Anton Graf zu Stolberg-Wernigerode. Ein Freund und Ratgeber König Friedrich Wilhelms IV. 9783486753493, 9783486753486


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German Pages 150 [152] Year 1926

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VORWORT
INHALTS-VERZEICHNIS
I. Teil. Leben und Wirksamkeit bis zur Revolution. 1785—1848
II. Teil. Die Revolution und ihre Auswirkungen 1848—1854
BEILAGEN
LITERATUR-VERZEICHNIS
PERSONEN -VERZEICHNIS
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Anton Graf zu Stolberg-Wernigerode. Ein Freund und Ratgeber König Friedrich Wilhelms IV.
 9783486753493, 9783486753486

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OTTO GRAF ZU STOLBERG-WERNIGERODE ANTON GRAF ZU STOLBERG-WERNIGERODE EIN FREUND UND RATGEBER KÖNIG FRIEDRICH WILHELMS IV.

MÜNCHEN UND BERLIN 1926 DRUCK U N D VERLAG VON R. OLDENBOURG

B E I H E F T 8 DER H I S T O R I S C H E N ZEITSCHRIFT

Alle Rechte, einschließlich der Übersetzung, vorbehalten

DEM ANDENKEN MEINES BRUDERS WOLF-ERNST gefallen bei Soissons l.Sept. 1918

VORWORT. Das Leben des Grafen Anton zu Stolberg-Wemigerode, 1785 bis 1854, von dem die vorliegende Schrift handelt, bewegte sich in einem Abschnitt wechselvoller preußischer Geschichte. Die politische Laufbahn sowie die Freundschaft, die Graf Stolberg mit führenden Persönlichkeiten seiner Zeit, insbesondere mit zwei Angehörigen des Hohenzollemhauses, dem Prinzen Wilhelm dem Älteren, dem Bruder Friedrich Wilhelms III., und dem Kronprinzen, späteren König Friedrich Wilhelm IV., verband, läßt sein persönliches Erleben bis zu einem gewissen Grade das Geschick Preußens berühren, so daß diese biographische Skizze einen nicht ganz unwichtigen Beitrag zur Geschichte Preußens in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts zu liefern vermag. Aus der Druckliteratur ist bisher wenig über den Grafen Anton zu Stolberg-Wemigerode, den Hausminister des Königlichen Hauses und intimen Freund Friedrich Wilhelms IV., bekannt. Die biographischen Notizen von J . Jacobs in der Allgemeinen Deutschen Biographie Bd. 36, S. 324—399 stützen sich auf verhältnismäßig dürftige Quellen, Stolbergs politische Tätigkeit ist nur ganz flüchtig gestreift. Eine gute Zusammenfassung wichtigster Daten enthält der Nekrolog E. Hesekiels in der Neuen Preußischen Zeitung vom 22. März 1854 (Beilage zu Nr. 69). Bemerkenswert und im ganzen zutreffend ist die kurze Charakteristik H. Treitschkes im V. Band Deutscher Geschichte, S. 18 f. Sonstige Urteile befinden sich in der zahlreichen zeitgenössischen Memoirenliteratur, je nach der Person des Schreibers sind sie auf einen mehr günstigen oder ungünstigen Ton gestimmt. Es konnte nicht die Aufgabe sein, Stolberg in dem politischen Leben seiner Zeit einen bestimmten Platz zuzuweisen. Dazu war seine staatsmännische Leistung nicht einschneidend genug, seine Stellung im öffentlichen Leben nicht immer so klar umrissen, daß sich ihre Bedeutung bis ins einzelne bestimmen ließe. Ein allgemeineres Interesse rechtfertigen in erster Linie die Beziehungen des Grafen Anton zu einer so problematischen Persönlichkeit, wie es Friedrich Wilhelm IV. war. Von dem Beginn seiner politischen Laufbahn an (1831) betrachtete sich Stolberg als treuen Vasallen des preußischen Königs, im

VI

Vorwort.

Kampfe stellte er sich ritterlich auf die Seite seines Königs, gerade deshalb mußte er besonders bitter die Enttäuschung empfinden, als König Friedrich Wilhelm IV. vor der letzten Konsequenz seiner Doktrin zurückwich. Diese Freundschaft sollte vor allem in die geistige Sphäre der Zeit hereingestellt werden, alles übrige blieb mehr notwendiger Rahmen und Hintergrund. Der vorliegende Stoff wies von selbst darauf hin, die Schilderung der Revolutionsjahre ausführlicher zu gestalten, für diese Zeit waren die Briefe Friedrich Wilhelms IV. an Stolberg, die in dieser Schrift zum erstenmal benutzt wurden, dank der Rückgabe an das Hausarchiv in Charlottenburg vorhanden, für frühere Epochen im wesentlichen nur dann, wenn Friedrich Wilhelm IV. seine Antwort auf den Rand der Briefe Stoibergs geschrieben hatte. Dagegen sind Stolbergs Briefe an König Friedrich Wilhelm IV. von 1815 an im Hausarchiv Charlottenburg aufbewahrt einige Lücken konnten aus dem persönlichen Nachlaß ergänzt werden. Das Geheime Staatsarchiv in Berlin enthielt einige Akten, die Stolbergs Rolle während des Kölner Kirchenstreits, 1837—j840 beleuchten, sowie auch Material zur Verwaltung der Königlichen Forsten und Domänen. Der handschriftliche Nachlaß konnte leider nicht seinem Umfang entsprechend ausgewertet werden, er lag in Schloß Kreppelhof in Schlesien und war wegen äußerer Schwierigkeiten nicht leicht zugänglich. Als sehr ergiebig zeigten sich die Briefwechsel des Grafen Anton mit seinem ältesten Bruder, dem regierenden Grafen Henrich (Fürstl. Archiv J. 220—224), und die Briefe des Grafen an den ältesten Sohn Eberhard. Es war notwendig, im Anhang die bisher noch nicht veröffentlichten wichtigsten Briefe Friedrich Wilhelms IV. an Stolberg aus dem Jahre 1848 und später im Wortlaut abzudrucken, da wichtige Abschnitte vorliegender Arbeit vornehmlich auf ihnen aufgebaut sind und sie für das psychologische Verständnis der Politik Friedrich Wilhelms IV. während und nach der Revolution den höchsten Wert besitzen. Ich übergebe die Untersuchung, die ich im Jahre 1921 als Inauguraldissertation der philosophischen Fakultät in München eingereicht habe, der Öffentlichkeit in etwas abgeänderter Form. Im einzelnen habe ich vielfach verbessert und ergänzt. Der Abschnitt: Friedrich Wilhelm IV. und die Revolution wurde insofern geändert, als mehr wie bisher die religiöse Doktrin des Königs auf dessen Schwächegefühl zurückgeführt wurde; an den maßgebenden Einfluß dieser Doktrin auf das Verhalten des Königs in der kritischen Zeit halte ich jedoch nach wie vor fest.

Vorwort.

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Zum Schluß habe ich das Bedürfnis, den damaligen leitenden Herren des Hausarchivs Charlottenburg, den Herren Geheimräten Dr. Schuster und Granier, für ihr freundliches Entgegenkommen meinen verbindlichsten Dank auszusprechen. Den gleichen Dank schulde ich auch dem leider inzwischen verstorbenen Herrn Geheimrat Bailleu im Geheimen Staatsarchiv sowie vor allem meinem hochverehrten Lehrer, Herrn Geheimrat Dr. Erich Mareks, ohne dessen Anleitung und Förderung ich die Studie nicht hätte durchführen können. Schließlich bin ich auch Herrn Archivrat Dr. Wilhelm Herse von der Fürstlichen Bibliothek in Wernigerode zu Dank verpflichtet, der mir insbesondere bei der letzten Uberarbeitimg wertvolle Dienste geleistet hat. Ich widme dieses Buch meinem gefallenen Bruder Wolf Ernst und in ihm allen Toten des großen Krieges, weil mir die besten Eigenschaften des Grafen Anton Stolberg Treue und Opfersinn zu sein scheinen, Ideale, für die diese in den Tod gegangen sind. B e r l i n , August 1926. Dr. Otto Graf zu Stolberg-Wernigerode.

INHALTS-VERZEICHNIS. Anton Graf zu Stolberg-Wernigerode. Ein Freund und Ratgeber König Friedrich Wilhelms IV. 1785—1854. Seite

I. Leben und Wirksamkeit bis zur Revolution (1785—1848)

. . 1—53

Kapitel 1. D i e J u g e n d j a h r e (1785—1830) Kindheit und Erziehung. — Offiziersleben in Potsdam. — Die französische Fremdherrschaft. — Die Befreiungskriege. — Der Neupietismus. — Stolbergs religiöse Anschauungen. — Beziehungen zum Kronprinzen. — Elisa Radziwill und Prinz Wilhelm.

1

Kapitel 2. In v i e r p r e u ß i s c h e n P r o v i n z e n (1830—1840) . Die Webernöte im Kreise Landeshut. — Am Niederrhein. — Chefpräsident in Düsseldorf. — Der Kölner Kirchenstreit. — Oberpräsident von Sachsen.

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Kapitel 3. D e r F r e u n d des K ö n i g s (1840—1848)

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Der Regierungswechsel. — Das Gottesgnadentum Friedrich Wilhelms IV. — Fürst Wittgenstein. — Die Verwaltung der königlichen Forsten und Domänen. — Politische Stimmungsbilder aus den Provinzen. — Schön und Rochow. — Verfassungsberatungen. — Soziale Fragen. — Rückblick. II. Die Revolution und ihre Auswirkungen (1848—1854)

. . . 54—106

Kapitel 1. D i e M ä r z t a g e

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An der Schwelle der Revolution. — Die Kapitulation des Königs. — Der Fluchtplan. — Der deutsche Umritt. — Abreise und Tod der Tochter Friederike. Kapitel 2. D i e K r i s e des G o t t e s g n a d e n t u m s (1848—1852) Friedrich Wilhelms IV. Doktrin und die Revolution. — Stolbergs Kritik. — Das deutsche Problem. — Die Oktroiyerung der preußischen Verfassung. — Die Kamarilla. — Wirksamkeit im stillen. — Kämpfe um den Verfassungseid. — Radowitz.

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Inhalts-Verzeichnis. Seite

Kapitel 3. R ü c k k e h r i n s A m t u n d l e t z t e J a h r e (1852 bis 1854) Ernennung zum Hausminister. — Politische Gegensätze zum Prinzen von Preußen. — Die erste Kammer. — Bismarck. — Der Tod. — Zusammenfassung.

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Anmerkungen . . . . Belligen

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115—130

I. 9 Briefe König Friedrich Wilhelms IV. aus den Jahren 1848 bis 1852 "5 II. Auszug aus einem Schreiben Friedrich Wilhelms IV. an die Herzogin von Anhalt-Bernburg vom 21. Dez. 1848 (Abschrift) 125 III. Briefwechsel.!wischen Bismarck und Stolberg im Jahre 1852 126 IV. Die Familie des Grafen Anton Stolberg-Wernigerode . . .

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Literaturverzeichnis

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Personenverzeichnis

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I. Teil. Leben und Wirksamkeit bis zur Revolution.

1785—1848. Kapitel 1.

Die Jugendjahre 1785—1827. Kindheit und Erziehung. — Offiziersleben in Potsdam. — Die Fremdherrschaft. — Die Befreiungskriege. — Der Neupietismus. — Stolbergs religiöse Anschauungen. — Charakteristik. — Beziehungen zum preußischen Kronprinzen. — Elisa Radziwill und Prinz Wilhelm.

Als zehntes und letztes Kind wurde Graf Anton zu StolbergWernigerode dem regierenden Grafen Christian Friedrich .und seiner Gemahlin Auguste Eleonore, geborenen Gräfin zu Stolberg-Stolberg, am 23. Okt. 1785 in Wernigerode geboren.1) Seine Kindheit war sehr glücklich. Graf Christian Friedrich hatte innerlich den weltflüchtigen Pietismus des 17. und 18. Jahrhunderts, der gerade in Wernigerode eine Hochburg gefunden hatte, überwunden. Er war seiner ganzen Veranlagung nach eine lebensfrohe, wenn auch etwas weiche Natur, sehr empfänglich für die geistigen und künstlerischen Strömungen seiner Zeit. Das Familienleben war nichts weniger als höfisch oder eintönig. Lange Wintermonate brachte man in Halberstadt zu, wo der Graf als Domdechant beschäftigt war und der Dichter Gleim*) einen größeren Kreis um sich sammelte, dem als geachtetes Mitglied auch Graf Christian Friedrich angehörte. Die Kinder liebten „Vater Gleim" sehr, sein Kommen wurde stets mit lautem Jubel begrüßt. War die Familie in Wernigerode, so fehlte es auch dort niemals an Besuchern. Zahlreiche Verwandte und Freunde berührten auf Durchreisen die „Friedensburg", wie allgemein Schloß Wernigerode genannt wurde, unter den gern gesehenen Gästen befanden sich auch Lavater und gelegentlich Klopstock. Ein besonders erfreuliches Ereignis waren Besuche des jungen Königspaares; im Jahre 1805 schloß sich den Veranstaltungen im gräflichen Schloß *) S. für alle Personalien ausführliches Personenverzeichnis S. 135. Beiheft d. H. Z. 8.

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Kindheit und Erziehung.

eine Brockenbesteigung an. Da der Graf sehr musikalisch war, ließ er sich die Pflege der Musik besonders am Herzen liegen, sobald die älteren Kinder heranwuchsen, gründete man mit anderen Musikanten unter dem Organisten Klose eine sogenannte herrschaftliche Akademie, die in der damaligen Orangerie, der späteren fürstlichen Bibliothek, wöchentliche Konzerte veranstaltete. War der Vater einmal besonders gut bei Laune, so behielt er die Musikanten über Tisch im Haus und ein kleiner improvisierter Ball schloß den Abend zur allgemeinen Freude ab. Die ungewöhnliche musikalische Begabung der ganzen gräflichen Familie verschönte jede häusliche Feier, weckte man doch z. B. mit den Klängen einer Bratsche und einer Violine das Geburtstagskind, und vergoß man auch der überschwenglichen Zeit gemäß dabei reichliche Rührungstränen, so litt darunter die allgemeine Fröhlichkeit in keinem Falle, meist wurden solche Festtage noch durch eine größere musikalische Veranstaltung beendet, die zahlreiche Freunde ins Haus brachte. Innerlich stand dem Pietismus die Mutter noch viel näher. Auch sie hatte für die Literatur ihrer Zeit Interesse und Verständnis, aber sie besaß nicht das sonnige Gemüt ihres Gatten. Ihre Freundschaften mit dem Grafen Zinzendorf und dem Bischof Sailer sollte für die Entwicklung der Kinder bedeutsam werden. Einen sehr großen Teil ihrer mütterlichen Zärtlichkeit gab sie ihrem Jüngsten Anton, nachdem ihr der nächstältere Sohn durch den Tod entrissen war. In dem großen harmonischen und fröhlichen Geschwisterkreise wuchs Anton auf, von allen wegen seiner Freundlichkeit geliebt, die nur durch gelegentliche Empfindsamkeiten gestört wurde, von seinen Schwestern zärtlich verwöhnt, in ihren Briefen spielt der „Tonneil" oder der „Tonisl", wie sie ihn nannten, eine wichtige Rolle. Er war ein ebenso schönes wie gefühlvolles Kind, zeigte bereits in frühen Jahren ausgesprochene Neigung für den Soldatenberuf, für den ihn der Wille des Vaters bestimmte. Seine Erziehung wurde in die Hände von Hauslehrern gelegt, er teilte sie mit Söhnen der Verwandtschaft und zwei halbwaisen Knaben, v. Hirschfeld, die der gutherzige Vater ganz ins Haus aufgenommen hatte. Übermäßig viel wert war der Unterricht dieser Zeit nicht, und Anton war kein übermäßig gelehriger Schüler. Seine Beziehungen zur Orthographie blieben zeitlebens etwas gespannt, gewisse Lücken in seiner Bildung beklagte er selbst später schmerzlich, als das Leben ihn auf andere Wege führte, als ursprünglich vorgesehen war. Er hatte die musikalische Gabe vom Vater im besonderen Maße geerbt, lernte verschie-

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Kindheit und Erziehung.

dene Instrumente spielen, zu einiger Fertigkeit brachte er es auf dem Violoncell, mit dem er an den Konzerten der herrschaftlichen Akademie voller Eifer teilnahm. Er hebte die Musik über alles, nützte als junger Offizier in Potsdam jede freie Stunde aus, um sich im Spiel zu vervollkommnen, gelegentlich versuchte er sich sogar in Kompositionen; viele seiner späteren Freundschaften entwickelten sich aus gemeinsamen Musikfreuden. Als die Jahre der großen Arbeitswoge kamen, wurde die Musik ihm erst recht beste Erholung, sobald seine Töchter heranwuchsen, bildete er mit ihnen das ihm von seinem Vaterhause her vertraute Quartett. Auch sein Interesse für die Malerei war zeitlebens bedeutend; er zeichnete selbst nicht ohne Talent. 1801 wurde Anton zum Cornet im Regiment Garde-du-Corps ernannt, doch die Mutter fand es zu früh, den Sechzehnjährigen in die große Welt hinaustreten zu lassen. Zur allgemeinen Ausbildung wurde er daher nach Dresden gesandt, wohin mannigfache Verbindungen der Familie führten. Unter anderem verkehrte Anton hier auch im Hause des Appellationsrates Körner, der in diesen Jahren den Mittelpunkt der literarischen Welt Dresdens bildete, genoß er doch als Freund und Kritiker des aufsteigenden Dichtergestirnes Goethe-Schiller ein solches Ansehen, daß er es sich nach zeitgenössischer Schilderung wohl leisten durfte, seine Gäste nur nach Würdigkeit, nicht nach Rang und Titel zu laden. Die Brücke Stolberg-Körner wurde durch Haubold von Schönberg, den Freund des Körnerschen Hauses, geschlagen, der später Antons Schwester Luise als Gattin heimführte. Zu dessen Hochzeit im Jahre 1808 schrieb der junge Theodor eines seiner ersten Gelegenheitsgedichte.2) Zweifellos bereicherten die in Dresden empfangenen Eindrücke Anton Stolberg in mannigfacher Richtung, doch vergaß er auch nicht seine militärischen Studien, so daß er Ende 1802 zum Regiment abgehen konnte, wo er schon seinen älteren Bruder Konstantin vorfand. Es waren sorgenlose Jahre, die nun folgten. Der auffallend schöne Gardeoffizier war in der Gesellschaft gern gesehen, auf diese Zeit in erster Linie bezieht sich wohl sein späterer Ausspruch, daß man ihn immer zu viel geliebt, immer überschätzt habe. Stolberg war ein guter Kamerad. Man erzählt eine hübsche Geschichte, wie er dem Prinzen Wilhelm dem Älteren einen Freundschaftsdienst leistete, den ihm dieser nie vergaß. Der König kam nach Potsdam, um die Offiziere zu examinieren. Er fragte den Prinzen Wilhelm nach den Namen der Regimentspferde, von denen dieser keine Ahnung hatte; da half ihm Anton Stolberg geistesgegenwärtig aus der tödlichen Verlegenheit, indem 1«

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Offiziersleben in Potsdam.

er ihm die Namen mit dem Stock in den Sand der Reitbahn einzeichnete.8) Im Winter mußte sich Stolberg überwiegend der Berliner Geselligkeit widmen. So lernte er bereits jetzt eine große Anzahl derjenigen Familien kennen, mit denen er zeitlebens in Freundschaft verbunden blieb. Unter ihnen waren die Radziwills, die Bernstorffs sowie die Familie des preußischen Ministers Freiherm von der Recke, dessen Kinder langjährige Jugendfreunde der Stoibergs waren. Am Hofe war Stolberg gern gesehen und wohlgelitten, wenn die Königin mit seinen Familienangehörigen über ihn sprach, so nannte sie ihn einfach Anton. Die Berliner Gesellschaft hatte in jener Zeit noch etwas von einer großen Familie an sich, freilich soll damit nicht gesagt sein, daß ihre einzelnen Mitglieder immer liebevolles Verständnis für gegenseitige Schwächen aufbrachten. In ununterbrochener Reihe folgten sich in den Wintermonaten die Festlichkeiten, dazwischen verabredete man sich vielleicht zu einer Plauderei auf einer Bank im Tiergarten. Jedes Jahr schloß im Königlichen Opernhaus den Berliner Karneval ein großer Fastnachtsball ab. 1804 tanzte Stolberg die Schottenquadrille mit, die im Rahmen der glänzenden Vorführungen bei diesem Ball von 60 Offizieren vorgestellt wurde. Wir besitzen eine sehr lebendige Schilderung*) der Schwester Luise, die des zeitgeschichtlichen Interesses wegen in jenem Teil gebracht werden mag, der von den Spielen spricht: „ . . . Endlich schmettert die Trompete und die Sache beginnt. Hier verweise ich Euch an die Zeitung, meine Lieben, die so weitläufig ist, daß von mir Zusätze übrigbleiben. Es ist wahr, die königl. Quadrille war wunderschön und im hohen Grade imposant. Zwar gefielen mir die Anzüge der verschiedenen Völkerschaften nicht ganz, doch interessierten sie mich sehr, ja besonders, da in jeder Bekannte von mir waren. Bei den Scythen Karoline Riedesel, bei den Medern Marie Brühl, bei den Ägyptern Harry Reuß (63) usw. Und alles macht doch ein vollkommenes Ganzes. Und besonders die Königin in dem schönen Gewände einer Priesterin, strahlend von Juwelen und noch mehr durch königlichen Anstand und höchste Grazie. Man bemerkte, daß sie ihr Opfer, ihren Tanz, alles so verrichtet, als ob dies ihr einziger Gedanke sei. — Erst als alles vorüber war, blickte sie auf und eilte ihren Kindern zu, die in einer Loge standen. Aber auch Prinz Heinrich war als Mann sehr schön und prächtig angezogen und machte seine Rolle zwar etwas kalt, aber doch sehr gut. Die übrigen Prinzen waren ebenfalls äußerst reich und geschmackvoll angezogen, besonders *) Handschriftliche Tagebuchaufzeichnung.

Offiziersleben in Potsdam.

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gefiel mir Prinz Radziwill, der einen ganz schuppigen Panzer hatte und immer seinen Körper vollkommen in der Gewalt hat. Als dies vorüber war, kam die Karawane der Madame Heß, einer reichen Banquiers-Frau; und reich war der ganze Aufzug, aber zu mannigfaltig und bunt, machte daher keinen großen Effekt. Jetzt sah ich die Bergschotten die Treppe herabsteigen, und mir klopfte das Herz. Sie waren bei weitem nicht so reich, aber die Uniform hob sie um so mehr und ihr stolzer militärischer Gang, zu dem das hohe Kaskett trefflich paßte, gab ihnen das Ansehen einer noblen Garde, welche sie auch wirklich waren, da die ganze Quadrille aus 60 Mann, einen einzigen Zivilisten ausgenommen, aus lauter Offizieren bestanden. Das ist der älteste Stolberg, rief eine Stimme neben mir, oh, wie schön ist er.*) Da ist auch der jüngste.**) Sehen Sie nur, wie schön Ihre Brüder sind, so scholl es in der ganzen Loge, und es war mir, als ob mir selbst der schönste Weihrauch gestreut würde. Nun schlugen sie ihre zierlichen Pulte auf, denn die Brüder gehörten zu dem musikalischen Teil der Quadrille, und der Tanz der übrigen begann. Ich achtete aber noch mehr auf die Musik und freute mich des allgemeinen Beifalls, den sie fand, denn sie war nicht nur sehr gut gesetzt, sondern wurde auch sehr gut exekutiert. Dem König gefiel das militärische Spiel vorzüglich und die Handel und Sperlsche Zeitung hat sehr recht zu sagen, daß diese Quadrille in mehr als einer Hinsicht großen Effekt machte. Der Wehrentanz, der darauf folgte, war schön und hatte ganz natürlich einen höheren Grad der Vollendung, da es lauter Tänzer waren. Mir machte besonders der Schluß Freude, als sie ihr „vive la reine" emporhoben und die ganze versammelte Menge so einstimmig applaudierte und ihr Hoch mitrief. Das Opfer der Ceres hatte ein gewisses Leben, da vier Mädchen mit Blumenkörben und vier Jünglinge mit brennenden Fackeln unaufhörlich dabei tanzten. Ich wollte, Ihr läset auch die Vossische, jetzt Ungarische Zeitung, weil Ihr in dieser die Namen und alles noch etwas ausführlicher findet. Die Entwicklung der Puppen zu schönen Schmetterlingen war recht lieblich, aber die guten Kinder tanzten nicht vorzüglich, und so fand man es zu lang. Der Tempel und der Gesang dabei mißriet ganz, und die armen Mädchen haben den Verdruß gehabt zu hören, daß die Umstehenden sagten: Wenn sie doch nur erst wieder fort wären. Dieser Wunsch wurde zum Glück bald erfüllt und nun erhob sich alles, und die größte Hälfte der Gesellschaft verfügte sich in den schönen Konzert*) Constantin.

**) Anton.

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Offiziersleben in Potsdam.

saal, der auf die Art dekoriert war, wie unser alter Saal im Schloß nach Ferdinands Angaben einmal am 4. Oktober. Da der Saal eine graziöse Form hat, so machte sich das vortrefflich, besonders, als die Königin sich mit den verheirateten Damen zur Tafel gesetzt hatte und Fürsten und Herren und Jünglinge und Jungfrauen sich umherdrängten, sahen und gesehen wurden, bedienten und sich bedienen ließen. An den Wänden umher saßen die invaliden Damen oder andere, die sich entweder nicht zeigen durften oder auch nicht wollten." Wenn Anton auch an dem frohen Treiben sorglos teilnahm, so dürfen wir ihn uns doch nicht unter der Gruppe der in Übermut überschäumenden Offiziere denken, die den Prinzen Louis Ferdinand umgab. Dazu war die Hemmung, die die Tradition des Vaterhauses mitgab, doch zu stark, ganz abgesehen davon, daß die wirtschaftliche Lage ein übermäßiges Ausschlagen nicht erlaubte. Und die schönste Freude war es doch immer für ihn, wenn jemand von den Seinen, besonders der älteste Bruder Henrich, ihn besuchte. Dann fand er erst ganz zu der lauten Lustigkeit zurück, die oft in Wernigerode über ihn kam. Im Frühjahr 1805 erkrankte Anton schwer an den Folgen einer Brustoperation, die ihn hart an den Tod brachte. Die Aussicht, den damals begeistert ausziehenden Truppen nicht folgen zu können, drückte den jungen ehrgeizigen Offizier derartig nieder, daß seine Angehörigen zeitweilig Gemütserkrankung befürchteten und ihn auf jede Weise zu erheitern trachteten. Doch war er 1806 bereits wieder so weit hergestellt, um zusammen mit seinem Regiment, das erst im September Potsdam verließ, ausreiten zu können. Nach Jena blieb er eine Weile für die Seinen verschollen. Die Garde-du-Corps hatte sehr schwere Verluste erlitten, so daß der König, als er sie in Magdeburg wiedersah, vor Bewegung weinte. Die Garde-du-Corps mußte dem König auf der Flucht nach Preußen folgen und kämpfte auf dem linken Flügel des L'Estoqueschen Corps die Gefechte des Winters mit. Bei Heilsberg hatte Anton Stolberg noch besondere Gelegenheit, sich auszuzeichnen. Am 21. Dez. 1806 wurde er zum Premierleutnant ernannt und nach Königsberg zur Aufwartung bei der Königin Luise kommandiert. Um seinen Aufenthalt den Franzosen nicht zu verraten, bediente er sich zunächst im brieflichen Verkehr mit seinen Angehörigen eines Decknamens. Er wählte ein schwesterliches Kosewort, wenn er sich Herr von Tonneil nannte. Erst später, als sich eine günstige Gelegenheit ergab, schrieb er offener, dort erzählt er von seinen

Die Fremdherrschaft.

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Zöglingen, mit denen er sehr viel zu tun hätte, augenscheinlich meint er damit die Rekruten, die für die erwarteten Kämpfe des nächsten Jahres mit Hochdruck ausgebildet wurden. Hier in dieser Notzeit in Königsberg und Memel, in der die Etikette sich mehr und mehr löste, trat er den einzelnen Mitgliedern des königlichen Hauses menschlich viel näher, als es unter gewöhnlichen Umständen hätte sein können. Hier lernte er auch manche von den Männern kennen, die später Preußen groß gemacht haben. Nach Tilsit hielt es ihn nicht länger. Er folgte dem Beispiel der meisten seiner Kameraden und nahm den Abschied, um französischer Nachstellung zu entgehen. In seine Harzheimat zurückgekehrt, fand er die Verhältnisse von Grund aus verändert vor. Durch Dekret vom 17. Aug. 1807 war die Grafschaft Wernigerode dem Königreich Westfalen einverleibt, dem Saaledepartement angegliedert worden. Alle Vorrechte, die das Haus von der Krone Preußen sich in den Rezessen von 1702 und 1715 mühsam erkämpft hatte, schienen verloren. Durch persönliche Verhandlungen in Paris und Kassel suchte der regierende Graf zu retten, was zu retten war, ja er bemühte sich, für sein Haus den Reichsfürstenstand zu erkämpfen. Doch blieben die Erfolge sehr gering. Sein ältester Sohn Henrich verbrachte aus reinem Pflichtgefühl längere Zeiten am Kasseler Hof, um mit Qual im Herzen die öden Redensarten des Königs Jérôme anzuhören, der ihn meist mit den Worten empfing: „Was gibt esNeues, Herr von Stolberg?" und ihn am Abend mit dem Spruche entließ: „Morgen wieder lustick." Im übrigen war die französische Herrschaft zunächst nicht ungeschickt, feierlich wurden die Rechte der Schützengilden verbürgt, auf denen das Volksleben beruhte, ihnen sogar das Tragen von Waffen gestattet. Aber die wachsenden Nöte, die andauernden Gelderpressungen der Fremdlinge schufen doch mit der Zeit eine solche Erbitterung, daß es nur eines Funkens zur allgemeinen Erhebung bedurfte. Währenddem saß auf der Burg Anton mit seinem Freunde Gloger, ganz ablehnend gegen die neuen Zustände, und wartete auf die Stunde, zu der ihn der König brauchen konnte. Sein lebhaftes Temperament ließ die Schwestern Selbstverrat durch Sprechen im Schlafe befürchten, da überall der Argwohn des Feindes lauerte. Man ließ heimlich seinen Traum durch seinen Freund überwachen, doch kamen keine Verschwörergedanken zutage, sondern das Liebesgeständnis zu einer Jugendfreundin Luise Freiin von der Recke, Tochter des Ministers von der Recke, die Stolberg dann 1809 in glücklichste Ehe heimführte. Jedoch wurde es ratsam, daß er zusammen mit seinem Freunde Gloger Wernigerode 1809

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Die Befreiungskriege.

verließ. Als frühere preußische Offiziere erfreuten sie sich besonderer französischer Aufmerksamkeit, sicherlich nicht mit Unrecht, da ohne Zweifel geheime Verbindungen mit dem preußischen Königshause unterhalten wurden, auch Graf Henrich stand zeitweise unter dem Verdachte der Verschwörung. Nach einer unverbürgten Nachricht soll Anton Stolberg sogar vom König Jérôme geächtet worden sein. Er folgte seinem Vater nach Schlesien, als dieser, der Verhältnisse überdrüssig, die Verwaltung von Wernigerode seinem ältesten Sohne übergeben hatte und die Bewirtschaftung der vor kurzem geerbten schlesischen Güter übernahm. Der gemeinsame Haushalt wurde in Peterswaldau aufgeschlagen, dorthin folgten auch die Brüder Konstantin und Ferdinand mit ihren Familien, da die Not der Zeit keinen eigenen standesgemäßen Haushalt erlaubte.4) Es war dabei ein gewisses Glück, daß die mannigfachen sich kreuzenden verwandtschaftlichen Beziehungen das Leben auf engem Räume sehr erleichterten. Auch hier war Anton im vaterländischen Interesse nicht tatenlos. Im Jahre 1810 unternahm er mit dem Prinzen Wilhelm dem Älteren eine Reise durch Schlesien, um die Stimmung der Bevölkerung zu erkunden. Er blieb stets auf dem Sprunge, so daß er als einer der ersten zu Beginn des Jahres 1813 sich zum freiwilligen Eintritt ins Heer beim König persönlich melden konnte. Zur Truppe kam er nicht wieder. Prinz Wilhelm der Ältere, der ihn sehr schätzte, erbat ihn sich als zweiten Adjutanten aus. Bei Großgörschen setzte sich der Prinz an die Spitze des 6. Kürassierregiments, um ein feindliches Karree zu sprengen, dabei fiel Stolbergs Pferd, zu Tode getroffen, er kam unter mehrere andere Pferde zu liegen und zog sich gefährliche Quetschungen an Brust und Beinen zu. Nur mit Mühe und Not konnte ihn der erste Adjutant von Heydemann aus dem Gefecht herausführen lassen. Die erste Pflege fand er bei seiner Mutter und Schwester in Dresden, aber bereits den nächsten Tag mußte er vor den nachdrängenden Franzosen entweichen, er ging zunächst nach Peterswaldau, dann, als nach seiner eigenen Äußerung sich die Russen allzu gemütlich in Schlesien niederließen, in das an der böhmischen Grenze liegende Bad Kudowa. Die Heilung der Verletzungen stellte sich als langwierig heraus, so daß Anton zum großen Schmerze des Prinzen, der seinen Freund sehr vermißte, erst im Spätherbst 1813 ins Feld zurückkehren konnte. Auch dann noch konnte er sich nur mühsam an Krücken fortbewegen. Noch im gleichen Jahre nahm er an den Schlachten und Gefechten von Löwenberg, Pilgramsdorf, Goldberg, Katzbach und Leipzig teil. In der« denkwürdigen Neujahrsnacht 1813/14 traf er am

Die Befreiungskriege.

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Rheinübergang bei Caub mit seinem Freunde und Regimentskameraden, dem Obersten Grafen Schwerin zusammen, der kurz darauf fiel. Mit dem Wasser des Rheines wurde das Wohl des kommenden Jahres getrunken, das sich so verheißungsvoll ankündigte.5) Im Jahre 1814 kommandierte Prinz Wilhelm eine Brigade unter Yorck, es folgten höchst anstrengende Märsche in Frankreich. Uber Saint-Disier, La Chaussée, Chalons-sur-Seine, Chauteau-Thierry, Méry-sur-Seine ging es nach Laon, wo Stolberg sich das Eiserne Kreuz erster Klasse erstritt. Wenn er auch den allgemeinen Drang des Heeres, vorwärts zu gehen, durchaus teilte — er beklagte sich einmal bitter über das Zaudern des Hauptquartieres — , so litt doch sein empfindsames Gemüt auch unter den Bildern des Grauens und Schreckens, die den siegreichen Vormarsch ständig begleiteten. Nach dem Fall von Paris mußte er einen längeren Urlaub erbitten, um seine noch unausgeglichene Gesundheit zu kräftigen. Gleich, nachdem er bei den Seinen im Harze angelangt war, setzte er sich selbst ein Denkmal schöner Freundestreue, indem er an weittragender Stelle auf dem Ilsenstein bei Ilsenburg ein Kreuz von Eisen für seine lebenden und toten Kameraden errichten ließ. In einem Briefe an seinen Waffengefährten Karl von Roeder, in dem er diesen zum Jahrestag der Schlacht von Leipzig zur Einweihung lädt, ist der Gedanke, der dieser Kreuzerrichtung zugrunde lag, sehr klar ausgesprochen. Er schreibt da unter anderem: „Dieses Kreuz kommt auf die höchste und äußerste Spitze des Ilsenstein, wo es, fest vergossen, mit Gottes Hilfe das Schicksal des Felsens teilen wird. Anspruchslos, aber fest und kühn soll es dastehen in dem Vaterlande altnordischer, deutscher Freiheit, zur Beurkundung der Zeit, wo solche fromme Helden lebten und fielen, und zum ermunternden Beispiele spät nachfolgender Generationen. Den 18. werden von allen bedeutenden Bergen Feuerzeichen gegeben werden. Das flache, tiefliegende Land soll sehen, daß die freien Bewohner der Berge zu würdigen wissen das Andenken durch Gott geheiligte und gesegnete Tage. Den 19. soll in der kleinen Grafschaft ein allgemeines Dankfest, sowie den 14. ein Bußfest kirchlich begangen werden. Wenn Du nun diese Tage gemeinschaftlich mit uns verleben und feiern könntest, so wäre es schön und lieblich. Kannst Du nicht genau an diesen Tagen hier sein, nun so komme wenigstens später. Du, mein Bruder, bist uns immer und immer willkommen. Der Herr sei mit Dir und segne Dich geistig und körperlich l" 6 ) Nach der Rückkehr Napoleons von Elba rief die Pflicht noch einmal zu den Waffen. Wieder war er der treue Begleiter des

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Die Befreiungskriege.

Prinzen Wilhelm, der dieses Mal eine Brigade unter dem General Bülow von Dennewitz führte. An all den siegreichen Kämpfen nahm Stolberg auch diesmal teil. Doch gleich nach Waterloo erbat er — wohl hauptsächlich aus Gesundheitsgründen — den Abschied, den er im Alter von 30 Jahren mit dem Range eines Oberstleutnants erhielt. Anton Stolberg nahm zunächst das stille Leben in Peterswaldau wieder auf, das er vor den Kriegen geführt hatte. Doch sehen wir ihn mit lebhaftem Interesse die großen vaterländischen Angelegenheiten verfolgen. In einem Briefe vom 30. Okt. 1814 an den Kammergerichtsrat, späteren Kultusminister Eichhorn entwickelt er seine damaligen politischen Anschauungen. Dieser Brief ist voll von Kritik an den Maßnahmen der preußischen Regierung, der besonders ungeschickte Behandlung der Untertanen in den neu erworbenen Ländern vorgeworfen wird. Immer wieder betont er die Notwendigkeit, geeignete Beamte an die richtigen Stellen zu setzen. Aber auch die allgemeinen deutschen Schicksalsfragen beschäftigen den Schreiber. Bald gab es mancherlei Gelegenheiten, die Stolberg in das öffentliche Leben seines Landes hereinzogen. Zunächst mußte er seinen Vater in dessen Eigenschaft als Deputierter des schlesischen Provinziallandtages oftmals vertreten; nach den Kriegen gab es viel neu zu regeln und zu ordnen, so daß er genug zu tun hatte; er schreibt einmal von einer solchen Periode, daß er zehn bis elf Stunden täglich zu arbeiten habe.7) Dann aber führte ihn das Jahr 1822 für viele Monate nach Berlin, um im Auftrage seines Hauses einen neuen Rezeß mit der Krone Preußen zu vereinbaren. Sein Bekanntenkreis hatte sich schon in den Befreiungskriegen bedeutend erweitert, hier war er vor allen den Generälen Bülow von Dennewitz und Yorck von Wartenburg nähergetreten. Nach dem Kriege hatte sich ein Kreis gleichgestimmter Menschen nach Schlesien zusammengezogen. In Jannowitz wohnte die Familie des Bruders Konstantin, der selbst, ungewöhnlich begabt, den Kriegsverletzungen im Jahre 1818 erlag. In Buchwald lebte die Gräfin Rheden, deren Liebestätigkeit unter den verarmten Bauern vorbildlich wurde, in Erdmannsdorf hatte sich der greise Feldmarschall Gneisenau niedergelassen, von der Generation der Freiheitskriege ehrfürchtig verehrt, nach Fischbach, dessen Ankauf Anton Stolberg vermittelt hatte, zog Prinz Wilhelm der Ältere mit seiner Familie. Endlich war Ruhberg der Witwensitz der Fürstin Radziwill. Auch der Freund des Prinzen Wilhelm, Natzmer, kam später nach Breslau. Von Zeit zu Zeit fuhr vom Rhein der alternde Stein herüber, um seine Freunde in Buchwald und Fisch-

Der Neupietiesismus.

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bach zu besuchen. Auf seinen Knien spielten auch die Kinder Anton Stolbergs. Als dieser im Jahre 1830 an den Rhein kam, suchte er sogleich Stein auf, dessen Tod in der Familie wie ein persönlicher Trauerfall aufgenommen wurde.8) In der Berliner Zeit kam Stolberg unter anderem mit den Gerlachs, mit Lancizolle, Bethmann-Hollweg und Thadden zusammen. Es war da nur natürlich, daß die mannigfachen Eindrücke, die jetzt von allen Seiten auf ihn eindrangen, seiner inneren Entwicklung eine ganz bestimmte Richtung gaben. Da wurde es nun vor allem die religiöse Erweckungsbewegung, in die er, wie so viele der Freiheitskämpfer, ganz hereingezogen wurde.9) Diese Erweckungsbewegung, die in den ersten zwei Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts in den verschiedensten Gegenden Deutschlands gleichzeitig aufflammte, war in ihrem Ursprung sehr verschieden, auch sehr ungleichartig in ihrer Wirkung. Hier waren es kleine Sekten, die bald wieder verlöschten, dort Strömungen, die dauernde Spuren im protestantischen Lager hinterließen. Man pflegt diese Bewegung vielfach als Neupietismus zu bezeichnen, nicht ganz zutreffend, da die Erweckungsbewegung sich nicht immer mit Pietismus deckte und besonders auch die von der Erweckung Ergriffenen sich heftig gegen diese Bezeichnung gewehrt haben.10) Der alte Pietismus des 17. und 18. Jahrhunderts war keineswegs schon tot, aber doch in seiner Bedeutung auf die Gestaltung des alltäglichen Lebens stark zurückgedrängt. Wir sahen, wie selbst in Wernigerode die Weltentsagung gesunder Lebensfreude hatte Platz machen müssen. Am stärksten lebte die Tradition des Pietismus in der Brüdergemeinde weiter. Gemeinsam mit dem Pietismus hatte diese neue Bewegung vor allem die Sehnsucht nach subjektiver religiöser Erneuerung. Von wirklicher Bedeutung wurden diese Strömungen, die breitere Massen kaum ergriffen, erst durch den starken und nachhaltigen Einfluß, den sie auf einen Teil der Generation der Befreiungskriege ausübten. Es waren vor allem diejenigen, die in den Jahren des Glückes unter der allgemeinen Verflachung und Erstarrung gelitten hatten, die, als der Zusammenbruch kam, ihn als eine Strafe Gottes betrachteten und den Befreiungskampf als das göttliche Wunder schlechtweg empfanden. Als man aus den Kriegen zurückkehrte, hatten diese Jungen vielfach das instinktive Gefühl, daß nicht alles erfüllt wurde, was sie in ihrer Begeisterung ersehnt hatten. Die Traditionen, in denen sie erzogen waren, schlössen sie von der nationalen radikalen Bewegung der akademischen Kreise aus, so fanden sie ein Ventil für ihre Unzufriedenheit, eine Möglichkeit, gegen die Alterserscheinungen

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Der Neupietismus.

ihrer Umgebung zu protestieren, in der religiösen Erneuerung des gesamten Lebens. Sie wollten den Kampf nach innen und außen. Im Inneren führten sie erbitterten Krieg gegen die Bureaukratie in jeder Form, die die Begeisterung und den Auftrieb der vergangenen Jahre zu ersticken drohte, hier fanden sie sich mit dem Liberalismus zusammen, dem sie überhaupt nicht ursprünglich so fern standen, wie sie selbst wünschten. Es ist kein Zufall, daß namhafte Führer des Rationalismus wie Uhlich und Charlotte Stieglitz zunächst im Pietismus ihr Heil suchten. Die Begeisterung für den nationalen Krieg ist das charakteristische gemeinsame Merkmal dieses Kreises, man darf nicht vergessen, daß auf der anderen Seite eine starke Richtung innerhalb der preußischen Beamten- und Offiziersaristokratie vorhanden war, die mit dem tiefen Mißtrauen eines Metternich die Volksbewegung von 1 8 1 3 betrachtete. Selbst Anton Stolberg erwähnt einmal, daß ein ihm bekannter Offizier seine freiwillige Meldung ins Heer als „frivole Exaltation" bezeichnet habe. 11 ) Dem Staate war darum auch diese Bewegung revolutionär verdächtig, er schritt durch Verbote ein. Nach außen hin war und blieb Frankreich der eigentliche Feind. Mit echt deutscher Überschätzung des Fremden sahen diese Jungen in Frankreich den eigentlichen Verderber der deutschen Volksseele. Der Haß gegen die Unterdrücker des Vaterlandes hatte in den Schandjahren so tiefe Spuren gegraben, daß alles, was von dorten kam oder zu kommen schien, ungesehen verworfen wurde. Rationalismus, Konstitutionalismus, Bureaukratismus und Liberalismus waren die Saiten einer Geige, deren Bogen der Teufel selbst führte und zu der die jakobinischen Königsmörder die Melodie komponiert hatten. Als Napoleons Werk endgültig zusammenbrach, wurde das Gottesgericht über Frankreich zur Gewißheit. Nun setzte man alles daran, die schlimme Saat des Unglaubens, die der Feind im Lande ausgestreut hatte, nicht aufkommen zu lassen. Von dieser Grundeinstellung aus wurde die gesamte Außenpolitik der kommenden Jahrzehnte bestimmt; man war nie bereit, den Nützlichkeitsstandpunkt zu vertreten, ein Krieg gegen die Mächte der heiligen Alliance Rußland und Österreich schien im höchsten Grade verwerflich, den nur die größte Not rechtfertigen konnte. Dagegen blieb man stets gefaßt, gegen Frankreich und damit gegen die Revolution die Waffen zu führen. Diese kleine Schar, die mutig den Kampf gegen die Gottesleugner aufnahm, hatte die Mission, dem alternden Rationalismus und einer dünkelhaften jungen Wissenschaft positive Werte entgegenzuwerfen. Freilich, indem man die Religiosität gewisser-

Der Neupietismus.

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maßen auf die Straße trug, trieb man viele aus Opposition gegen die vermeintliche Heuchelei in das Gegenlager. Doch wurde das Ringen der Lebensanschauungen vertieft. Den Jahren des ersten Überschwanges folgte eine Zeit ruhigerer Besinnung, so daß der Unterschied zwischen kirchlicher Orthodoxie und diesem religiösen Subjektivismus mehr und mehr sich in kleine Sekten verflüchtete. Es ist wohl richtig zu sagen, daß der Pietismus orthodoxer und die Orthodoxie pietistischer wurde. Diese Pietisten oder christlichen Romantiker, wie man sie nennen will, haben hauptsächlich durch das Beispiel ihres Lebens gewirkt. Der Spott der Gesellschaftsschichten, denen sie angehörten, vermochte nicht zu hindern, daß ihre Kritik mannigfach wirksam wurde. Wohl ist der Vorwurf weichlicher Schwärmerei für einzelne rein passive Naturen berechtigt. Doch im allgemeinen verleugneten die Anhänger der religiösen Läuterung keinen Augenblick die Lebensanschauungen ihrer Kreise, waren es doch auch preußische Tugenden, für die sie in erster Linie kämpften: Selbsterziehung, Vereinfachung der Lebenshaltung und selbstlose Hingabe an die Sache. Ohne die innere Wärme und Geschlossenheit, die das pietistische Familienleben durchdrangen und die Bismarck so mächtig anziehen sollten, läßt sich der beste Typus des preußisch-deutschen Beamten und Offiziers späterer Jahre kaum denken. 12 ) Vor allem aber sollte auch der Neupietismus über das soziale Problem das Nachdenken fördern. Wohl hatte auch schon der alte Pietismus einen mächtigen Anstoß gegeben — man denke nur an die Stiftungen von Franke in Halle —, aber aus diesen Kreisen heraus entwickelte sich jetzt mehr und mehr die Auffassung, daß für die vielfach unbeschreibliche Not in umfassender Weise etwas geschehen müsse. Da alle private Hilfe nur Tropfen auf einen heißen Stein blieb, so kam man von selbst darauf, vom Staate, der sich zunächst heftig gegen diese neuen Aufgaben wehrte, wirksames Eingreifen zu fordern.13) Stolberg hat eine für diesen Kreis typische Entwicklung durchgemacht.14) E r war von Haus aus sehr positiv erzogen worden, so daß er nicht wie viele andere durch den Rationalismus hindurchgehen mußte, doch deutet er gelegentlich an, daß er in seinem Leben tote Punkte überwinden mußte. Durch seine Mutter, die mit dem Grafen Zinzendorf befreundet war, und vor allem durch seine Schwester Friederike, die den Grafen Dohna, den Neffen Zinzendorfs, geheiratet hatte, wurde er in die geistige Sphäre der Brüdergemeinde hineingezogen. Nach den Kriegen predigte in Schlesien Bischof Sailers Freund, Ludwig Goßner, der in den Kreisen des schlesischen protestantischen Adels tiefen

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Stolbergs religiöse Anschauungen.

Eindruck hinterließ. Schließlich kam Stolberg mit der Bewegung des Wuppertales in Berührung, da er nach dem Tode seines Schwagers Wylich die Herrschaft Diersfordt bei Wesel übernommen hatte. Wenn auch der dort vorherrschende kühle kalvinistische Einschlag ihm fremd sein mußte und er „das Schwelgen in Erkenntnissen", „den Hochmut mancher Geistücher" höchst bedenklich fand, wenn er sich auch gegen die Prädestinationslehre aussprach, weil sie nach seiner Meinung die Gemeinden vom Christentum mehr hinweg- als hinführte, so war um so nachhaltiger für ihn persönlich die innere Anregung, die er von dem konvertierten katholischen Priester Ignaz Lindl empfing, der nach seiner Rückkehr aus Südrußland dort eine kleine Gemeinde um sich gesammelt hatte. Auf Einladung Stolbergs kam Lindl nach Peterswaldau und machte sich auch dort einen kleinen Anhängerkreis. Die Gefühle Stoibergs für diesen Mann waren zeitweise fast schwärmerisch: „Ich habe Lindl so sehr lieb", schrieb er einmal an seine Schwester Luise. Von ihm beeinflußt, geriet er in der ersten Hälfte der zwanziger Jahre in eine ausgesprochen schwärmerische Periode, die sich jedoch später mehr und mehr verlor. Auch er war einer von denen gewesen, die begeistert in den Freiheitskampf hinausgezogen waren. Vieles an den Zuständen, die er bei der Rückkehr vorfand, befriedigte ihn ganz und gar nicht. Wir hörten schon von der Kritik, die er an manchen Maßnahmen der preußischen Regierung übte, auch mit dem Verhalten seiner eigenen Standesgenossen war er nicht zufrieden. So war es nur natürlich, daß er sich jenen anschloß, die das gleiche empfanden. Dabei bejahte er das Leben in allen Konsequenzen. Worte blieben für sein Leben programmatisch, die er schon im Jahre 1816 seiner Schwester Luise schrieb: . . . „Dies scheint mir eine sehr richtige Ansicht zu sein. Der Herr verlangt und, ich glaube, will es nicht, daß wir in klösterlicher Zurückgezogenheit leben sollen, sondern im Kampf mit der eigenen, furchtbar verdorbenen Natur und mit der Sünde der Welt sollen wir durch den doppelten . . .*) uns durchkämpfen und mühen, um als Missionare in unseren engeren und weiteren Umgebungen zum Baue des Reiches Christi förderlich zu sein." (23. Nov. 1816.) So sprach er es auch einmal gegenüber der Königin Marie von Bayern aus, daß die Großen dieser Erde außer in dem stillen Kämmerlein der Sehnsucht nach einem beschaulichen Leben nicht unbedingt Raum geben dürfen. „Sie können sich nicht *) Wort unleserlich.

Stolbergs religiöse Anschauungen.

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isolieren, müssen im Gebet auch teilnehmen an den Pflichten nach außen, um auch in solcher Weise dem Herrn zu dienen und zu preisen."") Dieser Glaube bestimmte sein Leben und durchdrang sein ganzes Wesen. Sein Leben galt dem einzigen Bestreben, Gott und seiner Sache zu dienen. An alle weltlichen Aufgaben ging er von hier aus heran. Dieser starke Gottesglaube verhalf ihm zu der mutigen Beharrlichkeit, auch für eine scheinbar verlorene Sache bis zum letzten zu kämpfen. Er ließ ihn mit Gelassenheit zahlreiche persönliche Schicksalsschläge ertragen. Freilich steckte ihm dieser Glaube auch gewisse Grenzen. Mißverständlich übertrug Stolberg den religiösen Maßstab auf alle Kämpfe des öffentlichen Lebens, so daß ihm überall die Sünde als die Ursache des Übels erschien. So wurde auch sein Verhalten gegen andere Menschen und Lebensanschauungen oft unduldsamer, als es seiner natürlichen Veranlagung entsprach, sobald er die ewigen Güter verletzt glaubte. Er vergeudete manchmal seine Kräfte in geringfügigen Meinungsverschiedenheiten, wenn die kirchliche Sphäre berührt wurde. Wie tief und einschneidend Stoibergs Religiosität auf andere Menschen wirken konnte, dafür gibt uns die Gräfin Elise Bernstorff in ihren Erinnerungen eine eindrucksvolle Schilderung. Sie schreibt u. a. „ . . . . Aber vor dem Schluß des Mai erschien der Vetter Anton Stolberg als Abgesandter bei uns, um zuerst nur im Namen seines Freundes, des Majors Karl von Roeder, zu sondieren, ob der Vater, ob wir nichts dagegen haben würden, wenn er sich Henrietten (Nichte von Gräfin Bernstorff) als Bewerber nähere. Ehe das Versprechen des Vaters jedoch endgültig gegeben werden konnte, mußten notwendig allerlei Nebenumstände erfragt werden. Diese Präliminarien übernahm Stolberg, und so kam es, daß auch ich ihn öfters bei ernsten Unterredungen sah, die eine Bekanntschaft mehr fördern als langes Sehen unter vielen Menschen, als häufiges Begegnen in den Kreisen der Geselligkeit. Ich erinnere mich namentlich eines Gespräches, in das uns die vorliegende Angelegenheit vertiefte. Er entwickelte seine Ansicht über die Ehe; die Art, wie er sie durchaus nur auf den Grund der Religion aufgebaut und keinen Mittelweg als möglich gelten lassen, die Art endlich, mit welcher er nur Sympathie als entscheidend ansehen wollte, die sich in der Religion begegnete — alles das war mir, wenigstens in diesem Grade der *) Bruchstück und Konzept s. A et D.

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Charakter.

Entschiedenheit, neu! Und als das Gespräch sich nun, ich weiß nicht, durch welche Wendung, auf meine vergangenen Verluste richtete, da erhob sich seine Sprache zu einer Gewalt, sein Trost zu einer Macht, die mich ganz hinrissen. Ich erkannte mit bewundernder Verehrung den vielgeprüften und bewährten Christen in ihm und fühlte es lebhaft und entscheidend, daß, wenn es diese Sinnesart, diese Denkungsweise war, die ihm den Vorwurf des Pietismus zugezogen hatte, ich mich glücklich preisen müßte, wenn auch ich einst diesen Vorwurf verdienen könnte. — Geweckt durch dieses Gespräch waren tausend Erinnerungen durch meine Seele gezogen; alles Ferne trat zu mir heran; es dünkte mir, als hätte eine unsichtbare Hand den tiefsten Verschluß meines Herzens geöffnet und neue Vorstellungen nähmen es in Besitz." 15 ) Zeitgenossen, die ihn gut kannten, haben besonders die Vornehmheit seiner Gesinnung, die Ritterlichkeit seines Auftretens gerühmt. „Er war einer der herrlichsten, erwärmendsten Gestalten, denen man hier auf Erden begegnen kann", schrieb Friedrich Wilhelm IV. nach seinem Tode an König Johann von Sachsen16), „die Stätte, die ein edler Mann betritt, ist eingeweiht", äußerte Gräfin Elise Bernstorff in der überschwenglichen Ausdrucksweise ihrer Zeit, als sie einen gemeinsamen Ausflugsort wiedersah.17) Es war gewiß kein Scherz, wenn Fürst Anton Radziwill befürchtete, Stolberg könne seine Tochter Elise noch ganz zur Heiligen machen, und deshalb in späteren Jahren Gespräche unter vier Augen verhinderte.18) Eine der Damen der großen Welt, die Herzogin von Dino und Sagan, schrieb in ihrem Nekrolog über Anton Stolberg: Er sei „le seul grandseigneur dans les formes et dans l'âme, qui resta ici" gewesen.19) Bismarck sprach von ihm schmeichelhaft als „dem alten Ritter". 20 ) Sicherlich war auch der Eindruck, den er in jüngeren Jahren besonders auf Frauen hinterließ, nicht unbeeinflußt von seiner ungewöhnlich schönen äußeren Erscheinung. Ein Ölbild, auf dem er in phantastischer Ritterrüstung dargestellt ist, zeigt uns einen Mann mit edelgeschnittenem Kopf und dunklen, ausdrucksvollen Augen. Stolberg war ein ebenso liebevoller Gatte wie ausgezeichneter Vater. Von den Seinen wurde er vergöttert, obwohl er die äußeren patriarchalischen Formen seines Vaterhauses übernommen hatte und in wichtigen Angelegenheiten unbedingteste Unterordnung seiner Kinder forderte. Sein gütiges Herz war stets offen für alle Freuden und Sorgen der Kinder. Die Erziehung war streng religiös. Morgens und abends lag er mit seiner Familie und seinem ganzen Hausgesinde vor seinem Gott auf den Knien. Dieses Christentum war eine lebendige Kraft, die den großen

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Beziehungen zum preußischen Kronprinzen.

Familienkreis in einer tiefen, auch nach außen hin wirkenden Harmonie zusammenfassen konnte. Auch für alle seine Kinder wurde das christliche Lebensideal die Richtschnur des Handelns. Von Muckertum war dabei in seinem Hause keine Rede. Vielmehr war der Grundton des häuslichen Verkehrs Fröhlichkeit, und wenn Stolberg auch keine rauschenden Feste liebte, so waren um so mehr die freien Abende der Musik geweiht. Er hat das Ziel seines Lebens mit folgenden Worten ausgedrückt; „Je anspruchsloser der Charakter sich gestaltet, je erfreulicher liebenswürdiger und edler in menschlicher und kristlicher Beziehung gehet der Weg durchs Leben. Es ist der Kampf, d i e Aufgabe welche durchs ganze Leben gehet. Je selbstloser, innerlich wahrhaft demüthig, je folgsamer gegen die göttlichen Anforderungen, je reicher wird das Leben dies und jenseits." Man kann vielleicht sagen, daß Stolbergs Gefühlsleben noch stärker als sein Verstand seine Handlungen bestimmten. Er hatte manchmal Schwierigkeiten, sich schriftlich ganz klar auszudrücken, nicht immer beurteilte er andere Menschen nur nach rein sachlichen Gesichtspunkten. Doch wäre es gänzlich falsch, den Urteilen mißgünstiger Zeitgenossen beizupflichten, die in ihm nur ein Werkzeug anderer zu sehen meinten.21) In großen prinzipiellen Fragen hatte Stolberg durchaus eine feste Überzeugung, in manchen Dingen, die ihm besonders nahelägen, wie z. B. bei militärischen und auch wirtschaftlichen Angelegenheiten, zeigte er ein sehr gesundes und durchdachtes Urteil. So war die innere Entwicklung Anton Stoibergs noch im vollen Flusse, als er zum Kronprinzen Friedrich Wilhelm in nähere Beziehungen trat. Ihre Bekanntschaft reichte in die Kinderjahre zurück, doch erst nach den Kriegen wurde es die große Freundschaft, die sie das ganze Leben hindurch verbinden sollte. — Der Anfang des vertraulichen Verkehrs war eigenartig gewesen. Stolberg hatte am 6. Dez. 1815 dem Kronprinzen sein Ausscheiden aus dem militärischen Dienste mitgeteilt und bei dieser Gelegenheit seine Zuneigung gestanden« „... Sehen denn Ew. Königl. Hoheit diese Worte als Vermächtnis eines Menschen an, der Sie nicht bloss allein als Thronerben ehrt, und mit treuer Untertanenpflicht ergeben ist, — sondern, der Sie auch als Mensch achtet und liebt. — Ja, Ew. Königl. Hoheit, dies tue ich von ganzem Herzen. Früher als ich noch diente, durfte ich nicht so vortreten, konnte Ihnen nicht so sagen, wie sehr ich Sie achtend hebte, weil es übel gedeutet und aussehen konnte, als drängte ich mich des äußeren Vorteiles willen zu Ihnen. Jetzt — ist dies anders.- — Ich stehe beziehungslos da und schaue nur von fem in das öffentBeihelt d. H. Z. 8.

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Beziehungen zum preußischen Kronprinzen.

liehe Leben der großen Welt." Zum Schluß deutet er an, daß es ihm einmal ein lieber Gedanke gewesen sei, in die Nähe des Kronprinzen zu kommen. Es fiel dem Kronprinzen nicht schwer, auf dies vertrauliche Geständnis sehr herzlich zu antworten. Von häufigem schriftlichen Gedankenaustausch war kaum die Rede. Man hat den Eindruck, daß nur verhältnismäßig wenig Briefe gewechselt sind. Stolberg nannte einmal den Grund seiner Zurückhaltung: er glaube nicht berechtigt zu sein, die Zeit des Kronprinzen mit überflüssigen Dingen in Anspruch nehmen zu dürfen.22) Dann aber sahen die Freunde sich häufig in diesen Jahren. War Stolberg nicht in Berlin, so kam der Kronprinz nach Erdmannsdorf, und auch im Hause der Gräfin Reden in Buchwald, die in der religiösen Anschauung ihnen sehr nahestand, kam es zu manchem ernsten Gespräch über kirchliche und soziale Probleme.23) Stolberg war nicht unbeteiligt bei der Gattinwahl des Kronprinzen. Durch Vermittlung seiner Schwester, Frau von Schönberg, ließ er Erkundigungen über die bayerischen Prinzessinnen einziehen und konnte am 25. Aug. 1819 mitteilen, „daß sie liebenswürdige, äußerst lenksame und arglose Wesen seien. Wohltätigkeit und tiefes Gefühl für Menschenelend schmückt diese guten Kinder. Amalie ist lebhafter, Elise ruhiger". Im Jahre 1820 entwarf er vermutlich auf eine Frage des Kronprinzen ein Bild von dem Wesen und den Pflichten des Adels, bei dem noch jugendlicher Idealismus den Pinsel führte: Der Adel hat in erster Linie Pflichten, erst aus diesen heraus erwachsen ihm dann Vorrechte. Er muß den Schutz des Vaterlandes und insbesondere des Königshauses übernehmen, streng die Ritterlichkeit üben und allen Bedrängten Hilfe leisten. An Stelle der vielen besoldeten Diener soll er das Bindeglied zwischen König und Volk sein. Der Adel in seiner jetzigen Gestalt könne aber diese Aufgaben nicht mehr erfüllen. Die Schuld liegt im religiösen Verfall, in der wirtschaftlichen Verarmung und in der Einverleibung ungeeigneter Elemente. Ein Wort des Königs jedoch wird genügen, damit sich Ausschüsse bilden, die die Wiederbelebung und Wiedergeburt des Adels übernehmen. „Gebrechen und Verbrechen müssen bestraft, adliges Wesen gehoben werden." Er lebe seit 10 Jahren in diesen Ideen (aa Fr. W. IV., 1. Mai 1820). 1822 wurde man auch in der Öffentlichkeit darauf aufmerksam, daß Stolberg und Roeder in nahen Beziehungen zum Kronprinzen standen. Schon damals sagten viele: man wolle keinen König, der wie der Kronprinz immer bete und ein Frömmler sei.24)

Elise Radziwill und Prinz Wilhelm.

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Stolberg durfte sich erlauben, bei Personalbesetzungen mitzusprechen. Kurz nach der Ernennung Merckels zum Oberpräsidenten von Schlesien unterbreitete er dem Kronprinzen den für ihn bezeichnenden Vorschlag, in Breslau ein Konsistorium zu errichten, um Merckel einen moralischen Halt zu geben.2®) Merckels leidenschaftlichen Charakter, von dem er jetzt schon fürchtete, daß er das edle Gemüt besiegen würde, sollte er wenige Jahre darauf sehr genau kennenlernen.*) In den späteren Jahren kam er hin und wieder mit Vorschlägen für die Besetzung höherer Regierungsstellen. Alle Briefe aber sind jetzt noch voll Liebe und unbegrenzter Hochschätzung vor den Fähigkeiten des Kronprinzen. Das Hinreißende seiner Persönlichkeit nahm auch ihn wie viele andere ganz gefangen. Die langjährige Freundschaft mit der Familie Radziwill, das nahe Verhältnis mit dem Hause Hohenzollern läßt es natürlich erscheinen, daß Anton Stolberg einer der Eingeweihten in der Herzensaffäre des Prinzen Wilhelm, späteren Kaisers, wurde.28) Er stand ganz auf der Seite des Prinzen. Gemeinsam mit Savigny und Lancizolle arbeitete er voller Eifer Gutachten aus, in denen auf Grund geschichtlicher Beispiele der Nachweis versucht wurde, daß eine Ehe mit der Prinzessin Elisa von Radziwill als ebenbürtig zu betrachten sei. Die Gutachten wurden ungenügend befunden. Eine Kommission trat ins Leben, deren Vorsitz der König selbst übernahm. Es war klar, daß bei einer strengen Prüfung die Sache des Prinzen übel stand, die Fürsprecher der Ehe hofften jedoch, den König persönlich allmählich günstig stimmen zu können. Dazu bestand auch begründete Aussicht. Stolberg verfolgte nach seinen Briefen eine doppelte Taktik. Er wollte den Schlägen der Gegenpartei möglichst zuvorkommen und bat daher den Prinzen wiederholt, ihm die „Memoirs der Minister" zu beschaffen, bevor man offiziell über sie beriet, um etwaige Irrtümer rechtzeitig widerlegen zu können. Er warnte vor dem Fürsten Wittgenstein, dem er nicht traute, den er aber in der ganzen Angelegenheit nicht glaubte übergehen zu können. Gleichzeitig aber drängte er den Prinzen Wilhelm, sich möglichst ruhig und besonnen zu verhalten, um nicht durch eine voreilige Entscheidung sein Lebensglück aufs Spiel zu setzen. Augenscheinlich wollte dessen jugendliches Ungestüm manchmal mit der kühlen Überlegung durchgehen. Stolberg sah im Gehorsam gegen den König eine unabweisbare Sohnes- und Untertanenpflicht; als die Verheiratung Friedrich Wilhelms III. •) S. unten S. 21 ff. 2*

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Elise Kadziwill und Prinz Wilhelm.

mit der Fürstin Liegnitz zu dieser Zeit in Aussicht stand, bat er in eindringlicher Weisenden Vater fühlen zu lassen, daß in seinem Glück auch das eigene liegen würde. Er rechnete dabei damit, daß ein ruhiger und folgsamer Sohn am ehesten das Herz des Königs rühren könnte. In der Zwischenzeit sprach er dem Prinzen Mut zu oder schilderte ihm die Prinzessin in einem der vielen hoffnungsvollen Stadien: „Prinzessin Elisa hat uns alle tief gerührt aufs Neue in der Weise, wie das neuaufgehende Sonnenlicht des Lebens sie umstrahlt; obwohl nur bänglich aber doch vertrauend sich in stiller Sehnsucht danach wendend. — Gott Lob für das alles." (31. Okt. 1824.) Nach dem Unfall des Prinzen in Posen fand er in einem Briefe vom 15. Mai 1825 selten schöne tröstende Worte: „ . . . Sie haben eine ernste Jugend verlebt, Gott hat Sie in eine Schule des Entsagens, des Schmerzes geführt, in welcher Sie in bedrängter Zeit Erfahrungen gemacht haben, wie sie manchmal nicht in einem Jahrhundert zusammenzustellen sind. Gott hat Sie lieb, daß er Sie so ernste, rauhe Wege führt, mein teurer, innigst geliebter, gnädiger Herr! So bitter es dem Herzen getan, so gewiß hat es Sie doch der ewigen Liebe näher geführt, und das ist am Ende der Z w e c k unseres Lebens mit allen Freuden und Leiden dieser Zeit. Ein merkwürdiger Schluß Ihres 28. Lebensjahres und ein freudig herrliches Beginnen einer schönen Zukunft, die wie das Frühjahr sich durchwinden mußte durch Sturm und eisige Kälte nach rauhen ernsten Wintertagen. Aber es mußte alles so kommen, denn wie der Frühling weniger lieb und freundlich ohne das Ungestüm des Winters wäre, so wird es auch sein mit dem neuen Leben durch Liebe gekrönter Treue." Trotzdem die Entscheidung negativ ausfiel, da der russische Zar es abwies, die Prinzessin Elisa zu adoptieren, vergaß ihm Prinz Wilhelm den Freundschaftsdienst nicht so bald. Im Jahre 1828 bat er ihn noch, sein Hofmarschall zu werden. Stolberg lehnte am 3. Nov. mit der Begründung ab, daß es seine Lebensverhältnisse nicht erlaubten, das Anerbieten anzunehmen. Er bliebe auch so ergeben. Erst die innerpolitischen Kämpfe unter der Regierung Friedrich Wilhelms IV., während der der Prinz in immer schärfere Opposition zur Politik seines Bruders kam, trübten auch dieses schöne Verhältnis.

Webernöte im Kreise Landeshut.

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Kapitel 2.

I n vier preußischen Provinzen (1827—1840). Die Webernöte im Kreise Landeshut. — Am Niederrhein. — Chefpräsident in Dasseldorf. — Der Kölner Kirchenstreit. — Oberpräsident von Sachsen.

Das öffentliche Leben seiner engeren schlesischen Heimat nahm ihn immer mehr und mehr in Beschlag. Zunächst zum Landesältesten der Kreise Landeshut und Bolkenhayn ernannt, wurde er 1827 Verweser des Kreises Landeshut. Hier harrten seiner wichtige Aufgaben. 27 ) Schon früher hatte Stolberg Gelegenheit genommen, den König auf die herrschende Not in den Gebirgskreisen aufmerksam zu machen, jetzt brachte ihn seine dienstliche Tätigkeit bald zu der Überzeugung, daß für den armen Gebirgskreis, der ihm anvertraut war, entscheidende Hilfe des Staates vonnöten sei. Die umfangreiche private Wohltätigkeit konnte bei dem Grad des allgemeinen Elends nur noch einen Tropfen auf einen heißen Stein bedeuten. E r wandte sich daher schon im Winter 1828 an seine vorgesetzte Behörde, das Regierungspräsidium in Liegnitz und beantragte wegen Überschuldung die Ermäßigung der Klassensteuer. Seine Forderung wurde wegen des schlechten Beispieles auf die anderen Kreise abgeschlagen und die Einreichung von Einzelfällen verlangt. Daraufhin trat Stolberg direkt an das Oberpräsidium heran. Nachdrücklich wies er darauf hin, daß die Not in seinem Kreise den höchsten Grad erreicht habe, daß daher sofortige Hilfe notwendig sei. Gleichzeitig sandte er die Anlagen dem Kronprinzen zu und betonte diesem gegenüber seine Entschlossenheit, nötigenfalls bis zum Ministerium und bis zum Könige zu gehen. Da die Antwort des Oberpräsidenten durchaus imbefriedigend war, fuhr er mit der Genehmigung seines Regierungspräsidenten, der sich inzwischen seiner Meinung angeschlossen hatte, nach Berlin, nachdem er noch im November und Dezember 1829 in Zeitungsartikeln die Öffentlichkeit mit dem Stand der Dinge vertraut gemacht hatte. An allerhöchster Stelle bewilligte man ohne weiteres eine einmalige Beihilfe von 20000 Rth. für den Regierungsbezirk Liegnitz, außerdem wies man Breslau an, auf die Vorschläge des Grafen zu hören. Aber der Oberpräsident Merckel und seine Räte verübelten den ungewöhnlichen Schritt derartig, daß Stolbergs Empfang bei der Rückkehr höchst un-

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Webernöte im Kreise Landeshut.

liebenswürdig war. Die Richtigkeit bestimmter Angaben wurde bestritten, die Umgehung des gesetzmäßigen Weges scharf gerügt und ihm eröffnet, daß man die für den Bezirk bewilligte Summe auf die ganze Provinz verteilen werde (an Fr. W. IV, 5. Febr. 1828). Stolberg war daraufhin entschlossen, seinen Abschied zu nehmen; nur zu seiner eigenen Ehrenrettung trat er im Februar 1830 einen umfangreichen Wahrheitsbeweis an. Selbst ein Bruchteil der beigebrachten eidlichen Aussagen hätte genügen müssen, um alle Sondermaßnahmen zu rechtfertigen. Es war ein furchtbares Bild von Armut, Verelendung, Arbeitslosigkeit und Hungerentkräftung, das in diesen Verhören enthüllt wurde. Manche sagten aus, daß sie ohne jeden Gewinn arbeiteten, manche hatten nicht einmal das Geld, um das verfaulende Stroh, auf dem sie schliefen, zu ersetzen. Selbst eine Reihe von Kaufleuten mußten die Richtigkeit der aufgestellten Behauptungen zugeben. Sie betonten allerdings gleichzeitig, daß ihre Preise für das Rohmaterial von dem englischen wirtschaftlichen Aufschwung diktiert würden. Im starren Eigensinn gab auch jetzt Merckel keineswegs den eigenen Irrtum zu.28) In seinem langen interessanten Antwortschreiben vertrat er die Auffassung, daß ein besonderer Grund zu außergewöhnlichen Maßnahmen im Augenblick nicht vorgelegen habe. Mit Genugtuung stützte er sich dabei auf die Meinungen einiger Gewerbetreibender, die seiner Auffassung beipflichteten. Wortklauberisch hielt er auch an dem Ausdruck Weber fest, während Stolberg damit die ganze arme Bevölkerung gemeint hatte. Neben diesen kaum ernst zu nehmenden Einwürfen atmete das Schreiben aber auch einen Geist, der die beste Erklärung für die abwartende Haltung vieler Beamten gegenüber der eingetretenen wirtschaftlichen Krisis gibt. Dies war die Sorge um die Erhaltung der Staatsautorität. Sie verlangte, alles zurückzuweisen, was unter Umständen zu Ansprüchen der Untertanen führen konnte. Nach dieser Staatsauffassung schützt und kontrolliert der Staat, er garantiert aber nicht das Existenzminimum. Nur bei absoluter Erwerbsunfähigkeit ist er zur Hälfte verpflichtet. Deshalb wurden auch die Vorschläge des Grafen, Steuern zu erlassen und ein Getreidemagazin zu errichten, als des Staates unwürdig empfunden. Trotzdem verließ Stolberg seinen Posten nicht sofort. Sein Bleiben wurde besonders von seinen hohen Gönnern, dem Kronprinzen und dem Prinzen Wilhelm (Älteren) gewünscht. Er konnte freilich nicht verhindern, daß das Geld verschleudert blieb. Aus anderen Gründen wechselte er noch im selben Jahre das Feld seiner Tätigkeit. Die Wirkung der Pariser Julirevolu-

Am Niederrhein.

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tion nahm in der Rheinprovinz bedrohliche Formen an, da dort die allgemeine Stimmung sich noch keineswegs mit der preußischen Herrschaft abgefunden hatte. Daher wurde der ältere Prinz Wilhelm zum Generalgouverneur vom Niederrhein und Westfalen ernannt und mit außerordentlichen Vollmachten ausgestattet. E r bat Anton Stolberg als sein Zivilkommissar mitzugehen. Nur ungern verließ dieser die schlesische Heimat, doch wollte er seinen Freund bei den schwierigen Aufgaben, die ihm bevorstanden, nicht im Stich lassen. Der Aufenthalt am Rhein wurde häufig durch Reisen nach Diersfordt bei Wesel, das ihm nach dem Tode seines Schwagers Alexander von Wylich als Besitztum zugefallen war, unterbrochen. Ganz heimisch fühlte sich Stolberg am Rhein nicht, obwohl er eine sehr hübsche Villenwohnung direkt am Fluß hatte. Mit einer Mischung staunender Belustigung und puritanischer Abneigung blickte er auf das karnevalistische Treiben der leichtlebigen Bevölkerung. 29 ) Die Mission des Prinzen ging etwas früher zu Ende, als ursprünglich beabsichtigt war. Mannigfache Widerstände gegen die Befähigung des Prinzen für seinen Posten waren in Regierungskreisen aufgetaucht. Stolberg suchte wenigstens zu erreichen, daß das Verhältnis sich auf eine würdige Weise löse.30) Im Inneren atmete er erleichtert auf, als er schon 1832 heimkehren konnte, er hatte diesen Aufenthalt als Zwang, als „einen K ä f i g " empfunden. Nach Kreppelhof zurückgekehrt, nahmen den Grafen Anton die Provinziallandtagsverhandlungen völlig in Anspruch. Im allgemeinen konnte er sich im Gegensatz zu früheren Tagungen des schlesischen Provinziallandtages mit der geleisteten Arbeit recht zufrieden erklären. Manche hätten sich durch Talent, Verstand und Gesinnung ausgezeichnet, so Sedlinsky, Generalkommissarius von Rotkirch, Graf Magnus Kökritz, schrieb er am 20. April 1830 an den Kronprinzen. Besonders erfreute ihn das ungewöhnliche Maß von Vertrauen, das ihm von allen Seiten entgegengebracht wurde. Zwei Abgeordnete erklärten sich ohne weiteres bereit, ihm in einen neuen Wirkungskreis zu folgen, als das Gerücht umlief, daß er bald eine andere Verwendung finden würde (an Henrich St., 8. März 1833). Am 9. Mai 1833 siedelte er, abermals „blutenden Herzens", mit seiner Familie nach Düsseldorf über. E r hatte den Auftrag, als königlicher Kommissarius in Vertretung des erkrankten Oberpräsidenten den vierten rheinischen Provinziallandtag zu eröffnen. E r sah sich beträchtlichen Schwierigkeiten gegenüber. Als er ein Gesetz einbrachte, das den Landgemeinden die Selbst-

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Chefpräsident in Düsseldorf.

Verwaltung bringen sollte, stieß er auf erbitterten Widerstand der reaktionären Elemente. Die neue Katastereinteilung nach den Grenzen der Provinzen, über die allgemeine Aufregung herrschte, fand er selbst so ungerecht, daß er eine bessere Regelung zu erreichen suchte. Manche Stürme konnte er durch seine liebenswürdige Überredungskunst besänftigen.81) Schon im nächsten Jahre wurde er zum Chefpräsidenten der Düsseldorfer Regierung ernannt. Es folgten Jahre schärfster Arbeitsanspannung, die seine angegriffene Gesundheit schwer belasteten, nur zeitweilig fand er in Diersfordt Erholung. Er mußte sich erst in die schwierigen Verhältnisse eingewöhnen. Die Stimmung des katholischen Adels war sehr reaktionär und der Berliner Zentralregierung durchaus abhold. „Die Autonomen", die katholischen Standesherren der Rheinlande, suchten entscheidenden Einfluß zu gewinnen und stellten im Geist des Ultramontanismus die gewagtesten Forderungen auf.32) Der beginnende Aufschwung der dortigen Industrie erforderte ein aufmerksames Auge. Stolberg war kein Fachmann, vielen geschäftlichen Angelegenheiten stand er als Laie gegenüber. Trotzdem konnte er manches dort durchsetzen, wo ein anderer Fiasko erlitten hätte, an einer Stelle, an der er als Protestant und Preuße zunächst Mißtrauen, ja zum Teil offener Feindseligkeit ausgesetzt war, kam viel auf die persönlichen Eigenschaften an. Nun war es Stoibergs Stärke ohne Zweifel, die Menschen richtig zu behandeln. Er suchte zunächst einen festen Boden gegenseitigen Vertrauens zu schaffen, auf dem nutzbar gearbeitet werden konnte. Vor allem war er bestrebt, alle jene katholischen Kreise für den Staat zu gewinnen, die das Verständnis für die staatlichen Notwendigkeiten nicht eingebüßt hatten. Das alles fiel ihm nicht schwer, konnte er doch nicht, wie mancher unter den protestantischen Beamten, die Katholiken in ihrer Gesamtheit als Staatsgegner behandeln, für ihn, den erweckten Christen, mußte die persönliche Frömmigkeit einen größeren Wert als die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Konfession haben.33) So kam es, daß er die ihm gestellte Aufgabe im allgemeinen glücklich löste. Ebenso geschickt war seine Behandlung der industriellen Kreise. Hier half ihm sein gesunder Blick für Tatsachen, sowie ein gewisses Organisationstalent, den wirtschaftlichen Bedürfnissen des Landes Verständnis entgegenzubringen. Bei manchen der wirtschaftlichen Neugeburten stand er Gevatter, so übernahm er z. B. die Protektion über den im Jahre 1835 gegründeten Rheinisch-Westfälischen Gewerbeverein. Er erwarb sich auch hier ein solches Vertrauen, daß man ihn noch ein Jahrzehnt später bat, Spezialwünsche der rheinisch-west-

Chefpräsident in Düsseldorf.

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fälischen Industrie in Berlin zu vertreten.84) Mit ziemlicher Sorge betrachtete er die Tätigkeit derProvinziallandtage. Als er aber der Regierung im Jahre 1835 den Vorschlag unterbreitete, für das Jahr 1836 den Landtag nicht einzuberufen, um die erregte Stimmung einmal zur Ruhe kommen zu lassen, glaubte diese nicht darauf eingehen zu können. Persönlich hatte der Aufenthalt in Düsseldorf viel Anziehendes für ihn. In seinem gastlichen Hause verkehrten manche der angesehensten Mitglieder des katholischen Adels, wie die Grafen Spee, Mirbach, Metternich und Recke, auch zu Felix Mendelssohn, der in diesen Jahren städtischer Musikdirektor war, sowie zu dem Direktor der Kunstakademie Friedrich Wilhelm von Schadow trat er in nähere Beziehungen. Es heißt sogar, er habe gelegentlich Mendelssohn auf dem Violoncell begleitet, an schönen Sommerabenden liebte er es, mit seinen Töchtern unter dem geöffneten Fenster des Meisters auf und ab zu wandeln, während dieser auf dem Flügel phantasierte. Auch an dem künstlerischen Schaffen Schadows nahm er regen Anteil.36) Besonders bedeutsam für das Leben der ganzen Familie wurde aber die Bekanntschaft mit Pastor Theodor Fliedner.36) Fliedner faßte den kühnen Plan, in Kaiserswerth ein Diakonissenmutterhaus zu errichten, da seine Tätigkeit im Gefängniswesen ihn gelehrt hatte, daß das zur.Verfügung stehende Pflegepersonal bei den herrschenden Nöten bei weitem nicht ausreichte. Stolberg griff den Plan mit großer Freude auf, er räumte nach besten Kräften die Schwierigkeiten aus dem Wege, indem er führende Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens dafür interessierte, im Jahre 1836 wurde unter seiner Präsidentschaft der westfälische Diakonissenverein ins Leben gerufen und kurz darauf das Mutterhaus eingeweiht. Aus ganz kleinen Anfängen heraus wurde Kaiserswerth eines der gewaltigsten und segensreichsten Schöpfungen protestantischer Charität; das von Kaiserswerth in späteren Jahren hervorgegangene Bethanien wurde noch deshalb besonders eng mit seinem Leben verbunden, weil seine Tochter Anna hier die zweite Oberin wurde, die in den sechziger Jahren während einer Typhusepidemie in Ostpreußen auf dem Schlachtfelde opferbereiter Nächstenliebe fiel. Gesundheitsgründe und die vielfachen Widerstände, auf die er stieß, sowie die bescheidene Auffassung seiner eigenen Leistungsfähigkeit, die für ihn charakteristisch war37), brachten ihm den Gedanken an Demission nahe. Wenn es sein mußte, dem Vaterlande weitere Opfer zu bringen und auf Kosten seiner Gesundheit und seiner Familie zu leben, so schien das nur erträglich zu sein, wenn er auf das volle Vertrauen der maßgebenden

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Der Kölner Kirchenstreit.

Stellen rechnen konnte. Daher bat er den Kronprinzen am 3 1 . Juli 1836, ihm ganz offen die Meinung über seine Amtsführung zu sagen. Da das Ministerium sich daraufhin einstimmig für sein Verbleiben entschied, der Kronprinz ihn bei einem bald folgenden Besuche mit ungewöhnlichen Beweisen von Wohlwollen überhäufte, so konnte er nicht mehr den Abgang rechtfertigen. Kurz darauf wurde er in den Konflikt mit dem Kölner Erzbischof über die Frage der gemischten Ehen verwickelt. Auf persönlichen Wunsch des Kronprinzen verhandelten Stolberg und Bunsen mit dem Erzbischof Droste-Vischering. Stolberg hatte in einer Unterredung Herbst 1837 wegen seiner aufrichtigen persönlichen Frömmigkeit und seiner Begünstigung durch die ältere katholische Partei im Augenblick sichtlichen Eindruck auf den Kirchenfürsten machen können, doch bleibenden Erfolg konnte auch er nicht erzielen, am 20. Sept. 1837 mußte er das gänzliche Scheitern der Verhandlungen über die gemischten Ehen nach Berlin melden, „das in der Konsequenz alle früheren Vereinbarungen aufgehoben habe". Der Ausgang war eine bittere Enttäuschung für ihn. Stolberg war daher recht erleichtert, als er nicht mehr unmittelbar mit der Kölner Krise zu tun hatte. Dagegen ernannte ihn der König mit fünf anderen Oberpräsidenten—es waren dies Schön, Flottwell, Merckel, Bodelschwingh, Vincke; Stolberg war inzwischen Oberpräsident von Sachsen geworden — zum Mitglied der Kommission für die römischkatholischen Angelegenheiten, deren Aufgabe darin bestand, in enger Verbindung mit der Zentralbehörde den ganzen Fragenkomplex durchzuberaten.38) Hier fand Stolberg reichlich Gelegenheit, seine eigene Ansicht zur Geltung zu bringen. Er betonte die Machtfrage doch erheblich schärfer als der Kronprinz. Es war ihm klar, daß sich einfach die Frage stellte, ob der König oder der Erzbischof die Zügel der Regierung führen sollte.89) Ludwig Gerlach beklagte sich über seine staatsfreundliche Haltung, „daß Bunsen, Bülow, Anton Stolberg auf Seite der preußischen Regierung stehen, ist doch sehr betrübt", schrieb er in sein Tagebuch am 10. Febr. 1838. 40 ) Stolberg wünschte einen Kompromiß. E r fußte dabei auf den Erfahrungen seines Düsseldorfer Aufenthaltes. Für ihn lag die Gefahr in der Verquickung der römischen Kurialansprüche mit Gewissensfragen der katholischen Bevölkerung. Er erkannte die ersteren durchaus als bedrohlich für den Staat an, aber das katholische Gewissen wünschte er mit Schonung behandelt zu wissen. Verzichtete der Staat auf jede Unterhandlung, so machte er es seinen treuen katholischen Untertanen unmöglich, sich zu ihm zu bekennen. Und darauf

Der Kölner Kirchenstreit.

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kam es Stolberg und seinen katholischen Freunden an: Die Loyalgesinnten gegen Rom auszuspielen. Deshalb trat er auch mit größtem Nachdruck für die Aufhebung des Gesetzes über die gemischten Ehen vom Jahre 1803 ein, da es ihm unbillige Härten für den katholischen Volksteil zu enthalten schien. E r wünschte die Wiederbelebung des alten Gesetzes, wonach die Söhne in der Konfession dem Vater, die Töchter der Mutter folgten, und stellte sich dabei auf den Standpunkt, den die Mehrheit in der großen Beratung vom 5. Dez. 1837 einnahm: berechtigte Wünsche der Katholiken müssen erfüllt und ihre Klagen gründlich untersucht werden (10. Dez. 1838?). Waren auch viele Beschwerden übertrieben, manches mußten er und die anderen Oberpräsidenten als berechtigt anerkennen. Um so mehr legte er dafür Wert darauf, den römischen Einfluß in der Rheinprovinz dadurch auszuschalten, daß man Köln von Rom unabhängig erhielt. Von der Ernennung eines Generalvikars wollte er nichts wissen. Zur Begründung stützte er sich auf die Meinung des Domkapitulars Schweizer, auf den er anscheinend große Stücke hielt. Dieser bezeichnete die eventuelle Wahl von Hüsgen als einen direkten Mißgriff. Stolberg schrieb dazu am 27. Febr. 1838 anLottum: So unangenehm und verdrießlich auch augenblicklich die Beziehungen zum römischen Stuhle sich gestalten, und so wünschenswert es erscheinen mag, alle tunlichen Mittel zur Entwirrung der Kölnischen Angelegenheit anzuwenden, so dringend notwendig halte ich es andererseits, g e r a d e j e t z t die allergrößte Vorsicht anzuwenden, die Kapittel und namentlich das Kapittel von Cöln, was in der Mehrzahl seiner Glieder schwach, aber dennoch dem Gouvernement treu geblieben ist, vis-à-vis von Rom, in möglichster Unabhängigkeit zu halten. Hält Köln fest, was ich bei der Geistesüberlegenheit von Domherr S.*) mit Bestimmtheit hoffe, sobald es gegen Rom unabhängig gehalten wird, so ist der Einfluß der römischen Curie in der Rheinprovinz paralysiert." Die Wahl von Hüsgen kam allerdings doch zustande.41) Vielleicht überschätzte Stolberg etwas die Stärke der Partei Schweizers, die sogar von einer Trennung von Rom sprach oder wenigstens nach dem Ableben des jetzigen Papstes einem Deutschen die Tiara aufsetzen wollte. In der Kommission hatte er manche Kämpfe mit Vertretern einer schärferen Richtung, vor allem mit dem Oberpräsidenten von Preußen, Schön, zu bestehen. So erwähnt er, daß es ihm gelungen sei, Schön zu bewegen, den übelsten Teil des Schlußsatzes in dem fraglichen *) Schweizer.

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Der Kölner Kirchenstreit.

Bericht an des Königs Majestät zu streichen (vom 27. Nov. 1838). Im allgemeinen jedoch war die Haltung der Kommission entgegenkommend. Nach Stoibergs Schreiben vom 8. Jan. 1839 haben alle Oberpräsidenten den König gebeten, keinen Unterschied zwischen seinen Untertanen zu kennen. Auch nach dem Regierungsantritt Friedrich Wilhelms IV. nahm er an den geheimen Verhandlungen weiter teil, er erhielt Sitz und Stimme im Conseil, das sich mit der Entwirrung der römisch-katholischen Angelegenheiten beschäftigte und außer ihm nur noch mit den Ministern des Innern, des Äußeren und des Kultus besetzt war. Da er eine Einigung mit Rom wünschte, soweit es irgend die staatlichen Interessen zuließen, muß das Endresultat ihn befriedigt haben. Im Juli 1841 teilt Stolberg Eberhard mit, daß die Verhandlungen sehr geheim geführt werden müßten, und daß außer dem König nur drei Personen davon unterrichtet wären; am 12. Aug. 1841 hoffte er, daß noch vor Ende des Jahres alles gut mit Rom wird.42) Es wurde bekanntlich ein Ausgleich zwischen Staat und Kirche in der Art herbeigeführt, daß die Kabinettsordre vom 28. Jan. 1838 von der preußischen Regierung zurückgenommen, auf das Placet bei der Bischofswahl verzichtet und eine katholische Abteilung im Kultusministerium eingerichtet wurde. Schon im Mai 1837 war Stolberg zum Oberpräsidenten von Sachsen ernannt worden mit dem königlichen Vorbehalt, ihm eine westliche Provinz zu geben, sobald eine solche frei werden sollte. Er nahm die Nachricht mit großer Freude auf. Die Aussicht, seiner engeren Heimat dienen zu können, mußte für ihn etwas besonders Verlockendes haben. Jedoch betonte er beim Scheiden, daß er „die rheinische Gegend, wenn sie ihn auch fremdartig anspricht, lieben gelernt habe" (an Fr. W. IV., 19. Sept. 1837). Auch die vielseitigen Sympathiekundgebungen erleichterten ihm den Fortgang nicht. Bevor er die Geschäfte in Magdeburg übernahm, durfte er noch einen vielmonatlichen Urlaub antreten; den er größtenteils in Diersfordt verlebte. Seine Tätigkeit in Sachsen wurde anders, als er erwartet hatte. Wohl fand er hier nicht die Schwierigkeiten vor, die er in der Rheinprovinz zu überwinden hatte, aber dafür wurden ihm von anderer Seite mannigfache Unannehmlichkeiten bereitet. Ein langer Kompetenzstreit mit dem Erfurter Regierungspräsidenten endete zu seiner vollen Genugtuung, doch war er ein Symptom dafür, daß man ihm in der hohen Beamtenschaft seine bevorzugte Stellung neidete.48) Besonders schmerzlich mußten ihn als positiven Christen die rationalistischen Unterströmungen im kirch-

Oberpräsident von Sachsen.

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liehen Leben seiner Heimatprovinz berühren. Sachsen galt damals als die Hochburg des Rationalismus. Von Halle war der bekannte Professorenstreit ausgegangen, kaum gab es noch einen Geistlichen, der in der Provinz nicht unter dem Einfluß der kirchlichen Aufklärung stand. Insbesondere verbreitete sich von Magdeburg aus im Frühjahr 1840 die lichtfreundliche Bewegung, die sich an den Streit der Magdeburger Zeitung mit dem Pfarrer Sintenis wegen eines nach Stolbergs Auffassung unprotestantischen Gebetes an Christus entzündete.44) Für den neuen Oberpräsidenten gab es in solchen Fragen keinen Kompromiß. Un- oder Freiglaube führten für ihn notwendigerweise zur Auflösung des Staates, zur Anarchie. Daher wandte er alle Mittel zur Unterdrückung an, die ihm zu Gebote standen. Es war klar, daß dies schroffe Vorgehen ihm viele Feinde machte. Man wird sich jedoch vor Augen halten müssen, mit welcher Anmaßung auch die Gegner auftraten, wieviel Amtsdünkel, wie wenig innerer Drang sich oft unter Schlagwörtern der Lichtfreunde verbarg. Der Mangel an Takt und Geschmack, der hier reichlich vorhanden war, schien nicht geeignet zu sein, die leeren Kirchen wieder zu füllen. Stolberg sah sich ziemlich isoliert, als er den beiden Hauptgegnern von Sintenis, den Pfarrern Runhard und Kämpfe, gegen die sich die allgemeine Erregung richtete, den Rücken zu stärken trachtete. Selbst das eigene Konsistorium schwankte. In einem Briefe aus dieser Zeit beklagte er sich bitter über die unsakrale Schwäche des Konsistoriums, nur Costennoble, den er später ins Hausministerium mitnahm, sei ihm treu geblieben. Die letzten Wochen hätten ihm wahrscheinlich Jahre seines Lebens gekostet (an Henrich St. 6. März 1840).

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Der Regierungswechsel.

Kapitel 3.

Der Freund des Königs (1840—1848). Der Regierungswechsel. — Das Gottesgnadentum Friedrich Wilhelms IV. — Fürst Wittgenstein. — Die Verwaltung der königlichen Forsten und Domänen. — Politische Stimmungsbilder aus den Provinzen. — Schön und Rochow. — Verfassungsberatungen. — Soziale Fragen. — Rückblick.

Der Tod König Friedrich Wilhelms III. im Mai 1840 ersparte ihm, bis zur Erschöpfung zu ringen. Stolberg beklagte das Ableben des greisen Königs aufrichtig, da er sich immer dessen besonderen Wohlwollens zu erfreuen gehabt hatte. Der neue König rief ihn gleich in seine Nähe. Die Öffentlichkeit regte sich darüber auf, daß er so ohne weiteres seinen Magdeburger Posten verließ.46) Doch für Stolberg war der Wille des Königs entscheidend. Es war ja schon unter Friedrich Wilhelm III. nicht ungewöhnlich, daß hohe Verwaltungsbeamte zeitweise ihren Posten verließen, um nach Berlin zu gehen und den König zu beraten. Außerdem war die Stellung des damaligen Oberpräsidenten mehr eine Zwischenstufe, die wohl zeitweilige Abwesenheit ertrug. Ein Brief des Fürsten Solms-Lich an Anton Stolberg vom 22. Jan. 1842 zeigt, wie man sie auffaßte. Er lehnte die Rheinprovinz zu übernehmen mit der Begründung ab, daß der Posten des Oberpräsidenten zu unselbständig sei. Ein Mann wie Stolberg, dessen Auftreten als Grand-Seigneur die Herzogin von Sagan rühmte*), vermochte dem König bei seinen repräsentativen Pflichten nützliche Dienste zu leisten. An eine dauernde HofStellung dachte er zunächst noch nicht. Noch am 20. Mai 1840 hatte er seinem Sohne Eberhard geschrieben: „ . . . . Deine Sorge, daß ich in eine Stellung eingeführt werden solle, von der ich die Überzeugung habe, daß ich ihr theils meiner Persönlichkeit, theils der sehr eigenthümlichen Gestaltung zu anderen Persönlichkeiten und Verhältnissen nicht vorzustehen vermag, wollest Du nicht fortdauern lassen. Theils wird der Ruf gar nicht an mich gelangen, andern Theils kann ich mir noch keine Garantie als erreichbar denken, unter welcher allein ich mich in diesen lebenden Tod hereinzwängen lassen möchte." Der König wünschte jedoch dringend, den Freund immer in seiner Nähe zu behalten, da er mit starkem Verantwor») Vgl. S. 16.

Der Regierungswechsel.

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tungsgefühl an seine Aufgaben herantrat. Er war sich ihrer Schwere durchaus bewußt. Um so mehr war es ihm Bedürfnis, Menschen in seiner Umgebung zu wissen, denen er alle seine Gedanken aussprach, die ihn bewegten, in denen er gewissermaßen wie in einem Spiegel Trübungen seiner eigenen Seele ablesen konnte. Seine patriarchalische Auffassung vom Verhältnis des Fürsten zum Volke verlangte, daß er über alle Vorgänge in seinen Landen die rückhaltlose Wahrheit zu hören bekam. E r sprach später einmal in einem für den Oberpräsidenten Schön bestimmten Handbillett aus, daß, „wer sein Freund sein wolle, ihm die Wahrheit sagen müsse".*) Dafür hielt er Anton Stolberg für besonders geeignet. Er wußte sich mit ihm in der religiösen Grundanschauung einig, er konnte von diesem Manne wegen seiner unabhängigen gesellschaftlichen Stellung ein offenes Urteil erwarten, er durfte schließlich in Stoibergs unbedingter Treue und Ergebenheit die beste Garantie dafür sehen, daß er ohne eigennützigen Gedanken die Sache des Königtums vertreten würde. Stolberg konnte seinem Könige diesen Wunsch nicht abschlagen, denn die beiden Fragen, die der König in dieser Zeit an ihn richtete, „Wollen Sie mit mir gehen, wir werden schwere Zeiten haben, weil ich vorwärts will", und „Werden Sie mir auch immer die Wahrheit sagen, wie bisher", appellierten an sein Pflichtgefühl. Im Dezember 1840 kündigte ihm dann sein Freund Thiele an, daß er sich bereithalten solle: „ . . . Unter Siegel des Geheimnisses vertraue ich Ihnen, daß Ihre Herbeirufung in etwa 10—14 Tagen erfolgen wird. Die Sache hat sich verschoben, weil sie combinirt werden sollte mit den Ihnen bekannten sich daran knüpfenden Verfügungen, die nicht früher ins Reine gekommen sind und erst in etwa 10 Tagen ausgeführt werden können, damit Alles auf einmal erfolge. . . . Machen Sie sich nur reisefertig, daß Sie gleich absegeln können, so bald das Signal zum Auslauf aus Ihrem stillen Hafen erfolgt. Hier erwartet Sie weder Ruhe noch Stille, aber Liebe von Herzen und eines Königs Herz — wie es nur selten eins gegeben hat." Kurz darauf erfolgte seine Ernennung zum Wirklichen Geheimen Rat mit Sitz und Stimme im Staatsministerium. Gleichzeitig wurden auch andere Oberpräsidenten versetzt, damit die Berufung kein Aufsehen erregte. Amtlich wurde er dem Hausministerium zugeteilt, nachdem sich ihn eigentlich der Kabinettsminister Graf Lottum zum Nachfolger gewünscht hatte und die •) Vgl. S. 43.

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Das Gottesgnadentum Friedrich Wilhelms IV.

Erwägung aufgetaucht war, ihm die Stelle des verstorbenen Kultusministers Altenstein zu geben. Bunsen riet sehr dazu, andere waren jedoch dagegen. Der König selbst schwankte. 46 ) Über die persönliche Freundschaft hinaus wurde das Verhältnis Stoibergs zu Friedrich Wilhelm IV. in eine ganz bestimmte Richtung durch die Auffassung gedrängt, die der Gläubige von dem von Gott verliehenen Königsamt hat. Die christlich-germanische Staatsidee gipfelte in dem unerschütterlichen Glaubenssatz, daß das Königtum von Menschen nicht beschränkt werden durfte. Es sollte nicht nur deshalb die absolute Freiheit haben, weil es sein Recht unmittelbar von Gott ableiten konnte, sondern auch aus der Vorstellung heraus, daß es nur so im Vollbesitz aller Kräfte blieb, um seine Aufgaben erfüllen zu können und das Wohl des Volkes zu gewährleisten.46) Schon Friedrich Wilhelm III. hatte diesen Gedanken in seinem Testamentsentwurf angedeutet, von seinem Nachfolger wurde er nun bis zur letzten Tiefe durchdacht und bis zur äußersten Konsequenz ins Praktische übertragen. Friedrich Wilhelm IV. ging davon aus, daß die göttliche Begnadung wie eine Fackel sei, die plötzlich ihm göttliche Offenbarungen vermittelte, zu denen gewöhnliche Sterbliche nicht ohne weiteres gelangen konnten. Freilich war dabei vorausgesetzt, daß das königliche Werkzeug den göttlichen Willen nur dann ausführen konnte, wenn er in einem ständigen inneren Kontakt mit seinem Gotte blieb und sich diesem Willen unterwarf. Der Glaube an diese Offenbarung blieb ihm erstes Gebot, es schien ihm möglich zu sein, zeitweilig auf jedes selbständige Handeln zu verzichten, weil Gott seinen Willen auf alle Fälle durchsetzen mußte. Es war für Stolberg nicht schwer, sich in diesen Gedankengang hineinzufinden. Er war schon durch die Tradition seines Hauses zur unbedingten Königstreue erzogen worden. Sein tief verankertes religiöses Gefühl ließ ihn bereitwillig die christlichgermanische Staatsidee annehmen, ohne daß er sich viel mit Hallers und Stahls geistreichen Theorien abzugeben brauchte. Er ging in den Folgerungen, die er aus dem Prinzip zog, weiter als viele andere, selbst Wünsche von Untertanen, die an Forderungen erinnerten, hielt er für einen unberechtigten Eingriff in das königliche Recht, auch dann, wenn sie sich an ein gegebenes Königswort hielten. Es war ihm selbstverständliche Pflicht des augenblicklichen Trägers der Krone, Versprechungen einzulösen, den Zeitpunkt aber mußte dieser selbst bestimmen. Dabei war es nicht etwa so, daß Stolberg von den Rechten und Pflichten der Stände etwas preisgeben wollte. Er sah in ihnen notwendige

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Das Gottesgnadentum Friedrich Wilhelms IV.

Einrichtungen, um als Zwischenglieder die Krone mit dem Volke zu verbinden; auf ihre Mitwirkung und die Unterschiedlichkeit ihrer Rechte legte er selbst den allergrößten Wert. So nahm er z. B. bei der Erbhuldigung die Rechte seines Hauses im Jahre 1840 energisch wahr. Aber die Erhaltung der Monarchie blieb ihm die erste Pflicht, gegen die andere Interessen schon deshalb zurücktreten mußten, weil sie eng damit verbunden schienen. Ebensowenig aber wie die anderen Anhänger der christlich-germanischen Staatsidee gestattete er dem Träger der Krone absolutistische Launen. Denn weil das Königtum ein von Gott geheiligtes Amt war, wurde es ständig von dem ewig gültigen Gesetz Gottes kontrolliert, so wie es sich in der Natur und in der geschichtlichen Entwicklung durchgesetzt hatte. Der Inhaber der Krone mußte die Bestimmungen der göttlichen Weltordnung auf das peinlichste erfüllen. Sie schrieben ihm das Maß seiner Verpflichtungen vor, sie verlangten aber auch unter Umständen auf eigene Ideale zu verzichten. Auch Stolberg hatte den Glauben an die göttliche Erleuchtung des Königs, ja vielleicht gab es kaum einen unter den Anhängern der christlich-germanischen Staatsidee, der so intuitiv die innere Berufung des Königsamtes auffaßte, so gut verstand, was der König mit seinem rätselhaften Wort sagen wollte: „Es gibt Dinge, die man nur als König weiß und die ich selbst als Kronprinz nicht gewußt habe und nun erst als König erfahren habe", wie Anton Stolberg. Vermutlich liegt hier auch die Erklärung dafür, daß der König diesem Freunde, der ihm in seinen geistsprühenden Einfällen nicht immer so vollständig zu folgen vermochte wie z. B. Radowitz und Bunsen, während seiner ganzen Regierungszeit zugetan war und blieb, ihn. in schweren Schicksalsstunden nur ungern missen wollte. Aber freilich, hier finden wir auch einen in der Naturanlage liegenden Unterschied. Er liegt schon in der Größe der Verantwortung, die Anton Stolberg seinem königlichen Freunde auferlegte, und die er in einem Briefe des Jahres 1848, in dem er den König von Hannover lobend hervorhob, etwa so ausdrückte: „Ew. Majestät stehen aber auf einem ganz anderen Standpunkte als jener alte König. Gott hat Ihnen von früh an den Blick in die Tiefe des Glaubens und der göttlichen Gnade geöffnet. Sie wissen, worauf es ankommt, haben demnach eine viel größere Verantwortlichkeit als alle anderen jetzt lebenden Fürsten." Stolberg wollte den Kampf; auch göttliche Begnadung und Einwirkung konnten ihm niemals Pflicht zum eigenen Handeln aufheben. Ein König mußte bis zum äußersten den Platz verteidigen, auf den er geBeiheitd. H. Z . 8 .

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Das Gottesgnadentum Friedrich Wilhelms IV.

stellt war. Die göttliche Inspiration hob nur die Unmöglichkeit auf, daß ein armer, sündiger Mensch, wie es auch der König nach seiner Ansicht war, Ubermenschliches, über seine Kräfte Hinausgehendes zu leisten vermochte. Sie allein gab ihm jene innere Sicherheit und Festigkeit, die ihn über verworrene Strömungen der Tagesmeinungen hinaustrug. Nur deshalb durfte der König Ratschläge erwählter Diener nicht beachten, wenn er das von Gott gegebene bessere Wissen offenbaren konnte. Wir werden den Beweis von dem Vorhandensein dieses Unterschiedes noch in den Ausführungen über das Revolutionsjahr 1848 zu erbringen haben. — Wie bei Stolberg alles mehr oder weniger gefühlsmäßig begründet war, so auch dies. In seinem Glauben an den König und an die Größe seiner Aufgaben lag doch auch jene unbeschreibliche hoffnungsvolle Erwartung, wie sie die näheren Freunde Friedrich Wilhelms IV. bei seinem Regierungsantritt bewegt hat. Hören wir doch, daß Stolberg nach der großen Huldigungsrede Friedrich Wilhelms IV. am 15. Okt. 1840 bis auf die Haut durchnäßt zu seiner Familie zurückkam und mit leuchtenden Augen von dem überwältigenden Eindruck dieser Ansprache erzählte: „So hat wohl, solange die Welt steht, noch kein preußischer König gesprochen! Die Erfahrung von heute gebe ich nicht für die Leipziger Schlacht." Und sein gerade eintretender Freund Graf Harry Reuß unterstrich noch dieses überschwengliche Lob mit ähnlichen Worten.47) So kam es auch, daß Stolberg nicht den Wert darauf gelegt hatte, sich um die klare Abgrenzimg seiner amtlichen Stellung zu bemühen, weil er allzusehr unter dem Eindruck kommender großer Zeiten stand. Wenn er sich selbst von Anfang an keine großen staatsmännischen Fähigkeiten zugetraut hat, so glaubte er doch dem König dadurch nützen zu können, daß er ihm immer wieder dazu verhalf, den Wert aller Regierungshandlungen an Gottes Gesetz zu messen. Die amtliche Stellung, in die Stolberg sich versetzt sah, war höchst unklar. An der Spitze des Hausministeriums stand der unter dem verstorbenen König so einflußreiche Fürst Wittgenstein. Die Befugnisse waren nicht fest umgrenzt. Der König hatte diese nur als Formalität betrachtet, er traute dem Freunde nicht allzuviel Befähigung für verwaltungstechnische Aufgaben zu. Für ihn war Stolberg der „homme de confiance".48) Bei seiner ausgesprochenen Abneigung gegen alle bureaukratische Arbeit bedeutete diese Geringschätzung fast einen Vorzug. Für Stolberg, der in die preußische Beamtentradition hineingewachsen war, hatte aber solche Gleichgültigkeit gegen seine Arbeit etwas

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Fürst Wittgenstein.

Verletzendes und Entmutigendes. Auch glaubte er, daß der König kein Recht habe, sich mit Dienern zu umgeben, denen er nicht unbedingtes Vertrauen schenkte. J e näher er die Katastrophe herannahen fühlte, um so stärker betonte er die Notwendigkeit eines unbedingten Vertrauensverhältnisses. Wenn er daher öfters andeutete, daß er sich lieber in das Privatleben wieder zurückziehen wolle, so war das durchaus ernst gemeint; so war es z. B. im Oktober 1845 und im Jahre 1847 der Fall. 1847 verlangte er sogar eine Untersuchung, da der König Überschüsse seiner Verwaltung angezweifelt hatte. Der König zeigte ihm dann stets ni überströmender Herzlichkeit, wie wenig von einem schwindenden Vertrauen die Rede war, so daß Stolberg an eine Trennung nicht gut denken konnte. So war es unausbleiblich, daß er mit seinem Vorgesetzten, dem Fürsten Wittgenstein, bald in einen ernsten Meinungskonflikt geriet.49) Wittgenstein hatte zunächst Stolbergs Eintritt ins Hausministerium begrüßt, ja selbst gewünscht, mit dem unausgesprochenen Hintergedanken, von diesem immer Liebenswürdigen keine Einschränkungen seiner Befugnisse befürchten zu brauchen. Im Dezember 1840 drückte er daher seine Freude aus, mit einem so edlen Manne zusammenarbeiten zu können und Stolberg beeilte sich, mit einigen höflichen Redensarten zu antworten: „Wenn es Euer Durchlaucht lieb ist, mit mir in ein Geschäftsverhältnis zu treten, wieviel glücklicher muß es dann mich machen." Als Graf Anton dem Fürsten seine Ernennung zum Nachfolger des Ministers von Ladenberg als Chef der Domänen-, Forst- und Jagdverwaltung mitteilte (7. Juni 1842), war dessen Antwort schon wesentlich kühler. Im Dezember 1842 kam Stolberg mit einigen Wünschen. Er fühlte sich überlastet, die weniger wichtigen Verfügungen sollten ihm nicht mehr vorgelegt werden. Wittgenstein war damit sehr einverstanden. Im August 1843 kam es dann zum unvermeidlichen Zusammenstoß. Wittgenstein wollte die Kompetenzfrage willkürlich lösen. Stolbergs Auffassung von seinen Pflichten war aber eher zu ernst, um eine formale Beschäftigung ertragen zu können. Er bat daher den König am 17. Aug. 1843 um die Lösung des Dienstverhältnisses zum Fürsten. Das lag auch in Wittgensteins Wünschen; wie er an den Minister von Alvensleben schrieb, sei der Graf viel zu sehr mit Arbeit überhäuft. Der König ließ sich aber mit der Antwort ziemlich lange Zeit. Er habe absichtlich so lange gewartet, schrieb er dann, weil ihm die Sache nicht so eilig geschienen habe. Stoibergs Vorschlag lehnte er ab, der Streitpunkt sei ja inzwischen erledigt. Seine Freunde möchten sich nur 3*

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Fürst Wittgenstein.

wieder versöhnen, er behauptete, daß auch dem Fürsten der status quo lieb sei. In gleichem Sinne schrieb der König an Wittgenstein. Es traf sich günstig, daß dieser für längere Zeit in einem Bade Erholung suchen mußte. Nach seiner Rückkehr im Februar 1844 kam es zu einer mündlichen Aussprache, der wenigstens äußerlich eine Entspannung folgte. Aber bei einer ähnlichen Veranlassung kam es 1846 zu neuen gereizten Auseinandersetzungen. Schließlich erfüllte der König Stolbergs Wunsch, indem er sein Dienstverhältnis zur ersten Abteilung löste. Zweifellos hatte Wittgenstein mit dem Vorwurf nicht so unrecht, daß Stolberg die Arbeit nicht bewältigen könne. Er fühlte das selbst und übernahm die Verwaltung der Forsten erst nach Widerstreben, als ihm der König keine andere Wahl ließ. Der König hatte keinen Blick für die Leistungsfähigkeit des einzelnen, seine Verachtung für die technische Ausführung ließ ihn glauben, man könne solche Arbeiten aus dem Handgelenk heraus erledigen oder auf untere Organe abwälzen. Dazu aber war Stolberg viel zu gewissenhaft, er wollte keine bloße Statistenrolle spielen, in unausbleiblicher Folge schlug ihm die Flut über dem Kopf zusammen. Man braucht nur einmal die Handakten des Grafen durchgesehen zu haben, um sich erstaunt zu fragen, wie so viele verschiedene Aufgaben von einer Person überhaupt erledigt werden konnten. Der Ankauf eines Pferdes wie die Beratung wichtigster Angelegenheiten im Staatsrat lagen innerhalb seines Arbeitsfeldes. Auch ein Mensch mit stärkerer Gesundheit — er litt an chronischen Kopfschmerzen — wäre solchen Anforderungen nicht gewachsen gewesen. Denn seine Zeit wurde schon auf das äußerste durch die persönlichen Dienstleistungen in Anspruch genommen; die längeren Reisen, auf denen er den König zu begleiten hatte, wie z. B. 1842 nach England, verhinderten eine gleichmäßige Tätigkeit. Am schwierigsten aber war es unter Friedrich Wilhelm IV. zu einer programmäßigen Erledigung der Tagesaufgaben zu kommen. Das lag in der Eigentümlichkeit des Königs, plötzliche Einfälle nicht von der laufenden Arbeit trennen zu können. Schon 1842 hatte Stolberg seiner schwierigen Stellung wegen erhebliche Bedenken. Er schrieb an Eberhard Stolberg am 24. Okt. 1842: „ . . . wie der Gedanke vom Umfassenderen zum Kleinen abspringt, so gestaltet sich auch der Ideengang eines geistig reich begabten, phantasienreichen Gemüthes, wie das meines Herren, dem ich speziell zu dienen verpflichtet bin. Es ist mein Streben im wesentlichen alles einfach zu zergliedern und die kleinen Zersplitterungen nicht eindringen zu lassen in das ernstere Gebiet der Aufgaben

Die Verwaltung der königlichen Forsten und Domänen.

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meines amtlichen Lebens, dennoch ist es schwer, weil das Kleine wie das Große von mir verlangt wird." Anderseits erfreute sich Stolberg eines so großen Vertrauens beim König, daß er 1842 mitteilen konnte, er werde diesem immer unentbehrlicher, auch nahm er im Kreise seiner Kollegen eine besondere Vertrauensstellung ein, so daß er selbst fand, „es hätte wohl kaum je ein Ministerium gegeben, wo sich alles in so herzlicher und inniger Liebe unbedingten Vertrauens aneinander anschlösse". Das war reichlich optimistisch aufgefaßt. Aus einem ungefähr gleichzeitigen Brief Leopold von Gerlachs an Stolberg hören wir gerade die laute Klage, daß dem Kabinette jeder innere Zusammenhang fehle (17. Aug. 1841). Nachdem Stolberg im Dezember 1842 die Verwaltung der Forsten und Domänen übernommen hatte, erweiterte sich das Feld seiner Tätigkeit bedeutend. Es hat sich mit der Zeit als unpraktisch herausgestellt, daß die königlichen Forsten und Domänen vom Kabinett aus geleitet wurden, nach 1848 wurde daher auch die Verwaltung wieder dem preußischen Finanzministerium angegliedert, die finanziellen Erträge waren zu gering. Stolberg selbst hat allerdings darauf Gewicht gelegt, dem König gegenüber zu vertreten, daß er in der Verwaltung Uberschüsse erzielt habe. Jedenfalls fallen in seine Zeit zwei sehr wichtige Kabinettsordres, die seine verständnisvolle Fürsorge für den kleinen Mann zeigen. Sie datieren vom 14. Nov. 1845 und 29. Sept. 1846; etwa bis 1847 freiwerdende Domänen sollten danach durch Parzellierung freihändig verkauft werden.80) Besonders interessant und politisch auch bedeutsam wurden die zahlreichen Besichtigungsreisen, die er nach allen denjenigen Provinzen, in denen königliche Domänen lagen, unternehmen mußte. Es traf sich da günstig, daß er Land und Leute vielfach kannte und in einer der wichtigsten Provinzen, Schlesien, eigene Besitzungen hatte. In seinen Berichten geht er über die Schilderung der wirtschaftlichen Verhältnisse weit hinaus. Da sich naturgemäß oft Gesinnungsgenossen an den einflußreichen Freund des Königs herandrängten, um ihm ihre Wünsche und Befürchtungen mitzuteilen, so sind seine offiziellen Schreiben gleichzeitig ein charakteristischer Ausdruck der zunehmenden Sorge, wie sie in weiten Kreisen über die Fortentwicklung der Regierung Friedrich Wilhelms IV. sich verbreitete. 51 ) Nach einer Reise im Jahre 1844 trat er sehr warm für Ostpreußen ein. Man müsse in geistiger wie wirtschaftlicher Beziehung noch viel für diese Provinz tun; er würde jetzt öfter um Urlaub bitten, um mehr mit ihr in Fühlung zu bleiben. Sehr viel

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Politische Stimmungsbilder aus den Provinzen.

Anerkennung hatte er für die neuen Berieselungsanlagen, die Senfft-Pilsach leitete.82) Die Stimmung fand er besser, als er gehofft hatte. Selbst Königsberg huldige weniger den liberalen Theorien. In konservativen Kreisen sei man mit dem Landtagsabschied sehr zufrieden, man bäte nur den König, auf dieser Basis festzustehen, die Gutgesinnten würden sich unter allen Umständen dem königlichen Willen unterwerfen.63) Die Haltung der Opposition glaubt er dahin charakterisieren zu können, daß sie vorläufig Reichsstände mit Steuerbewilligungsrecht auf verfassungsmäßigem Wege erreichen wollten. Der Grund der allgemeinen Unzufriedenheit sei die Ungewißheit, was die Regierung eigentlich beabsichtige, Stolberg forderte daher größere Konsequenz in der königlichen Politik. Auch seine Berichte aus Schlesien im Jahre 1846 verdienen Beachtung. Mit den königlichen Forsten ist er sehr zufrieden, er lobt die Beamten. Bei den Domänen bleibe noch einiges zu wünschen übrig. Die Pacht steht zu niedrig, die Pächter sind nicht geeignet. Stolberg ist ganz begeistert über die großen wirtschaftlichen Möglichkeiten, die in Schlesien liegen. Die Stimmung hält er auf dem Lande für leidlich, wenn in Mittelschlesien die Demokraten auch bedenkliche Fortschritte zu verzeichnen haben. Die meisten Notabein aber sind für Pressefreiheit und Konstitution, die Städte haben starke liberale Tendenz. Die Schuld schiebt der Minister auf die freie Bürgermeisterwahl, die er abgeschafft wissen will — ein erstaunlicher Vorschlag für einen Mann, der noch in den dreißiger Jahren die vernünftige Emanzipation der Landgemeinden warm befürwortet hatte. Der Adel ist seiner Meinung nach durchaus von den Magnaten abhängig und diese sind im Augenblicke loyal. Den neuen Oberpräsidenten von Wedeil lobt er sehr — wohl nicht unabsichtlich, da er an Merckels Verabschiedung nicht unbeteiligt war. Merckel fiel über die sogenannte Hirschberger Affäre. Man hatte dort eine antimonarchistische Verschwörung entdeckt. Da Merckel einen der Hauptschuldigen, den Fabrikanten Schlöffel, nach kurzer Zeit entließ, wurde seine Entlassung verfügt. Der Schreiber rühmt besonders Wedells Fähigkeiten, die Menschen zu behandeln. „Die eitlen Magnaten und der arme Spinner blicken mit Hochachtung auf Wedell." Es war ihm überhaupt wichtig, bei solchen Gelegenheiten einzelne Personen zu beurteilen. Stolberg hielt es für eine seiner Hauptpflichten, den König in der Wahl seiner Umgebung und seiner Beamten zu beraten, zum Prinzip des unbeschränkten Königtums gehörte ihm unbedingt, daß alle öffentlichen Organe als lebendige Teile das Ganze verkörperten. Sie konnten durch

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Unreinheit der Gesinnung und durch Ungeschicklichkeit für den König kompromittierend wirken. In dem gegen Rochow gerichteten Brief vom 22. Febr. 1842 stellte er für die Minister geradezu in diesem Sinne eine grundsätzliche Forderung auf: „Die Minister des Königs müssen, besonders in heutiger Zeit, durch Reinheit des Charakters und unzweideutige Persönlichkeit, die Gesinnung und den Charakter ihres Souveraines repräsentieren und in gewisser Beziehung vertreten." Das galt ihm letzten Endes auch für jeden, der einen selbständigen Posten bekleidete. Bei der Besetzung von Posten schlug er oft Leute vor, die seinen religiösen Anschauungen nahe standen. Für ihn war es Glaubenssatz, daß dem christlich untermauerten Staate ganz aufrichtig nur ein positiver Christ dienen konnte. Es war der schwächste Punkt des Neupietismus, dem bekannten Spruch „Gott ist im Schwachen mächtig" bei der Besetzung von Posten eine so große Bedeutung beizumessen. Es war klar, daß die Auswahl dadurch gefährlich beschränkt blieb und der Verdacht der Vetternwirtschaft unvermeidlich war.54) Doch hatte Stolberg auch ein Gefühl dafür, daß Land und Leute nach ihren verschiedenen Eigenarten behandelt werden mußten. Er stellte sich daher bei seinen Vorschlägen auch so ein, daß nicht jeder Mann für jeden Posten paßte. Die hochgespannten Ansprüche mußten dazu führen, daß Stolberg zur Kritik mehr Anlaß als zum Lobe fand. Mit einer übergroßen Ängstlichkeit prüfte er die Menschen. Es kam so auch vor, daß sein Urteil mit der Zeit sich änderte, er konnte Persönlichkeiten wie Senfft, Wedell und Graf Alvensleben lange Zeit auf das höchste verehren, ihr Verbleiben auf einem bestimmten Posten auf das eifrigste vertreten, sobald ihm das geringste Nachteilige über ihre Lebens- und Amtsführung bekannt wurde, ließ er sie offiziell fallen. Karl v. Roeder, der ihm persönlich nahestand, bezeichnete er z. B. im Jahre 1847 als „einen Mann, der der Sache des unbeschränkten Königtums schade, weil er zu beschränkt sei, um große Unternehmungen zu erkennen." Er machte in der kritischen Beurteilung vor niemandem halt, am wenigsten vor den Mitgliedern des königlichen Hauses. Kompromisse kannte er nicht, sobald es die Sache galt. Dank verwandtschaftlicher Beziehungen zu souveränen Häusern, dank der persönlichen Freundschaft zu den Hohenzollern, durfte er sich eine Sprache erlauben, die ein anderer sich kaum hätte leisten können. Manchmal übernahm er fast die Rolle des Hofmeisters. Er beaufsichtigte den Verkehr der jungen Prinzen, er verhinderte sogar ihre Auslandsreisen, sobald ihm diese politisch unzweckmäßig erschienen, und forderte von allen unerbittlich die Unter-

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Schön und Rochow.

werfung unter den königlichen Willen. Niemand war seiner Meinung nach so verpflichtet, dem Königtum Opfer zu bringen wie die königlichen Prinzen. Stolberg konnte in den Personalfragen viel durchsetzen. Denn Friedrich Wilhelm IV. legte einen ähnlichen Maßstab an die Beurteilung der Menschen an. Aber er stieß auf starken Widerstand, wenn seine Angriffe sich gegen Personen richteten, denen der König einmal persönlich nahegestanden hatte. Die Meinung, daß Männer, denen er sein Vertrauen geschenkt hatte, dessen wert sein müßten, verbot dem König, auf die Beschuldigungen anderer zu hören. Dabei konnte er niemals klare Verhältnisse schaffen. E r vermochte sich nicht rückhaltlos vor seine Freunde zu stellen. So machte er es keinem recht und erweckte nach außen den irrigen Anschein, als werde er von denen beherrscht, die er eigentlich nur nicht vor den Kopf stoßen wollte. Besonders deutlich sollte sich die Schwäche während der Auseinandersetzung zwischen dem Minister Rochow und dem Oberpräsidenten Schön zeigen, über die wir auch um deswillen breiter sprechen müssen, weil in diesem Konflikte Stolberg eine nicht unerhebliche Rolle spielte.83) Schön war seit dem Regierungsbeginn Friedrich Wilhelms IV. mehr und mehr in die liberale Opposition übergeschwenkt. Das Selbstbewußtsein des Kantianers ging bei ihm mit einer nicht unbeträchtlichen persönlichen Eitelkeit zusammen, die sich in gehässigen Angriffen gegen politische Feinde Luft machte. Mit seinem Vorgesetzten, dem Minister des Innern Rochow, konnte er sich um so weniger vertragen, als dieser ähnliche Eigenschaften besaß und im schroffen Gegensatz zur alten Hardenbergspartei stand, der Schön angehörte. Der Fränkische Kurier vom 17. September 1841 schob in einem Artikel „Rochow und seine Gegner" dieser Partei alle Schuld zu. Und als Rochow wegen eines radikalen Gedichtes nach Königsberg eine scharfe Anfrage richtete, fuhr auch Schön gleich mit schwerem Geschütz auf. Die politischen Gegner gaben sich in der eigentümlichen Wahl der Mittel nichts nach, geheime und offene Verdächtigungen flogen bald hin und her, ostpreußischer Lokalpatriotismus sammelte sich hinter Schön, während auch Rochow eine treue Gefolgschaft hatte; Der König hoffte lange Zeit, beide Männer zu halten, von denen er als Freunden sprach. Er mußte aber allmählich einsehen, daß das Spannungsverhältnis unerträgliche Formen annahm, und erteilte Schön auf wiederholtes Gesuch am 31. März 1842 den Abschied. Aber bei diesem Opfer, das er der öffentlichen Meinung brachte, ließ es Friedrich Wilhelm IV. vorläufig bewenden. Nach

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wie vor zog er Schön in sein Vertrauen. Da er eine hohe Meinung von dessen Können und Charakter besaß, wollte er immer noch an Mißverständnisse glauben, während Schön sich einbildete, den König für liberale Reformen gewinnen zu können. Im Mai 1842 trat nun ein Ereignis ein, das die Tatkraft von Schöns Gegnern wesentlich steigerte. In Köln veröffentlichte der Demokratenführer Karl Fein ohne Schöns Wollen und Kenntnis die Schrift „Woher und Wohin", in der Schön die Gründe, die eine Berufung der Generalstände nach seiner Meinung unvermeidlich erscheinen ließen, zusammengefaßt hatte. In einem gehässigen Nachwort warf Fein dem König Heuchelei vor, da er offenbar mit Schön nicht völlig brechen wolle. Damit war das Signal für einen allgemeinen Angriff gegen den Schönschen Einfluß gegeben. An der Spitze dieser Bewegung stand neben dem Nachfolger Schöns von Bötticher und dem Grafen von Dohna auch Anton Stolberg. Letzteren berührte der Vorwurf von Zweideutigkeiten in der königlichen Politik besonders schmerzlich. Seine amtliche Tätigkeit, die ihn häufig in die östlichen Provinzen führte, gab ihm sehr willkommene Gelegenheit, den Kampf gegen Schön aufzunehmen. Er sammelte alle ungünstigen Nachrichten über ihn, um sie dann dem König Wort für Wort wiederzugeben. Er sprach offen davon, daß die liberale Opposition nur deshalb so anwachsen könne, weil man der Ansicht sei, daß der König heimlich mit dieser sympathisiere. Aber die ständigen Hinweise und Anklagen hatten kein anderes Resultat, als daß der König fortfuhr, Schön mit schriftlichen Bekehrungsversuchen zu überschütten, für die sogar Stolberg manchmal den Zwischenträger spielen mußte. Dieser ging dann schließlich so weit, im Mai 1844 ein königliches Schreiben an Schön nicht abzugeben, indem er sich damit entschuldigte, Schön könnte das königliche Vertrauen dadurch mißbrauchen, daß er sich dessen in der Öffentlichkeit rühmte (an Fr. W. IV., 12. Mai 1844). In der Tat gehörte es zu den Eigenarten des früheren Oberpräsidenten, mit seinem Einvernehmen zu Friedrich Wilhelm zu prahlen. So verbreitete er einmal überall, der König habe von seiner Geschäftsführung gesagt, „daß sie rein wie eine Glocke gewesen sei" (an Fr.W. IV., 14. Dez. 1844). Der König nahm den Widerstand doch etwas übel auf. Er könne nicht begreifen, weshalb Schön ein solch gleichgültiges Schreiben nicht bekommen dürfe. „Anton und seine Freunde sollten doch nicht vergessen, daß jener ein hochverdienter Staatsmann und ein ungewöhnlicher Mann sei", schrieb er am 17. Mai. Aber dabei hielt er auch nicht unbedingt

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Schön und Rochow.

an seinem Willen fest. Er legte dem eben mitgeteilten Brief ein besonderes Blatt ein, das zwar an Stolberg gerichtet war, sich aber tatsächlich an Schön wandte. Stolberg sollte dieses Blatt vertraulich Schön geben und eine unzweideutige Antwort fordern, was an den gegen ihn ausgestreuten Gerüchten wahr sei. Friedrich Wilhelm wollte der ehrliche Freund seiner Freunde und der ehrliche Feind seiner Feinde sein. Der König schloß mit den Worten: „ W e r mein F r e u n d sein w i l l , muß mir schriftlich oder m ü n d l i c h am B e s t e n , wenn wir allein oder unter Freunden sind, rücksichtslos seine Überzeugung sagen, sie sei für oder gegen mich oder meine Regierung, öffentlich aber muB er auf meiner und meiner Regierung Seite sich stellen. . . . " Dieser Versuch schien nun doch den endgültigen Bruch zu bedeuten, da Schön darauf schwieg. Mit leisem Triumph deutete Stolberg kurz darauf an, daß der Einfluß der Schönschen Partei schwächer geworden sei. Als neue Klagen über Verleumdung kamen, bemerkte der König, diese könnten nur ehrenvoll für die Angefeindeten sein. Man solle Schön nur Dummheiten machen lassen, die Erfahrung würde ihn ad absurdum führen.88) Aber es war eine Täuschung, wenn man glaubte, daß Schön endgültig begraben sei. Noch während der Krisis, im Jahre 1847, wagte Stolberg nicht, den König zu verlassen, weil man die Absicht habe, Schön in seine Umgebung zu bringen (an Henrich St., 5. Juli 1847). Auch Rochow, der über seinen Sieg Genugtuung empfand, fiel kurz nach seinem Gegner. Dieselben Leute, die Schön bekämpften, wünschten auch Rochows Kaltstellung. Zweifellos war Rochow ein tüchtiger und kluger Beamter, der auf manche Erfolge zurückblicken konnte. Er war nicht einmal der einseitige Konservative, als welcher er in der öffentlichen Meinung seines berüchtigten Wortes wegen vom beschränkten Untertanenverstande lebte. Aber er gehörte jenem Typus in der preußischen Beamtenaristokratie an, der den Freunden Friedrich Wilhelms IV. besonders wenig lag. Er war ausgesprochener Verstandesmensch, ohne ein tieferes religiöses Gefühl zu besitzen, und stieß durch schroffe äußere Form sowie durch die Rücksichtslosigkeit, mit der er sich im Amt durchsetzte, die christlichen Romantiker ab. Die Freunde des Königs hatten Rochow schon beim Regierungsantritt Friedrich Wilhelms IV. davor gewarnt, sich nicht allzusehr hervorzudrängen, damals noch in freundschaftlicher Form. Als nun anfangs 1842 der König Rochow das Ministerium des Auswärtigen geben wollte, holten sie zu einem entscheidenden Schlage aus. Sie schickten Stolberg vor. In

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einem Schreiben vom 22. Febr. 1842 wandte sich dieser entschieden gegen die beabsichtigte Ernennung. Seine Vorwürfe richteten sich nicht nur gegen Mängel der Amtsführung wie „die ungeeignete Art, wie er Sr. Majestät Befehle zur Ausführung bringe", sondern vor allem gegen Schwächen des Charakters und der Lebensführung, die für ihn weit ernster ins Gewicht fielen. Er erwähnte dabei, daß auch im Ausland Rochows Name einen zweideutigen Klang habe. Die Höfe von Wien und Petersburg wünschten nur deshalb sein Verbleiben, um ihn mißbrauchen zu können. Zuletzt gab Stolberg gleich die Möglichkeit einer Lösung an. Es könne nicht auffallen, wenn ein so kränklicher Mann in den Ruhestand versetzt würde. Man wird nicht zu weit in der Annahme gehen, daß infolge dieses Briefes der König seine ursprüngliche Absicht fallen ließ. Rochow bemerkte Ende März eine Abnahme des Vertrauens; als er sich Klarheit zu verschaffen suchte, kam ihm ein königlicher Brief zuvor, der scheinbar auf ausgesprochene Rücktrittswünsche aus Gesundheitsgründen einging. Aber zu einer wirklich klaren Stellungnahme konnte sich der König auch in diesem Falle nicht entschließen. Er stellte weder Ankläger dem Angeklagten gegenüber, noch fällte er eine Entscheidung, die beide Teile befriedigen konnte, vielmehr bot er Rochow wiederholt Ersatzposten an. Da dieser von sich aus nicht den Stolz besaß, auf alles zu verzichten, so schleppte sich die Angelegenheit lange hin, bis Rochow als zweiter Präsident des Staatsrates 1843 endgültig aufs Altenteil gesetzt wurde. Als Mitglied des Staatsrates hatte Stolberg bei allen Regierungsmaßnahmen mitzusprechen.57) Im Vordergrund standen da natürlich die Verfassungsberatungen. Er besaß durchaus Verständnis für die großen Pläne des Königs, hatte er doch oft genug mit dem Kronprinzen darüber gesprochen, am 1. Mai 1820 diesem geschrieben: „Eine auf Provinzial-Repräsentation geschichtlich zu gründende Verfassung, welche Vergangenheit und Zukunft am ungestraftesten miteinander verknüpfen möchte, wird von den Gutdenkenden für etwas höchst Heilbringendes gehalten." Seine eigene politische Ansicht bezeichnet er später selbst einmal indirekt als eine „konservativ-fortschreitende", und an Roeder mißbilligte er, wie wir sahen, „daß er große Unternehmungen nicht zu würdigen wüßte".*) Als schon der erste Rausch sich in allgemeine Ernüchterung verflüchtigt hatte, war er noch voll Hoffnung. Er beschwor seinen Freund Cuny, „keinem der umlaufenden finsteren Gerüchte Glauben zu schenken, sondern der !) S. oben S. 39.

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Veriassungsberatungen.

religiösen, wahrhaft freisinnigen Richtung des Königs zu vertrauen. Der König will und wird gehen (das ist sein eigener Ausdruck). Er wird als souveräner König ohne Charte gehen und die Bedürfnisse seiner Zeit erkennen und das halten, was er ausgesprochen in den unvergeßlichen Reden zu Königsberg und Berlin."68) Aber er wollte langsamer vorgehen, nicht auf einmal wie der König einen fertigen Bau hinstellen. Am 8. Juli 1840 war in Sanssouci eine kleine Vorbesprechung, an der außer Leopold Gerlach und Voß nur noch Stolberg teilnahm. Der König verriet dort seine Absicht, bei der Huldigung den Ständen vorzuschlagen, als Reichsstände eine Anzahl Deputierter der Provinziallandtage anzuerkennen, der eine ebenso große Anzahl Staatsratsmitglieder beigesellt würden. Gerlach gab zu bedenken, daß, da die Deputierten der Landtage keine Vollmacht besäßen, sich selbst als Reichsstände zu erklären, sie niemals als eine allgemeine Vertretung gelten könnten. Auch Voß und Stolberg pflichteten ihm bei, letzterer opponierte allerdings am schwächsten, weil ihm der Versuch, das Testament Friedrich Wilhelms III. auszuführen, sympathisch sein mußte.59) Der König Heß sich darauf von seinem Gedanken, wenn auch widerwillig, abbringen. Ebenso nahm Stolberg Stellung gegen das Radowitzsche Manifest, das Radowitz im Herbst 1843 fast gleichzeitig mit einer größeren Denkschrift über die Verfassungsfrage dem König einreichte. In diesem Manifest wurden die Befugnisse der einzelnen Vertretungen, Provinziallandtage, Ausschußtage sowie Gesamtlandtage näher umzeichnet. Den Provinziallandtagen verblieben darnach die speziellen Angelegenheiten der Provinz, die allgemeinen nur, soweit sie diese berührten. Die Ausschußtage sollten dort einsetzen, wo es sich um allgemeine Landesmaßregeln und Ausgleichung abweichender Interessen oder um solche Gegenstände handelte, die in der Regel nicht an die Landtage gelangten. Der Gesamtlandtag endlich sollte die Kontrahierung neuer Staatsschulden beraten. Beide Schriftstücke gaben die ureigensten Ansichten des Königs wieder. Trotzdem verhielt sich das Ministerium durchaus ablehnend. Als die aus den Provinziallandtagen zusammengezogenen Ausschüsse am 18. Okt. 1842 zusammentraten, fand es die Regierung nicht einmal für nötig, Radowitz die Gründe ihrer abweichenden Stellungnahme mitzuteilen. Ebenso war Stolberg auch an dem negativen Ergebnis der Conseilsitzung vom 20. Febr. 1843 beteiligt. Radowitz hatte Reformvorschläge zur Preßgesetzgebung eingebracht. Sie gingen von dem Gesichtspunkt aus, die Pressezensur von der polizeilichen Willkür zu befreien und die

Verfassungsberatungen.

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Ausübung richterlichen Organen zu übertragen. Für die Tagespresse sollte fortan der Grundsatz gelten: nicht die Autoren, sondern die Verleger sind zur Verantwortung zu ziehen. Auch hier war Radowitz nur der glückliche Ordner königlicher Gedanken gewesen, aber das Ministerium votierte dagegen. Die Gründe waren verschieden. Einige fürchteten, man würde dadurch den Polizeidienst lockern, andere dachten an unliebsame innerpolitische Folgen. Für Stolberg war Meinungsfreiheit ungefähr, dasselbe, als wenn man die Mächte der Hölle selbst dazu einlud, möglichst ungehindert ihr Unwesen zu treiben. Wie befangen hierin sein Urteil war, zeigt z. B. sein gelegentlicher Ausspruch über Bettina Arnim, ,,er fürchte das scheußlichste, das Heiligste mit Füßen tretende Weib". So war denn auch sein Gutachten zu dem Verfassungsplan des Königs, das er nach dem Ministerrat vom 8. Nov. 1842 abgeben mußte, von der Sorge diktiert, die Stände würden die ihnen verliehenen Rechte später als Waffe gegen das Königtum benutzen. Es mußte ihnen daher jede Möglichkeit genommen werden, diese als Zugeständnisse aufzufassen. In solchem Sinne war sein Votum gehalten, das er selbst nur als einen Auszug bezeichnete.*) Er stellte sich zunächst grundsätzlich darin auf den königlichen Standpunkt, daß das Staatsschuldengesetz von 1820 bindende Kraft habe, die sich nicht wegdemonstrieren lasse. Es komme nur auf die praktische Auslegung an. Eine Veränderung des Staatsschuldengesetzes mit den jetzigen Provinzialständen ist nicht möglich, da diese sich für inkompetent erklären werden. „Eine solche Maßnahme dürfte als etwas erscheinen, wodurch der Wahrheit Gewalt angetan werden soll." Dagegen soll der König den bestehenden Ausschüssen solche Attribute verleihen, daß sie die Aufgabe der Reichsständeversammlung erfüllen können. Stolberg hält es für unpraktisch und undurchführbar, einen vereinigten Landtag zu bilden. Aber man kann den Ausschüssen eine breitere Basis geben, indem Deputierte der Provinziallandtage als Ausschußmitglieder anerkannt werden. Darin läge noch keine Unwahrheit. Es sei eine Frage der Zukunft, ob den Ausschüssen noch mehr Attributionen zu geben sind. Stolberg findet es aber entschieden unzweckmäßig, mit den Ständen irgendwie zu verhandeln. Am Schluß bittet er des Königs Majestät „so dringend wie unterthänig, nur durch die Tat und nicht durch Verheißungen mit den Ständen zu sprechen." *) Das vollständige Votum ist im Staatsarchiv nicht vorhanden.

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Verfassungsberatungen.

Im allgemeinen stellte also Stolberg keine neuen Gesichtspunkte auf. Darüber waren sich so ziemlich alle Minister einig, daß das Staatsschuldengesetz bindend sei. Nur über die Form sowie die Zusammensetzung der Reichsstände gingen die Meinungen weit auseinander. Charakteristisch für ihn ist das fast ängstliche Bestreben, die unschädliche Lösung, die er suchte, mit der Wahrheit in Einklang zu bringen. Die Schlußworte enthielten ohne Zweifel einen leisen Vorwurf. Des Königs Wort mußte unverletzlich und unwiderruflich sein. Stolberg hatte nun schon in der ersten Zeit der Regierung Friedrich Wilhelms IV. wahrnehmen müssen, daß dieser mehr sagte, als nachher tatsächlich durchgeführt werden konnte. In solchen unbedachten Äußerungen erblickte er eine große Gefahr. Die Schlußforderung stellte von den übrigen Votanten nur noch Graf Alvensleben. Die Vota der Minister konnten die Grundidee des Königs nicht erschüttern. Sie liefen nur tropfenweise ein, ohne eigentlich eine präzise Antwort auf die gestellten Fragen zu geben. Denn der König hatte nach der Kompetenz der Ausschüsse gefragt, Anleihen zu bewilligen. Wie Treitschke treffend bemerkt, „fehlte ein beherrschender staatsmännischer Kopf, der die Blicke der Amtsgenossen auf das Wesentliche gerichtet und im Namen des Ministerrathes den Monarchen gebeten hätte: er möge, statt zu künsteln, fest auf dem Boden des alten Gesetzes bleiben, an dem er selbst als Kronprinz mitgebaut, und aus den Provinziallandtagen einen Reichstag wählen lassen, dessen Zahl und Zusammensetzung noch ganz in der Hand der Krone lag". 80 ) Der König wollte sich nur über die vorhandenen Ausführungsmöglichkeiten orientieren. Vor den auftretenden Widerständen verschwand die Verfassungsfrage eine Zeitlang ganz von der Bildfläche. Als dann die Entscheidung drängte, hielt der König zähe an dem vereinigten Landtage fest. Die Bildung einer Herrenkurie behielt er sich für später vor. Alle Einwendungen der Verfassungskommission waren vergeblich. Stolberg unterstützte zuletzt den königlichen Standpunkt, da er ihn für maßgebend hielt. Er konnte so auch nicht die oppositionelle Haltung des Prinzen von Preußen billigen, der schließlich so weit ging, 1845 als nächster Agnat das Recht des Einspruches zu fordern, ein Anspruch, der ihm vom Könige in juristischen Gutachten bestritten wurde. Anfang März 1846 eröffnete der Prinz die entscheidenden Sitzungen der Verfassungskommission, um noch einmal seine Bedenken gegen Berufung der Reichsstände geltend zu machen. In seinem Geburtstagsschreiben vom 22. März 1846 hielt nun Stolberg dem Prinzen in ernsten, eindringlichen Worten die Gefahr eines weiteren Widerstrebens

Verf assungs bera tungen.

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vor.*) Er räumte zunächst dem Prinzen vollkommen das Recht ein, pflichtgemäß auf die üblen Folgen hinzuweisen: „Aber bedenken Ew., was soll daraus werden, wenn gerade das Mitglied des Königl. Hauses, was dem Könige nach allen Richtungen hin am nächsten steht. Sich bei dem wichtigen Ereignisse des Vaterlandes von seinem Bruder, von seinem Könige trennt! Halten Ew. Sich gewiß überzeugt, S. M. werden die gefaßte Entschließung unerschütterlich festhalten, weil Allerhöchstdemselben die Überzeugung zur Gewißheit geworden ist, daß dieser Entschluß zum Heil der Krone und des Landes führen werde. Keine Macht der Erde wird daher die Entschließung des Königs ändern. Was soll aber werden, wenn Höchstdieselben den fraglichen Revers niederlegen ? Wollen Ew. wider Willen Sich an die Spitze der Malcontenten aller Farben stellen und demgemäß das Band zwischen König und einem Theil des Volkes lösen ? Welche Folgen wird es haben, wenn der Unfriede zwischen dem Könige und Dessen Nachfolger in der Krone zur allgemeinen Kenntniß des In- und Auslandes gelangt, wie wird dies tief in die Verhältnisse des Königshauses und von da herab in alle Verhältnisse des Königreiches dringen? Welch Beispiel wird es in einer Zeit wie der jetzigen geben? — Wird nicht — vergeben mir Ew. diese offene Sprache — die Unfolgsamkeit sanctioniert sein? Werden nicht die trüben Erfahrungen in der Geschichte aller Zeiten sich wiederholen, und der Unfrieden in der Königlichen Familie übergehen zum Unfrieden des Landes ? Da sey Gott für, daß Ew. H. solchen Jammer auf das Königl. Haus und das Vaterland brächten!" — Der Prinz möge aber nun darum kämpfen, daß die von ihm befürchteten Nachteile ausbleiben: „Ist auch die Stellung Ew. als Thronerbe, eine verschiedene von der eines jeden anderen im Reich, so ist doch alles in der Welt auf gewisse Grundprinzipien gestützt, deren Verletzung die Geschichte als unheilschwanger bekundet, und deren Folgen mehr als alles andere in unabsehbares Elend stürtzt. Gewiß, o gewiß werden Ew., nachdem Sie nach Überzeugung auf die von Höchstdenselben festgehaltenen Befürchtungen aufmerksam gemacht haben, — auch den Willen des Königs befolgen und nach dem von Herrn von Rochow entwickelten Beispiel, umso kräftiger, heldenmüthiger in die Schlacht gehen, um als Nächster, als tapferster Kämpfer des Königs im Vaterlande und in der Geschichte als Beispiel ächter Hingebung und weiser Mäßigung zu glänzen und das Panier der Einigkeit *) Konzept.

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Veriassungsberatungen.

aufzurichten, unter welchem nur allein glorreiche Siege gewonnen werden können." Man darf vermuten, daß dieser Brief, den Entschluß des Prinzen von Preußen nachzugeben, nicht unwesentlich beeinflußt hat. Waren auch die Zeiten vorüber, in denen Stolberg in so herzlichen Beziehungen zum Prinzen stand wie während der Radziwill-Episode — war doch die Spannung 1846 schon so beträchtlich, daß Stolberg Männer, die mit dem Prinzen von Preußen intimer verkehrten, für verantwortliche Stellen nicht empfahl — immer noch konnte der vertraute Freund des Bruders und bewährte Diener des Vaters auf Gehör beim Prinzen rechnen, wenn an dessen Verantwortungsgefühl und Offiziersehre appelliert wurde. War es doch z. B. möglich, daß Stolberg im Jahre 1851, als die politischen Gegensätze sich weiter erheblich verschärft hatten, dem Prinzen von Preußen das Versprechen abnehmen konnte, sich ruhig zu verhalten.*) Mit dem Ende des Jahres 1846 waren die Verhandlungen so gut wie beendet. In dem künstlichen Neben- und Übereinander von Provinziallandtagen, vereinigten Ausschüssen und vereinigtem Landtag sollte die neue Institution ins Leben treten. Im Frühjahr 1847 mußte Stolberg noch auf Befehl des Königs mit Radowitz über die Benennung der einzelnen Körperschaften im vereinigten Landtag verhandeln. Es sollte jede Verwechslung mit einem Repräsentativsystem vermieden werden. Der Vorschlag von Radowitz, die einzelnen Teile mit Herrenkurie, Landkurie und mit Gesamthaus zu bezeichnen, wurde angenommen.61) Während der Tagung des vereinigten Landtages, der im April zusammentrat, übernahm Stolberg die Rolle eines Horchpostens für den König. Er gab mehr allgemeine Stimmungsbilder als genaue Berichte. Seine Auffassung war im allgemeinen pessimistisch. Die vielen gegen die Krone gerichteten Reden und Anträge konnten ihm, der ausschließlich die Sache des Königs im Auge hatte, nur einen dunklen Ausblick geben. „Er komme sich wie ein schwarzer Rabe vor, der täglich nur trübe Nachrichten zu bringen habe", klagte er am 8. Juni 1847. Dann kamen auch wieder lichtere Tage; für die Rede des Prinzen von Preußen vom 14. Juni 1847 fand er nur Worte ungeteilten Lobes.68) Er bestritt der Herrenkurie als der Trägerin des konservativen Prinzips das Recht, die Periodizität zu fordern. Es bleibe immer ein Drängen, „und wer den König näher kennt, weiß, daß er vieles (fast mehr als zu wünschen) thut, wenn die Initiative von ihm ausgeht, daß Er *) S. unten S. 94.

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aber nichts tliut, wenn er Sich gedrängt glaubt". Die Herrenkurie solle sich daher entweder ganz gegen die fragliche Petition erklären, oder wenn sie sich aus Rücksicht auf die anderen Kurien anschließt, einen Antrag formulieren, daß sie den Anträgen der anderen Kurien sich zwar aus Nützlichkeitsgründen anschließen werde, es aber unbedingt vorziehe, die ganze Angelegenheit der Weisheit Sr. Majestät anheimzustellen.*) Ganz ähnlich wie die Verfassung behandelte Stolberg andere politische Fragen. Er untersuchte sie zunächst stets auf ihren religiös-sittlichen Wert. Er wünschte zwar auch, daß Ratschläge Berücksichtigung fanden, aber hatte der König einmal gewählt, so gab es für ihn keinen Widerspruch mehr. Er stellte oft Bedenken gegen die praktische Durchführung auf und hielt nicht immer den Zeitpunkt für besonders glücklich; die letzte Entscheidung überließ er dem Könige. Am weitesten konnte er sich natürlich in kirchenpolitischen Angelegenheiten mit dem König zusammenfinden. Freilich schätzte er wohl die Möglichkeit nicht hoch ein, die königlichen Absichten in ihrer ganzen Ausdehnung durchsetzen zu können. Man wird doch sagen dürfen, daß Friedrich Wilhelm IV. zumindest in kirchlichen Dingen zu Haus war. Hier war er nicht Dilettant. Seine Pläne für die Neuorganisation der protestantischen Kirche, für die Neuregelung des Verhältnisses von Staat und Kirche, so wie er sie vor allem Bunsen in seinen Briefen vom 24. März 1840 und 29. Aug. 1849 tiefdurchdacht entwickelte, waren Wegweiser in eine fernere Zukunft. Seine Zeit war noch nicht reif dafür, sie aufzunehmen.63) Freilich zeigte sich auch hier der Fehler des Königs, bei den heftigen Widerständen der Orthodoxie auf die Durchführung zu verzichten. Doch wird man sagen können, daß seine Gedankengänge logisch waren und sich bestehenden Verhältnissen anpaßten. Vieles von dem, was ihm vorschwebte, wird die protestantische Kirche übernehmen müssen, wenn sie lebendig und fortentwicklungsfähig bleiben will und wenn sie Anspruch darauf erhebt, sich gegenüber der katholischen Kirche als gleich festgefügte Organisation zu behaupten. Die Gründung eines Bistums Jerusalem interessierte Stolberg lebhaft, im Auftrage Friedrich Wilhelms mußte er mit Bunsen über diese Angelegenheit korrespondieren. In der Einberufung einer allgemeinen Kirchensynode im Jahre 1846 sah er eine günstige Gelegenheit, Reformen durchzuführen. Gegen alle Abtrünnigen und Lauen kämpfte er mit gleicher Schärfe. Der Übereifer trübte hier den unparteiischen Blick. Die freie Auslegung der *) Konzept; s. A et D, wohl für politische Freunde bestimmt. Beiheft d. H. Z. 8.

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Soziale Fragen.

heiligen Schrift schien ihm verderblich; als der lichtfreundliche Führer Uhlich das Land verlassen mußte, begrüßte er das jubelnd, obwohl er dessen gefährliche Überredungskunst anerkennen mußte (an Fr. W. IV., 28. April 1846). Das teuflische Element konnte man nur mit Feuer und Schwert ausrotten, die Gefahren der gewaltsamen Unterdrückung sah er ebensowenig wie der König. Die Zugehörigkeit zur protestantischen Konfession betonte er doch stärker als sein Herr. Er hielt es durchaus nicht für unnötig, den König am 15. Mai 1844 gelegentlich einer Reise in Westpreußen darauf aufmerksam zu machen, daß die katholischen Polen laut verkündeten, heute müsse man katholisch sein, um bei Hofe etwas zu gelten. Gelegentlich der Gründung des Gustav-Adolf-Vereines nannte er die Haltung des Königs römischen Bischöfen gegenüber „eine unprotestantische Schwäche".64) Die Stiftung des Schwanenordens, der eine Belohnung für hervorragende christliche Liebestätigkeit sein sollte, hielt er auch für eine bedeutsame Waffe im Kampf gegen den Unglauben, aber er war sich über die Schwierigkeit der Durchführung im klaren. Bei dem Adelsprojekt blieb er kühl bis ans Herz hinan, die Schaffung eines neuen Grundadels verwischte für ihn das Grundelement des deutschen Adels: die geschichtlich verankerte Tradition. Aber noch auf einem besonderen Gebiete war Stolberg in der Lage, den König zu beraten. Es lag ein menschliches Wohlwollen in seinem Wesen, das viele veranlaßte, ihre Sorgen und Nöte vor ihn zu bringen. Unter den Schmeichel- und Bettelbriefen, die er täglich erhielt, befanden sich doch auch viele aufrichtige Hilferufe. Daher war er gut über die Krisen des Wirtschaftslebens unterrichtet. Gespräche mit Gesinnungsgenossen und praktische Erfahrungen bestätigten ihm vieles. Er stand der Erde näher und dachte nüchterner als sein Herr über die letzten Ursachen, die die Unzufriedenheit in den unteren Volksschichten hervorriefen. So bezeichnete er z. B. eine Denkschrift, welche die Mißstimmung der unteren Klassen auf national-ökonomische Gründe zurückführte, als „sehr beachtenswert", ein andermal fragte er auf ungünstige Nachrichten aus Schlesien gleich an, wie weit wirtschaftliche Verhältnisse dafür verantwortlich wären. Er sah deutlich, daß die schwierige Lage vieler Volksgenossen einen gefährlichen Boden für die radikale Propaganda bereitete. Stolberg glaubte daher, daß an Stelle politischer Freiheiten wirtschaftliche Erleichterungen gewährt werden müßten. Es mußte eine der vornehmsten Aufgaben des patriarchalischen Königs sein, der allgemeinen Not nach besten Kräften zu steuern, dafür auch große persönliche Opfer zu bringen. So konnte sich

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Soziale Fragen.

dieser am besten allgemeine Liebe und Vertrauen erwerben. Das Attentat auf den König vom Jahre 1844 führte ihn daher zu anderen Erwägungen, als viele andere aus der Umgebung des Königs. Während einige es als ein verhängnisvolles Zeichen ansahen, wie unzufrieden man allgemein mit der Verschleppung der Verfassungsfrage war, erblickte er den Hauptfehler der Regierung in der unzureichenden Fürsorge für die notleidende Bevölkerung. Das Attentat mußte ihn natürlich auf das tiefste erschüttern, für ihn konnte es kein verabscheuungswürdigeres Verbrechen geben. „Es sei alles in ihm zerrissen", schrieb er seinem Bruder Henrich. Er forderte von dem schwankenden König die sofortige Verurteilung und Hinrichtung des Mörders als eine Pflicht gegenüber dem Volke und seiner Sache.66) Aber bald darauf stellte er in der eindringlichsten Weise vor, daß die Zeit zu einer großen persönlichen Entsagung gekommen sei. Der Luxus und der gesteigerte Aufwand am königlichen Hofe stehe zu vielen noch unbefriedigten Bedürfnissen des Landes im Gegensatz. Gleich nach dem Attentat habe er den Zeitpunkt zu einer großen Entsagung nicht geeignet gefunden, jetzt aber sei dieser gekommen, „um an das preußische Unterthanen- und das Herz des durch Wunder g ö t t l i c h e r B a r m h e r z i g k e i t geretteten Landesvaters ernste Worte zu richten". „Mich deucht, Ew. Majestät müßten ihrem Volke jetzt zeigen, daß die schwersten Opfer nicht zu schwer, und die Noth und das Bedürfnis ihres Volkes Ihrem Herzen näher steht, als das schönste äußere Ziel, was Sie sich gesteckt. Entsagen deshalb Ew. Majestät Ihren großen Bauplänen. Erbauen Sie sich eine himmlische Kirche in selbstentsagender Liebe zu Ihrem Volke. Errichten Sie ein Gebäude aus Segenswünschen Ihrer Ihnen am 26. Juli wiedergegebenen Völker" (an Fr. W. IV., 17. Aug. 1844). Das Opfer, das er vom Könige verlangte, war ein schweres, aber dessen tieferschütterte Stimmung war jeder Mahnung zugänglich. Flottwell erhielt den Auftrag, den beträchtlichen Fonds für die Prachtbauten dem Finanzministerium zur Verfügung zu stellen. Die Vorarbeiten für den Dombau wurden für das laufende Jahr eingestellt, zu einem dauernden Verzicht konnte der König sich allerdings nicht entschließen. „Zeiten des reichen und langen Friedens", schrieb er am 12. Aug., „voll wahren Kunstaufschwungs haben immer ihre Monumente hinterlassen." Er gedenke das auch zu tun. Auch bei anderen Anlässen konnte Stolberg in dieser Richtung schriftlich und mündlich wirken, vor allem gab ihm dazu auch die Hungertyphuskatastrophe in Oberschlesien vom Februar 1848 eine große Gelegenheit. Mit besonderen Voll4»

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Soziale Fragen.

machten wurde er gleich vom König in das bedrohte Gebiet gesandt. Die Bilder, die sich ihm auf der Reise boten, spotteten jeder Beschreibung: „In Krieg und Frieden habe ich den Tod in den schauerlichsten Färbungen ins Auge zu schauen Gelegenheit gehabt. Nie aber so wie hier, auf meiner heutigen Tour von Ratibor über Psatr, Lostau, der Domäne Teplau und hier in Rybnick Jetzt muß nur Obdach, Kleidung und Nahrung geschafft werden für die armen Würmchen, welche nakt, oft halb im Wasser liegend, gerettet werden sollen. Bei eingetretenem Thauwetter stehen nämlich viele Hütten voll Wasser und die Sterbenden und Kinder liegen halb oder ganz im Wasser oder auf dem durchnäßten Boden, da weder Dielen noch Steinfußboden vorhanden sind" (14. Febr.). Graf Anton hatte große Mühe, den Strom der allgemeinen Wohltätigkeit, der in falscher Richtung zu fließen drohte, in das richtige Bett zu lenken. Gemeinsam mit dem Fürstbischof Diepenbrock ging er daran, umfassendes Material über die Gründe der Entstehung und die Mittel zur Abhilfe zu sammeln. Er hielt dabei daran fest, „daß nicht halb, sondern kräftig und nachhaltig geholfen werden müßte". Darum war er keineswegs erfreut, als der König in einer ersten Gefühlsaufwallung selbst an die Stätte des Unglücks eilen wollte; er fürchtete die Geste anstatt der durchgreifenden Tat und die gefärbte Berichterstattung mancher Beamter, die die Schuld von sich abzuwälzen wünschten. Stolberg bat daher den König, erst seinen Bericht in Berlin abzuwarten. Schließlich verkürzte er sogar aus Furcht, der König könne sich umstimmen lassen, den oberschlesischen Aufenthalt. In Berlin wurden gleich die Maßnahmen beraten. Man faßte zunächst die Errichtung eines Waisenhauses und die Einleitung von Notstandsarbeiten ins Auge. Die Ausführung ging im Strudel der Revolution unter.66) Bis zu dem Augenblicke, in dem die Revolution sich durch Wetterleuchten anzukündigen begann, hatte Stolberg seine vornehmste Aufgabe darin gesehen, den König auf alle möglichen Klippen aufmerksam zu machen. Er war sicher manchmal zu weit gegangen, hatte Geringfügiges übertrieben und so bis zu einem gewissen Grade Friedrich Wilhelms verhängnisvolle Ansicht verschuldet, er brauche nicht allzuviel auf die Warnungsrufe seines Ratgebers zu geben. Der König wünschte wohl die rückhaltlose Wahrheit, aber, wie so oft es phantasiereichen Menschen geht, die Wahrheit nahm in ihm eine andere Gestalt an, so daß er nicht die notwendigen Lehren ziehen konnte. Sein Ideenüberfluß hinderte ihn, das Einfache und im Augenblick Notwendige zu sehen. Dabei war Stolbergs Einfluß größer als er

Rückblick.

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selbst glaubte. Die Tatsache allein, daß der König alles mit ihm besprach, vor ihm kein Geheimnis hatte, gab ihm mancherlei Möglichkeiten zur Einwirkung, die ein anderer nicht so ausnützen konnte. Dann aber vermochte er auf den Instrumenten seiner zahlreichen Beziehungen zu spielen. Die Königin hatte Stolberg die Erlaubnis gegeben, jederzeit ihre Vermittlung in Anspruch nehmen zu dürfen, er stand sich mit dem Zaren von Rußland auf sehr gutem Fuß, der von Stolberg einmal äußerte, daß er diesen Mann liebe, auf den der König in gewissen Dingen hörte. Auch in der Diplomatenwelt hatte Graf Anton manche gute Bekannte, wie z. B . den Freiherrn von Maltzan in Wien und den Gesandten in Neuenburg, Graf Pourtalés, so daß er auch manches erfuhr, was hinter verschlossenen Türen vorging. E r war durchaus nicht blind gegen begangene Fehler; der Überschwang der ersten Hoffnung war längst vorüber, aber sein Glaube wurde dadurch nicht erschüttert, daß sein Herr, die Sache des Rechtes zum Siege führen würde, solange er im Glauben festhielt. Die wachsenden Widerstände vermochten ihn nicht zu entmutigen. Die preußischen Beamten- und Offizierskreise hielten argwöhnisch an den Überlieferungen fest, in denen sie selbst großgezogen waren. Sie wünschten den Staat so erhalten zu wissen, wie er von ihnen übernommen worden war, und verlangten auch vom König von Preußen, daß er das E r b e der Hohenzollern ausschließlich als oberster Beamter verwaltete. Darum stießen alle Versuche des augenblicklichen Inhabers der Krone, das politische und religiöse Leben auf eine neue Grundlage zu stellen und den S t a a t einer sichtbaren oder unsichtbaren Hierarchie unterzuordnen, auf einen zähen passiven Widerstand, da man davon den Untergang des spezifischen Preußentums fürchtete. Auf der anderen Seite betrachteten die aufsteigenden bürgerlichen Schichten mit sarkastischer Miene das Schauspiel, das ihnen Friedrich Wilhelm I V . mit seinen romantischen, patriarchalischen Plänen bot. Sie wollten für die mittelalterliche Auffassung des Fürstentums kein Verständnis mehr haben. Sie brauchten Bewegungsfreiheit, sie wünschten an der Spitze des Staates einen Mann mit einem starken Arm, um ihnen die Wege zu ebnen und ihre Interessen zu schützen, keinen Landesvater, der um ihre Liebe warb. Stolberg glaubte wie der König, daß man mit Gottes Hilfe auch gegen den Strom schwimmen könnte. Beim Ausbruch der Revolution war er daher entschlossen, das königliche Recht auf das Äußerste zu verteidigen. E r hielt es für ganz unmöglich, daß der König gerade in diesem Kampfe versagen könnte. Als es doch geschah, wurde es die schwerste Enttäuschung seines Lebens.

II. Teil.

Die Revolution und ihre Auswirkungen 1848—1854. Kapitel 1. Die Märztage. An der Schwelle der Revolution. — Die Kapitulation des Königs. — Der Fluchtplan. — Der deutsche Umritt. — Abreise und Tod der Tochter Friederike.

Stolberg war in den Tagen vor Ausbruch der Revolution viel um den König. Es kam ihm vor allem darauf an, ihn auf einer bestimmten Linie festzuhalten. Er hatte zwar auch am 3. März geraten, die Periodizität zu geben, und sein Brief, der zweifellos durch politische Freunde inspiriert war, ist recht bezeichnend dafür, wie außerordentlich ernst man in königstreuen Kreisen die Lage auffaßte und wie der Gedanke, daß Preußen sich an die Spitze Deutschlands stellen müßte, Allgemeingut geworden war: „Ruhige und wohlgesinnte verständige Männer sind durchdrangen von der Hoffnung und sehnlichstem Wunsch, Ew. Majestät möchten aussprechen, daß, nachdem durch die versammelten Ausschüsse die Bedingungen der Gesetzgebung vom 3. Febr. v. J. zu Allerhöchst Ihrer Zufriedenheit als erfüllt angesehen werden könnten, Allerhöchst dieselben sich veranlaßt fänden, die Periodizität des allgemeinen Landtages zu einer Wiederkehr von so und so vielen Jahren, hierdurch auszusprechen. Man befürchtet nämlich, daß ohne eine solche Maßregel inspecie der Staatscredit so wie im Allgemeinen das Vertrauen sich nicht heben und bei zu erwartendem Krieg und den dazu benöthigten Rüstungen die Zustimmung der Stände in Frage gestellt werden könne. Sei aber Periodizität angeordnet, welche Ew. Majestät unter gewissen Bedingungen schon zugesagt hätten, so würden nicht allein jetzt die Königlichen und Staatspapiere wieder steigen, sondern die freudige Zustimmung der Stände zu einer Kriegsanleihe sey, sowie die ganze politische Existenz durch und durch gesichert. Sehr gefährlich werde es dagegen sein, in einiger Zeit oder bei Ausbruch des Krieges die allgemeinen Stände zu berufen, ohne daß zuvor etwas ganz Beruhigendes wegen der periodischen Wiederkehr ausgesprochen sey. Fast mit Gewißheit könne man

An der Schwelle der Revolution.

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voraussetzen, daß, falls der Krieg nicht unbedingt volksthumlich sey, eine Anleihe die ständische Garantie ohne das Bewußtsein der Periodizität nicht erhalten werde; wogegen die ständische Garantie unbedingt erfolgen werde, wenn die Periodizität von Ew. Majestät festgestellt worden sey. Die Idee, daß ohne Periodicität die ganze ständische Gesetzgebung ein Schein, eine Unwahrheit sey, habe sich seit Jahr und Tag so unbegreiflich schnell unter alle Schichten der Gesamtbevölkerung verbreitet, daß ein Nichtaussprechen nach der gegenwärtigen Verabschiedung der Ausschüsse, wo eine Verkündigung nicht als Conzession, sondern als Beweis Allerhöchster Zufriedenheit über die Gesetzerfüllung betrachtet werden würde, von allen treuen umsichtigen Unterthanen als ein nicht zu berechnendes Unglück angesehen werden müßte. Die gestern mir von Ew. Majestät vertraulich gemachten Mitteilungen verpflichten mich, das Gehörte, wie vorstehend geschehen, ohne Zusatz alleruntertänigst vorzutragen. Der Augenblick ist ungeheuer ernst. Da Ew. Majestät aber, wie Allerhöchst Dieselben es mir gestern aussprachen, die Periodicität dennoch geben wollen, so dürfte vielleicht in langer Zeit keine Gelegenheit geboten werden, wo die Schenkung der Periodicität nicht als Concession angesehen würde und Ew. Majestät geistig zum Beherrscher der deutschen Zustände machte, was absolut nöthig wird, wenn Deutschland nicht seiner Auflösung unbedingt entgegengeführt und den scheußlichen Doktrinen Frankreichs verfallen soll." Zunächst konnte Stolberg mit der Haltung seines Herrn sehr zufrieden sein. Die Sitzungen des Ministerrates standen unter sicherer Leitung. Der erste Plan des Königs, eine Abwehraktion gegen einen mutmaßlichen Angriff Frankreichs zustandezubringen und die Revolution gemeinsam mit den deutschen Fürsten zu bekämpfen, konnte noch jeden Optimismus rechtfertigen. So war Stolberg am 8. März noch in der Lage an seinen Bruder Henrich zu schreiben: „ . . .Das aber muß ich Dir sagen, daß die Verkündigung der Periodicität kein Akt der Confusion war, sondern consequent aus den näheren Ergebnissen hervorging. Das Treiben der Revolutionaire ist scheußlich, das Benehmen aber unserer meisten Souverains ist so erbärmlich, daß man keinen Ausdruck dafür finden kann. So Gott will, werden wir derartiges nicht erleben. Der König ist fest, und die Vorkehrungen der inneren und äußeren Politik sind kräftig. Gott schenke uns noch acht Tage Zeit, des Auslandes wegen. Es können Ausbrüche wie in Cöln und Aachen zum Vorschein kommen, auch kann noch viel Ernsteres sich entwickeln, doch stehet meine Hoffnung frisch

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An der Schwelle der Revoluti on.

und freudig. Gott schenke uns allen freudigen Glauben!" Dann trat vom 14. März an etwa ein Umschwung ein. Der Kampf gegen die Revolution wurde allmählich aufgegeben.1) Leider bringen Stolbergs Briefe, der als unmittelbarer Zuschauer mancherlei Beobachtungen machen konnte, wenig Aufklärung für das Verhalten des Königs unmittelbar vor der Revolution. Aber schon, daß er sich selbst seinen nächsten Anverwandten gegenüber ausschwieg, wirft ein bezeichnendes Licht auf seine Stellungnahme. Wir erfahren, daß er der Niedergeschlagenheit, die sich des Königs bemächtigt hatte, scharf entgegentrat. „Sie sei eines Königs und eines Christen unwürdig." Stolberg führte sie auf übermäßigen Tabakgenuß zurück.2) Sicherlich sah er in dem Entschluß des Königs, die verfassungsmäßige Bahn einzuschlagen, nicht unbedingt das Schlimmste. Hatte er doch schon die Notwendigkeit, die Periodizität zu geben, auch damit begründet, es sei Hauptsache, daß der König Herr der deutschen Sache bleibe. Es ist sicher, daß auch Stolberg unter dem Druck der Ereignisse eine gewisse Anpassung an die neuen Zeitströmungen für unvermeidlich hielt, dafür spricht sein oben erwähnter Brief vom 3. März. Doch stellt er sich ebensowenig wie der König unter einem verfassungsmäßigen Weg die Annahme der nach seiner Auffassung fluchwürdigen französischen Konstitution vor, dieser Begriff war damals noch in Deutschland durchaus fließend. Seine Gedankengänge, die wir erraten können, bewegten sich in der Richtung, daß der König notwendig gewordene Zugeständnisse machte, im übrigen aber fest entschlossen war, jede Art von revolutionärer Bewegung zu unterdrücken. Um so mehr mußte es ihn erschüttern, als er sah, daß der König hierzu nicht mehr bereit war. Wir besitzen eine Schilderung, die Anton Stolbergs jüngster Sohn Theodor, freilich in sehr viel späteren Jahren, von der Wirkung einer Staatsratssitzung auf seinen Vater unmittelbar vor der Revolution gemacht hat. Es ist zwar nicht sicher, ob diese Geheimsitzung am 16. oder 17. März stattgefunden hat; Theodor Stolberg nennt den 16. März, und es spricht manches dafür, daß er sich nicht getäuscht hat*), auch ist klar, daß auf den Wortlaut der geführten Gespräche wegen des beträchtlich dazwischenliegenden Zeitraumes kein besonderer Wert gelegt werden kann, immerhin zeigt diese Schilderung auf das deutlichste, daß der König bereits ein oder zwei Tage vorher den Kampf gegen die Revolution *) Graf Theodor erwähnt ausdrücklich, „daß er am 17. in der Garnison blieb".

Kapitulation des Königs.

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unter den sich überstürzenden Ereignissen aufgegeben hat und daß seine Getreuesten über das Versagen ihres Herrn vollkommen niedergeschmettert waren. Von diesem Gesichtspunkt ausgesehen, verdient die Erzählung im Wortlaut mitgeteilt zu werden.3) Theodor Stolberg erzählt zunächst, wie man bereits tief in dei Nacht im Berliner Hause*) seines Vaters auf dessen Rückkehr aus der Sitzung gewartet habe. Er fährt dann fort: „Verstört und angsterfüllt erwarteten ihn die Meinigen. 3 Uhr morgens mochte es sein, als das ferne Rollen eines Wagens seine Heimkehr verkündete. Gebeugten Hauptes, sehr blaß, aber festen Schrittes erstieg er die große Haustreppe. Alle Bewillkommnung meiner Mutter wies er schweigend ab, nur mir gab er schweigend einen Wink, ihm in sein Arbeitszimmer zu folgen, das er dann ganz gegen seine Gewohnheit von innen verriegelte. Er trat an sein Stehpult, und das sorgenvolle Haupt in beide Arme gestützt, verharrte er lange Zeit in dieser Stellung. Wie erstarrt war ich in der Tür stehen geblieben. Endlich wandte er sich um. So ernst, so eisern streng hatte ich die geliebten Züge in meinem Leben noch nicht gesehen! „Mein Sohn," so begann er, „wir stehen am Vorabend furchtbarer Ereignisse, es ist alles verloren, schon morgen wird eine entsetzliche Revolution ausbrechen. — Minutoli (Polizeipräsident) hat im Ministerrat alle Pläne dieses Teufelswerkes klar und deutlich vorgelegt. Man! (der König)**) hat ihm keinen Glauben geschenkt, alle unsere Bitten und Vorschläge um Gewaltmaßregeln sind rundweg abgeschlagen. . .***) Eile nun, mein Sohn, in deine Garnison. Was aber auch kommen mag, du wirst deinem König stets die Treue halten, die du ihm geschworen hast, wirst deine Ehre als Soldat und Edelmann allezeit unbefleckt erhalten, nie vergessen, wes Stammes du bist und deinem Vater keine Schande machen!" Und mich in seine Arme schließend, entließ er mich mit den Worten: „So zieh denn hin mit Gott, du mein lieber Sohn! Der Herr segne und behüte dich! Er sei unserem König gnädig!" — Mit welchen Gefühlen ich das Zimmer verließ, zum letzten Male, solange mein Vater es bewohnte, vermag ich nicht zu schildern." Man beachte die ganze Bitterkeit, die in den Worten liegt: „Was aber auch kommen mag, du wirst deinem König stets die Treue halten!" Trotzdem unterzeichnete Stolberg am 17. mit allen Ministem die Edikte. Er ließ sich dabei von dem gleichen ») In der Wilhelmstraße. **) Von Graf Theodor hinzugesetzt. ***) Hier folgen einige scharfe Ausfälle gegen Minutoli, zu deren Veröffentlichung ich nicht ermächtigt worden bin.

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Flachtplan.

Gesichtspunkt leiten, wie auch die anderen „Entschiedenen".4) Das Verhalten des Königs machte jeden weiteren Widerstand zunächst zwecklos. Man wollte den König in der gefahrvollen Stunde nicht allein lassen. Gerlachs Vorwurf, am 17. März hätten alle Minister den König verlassen, ist daher ungerechtfertigt.6) Es war vielmehr eine besondere Art von Treue, daß sie auch jetzt noch zu ihm standen und ihn deckten. Noch am gleichen Tage gab dann das Ministerium die Demission. Stolbergs Begründung, daß die neue Ordnimg ständischer Verfassung Männer bedinge, deren Befähigung besonders die Ausbildung rednerischen Talentes gewähren muß, „welche ich in dieser Hinsicht nicht darzubieten vermag", entsprach durchaus seiner Überzeugung. Er hatte schon im Jahre 1847 Thile gegenüber die ihm fehlende Rednergabe als einen seiner Hauptmängel bezeichnet. Trotzdem war es für ihn ein außerordentliches Opfer, gerade jetzt vom König fortzugehen. Seiner ganzen Auffassung gemäß mußte es ihm doppelt notwendig erscheinen, seinem Herrn zur Seite zu stehen, als er ihn von dem rechten Weg abgleiten sah, um ihn in der Stunde der Gefahr mit seiner Person zu schützen. Er wollte sich daher erst nach der Beruhigung der Lage auf sein Landgut zurückziehen.6) Der König hoffte durch Stoibergs Ernennung zum Generaladjutanten am 20. März die Trennimg zu umgehen, aber die Kabinettsordre wurde nicht einmal veröffentlicht, Graf Anton mußte am 25. März mitteilen, daß sie so gut wie zurückgenommen sei.7) Doch schien es fast, als sollte Stolberg noch einmal in der kurzen Zeit, in der er noch in Berlin weilte, den Gang der Ereignisse nicht unwesentlich beeinflussen. Schon am 15. März waren Erwägungen aufgetaucht, den König zum Verlassen Berlins zu bewegen. Am 18. abends forderte ein Brief von Radowitz das Gleiche für den Fall, wenn ein Aufstandsversuch gemacht werden würde. In den folgenden Tagen war es vor allem eine Gruppe höherer Militärs, die die Entfernung des Königs wünschten, um freie Hand zu bekommen und den König gewissermaßen unter militärische Kontrolle zu stellen. Gegen eine solche Absicht wehrten sich am entschiedensten Arnim und Thile. Der erstere sah damit die Wirkung seiner Politik vereitelt, Thile fand es aus religiösen Gründen Sünde, sich der göttlichen Fügung zu entziehen. Er war deshalb auch später gegen die Kamarilla. Stolberg war für die Flucht, ihm waren zwei Gründe maßgebend: die Sorge um die Sicherheit der königlichen Person und die Hoffnung, ihn auf diese Weise der verhängnisvollen Berliner Einflußsphäre zu entziehen. Der Standpunkt der höheren Militärs kam für ihn nur soweit in Be-

Der deutsche Umritt.

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tracht, als er den König zwar nicht der freien Entscheidung berauben, ihn aber auch nicht mit der Verantwortung für das militärische Vorgehen belasten wollte.*) Seit dem 18. abends stand Stoibergs Wagen im Schloßhof bereit. Wenn wir Theodor Stolbergs Erzählungen Glauben schenken dürfen, so gelang es ihm auch, den König für den Fluchtplan zu gewinnen. General Rauch konnte in Potsdam schon von der unmittelbar bevorstehenden Ankunft des Königspaares sprechen. Die dritte Eskadron Gardedu-Corps sollte den Wagen eskortieren, ja die Königin saß bereits in Stolbergs Wagen, der König war eben im Begriff einzusteigen, als Graf Arnim ihn mit den Worten am Arm zurückzog: „Ein preußischer König flieht nicht 1" Der also Zurechtgewiesene nahm sich dann selbst jede weitere Möglichkeit, indem er die dritte Eskadron Garde-du-Corps nach Potsdam zurückschickte.8) Glücklicher war Stolberg dagegen bei dem Versuch, den Prinzen von Preußen zum Verlassen der Hauptstadt zu bewegen. Er war mit Massow, den damaligen Hausminister, und Arnim einer Meinung, daß der Prinz fort müsse, er hatte selbst drohende Reden im Schloßhofe gehört. Der Prinz widerstrebte anfangs, schließlich konnte Stolberg seinen Widerstand mit dem Hinweis brechen: „Die Sicherheit des Königs erfordere seine Abreise."9) Kurz bevor Graf Anton Berlin verließ, verlangte der König dann noch einmal seinen Rat. Am 21. März, am Tage, an dem Stolberg abreiste, wurde über den Umritt beraten, den Friedrich Wilhelm IV. unternehmen sollte, um aller Welt sein deutsches Herz zu zeigen. Friedrich Wilhelm IV. empfand instinktiv, daß eine solche Demonstration nicht ganz mit der Würde, die er seiner Stellung schuldig war, in Einklang zu bringen war. Anderseits hatte er das Bedürfnis, seinem Volke ad oculos zu demonstrieren, daß er die deutsch-nationale Bewegung lebhaft begrüßte. In seinem Schwanken wandte er sich plötzlich an seine beiden früheren Minister Stolberg und Thile, die im Vorzimmer weilten. Ihre Meinung sollte ihm in diesem Augenblick Gottes Stimme ersetzen. Thile gab darauf den bekannten konstitutionellen Rat: ein konstitutioneller König kann nur von seinen Ministern Rat annehmen. Stolberg protestierte zwar dagegen, wurde aber von Arnim zurückgewiesen. Einen bestimmten Rat konnte er auch nicht geben, er begnügte sich mit Achselzucken.10) Es war entschieden ein Versagen, durch die erfolglosen Bemühungen der letzten Tage war er augenscheinlich erschöpft. Im Hintergrund stand sicher auch bei ihm die gleiche Angst, die Thile gegen•) Vgl. Stolberg an Fr. W. IV., 3. Nov. 1848 S. 79 f.

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Tod der Tochter Friederike.

über Goetze als Entschuldigung anführte: „Sie mögen über mich den Stab brechen, aber ich konnte nicht anders, ich sah das Haupt des Königs auf einer Stange herumtragen." 11 ) Wenige Stunden darauf verließ er dann Berlin. Seine Familie hatte sich schon am 19. nach Potsdam in Sicherheit gebracht. Es war sehr bitteres Scheiden für den Getreuen. Die große Masse sah einfach einen Reaktionär in der Versenkung verschwinden, man bemühte sich in kleinlicher Rachsucht, sein Andenken völlig auszulöschen, indem man ihn auch als Chef eines Landwehrregimentes strich. Wohlwollendere wiederum zollten seiner würdigen Haltung Anerkennung, so Sternheim: „ . . . Darunter war der ritterliche Graf Stolberg, der von diesem blutbefleckten Schauplatz abtrat, mit jener kalten Miene des Hohnes und der Verachtung, wie etwa seine Vorfahren vom Turnier abtraten, wo einem nicht ebenbürtigen Gegner die Schranken geöffnet waren." 12 ) Schon am 22. März fuhr er von Potsdam mit den Seinen nach Wernigerode weiter, nachdem er Henrich angekündigt hatte: „Ich darf nicht länger mehr beim Könige sein." Wie immer fand er gastliche Aufnahme bei seinem ältesten Bruder. Ein schwerer Schicksalsschlag traf ihn gleich darauf. Seine 24 jährige Tochter Friederike, ein besonders geliebtes Kind, hatte den Keim zu einer schweren Krankheit mitgebracht, die Gemütsaufregung verschlimmerte das Leiden derart, daß sie ihm schon nach wenigen Wochen erlag. Ihr Tod bewahrte das Schloß vor dem Eindringen der Revolutionäre, die bereits im Anmarsch waren.13) Der persönliche Schmerz rüttelte den Grafen aus der lähmenden Stimmung auf, in die er seit den Berliner Ereignissen verfallen war. Mit diesem Todesfall begann aber auch wieder der briefliche Verkehr mit dem Könige. Nur unter Beobachtung großer Vorsichtsmaßregeln konnte ein solcher aufrechterhalten werden; die Entdeckung mußte beiden Teilen Gefahr bringen, die Argwöhnischen überwachten die Post des Exministers. 14 ) Meist war der Bote der Schwiegersohn des Grafen Anton, der Hofmarschall Graf Keller, manchmal auch der älteste Sohn Eberhard, immer nur eine ganz zuverlässige und vertraute Persönlichkeit. Gleich aus den ersten Briefen Stolbergs wird es nun klar, daß nicht die Revolution als solche, sondern das Verhalten des Königs in den kritischen Tagen ihn zunächst zu Boden geworfen hatte. Wollen wir den tragischen Gegensatz ganz verstehen, in den selbst einer der Getreuesten zum Könige jetzt gedrängt wurde, so müssen wir die Doktrin Friedrich Wilhelms IV. in der Revolution zu deuten trachten und dann sehen, wie Stolberg aus innerstem Gefühl heraus dazu Stellung nehmen mußte.

Friedrich Wilhelms IV. Doktrin und die Revolution.

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Kapitel 2.

Die Krise des Gottesgnadentums (1848—1852) Friedrich Wilhelms IV. Doktrin und die Revolution. — Stolbergs Kritik. — Das deutsche Problem. — Die Oktroyierung der preußischen Verfassung. — Die Kamarilla. — Wirksamkeit im Stillen. — Kämpfe um den Verfassungseid. — Radowitz.

Wir müssen uns vor allem darüber klar sein, daß bei Friedrich Wilhelm IV. ein Zwiespalt vorlag, den er überbrücken mußte. Seine Auffassung vom Gottesgnadentum ging von der Voraussetzung aus, daß er als Werkzeug Gottes die göttlichen Gesetze besser als gewöhnliche Menschen verstehen mußte. Gleichzeitig fühlte er instinktiv, daß ihm zu großen und entscheidenden Kämpfen, zum Durchsetzen seiner Pläne die inneren Kräfte fehlten. Sehr fein hat auf diesen Widerspruch ein Mann wie der Landgerichtspräsident Goetze hingewiesen, der dem weiteren Freundeskreise des Königs angehörte. Er vermißte einen gewissen Mut im Glaubensleben des Königs. „Er unterliegt dem Gedanken: ,es geht nicht, ich muß es anheimstellen, ob man versteht, was ich meine'." Andererseits beobachtete Goetze, daß der König ein überwiegendes Gefühl von der Wichtigkeit der Stellung in Recht und Pflicht habe, die ihm mit der Krone übertragen sei und für die er seinem Herrn und Gott allein verantwortlich wäre. „Ich meine, er weiß vielleicht die innerlich demütige Stellung, die er persönlich wirklich einnimmt, nicht genug mit der als regierender Herr in Vereinigung zu bringen. 15 ) Das Gottesgnadenbewußtsein und das natürliche Schwächegefühl, die in Friedrich Wilhelm IV. nebeneinander vorhanden waren, mußten während der Revolution sich gegenseitig stoßen. Der König war ganz und gar keine Kampfnatur. Sobald stärkere Widerstände auftauchten, wich er zurück. Er war zunächst bereit, die Revolution zu bekämpfen, aber nur solange er glauben konnte, daß die anderen Fürsten sich ihm anschließen würden. Sobald er sich isoliert sah, einer der Fürsten nach dem anderen sich vor der Revolution beugte, sobald vor allem in Wien die Revolution ausbrach, begann der König, sich innerlich umzustellen und auf ein aktives Eingreifen zu verzichten. Diese Kapitulation war bereits vollzogen, bevor die Unruhen in Berlin begannen.

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Friedrich Wilhelms IV. Doktrin und die Revolution.

Es ist daher an und für sich müßig, darüber zu streiten, wieviel persönliche Schuld den König an den Vorgängen des 18. März trifft. Es steht fest, daß er außerordentlich niedergeschlagen war und unter den Ereignissen litt, er war in manchen Augenblicken tiefen Depressionen ausgesetzt; so hat er selbst geäußert, er fühle sich stark demoralisiert, und später rückblickend „wir lagen in diesen Tagen alle auf dem Bauch". 16 ) Auch ist es sicher, daß eine solche Schwäche der Monarchie, wie sie wegen des unglücklichen Rückzugsbefehls der Truppen eintrat, ohne das Verhalten des Königs nicht möglich gewesen wäre. Aber man muß doch auch scharf betonen, daß von einem feigen Zurückweichen nicht die Rede sein konnte. Friedrich Wilhelm IV. hatte während der Befreiungskriege gezeigt, daß er die Gefahr persönlich nicht scheute. Er war durchaus nicht unempfindlich auf dem Offiziersehrenstandpunkt. Die Art der Selbstausschaltung während der Revolution und auch noch längere Zeit nach der Revolution war eine gewollte, sie wurde mehr und mehr ein System. Der König deckte den scheinbaren Widerspruch mit seiner eigenen Doktrin. Danach mußte sich unter allen Umständen die göttliche Ordnung mit der Zeit durchsetzen. Es war durchaus möglich, daß Gott für den Augenblick den Menschen ganz die Führung überließ, sich gewissermaßen selbst in seinem königlichen Werkzeug „effazierte", um dann um so sicherer nach den menschlichen Irrungen, die die notwendige Folge sein mußten, in seiner Herrlichkeit sich zu offenbaren. War es nicht möglich, daß Gott die Revolution sandte, um den Nebel der allgemeinen Verblendung zu lüften, für begangene Sünden zu strafen und die Zuversicht der Frommen zu prüfen ? Konnte es denn nicht geradezu vermessen sein, ihm in den Arm zu fallen? Denn obgleich der König glaubte, richtiger als die. anderen den Weg zu sehen, so war er doch keineswegs davon überzeugt, daß er der einzige war, der Gottes Willen ausführen konnte. Auch in seinen Mängeln konnte eine bestimmte göttliche Absicht liegen. Er würde vielleicht nur verderben.17) Wenn er sich nun auf Zugeständnisse einließ, so waren dies persönliche Opfer, um dem schrecklichen Mißverständnis, für das er die Revolution hielt, die schlimmsten Folgen zu nehmen. Es ist besonders interessant zu beobachten, wie scharf der König den Trennungsstrich zwischen den von ihm gewählten Ratgebern und den Ministern der Revolution und Nachrevolution zog. Waren die ersteren für ihn Gläubige, die wohl irren, aber keinen endgültigen Schaden anrichten konnten, so faßte er die Minister des Nachmärzes auch dann, wenn er sie menschlich achtete, als Diener der Revolution auf, denen für

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die Dauer kein Erfolg beschieden sein konnte.18) Alles, was in der Revolution geschah, und unter dem Drucke der Ereignisse beschlossen wurde, sah Friedrich Wilhelm IV. unter dem Gesichtspunkt des Vorläufigen und Abänderlichen an. In diesem Optimismus fing er sich gewissermaßen selbst wieder auf. Nur daraus läßt sich erklären, daß der Ministerpräsident Camphausen schon am 2. April 1848 über die auffallende Zuversichtlichkeit des Königs schreiben mußte: „Der König hat wieder ein Gefühl von Sicherheit erlangt, das bald herabgestimmt werden muß."19) Deshalb sträubte sich der König auch gegen.jede endgültige Festlegung. So schrieb er an den Großherzog Friedrich von Mecklenburg am 7. Januar 1849, er habe die Auflösung der alten ständischen Verfassung nicht ausgesprochen. Man könne nicht wissen, wozu das einmal gut sein kann. „Das Zerstören ist so leicht, das Zerstörte wird aber oft vergeblich zurückgewünscht."20) Am allerheftigsten wehrte sich der König gegen den Eid auf die Verfassung, weil es dann keine Möglichkeit eines Zurück gab. Wir sehen ihn während seiner Rede bei der Eidesleistung im Jahre 1851 noch zu tiefst widerstreben, er hatte sich die Erfüllung des göttlichen Willens so ganz anders vorgestellt.21) Er betonte später noch wiederholt, daß ihn der Eid hindere, einen wahrhaft guten und gerechten Zustand zu schaffen.22) Immer hoffte er, es würden Ereignisse eintreten, die ihm erlaubten, die Verfassung, in der er nur eine Frucht der Revolution sah, zu beseitigen und durch einen Freibrief zu ersetzen. Seinem Nachfolger hat er es zur Pflicht gemacht, keinen Eid auf die Verfassung zu leisten.23) Der König hatte am schwersten unter der Tatsache gelitten, daß es überhaupt zu Kämpfen kam. Die Idee des germanischchristlichen Königtums hatte ein vertrauensvolles patriarchalisches Verhältnis zwischen Fürst und Volk zur Voraussetzung. Mochten andere Länder beschriebene Blätter brauchen, um einen Treubund festzulegen, in Deutschland war dies nicht nötig. Denn es entsprach nicht tausendjähriger Gewohnheit, es stand auch dem Charakter seines Volkes entgegen, das von Natur treu und vertrauensvoll seinem Herrn gegenüberstand. Dachte es im Augenblick anders und wollte es fremde Formen annehmen, so konnten es nur einzelne verworfene Menschen in diese Verblendung geführt haben. Aus diesem weltfremden, aber echt deutschen Optimismus heraus erhielt erst die deutsche Königskrone ihren besonders tiefen Glanz. Der König ging so weit, den Nichtglauben an diese Verschwörung mit Liberalismus gleichzusetzen.24) Seine bekannten Aufrufe an die Berliner, seine Rede vor dem Offizierskorps in Potsdam am 21. März, die in königstreuen

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Kreisen ein starkes Kopfschütteln verursachten, sind nur so zu verstehen, daß der König das zerrissene Band wieder knüpfen wollte.25) Er zeigte freilich, wie wenig er dabei die Psychologie der Menge verstand, das, was er in bester Meinung tat, konnte in diesem Augenblick natürlich nur als Schwäche wirken. Man muß zugeben, daß dynastischer Ehrgeiz und insbesondere die Rücksicht auf die deutsche Frage, deren Nichtregelung er als eine uneingelöste Schuld empfand, — „wir saufen jetzt die Hefen des Wiener Kongresses aus und sie sind schon herbe und bitter", schrieb er einmal an Stolberg — den König bei seinen Handlungen wesentlich mitgeleitet haben. Er sprach selbst von den reinen Strömen in der Revolution. Aber man kommt in eine Sackgasse psychologischer Irrtümer herein, wenn das Vorhandensein einer strengen Realpolitik bei Friedrich Wilhelm IV. aus Denkschriften und Maßnahmen der damaligen preußischen Regierungen konstruiert wird. Der König konnte nur von einer Zentralidee ausgehen, die in seine Anschauungswelt eingegliedert war. Für ihn war letzten Endes nur das gültig und gottgefällig, zu dem er innerlich ganz die volle Zustimmung gab, weil er überzeugt war, daß die göttliche Inspiration die Gabe verlieh, das Richtige grundsätzlich zu erkennen. Wir haben Zeugnisse dafür, daß er bei allen seinen Plänen sich von Gott inspiriert fühlte.26) Es war daher auch ganz ausgeschlossen, daß der König in der deutschen Frage etwas anderes als die Wiederherstellung des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation anstrebte; nach der christlich-germanischen Staatsidee drückte nicht der gegenwärtige Staat, sondern die in der geschichtlichen Entwicklung gewordene nationale Idee den göttlichen Willen am reinsten aus.27) Wenn wir den Versuch unternahmen, die psychologischen Vorgänge Friedrich Wilhelms IV. in der Revolution zu deuten, so wagten wir dies nur, weil in den Briefen des Königs an Stolberg aus dem Jahre 1848 und auch später seine innersten Beweggründe so klar hervortreten. Diese Briefe haben nun deswegen einen so hohen Wert, weil der König ganz zwanglos in tiefster Intimität seinem Freunde das schrieb, was ihn bewegte. Über die Verteidigung der Vergangenheit hinaus versucht hier der König seine Politik des Augenblicks zu rechtfertigen. Es ist zunächst auffallend, wie wenig Gefühl für ein persönliches Versagen in den Briefen*) zum Ausdruck kommt.28) Wohl spricht auch der König von einer Schuld: „Die eigene Schuld bekenne und erkenne ich so lebhaft und vielleicht lebhafter als *) Vgl. fürs Folgende Beilage I.

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Sie . . . . " , schrieb er Anfang Juni, und an einer anderen Stelle: „erhört der Herr mein tägliches Flehen, meine Schuld nicht Ursache des Ruins meines Volkes und Reichs seyn zu lassen." Aber wie wenig dabei von einem Verrat an der e i g e n e n Sache die Rede ist, drücken die Worte aus, mit denen er sein Verhalten gegenüber Bodelschwingh im gleichen Brief verteidigt: „ . . . Die Schuld meiner alten treuen (aber Schwierigkeit machenden, die Gefahr nicht erkennenden oder läugnenden) Räthe ist mir jetzt so klar wie vor dem 18. März. — Gott Lob! daß meinen geliebten Anton keine Schuld der Art trifft, wie diese A r t S c h u l d auch mich nicht trifft, da ich täglich warnte, täglich auf Aczion drang, täglich befahl, von dem lieben Verblendeten aber nicht gehört und gehorcht wurde. Meine Schuld in d i e s e r Hinsicht ist keine andere, als die Bodelschwingh nicht abgesetzt zu haben, und ist d a s eine S c h u l d zu nennen? Ich glaube gewiß: Nein. Und wäre ich heute ihm gegenüber in der selben Lage, in derselben Aufregung gegen seine Unthätigkeit, seine u n s e e l i g e Furcht, u n g e s e t z l i c h zu verfahren, wo die Gesetze für mich sprechen, so glaub' ich nicht anders handeln zu können. Denn einen so herrlichen Mann wie Bodelschwingh zu prostituieren, dazu fehlt mir die Kraft. Ist d a s Schuld so bekenne ich sie gem. Er war aus unrichtig angewendeter Charakterfestigkeit unthätig gegen die Verschwörer und sah sie mit offenen Augen nicht. Jetzt hab ich erfahren, was es heißt, mit Menschen zu thun zu haben, die aus Charakterlosigkeit, schlechten Grundsätzen, Feigheit, Thorheit unthätig sind — ! ! ! ! ! ! ! " Der König glaubt seine Pflicht erfüllt zu haben. Sein Sündenbewußtsein drückt ihn wohl nieder, dagegen nicht der Gedanke an politische Fehler. Er glaubt sogar zu dem Stoßseufzer berechtigt zu sein, „ach wollte sich doch Gott über uns erbarmen und uns nicht den Thoren Preis geben" (3. Mai 1848). Allen pessimistischen Warnungen und Mahnungen des Freundes stellt er immer wieder die Hoffnung auf die Zukunft entgegen. Es komme nur auf feste Zuversicht an. Schon am 21. März hatte er Stolberg mit den Worten entlassen: „Meine Hoffnung ruht nicht auf .weisem Blick' in die Zukunft, sondern in der Zuversicht auf den Namen des lebendigen Gottes, unseres Heylandes . . . . und ich forderte Sie zum Gebet auf in dem B e w u ß t s e i n des g e m e i n s a m e n B i t t e n s m i t mir und allen denen, die auf die V e r h e i ß u n g b a u e n , welche s o l c h e m Gebete zugesagt ist durch den Mund der ewigen Wahrheit selbst. Umso a u s s c h l i e ß l i c h e r unsere Zuversicht auf die Wendung der Dinge zum Heil, nur in den Verheißungen des HErren gegründet sind, und nicht Beiheft d. H. Z. 8.

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auf Selbst Vertrauen, umso herrlicher wird die Wendung zum Heil sein, als sie es nach der Trübsal der sieben Jahre von 6 an gewesen ist" (14. Mai 1848). Für den König war das Erlebnis von 1 8 1 3 besonders entscheidend gewesen. Wir sehen ihn noch an zwei anderen Stellen in den Briefen an Stolberg das Beispiel von 1813 heranziehen.*) Schon der Brief des Kronprinzen an seinen Erzieher Ancillon nach der Schlacht von Belle-Alliance (22. Juni 1813) zeigt, wie er unter dem überwältigenden Eindruck eines unmittelbaren göttlichen Eingriffes stand: „ . . . Gott hat gerichtet, was werden die Menschen thun? Vieles Gute nicht thun, vieles Böse thun. Wird denn Gott nimmer müde, der Menschen Scheußlichkeiten zum Besten zu wenden ? ? ? Es muß doch besser um unser schönes deutsches Land stehen, als es viele glauben und als es um viele steht, denn das ist doch gewiß: es gibt zuviele der Völker, die Gott aufgegeben hat, auch in unseren Zeiten scheint es mir sehr stark also mit dem Gottlos-fränkischen zu stehen; das ist nemlich meine wahre Überzeugung und aus dieser geht die Überzeugung hervor, aus Deutschland wird trotz der trüben Aussicht etwas recht Schönes werden; ich baue mir nicht goldne Schlösser, auch nicht traue ich goldnen Zeiten für uns, aber Zeiten träume ich, wo in Deutschland viel herrliche Saat für den Himmel aufkeimen soll, und Sie wissen, ich halte etwas auf Träume." 29 ) Selbst der Zweifel, ohne Selbsterkenntnis und ohne energisches Handeln lasse sich wieder ein gesunder Zustand herstellen, erscheint dem König fast frevelnder Kleinmut zu sein. Er wünscht, der innere Zustand des Freundes möge dem seinigen gleichen, „wie ich Gott bitte, daß meine Sinnesreinheit der Ihrigen gleich werden möge" (14. Mai). Er will die Revolution bekämpfen, aber erst dann, wenn es an der Zeit ist: „Ich hoffe — Gott allein weiß, ob ich mich irre — daß der Frevel und die Thorheit, namentlich Berlins sich selbst ihr Grab graben, und daß Gott der HErr die Thoren und Frevler verwirren und mit dem Schwindelgeist schlagen wird" (Juni 1848). Der König glaubt, wenn der Herr die Trübsal wendet, „so geschiehts menschlicher Fürsicht nach durch Befestigung eines neuen besseren vor Ihm gültigen Zustande". In seinen geheimsten Hoffnungen lebte wohl immer der Wunsch, wie er ihn später dann aussprach, „der Konstitutionskomödie ohne Konstitution ein Ende zu machen und als Sieger alle Worte seiner Verheißungen zu erfüllen."**) Die Verantwortung schob er dem Ministerium zu. So am 5. Mai an Camphausen: „Wir müssen endlich *) Vgl. Beilage I, S. 1x7 and 125.

**) S. Beilage I, S. 125.

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das feste Wort sprechen. Bis hier her und nicht weiter! Sprechen Sie es aus, theuerster Camphausen, zu Deutschlands Heil, zu Preußens Ruhm und zu Ihrem eigenen, den ich I h n e n v o n H e r z e n gönne." 3 0 ) Von einem klaren „Ich will handeln" kann nicht gesprochen werden. Nur einmal tauchte im Juni bei Friedrich Wilhelm IV. der Gedanke auf, die Verantwortung selbst zu übernehmen, aber hier auch nur flüchtig, gesprächsweise.81) Der König gab alles in Gottes Hand; wenn ein Ministerium den Kampf auf sein Mahnen hin aufnahm, so war nach Gottes Willen der Zeitpunkt zur Umkehr gekommen, aber im tiefsten Grunde glaubte der König nicht daran. Gott wird ihm vielmehr selbst die Stunde zeigen, in der die Revolution reif ist, geschlagen zu werden. So stark setzte sich bei ihm die Überzeugung von einem unmittelbaren göttlichen Befehl fest, daß er selbst den 15. Oktober 1848 als den Entscheidungstag betrachtete. An diesem Tage legte er das Bekenntnis zum Gottesgnadentum vor aller Welt ab. Als man es ihm wehrte und mannigfache Anzeichen den Sieg der guten Sache versprachen, glaubte er die Stunde Gottes gekommen. Am 15. Okt. 1849 schrieb er in einer Art Rückblick an Stolberg: „Der Herr hat viel Gebet und Flehen erhört seit einem Jahre, seit dem 15. Okt. 1848, an welchem Tage mein ganzes Ministerium mir kündigte, weil ich morgens in Bellevue den Deputierten der Hochverrätherischen Nationalversammlung von meinem Beruf von Gottes Gnaden gesprochen hatte. Wir sind noch sehr krank, Unsere Genesung steht unter gefahrdrohenden Symptomen. Das weiß ich, aber ich zage ebensowenig, als heute vor einem Jahr, wo ich unter den großen Haufen schwacher Freunde und kühner siegesgewohnter Feinde im freudigen Gottesvertrauen als König d. h. als Lehnsträger des Königs der Könige aufzutreten wagte". Und seine ganze andere Einstellung nach diesem Tage spricht auch deutlich aus einem Briefe an die Herzogin von Anhalt-Bernburg wohl vom Dezember 1848: „Ich habe gerade in dieser Zeit und ich darf sagen im Namen des HErrn den Weg verlassen den Muth- und Glaubenslose Rathgeber mich gehen ließen seit dem März und ich habe den Weg des göttlichen Rechtes betreten, bei der es (meinem Volke) so wohl ergangen ist seit den 430 Jahren der Herrschaft unseres Hauses in diesen Landen."*) Stolberg war in den entscheidenden Punkten durchaus mit dem König einer Meinung. Auch er sah in der Revolution ein Werk des Teufels und der Sünde, auch er war durchdrungen davon, ») Vgl. Beilage II, S. 125. 6*

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daß es Gott ein Leichtes sein mußte, seiner Ordnung zum Siege zu verhelfen. Auch er hatte in dem 15. Oktober 1848 einen Entscheidungstag gesehen. Er schrieb an Friedrich Wilhelm IV. am 31. Oktober 1849: „. . . . Das Land hat durch das kräftige Auftreten seines Königs sich selbst in seinen besseren Theilen aus dem Schlamm der Sünde und der Feigheit erhoben und die ersten Schritte zum wiedererwachenden Glauben gethan. Ja, dieser 15. Oktober hat unberechenbare Früchte getragen." Aber gerade hier können wir nun sehen, daß das letzte Wollen des Menschen nicht von seinen Ideen, sondern von seiner Natur bestimmt wird. Wenn der König glaubte, auf jedes aktive Eingreifen im Augenblick verzichten zu dürfen, so hielt Stolberg gerade den Kampf für Pflicht und Notwendigkeit. Schon in der Stunde, als er den König von dieser Linie abweichen sah, war es ihm völlig klar geworden, daß der König den Platz, auf den ihn Gottes Willen gestellt hatte, eigenmächtig verlassen hatte, auch der Glaube verwischte für ihn die Richtlinie nicht, die Tradition und Erziehung zogen: der Soldat darf in der Stunde der Gefahr den ihm anvertrauten Posten nicht verlassen, er muß vielmehr bereit sein, auch für dessen Verteidigung zu sterben. Stolberg hielt es auch für unstatthaft, daß der König die Verantwortung für begangene Fehler auf seine Organe abwälzte, er hatte vielmehr zu erkennen, daß er gefehlt hatte, um es künftig besser machen zu können. So ergab sich ein tiefgehender sachlicher Gegensatz. Während er im Herzen stärker als je mit seinem königlichen Freunde verbunden blieb, sind seine Briefe an denselben in der jetzt folgenden Zeit voll von sachlicher und sich mehrender Kritik. Wir stehen vor der Krise des Gottesgnadentums. Stolberg beantwortete zunächst die teilnehmenden Zeilen des Königs am 31. März nur kurz. Jeder Hinweis auf eine bessere Zukunft fehlte, dagegen enthielten die letzten Worte unzweideutig eine Mahnung: „Möge Gott Ew. Majestät den Blick in das Herz der Gnade, der Kraft und der Durchhülfe recht frei eröffnen I Nur durch Stark- und Mutigsein im Glauben k a n n Hülfe in und außer uns kommen." Noch deutlicher liegt die Mahnung im Schreiben vom 13. Mai. Es war der endgültige Abschied, da sich nun auch das Militärverhältnis gelöst hatte. „Mit tiefer Wehmut scheide ich aus Ew. Majestät Dienst und aus Allerhöchst Ihrer Nähe, in der Ew. Majestät mir so unvergeßliche, so viel Beweise Ihrer Gnade, Ihres Vertrauens gegeben haben. Wenn auch die schauerlichen Ereignisse der jüngsten Vergangenheit und Gegenwart, mich gewaltsam von meinem

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König und Herrn gerissen, und für die äußeren Verhältnisse des Lebens nutzlos gemacht haben, so kann das engste Band dankbarer Liebe, heißem Gebetes nie erlöschen, nie getrennt werden! Hat es je bei mir bestanden, so ist es jetzt noch heißer, noch dringender, noch unzerreißbarer geworden und wird hinübergehen bis vor den Toren des lebendigen Gottes. In solchem Gebet drücke ich in unaussprechlichem Schmerz im Geiste die Hand Ew. Majestät an meine Brust, und •— lasse sie nicht — in einer Zeit, in welcher das geistige Zusammenhalten in ernster tiefer Selbstprüfung und Buße, die einzige Bedingung zur inneren und äußeren Erhebung ist. Betend und im Gebet für meinen lieben König und Herrn ringend, werde ich in unsichtbarer Nähe weilen, da es für das äußere Leben unthunlich geworden ist. Möge Gott der Herr Ew. Majestät und dem gesamten unglücklichen Vaterlande, besonders aber denen, die in Wahrheit sich nach Seinem Erscheinen sehnen und mit göttlichem Ernst den Frieden allein in der Befolgung Seines Willens suchen; das einige Fundament des Lebens sein." Und als der König ihm dann den hoffnungsvollen Brief vom 14. Mai schrieb*), tritt in seiner Antwort vom 30. Mai 1848 der Hinweis auf die Schuld des Königs ganz in den Vordergrund: „ . . . Allerdings vermag ich diese Hoffnungen nach dem Stand der Verhältnisse nach der Sündhaftigkeit der Empörung und ihrer schauerlichen satanischen Konsequenzen nicht zu theilen, weil aus der Giftpflanze keine deutsche Eiche sich in Gottes Himmel zu erheben vermag, welcher jegliches göttliches und menschliches Recht, mithin aller Seegen ermangelt. Ich vermag auch nicht zu hoffen, daß aus solchem Abgrund der Sündhaftigkeit ein neuer besserer vor dem HErren gültiger Zustand sich herausbilden wird. Ich vermag nur d i e Hoffnung festzuhalten und theile sie, weil ich Ew. M. zu verstehen glaube mit Allerhöchstdemslben, daß nur in der Erbarmung Gottes und seiner Sündenvergebung Trost und Hoffnung für diese Erde zu finden sei. Es will mir aber erscheinen, als wolle der HErr nicht der vergangenen Unterlassungssünden allein / Wiener Kongreß und Folgen / gedenken, sondern besonders dessen, was durch uns alle alle in den letzten Wochen durch Mangel an lebendigen Glauben und Vertrauen zu des HErren mächtiger Hilfe durch unkräftiges Handeln gesündigt worden sey. In solcher tiefer Erkenntnis und der aus derselben fliesenden w a h r h a f t e n Herzensbusse vermeine ich die einzige Bedingung zur Hoffnung finden zu können. Wer in erster Linie •) Vgl. Fr. W. IV. an Stolberg, 14. Mai 1848, Beilage I, S. 118.

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in sich selbst mit Ernst die Schuld sucht, der kann auch auf die göttliche Erbarmung hoffen, denn in dessen Sache wird Gott hier dereinst anders richten und ihm aushelfen in der Noth." Und an einer anderen Stelle: „Der allertiefste Ernst in der unbedingten Strenge gegen sich selbst nach Innen und Aussen erscheint als erste Bedingung zu glückenden Streit unter dem Schutz des Glaubensharnisches, den der Christ jetzt keinen Augenblick ablegen d a r f . . . . " Dem Könige mußte ein solcher vermeintlicher Mangel an Zuversicht bei einem Manne, mit dem er sich sonst in allen Dingen der Lebensanschauung eins wußte, schmerzlich sein. Er suchte daher dem Freund seine eigene hoffnungsvolle Stimmung zu erklären, ihn zu überzeugen, daß allein der unerschütterliche Glaube an den Sieg der guten Sache und die bedingungslose Unterwerfung unter den göttlichen Willen alles zum Besten wenden könne. Doch blieben die Bemühungen, sich gegenseitig ganz zu finden, fruchtlos. Trotzdem diese Männer sagen konnten, daß sie in einem Grunde wurzelten, so traten doch in ihnen die beiden Seiten des Christentums, die zusammengehören, fast als Gegensätze gegenüber, weil dahinter ein anderes Individuum und eine andere Lebenseinstellung sich verbarg. Der König sah im Verzicht auf eigenen Willen den Weg zur Rettung, Stolberg hielt den Kampf für Gottessache unter rücksichtsloser Einsetzung der eigenen Person für die erste Pflicht. Selbsterkenntnis und Gebet waren ihm die Mittel, die zur höchsten Kraftentfaltung führten. Die große Strenge gegen die eigene Person, die das letztere erforderte, vermochte der König nicht aufzubringen, aber in seiner Auffassung steckte wiederum mehr Optimismus als in der seines Freundes, vielleicht auch eine richtigere Einschätzung der revolutionären Kräfte. Der König erkannte ziemlich bald, daß die Revolution mehr und mehr an Popularität verlor, während Stolberg an die Vergiftung der Wurzeln glaubte und daher die Rettung nur durch sehr radikale Gegengifte für möglich hielt. Aber die Forderungen der Stunde und die Frage nach der Zukunft schoben allmählich das Bereden der Vergangenheit in den Hintergrund. Je weniger sich der König von seinen augenblicklichen Ministern verstanden fühlte, um so mehr wurde es ihm Bedürfnis, sich mit seinen ehemaligen Freunden zu besprechen. Da bot nun das deutsche Problem Gelegenheit zu schriftlichem Gedankenaustausch. Die Auffassung des Königs von der deutschen Frage hatte sich seit dem März verschiedentlich gewandelt.32) Er hatte, wie wir bereits sahen, durchaus richtig empfunden, daß ein Teil der

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revolutionären Bewegung aus der Unzufriedenheit wegen der Verschleppung des deutschen Problems hervorging. Hatte er jedoch zunächst Arnims Plänen scheinbar zugestimmt, so setzte sein starker Widerstand bereits Ende März ein, als seine Zuversichtlichkeit sehr gestiegen war. Im April legte er in einem Rundschreiben an die deutschen Souveräne und an Metternich seine eigenen Gedanken näher dar. Hier erscheint als Grundlage das heilige römische Reich deutscher Nation, an dessen Spitze als Ehrenoberhaupt der österreichische Kaiser stehen soll. Innerhalb Deutschlands sollen die deutschen Staaten mit Ausschluß Österreichs zu einem besonderen deutschen Reiche vereinigt werden, an dessen Spitze einer von den deutschen Königen auf Lebenszeit gewählt wird. Ihm zur Seite steht ein Fürstentag nach Kurien gegliedert und ein Reichstag bestehend aus zwei Häusern, das Oberhaus bilden die Fürsten. Nachdem der König den Verfassungsentwurf der 17 er, der von Dahlmann verfaßt war, bekommen hatte, der sich für ein deutsches erbliches Kaisertum einsetzte, formulierte der König seine Anschauungen etwas anders. Jetzt sollte das erbliche Kaisertum Österreichs nicht mehr Formsache, sondern Regierungsgewalt sein, an dessen Seite ein verantwortliches Ministerium gestellt wurde. Das deutsche Königtum ist jetzt verschwunden, im Oberhaus dürfen neben Fürsten und Mediatisierten auch noch von Ständen gewählte oder von Fürsten ernannte Mitglieder sitzen. An die Stelle des Königtums tritt jetzt das erbliche Erzfeldherrntum, das Friedrich Wilhelm für Preußen sichern will. Spätere Einwirkungen von Dahlmann konnten den König nur zu dem Zugeständnis bringen, daß, wenn Österreich die Oberhauptswürde ablehnen würde, er zur Annahme gezwungen sei. An ein preußisches Kaisertum dachte er auch jetzt nicht. Anfang Mai versuchte nun der König seinen Reichsplan bei seinen Ministern zur Annahme zu bringen, stieß aber hauptsächlich wegen des österreichischen Kaisertums auf stärksten Widerstand. Unmittelbar nach einer heftigen Auseinandersetzung mit Arnim ist nun der Brief des Königs an Stolberg vom 3. Mai geschrieben, in ihm zittert noch die Erregung über das Ansinnen nach, die Kaiserkrone anzunehmen: „Ich bin krank vor Ärger und Kränkung. Ich nehme die Krone nicht an. Er weiß es, alle Minister wissen es, aber sie glauben, ich heuchle. Und ich kann Gott zum Zeugen anrufen, daß ich es nicht will und zwar aus dem einfachen Grunde, weil Österreich aus Deutschland dann scheidet, wir über ein '/a T e ut schl a n d s und obendrein die ganze Macht Ostreichs für Teutschlands Ansehen und Verteydigungskraft verlieren."

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Stolberg hatte erst im Juli 1848 Gelegenheit, zur deutschen Frage in einem Promemoria eingehend Stellung zu nehmen. Da dies Promemoria die Uberschrift trägt „Mit Beziehung auf die von Stockmarschen Andeutungen", so wird man vermuten dürfen, daß der König ihm kurz vorher Stockmars deutsches Programm, das dieser von England aus entworfen hatte, mit der Bitte übersandt hat, hierzu Stellung zu nehmen. Stolberg kannte Stockmar seit der Reise des Königs nach England im Jahre 1842. Es hatten sich gewisse freundschaftliche Beziehungen angeknüpft, die aber politisch nicht weit gingen, da Stockmar von dem politischen Verständnis Stolbergs keine sehr hohe Meinung hatte. 33 ) Das Promemoria beginnt mit einem Mißtrauensvotum gegen die gerade eingerichtete Zentralgewalt: Das einige Deutschland, so wie es aus der Revolution hervorgegangen ist, erscheint nach wie vor als eine phantastische Lüge, welche ebensowenig Oestreich in seiner geographisch, moralisch, politischen Zerrissenheit, als der unsicher dastehende Reichsverweser — weder zu regeln, noch zu halten befähigt ist. Ein einiges Deutschland kann daher nur geschaffen werden, wenn eine einige Großmacht mit rein deutschen Interessen und einer ungeschwächten Armee — wenn Preußen sich an dessen Spitze stellt. Die Nichtdeutschen Staaten fallen, auch unter Ostreichs Central Gewalt aus dem Verbände D e u t s c h l a n d s . Das einige Deutschland darf auf diese Länder nicht mehr rechnen, auch dann nicht, wenn Oestreichs Kayser an Deutschlands Spitze stände. Ihre Sonderinteressen, ihre Sprachverschiedenheiten, werden sich niemals mit Deutschland vereinen, wenigstens darf j e t z t nicht darauf gerechnet und gewartet werden, daß dermaleinst die Sonderinteressen zu Gunsten des Einigen Deutschlands zum Opfer gebracht w e r d e n k ö n n t e n . — Der Fortbestand der jetzigen Verhältnisse wird sich ohne Schutz eines mächtigen deutschen Fürsten an der Spitze eines großen Volkes und eines kraftvollen Heeres in eine große allgemeine Anarchie — in vereinzelte Republicken auflösen, welche dann den Kriegen Frankreichs und Rußlands preisgegeben, endlich einem oder dem anderen dieser Staaten zufallen werden I Zur Vermeidung der Anarchie bestehen nur die Möglichkeiten: Preußen bildet mit Norddeutschland einen Gegensatz zu Süddeutschland oder Preußen stellt sich an die Spitze Deutschlands. „Ein Weiterschwimmen mit dem jetzigen phantastischen Strom muß Preußen in und mit Deutschland unbedingt zugrunde richten." Von den beiden Möglichkeiten entscheidet der Schreiber sich für die letztere. Drei Erwägungen sind ihm dafür maßgebend: 1. Der König

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hat A gesagt, er muß infolgedessen auch B sagen. Er w i l l ein einiges Deutschland, infolgedessen müssen auch die Mittel benützt werden, die dahin führen: „ E s kommt hier weniger auf die Idee an, die sich wie der Ton unter des Bildners Hand formen läßt, sondern einzig und allein auf die Sache, die bereits in kalten, prosaischen Stoffen gegeben worden und jetzt benutzt werden muß." 2. Oesterreich kann sich allein nicht mehr aufrichten. Nur durch ein stärkeres Preußen können seine Verhältnisse wieder geregelt werden. „Auch ohne Zutritt der Deutschen Länder Ostreichs muß Preußen sich an die Spitze Deutschlands stellen, w e i l e b e n n u r d a d u r c h das alleinige Mittel gewährt wird, daß die Gesamtländer Ostreichs sich in Zukunft an Deutschland anschließen k ö n n e n . Aus sich selbst vermag das unglückliche Ostreich dies nicht. Es kann in seinen gänzlichen zerrütteten Verhältnissen sich jetzt nicht wieder zu einer geregelten Ordnung zurückfinden, wenn es sich nicht einem festen Gesamtstaat anschließt, welcher sowohl direkt als indirekt dieses im Lauf der Zeit herbeiführen kann. — Ostreich selbst ist aber g a n z a u ß e r S t a n d e , sich jetzt an Deutschlands Spitze zu stellen, auch kommt es darauf an, nicht nach idealen Wünschen sich ein einiges Deutschland zu construieren (was ganz unmöglich Ist), sondern die Dinge zu betrachten zu nehmen, wie sie sich in der Wirklichkeit gestalten, — nicht das Angenehme, sondern das Notwendige zu tun und aus dem großen, allgemeinen Schiffbruch zum eigenen Heil und zum Heil aller betheiligten Fürsten, zu retten, was möglich ist, und die Sturmeswuth der Revolution unter göttlichem Beistande mit kräftiger Hand zu beschwören." 3. Preußen vermag dadurch seinen eigenen ständischen Gliederungen wieder eine haltbare Möglichkeit zu geben, ohne einen blutigen anarchischen Zustand zu erleben. Dann kann es die Revolution mit kräftiger Hand bekämpfen. Aus Rücksicht auf Ostreich soll aber der König die Kaiserkrone nicht annehmen, sondern nur als Protektor Deutschlands auftreten. Außerdem kann er ein Oberhaus aus den deutschen Fürsten bilden. Aber die Zentralgewalt muß er annehmen, will er nicht Schuld auf sich laden: „Jede Unterlassung stürzt aber Ostreich und die Fürsten des südlichen Deutschlands in eine unaufhaltbare Anarchie und häuft die Schuld auf des edlen Königs Haupt in unzuberechnender Weise, während die Annahme der Central Gewalt unter Zustimmung der deutschen Fürsten und soviel als es die gegebenen Verhältnisse gebieten, Ostreichs einzige Rettung Deutschlands, vielleicht Europas werden kann und werden wird, wenn es ruhig und besonnen unter Berufung ver-

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ständiger, gewissenhafter, verantwortlicher Räthe begonnen wird, und das durch die Verhältnisse von Gott zur Leitung ausersehene Königliche Werkzeug Seinen schönen idealen Wünschen für Deutschland jetzt so weit entsagt, und den neuen Beruf nur aus dem Gesichtspunkte ernster, unabweislicher Nothwendigkeit nach den Geboten gegenwärtiger praktischer Bedürfnisse übernimmt, um in stetem Einverständnis mit den Männern seiner Wahl das große Werk unter Göttlichem Beistande zu beginnen und fortzuführen." Wie man sieht, haben diese Ausführungen mit der Grundidee Stockmars so gut wie nichts gemein.34) Für eine Zertrümmerung der preußischen Lande und die Auflösung „des spezifischen Preußentums in den allgemeinen deutschen Geist", die Stockmar als unerläßlich forderte, konnte Stolberg gefühlsmäßig kein Verständnis haben. Als wichtigste Entlehnung dürfen wir vielleicht den Gedanken betrachten, daß die österreichischen Lande sich später einmal wieder um das eigentliche Deutschland herum kristallisieren werden. Stockmar hatte das wenigstens für die deutschen Bestandteile Österreichs als wahrscheinlich vorausgesetzt. Besonders bemerkenswert ist der Nachdruck, mit dem ein sofortiges Handeln verlangt wird. Preußens Mission für Deutschland wird scharf betont. Wenn auch die augenblickliche österreichische Hilflosigkeit überschätzt wird, läßt das Promemoria deutlich zwischen den Zeilen erkennen, daß ein engerer Bund eventuell auch gegen den Willen Österreichs gegründet werden müsse. Es wird durchaus klar erkannt, daß Österreich mit seinen verschiedenen Nationalitäten niemals rein deutsche Interessen vertreten kann. In diesem Punkte wich Stolberg also wesentlich von den Ansichten des Königs ab, der auch für einen engeren Bund zu haben war, diesem aber nur die Erledigung von Teilaufgaben zudachte, während die Wiederherstellung des heiligen römischen Reiches deutscher Nation mit dem österreichischen Kaiser an der Spitze die eigentliche Erfüllung des deutschen Traumes für Friedrich Wilhelm IV. blieb. Und zwar ist ein Mann dieser Ansicht, der, wie wir noch hören werden, in Österreich auch jetzt noch den natürlichen Verbündeten gegen das revolutionäre Prinzip sah. Der schwächste Punkt der Denkschrift bleibt der Mangel an positiven Angaben, wie das Ziel erreicht werden soll. Das Bild des sich an der erstarkten preußischen Zentralgewalt emporrankenden Österreichs krankt an innerer Unwahrscheinlichkeit. Aber voraussichtlich sollte diese Vorstellung nur dem König auf halbem Weg entgegenkommen, da es Stolberg hauptsächlich darauf ankam, den König dahin zu bringen, das

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Notwendige und nicht das Angenehme zu tun und seinen phantastischen Traum von dem „römischen Reich Deutscher Nation" aufzugeben. Darum ist auch fast ängstlich jede gefühlsmäßige Betrachtungsweise vermieden. Mit dem König ist er aber in zwei Punkten einig: Ein Fürstenoberhaus soll gebildet, die von der Frankfurter Nationalversammlung angebotene Kaiserkrone abgelehnt werden. Die Kaiserkrone war ihm als Provokation Österreichs und als Gabe der Frankfurter Versammlung gleich verhaßt. Als in der Kamarilla-Sitzung vom 2. April 1849 der König den Entwurf einer Erklärung vorlas, er wolle nur eine Wahl anerkennen, die von einem ordentlichen Fürstentage unter Leitung der mächtigsten Fürsten Deutschlands, also auch mit Zustimmung jener selbst und mit Zustimmung der deutschen Nation vollbracht werde, da war es gerade Stolberg, der von Ludwig Gerlach den Entwurf einer anderen Fassung verlangte. Die letzte Klausel, die Zustimmung der deutschen Nation hielt er ebenso wie alle anderen Freunde des Königs für eine Anerkennung der Revolution.35) Die Ablehnung der Kaiserkrone war ganz in seinem Sinne. „Mögen die Dinge kommen wie sie wollen," schrieb er am 8. Mai 1849 a n seinen Bruder Henrich, „so liegt darin wenigstens ein großer Trost, daß der König in der deutschen Frage nicht anders handeln konnte und das göttliche wie menschliche Recht ihm zur Seite steht." Auch das Problem der künftigen inneren verfassungsmäßigen Gestaltung Preußens kam in den Briefen zur Sprache. Stolberg hatte sich damit abgefunden, daß der König den einmal betretenen Weg einhielt; wie aus einem Briefe vom 12. Juli 1848 hervorgeht, glaubte er, daß die königlichen Versprechungen irgendwie eingelöst werden mußten. Er dachte freilich ebensowenig wie der König an eine Konstitution im westlerischen Sinne. Eine solche blieb für ihn immer „die gesetzliche Revolution", gegen die das göttliche Recht eingesetzt werden mußte. Die Verfassung stellte er sich noch im Rahmen der ständischen Gliederung vor, höchstens spielte die Ministerverantwortlichkeit eine gewisse Rolle, ohne daß er sich dabei wohl ganz klar war, was sie bedeutete. Darum waren ihm auch die Männer, „die der konstitutionellen Fahne huldigten" oder „im öden Konstitutionalismus regierten" immer verdächtig. Im Augenblick wünschte er, daß der König sich nicht in eine Sackgasse neuer Zusagen und Nachgiebigkeiten verlief, aus der es kein Zurück gab. Darum stärkte er seinem königlichen Freunde das Rückgrat, seine Sprache wurde in dem Maße deutlicher, als er keine Änderung in der Politik des Königs zu sehen glaubte. Da auch nach dem Zeughaussturm vom 14. Juni

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die allgemein erhoffte Wendung ausblieb, trieb ihn die Sorge um das Schicksal seines Königs und seines Landes zu so freimütigen Worten, daß sie selbst bei ihm unerhört erscheinen und wohl selten von einem preußischen Könige vernommen worden sind. „Die Partei der Revolution habe schon wieder die heiligsten empfindlichsten Seiten der Nation verletzt, ohne daß der König energisch eingegriffen hat." Er erwähnte dann den alten König von Hannover, der sich durch sein festes Auftreten die Achtung seines Volkes und seiner Truppen erworben habe „Deshalb habe ich bereits mehrere Male hervorzuheben versucht, daß nach dem entsetzlichen Fall, den wir alle getan, es vorzugsweise auf wahrhafte Selbsterkenntnis und daraus entspringender Herzensbuße ankomme. Sei dieses vorhanden, d a n n könne Gott alles andere schenken. Dann werde Glauben und aus dem Glauben Entschlossenheit und derjenige göttliche Muth sich entwickeln, der der Sünde selbst imponiert. Seitdem sind wir aber von Woche zu Woche tiefer gesunken. Das Benehmen des j e t z i g e n Kriegsministers*) ist das einzige Lichtpünktlein in dieser dunklen Zeit tiefster Erniedrigung unter Herrschaft der sündigen durch und durch verächtlichen Versammlungen von Berlin und Frankfurt, so wie durch die Anerkennungen, welche das Ministerium Auerwald zu seiner Basis machte. Die Niederträchtigkeiten, welche der Berliner Pöbel angesichts der feigen, theilweise ebenso schlecht gesinnten Bürgerwehr verübte, gaben bei den Gutgesinnten zu der Hoffnung Veranlassimg, das Gouvernement werde endlich sich ermannen, die Minister würden aus ihrem matten Schlaf erwachen, oder selbst noch eine Spur von Scham gegen ihr durch sie beschimpftes Vaterland in sich aufbewahrt haben, oder Ew. Majestät würden die Minister zu einem kräftigen Entschluß bringen oder lieber ehrenvoll sterben, als länger Sich selbst und Ihr Volk der Schmach preisgeben. Ich selbst hoffte Ew. Majestät würden Ihre Truppen rasch nach Berlin dirigiert und Ihr Volk aufgeboten haben, wie Allerhöchst dieselben es mir schriftlich angedeutet haben. Ich hoffte, es würde nicht alles genehmigt, es würde nicht alles gehen gelassen werden, was die klugen Demokraten beantragten. — Die Männer des Umsturzes äußern unverhohlen / vergeben Ew. Majestät, daß ich es wörtlich nachschreibe / sie würden nur durch das Schlafen des Königs ihre Absicht erreichen. Wohl wüßten sie, daß nach einem vielleicht nur zweitägigen Kampf sie und die republikanischen Sympathien vernichtet sein würden, daß sie aber durch die Persönlichkeit des *) Graf Canitz.

Ratschläge zur inneren Neugestaltung Preußens.

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Königs sich durchaus sicher gestellt fühlten. So sprechen diese Menschen, der Abschaum aller Nichtswürdigkeit! — Und ich, gerade ich muß dies Alles niederschreiben, mit blutenden aber treu liebenden Herzen. Liebte ich meinen Köni.g liebte ich mein Vaterland nicht so heiß, ich würde still schweigen. Aber verstummte ich, so müßten die Steine reden, denn n o c h ist Rettung da, aber Gott weiß wie lange, da die gemißhandelten Truppen doch nur Menschen sind, und nicht lange mehr den schauerlichen Verführungen werden Trotz bieten können. O, mein heiß geliebter gnädiger König, beten Sie um Selbsterkenntnis, und dann um g ö t t l i c h e K r a f t , damit Euer Majestät im Namen des Herrn nicht zu spät den richtigen Zeitpunkt erkennen, um dann unverrückt in der Kraft des Herrn mit eiserner Consequenz vorschreiten und ausdauernd durch die Gewalt der Waffen einen Boden gewinnen, auf welchem Sie ohne Halbheit die dauernde Ordnung der Dinge auf dem betretenen Wege einer constitutionellen Monarchie herstellen oder für das Heil Ihres von Gott Ihnen anvertrauten Reiches zu sterben vermögen. — Schenkt Gott Euer Majestät die notwendige Kraft aus der Höhe, die Er Ihnen nicht versagen wird, wenn Sie in Wahrheit darum bitten; dann bin auch ich ein H o f f e n d e r , dann sehe ich die herrliche Erfüllung der heißen heißen Gebetstränen, die noch für Euer Majestät aus den Herzen Ihrer gläubigen Unterthanen für Allerhöchst dieselben vergossen werden. Möge dann ein unerschütterliches Festhalten, eine e i s e r n e Consequenz die ferneren Schritte als gesegnet bezeichnen, damit Preußen der Fels werde, an welchen sich die tobenden republikanischen Strömungen brechen können" 36 ) (an Fr. W. IV., 12. Juli 1848). Der König beantwortete dieses Schreiben erst am 23. Okt. Es mangelte an einer günstigen Gelegenheit zur Beförderung, vielleicht mußte er auch erst einer gewissen Verstimmung Herr werden. Aus einem späteren Brief des Grafen Anton erfahren wir, daß der König nicht immer mit solchem Gleichmut den Tadel ertrug, wie es zunächst scheinen könnte. Der Vorwurf war doch so schwer gewesen, daß er sich zu einer Rechtfertigung gedrängt fühlte. Er tat es in Form einer Frage. Zunächst schilderte er die Situation. In der Nacht vom 18. Juni hatte er eigenhändig Ordre gegeben, die um Berlin versammelten Truppen auf Berlin in Marsch zu setzen. Das Ministerium drohte darauf mit der sofortigen Demission, sobald auch nur das Geringste geschehe, was nur gegen Berlin gedeutet werden könnte. Daraufhin hatte er den Befehl zurückgezogen. „Sollte ich nun" so fragte er den Freund, „das auf sich beruhen lassen, und dennoch die Besetzung respect. Einschließung

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von Berlin zu unternehmen?" Stolberg glaubte die Frage nach ernster Prüfung auf Grund der vom König erhaltenen Informationen*) am 3. Nov. 1848 mit einem glatten Nein beantworten zu können. Aber er hob den Rückzug dadurch auf, daß er von neuem zum Angriff überging. In seinem Begleitschreiben tadelte er bitter die jüngste Konzession.37) „Ein Gnadenakt dieser Art, das aus der Handlegen des Schwertes was Gott Ew. Majestät in die Hand gelegt, wird eine große Strafe für das Vaterland, weil die Achtung, die Furcht vor dem Göttlichen und menschlichen Gesetz gestört — vernichtet wird. Ähnlicher Zugeständnisse wegen, die vielfach in und nach den Märztagen vorgekommen sind, habe ich Ew. Majestät immer gebeten, die Schuld nicht allein nach außen zu suchen." Es geht fast ein Ton von Verzweiflung durch das Schreiben. Es war eben für die Getreuen, als lieferte der König selbst die Nägel zum Sarge der Staatsautorität. Aber der königliche Brief vom 23. Okt. hatte noch eine andere wichtige Frage aufgerollt, die in die Zukunft wies. Inzwischen war der 15. Okt. gewesen. Der König hatte sein Bekenntnis zum Gottesgnadentum vor aller Welt abgelegt. Er wollte jetzt die Entscheidung so oder so suchen. Die Lage hatte sich wesentlich geändert. Österreich begann sich wieder aufzurichten, dem König galt es schon im Mai als besonderer Fingerzeig Gottes, daß die Donaumonarchie über die Mächte der Revolution Herr zu werden schien.88) Die Wiederherstellung der Ordnung war allerdings damals nur eine scheinbare. Schon am 25. Mai wurde das österreichische Ministerium gezwungen, die Unterdrückungsmaßnahmen wieder zurückzunehmen. In diesem Augenblick jedoch, in dem die militärische Aktion von Windischgrätz gegen Wien eingeleitet war, durfte man mit Recht auf einen völligen Umschwung der Lage in der Donaumonarchie rechnen. Mehr und mehr lebte sich auch der König in die Vorstellung hinein und, wie die Zukunft lehren sollte, durchaus nicht mit Unrecht, daß der revolutionäre Geist eigentlich nur noch in einigen wenigen großen Städten lebe, daß er dagegen auf das Landvolk zählen könne. Jetzt, da man sein innerstes Empfinden tief verletzte, indem man ihm das Recht bestritt, sich König von Gottes Gnaden zu nennen, glaubte er die ihm von Gott befohlene Stunde zum Handeln gekommen. Nicht mehr, wie bei früheren Gelegenheiten, fragte er, ob es möglich sei, sondern nur noch, wie und wann es geschehen *) Es scheint so, daß er inzwischen noch andere Nachrichten erhalten hat.

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könne. Das war das Entscheidende. Der König hatte nach dem Zeughaussturm die Absicht gehabt, zum vereinigten Landtag zurückzukehren, er war seit dem Antrag Stein, die Revolutionskämpfer für verdient zu erklären, nahe daran gewesen, das erlösende Wort zu sprechen.39) Aber den offenen Konflikt, auch gegen den Willen seiner Minister, wollte er erst nach dem 15. Okt. Und deutlich genug ließ er durchblicken, wohin seine geheimsten Wünsche zielten: Berlin zu besetzen und der Konstitutionskomödie ohne Konstitution ein Ende zu bereiten. Von einem neuen Ministerium erhoffte er nichts mehr, nachdem ihn auch das konservative Ministerium Pfuel seiner Meinung nach verraten hatte.40) Aber es gab noch eine andere Möglichkeit für ihn: die Abdankung. Wir wissen, daß er sich schon den ganzen Sommer mit dem Gedanken beschäftigt hat. 41 ) Er litt nicht an Größenwahn, die Möglichkeit, daß Gott im Augenblick ein anderes noch durch keine Versprechungen gebundenes Werkzeug brauchte, war für ihn durchaus mit dem Gottesgnadenbegriff vereinbar. Seine eigene Leistung nannte er selbst „Stückwerk". Der gewaltsame Eingriff oder die Abdankung wurden ihm der Inhalt der Gewissensentscheidung, für die ihm die Meinung eines seiner ältesten Freunde wichtig sein mußte. Stolberg war sich auch über die politische Bedeutung der Frage nicht im Unklaren. Er beantwortete sie daher am 3. Nov. sehr vorsichtig und sehr gründlich. Zunächst benützte er die Gelegenheit, um dem König noch einmal die begangenen Fehler der Regierung unter die Nase zu reiben, und ihm die eigene Verantwortlichkeit nachdrücklich zu bescheinigen: „ . . . . hätte sich endlich Seine Majestät nicht mit diesen Konzessionen einverstanden erklärt, während jedenfalls das Veto selbst damals von den Exaltierten respektiert wurde, — so wäre diese Frage in sich erledigt gewesen." Jetzt könne man sie nur noch bedingt beantworten. Auch jetzt muß der König noch jederzeit sein Veto einlegen, wenn die Konzessionen eine verwerfliche Tatsache in sich einschließen. Aber das militärische Einschreiten wird man davon scharf zu trennen haben. Dazu müssen erst die Demokraten Gelegenheit geben. Die Stimmung ist so gesunken, daß es starker Argumente bedarf, um das Recht des Gouvernements anzuerkennen. Komme es aber dazu, so müsse gleichzeitig eine beruhigende königliche Erklärung erfolgen, daß kein Staatsstreich beabsichtigt sei. Die Nationalversammlung soll nicht aufgelöst, sondern auf ihre ursprünglichen Kompetenzen zurückgeführt werden. An die Spitze der Regierung tritt ein Minister mit ausreichender Machtvollkommenheit.42) Alle Minister sind künftig den Kammern ver-

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antwortlich. Für die Gegenwart empfiehlt der Schreiber eine Reihe von Ausnahmegesetzen. Der König wird gut tun, sich dann während der militärdiktatorischen Episode ganz zu effacieren: „Je weniger des Königs Majestät während dieses Zustandes des Interimistikums sich mit den militärisch politischen und Verwaltungsangelegenheiten des Landes befaßt, um so besser ist es für die Zukunft des Königs. Besonders kann Seine Majestät nicht an dem militärischen Einschreiten Antheil nehmen, wenn Allerhöchstderselbe Sich für die Zukunft nicht ganz unmöglich machen will. Eventuell kann ich mir die Notwendigkeit vorstellen, daß Seine Majestät und die Königliche Familie für einige Zeit die Nähe von Berlin verlassen, und in Colberg Ihren Aufenthalt nehmen dürften. Es wäre dies nach vielen Richtungen hin eine nothwendige, eine weise Maßregel." Den größten Wert aber legte er auf die Wahl der richtigen Männer: „Nach meiner Ansicht thut es endlich noth, sich mit Männern größter und bestimmtester Entschlossenheit und Treue für die neue Catastrophe zu versichern und alle persönlichen Zweideutigkeiten mit ernster, rücksichtsloser Entschloßenheit zu beseitigen. Die Zeit ist so furchtbar ernst, daß für den gegebenen Fall jede Halbheit ein Todesverbrechen wird." Merkwürdigerweise wird die Abdankungsfrage in diesem Brief überhaupt nicht erwähnt. Sie stand für den vorbehaltlosen Royalisten außerhalb jeder Diskussion, sie war für den Soldaten Fahnenflucht und für den Christen Sünde. Trotzdem wissen wir, daß die Abdankungsabsichten des Königs ihm eine ständige Sorge blieben.43) Der Brief konnte für die Neubildung des Ministeriums keine Bedeutung mehr haben, denn dieses war bereits am 31. Okt. fertig zusammengestellt. Dagegen mag er noch den Erlaß der Ausnahmsgesetze mit beeinflußt haben. Der Schlußsatz deutet auch darauf hin, daß Stolberg bereits in enger Fühlung mit der Kamarilla vorging, denn mit den Männern größter Entschlossenheit, die er forderte, konnte er in diesem Augenblick nur Brandenburg und Manteuffel meinen, die die hervorragendsten Mitglieder des neuen Kabinettes wurden. Die Kamarilla mußte jetzt ihre Stunde als gekommen betrachten, der König rief nach seinen alten Freunden und da diese schon seit Ende März sich von Zeit zu Zeit versammelten, konnten sie mit bestimmten Vorschlägen vortreten, denen der König schon deshalb günstig gegenüberstand, weil sie nicht vom Ministerium ausgingen. Fast wurde es eine Art von Trotz bei ihm, sich mit den Männern seines Vertrauens über alles auszusprechen, was ihm an der neuen Entwicklung nicht behagte. Sie wurden

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ihm die Gegenkontrolle gegen seine offiziellen Organe, er benützte klug die Reibungen, die bald zwischen dem öffentlichen und geheimen Kabinett entstanden, um keinem ganz nachzugeben, sondern möglichst viel von den eigenen Plänen durchzusetzen. Auch der Einfluß der Kamarilla blieb immer bedingt.44) Es war der Hauptfehler der Minister, die mehr oder minder alle ein Gefühl für ihre unhaltbare Zwischenstellung hatten, daß sie nicht solidarisch genug auftraten, sondern sich untereinander befehdeten und dadurch die einzige Waffe abstumpften, die ihnen zur Verfügung stand, die einmütige Rücktrittsdrohung. Vor der Alternative wich der König meist zurück, weil er wohl wußte, daß er die Minister brauchte, auch kaum glaubte, daß er aus der Kamarilla ein arbeitsfähiges Kabinett bilden konnte. Es ist interessant zu sehen, daß ein so rechtsgerichteter Politiker wie Eberhard Stolberg, der Sohn des Grafen Anton, diese Taktik als die einzige Möglichkeit für Manteuffel ansah, sich durchzusetzen. Alle Beschwerden und Denkschriften über den schädlichen Einfluß der Kamarilla verfehlten völlig ihren Zweck, da sie die psychologischen Voraussetzungen nicht verstanden, unter denen dieser erst möglich wurde. Der König liebte von jeher sich mit einzelnen Personen über losgelöste Fragen zu besprechen, seit der Revolution waren ihm alle seine Minister verdächtig. Er brauchte daher Freunde, Unverantwortliche oder, wie er es ansah: unbefangene Erwählte seines Vertrauens. Es läßt sich nicht genau sagen, wie Stolberg zu den einzelnen Mitgliedern der Kamarilla stand. Der Hofmarschall Graf Keller war sein Schwiegersohn, es scheint fast so, daß es zu den übrigen über eine gegenseitige herzliche Achtung nicht hinauskam. Wohl zählte Stolberg offiziell zur Kamarilla, aber da er viel abwesend und auch bedeutend älter als die meisten anderen war, nahm er eine Sonderstellung ein. Er war zu eng mit dem Könige verbunden, um nicht wie schon 1847 nach allen Seiten hin mißtrauisch Wacht zu halten. Zum Parteimann fehlte ihm viel. Den Führern, den Brüdern Gerlach, die in der radikalen Kritik so Außerordentliches, in der praktischen Politik verhältnismäßig wenig leisteten, war er zu vorsichtig und ängstlich45), während ihm das allzu Abstrakte bei jenen kaum lag. Aber man rechnete stark mit dem moralischen Gewicht, seiner langjährigen Freundschaft, und auch er mußte in den Freunden der guten Sache willkommene Kampfgenossen gegen die Revolution und alle ihre Begleiterscheinungen sehen. Der König hatte im Augenblick unter dem Rat Stoibergs und Gerlachs den Gedanken zurückgestellt, Berlin militärisch zu beBeiheft d. H. Z. 8.

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setzen. Aber die Demokraten beeilten sich, ihm Gelegenheit zu geben, diesen auszuführen. Denn als das neue Ministerium am 8. Nov, das Parlament nach Brandenburg verlegte, beging die Linke den taktischen Fehler, sich zu widersetzen und als Rumpfparlament in Berlin weiter zu tagen. Trotzdem wollte man es zunächst noch mit der Nationalversammlung versuchen. Erst als dann am 15. Nov. das Parlament den Steuersuspendierungsbeschluß faßte, trat der Oktroyierungsgedanke in den Vordergrund, als dessen Väter hauptsächlich Ladenberg und Rintelen anzusprechen sind. Der König lehnte ihn zunächst entrüstet als „mauvaise foi" ab. Er hatte sich die Erfüllung seiner Verheißungen anders vorgestellt, mehr so, daß sie seinem heben vereinigten Landtag eine breitere Basis gab.46) Der Waldecksche Verfassungsentwurf, den die Regierung als Grundlage übernahm, mußte ihm viel zu liberal sein. Er wollte höchstens ein allgemeines Wahlgesetz oktroyieren, um Zeit zu gewinnen. Die Kamarilla unterstützte ihn zwar in seiner abwehrenden Haltung, aber sie legte auf die papierene Verfassung kein solches Gewicht, um durch ihre Ablehnung das mühsam zusammengestellte Kabinett zu gefährden. Auch Stolberg wird kaum die Oktroyierung geraten haben, wenn der König nochmal bei ihm angefragt haben sollte. Aber er mußte doch dringend wünschen, daß der König seine Versprechungen einlöste. Als dieser dann nach längerem Widerstreben nachgab, tröstete sich Graf Anton mit der Zukunft. Das politische „Glaubensbekenntnis", das er am 6. Dez. seinem Bruder Henrich ablegte, hätte mit einigen Abweichungen ebensogut auch der König schreiben können: „Obgleich ich der Ansicht bin, daß die am gestrigen Tage oktroyierte Verfassung in mehreren Punkten so zusammengestellt ist, daß mit ihr auf die Dauer der Zeit nicht zu regieren ist, so glaube ich doch, daß die Combination der jetzigen Zeitverhältnisse nichts anderes gebieten Heß, zumal der König sein gegebenes Wort nicht brechen durfte. Meine Hoffnung ist, daß die Minister, wo und wie sie vermögen, die Zügel der Regierung besonders augenblicklich scharf anfassen werden und mit kräftiger Ruhe ihre Schritte verfolgen, und daß, was die Hauptsache ist, Gott der Herr unserem König durch unvorhergesehene Ereignisse Gelegenheit geben wird, einem besseren Ziele auf erreichbarem Wege nachzustreben. Dazu gebe Gott Segen und ermuthige und erfrische alle Treugesinnten nicht nachzulassen in heißem Gebet für den König. — Soweit ich die diesseitige Stimmung zu beurteilen mag, werden die Demokraten schäumen." Stolberg war schon im Juni nach Krepelhof zurückgekehrt

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und hatte sich dort an der Sammlung und Zusammenfassung der revolutionsfeindlichen Kräfte beteiligt. Er hatte schon wieder zur alten Tatkraft zurückgefunden, sein Pessimismus war wohl nie so groß gewesen, wie er ihn dem König gegenüber absichtlich unterstrich. Bei einem Besuche bei seinem Schwager Schönberg auf Groß-Krausche bei Bunzlau im Juni fand er schon, „daß dessen melancholisch-politische Stimmung nicht auszuhalten sei, da sie auch das wenige Gute, was jetzt geschehe, nicht sehe oder nicht wolle gelten lassen." Auch während der Wittenberger kirchlichen Konferenz äußerte er am 5. Okt.: „Gottlob, daß es doch lichte Punkte in dieser Zeit gibt. Überhaupt ist es mancherlei, was mich in den letzten Tagen, wenn auch nicht unbedingt, so dennoch gefreut hat." Er gehörte zu den ersten, die die Kreuzzeitung subskribierten, bei seinem hohen militärischen Rang*), seinen nahen Beziehungen zum König war er ein ruhender Punkt der Provinz, vielfach stand er an der Spitze der neuerstehenden Organisationen. Er scheute weder Geld noch Mühe, um der für ihn allein guten Sache zum Siege zu verhelfen. Bei seinen politischen Gesinnungsgenossen beklagte er den häufigen Mangel an moralischem Rückgrat, er ärgerte sich über die Gesinnungslosigkeit vieler, die sich früher so loyal gebärdet hatten. So schrieb er im Frühjahr 1849 an Goetze: „Ich sehe nicht rosig in die nahe Zukunft, glaube nicht, daß in und aus den gegebenen Institutionen uns Heil erwachsen könne, aber ich stelle meine Hoffnung auf den Herrn aller Herren, der in Gnade und Erbarmen aus dem Übel etwas Heilbringendes hervorrufen wird nach seiner wunderbaren Weise. Er, der das Herz unseres Königs wieder stählen, seinen Willen wieder auf den Boden des Glaubens erneuert stellen konnte, Er wird das Gebet seines gesalbten Knechtes und das Gebet der kleinen Schaar seiner Gläubigen erhören und uns erretten aus der Herrschaft der Sünde und des Teufels, unter der wir durch seine Zulassung und unsere Versündigung immer noch schmachten. Unter allem Schweren und Schmachvollen erachte ich als die drückendste Last, die gänzliche G e s i n n u n g s l o s i g k e i t , den Abfall von Gott und seinem Recht, welchem auch die Bessern erlegen sind und sich noch nicht herauszuhelfen wissen, weil sie nicht Buße tun. Selten vergeht ein Tag, an dem nicht neue schmerzliche Erfahrungen gemacht werden. Mein theurer Freund, als wir die Jahre 1813—15 in begeisterter Vaterlandsliebe durchkämpften, durchbluteten, da glaubten wir nicht an die Möglichkeit einer solchen Selbst*) Generalmajor seit 1841. 6*

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Schändung, an eine Versunkenheit in die tiefste Gemeinheit der Gesinnung."47) Im Februar 1849 konnte er es schon wagen, wieder in der Umgebung des Königs aufzutauchen. Es war eine kritische Zeit, der neue Landtag trat zusammen, einige Änderungen im Ministerium waren nötig. Es galt aufzupassen, daß der König nicht wieder umfiel. Der ersten Zusammenkunft sah er daher mit einiger Spannung entgegen. Am 16. Febr. schrieb er darüber: „Gestern habe ich die Majestäten nach dem Frühstück wiedergesehen. Eine Stunde später wurde der König unwohl. — Manche wehmütige Freude, mancher Schmerz, manche ärgerliche Erinnerung sind in mir aufgetaucht. Man hat mich freundlich empfangen, andere vermeiden mich" und am 23. Febr.: „mancher Schmerz aber auch manche Freude zieht mir durch die Seele. Und zwar mehr Freude als ich erwarten durfte, wofür ich Gottes Gnade nicht genug preisen kann. Mit einigen Leuten habe ich mich ernst und kalt gestellt." Er fand vieles besser als er gehofft hatte. Er sah zunächst, daß sich an der Anhänglichkeit des Königs nichts geändert hatte. Gerade am Beisetzungstage des Prinzen Waldemar von Preußen, des Sohnes des Prinzen Wilhelm des Älteren, am 28. Febr. 1849 erhielt der Freundschaftsbund eine neue tiefe Weihe: „der König war unbeschreiblich lieb und gnädig zu mir" (an Fr. W. IV., 28. Febr. 1852). Es war ein Tag, den er lange in dankbarer Erinnerung trug. Auch sonst konnte er von der festen Stimmung des Königs sprechen, ja er fand ihn sogar entschiedener als sein Ministerium. Den Forderungen der Kammer, die Frankfurter Verfassung anzunehmen und den Belagerungszustand aufzuheben, versagte der König sich so vollständig, daß es schließlich mit der Auflösung des Landtages endete. Auch bei dem Personenwechsel gingen die gemeinsamen Vorschläge glatt durch. Stolberg wußte nur nicht recht, wie er sich gegenüber Brandenburg verhalten sollte. Er sah ihn bedenklich nach Frankfurt hinneigen, auch in dem persönlichen Gespräch hatte er den Eindruck, daß jener zu „konstitutionell" sei, anderseits wolle er auch nicht einen Mann, zu dessen Ernennung er noch eben den König aufrichtig beglückwünscht hatte, fallen lassen. Infolgedessen nahm er eine etwas zweideutige Haltung ein.48) Am 12. April konnte er dankbar und beruhigt in seine Heimat zurückkehren, nachdem auch die schwerste Krise, die sich an Annahme und Ablehnung der Kaiserkrone knüpfte, glücklich überwunden war. Er sah so rosig in die Zukunft, daß selbst die alarmierende Nachricht, die er während der Auflösung des Landtages aus dem Rheinlande erhielt, ihn nicht aus der Fassung bringen konnte. Am 8. Mai

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hielt er den teilweisen Abfall der Rheinlande für möglich, aber er sieht darin nichts Bedrohliches: „Mag die Rheinprovinz auch für einige Zeit verloren gehen, daran ist nicht so viel gelegen, wenn nur alles geschieht, um den Muth der Leute zu stählen und die Minister zu halten. Der König ist fest, und das Ministerium und die Truppen auch." Am 16. Mai rechnet er bestimmt mit dem Abfall, aber auch mit der Wiedereroberung: „Es gibt ein blutiges Jahr, aber ich bekomme täglich festeren und freudigeren Muth." Er glaubt an die Möglichkeit eines Krieges und bietet seine Dienste als Soldat an: „Um dieselbe Zeit, wo halb Deutschland in verblendeter Gesinnungs Richtung sich gegen E. M. auflehnt und zu den Waffen zu greifen scheint, um den festen und gerechten Gang Allerhöchst Ihrer Regierung zu bekämpfen, würde mein altes Preußisches Herz brechen, wenn ich es nicht bei beginnendem Kriege meinem Könige und Herrn wiederum als Soldat bis zum letzten Blutstropfen darbringen könnte" (an Fr. W. IV., 16. Mai 1849).49) Ein merkwürdiger Kreislauf des Schicksals sollte ihn auf einen Posten zurückzuführen, den er vor 19 Jahren verlassen hatte. Sein ältester Sohn Eberhard wurde im Juni 1849 die zweite Kammer gewählt, die Wähler stellten die Bedingung, Graf Anton solle während der Zeit ihn als Landrat vertreten. Es war wie eine Arbeitsteilung, bei der er der jüngeren Kraft die aufreibendere Tätigkeit überließ. Mit der Zeit war ihm sein ältester Sohn einer seiner besten Freunde geworden. Bei der Gleichheit der Anschauung, der Ähnlichkeit der öffentlichen Tätigkeit war es fast, als lebte Graf Anton in seinem Sohne ein zweites Leben.50) Stolberg faßte seine Aufgabe sehr ernst auf. Wenn er den Kreis Landeshut „mit einem blutrot durchwühlten Pulverfaß" verglich, so übertrieb er nicht. Die Nähe der böhmischen Grenzen führte dauernd einen Zustrom zweifelhaften Elementes ins Land. Schon im Jahre 1848 hatte er feststellen müssen, daß die slawischen Wühlereien auf günstigen Boden fielen (an Henrich St., 8. Mai 1848). „Der kleinste Funke sprengt die hungernden Leute in gewaltsamer Erschütterung empor", schrieb er am 6. Juli 1848. Jetzt war es vor allem der Krieg in Ungarn, der ihm schwere Sorge bereitete: „Unser Schicksal hier scheint von dem ungarischen Krieg abzuhängen. Brechen die Ungarn in Böhmen ein, dann stehet das ganze Land auf, und dann ist es bedenklich für uns. A l l e i n scheinen die Böhmen nichts tun zu wollen. Gott wird uns führen" (an Henrich, 18. Mai 1849). Daher griff er schärfer durch, als es seiner Gutherzigkeit eigentlich lag, es klingt doch wenig nach Blutdurst, wenn er im Januar 1850 mitteilt: „Ich execu-

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tiere mich übrigens von einer in die andere Woche hinein. Es ist dies wirklich ein schauerliches Geschäft". Auch seine Berichte an die vorgesetzte Behörde hielt er möglichst schwarz gefärbt, um eine Verminderung der militärischen Besatzung zu verhindern. Es schien ihm für den Augenblick das Beste zu sein, möglichst viel Belagerungszustand zu verhängen. „Strenge führt hier zur wohltuenden Milde." Als die Stadt Landeshut ihn bat, die Befreiung von der militärischen Besetzung zu befürworten, schlug er dies Anliegen glatt ab, um die Autorität nicht zu gefährden.51) Dabei war sein soziales Empfinden jetzt lebendiger denn je. Schon am 21. Dez. 1848 hatte er, wenn auch unter besonderer Betonung des taktischen Gesichtspunktes, den baldmöglichen Erlaß eines provisorischen Gesetzes gefordert, „das die Verhältnisse der bisherigen Gutsherren zu den Hintersassen regelt, wenn es auch zu unserem bedeutenden Schaden geschieht". Am 28. Nov. 1849 tadelte er, daß sein Neffe Wilhelm im Landtag nicht noch zugunsten der sog. kleinen Leute gesprochen habe. Gerade in diesen Tagen ermäßigte er als Gutsherr einigen besonders armen Dörfern den Zins, obwohl seine Finanzlage, immer gemessen an den Verpflichtungen, die ihm aus dem standesgemäßen Unterhalt seiner Familie erwuchsen, nichts weniger als glänzend war und ihn oft in die peinlichste Verlegenheit versetzte. Auch die Gründung des „Mariannenstiftes", einer Zweigstation von Bethanien in Kreppelhof, fällt in diese Zeit, für die er große finanzielle Opfer brachte. Mit Aufmerksamkeit verfolgte Stolberg die Verhandlungen der zweiten Kammer. Schon während seines Aufenthaltes in Berlin hatte er die Spaltung auf der rechten Seite beobachtet, die Absplitterung „der sogenannten ostpreußischen Fraktion, welche mehr scharfen liberalen Hochmuth als Vaterlandsliebe und wenig oder gar keine Achtung für ein starkes Königtum besitzt" (Eberhard St., 1. März 1849) u n d a m 26. März die Zerwürfnisse auf die unglückliche Paulskiche geschoben, „welche alle diejenigen, welche sich in ihr jemals befunden haben, mit magischer Gewalt an sich reißt". Er begleitete nun die Arbeit der neuen Kammer mit Äußerungen des Beifalls oder Unwillens, je nachdem diese nach seiner Ansicht Positives für die Festigung der Staatsautorität leistete oder den Bestrebungen der Linken zu sehr nachgab. Mit großer Sorge erwartete er den Ausgang des Kampfes um das Steuerverweigerungsrecht, den die Kammer führte. E r hielt es für unmöglich, daß dabei das Königtum bestehen könne, und war für Auflösung der Kammer oder Rücktritt der Minister.52) Im November kam der König nach Breslau. Stolberg wartete ihm dort auf, es gelang

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ihm aber nicht, ihn allein zu sprechen, obgleich er das bei der Wichtigkeit der Fragen, die zur Erörterung standen, sehr gewünscht hätte. Dagegen scheint er noch im Dezember einige Tage in der Hauptstadt gewesen zu sein. Gemeinsam mit Kleist-Retzow legte er dem König den Entwurf eines Ablösungsgesetzes für den Grundbesitz vor, sein Vorschlag, einen besonderen Ackerbauminister zu ernennen, der das Gesetz mit einigen Änderungen in der ersten Kammer einbringen würde, wurde von Leopold Gerlach für sehr praktisch gehalten.63) Dabei benutzte er wohl die Gelegenheit, den König in seinem Entschluß, die gerade fertiggestellte Verfassung nicht zu beschwören, zu bestärken. Es scheint fast, daß er so bestimmte Zusicherungen erhielt, um am 10. Dez. die Nichtbeschwörung in ziemlich sicherer Aussicht seinen politischen Freunden stellen zu können. Es war nur natürlich, daß der König sich auf das heftigste gegen die endgültige Festlegung durch einen Eid sträubte, denn alle seine Hoffnungen waren auf die Zeit und ihre Wandlungen gerichtet. Niemals hatte er sich die letzten Konsequenzen seiner Zugeständnisse ganz klar gemacht, er argwöhnte Hinterlist schlechter Ratgeber, wo er selbst bereits eine zwangsläufige Lage geschaffen hatte. Selbstverständlich waren auch Stolberg und seine politischen Freunde gegen den Eid, da sie darin eine nicht tragbare Bindung des Königtums für alle Zukunft erblickten.64) Graf Anton war sehr genau über den Verlauf der Verhandlungen unterrichtet, in erster Linie erhielt er Mitteilungen durch seinen Sohn, aber auch durch andere politische Freunde. Die Briefe von Eberhard Stolberg gewähren einen tiefen Einblick in die damaligen Hoffnungen der Konservativen und enthüllen gleichzeitig die ganze Schwäche ihrer Position, die hauptsächlich auf der unklaren Haltung des Königs beruhte. Die Rechte bekämpfte darnach jede Abschwächung der Königlichen Botschaft, von deren Annahme der Eid abhängen sollte. Sie hoffte, daß die Kammer die scharfen Propositionen nicht annehmen würde. Dann war es möglich, für den König, das Ministerium zu „modifizieren", d. h. ausschließlich mit Männern der Rechten zu besetzen und eine seinen Wünschen angepaßte Verfassung als Gesetz zu „promulgiren". Die anfangs noch günstigen Aussichten für einen solchen Ausgang verschwanden in dem Augenblick, als Radowitz auf der Bildfläche erschien. Brandenburg, der den Eid unbedingt wollte, hatte diesen in der Not gegen den Willen Manteuffels gerufen. Der Umschlag wurde schon allein dadurch deutlich, daß der König es nicht einmal für nötig hielt, Radowitz' bevorstehende Ankunft der Kamarilla mitzuteilen.65) Radowitz sah sofort die

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Gefahr, die in der Ablehnung der Botschaft lag, weil er genau die geheimen Wünsche der Kamarilla und des Königs kannte. Er brachte daher den König, wenn auch nur unter Kämpfen, zu dem Zugeständnis, den Eid nur noch von der Annahme von vier Kardinalpunkten abhängen zu lassen. In Eberhard Stolbergs Briefen ist es interessant zu verfolgen, wie groß die Nervosität nach dem Erscheinen von Radowitz im konservativen Lager wurde, weil niemand wußte, was dieser eigentlich beabsichtigte. Gegenüber dem einzigen Manne, der einen feinen politischen Faden spann, waren die parlamentarisch noch fast Ungeschulten so gut wie hilflos. Die Stoßkraft der Konservativen wurde noch dadurch wesentlich geschwächt, daß es Radowitz gelang, den konservativen Arnim zur Einbringung des Amendements zu bewegen, wonach die Peerskammer erst nach 1852, d. h. nach Ablauf der jetzigen Legislaturperiode, mit einem starken Zuschuß aus dem bürgerlich-liberalen Lager und nachdem die liberalen Ablösungsgesetze durchgebracht waren, ins Leben treten sollte. Vor der Abstimmung wurde etwas illoyal der Gewissenskonflikt einzelner Abgeordneter ausgenützt. Der König ließ nämlich der Rechten zweimal sagen, er wünsche, daß seine Freunde für das Amendement stimmten. Daraufhin fühlten sich alle aktiven Offiziere durch ihren Eid verpflichtet, für das Amendement zu stimmen, so daß es mit wenigen Stimmen Mehrheit durchgehen konnte. So konnte es z. B. vorkommen, daß Eberhard Stolberg sich der Stimme enthielt, während sein Vetter Wilhelm aus dem obenerwähnten Grunde dafür stimmte. Allmählich wurde es auch dann den Konservativen immer klarer, daß der Schwur nicht mehr zu umgehen war, sollte nicht alles an dem König irre werden. Sie konnten sich wenigstens damit trösten, daß die für sie sehr wichtige Fassung des § 108 gerettet war. Der Finanzparagraph 108, der im Verfassungskonflikt unter Bismarck eine so große Rolle spielte, wurde schon in einem Briefe L. Gerlachs an Stolberg, 21. Jan. 1851, in seiner großen realen Bedeutung erkannt, der Schreiber befürchtete Nachgeben des Königs, weil er sich nicht für Finanzsachen interessiere. Eberhard Stolberg äußert sich über die Gründe der konservativen Niederlage folgendermaßen: „Die geschlagene konservative Partei fängt an einzusehen, daß sie einen großen Fehler begangen hat, aber man darf nicht vergessen, daß sie dadurch, daß der König trotz aller Zusagen nachgab, demoralisiert wurde, indem sie sich sagte, es kann zu nichts Gutem führen, den Herrn zu einem extraordinären Schritt zu bringen, weil er wohl dazu, aber nicht zu den weiter nötigen Schritten gebracht werden kann" (7. Febr. 1850). Die Konserva-

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tiven kämpften in der Tat mit gebundenen Händen. Graf Anton war am 22. Dez. 1849 noch durchaus der Ansicht, daß sich der Eid vermeiden lasse: „Die Minister drängen darauf, der König solle die Verfassung in ihrer jetzigen Form beschwören, widrigen Falls sie sämtlich, hauptsächlich Brandenburg und Manteuffel, abgehen würden. Die Gutgesinnten glauben, daß der Eid unmöglich sei. Die Entscheidung scheint weniger schwer, als die Ausführung und Durchführung, doch sind zur Ausführung Mittel vorhanden, wenn die notwendige Konsequenz nicht mangelt.64) . . . . Die Centren der Kammern wollen 20 Millionen, welche der Finanzminister für Eisenbahnen fordert, nur dann gewähren, wenn der König unbedingt den Eid leistet. Das alles sind schwere aber dennoch zu übersteigende Hindernisse, wenn meine Gebete und Wünsche in Erfüllung gehen. Es gilt aber Ernst und zwar einen Ernst, der Mark und Bein durchdringt."*) E r hatte dann nach Brandenburgs „Verrat", noch bestärkt durch einen Brief der Königin den Minister endgültig fallen lassen. Seitdem stützte er nur noch Manteuffel. Von Radowitz' Auftauchen hatte er sofort die schlimmsten Befürchtungen: „Wer kann das Gespenst, wer kann Radowitz beurteilen, seine Anwesenheit drückt mich wie ein Alp." Trotzdem fühlte er sich auch jetzt noch sicher genug, um an eine glückliche Wendung zu glauben: „Ich habe jetzt die feste Überzeugung, daß Alles gut gehen wird, wenn der König festhält. Meiner Überzeugung nach werden dadurch Resultate herbeigeführt werden, von welchen selbst die klugen Leute jetzt noch keine Idee haben." Als der König dann schließlich am 6. Febr. die Verfassung beschwor, war er auf das Tiefste enttäuscht. Gerade weil er selten anderen gegenüber an der Politik des Königs Kritik übte, ist sein Brief vom 17. Febr. 1850 an Eberhard ein wertvolles Geständnis: „Bei dieser Gelegenheit muß ich Dir von mir auch ein Reiseprojekt mitteilen. Als ich Potsdam verließ, mußte ich dem König versprechen, womöglich im Lauf des Winters nach Charlottenburg zu kommen. Obgleich es mir nach Allem, was dazwischen liegt, sehr schwer wird, schon so bald einer solchen Einladung Folge zu geben, welche menschlich zu reden, ganz nutzlos ist; so glaube ich doch innerlich und äußerlich, mich Seinetwegen überwinden zu müssen, nicht wissend, ob und was Gott für Folgen daran knüpfen könne und werde, obgleich ich erneuert erfahren habe, wie wenig und g a r nicht man sich auf gegebene Versicherungen verlassen könne. Ich darf ein Mal den Mann nicht verlassen, an den ich durch menschliche und Göttliche Ordnung so eigenthümlich gefesselt bin, und der, als er noch ein Kind war, mir schon großes

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Vertrauen geschenkt hat. Ich kann und darf aber meine Reise nicht früher antreten, bevor nicht die vom König zu ernennenden Mitglieder zum Staatenhause ernannt sind." Trieb nicht der König selbst mit seinen Getreuen ein zweideutiges Spiel? Der oberflächlichen Betrachtungsweise müßte es so erscheinen. In Wahrheit stand es doch so, daß fremder wie eigener Einfluß oft über- und unterschätzt wurde. Der König betrachtete auch diesen Kampf von seinem besonderen Standpunkt aus. Er ließ sich Schritt um Schritt von seinem Wege abdrängen, er wehrte sich lange, aber verzichtete dann schließlich doch, da er immer in der Uberzeugung blieb, daß im Augenblick nichts anderes zu erreichen sei. Aber er legte seine Worte nicht auf die Goldwage, auch jetzt war für ihn noch nicht die letzte Entscheidung gefallen. Einmal mußte Gott seine Pläne verwirklichen, das blieb ihm gewiß. Stolberg kam in den letzten Märztagen dazu, das angedeutete Reiseprojekt auszuführen. Es war sicher kein Zufall, daß er in einem Augenblick in Potsdam eintraf, wo für ihn und seine Freunde wieder eine Wolke am politischen Himmel hing: das Erfurter Parlament. Stolberg sollte selbst ins Volkshaus gewählt werden, hatte aber abgelehnt. Das Parlament hatte die Aufgabe, zu dem zwischen den Regierungen vereinbarten Verfassungsentwurf Stellung zu nehmen. Die eigentlich treibende Kraft war Radowitz. Graf Anton hatte am 29. März „einen einstündigen wiederholten Besuch seines Herrn" und empfing den ganzen Tag über Besuche.67) Obgleich nichts darüber gesagt ist, kann über den Inhalt der Unterredungen kaum ein Zweifel sein. Der König hatte am 15. März einige seiner Freunde zu sich berufen, um sie für das Erfurter Verfassungswerk zu gewinnen. Er hatte ihnen gesagt, daß die en-bloc-Annahme notwendig sei, aber sie gleichzeitig aufgefordert, die liberalen Reste des Verfassungsentwurfes vom 28. Mai 1849 z u bekämpfen. Er hatte sie durchaus nicht gerührt. Stahl argumentierte mit einer möglichen Majorisierung Preußens, Ludwig Gerlach mit kleinlichen Gewissens-Parteibedenken dagegen, Leopold Gerlach sah gerade in der en-bloc-Annahme einen Sieg von Radowitz.68) Stolberg wird ungefähr auf den gleichen Gedankengang eingestellt gewesen sein wie Leopold Gerlach. Schon der Name Radowitz bedeutete ihm das Bündnis mit der Revolution. Er wollte ein einiges Deutschland nicht auf Kosten einer weiteren Liberalisierung Preußens. Wenn er daher am 30. März, an dem Tage, an dem Radowitz im Ministerkonseil zu Bellevue sprach,

Radowitz.

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schrieb: „Möge der König mit Geist und Kraft aus der Höhe erleuchtet sein," so hieß das ohne Zweifel: „möge der König gegen Radowitz entscheiden."59) Das Resultat der Sitzung war denn auch wachsende Zurückhaltung Preußens. Der König war entmutigt durch den Widerstand seiner Freunde. Nach wenigen Tagen kehrte Stolberg schon nach Kreppelhof zurück. Den Weg, den Preußen dann mit der Union einschlug, ging er nicht mit. Als den eigentlichen Verantwortlichen, „als des Pudels Kern", betrachtete er immer Radowitz. Er war zu diesem niemals in herzlichere Beziehung getreten, es war einer der psychologischen Irrtümer des Königs, daß er im Jahre 1840 geglaubt hatte, diese zwei Freunde an einen Wagen spannen zu können.60) Ihr Denken und Fühlen war zu verschiedenartig, als daß sie einander verstehen konnten. In Radowitz sah Stolberg die sichtbare Verkörperung alles dessen, was noch an die Revolution erinnerte, in ihm den Haupthinderungsgrund, daß der König sich mit seinen eigentlichen Freunden nicht immer einigen konnte. E r übersah dabei, wie die anderen, daß für Friedrich Wilhelm IV. in Frankfurt nicht nur das „Sauparlament" tagte, sondern auch eine Versammlung bedeutender Männer geistreiche Reden hielt, mit denen er manchmal mehr Berührungspunkte hatte, als mit seinen treuen, aber trotzigen Junkern, deren selbstbewußtes Auftreten und oft freimütige Kritik ihn verletzten. Man wird die tiefste Ursache seiner häufigen und mit den Jahren sich mehr und mehr steigernden Ausfälle gegen die sogenannte Kreuzzeitungspartei in dieser ressentimentmäßigen Einstellung zu suchen haben. Der politische Freundeskreis Stolbergs erwog den Gedanken, Radowitz das höchste Amt zu geben, um ihn sich selbst abwirtschaften zu lassen. Stolberg war dagegen: „Das ist bei anderen Persönlichkeiten ein Experiment, was uns Alle um den Hals und um den Rest preußisch-hohenzollernscher Ehre bringen könnte und womit ich mich nicht einverstanden erklären kann" (an Eberhard St., 12. Juli 1850). Dagegen benutzte er den Geburtstag des Königs, den 15. Okt. 1850, um ihm nochmals sehr scharf den nach seiner Auffassung verderblichen Gang seiner Regierung vorzuhalten. Vermutlich hat er vor allem auch die antiösterreichische Politik der preußischen Regierung und den Einmarsch preußischer Truppen in Hessen im Auge. Der König solle ihm verzeihen, wenn er offen ausspricht, „daß der jetzt betretene Weg Allerhöchst Ihres Regimentes kein gesegneter Weg werden k a n n , und wie nur eine in Gegenwart Gottes eingehende ernste Prüfung der tiefsten Grundlagen des christlichen Rechtes einem König von Gottes Gnaden maßgebend werden kann, aus diesem in die

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Grundsätze der Revolution hineinverwebten Labyrinthe herauszufinden. Das heiße Gebet eines von allen Lieblingsideen entkleideten, in wahrhafter Selbsterkenntnis und Demuth, starken, gläubigen Herzens vermag viel, es vermag alles." Im November kam er dann auf Wunsch von Gesinnungsgenossen ins Zentrum, um ihnen bei der Überwindung der schweren auswärtigen Krisis zu helfen und vor allem an Radowitz' Sturz mitzuarbeiten. Stolberg hielt den Krieg mit Österreich für ein Unglück, er hatte schon am 15. März 1849 kein Hehl daraus gemacht, „daß er schwarzgelb gesinnt sei". Außerdem nahm ihm die gleiche Furcht, die ihn schon während des drohenden Konfliktes mit Dänemark im Frühjahr 1849 beherrscht hatte, auch jetzt die Möglichkeit, die Lage vom rein nationalen Standpunkt betrachten zu können: der Krieg rief die revolutionären Parteien unwillkürlich mit zu den Fahnen. Die Demokraten wollten den Krieg, schon deshalb war er verderblich. Trotzdem war er nicht frei von einem zwiespältigen Gefühl, sein gesundes Empfinden durchbrach immer wieder die Doktrin, sein Ehrgefühl als Offizier bäumte sich gegen die Anmaßung der Österreicher auf. In einer Situationsschilderung vom 26. Nov. wies er darum den Krieg nicht unbedingt ab: „Über unsere Zustände kann ich Dir nur so viel sagen, daß nach meiner Überzeugung sowohl Preußen als Österreich die Schuld an der Verwirrung tragen, daß aber Preußen mehr in dummer Anmaßung, Österreich aber mit perfider Schlauheit operiert hat. Der Krieg an und für sich kann, wie das Loos auch fallen mag, unglückliche Folgen haben, dennoch wird Preußen in einer Weise dazu gedrängt, daß, wenn das Gouvernement ehrlich bleiben will, es sich nicht alles gefallen lassen kann, was Ostreich von ihm fordert. Hier im Centro sind zwei Partheien, die unbedingte Kriegsparthei, den Prinzen von Preußen an der Spitze, und die bedingte Kriegsparthei, zu der auch ich gehöre, weil ich einen ehrenvollen Tod einem schmachvollen Leben vorziehe, dennoch aber jeden thunlichen ehrenvollen Frieden dem Kriege vorziehe, der unwillkürlich die Revolutionspartheien zu unseren Fahnen ruft, wenn Gott der HErr nicht auf unvorhergesehene Weise dreinschlägt, was ich von Ihm erflehe." So weit freilich wie der Flügeladjutant des Königs, Edwin v. Manteuffel konnte er nicht gehen. Vor dessen Kriegsfreudigkeit empfand er doch gelindes Grausen.61) Am 7. Dez. hatte er sich schon so weit mit der kriegerischen Entscheidung abgefunden, daß er über seine Verwendung im Kriegsfalle ganz gekränkt war. Er sollte sich nämlich der Umgebimg des Königs als Generaladjutant anschließen, während er selbst wünschte, zur Truppe zu kommen. „Die alte Treue passe doch

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wohl noch mit den Verhältnissen in der Armee zusammen" (an Eberhard St., 7. Dez. 1850). Stolberg scheint in dieser Zeit auch den Fürstbischof Diepenbrock um eine Vermittlungsaktion beim König gebeten zu haben. Er verlangte von ihm die Unterstützung einer Adresse, die Manteuffels Verbleiben im Amte befürworten sollte. In einem Briefe an Eberhard vom 12. Dez. 1850 teilt Stolberg einiges aus der sehr bemerkenswerten Antwort des Kardinals mit: „Der Kardinal sagt, daß er als Christ, als Deutscher, als Bischof und als Preuße betheiligt sey, den Frieden zu wünschen. Nachdem er sich über die ersteren Verhältnisse sehr schön ausgesprochen, sagt er schließlich: ,Aber auch als Preuße bin ich dabei betheiligt, daß die ehrenreichen Preußischen Waffen keinen Sieg erfechten, über die sich Mazzini und Consorten freuen, die schon jetzt wie die Aasgeier frohlockend krächzen, hoffend, daß sie am Ende den Hauptteil haben würden an der Caräe, wenn der Preußische Adler Edelwild erlegt haben würde. —: Daß eine ernstliche Niederlage des österreichischen Heeres möglicherweise die Ermordung aller Deutschen in Italien zur Folge haben könne, hörte ich kürzlich von einem der dortigen Verhältnisse sehr kundigen Mann. Wer in Deutschland, wer in Preußen könnte solche Siege wünschen, wenn er ein deutsches Herz h a t ? ' " Graf Anton war dann sehr erleichtert, als die Kriegsgefahr vorüber ging. Die Freude über die Niederlage der Demokraten und sein Unvermögen, Österreich als fremden Machtstaat betrachten zu können, ließen ihm die Demütigung von Olmütz nicht empfinden. „Bei Olmütz sind wahre Wunder der Durchhilfe geschehen," äußerte er am 27. Jan. 1851. Befriedigt kehrte er daher in seine Heimat zurück, sicherlich war ihm eine Zentnerlast genommen, daß der verhaßte Radowitz endlich beseitigt schien. Aber schon kurz nach Weihnachten war er wieder in Berlin. Wieder waren es die Freunde, die ihn brauchten. Der Hauptgrund war wohl auch diesesmal Radowitz. Der König wollte diesen noch im November 1850 zum Generaladjutanten und Direktor des Militärerziehungswesens ernennen, man fürchtete, eine solche Auszeichnung würde nur eine Vorstufe zu dem alten beherrschenden Einfluß sein. Daher begann das Kesseltreiben von neuem.62) Stolberg gab am 25. Jan. Henrich eine anschauliche Schilderung von seinen Eindrücken: „So wie es bereits im Jahre 1849 und 1850 der Fall gewesen ist, so trat auch jetzt Veranlassung ein, daß die Freunde der guten Sache mich dorthin zitierten, um nach geringen Kräften ihre Bestrebungen zu unterstützen. So wie im November v. J . ging ich auch jetzt nach Weihnachten mit beklemmtem Herzen dorthin, da ich durch freimütige schriftliche und mündliche Rede

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Radowitz.

unserem lieben aber bethörten Könige dann und wann scharf entgegen treten und aus mannigfachen Anzeigen vermuthen mußte, daß die Dinge sehr übel lagen, und ich sächlich wie persönlich eine harte Zeit durchzuleben haben würde, indem der König gegen Manteuffel und die sog. Kreuz Zeitungs Parthei und ihre Bestrebungen in einer Weise aufgeregt war, wovon ich früher nie eine Spuhr in seinem Benehmen hatte finden können. Dennoch traf ich äußerlich alles wieder in dem früheren Schick. In Potsdam wartete ein Weihnachtsgeschenk des Königs für mich, wie in alter Zeit, auch ward ich gleich nach Charlottenburg befohlen, wo die für mich expreß im Jahre 1849 eingerichteten Stuben wiederum für mich geöffnet wurden. Indem dieses alles auf einen guten Empfang deutete, der, besonders sächlich, mir sehr wichtig sein mußte, schenkte es auch Gottes Gnade, daß ich mannigfaches versöhnen und ebnen, auch hervorrufen durfte, was zuvor als ganz unmöglich erschienen war. Obgleich ich mit der Hauptbegleiterin einer constitutionellen Verfassung, mit der Intrigue vom Ofenheizer bis zu den höchsten Würdenträgern herauf zu thun hatte, und mich manchmal halb todt betrübt und geärgert habe und über unseren armen König blutige Thränen hätte weinen können; so half doch der H E r r i m H i m m e l , daß ich dem irdischen Herrn, der trotz dem allen immer noch so liebevoll gegen mich ist, mir noch so viel Vertrauen beweist — mit Ernst und Liebe entgegentreten und unter göttlichem Beistand manches zu Seiner Ehre helfen konnte. Ich sage dies nicht zu meinem Lobe, sondern allein zu Gottes Ehre, der auch den Schwächsten stärkend und helfend zur Seite steilen kann. — Freilich habe ich Radowitzens Wiederkehr nicht zu verhindern vermocht, weil für diesen Punkt nur Gott allein Schaden abzuwenden vermag, wie Er es beim Olmützer Vertrag getan hat, wo im eigentlichen Sinne des Wortes Wunder der Durchhülfe geschehen sind, Radowitz gegenüber kann nur vereintes Gebet helfen. — Auch dem Pr. v. Preußen gegenüber habe ich ernste Kämpfe zu bestehen gehabt, weil der gnädigste Herr in einer Weise f ü r die Partei Gotha schwärmte und — wüthete — wie ich solche Ausbrüche der Leidenschaftlichkeit nicht für möglich gehalten habe. Ob sein mir in die Hand gegebenes Versprechen, sich ruhig und wenigstens nicht aufregend zu verhalten, genützt haben wird ? muß die Zeit lehren. Am 16. Jan. entließ mich der König sehr bewegt im weißen Saal im Schloß, nachdem er mir die neue außerordentlich schöne Kapelle in der Kuppel gezeigt hatte, und mich an der Musik Probe hatte theilnehmen lassen, die von dem Chor in Ausübung der Gesänge zum Krönungsfest

Radowitz.

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ausgeführt wurden. Es war die schönste Harmonie der Töne, die ich je gehört " Hatte er die vorübergehende Wiederkehr von Radowitz nicht zu verhindern vermocht, so gelang es ihm ebensowenig, dessen Ernennung zum Generaladjutanten im Mai 1851 zu hintertreiben. Aber er ließ nicht locker und erklärte, keineswegs vor Radowitz zurückweichen zu wollen, alle Vorwürfe des Königs ertrug er in der Überzeugung, für eine gute Sache zu kämpfen.63)

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Ernennung zum Hausminister.

Kapitel 3.

Rückkehr ins Amt und letzte Jahre (1851 — 1854). Ernennung zum Hausminister. — Politische Gegensätze zum Prinzen von Preußen. — Die erste Kammer. — Bismarck. — Der Tod. — Zusammenfassung.

Im Frühjahr 1851 trat eine sehr schwere Entscheidung an den Grafen heran. Der König hatte schon Ende November 1848 gewünscht, ihn wieder als Minister zu sehen, auch den Grund genannt: „Ich hätte es nicht allein um meiner und Elisens Herzens-Freude gewünscht. Nein, auch darum — (worauf ich so großen und gerechten Wert lege), um aller Welt zu zeigen, der Kampf des Göttlichen Rechtes und der Göttlichen Ordnung hat begonnen und was das Gegenteil beyder ,die Revolution' getrennt hatte, vereinigt die wiedergewonnene Ehre . . ." (27. Dez. 1848). Aber er hatte es nicht wagen können und auch nicht im September 1849 riskiert, als schon wieder alte Minister auftauchten.64) Jetzt bot er ihm offen das Hausministerium an. Stolberg sprach sich gegenüber dem Hausminister v. Massow noch durchaus ablehnend aus. Alle die Gründe, die schon 1840 ihm den Eintritt erschwert hatten, fielen jetzt vermehrt ins Gewicht, es kam hinzu, daß auf die erste freudige Erwartung der Winterreif der Enttäuschung gefallen war. Erst als ihn von allen Seiten die Freunde bestürmten, der König ihm durch seinen Schwiegersohn, den Grafen Keller, die größten persönlichen Erleichterungen zusicherte, siegten alte Treue und Pflichtgefühl. Am 16. April 1851 gab er endgültig seine Zusage: „In tiefer Bewegimg schließe ich diese Zeilen, mit denen ich mich aufs Neue dem Dienst meines Königs und Herrn weihe. Möge in dieser ernsten Zeit der Göttliche Segen das neu zu schließende Dienstverhältnis zu einem dem Herrn Wohlgefälligen machen." Die Erlaubnis, Wünsche zu äußern, nützte er aus. Er war vorsichtig geworden. Unter den politischen Forderungen stellte er den Bruch mit der Revolution und „Aufhören des Unzusammenhängenden in der Umgebung des Königs" obenan. Persönlich verlangte er größere Bewegungsfreiheit im Amte und Urlaub nach Beheben. Alle Wünsche wurden ihm bewilligt. Am 26. Juni erfolgte Stolbergs Ernennung zum

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Stockhausen.

Oberstkämmerer und Minister des Königlichen Hauses. Wie ein Stück rückwärts gedrehter Geschichte trat er ins Amt zurück. Das Vertrauensverhältnis hatten die Stürme nicht erschüttern können. Gerlach empfand bald die heilsame Wirkung. 65 ) In seiner Zwischenstellung konnte Stolberg manchen Sturm abfangen, der den ihm Gleichgesinnten galt. Trotzdem mußte auch er einen Unterschied gegen früher bald herausfühlen, eine krankhafte Reizbarkeit bei Friedrich Wilhelm IV., die unheimliche Vorbotin der späteren geistigen Umnachtung, die wahllos ihre Opfer suchte.66) Schon am Abend des 15. Juni 1851 war er Ohrenzeuge eines solchen spontanen Ausbruches. Der König überhäufte Männer mit den heftigsten Schmähungen, denen Stolberg sich innerlich verbunden fühlte und deren Beleidigung er somit als eine eigene empfand. 7) Gewohnheitsmäßig nahm er seine Aufgabe auf, den König zur Selbstbeherrschung zu ermahnen. „Früher sei das nicht möglich gewesen, das könne nicht gottgefällig sein." Noch schmerzlicher sollte er die königliche Unbeherrschtheit während des Konfliktes zwischen dem Finanz- und dem Kriegsministerium am eigenen Leibe verspüren.68) Er stellte sich rückhaltslos auf die Seite des Kriegsministers von Stockhausen, der neben der Vermehrung des Heeres auch die Erhöhung der Löhnungs- und Verpflegungsgelder für die Mannschaften forderte. Der Finanzminister von Bodelschwingh wollte aus Sparsamkeitsrücksichten diese nicht bewilligen. Anton Stolbergs Schreiben an den König vom 24. Okt. 1851 gehört zu seinen besten und klarsten schriftlichen Äußerungen.*) Das große Verständnis für die Bedürfnisse der Armee ließen ihm Worte eindringlichster Beredsamkeit finden: Die Moral des Heeres sei erschüttert, wenn es bisher gelungen sei, größere Exzesse zu vermeiden, so wäre das nur der Hingebung der Offiziere zu verdanken. Er zählt einige besonders bedenkliche Symptome bei einzelnen Regimentern auf. Solle die Revolutionierung des Heeres vermieden werden, so müßten die materiellen Bedürfnisse befriedigt, die Disziplin aufrecht erhalten und der Geist der Mannschaften beschäftigt und geweckt werden. In der zweiten Hälfte beleuchtet Stolberg die politische Seite. Österreich hat seine Truppen belohnt, die preußischen Soldaten dagegen, die 1848 ihre volle Schuldigkeit getan haben, können bei solcher Behandlung nur das Gefühl bekommen: Der Mohr hat seine Schuldigkeit getan, der Mohr kann gehen. Der einzelne Soldat solle aber die Empfindung haben, daß man für ihn sorgt. Am Schluß bedauert er, daß *) Konzept. Beiheft d. H . Z. 8.

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Stockhausen.

der König nicht zunächst mit Stockhausen gesprochen habe. Der König solle sich für Stockhausen entscheiden. Der Konflikt blieb trotzdem latent bestehen, bis er durch die Frage der Gardezulagen neue Nahrung erhielt. Gerlach hatte Stolberg am 8. Nov. gebeten, die Sache in die Hand zu nehmen. Die Angelegenheit berührte sein Ressort, da er als Hausminister die Verwaltung des Kronfideikommisses in den Händen hatte, das mit den Gardezulagen belastet werden sollte. Er nahm die Angelegenheit bedeutend ernster als Leopold Gerlach, der darin nur eine Bagatelle sah. Denn für ihn stand dahinter ein verpfändetes Königswort. Er meinte, daß das Kronfideikommiß die Ausgabe tragen könne. Der König aber lehnte einen in diesem Sinne von Stolberg vorgelegten Entwurf ab. Stockhausens Opposition hatte ihn schwer gekränkt, so daß er entschlossen war: „dem Rechte der Krone, meinen Befehlen, den Bestand auch in diesem F a l l zu sichern". Der König war der Ansicht, daß die Übernahme von 40000 Rth. auf das Kronfideikommiß wirtschaftlicher Unsinn sei. Er wollte die Kammern die Zuschüsse bewilligen lassen mit der Drohung, im Falle der Verweigerung Neujahr 1853 die Staatstheater zu schließen. In längeren Darlegungen entwickelte nun Stolberg am 23. Nov. noch einmal seinen Standpunkt. Die Zulage war versprochen, der König durfte sich nicht kompromittieren. Die Kammern würden sich nur unnötig einmischen, wenn man von ihnen die Bewilligung der Zuschüsse verlangte. In der Anlage übersandte er einen Entwurf, wonach der Hausminister ermächtigt würde, den neuavancierten Offizieren die Differenzen ihrer bisherigen Bezüge auszubezahlen. In der Verärgerung über den andauernden Widerstand versah der König dieses Schreiben mit einer Reihe von Randbemerkungen, die für Stolberg um so verletzender sein mußten, als sie an seinem Mut und der Zuverlässigkeit der Berechnungen zweifelten. Am Schluß kam der König wieder mit seiner Drohung, das Theater zu schließen. Er hatte aber gleich das Gefühl, zu weit gegangen zu sein, gab dies auch am folgenden Tage mündlich zu verstehen, wie aus einem Schreiben Stolbergs an den König vom 26. Nov. 1851 hervorgeht. Stolberg trug sich jedoch ernstlich mit dem Gedanken, den Dienst "zu verlassen, weil er in den Randbemerkungen ein ausgesprochenes Zeichen von Mißtrauen erblickte und deshalb seine weitere Tätigkeit für nutzlos hielt. In dem oben genannten Brief bat er den König, sein Amt einem anderen Manne zu übertragen: „Ew. Majestät können in den revoluzionären und gefahrvollen Zeiten das hohe Amt, mit welchem Allerhöchst Ihre Gnaden mich so reichlich bekleidet hat,

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Stockhausen.

nur einem Manne übergeben, der Ew. Majestät volles und unbedingtes Vertrauen besitzt. Treffen Euer Majestät in Ihrer Weisheit eine Entscheidung und nehmen Ew. Majestät hierbei keine Rücksicht auf meine Person und auf mein Herz. . . . Dies alte Herz schlägt immer, auch wenn es im Weh verblutet, auch noch im Tode für meinen heißgeliebten Herrn." Der König gab die Zustimmung nicht. Mit fast kindlichen Worten gab er seine Schuld zu, wenn er unter Stolbergs Brief schrieb: „Ich suchte und fand nicht die Beilage, die ich in thörichter Windbeutelei statt ins Kamin in Ihre Hände —• Sie wissen es nicht ohne Commentar (der dieses Blatt unmöglich machen mußte) legte. J e t z t v e r b r e n n e n Sie jene Mitheilung und dieses Blatt dazu, ,das Feuer läutert'. Gott weiß, daß jene Noten nicht für Sie bestimmt waren." Man muß danach annehmen, daß bei Stolbergs Brief vom 23. Nov., den der König mit Randbemerkungen versehen an Stolberg zurückgesandt hat, noch ein anderes Blatt gelegen hat, das dann vernichtet worden ist. Als darauf der Freund trotzdem eine kühle Zurückhaltung wahrte, wandte er sich nochmal schriftlich an ihn: „Trotz der lakonisch überstehenden Antwort füge ich hinzu, daß ich zu Gott hoffe, Sie werden meine flüchtigen Zeilen unter einem Briefe (dessen Verbleiben in meinem Zimmer wie höllisches Feuer für mich gewesen wäre) mit dem Herzen gelesen haben, weil sie mit dem Herzen geschrieben und wenn auch kurz und eigenthümlich die Gluth der Freundestreue nicht verkannt — nein, erkannt haben." Jetzt ging er auch auf die Vorschläge ein, am 28. Nov. konnte Stolberg Leopold Gerlach mitteilen, daß nach seinem Vermittlungsvorschlag gehandelt werden würde. Aber der Konfliktstoff war damit nicht aus der Welt geschafft. Ein neuer Brief Stockhausens führte zu neuen Auseinandersetzungen. Diesmal ärgerte sich Graf Anton doch über des Kriegsministers Verstocktheit und drang in Gerlach, ihn zum Nachgeben zu bringen. Aber alle Vermittlungsversuche blieben schließlich fruchtlos, der König verzieh Stockhausen die Auflehnung gegen seinen Willen nicht, am Neujahrstage 1852 erhielt dieser den Abschied. Stolberg war außer sich und warf dem König vor, er habe durch die Entlassung das Ministerium gelockert, worauf der König einwandte, Stockhausen habe sich selbst ums Amt gebracht.69) Die scharfe Opposition, in die der Prinz von Preußen mehr und mehr gegenüber der Politik seines Bruders gekommen war, mußte auch Stolberg in einen wachsenden politischen Gegensatz zum Thronfolger bringen. Er hatte sich allmählich in einen großen Haß gegen die Gothaer Partei hineingesteigert, der ihm im De7*

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Gegensätze zum Prinzen von Preußen.

zember 1851 die Äußerung entlockte, daß „wir von der kommunistisch-«) then Partei jetzt wenig, desto mehr von der vornehmen Gothaer Partei zu befürchten hätten und daß der indirekte Kampf gegen diese Herren die Aufgabe der Gegenwart sein dürfte." Und dann hatte er im Januar 1851 erleben müssen, daß der Prinz von Preußen für diese Richtung Sympathie zeigte. Daher gehörte er zu denjenigen, die die nähere Heranziehung des prinzlichen Hoflagers wünschten. Der Prinz bekämpfte die ostdeutsche Politik der in Berlin maßgebenden Partei, da er ihr Olmütz nicht verzieh. Seine Gemahlin unterstützte ihn, sie konnte sich an das preußische Wesen nicht gewöhnen. Die Pietisten und ihr Anhang fanden die liberalen Tendenzen des Koblenzer Hofes so bedenklich, daß sie auf eine Auflösung hinwirkten.70) Für Stolberg als Verwalter des Kronfideikommisses kamen noch Sparsamkeitsgründe hinzu. Schon am 24. Juni 1851 schrieb er an Manteuffel: „ E s erscheint mir demnach wünschenswerth, dem Prinzen eine militärische Stellung in der alten Provinz zu geben, seinen baldigen Abgang vom Rhein auch mit dem Mangel an Zahlungsmitteln zu motivieren und S. M. zu vermögen, je eher, je lieber das rheinische Verhältnis zu lösen." Am 3. Juli 1851 hatte er eine Unterredung mit dem Prinzen wegen Übernahme des Staatsratspräsidiums. Der Prinz fühlte die heimlichen Nebenabsichten heraus, er war daher in dieser Besprechung weit erregter, als es später in seinem überlegten Antwortschreiben an das Staatsministerium zum Ausdruck kam. 71 ) Auf Stoibergs Hinweis, daß sein Verbleiben im Rheinland nicht mehr nötig sei, da kein Krieg mit Frankreich in Aussicht stände und daß sein weiterer Aufenthalt finanzielle Schwierigkeiten haben würde, antwortete der Prinz mit vier Gegengründen: 1. er habe keine Befähigung für den zugedachten Posten; 2. er müsse erst die Einrichtungen und Befugnisse des Staatsrates kennen lernen; 3. ohne weitere militärische Beschäftigung könne er vom Rhein nicht weggehen und 4. seine Gemahlin würde sich über den Wechsel sehr aufregen. Als darauf Graf Anton ihn fragte, ob er trotzdem das Opfer bringen würde, wenn man es von ihm verlange, rief der Prinz in einiger Erregung: er könne fordern, daß man seinen Wünschen Rechnung trage. E r erkenne übrigens deutlich, daß man ihn vom Rhein entfernen wolle, trotzdem er einen guten Einfluß ausübe. Die Stimmung der Truppen sei viel besser als im Gardekorps. Schließlich bat der Prinz, ihn wenigstens bis zum Jahre 1852 im Rheinland zu lassen, da dann eine französische Krise erwartet wurde. Die Wünsche des Prinzen wurden für den Augenblick erfüllt.72)

Die erste Kammer.

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Im Frühjahr 1852 waren es die Kämpfe um die Zusammensetzung der ersten Kammer, die Stolberg stark beschäftigten. Es wiederholte sich ein altes historisches Schauspiel, wenn auch in kleinerem Ausmaße: Die Krone mußte mit dem Adel um Machtpositionen kämpfen. Der Adel wollte wohl dem König seine Rechte nicht beschneiden. Aber er wünschte doch auch kein unbeschränktes Verfügungsrecht über Privilegien, die er beanspruchte. Trotzdem war es unbillig, wenn der König in dieser Zeit gern den hohen gegen den niederen Adel ausspielte.78) Der hohe Adel hatte weniger Veranlassung, dem Könige Schwierigkeiten zu bereiten. Seine Sonderprivilegien waren staatsrechtlich gesichert, ihre Schmälerung hatte er am wenigsten von Friedrich Wilhelm IV. zu befürchten. Auch dachte der König bei seinen Lobsprüchen besonders an die loyale Gesinnung seiner Freunde. Stolberg mußte als Mitglied eines mediatisierten Hauses auf verantwortlichem Posten in dieser Frage eine bedeutsame Rolle spielen.74) Der König weihte ihn in alle offiziellen Verhandlungen ein, er schickte ihm am 19. Jan. 1852 ein Blatt mit der Uberschrift: „Mein Verhältnis zur Zusammensetzung der 1. Kammer", von dem Stolberg beliebigen Gebrauch machen durfte.*) Darin verlangte der König, „der einzige und alleinige Anordner der Kammer" zu sein. Das erste Bedenken der Rechten, daß die in der Verfassungsurkunde von 1850 zu lesende Zusammensetzung vom König selbst gegen sie durchgesetzt sei, die Zweikammern und Volkswahl wollten, glaubte er damit zerstreuen zu können, daß diese Fassung damals gegen seinen Willen normiert sei. Der König hatte in den entscheidenden Tagen auf eine Stärkung des erblichen Elementes gedrungen. Gegen den zweiten Einwand, sein Vorgehen würde die Rechte spalten, bemerkte er nicht unzutreffend: das beweise, daß die Rechte noch etwas anderes als die Ehre und Zukunft der Krone wolle. Die Verantwortung für die Spaltung müsse er ganz den Konservativen zuschieben, denn sie sei unvermeidlich, da er fest entschlossen wäre: „Einzig und allein die E h r e , G e l t u n g und Z u k u n f t der P r e u ß i s c h e n K r o n e und nichts anderes gelten zu lassen, die sich darbietenden Chancen in Gottvertrauen zu benützen und es sogar auf die Gefahr eines verlorenen Treffens ankommen zu lassen." Der König glaubte sich wohl in seiner Auffassung mit Stolberg völlig einig, denn in diesem Sinne äußerte er sich noch am gleichen Tage gegenüber Gerlach, und dieser stellte zusammen mit Bismarck daraufhin Stolberg zur Rede.78) Im wesentlichsten Punkte wird Stol») Vgl. Beilage I, S. 124.

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Die erste Kammer.

berg auch mit dem Könige einverstanden gewesen sein: dem unbeschränkten königlichen Ernennungsrecht. Aber er verschloß sich Gerlachs Meinung nicht, daß man aus dem Hochadel allein keine arbeitsfähige Kammer bilden könne. Auch sein Sohn Eberhard warnte am 20. Jan. vor einer ähnlichen Zusammensetzung der Herrenkurie wie im Jahre 1847, der er den unglücklichen Ausgang des vereinigten Landtages Schuld gab. Vor allem hielt Stolberg einen Konflikt zwischen dem König und der Rechten, in der er die eigentliche Stütze des Thrones sah, für sehr verhängnisvoll. Er griff daher vermittelnd ein, so daß er bald auf einer Linie mit Gerlach und Bismarck marschierte. Am 30. Jan. brachte er mit dem König eine Versammlung zustande, in der eine Versöhnung der Gegensätze versucht werden sollte. In dieser Versammlung wandte sich besonders Kleist-Retzow scharf gegen die Bevorzugung des hohen Adels.76) Bald darauf konnte Stolberg Ludwig Gerlach eine Audienz verschaffen, aber im Vorzimmer bat er ihn, betend einzutreten, so pessimistisch dachte er über die derzeitige Stimmung seines Herrn.77) Am 1. März 1852 versuchte Graf Anton noch einmal, den König zum Entgegenkommen zu mahnen. Sein Verhalten führe mit raschen Schritten zur Auflösung des Vertrauens: „Die Ritterschaft als kräftige Stütze des konservativen Elementes, welche durch alle Zeiten an ihrem Regenten gehangen und auf den Schlachtfeldern mit ihrem Blute solche Treue besiegelt — deren Brüder und Söhne die Stärke und das belebende Prinzip des Königlichen Kriegsheeres vertreten, würde mit allen Konservativen in und außer den Kammern irre an ihrem Königlichen Herrn." Der versteckte Plan der Gegenpartei, Seine Majestät den König mit der Ritterschaft in ein unerfreuliches Verhältnis gegenseitigen Mißtrauens zu bringen, trete täglich sichtbarer hervor. „Die schmerzlichen Folgen eines solchen Mißtrauens lägen außer aller Berechnung und die freudige Hoffnung, unter Göttlichem Beistande die Revolution in ihren Folgen mit vereinter Kraft nach allen Richtungen in gesetzlicher Ordnung zu besiegen, trete in trübe Ungewißheit." Er konnte dann am Schluß noch berichten, daß einige Deputierte die Zusicherung gegeben haben, daß die Rechte eine königliche Vorlage annehmen würde. Aber, er erreichte auch jetzt so gut wie nichts. Noch am 15. März war er voll trüber Ansichten.78) Der König verteidigte zäh seinen ursprünglichen Plan und ließ sich durch keine Überredung überzeugen, noch durch Drohungen schrecken. Die erste Kammer, die erst im Jahre 1854 die endgültige Gestalt erhielt, hatte im wesentlichen

Bismarck.

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das Gepräge, das er ihr geben wollte.79) Dabei schlug Friedrich Wilhelm IV. sich gewissermaßen selbst aus dem Feld, denn hier hatte er eine Gelegenheit, sein Verständnis für die dem deutschen Volkscharakter gemäße organische Gliederung, wenn auch in streng konservativer Richtung, praktisch zu betätigen. Aber der Wunsch, ein gefügiges und von ihm abhängiges Instrument in der Ersten Kammer zu bekommen, das er sich als Gegengewicht gegen die ihm so verhaßte Zweite Kammer dachte und hoffen ließ, von hier aus auch eine Umgestaltung des Abgeordnetenhauses zu ermöglichen, war noch stärker als die Freude an einer gesunden organischen Schöpfung. So wurde dieser Ersten Kammer die Möglichkeit einer lebendigen Fortentwicklung beschränkt. In dieser Zeit hatte Stolberg viel mit Bismarck zusammengearbeitet, den er natürlich längst durch die Gerlachs kannte. Er hatte zunächst kein rechtes Verständnis für dessen etwas burschikoses Wesen gehabt. Auch Kleist-Retzow hatte ja zuerst an Bismarcks Derbheit Anstoß genommen. Kleist-Retzows Vermählung mit seiner Tochter Charlotte hatte sie näher zusammengeführt.80) Die politische Freundschaft mit seinem Sohn Eberhard, der auf den rechten Bänken 1849 ur>d 1850 eine scharfe Klinge schlug, die Abkommandierung seines jüngsten Sohnes Theodor im Oktober 1851 nach Frankfurt als Attaché brachten in den Verkehr einen immer wärmeren Ton. Der Jüngere beobachtete freilich dabei einen höflichen Respekt, den er dem um Jahrzehnte Älteren schuldig glaubte. Stolberg schätzte bei Bismarck besonders seine Gesinnungstreue und die persönliche Anhänglichkeit an den König. Bismarck hatte eine hohe Achtung vor dem vornehmen Charakter des Grafen. Wie wir bereits hörten, nannte er ihn gesprächsweise den alten Ritter, und das schöne Urteil über die Stolbergs im allgemeinen, „wenn, doch alle unsere vornehmen Leute diesen im besten Sinne adligen Blute Stolbergs ähnlich wären, dann sollte der Kampf zwischen Ständen und Kopfzahlen bald entschieden sein", ist in erster Linie durch die Bekanntschaft mit Graf Anton und seinem ältesten Sohne beeinflußt.81) Stolberg konnte Bismarck manche gute Dienste erweisen. So setzte er durch, daß er in Frankfurt bald selbständig wurde.82) Dann aber kam der Besuch des russischen Kaisers im Mai 1852, der sich schon von jeher mit Vorliebe in innerpolitische Verhältnisse Preußens eingemischt hatte. In seiner machtvollen, ungeschwächten Stellung konnte er jetzt seinem Schwager noch viel rücksichtsloser entgegentreten. Halbbegrabene Wünsche fei-

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Stolbergs Tod.

erten bei Friedrich Wilhelm IV. und seinen Anhängern Auferstehung, man hing sich an die Hoffnung, die Vergangenheit als bösen Traum behandeln zu können, ein Freibrief sollte die Verfassung hinwegfegen. Bismarck eilte in diesen Tagen der Hochspannung von Frankfurt herbei. Aber das Mißtrauen folgte ihm, man suchte eine Unterredung unter vier Augen mit dem Kaiser zu verhindern. Da war es Stolberg, der durch die Königin durchsetzte, daß Bismarck auf die Pfaueninsel befohlen wurde und dort lange mit dem Kaiser sprechen konnte. Mit der Kaiserin war der Versuch schon am Vormittag gelungen. Auch Stolberg hatte Aussprachen mit dem Kaiserpaare. Seine Stimmung war damals besonders gehoben. „Seine Anwesenheit gestaltet sich immer besser, so daß ich Gott im Herzen für dieses Zusammentreffen danke" (an Eberhard St., 26. Mai 1852). Der Gegenbesuch in Warschau war wohl das letzte größere Ereignis in Stoibergs Leben. Vor der Abreise wandte er sich gegen Mitnahme von Personen, die öffentlich der konstitutionellen Fahne huldigten: „Eine aufrichtige konsequente äußere Haltung Allerhöchst Ihrer politischen Gesinnung kann, wie die treue entschiedene Verfolgung einer politischen Farbe, E. M. Person und Regierung nur allein Segen bringen." In den letzten Jahren beschränkte er sich mehr und mehr auf sein eigentliches Amt. Er war zufrieden, daß soviel vom Alten gerettet schien, die Sorge um den König nahm ihn ganz in Anspruch. So sah er jetzt wesentlich seine Aufgabe darin, Gegensätze auszugleichen und für Freunde zu vermitteln. Im aufreibenden Dienste seines Herrn war er allmählich alt geworden. Bei den persönlichen Launen Friedrich Wilhelms IV. mußte er manchmal fest die Hand auf den Säckel legen, der ihm anvertraut war. So forderte der König eines Tages, Stolberg solle aus der Seehandlung 500000 Thr. leihen, um die königlichen Bauten fördern zu können.83) Solchen Forderungen widersetzte sich Stolberg aus Gewissenspflicht. Dazwischen konnte er in langen Urlaubszeiten in Wernigerode und Kreppelhof sich endlich seiner Familie widmen. Er wurde der Mittelpunkt einer großen Kinder- und Enkelschar, die ihn mit Liebe umgab. Aber er fühlte doch allmählich, daß seine Zeit gekommen war. Am 3. Jan. 1854 sprach er bei dem Erinnerungsfest der Freiwilligen, seinem Waffengefährten Goetze von Todesahnungen. Am 6. Febr. legte er sich an einer Beininfektion nieder, es trat eine Lungenentzündung hinzu, die nach wenigen Tagen zum Tode führte. Auf seinem Krankenlager beschäftigte er sich noch viel mit Preußens Zukunft. Die letzten Worte galten seinem König, sie waren Dank

Stolbergs Tod.

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und Abschiedsgruß zugleich. Treu seinem Könige und Gott hatte er gelebt und so durfte er auch sterben. . . . Die Anteilnahme war eine allgemeine. Es zeigte sich jetzt, daß Stolberg sich viele Freunde zu erwerben gewußt hatte, fast mehr noch in der Stille als in der breiten Öffentlichkeit. Der König und seine Familie waren sehr erschüttert. Bei der großen offiziellen Trauerfeier knieten König und Königin lange Zeit am Sarge, um ihn beim Abschied zu küssen. Dann wurde die Leiche nach Wernigerode übergeführt und dort am 15. Febr. beigesetzt. Als man den Sarg in die Erde senkte, machte sich nach einer zeitgenössischen Schilderung ungestümes Schneewetter auf „und warf weiße Flocken auf den schwarzen Sarg und das schwarze Bahrtuch, also daß Graf Anton zu Stolberg begraben ward in schwarz und weiß in den geliebten Farben Preußens, für die er geblutet und gestrebt, gewirkt und gelebt, ein ganzes, edles, schönes Leben lang."84) Man konnte dem regierenden Grafen Henrich den Heimgang seines Bruders nicht mehr mitteilen, da er selbst schwer erkrankt war und schon nach wenigen Tagen seinem Bruder in den Tod folgte. Friedrich Wilhelm IV. setzte seinem Freunde folgende Grabinschrift: Dem theuersten Andenken Antons Grafen zu Stolberg Wernigerode seinem unvergeßlichen Freunde, Waffengefährten und Rathe in der Liebe, die uns erlöset hat und stärker ist als der Tod. Friedrich Wilhelm IV. König von Preußen. A. D. MCCCLIV. Es erscheint nicht zufällig, daß Friedrich Wilhelm IV. so kurz hintereinander seine beiden Freunde Radowitz und Stolberg verlor. Hatte er in dem einen den meisterhaften Ordner und Vollstrecker seiner Gedanken gesehen, wenn das in gewisser Hinsicht auch auf einer Täuschung beruhte, da Radowitz im Grunde etwas ganz anderes als der König wollte, so war ihm der andere der treue und unerbittliche Gewissensberater, dessen Tod vielleicht für sein Leben eine noch schmerzlichere Lücke riß. Friedrich Wilhelm IV. war einsam, bevor die Umnachtung seines Geistes ihn völlig von der Außenwelt abschloß. Die Zeit, der er angehörte, die Anschauungen, in denen er lebte, gingen dem Ende zu. Denn nur scheinbar war das Alte wiederhergestellt worden, eine Generation war inzwischen aufgewachsen, die auch

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Zusammenfassung.

in ihren konservativen Elementen weit realistischer zu denken begann und sich vom Romantischen, vom übertont Gefühlsmäßigen mehr und mehr abwandte. Der größte Vertreter und zugleich der stärkste Bildner dieser Periode wurde Bismarck. Wir haben auch bei Wilhelm I. den Glauben an das Königtum von Gottes Gnaden, doch schon bedeutet dieser bei ihm etwas wesentlich anderes als bei Friedrich Wilhelm IV., seine gefühlsmäßige Einstellung zu seinen Dienern und Beratern ist doch grundverschieden von der seines Bruders. Unter Kaiser Wilhelm I. waren Beziehungen solcher Art, wie sie zwischen Stolberg und Friedrich Wilhelm IV. bestanden, kaum noch möglich. Denn wir sahen, daß in dieser Freundschaft eine ganz eigenartige Vereinigung germanischer und preußischer Treuverhältnisse vorhanden war. Wie der Offizier zum Obersten Kriegsherrn, wie der Vasall zum Lehnsherrn, wie der gläubige Christ zum Gesalbten des Herrn, so standen Stolberg und der König zueinander, und so gingen sie miteinander durch das Leben. Das macht das Gesamtbild so deutsch und auch wieder so preußisch. Das läßt uns die Ideale der Königstreue, der uneigennützigen Hingabe ans Vaterland, die auch noch auf spätere Zeiten mächtig nachwirkten, hier ganz besonders rein erscheinen. Will man den preußischen und deutschen monarchischen Gedanken des 19. Jahrhunderts ganz verstehen, so wird man an solchen menschlichen Beziehungen nicht vorbeigehen dürfen.

ANMERKUNGEN. I. T e i l . L e b e n u n d W i r k s a m k e i t b i s z u r

Revolution.

1) F ü r K i n d h e i t und e r s t e J u g e n d j a h r e wurden hauptsächlich Aufzeichnungen von Luise von Schönberg, der Schwester des Grafen Anton, benatzt.*) Dieselbe, Graf Christian Friedrich und Gräfin Auguste Eleonore zu Stolberg-Wernigerode, als Manuskript für die Familie gedruckt. F ü r die F r e m d h e r r s c h a f t u n d die B e f r e i u n g s k r i e g e . E . Jacobs, Von der französischen Revolution bis Waterloo. Wernigeroder Erinnerungen aus der Zeit von 1797 bis 1815. Wernigerode 1914 sowie H. Drees, Wernigerode in der Franzosenzeit. Wernigerode 1907; derselbe, Geschichte der Grafschaft Wernigerode, Wernigerode 1916. Auch die Briefe des Prinzen Wilhelm des Älteren an seine Gemahlin sind aufschlußreich (Hohenzollernjahrbuch 1915 und 1916). 2) W. E . P e s c h e l und E. W i l d e n o w , Theodor Körner und die Seinen. Leipzig 1898, 2' Bde., I, 109ff. und 139f. 3) A. W e l l m e r , Gräfin Anna zu Stolberg-Wernigerode. Bielefeld und Leipzig 1873, S. 33. 4) Vgl. über die Familienbeziehungen Beilagen Nr. IV. Abgesehen von einer gewissen äußeren Aufmachung hat man sich das Leben in den Häusern der hohen Aristokratie in dieser Zeit äußerst einfach vorzustellen. 5) A. v. R o m b e r g , Sophie Gräfin Schwerin (geb. v. Dönhoff). Berlin 1908—24, 3 Bde. I, 4 1 1 . 6) M. S c h u l t z e , Standhaft und treu. Karl v. Roeder und seine Brüder in Preußens Kämpfen von 1806—1815. Berlin 1912, S. 241 f. 7) Stolberg an Graf Christian Friedrich, 6. April 1823. 8) W e l l m e r , a . a . O . S. 38f. 9) Vgl. zum Pietismus L . T h i e s m e y e r , Die Erweckungsperiode in Deutschland während des 19. Jahrhunderts, Bd. 1—3. Kassel 1904 und 1909. J . K i ß l i n g , Der deutsche Protestantismus 1817—1917, 2 Bde. Münster 1917. (Katholischer Standpunkt.) Aufsatz in der Realenzyklopädie für protest. Theologie, Bd. X V , S. 747—815; s. ferner Fr. M e i n e c k e , Weltbürgertum und Nationalstaat. München 1 9 1 1 . 2. Auflage, S. 2 i 6 f f . Derselbe, Bismarcks Eintritt in den christlich-germanischen Kreis. Hist. Ztschr., Bd. 90, und E . M a r c k s , Bismarck, I. Bd. Stuttgart 1 9 1 1 , S. 251 ff. 10) In einem Schreiben Stolbergs an Friedrich Wilhelm IV. v. 30. Dez. 1844 empfiehlt er eine Persönlichkeit für einen Posten mit der Begründung, daß er „frei von jeder Pietisterei" sei. Vgl. auch Aufzeichnungen Ludwig v. Gerlach, Schwerin 1903, I, 1 1 7 . •) Abkürzungen für Fürstl. Archiv = F. A., Hausarchiv = H. A., Geheimes Staatsarchiv = St. A., Gerlach = Leopold v. Gerlach.

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Anmerkungen.

n ) An Eberhard St., 8. März 1843. Vgl. hierzu Ludwig G e r l a c h , I, 98 und 109. 12) Vgl. die sehr gute Bemerkung bei O. S p e n g l e r , Preußentum und Sozialismus. München 1920, S. 29. 13) Zweifellos sind in der christlichen Liebestätigkeit auch Einflüsse des Auslandes tätig gewesen. So war z. B . Miss Fry, die im Gefangenenwesen arbeitete, längere Zeit im Wuppertal. Friedrich Wilhelm IV. und Anton Stolberg besuchten sie auf ihrer Reise im Jahre 1842 in England. 14) Stolbergs religiöse Entwicklung läßt sich in seinem Briefwechsel mit Luise von Schönberg (F. A. J . 222) verfolgen. 15) Elise v. B e r n s t o r f f , Ein Bild aus der Zeit von 1789—1835. Aus ihren Aufzeichnungen. Berlin 1895, S. 326. 16) Briefwechsel zwischen König Johann von Sachsen und den Königen Friedrich Wilhelm IV. und Wilhelm I. von Preußen. Leipzig 1 9 1 1 , S. 296. 17) E . B e r n s t o r f f , Ein Bild aus der Zeit, S. 203. 18) A. a. O. S. 333. 19) E . F e c k e s , Dorothea Herzogin von Dino und Sagan, ihr Leben usw. Krefeld 1917, S. 83. 20) H. v. P e t e r s d o r f f , Kleist-Retzow. Stuttgart und Berlin 1907, S. 189. 21) L . v. d. M a r w i t z , Leben am preußischen Hofe, S. 223ff. u. 345ff. 22) Dabei ist zu berücksichtigen, daß vermutlich eine größere Anzahl von Briefen in Verlust geraten ist. 23) Vgl. Fürstin E. R e u ß , Friederike Gräfin von Reden, ein Lebensbild nach Briefen und Tagebüchern. 2 Bde. Berlin 1888. 24) Aufzeichnungen Ludwig G e r l a c h , I, 135. 25) An Fr. W. IV., 22. Okt. und 8. Nov. 1826. Auch in intime Angelegenheiten des Hohenzollernhauses griff Anton Stolberg schon damals beratend ein. 26) Für die Radziwill-Episode waren die Hauptquellen Briefe des Grafen Anton Stolberg an den Prinzen von Preußen (W. I.) (H.A., Rep. L I , Nachlaß J.), u. a. die Schreiben vom 1 1 . Sept. 1822, 28. Juli, 5. April, 26. April 1823; 3. März, 31. Okt., 5. Dez. 1824; 15. März 1825 und 3 Nov. 1828. Briefe des Prinzen von Preußen waren leider nicht vorhanden. Vgl. auch O. B a e r , Elisa von Radziwill, Berlin 1907, und B. Hennig, Elisa Radziwill, Ein Leben in Liebe und Leid. Unveröffentlichte Briefe aus den Jahren 1820—1824. Berlin 1 9 1 1 . 27) Das Folgende hauptsächlich nach Akten über Mißverständnisse mit dem Oberpräsidenten von Merckel im Jahre 1830 (F. A., J . 224). Dazu Schreiben Stoibergs an Fr. W. IV. vom 16. Febr. 1828 (H. A., Rep. 50 J.—s.) und an Henrich Stolberg vom 23. Febr. 1828. 28) (F. A., J . 221) Merckel fehlte es an und für sich nicht an sozialem Verständnis. Vgl. über ihn Allgem. Deutsch. Biogr., Bd. X X X I , 4o6ff. 29) Konzept und Bruchstück s. A. 16. Nov. 1831, wohl für einen politischen Freund bestimmt. 30) An Henrich Stolberg, 30. Mai 1831.

Anmerkungen.

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31) An Fr. W. IV., 1 1 . Nov. 1833. Vgl. hierzu auch T r e i t s c h k e , Dtsch. Gesch., Bd. IV, S. 554—556. 32) T r e i t s c h k e , a. a. O. Vgl. auch v. d. M a r w i t z , Vom Leben am preußischen Hofe, S. 405. 33) Über die Beziehungen des Pietismus zum Katholizismus. Vgl. u. a. den Aufsatz in der Realenzyklopädie für protest. Theol., Bd. X V , 794 ff.; s. a. M e i n e c k e , Radowitz, S. 20. 34) Nach einem Schreiben an Fr. W. IV. vom 18. Juni 1846. 35) W e l l m e r , a . a . O . S. 33t. 36) A. a. O. und Georg F l i e d n e r , Theodor Fliedner, sein Leben und Wirken. Kaiserswerth 1908—10. 2 Bde. I, 7 ff. 37) Vgl. T r e i t s c h k e s Charakteristik, Dtsch. Gesch., Bd. V, 18. 38) Über Droste-Vischering und seine Stellung zum Konflikt vgl. Aufs. v. M i r b t in Realenzyklopädie für prot. Theol., V, 2 3 f f „ Stoibergs Teilnahme an den Beratungen über die katholischen Angelegenheiten nach Akten aus den Jahren 1835—1845 (St. A., Rep. 89, E. VII, XIV, X V und X V I sowie der Nachlaß des Ministers von Thile, Rep. 92). Vgl. auch B u n s e n , Leben, I, 482 ff., M a r w i t z , a . a . O , 2 5 3 f f . s o w i e T r e i t s c h k e , Dtsch. Gesch., Bd. IV, 697 ff. 39) Stolberg an Cuny, 16. Dez. 1837. Bei T r e i t s c h k e , Dtsch. Gesch., IV, 698, abgedruckt. 40) Ludwig G e r l a c h , I, 246. 41) Vgl. Treitschkes abweichende Auffassung über Hüsgens Rolle im Kölner Konflikt, Dtsch. Gesch. IV, 699 f. 42) Vgl. Aufsatz M i r b t , Droste-Vischering, Realenzyklopädie für prot. Theol., 43) Darin lag auch ein Teil der Schwierigkeiten, die Anton St. am Rhein zu überwinden hatte. 44) M a r w i t z , Leben am preuß. Hofe, S. 345t., und Ludwig G e r l a c h , I, 266 f f . 45) R a n k e , Bunsen Briefwechsel, S. 86, und B u n s e n , Leben, II, 128. Vgl. auch v. d. M a r w i t z , a. a. O. S. 294. 46) Bei T r e i t s c h k e , Dtsch. Gesch., Bd. IV, in Beilagen S. 756 abgedruckt. 47) R o m b e r g , Sophie Schwerin, II, 82. Zur Erwartung auf Fr. W. IV. Vgl. P e t e r s d o r f f , Friedrich Wilhelm IV. Stuttgart 1900, S. 31 ff. — S. auch R e u ß , Gräfin Reden, I, 3 1 1 ff., und andere zeitgenössische Memoiren. 48) P e t e r s d o r f f , Kleist-Retzow, S. 18. 49) Konflikt Wittgenstein: Schreiben an Fr. W. IV. von 1842—1846 (H. A. Rep. 50 J . s. und Rep. C. J.—s.). S. auch N a t z m e r , a. a. O. I I I , 4. Über die innere Struktur des Kabinetts vgl. den Aufsatz von Meißner, „Zur neueren Geschichte des preußischen Kabinettes", Forschungen zur brandenburgisch-preußischen Geschichte, Bd. 36, I, S. 33 ff. 50) Helmuth R i e m a n n , Preußens Domänenpolitik von 1809—1909. Saarbrücken 1920, S. 1 1 ff.

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Anmerkungen.

51) An Fr. W. IV., 16. Mai, 2. Juni 1844, an die Königin 31. Mai 1844 (Konzept), an Thile 16. Mai 1844; zur schlesischen Reise an Fr. W. IV., 2. Juli, 23. Aug. und 31. Aug. 1846 (St. A. Rep. 92, Thile I3ff., und H. A. Rep. 50 J.—s.). 52) Vgl. günstiges Urteil Stolbergs aber Senfft-Pilsach. P e t e r s d o r f f , Kleist-Retzow, S. 230. Senfft-Pilsach war damals dem Hausministerium zugeteilt. 53) Auch Landtagsabschiede des Jahres 1843 lehnten bekanntlich alle Anträge ab, die allgemeine Landesangelegenheiten betrafen. Der König würde sich in seine Pläne nicht hineinreden lassen. Vgl. T r e i t s c h k e , Dtsch. Gesch. V, 261. 54) Vgl. v. d. Marwitz, a. a. O. S. 219. 55) Zu den Auseinandersetzungen zwischen Schön und Rochow vgl. T r e i t s c h k e , Dtsch. Gesch., V, 158 ff., und v. d. Marwitz, a. a. O. S. 411 ff. 56) Randbemerkung Fr. W. IV. auf Schreiben Stolbergs vom 14. Dez. 1844. 57) Zum folgenden: Akten aus den Jahren 1835—1845 und der Thilenachlaß sowie Originalschreiben des Grafen Anton an den König nebst dessen Antworten aus dem Kreppelhofer Nachlaß. 58) Stolberg an Cuny, 12. Jan. 1841 (Treitschke, Dtsch. Gesch., V, 60). 59) Leopold Gerlach, I, 81. 60) T r e i t s c h k e , Dtsch. Gesch., V, 60. 61) Stolberg an Radowitz, 8. März 1847, und Radowitz an Stolberg, 13. März 1847. Hassell, Joseph Maria v. Radowitz, I. Bd., Berlin 1905, S. 428. 62) Vgl. E. Mareks, Kaiser Wilhelm I., Leipzig 1899, S. 65. 63) Fr. W. IV. an Bunsen, 24. März 1840 u. 29. Aug. 1850. R a n k e , Briefwechsel, S. 46 ff. u. 335 ff. 64) T r e i t s c h k e , Dtsch. Gesch., V, 318. 65) Gutachten im Konzept ohne Datum. 66) Berichte an Fr. W. IV. vom Februar 1848 (H. A. Rep. 50, J.—s.). II. Teil. Die R e v o l u t i o n und ihre A u s w i r k u n g e n . 1) Vgl. Entwicklung seit 14. März bei F. R a c h f a h l , Deutschland, König Friedrich Wilhelm IV. und die Berliner Märzrevolution, Halle 1901, S. 121 f. 2) P e t e r s d o r f f , König Friedrich Wilhelm IV., S. 18 und 75. 3) Die Schilderung ist einer längeren Aufzeichnung über das Jahr 1848 entnommen. Da die in direkter Rede wiedergegebenen Sätze die charakteristische Sprechweise des Grafen Anton zeigen, so möchte man fast vermuten, daß Graf Theodor kurz nach dem Erlebnis die Worte aufgeschrieben hat. Dabei sind sachliche Irrtümer selbstverständlich nicht ausgeschlossen, da auch an einer anderen Stelle der Aufzeichnung eine Datumsverwechslung vorliegt. Immerhin spricht doch manches dafür, daß am 16. März

Anmerkungen.

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eine g e h e i m e S i t z u n g s t a t t g e f u n d e n h a t . Vgl. d a z u G e r l a c h , I, 133, u n d K a c h f a h l , F r i e d r i c h W i l h e l m IV., S. 1 2 1 ; a u c h W . B u s c h , D i e B e r l i n e r M ä r z t a g e , M ü n c h e n u n d L e i p z i g 1899, S. 109, d e u t e t a n , d a ß a m 16. M ä r z eine solche G e h e i m s i t z u n g s t a t t g e f u n d e n h a t , d a ß a b e r k e i n e n ä h e r e n A n g a b e n zu f i n d e n seien. D i e R o l l e M i n u t o l i s i n d e n V o r m ä r z t a g e n ist n i c h t g e k l ä r t . Vgl. d e n A u f s a t z i n d e r Allg. D t s c h . Biogr., B d . X X I , S. 772 f. 4) G e r l a c h , I, 368, b e z e i c h n e t Stolberg, T h i l e u n d E i c h h o r n als d i e Entschiedenen. 5) G e r l a c h , I, 696. 6) O l d w i g v. N a t z m e r , D e n k w ü r d i g k e i t e n u n t e r d e n H o h e n z o l l e r n , 4 B d e . , G o t h a 1887—1889, I I I , 206. 7) E . H e s e k i e l i n d e r P r e u ß i s c h e n Z e i t u n g v o m 17. M ä r z 1854 (Beilage). 8) E s k a n n sich h i e r n u r u m d e n bei G e r l a c h , I I , 145, u n d N a t z m e r , I I I , 203, e r w ä h n t e n F l u c h t v e r s u c h h a n d e l n , d e r a m N a c h m i t t a g des 20. M ä r z v o n A r n i m v e r e i t e l t w u r d e . Vgl. a u c h R a c h f a h l , D e u t s c h l a n d , F r i e d r i c h W i l h e l m I V . usw., S. 249 ff. A. W o l f f , B e r l i n e r R e v o l u t i o n s - C h r o n i k , Berlin 1 8 5 1 , I, 285, u n d B u s c h , a. a. O. S. 43. 9) G e r l a c h , I, 145, u n d P e t e r s d o r f f , F r . W . IV., S. 2 4 6 f f . 10) G e r l a c h , I, 701, u n d L u d w i g G e r l a c h , I, 5 1 5 . 11) G e r l a c h , I, 701. 12) A. S t e r n b e r g , A u s d e r B i e d e r m e i e r z e i t , B e r l i n 1919, S. 216. 13) A. R o m b e r g , G r ä f i n S c h w e r i n , I I , 186. 14) G o e t z e , Meine E l t e r n u n d V o r e l t e r n , W e r n i g e r o d e 1895, S. 245. 15) A. a. O. S. 195. 16) Vgl. v e r s c h i e d e n e Ä u ß e r u n g e n ü b e r seelische D e p r e s s i o n e n F r i e d r i c h W i l h e l m s I V . bei R a c h f a h l , D e u t s c h l a n d usw., 149 f f . ; vgl. a u c h P e t e r s d o r f f , F r i e d r i c h W i l h e l m IV., S. 75, u n d B u s c h , M ä r z t a g e , S. 3917) D i e P o l i t i k des E f f a z i e r e n s w a r d e m K ö n i g a l l e r d i n g s a u c h v o n R a d o w i t z g e r a t e n w o r d e n . Vgl. M e i n e c k e , R a d o w i t z , S. 74; f ü r d e n K ö n i g selbst a u f e r l e g t e B u ß e vgl. bei D i e s t , Meine E r l e b n i s s e i m J a h r e 1848, B e r l i n 1898, S. 11, a n g e b l . Ä u ß e r u n g des H o f p r e d i g e r s S t r a u ß : „ W e r sich selbst e r n i e d r i g t , d e r soll e r h ö h e t w e r d e n " , d i e d i e E i n s t e l l u n g des Königs kennzeichnet. 18) E i n e n gewissen U n t e r s c h i e d zwischen s e i n e n R a t g e b e r n m a c h t e der K ö n i g allerdings s c h o n v o r d e r R e v o l u t i o n . Vgl. d a z u A u f z e i c h n u n g e n des P r i n z e n v o n K r a f t z u H o h e n l o h e - I n g e l f i n g e n , B e r l i n 1897 bis 1905, 2 B d e . , I I , 4. 19) F r . W . I V . a n C a m p h a u s e n , 20. Mai 1848. B r a n d e n b u r g , Briefwechsel, B e r l i n 1906, S. I 0 4 f f . 20) M e i n e c k e , W e l t b ü r g e r t u m , S. 407, A n m . 3. 21) A n s p r a c h e F r . W . I V . v o m 5. F e b r u a r 1850. R e d e n , P r o k l a m a t i o n e n usw. K ö n i g F r . W . IV., B e r l i n 1851, S. 66 f. 22) G e r l a c h , I I , 81. 23) G e r l a c h , I, 708.

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Anmerkungen.

24) Vgl. Fr. W. IV. an Camphausen, 20. Mai 1848, Brandenburg, Briefwechsel, S. 104ff., sowie an Bunsen, 13. Mai 1848, R a n k e , Briefwechsel, S. 184 ff. 25) Proklamationen usw., S. 5, 2, 8, 36 ff. 26) G e r l a c h , II., 16 u. 66, P e t e r s d o r f f , Fr. W. IV., S. 6ff. 27) Vgl.hierzu christlich-ständische Idee, F . M e i n e c k e , Weltbürgertum, S. 331, ders. die Tagebücher des Generals von Gerlach, Hist. Zeitschr., B . 70, und Bismarcks Eintritt in den christlich-germanischen Kreis, Hist. Zeitschr., Bd. 90. 28) Vgl. auch Fr. W. IV. an Bunsen, 27. Dez. 1848, H a n k e , Briefwechsel, S. 241 ff. 29) P. H a a k e , Joh. P. Ancillon und Kronprinz Friedrich Wilhelm IV. von Preußen, München 1920, S. 69. 30) Fr. W. IV. an Camphausen, 20. Mai 1848. 3 1 ) Leopold G e r l a c h , I, 189. 32) Vgl. B r a n d e n b u r g , "Untersuchungen und Aktenstücke, Leipzig 1916, S. 59ff. u. 81 ff. R a c h f a h l , Deutschland usw., 1 3 1 ff., und M e i n e c k e , Weltbürgertum, 347 ff. Zum vorliegenden Brief Schreiben Fr. W. IV. an Camphausen, 20. Mai 1848. B r a n d e n b u r g , Briefwechsel, S. 104, und an Bunsen, 13. Dez. 1848, R a n k e , Briefwechsel, S. 233 ff. 33) Denkwürdigkeiten aus den Papieren des Freiherrn Christian Friedrich von Stockmar, 2 Bde., Braunschweig 1872, I, 343. 34) A. a. O. II, 489ff. Vgl. auch M e i n e c k e , Weltbürgertum, 358ff. 35) G e r l a c h , I, 309, und Ludwig G e r l a c h , II, 44. 36) Vgl. zum Verhaltendes Königs nach dem Zeughaussturm B r a n d e n b u r g , Reichsgründung, 2 Bde., Leipzig 1916, II, 2 3 i f f . 37) E s handelt sich um die Trierer und Posener Amnestie. 38) Fr. W. IV. an Camphausen, 20. Mai 1848. 39) B r a n d e n b u r g , a. a. O. II, 238. 40) Vgl. Fußnote zu Brief Fr. W. IV. an Stolberg vom 23. Okt. 1848, Beilage I, S. 1 2 1 . 41) P e t e r s d o r f f , Fr. W. IV., 203ff. 42) Stolberg hatte viel Verständnis für die überragende Stellung des englischen Premierministers. Vgl. G e r l a c h , I, 406. 43) Ludwig G e r l a c h , II, 44. 44) Vgl. G e r l a c h , I., 90, Stolberg war an der Entstehung der Kamarilla nicht unbeteiligt, vgl. seinen Vorschlag an Ludwig G e r l a c h , II, 42. 45) G e r l a c h , I, 406. 46) Vgl. G e r l a c h , 1 , 2 2 1 ff. Ludwig G e r l a c h , II, i s f f . , M e i n e c k e , W e l t b ü r g e r t u m , S . 399ff.

47) G o e t z e , a. a. O. S. 249. 48) G e r l a c h , I, 392. 49) Beide Schreiben an Henrich St. Über separatistische Strömungen im Rheinland vgl. M e i n e c k e , Radowitz, S. 239ff., und Weltbürgertum, S. 420 ff. 50) Vgl. über Eberhard Stolberg Aufsatz in der Allg. Dtsch. Biogr., Bd. X X X V I , 391 ff.

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Anmerkungen.

51) Eingaben vom Juli und September 1^49 ans Oberpräsidium (Abschrift). 52) Gerlach, I, 391. 5 3 ) A. a. O. I, 3 9 2 . 54) Vgl. Dehio, Die politischen Ideen Edwin von Manteuffels. Hist. Zeitschr., Bd. 131, 1. Heft, S. 41 ff. 55) Meinecke, Radowitz, S. 360f. 56) Damit sind wohl die Kamarillapläne gemeint nach Ablehnung der Propositionen das Ministerium in ihrem Sinn umzubilden. Vgl. Meinecke, Radowitz, 363 ff. 57) An Henrich St., 30. März 1850. 58) Meinecke, Radowitz, S. 392. 59) A. a. O. S. 3 9 4 . 60) Hassell, Radowitz, I, 316. 61) Dehio, Edwin von Manteuffels politische Ideen, Hist. Zeitschr., Bd. 1 3 1 , S. 5 5 . 62) Gerlach, I, 589ff. 63) A. a. O. 794. 64) Gerlach, I, 368. 65) Gerlach, I, 617ff. 66) R e u m o n t , Aus Fr. W. IV. kranken und gesunden Tagen, Leipzig 1 8 8 5 , S. 3 1 9 . 67) An Fr. W. IV., 16. Juni 1851 (Konzept), Namen werden nicht genannt. 68) Vgl. zum Konflikt Poschinger, DenkwOrdigkeiten des Ministers von Manteuffel, Berlin 1901, II, 67ff., und G e r l a c h , I, 675ff. 69) Gerlach, I, 724. 70) Zu den Auseinandersetzungen des Prinzen von Preußen mit der Pietistenpartei vgl. u. a. Mareks, Wilhelm I., S. 98ff., und P e t e r s d o r f f , Kleist-Retzow, S. 234 ff. 71) Manteuffel wollte das Staatspräsidium neu beleben. P o s c h i n g e r , a. a. O. II, 58, Fußnote (Antwortschreiben des Prinzen von Preußen, II. 59).

72) A. a, O. S. 59, Fußnote 2. 73) Vgl. Gerlach, I, 725ff., Poschinger, a. a. O. II, 135U. Ludwig Gerlach, II, I 3 7 f f . , und P e t e r s d o r f f , Kleist-Retzow, i76ff. S. auch J o r d a n , Fr. W. IV. und der preußische Adel bei der Umwandlung der Ersten Kammer in das Herrenhaus, Berlin 1909. 74) Wie groß diese Rolle gewesen ist, würde vielleicht die Einsicht in die Briefe Stolbergs an die Herzogin von Sagan ergeben, die nach Angaben von Feckes, Herzogin von Sagan, 2 8 o f f . , gerade für diese Zeit in beträchtlicher Anzahl im herzoglichen Archiv zu Sagan liegen. 75) Gerlach, I, 727. 76) v. P e t e r s d o r f f , Kleist-Retzow, S. 225. Kleist war damals schon der Schwiegersohn Anton Stolbergs. 77) Ludwig Gerlach, II, 141. 78) Gerlach, I, 743. Beiheft d . H . Z . 8.

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Anmerkungen.

79) Der König hatte am 19. Januar 1850 die Ernennung der erblichen Mitglieder, der persönlichen wie der Korporationen als sein Recht in Anspruch genommen. In der Verordnung vom 12. Okt. 1850 bestimmte er die Zahl der erblichen Mitglieder sowie auch die Korporationen, die Vertreter präsentieren durften. Er hatte also sein Ziel erreicht. 80) v. P e t e r s d o r f f , Kleist-Retzow, 1 9 1 . 81) A. a. O. S. 189. 82) A. a. O. S. 191. 83) v. P e t e r s d o r f f , Fr. W. IV., S. 183. 84) H e s e k i e l , In der Beilage der Nr. 69 der Neuen preußischen Zeitung vom 23. März 1854.

BEILAGEN. (Bei den Originalbriefen ist die Rechtschreibung des betreffenden Schreibers beibehalten worden, dagegen die Zeichensetzung modernisiert.)

Nr. I. Briefe König Friedrich Wilhelms IV. von Preußen an den Hausminister Grafen Anton zu Stolberg-Wernigerode aus den Jahren 1848—1852. Originale im Königl. Hausarchiv. Charlottenburg. Rep. C . — J — S . Berlin, den 27. Februar 1848. Dagegen ist Politisch Mitternacht geworden wie an 30. Louis Philippe 1 ) zur Abdankung gezwungen, Helene Regentin für ihren Sohn, Odilon Barrot2) Bildener des neuen Ministeriums, die Constitution durch Übergang Nemours3) gebrochen. Kommen Sie Morgen, um 10 oder v o r 10. Um 10 ist Rath bei mir. Es werden wichtige Entschlüsse gefaßt werden. Der Herr, der meine einzige Zuversicht ist, wolle das W o l l e n u. das Vollbringen geben.4) Potsdam, 28. März 1848. Ach, geliebtester Freund, was erfahre ich eben jetzt von Keller! Es ist mir wie ein neuer böser Traum! Und doch werden die Thränen um Ihre geliebte Friedericke5) sanfter, wohlthuender fließen, als so manche, die Sie Alle in diesen verhängnisvollen Tagen vergossen haben. ') Louis Philippe (1775—1850) regierte von 1830—1848. *) Camille Hyacinthe Odilon Barrot, französischer Staatsmann 1797—1873. ') Louis Charles Philippe Raphael d'Orleans, duc de Nemours, zweiter Sohn von Louis Philippe 1814—1896. 4) Das Resultat der Beschlüsse war die Sendung von Radowitz nach Wien, um gemeinsame Vorbereitungen gegen einen evtl. Angriff Frankreichs vorzuschlagen. ') Anton Stolbergs Tochter, gest. 27. März 1848. 8*

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Beilagen.

Es weint sich sanft und tröstlich, um ein geliebtes Kind, das ein Kind Gottes ist, und das der Herr, der Seeligmacher und Todesüberwinder in Sein Leben aufgenommen hat. Ich küsse der Gräfin weinend die Hand, und grüße Alle Ihrigen und umarme Sie, geliebtester Anton, aus vollstem, treuesten Freundesherzen. Geb uns der Herr ein baldiges gesegnetes Wiedersehen! Ihr treuer Freund F. W. Wie steht's im Harz? Potsdam, 3. May 1848. Ich sende Ihnen hier einen innigsten FreundesGruß durch Keller und hoffe durch ihn auf ein paar Zeilen von Ihnen. Meine und der geliebten Elise Gesundheit hat sich wunderbar gestärkt, doch fehlt es an Ärger nicht. So bin ich gerade heute ganz matt und erschöpft vor Anstrengung und Ärger und Kummer und schwerster Besorgnis für die Zukunft, Teutschlands zumal. Ich habe eben in Berlin eine harte Scene mit Minister Arnim2) über die teutschen Angelegenheiten gehabt. Dahlmann hat mir geschrieben, daß, wenn sich die Fürsten über gewisse Vorfragen nicht einigten und die, durch die Souveraine abgemachten Sachen nicht als solche vor das sogenannte Parlament!!! (daß sich Gott erbarme III) brächten, so würde das Volk im Parlament die thörichsten Dinge durchsetzen, die bald zur Republik und durch sie, zur vollsten Anarchie führen würden. Ebenso schrieb mir der König von Sachsen. Doch war Alles das nicht nöthig, denn ich hatte es längst mit klarem Blick erkannt, u. seit Wochen darauf gedrungen. Dahlmanns publizierter ReichsVerfassungsplan*) gab meiner Uberzeugung neue Kraft. Heut nun hab' ich Arnim Nachmittags nach Berlin kommen lassen und ihm befohlen, incontinente an die königl. und dem kayserl. Hof zu schreiben und sie aufzufordern, über folgende Punkte einig zu werden und sie am 18. d. M.'s als souveraine Beschlüsse vor das Sauparlament zu bringen: 1) erbl. Kayserthum in der Person des jedesmal. Hauptes des Erzhauses Österreich, 2) feste Constituirung des Fürsten- oder Oberhauses, um dagegen, dem Parlament die Constituierung des Unterhauses zu überlassen. Suum cuique. 3) feste Constituirung der HeeresVerfassung durch ') Vgl. die Briefe des Königs an Camphausen, 6. Mai, Briefwechsel S. 63, 7. Mai, a.a.O. 70ff., und an Dahlmann, 3. u. 4.Mai, Springer 2, 241 f. *) Heinrich Alexander v. Arnim (1798—1851). *) Dahlmanns Entwurf in Kleinen Schriften S. 378 abgedruckt.

Beilagen.

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milit. ReichsHerzogthümer 4 für Oesterreich, 4 für Preußen, 6 für das übrige Reich und womöglich Erklärung Preußens zum erbl. Reichs Erzfeldherrn Amt über diese Herzogthümer mit Ausnahme natürlich der kayserl.1) Arnim erklärte gar nichts thun zu wollen und warum ? Weil er gegen menen fest ausgesprochenen übergut motivirten Willen, mir!!!!!! das Kayserthum geben lassen will und deshalb in der Unthätigkeit verharren will, damit Teutschland, die Krone in der Hand zu mir kommen soll und es nicht aussähe, als forderte ich die Krone, auf der anderen Seite aber Schweigen und Unthätigkeit, um durch mein Votum für Österreich, die Krone demselben nicht auf den Kopf zu locken. Mit einem Worte, anders angewandt, dieselbe Gloriole, die uns a° 6 zu Grunde gerichtet hat.!! 11!!! Dabey in Arnim keine Spuhr von seinen MinisterPflichten, von Gehorsam gegen mich. Ich bin krank vor Ärger und Kränkung.2) Ich nehme die Krone nicht an; Er weiß, alle Minister wissen es, aber sie glauben, ich heuchle. Und ich kann Gott zum Zeugen anrufen, daß ich es nicht will und zwar aus dem einfachen Grunde, weil Österreich aus Teutschland dann scheidet, wir über '/s T e u t s c h l a n d s und obendrein die ganze Macht Ostreichs für Teutschlands Ansehen und VertheydigungsKraft verlieren. Sehen Sie, ich beschwöre Sie, theuerster Freund, die Carte von Teutschland an, mit dem fehlenden Vorarlberg, Tyrol, Salzburg, Steyermark, Cämthen, Krayn, Istrien, Triest, Böhmen, Mähren und östr. Schlesien. Und dann sagen Sie, ob ein ächter Teutscher solche Gräuel dulden darf. Und nun die sträfliche Versäumnis, die Könige und Fürsten ihrer würdig bey dem Parlamente auftreten zu sehen und durch den gewollten SouverainitätsAkt nicht blos Respekt zu erringen, sondern das Vaterland vor der Allerschrecklichsten Conflagration zu bewahren.!!! Ich kann nicht mehr und bin dem W e i n e n v o r W u t h nahe. Ach wollte sich doch Gott über uns erbarmen und nicht den Thoren Preis geben. I Amen. Meine Zuversicht aber steht auf dem Namen des Königs der Könige, Unsers HErrn und Heylandes! Er läßt die nicht zu Schanden werden, die auf ihn trauen, und im Glauben anrufen. Thun Sie das mit mir und den Ihrigen. Empfehlen Sie mich Allen herzlichst! F. W. ') Die Abweichungen im königlichen Programm seit dem März vgl. Brandenburg, Untersuchungen S. 59 ff. ') Der Arger Aber Arnim fand in des Königs Brief an Camphausen vom 7. Mai besonders starken Ausdruck. Brandenburg, Briefw. S. 70 ff.

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Beilagen.

Potsdam, 14. May 1848. Ich sende Ihnen, Geliebter Freund, dies Blatt zurück, weil ich mir einbilde, daß Sie das wünschen1). — Sie theilen meinen Schmerz, Sie theilen aber nicht meine Hoffnungen und das schmerzt mich. E s macht mich nicht wankend, denn meine Hoffnung ruht nicht auf „weisem" Bück in die Zukunft, sondern in der Zuversicht, auf den Namen des lebendigen Gottes, unseres Heylandes. Das waren meine letzten Worte an Sie beym Scheiden in Berlin und ich forderte Sie zum Gebet auf in dem B e w u ß t sein des g e m e i n s a m e n B i t t e n s m i t m i r und allen denen, die auf die V e r h e i ß u n g b a u e n , welche solchem Gebete zugesagt ist durch den Mund der Ewigen Wahrheit selbst. Um so a u s s c h l i e ß l i c h e r unsere Zuversicht auf die Wendung der Dinge zum Heil, nur in den Verheißungen des HErrn gegründet sind und nicht auf Selbstvertrauen, umso herrlicher wird die Wendung zum Heyl sein, als sie es nach der Trübsal der 7 Jahre von 6 an gewesen ist. Die Siegesfreude war damals überschwenglich umso geringer die Freude, die der Friede vom „tanzenden Congreß" brachte. Wir saufen jetzt die Hefen der Wiener Congreß Sünden aus und sie sind schon herbe und bitter. Wendet der HErr aber die Trübsal, so geschiehts menschlicher Fürsicht nach durch Befestigung eines neuen, besseren, vor ihm gültigen Zustandes. Ich stehe vom Gebet täglich g e s t ä r k t und f r e u d i g gemacht auf, denn meine Zuversicht zu Ihm hat neue Nahrung erhalten, die den Blick auf die eigne Sündhaftigkeit nur trüben, a b e r nie erschüttern kann. Da haben Sie meinen inneren Zustand aufgedeckt vor Ihren Augen, geliebtester Anton. Möge der Ihrige dem meinen gleichen, wie ich Gott bitte, daß meine Sinnesreinheit der Ihrigen gleich werden mögel — Wenn es zu Felde geht so rechne ich auf Sie — ich irre mich nicht, theuerster Anton — Nicht wahr ? Gott mit Ihnen! Geliebtester, treuester, theuerster Freund. . , . . F. W. Hic in currus, hic in equites, nos autem in nomine domini! Anfang Juny 1848. All Ihre H o f f n u n g e n theile ich, Geliebtester Anton, zu einem j e d e n A u s d r u c k d e r s e l b e n sprech ich mit gläubigen Herzen Amen! Amen! Die eigene Schuld erkenne und bekenne ich so Antwort auf Stolbergs Brief vom 13. Mai, der König schrieb oft auf den gleichen Briefbogen.

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lebhaft und vielleicht lebhafter als Sie und die Schuld meiner alten, treuen (aber Schwierigkeit machenden, die Gefahr nicht erkennenden oder läugnenden) Räthe ist mir jetzt so klar wie vor dem 18. März. — Gott Lob! daß meinen geliebten Anton keine Schuld der A r t trifft, wie diese A r t S c h u l d auch mich nicht trifft, der ich täglich warnte, täglich auf Aczion drang, täglich befahl, von den lieben Verblendeten aber nicht gehört und nicht gehorcht wurde. Meine Schuld in d i e s e r Hinsicht ist keine andere, als die, Bodelschwingh nicht abgesetzt zu haben, und ist d a s eine S c h u l d zu nennen? Ich glaube gewiß: Nein. Und wär' ich heute ihm gegenüber in derselben Lage, in derselben Aufregung gegen seine Unthätigkeit, seine u n s e e l i g e Furcht, u n g e s e t z l i c h zu verfahren, wo die Gesetze für mich sprechen, so glaub' ich nicht anders handeln zu k ö n n e n . Denn einen so herrlichen Mann wie B. 1 ) zu prostituiren, dazu fehlt mir die Kraft. Ist das Schuld, so bekenne ich sie gern. Er war aus unrichtig angewendeter Charakterfestigkeit unthätig gegen die Verschwörer und sah sie mit offenen Augen nicht. Jetzt hab ich erfahren, was es heißt, mit Menschen zu thun zu haben, die aus Charakterlosigkeit, schlechten Grundsätzen, Feigheit, Thorheit unthätig sind — ! ! ! ! ! ! ! Doch weiter I Wenn ich a l l e I h r e Hoffnungen theile, so theilen Sie allerdings nicht alle m e i n e Hoffnungen. Ich hoffe — Gott allein weiß, ob ich mich irre — daß der Frevel und die Thorheit, namentlich Berlins, sich selbst ihr Grab graben, und daß Gott der HErr die Thoren und Frevler verwirren und mit dem Schwindelgeist schlagen wird. Das hoffen Sie nicht, wie ich deutlich sehe. Geschieht das aber, erhört der Herr mein täglich Flehen, „meine Schuld nicht Ursach des Ruins meines Volks und Reichs seyn zu lassen", dann bin ich auf dem Felde mit meinem unvergleichlichen Heer und meinem treuen, racheschnaubenden Land Volk der Marken, Pommerns, eines großen Theils von Sachsen und Schlesien und von ganz Preußen. Halten Sie etwa unser LandVolk, unser Heer für moralisch geringer, als sich jetzt die teutschen östreicher bewähren?2) ich nicht, bis ich das Gegentheil mit meinen Augen sehe. — Die Verfassungsmäßige Bahn verlasse ich nicht wieder, weil sie meiner Überzeugung entspricht und mir w e n i g s t e n s klar vom HErrn vorgezeichnet ist. Aber die Revoluzion will und werde ich mit den Waffen in der Hand bekriegen, sobald Gott l)

Bodelschwingh. *) Der König meint die Siege Radetzkys in Italien.

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Beilagen.

ihre Stunde schlagen läßt. Die Revoluzion steckt aber allein in Berlin. Dort gestürzt, stürzt sie in Breslau und in anderen wenigen Städten, die ihr gesinnungslos huldigen.1) — Dies Bekenntnis war ich meinem geliebten treuesten Freund schuldig. Ruf ich mein treues Volk zu den Waffen für Recht, Ordnung, Freyheit und Hohenzollern, so werden die HarzGrafen meine Stimme hören und sie, in ihre Thäler und Berge Widerhall hineinrufend, verdoppeln, verzehnfachen. Das hoffe ich und das sagen Sie den Harzgrafen ins Ohr. Der Satan ist gerichtet. Ein Wörtlein kann ihn fällen. Gewiß und wahrhaftig für das Heil jeder gläubigen Seele. Warum auch nicht für Länder, in denen er ein großes Volk von Bekennern hat? Mehr als a° 6—13? Meine Hoffnung steht nicht auf Rosse und Wagen, aber auf den Namen des HErrn. Für jene, wie für diese Welt! Da werd ich nicht zu Schanden, Amen! F. W. Sanssouci, 23. Oktober 1848. Ihre herrlichen Worte zu meinem 53. Geburtstage sind Ihrer würdig, geliebtester Freund.2) Heut ist Ihr Geburtstag. Möge alles Heil, aller Friede des HErrn und viel wahre HerzensErquikkung von ihm in erwärmenden Sonnenschein Seine Freundlichkeit auf Ihrem neuen Lebensjahr ruhen und manche klaffende Wunde so schließen, daß Ihnen zu Muthe werde, als erwachten Sie aus schwerem Traum. Ich weiß, welch ein Segen in der Erfüllung dieser tief, innig und treu gefühlten Wünsche für uns Alle für mein unglückliches, durch Gottlose zertretenes, durch nutzlose Verwalter verlassenes, dahingegebenes Volk!!! liegen würde. Beten Sie Alle ernst, treu und wahr und unermüdlich, daß der HErr dazu Amen! sage. Kommt dieser Brief späth in Ihre Hände 24 ? Allertheuerster Anton, so geschiehts, weil es an sicherer Gelegenheit gebricht. Über Einen Punkt muß ich endlich ins Klare mit Ihnen kommen, da ein früherer Brief®) voll gerechtester Entrüstung wegen der ZeughausPlünderung und über den gesetzlosen Zustand der Hauptstadt, dessen Folgen auf Regierungs- und LandesZustände meine eigene Verantwortlichkeit sehr schmerzhaft berührte. Ich thue also zwei überlegte und wahrscheinlich folgenschwere (ich hoffe seegensschwere) Fragen an Sie — *) Vgl. Fr. W. IV. an Camphausen. Brandenburg, Briefw. S. 19 f. *) Brief liegt nicht vor. ») Stolberg an Fr. W. IV., 12. Juli 1848.

Beilagen.

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1.) Würden Sie mir am 18. J u n i , als ich die Truppen der Umgegend (bis Treuenbrietzen und Rathenau) in Bewegung auf Berlin gesetzt, mittels eigenhändiger Ordre Nachts 3 Uhr aus meinem Bett geschrieben, und als die Minister mir antworteten, sie würden ihre Stellen sogleich niederlegen, wenn ich das Geringste, was nur gegen Berlin gedeutet werden könnte, unternehme — Würden Sie mir — die Hand aufs Herz — den Rath gegeben haben, das auf sich beruhen zu lassen und dennoch die B e s e t z u n g r e s p e c t . E i n s c h l i e ß u n g v o n B e r l i n zu unternehmen. 2.) Rathen Sie mir Jetzt — nachdem ich ein Ministerium aus konservativen Ehrenmännern gebildet hatte, denselben erklärt, ich nähme sie nur unter der Bedingung, daß sie mein System annähmen, ihre Versicherung empfangen hatte, dieselben Männer aber am 1. Tage ihres Amtes das diametrale Gegentheil gethan und tiefer in Conzessionen versunken sind, als die vorhergehenden Cabinette1) und am 16. d. M. in corpore um ihren Abschied geschrieben haben, weil ich bei der Antwort an die L. T. Deputazion zu Bellevue mich des Ausdrucks der „Obrigkeit von Gottes Gnaden" bedient — w ä h r e n d 30000 erprobte, kampfschnaubende Kemtruppen in und um B. stehen. — Rathen Sie mir jetzt die ConstituzionsKomödie ohne Constituzion noch fortzusetzen? oder plötzlich mit Wrangel einzurücken und dann als Sieger alle Worte meiner Verheißungen zu erfüllen? Nehmen Sie sich Zeit mit der Antwort, Allertheuerster Anton; Aber dann antworten Sie Cathegorisch. Es versteht sich von selbst, daß ich Alles aufbieten werde, ein tatkräftiges, gehorsames Cabinett zu formieren. Aber das gegenwärtige Beispiel zeigt, was davon zu halten ist. 2malnach diesem Versuch versuche ich es nicht, was dann? Abdicazion? 8 ) oder Einnahme von Berlin? x ) Der König meint das Ministerium Pfuel, das bis 1. Nov. 1848 im Amte war. Pfuel war gleich einem Antrag der Linken nachgekommen, der von den Offizieren das Fernbleiben von allen reaktionären Bestrebungen forderte.

*) Am 15. Okt., dem Geburtstage des Königs. Hiernach scheint die „in den Reden usw. Friedrich Wilhelms I V . " wiedergegebene Fassung die richtige zu sein. •) Vgl. Petersdorff, Friedrich Wilhelm IV., S. 103.

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Beilagen.

Leider muß ich endigen. Gottes reichster Segen ruhe auf Ihnen und SEine Gnade helfe uns. Mit unverbrüchlicher Freundestreue Friedrich Wilhelm IV. Potsdam, 27. Dezember 1848. Theuerster Anton! Ich wollte Ihnen am Christabend schreiben, ich wollte Ihnen am Christtag schreiben und auch gestern — aber ich kam nicht dazu. Endlich find' ich ein Moment, wo die Theegenossen sich schon versammeln und ich benutze ihn — denn es ist mir Herzensbedürfnis. Erstens soll dieses Blatt einem Bildchen von Schönern eine recht nachsichtsvolle Aufnahme bei Ihnen schaffen.1) Es ist eben nach altem Brauch eine Christgabe, und da ist's nicht Herkommen, den Werth zu wägen. Dann aber habe ich Erklärungen, Anerbietungen, alle mit unzähligen „Gf. zu Stolberg" gezeichnet, die mir das Wasser in die Augen gedrängt haben. Diese Treue, alles Gut im Augenblick der Not zu Gebot zu stellen, sollte mich nicht verwundern. Es ist so Stolbergische Art. Und dennoch kann ich dem Gefühl gerührtester Bewunderung nicht widerstehen über die Erbschaft von Treue, Hingabe und Opfer, in dem herrlichen und edelsten Geschlecht. Sie umarme ich iooomal in überströmender Dankbarkeit, geliebtester Freund! und gebe Ihnen auf, diese Umarmung weiter zu geben in die Sudeten und den Harz und wo irgendwo her die Stimme der Opferbereitwilligkeit geklungen hat. Gott der Herr segne das edle muthige und söhnreiche Haus, mit köstlichstem Segen! Aber welcher Segen reicht an die Gottesgabe, die dem Hause seit J. iooten eigen ist ? Er hat das höchste, das treue Bekenntnis des Namens Jesu Christi und alle Verheißungen dieses Bekenntnisses; daher die Klarheit, die Opferwilligkeit, der Todesmuth, — denn der Glaube z w e i f e l t n i c h t , wo alles zweifelt, und die Liebe s i e g t , wo alles unterliegt. Ich gestehe Ihnen ehrlich, geliebtester Anton — ich hoffte bis zuletzt, Sie noch am 29. November eintreten zu sehen. Ich hätte es nicht allein um meiner und Elisens Herzensfreude gewünscht — nein, auch darum (worauf ich so großen und gerechten Werth lege), um aller Welt zu zeigen, „der Kampf des göttlichen Rechtes und der göttlichen Ordnung hat begonnen, und was das Die kleine Radierung befindet sich jetzt im Privatbesitz des Forsten zu Stolberg-Wernigerode.

Beilagen.

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Gegentheil Beider, die „Revolution", getrennt hatte, vereint die wiedergewonnene Ehre! Möge dieselbe unter Gottes Leitung und Segen uns bald wieder einander zuführen! Auf ein gesegnetes Wiedersehen! Mit treuer Liebe Friedrich Wilhelm. Sanssouci, 15. Oktober 1849. Allertheuerster Freund — Das war ein harter Schlag, daß Sie heute nicht hier seyn konnten! Als Keller mir gestern sagte, Sie wären abgehalten zu kommen, da fühlte ich deutlich, daß ich mich mit Ihrem heutigen Erscheinen geschmeichelt hatte! Sie sind leidend und verstehe ich Ihren lieben Brief recht, leidender als Sie es sich selbst gestehen wollen. Sehen Sie, lieber, theurer Anton, das ängstigt mich, denn ich weiß, daß Sie hart gegen sich selbst sind und eines erfahrenen Arztes Rath ist Ihnen fremd. Wollen Sie mir zu meinem Geb.-Tage eine Freude machen, so versprechen Sie mir, aber recht wie sich's gehört, daß Sie sich schonen wollen und schonen Sie sich dann auch wirklich. Ihre treuen, lieben, gläubigen Wünsche kenne ich, weiß ich, an Ihr treues Gebet glaube ich. Der HErr hat viel Gebet und Flehen erhört seit einem Jahr, seit dem 15. Oktober 1848, an welchem Tage mein ganzes M i n i s t e r i u m mir den Dienst kündigte, weil ich morgens zu Bellevue den Deputierten der hochverräthrl. Nationalversammlung von meinem Beruf „von Gottes Gnaden" gesprochen hatte. Wir sind noch sehr krank, Unsere Genesung steht unter gefahrdrohenden Symptomen. Das weiß ich, aber ich zage ebensowenig als heute vor 1 Jahr, wo ich unter dem großen Haufen schwacher Freunde und kühner, siegesgewisser Feinde in freudigem Gottvertrauen als König, d. h. als Lehnsträger des Königs der Könige aufzutreten wagte. 1 ) Der getreue Herr hat meine Zuversicht nicht zu Schanden gemacht und wird die gute Sache, die schwache Hände sehr! als Stückwerk leider!! führen, um SEines Namens Willen nicht unterliegen lassen wider Gottloses Verderben und Gottleere Thorheit. Der Geist der Buße ist bei mir. Wollte Gott! daß die Werke der Buße vorhanden wären. Und dennoch zage ich nicht. Er versäumt den kranken Baum nicht und hat, so krank er ist, doch schon Früchte gezogen von ihm. Er wird ihn nicht dahin geben und die wunden Äste ») Vgl. im Text S. 67.

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Beilagen.

mächtig wachsen lassen. Das ist meine Zuversicht. Welch ein Seegen einem Freunde, der auf einem Grunde wurzelt, mein Inneres, wenn auch nur im Bilde, zeigen zu können. Jetzt wenn Sie ohne Anstrengung wieder schreiben können, sagen Sie mir aufrichtig, wie es mit Ihrer Gesundheit steht. Haben Sie einen guten Arzt ? Und sind Sie gehorsam gegen seine Vorschriften? Wann darf ich und Elise darauf rechnen, Sie wiederzusehen? — Ich erwarte darauf keine schnelle Antwort. Verstehen Sie. Gräfin Rheden1) hat mir ein Brieflein, ihrer ganz würdig geschrieben. Ich hab* es unwürdig aber schnell beantwortet. Sollten Sie die teure Frau sehen, so sagen Sie ihr, daß ünd wie ich mich anklagte, ihr nichts Liebes über ihre treffliche Auslegung des heutigen Losungs-Lehrtext gesagt zu haben. Sagen Sie ihr, ihre Auslegung sey nach meinem Herzen und ich hoffte, sie sey auch Gottes Herz. Ihrer Gräfin theuerster Anton küsse ich die Hände, grüße herzlichst alle Lieben unter Ihrem Dache, Gott mit Ihnen 1 Elisa grüßt Sie vielherzlich. Leben Sie wohl. Gott gebe Ihnen fröhliche Genesung und mir baldiges Wiedersehen mit Ihnen. Mit unverbrüchlicher Freundestreue F. W. Berlin, 19. Januar 1852. Mein Verhältnis zur Frage der Zusammensetzung der 1. Kammer. Ich verlange, der Einzige und Alleinige Anordner der 1. Kammer zu sein. Ein großer Theil der Rechten beider Kammern ist mir darin entgegen. Ihre Hauptgründe sind zwey: Erstens weil die in der Verfassungsurkunde zu lesende Zusammensetzung durch mich Anfangs 1850 durchgesetzt sey gegen die, welche 2 Kammern und Grade der Volkswahl (ein Revoluzionsschwindel) wollten. Antwort: Ich verlangte die Ernennung der erblichen Mitglieder, der Persönlichen und der Corporationen, welche den Rest der Mitglieder zu wählen hatten. Mein Wille fiel durch das Nichtfesthalten des Ministerii und durch den Willen der Kammern und die Sache ist so normiert worden, wie sie in der Urkunde zu lesen ist.2) l

) s. Personenverzeichnis. *) Der Unterschied zwischen der Königl. proposition VIII und der endgültigen Formulierung vom 29. Jan. 1850 war bedeutend, da letztere das Ernennungsrecht des Königs wesentlich einschränkte.

Beilagen.

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2.) Weil die R e c h t e nicht wollte und mein Begehr die R e c h t e (die Wohlgesinnten) spalten würde, A n t wort: Ist die R e c h t e in dieser Frage nicht auf der Seite des Königs und der Zukunft und Ehre der Krone, so ist das allerdings ein großes Unglück, denn i) beweißt es, daß die R e c h t e noch etwas anderes (Was?) will, als die Ehre und Zukunft der Krone und 2) weil diese Spaltung dann aus diesem Umstände hervorgehen und der Mit- und Nachwelt vor das Gericht gestellt werden würde; 3. weil diese Spaltung völlig und durchaus unvermeidlich ist, da ich fest entschlossen bin, einzig und allein die E h r e , G e l t u n g und Z u k u n f t der Preußischen K r o n e und nichts anderes gelten zu lassen, die sich darbietenden Chancen in GottVertrauen zu benutzen und es sogar auf die Gefahr eines verlorenen Treffens ankommen zu lassen. In der 1. Schlacht um diese mir von Gott anvertrauten Güter anno 50 im Jan. bin ich geschlagen. Vielleicht werde ich es auch in der 2. im Jan. 52. Nach Lützen und Bautzen folgten aber Culm, Leipzig, Paris. Und ich gebe das nicht auf, was Gott meinen Händen anvertraut hat. Friedrich Wilhelm. Nr. II. Abschrift: Aus einem Schreiben an die Herzogin von Anhalt-Bernburg bei Brief Graf Antons Henrich zu Stolberg-Wernigerode am 21. Dez. 1848 (Fürstl. Hauptarchiv, J. 221). „Ich habe gerade in dieser Zeit und ich darf sagen im Namen des Herrn, den Weg verlassen, den Muth- und Glaubenslose Rathgeber, mich gehen ließen seit dem März1) und ich habe den Weg der göttlichen Rechte und Ordnungen betreten, bei der es (meinem) Volke so wohl ergangen ist, seit den 430 Jahren der Herrschaft unseres Hauses in diesen Landen. Die großen Gefahren des Weges verkenne ich nicht. Wer nicht seinen Anker in das Reich des Königs geworfen hat, der muß — das weiß und fühle ich — vor dem Geschehenen zurückbeben. Ich weiß aber, wer mir h i l f t : gehe ich unter, so geschieht es hinfort in Ehren; siege ich, so ist der Sieg nicht mein, sondern eines Höheren und der wird die Früchte des Sieges geben, ohne die der Sieg so wenig ein Sieg, als das Glauben der Glaube ist. Vertrauen wir seiner !) Vgl. im Text S. 67.

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wunderbaren Leitung. Gewiß ist es, daß, wenn die Göttliche Hülfe Preußen führt, wie sie es getan hat nach dem Verderben des 30 jährigen Krieges, bei Annahme der Krone, durch das Glaubenslose Walten des großen Friedrichs, und in der Erhebung gegen Napoleons Joch, so kann es nur zum Nutzen meiner lieben Nachbarn geschehen, deren Recht eben so heilig als mein eigenes ist. etc." Nr. III. Graf Anton zu Stolberg-Wernigerode an Otto v. Bismarek. (Konzept). 1 ) Berlin, 1. April 1852. Innig verehrter Freund! Den heutigen Tag vermag ich nicht vorüber gehen zu lassen, ohne Ihnen nicht ein Wort treuen Segenswunsches auszusprechen. Das letzte Jahr hat mir die große Freude gebracht, Ihnen näher stehen zu können, und ich erachte solches als ein mich erfreuendes, mich beglückendes Ergebnis einer ernsten Zeit. Der Schluß dieses Jahres hat eine Art Weihe über unsere nähere Bekanntschaft herbeigeführt. Ich habe lebendig erkannt, wie nahe Sie mir stehen, wie ich in väterlich brüderlicher Liebe dem Mann angehöre, dessen Bestreben ich seit dem Jahre 1847 mit wahrer Hochachtung gefolgt bin. Ich bin bereits alt und nicht mehr so ringfertig, als ich sein mögte, demunerachtet lebt ein jugendlich Herz in der alten Brust u. ich habe Ihre Erhaltung in dem kürzlichen Zweikampf8) als eine der glücklichsten Ereignisse meines Lebens begrüßt. Der alte Mann reicht dem jungen ritterlichen Kämpen beim Beginn des neuen Lebensjahres in tiefer innerer Bewegung die Freundeshand auf Leben und Tod und bittet Gott den HErrn, daß sein Segen auf Ihnen u. Ihrer prächtigen Gemahlin u. Ihren Kindern ruhen und der aus seinem heiligen Wort strahlende feste unbedingte Glaube Sie bis zum Schlüsse Ihrer Erdenlaufbahn zu seiner Ehre durchglühen möge. Empfangen Sie meinen Dank für alles was Sie u. Ihre teuere Gemahlin bewußt und unbewußt an Theodor thun. In treuer Freundschaft bis zum letzten Herzensschlag (gez.) St. 1 ) Brief ist in Bismarcks Briefwechsel, Anhang zu Gedanken und Erinnerungen, II, 50, abgedruckt. 2) Duell Bismarck-Vincke.

Beilagen.

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Otto v. Bismarck an Graf Anton zu Stolberg-Wernigerode.1) Verehrtester Herr und Freund! Ihre mir stets bewiesene Güte läßt mich hoffen, daß Sie mir die Bitte nicht abschlagen werden, bei meinem neugeborenen Junker eine Pathenstelle zu übernehmen, und Theodor als gebornen Stellvertreter bei der Taufe figurieren zu lassen. Meine Absicht war ursprünglich, die heilige Handlung erst im September stattfinden zu lassen, indessen ist es möglich, daß ich Anlaß habe, sie unerwartet zu beschleunigen. S. K. H. der Prinz von Preußen, der kurz vor der Entbindung noch hier war und meine Frau mit seiner Teilnahme beehrte, will ebenfalls die Gnade haben, Taufzeuge zu sein, und Graf Pückler, der heut hier durchreiste, um ins Bad, ich denke nach Pyrmont zu gehen, hat mir Aussicht gemacht, daß der Prinz persönlich werde anwesend sein wollen, falls die Taufe am 19., dem Tage, wo S. K. H. hier durch nach Coblenz reist, stattfände. Ich erwarte noch genauere Befehle Sr. K. H., indem die Zeitrechnung, die Graf Pückler anlegte, nicht ganz mit den Eisenbahnzügen u. Dampfschiffabgängen nach Coblenz stimmt; sollte indessen danach die Action wirklich am Donnerstag stattfinden, so muß ich schon einen Wechsel auf Ihre Nachsicht ziehn, indem ich auf Ihre Einwilligung, dem kleinen Heiden Ihre starke Hand zum ersten Schritt in das Land der Verheißung zu reichen, vertrauensvoll rechne, u. Theodor, nicht im eignen, sondern im Namen seines Vaters Gevatter stehn lasse, wenn Sie mir nicht telegraphischen Gegenbefehl schicken, denn auf andrem Wege können Sie Sich der Zumuthung nicht mehr erwehren, da dieser Brief meiner Rechnung nach nicht vor Dienstag Seeluft genießen kann. Wir haben hier jetzt Ferien, d. h. die Geschäfte werden vorzugsweise durch das Präsidium besorgt, und das bin ich, nachdem Thun fort ist; dabei bin ich gutmüthig genug, meinen Legationsrath ins Seebad und einen Canzellisten nach Berlin reisen zu lassen, u. die Vertretung bei Darmstadt u. Nassau für Canitz zu übernehmen, der ebenfalls auf Urlaub gehn will. An beiden Orten habe ich mir vorgenommen, geeigneten Falls so grob zu sein, als es der Anstand irgend erlaubt. Diese Herrn rechnen *) Original in Kreppelhof. Vgl. zu Bismarcks Brief an Stolberg v. Poschinger, Aus Bismarcks Frankfurter Gesandtenzeit, Deutsche Revue 26, 2; Bericht Bismarcks an Manteuffel vom 14. August 1852 Poschinger, Preußen im Bundestag, Leipzig 1884, 4. Teil, 104 f. und Schreiben Bismarcks vom 14. September 1852, Politische Schriften S. 234 (Friedrichsruher Ausgabe).

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Beilagen.

eingestandener Massen auf Sr. Majestät Schutz gegen innere u. äußere Feinde, u. lehnen deshalb jede angesonnene Vermehrung ihrer bundesmäßigen Streitkräfte ab, u. schämen sich doch nicht, uns gegenüber in das Horn des Minister Bach u. der Wiener Juden zu stoßen, die die Erben der Schwarzenbergschen Pläne geworden sind.1) Es ist wahrhaft empörend wie die amtlichen Blätter in Hessen u. namentlich in Nassau über Preußen losziehen u. wenn der König mir erlauben wollte, S. Hoheit den Herzog Adolph mit der einzigen Ulanenschwadron, die hier liegt, von Biebrich abzuholen u. quer durch sein eignes Land nach Ehrenbreitenstein zu bringen, so wollte ich mich anheischig machen, mir vor Freude sogar in moussirendem Ehrenbreitensteiner einen Spitz zu trinken, u. dennoch gegen den Sprossen des erlauchten Hauses LouxemburgNassau höflich wie Pückler zu bleiben. Sehr zweckmäßig wäre es, wenn man von dem Verhalten des Darmstädter Hofes Gelegenheit nähme, eine geschäftliche Unbequemlichkeit wieder gut zu machen, und die vor 3 Jahren von hier nach Darmstadt übergesiedelte Gesandtschaft bei Hessen-Nassau-Frankfurt wieder nach letzterm Ort zurückverlegte, wo doch die meisten Geschäfte sind. Jedenfalls hoffe ich, daß die Darmstädtische Politik sich, wie zu erwarten, dahin entwickelt, daß man sich, in der falschen Rechnimg auf Preußens Schwäche, bis zum unvermeidlichen Bruch avantürirt, u. dann die Wiederaufnahme in den Zollverein nachsucht, daß wir die Entlassung von Ministern wie Dalwig u. Prinz Witgenstein in Darmstadt u. Wiesbaden zur Bedingung machen werden, denn solche „Preußenfresser" können wir im Zollverein nicht gebrauchen. Theodor ist wohl u. munter von seinen Bade- u. Tanz-Excursionen zurückgekehrt, er hat in der vergangenen Woche die Damen von Baden-Baden seine wirklich sehr eleganten PolkaMasurka bewundern lassen. Meine Frau und der kleine Schreihals sind nach Gottes Gnade sehr wohl, und schließen sich meiner Bitte an, mir jedenfalls zu gestatten, daß ich den Namen Stolberg-Wernigerode im Schönhauser Kirchenbuch notiren lassen, u. jederzeit zeichnen darf als Ew. Erlaucht treuer Freund u. Diener v. Bismarck. Frankfurt, 14. August 1852. x

) Bismarck spielt auf seine diplomatische Reise nach Wien vom 8. Juni bis 12. Juli 1852 an.

Beilagen.

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Nr. IV. Die Familie des Grafen Anton zu Stolberg-Wernigerode. C h r i s t i a n F r i e d r i c h , geb. 8. Jan. 1746, gest. 26. Mai 1824, folgte seinem Vater in der Regierung am 24. Okt. 1778, seinem Vetter Karl Heinrich, letzten Fürsten zu Stolberg-Gedern, am 5. Jan. 1804 in der reichsständischen Herrschaft Gedern, welche durch die Rheinbundsakte vom 12. Juli 1806 der Souveränität des Großherzogs von Hessen-Darmstadt standesherrlich untergeordnet wurde. Durch Schenkung vom 8. Juni 1765 erhielt Graf Christian Friedrich von seinem Oheim, dem Grafen Erdmann zu Promnitz, die Herrschaften Peterswaldau, Jannowitz und Kreppelhof in Schlesien, womit er unter dem 1. Febr. 1800 und durch Testament vom 18. Dez. 1815 Spezialfideikommisse und Majorate für seine nachgeborenen Söhne Ferdinand, Constantin und Anton und ihre Deszendenz gründete, die aber erst nach seinem Ableben auf dieselben übergingen. Verm. mit Auguste Eleonore, Tochter des Grafen Christoph Ludwig zu Stolberg-Stolberg. K i n d e r des Grafen Christian Friedrich. A n n a , geb. 24. Febr. 1770, gest. 20. Jan. 1819, v. 18. Nov. 1796 bis Juni 1797Äbtissin in Drübeck. Verm. 5. Juni 1797 mit Christoph Alexander Carl Friedrich Freiherr von Wylich, Herr zu Diersfordt. L u i s e , geb. 24. Nov. 1771, gest. 8. April 1856, Äbtissin zu Drübeck vom 7. 1797 bis 1807, verm. 21. Dez. mit Moritz Haubold von Schönberg, Oberpräsident von Pommern. H e n r i c h , geb. 25. Dez. 1772, gest. 16. Febr. 1854, Mitglied des Staatsrats, erbliches Mitglied der ersten Ständekammer im Königreich Hannover und im Großherzogtum Hessen, folgte seinem Vater als regierender Graf am 26. Mai 1824. Vermählt mit Jenny, Tochter des Fürsten Otto zu Schönburg-Waldenburg, gest. am 29. Aug. 1809, 2. verm. am 20. Dez; 1810 mit Eberhardine, Tochter des Kgl. Preuß. Staats- und Justizministers Eberhard Freiherr von der Recke. M a r i e , geb. 4. Mai 1774, gest. 16. Juni 1810, verm. am 21. Juni 1803 mit Heinrich LIV., Fürst Reuß-Lobenstein. F e r d i n a n d , geb. 18. Okt. 1775, gest. 20. Mai 1854, Kgl. Preuß. Wirklicher Geheimer Rat und Präsident des Konsistoriums der Pr. v. Schlesien, verm. 25. Mai 1802 mit Marie Agnes, ältester Tochter des Dichters Grafen Friedrich Leopold zu Stolberg-Stolberg. Besitzer von Peterswaldau. F r i e d e r i k e , geb. 16. Dez. 1776, gest. 4. Okt. 1858, 1803 Koadjutorin zu Drübeck, verm. am 11. Nov. 1806 mit Heinrich, Burggraf zu Dohna. Beiheft d.H.Z. 8. 9

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Beilagen.

Ernestine, geb. 15. Mai 1778, gest. 6. Aug. 1781. Constantin, geb. 25. Sept. 1779, gest. 19. Aug. 1817 an den Folgen einer Verwundung. Major und Flügeladjutant S. M. des Königs, verm. mit Ernestine Freiin von der Recke, 30. Sept. 1804, Besitzer von Jannowitz. Theodor, geb. 30. Dez. 1783, gest. 25. Jan. 1786. Anton, geb. 23. Okt. 1785» gest. I i . Febr. 1854- Kgl. preuß. Oberstkämmerer, Minister der Kgl. Hauses, Generalleutnant und Chef des 27. Landwehr-Regimentes. — Er erbte von seinem Schwager Christoph Alexander Karl Friedrich Freiherr von Wylich, Herren zu Diersfordt, die Herrschaft Diersfordt bei Wesel. Gemahlin Luise Therese Charlotte Friederike Caroline, Tochter des Königl. Preuß. Staats- und Justizministers Eberhard Freiherr von der Recke und der Freiin Elisa Dora von Vincke, geb. 16. Okt. 1787, verm. 12. Juni 1809, gest. 6. April 1874, Herr auf Kreppelhof. Kinder des Grafen Anton: Eberhard, geb. 11.März 1810, gest. 8. Aug. 1872. Kgl. Preuß. Wirkl. Geheimer Rat und Generalleutnant àia suite der Armee; erster OberJägermeister und Oberpräsident der Provinz Schlesien, Kommandator und Kanzler des Johanniterordens, lebenslängliches Mitglied und Präsident des Preuß. Herrenhauses, verm. am 26. Mai 1842 mit Marie Prinzessin Reuß. Conrad, geb. 9. Juni 1811, gest. 31. Aug. 1851, verm. 4.Okt. 1838 mit Marianne, Tochter des Kgl. Preuß. Oberst Conrad, Freiherr von Romberg. Udo, geb. 17. Juni 1812, gest. 3. Okt. 1826. J e n n y , geb. 3. Nov. 1813, gest. 16. Dez. 1901, verm. mit Alexander Graf Keller am 12. Juni 1838. Marianne, geb. 18. April 1815, gest. 16. Dez. 1844. B e r t h a , geb. 3. Dez. 1816, gest. 22. Okt. 1861. Elisabeth, geb. 7. Dez. 1817, gest. 21. Aug. 1822. Anna, geb. 6. Sept. 1819, gest. 17. Sept. 1868, Oberin des Diakonissenhauses Bethanien. Charlotte, geb. 27. März 1821, gest. 6. April 1885, verm. 24. Juli 1851 mit Hans v. Kleist-Retzow, Oberpräsident der Rheinprovinz. Bolko, geb. 1. Jan. 1823, gest. 9. Dez. 1884, verm. am 5.N0V. 1853 mit Elisabeth von Thun auf Schlemmin, Pommern. Friederike, geb. 20. Sept. 1824, gest. 27. März 1848. Theodor, geb. 5. Juni 1827, gest. 1 1 . April 1902, verm. 16. April 1872 mit Klara v. d. Schulenburg.

LITERATUR-VERZEICHNIS. I. Quellen, 1.

2.

3.

4. 5. 6. 7.

a) H a n d s c h r i f t l i c h e . Fürstliches Archiv Wernigerode. Briefe des Grafen Anton an seinen Bruder Henrich, reg. Grafen zu Stolberg-Wernigerode. Ders. an seine Schwester Luise von Schönberg. Akten über Mißverständnisse mit dem Oberpräsidenten von Merckel im Jahre 1830 (J. 221—224). Hausarchiv Charlottenburg. Briefe des Oberstkämmerers und Ministers des Königl. Hauses Grafen Anton zu Stolberg-Wernigerode an den König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen (Rep. 50. J.- s ). Briefe König Friedrich Wilhelms IV. an den Minister des Königl. Hauses Grafen Anton zu Stolberg-Wernigerode (Rep. C. J.- s ). Briefe des Oberstkämmerers und Ministers des Königl. Hauses Grafen Anton zu Stolberg-Wernigerode an den Prinzen von Preußen (Wilhelm I.) (Rep. LI. Nachlaß J). Akten des Hausministeriums. Geheimes Staatsarchiv Berlin. Akten aus den Jahren 1835—1845 (Rep.89E. VII, X I V , X V und XVI). Acta secreta der Bureau-Registratur des Ministers von Thile 1840 (Rep. 89 E . X V I I I , 3). Nachlaß des Ministers von Thile (Rep. 92). D e r P r i v a t n a c h l a ß des G r a f e n A n t o n zu S t o l b e r g . K r e p p e l h o f bei L a n d e s h u t (Privatbesitz). B r i e f w e c h s e l z w i s c h e n L u i s e von S c h ö n b e r g und i h r e r S c h w e s t e r A n n a v o n W y l i c h (Privatbesitz). Luise von Schönberg. Aufzeichnungen aus den Jugendjahren ihres Bruders Anton (Privatbesitz). G r a f T h e o d o r zu S t o l b e r g - W e r n i g e r o d e . Aufzeichnungen aber das Jahr 1848 (Privatbesitz).

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Literaturverzeichnis.

19. F r i e d r i c h Meinecke, Radowitz und die deutsche Revolution. II. Bd. Berlin 1913. 20. Ders., Weltbürgertum und Nationalstaat. Studien zur Genesis des deutschen Nationalstaates. München und Berlin 1911. 20a. Louis Noël, Reise des Königs Friedrich Wilhelms III. und der Königin Luise von Auerstädt aber Küstrin bis Memel 1806. Mitteilungen des Vereins für die Geschichte Berlins, Nr. 1. Berlin 1907. 2t. Wilhelm Guido Peschel und Eugen Wildenow, Theodor Körner und die Seinen. Leipzig 1898. 22. Herman v. P e t e r s d o r f f , König Friedrich Wilhelm IV. Stuttgart 1900. 23. Ders., Kleist-Retzow. Ein Lebensbild. Stuttgart und Berlin 1907. 24. F e l i x R a c h f a h l , Deutschland, König Friedrich Wilhelm IV. und die Berliner Märzrevolution. Halle 1901. 25. Ders., Die Politik Friedrich Wilhelms IV. im Winter 1848/49. München und Leipzig 1919. 26. Ders., Zur Beurteilung Friedrich Wilhelms IV. und der Berliner Märzrevolution. Histor. Vierteljahrsschrift. V. Jahrg. 1902. 27. J o s e p h H u b e r t R e i n k e n s , Melchior von Diepenbrock. Ein Zeitund Lebensbild. Leipzig 1881. 28. A l f r e d v. Reumont, Aus Friedrich Wilhelms IV. kranken und gesunden Tagen. Leipzig 1885. 29. Helmuth R i e m a n n , Preußens Domänenpolitik von 1808—1909. Erlanger Dissertation. Saarbrücken 1910. 30. L u i s e von Schönberg, Christian Friedrich Graf zu Stolberg-Wernigerode und Auguste Eleonore Gräfin zu Stolberg-Wernigerode. Als Manuskript gedruckt. 31. A l e x a n d e r v. J . Ungern-Sternberg, Erinnerungsblätter aus der Biedermeierzeit. Potsdam-Berlin 1919. 32. L u d w i g T h i e s m e y e r , Die Erweckungsperiode Deutschlands während des 19. Jahrhunderts. Bd. I—III. Kassel 1904 und 1906. 33. Heinrich v. T r e i t s c h k e , Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Bd. IV und V. Leipzig 1889. III. Aufsätze. 1. L u d w i g Dehio, Edwin v. Manteuffels politische Ideen. Historische Zeitschrift Bd. 131, 1. Heft. 2. F r i e d r i c h Meinecke, Die Denkwürdigkeiten des Generals v. Gerlach. Hist. Zeitschr. Bd. 70. 3. Ders., Bismarcks Eintritt in den christlich-germanischen Kreis. Hist. Zeitschrift Bd. 90. 4. Heinrich Otto Meißner, Zur neueren Geschichte des preußischen Kabinetts. Forschungen zur brandenburgisch-preußischen Geschichte Bd. 36.1. 5. Heinrich v. Poschinger, Aus Bismarcks Gesandtenzeit. 3 unveröffentlichte Briefe. Deutsche Revue 26, 2 und 33, 4.

PERSONEN -VERZEICHNIS. A l t e n s t e i n , Carl Freiherr von Stein zu, 1770—1840; 1817 bis 1840 preußischer Kultusminister. A l v e n s l e b e n , Albrecht Graf von, 1794—1858; 1832—1844 preußischer Finanzminister. A n c i l l o n , Johann Peter Friedrich, 1767—1837; preußischer Staatsmann und Erzieher des Kronprinzen Friedrich Wilhelm IV. A n h a l t , Bernburg, Herzogin von; 1811—1906. A r n i m , Adolf Heinrich Graf von Arnim-Boytzenburg, 1803—1868; 19.—29. März 1848 preußischer Ministerpräsident. A r n i m , Alexander Heinrich von, 1798—1861; 1840 bis Juni 1848 Gesandter in Brüssel, 1846 Gesandter in Paris, 21. März 1848 bis Juni 1848 preußischer Minister des Auswärtigen. A r n i m , Elisabeth (Bettina) von, 1785—1859; Dichterin. B a c h , Alexander Freiherr von, 1 8 1 3 — 1 8 7 3 ; trat nach 1848 in den österreichischen Staatsdienst. B a y e r n , Amalie, Prinzessin von, Schwester der Königin Elisabeth von Preußen. B a y e r n , Maria, Königin von, 1825—1889, Tochter des Prinzen Wilhelm des Älteren von Preußen; vermählt mit Maximilian II., König von Bayern, 13. Oktober 1842. B e r n s t o r f f , Elise Gräfin von. B e t h m a n n H o l l w e g , Otto von, Jurist. B i s m a r c k , Otto Fürst, Reichskanzler. B o d e l s c h w i n g h , Carl von, 1800—1873; 1851—1858 preußischer Finanzminister. B o d e l s c h w i n g h - V e l m e d e , Ernst von, 1794—1854; 1834 Oberpräsident der Rheinprovinz, 1842 preußischer Finanzminister, 1845—1848 Minister des Innern. B ö t t i c h e r , Oberpräsident von Ostpreußen. B r a n d e n b u r g , Friedrich Wilhelm Graf von. 1792—1850; 1848—1850, preußischer Ministerpräsident. B ü l o w , Friedrich Wilhelm Freiherr von, Graf von Dennewitz, 1795—1866! preußischer General. B u n s e n , Christian, Karl, Josias Freiherr von, 1791—1860, Gelehrter und Staatsmann.

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63, 66, 67 76 29 71, 116 52. 93 19 41 26 10 41 25 26, 51

C a m p h a u s e n , Ludolf, 1803—1890; 29. März bis 20. Juni 1848 preußischer Ministerpräsident. C a n i t z , Graf, 1785—1857; 1848 preußischer Kriegsminister. C o s t e n o b l e , preußischer Geheimrat. D a h l m a n n , Friedrich Christoph, 1785—1860; Geschichtsschreiber und Staatsmann. D i e p e n b r o c k , Melchior Freiherr von, 1798—1853; Fürstbischof von Breslau. D o h n a , Friederike Gräfin zu, geb. Gräfin zu StolbergWernigerode (s. Beilage IV). D o h n a - S c h l o b i t t e n , Wilhelm Burggraf und Graf zu, 1773—1845; 1841—1845 Landtagsmarschall in Preußen. D r o s t e - V i s c h e r i n g , Clemens August Freiherr von, 1793 bis 1845; 1835—1845 Erzbischof von Köln. E i c h h o r n , 1779—1856; 1840—1848 preußischer Kultusminister. F e i n , Georg, 1803—1869; Demokratenführer. F l i e d n e r , Theodor, 1804—1864; Begründer des protestantischen Diakonissenamtes. F l o t t w e l l , Eduard Heinrich von, 1786—1865; 1830—1841 Oberpräsident von Posen, 1841—1844 Oberpräsident von Sachsen, 1844—1846 preußischer Finanzminister. G e r l a c h , Ernst Ludwig von, 1795—1877; preußischer Politiker. G e r l a c h , Leopold von, 1790—1861; preußischer General, seit 1849 Flügeladjutant Friedrich Wilhelms IV.

26, 75, 90, 102 37. 44. 58. 9°. 97. 98. 99, 101, 102 1 G l e i m , Johann Wilhelm Ludwig, 1739—1803; Dichter. IO G n e i s e n a u , August Wilhelm Anton Graf Neithardt von, 1760—1831; preußischer Feldmarschall. 60, 61, G o e t z e , August Wilhelm von, 1792—1876; Landesgerichts83 104, präsident, gehörte dem Freundeskreis Friedrich Wilhelms IV. an. / G o ß n e r , Johannes, 1773—1858; pietistischer Geistlicher. 13 H a l l e r , Carl Ludwig von, 1768—1854; politischer Schrift32 steller. H a n n o v e r , Ernst August, König von, 1771—1851. 33.76 H e y d e m a n n , von, Adjutant des Prinzen Wilhelm 8 (Ältere). H ü s g e n , Generalvikar. 27 60, 81, 96, K e l l e r , Alexander Graf von, 1801—1879; Oberschloßhauptmann und Intendant der königlichen Gärten (s. Bei115,116,123 lage IV). 102, 103 K l e i s t - R e t z o w , Hans Hugo von, 1814—1892; Oberpräsident der Rheinprovinz. 1 K l o p s t o c k , Friedrich Gottlieb, 1724—1803; Dichter. 2 K l o s e , Organist.

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K ö r n e r , Christian-Gottfried, 1756—1831; Oberappellationsgerichtsrat, Freund Schillers. K ö r n e r , Karl Theodor, 1 7 9 1 — 1 8 1 3 ; Dichter. L a d e n b e r g , Adalbert, 1798—1855; preußischer Staatsmann. L a d e n b e r g , Philipp von, 1769—1847; '^35 Chef der Domänen-, Forst- und Jagdverwaltung, 1837—1842 preußischer Staatsminister. L a n c i z o l l e , Carl Wilhelm von, 1796—1871; Jurist. L a v a t e r , Johann Caspar, 1 7 4 1 — 1 8 0 1 ; Schriftsteller. L i e g n i t z , Auguste Fürstin von, 1800—1873; zweite Gemahlin König Friedrich Wilhelms I I I . L i n d l , Ignatz, 1774—1834; konvertierter katholischer Geistlicher, sammelte in den zwanziger Jahren im Wuppertal eine kleine Gemeinde um sich (vgl. Allgem. Deutsche Biogr. Bd. X V I I I , S. 698). L o t t u m , Carl Friedrich Heinrich Graf von Wyllich und, 1767—1841; preußischer General und Staatsminister. M a l t z a n , Freiherr von, preußischer Diplomat. M a n t e u f f e l , Edwin Freiherr von, 1809—1885; preußischer General-Feldmarschall. M a n t e u f f e l , Otto, Theodor von, 1805—1882; 1850—1858 preußischer Ministerpräsident. M a s s o w , von, Hausminister. Mecklenburg-Schwerin, Friedrich Franz II., Großherzog von, 1823—1883. Mendelssohn-Bartholdy, Felix, 1809—1847; Komponist. M e r c k e l , Friedrich Theodor von, 1775—1846; 1816—1820 und 1825—1845 Oberpräsident von Schlesien. M e t t e r n i c h , Clemens Lothar Wenzel Fürst von, 1773—1859; österreichischer Staatskanzler. M i n u t o l i , Julius Freiherr von, 1805—1860; 1847—1848 Polizeipräsident von Berlin. N a p o l e o n I., Kaiser der Franzosen. N a t z m e r , Oldwig von, 1782—1861; preußischer General. P f u e l , Ernst von, 1779—1866; General, September 1848 preußischer Ministerpräsident. P o u r t a l f e s , Albert Graf von; preußischer Diplomat. P r e u ß e n , Elisabeth Ludovika, Königin von, 1810—1873; Tochter König Maximilians I. von Bayern; vermählt mit Friedrich Wilhelm IV., 29. November 1823. — Friedrich Wilhelm III., König von. — Friedrich Wilhelm (Ältere) Karl, Prinz von, 1783—1851; Sohn König Friedrich Wilhelms II., vermählt mit Maria Anna, Tochter des Landgrafen Friedrich Ludwig von Hessen. — Heinrich, Prinz von, 1781—1846.

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6 3. 4. 6 19, 20, 46, 47. 48, 59, 92. 94. 99, ioo, 106,127 84 127, 128 44, 87, 88, 89, 90, 91, 92, 93. 95

P r e u ß e n , Louis Ferdinand, Prinz von, 1772—1806. — Luise, Königin von, 1776—1810. — Wilhelm (I.) Prinz von.

— Waldemar, Prinz von, 1817—1849; Sohn des Prinzen Wilhelm des Älteren. P ü c k l e r , Graf von; Adjutant des Prinzen von Preußen. R a d o w i t z , Joseph Maria von, 1797—1853; deutscher Staatsmann.

R a d z i w i l l , Anton Fürst zu Olyka und Nifesriesz, 1775—1833. R a d z i w i l l , Elisabeth Prinzessin zu, 1803—1834. R a d z i w i l l , Friederike, Dorothea, Louise, Philippine Fürstin zu, 1770—1836. R a u c h , Gustav Waldemar von, 1819—1890; preußischer General. R e c k e , Eberhard Friedrich Christoph Ludwig von der, 7 1744—1816; Justizminister. 10, 18, 124 R e d e n , Friederike Gräfin von, 1774—1854; Freundin des Kronprinzen und Königs Friedrich Wilhelm IV. R e u ß , Heinrich (Harry) LXIII. Prinz, jüngere Linie 1786— 4, 34 1841; vermählt mit: 1. Eleonore Gräfin zu StolbergWernigerode, 21. Februar 1819; 2. mit Caroline Gräfin zu Stolberg-Wernigerode, 11. Mai 1828. R i n t e l e n , Viktor 1826—1908; Jurist; trat 1848 in den 82 preußischen Staatsdienst. 39, 40. 42, R o c h o w , Adolf von, 1792—1847; 1834—1843 preußischer Minister des Innern. 43 R u ß l a n d , Nikolaus I., Kaiser von, 1796—1855; vermählt 53, 103 mit: Charlotte, ältester Tochter König Friedrich Wilhelms III. 1817. S a c h s e n , Johannes Nepomuk Joseph, König von, 1801 bis 15, " 6 187316, 30 S a g a n , Dorothea, Herzogin von Dino und, 1793—1862; vermählt mit einem Neffen Talleyrands. S a v i g n y , Friedrich Carl von, 1779—1861; Rechtsgelehrter. 19 25 S c h a d o w , Friedrich Wilhelm von, 1789—1864; Maler. 26, 27, 31, S c h ö n , Heinrich Theodor von, 1773—1855; 1816—1824 40, 41, 42 Oberpräsident von Westpreußen, 1824—1842 von Ost- und Westpreußen. 3. 4, »4, 18 Schönberg, Luise von, geb. Gräfin zu Stolberg-Wernigerode (s. Beilage IV). S c h ö n b e r g , Moritz, Haubold von, 1770—1860; Oberpräsi3, 83 dent von Pommern, vermählt mit Louise Gräfin zu Stolberg-Wernigerode. 5, 16

16, 19, 20 10

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S c h w a r z e n b e r g , Felix Fürst zu, 1800—1852; trat 1848 an die Spitze des österreichischen Ministeriums. S c h w e i z e r , Domkapitular. 27 S c h w e r i n , Wilhelm Graf von, 1773—1814; vermählt mit 9 Sophie Gräfin Dönhoff, 8. Juni 1805. S a i l e r , Johannes Michael, 1751—1832; Bischof in Regens2, »3 burg. S e n f f t - P i l s a c h , Ernst Freiherr von, 1795—1887; Ober38, 39 präsident von Pommern. S i n t e n i s , Wilhelm Franz, 1794—1859; lichtfreundlicher 29 Theologe. S o l m s - L i c h , Ludwig Fürst zu, 1805—1880; Politiker. 30 S t a h l , Friedrich Julius, 1802—1861; Rechtsphilosoph und 32 Politiker. 10, 11 S t e i n , Heinrich Friedrich Karl Freiherr von, 1765—1831; preußischer Staatsmann. S t e r n b e r g - U n g e r n , Freiherr von; Schriftsteller. 60 S t i e g l i t z , Charlotte; Schriftstellerin. 12 S t o c k h a u s e n , von; Kriegsminister. 97. 98, 99 S t o c k m a r , Christian Friedrich Freiherr von, 1787—1863; 72. 74 deutscher Staatsmann. S t o l b e r g - W e r n i g e r o d e , Anna Gräfin zu, Oberin zu Be25 thanien (s. Beilage IV). 1. 2, 8. 13 — Auguste Eleonore, Gräfin zu, geb. Gräfin zu StolbergStolberg (s. Beilage IV). 1, 2, 7, 8, 10 — Christian-Friedrich, Graf zu (s. Beilage IV). 3. 5. 8, 10 — Constantin, Graf zu (s. Beilage IV). 28,30,36,60, — Eberhard, Graf zu (s. Beilage IV). 81,85,86,87, 88, 89, 91, 102, 103 — Ferdinand, Graf zu (s. Beilage IV). 6, 8 — Friederike, Gräfin zu (s. Beilage IV). 60, 115 6.7.8,23,29, — Henrich, Graf zu (s. Beilage IV). 42, 51, 55. 60. 75. 82, 85. 93. i°5 — Luise, Gräfin zu, geb. Frein von der Recke (s. Beilage IV) 7 56. 59. 103. — Theodor, Graf zu (s. Beilage IV). 126, 127 — Wilhelm, Graf zu, 1807—1898; preußischer General. 88 31. 58, 59 T h i l e , preußischer General und Kabinettsminister. U h l i c h , Leberecht, 1799—1872; freigemeindlicher Theologe. 12. 50 V i n c k e , Friedrich Freiherr von, 1774—1844; Oberpräsident 26, 126 von Westfalen. W e d e l l , Oberpräsident von Schlesien. 38, 39 W e s t f a l e n , Jeröme Bonaparte, König von, 1784—1860. 7.8 128

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Personenverzeichnis. W i n d i s c h g r ä t z , Alfred Fürst zu, 1787—1862; Feldmarschall-Leutnant. W i t t g e n s t e i n , August Prinz zu, Reichsminister. Wittgenstein, Wilhelm Ludwig Georg Fürst zu, 1768 bis 1854; 1817—1851 Minister des königlichen Hauses. Wrangel, Friedrich Graf von, 1784—1877; preußischer Feldmarschall. W y l i c h , Alexander Freiherr von (s. Beilage IV). Y o r c k v o n W a r t e n b u r g , Johann David Ludwig Graf, 1759—1830; preußischer Feldmarschall. Zinzendorf, Nikolaus Graf von, 1700—1760; Stifter der Brüdergemeinde.

E d w i n Ton jManteuflel a l s Q u e l l e z u r C c i d i i c k l c F r i c J r i d i W i H i f l m » I V . V o n Dr. E. SJunitz. 9 8 S. 8°. 1931. Kart. M . 3 . - . J o h a n n Peter Ancillon und Kronprinz Friedridi V i H i f l m I V . V o n Dr. Paul Haaie. i 8 3 S. 8°. 1920.

Preußen.

Kart M . 4 . — .

D e r p m i ^ i l d i e V e r f a s s u n g s k a m p f vor hundert J a h r e n . V o n Dr. P. Haale. i 3 3 S . 8°. 1911. Cel>. M . 3.40. S i e Ü b e r l e i t u n g P r e u ß e n « in J a « koatitutionelle S y s t e m d v t d i J e n zweiten V e r e i n i g t e n L a n d t a g . V o n Dr. Hans Mahl. 380 S. 8°. 1909. Kart. M . 6.-. Friedrich D a n i e l B a u e n n i n n und die deutsche R e v o l u t i o n v o n 1848/49. V o n Dr. A. v. HarnaJc. 117 S . 8°. 1930.

Kart. M . a.üo.

D i e erste d e u t i d i e N a t i o n a l v e r s a m m l u n g . V o n Veit Valentin.

180

S.

Gr.-8°*

1919. Brosch. M . 3.3o, geb. M .