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German Pages 282 [285] Year 1900
Wissenschaftliche Untersuchungen zum Neuen Testament • 2. Reihe Begründet von Joachim Jeremias und Otto Michel Herausgegeben von Martin Hengel, Otfried Hofius, Otto Michel
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Antikes Judentum und die Mysterien Religionsgeschichtliche Untersuchungen zu Joseph und Aseneth von
Dieter Sänger
J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) Tübingen 1980
CIP-Kurztitelaufnahme der Deutschen Bibliothek Sänger, Dieter: Antikes Judentum und die Mysterien: religionsgeschichtl. Unters, zu Joseph u. Aseneth / von Dieter Sänger. - Tübingen: Mohr, 1980. (Wissenschaftliche Untersuchungen zum Neuen Testament: Reihe 2; 5) ISBN 3-16-142871-4 ISSN 0340-9570
978-3-16-157135-0 Unveränderte eBook-Ausgabe 2019
© Dieter Sänger / J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) Tübingen 1980. Alle Rechte vorbehalten. Ohne ausdrückliche Genehmigung des Verlags ist es auch nicht gestattet, das Buch oder Teile daraus auf photomechanischem Wege (Photokopie, Mikrokopie) zu vervielfältigen. Printed in Germany. Satz und Druck: Guide-Druck, Tübingen. Einband Heinrich Koch, Großbuchbinderei, Tübingen.
MEINEN ELTERN
VORWORT Die vorliegende Arbeit ist im Wintersemester 1978/79 von der Theologischen Fakultät der Universität Heidelberg unter dem Titel "Metanoia und Mysterium. Untersuchungen zum religions- und
traditionsgeschichtlichen
Ort
von 'Joseph und
Aseneth'" als Dissertation angenommen worden. Für den Druck habe ich sie noch einmal
überarbeitet und besonders in den
Anmerkungen stark gekürzt. Ohne den
hilfreichen Beistand,
den kritischen
Rat und
die Unterstützung vieler ist das Zustandekommen eines Erstlingswerkes
nicht zu denken.
Mein Dank gilt
zuerst Herrn
Prof. Dr. Chr. Burchard für seine freundschaftliche Begleitung auf dem Weg bis zum Abschluß der Arbeit. Thema an und ließ mir jede Freiheit,
Er regte das
auch Thesen zu formu-
lieren, die er eher kritisch beurteilt. Weiterhin ist Herrn Prof. Dr. H. Thyen
für das Korreferat zu danken und beson-
ders Herrn Prof. Dr. K. Berger,
der mithalf, die Disserta-
tion über die akademischen Hürden zu bringen. Die Theologische Fakultät der Universität
Heidelberg und die Evangeli-
sche Landeskirche in Baden haben durch einen Druckkostenzuschuß die Veröffentlichung erleichtert. Auch ihnen sei ganz herzlich gedankt. Frau.
Besonderen Dank aber
schulde ich meiner
Ohne ihre unermüdliche Geduld und ständige
reitschaft,
mich trotz
starker eigener
spruchnahme von vielem zu entlasten,
Hilfsbe-
beruflichen Inan-
wäre diese Arbeit nie
geschrieben worden. Ich widme das Buch meinen Eltern, die von Beginn an mein Studium
mit großem
Interesse,
wenngleich bisweilen
wohl
auch ein wenig mit Kopfschütteln begleitet haben. Bretten, den 5. Januar 1980
Dieter Sänger
INHALTSVERZEICHNIS
EINFÜHRUNG
1
DAS RELIGIONSGESCHICHTLICHE PROBLEM VON JOSEPH UND ASENETH IN DER FORSCHUNG I. Die religionsgeschichtliahen Konsequenzen der literarkritisohen Hypothese P. Batiffola II. Der Versuch, Joseph und Aseneth auf palästinisohjüdischem Hintergrund zu verstehen III. Das Problem eines gnostisohen Interpretationsrahmens von Joseph und Aseneth
11 11 22 29
1. Die methodischen Voraussetzungen
30
2. Zum traditionsgeschichtlichen Verhältnis von PrJos und JosAs
31
3. JosAs und valentinianisch-gnostische SophiaSpekulation
34
4. Voraussetzungen des gnostischen Verstehensrahmens
46
IV. Die Problematik der Essener- und Therapeutenhypothese V. Die Annahme eines komplexen religionsgeschiahtliahen Hintergrunds von Joseph und Aseneth
48 58
1. Aseneths Name
58
2. Zahlenspekulation und Astralmythologie
67
3. Das Problem eines "gnostischen Dramas" in JosAs
76
VI. Bisherige Ergebnisse und neue Fragestellung
84
RELIGIONSGESCHICHTLICHE UNTERSUCHUNGEN ZU JOSEPH UND ASENETH I. Aufgabe und methodischer Ausgang II. Die Terminologie
88 88 94
1. Initiation
94
2. Mysterienreligion
96
VIII
Inhaltsverzeichnis
III. Erwägungen zu offenen Fragen der Mysterienforsohung am Beispiel der eleusinisohen Mysterien ...
98
1. Die Quellen
100
2. Die Initiationspraxis
103
Exkure:
Das eleusinische oövöriua und die cista mystica
3. Schlußfolgerungen
108 114
IV. Initiation und Mysterium bei Apuleius. Analyse der Isisweihe im 11. Buoh der morphosen
Eine Meta-
118
1. Voraussetzungen
118
2. Ablauf der Initiation
120
3. Der komplexe Charakter der Initiation
123
4. Einzelanalyse
124
5. Ergebnisse und Folgerungen
143
V. Initiation
und Mysterium
in Joseph
und Aseneth
1. Aufgabe und methodischer Ausgang
...
148 148
2. Ritualelemente in JosAs
150
3. Analyse der Ritualelemente in JosAs
154
a) Fasten und Exhomologese
154
b) Gewandsymbolik
159
c) Josephs Fürbittengebet
163
d) Kuß als Geistmitteilung
165
e) Die Mahlformeln
167
4. Ein Proselyten-Aufnahmeformular in JosAs
174
5. Ergebnisse
188
VI. Joseph
und Aseneth
und die Weisheit
191
1. Lebensbrot und Weisheitspneuma
191
2. Der olöe SeoO als Weisheitsträger
199
3. Ein Weisheitskuß in JosAs
205
VII. Erwägungen
zum Abfassungszweok
Aseneth
von Joseph
und 209
ZUSAMMENFASSUNG UND AUSBLICK
216
LITERATURVERZEICHNIS
222
STELLENREGISTER
250
AUTORENREGISTER
271
EINFÜHRUNG* Der hellenistisch-jüdische Roman "Joseph und Aseneth"^ erzählt in Anknüpfung an Gen 41,45.50 und 46,20 die Bekehrung der Heidin Aseneth zum jüdischen Glauben. Aseneth ist die schöne, vielumworbene Tochter des Priesterfürsten Pentephres aus dem ägyptischen Heliopolis. Mit ihren sieben Dienerinnen lebt
* Literatur wird in den Anmerkungen durchweg abgekürzt zitiert; die genauen bibliographischen Angaben sind dem Literaturverzeichnis zu entnehmen. Soweit möglich richten sich die verwendeten Abkürzungen nach dem Abkürzungsverzeichnis der TRE, Berlin/New York 1976. Ich zitiere JosAs nach der Batlffolschen Ausgabe mit Kapitel- und Verseinteilung der deutschen Obersetzung P. Rießlers, Altjüdisches Schrifttum, 497-538. Wo die Verseinteilung von M. Philonenkos Ausgabe differiert, ist diese noch hinzugefügt. 1 Der terminus technicus antiker Roman zur Bezeichnung von JosAs hat sich inzwischen eingebürgert. Bereits P. Batiffol hatte in seiner edltio prineeps von einem "récit romanesque" gesprochen, Le livre de la Prière d'Aseneth, 7.10; vgl. auch M. Delcor, Un roman d'amour, 3-27; M. Philonenko, Joseph et Asêneth, 43-48; Chr. Burchard, Zeuge, 62-64; M. Hengel, Anonymität, 257; E.W. Smith, Joseph and Asenath, 20-23; S. West, Joseph and Asenath, 70-81; T. Szepessy, L'Histoire, 121-131; R.I. Pervo, Joseph and Asenath, 171-181. Im folgenden gebrauche ich den Begriff antiker Roman bzw. Roman, ohne daS dabei vorausgesetzt wird, JosAs sei das Phantasieprodukt eines am Schreibtisch sitzenden Literaten gewesen. Der antike Roman ist eine in sich durchaus nuancenreiche Literaturgattung, deren Vertreter auf paganer Seite in den Schriften eines Xenophon v. Ephesus und Chariton, eines Apuleius und Petronius, eines Longus, Achilleus Tatios und Heliodor zu finden sind. Jüdischerseits dürften neben JosAs die Bücher Esther, Judith, Tobit, III Makk sowie die Joseph- und Mosebiographie von Artapanos wie auch die Joseph-PotlpharGeschichte in TestJos 2-9 dieser Romanliteratur zuzurechnen sein, vgl. hierzu P. Weimar, Literatur, 130-135. Die Verwandtschaft der jüdischen Romanliteratur mit der hellenistischen ist dabei nicht auf einzelne Toplk beschrankt, sondern laßt sich in ganzen Stoffzusammenhingen fassen. Bahnbrechend und grundlegend auf dem Gebiet des antiken Romans war E. Rohde, Der griechische Roman, Leipzig 1876 = Hildesheim 1960, weiter führte dann K. Kerényi, Romanliteratur, Tübingen 1927 » Darmstadt 1962. Es ist das Verdienst M. Philonenkos, deren Einsichten zum Verständnis von JosAs fruchtbar gemacht zu haben.
Einführung
2
sie im Haus ihres Vaters abgeschirmt in einem hohen Turm mit seinen prachtvoll ausgestatteten Gemächern. Eines Tages meldet sich Joseph, der als Vizekönig gerade in der Gegend von Heliopolis weilt und dort während der sieben fetten Jahre das Getreide sammeln läßt, zu einem Besuch bei Pentephres an. Dieser ist hocherfreut über das Kommen Josephs, läßt sein Haus herrichten und offenbart seiner Tochter, er wolle sie Joseph zur Frau geben. Zornig wehrt sie ab. Wie kann ihr Vater es wagen, sie mit dem hergelaufenen Kanaanäer vermählen zu wollen, der doch mit der Frau seines früheren Herrn in flagranti ertappt und ins Gefängnis geworfen wurde und nur aufgrund seiner Traumdeuterei in seine jetzige hohe Position gelangte. Wütend und gekränkt zieht sich Aseneth in ihre Gemächer zu rück. Dann fährt Joseph vor, seinem wunderbaren Aussehen nach einem Gott gleich. Aseneth sieht ihn und ist sogleich von seiner Erscheinung überwältigt. Sie sinkt zu Boden, bittet den Gott Josephs wegen ihrer bösen Worte um Vergebung und hat nur den Wunsch, doch wenigstens Josephs Magd sein zu dürfen. Kurz darauf kommt es zur ersten Begegnung zwischen Aseneth und Joseph. Dieser verweigert aber Aseneths Begrüßungskuß, da sie Götzendienerin ist und er ein frommer Jude, bittet aber Gott, auch sie in sein auserwähltes Volk aufzunehmen. Darauf wendet sich Aseneth von ihren angestammten ägyptischen Göttern ab und bekehrt sich zum jüdischen Gott. Zum Zeichen ihrer Buße vernichtet sie all das, was sie als Götzendienerin auszeichnet. Sie kleidet sich in ein Sackgewand, streut sich Asche auf den Kopf und fastet und trauert sieben Tage und sieben Nächte. Obwohl sie sich scheut, sich in ihrer Situation an den neuen Gott zu wenden, faßt sie doch Mut und bittet in einem langen Gebet Gott um Vergebung für ihren Hochmut Joseph gegenüber und fleht, Gott möge sie nunmehr als sein Kind annehmen. Als Antwort auf ihr Gebet erscheint ein Engel vom Himmel in ihrem Gemach, der ihr die Erhörung ihres Gebetes verkündigt. Er eröffnet ihr auch, daß Gott Joseph zu ihrem Mann bestimmt habe. Als Aseneth den himmlischen Boten zum Gastmahl bittet, fordert dieser sie auf, ihm eine Honigwabe zu bringen. Völlig unerwartet findet Aseneth tatsächlich eine auf wunderbare Weise erzeugte Wabe in der Vorratskammer. Der Engel ißt davon
Einführung
3
und legt auch Aseneth ein Stück in den Mund. Nach den Worten des Engels hat sie damit das Brot des Lebens gegessen, den Kelch der Unsterblichkeit getrunken und ist mit der Salbe der Unverweslichkeit gesalbt worden. Danach entschwindet der Engel auf einem Feuerwagen in den Himmel. Joseph kommt noch am gleichen Tag, wie vorausgesagt, und beide können nun einander in die Arme schließen. Pharao richtet eine große Hochzeitsfeier aus, und über die Zeit bekommen Aseneth und Joseph zwei Kinder, Ephraim und Manasse. In einem zweiten, eher locker angefügten Teil wird weiter erzählt, wie der Sohn des Pharaos in Liebe zu Aseneth entbrennt und zunächst versucht, die Josephsbrüder Simeon und Levi für den Plan zu gewinnen, seinen Vater und Joseph zu töten, um dann selbst als König Aseneth zur Frau zu nehmen. Simeon und Levi weisen das Ansinnen scharf ab und warnen den Pharaosohn, sein Vorhaben zu realisieren. Der Plan droht zu scheitern. Doch durch Lügen gelingt es dem Pharaosohn, Dan und Gad, Naphthali und Asser gegen Joseph aufzubringen, so daß sie einwilligen, ihren Bruder zu töten, damit der Sohn des Pharaos freie Hand gegenüber Aseneth hat. Aber der Anschlag auf Aseneth mißlingt ebenso wie die geplante Ermordung Pharaos. Im Kampf bringt Benjamin des sen Sohn eine tödliche Wunde bei, Pharao stirbt aus Gram über den Tod des Kronprinzen kurze Zeit später, und Joseph wird König über Ägypten, bis der jüngere Pharaosohn alt genug ist, die Herrschaft zu übernehmen. Konnte man vor kurzer Zeit schon sagen, diese Erzählung sei innerhalb der exegetischen Forschung "ziemlich bekannt gewor2
den"
und werde "seit einigen Jahren überraschend häufig zi-
tiert""*, so gilt dies heute erst recht. Nachdem JosAs Jahrhunderte hindurch nahezu der Vergessenheit anheimgefallen war, obgleich der Roman einst - zumindest was seine Verbreitung anging - zur Weltliteratur gehörte, ist jetzt sein Wert als ein wesentlicher Vertreter des hellenistischen Diasporajudentums in Ägypten so gut wie unbestritten^. Nicht ohne Grund
2 Chr. Burchard, Untersuchungen, 1. 3 D. Lührmann, Erwägungen, 454. 4 Folgender Konsens besteht heute, unbeschadet sonstiger Differenzen: JosAs ist eine originalgrieahieahe Schrift, vgl.
4
Einführung
schätzt die jüngste "Geschichte der jüdischen Literatur" von G. Stemberger JosAs als einen bedeutsamen Beitrag zur jüdischen Literaturgeschichte^, und es ist keine Frage, daß diese Schrift entscheidend dazu beitragen kann, unser Bild dieses geistesgeschichtlich und theologisch so wichtigen jüdischen Bevölkerungsteils zu ergänzen und zu erhellen®. Deshalb scheint J. Jeremias mit seiner Vermutung Recht zu behalten, dies "important apocryphon ... will be playing a considerable part in further investigation in the religious environment of 7 the New Testament" . Kommt dann hinzu, daß die Entstehungszeit etwa in die der Schriften Philos von Alexandrien fällt, des wichtigsten Vertreters des antiken Judentums ägyptischer Provenienz, ist es keineswegs verwunderlich, wenn in Untersu-
Chr. Burchard, Untersuchungen, 91-99; M. Philonenko, Joseph et Aséneth, 32. Fraglos dürfte auch sein, daß als Abfassungsort wohl nur Ägypten In Betracht zu ziehen Ist, Chr. Burchard, a.a.O. 140-143; G. Stemberger, Geschichte, 56; M. Philonenko, a.a.O. 105-107.109, was sich gegenüber anderen Hypothesen als der begründetste Vorschlag erwiesen hat, vgl. noch A.M. Denis, Introduction, 47. JosAs ist jüdisch und "irgendwann zwischen 100 v.Chr. und 100 n.Chr. entstanden", Chr. Burchard, a.a.O. 146. 5 A.a.O. 56. 6 Diese Einsicht wehrt der Gefahr, alleine Philo von Alexandrien als Repräsentanten des ägyptischen Diasporajudentums anzusehen. Sicherlich ist und bleibt er aufgrund seiner literarischen Hinterlassenschaft und wegen seiner theologischen Stellung der Exponent der alexandrinischen jüdischen Bevölkerung seiner Zeit. Nur darf eine solche grundsätzlich berechtigte Einschätzung den Blick nicht dafür trüben, daß es außer und neben Philo auch noch andere Stimmen gibt. Denn ebensowenig wie es das palästinische oder das hellenistische Judentum gibt, vgl. besonders H. Hengel, Judentum, 8-195.459.567 und ders., Juden, bes. 73-115, noch auch das Urchristentum, siehe hierzu D. Lührmann, Erwägungen, 452-467, genausowenig ist auch das ägyptische DiasporaJudentum eine theologisch oder soziologisch einheitliche Größe. Davon zeugt übrigens Philo selbst, der uns die große Bandbreite vom Mitglied der Therapeutengemeinschaft am Mareotis-See (VitCont) bis hin zum jüdischen Großstädter Alexandriens zeigt mit all den sich auf den Väterglauben auswirkenden Einflüssen. Als ein solches Beispiel kann Philos Neffe Tiberius (Julius) Alexander gelten, vgl. Josephus, Ant 20,100; Bell 2,220; Sueton, Vesp. 6,3; weitere Beispiele bei M. Hengel, Judentum, 60 Anm. 216. 7 The Last Supper, ET 64 (1952/53) 91.
Einführung
S
g chungen zur hellenistisch-jüdischen Eschatologie , zur Anthro9 10 pologie , zur Ethik und zur Frage, wie und warum sich der jüdische Glaube in der Diaspora verbreitet h a t ^ , JosAs oftmals eine geradezu paradigmatische Rolle zukommt. Und nur wenige Forscher nehmen, zum Schaden für ihre Arbeit, von dieser apokryphen Schrift keine Kenntnis. Jedoch, trotz dieser Hochschätzung auf der einen Seite gibt es immer noch keine allseits befriedigende Textausgabe, und es ist nach wie vor aktuell, was Chr. Burchard vor nunmehr fünfzehn Jahren konstatierte: die Schrift ist "kaum philologisch untersucht, religionsgeschichtlich nicht sicher einge19 ordnet, ungenügend interpretiert" . Dem Befund entspricht, daß sich bis heute nur drei größere Arbeiten mit ihr monographisch beschäftigt haben, die zudem in wesentlichen Punkten untereinander differieren. Chr. Burchards grundlegenden "Untersuchungen zu Joseph und Aseneth" befaßten sich im wesentlichen mit der Frage der komplizierten Textgeschichte und Oberlieferung des Apokryphons, während E.W. Smiths Dissertation
8 E. Brandenburger, Auferstehung, 16-33; ders. , Fleisch und Geist, passim; O. Hofius, Katapausis, passim; W.W. Reader, Stadt Gottes, passim; H.C.C. Cavallin, Life, 155-160.211-215; H. Kaiser, Bedeutung, passim; G. Nebe, Hoffnung, passim; U. Fischer, Eschatologie, 106-123. 9 E. Brandenburger, Fleisch und Geist, passim; O. Hofius, Parallele, 93f; M. Philonenko, Initiation, 147-153; P. Tachau, 'Einst' und 'Jetzt', 52-58; H. Thyen, Studien, 98130; H. Kaiser, Bedeutung, passim. 10 J. Becker, Untersuchungen, 380-401; K. Berger, Gesetzesauslegung, passim; Chr. Burchard, Liebesgebot, 39-62; A. Nissen, Gott und der Nächste, passim; L. Schottroff, Gewaltverzicht, 197-221; D. Lührmann, Feinde, 412-438. U
J. Jeremias, Verheißung, 9-15.58f; C. Bussmann, Themen, passim; K. Berger, Missionsliteratur, 232-248; R. Dabeistein, Beurteilung, passim. Leider hat P. Dalbert, Die Theologie der hellenistisch-jüdischen Missionsliteratur, JosAs nicht berücksichtigt. Es ist aber auf jeden Fall festzuhalten, daß der Roman sich nicht ausschließlich an Heiden wendet, dazu M. Hengel, Judentum, 129 und unten 209-215. M.W. haben zuerst L. Duchesne, Bulletin critique 10 (1889) 466 und L. Massebieau, ABT 11 (1889) 172 von einer propagandistischen bzw. missionarischen Absicht von JosAs gesprochen. Zum historischen Hintergrund der jüdischen Mission vgl. nur Philo, VitMos II 17-31.36.44; Josephus, Ap II 123. 281 ff; Sib III 194f.583ff; Weish 18,4.
12 Untersuchungen, 1.
6
Einführung
dem Titel entsprechend 1 ^ über Parallelen und gemeinsame Motive zwischen frühchristlicher Literatur und JosAs handelte. Dagegen legte M. Philonenko anläßlich seiner neuen Textausgabe zwei Schwerpunkte. Zum einen versuchte er, seine von Chr. Burchard recht unterschiedliche Sicht der Textgeschichte darzulegen, und darüberhinaus stellte seine umfangreiche Einleitung und sein Kommentar zum rekonstruierten Text einen ersten umfassenden Versuch d a r 1 4 , die religions- und traditionsgeschichtliche Eigenart von JosAs ein wenig aufzuhellen. Insgesamt gelangte er zu einer bemerkenswert geschlossenen Interpretation dieses antiken Romans. Der wesentliche Differenzpunkt zwischen Burchard und Philonenko trifft den Kern selbst, nämlich den Text. JosAs ist in über 80 Handschriften auf griechisch, syrisch, armenisch, lateinisch, serbisch-kirchenslawisch, neugriechisch und rumänisch bekannt und erhalten1^*. Eine äthiopische Version ist nur in Rudimenten noch greifbar; sie setzt womöglich eine arabische Fassung voraus1**. Obereinstimmung herrscht zunächst hinsichtlich der Zuordnung der griechischen Handschriften sowie der genannten Obersetzungen auf vier Oberlieferungsfamilien a, b, c und d. Nun erblickt aber Chr. Burchard in der am frühsten bezeugten und verbreitetsten Familie b, die den Vorteil hat, offenbar unrezensiert zu sein, den Kern jeder Textrekonstruktion, der jeweils durch die Handschriften der anderen Familien sowie durch die Obersetzungen aufgebessert werden muß. M. Philonenko jedoch nimmt die Handschriften B und D der Oberlieferungsfamilie d einschließlich der dazugehörigen slawischen Obersetzung als die älteste uns zugängliche Textform von JosAs an, aus der sich dann die Familien b, c und a - in dieser Reihenfolge, wobei a die am meisten gräzisierte Form darstellt - durch verschiedene Rezensionen entwickelt hätten. Dagegen hatte P. Batiffol als der Herausgeber der bis
13 Joseph and Asenath and Early Christian Literature. 14 Einiges schon vorher in Initiation, 147-153. 15 Vgl. hierzu die Ubersicht bei Chr. Burchard, Untersuchungen, 4-17. 16 A.a.O. 2.39-41.
7
Einführung
17 heute noch maßgebenden editio princeps die Handschrift A aus der Oberlieferungsfamilie a in den Text gesetzt, die Handschriften BD sowie C aus der Familie a zusammen mit der syrischen Obersetzung in den Apparat, beides aber ungenau bzw. unvollständig. Mit seiner textkritischen Sicht betrat M. Philonenko nicht völliges Neuland. In ähnlicher Form wurde sie bereits von V. 18 M. Istrin vorgetragen . Jedoch hat Philonenkos Position, soweit sie seine Textgrundlage betrifft, keine allgemeine Zustimmung gefunden. Dazu trug wohl nicht zum geringsten eine subtile Oberprüfung seines Versuchs durch Chr. Burchard bei, der anhand einiger repräsentativer Beispiele den Nachweis führte, daß Philonenkos Text keineswegs die Mutter der Oberlieferung darstellt, sondern daß die Handschriften BD sowie die slawische Obersetzung die gekürzte Fassung eines ursprünglich 19 längeren Textes sind . Gleichwohl ist mit dem Erscheinen von Philonenkos Arbeit ein Meilenstein in der Erforschung von JosAs markiert, der wegweisende Funktion behält, auch wenn man die 20 Ergebnisse im einzelnen oder im ganzen für anfechtbar hält Aber eine kritische, der komplizierten Textgeschichte Rechnung tragende Neuausgabe von JosAs ist nach wie vor ein dringendes Desiderat. Mit diesen Bemerkungen zur textkritischen Situation ist aber etwas Entscheidendes angesprochen, was auch für den Ertrag und die methodische Absicherung der Ergebnisse der vorliegenden Arbeit von ausschlaggebender Bedeutung ist. M. Philonenkos Interpretation und Gesamtverständnis von JosAs beruht auf einem Text, dessen Umfang 8265 Wörter beträgt, wogegen Batiffols Erstausgabe aus 11695 Wörtern besteht. Philonenkos "Urtext", d.h. die für ihn älteste erreichbare Textgestalt, ist demnach um ein Drittel kürzer als der Batiffolsche Text. Das hat na-
17 Hier und im folgenden werden die griechischen Bandschriften mit den bei M. Philonenko, Joseph et Asfeneth, 3f und Chr. Burchard, Zum Text, 6f, eingeführten Kennbuchstaben benannt. 18 Apokrif ob Josife 1 Asenefe, 179-199; vgl. dazu Chr. Burchard, Joseph und Aseneth Neugriechisch, 68-84. 19 Zum Text, 7-28. 20 Vgl. die kritischen Bemerkungen
von Chr. Burchard, ThLZ 95
8
Einführung
türlich Konsequenzen für Verständnis und Exegese von JosAs, da niemand behaupten wird, es seien in den Handschriften BD nur geringfügige, bei A überschießende Teile weggefallen, die jedoch keinen Unterschied bei der Interpretation der Schrift 21
als ganzer begründen könnten
. Vielmehr ist gerade hier der
philologische Grundsatz streng festzuhalten, daß es eine konstitutive Interdependenz zwischen Text und darauf gründender 22 Interpretation gibt . Es sollte nicht strittig sein, daß da, wo verschiedene Texte vorliegen - egal, wodurch die Unterschiede bedingt sind: Umfang, Wortwahl, Handlungsablauf -, auch die Interpretation eine andere sein wird. Ein kurzes Beispiel vermag anzudeuten, wie der quantitative Unterschied sich in der Sache auswirkt. Das 11. Kapitel besteht nach Philonenko nur aus einem einzigen Vers, der berichtet, wie Aseneth sich am 8. Tag ihrer Buße aus der Asche erhebt. Dagegen ist in Batiffols Ausgabe dieses Kapitel um ein Vielfaches umfangreicher und enthält 13 Verse, einen inneren Monolog, "oüt Asfeneth fait l'inventaire de sa Situation et s'encourage eile 23 mSme ä se livrer ä Dieu" . Da kein textkritischer Grund besteht, das Kapitel als sekundäre Interpolation auf einen Vers zu komprimieren, Kapitel 11 also keine bloße Nachahmung von Aseneths großem Bußgebet und allein schon deshalb "sans valeur" ist 24 , muß die lange Version im Kontext der Bekehrung 25 Aseneths interpretiert werden . Da weiterführende Überlegungen zu Gestalt und Inhalt einer neuen kritischen Textedition nur in actu, d.h. anläßlich eines wirklichen Versuchs, einen Text auf der Basis der von
(1970) 253-255; E.W. Smith, JBL 89 (1970) 257f und T. Holtz, OLZ 67 (1972) 49-55. 21 Der bei M. Philonenko fehlende Stoff ist teilweise bei Chr. Burchard, Zum Text, 8, aufgelistet. 22 Anderer Ansicht scheint G. Delling zu sein, Perspektiven, 154f (vgl. aber auch 155 Anm. 163); problematisch m.E. auch H. Thyen, Studien, 126 Anm. 1 und 127 Anm. 3. 23 Chr. Burchard, Joseph et Aseneth, 82. In seiner in Vorbereitung befindlichen kritischen Ausgabe enthält Kap. 11 sogar zwei Monologe Aseneths, vgl. unten 151 Anm. 9. 24 So M. Philonenko, Joseph et Aseneth, 7. 25 Zu einem weiteren Beispiel vgl. unten
167 Anm. 62.
9
Einführung
Chr. Burchard gewonnenen Kriterien herzustellen, sinnvoll sind, wird es nicht Aufgabe dieser Arbeit sein, auf die problematischen und größeren Raum erfordernden Textfragen insgesamt einzugehen. Das kann nur in Einzelfällen geschehen, und zwar dort, wo von einer differierenden Textbasis aus auch unterschiedliche Folgerungen für die Interpretation zu ziehen sind. Ist somit der Text von JosAs in seiner Geschichte und hypothetischen Gestalt nur von Fall zu Fall zu erwägen, können die vorliegenden Untersuchungen einen Beitrag zu den anderen "Grundlagen" dieses antiken Romans leisten. Sie sind an der noch immer unbefriedigend beantworteten Frage nach der "geistigen Heimat" von JosAs interessiert, d.h. sie fragen nach Herkunft und Absicht einzelner Motive und Vorstellungskomplexe. Denn sieht man einmal von M. Philonenko ab, ist JosAs bislang noch kaum gezielt unter religionsgeschichtlichem Gesichtspunkt angegangen worden
. Es bedarf daher auch keiner beson-
deren Verständigung darüber, daß in einem wenn auch speziell darauf ausgerichteten Beitrag die religionsgeschichtliche Frage für JosAs keineswegs als geklärt oder gar erledigt angesehen werden darf. Unter diesem Aspekt eignet den Untersuchungen auch eher der Charakter von Vorarbeiten zu einer künftigen, hoffentlich sachgemäßeren Erfassung der religionsgeschichtlichen Eigenart von JosAs. 27 Bevor jedoch erneut der religionsgeschichtliche Horizont dieser lange so gut wie nicht beachteten Schrift angegangen wird, erscheint es mir unabdingbar, in einem ersten Gang das bisher noch weithin unaufgearbeitete
forschungsgeschichtliche
Material besonders der religionsgeschichtlichen Forschung zu sichten und kritisch zu prüfen, unter welchem Aspekt jeweils von JosAs die Rede ist. Dabei darf es nicht mit einem Aneinanderreihen divergierender Forschungspositionen oder einem Referat unterschiedlicher Ergebnisse seine Bewandtnis haben.
26 Zu einzelnem siehe das folgende Kapitel. 27 Religionsgeschichtlich fragen meint dabei ein aber die rein typologisch bzw. phänomenologisch ausgerichtete Betrachtung hinausgehendes Nachfragen auf die historischen und soziologisch faßbaren Bedingungen hin, die religiöse Inhalte und Vorstellungskomplexe konstituieren. Vgl. hierzu meinen Beitrag Phänomenologie oder Geschichte? Methodische Anmerkungen zur religionsgeschichtlichen Schule (demnächst in der ZRGG)
Einführung
10
Vielmehr ist grundsätzlich zu den Prämissen vorzustoßen, die je und je - ausgesprochen oder nicht - erkenntnisleitend im Hintergrund stehen und das Ergebnis mitsamt seiner methodischen Hinftlhrung bestimmen. Es geht daher im folgenden auch darum, die sich hinter der Fülle des Stoffes verbergende Systematik zu erkennen und zu versuchen, unter dankbarer Benutzung schon aufgestellter Wegweiser einen Pfad zu bahnen, der einen weiteren und vielleicht sachgemäßeren Horizont der Fragestellung eröffnen kann. Daß dieser Anspruch nicht allein in einem nur papierfüllenden Referat diverser Positionen erfüllt zu werden vermag, sondern sich sowohl in kritischer Analyse wie in konstruktiven Positionen ausweisen muß, bedarf eigentlich keiner ausdrücklichen Feststellung. Noch ein abschließendes Wort zur Textgrundlage. Da "Batiffols Text, wiewohl bearbeitet, ... einen Näherungswert für den ursprünglichen Stoffumfang (gibt), Philonenko, wiewohl gekürzt, 28
für den ursprünglichen Wortlaut"
, scheint es mir am prakti-
kabelsten und auch sinnvollsten zu sein, der Arbeit an JosAs Batiffols Ausgabe zugrundezulegen, bis eine neue kritische Edition zu haben ist. An für das Verständnis wesentlichen Stellen ziehe ich M. Philonenkos Ausgabe sowie Chr. Burchards 29 Einzeluntersuchungen heran
. In besonderen Fällen wird es
überdies notwendig sein, die in Zusammenarbeit mit Prof. Burchard kollationierten griechischen Handschriften hinzuzuziehen.
28 C h r .
Burchard,
Zeuge,
29
besonders
Untersuchungen,
Hier
60f. 49-90.
DAS RELIGIONSGESCHICHTLICHE PROBLEM VON JOSEPH UND ASENETH IN DER FORSCHUNG
Die an der religionsgeschichtlichen Fragestellung von JosAs interessierte Forschung hat noch keine sehr lange, erst neunzig Jahre alte Geschichte. In der folgenden kritischen Darstellung bietet sich daher ein chronologisches Vorgehen von selbst an. Diesem zeitlichen Aspekt korrespondiert jedoch auch ein sachlicher. Wie sich nämlich beobachten läßt, geschah die religionsgeschichtliche Einordnung weitgehend unter den gleichen Interpretationsvoraussetzungen, wie sie etwa auch für andere Zeugnisse des antiken Judentums oder auch das Neue Testament gegolten haben. M.a.W., die jeweiligen religionsgeschichtlichen Präferenzen jeder Forschungsepoche lassen sich auch an deren Verständnis und Einordnung von JosAs ablesen. So wird in der thematischen Abfolge der einzelnen Kapitelabschnitte zugleich ein Stück Forschungsgeschichte vor allem der neutestamentlichen exegetisch-religionsgeschichtlichen Arbeit sichtbar. Daß die ältere Forschung ausführlicher zu Wort kommt auch unter lokalen und zeitlichen Gesichtspunkten, hat den einfachen Grund darin, daß zunächst von der Beantwortung dieses Komplexes her entscheidende Weichen für den religionsgeschichtlichen Horizont gestellt wurden.
I. Die veligionsgesahioht'Lio'hen Konsequenzen
der
literarkri-
tisahen Hypothese P. Batiffols Ein kritischer Bericht über die bisherigen Interpretationsversuche und deren Voraussetzungen, der mehr sein will als eine nur knappe und rekapitulierende, allein deshalb schon kaum weiterführende "History of Research" 1 , hat ein- und anzusetzen bei der editio princeps von P. Batiffol aus dem Jahre 1889/90.
1 E.W. Smith, Joseph and Asenath, 4-13.
12
Die bisherige religionsgeschichtliche Forschung
Batiffol war der erste, der die Schrift um ihrer selbst willen untersuchte und sich somit genötigt sah, auch als erster etwas zur Stellung von JosAs innerhalb der zeitgenössischen Literatur zu sagen. Der Einsatz bei P. Batiffol kann und soll jedoch nicht besagen, JosAs sei vorher überhaupt nicht gelesen oder bearbeitet und folglich auch nicht beachtet worden. Bereits Vinzenz v. Beauvais (etwa 1190-1264) hatte seinem die Weltgeschichte von der Schöpfung bis in die Mitte des 13. Jahrhunderts umfassenden "Speculum historiale" eine gekürzte lateinische Version von JosAs einverleibt . Diese Fassung wurde separat und als Teil oder Quelle anderer Schriften weit verbreitet und schließlich bei J.A. Fabricius 3 als "Historia Asseneth, filiae Potipharis, uxoris Josephi" abgedruckt. Der griechische Text nach der fragmentarischen Handschrift C (Familie a), die in 10,5/10,7 abbricht, findet sich in dem von J.A. Fabricius
4 herausgegebenen "Codicis Pseudepigraphi Veteris Testamenti" . Aber insgesamt warf man, wenn überhaupt, eher Seitenblicke auf diese apokryphe Schrift^. Die ausführlichste wissenschaftliche Behandlung vor Batiffol erfährt JosAs in einem Artikel F.J.A. Horts 6 . Der Verfasser kann aber - vielleicht haben sich auch deshalb eine Reihe sachlicher Fehler eingeschlichen - mit diesem Stück Literatur wenig anfangen, da "the purpose of this history is not very evident. The greater part of it has no
2 Speculum historiale XI, 118-124. 3 Codex Pseudepigraphus Veteris Testamenti, Collectus, Castigatus, Testimonisque, Censuris s Animadversionibus illustratus, Hamburg/Leipzig 1713, 774-784. 4 Volumen alterum accedit Josephi Veteris Christian! Scriptoris Hypomnesticon, nunc primum in lucem editim cum versione ac notic, Hamburg 1723, 85-102. Zu den übrigen Verwendungen des bei Vinzenz v. Beauvais bewahrten Textes von JosAs bzw. dessen Obersetzungen vgl. Chr. Burchard, Untersuchungen, 42-45. 5 Vgl. M. Saint-Marc-Girardin, Essais II, 93-121; R. Curzon, Armenia, 225f; A.P. Stanley, Lectures, 7, der ausdrücklich auf R. Curzon hinweist; R. Sinker, Testamenta XIII Patriarcharum, XV.77; H. Rönsch, Jubiläen, 159.163.333.486f. 6 Dictionary, Vol.I, London 1877, 176f.
Die literarkritische Hypothese P. Batiffols
13
7
distinctly religious character , and is verbose and weario some; yet passages of some beauty occur now and then" . Bei Batiffol ist grundlegend und für seine ganze interpretatorische Mühe bestimmend die "in die Augen springende" Unterscheidung von toTopCa und deupCa in JosAs. Dieser Ansatz, zwei Ebenen voneinander abzuheben, ist jedoch nicht neu. Bereits in der sog. Kirchengeschichte des Pseudo-Zacharias Rhetor, q innerhalb der JosAs auf syrisch überliefert ist , findet sich ein Brief an den Obersetzer Moses v. Aggel, worin dieser um Auskunft darüber gebeten wird, was denn den tieferen, sprich: allegorischen Sinn von JosAs ausmache, der hinter dem Literalsinn zu suchen s e i ^ . Mit diesem Zurücklenken auf alte Gleise engte Batiffol nicht nur seine eigene Verstehensmöglichkeit ein, wie noch zu zeigen sein wird, sondern kanalisierte auch einen Großteil der künftigen JosAs-Rezeption. Das Verhältnis von toxopia und ôewpta ist nach Batiffol unschwer zu bestimmen, wobei er mit tcrcopta die für ihn hinter JosAs stehende Asenethhaggada bezeichnet (dazu gleich) und mit decopCa die diese überfremdende christlich-mystische Symbolik. Zuerst war der "récit romanesque séparément du développement mystique qui ... s'y serait après coup introduit"^. Ist JosAs also nicht einfach eine wenn auch erbauliche Ge1 2
schichte, sondern Träger
einer tieferen Wahrheit, muß diese
Wahrheit doch möglichst lesenswert sein. 7 Das Vermissen einer religiösen "Grundstimmung" besonders im 2. Teil von JosAs hat vor allem die älteren Forscher davon abgehalten, auch diesen Abschnitt in die Interpretation mit einzubeziehen und für das Gesamtverständnis fruchtbar zu machen. 8 A.a.O. 177. Weiterhin vgl. noch R. Sinker, Testamenta XII Patriarcharum: Appendix, VIII.7.17.21f.23f. Die lateinische Obersetzung der syrischen Fassung ist ohne eigenen Interpretationsversuch abgedruckt bei G. Oppenheim, Fábula Josephi, 13-50. 9 Hierzu siehe Chr. Burchard, Untersuchungen, 24f. 10 tcTOpCav tantum eius legi, et dec deöc uoü feoxi. Jakob wird also hier nicht einfach Gott genannt oder gar mit ihm identifiziert. Das wäre in einer jüdischen Schrift, die sich so prononciert an das Alte Testament anlehnt wie JosAs, auch gar nicht vorstellbar. In JosAs ist vielmehr der xöpioc Gott 7 ®. Zwar kann auch Joseph in 13,13/13,9 küpioc genannt werden, bezeichnenderweise steht hier aber der Titel nicht absolut, wie es der Fall ist, sobald er auf Gott bezo-
heraklitischen Briefe, 39f. Anstelle des geläufigen dQdvatOl dvTitoC, dvritoi Aödvaxoi, heißt es jetzt öeoi dvntoi, Ävdpowioi dOdvaTOt; zur Frage vgl. noch M. Pohlenz, Die Stoa I, 153ff. 67 Nach in|)£oxou sind in F etwa 13 Wörter unleserlich. Wasserfleck? 68 Vgl. hier M. Philonenkos Text zu 21,3. 69 Chr. Burchard liest in seinem neuen kritischen Text wie Batiffol. Im Qbrigen gibt es zum Verständnis der Wendung ä)C TiaTi^p UOli feoTtV Kai öeöc eine Sachparallele bei Herrn sim 9,11,3. Der Vergleich im ersten Satz d>C &6eX(fx5c ist identisch mit dem nachfolgenden OÜ el AöeXtpoc fllißv. 70 8,8/8,10; 12,1; 12,2/fehlt bei Ph.; 13,12f/13,9; 14,1/14,2; 15,2 u.ö.
Der gnostische
Interpretationsrahmen
45
71 gen ist
. Dieser Tatbestand wird damit zusammenhängen, daß
sich das israelitische bzw. das jüdische Volk immer polemisch dagegen gewehrt hat, einen anderen als seinen Gott als 7 2 Herrn . Wie
anzuerkennen, vgl. nur Ez 28,2 und Sir 33,5.12 (LXX)
sollte es von daher auch nur möglich sein, einen Juden bzw. einen Israeliten als Öe6c im originären Sinn zu verstehen? M.E. zielt in 22,3 ¿>£ Se6c primär auf das tertium, das auf Jakob und Gott bzw. den Gottesboten zutrifft. Vor beiden erschrickt Aseneth, 22,7/22,5; 22,8/22,5, vgl. 14,10, vor beiden fällt sie zu Boden, 22,8/22,5, vgl. 14,3/14,4 und 14,10 7 3 . Wie der Himmelserscheinung, so eignet auch Jakob außergewöhnliche Schönheit, vgl. 22,7/22,5 mit 14,3/14,4 und 14,9/14,8f, ähnlich schon Joseph in 5,5/5,6. Mit physischer Qualifikation hat das genausowenig zu tun wie die Sohn Gottes- bzw. Sohn des Höchsten-Titulatur für Joseph 7 ^. Ein weiterer möglicher Grund für den Vergleich Jakobs mit Gott dürfte - sofern naxfip ursprünglich ist - darin liegen, daß eben beide höchste Autorität sind und in diesem Sinn in einem Atemzug genannt wer75 den können ad 3. Auch das dritte Hauptargument H. Priebatschs, den Verfasser von JosAs in valentinianisch-gnostischen Kreisen zu suchen, vermag m.E. seine These nicht gerade wahrscheinlich zu machen. Nimmt man nämlich an, sexuelle Promiskuität wäre bei den Val-entinianern an der Tagesordnung gewesen 7 6 und JosAs von einem Valentinianer aus Opposition zu diesen Praktiken heraus verfaßt, wie Priebatsch annimmt, so müßte man doch entweder einen Angriff auf sexuelle libertinistische Tendenzen oder Auswüchse erwarten oder doch zumindest eine deut-
71 M. Hengel, Christologie, 57 Anm. 48, vermutet in der KyriosUbertragung auf Joseph den Einfluß von Ps 110,1t vgl. auch Dan 10,16f (Th). 72 Vgl. L. Schottroff, Der Glaubende, 50 Anm. 1; dort finden sich auch weitere Belege. 73 Vgl. Lk 2,9,- Act 9,3; 12,7. 74 Hierzu siehe A.D. Nock, 'Son of God', bes. 934f. 75 7,4/7,5. Vgl. auch Philo, VitMos I 158. 76 Vgl. Irenaus, Adv.haer.I 13,3.5-7 » Epiphanius, Pan.XXXIV 2,1-3,2.
46
Die bisherige religionsgeschichtliche Forschung
liehe Forderung des genauen Gegenteils davon. Aber nichts von alledem findet sich in JosAs. Zwar betont Joseph in 21,1/20,8, der dvife deooeßfic schlafe vor seiner Heirat nicht mit seiner Frau - von einer anderen als dieser ist schon gar keine Rede, vgl. 7,4f/7,4-6. Aber der Satz ist doch nicht an einer solch exponierten Stelle plaziert, als daß er ein Programm wäre. Im Übrigen ist er in JosAs singulär. Auch hat Pentephres Joseph nicht vorher etwas vorgeschlagen, was dieser dann in 21,1/20,8 ablehnt. M.E. spricht diese Überlegung - geht man von Priebatschs Bezugsrahmen aus - eindeutig gegen
eine va-
lentinianische Herleitung von JosAs. Wir können das Fazit ziehen. Keiner der von H. Priebatsch geltend gemachten Punkte ist ein durchschlagendes Argument für eine gnostische Verfasserschaft von JosAs, ebensowenig alle drei zusammen. Darum hat die gnostische Interpretation von JosAs in der von Priebatsch vorgeschlagenen Form auch kaum 77
Anklang gefunden
4. Voraussetzungen des gnostischen Verstehensrahmens Die Phase der gnostischen Rezeption von JosAs war zwar nicht durch die Menge ihrer Vertreter charakterisiert, zeich78 nete sich aber durch eine latente Hartnäckigkeit aus . Sicherlich spielte, neben anderen Faktoren, das bisherige allegorische Verständnis der Schrift eine wichtige Rolle, gleichviel, ob es sich um essenische oder christliche Allegorie handelte. Denn die Einsicht in den vermeintlich so beschaffenen allegorischen Charakter von JosAs begünstigte entschieden das Hineingeheimnissen dessen, was der einzelne Interpret gerne sehen wollte. Aber die Allegorie gibt wohl nur einen und noch nicht hinreichenden Erklärungsversuch ab, warum JosAs so plötzlich für die Gnosis vereinnahmt wurde. In stärkerem Maße dürfte die exegetische und religionsgeschichtliche Groß-
77 Der Vollständigkeit halber sei noch J. Jeremias 1 Artikel vövupn XTX., ThWNT 4 ( 1 9 4 2 ) 1 0 9 2 - 1 0 9 8 , erwähnt. Dort spricht Jeremias unter Berufung auf Priebatsch von JosAs als von dem "christl.-gnostische(n) Joseph-Asenath-Roman", 1 0 9 5 . 78 So konnten in neuerer Zeit T. Holtz und M. Philonenko wiewohl modifiziert - an diese Phase anknüpfen.
Der gnostische
Interpretationsrahmen
47
Wetterlage für diesen Trend verantwortlich sein. Dies ist zwar nur eine Vermutung, jedoch spricht manches Indiz dafür. Zunächst, es ist nichts Neues, was sich hier darstellt. Wie oben schon an einem anderen Beispiel deutlich wurde, hat jede Forschungsepoche ihre eigenen Präferenzen. Für die Zeit etwa von der Jahrhundertwende bis zum 2. Weltkrieg - danach begannen in ähnlicher Weise die neuen Funde von Chirbet-Qumran und später die koptisch-gnostischen Texte von Nag-Hammadi die exegetische und religionsgeschichtliche Diskussion neu zu entfachen und vielfach zu beherrschen - dominierte die Frage um Wertung und Bedeutung gnostischer Texte für die Bibelwissenschaft eindeutig in der Debatte. Diese wurde begleitet von einer stattlichen Anzahl exegetischer Untersuchungen zum Neuen Testament, welche versuchten, die Zeugnisse der Gnosis für die Bibelinterpretation fruchtbar zu machen. Gnostische Texte bekamen somit einen eminent hohen hermeneutischen Stellenwert. Und indem das aus ihnen erhobene existentiale Selbstund Weltverständnis im Gefolge R. Bultmanns - hier ist in besonderer Weise H. Jonas zu nennen - die ontologischen Kriterien dafür lieferte, wie Neutestamentier ihre Texte angingen und befragten, erhielten diese gnostischen Texte indirekt einen entscheidenden systematisch-theologischen Rang. Wenn es auch nur ein Schlagwort ist, in diesem Zusammen79 hang von einem "gnostischen Fieber" zu reden, so zeitigte doch das enge Zusammenwirken von Philologen, Historikern und Theologen die Konzentration auf eben diesen Gegenstand. In diesen Sog wurden - sicher nicht immer ganz bewußt - auch nichtbiblische Texte hineingenommen; denn 80 aus welchen anderen Gründen sollte etwa derselbe Forscher
, der über JosAs
nicht speziell gearbeitet hatte, die Schrift innerhalb kurzer Zeit auf völlig verschiedenem Hintergrund ansiedeln? M.E. zeigt sich auch in der gnostischen Rezeptionsphase von JosAs, daß die Schrift selbst nur den inneren Argumentationsrahmen
79 G. Friedrich, Erforschung, 502; vgl. M. Hengel, Der Sohn Gottes, 53-56 und die scharfe Replik darauf von W. Schmithals, Gnosis und Neues Testament, bes. 23-35. 80 Z.B. G. Beer, RE 3 16 (1905) 262f und RGG 2 III (1929) 379.
48
Die bisherige religionsgeschichtliche Forschung
bildete, wogegen der die eigentlichen Verständniskriterien liefernde hermeneutische Gesamthorizont von einem gnostischen Vorverständnis geprägt ist.
IV. Die Problematik
der Essener-
und
Therapeutenhypothese Nach dem 2. Weltkrieg begann ein neuer Abschnitt in der JosAs-Forschung. Er war nicht allein durch die Zäsur der politischen Ereignisse bedingt, sondern vor allem dadurch, daß in dieser apokryphen Schrift zum erstenmal ein konkreter Beitrag zum Verständnis eines zentralen neutestamentlichen Themas gesehen wurde. G.D. Kilpatrick erschloß aus den sog. Mahlformeln^ in JosAs und aus der Herrenmahltradition im Neuen Testament ein "common pattern", nämlich "the blessing and par2 taking of bread and wine as a religious meal" , wobei beide Stränge "different lines of an older custom" bildeten. Für unsere begrenzte Fragestellung ist wichtig, daß nach Kilpatrick die in JosAs bezeugte Mahlform auf dem Hintergrund griechischer Mysterien zu interpretieren ist, so daß wir in JosAs ein Beispiel dafür hätten, wie sich hellenistisches Diasporajudentum seiner heidnischen Umwelt "under the guise of mystery" präsentierte^. Hier wird erstmalig der mysterienhafte Hintergrund von JosAs, exemplifiziert an den Mahlformeln 4 , zur Diskussion gestellt. Auch wenn G.D. Kilpatrick den Schwerpunkt seiner These nicht auf die religionsgeschichtliche Seite gründete, war hiermit doch ein Stichwort gegeben, das ger-
1 8,5-7; 8,9/8,11; 15,5/15,4; 16,16/fehlt bei Ph.; 19,5/fehlt bei Ph.; 21,14/fehlt bei Ph.; 21,21/fehlt bei Ph (die beiden letzten Stellen aus Aseneths Psalm; neue Zählung nach Chr. Burchard, DBAT 14 (1979) 36f) . 2 The Last Supper, 6. 3 A.a.O. 6. 4 Der Plural ist vorzuziehen, da im Singular von vorneherein zu stark die rituelle Komponente mitschwingt, die erst noch zu erweisen ist. Schon die Tatsache, daß an den oben genannten Stellen die "Formel" zwei- oder dreigliedrig erscheint, sollte hinsichtlich eines einlinigen Verständnisses zur Vorsicht mahnen.
Die Essener- und Therapeutenhypothese
49
ne aufgegriffen wurde. Denn es korrespondierte u.a. mit einer Philointerpretation, die den Alexandriner als Protagonisten einer jüdischen Mysterienreligion verstand^, in die der einzelne durch einen regelrechten kultischen Initiationsakt nach Art der antiken Mysterien aufgenommen wurde. Die Frage, ob wir in JosAs wirklich einem solchen Akt begegnen, braucht uns in diesem Oberblick nicht weiter zu beschäftigen, da sie im nächsten Kapitel ausführlich behandelt wird. Jedenfalls bleibt festzuhalten, daß die formelhafte zwei- bzw. dreigliedrige Wendung ÄPTOG, noxi^piov (xPi xaxÄV, & W AycxöÖv. Zum Problem vgl. E. Rohde, Psyche I, 289 f. 68 Vgl. noch Plutarch bei Stobaeus, Eclog. 52,49; Piaton, Phaidon 69C; Resp. 363C-E; Pindar, Olympian 2,67; Cicero, Leg. 2,14,36 und dazu E. Rohde, a.a.O. 294 sowie G. Wagner, Problem, 95f. 69 A.D. Nock, Cremation and Burial, 346.
Offene Fragen der Mysterienforschung
113
gen^® einer frisch abgeernteten Ähre durch den Hierophanten^ Die meisten Forscher halten diese Nachricht mit Recht für au72 thentisch . Die Ähre war sowohl Symbol der Fruchtbarkeit des Ackers als auch - davon abgeleitet - Symbol der weiblichen 73 Fruchtbarkeit . Ihr Vorzeigen ist auch deshalb glaubwürdig, "weil sie sich vorzüglich in den agrarischen Gedankenkreis 74 einfügt, der die Grundlage des eleusinischen Kults bildet"
70 Die Zuordnung von ¿V OLMTlIÜ bei Hippolyt, Ref.V 8,39, ist umstritten. Mit J. Dey, I1AAIrTENEEIA, 44 und W. Burkert, Religion, 430, muß m.E. fev Olümfi auf £ru6eIKvOvxec bezogen werden. Während des heiligen Aktes der Epoptie, in dem der Hierophant die Khre den Epopten zeigt, sind diese völlig passiv, vgl. Aristoteles, frag. 15 (p.84 ed.Ross): 06 uadeCv ... dXXa nadeCv. Der Epopte empfängt also keine Lehre, die es zu behalten und zu gegebener Zeit weiterzusagen gälte, sondern er wird während der heiligen Schau in einen rein rezeptiven Zustand versetzt. Hierzu paßt die OlWTll^ vorzüglich, alles andere als Schweigen machte die Andacht zunichte. Zur Erklärung der bei diesem Verständnis etwas ungewöhnlichen Stellung von fiv OkunQ vgl. K. Ker&nyi, Mysterien der Kabiren, 26 Anm. 2. 71 Hippolyt, Ref.V 8,39. Diese Stelle darf aus folgenden Gründen als zuverlässig gelten: im 7. Abschnitt des 5. Buches seiner refutatio überliefert Hippolyt als t
fev xti alcovCqi
Diesem Fürbittengebet könnte
das Gebet des Isispriesters vor der Besprengung des Mysten mit Wasser entsprechen (praefatus deum veniam, Met.XI
23,2),
wenngleich die inhaltlichen Differenzen offenkundig sind. 2.
Aseneths absolutes Fasten:
xdc eiiTd
TIUFEPAG,
UTIÖÖ
6A.Ü>S
OOTCOS
O Ö Vfercotrioev'AoevSd
Yeuoaufevri Tivög,
läßt
10,17/10,20,
sich cum grano salis mit der zehntägigen partiellen Nahrungsaskese der Isismysten vergleichen, Met.XI 2 3 , 3 , und könnte sich somit als ein Punkt in einem Initiationsschema erweisen. 3.
Das große Gebet Aseneths in
1 2 , 1 - 1 3 , 1 5 / 1 2 , 2 - 1 3 , 1 2
be-
sitzt kein Pendant im Initiationsritual der Metamorphosen. Zwar finden sich dort zwei recht umfangreiche Gebete an die Mysteriengottheit, XI
2,1-7
und
25,1-6;
jedoch sind sie, wie
ihre Stellung ausweist, außerhalb des liturgischen Schemas angesiedelt. Hingegen müßte Aseneths Exhomologese dazugerechnet werden. 4. Mehrfach ist von einem qualifizierten jüdischen Essen die Rede, umschrieben mit den zwei- bzw. dreigliedrigen Formeln dpxog £wfig, Ttoftfpiov ddavaotag, xPtoua dtpdapoiag^ • Zu beachten ist aber, daß unter Verwendung der gleichen Vokabeln auch nichtjüdisch-heidnisches Essen benannt sein kann und entsprechend qualifiziert wird, 8,5: dpxoc dyxövrig, noxfipiov £v£6pag, xptoua draoXeCas; 21,14: dpxog dYX^vrig, noxfipiov 6v£ö1? pag . Daneben finden wir in 20,8/20,5 Joseph und Aseneth so wie deren heidnische Verwandtschaft, wie sie zusammen ein
11 Die Stellen sind oben Ann. 3 genannt. Jedenfalls sollte die Variabilität der Glieder zur Vorsicht mahnen, ohne nähere Prüfung von einer geprägten Formel zu sprechen. 12 Vgl. Chr. Burchard, Untersuchungen,
78f.89.
Initiation und Mysterium in Joseph und Aseneth
Freudenmahl veranstalten
153
13 . Sowohl die Diktion als auch der
Charakter des hier beschriebenen Mahles: xai uexd xaGxa ficpayov naC firuov nat efcppdvdnoav14 verraten eine bewußte Anlehnung an alttestamentlichen Vorstellungsbereich^. Will man hier nach einem Vergleichspunkt im Isismysterium suchen, kommt für die formelhaften zwei- bzw. dreigliedrigen Wendungen wohl nur das ientaculum religiosum in Frage, Met.XI 24,5. Dagegen besitzt das in JosAs 20,8/20,5 bezeugte gemeinsame Mahl im convivium von Met.XI 24,5 eine gewisse Entsprechung. 5. Im Anlegen der oxoXfi Xeonfi, 14,14/14,15, bzw. der axoA.fi npt&xn, 18,5/18,3, vgl. 15,10, könnte man schließlich eine mysterienhafte Gewandsymbolik sehen. Die doppelte Erwähnung der oxoXfi in 14,14/14,15, vgl. 14,12/14,13 und 18,5/18,3, vgl. 15,10 bietet jedoch eine nicht unerhebliche Schwierigkeit, da oxoXfi Xeuxfi und oxoA.fi rtpt&xn voneinander unterschieden werden. Die letztere ist die oxoA.fi yduou, 15,10, die Aseneth auf Geheiß des Engels anzieht und wofür sie die oxoA.fi Xeuxfi ausziehen
muß, die ihrerseits an die Stelle des Trauergewan-
des getreten war: xou £Xa&e oxoXiiv Aeiwriv ... xau feveßöoaxo aGxfivfexöuoaufevriup6xepov xfiv ufiA.ai.vav oxoXfiv, 14 ,1 4/14,1 5 1 ® .
13 Der Verfasser sucht die Schwierigkeit, daß nun Joseph doch mit Helden zusammen iBt - von einer Separierung Josephs wie in 7,1 ist ja keine Rede -, dadurch auszugleichen, indem er vorher ausdrücklich betont, alle, also auch die Heiden, fiöogav xöv Ocov xov Ctooiioi.oOvxa xouc venpotic, 20,7/ 20,5. Damit ist ihnen eine charakteristisch jüdische Formel in den Hund gelegt, vgl. Dtn 32,39; I Reg 2,6; Hi 5,11; Ps 112,7; Sir 48,5 (dort auf Elia bezogen) u.ö. Verwandt damit ist die Bezeichnung Gottes als b feyeCpcov bzw. ^(OOTlOlUV XOUC venpoöc, vgl. Sch e mone Esre (paläst. Rez.) 2. Benediktion (G e buroth); Röm 4,17.24; 8,11; I Kor 15,22; II Kor 1,10; I Clem 59,3. Sachlich entsprechend sind Mk 1 2,26f; Joh 5,21; Hebr 11,19, vgl. auch I Thess 4,14.16. Zum Problem siehe G. Kegel, Auferstehung Jesu, 8 und H. Schwantes, Schöpfung der Endzeit, 56f. Her so wie in 20,6/20,5 Gott preist, kann nach Meinung des Verfassers wohl nicht mehr nur Heide sein. 14 So Burchards neuer Text, vgl. Gen 25,34; Ex 24,11; Jdc 9,27; I Sam 30,16; II Sam 11,11.13; I Reg 1,25; 13,18; Jes 21,5; Jer 15,16; Hi 1,4; Prov 23,7; Ruth 3,3; Koh 3,13; Est 4,16; Dan 1,12» I Chr 12,40 u.ö. 15 Vgl. R. Smend, Essen und Trinken, 446-459; M. Ottosson, ThWAT 1 (1973) 252-259, bes. 253f.257. 16 Diese Doppelung berücksichtigt H. Thyen, Studien, 126 mit Anm. 3, nicht.
154
Religionsgeschichtliche Untersuchungen
Da das Bekleiden mit der oxoA.fi Xeuh^ das Ende der Trauer- und Fastenperiode markiert und das weiße Kleid während der Begegnung mit dem Engel von Aseneth getragen wird, wird man ihm 17 wenn überhaupt - eine tiefere Bedeutung beilegen können Als Mysterienparallele darf hier Met.XI 24,1-3 gelten, wo der Isismyste durch eine "zwölffache Stola geheiligt" (duodecim sacratus stolis, 24,1) vor dem Volk erscheint. 6. Bei ihrem zweiten Zusammentreffen dürfen Aseneth und Joseph sich endlich umarmen und einander küssen, 19,10f/19,3. Dabei übermittelt Joseph ihr nveOua
nveOua. aocptag und
nveOua AXnöetac. Eine Analogie dazu gibt es im Initiationsritual der Isismysterien nach Apuleius nicht. 3. Analyse der Ritualelemente in JosAs Nach dem eingangs Gesagten wird man von einem in JosAs abgebildeten jüdischen Mysterienritual, das eine besondere Affinität zu dem der Isismysterien aufweisen soll, nur dann sprechen können, wenn die namhaft gemachten einzelnen Ritualelemente sich als Teile einer übergreifenden Liturgie begreifen lassen, die in ihrer Struktur noch ersichtlich ist. Daß sich dabei formale und inhaltliche Argumente ergänzen, dürfte sich von selbst verstehen. Ein Blick auf den Aufbau der in Frage stehenden Kapitel und ihre Stellung im Kontext vermag in diesem Zusammenhang einen ersten Hinweis zu geben. a) Fasten und Exhomologese Innerhalb dieser Kapitel nimmt das große Gebet Aseneths in 12,1-13,15/12,2-13,12 einen erheblichen Raum ein. Im Kontext des Romans steht es nach dem ersten Besuch Josephs in Pentephres' Haus. Joseph und Pentephres samt dessen ganzer Verwandtschaft haben das Gebäude verlassen, 10,1. Aseneth zieht sich in ihr Zimmer zurück und macht Ernst mit dem, was 9,2 sagt. Sie kehrt sich von den Göttern ab, die sie bisher verehrte. Als äußeres Zeichen ihrer Umkehr vernichtet sie all das, was sie bisher als Dienerin der ägyptischen Götter ausweist,
17 So Chr. Burchard, Fußnoten, 160 Anm. 23s "mythische Obertöne" .
I n i t i a t i o n u n d M y s t e r i u m in J o s e p h u n d A s e n e t h
10,10-13/10,11-1418.
155
10,8f/10,9f19, 20 s t r e u t s i c h A s c h e a u f s H a u p t , 1 0 , 1 5 / v g l . 10,16 Ph. und 21 s c h l ä g t sich k u m m e r v o l l a n die B r u s t , 1 0 , 1 5 / 1 0 , 1 7 . Das a l Sie l e g t e i n B u ß g e w a n d a n ,
les s p i e l t sich c h r o n o l o g i s c h a n e i n e m T a g a b . N a c h
einem
s i e b e n t ä g i g e n F a s t e n setzt A s e n e t h s G e b e t ein, K a p .
12f, a n
das sich d e r E n g e l b e s u c h a n s c h l i e ß t . F a s t e n u n d G e b e t
stehen
d e m n a c h in der M i t t e z w i s c h e n der in 9,2 g e n a n n t e n U E T d v o t a u n d d e r d i e U m k e h r zum G o t t J o s e p h s b e s t ä t i g e n d e n E n g e l v i s i 22
te
. D a r a u s f o l g t a b e r m . E . , daß A s e n e t h f a s t e t u n d b e t e t
als s c h o n Bekehrte,
d . h . als P r o s e l y t i n . Der E n g e l b e s u c h
nicht Anlaß von Aseneths
ist
uexdvoia.
N u n ist a b e r A s e n e t h s B e k e h r u n g i n ihrer g a n z e n in J o s A s e n t h a l t e n e n M a n n i g f a l t i g k e i t u n d K o m p l e x i t ä t n i c h t a u f 9,2
zu
18 D a s ist der S i n n der h i e r b e s c h r i e b e n e n H a n d l u n g . Die otoXri ¿ k X e h t ^ p a ß t auf d e n e r s t e n B l i c k n i c h t g a n z h i e r e i n , da sie nur s c h l e c h t a l s A t t r i b u t d e s G ö t z e n d i e n s t e s g e l ten k a n n . A b e r w a h r s c h e i n l i c h ist m i t dem H e g w e r f e n d e s b e s t e n K l e i d e s s a m t A c c e s s o i r e s der e r n s t e H i l l e u n t e r s t r i c h e n , d e m a l t e n G ö t t e r g l a u b e n zu e n t s a g e n . Daß A s e n e t h h e r n a c h n i c h t b a r a l l e r G a r d e r o b e ist, z e i g t n e b e n 1 4 , 1 4 f / 14,15-17 n o c h 1 8 , 5 f / 1 8 , 3 - 7 zur G e n ü g e . 19 V g l . I H a k k 2,14; II M a k k 3,19; J d t 4,10; P s S a l 2,10; 5,190; T e s t J o s 15,2; L i b A n t 30,5; J o s e p h u s , V i t a 28.
Sib
20 V g l . III M a k k 1,18; J d t 4,11; III Esr 8,90; V i t A d 31; A p k M o s 6.9; T e s t H i o b 28,3; P a r J e r 2,1; 4,6; 7,20; 9 , 9 . Heitere Belege auch aus dem paganen und christlichen B e reich bei O. Böcher, Dämonenfurcht, 232-234. 21 V g l . P h i l o , F l a c c 157; A p u l e i u s , M e t . I X Lk 18,13; 2 3 , 4 8 .
31,1; M K o h
7,2;
22 D a B d i e U E T d v o i a V o r a u s s e t z u n g für d a s E r b a r m e n G o t t e s u n d seine V e r g e b u n g i s t , z e i g e n e b e n f a l l s Jer 31,34; Sir 17,29; ä t h H e n 5 0 , 2 . 4 ; O r M a n 7.13f; T e s t A b r 12,13; A p k S e d r 14,3.9; 15,3; v g l . a u c h 16,2. U n t e r B e r u f u n g auf Jub 4 1 , 2 3 - 2 5 u n d P s S a l 3,8 m a c h t K. B e r g e r , A l m o s e n , 183, d a r a u f a u f m e r k s a m , d a B die A b f o l g e von B e k e h r u n g u n d g ö t t l i c h e r Vergebung ein "ursprünglich innerjüdisches Schema" darstellt, w e l c h e s auf die H e i d e n k o n v e r s i o n ü b e r t r a g e n w u r d e . S o l l te s i c h J o s A s 1 5 , 4 / 1 5 , 3 auf 9,2 b e z i e h e n , w a s m i r w a h r s c h e i n l i c h i s t (besonders w e g e n d e r Z e i t f o r m d e s V e r b s : A o r i s t l ) , d a n n f i e l e n h i e r B e k e h r u n g und g ö t t l i c h e A n n a h m e z u s a m m e n . Im g r i e c h i s c h e n u n d im h e l l . - r ö m . B e r e i c h sah d i e A b f o l g e a n d e r s a u s , v g l . P i a t o n , R e s p . 5 1 8 D - 5 1 9 C ; E p i k t e t , D i s s . 3 , 2 3 , 3 7 ; S e n e c a , E p . 108,3; P o r p h y r i u s , A d M a r c . 24; J a m b l i c h u s , De m y s t . 1,13. Zum P r o b l e m s i e h e H . H . J a e g e r , G G A 175 (1913) b e s . 590f; A . D . N o c k , C o n v e r s i o n , 1 7 - 4 7 . 1 6 4 - 1 8 6 . 2 7 5 - 2 8 0 . 2 9 5 - 2 9 7 ; H. S c h ö n f e l d , M e t a n o i a , passim.
156
Religionsgeschichtliche Untersuchungen
beschränken. Einer solchen Wertung von 9,2 stehen andere Stellen gegenüber, die später erst von einer Neuerschaffung Aseneths, und d.h. doch wohl Bekehrung, reden, 15,5/15,4: dud öS xfic tiufepas xaÖTriS» und den Tag, an dem Aseneth eben dies gesagt wird, als tiuipa ueydXn bezeichnen, 14,1/14,2, vgl. 9,5. Will man dem Verfasser von JosAs nicht einfach Unachtsamkeit unterstellen oder seinem Roman gar grobe Sinnwidrigkeit, muß es eine einleuchtende Erklärung für diesen Sachverhalt geben. Sicher vollzieht sich Aseneths Bekehrung zum jüdischen Gott in 9,2. Anders ist m.E. die Gewichtigkeit des nur dort für Aseneths Konversion gebrauchten Verbes uexavoetv unterschätzt und würde bei einem anderen Verständnis zu gering bewertet. Allerdings ist damit nur ein Aspekt
von Aseneths
Bekehrung
in den Blick genommen, nämlich, wenn man so sagen darf, allein der von menschlicher Seite aus gesehene. Es ist ja nicht zu verkennen, daß auch die folgenden Kapitel die Metanoia der früheren Heidin zum Thema haben. Das wird aber erklärlich, wenn man beachtet, daß die Engelvisite u.a. darstellen soll, wo der eigentliche Ort der Metanoia ist, nämlich im Himmel. Dort
ist Aseneths Name im Buch des Lebens unauslöschlich ein-
geschrieben - beachte aber: 6ypd TtpCv. Dagegen ist Aseneth bereits dort angelangt, worum Joseph Gott in 8,9/8,11 gebeten hat. Sie gehört dem auserwählten Volk an, ihr Name ist im Buch des Lebens eingeschrieben: ¿ypdcpn (!) xxfig etöcoXa vexpä xai xaxpd, xai ta&tel fix xfig xpaxifiDlC aöxöv dpTOv Ayx6v1S> xaC rtCvet. fix xfls cmovSfig a6xöv noxi^ptovfevfifipag,xai XpCexai xptcyuaxL AntoXeCae. 8,9/8,11: xai (paYfixco Apxov £t»fjg oou xai Tufixa
UOXT^PLOV
E6XO-
ytag oou. 15,5/15,4: xai tpAYsig^ Apxov £e atua' Hat feEfeteive xö öeöxepov xfiv xetpa a£>xoö nat fedriHe xdv ödxxuXov aöxoö fent xö dxpov xpO htipCou xö (JXfeuov npög ßpppfiv Hat etXxuaev fent xö dnpov xö ßXinov npöc ueoriußptav xat &6öc xpO öaxxüXou aöxoO fcvfevexo ä s alua' nat 'Aaevfed etoxfixei feg eöwvöiiuv aöxoö xat S&Xeue ndvxa öoa fenoCei. ö dvdpto-rtos. Der Engel zieht zwei sich überschneidende Linien auf die Honigwabe, ein Kreuz. Aber das Kreuz ist wohl kaum Selbstzweck und rechtfertigt mithin nicht die Annahme einer christlichen Interpolation . Der Finger geht von West nach Ost und von Süd nach Nord, deutet also alle vier Himmelsrichtungen an. Die Schwierigkeit im Verständnis dieses Kreuzesmirakels liegt vor allem darin, daß es mit der rätselhaften Bienenepisode verbunden ist und vielleicht sogar deren Anfang bedeutet. Auch ist grundsätzlich zu fragen, ob dann die Bienen nicht auch eine rituelle Bedeutung haben. M.E. läßt sich hinsichtlich des Kreuzesmirakels mit aller Vorsicht soviel sagen, daß es im Kontext der Szene und insbesonders im Blick auf 15,7/15,6f eine Zeichenhandlung dafür ist, daß Aseneth zur Mutter und zum Urbild aller künftigen Proselyten aus allen fiövri wird. 6. Makarismus, 16, 14/16,7 9 4 .
92 Das steht nicht im Widerspruch zu der oben vertretenen nichtmystischen Interpretation der oxoXat. Von einem neuen und weißen Gewand wird ja vielfach völlig unmystisch gesprochen, vgl. nur äthHen 62,16; slHen 22,8; AscJes 4,16; 7,22; 8,14; Apk 3,4; 6,11, ebenso auch koptElApk 39,4 und VisEsr 2,40. Ganz richtig beurteilt A. Lindemann den Sachverhalt, Aufhebung der Zeit, 142 Anm. 193. 93 Vgl. M. Philonenko, Joseph et Aseneth, 189 z.St. und E.W. Smith, Joseph and Asenath, 194f. 94 Zum Makarismus vgl. Chr. Kähler, Traditionsgeschichte, bes. 46-56; Ch.H. Maahs, Macarisms, 23-54; D. Gewalt, Petrus, 27-29. Philonenkos Hinweis auf Jamblichus, De myst. 6,5 und 6,7 im Interesse einer mysterientheologisehen Interpretation des Makarismus in JosAs zeigt nur, daß in
Initiation und Mysterium in Joseph und Aseneth 7. Honigkommunion
181
95 .
8. Deutung der Gabe, 16,16/fehlt bei Ph.
96
9. Die Gemeinschaftsglieder küssen den Neuproselyten Im einzelnen muß manches unsicher bleiben. So läßt sich z.B. das Wirken eines Engels nur auf der literarischen Ebene darstellen. In der Wirklichkeit mag seine Stelle vom Leiter
Hysterieninitiationen ein Makarismus seinen Platz haben konnte, was ja auch niemand bestreitet. Das heißt jedoch nicht, daß ein solcher eo ipso immer mit einer Initiation einhergeht, vgl. nur Mt 5,3-12 und 16,171 95 Die Honigkommunion wird ausdrücklich mit den Worten umschrieben, die auch für das Kultmahl verwendet werden, 16,16, folglich kann sie nicht initiierende Funktion haben, dem das Kultmahl als Hauptsakrament folgte (so aber Philonenko, vgl. oben 168 Ann. 63). Außerdem ist zu beachten, daß es nur heißt cpdye, nicht aber noch Tlte oder auch X P Ì O U . Die bloße Aufforderung zu essen ist aber angemessen, da man eine Honigwabe nicht essen kann und sie nur schwer als Salbmittel vorstellbar ist. Deshalb ist m.E. das (pdye als pars pro toto für nachfolgendes t6où 6l1 ßqxxyec dpxov £cofìC> Hat T I O T ^ P I O V Clues ddavaatac, xat xptouaxi. xéxpioai àcpdapatac zu nehmen und beides in eins zu setzen. Das bedeutet dann aber, die Honigkommunion ist der Initialpunkt für das in 8,5 beschriebene Verhalten (vgl. die vorherige Analyse der Stelle). Damit erübrigt sich auch die These einer getrennten Abfolge von Initiationsritus und sakramentaler Mahlzeit. 96 Ich bin mir bewußt, daß dies der unsicherste Punkt im Aufnahmeformular ist, da von einem besonders qualifizierten Küssen erst 19,11 die Rede ist. Aus 19,11 hat T. Holtz, Interpolationen, 490-492, eine Konkurrenz zwischen Initiation durch die Honigkommunion und einem sakramentalen Kuß erschlossen, die er durch eine sekundäre Christlich-gnostische Überarbeitung erklären niente. Aber T. Holtz' literarkritischen Voraussetzungen sind mit überzeugenden Gründen zurückgewiesen worden, vgl. nur die kritischen Anfragen Chr. Kählers, Traditionsgeschichte, 49 Anm. 2. Es bleibt das Argument, daß von einem dreifachen (pCXriua erst 19,11 berichtet wird. Ich meine aber, daß Josephs Küsse, von denen einer ja das rcveGua £tüflc vermittelt, also nichts anderes als das XTlpiov UÉXuTOC nach 16,14 auch, nur auf den Begriff bringen und gewissermaßen systematisieren, was 16,14-16 szenisch darstellt. Sie müssen also im wesentlichen von der kompositorischen Absicht des Verfassers her interpretiert werden. Außerdem entspricht die Gestalt Josephs komplementär der Aseneths. Er ist der fromme Jude par excellence, der die geborenen Juden dieser Gemeinde in seiner Person repräsentiert. Von daher scheint mir es immerhin möglich zu sein, daß die Praxis des (pCXr)Ua im Aufnahmeformular seinen Sitz gehabt hat. Aber mehr als eine begründete Vermutung kann das nicht sein.
182
Religionsgeschichtliche Untersuchungen
der Gemeinde, vielleicht aber auch von einem Priester
97
wahr-
genommen worden sein. Daß es in JosAs ein Engel ist, wird mit der starken Betonung des Offenbarungscharakters dieses Geschehens zusammenhängen, wie vor allem aus 14,1-11 und 16,14/16,17 (dnoxaXünTeiv) hervorgeht. Außerdem ist es ja die biblische Aseneth, der diese Offenbarung gilt. Sie ist für den Verfasser die Mutter aller Proselyten und damit deren "theologische Rechtfertigung"
98 . Vielleicht darf man sogar sagen, daß wir es
in JosAs im Blick auf die zuvor benannten liturgischen Ele99 mente mit einer Art Kultätiologie zu tun haben , mit dem tepdg XÖYOQ für die in dieser Gemeinschaft geltende Proselyten-Aufnahmeliturgie, die für sich beansprucht, Offenbarungscharakter zu haben. Dieser besondere Offenbarungscharakter der Bekehrung Aseneths und die darin eingeschlossene Verheißung, jede Konversion zum jüdischen Gott liege in göttlicher Offenbarung begründet, gibt m.E. nun den entscheidenden Hinweis darauf, wie die Einbettung einer Aufnahmeliturgie in JosAs verständlich gemacht werden kann. Denn es ist ja nicht mit dem Glauben getan, Elemente einer solchen Liturgie erkannt zu haben, wenn nicht gleichzeitig, dem zuvor beschriebenen methodischen Ansatz gemäß, deren Funktion im Kontext von JosAs erklärt werden kann. Wir können hier auf bereits Gesagtes zurückgreifen. Aseneths Abkehr von den heidnischen Göttern und ihre Hinwendung zum jüdischen Gott wird zweimal erzählt oder, anders ausgedrückt, von je anderer Seite aus gesehen. Während 9,2 Aseneths subjektiven Entschluß mitteilt, dem alten Glauben zu entsagen, und der direkte Fortgang zeigt, welche Konsequenzen sie daraus zieht, veranschaulicht der ganze Komplex der Engelvisite, was uerdvoia zum jüdischen Gott von himmlischer Warte aus eigentlich bedeutet und welche andere Wirklichkeit noch dem subjektiven Entschluß korrespondiert. Ganz analog dazu ziehen Kap. 9-13 die anthropologischen, die eoteriologisahen
Kap. 14-18
Konsequenzen der Bekehrung aus.
97 So S. Anandakumara, Gentile Reactions, 327.333f. 98 Chr. Burchard, Untersuchungen, 117 mit Anm. 5. 99 Zum Terminus "Ätiologie" vgl. bes. K. Berger, Exegese, 123.
Initiation und Mysterium in Joseph und Aseneth
183
Worin könnte aber der Grund für die Verwendung und sukzessive Einarbeitung einer dem Verfasser bekannten Aufnahmeliturgie für Proselyten liegen? Die m.E. wahrscheinlichste Erklärung ist, daß gerade sie vorzüglich geeignet war, das einer solchen Liturgie dem Konvertiten gegenüber eignende objektive Moment seiner Bekehrung zu verdeutlichen. Gleichzeitig konnte die im Blickfeld von JosAs stehende Gemeinde für ihr Aufnahmeformular beanspruchen, es besitze Offenbarungscharakter und -gemäßheit, und zwar aus mindestens zwei Gründen. Einmal wegen des schon genannten objektiven Moments seines rituellen Vollzuges und zum anderen vor allem deshalb, weil dieses Formular am biblischen Beispiel Aseneth von himmlischer Seite eingesetzt und damit für alle Proselyten legitimiert wurde. Dieses kultische Formular liegt uns jedoch schwerlich in Reinkultur vor, was vor allem darin begründet ist, daß es im Zusammenhang einer Liebesgeschichte überliefert ist. Diese schlägt in der kultischen Handlung öfters d u r c h 1 0 0 und lenkt zur Liebesgeschichte zurück, wohl deshalb, weil sie Aseneths Aufnahme ins jüdische Volk erst ermöglicht und im Kontext des Romans plausibel macht. Allerdings wird hier auch ein Stückchen Wirklichkeit sichtbar. Liebesbande werden öfters der Grund für Heiden gewesen sein, zum Judentum überzutreten, vgl. Josephus, Ant 20,34f; Philo, Jos 84f und Juvenal, Sat. 6,542ff. Unter diesem Blickwinkel ist Aseneths Obertritt in der Tat eine reine
Zweckkonversion 101 .
Nun läßt sich auch die erste oben aufgeworfene Frage klären, wie es möglich ist, daß zwei zu unterscheidende Sachverhalte mit derselben formelhaften Wendung umschrieben werden können, oder anders gesagt, wie das Verhältnis von 8,5 zu 16,16 zu bestimmen ist. Gemeinsam ist die primär soteriologische Ausrichtung, die vor allem in den Begriffen dOavaoia und dcpOapa£a abzulesen ist. Die deutenden Worte von 16,16 ziehen
100 Z.B. in 15,9, wo der Engel seinen Besuch bei Joseph ankündigt; dazu gehört aber auch 15,14-16,12/15,14-16,6, gleichviel, welche Vorstellungen hier auch immer im Hintergrund stehen, sowie 17,4-10/17,3-7. 101 Chr. Burchard, Zeuge, 83 Anm. 94.
184
Religionsgeschichtliche
Untersuchungen
die soteriologischen Implikationen der unmittelbar voraufgehenden Honigkommunion aus. Ist diese gewissermaßen abbreviaturhaft der feierliche Vollzug der ersten Mahlzeit sub conditione judaica, dann kann das nach dem bisher Gesagten für 8,5 nur bedeuten, daß jedes
jüdische Essen ein gleich qualifizier-
tes Essen wie das im Kultformular beschriebene ist. Es ist hierbei ohne Belang, daß sich Vollzug und Speise bei der Honigkommunion erheblich vom normalen jüdischen Essen unterscheiden. Wichtig ist vielmehr, daß beiden Sinn
Akten
derselbe
innewohnt. Das Stück Honigwabe, welches der Proselyt im
Rahmen seiner Aufnahme in die Gemeinde bei seinem ersten Essen als Jude in den Mund bekommt, steht für die gleiche Speise, von der die Auserwählten Gottes sich im Paradies ernähren, 102 16,14/16,8, das Manna . Aufgrund dieser Kongruenz von 16,16 und 8,5 gilt deshalb in der Tat, daß das tägliche Essen ein Mannaessen
jüdische
ist^*^.
Von hier aus werden die anderen Mahlwendungen
ebenfalls
verständlich. In 8,9/8,11 könnte man fragen, ob Joseph bittet, Aseneth möge Jüdin werden
- dann wäre das Essen im Kultakt
gemeint, oder ob er bittet, sie möge in Zukunft als Jüdin leben
- dann wäre auf das tägliche jüdische Essen abgehoben.
Dagegen ist 15,5/15,4 eindeutig auf 16,16 hin formuliert, ebenso 19,5, dort jedoch in Retrospektive. Daher erklärt sich wohl auch die Zweigliedrigkeit der Mahlwendung mit dptoe und Ttoxi^PLOV alleine. Als "Insider" kann Aseneth die Kurzform nennen in dem Wissen, daß Joseph als nunmehr
Glaubensgenosse
das Gemeinte versteht. Gleichzeitig sagt 19,5 noch einmal, wie wenig man in der Sache den Initialakt des ersten Essens more judaico trennen darf von der in 8,5 beschriebenen
grund-
sätzlichen jüdischen Lebeweise; denn 16,15f begründet ja, warum Joseph jetzt genau das tun darf, vgl. 19,11/fehlt bei Ph., was ihm allein nach 8,5 gestattet ist: nur eine zu küssen, die genauso Jude ist wie er, und d.h. so lebt wie er. Zu 21,14 ist bereits das Nötige gesagt worden.
102 Dazu ausführlicher unten
191-199.
103 T. Holtz 1 Bestreitung dieser Interpretation, Interpolationen, 483, kommt gegen die deutlichen Hinweise im Text m.E. in keiner Weise auf.
Initiation und Mysterium in Joseph und Aseneth
185
Eine Ausnahme bildet 21,21 (dpToe Euflg, HOTI^PLOV oocptac) • Die Verbindung noxfipiov oocptac ist m.W. für das antike Judentum singulär. Es liegt aber kein Grund vor, die Funktion des Genetivs anders zu bestimmen als bei Tioxflpiov ddavaoCac und XP?oua dupSapotac. Hier wie dort zeigt er an, welche Gabe vermittelt wird. Es wird noch zu sehen sein, in welchem traditionsgeschichtlichen Kontext die Gabe der oocpCa zu interpretieren ist. Wir hatten die Entscheidung der Frage offen gelassen, ob Josephs Fürbittengebet für Aseneth in 8,9/8,10f analog dem des Isispriesters für den Initianden Lucius eine rituelle Funktion zukommt, weil es unmittelbar mit der Mahlformel verknüpft erscheint. Trifft unsere bisherige Interpretation des Kultformulars und der durch dieses begründeten Mahlformeln zu, wird man die Frage mit gutem Grund verneinen können. Das Gebet erscheint außerhalb des liturgisch geprägten Rahmens des Formulars. Freilich steht es nicht ohne jede Beziehung zu ihm. Das Gebet befindet sich nämlich, und zwar kompositorisch geschickt mit der zweigliedrigen Mahlformel verbunden, an einer dramaturgisch exponierten Stelle von JosAs, dem ersten Zusammentreffen von Aseneth und Joseph. Es provoziert die Spannung, ob Aseneth wirklich statt des dpxoc dyxövnc dpxoc ißt, statt des noxfipiov tviöpac das noxfiptov döavaotac trinkt und anstelle des xptoua dntoXeCac mit dem xptoua d