch inländische Arbeitgeber gelten, die ihren Sitz außerhalb des Geltungsbereichs des für den Arbeitsort geltenden Tarifvertrags haben. Während Tarifverträge in der Regel an den Betriebssitz anknüpfen und dadurch arbeitnehmermobilitätsbedingte Tarifgebietsüberschreitungen nur im Fall der Versetzung denkbar sind263, erweitert die Anknüpfung an den Arbeitsort im Baugewerbe die Möglichkeit eines Tarifwechsels auf alle Mobilitätsformen. Den im obigen Sinne durch Auslegung zu ermittelnden Geltungsbereich eines Tarifvertrages legen die Tarifparteien innerhalb der Grenzen ihrer gemeinsamen Tarifzuständigkeit autonom fest. Die Tarifpartner müssen also über eine satzungsmäßige Zuständigkeit auch für ausländische Arbeitsverhältnisse verfügen. Ihre Autonomie zur tariflichen Geltungsbereichsbestimmung stößt jedoch an Grenzen, wenn das tarifgebundene Arbeitsverhältnis keinen Bezug zum deutschen Arbeitsmarkt aufweist, dessen Strukturen und Bedingungen Grundlage und Gegenstand des von den deutschen Tarifpartnern gefundenen tariflichen Interessenausgleichs sind. Aufgrund dieser die Tarifmacht sachlich legitimierenden Arbeitsmarktbindung sowohl des Ergebnisses der Tarifverhandlungen als auch des im einzelnen tarifgebundenen Arbeitsverhältnisses setzt der räumliche Geltungsanspruch eines deutschen Tarifvertrages ein objektives oder zumindest von den Parteien freiwillig gewähltes deutsches Arbeitsvertragsstatut voraus.264 261
Zur bisherigen Rechtslage s. o. unter Teil 1 § 1 B. I. und II. Vgl. BAG, Urt. v. 24.8.1994 – 10 AZR 980/93 –, AP Nr. 181 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau; zur Europarechtswidrigkeit des § 1 Abs. 4 AEntG a. F. EuGH, Urt. v. 25.10.2001 – verb. Rs. C-49, 50, 52–54, 68–71/98 (Finalarte) –, Slg. 2001, I-7831 Rz. 81 f.; s. o. unter Teil 2 § 2 A. I. 1. 263 s. o. unter Teil 1 § 1 A. II. 1. b). 264 Im einzelnen s. o. unter Teil 1 § 2 A. II. 2. b) aa) (3). 262
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Die Erfassung von Arbeitsverhältnissen mit ausländischem Arbeitsvertragsstatut durch Tarifnormen als von der EG-RL 96/71 erstrebter Rechtszustand kann § 1 Abs. 1 AEntG daher nur durch einen gesetzlichen Tarifgeltungsbefehl erreichen, der den tariflichen Geltungsbereich vom Arbeitsvertragsstatut loslöst und ihm einen internationalen Rechtsdurchsetzungswillen verschafft, der lediglich durch das Günstigkeitsprinzip bedingt ist. b) Gesetzliche Normwirkungserstreckung Tarifverträge weisen nur dann den für kollisionsrechtliche Eingriffsnormen wesentlichen allgemein zwingenden Charakter auf, wenn die Reichweite normativer Zwangswirkung mit dem tariflichen Geltungsbereich deckungsgleich ist. Dementsprechend verlangt Art. 3 Abs. 1 Satz 1 EG-RL 96/71 „allgemein verbindliche“ und damit über einen individuellen Unterwerfungsakt hinausgehende Kollektivverträge. Diese Normwirkungserstreckung erreicht § 1 AEntG mittels der Allgemeinverbindlicherklärung eines Tarifvertrages iSd. § 5 TVG265 und alternativ durch dessen Erlass als Rechtsverordnung als neuem, entsenderechtsspezifischem Instrument der Normunterwerfung sowohl ausländischer als auch inländischer Arbeitgeber. Eine solche Rechtsverordnung kann gem. § 1 Abs. 3a AEntG266 durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit ohne Zustimmung des Bundesrates erlassen werden, wenn eine Tarifvertragspartei die Allgemeinverbindlicherklärung eines Tarifvertrags mit dem o. g. Geltungsbereich beantragt hat. Letztlich hat sie denselben Effekt wie die Normwirkungserstreckung nach § 5 TVG, nämlich die Unterwerfung aller unter den tariflichen Geltungsbereich fallenden, nicht tarifgebundenen Arbeitsvertragsparteien unter die Normwirkung dieses Tarifvertrages. Sie setzt jedoch keinen über den Tarifinhalt hinausgehenden, die Normerstreckung betreffenden Konsens der Sozialpartner voraus, sondern lediglich deren Anhörung vor Erlass der Rechtsverordnung und eine entsprechende Stellungnahmemöglichkeit für die betroffenen Außenseiter. Gerade diese Erleichterung war aus Sicht des Gesetzgebers im Jahr 1998 vor dem Hintergrund am Veto der Arbeitgeber gescheiterter Allgemeinverbindlichkeitsverhandlungen dringend erforderlich, um Arbeitsverhältnisse mit ausländischem Arbeitsvertragsstatut einem international zwingenden deutschen Mindestlohn überhaupt unterwerfen zu können.267 Seit 1999 wird ein internationaler Normzwang von 265 Hierzu näher unter Teil 1 § 1 B. I. 2. a) cc) (2); den erforderlichen Normzwang weist allerdings ein lediglich nachwirkender allgemeinverbindlicher Tarifvertrag nicht mehr auf. 266 Eingeführt durch Art. 10 des Korrekturgesetzes vom 19.12.1998, BGBl. 1998 I, 3843. 267 Hierzu näher Koberski/Asshoff/Hold, AEntG, § 1 Rn. 83 f., 99; Lakies in: Däubler, TVG, § 5 Anhang 2 § 1 AEntG Rn. 25, 60 ff., der die Bindung an das Verfahren
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Mindestlohntarifverträgen im Bau fortwährend über das Verfahren des § 1 Abs. 3a AEntG erzielt, zumal der Erlass einer Rechtsverordnung nicht voraussetzt, dass zuvor ein Verfahren auf Allgemeinverbindlicherklärung erfolglos geblieben ist oder auch nur eingeleitet wurde.268 Mangels entgegenstehender Hinweise im Wortlaut der Vorschrift und im Gesetzesentwurf befreit die mit § 1 Abs. 3a AEntG beabsichtigte Verfahrenserleichterung darüber hinaus ebenfalls von den materiellen Voraussetzungen des § 5 TVG in Gestalt der 50 %-Klausel und des öffentlichen Interesses.269 Die Erweiterung der Tarifbindung auf inländische wie ausländische Arbeitsvertragsparteien, die sich nicht als Verbandsmitglieder der Tarifnormwirkung freiwillig unterworfen haben, bedarf mithin des Instrumentariums der §§ 5 TVG, 1 Abs. 3a AEntG, das Reichweite und Intensität dieses Sonderfalls erweiterter Tarifmacht regelt. Tarifmacht, verstanden als die Voraussetzungen einer tariflichen Bindungswirkung für das einzelne Arbeitsverhältnis, beurteilt sich nach dem für den Tarifvertrag maßgeblichen Tarifstatut, das seinerseits an das objektive Arbeitsvertragsstatut iSd. Art. 30 Abs. 2 EGBGB gebunden ist. Denn der Normzwang eines Tarifvertrages ist stets an den nationalen Arbeitsmarkt geknüpft, dem sich der Arbeitnehmer dauerhaft zuordnen lässt.270 Zur Verwirklichung des von der EG-RL 96/71 angestrebten Rechtszustandes eines Normzwanges am inländischen Arbeitsort deutscher wie ausländischer Arbeitnehmer angeknüpfter deutscher Tarifverträge bedarf es mithin einer gesonderten gesetzlichen Anordnung in § 1 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3a Sätze 3 und 5 AEntG, die das Tarifstatut vom Arbeitsvertragsstatut loslöst und deutschen Tarifverträgen internationale Tarifmacht verleiht. 2. Rechtfertigung tariflicher Autonomiebeschränkungen a) Verdrängung ausländischer Tarifmacht aa) Schutzbereichsverkürzung des Art. 9 Abs. 3 GG Der Eingriffscharakter eines deutschen Tarifvertrages iSd. § 1 AEntG führt zur Wirkungslosigkeit ausländischer Tarifverträge, die über ein vergleichsweise des § 5 TVG als „Hemmschuh“ für das AEntG bezeichnet; Ossenbühl/Cornils, Rechtsgutachten, 131, sprechen von der „Entmachtung des Tarifausschusses als wesentlichem Regelungszweck der neu eingefügten Verordnungsermächtigung“. 268 Vgl. auch die Begründung des Gesetzesentwurfs vom 17.11.1998, BT-Dr. 14/45, 25; derzeit 3. Verordnung über zwingende Arbeitsbedingungen im Baugewerbe vom 21.8.2002, BGBl. 2002 I, 3372, danach gilt der TV Mindestlohn vom 4.7.2002 für den Zeitraum vom 1.9.2002 bis zum 30.8.2004. 269 Lakies in: Däubler, TVG, § 5 Anhang 2 § 1 AEntG Rn. 102; Schlachter in: ErfKomm, § 1 AEntG Rn. 13; a. A. Löwisch/Rieble, TVG, § 5 Rn. 148. 270 s. o. unter Teil 1 § 2 A. II. 2. b) aa) (3).
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geringeres Arbeitnehmerschutzniveau verfügen. Erst durch die Ausstattung deutscher Tarifverträge mit internationaler Tarifmacht entsteht eine solche Tarifkollision, die dann aber nicht nach dem Kriterium der Sachnähe, sondern nach dem Günstigkeitsprinzip entschieden wird.271 Dabei wird die Verwurzelung des ausländischen Tarifvertrages im Arbeitsmarkt des Entsendestaates als Legitimationsgrundlage jeglicher Tarifmacht ignoriert. Dies stellt einen Eingriff in die durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützte Tarifautonomie der ausländischen Tarifparteien dar, die die Befugnis zur kollektivvertraglichen Regelung von Arbeitsbedingungen der Tarifgebundenen als koalitionsspezifische Betätigungsgarantie272 umfasst. Entgegen einer im Schrifttum vertretenen Auffassung273 sind auch Tarifparteien, deren Tarifmacht sich nicht nach deutschem Tarifstatut bemisst, Träger des Grundrechts aus Art. 9 Abs. 3 GG.274 Freilich entsteht diese Frage erst durch die Entkoppelung des Tarifstatuts vom objektiven Arbeitsvertragsstatut, da zuvor die Dominanz des Sachnähekriteriums den Kreis möglicher Kollisionen von vornherein auf Tarifverträge des gewählten und des objektiven Arbeitsvertragsstatuts beschränkte.275 Art. 9 Abs. 3 GG ist jedoch als „JedermannGrundrecht“ ausgestaltet, dessen Schutzbereich auch dann eröffnet ist, wenn – wie vorliegend – eine Berührung mit koalitionsspezifischen Betätigungen ausländischer Tarifparteien durch die Schaffung von Kollisionslagen durch den deutschen Gesetzgeber erst hergestellt wird. Der erforderliche, einen Grundrechtseingriff durch einen deutschen Hoheitsträger ermöglichende Bezug ausländischer Tarifparteien zur deutschen Rechtsordnung entsteht durch die vorübergehende Teilnahme der an ihren Tarifvertrag gebundenen Arbeitgeber an Dienstleistungsmärkten in der Bundesrepublik. Auf diese Weise schafft der grenzüberschreitende Dienstleistungsverkehr die tatsächliche Grundlage für durch die gesetzliche Anordnung eines Zuwachses inländischer Tarifmacht bedingte Tarifkollisionen. Der Staat kann sich der aus diesem staatlich und damit künstlich geschaffenen Bezug resultierenden Verantwortung nicht dadurch entziehen, dass er den Schutzbereich des Art. 9 Abs. 3 GG eng fasst und hinsicht271 Dies macht den o. g. Bruch mit Kollisionsrechtsgrundsätzen noch einmal besonders deutlich, indem auch hier auf die Suche nach der für den Einzelfall sachnächsten Lösung, basierend auf dem Prinzip der Gleichwertigkeit aller Rechtsordnungen, verzichtet wird. 272 St. Rspr. allg. zur Tarifautonomie als koalitionsspezifische Betätigungsgarantie, vgl. BVerfG, Beschl. v. 24.5.1977 – 2 BvL 11/74 –, BVerfGE 44, 322 (341). 273 U. a. Koberski/Asshoff/Hold, AEntG, § 1 Rn. 114; Ossenbühl/Cornils, Rechtsgutachten, 96 ff. 274 So im Grundsatz auch Büdenbender, RdA 2000, 193 (205); Gronert, Entsendung, 258; Selmayr, ZfA 27 (1996), 615 (654); wohl auch Löwisch, FS Zeuner, 91 (95); ders., GS Eucken, 221 (239); Gerken/Löwisch/Rieble, BB 1995, 2370 (2374); Löwisch/Rieble in: MünchArbR, § 268 Rn. 113; Bauer in: Dreier, GG, Art. 9 Rn. 70; Nettekoven, Erstreckung tariflicher Mindestlöhne, 158; Müller, Entsendung, 149. 275 s. o. unter Teil 1 § 2 A. II. 2. b) bb) (4).
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lich der durch die Tarifkollision Betroffenen einen Rechtfertigungsbedarf auf diese Weise ausschließt. bb) Eingriffsrechtfertigung Die Koalitionsfreiheit des Art. 9 Abs. 3 GG unterliegt als vorbehaltlos gewährleistetes Grundrecht nur verfassungsimmanenten Schranken und bedarf zugleich der gesetzlichen Ausgestaltung.276 Insofern hat der Gesetzgeber einen Spielraum, der allerdings an die Grenzen eines von Art. 9 Abs. 3 GG gewährleisteten Kernbereichs stößt. Aber auch außerhalb dieser Grenzen dürfen dem Betätigungsrecht der Koalitionen nur solche Schranken gezogen werden, die zum Schutz anderer Rechtsgüter von der Sache her geboten und verhältnismäßig sind.277 Den Kernbereich als Wesensgehalt umgibt daher ein der Abwägung mit Grundrechten Dritter und mit anderen Werten von Verfassungsrang zugänglicher Schutzbereich.278 § 1 AEntG betrifft nicht lediglich das Verhältnis der Tarifvertragsparteien zueinander, das einen entsprechenden Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers eröffnen würde.279 Indem die Vorschrift unter Verzicht auf den für das einzelne Arbeitsverhältnis maßgeblichen Arbeitsmarktbezug deutschen Tarifverträgen internationale Tarifmacht verleiht und demzufolge ausländische Tarifregelungen kategorisch beiseite schiebt, greift sie vielmehr in den zentralen Kern ausländischer Tarifautonomie ein. Unantastbar ist nach der Rechtsprechung des BVerfG die Garantie eines gesetzlich geregelten und geschützten Tarifvertragssystems, dessen Partner frei gebildete Koalitionen iSd. Art. 9 Abs. 3 GG sein müssen.280 Art. 9 Abs. 3 GG enthält dabei eine auf die „Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen“ gerichtete Koalitionszweckgarantie281, bezogen auf die Gesamtheit der Bedingungen, unter denen abhängige Arbeit geleistet wird und die aus ökonomischer Sicht den Arbeitsmarkt regulieren.282 Die Verdrängung ausländischer Tarifmacht in Entsendefällen spricht den Tarifpartnern des Entsendestaates das Recht ab, den dortigen Arbeitsmarkt zu regulieren, wenn dessen Bedingungen während eines vorübergehenden Arbeitnehmereinsatzes in den Einsatzstaat exportiert werden. Nach ständiger Rechtsprechung 276
BVerfG, Urt. v. 10.1.1995 – 1 BvF 1/90, 1 BvR 342, 348/90 –, BVerfGE 92, 26
(41). 277 BVerfG, Beschl. v. 20.10.1981 – 1 BvR 404/78 –, BVerfGE 58, 233 (247); BVerfG, Beschl. v. 14.11.1995 – 1 BvR 601/92 –, BVerfGE 93, 352 (359). 278 BVerfG, Beschl. v. 26.6.1991 – 1 BvR 779/85 –, BVerfGE 84, 212 (228). 279 Vgl. BVerfG, Beschl. v. 26.6.1991 – 1 BvR 779/85 –, BVerfGE 84, 212 (228). 280 BVerfG, Urt. v. 18.11.1954 – 1 BvR 629/52 –, BVerfGE 4, 96 (108). 281 Vgl. BVerfG, Beschl. v. 14.4.1964 – 2 BvR 69/62 –, BVerfGE 17, 319 (333); Scholz in: Maunz/Dürig, GG, Art. 9 Rn. 170, 256. 282 Wiedemann in: Wiedemann, TVG, Einl. Rn. 99.
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des EuGH283 findet nämlich während des grenzüberschreitenden Einsatzes der Arbeitnehmer kein Wechsel hinsichtlich ihrer mithin fortbestehenden Arbeitsmarktzugehörigkeit zum Entsendestaat statt. Das BVerfG verlangt die Wahrung der Tarifautonomie als einen Bereich, „in dem die Tarifvertragsparteien ihre Angelegenheiten grundsätzlich selbstverantwortlich und ohne staatliche Einflussnahme regeln können.“284 § 1 AEntG nimmt jedoch der ausländischen Tarifsetzung jedwede Wirkung und gefährdet damit nicht nur deren Funktionsfähigkeit im Sinne der zitierten Rechtsprechung, sondern schließt sie für die Zeit des Auslandseinsatzes trotz fortbestehenden Arbeitsmarktbezugs zum Entsendestaat völlig aus. Eine solche kategorische Verdrängung verstößt zudem gegen die ebenfalls im Rahmen der Koalitionsbestandsgarantie liegenden Gewährleistungen der freien Koalitionskonkurrenz und Koalitionspluralität. 285 Wenn Art. 9 Abs. 3 GG insofern aber bereits einen freien Wettbewerb auf einem Markt zulässt, muss dies erst recht in dem Fall gelten, dass es in Ermangelung eines identischen Marktbezugs eigentlich gar keine Konkurrenz gibt und diese erst künstlich geschaffen wird. Im Übrigen kommt die gesetzliche Verdrängung des einen vergleichsweise niedrigeren Arbeitnehmerschutzstandard enthaltenen Tarifvertrages einer staatlichen Tarifzensur gleich, die aber unzulässig ist.286 Diesem Ergebnis widerspricht auch nicht das sog. Zweitregister-Urteil des BVerfG287. Dabei ging es um die in § 21 Abs. 4 FlRG n. F. enthaltene Einschränkung der Tarifmacht deutscher Tarifparteien durch den deutschen Gesetzgeber hinsichtlich der Handelsschifffahrt in internationalen Gewässern. Der darin enthaltene Verzicht auf die Anknüpfung an die Flagge für das objektive Arbeitsvertragsstatut hat zur Folge, dass sich beim Anheuern von Seeleuten aus dem Ausland nach dem Schwerpunkt des Arbeitsverhältnisses iSd. Art. 30 Abs. 2 a. E. EGBGB nunmehr idR. ein ausländisches Arbeitsvertragsstatut ergibt, was auch für das Tarifvertragsrecht gilt. Auf diese Weise können deutsche Reeder ihre Schiffe unter deutscher Flagge betreiben, ohne zugleich auf ggf. geringere, in den Heimatländern der angeheuerten Seeleute geltende Lohnstandards verzichten zu müssen. Dieser wirtschaftliche Vorteil war zuvor durch ein 283 Vgl. EuGH, Urt. v. 27.3.1990 – Rs. C-113/89 (Rush Portuguesa) –, Slg. 1990, I1417 Rz. 15; EuGH, Urt. v. 9.8.1994 – Rs. C-43/93 (Vander Elst) –, Slg. 1994, I-3803 Rz. 21. 284 BVerfG, Urt. v. 4.7.1995 – 1 BvF 2/86 und 1, 2, 3, 4/87 und 1 BvR 1421/86 –, BVerfGE 92, 365 (194). 285 Vgl. BVerfG, Urt. v. 6.5.1964 – 1 BvR 79/62 –, BVerfGE 18, 18 (32 f.); BVerfG, Beschl. v. 15.7.1980 – 1 BvR 24/74 und 439/79 –, BVerfGE 55, 7 (24); Scholz in: Maunz/Dürig, GG, Art. 9 Rn. 253. 286 BVerfG, Beschl. v. 26.6.1991 – 1 BvR 779/85 –, AP Nr. 117 zu Art. 9 GG Arbeitskampf. 287 BVerfG, Urt. v. 10.1.1995 – 1 BvF 1/90, 1 BvR 342, 348/90 –, BVerfGE 92, 26.
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Ausflaggen der Schiffe erreicht worden, was nun zum Schutz wichtiger Gemeinschaftsgüter wie der Sicherheit des Schiffsverkehrs und der Erhaltung einer deutschen Handelsflotte durch die Anknüpfung an das Heimatrecht der ausländischen Seeleute verhindert werden kann. Die Verfassungsmäßigkeit dieser durch das nunmehr ausländische Arbeitsvertrags- und Tarifstatut bedingten Beschränkung deutscher Tarifmacht begründete das BVerfG mit einer im Vergleich zur Regelung von Rechtsbeziehungen mit inländischem Schwerpunkt größeren Gestaltungsbefugnis des Gesetzgebers in Fällen, in denen die Ausübung der Koalitionsfreiheit zwangsläufig die Rechtsordnungen anderer Staaten berührt und widerstreitende Koalitionsinteressen in einem Raum ausgetragen werden, der von der deutschen Rechtsordnung nicht mit alleinigem Gültigkeitsanspruch beherrscht wird. Dies gilt also nur für den Sonderfall der Handelsschifffahrt in internationalen Gewässern, die außerhalb des deutschen Hoheitsgebiets stattfindet und sich auf einem Markt betätigt, der sowohl hinsichtlich der angebotenen Dienstleistung als auch hinsichtlich der dazu benötigten Arbeitnehmer „wie kein anderer in vollem Umfang internationalisiert“ ist.288 Die vormalige Anknüpfung des objektiven Arbeitsvertragsstatuts über die Flagge schaffte zudem eine leicht manipulierbare Flexibilität, die nunmehr durch § 21 Abs. 4 FlRG n. F. einem wirklichen Arbeitsmarktbezug des jeweiligen Arbeitsverhältnisses iSd. Art. 30 Abs. 2 a. E. EGBGB gewichen ist. Völlig anders ist die Situation jedoch in Entsendefällen: Hier ist die Arbeitsmarktzugehörigkeit der ausländischen Arbeitnehmer zum Entsendestaat eindeutig, auch erfolgt der Dienstleistungswettbewerb auf einem Markt, der im deutschen Hoheitsgebiet liegt und keinen Grad einer Internationalisierung aufweist, der eine entsprechende Zuordnung ausschließen würde. Weder hinsichtlich der Zugehörigkeit zum Dienstleistungsmarkt auf deutschem Hoheitsgebiet noch bezüglich der Zugehörigkeit zum Arbeitsmarkt im Entsendestaat besteht eine dem Hissen unterschiedlicher Flaggen vergleichbare Manipulationsmöglichkeit. Löst der Gesetzgeber aber einen solchen feststehenden und konstanten Marktbezug mit der Folge der totalen Wirkungslosigkeit eigener, durch den eindeutigen Marktbezug legitimierter Tarifmacht, findet keine bloße Ausgestaltung der Koalitionsfreiheit der ausländischen Tarifpartner mehr statt. In einem solchen Fall muss erst recht gelten, was das BVerfG darüber hinaus im Zweitregister-Urteil bereits für die fehlende Eindeutigkeit des Marktbezugs festgestellt hat: Dass nämlich der Abschluss von Tarifverträgen durch die Tarifparteien für alle bei ihnen als Mitglieder organisierten Arbeitnehmer ein zentraler Bestandteil ihrer Koalitionsfreiheit ist.289 Die Verdrängung ausländischer Tarifmacht durch das AEntG verletzt die Tarifparteien des Ent288 So ausdrücklich BVerfG, Urt. v. 10.1.1995 – 1 BvF 1/90, 1 BvR 342, 348/90 –, BVerfGE 92, 26 (42). 289 BVerfG, Urt. v. 10.1.1995 – 1 BvF 1/90, 1 BvR 342, 348/90 –, BVerfGE 92, 26 (45) bzgl. der Verfassungswidrigkeit des § 21 Abs. 4 Satz 3 FlRG a. F.
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sendestaates mithin im Kernbereich ihrer durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützten Koalitionsfreiheit und ist einer Rechtfertigung nicht zugänglich. b) Tarifunterworfenheit mit Legitimationsdefiziten aa) Allgemeinverbindlicherklärung iSd. § 1 Abs. 1 Satz 1 AEntG Die Normerstreckung eines Tarifvertrages mittels staatlicher Allgemeinverbindlicherklärung greift in die negative Koalitionsfreiheit der Außenseiter ein. Denn sowohl inländische als auch ausländische Arbeitgeber werden dadurch in ihrer Freiheit vor fremdbestimmter Normsetzung als individuellem Autonomierecht iSd. Art. 9 Abs. 3 GG beschränkt.290 Insofern bedarf auch deren Normunterworfenheit nach Maßgabe des § 1 Abs. 1 AEntG der Rechtfertigung durch öffentliche Interessen iSd. § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 TVG. Auch bei der Rechtfertigung der staatlichen Tarifnormunterwerfung von Außenseitern kommt die Polarität von Arbeitnehmerschutzinteressen und Marktabschottungsintentionen zum Tragen. So hat eine Allgemeinverbindlicherklärung ebenso wenig wie ein Tarifvertrag als solcher eine auf den Schutz vor Wettbewerb gerichtete Kartellfunktion, sondern lediglich eine Kartellwirkung als bloße Nebenfolge der primär beabsichtigten Sicherung sozial verträglicher Mindestarbeitsbedingungen für die nichttarifgebundenen Arbeitnehmer.291 Der vom AEntG primär beabsichtigte Schutz des deutschen Bauarbeitsmarktes und des deutschen Tarifsystems vor ausländischer „Lohndrückerei“ und „Schmutzkonkurrenz“ vermag daher kein öffentliches Interesse zu begründen292, wenn dabei nicht zugleich zumindest tatsächlich ein sozialer Missstand unangemessener Arbeitsbedingungen behoben wird. Letzteres kommt nur bei der allgemeinverbindlichen Festsetzung wirklicher Mindestarbeitsbedingungen iSd. EG-RL 96/71 in Betracht, nicht jedoch hinsichtlich der über den Richtlinieninhalt hinausschießenden Lohnhöhen und Urlaubslängen des § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 2 AEntG.293 290 A. A. BVerfG, Beschl. v. 24.5.1977 – 2 BvL 11/74 –, BVerfGE 44, 322, das die negative Koalitionsfreiheit lediglich auf den mitgliedschaftlichen Beitrittsakt als solchen beschränkt; so auch BVerfG, Beschl. v. 18.7.2000 – 1 BvR 948/00 –, NZA 2000, 948; Ossenbühl/Cornils, Rechtsgutachten, 36; dies ist jedoch mit der hier vertretenen mitgliedschaftlichen Konzeption tariflicher Normwirkung nicht vereinbar, hierzu im Einzelnen unter Teil 1 § 1 B. I. 2. a) cc) (2); vgl. auch Kämmerer/Thüsing, ZIP 2002, 596 (601). 291 Nähere Einzelheiten hierzu in Teil 1 § 1 B. I. 2. a) cc) (2). 292 So aber BAG, Urt. v. 25.6.2002 – 9 AZR 440/01 –, n.amtl.v., das auf die Verhinderung gespaltener Arbeitsmärkte und sozialer Spannungen als aus dem Sozialstaatsprinzip ableitbare Gemeinwohlbelange abstellt; vgl. auch Kretz, AEntG, C Rn. 36 (Schutz von nationalem Arbeitsmarkt und Tarifautonomie); Ulber, AÜG, § 1 AEntG Rn. 32. 293 Dieses Ergebnis wäre allerdings nicht haltbar, wenn man, wie Koberski/Asshoff/ Hold, AEntG, § 1 Rn. 68 und Ulber, AÜG, § 1 AEntG Rn. 32, auf einen Gleichlauf
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Während eine solche zumindest faktische Mindestsicherung für Arbeitsverhältnisse mit deutschem objektivem Arbeitsvertragsstatut als öffentliches Interesse ausreichen mag, ist eine entsprechende Rechtfertigung der Tarifunterworfenheit ausländischer Arbeitsvertragspartner mittels Allgemeinverbindlicherklärung aber höchst problematisch. Hier wird das Gewicht des ausschließlich gegen sie gerichteten Marktabschottungsinteresses noch durch ein Legitimationsdefizit verstärkt, das aus der fehlenden inländischen Arbeitsmarktverwurzelung des ausländischen Arbeitsverhältnisses resultiert und das auch durch die Beteiligung des Tarifausschusses im Verfahren des § 5 TVG nicht aufgefangen wird, da die dort vertretenen Spitzenorganisationen die ausländischen Außenseiter nicht hinreichend repräsentieren.294 Auch begründet der freie Wettbewerb mit tarifungebundenen Arbeitgebern eindeutig weder auf dem Arbeitsmarkt noch auf Güter- und Dienstleistungsmärkten in Deutschland einen sozialen Notstand iSd. § 5 Abs. 1 Satz 2 TVG. Die Dominanz der unmittelbaren Kartellfunktion entsenderechtlicher Allgemeinverbindlicherklärungen verhindert mithin eine dem Verhältnismäßigkeitsgebot genügende Rechtfertigung des Eingriffs in die negative Koalitionsfreiheit ausländischer Arbeitsvertragsparteien durch Arbeitnehmerschutzinteressen. Das Legitimationsdefizit der staatlichen Tarifunterwerfung mittels Allgemeinverbindlicherklärung wird schließlich sowohl hinsichtlich inländischer als auch ausländischer Arbeitgeber durch die Sanktionierung von Verstößen gem. § 5 AEntG erheblich verschärft: Erstmalig ist die Einhaltung allgemeinverbindlicher Tarifvertragsbestimmungen bußgeldbewehrt, während der Gesetzgeber zuvor die Durchsetzung der entsprechenden Ansprüche den Vertragsparteien überlassen hatte.295 Es fällt bereits schwer, ein sachliches Differenzierungskriterium zu finden, das ein öffentliches Sanktionierungsinteresse ausschließlich für die Baubranche begründen soll. Ein wirkliches Erfordernis, das parteiautonome Kontrollmittel der individuellen Geltendmachung von Ansprüchen durch öffentlichrechtliche Bußgelder zu flankieren, kann sich allenfalls im Fall mangelnder Effektivität der autonomen Rechtsverfolgung ergeben. Da insbesondere ausländische Arbeitnehmer idR. ihre Ansprüche aus Unkundigkeit nicht geltend machen werden, verdeutlicht auch das Sanktionierungsinstrumentarium des § 5 AEntG die Ausrichtung des deutschen Gesetzgebers an einer Marktabschottung gegenüber ausländischen Arbeitsvertragsparteien und nicht am Arbeitnehmerschutz, zumal das Bußgeld öffentlichen Kassen und nicht dem betroffenen Arbeitnehmer zufließt, dessen Ansprüche im Moment des Bußgeldverfahrens gegen seinen Arbeitgeber in der Regel aufgrund der kurzen bautariflichen Verfalldes öffentlichen Interesses mit den konkreten Zielvorstellungen des Gesetzgebers des AEntG abstellen würde und den o. g. Grundrechtseingriff auf diese Weise rechtfertigen wollte. 294 Hierauf weisen bereits Junker/Wichmann, NZA 1996, 505 (512) hin. 295 Vgl. Hanau, NJW 1996, 1369 (1370).
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fristen bereits ausgeschlossen sein dürften. Im Übrigen genügt die dynamische Verweisung des § 5 AEntG auf Tarifverträge iSd. § 1 AEntG nicht den rechtsstaatlichen Anforderungen des Art. 103 Abs. 2 GG an die Bestimmtheit eines Ordnungswidrigkeitentatbestandes.296 Da für allgemeinverbindliche Tarifverträge keine Veröffentlichungspflicht besteht297, wäre auch rein theoretisch die exakte Angabe einer Fundstelle in der Verweisungsnorm gar nicht möglich. Wenn so bereits manche inländischen Arbeitsvertragsparteien ihr Arbeitsverhältnis in Unkenntnis des für sie maßgeblichen Tarifwerkes abwickeln, gilt dies erst recht für ausländische Arbeitsvertragsparteien. Dies ist so lange hinzunehmen, wie sich der Staat nicht in die Anspruchserfüllung zwischen den Parteien dadurch einschaltet, dass er der Nichterfüllung das Verdikt strafwürdigen Unrechts verleiht. Die in § 5 AEntG enthaltene dynamische Verweisung auf das Recht der Tarifparteien, und damit eines anderen Normgebers führt jedoch dazu, dass insbesondere ausländische Arbeitgeber nicht imstande sind, mit zumutbarem Aufwand den Inhalt der für sie geltenden und bußgeldbewehrten Verhaltenspflichten zu ermitteln. § 5 AEntG verstößt daher gegen Art. 103 Abs. 2 GG. bb) Rechtsverordnungserlass nach § 1 Abs. 3a AEntG Die Problematik fehlender Legitimation verstärkt sich nochmals hinsichtlich der verfahrens- und materiellrechtlichen Erleichterungen des § 1 Abs. 3a AEntG und schlägt dabei auch auf inländische Arbeitsverhältnisse durch. Betroffen ist hier neben der negativen Koalitionsfreiheit des Art. 9 Abs. 3 GG und der Tarifautonomie als solcher auch Art. 80 GG als Wirksamkeitserfordernis. Die Vorschrift verstößt allerdings nicht gegen die Entsenderichtlinie, da Art. 3 Abs. 1, 8 EG-RL 96/71 offen lässt, wie die Mitgliedstaaten die geforderte ergaomnes-Wirkung nach nationalem Recht herstellen. Als Rechtsgrundlage für den Erlass von Rechtsverordnungen muss § 1 Abs. 3a AEntG den Anforderungen des Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG genügen. Danach müssen Inhalt, Zweck und Ausmaß dieser Ermächtigung hinreichend deutlich bestimmt sein, um die Macht der Exekutive im Bereich der Rechtsetzung zu begrenzen und die Verantwortung der Legislative für den Inhalt auch der einzelnen Rechtsverordnung zu stärken.298 Denn an und für sich durchbricht die Delegation von Gesetzgebungsbefugnissen auf die Exekutive als Verordnungsgeber das Prinzip der Gewaltenteilung; die Bestimmtheitstrias sorgt hier für die erforderliche Rechtsstaatlichkeit und demokratische Legitimation. Allerdings geht es bei der Erstreckung tariflicher Normwirkung nicht aus296
So auch Strohmaier, RdA 1998, 339. Gem. § 5 Abs. 7 TVG ist nur die Allgemeinverbindlicherklärung selbst, nicht aber der erstreckte Tarifvertrag öffentlich bekannt zu machen. 298 Vgl. Sannwald in: Schmidt-Bleibtreu/Klein, GG, Art. 80 Rn. 44. 297
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schließlich um die Sicherstellung der demokratischen Legitimation eines staatlichen Hoheitsaktes, sondern darüber hinaus um die Restwirkungen einer mitgliedschaftlichen Legitimation der Fremdbestimmung durch die Tarifpartner. Angesichts dieses Doppelcharakters jedweder Erstreckung von Tarifnormen auf Außenseiter, bestehend aus einem tarifvertraglichen Konsens der Tarifpartner und einer staatlichen Ausdehnung der Bindungswirkung dieses Konsenses, ist die Normwirkungserstreckung von Tarifverträgen nicht mit der Rechtsetzungsintensität normaler Rechtsverordnungen zu vergleichen, die Inhalt und Geltungsbereich ihrer Regelung selbst definieren.299 Die entsprechende Definition der Allgemeinverbindlicherklärung von Tarifverträgen durch das BVerfG als Rechtsetzungsakt sui generis zwischen autonomer Regelung und staatlicher Rechtsetzung300 enthält damit eine allgemeingültige Aussage zur Rechtsnatur jedweder Tarifnormerstreckung. Fraglich ist aber, ob dieser Doppelcharakter überhaupt dem Erlass einer Rechtsverordnung als Rechtsform und Mittel der Tarifbindungserstreckung zugänglich ist. Nach Auffassung des BVerfG ist die Verordnungsermächtigung des § 1 Abs. 3a AEntG verfassungsmäßig, da sich der Gesetzgeber bei der Tarifnormerstreckung auch für eine andere Rechtsform als die Allgemeinverbindlicherklärung des § 5 TVG entscheiden könne. Immerhin müsse zumindest eine Tarifpartei das Erlassverfahren durch einen Antrag auf Allgemeinverbindlicherklärung in Gang setzen. Die staatliche Mitwirkung im Verordnungsverfahren sorge sodann für eine ausreichend demokratische Legitimation, auch stünden den Außenseitern mit ihrem Stellungnahmerecht hinreichende Einflussmöglichkeiten zur Verfügung.301 Diese in einem bloßen Nichtannahmebeschluss enthaltenen, kurz gefassten Ausführungen des BVerfG sind angesichts der erheblichen ordnungspolitischen Relevanz dieses absoluten Novums im deutschen Koalitionsund Tarifvertragsrecht und seiner weit verbreiteten Ablehnung im Schrifttum in hohem Maße unbefriedigend.302
299 So liegt nach dem BVerfG, Beschl. v. 24.5.1977 – 2 BvL 11/74 –, BVerfGE 44, 322 (343), „hinsichtlich der inhaltlichen Gestaltung der Normen (. . .) das Schwergewicht eindeutig bei den Tarifparteien“. 300 BVerfG, Beschl. v. 24.5.1977 – 2 BvL 11/74 –, BVerfGE 44, 322 (340). 301 BVerfG, Beschl. v. 18.7.2000 – 1 BvR 948/00 –, NZA 2000, 948; noch stärker die gesetzgeberische Freiheit bei der Auswahl des Mittels zur Tarifnormerstreckung betont das BAG, Urt. v. 25.6.2002 – 9 AZR 405/00 –, NZA 2003, 275 („Der Gesetzgeber ist frei, die geeignete Rechtsform auszuwählen, auf Grund derer die Erstreckung der Allgemeinverbindlichkeit vorgenommen wird.“); im Ergebnis (Verfassungsmäßigkeit des § 1 Abs. 3a AEntG) ebenso Schwab in: AR-Blattei SD 370.3 Rn. 34; Lakies in: Däubler, TVG, § 5 Anhang 2 § 1 AEntG Rn. 56; Koberski/Asshoff/Hold, AEntG, § 1 Rn. 100; Bieback, RdA 2000, 207. 302 Zutreffend führt Scholz, RdA 2001, 193 (197) aus, dass dieser Beschluss genaugenommen „das gesamte, von der bisherigen Rechtsprechung des BVerfG sehr sorgfältig ausdifferenzierte und ausgefeilte System von Tarifautonomie einerseits und Allge-
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Die im Vergleich zu normalen Rechtsverordnungen geringe Rechtsetzungsintensität staatlicher Tarifnormerstreckungen bedingt nämlich ein doppeltes Bedürfnis nach demokratischer Legitimation sowohl der staatlichen Tarifbindungserweiterung als auch des materiellen Tarifinhaltes selbst als Gegenstand der Erstreckung. Letzterer ist aber nach dem mitgliedschaftlichen Konzept tariflicher Normwirkung einer ausschließlichen Legitimation durch eine demokratische Herleitung staatlichen Handelns nicht zugänglich. Denn die Legitimationsquelle tariflicher Fremdbestimmung geht unmittelbar vom Individuum als originärem Rechtsträger aus und verschafft tariflichen Sachnormen nicht iSd. Delegationstheorie auf einem Umweg über den Staat und dessen demokratische Legitimation die erforderliche Berechtigung.303 Auch die Erstreckung derartiger Tarifnormen auf Außenseiter bedarf daher eines Restgehaltes dieser Verbandslegitimation bezüglich des Gegenstandes der Erstreckung, auch wenn die Tarifunterworfenen selbst gar nicht Mitglieder der konkret tarifschließenden Parteien sind. Insofern ist die Einflussnahmemöglichkeit der Tarifpartner als Normsetzer bezüglich des „ob“ der Erstreckung ihrer Sachnormen ein wesenseigenes und legitimierendes Merkmal jeder Normwirkungserstreckung.304 Gerade von diesem Konsenserfordernis der Spitzenverbände iSd. § 5 Abs. 1 Satz 1 TVG wollte sich der Gesetzgeber aber befreien, um unabhängig vom Willen der Tarifpartner deren Verhandlungsergebnisse im Wege eines ausschließlich staatlichen Rechtsaktes auch auf bislang nicht tarifgebundene Arbeitsverhältnisse erstrecken zu können. Auf diese Weise wird sowohl auf die Parität von Arbeitgebern und Arbeitnehmern als auch auf die Mitsprache der Tarifpartner als eigentliche Normgeber verzichtet, was auch nicht durch das lediglich als „Anstoß“ wirkende Antragserfordernis einer Tarifpartei nach § 1 Abs. 3a Satz 1 AEntG aufgefangen wird.305 Damit vergibt der Gesetzgeber jedoch die Chance eines insgesamt ausgewogenen und für beide Seiten sozial verträglichen Interessenausgleichs, dessen Angemessenheit sich nach deren Willen auch auf Außenseiter erstrecken würde, und höhlt so den prinzipiellen Vorrang der Tarifautonomie bei der Regelung auch allgemeinverbindlicher Arbeitsbedingungen als Kernbereich des Art. 9 Abs. 3 GG aus. Verstärkt wird dieses Legitimationsdefizit dadurch, dass der Erlass einer Rechtsverordnung iSd. § 1 Abs. 3a AEntG nicht an die materiellen Voraussetzungen der Allgemeinverbindlicherklärung gebunden ist: So ist der Staat nicht an der Erstreckung von meinverbindlicherklärung andererseits über den Haufen wirft“; vgl. auch Löwisch, FAZ Nr. 78 vom 3.4.1999 („tiefgreifender Systemwandel“). 303 Hierzu im Einzelnen oben unter Teil 1 § 1 B. I. 2. a) cc) (1). 304 Ähnlich Badura, FS Söllner, 111 (115, 119); a. A. Koberski/Asshoff/Hold, AEntG, § 1 Rn. 117. 305 In diese Richtung tendiert aber das BVerfG im Beschl. v. 18.7.2000 – 1 BvR 948/00 –, NZA 2000, 948; wie hier Scholz in: Maunz/Dürig, GG, Art. 9 Rn. 238; ders., Anm. zu BVerfG, Beschl. v. 18.7.2000 – 1 BvR 948/00 –, SAE 2000, 266.
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Tarifnormen gehindert, die für die Branche mangels Erfüllung der 50 %-Klausel iSd. § 5 TVG gar nicht repräsentativ sind306, auch muss die Normwirkungserstreckung scheinbar nicht im öffentlichen Interesse geboten sein.307 Allerdings verlangt der Eingriff in die negative Koalitionsfreiheit der tarifunterworfenen Außenseiter gem. Art. 9 Abs. 3 GG eine Rechtfertigung durch Grundrechte Dritter oder durch Werte mit Verfassungsrang. Sowohl die fehlende Repräsentativität als auch das grundsätzliche Legitimationsdefizit einer solchen Rechtsverordnung führen jedoch zur Unverhältnismäßigkeit derartiger Grundrechtseingriffe und verdeutlichen zugleich einen verfassungswidrigen Formenmissbrauch.308 Denn selbst wenn der Staat zur Sicherstellung eines tatsächlich sozial unabdingbaren, absoluten Mindeststandards die Lohnhöhe für Außenseiter festsetzt, ist dieser Eingriff in den Kernbereich der Tarifautonomie nur dann verhältnismäßig, wenn dabei auf das Ergebnis eines Verhandlungsprozesses repräsentativer Koalitionen zumindest zurückgegriffen wird und diesen bzw. deren Spitzenorganisationen im Normerstreckungsverfahren Mitentscheidungsbefugnisse zugebilligt werden. Diese gebotene inhaltliche Bindung des Staates an autonome gesellschaftliche Lohnvereinbarungen als Kernbereich der Tarifautonomie prägt jede Normwirkungserstreckung und macht aus ihr angesichts ihrer geringen eigenen Rechtsetzungsintensität einen Rechtsakt sui generis, dessen Doppelcharakter eine Tarifbindungserstreckung mittels staatlicher Rechtsverordnung iSd. § 1 Abs. 3a AEntG aufgrund von Art. 9 Abs. 3 GG ausschließt.309 Schließlich genügt § 1 Abs. 3a AEntG nicht dem Konkretisierungspostulat des Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG.310 Insbesondere die fehlende Beschränkung auf 306 Darin liegt nach Koberski/Asshoff/Hold, AEntG, § 1 Rn. 119 gerade der Sinn der von § 1 Abs. 3a AEntG beabsichtigten Erleichterung; entgegen Blanke, ArbuR 1999, 417 (426), Büdenbender, RdA 2000, 193 (198) und Löwisch/Rieble, TVG, § 5 Rn. 148 ist die (ggf. analoge) Heranziehung des öffentlichen Interesses und der Repräsentativität als verfassungskonforme Auslegung angesichts des eindeutigen Wortlautes des § 1 Abs. 3a AEntG und des entgegenstehenden Willens des Gesetzgebers ausgeschlossen. 307 Weshalb nach Auffassung von Schwab in: AR-Blattei SD 370.3 Rn. 34 die materiellen Voraussetzungen des § 5 TVG insofern nicht abgeschwächt sein sollen, ist nicht nachvollziehbar. Wenn jedoch nach seiner Auffassung eine Begrenzung des Einflusses des Tarifausschusses durch das Bestimmtheitserfordernis des Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG geboten ist, dann ist der Rechtsverordnungserlass aber gerade kein taugliches Mittel zur Normwirkungserstreckung. 308 So zutreffend v. Danwitz, RdA 1999, 322 (325); a. A. Ossenbühl/Cornils, Rechtsgutachten, 191 ff. 309 Gerade diese grundgesetzlich geschützte Autonomie macht aus der inhaltlichen Bindung der Rechtsverordnung des § 1 Abs. 3a AEntG etwas völlig anderes als die von Ossenbühl/Cornils, Rechtsgutachten, 200 ff., als Vergleichsfälle aufgeführten konstitutiven Mitwirkungsformen der § 43 Abs. 1 BImSchG, § 48 KrW-/AbfG, §§ 21 ff. BinnenschifffahrtsverkehrsG, § 14 PostVerwG 1953, bei denen die Mitwirkungsberechtigung nicht im GG wurzelt. 310 Ebenso Badura, FS Söllner, 111 (118); Büdenbender, RdA 2000, 193 (200); v. Danwitz, RdA 1999, 322 (325); Löwisch, FAZ Nr. 78 vom 3.4.1999; ders., GS
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ein wirkliches Mindestniveau lässt die mögliche Lohnhöhe und Urlaubsdauer völlig offen, so dass der potentielle Inhalt künftiger Verordnungen für den einzelnen Arbeitgeber nicht voraussehbar ist. Im Übrigen ist das Ergebnis künftiger Tarifverhandlungen Dritter nicht einmal für den Staat im Voraus erkennbar, geschweige denn für deutsche oder gar ausländische Außenseiter. Nach Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG muss aber in der Ermächtigung selbst der Inhalt so genau bestimmt sein, dass schon aus ihr und nicht erst aus der auf sie gestützten Verordnung erkennbar und voraussehbar ist, was vom Bürger gefordert werden kann.311 Dabei unterliegen Regelungen, die wie vorliegend, erheblich in die Rechtsstellung der Betroffenen eingreifen, höheren Anforderungen an den Bestimmtheitsgrad der Ermächtigung312, denen § 1 Abs. 3a AEntG aber nicht entspricht (und in seiner Bezogenheit auf Tarifverhandlungen Dritter auch nicht entsprechen kann). Insofern ist es nicht möglich, die Bestimmtheit der Ermächtigungsgrundlage jeweils im Einzelfall rückwirkend durch einen zustande gekommenen und nun in seiner Normwirkung zu erstreckenden Tarifvertrag nachzuholen313, da ansonsten das Transparenzgebot des Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG umgangen würde. Dementsprechend hat das BVerfG bereits in seiner Entscheidung vom 24.5.1977 klargestellt, dass § 5 TVG bei einer Qualifikation der Allgemeinverbindlicherklärung als Rechtsverordnung, und nicht als Rechtsakt sui generis, nicht mit Art. 80 GG zu vereinbaren wäre.314 Der Erlass einer Rechtsverordnung nach Maßgabe des § 1 Abs. 3a AEntG macht aber aus der Normwirkungserstreckung qualitativ nichts anderes als die Allgemeinverbindlicherklärung des § 5 TVG, insbesondere ist die Rechtsetzungsintensität des Staates unverändert gering. Der Staat hat mithin kein freies Wahlrecht bezüglich der Rechtsform einer Tarifnormerstreckung, das den Erlass einer Rechtsverordnung mit umfassen würde.315 Nach alledem stellt § 1 Abs. 3a AEntG keine wirksame Ermächtigungsgrundlage für Tarifnormerstreckungen im Wege des Rechtsverordnungserlasses dar, zudem verstößt die Vorschrift gegen die negative Koalitionsfreiheit sowohl ausländischer als auch inländischer Arbeitsvertragsparteien. Im Übrigen ergeben sich auch insofern schwerwiegende rechtsstaatliche Bedenken gegenüber einer Sanktionierung etwaiger Verstöße gegen derartige Rechtsverordnungen durch die Bußgeldbewehrung des § 5 AEntG. Eucken, 221 (243 f.); Scholz in: Maunz/Dürig, GG, Art. 9 Rn. 238; ders., Anm. zu BVerfG, Beschl. v. 18.7.2000 – 1 BvR 948/00 –, SAE 2000, 266 (270 f.); a. A. Lakies in: Däubler, TVG, § 5 Anhang 2 § 1 AEntG Rn. 59; Ossenbühl/Cornils, Rechtsgutachten, 205 ff.; Ulber, AÜG, § 1 AEntG Rn. 58. 311 Vgl. BVerfG, Urt. v. 5.3.1958 – 2 BvL 18/56 –, BVerfGE 7, 282 (301); BVerfG, Beschl. v. 11.10.1966 – 2 BvR 179, 476, 477/64 –, BVerfGE 20, 257 (270 f.). 312 BVerfG, Beschl. v. 3.11.1982 – 2 BvL 28/81 –, BVerfGE 62, 203 (210). 313 So aber BVerfG, Beschl. v. 18.7.2000 – 1 BvR 948/00 –, NZA 2000, 948. 314 BVerfG, Beschl. v. 24.5.1977 – BvL 11/74 –, BVerfGE 44, 322 (343). 315 So auch Löwisch, GS Eucken, 221 (241).
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c) Intensivierung der Kartellwirkung von Tarifverträgen aa) Tarifkollisionen (1) „Vorfahrtregel“ des § 1 AEntG Indem § 1 Abs. 1 Satz 2, 3 AEntG die Zwangswirkung entsenderechtlicher Tarifverträge anordnet, wird zugleich sowohl für ausländische als auch für inländische Arbeitsverhältnisse eine Sonderregel für entsenderechtliche Tarifkollisionen aufgestellt. Danach verdrängt ein allgemeinverbindlicher Tarifvertrag iSd. § 1 Abs. 1, 3a AEntG jeden sonstigen Tarifvertrag, an den die Arbeitsvertragsparteien gebunden sind, wenn dieser selbst kein höheres Arbeitnehmerschutzniveau aufweist. Ein in diesem Sinne absoluter Rechtsdurchsetzungswille erfasst aufgrund des entsprechenden Wortlauts der Vorschrift und wegen des Gleichbehandlungsgebotes auch inländische Arbeitsvertragsparteien und Tarifpartner. Denn die deutschen Unternehmen aufgrund ihres inländischen Betriebssitzes eröffnete Möglichkeit einer Tarifunterschreitung durch den Abschluss eines Firmentarifvertrages würde als Diskriminierung der ausländischen Arbeitgeber gegen Art. 49 EGV verstoßen.316 Auch würde ein Vorrang speziellerer, nicht allgemein verbindlicher Tarifverträge den von Art. 3 Abs. 1, 8 EG-RL 96/ 71 geforderten generellen Normzwang durchlöchern. Der Grundsatz der Tarifspezialität findet in Entsendungskonstellationen im Falle eines dadurch abfallenden Arbeitnehmerschutzniveaus nach der Intention des Entsenderechts mithin keine Anwendung.317 Diese im AEntG und seiner wettbewerbsausschließenden Zielrichtung sowie in einer europarechtskonformen Auslegung angelegte „Vorfahrtregel“ intensiviert die Kartellwirkung von Tarifverträgen iSd. § 1 AEntG. Sie verletzt nicht nur die Tarifautonomie ausländischer Sozialpartner318, sondern greift auch in die Tarifautonomie derjenigen deutschen Tarifpartner ein, deren Tarifregelungen auf diese Weise unter Verzicht auf die Kriterien größerer Sachnähe und mit316 EuGH, Urt. v. 24.1.2002 – Rs. C-164/99 (Portugaia Construções) –, Slg. 2002, I-787; Junker/Wichmann, NZA 1996, 505 (510 ff.). 317 So auch BAG, Urt. v. 25.6.2002 – 9 AZR 405/00 –, AP Nr. 12 zu § 1 AEntG; Singer/Büsing, Anm. zu EuGH, Urt. v. 24.1.2002 – Rs. C-164/99 (Portugaia Construções) –, SAE 2003, 35 (39); Wank/Börgmann, NZA 2001, 177 (182); Bieback, RdA 2000, 207 (212); ebenfalls Huster, Anwendbarkeit des AEntG, 30 (die allerdings hinsichtlich § 1 Abs. 3a AEntG ohne weitere Begründung zum konträren Ergebnis gelangt, vgl. 45); Nettekoven, Erstreckung tariflicher Mindestlöhne, 98, 101; a. A. Lakies in: Däubler, TVG, § 5 Anhang 2 § 1 AEntG Rn. 104 (kein Vorrang der Rechtsverordnung vor inländischen Tarifverträgen in deren Geltungsbereich); Koberski/Asshoff/ Hold, AEntG, § 1 Rn. 46; Büdenbender, RdA 2000, 193 (202); Wichmann, Entsendung, 112; Junker/Wichmann, NZA 1996, 505 (510); Ossenbühl/Cornils, Rechtsgutachten, 66 ff. 318 s. o. unter Teil 2 § 2 A. III. 2. a).
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gliedschaftlicher Legitimation verdrängt und damit wirkungslos werden. Zwar kann der Abbau von Arbeitslosigkeit auf einem Teilarbeitsmarkt wie dem Baugewerbe als Gemeinwohlbelang, der aufgrund seiner Zugehörigkeit zum Sozialstaatsprinzip über Verfassungsrang verfügt, nach der Rechtsprechung des BVerfG einen solchen Grundrechtseingriff theoretisch rechtfertigen. Allerdings zwingt der generelle Normzwang gleichfalls inländische Bauunternehmen zur im Vergleich zu deren eigenen, spezielleren Tarifverträgen kostensteigernden und damit wirtschaftlich belastenden Einhaltung des Tarifniveaus iSd. § 1 AEntG. Somit läuft das primäre Ziel des Gesetzgebers, den nationalen Bauarbeitsmarkt zu schützen, als Gemeinwohlbelang im Rahmen der Rechtfertigung von Tarifautonomiebeschränkungen leer. Auch hier muss wiederum auf den Arbeitnehmerschutz als Nebenfolge des AEntG zurückgegriffen werden, der ebenfalls als Gemeinwohlbelang des Sozialstaatsprinzips auch Eingriffe in die Tarifautonomie grundsätzlich rechtfertigen kann, vorausgesetzt, die „Vorfahrtregel“ sichert tatsächlich lediglich ein unverzichtbares Mindestniveau ansonsten sozial nicht hinnehmbarer Arbeitsbedingungen ab, das der verdrängte Tarifvertrag seinerseits nicht gewährleistet. (2) Akzessorietätsmangel der Rechtsverordnung Die Allgemeinverbindlicherklärung endet gem. § 5 Abs. 5 Satz 3 TVG wie der Tarifvertrag selbst mit dessen zeitlichem Ablauf, Aufhebung oder einem sonstigen Geltungsende. Danach tritt für die nichtorganisierten Arbeitsvertragsparteien die Nachwirkung des § 4 Abs. 5 TVG ein. Während die erga-omnesWirkung eines für allgemeinverbindlich erklärten Tarifvertrages also vom Bestand des zugrundeliegenden Tarifwerks abhängt, fehlt im Falle des Erlasses dieses Tarifvertrages als Rechtsverordnung eine solche Akzessorietät. Denn die Rechtsverordnung bedarf zur Beendigung ihrer zwingenden Wirkung einer förmlichen Aufhebung, sie ist nicht vom Fortbestand des ihr zugrundeliegenden Tarifvertrages abhängig.319 Diese rechtliche Selbständigkeit intensiviert die Kartellwirkung des zugrundeliegenden Tarifvertrages nochmals im Vergleich zu dessen Allgemeinverbindlicherklärung. Sie verstärkt das o. g. Legitimationsdefizit und macht im Übrigen die Systemwidrigkeit dieses Mittels zur Normwirkungserstreckung deutlich, das für seine Wirkung gegenüber Außenseitern nicht einmal mehr vom Geltungsanspruch der erstreckten Normen selbst abhängt. Zudem ist den an diesen Tarifvertrag mitgliedschaftlich gebundenen Arbeitgebern in der Zeit der Nachwir-
319 Vgl. die Entwurfsbegründung des Korrekturgesetzes vom 17.11.1998, BT-Dr. 14/45, 26; daran ändert auch die Befristung der Dritten Verordnung über zwingende Arbeitsbedingungen im Baugewerbe vom 21.8.2002 (BGBl. 2002 I, 3372) auf den 31.8.2004 nichts.
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kung eine individualvertragliche Absenkung des Lohnniveaus oder der Urlaubsdauer möglich, während ausländische wie inländische Außenseiter aber ohne separaten staatlichen Aufhebungsakt fortwährend dem Normzwang der Rechtsverordnung unterworfen sind. Dies stellt eine Ungleichbehandlung letzterer dar, ohne dass hierfür ein irgendwie gearteter Sachgrund zur Verfügung stünde. Die durch die Rechtsverordnung bedingte Intensivierung der tariflichen Kartellwirkung fußt mithin auf einem Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG. (3) Inländerdiskriminierung bei nationaler Arbeitnehmermobilität Eine ausschließlich inländische Arbeitnehmermobilität treffende Verstärkung der tariflichen Kartellwirkung hat der als Rechtsverordnung erlassene TV Mindestlohn im Baugewerbe vom 4.7.2002320 zur Folge. Danach müssen inländische Arbeitgeber nach § 3 TV Mindestlohn grundsätzlich den Mindestlohn am Arbeitsort zahlen, es sei denn, der Mindestlohn am Einstellungsort ist höher. Die Regelung entspricht § 5 BRTV-Bau und trägt den Lohnhöhendifferenzen in den alten und neuen Bundesländern Rechnung.321 Bei ausländischen Arbeitgebern, deren Einstellungsort außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs des TV Mindestlohn liegt, ist dieser Günstigkeitsvergleich auf die im Entsendestaat für das Arbeitsverhältnis maßgebliche Lohnhöhe ausgerichtet und führt bei Einsätzen in den neuen Bundesländern zu gegenüber rein inländischen Sachverhalten unterschiedlichen Ergebnissen: Während inländische Arbeitgeber mit Sitz in den alten Bundesländern hier den Lohn des Einstellungsortes gewähren müssen, gilt für Arbeitgeber mit Sitz im Ausland der niedrigere Lohn des Arbeitsortes in den neuen Bundesländern. Zwar verbietet der EGV keine derartigen Inländerdiskriminierungen, sie bedürfen aber nach nationalem Recht eines rechtfertigenden Sachgrundes, der vorliegend nicht ersichtlich ist. Konnte die Allgemeinverbindlicherklärung des § 5 BRTV-Bau bei Fällen ausschließlich nationaler Arbeitnehmermobilität noch durch das öffentliche Interesse am sozialen Schutz der Arbeitnehmer gerechtfertigt werden322, so stellt der durch den Gesetzgeber mit der Loslösung des Tarifstatuts vom Arbeitsvertragsstatut in § 1 AEntG hergestellte Bezug zu ausländischen Mobilitätssachverhalten diese Kartellwirkungsverstärkung in ein gänzlich anderes Licht.
320 Vgl. die 3. Verordnung über zwingende Arbeitsbedingungen im Baugewerbe vom 21.8.2002, BGBl. 2002 I, 3372, danach gilt der TV Mindestlohn vom 4.7.2002 für den Zeitraum vom 1.9.2002 bis zum 30.8.2004. 321 s. o. unter Teil 1 § 1 B. II. 2. b) bb). 322 s. o. unter Teil 1 § 1 B. II. 2. b) bb).
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bb) Staatliche Lohnkartellierung Gerade hinsichtlich der mobilitätsspezifischen Wettbewerbsfaktoren des Arbeitsortes und der Gehaltshöhe hat der Staat bislang seine Zuständigkeit zur Rechtsetzung entsprechend der Grundkonzeption arbeitsrechtlicher Gestaltungsfaktoren weit zurückgenommen. Diese beiden unmittelbar mit den vertraglichen Hauptleistungspflichten der Arbeitsleistung und Gehaltszahlung verknüpften essentialia negotii sind daher als Kernbereiche autonomer Vertragsgestaltung zu bezeichnen.323 Die entsprechende, einen im Vergleich zu gesetzlichen Festsetzungen sachnäheren Interessenausgleich ermöglichende Autonomieprärogative betrifft sowohl individualvertragliche als auch tarifvertragliche Regelungen: Während die Vereinbarung über den Arbeitsort nur individuell getroffen werden kann, sind Tarifverträge die praktisch wichtigste Rechtsgrundlage für Gehaltshöhen. Der Staat verzichtet dabei bewusst auf eine gesetzliche Mindestlohngarantie und beschränkt sich bei der Erfüllung seiner sozialstaatlichen Verpflichtung auf das MindArbG und den Wuchertatbestand als äußersten, ein absolutes Minimum garantierenden Rahmen, innerhalb dessen im Wege des marktregelnden Ausgleichs von Angebot und Nachfrage Vertragsgerechtigkeit erzielt werden kann. Die Kartellwirkung von Tarifverträgen verengt den individualvertraglichen Spielraum zwar erheblich. Entsprechende Wettbewerbsbeschränkungen sind jedoch in Kauf zu nehmen, da die Tarifparteien das Vertrauen des Staates genießen, auf der Grundlage des Gegenmachtmodells einen jeweils angemessenen Interessenausgleich zu erzielen324 und so ein Mindestmaß an (zumindest abgeleiteter) Autonomie zu erhalten und staatlicher Einflussnahme zu entziehen. Zu den der Regelungsbefugnis der Koalitionen überlassenen Materien gehören insbesondere das Arbeitsentgelt und die Urlaubsdauer iSd. § 1 Abs. 1 AEntG.325 Wegen des Günstigkeitsprinzips des § 4 Abs. 3 TVG beschränkt sich die Kartellwirkung von Tarifverträgen allerdings auf Mindestarbeitsbedingungen, so dass der Markt übertariflicher Löhne und Urlaubslängen dem Wettbewerb überlassen ist, was zugleich das Übergreifen der tariflichen Kartellwirkung auf Güter- und Dienstleistungsmärkte begrenzt. Dennoch ergibt sich dort eine Kartellfernwirkung: Je umfangreicher der Wettbewerb auf dem Arbeitsmarkt durch die Kartellwirkung von Tarifverträgen eingeschränkt ist, desto stärker wirkt sich die Abhängigkeit der Güter- und Dienstleistungsmärkte von den Rahmenbedingungen des Arbeitsrechts als Zwang aus. Dies betrifft insbesondere die Gehaltshöhe. Jede staatliche Tarifnormerstreckung dehnt diese tarifliche Kartellwirkung zwangsweise aus. Dies ist jedoch ein Nebeneffekt, da Allgemeinverbindlicher323 324 325
Im Einzelnen s. o. unter Teil 1 § 1 B. I. 3. BVerfG, Beschl. v. 24.4.1996 – 1 BvR 712/86 –, BVerfGE 94, 268 (285). Vgl. BVerfG, Beschl. v. 3.4.2001 – 1 BvL 32/97 –, BVerfGE 103, 293 (304).
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klärungen darauf ausgerichtet sind, nichtorganisierte Arbeitnehmer vor unzureichenden Arbeitsbedingungen zu schützen, nicht aber auf einen Schutz vor Wettbewerb. Dieser Arbeitnehmerschutz ist tatsächlich selten erforderlich, nur ca. 1,2 % aller Tarifverträge sind allgemeinverbindlich. Auffallend ist, dass von diesen allgemeinverbindlichen Tarifverträgen wiederum nur ca. 15 % die Höhe des Arbeitsentgelts regeln.326 Dies entspricht der im Vergleich zu anderen Arbeitsbedingungen gesteigerten Wettbewerbsrelevanz der Lohnhöhen. Die demgegenüber dominante wettbewerbsspezifische Dimension der entsenderechtlichen Allgemeinverbindlicherklärung beruht zum einen auf ihrer Beschränkung auf die Erfassung nur der preiswirksamen Arbeitsbedingungen Lohn und Urlaub, hauptsächlich aber auf ihrer deutlichen Intention, jeglichen Außenseiterwettbewerb zu unterbinden. Bezweckt ist darüber hinaus eine Wettbewerbsbeschränkung auf Dienstleistungs- und Gütermärkten, aus der lediglich faktischen wird mithin eine finale Kartellfernwirkung. Dies schränkt die betroffenen Arbeitgeber als individuelle Marktteilnehmer in ihrer Autonomie erheblich ein, nimmt aber auch den Tarifpartnern selbst ihren ureigenen Regelungsbereich. Tangiert sind dabei sowohl die nach der „Vorfahrtregel“ verdrängten anderen Tarifparteien als auch die Tarifautonomie selbst als durch Art. 9 Abs. 3 GG ordnungspolitisch institutionalisierter Freiheitsraum.327 Verstärkt wird dieser Effekt nochmals durch die Rechtsverordnung iSd. § 1 Abs. 3a AEntG als zusätzliches Mittel der Normwirkungserstreckung. Die staatliche Festsetzung von der Tarifautonomie überantworteten Arbeitsbedingungen bedarf der Rechtfertigung durch einen Sachgrund und zudem der Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgebotes. An beiden Voraussetzungen fehlt es beim AEntG: So ist der Arbeitnehmerschutz ein tauglicher Sachgrund nur für die staatliche Festsetzung existenzsichernder Mindestarbeitsbedingungen, § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 2 AEntG geht jedoch über die Sicherstellung eines Mindestniveaus menschenwürdiger Arbeitsbedingungen bei weitem hinaus; gegenüber dem Rechtsverordnungserlass des § 1 Abs. 3a AEntG ist die Allgemeinverbindlicherklärung oder aber das Verfahren des MindArbG ein milderes, weil die Sozialpartner stärker beteiligendes Mittel. Während der am Günstigkeitsprinzip orientierte Begriff tariflicher Mindestarbeitsbedingungen im allgemeinen relativ und nur durch das jeweilige Verhandlungsergebnis bestimmt, mithin offen ist, erfährt er im Falle der Normwirkungserstreckung durch die nach § 5 TVG gebotene Ausrichtung am öffentlichen Interesse und am Verhältnismäßigkeitsgrundsatz eine Begrenzung. Diese Begrenzung auf einen sozial zwingenden Mindeststandard überschreitet das 326 Zahlenangaben mit Stand 1.1.1998 bei Löwisch/Rieble, MünchArbR, § 268 Rn. 11; vgl. auch Löwisch, FS Zeuner, 91 (95). 327 Dies verkennen Koberski/Asshoff/Hold (AEntG, § 1 Rn. 102), wenn sie allein auf die konkreten Urheber des nunmehr allgemeinverbindlichen Tarifvertrages abstellen, deren Position durch die Normwirkungserstreckung gestärkt sei.
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AEntG jedoch sowohl mit § 1 Abs. 1 Satz 1 AEntG im Hinblick auf seinen über die EG-RL 96/71 hinausschießenden Inhalt als auch durch den in § 1 Abs. 3a AEntG enthaltenen Verzicht auf ein öffentliches Interesse und die Repräsentativität als limitierende Faktoren. Durch die Erstreckung derartiger Tarifnormen verhilft der Staat schwachen Tarifparteien zum Erfolg ihrer Verhandlungsergebnisse. Das Ansinnen des Gesetzgebers, die Tarifautonomie hierdurch schützen zu wollen, verstößt jedoch gegen den Grundsatz staatlicher Neutralität, auch ist für den Koalitionsbegriff des Art. 9 Abs. 3 GG die Staatsunabhängigkeit wesentlich.328 Dass der Rechtsverordnungserlass nur den Antrag einer Tarifpartei voraussetzt, bewirkt zudem eine bedenkliche Gewichtsverlagerung zwischen den tarifschließenden Sozialpartnern. Im Übrigen macht sich der Staat durch den Rechtsverordnungserlass nach § 1 Abs. 3a AEntG ein Verhandlungsergebnis Dritter zu eigen, ohne dadurch selbst in eigener Verantwortung staatliche Lohnpolitik zu betreiben, vom Erfordernis eines Einverständnisses der Normurheber selbst mit der Wirkungserstreckung ihres Tarifvertrages ganz zu schweigen. Letzteres ist aber eine logische Folge des von einer subsidiären Normsetzung durch den Staat flankierten Vorrangs tariflicher Bestimmungen insbesondere der Lohnhöhe als Bestandteil der Tarifautonomie. Diese Befugnis zur autonomen Tarifvereinbarung weist den Tarifparteien innerhalb der Grenzen ihrer Tarifmacht zugleich eine Normsetzungsverantwortlichkeit zu. Wenn der Staat diese Grenzen der Reichweite mitgliedschaftlich legitimierter Tarifnormwirkung auf Außenseiter erweitert und dabei keine eigene Lohnpolitik, sondern lediglich eine vom Tarifverhandlungsergebnis abgeleitete Tarifnormerstreckungspolitik betreibt, so ist diese Orientierung am marktorientierten Interessenausgleich der Tarifpartner aus Autonomiegründen zwar zu begrüßen. Sie verlangt zugleich aber ein Mitentscheidungsrecht der Koalitionen über die Erstreckung ihrer Tarifwerke auf Nicht- und Andersorganisierte329, das § 5 TVG und auch das MindArbG einräumen, § 1 Abs. 3a AEntG aber gerade nicht. Der Schutz eines solchen möglichen Interesses der Tarifpartner an einer nur eingeschränkten Tarifwirkung durch Art. 9 Abs. 3 GG lässt sich mit dem freiheitlichen Verständnis der Tarifautonomie als Bestandteil individueller Autonomie330 begründen, die selbst im Falle fehlender mitgliedschaft328 Zutreffend weist Löwisch, FAZ Nr. 78 vom 3.4.1999, darauf hin, dass die Möglichkeit eines Rechtsverordnungserlasses, der lediglich den Antrag einer Tarifpartei voraussetzt und ansonsten im Ermessen des Staates steht, Gefahr läuft, die Verbände in ein Abhängigkeitsverhältnis zum Staat zu stürzen; das Gewicht staatlicher Entscheidungsmacht ist so im Vergleich zum Konsenserfordernis der Sozialpartner in § 5 TVG erheblich verstärkt und somit von Seiten der antragstellenden Tarifpartei theoretisch leichter inhaltlich zu beeinflussen; dem steht der von Ossenbühl/Cornils, Rechtsgutachten, 88, geäußerte Einwand einer bloßen Spekulation nicht entgegen, da das Gefahrenpotential einer Regelung durchaus ein Kriterium für deren Rechtswirksamkeit ist. 329 Ähnlich Gaul, DB 1998, 2467 (2472); a. A. Büdenbender, RdA 2000, 193 (203); Ossenbühl/Cornils, Rechtsgutachten, 90 ff.
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licher Legitimation noch für eine Rest-Legitimation durch auf einer Ebene der Gleichordnung ausgehandelte Arbeitsbedingungen sorgen muss. Im Übrigen verhindert eine derartige staatliche Tarifnormerstreckungspolitik die Wahrung des Abstandsgebotes, das den Tarifparteien im Grundsatz auch bei staatlich festgesetzten Arbeitsbedingungen immer noch einen angemessenen Raum für frei zu vereinbarende Tarifbedingungen lassen muss. All dies stellt einen Bruch mit der bisherigen Systematik der staatlichen Festsetzung von Mindestarbeitsbedingungen nach § 5 TVG oder dem MindArbG dar, der allerdings insofern nicht sauber ist, als sich der deutsche Gesetzgeber dabei nicht wirklich entscheidet, ob er die Sicherung eines über dem Lohnwucher liegenden Mindestlohnniveaus den Tarifparteien überlässt oder aber dies als Staatsaufgabe mit entsprechend eigener Verantwortung versteht. Der Rechtsverordnungserlass als eigenmächtige Verstaatlichung von Verhandlungsergebnissen Dritter verletzt sowohl deren Autonomie als Normsetzer als auch die Neutralitätspflicht des Staates und führt zu einer neuartigen, weil Verantwortungen verschleiernden staatlichen Lohnkartellierung.331 Letztlich entspricht eine solche entsenderechtliche Staatshilfe zum Tariferfolg der in den Tariftreuegesetzen und dem Gleichstellungsgebot des AÜG sichtbaren Tendenz des Gesetzgebers zu ordnungspolitischen Eingriffen in das Selbstregulierungspotential des Marktes. Mit dem AEntG hat der Staat jedoch die Grenze zur unzulässigen, weil individuelle wie kollektive Autonomien unverhältnismäßig begrenzenden, staatlichen Lohnkartellierung überschritten. IV. Flankierende Sicherungsmaßnahmen Gem. Art. 5 Abs. 1 EG-RL 96/71 obliegt es den Mitgliedstaaten, die Nichteinhaltung der Eingriffsnormen sui generis durch „geeignete Maßnahmen“ zu verhindern und ggf. zu sanktionieren. Insofern entsteht ein Umsetzungsspielraum sowohl bezüglich des „wie“ als auch hinsichtlich des „ob“ entsprechender Maßnahmen, solange das Richtlinienziel der Befolgung des entsenderechtlichen Normzwangs unter Berücksichtigung des Inländergleichbehandlungsgebotes des Art. 3 Abs. 8 EG-RL 96/71 gewährleistet ist.332 Das AEntG sieht einen besonderen Bedarf zur Absicherung der Einhaltung von Eingriffsnormen sui generis durch die betroffenen Arbeitgeber lediglich im Hinblick auf die tariflichen Ansprüche des § 1 AEntG. Ihren Zahlungsverpflichtungen entsprechend werden
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Einzelheiten s. o. unter Teil 1 § 1 B. I. 2. a) cc). Böhm, NZA 1999, 128 (130), spricht insofern zutreffend von der „Trittbrettfahrerei des Staates zur Regelung von Mindestarbeitsbedingungen“. 332 Diese Aspekte verkennt Lütke, wistra 2000, 84 (87), wenn er § 1a AEntG wegen der Sperrwirkung der EG-RL 96/71 für unwirksam hält. 331
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sowohl ausländischen als auch inländischen Entsendeunternehmen administrative, aber auch materiellrechtliche Pflichten auferlegt. 1. Administrative Mitwirkungspflichten, §§ 2, 3 AEntG Um eine behördliche Überwachung der Einhaltung des Entsenderechts zu ermöglichen, werden dem Arbeitgeber in §§ 2, 3 AEntG Pflichten zur Anmeldung der entsandten Arbeitnehmer und zur Duldung von Kontrollmaßnahmen auferlegt. Allerdings geht es dabei nur um die tariflichen Bedingungen iSd. § 1 AEntG für die Baubranche und Seeschifffahrtsassistenz als in besonderem Maße für Normverstöße und zugleich eine fehlende Normkenntnis der anspruchsberechtigten Arbeitnehmer anfällige Bereiche; die Einhaltung der auch außerhalb dieser Branchen anwendbaren Mindestarbeitsbedingungen iSd. § 7 AEntG wird nicht in vergleichbarer Weise behördlich überprüft. § 2 AEntG verpflichtet deutsche und ausländische Arbeitgeber, die behördliche Einsichtnahme in alle Geschäftsunterlagen, die Auskunft über die Einhaltung der tariflichen Lohn- und Urlaubsbestimmungen iSd. § 1 AEntG geben können, zu ermöglichen333 sowie für die Kontrolle der Lohnhöhe Aufzeichnungen über die tägliche Arbeitszeit der Arbeitnehmer zu erstellen334 und mindestens zwei Jahre lang aufzubewahren. Arbeitgeber mit Sitz im Ausland müssen sämtliche dieser Unterlagen während des konkreten Arbeitnehmereinsatzes im Inland auf deutscher Sprache bereit halten. Die Anmeldepflicht des § 3 AEntG beschränkt sich auf den Baubereich, da hier im Vergleich zur Seeschifffahrtsassistenz die Überprüfung wegen des kurzen Aufenthalts der entsandten Arbeitnehmer an u. U. wechselnden Arbeitsstellen nochmals schwieriger ist.335 Vor Beginn jeder Bauleistung müssen die dabei eingesetzten Arbeitnehmer, Dauer und Ort ihrer Beschäftigung und ggf. der Entleiher336 vom ausländischen Arbeitgeber gegenüber der zuständigen Behörde angegeben werden. Derartige Mitwirkungspflichten haben einen erhöhten Verwaltungsaufwand und ggf. wirtschaftliche Zusatzbelastungen für entsendende Arbeitgeber zur Folge. Sowohl ausländische als auch inländische Unternehmen trifft die Pflicht 333 Außerhalb des Arbeitserlaubnisrechts besteht ansonsten keine Möglichkeit zur behördlichen Kontrolle der Einhaltung individueller Arbeitsbedingungen mittels einer Einsichtnahme in Arbeitsvertragsunterlagen, vgl. Schwab in: AR-Blattei SD 370.3 Rn. 6. 334 Derartige Aufzeichnungen gehen über die Aufzeichnungspflicht des § 16 Abs. 2 ArbZG hinaus, weil sie nicht lediglich die über die werktägliche Arbeitszeitgrenze von acht Stunden hinausgehenden, sondern vollumfänglich die gesamten Arbeitszeiten betreffen. 335 Koberski/Asshoff/Hold, AEntG, § 3 Rn. 3, 8. 336 Im Falle der (zulässigen) Arbeitnehmerüberlassung in das Baunebengewerbe oder bei Ausnahmen nach §§ 1 Abs. 1 Satz 3, 1b Satz 3 AÜG.
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zur Aufzeichnung von Arbeitszeiten, demgegenüber unterfallen nur Arbeitgeber mit Sitz im Ausland der Verpflichtung zur Übersetzung von Unterlagen und zu deren Bereithaltung in Deutschland sowie der Anmeldepflicht. Dies führt zu Schutzbereichsverkürzungen der allgemeinen Handlungsfreiheit und Berufsausübungsfreiheit beider Arbeitgeber als Autonomiegrundrechte des Gemeinschaftsrechts und des GG wie zur Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit des ausländischen Arbeitgebers, die sämtlich der Rechtfertigung bedürfen. Die Kontrolle eines Arbeitgebers mit Sitz im Ausland unterliegt erheblichen praktischen Schwierigkeiten, die eng damit zusammenhängen, dass klassischen hoheitlichen Eingriffsakten insbesondere bei der Verwaltungsvollstreckung im Ausland enge Grenzen gesetzt sind. Nach der Rechtsprechung des EuGH sind jedoch administrative Praktikabilitätserwägungen als solche nicht geeignet, Beschränkungen der Dienstleistungsfreiheit zu rechtfertigen. Demgegenüber können diejenigen zwingenden Gründe des Allgemeininteresses, die den materiellrechtlichen Bestimmungen einer Regelung als Rechtfertigung zugrundeliegen, auch Kontrollmaßnahmen rechtfertigen, die im Einzelfall erforderlich sind, um die Beachtung dieser Bestimmungen sicherzustellen.337 Gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verstößt insbesondere die Aufzeichnungspflicht des § 2 Abs. 2a AEntG dann, wenn der Arbeitgeber im Einzelfall bereits nach den Vorschriften des Entsendestaates vergleichbare Unterlagen erstellt und so Pflichten unsinnig verdoppelt würden.338 Andererseits kann die Pflicht zur Aufbewahrung von Unterlagen im Einsatzstaat für eine effektive Kontrolle der Beachtung von Eingriffsnormen sui generis vor Ort erforderlich sein.339 Dasselbe gilt hinsichtlich besonderer Auskunftspflichten des ausländischen Arbeitgebers im Einsatzstaat.340 Insofern stellt auch die spezifische, ausschließlich für Arbeitgeber mit Sitz im Ausland geltende Anmeldepflicht des § 3 AEntG keine gemeinschaftswidrige Diskriminierung dar, da die Behörden hinsichtlich inländischer Arbeitgeber bereits aufgrund der gewerbe- und handwerksrechtlichen Meldepflichten hinreichenden Zugriff auf die für Kontrollmaßnahmen relevanten Informationen haben.341 Allerdings ist die Meldepflicht der Verleihunternehmen in § 3 Abs. 2 AEntG einschränkend dahingehend auszulegen, dass eine Anmeldung von Leih-
337 EuGH, Urt. v. 23.11.1999 – verb. Rs. C-369, 376/96 (Arblade und Leloup) –, Slg. 1999, I-8453 Rz. 37 f.; EuGH, Urt. v. 25.10.2001 – verb. Rs. C-49, 50, 52–54, 68–71/98 (Finalarte u. a.) –, Slg. 2001, I-7831 Rz. 36 f. 338 EuGH, Urt. v. 23.11.1999 – verb. Rs. C-369, 376/96 (Arblade und Leloup) –, Slg. 1999, I-8453 Rz. 64. 339 EuGH, Urt. v. 23.11.1999 – verb. Rs. C-369, 376/96 (Arblade und Leloup) –, Slg. 1999, I-8453 Rz. 61. 340 EuGH, Urt. v. 25.10.2001 – verb. Rs. C-49, 50, 52–54, 68–71/98 (Finalarte u. a.) –, Slg. 2001, I-7831 Rz. 71 ff. 341 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 16.3.2000 – 2b Ss (OWi) 2/00 – (OWi) 9/00 I –, BB 2000, 1843.
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arbeitnehmern nur dann erforderlich ist, wenn im konkreten Fall auch tatsächlich zwingende Arbeitsbedingungen iSd. § 1 AEntG einzuhalten sind.342 Aufgrund des unmittelbaren Rechtfertigungszusammenhangs zwischen Kontrollmaßnahmen und der entsenderechtlichen Pflichtenstellung als Kontrollgegenstand hängt die Legitimation sämtlicher administrativer Mitwirkungspflichten im Übrigen von der Rechtmäßigkeit der Eingriffsnormen sui generis ab. Hier ist zwischen lediglich durch Grundrechtspositionen geschützten inländischen Arbeitgebern und die Dienstleistungsfreiheit wahrnehmenden Unternehmen mit Sitz im Ausland zu differenzieren: Die Unverhältnismäßigkeit der über den Richtlinieninhalt hinausschießenden Eingriffsintensität tariflicher Urlaubsund Gehaltsbestimmungen iSd. § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 2 AEntG schließt für in- wie für ausländische Arbeitgeber eine Rechtfertigung des Eingriffs in Grundrechte und -freiheiten durch die Mitwirkungspflichten aus. Sollten derartige Tarifnormen demgegenüber den durch das AEntG eingeräumten Spielraum nicht ausnutzen und tatsächlich lediglich einen – sodann verhältnismäßigen – absoluten Mindeststandard im Wege der Allgemeinverbindlicherklärung343 festsetzen, lassen sich Eingriffe in Grundrechte inländischer Arbeitgeber legitimieren, nicht jedoch Beschränkungen der Dienstleistungsfreiheit ausländischer Arbeitgeber, da die vorrangige Marktabschottungsabsicht des deutschen Gesetzgebers auch hier einer Rechtfertigung entgegensteht.344 2. Urlaubskassenverfahren, § 1 Abs. 3 AEntG Zur Absicherung der tariflichen Urlaubsansprüche der Bauarbeitnehmer verpflichtet § 1 Abs. 3 Sätze 2, 3, Abs. 3a Sätze 4, 5 AEntG ausländische wie inländische Entsendeunternehmen, in einem allgemeinverbindlichen oder als Rechtsverordnung erlassenen und vom Geltungsbereich her einschlägigen Tarifvertrag vorgesehene Beiträge an die Urlaubskassen als gemeinsame Einrichtungen der Tarifparteien iSd. § 4 Abs. 2 TVG abzuführen. Insbesondere die Mindestwartezeit des § 4 BUrlG wird den Besonderheiten der Arbeitsverhältnisse am Bau angesichts der dort hohen Fluktuation und des überdurchschnittlichen Anteils unterjähriger Beschäftigungszeiten nicht gerecht. Als Ausnahmeregelung dienen Urlaubskassenverfahren gem. § 13 Abs. 2 BUrlG dazu, dem Bauarbeiter einen gesicherten und zusammenhängenden Jahresurlaub dadurch zu 342
BSG, Urt. v. 6.3.2003 – B 11 AL 27/02 R –, NZA 2003, 908. Dies gilt allerdings nicht für eine entsprechende Rechtsverordnung iSd. § 1 Abs. 3a AEntG, die die negative Koalitionsfreiheit auch inländischer Arbeitgeber selbst im Falle eines tatsächlichen tariflichen Mindestarbeitnehmerschutzniveaus verletzt, s. o. unter Teil 2 § 2 A. III. 2. b) und c). 344 A. A. (sämtliche Mitwirkungspflichten sind europarechtskonform) Lakies in: Däubler, TVG § 5 Anhang 2 § 2 AEntG Rn. 3, § 3 AEntG Rn. 6; Koberski/Asshoff/ Hold, AEntG, § 2 Rn. 2 f.; Schlachter in: ErfKomm, § 2 AEntG Rn. 2. 343
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gewähren, dass er seine Beschäftigungszeiten addieren und von jedem neuen Arbeitgeber die Gewährung seines im gesamten Jahr aufgelaufenen Urlaubs einschließlich der Urlaubsvergütung verlangen kann. Der Arbeitgeber erhält den geleisteten Betrag von der Urlaubskasse erstattet, um eine über seinen Anteil an der Jahresbeschäftigung des Arbeitnehmers hinausgehende finanzielle Belastung zu vermeiden. Dieses System wird durch monatliche Beitragszahlungen der Arbeitgeber (unabhängig von einer tatsächlichen Urlaubsgewährung) finanziert, zu denen nunmehr auch ausländische Entsendeunternehmen nach § 1 Abs. 3 Satz 2 AEntG – wie Arbeitgeber mit Sitz im Inland – verpflichtet sind. Eine solche Erstreckung tariflicher Beitragspflichten dient ganz offensichtlich dazu, den Bauarbeitnehmern eine tatsächliche Inanspruchnahme des tariflich eingeräumten Urlaubs unter Gehaltsfortzahlung überhaupt zu ermöglichen. § 1 Abs. 3 AEntG flankiert zwar die Zwangswirkung der über das Ziel der Entsenderichtlinie hinausschießenden urlaubsrechtlichen Bestimmungen, weist im Unterschied zu letzteren jedoch eine eindeutige Ausrichtung am Arbeitnehmerschutz auf und harmoniert dadurch mit Art. 5 Abs. 2 EG-RL 96/71, demzufolge den Arbeitnehmern eine Durchsetzung ihrer entsenderechtlichen Ansprüche in den Mitgliedstaaten mittels geeigneter Verfahren möglich sein muss. Der EuGH hat mehrfach bestätigt, dass derartige Beitragspflichten zwar den Arbeitgeber in seiner Dienstleistungsfreiheit beeinträchtigen, dieser Eingriff jedoch dann durch Allgemeininteressen am Arbeitnehmerschutz gerechtfertigt ist, wenn die Beiträge für den einzelnen Arbeitnehmer auch einen tatsächlichen Vorteil begründen.345 An dieser Rechtfertigung nehmen sodann auch tarifliche Meldepflichten der ausländischen Arbeitgeber teil, wenn sie für eine effektive Kontrolle der Einhaltung dieser Beitragspflichten erforderlich sind, um dem sozialen Schutz der Bauarbeitnehmer Rechnung zu tragen.346 Allerdings darf die Durchführung des Urlaubskassenverfahrens den Arbeitgeber nicht unverhältnismäßig belasten, was eine Interessenabwägung unter Berücksichtigung eines u. U. im Entsendestaat bestehenden parallelen Mechanismus’ zur Sicherung von Urlaubsansprüchen voraussetzt.347 Dementsprechend ist gem. § 1 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1, 2 AEntG im Tarifvertrag sicherzustellen, dass der ausländische Arbeitgeber nicht doppelt zu vergleichbaren Zahlungen im Entsendestaat herangezogen wird und dass von ihm bereits im Entsendestaat erbrachte Leistungen angerechnet werden.348
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Vgl. EuGH, Urt. v. 3.2.1982 – verb. Rs. 62, 63/81 (Seco) –, Slg. 1982, 223. Wank/Börgmann, NZA 2001, 177 (184). 347 EuGH, Urt. v. 28.3.1996 – Rs. C-272/94 (Guiot) –, Slg. 1996, I-1905; EuGH, Urt. v. 23.11.1999 – verb. Rs. C-369, 376/96 (Arblade und Leloup) –, Slg. 1999, I8453; EuGH, Urt. v. 25.10.2001 – verb. Rs. C-49, 50, 52–54, 68–71/98 (Finalarte u. a.) –, Slg. 2001, I-7831. 348 Hierzu vgl. BAG, Urt. v. 25.6.2000 – 9 AZR 406/00 –, DB 2003, 2287. 346
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Eine solche, in jedem Einzelfall von Gerichten und Behörden vorzunehmende Abwägung eines tatsächlichen Vorteils für den Arbeitnehmer mit den Belastungen des ausländischen Arbeitgebers ist theoretisch geeignet, bei Eingriffen in die Dienstleistungsfreiheit des ausländischen Arbeitgebers wie auch in die Vertrags-, Wettbewerbs- und Berufsausübungsfreiheit aus- und inländischer Arbeitgeber den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu wahren – allerdings auch hier nur, sofern die Tarifnormen den von § 1 Abs. 1 Satz 1 eingeräumten inhaltlichen Spielraum nicht ausschöpfen und lediglich einen absoluten Mindestschutz iSd. EG-RL 96/71 gewähren. Allerdings führt auch hier der Verstoß entsprechender Tarifnormen im Falle ihrer Allgemeinverbindlicherklärung gegen die negative Koalitionsfreiheit nur der ausländischen Arbeitgeber und im Falle ihres Erlasses als Rechtsverordnung gegen die negative Koalitionsfreiheit auch der inländischen Arbeitgeber349 zur Unwirksamkeit des § 1 Abs. 3 AEntG als insofern akzessorischer Sicherungsmaßnahme. 3. Bürgenhaftung Dritter, § 1a AEntG Eine weitere Absicherung der nach § 1 Abs. 1 Satz 1 bestehenden tariflichen Ansprüche von Bauarbeitnehmern enthält § 1a AEntG350: Daraus ergibt sich eine verschuldensunabhängige Hauptunternehmerhaftung für das Mindestentgelt und die Sozialkassenbeiträge gleich der Einstandspflicht eines selbstschuldnerischen Bürgen. Auf diese Weise haftet ein Unternehmer351, der einen Bauauftrag an Nachunternehmer vergibt, als Dritter für tarifliche Nettozahlungspflichten dieser Nachunternehmer gegenüber deren Arbeitnehmern, ohne seinerseits letzteren gegenüber selbst arbeitsvertraglich verpflichtet zu sein.352 Sowohl die Haftung als solche als auch der Haftungsumfang jedes einzelnen Subunternehmers erstreckt sich so über die gesamte Auftragskette.353 Erfasst wird mithin 349 350
s. o. unter Teil 2 § 2 A. III. 2. b) und c). Eingefügt durch Art. 10 des Korrekturgesetzes vom 19.12.1998, BGBl. 1998 I,
3843. 351 Hierunter fallen nicht private Bauherren, ansonsten aber alle Unternehmer, vgl. die Begründung des Gesetzesentwurfs vom 17.11.1998, BT-Dr. 14/45, 26; Riester, ArbuR 1999, 1 (4); Koberski/Asshoff/Hold, AEntG, § 1a Rn. 12; Schwab in: Dieterich/ Neef/Schwab, AR-Blattei SD 370.3 Rn. 17; Lakies in: Däubler, TVG, § 5 Anhang 2 § 1a AEntG Rn. 8; die vom BAG (Vorlagebeschl. v. 6.11.2002 – 5 AZR 617/01 (A) –, AP NR. 1 zu § 1a AEntG) befürwortete einschränkende Auslegung des Unternehmerbegriffs im Sinne einer Begrenzung auf reine Bauunternehmen wäre zwar sinnvoll, sie findet aber weder im Gesetzeswortlaut noch in der Gesetzesbegründung eine hinreichende Stütze. 352 Flankiert wird diese Vorschrift durch die Generalunternehmerhaftung für die entsprechenden Sozialversicherungsbeiträge bei der Erbringung von Bauleistungen gegenüber dem Sozialversicherungsträger in § 28e Abs. 3a–f SGB IV. 353 Lakies in: Däubler, TVG, § 5 Anhang 2 § 1a AEntG Rn. 11; Koberski/Asshoff/ Hold, AEntG, § 1a Rn. 20.
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nicht lediglich die Verpflichtung des jeweils unmittelbaren Vertragspartners des Auftraggebers, sondern darüber hinaus die Zahlungspflichten sämtlicher Unterauftragnehmer. Der Grund für die durch den eigentlichen Arbeitgeber unterbliebene Zahlung ist ebenso unerheblich wie ein (idR.) fehlendes Verschulden des Hauptunternehmers. So trägt der Hauptunternehmer ggf. das Insolvenzrisiko sämtlicher Nachunternehmer. Diese Androhung einer Durchgriffshaftung soll einen Anreiz für das einzelne Unternehmen schaffen, lediglich mit korrekt handelnden Subunternehmen zusammenzuarbeiten, indem ein eigenes Interesse des Hauptunternehmers an der Einhaltung entsenderechtlicher Arbeitsbedingungen durch die Subunternehmer im Verhältnis zu Dritten kreiert wird.354 Auf diese Weise werden eigentlich dem Staat obliegende, hoheitliche Kontrollmechanismen auf die Ebene der Rechtsbeziehung Privater verschoben.355 Dabei differenziert § 1a AEntG nicht nach dem Sitz des jeweiligen Auftraggebers, sondern erfasst unterschiedslos inländische wie ausländische Hauptunternehmen als Haftungsadressaten und als – neben den Urlaubskassen – Anspruchsberechtigte nicht nur aus dem Ausland entsandte, sondern alle Arbeitnehmer von Subunternehmen der gesamten Auftragskette.356 Für den einzelnen Auftraggeber kommt es dadurch auf die Einschätzbarkeit des Haftungsrisikos an, das bei der Auftragserteilung gegenüber ausländischen Unternehmen deutlich schwieriger zu beurteilen ist als bei einer Auftragserteilung an deutsche Unternehmen. Die Rechtfertigung einer solchen verschuldensunabhängigen Durchgriffshaftung Dritter als Glieder einer mitunter langen und damit schwer überschaubaren Auftragskette unterliegt erheblichen Bedenken, wie auch die dadurch bedingte faktische Erschwerung grenzüberschreitender Dienstleistungserbringungen durch ausländische Haupt- und Subunternehmer.357 a) Wirtschaftliche Betätigungsfreiheit § 1a AEntG greift zu Lasten in Deutschland wie auch im Ausland ansässiger Hauptunternehmer in den Schutzbereich von Art. 12 Abs. 1 GG bzw. Art. 2 Abs. 1 GG ein. Denn die Bürgenhaftung weist eine objektive Tendenz zur Re354
Begründung des Gesetzesentwurfs vom 17.11.1998, BT-Dr. 14/45, 17 f. Die Einführung des § 1a AEntG erfolgte als Reaktion auf andauernde massive Umgehungen des AEntG, vgl. Koberski/Asshoff/Hold, AEntG, § 1a Rn. 1. 356 Lakies in: Däubler, TVG, § 5 Anhang 2 § 1a AEntG Rn. 3; § 1a AEntG ist jedoch nicht einschlägig, wenn zwischen Haupt- und Subunternehmer eine Arbeitnehmerüberlassung stattfindet, Ulber, AÜG, § 1a AEntG Rn. 3. 357 Im Vergleich zu den bei der öffentlichen Auftragsvergabe geforderten Tariftreueerklärungen wird hier der Zwang zur Einhaltung von Tarifverträgen vollends auf die Ebene Privater verschoben und deren zivilrechtliche Haftung zum Steuerungsinstrument, was einen noch intensiveren Eingriff in individuelle Autonomien mit entsprechend erhöhtem Rechtfertigungsbedarf bedeutet. 355
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gelung der unternehmerischen Tätigkeiten dieser Unternehmen auf, indem sie deren Auswahlentscheidungen bei der Vergabe von Bauaufträgen beeinflusst und sie dadurch in ihrer eigenverantwortlichen Gestaltung unternehmerischen Tätigwerdens einschränkt.358 Wie bei § 1 Abs. 3 und §§ 2, 3 AEntG besteht auch hier ein unmittelbarer Rechtfertigungszusammenhang zwischen der Sicherungsmaßnahme und der entsenderechtlichen Pflichtenstellung als Sicherungsgegenstand, der durch deren Akzessorietät als Bürgschaftsverbindlichkeit noch verstärkt wird. Die Unverhältnismäßigkeit der durch § 1 Abs. 1 Satz 1 AEntG zwingend vorgeschriebenen Lohnhöhe und Urlaubsdauer schlägt daher auch auf die diese Verpflichtung absichernde Regelung des § 1a AEntG durch. Aber auch eine Haftung Dritter für ein tatsächliches, der EG-RL 96/71 entsprechendes Mindestniveau lässt sich nicht in verhältnismäßiger Weise durch Gründe des Allgemeinwohls rechtfertigen:359 Auffällig ist dabei zunächst, dass im Gesetzgebungsverfahren des Jahres 1998 gänzlich auf eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen ausländischer Arbeitnehmer als Gesetzeszweck verzichtet wurde360, während dieser Aspekt bei Erlass der Ursprungsfassung des AEntG zumindest noch am Rande Erwähnung gefunden hatte. § 1a AEntG zielt nunmehr ausschließlich auf den Schutz des inländischen Baugewerbes, den Abbau der dortigen Arbeitslosigkeit, eine Stärkung der Effektivität tariflicher Normsetzung und die Verhinderung von „Schmutzkonkurrenz“ ab.361 Insbesondere hinsichtlich des Baugewerbes mit seinen komplexen, im Einzelnen unklaren und schwer überschaubaren Verhältnissen steht dem Gesetzgeber zwar ein weiter arbeitsmarktpolitischer Beurteilungsspielraum bei der Wiederherstellung einer gestörten Ordnung auf diesem Teilarbeitsmarkt zu.362 Die Schaffung von Arbeitsplätzen und die Verhinderung 358 BAG, Vorlagebeschl. v. 6.11.2002 – 5 AZR 617/01 (A) –, AP Nr. 1 zu § 1a AEntG. 359 Badura, FS Söllner, 111 (122 ff.); Schlachter in: ErfKomm, § 1a AEntG Rn. 3; v. Danwitz, RdA 1999, 322; Theelen, Das Arbeitnehmerentsendegesetz, 162; a. A. (kein Verstoß gegen Art. 12 GG) BAG, Vorlagebeschl. v. 6.11.2002 – 5 AZR 617/01 (A) –, AP Nr. 1 zu § 1a AEntG; LAG Düsseldorf, Urt. v. 10.7.2002 – 12 Sa 132/02 –, NZA-RR 2003, 10; ArbG Berlin, Urt. v. 10.8.2000 – 52 Ca 4049/00 –, NZA-RR 2000, 651 (652); Lakies in: Däubler, TVG, § 5 Anhang 2 § 1a AEntG Rn. 6; Koberski/Asshoff/Hold, AEntG, § 1a Rn. 7 ff.; Ulber, AÜG, § 1a AEntG Rn. 1. 360 Die Begründung des Gesetzesentwurfs spricht lediglich von einer Steigerung der Effektivität des AEntG, vgl. Gesetzesentwurf vom 17.11.1998, BT-Dr. 14/45, 17, während bei der Beratung am 10.12.1998 von der Regierungskoalition ausdrücklich die Intention der Sicherung von Aufträgen und Arbeitsplätzen für die deutsche Bauwirtschaft und die Verdrängung von „Schmutzkonkurrenz“ betont wurde, vgl. Plenarprotokoll 14/14 vom 10.12.1998, 868 (D), 877 (D). 361 Diesen Aspekt betont zutreffend das BAG im Vorlagebeschl. v. 6.11.2002 – 5 AZR 617/01 (A) –, AP Nr. 1 zu § 1a AEntG; vgl. auch Riester, ArbuR 1999, 1 (3) („Erhöhung der Schlagkraft des AEntG“). 362 BVerfG, Beschl. v. 6.10.1987 – 1 BvR 1086, 1468, 1623/82 –, BVerfGE 77, 84 (107).
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von Schwarzarbeit am Bau stellen daher Gemeinwohlinteressen dar, die Schutzbereichsverkürzungen von Freiheitsrechten grundsätzlich rechtfertigen können.363 Vorliegend scheitert eine Rechtfertigung jedoch am Verhältnismäßigkeitsgebot. Nach allgemeinen Grundsätzen haftet verschuldensunabhängig nur derjenige, der eine besondere Gefahrenquelle schafft, deren generelles Risiko die Gefahr eines Schadenseintritts in sich birgt. Die Vorenthaltung von Nettoentgelt und Urlaubskassenbeiträgen durch den Subunternehmer ist jedoch keine dem Hauptunternehmer zuzurechnende Gefahrenlage, die er durch die Beauftragung des Subunternehmers bzw. durch dessen Weitergabe von Aufträgen an weitere Subunternehmer in einer weit verzweigten Nachunternehmerkette geschaffen hat. Auch der von Bejahern364 einer Verfassungskonformität des § 1a AEntG herangezogene Vergleich mit der eine Haftung für das Verschulden Dritter ohne eigenes Verschulden ermöglichenden Vorschrift des § 278 BGB hinkt: Danach ist Erfüllungsgehilfe, wer mit Wissen und Willen des Schuldners bei der Erfüllung einer diesem obliegenden Verbindlichkeit als dessen Hilfsperson tätig wird.365 Der konkrete Inhalt dieser Pflicht ist für den Geschäftsherrn überschaubar wie auch sein Haftungsrisiko, da es sich um seine eigene Verbindlichkeit gegenüber einem Dritten handelt, für dessen Schaden er ggf. aufkommen muss. Im Fall des § 1a AEntG erfährt dieses Dreiecksverhältnis aber eine nicht unwesentliche Erweiterung, da hier der Hauptunternehmer nicht für Schlechtleistungen des Subunternehmers gegenüber dem Bauherren, mithin aus einer eigenen Verpflichtung, haften soll, sondern eine Haftung für ihm völlig fremde Verbindlichkeiten des Subunternehmers gegenüber dessen Arbeitnehmern begründet wird. Da der Hauptunternehmer gegenüber dem Nachunternehmer kein Weisungsrecht besitzt, kann er dessen Gesetzestreue gar nicht überwachen.366 Eine solche auch nur theoretische Einflussmöglichkeit des Haftungsadressaten auf das Verhalten des Schädigers ist jedoch im Falle der Haftung für eine fremde Schuld zu fordern, um an ein tatsächliches Tun oder Unterlassen als haftungsbegründendes Verhalten anknüpfen zu können. Eine derartige Bindung an die Schaffung eines Risikos ermöglicht überhaupt erst die Zurechnung eines für einen Schaden in einem gewissen Mindestmaß ursächlichen Verhaltens. Diese Zurechnung ist aber erforderlich, um eine sachwidrige oder gar willkürliche Differenzierung bei der Auferlegung von Haftungspflichten auszuschließen.367
363 Vgl. BAG, Vorlagebeschl. v. 6.11.2002 – 5 AZR 617/01 (A) –, AP Nr. 1 zu § 1a AEntG. 364 So u. a. Lakies in: Däubler, TVG, § 5 Anhang 2 § 1a AEntG Rn. 6; ArbG Berlin, Urt. v. 10.8.2000 – 52 Ca 4049/00 –, NZA-RR 2000, 651 (653). 365 BGH, Urt. v. 21.4.1954 – VI ZR 55/53 –, BGHZ 13, 111. 366 Dieses aus fehlenden Kontrollmöglichkeiten resultierende erhebliche Risiko betont auch Meyer, AuA 1999, 113 (114) und NZA 1999, 121 (128).
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Die im Vergleich zu § 278 BGB bestehende Offenheit des Haftungsdreiecks bei § 1a AEntG erweitert sich nochmals dadurch, dass in Anbetracht der Kettenhaftung der Kreis potentieller Verursacher für den Hauptunternehmer gar nicht feststeht, ebenso wenig die Höhe seiner etwaigen Zahlungspflicht, da ihm die konkrete Anzahl der bei jedem einzelnen Subunternehmer anspruchsberechtigten Beschäftigten idR. nicht bekannt sein wird. Eine verfassungskonforme Eingrenzung dieses Haftungstatbestandes auf Fälle, in denen die Nichtleistung durch den Subunternehmer für den Hauptunternehmer erkennbar ist368, scheitert an dem deutlich entgegenstehenden Wortlaut und Willen des Gesetzgebers.369 Die Auferlegung einer Bürgenhaftung mit der Weite des § 1a AEntG stellt mithin eine unzumutbare und daher unverhältnismäßige Belastung des in- wie ausländischen Hauptunternehmens dar, durch die sich der Staat nicht, auch nicht teilweise, seiner eigenen Aufgabe, die Einhaltung der Rechtsordnung zu gewährleisten, auf kostensparende Weise entledigen kann.370 b) Dienstleistungsfreiheit Der Haftungsdurchgriff auf Hauptunternehmer greift darüber hinaus in die Dienstleistungsfreiheit ausländischer Subunternehmer iSd. Art. 49 EGV ein. Dies wird zunächst darin sichtbar, dass für deutsche Hauptunternehmen die Risikoeinschätzung als Grundlage einer etwaigen Auftragsvergabe an ausländische Unternehmen im Vergleich zur Überprüfung deutscher Firmen faktisch erschwert ist, was die Attraktivität der Leistungsangebote ausländischer Bauunternehmen auf deutschen Märkten verringert.371 Auch verursachen entsprechende Risikoüberprüfungen aufgrund ihrer gesteigerten Intensität zusätzliche Kosten und administrative Belastungen beim ausländischen Nachunternehmen. Selbst wenn letztlich eine grenzüberschreitende Auftragsvergabe erfolgt, so ist der Hauptunternehmer geradezu gezwungen, sein Haftungsrisiko u. a. durch den Einbehalt von Werklohn zu verringern. Durch einen solchen faktischen Zwang zur Leistung von Sicherheiten werden aber dem Nachunternehmer Liquiditäts367 So zutreffend v. Danwitz, RdA 1999, 322; dies entspricht auch der zu § 148 SGB III ergangenen Rechtsprechung des BVerfG, derzufolge die Auferlegung von Geldleistungspflichten für Vorgänge allgemein voraussetzt, dass diese Vorgänge in irgendeiner Weise in den Verantwortungsbereich des Zahlungspflichtigen fallen, vgl. BVerfG, Beschl. v. 10.11.1998 – 1 BvR 2296/96 u. 1 BvR 1081/97 –, NZA 1999, 191. 368 So Schlachter in: ErfKomm, § 1a AEntG Rn. 3. 369 BAG, Vorlagebeschl. v. 6.11.2002 – 5 AZR 617/01 (A) –, AP Nr. 1 zu § 1a AEntG. 370 Rieble/Lessner sprechen insofern zutreffend von der „Inpflichtnahme der Bauauftraggeber als Überwachungshelfer des Staates“, ZfA 33 (2002), 29 (87). 371 Schlachter in: ErfKomm, § 1a AEntG Rn. 1; Rieble/Lessner, ZfA 33 (2002), 29 (41, 57).
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mittel mit ggf. existenzbedrohenden Folgen entzogen. Derartige Nachteile treffen ausländische Subunternehmer sogar völlig unabhängig davon, ob sie die Mindestanforderungen des § 1 Abs. 1 Satz 1 AEntG einhalten oder nicht. In Anbetracht dieser unmittelbaren (und vom deutschen Gesetzgeber sogar beabsichtigten) Folgen stellt die Bürgenhaftung des § 1a AEntG eine Beschränkung dar, die geeignet ist, die Tätigkeit des Dienstleistenden iSd. EuGH-Rechtsprechung zu unterbinden, zu behindern und in jedem Fall weniger attraktiv zu machen.372 Während die Frage der Rechtfertigung des Normzwanges von Eingriffsnormen sui generis iSd. §§ 1, 7 AEntG aufgrund der doppelten Ausrichtung des Gesetzeszwecks am Schutz der nationalen Bauwirtschaft und am Arbeitnehmerschutz nach dem überwiegenden Regelungsmotiv entschieden werden musste373, entfällt bei § 1a AEntG der Arbeitnehmerschutz als zusätzliches Regelungsziel. Mangels gegenteiliger Angaben in der Entwurfsbegründung und ausweislich der zur Verabschiedung der Endfassung führenden Beratungen beschränkte man sich bei der Einführung der Bürgenhaftung darauf, die „Eindämmungsstrategie“ des AEntG weiterzuverfolgen und ihre Effektivität zu steigern.374 Dies verkennt der EuGH, indem er im Fall Wolff & Müller trotzdem auf objektive Arbeitnehmerschutzeffekte als taugliche Allgemeininteressen abstellt und dabei das eindeutig andersgerichtete gesetzgeberische Interesse des deutschen Normgebers für gänzlich unbeachtlich erklärt.375 Im Übrigen verschafft das Zur-VerfügungStellen eines weiteren Schuldners den ausländischen Arbeitnehmern gar keinen wirklich erhöhten Schutz. Denn die Ermittlung und Inanspruchnahme eines als Bürge haftenden Hauptunternehmers innerhalb einer u. U. mehrgliedrigen Auftragskette wird für die weder mit der deutschen Sprache noch mit der Rechtslage vertrauten ausländischen Beschäftigten mit noch mehr tatsächlichen Schwierigkeiten verbunden sein, als dies ohnehin in derartigen Konstellationen bei deutschen Arbeitnehmern der Fall ist. Dieser Schutz wird zudem wirtschaftlich entwertet, wenn die rein tatsächliche Chance der ausländischen Arbeitnehmer, aufgrund einer entsprechenden Auftragsvergabe an ihren Arbeitgeber in Deutschland entgeltlich tätig zu werden, – wie vom deutschen Gesetzgeber be-
372 EuGH, Urt. v. 3.12.1974 – Rs. 33/74 (Van Binsbergen) –, Slg. 1974, 1299 Rz. 10/12; dies verkennt Lakies (in: Däubler, TVG (2003), § 5 Anhang 2 § 1a AEntG Rn. 5), wenn er einen Eingriff in Art. 49 EGV wegen fehlender Diskriminierung verneint; wie hier auch EuGH, Urt. v. 12.10.2004 – Rs. 60/03 (Wolff & Müller) –, NZA 2004, 1211 Rz. 32 f., der das vorlegende Gericht zur Prüfung im Einzelfall tatsächlich gegebener Behinderungen von Nach- und Generalunternehmern auffordert. 373 s. o. unter Teil 2 § 2 A. II. 2. b) bb). 374 So v. Danwitz, RdA 1999, 322 (232); vgl. den Gesetzesentwurf vom 17.11.1998, BT-Dr. 14/45 und das Plenarprotokoll 14/14 vom 10.12.1998, 868 (D), 877 (D). 375 EuGH, Urt. v. 12.10.2004 – Rs. C-60/03 (Wolff & Müller) –, NZA 2004, 1211 Rz. 36 ff.; zu diesem Urteil siehe auch oben unter Teil 2 § 1 B. II. 3. b) bb) (2).
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absichtigt – deutlich abnimmt.376 Der Schutz des deutschen Bauarbeitsmarktes vor ausländischer Billiglohnkonkurrenz vermag jedoch als wirtschaftliches und zudem binnenmarktkonträres Marktabschottungsinteresse die Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit durch § 1a AEntG nicht zu rechtfertigen.377
B. Richtlinienumsetzung in Spanien: Entsendegesetz vom 29.11.1999 I. Arbeitnehmermobilität iSd. spEntG Der Anwendungsbereich des spEntG lehnt sich in sehr viel stärkerem und deutlicherem Maße an die detaillierten Vorgaben der EG-RL 96/71 an als das AEntG. Im Gegensatz zum deutschen Umsetzungsakt nutzt das spEntG zudem den durch die Richtlinie hinsichtlich etwaiger Geltungsausnahmen eröffneten Umsetzungsspielraum zugunsten flexibler und verhältnismäßiger Einzelfalllösungen. 1. Wettbewerbsgegenstand iSd. Art. 1 Abs. 2, 3 spEntG Autonomiebegrenzungen nach spanischem Entsenderecht erfassen die binnenmarktinterne grenzüberschreitende Teilnahme von Unternehmen mit Sitz in anderen Mitgliedstaaten am Wettbewerb auf spanischen Dienstleistungsmärkten. Im Gegensatz zum deutschen AEntG lässt der spanische Umsetzungsakt den unternehmerischen Zweck des internationalen mobilen Arbeitnehmereinsatzes nicht offen: Ausdrücklich nennt Art. 1 spEntG die transnationale Dienstleistungserbringung als Wettbewerbsgegenstand. Da der spanische Gesetzgeber in den dem Gesetzestext vorangestellten Motiven mehrfach ausdrücklich Bezug auf Art. 49 EGV sowie die EG-RL 96/71 nimmt, ist insofern deren weites Begriffsverständnis zugrunde zu legen, so dass es auf eine vorübergehende Marktteilnahme mit einem tätigkeitsbezogenen Angebotsinhalt ankommt.378 Auch entfällt im spEntG eine besondere Betonung der Baubranche als spezieller Dienstleistungsmarkt, der im AEntG den ursprünglich ausschließlichen Rege376 So zutreffend BAG, Vorlagebeschl. v. 6.11.2002 – 5 AZR 617/01 (A) –, AP Nr. 1 zu § 1a AEntG; demgegenüber bejaht Lakies (in: Däubler, TVG, § 5 Anhang 2 § 1a AEntG Rn. 5) – hilfsweise – eine Rechtfertigung durch das Allgemeininteresse am Arbeitnehmerschutz. 377 In diese Richtung tendiert auch das BAG, Vorlagebeschl. v. 6.11.2002 – 5 AZR 617/01 (A) –, AP Nr. 1 zu § 1a AEntG; ebenso im Ergebnis Rieble/Lessner, ZfA 33 (2002), 29; insofern kommt es hier – ebenso wenig wie im Zusammenhang mit den Grundrechten auf wirtschaftliche Betätigungsfreiheit – auch nicht mehr auf die zusätzlichen Verstöße gegen Art. 9 Abs. 3 GG an. 378 s. o. unter Teil 2 § 1 A. I. 1.
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lungszweck des deutschen Gesetzgebers darstellte und von der EG-RL 96/71 zumindest im Anhang erwähnt wird; Art. 1 Abs. 1 spEntG nennt als Wettbewerbsgegenstand insofern lediglich allgemein die „prestación de servicios transnacional“. Lediglich klarstellende Funktion hat Art. 1 Abs. 3 spEntG, demzufolge Arbeitnehmermobilität zu Ausbildungszwecken ohne Bezug zu einer grenzüberschreitenden Dienstleistungserbringung nicht dem Entsenderecht unterliegt. Im Unterschied zum deutschen AEntG schließt Art. 1 Abs. 3 spEntG zudem ausdrücklich Schiffsbesatzungen von Unternehmen der Handelsmarine vom Anwendungsbereich aus und setzt so Art. 1 Abs. 2 EG-RL 96/71 genau um. Allerdings beschränkt Art. 1 Abs. 2 spEntG im Gegensatz zum generellen Begriff des „Auslands“ der §§ 1, 7 AEntG die Geltung des spEntG auf Unternehmen mit Sitz in einem Mitgliedstaat der EG oder des EWR. Dies ist problematisch im Hinblick auf die Reichweite des entsenderechtlichen Normzwangs, der nach dem Besserstellungsverbot des Art. 1 Abs. 4 EG-RL 96/71 auch Arbeitgeber mit Sitz in Drittstaaten und nach dem Gleichbehandlungsgebot des Art. 3 Abs. 8 EG-RL 96/71 auch solche mit Sitz im Inland belasten muss. Insofern sind hiervon abweichende Besserstellungen im Einzelfall durch eine gemeinschaftsrechtskonforme Auslegung der jeweiligen zwingenden Bestimmung auszuschließen.379 2. Begriff des „desplazamiento“ iSd. Art. 2 spEntG Art. 2 Abs. 2 EG-RL 96/71 verweist zwar auf den im jeweiligen Einsatzstaat maßgeblichen Arbeitnehmerbegriff, jedoch stellt das spanische Rechtssystem in Übereinstimmung mit dem europäischen wie auch deutschen Begriffsverständnis auf das Kriterium der persönliche Abhängigkeit ab: Art. 1 Abs. 1 des Estatuto de los Trabajadores (ET)380 definiert den Arbeitnehmer als „Beschäftigten, der freiwillig und entgeltlich seine Leistung für fremde Rechnung innerhalb des Organisations- und Direktionsbereichs einer anderen natürlichen oder juristischen Person, genannt Arbeitgeber oder Unternehmer, erbringt“. Wie der Entsendungsbegriff der EG-RL 96/71 umfasst auch der Begriff des „desplazamiento“ des Art. 2 Abs. 1 Satz 1a–c spEntG drei Fallgruppen, die sich ihrerseits den zu Beginn dieser Untersuchung festgelegten Mobilitätsformen zu379 Allerdings ist das spEntG auf Drittstaatsangehörige in dem Fall anwendbar, dass internationale Abkommen deren Zutritt zu spanischen Dienstleistungsmärkten zulassen; im Übrigen gelten ausländerrechtliche Bestimmungen, die ggf. eine stärkere Steuerung des Arbeitsvertragsinhalts ermöglichen, vgl. die „Disposición adicional cuarta“ und die „Disposición adicional quinta“ des spEntG. 380 Arbeitnehmerstatut (umfassende Arbeitsrechtskodifikation) in der seit dem 1.5.1995 geltenden Neufassung, vgl. Real Decreto Legislativo 1/1995, de 24 de marzo, por el que se aprueba el texto refundido de la Ley del Estatuto de los Trabajadores, BOE Nr. 269 vom 10.11.1995.
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ordnen lassen. Konstante sämtlicher Varianten ist gem. Art. 2 Abs. 1 Satz 2 spEntG der Bestand eines Arbeitsverhältnisses zum Entsendeunternehmen. Zudem muss das grenzüberschreitende Element der Dienstleistung gem. Art. 1 Abs. 1 spEntG durch einen Grenzübertritt auch des dabei eingesetzten Arbeitnehmers ergänzt werden. Die Fallgruppen des spEntG sind deckungsgleich mit Art. 1 Abs. 3a–c EG-RL 96/71, so dass auch hier sowohl der Einsatz des Arbeitnehmers als Erfüllungsgehilfe im Rahmen eines zwischen seinem Arbeitgeber und einem Dienstleistungsempfänger bestehenden Vertrages als auch die auf eine konkrete Dienstleistung bezogene vorübergehende Versetzung in einen Betrieb in Spanien als Formen des unternehmensinternen mobilen Arbeitnehmereinsatzes erfasst sind (Art. 2 Abs. 1 Satz 1a, b spEntG). Allerdings begrenzt Art. 2 Abs. 1 Satz 1c spEntG seinen Anwendungsbereich vor dem Hintergrund des in Spanien geltenden Verbots echter Leiharbeit auf den gewerbsmäßigen Arbeitnehmerverleih durch Zeitarbeitsunternehmen.381 Darüber hinaus stellt Art. 2 Abs. 2 spEntG klar, dass auch der Einsatz des Leiharbeitnehmers im Entleihunternehmen selbst, das ihn im Rahmen eigener Dienstleistungen grenzüberschreitend einsetzt, eine Entsendung darstellt (die sodann unter Art. 2 Abs. 1 Satz 1a spEntG fällt). Die durch die Bindung an ein bestehendes Arbeitsverhältnis bedingte Begrenzung der Sachverhalte konzerninterner Arbeitnehmermobilität auf die konzerninterne Arbeitnehmerüberlassung gilt – wie für das AEntG – auch für Art. 2 Abs. 1 Satz 1b spEntG, wobei diese Vorschrift eine dem deutschen Über-Unterordnungskonzern ähnliche Konzerndefinition enthält. Richtlinienkonform fordert Art. 2 Abs. 1 Satz 1 spEntG eine zeitliche Beschränkung des Arbeitseinsatzes in Spanien, wofür allerdings auch hier eine schlüssige, sich aus den Umständen ergebende bloß vorübergehende Dauer ausreichen muss.382 Im Gegensatz zu Art. 2 Abs. 1 EG-RL 96/71 setzen die Fallgruppen des Art. 2 Abs. 1 spEntG allerdings nicht die Existenz eines gewöhnlichen Arbeitsortes voraus, solange das Arbeitsverhältnis einen irgendwie gearteten Schwerpunkt außerhalb Spaniens aufweist und aufgrund dessen über ein ausländisches Arbeitsvertragsstatut verfügt. Wie das AEntG beschränkt auch das spEntG daher seinen Anwendungsbereich nicht auf den Fall eines tatsächlichen Schwerpunktes iSd. Art. 6 Abs. 2a EVÜ, sondern erfasst ebenfalls entsprechende Schwerpunktbildungen aufgrund einer rein wirtschaftlichen Zuordnung (Art. 6 Abs. 2b EVÜ) oder aus der Gesamtheit der Umstände iSd. Art. 6
381 Dies erscheint zunächst deshalb als problematisch, weil das spEntG mangels Anwendbarkeit den echten Verleih hinsichtlich entsandter Arbeitnehmer so eigentlich gar nicht ausschließen kann. Jedoch verfügte die entsprechende arbeitnehmerüberlassungsrechtliche Vorschrift – wie das deutsche AÜG – bereits vor Erlass des spEntG über einen internationalen Rechtsdurchsetzungswillen und damit ohnehin über einen Eingriffscharakter iSd. Art. 7 Abs. 2 EVÜ; hierzu näher unter Teil 2 § 2 B. II. 1. c). 382 Zur entsprechenden Argumentation hinsichtlich der EG-RL 96/71 s. o. unter Teil 2 § 1 A. I. 2.
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Abs. 2 a. E. EVÜ. Die Kompetenz zu einer derartigen Erweiterung des Anwendungsbereichs entsenderechtlicher Eingriffsnormen ist bei den Mitgliedstaaten verblieben.383 3. Ausnahme des Art. 3 Abs. 3 spEntG Ebenso wie im AEntG unterbleibt auch im spEntG die in Art. 3 Abs. 2 EGRL 96/71 eigentlich vorgeschriebene Bereichsausnahme hinsichtlich kurzer Erstmontage- und Einbauarbeiten. Im Gegensatz zum AEntG sorgt das spEntG jedoch für eine gewisse Flexibilität in Gestalt der Ausnahme des Art. 3 Abs. 3 spEntG. Danach sind zwingende Bestimmungen über den Jahresurlaub und die Gehaltshöhe nicht anwendbar auf die Entsendungsvarianten des Art. 2 Abs. 1 Satz 1a und b spEntG, sofern die Einsätze nicht länger als acht Tage dauern. Die Zuordnung dieser Ausnahme zu dem in Art. 3 Abs. 3–5 EG-RL 96/71 eröffneten Umsetzungsspielraum ist nicht eindeutig, jedoch wird die Vorschrift als Festlegung der „Arbeiten von geringem Umfang“ iSd. Art. 3 Abs. 5 EG-RL 96/ 71 anzusehen sein. II. Kollisionsrechtlicher Normzwang Art. 3 spEntG stellt in Übereinstimmung mit Art. 3 EG-RL 96/71 das Grundprinzip entsenderechtlicher Eingriffsnormen sui generis auf, nämlich dass Entsendeunternehmen ihren nur vorübergehend in Spanien eingesetzten Arbeitnehmern einen Katalog dort zwingend geltender Arbeitsbedingungen gewähren müssen, es sei denn, für die Arbeitsvertragsparteien gelten nach ihrem Heimatrecht dem Arbeitnehmer günstigere Bestimmungen. 1. „El núcleo duro“ zwingender Arbeitnehmerschutzbestimmungen Hinsichtlich des harten Kerns entsenderechtlich zwingender Arbeitsbedingungen differenziert das spEntG im Gegensatz zum AEntG nicht zwischen gesetzlichen und tariflichen Festsetzungen. Aus der dem Gesetzestext vorangestellten Begründung wird zudem deutlich, dass der Katalog des Art. 3 Abs. 1 spEntG ausschließlich die Sicherstellung eines Mindestarbeitnehmerschutzniveaus bezweckt.384 Mit diesem Ziel erweitert Art. 3 spEntG den Katalog des Art. 3 Abs. 1 EG-RL 96/71 und damit den Eingriffsumfang um zusätzliche Aspekte und stellt sich auch dadurch in Gegensatz zum AEntG, dessen Überschreiten 383
s. o. unter Teil 2 § 2 A. I. 2. So ausdrücklich Nr. 4 Abs. 2 Satz 3 der Motivos („Se establece así el núcleo duro de disposiciones imperativas de protección mínima de los trabajadores que exige la Directiva.“). 384
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der Richtlinie durch eine Relativierung des Mindestniveaus im Wege einer Anhebung der jeweiligen Untergrenze erfolgt und damit die Eingriffsintensität betrifft. a) Arbeitszeit iSd. Art. 3 Abs. 1a spEntG Art. 3 Abs. 1a spEntG fasst die in Art. 3 Abs. 1 Satz 1 a) und b) EG-RL 96/ 71 separat genannten Bestimmungen über Höchstarbeits- und Mindestruhezeiten sowie den bezahlten Mindestjahresurlaub unter dem Begriff des „tiempo de trabajo“ zusammen und verweist dabei auf die in Art. 34–39 ET enthaltenen entsprechenden Regelungen. Diese Zusammenfassung erklärt sich dadurch, dass für den spanischen Gesetzgeber der Aspekt der Erholung im Vordergrund steht, die nach dem entsprechenden Gesetzgebungsauftrag des Art. 40 Abs. 2 der spanischen Verfassung (CE)385 durch eine Limitierung der täglichen Arbeitszeit und der Gewährung bezahlten Urlaubs zu gewährleisten ist. Die lediglich exemplarische Nennung der Höchstarbeits- und Mindestruhezeiten in Art. 3 Abs. 1 Satz 1 a) EG-RL 96/71 öffnet den Anwendungsbereich der Autonomiebegrenzungen des gesamten allgemeinen, in Art. 34–37 ET enthaltenen Arbeitszeitschutzrechts auch für Arbeitsverhältnisse ohne spanisches Arbeitsvertragsstatut. Auch für sie gilt eine wöchentliche Höchstarbeitszeit von 40 und eine tägliche effektive Höchstarbeitszeit von neun Stunden. Zwischen den einzelnen Arbeitstagen muss eine Ruhezeit von mindestens zwölf Stunden liegen, auch sind bei einer länger als sechstündigen Tätigkeit mindestens 15 Minuten Pause zu gewähren. Die Anzahl von Überstunden ist auf 80 pro Jahr begrenzt, im Falle der Nachtarbeit ist deren Ableistung jedoch ausgeschlossen. Zudem kann ein Arbeitgeber seinen in Schichtarbeit eingesetzten Arbeitnehmer nicht gegen dessen Willen länger als zwei aufeinanderfolgende Wochen für Nachtschichten einsetzen. Arbeitnehmer haben innerhalb einer Woche Anspruch auf anderthalb Tage Erholungszeit, die generell am Wochenende genommen werden sollen. Maximal 14 gesetzliche Feiertage sind arbeitsfrei und zu vergüten. Ein Anspruch auf bezahlte Freistellung besteht auch gem. Art. 38 ET, gerichtet auf die Gewährung eines gesetzlichen Mindestjahresurlaubs von 30 Wochentagen, der nicht ausbezahlt werden kann und zeitlich mindestens zwei Monate im voraus für den Arbeitnehmer feststehen muss. In Tarif- und Individualarbeitsverträgen kann diese Mindesturlaubsdauer verlängert werden. Allerdings unterfallen die darüber hinaus in Art. 37 Abs. 3, 4 ET normierten Ansprüche auf bezahlte Freistellung aus bestimmten familiären oder persönlichen Gründen und auf Stillzeiten für Mütter nicht dem ausschließlich auf die Freistellung zu Erholungszwecken abstellenden Art. 3 Abs. 1 Satz 1 a) EG-RL 96/71, ebenso 385 Constitución española de 27 de diciembre de 1978, BOE Nr. 311-1 vom 29.12.1978.
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wenig der in Art. 37 Abs. 5 ET enthaltene Anspruch auf Elternteilzeit. Durch die pauschale Verweisung des Art. 3 Abs. 1a spEntG auf die Art. 34–38 ET schießt der spanische Gesetzgeber insofern über das Richtlinienziel hinaus; Gründe der öffentlichen Ordnung iSd. Art. 3 Abs. 10 1. SpStr. EG-RL 91/71 sind hinsichtlich der o. g. weiteren Aspekte nicht einschlägig, die somit im Wege richtlinienkonformer Auslegung vom Anwendungsbereich international zwingenden Entsenderechts auszunehmen sind. b) Mindestlohn iSd. Art. 3 Abs. 1b iVm. Art. 4 spEntG Art. 3 Abs. 1b spEntG nennt als international zwingende Arbeitsbedingung abstrakt die „Lohnhöhe“386 und bezieht sich zu deren Konkretisierung auf Art. 4 spEntG, der die Zahlungspflicht des Arbeitgebers auf den gesetzlichen oder den für die Berufsgruppe des entsandten Arbeitnehmers maßgeblichen tariflichen Mindestlohn beschränkt.387 Zwar ist auch in Spanien die Gehaltshöhe grundsätzlich Gegenstand der Privatautonomie von Arbeitsvertragsparteien bzw. Sozialpartnern, dabei gliedert sich das Gehalt gem. Art. 26 Abs. 3 ET in ein Grundgehalt und etwaige besondere Zuschläge auf. Der Spielraum autonomer Verhandlungen wird jedoch hinsichtlich des Grundlohns durch eine gesetzlich genau festgelegte Untergrenze beschränkt: Jedes Jahr legt eine Rechtsverordnung der Regierung gem. Art. 27 Abs. 1 ET einen generellen, berufsübergreifenden Mindestlohn fest, der gem. Abs. 27 Abs. 2 ET in voller Höhe unpfändbar ist und ein absolutes Mindestarbeitnehmerschutzniveau garantiert, das sowohl Individualarbeits- als auch Tarifvertragsparteien einhalten müssen. Diese sozialstaatliche Mindestsicherung gründet sich auf Art. 35 Abs. 1 CE, demzufolge alle Spanier das Recht auf eine zur Befriedigung der Basisbedürfnisse ausreichende Entlohnung haben.388 Die staatliche Festsetzung eines solchen „salario mínimo interprofesional“ (SMI) setzt die vorherige Anhörung der repräsentativsten Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände voraus und muss sich gem. Art. 27 Abs. 1a–d ET am Verbraucherpreisniveau, am Bruttosozialprodukt, am Anteil der Einkünfte aus unselbständiger Tätigkeit am Volkseinkommen und an der nationalen Konjunkturlage orientieren. Im Jahr 2003 betrug dieser gesetzliche Mindestlohn 451,20 Euro pro Monat389, spielt aber in Anbetracht dieser geringen Höhe in der Praxis eine nur untergeordnete Rolle, da er idR. durch Tarif- und Arbeitsverträge übertroffen wird. Da Art. 4 Abs. 1 Satz 1 spEntG neben dem gesetzlichen Mindestlohn ausdrücklich auch derartige Tarifverträge als Quellen eines international zwingenden Lohnniveaus nennt, setzen 386
„La cuantía del salario“, Art. 3 Abs. 1b spEntG. Dabei wird die einschlägige Berufsgruppe nach der in Spanien erbrachten Tätigkeit des Arbeitnehmers ermittelt. 388 Montoya Melgar, Derecho del Trabajo, 379. 389 Vgl. Calle in: Henssler, Arbeitsrecht in Europa, Spanien Rz. 38. 387
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sich einschlägige Tariflöhne, die das gesetzliche Mindestlohnniveau überschreiten, als entsenderechtliche Eingriffsnormen gegenüber Art. 27 ET durch und heben so den international zwingenden Lohnstandard auf ein Niveau oberhalb des SMI an. Der entsenderechtliche Mindestlohnbegriff des Art. 4 Abs. 1 Satz 2 spEntG erweitert die gesetzliche Definition des Art. 27 Abs. 1 ET und erfasst nicht nur das Grundgehalt, sondern auch etwaige Lohnzuschläge, zusätzliche Gratifikationen und ggf. Überstunden-, Mehr- und Nachtarbeitsvergütungen, abzüglich der Lohnsteuer und Sozialversicherungsbeiträge. Wie Art. 3 Abs. 1 Satz 1 c) EGRL 96/71 nimmt auch Art. 4 Abs. 1 Satz 3 spEntG freiwillige Leistungen zur Altersversorgung vom Mindestlohnbegriff aus. In den für den Günstigkeitsvergleich relevanten Mindestlohnbegriff des Heimatstaates fließen zudem Entsendungszulagen gem. Art. 4 Abs. 3 spEntG nur dann ein, wenn sie nicht tatsächlich entstandene Reise- Unterbringungs- oder Verpflegungskosten ersetzen. Diese Übereinstimmung mit der Entsenderichtlinie verlässt Art. 4 Abs. 1 Satz 2 spEntG jedoch im Hinblick auf die miteinbezogenen Zuschläge und Gratifikationen, die – mit Ausnahme der Überstundensätze – von Art. 3 Abs. 1 Satz 1 c) EG-RL 96/71 in seiner ausschließlichen Ausrichtung auf den Grundlohn gerade ausgeschlossen werden. Die Richtlinie enthält insofern eine abschließende Regelung, die es den Mitgliedstaaten versagt, über die genannten Lohnbestandteile hinaus Gehaltsbestimmungen eine internationale Normwirkung zu verleihen. Art. 4 Abs. 1 Satz 2 spEntG verstößt mithin bezüglich der über den Grundlohn und die Überstundensätze hinausgehenden Zuschläge und Gratifikationen gegen die EG-RL 96/71 und ist daher im Wege richtlinienkonformer Auslegung in seinem Anwendungsbereich entsprechend zu reduzieren. c) Bedingungen des Arbeitnehmerverleihs iSd. Art. 3 Abs. 2 spEntG Gem. Art. 3 Abs. 2 spEntG sind Verleihunternehmen verpflichtet, zusätzlich zu den im Katalog des Art. 3 Abs. 1 enthaltenen Arbeitsbedingungen auch die Vorschriften des spanischen Arbeitnehmerüberlassungsrechts390 einzuhalten. Bis 1994 war jeglicher Arbeitnehmerverleih in Spanien verboten391, nun wird durch Art. 43 ET iVm. dem spAÜG392 ausschließlich professionellen Verleihunterneh390 Art. 22–25 spAÜG, eingeführt durch die erste Schlussbestimmung des spEntG, hierzu näher Montoya Melgar, Derecho del Trabajo, 427. 391 Art. 43 Abs. 1 ET a. F. unterschied den unzulässigen Arbeitnehmerverleih insofern von der Vergabe von Aufträgen an einen Subunternehmer, vgl. die Darstellung der früheren Rechtslage bei Kronke, Regulierungen auf dem Arbeitsmarkt, 160; trotz des Verbots existierten mehr als 25 Jahre lang Verleihunternehmen und wurden faktisch toleriert, vgl. Montoya Melgar, Derecho del Trabajo, 411. 392 Ley 14/1994, de 1 de junio, por la que se regulan las empresas de trabajo temporal.
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men („empresas de trabajo temporal“) das Recht zur gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung in genau definierten Fällen eingeräumt, vorausgesetzt das Zeitarbeitsunternehmen – und damit aufgrund von Art. 3 Abs. 2 spEntG auch der ausländische Verleiher – verfügt über eine generelle behördliche Verleiherlaubnis.393 Schließlich unterstellt Art. 4 Abs. 2 spEntG einen nach Spanien verliehenen Arbeitnehmer vollumfänglich den im Entleihbetrieb geltenden tariflichen Gehaltsbestimmungen und verpflichtet das Verleihunternehmen zudem zur anteiligen Vergütung der wöchentlichen Ruhezeiten, Feier- und Urlaubstage. Eine solche Koppelung des Mindestlohnbegriffs an die Bedingungen des Entleihbetriebs lässt Art. 3 Abs. 9 EG-RL 96/71 ausdrücklich zu, zumal auch inländische Verleihunternehmen nach dem spAÜG von dieser Gleichstellungspflicht erfasst werden.394 Insofern bestehen allerdings dieselben europarechtlichen Bedenken wie gegenüber dem Gleichstellungsgebot des AÜG.395 d) Arbeitsschutzbestimmungen iSd. Art. 3 Abs. 1d, e spEntG Die in Art. 3 Abs. 1d und e spEntG enthaltenen Arbeitsbedingungen umfassen den gesamten technischen, medizinischen und sozialen Arbeitsschutz. „La prevención de riesgos laborales“ iSd. Art. 3 Abs. 1d spEntG entspricht in ihrer Ausrichtung auf die Sicherung des Arbeitnehmers vor den Gefahren von Betriebsanlagen und Produktionsweisen und auf die Herstellung einer gesunden Arbeitsumgebung den in Art. 3 Abs. 1 Satz 1 e) EG-RL 96/71 genannten Festlegungen bezüglich Sicherheit, Gesundheitsschutz und Hygiene am Arbeitsplatz. Derartige Vorschriften finden sich in Art. 19 ET und in Spezialnormen wie Art. 36 Abs. 4 ET bezüglich Nacht- und Schichtarbeitern.396 Art. 3 Abs. 1d spEntG bezieht sich hinsichtlich des Kinder- und Jugendarbeitsschutzes auf Art. 6 ET, der das Verbot von Kinderarbeit sowie den Ausschluss von Nachtarbeit und Überstunden für Jugendliche enthält.397 Zu den Bestimmungen des Mutterschutzes gehört u. a. die vorübergehende Suspendierung des Arbeitsvertrages nach Art. 45d iVm. Art. 48 Abs. 4 ET398 wie auch der Ausschluss von Arbeitgeberkündigungen während des Mutterschutzes.
393 Darüber hinaus ist die konzerninterne Arbeitnehmerüberlassung als besondere Form des Arbeitnehmerverleihs erlaubt, vgl. Calle in: Henssler, Arbeitsrecht in Europa, Spanien Rz. 152. 394 Montoya Melgar, Derecho del Trabajo, 413. 395 s. o. unter Teil 1 § 1 A. II. 2. b) bb) (2) (b) und B. II. 1. a) cc). 396 Die Verpflichtungen hinsichtlich Sicherheit und Hygiene haben sogar Verfassungsrang, vgl. Art. 40 Abs. 2 CE. 397 Aus systematischen Erwägungen erstreckt sich der entsenderechtliche Normzwang allerdings über Art. 6 ET hinaus auf die über das gesamte ET verstreute Jugendschutzbestimmungen, wie z. B. Art. 34 Abs. 3 Satz 3 (Tageshöchstarbeitszeit), Abs. 4 Satz 2 (Mindestpause) und Art. 37 Abs. 1 Satz 2 (wöchentliche Ruhezeit).
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e) Nichtdiskriminierungsgebote iSd. Art. 3 Abs. 1c, f spEntG Während sich Art. 3 Abs. 1f spEntG auf das ausdrückliche Verbot der Ungleichbehandlung von Leih- und Teilzeitarbeitnehmern beschränkt, enthält Art. 3 Abs. 1c spEntG ein umfassendes Gleichbehandlungsgebot hinsichtlich Geschlecht, Herkunft, Personenstand, Alter, Rasse, sozialer Situation, religiöser oder politischer Anschauungen, Gewerkschaftszugehörigkeit, Verwandtschaft mit anderen Beschäftigten desselben Betriebs, Sprache oder Behinderungen. Die Norm ist damit identisch mit Art. 4 Abs. 2c ET, der die entsprechenden Nebenpflichten durch ihre systematische Betonung zu Beginn des ET der Bedeutung vertraglicher Hauptpflichten annähert399 und durch Art. 17 ET näher ausgestaltet wird. Die Wettbewerbsrelevanz dieser Bestimmungen ist jedoch – wie bei § 7 Abs. 1 Nr. 7 AEntG – gering, da es mit Ausnahme der Entsendungskonstellation des Art. 1 Abs. 1b spEntG an einer in Spanien belegenen Organisationseinheit des ausländischen Arbeitgebers als Selbstbindungsfeld fehlt.400 f) Zusatzaspekte iSd. Art. 3 Abs. 1g, h spEntG Mit dem nach Art. 3 Abs. 1g, h spEntG gebotenen Schutz von Würde, Intimsphäre und Kollektivinteressen schießt der spanische Umsetzungsakt über den Regelungsauftrag der EG-RL 96/71 hinaus. Dies ist jedoch gem. Art. 3 Abs. 10 1. SpStr. EG-RL 96/71 unschädlich, wenn es sich dabei um Bestimmungen aus dem Bereich der öffentlichen Ordnung handelt, der einen entsprechenden Eingriff in die Dienstleistungsfreiheit nach Art. 55 iVm. Art. 46 Abs. 1 EGV zulassen würde. Das Recht der Arbeitnehmer auf Wahrung ihrer Intimsphäre und Achtung ihrer Würde iSd. Art. 3 Abs. 1g spEntG findet sich wortgleich wieder in Art. 4 Abs. 1e ET und ist zudem in der Verfassung (Art. 10 Abs. 1 CE, „dignidad de la persona“, Art. 18 Abs. 1 CE, „intimidad personal“) verankert. Damit sind Fundamentalinteressen der spanischen Gesellschaft, mithin die öffentliche Ordnung iSd. Art. 46 Abs. 1 EGV, betroffen, die im Grundsatz den Bestimmungen des GG über die Menschenwürde und das allgemeine Persönlichkeitsrecht entsprechen. Deutlich wird dies insbesondere durch den in Art. 18 Abs. 4 CE hergestellten Bezug zum Datenschutz, der auch in seiner konkreten Ausgestaltung in Art.18 ET hinsichtlich betriebsinterner Datenerhebungen und Überwachungsmaßnahmen das Recht des Arbeitnehmers auf informationelle Selbstbestim398 Derartige Suspendierungen haben einen im Vergleich zu Deutschland erheblich geringeren Arbeitnehmerschutz zur Folge, u. a. auch im Krankheitsfall, da sodann eine Verpflichtung des Arbeitgebers zur Entgeltfortzahlung entfällt. 399 Adomeit/Frühbeck, Einführung in das spanische Recht, § 20 I.3. 400 Einzelheiten zu § 7 Abs. 1 Nr. 7 AEntG unter Teil 2 § 2 A. II. 1. a) bb).
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mung gewährleistet. Im Hinblick auf die Menschenwürde betont Art. 3 Abs. 1g spEntG zudem ausdrücklich den Schutz vor verbalen und tätlichen sexuellen Übergriffen. Als Kernelemente der spanischen Verfassung gelten diese Rechte allerdings ohnehin auch für vorübergehend nach Spanien entsandte Arbeitnehmer, ohne dass es hierfür einer besonderen entsenderechtlichen Normierung bedurft hätte. Das gleiche gilt hinsichtlich der in Art. 3 Abs. 1h spEntG enthaltenen Interessen der Arbeitnehmer mit kollektivrechtlichem Bezug, nämlich der individuellen Koalitionsfreiheit („libre sindicación“), dem Streikrecht und dem betrieblichen Versammlungsrecht („derechos de huelga y de reunión“). Denn auch diese, ebenfalls für nach Spanien entsandte Arbeitnehmer geltenden Rechtspositionen finden sich als Grundrechte in Art. 21 CE und Art. 28 CE wieder und werden als solche zudem ausdrücklich in Art. 4 Abs. 1b,e,f ET erwähnt. Aus dem entsenderechtlichen Kontext und der Arbeitnehmerschutzausrichtung des Art. 3 Abs. 1h spEntG folgt, dass es dabei lediglich um die aus diesen Grundrechtspositionen resultierenden individuellen Berechtigungen der Arbeitnehmer und nicht des Kollektivs als solchem geht sowie um deren Folgen für das Arbeitsverhältnis.401 Dabei fällt auf, dass das Recht des einzelnen Arbeitnehmers auf „libre sindicación“ aufgrund des insofern eindeutigen Wortlauts des Art. 28 Abs. 1 CE lediglich die Freiheit zum mitgliedschaftlichen Beitrittsakt im positiven wie negativen Sinne umfasst, nicht jedoch die Freiheit von tariflicher Fremdbestimmung durch Normunterworfenheit. Gerade dieses Beitrittsrecht verfügt allerdings in Entsendungskonstellationen angesichts der nur kurzen Aufenthaltsdauer ausländischer Arbeitnehmer über eine äußerst geringe Praxisrelevanz. 2. Relativität des Normzwangs a) Günstigkeitsprinzip des Art. 3 Abs. 5 spEntG Im Gegensatz zur scheinbaren Beschränkung des § 1 Abs. 1 Satz 2 AEntG auf tarifliche Lohn- und Urlaubsbestimmungen402 gilt das Günstigkeitsprinzip des Art. 3 Abs. 5 spEntG bereits nach seinem Wortlaut für sämtliche die Privatautonomie begrenzenden Bestimmungen. Eine weitere Klarstellung enthält die Vorschrift auch im Vergleich zu Art. 3 Abs. 7 Satz 1 EG-RL 96/71403, indem 401 Z. B. die Suspendierung arbeitsvertraglicher Pflichten im Falle eines Streiks gem. Art. 45 Abs. 1 l ET; ein solches Streikrecht iSd. Art. 28 Abs. 2 CE erfasst gleichfalls das Recht des Arbeitgebers zur Aussperrung, vgl. Sánchez Goyanes, Constitución española comentada, 76. 402 Zur insofern gebotenen Erweiterung im Wege richtlinenkonformer Auslegung s. o. unter Teil 2 § 2 A. II. 2. a). 403 Zu dessen insofern offenem und daher auslegungsbedürftigem Wortlaut s. o. unter Teil 2 § 1 A. II. 1. c).
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in den Günstigkeitsvergleich neben gesetzlich und tarifvertraglich zwingenden Bestimmungen des Arbeitsvertragsstatuts ausdrücklich auch individualarbeitsvertragliche Vereinbarungen einbezogen werden. Wie in der Entsenderichtlinie und im deutschen Umsetzungsakt sorgt dieses Günstigkeitsprinzip auch hier für eine Bedingtheit der internationalen Rechtsdurchsetzung, die den in der Richtlinie angelegten Bruch mit dem kollisionsrechtlichen System des EVÜ404 verdeutlicht. Denn auch Art. 3 Abs. 1 spEntG reißt die zwingenden Bestimmungen des spanischen Rechts über die Lohnhöhe, den Mindestjahresurlaub und die Gleichbehandlungsgebote aus dem Gefüge des vertraglichen Ausgleichs bipolarer Parteiinteressen heraus und bewirkt insofern eine Loslösung vom Arbeitsvertragsstatut, deren Ergebnis durch Art. 3 Abs. 5 spEntG relativiert wird. Hinsichtlich der sonstigen in Art. 3 Abs. 1 spEntG aufgelisteten Arbeitsbedingungen, die bereits zuvor als Eingriffsnormen iSd. 7 Abs. 2 EVÜ über einen unbedingten Rechtsdurchsetzungswillen verfügten, wird deren internationaler Geltungsbefehl nun ebenfalls durch das Günstigkeitsprinzip relativiert. Insofern schafft auch Art. 3 Abs. 1 spEntG hinsichtlich ausgewählter Arbeitsbedingungen Eingriffsnormen sui generis und setzt dadurch die EG-RL 96/71 ordnungsgemäß um. b) Arbeitnehmerschutz als Allgemeininteresse iSd. Art. 49 EGV Die Entkoppelung der dem Ausgleich bipolarer Parteiinteressen dienenden zwingenden Bestimmungen vom Arbeitsvertragsstatut greift dann in die Dienstleistungsfreiheit der grenzüberschreitend tätigen Entsendeunternehmen ein, wenn sie sich als produktbezogenes Hindernis auf Preis und Inhalt der konkreten, unter einem mobilen Arbeitnehmereinsatz in Spanien zu erbringenden Dienstleistung auswirkt. Ein derartiger Attraktivitätsverlust der Dienstleistungserbringung ist nur im Falle einer Verteuerung denkbar, mithin lediglich dann, wenn das betroffene Entsendeunternehmen seine Leistung von einem Mitgliedstaat aus erbringt, nach dessen Rechtslage und Marktbedingungen ein im Vergleich zu Spanien niedrigeres Lohnniveau herrscht, im zeitlich vor der EU-Osterweiterung liegenden Moment des Gesetzeserlasses also z. B. in Portugal.405 Insofern wird die faktische Ausrichtung entsenderechtlicher Autonomie404
In Spanien gilt das EVÜ seit dem 1.9.1993 und verdrängt seitdem das in den Art. 8 ff. Código Civil (CC) enthaltene nationale Kollisionsrecht, vgl. Ratsmitteilung 93/C 187/01, ABl. EG 1993 C 187/1; näher Montoya Melgar, Derecho del Trabajo, 234 ff.; Alonso Olea/Casas Baamonde, Derecho del Trabajo, 694. 405 Zu den europaweit höchst unterschiedlichen Höhe der Arbeitskosten s. o. unter Teil 1 § 2 B. I.; ein derartiges Lohnkostengefälle ergab sich für Spanien zeitlich vor der EU-Osterweiterung nur in Bezug auf wenige Mitgliedstaaten, da Spanien selbst zur unteren Hälfte der gemeinschaftsweiten Lohnkostenstatistiken zählte. Die Osterweiterung 2004 erweitert diese Statistiken nun zwar nach unten und relativiert insofern die Durchschnittskosten Spaniens, so dass Spanien nunmehr als gemäßigtes Hoch-
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begrenzungen auf eine einseitige Marktbewegung von Niedriglohn- zu Hochlohnstaaten sichtbar, bei der für den jeweiligen grenzüberschreitenden Wettbewerb die Ausnutzung des im Vergleich zum Einsatzstaat niedrigeren Arbeitnehmerschutzniveaus des Entsendestaates prägend ist. Auch das spEntG hat auf diese Weise eine marktabschottende Wirkung. Im Unterschied zum AEntG ist diese binnenmarktkonträre Marktabschottung vom spanischen Gesetzgeber jedoch nicht als vorrangiges Regelungsziel beabsichtigt. Dies wird sowohl im Gesetzestext selbst als auch in den vorangestellten Motiven wie dem späten Zeitpunkt des ausschließlich reaktiven Gesetzeserlasses sichtbar. So weist das spEntG eine inhaltlich viel deutlichere und intensivere Anlehnung an den Richtlinientext auf als das AEntG und schreibt zudem mit Art. 3 Abs. 3 spEntG eine Ausnahme vor, die für eine am Verhältnismäßigkeitsgrundsatz orientierte Anwendungsflexibilität sorgt. Sofern der Katalog des Art. 3 Abs. 1 spEntG inhaltlich über die EG-RL 96/71 hinausschießt, geschieht dies idR.406 nicht durch eine Anhebung der Eingriffsintensität, sondern des Eingriffsumfangs um weitere Arbeitnehmerschutzbestimmungen, deren internationaler Normzwang sich allerdings bereits aufgrund entsprechender Fundamentalinteressen bzw. als ordre public ergibt, so dass insbesondere Art. 3 Abs. 1g und h spEntG lediglich klarstellend wirken. Dieses Klarstellungsbedürfnis des spanischen Gesetzgebers verdeutlicht aber sein vorrangiges Interesse an der Garantie des spanischen Arbeitnehmerschutzniveaus auch für aus dem Ausland entsandte Arbeitnehmer, das auch in den dem Gesetzestext vorangestellten Motiven deutlich wird. Darin wird ausgeführt, seit der Vollendung des Binnenmarktes habe die Anzahl grenüberschreitender Dienstleistungserbringungen iSd. Art. 49 EGV ganz erheblich zugenommen. Die wirtschaftliche Betätigung der so von der Öffnung der Märkte profitierenden Unternehmen bei der Vergabe von Bau- und Dienstleistungsaufträgen und auch der sonstigen Unternehmensgruppen sowie Verleihunternehmen sei ein Phänomen, das sich dank der Einführung des Euros und der immer stärker werdenden wirtschaftlichen Integration und Verflechtung zwischen den Mitgliedstaaten noch verstärken werde. Dieser Boom grenzüberschreitender Dienstleistungen habe auch Auswirkungen auf die Freizügigkeit von Arbeitnehmern und habe mit der zeitweiligen Arbeitnehmerentsendung eine neue Freizügigkeitsart hervorgerufen. Die trotz der gemeinschaftsweiten Rechtsvereinheitlichung nach wie vor bestehenden Unterschiede hinsichtlich der Arlohnland zu bezeichnen ist. Dies gilt jedoch nicht für den Zeitpunkt der Umsetzung der EG-RL 96/71, der für die Beurteilung der gesetzgeberischen Motive maßgeblich ist. Zudem führt die Osterweiterung nach Einschätzung des spanischen Consejo Económico y Social (CES) nicht zu einem Zustrom osteuropäischer Arbeitnehmer nach Spanien, sondern vorrangig nach Österreich und Deutschland, vgl. CES, Informe 1/ 2004, 143. 406 – Bis auf den Mindestlohnbegriff des Art. 3 Abs. 1b iVm. Art. 4 spEntG, der sich allerdings dennoch in die Arbeitnehmerschutzintention des gesamten Gesetzes einfügt.
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beitsbedingungen in den einzelnen Mitgliedstaaten seien aber geeignet, zu unerwünschten Ungleichbehandlungen zwischen nicht entsandten und entsandten Arbeitnehmern und letztlich zum unlauteren Wettbewerb ihrer Arbeitgeber zu führen.407 Aus dieser Begründung wird deutlich, dass die Öffnung der spanischen Dienstleistungsmärkte zugunsten ausländischer Unternehmen sowie die wachsende wirtschaftliche Verflechtung der Mitgliedstaaten aus spanischer Sicht als positiv angesehen wird, solange sie sich nicht zu Lasten der beteiligten Arbeitnehmer auswirkt und zu entsprechenden Ungleichbehandlungen führt. Auch wenn ein über die Selbstbindung des Arbeitgebers hinausgehender, allgemeiner Grundsatz gleicher Arbeitsbedingungen am gleichen Ort nicht existiert, schließt dies ein dennoch bestehendes Arbeitnehmerschutzinteresse des spanischen Gesetzgebers nicht aus, zumal letzteres ausdrücklich in Art. 1 Abs. 1 spEntG als Gesetzgebungsmotiv genannt ist. Überwiegendes Regelungsmotiv des spEntG sind nach alledem nicht wirtschaftliche Interessen, sondern Arbeitnehmerschutzinteressen408, die als zwingendes Allgemeininteresse Eingriffe in Art. 49 EGV rechtfertigen können. Wie die Entsenderichtlinie schafft der spanische Umsetzungsakt so einen Interessenausgleich ausschließlich auf der Achse zwischen Dienstleistungsfreiheit und Arbeitnehmerschutz, mittelbar-faktische Marktabschottungseffekte sind lediglich „Kehrseite der Medaille“.409 Das spEntG knüpft auf diese Weise die Lauterkeit des grenzüberschreitenden Dienstleistungswettbewerbs an die Einhaltung eines vergleichsweise maximalen Arbeitnehmerschutzstandards, die ihrerseits den vorrangigen Gesetzeszweck darstellt, und entspricht so dem Lauterkeitsbegriff der EG-RL 96/71. Auch wenn das spEntG daher ebenfalls im Grundsatz nicht gegen Art. 49 EGV verstößt, verlangt seine Anwendung im Einzelfall eine dem Verhältnismäßigkeitsgebot genügende Lösung. Zwar bewirkt die Ausnahme des Art. 3 Abs. 3 spEntG bereits insofern eine gewisse Anwendungsflexibilität, darüber hinaus sind jedoch die vom EuGH im Fall Mazzoleni410 betonten Interessenabwägungsgrundsätze zu beachten.
407
Vgl. Nr. 1 und 2 der Motivos. In diesem Sinne wohl auch Calle in: Henssler, Arbeitsrecht in Europa, Spanien Rz. 218. 409 Zur insofern entgegengesetzten Ausrichtung des AEntG mit der Folge des Arbeitnehmerschutzes als bloßer „Kehrseite der Medaille“ s. o. unter Teil 2 § 2 A. II. 2. b) bb). 410 EuGH, Urt. v. 15.3.2001 – Rs. C-165/98 (Mazzoleni) –, Slg. 2001, I-2189. 408
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3. Mittel normativer Zwangswirkung a) „La legislación laboral española“ iSd. Art. 3 Abs. 1, 4 spEntG Art. 3 Abs. 1 spEntG erfüllt den konkreten Umsetzungsauftrag der EG-RL 96/71, indem denjenigen spanischen Arbeitsrechtsnormen, die den Katalog von Arbeitsbedingungen iSd. Art. 3 Abs. 1a–h spEntG zwingend regeln, internationaler Normzwang zugewiesen wird. Gem. Art. 3 Abs. 4 spEntG können diese spanischen Arbeitsrechtsnormen als entsenderechtliche Eingriffsnormen sui generis in staatlichen Gesetzen und Verordnungen enthalten sein wie auch in Kollektivverträgen und Schiedssprüchen, die räumlich und fachlich nach Sektor bzw. Branche anwendbar sind. Nach den Vorgaben des Art. 3 Abs. 1 Satz 1 EG-RL 96/71 muss es sich dabei um abstrakt-generelle Regelungen handeln, die die Privatautonomie der Arbeitsvertragspartner beschränken. Nach der Rangordnung arbeitsrechtlicher Gestaltungsfaktoren iSd. Art. 3 Abs. 1 ET gehen staatliche Gesetze und Verordnungen Kollektivverträgen und diese wiederum Individualarbeitsverträgen vor. Dabei regelt das Günstigkeitsprinzip sowohl das Verhältnis des Individualarbeitsvertrags zu höherrangigem Recht als auch höherrangiger Normen untereinander: So kann in Individualarbeitsverträgen gem. Art. 3 Abs. 1c ET nicht zum Nachteil des Arbeitnehmers von höherrangigen Gesetzen bzw. Kollektivverträgen abgewichen werden, und Konflikte zwischen derartigen höherrangigen Regeln gem. Art. 3 Abs. 3 ET lösen sich ebenfalls danach, welche Regelung sich für den Arbeitnehmer als günstiger erweist. Normen des spanischen Arbeitsrechts iSd. Art. 3 Abs. 4 spEntG begrenzen mithin die Privatautonomie bezüglich zu Lasten des Arbeitnehmers gehender Abweichungen und entsprechen dadurch dem Begriff zwingender Festlegungen iSd. Art. 3 Abs. 1 Satz 1 EG-RL 96/71. Art. 3 Abs. 4 spEntG enthält zudem eine vollumfängliche Gleichstellung von Kollektivverträgen bzw. Schiedssprüchen mit Gesetzen sowie Verordnungen, während Art. 3 Abs. 1 Satz 1 2. SpStr. EG-RL 96/71 die internationale Wirkung derartiger Kollektivnormen auf die Baubranche iSd. Anhangs beschränkt. Insofern macht der spanische Gesetzgeber von der in Art. 3 Abs. 10 2. SpStr. EG-RL 96/71 genannten Möglichkeit der Mitgliedstaaten Gebrauch, den internationalen Normzwang von Kollektivverträgen als entsenderechtliche Eingriffsnormen sui generis auch auf andere Branchen zu erstrecken. Soweit spanische Tarifpartner daher hinsichtlich der in Art. 3 Abs. 1a–h spEntG genannten Aspekte regelungsbefugt411 sind, wird das Tarifstatut entsprechender Kollektivverträge vom Arbeitsvertragsstatut des einzelnen betroffenen Arbeitsverhältnisses iSd. der EG-RL 96/71 gelöst.
411 In der Praxis finden sich vor allem Gehalts- und Arbeitszeitregelungen in Tarifverträgen, vgl. Mendoza Navas/Zachert, AuA 1994, 77 (80).
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b) Tarifverträge und ihre normative Reichweite aa) Zweispurigkeit des spanischen Tarifsystems Art. 37 Abs. 1 CE garantiert das Recht auf Tarifverhandlungen zwischen Arbeitnehmer- und Arbeitgebervertretern sowie die Bindungswirkung entsprechender Tarifverträge.412 Art. 4 Abs. 1c ET greift dieses Grundrecht auf und gestaltet es in den Art. 82 ff. ET aus. Dabei beschreibt Art. 82 Abs. 1 ET den Tarifvertrag als Verhandlungsergebnis der Arbeitnehmer- und Arbeitgebervertreter, das Ausdruck eines frei ausgehandelten Interessenausgleichs kraft Tarifautonomie sei. Tarifverträge sind mithin auch in Spanien ein Mittel der Gegenmachtbildung bei der Vereinbarung materiellrechtlicher Arbeitsbedingungen.413 Im System arbeitsrechtlicher Gestaltungsfaktoren sind sie jedoch nicht in einer mit deutschen Tarifverträgen iSd. TVG vergleichbaren Weise der individuellen Autonomieebene als Quelle tariflicher Fremdbestimmung zuzuordnen. Das Tarifsystem Spaniens ist durch ein Nebeneinander sog. statutarischer und außerstatutarischer Tarifverträge geprägt. Statutarische Tarifverträge werden nach dem in Art. 82 ff. ET vorgesehenen Verfahren erlassen und verfügen von sich aus gem. Art. 82 Abs. 3 ET über eine erga-omnes-Wirkung. Die Tarifbindung der einzelnen Arbeitsvertragspartner ist also nicht an deren Mitgliedschaft bei den Tarifpartnern gekoppelt.414 Ein solcher Tarifvertrag hat Gesetzesrang415 und ist daher zwingend von den Parteien, die seinem Geltungsbereich unterfallen, zu beachten, ohne dass hierfür eine gesonderte Allgemeinverbindlicherklärung erforderlich wäre. Nach dem räumlichen Geltungsbereich gibt es Tarifverträge für das gesamte Staatsgebiet, für autonome Gebiete und für Provinzen, der fachliche Geltungsbereich kann sich beziehen auf bestimmte Wirtschaftssektoren, mehrere Unternehmen, ein Unternehmen oder nur einen Betrieb eines Unternehmens. Hinsichtlich des persönlichen Geltungsbereichs kann der Tarifvertrag für sämtliche Arbeitnehmer im räumlichen und fachlichen Geltungsbereich 412 Spanien ist insofern eines der wenigen EG-Mitgliedsländer, in denen die Tarifautonomie ausdrücklich als Grundrecht anerkannt wird, vgl. Birk, RdA 1995, 71 (72 f.). 413 Montoya Melgar, Derecho del Trabajo, 155 ff.; Alonso Olea/Casas Baamonde, Derecho del Trabajo, 776 ff. 414 Adomeit/Frühbeck, Einführung in das spanische Recht, § 20 V, weisen zu Recht auf die verfassungsrechtliche Bedenklichkeit einer derart allgemeinen Tarifunterworfenheit angesichts eines äußerst geringen gewerkschaftlichen Organisationsgrades von unter 29 % hin; allerdings verwundert dieser Organisationsgrad nicht, da aufgrund von Art. 82 Abs. 3 ET auch Außenseiter ohne weiteres von den Verhandlungsergebnissen der Tarifpartner profitieren, so dass insofern ein Anreiz für einen Beitritt fehlt. Gerade diese geringe Beitrittswilligkeit führt zudem zu einem Problem der positiven Koalitionsfreiheit, vgl. Zachert/Ojeda Avilés/Pérez Pérez in: Zachert, Die Wirkung des Tarifvertrags in der Krise, 83. 415 Alonso Olea/Casas Baamonde, Derecho del Trabajo, 845 ff.
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gelten oder aber nur für bestimmte Berufe oder Arbeitnehmergruppen. Der Verzicht auf das Kriterium der Tarifbindung führt dazu, dass derartige Tarifverträge nahezu flächendeckend gelten, so dass theoretisch auf fast jedes Arbeitsverhältnis mindestens ein Tarifvertrag anwendbar ist.416 Dies will jedoch das Konkurrenzverbot des Art. 84 Abs. 1 ET verhindern und schließt damit eine zwischen verschiedenen statutarischen Tarifverträgen bestehende funktionale Hierarchie aus, so dass im Sinne eines Prioritätsprinzips allein auf die zeitliche Abfolge der Verabschiedung der Tarifverträge abzustellen ist.417 Quasi als Ausgleich für die fehlende mitgliedschaftliche Legitimation statutarischer Tarifverträge wird die Verhandlungsbefugnis der Sozialpartner in Abhängigkeit von deren Repräsentativität eingeschränkt. Gem. Art. 87 Abs. 2 ET hängt die Verhandlungsbefugnis der Gewerkschaften bei Flächentarifverträgen von deren Reichweite ab: Zur Verhandlung eines sich über das gesamte Staatsgebiet erstreckenden Tarifvertrages sind diejenigen Gewerkschaften befugt, die auf staatlicher Ebene zahlenmäßig am stärksten vertreten sind und damit als am repräsentativsten gelten. Soweit der Tarifvertrag die Grenzen eines autonomen Gebietes nicht überschreitet, ist es die in diesem Gebiet als die stärkste geltende Gewerkschaft. In kleineren Bereichen muss die tarifschließende Gewerkschaft zumindest 10 % der Betriebsratsmitglieder oder Belegschaftsvertreter stellen. Auf der Arbeitgeberseite ist gem. Art. 87 Abs. 3 ET nur derjenige Arbeitgeberverband verhandlungsberechtigt, der im Geltungsbereich des Tarifvertrages mindestens 1/10 der Unternehmer stellt und dessen Mitglieder zumindest 10 % der betroffenen Arbeitnehmer beschäftigen. Firmen- bzw. Betriebstarifverträge können gem. Art. 87 Abs. 1 ET zwischen dem Arbeitgeber und dem Betriebsrat, Belegschaftsvertretern oder Gewerkschaftsvertretern geschlossen werden.418 IdR. gründet sich also die Tariffähigkeit einzelner Gewerkschaften nicht auf ihre durch die Mitgliederzahl bestimmte Größe, sondern auf die Anzahl der Interessenvertreter, die über ihre Wahlliste in die Vertretungsorgane der Arbeitnehmer innerhalb der Unternehmen und Betriebe gewählt wurden. Auf gesamtstaatlicher Ebene ist auf Seiten der Arbeitgeber einzig der Dachverband der spanischen Unternehmer CEOE (Confederación Española de Organisaciones Empresariales) repräsentativ. Die Gewerkschaftsseite zeichnet ein Bisyndikalismus aus, demzufolge UGT (Unión General de Trabajadores) und CCOO (Comisiónes Obreras) je ca. 40 % der Einheitsvertretungsposten auf gesamtstaatlicher Ebene auf sich vereinen.419 416
So Calle in: Henssler, Arbeitsrecht in Europa, Spanien Rz. 188 f. Alonso Olea/Casas Baamonde, Derecho del Trabajo, 867. 418 Diese Kompetenz des Betriebsrates bzw. der Personaldelegierten zum Tarifabschluss auf Betriebs- und Unternehmensebene steht in deutlichem Gegensatz zur Trennung des deutschen Rechts zwischen Betriebsvereinbarungen und Tarifverträgen, wobei §§ 77 Abs. 3, 87 Abs. 1 BetrVG letzteren eine Vorrangstellung einräumen. 419 Vgl. Kramer in: Bispinck/Lecher, Tarifpolitik und Tarifsysteme in Europa, 376. 417
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Im Vergleich zum TVG erweist sich das Tarifverhandlungsverfahren als in hohem Maße formalistisch, was allerdings der Gesetzesqualität der statutarischen Tarifverträge Tribut zollt. So muss die das Verhandlungsverfahren einleitende Seite gem. Art. 89 ET der anderen Partei gegenüber ihre Absicht zur Verhandlungsführung einschließlich des möglichen Tarifinhalts schriftlich bekannt geben. Die Empfängerpartei kann die Aufnahme entsprechender Verhandlungen ausschließlich aufgrund gesetzlicher oder vertraglich besonders eingeräumter Gründe ablehnen, so dass man von einer gesetzlichen Verhandlungspflicht der Tarifparteien sprechen kann. Binnen eines Monats ist sodann eine Verhandlungskommission einzuberufen und ein genauer Verhandlungszeitplan festzulegen. Art. 89 Abs. 3 ET verlangt eine über die normale Mehrheit hinausgehende interne Mehrheit für das Verhandlungsergebnis in jedem der beiden Lager, mithin ein positives Votum jeweils beider Vertretungen in der Verhandlungskommission. Diese besonders hohe Abstimmungsmehrheit bei der Schlussabstimmung kann zwar zu einer hohen Akzeptanz des Tarifvertrages, jedoch gerade wegen des Bisyndikalismus’ auf Gewerkschaftsseite auch zu Schwierigkeiten im Falle interner Uneinigkeiten führen. Ein u. U. dennoch zustande gekommenes Verhandlungsergebnis bedarf zu seiner Gültigkeit gem. Art. 90 ET der Registrierung bei der Arbeitsbehörde innerhalb von 15 Tagen nach der Unterzeichnung, schließlich muss der Tarifvertrag spätestens nach weiteren zehn Tagen im Amtsblatt (Boletín Oficial) veröffentlicht werden. Die Nähe statutarischer Tarifverträge zu staatlichen Gesetzen wird auch aus Art. 86 ET ersichtlich: Danach verlängert sich ein Tarifvertrag idR. um jeweils ein Jahr. Im Falle seiner Kündigung enden die schuldrechtlichen Verpflichtungen, nicht jedoch die normative Tarifwirkung, so dass auch die Bestimmungen eines nachwirkenden Tarifvertrages im Gegensatz zu § 4 Abs. 5 TVG idR. nicht individualvertraglich zu Lasten des Arbeitnehmers abbedungen werden können. Diese normative Nachwirkung gilt solange fort, bis ein neuer Tarifvertrag den bisherigen ersetzt. Trotz der statutarischen Tarifverträgen wesenseigenen erga-omnes-Wirkung kennt schließlich auch das spanische Recht eine Erstreckung der Tarifwirkung („extensión“): Nach Art. 92 Abs. 2 ET kann das Arbeitsministerium einen geltenden statutarischen Tarifvertrag auf bestimmte Bereiche ausdehnen, sofern der dortigen Aufnahme von Tarifverhandlungen besondere Schwierigkeiten entgegenstehen oder außergewöhnliche soziale und ökonomische Bedingungen dies erfordern. Zuvor ist eine paritätische Kommission, bestehend aus Vertretern der repräsentativsten Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbände, hierzu anzuhören. Im Unterschied zur Allgemeinverbindlicherklärung iSd. TVG geht es hier nicht um eine Normwirkungserstreckung auf ohnehin bereits erfasste Außenseiter, sondern um eine Ausweitung des tariflichen Geltungsbereichs420, dessen autonome Bestimmung im deutschen Tarifrecht in jedem Fall unangetastet bleibt. Demgegenüber ist die Wirkung außerstatutarischer Tarifverträge auf die Mitglieder der vertragsschließenden Parteien beschränkt. Derartige Verträge sind
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gesetzlich nicht geregelt, jedoch in der Praxis keineswegs unbedeutend, zumal gerade die o. g. Schwierigkeiten einer Einigung auf Gewerkschaftsseite iRd. formellen Verfahrens des Art. 89 Abs. 3 ET auch auf gesamtstaatlicher Ebene ein Ausweichen auf formfreie Tarifverträge nahelegen, um einem in der Sache praktikablen Verhandlungsergebnis dennoch Wirkung zu verleihen. Hinzu kommt die durch das Kriterium der Repräsentativität eingeschränkte Tariffähigkeit, die das ET auf einfach-gesetzlicher Ebene im Sinne einer Ausgestaltung der Tarifautonomie vornimmt, während das vom spanischen Verfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung anerkannte Recht zur Aushandlung von Kollektivverträgen als Element der durch Art. 28 Abs. 1 CE iVm. Art. 7 CE geschützten Betätigungsfreiheit der Koalitionen421 einen sehr viel weiteren Umfang hat. Diese Einschränkung der Tariffähigkeit im Hinblick auf statutarische Tarifverträge ist als Preis für deren gesetzesgleiche erga-omnes-Wirkung anzusehen und damit zu rechtfertigen. Sie erzwingt aber geradezu die Anerkennung außerstatutarischer Tarifverträge, da ansonsten die verfassungsrechtlich in Art. 37 Abs. 1 CE ausdrücklich geschützte Tarifautonomie in weiten Bereichen leer laufen würde. Dementsprechend werden außerstatutarische Tarifverträge allgemein anerkannt.422 Allerdings ist die Wirkung derartiger Tarifverträge umstritten. Herrschend wird (insbesondere von der Rechtsprechung) ein normativer Charakter abgelehnt und ein außerstatutarischer Tarifvertrag als eine rein obligatorische Verpflichtung angesehen, die von den Tarifpartnern in ihrer Eigenschaft als Stellvertreter der Arbeitsvertragsparteien für letztere begründet worden ist.423 Zum Arbeitsvertragsinhalt werden die Bestimmungen des Tarifvertrages infolge ihrer individualvertraglichen Inkorporation. Dieser vertragliche Charakter außerstatutarischer Tarifverträge bedingt mithin eine rein schuldrechtliche Wirkung. Dementsprechend setzen sie sich als individualvertragliche Vereinbarungen nur im Falle für den Arbeitnehmer günstigerer Regelungen gem. Art. 3 Abs. 1c ET gegenüber statutarischen Tarifverträgen durch. Die infolge des Wegfalls der Tarifbindung als Normwirkungskriterium absolute Wirkung statutarischer Tarifverträge erweist sich nach alledem als interventionistisch, während andererseits außerstatutarischen Tarifverträgen aufgrund ihres ausschließlich individualarbeitsvertraglichen und damit rein relativen Charakters die für deutsche Tarifverträge typische Fremdbestimmung fehlt. Im
420 Eine solche Geltungsbereichserstreckung ist EG-weit eine Ausnahme und außer in Spanien nur in Frankreich und Österreich vorgesehen, vgl. Rebhahn, RdA 2002, 214 (217). 421 Vgl. Tribunal Constitucional, Urt. v. 1.7.1992 – 2054/88 –, ArbuR 1993, 95; Montoya Melgar, Derecho del Trabajo, 164 f. 422 Alonso Olea/Casas Baamonde, Derecho del Trabajo, 889 ff.; a. A. Montoya Melgar, Derecho del Trabajo, 169 f. (Nichtigkeit außerstatutarischer Tarifverträge). 423 Nachweise bei Montoya Melgar, Derecho del Trabajo, 17; Alonso Olea/Casas Baamonde, Derecho del Trabajo, 891.
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zweipoligen Gefüge auch des spanischen Rechtssystems424 lässt sich der außerstatutarische Tarifvertrag daher eindeutig der Ebene der Selbstbestimmung des Einzelnen und damit der originären Autonomie zuordnen, während der Rechtsnormcharakter statutarischer Tarifverträge über eine Intensität der Fremdbestimmung verfügt, die ihn sehr stark der derivativen Regelungsmacht des Staates annähert. Denn der Normzwang statutarischer Tarifverträge lässt sich nicht mit einer privatautonomen Entscheidung des Normunterworfenen legitimieren, auch ist der Grad der hierbei von außen auf das Arbeitsverhältnis erfolgenden Einwirkung intensiver als bei Tarifverträgen iSd. TVG. Im Gegensatz zur mitgliedschaftlich legitimierten Fremdbestimmung des Individuums durch deutsche Tarifverträge versteht sich Tarifautonomie in der Hierarchie arbeitsrechtlicher Gestaltungsfaktoren des spanischen Rechts daher nicht wirklich als Delegation privater Autonomie; Tarifrecht ist hier entweder der Sphäre staatlichen Rechts oder rein privatautonomer, im Wege der Stellvertretung getroffener Vereinbarungen zuzuordnen. bb) „Convenios colectivos“ iSd. Art. 3 Abs. 4 spEntG Angesichts dieser erheblichen Unterschiede zwischen den beiden Kollektivvertragsarten des spanischen Tarifrechts stellt sich nur scheinbar die Frage danach, welchen Kollektivvereinbarungen Art. 3 Abs. 4 spEntG internationale Tarifmacht verleiht. So verwenden Art. 3 Abs. 4 spEntG und Art. 82 Abs. 1 ET übereinstimmend den Begriff „convenios colectivos“, wobei Art. 82 ET damit die nach dem ET ausgehandelten Tarifabschlüsse bezeichnet, so dass aus systematischen Gründen auch bei Art. 3 Abs. 4 spEntG von einem entsprechenden Begriffsverständnis auszugehen ist. Zudem ist der von Art. 3 Abs. 1, 8 Satz 2 EG-RL 96/71 geforderte, individualvertragliche Autonomien beschränkende Normzwang in außerstatutarischen Tarifverträgen gerade nicht enthalten. Auch würden rein schuldrechtlich auf der Ebene individueller Arbeitsverträge wirkende Kollektivverträge nicht die von Art. 3 Abs. 8 Satz 3 EG-RL 96/71 postulierte Gleichbehandlung sicherstellen. Schließlich weist auch der Wortlaut des Art. 3 Abs. 4 spEntG auf statutarische Tarifverträge hin, deren Anwendbarkeit sich ausschließlich nach ihrem räumlichen und fachlichen Geltungsbereich richtet, da Art. 3 Abs. 4 spEntG exakt diese Aspekte ausdrücklich nennt. Allerdings müssen derartige Tarifverträge mit von vornherein bestehender erga-omnesWirkung ihren Geltungsbereich nach dem Arbeitsortprinzip ausrichten, um Verstöße gegen das Diskriminierungsverbot ausländischer Dienstleistungserbringer zu verhindern. Unter diesen Bedingungen verleiht Art. 3 Abs. 4 spEntG statutarischen Tarifverträgen internationale Tarifmacht und macht damit von der durch 424 Zur entsprechenden Zweipoligkeit des deutschen Rechtssystems s. o. unter Teil 1 § 1 B. I. 2. a) cc) (1).
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Art. 3 Abs. 8 Satz 2 EG-RL 96/71 eröffneten Möglichkeit im Hinblick auf per se allgemein verbindliche Tarifverträge Gebrauch. cc) Legitimation internationaler Tarifmacht Die internationale Tarifmacht iSd. Art. 3 Abs. 4 spEntG intensiviert die interventionistische Wirkung statutarischer Tarifverträge und verstärkt deren wettbewerbsausschließende Kartellwirkung. Im Hinblick auf die Lohnhöhe wird auf diese Weise das gleichgeschaltete Niveau des gesetzlichen Mindestlohns angehoben. Eine solche Intensivierung staatlicher Lohnkartellierung stößt allerdings in der spanischen Rechtsordnung auf einen im Vergleich zu Deutschland geringeren Widerstand. Denn hier existiert mit der Normunterwerfung durch statutarische Tarifverträge bereits ein verfassungsrechtlich gebilligtes ordnungspolitisches Konzept, das stark in individuelle Autonomien eingreift und den Arbeitsvertragsinhalt in einem Maße von außen steuert, dessen Fremdbestimmung nicht mehr vom konkret unterworfenen Individuum ableitbar ist. Im Vergleich zur Allgemeinverbindlicherklärung iSd. TVG beschränkt dieses Konzept auch kollektive Autonomien, da den Tarifpartnern keinerlei Entscheidungskompetenz dahingehend eingeräumt wird, ob sie der Normwirkung ihres statutarischen Tarifvertrages auch Außenseiter unterwerfen möchten. Auch weist die gesetzliche Mindestlohngarantie darauf hin, dass der spanische Staat kein Vertrauen in die Kompetenz der Tarifpartner zur angemessenen Lohnfindung setzt, das mit dem des deutschen BVerfG vergleichbar wäre. Autonomiebegrenzungen durch spanische Gesetze und Tarifverträge sind mithin bereits auf rein nationaler Ebene weiterreichender als in Deutschland. Dieses interventionistische Modell überträgt Art. 3 Abs. 1 spEntG hinsichtlich bestimmter, teils wettbewerbsrelevanter Arbeitsbedingungen auf den unter einem grenzüberschreitenden Arbeitnehmereinsatz erfolgenden internationalen Dienstleistungsverkehr. Ein dadurch bedingter Eingriff in individuelle Vertragsund Rechtswahlfreiheiten wie auch in die Wettbewerbsfreiheit der ausländischen Marktteilnehmer lässt sich durch Arbeitnehmerschutzinteressen als überwiegende Allgemeinwohlbelange rechtfertigen. Dies gilt umso mehr, als die Ausrichtung des spEntG am Arbeitnehmerschutz im Gegensatz zum AEntG vorrangiges gesetzgeberisches Motiv ist und das spEntG zudem den Umsetzungsauftrag der EG-RL 96/71 nicht in seiner Regelungsintensität, sondern grundsätzlich lediglich in seinem Regelungsumfang überschreitet und dabei den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz wahrt. Mangels eines mitgliedschaftlichen Legitimationskonzeptes verstoßen statutarische Tarifverträge in ihrer Eigenschaft als entsenderechtliche Eingriffsnormen sui generis zudem nicht gegen die negative Koalitionsfreiheit. Zwar billigt Art. 3 Abs. 1h spEntG dieses Freiheitsrecht auch ausländischen Arbeitsvertragsparteien ausdrücklich zu. Jedoch macht der Wortlaut des Art. 28 Abs. 1 Satz 2 CE deutlich, dass die negative Koalitionsfreiheit
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nur den Beitrittsakt als solchen und nicht auch die Freiheit vor tariflicher Fremdbestimmung schützt, was auch in systematischer Hinsicht dem Tarifrechtskonzept der Art. 82 ff. ET entspricht. Im Übrigen ließe sich ein Eingriff, selbst wenn man ihn doch bejahen würde, durch die Arbeitnehmerschutzausrichtung des spEntG rechtfertigen.425 Die Frage nach der Legitimation der internationalen Tarifmacht statutarischer Tarifverträge stellt sich dennoch, und zwar in Anbetracht der Loslösung des Tarifstatuts vom Arbeitsvertragsstatut sowohl bezüglich der ausländischen Normunterworfenen als auch hinsichtlich ausländischer Tarifparteien, deren Tarifmacht durch den internationalen Geltungsanspruch der entsenderechtlich zwingenden Tarifverträge verdrängt wird. In Übereinstimmung mit der EG-RL 96/ 71 nimmt auch Art. 3 Abs. 1, 4 spEntG den ausländischen Tarifparteien ein Kernelement ihrer Tarifautonomie, nämlich die grundsätzliche Befugnis, auf den Inhalt von Arbeitsverhältnissen regelnd Einfluss zu nehmen. Diesen Wesensgehalt koalitionsspezifischer Betätigungen garantiert auch Art. 37 Abs. 1 CE, der seinen Schutzbereich zudem nicht auf inländische Koalitionen beschränkt.426 Auch wenn die regelnde Einflussnahme auf den Arbeitsvertragsinhalt durch statutarische Tarifverträge die Wirkung eines staatlichen Gesetzes hat, ist dessen Inhalt aber auch hier im Ursprung ein durch Gegenmachtbildung erzieltes vertragliches Verhandlungsergebnis. Ein derartiger Ausgleich ansonsten gestörter Vertragsparität wurzelt im spanischen Arbeitsmarkt und in dessen wirtschaftlichen und sozialen Bedingungen. Die Tarifpartner schaffen auf diese Weise einen marktspezifischen Ausgleich für diejenigen Arbeitnehmer, die diesem Arbeitsmarkt auch zuzuordnen sind. Dieser Arbeitsmarktbezug sowohl des Tarifinhaltes als auch der ihm unterworfenen Arbeitsverhältnisse sorgt für eine Legitimation der Fremdbestimmung. Die entsprechende Legitimationswirkung kann aber ausländische entsandte Arbeitnehmer nicht erfassen, deren Arbeitsverhältnis seinen Schwerpunkt im Entsendestaat hat. Dieses Defizit wiegt umso schwerer, als Tarifrechtsmodelle mit von vornherein bestehender erga-omnesWirkung durch den Verzicht auf jedwede mitgliedschaftliche Legitimation auf den Arbeitsmarktbezug als einzige sachliche Legitimation dringend angewiesen sind. Im spanischen Recht wird dies insbesondere dadurch deutlich, dass Art. 87 ET mit der Repräsentativität der Sozialpartner ein besonderes Legitimationskriterium anführt und dabei den Begriff dieser Repräsentativität auf den spanischen Arbeitsmarkt bezieht. Dadurch wird aber der Legitimationsmangel der verdrängenden Wirkung der durch diese Sozialpartner vereinbarten tariflichen 425 Zur entsprechenden Rechtfertigung eines Eingriffs in Art. 11 EMRK durch die EG-RL 96/71 s. o. unter Teil 2 § 1 B. II. 4. b) bb) (1). 426 So bestimmt Art. 37 Abs. 1 CE ausdrücklich: „Das Gesetz garantiert das Recht zu Kollektivverhandlungen zwischen den Vertretern der Arbeitnehmer und der Arbeitgeber, wie auch die Bindungswirkung der Vereinbarungen.“ (Übersetzung durch die Verf.).
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Eingriffsnormen iSd. Art. 3 Abs. 1, 4 spEntG im Hinblick auf ausländische Arbeitsvertragsparteien und Tarifpartner offensichtlich. III. Flankierende Sicherungsmaßnahmen Gem. Art. 5 EG-RL 96/71 obliegt es den Mitgliedstaaten, die Einhaltung des internationalen Normzwangs entsenderechtlicher Eingriffsnormen sicherzustellen. Im Vergleich zum AEntG enthält das spEntG insofern sehr viel ausführlichere Regelungen, die wiederum als Indiz für eine vorrangige Ausrichtung am Arbeitnehmerschutz wirken. So richtet Art. 7 spEntG eine Informationsstelle bei den Arbeitsbehörden ein, die die Informationsbeschafftung ausländischer Entsendeunternehmen über in Spanien einzuhaltende entsenderechtliche Arbeitsbedingungen erleichtern soll. Als Belastung des ausländischen Entsendeunternehmens wirken sich administrative Mitwirkungspflichten aus, die im Gegensatz zum AEntG zudem die Einhaltung nicht nur tariflicher Gehalts- und Urlaubsbestimmungen, sondern sämtlicher entsenderechtlicher Eingriffsnormen iSd. Art. 3 spEntG sicherstellen sollen. Vor der Entsendung unterliegt der Arbeitgeber umfangreichen Meldepflichten gem. Art. 5 spEntG, die inhaltlich der Anmeldung iSd. § 3 AEntG entsprechen. Allerdings ermöglicht die für kurzfristige Entsendungen iSd. Art. 2 Abs. 1 Satz 1a und b spEntG von bis zu acht Tagen geltende Befreiung des Art. 5 Abs. 3 spEntG von der Meldepflicht flexible Einzelfalllösungen. Demgegenüber werden die Meldepflichten durch Art. 5 Abs. 4 spEntG im Hinblick auf Arbeitnehmerüberlassungen erweitert. Eine § 2 AEntG entsprechende Pflicht zur Vorlage von Unterlagen enthält Art. 6 spEntG. Aufgrund des unmittelbaren Rechtfertigungszusammenhangs zwischen administrativen Kontrollpflichten und der entsenderechtlichen Pflichtenstellung des Art. 3 Abs. 1 spEntG als Kontrollgegenstand lässt sich der in diesen Mitwirkungspflichten liegende Eingriff in Art. 49 EGV ebenfalls mit Arbeitnehmerschutzerwägungen rechtfertigen, zumal die Ausnahme des Art. 5 Abs. 3 spEntG die Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes absichert. Allerdings ist auch hier in jedem Einzelfall das Verbot der Verdoppelung administrativer Pflichten zu beachten.427 Ähnlich der Bürgenhaftung des § 1a AEntG haften spanische Entleihunternehmen und Dienstleistungsempfänger gemäß der zweiten Ergänzungsbestimmung des spEntG für die gegenüber dem entsandten Arbeitnehmer bestehenden entsenderechtlichen Verbindlichkeiten des Entsendeunternehmens. Diese Haftung erstreckt sich nach dem Wortlaut der Norm im Unterschied zu § 1a AEntG nicht über die gesamte Auftragskette, sondern ist für die Beteiligten des Dreiecksverhältnisses überschaubar. Dennoch bestehen auch hier erhebliche Be427 Vgl. EuGH, Urt. v. 23.11.1999 – verb. Rs. C-369, 376/96 (Arblade und Leloup) –, Slg. 1999, I-8453 Rz. 64.
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denken gegenüber einer solchen Überantwortung eigentlich staatlicher Überwachungspflichten auf die Ebene Privater; denn wiederum fehlt es an einem hinreichenden Zurechnungskriterium als Haftungsvoraussetzung. Nichtsdestotrotz lässt sich auch hier der in den infolge des Haftungsrisikos spanischer Vertragspartner verringerten Chancen einer grenzüberschreitende Dienstleistungserbringung liegende Eingriff in Art. 49 EGV durch das Arbeitnehmerschutzziel des spEntG rechtfertigen. Die Ausrichtung am Arbeitnehmerschutz wird schließlich ganz besonders deutlich in der ersten Ergänzungsbestimmung des spEntG: Diese Vorschrift verpflichtet spanische Entsendeunternehmen, die ihre Dienstleistung in anderen Mitgliedstaaten erbringen, ausdrücklich und unter Androhung von Sanktionen zur Einhaltung der dortigen entsenderechtlichen Eingriffsnormen und stellt zugleich mit den spanischen Arbeitsbehörden eine Informationsstelle bereit, bei der sich die betroffenen Unternehmen über die im jeweiligen Einsatzstaat geltenden Arbeitsbedingungen informieren können. Entsprechende Verpflichtungen werden somit doppelt abgesichert, und zwar sowohl durch die Eingriffsnormen sui generis des Einsatzstaates als auch durch das spEntG als Vorschrift des Entsendestaates. Besonders bemerkenswert ist dies vor dem Hintergrund, dass Spanien als Niedriglohnland auf diese Weise selbst seinen eigenen Unternehmen einen internationalen Wettbewerbsvorteil nimmt und damit gleichsam willentlich seine Exportanteil verringert, auch wenn die betroffenen Unternehmen im Einsatzstaat von den dortigen Entsendegesetzen ohnehin erfasst werden. In dieser Vorschrift wird daher mehr als deutlich, dass der spanische Gesetzgeber mit seinem Umsetzungsakt nicht wirtschaftliche Interessen verfolgt, sondern eine Erhöhung des Arbeitnehmerschutzes.
§ 3 Erforderlichkeit entsenderechtlicher Mobilitätsschranken A. Lauterkeit des grenzüberschreitenden Dienstleistungswettbewerbs Die Ausnutzung mobilitätsspezifischer Wettbewerbsvorteile im grenzüberschreitenden Dienstleistungsverkehr ist nicht per se unlauter, sondern erst dann, wenn sie sich in nicht hinnehmbarer Weise zu Lasten anderer und damit als Rechtsmissbrauch auswirkt. In Teil 2 §§ 1 und 2 dieser Untersuchung ist deutlich geworden, dass die für die Charakterisierung eines Wettbewerbsverhaltens als unlauter erforderliche Interessenabwägung428 nur die Dienstleistungsfreiheit und den Arbeitnehmerschutz als Abwägungsmaterial zulässt, nicht jedoch 428
Hierzu s. o. unter Teil 1 § 1 B. III. 2.
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Marktabschottungsinteressen einzelner Mitgliedstaaten. Denn letztere laufen den Binnenmarktzielen der Marktfreiheit und -gleichheit unmittelbar zuwider. Dementsprechend definiert das Lauterkeitsmodell der Entsenderichtlinie den unter einem mobilen Arbeitnehmereinsatz erfolgenden grenzüberschreitenden Wettbewerb dann als fair, wenn dabei das vergleichsweise höchste Arbeitnehmerschutzniveau eingehalten wird. Allerdings bewirkt diese durch das Günstigkeit bedingte Relativität des durch die EG-RL 96/71 gemeinschaftsrechtlich vorgeschriebenen Arbeitnehmerschutzniveaus faktisch dessen Erhöhung und erschwert dadurch den freien Dienstleistungsverkehr, was im Zeitpunkt des Richtlinienerlasses zu einer Kompetenzanmaßung führen musste.429 Aber auch einem Neuerlass der Entsenderichtlinie auf der Basis des Art. 65 lit. b iVm. Art. 61 lit. c EGV stehen schwerwiegende ordnungspolitische Bedenken entgegen: Denn das Lauterkeitsmodell der EG-RL 96/71 erweist sich als europarechtlich untaugliches Mittel zur Sicherstellung eines gemeinschaftsweiten Arbeitnehmerschutzniveaus. So bewegen sich entsenderechtliche Eingriffsnormen sui generis denknotwendig in einer Grauzone zwischen zulässigem Arbeitnehmerschutz und unzulässiger Marktabschottung. Da jedes vom EuGH anerkannte Allgemeininteresse zwangsläufig einen wettbewerbsbeschränkenden Reflex aufweist, bemisst sich die Gemeinschaftsrechtskonformität derartiger Eingriffe in Art. 49 EGV danach, welcher Effekt beabsichtigt ist und welche Folge sich lediglich als ungewollte „Kehrseite der Medaille“ darstellt. In Anbetracht der Eigenschaft der Marktfreiheiten als wesentliches Gemeinschaftsgut und -ziel ist dieses Kriterium des überwiegenden Regelungsmotivs unverzichtbar, um im Binnenmarkt untragbare Marktabschottungsabsichten einzelner Mitgliedstaaten auszuschließen. Wie der Vergleich zwischen dem spanischen und dem deutschen Umsetzungsakt aber zeigt, führen unterschiedliche Gesetzgebungsmotive zu entsprechend unterschiedlichen Ergebnissen hinsichtlich der Wirksamkeit entsenderechtlicher Autonomiebegrenzungen. Diese Unterschiede sind repräsentativ für die jeweilige Rechtslage in Hoch- und Niedrig- bzw. gemäßigten Hochlohnstaaten, sie sind jedoch in hohem Maße unbefriedigend für ein europaweit Geltung beanspruchendes Ausgleichsmodell, wie es die EG-RL 96/71 enthält. Die entsprechende Gefahr liegt im kollisionsrechtlichen Ansatz der Entsenderichtlinie. Nur scheinbar enthält die bloße Koordinierung nationalen Kollisionsrechts eine verhältnismäßige, nationale Souveränitäten iSd. Subsidiaritätsprinzips des Art. 5 EGV weitestmöglich respektierende Lösung. Denn ein im Wege der kollisionsrechtlichen Verweisungstechnik zu erzielender Arbeitnehmerschutzstandard unterliegt zwangsläufig erheblichen Schwankungen, je nach dem welches Rechtssystem Anwendung findet, so dass von Seiten des europäischen Gesetzgebers ganz bewusst auf die nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ge429
s. o. unter Teil 2 § 1 B. I. 1. und 2.
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Teil 2: Autonomiebegrenzung durch Entsenderecht
botene Beschränkung auf das mildeste Mittel verzichtet wurde. Diese Ergebnisoffenheit beruht auf der Unterschiedlichkeit nationaler Arbeitnehmerschutzniveaus und öffnet zugleich den dominierenden Marktabschottungsabsichten einzelner Mitgliedstaaten Tür und Tor. Der Vergleich mit dem spanischen Umsetzungsakt hat zudem gezeigt, dass dieser kollisionsrechtliche Ansatz über keine umfassende praktische Relevanz verfügt, sondern an einer einseitigen Marktbewegung von Niedrig- zu Hochlohnstaaten ausgerichtet ist. Denn die autonomiebegrenzende Bedeutung entsenderechtlicher Bestimmungen hängt von der Herkunft des Entsendeunternehmens ab, so dass Entsenderecht bei einer Lokalisierung des Arbeitsvertragsstatuts in Niedriglohnländern auf deutlich mehr Fälle anwendbar ist als bei in Hochlohnländern verwurzelten Arbeitsverhältnissen. Entsenderecht setzt auf diese Weise eine durch die einseitige Ausrichtung des grenzüberschreitenden Wettbewerbs bedingte Einbahnstraße des Marktverhaltens voraus, die im Entsendestaat mit dem EG-intern höchsten Lohnniveau als Sackgasse endet. Diesem Bild der Einbahnstraße entsprechend verändert sich auch das hinter nationalen Entsendegesetzen stehende gesetzgeberische Regelungsmotiv von Arbeitnehmerschutzintentionen in Niedriglohnländern hin zu Marktabschottungsbestrebungen in Hochlohnländern. Das auf Wettbewerbsfreiheit ausgerichtete Konzept des EG-Binnenmarktes lässt jedoch eine solche Wandelbarkeit des Lauterkeitsbegriffes nicht zu. Auch wenn man hinsichtlich der EG-RL 96/71 noch auf ein überwiegendes Arbeitnehmerschutzinteresse des europäischen Gesetzgebers abstellen kann, so wird der faktisch zugunsten der Hochlohnländer wirkende Marktabschottungseffekt mehr als offensichtlich und stellt das Arbeitnehmerschutzkonzept auch der Richtlinie in ein zunehmend fragwürdiges Licht. Zudem verwundert, dass dieses Arbeitnehmerschutzkonzept nicht auch auf das internationale Sozialversicherungsrecht der VO (EWG) Nr. 1408/71 übertragen wird, die ihrerseits nichts anderes als die soziale Sicherung der Arbeitnehmer bezweckt, dabei aber unverändert auf den Schwerpunkt des Arbeitsverhältnisses im Entsendestaat abstellt.430 Schließlich lässt die Richtlinie die Folgen für die von den entsenderechtlichen Wettbewerbsschranken mittelbar betroffenen Arbeitnehmern aus Niedriglohnstaaten außer acht, um deren Schutz es gehen soll, die aber infolge des Auftragswegfalls ihrer Arbeitgeber von Arbeitslosigkeit bedroht sind. Das Lauterkeitsmodell der EG-RL 96/71 ist somit auch im Hinblick auf seine Arbeitnehmerschutzausrichtung letztlich nicht konsequent. Nach alledem erscheint es vorzugswürdig, gänzlich auf einen kollisionsrechtlichen Lösungsansatz mit seiner Relativität und dadurch bedingten Ergebnisoffenheit sowie seiner Einseitigkeit und faktischen Marktabschottungstendenz zu verzichten und den Begriff der Lauterkeit des unter einem mobilen Arbeitnehmereinsatz erfolgenden grenzüberschreitenden Dienstleistungswettbewerbs mit 430
Hierzu s. o. unter Teil 1 § 2 A. II. 2. c) cc).
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der Einhaltung eines gemeinschaftsweit einheitlichen Mindestarbeitnehmerschutzniveaus zu verknüpfen. Eine solche Sachrechtsvereinheitlichung in Höhe des gemeinschaftsweit konsensfähigen Minimums eines unverzichtbaren Arbeitnehmerschutzniveaus schließt zwar insofern Wettbewerb aus und intensiviert die Kartellwirkung entsprechender Gesetze bzw. Verordnungen. Gemeinsam mit dem Verzicht auf den Wettbewerb nationaler Systeme würden dadurch auch die für die Existenz mobilitätsbedingter Wettbewerbsvorteile maßgeblichen Geltungsgrenzen einzelner Regelungssysteme entfallen. Ein auf individuelle Freiheiten und Autonomien gegründeter Wirtschaftsraum muss jedoch zugleich für menschenwürdige Daseinsbedingungen sorgen, was eine menschenwürdige Ausgestaltung von Arbeitsbedingungen verlangt. Über einen solchen gemeinschaftsweiten Mindestkonsens als unverzichtbar erachteten Sockel hinaus würde den Mitgliedstaaten freilich die Möglichkeit verbleiben, dieses Mindestniveau durch nationale Arbeitnehmerschutznormen zu überschreiten, die, wie zeitlich vor dem Erlass von Entsenderecht, als Bestandteil des objektiven Arbeitsvertragsstatuts lediglich intern zwingend wirken. Hinsichtlich solcher nationaler Vorschriften bestünde dann weiterhin ein Systemwettbewerb, und entsprechende Unterschiede könnten von den einzelnen Marktteilnehmern als Wettbewerbsvorteile genutzt werden. Dieser Wettbewerb ist wichtig, weil das Funktionieren sozialer Sicherung vom ökonomischen Wirkungsgrad einer Wirtschaftsordnung abhängt. Freier Wettbewerb kann so eine Erhöhung des sozialen Niveaus als mittelbare Folge haben, denn es ist keineswegs zwingend, dass eine zwischen den EG-Mitgliedstaaten bestehende Standortkonkurrenz stets zu einer Verschlechterung sozialer Standards führen muss. Ebenso wenig ist gesichert, dass sich im Wettbewerb stets die Unternehmen mit geringen Lohnkosten gegenüber Unternehmen aus Hochlohnländern mit ggf. besseren Realkapitalausstattung und einer höheren fachlichen Qualifikation ihrer Arbeitnehmer durchsetzen, mithin die billigere Leistung gegenüber der qualitativ besseren Leistung. Ein in einem weiten Umfang fortbestehender Wettbewerb von Individuen und Systemen wird auf längere Sicht zu einer faktischen Angleichung der wirtschaftlichen Verhältnisse in den Mitgliedstaaten führen, die als Motor für eine sich daran anschließende, über das o. g. Arbeitnehmerschutzminimum hinausgehende Rechtsangleichung wirken kann. Eine sozialpolitische Angleichung ergibt sich mithin aus dem faktischen Wirken des Gemeinsamen Marktes auf der Basis eines harmonisierten Arbeitnehmerschutzsockels, flankiert durch eine allmähliche weitergehende Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften. Das wettbewerbsausschließende Entsenderecht wirkt insofern eher kontraproduktiv im Hinblick auf eine Angleichung der Lebensverhältnisse als Grundlage einer Vertiefung der europäischen Integration. Eine Beschränkung der Begrenzung von Autonomien auf die gemeinschaftsweit einheitliche Festsetzung existenzsichernder Mindestarbeitsbedingungen
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hätte darüber hinaus den positiven Effekt, dass auf diese Weise eine Unterwerfung unter die von Dritten in einem anderen nationalen rechtlichen und wirtschaftlichen Kontext getroffenen Regelungen vermieden würde, die unter einer erheblichen Legitimationsschwäche im Hinblick auf Arbeitsverhältnisse mit anderweitiger Arbeitsmarktzuordnung leidet. Denn ein Grundsatz gleicher Arbeitsbedingungen am gleichen Ort lässt sich im internationalen Wirtschaftsverkehr genauso wenig rechtfertigen wie auf rein nationaler Ebene. Gemeinschaftsweit einheitliche, absolute Mindestarbeitsbedingungen haben in ordnungspolitischer Hinsicht trotz ihrer gleichschaltenden und damit jeglichen Wettbewerb ausschließenden Folgen letztlich eine sehr viel schwächere Lenkungswirkung als entsenderechtliche Eingriffsnormen sui generis. Ein entsprechend einheitlicher Schutzstandard würde den Wettbewerb und die sozialpolitische Entwicklung der EG mithin begünstigen. Allerdings hängt der Erlass entsprechender Richtlinien auf der Grundlage des Art. 137 Abs. 2b EGV davon ab, welche Regelungsbereiche zwischen den Mitgliedstaaten politisch konsensfähig und damit einer gemeinschaftsweiten Angleichung überhaupt zugänglich sind. Nach der derzeitigen Rechtslage wird ein solcher Konsens gerade im Hinblick auf die Arbeitsbedingung mit der größten Wettbewerbsrelevanz, nämlich die Lohnhöhe, durch Art. 137 Abs. 5 EGV ausdrücklich ausgeschlossen, so dass es insofern vorerst beim Wettbewerb der einzelnen Rechtssysteme und der in diesen nach dem objektiven Arbeitsvertragsstatut verhafteten Marktteilnehmern bleiben muss.
B. Marktpluralität als Legitimationsproblem Insbesondere im Zusammenhang mit der Loslösung des Tarifstatuts vom Arbeitsvertragsstatut ist ein weiteres Problem entsenderechtlicher Autonomiebegrenzungen deutlich geworden: das asymmetrische Nebeneinander des auf einen gemeinsamen Markt ausgerichteten Binnenmarktkonzeptes iSd. Art. 2, 12, 14 Abs. 2 EGV und der Koexistenz einer Vielzahl nationaler Arbeitsmärkte, deren rechtliche und wirtschaftliche Rahmenbedingungen als Wettbewerbsfaktoren auf die Ausübung tätigkeitsbezogener Marktfreiheiten wie der Dienstleistungsfreiheit einwirken. Diese Arbeitsmarktpluralität führt zu unterschiedlichen Anbindungen der Arbeitsverhältnisse, die bei grenzüberschreitenden Arbeitnehmereinsätzen erst sichtbar werden. Das Entsenderecht versucht, diese Arbeitsmarktzuordnungen zu lösen, und zwar mit der Intention, infolge des Imports ausländischer Arbeitsvertragsstatute „gespaltene Arbeitsmärkte“ zu verhindern; in Wirklichkeit verstärkt eine solche Entkoppelung jedoch die Isolation nationaler Arbeitsmärkte, was aber in einem Raum ohne Binnengrenzen iSd. Art. 14 Abs. 2 EGV als europäisches Integrationsziel nicht gewollt sein kann. Auch insofern ist stattdessen die Wirkung der Marktfreiheiten als Motor einer mittelbar auch die Arbeitsmarktordnungen erfassenden Rechtsangleichung zu nutzen.
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Solange aber die sozialpolitische Kompetenz, abgesehen von Basisangleichungen iSd. Art. 136 ff. EGV, bei den Mitgliedstaaten verblieben ist, hat die Anbindung des einzelnen Arbeitsverhältnisses an diejenige nationale Arbeitsmarktordnung, in der es seinen tatsächlichen oder wirtschaftlichen Schwerpunkt hat, durchaus ihre Berechtigung. Dies betrifft insbesondere die bipolaren Parteiinteressen dienenden, intern zwingenden Bestimmungen iSd. Art. 30 EGBGB, die im arbeitsvertraglichen Austauschverhältnis für einen Ausgleich ansonsten gestörter Vertragsparität sorgen. Hier sorgt das Arbeitsvertragsstatut als Recht der tatsächlichen oder wirtschaftlichen Anbindung tatsächlich für eine sachgerechte Lösung, indem der jeweilige Einzelfall demjenigen gesetzlichen oder tariflichen Interessenausgleich unterworfen wird, der unter den wirtschaftlichen und sozialen Bedingungen zustande gekommen ist, die für das Arbeitsverhältnis wegen seines dortigen Schwerpunktes tatsächlich prägend sind. Ein solcher Arbeitsmarktbezug sorgt mithin für eine viel stärkere sachliche Legitimation als die über einen kurzen Arbeitseinsatz nicht hinausgehende, oberflächliche Berührung des entsandten Arbeitnehmers mit dem Einsatzstaat. Dies ignoriert das Entsenderecht; es leidet auf diese Weise unter einem erheblichen Legitimationsdefizit. Aus dieser Anbindung des Arbeitsverhältnisses an seinen tatsächlichen bzw. wirtschaftlichen Schwerpunkt wird zudem eine Grundkonstante des arbeits- und sozialrechtlichen Kollisionsrechts deutlich, die sich darüber hinaus auch im betriebsverfassungsrechtlichen Kriterium der fortwährenden betriebsbezogenen Zweckerfüllung431 sowie im sozialversicherungsrechtlichen Ausstrahlungsbegriff432 wieder findet. Die Bedeutung der unmittelbaren Arbeitsmarktbezogenheit des einzelnen Arbeitsverhältnisses verstärkt sich nochmals im Hinblick auf Tarifverträge, deren Verhandlungspartner die arbeitsmarktspezifischen und in dessen Rahmenbedingungen eingebundenen Interessen der von ihnen Vertretenen bündeln und sodann in das konkrete Verhandlungsergebnis einfließen lassen. Tarifliche Eingriffsnormen sui generis verzichten auf eine solche sachliche Legitimation des konkreten Tarifinhaltes, indem sie das Tarifstatut vom Arbeitsvertragsstatut loslösen. §§ 1 und 2 des Teils 2 dieser Untersuchung haben gezeigt, dass sich die entsprechende Begrenzung individueller wie kollektiver Autonomien letztlich weder in Bezug auf die EG-RL 96/71, noch hinsichtlich der untersuchten nationalen Umsetzungsakte rechtfertigen lässt. Aus dem deutsch-spanischen Rechtsvergleich wurde zudem deutlich, dass dieses Legitimationsdefizit desto größer ist, je stärker das nationale Recht die Autonomie der Tarifparteien und die Freiwilligkeit mitgliedschaftlicher Normunterwerfung betont und je fremder ihm interventionistische Regulierungen materieller Arbeitsbedingungen sind.433 Ande431 432 433
Hierzu s. o. unter Teil 1 § 2 A. II. 2. b) bb) (5). Einzelheiten unter Teil 1 § 2 A. II. 2. c). Ähnlich Blanke, ArbuR 1999, 417 (424).
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rerseits ist eine Verwurzelung des Arbeitsverhältnisses im nationalen Arbeitsmarkt auch für Tarifrechtssysteme mit von vornherein bestehender erga-omnesWirkung wesentlich, die – wie das spanische – zur Legitimation der Normbindung auf die arbeitsmarktbezogene Repräsentativität der Tarifpartner abstellen. Die o. g. Arbeitsmarktpluralität macht nationale Tarifverträge mithin – unabhängig von etwaigen Marktabschottungsabsichten des Einsatzstaates – zu einem gänzlich untauglichen Mittel des entsenderechtlichen Normzwangs. Die Kritik sowohl der Abschottung nationaler Märkte als auch des ohne Arbeitsmarktanbindung bestehenden Legitimationsdefizites würde entfallen, wenn eine rechtliche Möglichkeit zum Abschluss europäischer Tarifverträge bestünde, deren Tarifmacht sich gemeinschaftsweit einheitlich beurteilen und daher eine Bindung nationaler Tarifstatute an nationale Arbeitsvertragsstatute entbehrlich machen würde. Insbesondere wäre auf diese Weise auch das Arbeitsentgelt einem gemeinschaftsweit geltenden tariflichen Mindestarbeitnehmerschutzniveau zugänglich. Der Abschluss derartiger staatsübergreifender Tarifverträge würde eine Abkehr vom Konzept nationaler Arbeitsmärkte bedeuten und die entsenderechtliche Intention eines gemeinschaftsweiten, ggf. über dem gesetzlichen Mindeststandard liegenden Arbeitnehmerschutzniveaus verwirklichen, ohne zugleich marktabschottend zu wirken. Eine erhöhte Flexibilität ließe sich zudem dadurch erreichen, dass derartige Tarifverträge räumlich anstatt gemeinschaftsweit auch lediglich zwischen einzelnen Mitgliedstaaten gelten können, was die Reichweite der entsprechenden, durch die tarifliche Kartellwirkung bedingten Wettbewerbsbeschränkungen auf dem Binnenmarkt eingrenzen würde. Schließlich würde die verbandsrechtliche Anbindung der international auf Gemeinschaftsebene agierenden Sozialpartner an die einzelnen Mitgliedstaaten für den erforderlichen Bezug zu den nationalen Arbeitsmärkten und damit für eine an die dortigen Interessen und wirtschaftlichen wie sozialen Bedingungen gebundene Legitimation sorgen. Nach der gegenwärtigen Rechtslage existiert kein gemeinschaftsrechtlicher Rahmen, der derartige gemeinschaftsweite oder auch nur grenzüberschreitende Tarifverträge erleichtern würde. Art. 136 ff. EGV enthalten lediglich Ansätze einer Kooperation zwischen den europäischen Sozialpartnern, die von der Kommission moderiert wird. So gibt es zwar gem. Art. 139 EGV den sog. sozialen Dialog, entsprechende auf Gemeinschaftsebene geschlossene Vereinbarungen bedürfen allerdings entweder der Umsetzung als Rechtsakt des Gemeinschaftsrechts durch Ratsbeschluss oder aber der Transformation in einen nach dem jeweiligen nationalen Tarifrecht bindenden Tarifvertrag. Ansätze zu einer gemeinschaftsweiten Harmonisierung nationalen Tarifrechts sind bislang nicht ersichtlich, auch ist die politische Konsensfähigkeit eines solchen intensiven Eingriffs in einen Kernbereich mitgliedstaatlicher Sozialpolitik derzeit mehr als fraglich. Wenn aber der entsenderechtliche Arbeitnehmerschutzansatz gemeinschaftsrechtskonform weiterverfolgt werden soll, bedarf es der Einführung eines
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europäischen Tarifstatuts, das die Voraussetzungen der Tarifmacht und damit die tariflichen Normwirkungen gemeinschaftsweit einheitlich regelt. Denn eine Verklammerung nationaler Arbeitsmärkte als unverzichtbarer Bezugspunkt des einzelnen Arbeitsverhältnisses ist – abgesehen von der Schaffung europaweit einheitlicher gesetzlicher Mindestarbeitnehmerschutzstandards – allein über europäische Tarifverträge möglich.
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Ergebnisse 1. Einzige und unmittelbare Rechtsquelle der Arbeitnehmermobilität ist die Privatautonomie der Arbeitsvertragsparteien. Die individualarbeitsvertragliche Vereinbarung des Arbeitsortes ist ein Kernelement der vertraglichen Hauptpflicht zur Arbeitsleistung und als essentiale negotii einer gesetzlichen oder tariflichen Fremdbestimmung durch Dritte nicht zugänglich. Diese Verwurzelung der Leistungspflicht in der Privatautonomie gilt für sämtliche Formen nationaler wie internationaler Arbeitnehmermobilität und dient zugleich deren Abgrenzung von sonstigen Erscheinungsformen eines Drittbezugs der Arbeitsleistung. Über das Kriterium der Arbeitsvertragsparteien in ihrer Eigenschaft als Autonomieträger erfolgt eine Dreiteilung der Mobilitätsformen in den mobilen Arbeitnehmereinsatz innerhalb eines Unternehmens, den Arbeitnehmerverleih zwischen voneinander unabhängigen Unternehmen und die konzerninterne Arbeitnehmermobilität. Der gesetzliche Rahmen für nationale Arbeitnehmermobilität knüpft an die individualvertragliche Vereinbarung der geschuldeten Arbeitsleistung und deren Ort an, so dass ein mobiler Arbeitnehmereinsatz arbeitsvertraglich unzulässig wird und Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates auslöst, wenn damit eine erhebliche Änderung der vereinbarten und entsprechend praktizierten Arbeitsumstände verbunden ist. Das Eingreifen gesetzlicher Schranken eines mobilen Arbeitnehmereinsatzes kann so von den Arbeitsvertragsparteien durch die Festlegung des Arbeitsvertragsinhalts privatautonom gesteuert werden. Das gilt allerdings nicht für das AÜG, das über die erlaubnisrechtliche Beschränkung örtlicher Einsatzflexibilität hinaus in die arbeitsvertragliche Gestaltungsfreiheit der Parteien hinsichtlich sonstiger Arbeitsbedingungen eingreift. Die Durchbrechung des Prinzips der Verleiherbezogenheit durch die entleihbetriebsbezogene Gleichstellungspflicht unterliegt schwerwiegenden verfassungs- und europarechtlichen Bedenken. Die Wettbewerbsrelevanz von Arbeitnehmermobilität beruht auf den jeder Regelung von Arbeitsbedingungen innewohnenden Geltungsgrenzen. Auf nationaler Ebene werden vor allem Tarifnormen zu Wettbewerbsfaktoren, deren jeweilige Geltungsbereichsbestimmung die Reichweite ihrer unmittelbaren oder
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faktischen Kartellwirkung determiniert. Der Verzicht auf einen gesetzlichen Mindestlohn eröffnet den Tarifpartnern in Deutschland gerade im Hinblick auf den Lohn als Kostenfaktor einen im Vergleich zu Spanien weiten Gestaltungsspielraum. Der in entsprechenden Autonomiebegrenzungen liegende Eingriff in die Freiheit der Außenseiter vor tariflicher Fremdbestimmung als Bestandteil ihrer negativen Koalitionsfreiheit lässt sich durch die mitgliedschaftliche Normunterwerfung bzw. durch zwingende Arbeitnehmerschutzinteressen iSd. § 5 TVG rechtfertigen. Vor diesem Hintergrund hat auch die bloß faktische Kartellwirkung von Tarifverträgen nur in begründeten Einzelfällen ihre Berechtigung. Eine gesetzliche Erweiterung der tariflichen Kartellwirkung durch Tariftreueerklärungen ist demgegenüber keiner Rechtfertigung zugänglich. Tarifautonome Regelungen beschränken zwar durch ihre Kartellwirkung den freien Wettbewerb und sorgen für eine gesteigerte Wettbewerbsrelevanz innerstaatlicher Arbeitnehmermobilität, sie haben aber keine Kartellfunktion.
2. Grenzüberschreitende Arbeitnehmereinsätze offenbaren ein System gespaltener Mobilität: Während der Arbeitsvertragsinhalt von Parteien aus Drittstaaten mittels der Arbeitserlaubnis durch deutsche Arbeitsbedingungen fremdbestimmt und ihr Marktzugang sowie -verhalten gesteuert wird, führt die binnenmarktinterne Arbeitnehmermobilität idR. zum Export des Rechtssystems des Entsendestaates, da sowohl das Internationale Privatrecht als auch das Internationale Sozialrecht auf den tatsächlichen bzw. wirtschaftlichen Schwerpunkt des Arbeitsverhältnisses im Sinne einer Arbeitsmarktzuordnung abstellen. Das kollisionsrechtliche Arbeitsvertragsstatut ist für die Arbeitsvertragsparteien direkt mittels Rechtswahl und indirekt durch Auswahl der objektiv maßgeblichen Anknüpfungspunkte steuerbar, beide Formen sind Bestandteil der Parteiautonomie. Zum Arbeitsvertragsstatut gehören intern zwingende Bestimmungen iSd. Art. 30 EGBGB, die dem Ausgleich bipolarer Individualinteressen dienen und durch das Günstigkeitsprinzip relativiert sind. Die Sachlegitimation ihrer Normwirkung beruht auf dem dort lokalisierten Schwerpunkt des Arbeitsverhältnisses und der entsprechenden Arbeitsmarktzuordnung des Arbeitnehmers, in dessen Rahmen der konkrete gesetzliche oder tarifliche Interessenausgleich gefunden worden ist. Demgegenüber wirken absolut zwingende Eingriffsnormen iSd. Art. 34 EGBGB mit internationalem Rechtsdurchsetzungsanspruch zum Schutz von Gemeinwohlinteressen von außen in das Arbeitsverhältnis ein und unterliegen dabei einem erheblich größeren Rechtfertigungsbedarf. Aufgrund der kollisionsrechtlichen Gleichwertigkeit aller Rechtsordnungen macht das gemeinschaftsrechtskonforme Kriterium der Sachnähe die lediglich intern zwingende Normwirkung zur Regel und den absoluten Normzwang zur Ausnahme.
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Tarifverträge gehören aufgrund ihrer Ausrichtung am Ausgleich gestörter Vertragsparität auch im Fall ihrer Allgemeinverbindlichkeit zum Arbeitsvertragsstatut. Tarifliche Rechtswahlklauseln bezüglich des Arbeitsvertragsstatuts sind zulässig. Demgegenüber ist das Tarifstatut nicht wählbar, sondern akzessorisch zum objektiven Arbeitsvertragsstatut. Die Tarifmacht als solche ist an denjenigen Arbeitsmarkt gebunden, dem das Arbeitsverhältnis objektiv zuzuordnen ist, so dass der unter den dortigen Bedingungen gefundene tarifliche Interessenausgleich auch für das konkrete Arbeitsverhältnis Geltung beanspruchen kann. Auch die Möglichkeit einer extraterritorialen Geltungsbereichsbestimmung besteht nur hinsichtlich Arbeitsverhältnissen mit deutschem Arbeitsvertragsstatut; letzteres kann auch gewählt sein, dann richtet sich die Tarifmacht nach ausländischem Tarifstatut. Die Ergebnisoffenheit intern zwingender Bestimmungen des Arbeitsvertragsstatuts hat insgesamt eine Absenkung der Intensität von Autonomiebeschränkungen zur Folge und eröffnet so einen im Vergleich zu ausschließlich nationalen Sachverhalten weiterreichenden Wettbewerb. Dies betrifft gleichfalls tarifliche Arbeitsbedingungen, allerdings verhindert deren Koppelung an das Arbeitsvertragsstatut im Gegensatz zur innerstaatlichen Mobilität eine gegenüber gesetzlichen Autonomiebegrenzungen gesteigerte Wettbewerbsrelevanz.
3. Die Ausnutzung arbeitnehmermobilitätsbedingter Wettbewerbsvorteile ist nicht per se rechtsmissbräuchlich, ihre Bezeichnung als Sozialdumping ist verfehlt. Das Interessenabwägungsmodell der EG-RL 96/71 führt zu einem verengten Lauterkeitsbegriff, der die Lauterkeit des grenzüberschreitenden Dienstleistungsverkehrs an die Einhaltung des vergleichsweise höchstmöglichen Arbeitnehmerschutzniveaus knüpft. Dieses Autonomiebegrenzungsmodell bedarf der Einführung entsenderechtlicher Eingriffsnormen sui generis, die intern zwingende Bestimmungen zum Ausgleich bipolarer Parteiinteressen wie auch das Tarifstatut vom Arbeitsvertragsstatut lösen und so einen Bruch mit Grundsätzen des Vertragskollisionsrechts bewirken. Die dabei ausgedehnte Relativität des Günstigkeitsprinzips führt zu einer kontinuierlichen Anhebung des Arbeitnehmerschutzniveaus und steht damit im deutlichen Gegensatz zum Sockel eines sachrechtlich vereinheitlichen Mindestschutzniveaus. Der Erlass der EG-RL 96/71 beruht auf einer Kompetenzanmaßung, da der EGV eine der Liberalisierung des Binnenmarktes durch die Einführung neuer Hindernisse zuwiderlaufende und das Niveau nationaler Autonomiebegrenzungen verschärfende Rechtsangleichungskompetenz nicht zur Verfügung stellt. Aber auch ein Neuerlass der Entsenderichtlinie auf der Basis der Kollisionsrechtsangleichungskompetenz des Art. 65 lit. b iVm. Art. 61 lit. c EGV n. F.
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würde zu keinen rechtlich oder ordnungspolitisch vertretbaren Ergebnissen führen. Der entsenderechtliche Lauterkeitsbegriff schafft zwischen der Wettbewerbsfreiheit des Dienstleistungsverkehrs als Gemeinschaftsgut und dem Arbeitnehmerschutz in den einzelnen Mitgliedstaaten einen Ausgleich, dessen unmittelbare Kehrseite die binnenmarktkonträre Abschottung nationaler Märkte ist. In dieser Grauzone ist das Kriterium des überwiegenden gesetzgeberischen Regelungsmotivs unerlässlich, um einer finalen Vereitelung des Binnenmarktziels entgegenzuwirken. Aufgrund ihrer vorrangigen Arbeitnehmerschutzausrichtung sind die EG-RL 96/71 und das spEntG europarechtskonform, nicht jedoch das AEntG, dessen unverhohlene Marktabschottungsabsicht in der Gesetzesbegründung wie auch in der über den Richtlinieninhalt hinausschießenden Eingriffsintensität des Gesetzes selbst sichtbar wird. Dieser Unterschied ist repräsentativ für das binnenmarktinterne Verhältnis von Niedrig- zu Hochlohnstaaten und verdeutlicht die reduzierte praktische Relevanz des Entsenderechts in seiner einseitigen Ausrichtung auf einen als „Einbahnstraße“ erfolgenden grenzüberschreitenden Wettbewerb. Die Einbeziehung allgemein verbindlicher Tarifverträge in den Kreis entsenderechtlicher Eingriffsnormen sui generis durch die Loslösung des Tarifstatuts vom objektiven Arbeitsvertragsstatut ignoriert das Erfordernis eines Arbeitsmarktbezugs für einen auch für das konkrete Arbeitsverhältnis angemessenen tariflichen Interessenausgleich und leidet daher unter einem unüberwindbaren Legitimationsdefizit, das sich hinsichtlich des § 1 Abs. 3a AEntG nochmals verschärft. Die autonomiebegrenzende Fremdbestimmung der Arbeitsvertragsparteien durch Tarifverträge bedarf aber einer solchen arbeitsmarktbezogenen Legitimation; das gilt auch für die statutarischen Tarifverträge des spanischen Rechts, deren erga-omnes-Wirkung mit der Repräsentativität der Tarifpartner begründet wird. Die Verdrängung ausländischer Tarifmacht durch entsenderechtlich zwingende Tarifverträge des Einsatzstaates trifft zudem den Wesensgehalt der Tarifautonomie der Sozialpartner des Entsendestaates und ist insofern weder auf europäischer Ebene noch in den nationalen Mitgliedstaaten einer Rechtfertigung zugänglich. Die Rechtswirksamkeit flankierender Sicherungsmaßnahmen ist akzessorisch zur Gültigkeit der jeweiligen nationalen Eingriffsnorm sui generis. Zudem muss die konkrete Sicherungsmaßnahme dem Verhältnismäßigkeitsgebot genügen, was bei der Bürgenhaftung Dritter iSd. § 1a AEntG von vornherein ausgeschlossen ist. Entsenderechtliche Mobilitätsschranken sind ordnungspolitisch nicht erforderlich, da die bisherigen kollisionsrechtlichen Autonomiebegrenzungen ein milderes Mittel darstellen, das zudem kein vergleichbares gemeinschaftsrechtliches Gefahrenpotential aufweist. Stattdessen sollte das allgemeine Arbeitnehmer-
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schutzniveau im Wege der Sachrechtsvereinheitlichung auf ein gemeinschaftsweit einheitliches Mindestniveau angehoben werden, das über den Ausschluss menschenunwürdiger Arbeitsbedingungen durch den jeweiligen ordre public der Mitgliedstaaten hinausgeht. Gerade auf der Basis gemeinschaftsweit einheitlicher Tarifmacht vereinbarte europäische Tarifverträge könnten insofern für eine stärker autonomiebezogene Lösung sorgen. Inwieweit ein entsprechender politischer Konsens gerade in sozialpolitisch sensiblen Bereichen wie dem Arbeitsentgelt und dem Tarifrecht zu erzielen ist, bleibt abzuwarten. Die Ausnutzung existenter komparativer Wettbewerbsvorteile ist jedoch ein Wesensmerkmal des freien Binnenmarktes und als solches keineswegs unlauter.
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Sachwortregister 1. Hartz-Umsetzungsgesetz 53–54, 58– 59, 65 Akzessorietätsmangel 327 Allgemeininteresse 148, 181, 183, 226, 229, 252, 287, 305, 308, 333, 354, 365 Allgemeinverbindlicherklärung 40, 55, 88, 103, 108, 118, 131, 139, 186, 250, 312, 320–321, 326 Angemessenheit 31, 105, 127, 139, 222 Anknüpfung 24–25, 32, 34, 80, 127, 134–135, 153, 155, 158, 166–167, 170–171, 174, 180, 183, 188, 193, 201–202, 224, 303 Anwerbestopp 144–146 Arbeitnehmerfreizügigkeit 147–148, 152, 228, 276 Arbeitnehmerschutz 67, 88, 102, 122, 140, 159, 178, 181, 184, 224, 239, 260–261, 264, 266, 279, 286, 290, 292, 308, 329, 341, 351, 354, 361, 364 Arbeitnehmerüberlassung 53, 73, 189, 203, 222, 226, 245, 302 Arbeitnehmerverleih 28, 69, 73, 75–76, 145–146, 189, 209, 236, 238, 280, 298, 344, 349 Arbeitsentgelt 60, 197, 265, 370 Arbeitserlaubnis 145, 217 Arbeitskosten 89, 126, 207 Arbeitsmarktbegriff 168 Arbeitsmarktbezug 173, 273, 315, 362, 369 Arbeitsmarktzugang 142, 215 Arbeitsmarktzuordnung 187, 275, 368 Arbeitsort 24, 30, 46, 87, 104, 120, 133, 138, 159, 163, 193, 206, 219, 240, 273, 311, 360, 372
Arbeitsschutz 246, 265, 302, 349 Arbeitsvertragsstatut 153, 190, 219, 242, 248, 306, 369 Arblade und Leloup 282 Arge 28–29, 238–239, 298 Außenseiter 62, 95, 97, 100–101, 119, 186, 292, 318, 329 Aufenthaltsgenehmigung 142, 210 Ausstrahlung 171, 189, 193, 369 Ausweichklausel 166 Autonomie 92, 94 Bauarbeiten 251, 296 Baubranche 118, 136–137, 227, 251, 319, 342 Baugewerbe 28, 63, 134, 147, 152, 223, 296, 327, 338 Beschäftigungslandprinzip 199 Beschäftigungsverbot 48, 133, 247 Betriebsverfassungsstatut 190 Betriebszugehörigkeit 76, 188 Bezugnahmeklausel 43, 61, 113 Bürgenhaftung 284, 342, 363 Cassis de Dijon 277–278 Charta der Grundrechte der EU 249, 288–289, 291–292, 305 Dassonville 277 Dienstleistungserbringung 237, 342 Dienstleistungsfreiheit 152, 287, 310, 342 Direktionsrecht 28, 30–31, 50, 71, 132, 190, 245 Drittstaatsangehörige 152 Dumping 234
Sachwortregister EG-Dienstleistungsausweis 150 Eingliederung 45, 68, 189, 223 Eingriffsnormen sui generis 255 Einstellung 46, 69 Einstrahlung 197, 206 Einwirkungspflicht 81 Einzelermächtigung 259 Entsendung 29, 45, 158, 161, 189, 194, 199, 203–205, 240, 256, 275, 298, 311, 345 equal pay 59, 222 Erfüllungsgehilfe 29, 51, 189, 203, 238, 298, 339, 344 erga-omnes-Wirkung 270, 320, 326, 356 Ermächtigungsgrundlage 60, 236, 259, 262, 324 Erwerbstätigkeitsbegriff 142, 146 essentialia negotii 30, 42, 50, 71, 120, 132, 134, 328, 372 EU-Osterweiterung 23, 26, 207, 232, 295, 352 Finalarte 283 Fremdbestimmung 60, 94, 116, 124, 139, 167, 322, 356, 359 Geltungsanspruch 31, 170, 174, 180, 183, 228, 271, 311, 362 Geltungsbereichsbestimmung 34, 40, 138, 173 Geltungsbereichskollision 33 Geltungsbereichsüberschreitung 36, 38, 43, 128 Gesamtbetriebsrat 48 Gestaltungsspielraum 87, 258 Gewerbsmäßigkeit 53, 73 Gleichbehandlung 73, 124, 139, 178, 221, 247, 300, 350 Gleichstellung 63, 127, 222, 225, 301, 331 Grundrechtsbindung 93, 96 Günstigkeitsprinzip 89, 119, 177, 215, 254, 303, 305 Günstigkeitsvergleich 179, 254 Guiot 282
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Heimarbeit 107, 220 Hochlohnländer 23, 25, 294, 353, 365– 367 Höchstarbeitszeiten 182, 245, 252 Inländerdiskriminierung 327 Kartellfunktion 102, 318–319 Kartellgarantie 91, 168 Kartellvertrag 89 Kartellwirkung 119, 139, 185, 253, 318, 331 Koalitionsfreiheit 62, 100, 117, 216, 294, 317, 323, 351 Kompetenzanmaßung 271, 273, 365 Konzern 70, 73, 145–146, 161, 195, 239, 281, 344 Konzernarbeitsverhältnis 70 Konzernbetriebsrat 79 Konzernbetriebsvereinbarung 80 Konzernbezug 71 Konzerndimension 72 Konzerntarifvertrag 79 Konzernversetzungsklausel 71 Koordination 201, 228, 257 Lauterkeit 128, 235, 260, 266, 278, 308, 368 Legitimationsdefizit 324, 326, 369 lex causae 153, 242 lex fori 153, 174, 241 Lohnhöhe 42, 60, 86, 119, 138, 207, 215, 219–220, 229, 252, 300, 328, 347 Lohnkartellierung 331, 361 Marktabschottung 145, 208, 213, 216, 227, 279, 286, 300, 308–309, 353 Marktbezug 130, 317 Marktpluralität 368, 370 Marktüblichkeit 110, 211, 214, 220 Marktverhaltensregelung 130 Marktwert 111, 127, 139
392
Sachwortregister
Marktzugang 141, 152, 211, 213, 232, 309 Mazzoleni 283, 293, 306, 354 Mindestarbeitsbedingungen 57, 60, 91, 102, 107, 122, 211, 221, 318, 331 Mindestjahresurlaub 221, 244, 252, 255, 290, 300, 346 Mindestlohn 60, 120, 220, 243, 299, 348 Mindestlohnsätze 242, 255, 290 Mindestruhezeiten 182, 245, 252 Mitgliedschaft 85, 93–94, 100, 173 Mitwirkungspflichten 334, 363 Mobilitätsformen 29, 142, 189, 203, 241, 258, 311, 343 Nachwirkung 41, 326–327, 358 Neutralität 102, 119, 330 Nichteinmischung 274 Niederlassung 165, 237, 277 Niedriglohnländer 25, 294, 366 Niedrig-Preis-Einfuhren 232 ordre public 185, 215, 220, 264, 305 Osteuropa 152 Ost-West-Gefälle 134 Parteiautonomie 157, 190, 205, 255, 289, 373 Portugaia Construções 284–285 Preisdifferenzierung 231 Privatautonomie 28, 87, 96, 138, 183, 229, 289, 372 Privilegierung 148, 151, 209, 211 Qualifikation 157, 241 Rechtmäßigkeitsvermutung 269 Rechtsangleichung 269, 271, 367 Rechtsbruch 132 Rechtsdurchsetzungsanspruch 177, 180, 303
Rechts- und Verwaltungsvorschriften 249 Rechtsverordnung 99, 121, 312, 324, 327, 329, 347 Regelungsdichte 119, 138, 259 Regelungsmotiv 287, 308, 310, 341, 354, 365 Relativität 177, 183, 224, 254, 310, 354, 365 Rush Portuguesa 149, 280 Schiedsspruch 249 Schuldrechtsreform 112 Schwangere 182, 246 Schwerpunkt 25, 32, 136, 160–161, 191, 193, 197, 217, 219, 229, 240, 253, 274, 291, 294, 303, 310, 362, 366, 369 Seco 280 Selbstbindung 60, 73, 122, 124, 222, 300 Solange I 272 Solange II 272 Solange III 272 Sozialdumping 23, 230–231, 374 Sozialrechtsstatut 192, 203, 218 Sozialversicherungsabkommen 200, 218 Steuerung 111, 138, 157, 166, 191, 215, 233 Tarifauslegung 32–34, 38 Tarifautonomie 39, 58, 62, 90–91, 93, 95, 117, 294, 314–315, 323, 325, 360, 362 Tarifbindung 35, 39, 80, 85, 95, 170, 173, 187, 310, 313, 356, 359 Tarifeinheit 31–32, 52, 82–83, 170, 293 Tarifentfall 41 Tarifgebietsüberschreitung 34, 45, 139, 311 Tarifkollision 33, 185, 314, 327 Tarifkonkurrenz 82, 85, 293 Tariflohnunterschreitung 110, 132 Tariflosigkeit 45, 106, 134
Sachwortregister Tarifmacht 39, 94, 127, 167, 170, 172, 174, 253, 290, 293–294, 311, 313, 318, 363, 370 Tarifnormerstreckung 100, 123, 186, 321, 328 Tarifpluralität 86, 293 Tarifstatut 170, 172, 187, 242, 313, 368, 371 Tariftreue 119, 139, 331 Tarifunterwerfung 100, 137, 319 Tarifvertrag, außerstatutarischer 358 Tarifvertrag, europäischer 370–371 Tarifvertrag, statutarischer 356 Tarifwechsel 35, 82, 128, 134, 136, 311 Tarifzensur 316 Tarifzuständigkeit 31, 39, 127, 137, 170, 311 Tarifzwang 62, 110 Territorialitätsgrundsatz 156, 167, 187, 191 Türkei 151, 198 Üblichkeit 42, 105, 139 Umgruppierung 69 Umsetzung 29, 34, 45 Umsetzungsspielraum 259, 272, 331, 342 Urlaubskassen 283, 336 Vander Elst 148, 281 Verleiherbezogenheit 56, 58, 76, 302 Verordnungsermächtigung 321 Versetzung 29–30, 33–34, 45–47, 49, 68–69, 77–78, 189, 239, 298, 311, 344
393
Vertragsauslegung 31, 40, 42–43, 104, 170 Vertragsfreiheit 52, 62, 89, 103, 120, 157, 174, 213, 257, 274, 289 Vertragsparität 97, 124, 177, 183, 220, 252, 273, 293, 362, 369 vorübergehend 29, 47, 65–66, 74, 135, 161, 196, 225, 237 Webb 280 Werkvertragsarbeitnehmer 143–144, 147, 208, 211 Wettbewerb 86–87, 89, 119, 139–140, 153, 207, 230 Wettbewerbsfähigkeit 27, 86, 215, 231, 266 Wettbewerbsfaktoren 24, 86–87, 119– 120, 192, 207, 213, 265, 275, 368 Wettbewerbsfreiheit 92, 124, 215, 218, 233, 255, 269, 288, 305, 361, 366 Wettbewerbsrelevanz 24, 131, 140, 244 Wettbewerbsverzerrung 65, 101, 118, 126, 228, 268, 287 Wettbewerbsvorteil 53, 64, 87, 126, 131, 136, 197, 213, 217, 227, 232, 295, 364, 367 Wolff & Müller 284, 341 Wucher 111, 127, 220, 225, 328 Zuweisung 46, 68, 77, 133 Zweitregister-Urteil 316–317 zwingende Bestimmungen 173, 179, 181, 183, 227, 252, 300