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German Pages 96 [100] Year 1809
Annalen der
Geschichte und Politik mit Beylagen.
Fünftes Heft.
Giesen ntib Wetzlar 1808. bey Tasche und Müller.
Europas
Umwandlungen in
ihrem Verhältniß ju dem allgemeinen Besten
von
Louis»
Drittes Heft»
Giesen und Wetzlar bey Tasche und Müller
1808.
93 §- 47Ein unter mehrer» Völkern etablirtek freyer Handel versetzt die Kräfte der Natur und der Menschen in eine solche harmoni sche Zusammenwirkung zur. Lieferung der Gegenstände des menschlichen Lebensgenus ses/ zur Versorgung der Völker mit ihren mancherley Bedürfnissen/ daß das Total ihrer National-Reichthümer und die Maste derGlückseeligkei't/ die sie im Ganzen genies sen/ dadurch sehr erhöht werden.. Wenn in manchen Landern die Natur so im Voraus wirkte / daß sie in einer langen Zeit eine die Bedürfnisse der Einwohner weit übertreffen de Quantität von gewissen Artickeln hervor brachte : so erhält der Ucberschuß nur durch' den Handel Werth für sie und die Mensch-
94 liche Gesellschaft, und wenn mehrere Völ ker bey dem Verkauf der mancherley Waaren
in Coneurrenz mit einander treten: so muß cS dahin
kommen,
daß jede Art
der
Waaren da'hervvrgebracht wird r wo die
zu dem Ende angewandten Kräfte die Vor theilhaftesten Resultate liefern.
Mit den
unermeßlichen Waldungen in Rußland und Polen wäre, wenn man das Holz nicht vermittelst des
Handels an andre Länder
absetzen könnte,.nichts bcssers anzufangeu,
als daß man den
größten Theil davon
verbrennete, um dadurch
mehr Platz
zu
Viehweiden und zum Ackerbau zu gewinnen.
Ist in einem europäischen Staat das Fabrick-und Manufakturwefen, besonders in Beziehung auf gewisse Gegenstände, ungleich
mehr als in irgend einem andern vcrvoll-
—
95
~
ksmmnet worden; so muß esc dem gcsamm< ten Reichthum von Europa zum Vortheil
gereichen/ wenn alle übrige Länder ihre Be» dl'irfnisse von diestn Fabri aten aus jenen Staaten zieh»/ da/ wenn sie auch in andern
Staaten producirt werden sollten/ die Ver
sorgung Europas mit ihnen / auch selbst bey
einer geringern Güte derselben/ eine größ-
re Quantität menschlichce Arbeit erfordern würde. §.
40«
Die Natur hat die Dinge in der Welt so
verfettet/ daß waö zum Besten der Mensch
heit dient/ der Regel nach auch den einzel nen Völkern zuträglich ist/ obgleich in Rück
sicht auf manche Dinge das Interesse der
Welt und das Interesse einzelner Länder nur
durch eine Reihe von Beziehungen mit ein-
—
96
~
ander zusammenhangen, die nicht so leicht
ju verfolgen ist. $• 49Der Gewinnst, der für mehrere Staa-
ten durch die Einführung einer freyen Han delsgemeinschaft unter ihnen entsteht , ver» theilt sich auf solche Weise unter sie, daß fe der Ursache hat, damit zufrieden zu seyn.
Die Masse der Betriebsamkeit in einem lande muß allezeit in einem gewissen Ver hältnis bleiben zu der Bevölkerung desselben und dem Fonds, den die Einwohner besitzen» Das Interesse, welches die Menschen bestimt, von ihrer* Kräften immer den Ge brauch zu machen, den sie am vortheilhaftesten für sich finden, muß bey einem freyen Handel auch die Betriebsamkeit eines Staats
97
grade auf die seinen Local-Verhältnissen an» gemessensten Gegenstände leiten. §.
5o.
Die Landwirthschaft, wobey die Vege tation mit den menschlichen Kräften zusammenwirkt, liefert im Verhältnis zu den menschlichen Arbeiten und den Auslagen, hie sie erfordert, einen größer» Ertrag, als die Industrie; bey dieser bedarf es zu ei nem gewissen Erwerb weniger Vorschüsse, als bey dem direkten Handel, und bey die sem wieder weniger als bey dem Zwischen handel. Wenn ein Staat also erst in seinem Emporkommen begriffen ist, wenn er bey einem gr.'ßen Maas der Ländereien, nur ei ne verhältnismäßige geringe Bevölkerung und wenig Capitalien besitzt: so ist eü sei-
98
nem eignen Interesse gemäß , daß feine Mit glieder Anfangs und noch geraume Zeit den Ackerbau zu ihrer Hauptbeschäftigung ma chen und nur in dem Maas, als feine Be völkerung und feine Reichthümer beträcht lich zunehmen, mit ihrer Betriebsamkeit auch zu verschiedenen Zweigen der Industrie, von diesen zu dem direkten Handel und von dem, wenn es die Lage und die Umstände verstatten, zum Zwischenhandel übergehn,
§. 5i.
Da Rußland, z. B. in dem Fall ist, daß eS ein unermeßliches, zum Theil sehr frucht bares Gebiet, aber verhältnismäßig derma len nur noch wenige Menschen ulld Fonds hat: so ist es vortheilhafter für dasselbe, daß es seine Kräfte hauptsächlich auf die Land-
99
wirthschaft verwende, und für die Prei
se, die eS für die erzielten rohen Produkte,
welche, es andern Völkern verkauft, erhalt, sich wieder besonders von den Britten und
Franzosen seinen Bedarf an Fabrick- und
Manufakturwaaren erkaufe, als wenn es zum Nachtheil seines Ackerbaus jene Waa ren selbst verfertigen wollte,
§.
5s.
Wenn Staaten, die eine blühende In
dustrie und Handlung haben, ihre Fabrikate
und HandelSartickel nicht mehr an andre
Staaten absetzen könnten, und dadurch zu
einer Beschränkung ihrer Betriebsamkeit ge bracht würden: so könnten sie auch von Ländern, die einen grosen Vorath freywik-
io« lig von der Natur- hervorgebrachter Produk
ts besitzen f diese nicht mehr ankaufen.
§.
55.
Aber die Menschenzahl, sagt man, nimmt
in einem Lande in dem Maas zu, als meh rere Menschen in demselben Gelegenheit fin
den, sich zu nähren; wenn nun ein Volk Fabrikate, die eö bedarf, statt sie selbst zu verfertigest, von andern kauft: so büßt es an seiner Volksmenge eine solche Anzahl von
Menschen ein, als bey der Verfertigung je
ner Fabrikate Beschäftigung finden würde; und da nun die Industrie auch zugleich ei
ne der vornehmsten Quellen der Nationalreichthümer ist: so wirkt ein freier Handel in einem Lande, wo er, weil man gewisse
Fabrikate nicht in gleicher Güte und zu den
nämlichen Preisen liefern kann, al« sie von
fremden Verkäufern ;u erhalten sind, die
industriöse Betriebsamkeit jurückhalt, auch den beyden Hauptbedingungen, wovon ein solches Emporkommen der Industrie ab
hängt, daß sie dem Staat entschieden vortheilhaft wird, und daß er mit der Zeit die
Coneurrenj der ausländischen Manufakturen
nicht mehr fürchten darf, grade entgegen. §. 54.
So lange ein Staat noch gar nicht oder wenig benutzte Felder hat, so lange in ihm der Boden noch auf eine Art, di, viele Der» besserungen juläßt, eultivirt wird: solang«
kann, weil der Ackerbau in ibm noch viel
mehr Individuen nützlich beschäftigen und ernähren kann, seine Bevölkerung auch ohn*
102
Industrie und Handlung noch immer in ei nem ansehnlichen Maas zunehmen, durch die
Landwirthschaft können die Capitalien eines Landes noch sehr bedeutend und sichrer als
durch Manufakturen und Handlung vermehrt
werden.
§.
55.
Erzwingt eine Negierung für die einhei mische Verfertiger gewisser Fabrikate den Ab
satz an die Mitbürger derselben durch Ver bote der Einfuhr solcher Fabrikate von an
dern Landern, wovon man sie besser und wohlfeiler haben könnte: so verschlimmert sie
die Lage der Verbraucher solcher Waaren,
erschwert es ihnen von ihrem Erwerb Er
sparnisse zu machen, und wirkt also in die-ser Beziehung der Vergrösserung der Volks-
io5
—
—•»
menge und bet gesammelten Fonds, die sie
dabey zum Zweck hatte, grade entgegen. §.
56.
Nicht die bloße Vermehrung seiner Volks menge, sondern die Vermehrung der glück lichen Familien, die er in sich schließt, ist
für einen Staat wünschenSwerth.
Wenn ein
Volk gewisse Fabrikate von einem andern Volk, bey dem das Manufakturwesen sehr vervollkommnet ist, kauft: so gibt es frey
lich dadurch bey diesem Staat einer Anzahl
Menschen Gelegenheit sich gut zu nähren, Und die, wenn jene Fabrikate in seiner Mitte verfertigt würden, die Zahl seiner eignen In
dividuen vermehrt haben würde. wenn eine solche Menschenzabl
Allein,
bey
dem
vorausgesetzten Betrieb nur kümmerlich ihre
—»
io4
—-
Subsistenzmittel finden, oder nur vermit telst einer bedeutenden Belästigung der übri gen Staatsgkieder e^istiren könnte: so ge reicht es ihm eben so wenig zum Nachtheil,, daß sie statt innerhalb seines Gebiets, mei nem andern lebt, als die menschliche Gesell
schaft im Ganzen offenbar bey dieser Ver setzung gewint»
§. 67. Ist eS mit dem Ackerbau, der Bevölke rung und der Anhäufung des Vermögens in einem Staat dahin gediehen, daß auch die industriöse Betriebsamkeit seinem Zustande angemessen wird: so mag die Regierung im merhin zur Beförderung gewisser Zweige der selben, die durch seine Local-Verhältnisse besonders begünstigt werden, de en die sich im Lande damit beschäftigen, bey dem Ab-
io5
satz vor den ausländischen Mitbewerbern ei nige Vortheile einräumen, die Einfuhr der Artickel, die sie liefern, mit mäßigen Abga ben belegen. Können ab/r die inländischen Verfertiger dieser Artickel auch bey einem mäßigen Zoll, der, wenn sie au- der Frem de eingeführt werden, von ihneu erlegt wer den muß, .nicht bestehen: so ist das ein Be weis, daß, wie sehr es auch den Anschein haben möchte, gleichwohl der Industriezweig, der jene Gegenstände liefert, dem Staat nicht wahrhaft zuträglich sey, und in dem Fall ist tö besser von dtr Cultivirung dessel ben abzustehn, als sein Gedeihen durch noch größere Beschränkungen der auSwärtiHen Coneurrenz zum Nachtheil der Csnsumenten er zwingen zu wollen.
iö6 §. 58. Ausser zur Unterstützung der einheimischen Industrie hat matt in den Handelseinschrän
kungen auch noch ein Mittel zur Erreichung eines andern wichtigen Zweckes'finden wol len, nämlich zur Beförderung der Anhäufung
des Geldes in einem Lande. brauch derselben
in der
Aber der Ge
letzten Rücksicht
schäft eben so wenig Nutzen, als eö gemei niglich mit ihrer Anwendung in der ersten Beziehung der Fall ist.
§. 69. Ein guter Hauswirth, dachte man, sorgt dafür, daß er immer weniger Geld aüsge-
be als er einhebt, daß er von Zeit zu Zeit etwas zurückleqen könne, um durch diese Er sparnisse sich ein kleines Capital zu sammeln
—
lo7
**
und faches nach Und Zach immer mehr zu vergrößern: so erfordert denn auch eine gu te Saatöwi'rthschaft, daß, hie Ausgaben ei
ner Nation iminer geringer -find äi& ihre Ein
nahme/ und daß die Regierung durch Be schränkungen der Einfuhr so auf die HandelekuläNz wirke, daß/das Volk immer
weniger vön andern Völkern kaufe, als es
an sie verkaufe, damit auf die Weife die ed len Wttakle, diese iierva rerutn goren da rum sich immer mehr in dem Staat anhau»
ftru §. 60.
Der ganze Reichthum einen Nation hat
drey Zweige, das stehende Vermögen/-wel ches sie besitzt, als Ländereyen/' Gebäude tu
f. f. Die Waffe der Gegenstände/ die sie
108
jährlich hervorbringt, ihren ganzen jährlichen Erwerb und den Vorrath von baarem Gel de, der bey ihr vorhanden ist.
Die beyden
ersten Zweig« des NationalreichthumS sind ungleich wichtiger als der letzte.
Die Ge
genständer die eine Nation jährlich hervvrrings, nähren und nnterhalteni sie, diese "Gegenstände selbst oder andre Dinge, wel
ch« von andern Völkern für sie eingetauscht werden, werden entweder verbraucht, oder dem .stehenden Vermögen geschlagen.
Dieses stehende Vermögen wirkt wieder rost den menschlichen Arbeiten ber wer Reproduk
tion zusammen.
Wendet des , zum Bey
spiel, einem Theil seines Erwerbs zur Ver besserung von Ländereyen, zur Anlegung nütz
licher Fabrick gebäude u; f. f. an: so ver mehrt man dadurch seine Einnahme für
die Zukunft.
Es ist sehr wohl möglich, daß
rin Staat eine sogenante nachtheilige Han
delsbilanz habe, daß sein baarer Geld» Vor
rath sich vermindere und daß er gleichwohl wirklich reicher werde.
So kann es der Fall
seyn, daß er nur darum an andre Staaten für seinen Einkauf von ihnen mehr Geld
auszahlt, als er für seinen Verkauf an sie
einnimmt, weil seine Mitglieder einen gros sen Theil ihrer Arbeiten, womit sie sonst Gegenstände für den auswärtigen Absatz hät ten hervvrbringen können, auf die Vergrös
serung deS stehenden Vermögens verwende ten , z.B. zur Verbesserung ihrer Ländereyen,
oder auch viele Gegenstände ankauften, wo
durch sie gleichfalls das stehende National--
Vermögen vergrößerten, als Holz, Eisen, Stein u. s. f. zur Erbauung von Schiffen,
110
zur Aufführung von Wirthschaft« - ober Fabrickgcbauden u. s. f. §. 61,
In einem kande, wo es mit der Verthei'kung der Arbeiten und mit dem Verkehr be
reits weit gediehen ist, bringen die Indivi duen nur einen Theil oder gar nichts von den Gegenständen, die ste verbrauchen, selbst hervor: sondern tauschen sich solche meisten« oder alle gegen ihre eigne^lrbeiten oder die Produkte derselben von andern um. Bey allen d«esen dlmsatzgeschaften dient nun da« Geld zum Medium, aber so, daß das nehm liche Stück Münze zu dem Dehus wieder» hohlt gebraucht werden kann. Man kann den Satz, daß eine große jährliche Produk tion für eine Nation migseich wichtiger sey,
111
als der blosse Besitz einer grossen Quantität edler Metalle also auch so ausdrücken, daß
es für den Reichthum einer Nation ungleich weniger auf die Quantität Geld, die sie
besitzt, al» auf die lebhafte Cirkulation des
Geldes ankowme.
Eine Nation, bey der
zwey Millionen Thaler in einem Jahr als Ae» quivalente für Waaren zwanzigmal von ei
ner Hand zur andern gehn, ist dreymal so. reich, al« eine Nation, die acht Millionen. Thaler klingende Münze besitzt, wovon vier
Millionen müssig liegen und die andern vier Millionen nur sährlich zweymal im Handek
ihre Besitzer wechseln. §. 62.
Vielleicht würden manche Monarchen sich eher entschliessen, dem Gebrauch der Han-
112
del«-Einschränkungen al« Mittel jur Der-
Mehrung der Volksmenge und des Dor« raths von baarer Münze in ihrem Lande zu entsagen, sahen sie nicht in dieser Vermeh
rung der Menschen und des Geldes auch zugleich
wieder ein Mittel, ihre Kriegs
macht zu vergrößern und sich mit größrer
Hoffnung des Erfolgs ihrer Kampflust zu überkaffen.
Hat ein Fürst nur viele Unter
thanen: so kann er ja, mögen sie nun wohl
habend seyn, oder nur kümmerlich leben, doch immer viele Recruten ausheben; und
mag die Quantität der Gegenstände, die eine Nation hervorbringt und zu ihrem Genuffe verwendet, auch noch so geringe seyn ', und
«S wird nur dafür gesorgt,'daß die edlen
Metalle, die sie besitzt, oder die bey ihr ein gehn, durch einen Damm von der Wieder«
118 au-strömung zurückgehalten werden: so sann
ja doch der Monarch in dem Augenblick, wo er Krieg anfangt, nicht um da- zur Füh
rung desselben nöthige Geld verlegen seyn, mag er nun von der von der Nation gcsam-
melren Münze bereit- schon nach und nach einen großen Theil in seine Schatzkammer
abgeleitet haben, oder sie sich auch noch in den Handen der Privatpersonen befinden,
von denen er. sie ja im Nothfall immer auf die eine oder die andere Weise an sich bringen sann.
63. Eine Anzahl wohlgenährter, frischer, wü thiger Menschen, die für da- Vaterland, worin eö ihnen wohlgieng, mit Eifer fech ten, leistet im Felde mehr, alö eine größer
ii4
Anzahl verkümmerter unglücklicher Menschen, denen das Schicksal ihres Vaterlandes und
feiner Regierung gleichgültig ist, weil sie sich ihnen wegen nichts verpflichtet fühlen, ihnen für nichts Dankbarkeit schuldig ju seyn
glauben. §,
64.
Der Schatz eines Monarchen, wir groß er auch seyn mag, und das bey seinem Volk
vorrathige baare Geld, welches er, wenn er Krieg anfangt, sich auf eine oder die andere
Art zu eigen machen kann, mögen wichtig seyn, um die ersten, augenblicklichen Be dürfnisse des begonnenen Kriegs zn bestrei
ten , aber bey einer länger» Fortdauer des
Kriegs kommt diese Ressource gegen die Hülfs-
quellen, die ein Mcnarch in einem reiche»
115 Nationalerwerb hat, wenig in Betracht. Der
traurige Einfluß, den der letzte eben so kurze al- unglücklich, Krieg von Preußen, unge
achtet der gefüllten Schatzkammer des Königs
auf das Nahrungswefen unh den Wohlstand
der Preußischen Nation gehabt und die ge
ringe Wirkung, welche der jährliche Auf wand von so vielen Millionen Pf. Sterling,
welche der mit so grossen Schulden belastete brittische Staat nun schon so lange zum Be huf des Krieges macht, bey dem ausseror dentlichen National »Erwerb der Dritten,
zum Nachtheil ihres Wohlstände- und ihre« Lebensgenusses geaussert hat, sind Ersah«
rungöbeweise, welche diese Wahrheit augen scheinlich bestätigen. §. 65.
Liessen die Monarchen sich auch überzeu»
116
gen, daß sie durch Handels-Hinschränkun-
grn wenig jur Vortheilhaften Vermehrung
ihrer Streitkräfte und ihrer Ressourcen zur Führung eines Kriegs wirken können, wür den sie es auch fönst vielleicht verzieh«, daß ihre Unterthanen durch den Ankauf gewisser
Waaren von einem Lande dazu beytrügen, daß in diesem Lande eine Anzahl Menschen
mehr sich eine glückliche Existenz verschaffen
könnte, alö daß durch die erzwungene Ver
fertigung oder Anschaffung jener Waaren in ihrem eignen Staat die Zahl her Dürftigen in demselben vermehrt würde: so sinden sie
doch, so lange das Kriegsfystem unter den
Völkern, fortdauert, auch in ihrer Rivalität gegen andere Mächte, noch ein neues ent
scheidendes Motiv zur Anordnung solcher Einschränkungen.
ii7
*
*
*
§ . 66»
Wenn von den Individuen, die in einet Gegend noch in dem Naturzustände neben einander leben, die meisten sich entschliessen
einen Staatsverein zu formirenz so machen
sie gegen diejenigen, welche sich weigem die
sem Entschluß beyzutreten, noch von ihrem alten Kriegsrecht Gebrauch und nöthigen sie, sich der neuen Ordnung der Dinge zu unter
werfen oder auch sich aus der Gegend zu ent fernen. • Wollten aber vcrschiedne Staaten,
Die geneigt wären, vermöge eines Bundes
allen feindseligen Bestrebungen gegen einan der zu entsagen, die übrigen neben ihnen
ezustirenden Völker durch die Waffen zum
Deitrit zu diesem Bunde zwingen: so dürste
n8 tine solche Anwendung der Kriege als Mit
tel, den Kriegen ein Ende zu machen, leicht
Wit so vielen Uebeln für die Menschheit ver« fnüpft seyn t. daß. das Friedenssystem - wel
ches gestiftet werdet! sollte, auch bey einem
langen Bestand sie keineswegs dafür entschä digen tonnte# oder die dlnternehmung auch
gar an den Mancherley Schwierigkeiten, die Ich ihr entgegen stellen wogten, scheitern.
Auch eine einzelne Macht, oder mehrere klei ne Staaten können auf das Aeusserste ge
bracht, vermöge ihrer Anstrengungen einet grossen Koalition einen Widerstand entgegen
fetzen, der schwer zu überwältigen ist. .Auch könnte man von Mehreren Mächten, die sich
jur Stiftung eines einen allgemeinen, im merwährenden Frieden Und Line freye Han-
delsgrmeinschaft begründenden Staatensp-
—*•
ng
—
stemS vereinigten, immer nicht ganz sicher seyn, ob nicht die eine oder die andre von
ihnen, ehe das Werk zur Vdllendung käme, von dem Bunde abspringen und gar zu der
Gegenparthey übergehen möchte. §.
67.
Als oben von einer Uebereinkunft mehre rer Staaten als der nothwendigen Grund
lage zur Etablirung eines Frieden-systems
unter ihnen die Rede war, wurde einstwellen vorausgesetzt, daß dieses System, auf
einer solchen Basis errichtet, auch eine voll kommene Festigkeit haben würde.
Wenn
nun auch selbst in jener Voraussetzung einige Anlasse zu Bedenklichkeiten, welche die Für sten bey der Entsagung der Ausübung Der
Feindseligkeiten gegen einander finden möch-
*—
.120
ten, nicht zu verkennen waren; so dürften diese Bedenklichkeiten auch durch die Rücksicht
auf Mangel an Sicherheit, daß von den Staaten, die zu dem Ende ein Pactum ein gegangen waren, auch «in feder die dadurch
übernommene Verpflichtung erfüllen werde,
noch um vieles vergrößert werden.
§.
68.
Gin Staatensystem, wvdurch ein allge meiner Friede nur auf eine so unsichre Art
begründet würde, daß jeder Staat noch im mer in Bereitschaft bleiben zu müssen glaub
te , sich mit den Waffen gegen Angriffe und Verletzungen seiner Rechte zu vertheidigen,
könnte, wenn solche Fälle auch in geraumer Zeit nicht wirklich eintreten würden, gleich
wähl den Völkern nur ziemlich beschrankte
121
Vortheile verschaffen; denn die Nachtheile,
welche ein unter ihnen herrschendes Kriegssystem für sie hat und deren Abstellung durch einen Staatenverein zu wünschen ist, besteht
nicht weniger, wie in den mit den Kriegen
selbst verknüpften Uebeln auch in dem grossen Aufwand an Menschen- und Geld-Kräften,
welches ein weit getriebnes Militärwesen
auch in Friedenszeiten von ihnen erfordert. §. 69. Wenn Individuen sich zu einer bürger lichen Gesellschaft vereinigen: so errichten sie zugleich eine Autorität, die über die Er
füllung der in dem gesellschaftlichen Vertra
ge eingegangenen Verbindlichkeiten wacht
und mit einer hinlänglichen Macht und Ge-
124
walt versehen ist/ um die Uebertretung der selben zu verhindern. Wollten nun mehrere Völker/ bey derFormirung eines Saatenvereinö/auch eine höchste Autorität eonstituiren/ welche darauf sahe; daß die allgemeinen Bundesgesetze/ worüber sie übereingekommei/ auch von jedem genau beobachtet würden/ welche die unter verschiednen von ihnen ent stehenden Streitigkeiten schlichtete und ein zelne/ die sich ihren Aussprüchen nicht unter werfen und sich durch die Waffen selbst genugthuung zu verschaffen suchen möchten/ durch Gewalt sich ruhig zu halten nöthig te: so würde dadurch wieder der Freiheit und Unabhängigkeit der Nationen/ Gütern/ auf deren Besitz sie so eifersüchtig sind und die auch wirklich einen grossen Werth haben, Abbruch gethan.
—
ifl3
§- ?o. Die bürgerliche und politische Freiheit,
deren ftitt Volk bey einer wohl organisirten Verfassung genießt, hat in mancherley Be ziehungen einen sehr wohlthätigen Einfluß
auf ihren Geist und ihr Glück. Sie giebt,
wie es aus psychologischen Grundsätzen sich folgern läßt und durch die Geschichte bestä tigt wird, den Charakteren Energie und dem
Unternehmungsgeist und der Betriebsamkeit Schwungkraft, befördert die Cultur und lie
fert einen Haupttheil des Stoffs zu einer Vaterlandsliebe und einem Nationalgeist, wodurch so grosse Dinge für das allgemeine
Beste hervorgebracht werden; dahingegen Le
thargie, Elend und Sittenverderbniß die unausbleiblichen Wirkungen des Defpotism sind. Die National - Freiheit und Unabhän»
124
gigkeit macht ähnliche Wirkungen auf die Menschen, als ihre individuelle Freiheit, und
kann sogar die letztere, wo sie jiemlich be«
schrankt ist, in Rücksicht jener Wirkungen in
einem gewissen Maas vertreten. Die Staats
glieder vergessen kleine Bedrückungen, die sie
für ihre Personen leiden, bey-dem Gedan ken , daß sie doch zusammen eine freye und unabhängige, von andern Völkern geehrte
Nation formiren; das Ansehn und der Ruhm
eines Volks ist ein gemeinschaftliches Gut, wovon jedes Individuum sich seinen Theil
zueignet.
§> Wo soll man Hülfsmittel finden, um so
grosse Schwierigkeiten, die sich der Formi-
125
rung eines, den Frieden und eine freie Ge meinschaft -unter den Völkern
sichernden,
Staatengebildes entgegen stellen, ju über
winden?
Wenn ein äusserer Zwang, wo
durch einzelne Staaten zur Beytretung zu jenem System genöthigt würden, so man
cherley nachtheilige Wirkungen haben müßte:
sann man nicht so auf den Geist der Beherr scher der Völker wirken, daß ihr eigner Wille
sich nicht mehr dagegen strauben kann? Ver mag die Aufklärung über die wahren und
wesentlichen Vortheile, welche das Aufhören her Kriege und aller feindseligen Gegenein-
anderstrebungen der Staaten für die einzel nen Völker, wie für die ganze Menschheit
haben würde, in dieser Rücksicht nicht genug über sie: liegen denn nicht in den Gemü
thern der Monarchen neben den egoistischen,
126
streitsüchtigen Trieben, die sie mit allen Men
schen gemein haben, auch ter menschlichen
Natur eingepflanjte edle Anlagen, die man
bey der Bildung eines Völkervereins jum Widerstand gegen jene aufbitten kann2
§. 72.
Es wurde oben angenommen, daß auch
unter andern Motiven das in das mensch liche Gemüth gelegte moralische Gefühl die
Individuen, sich ju bürgerlichen Gesellschaf ten ;u vereinigen, mit angetrieben hatte. Bey
der Fortdauer der gesetzlichen Ordnung in den einzelnen Staaten geläutert und ausge
bildet, muß dieses Gefühl allerdings auch
um so viel stärker Mitwirken können-, die Re
gierungen der verschiednen Staaten jur Eta-
—
127
—
blirung eines soliden Friedenssystems unter denselben zu bestimmen.
Wenn die Men
schen öfters Handlungen auf das moralische
Gefühl beziehn und nach den Eindrücken, die sie darauf machen, über ihren morali schen Werth entscheiden: so ziehn sie sich
auch von den verschiednen Fallen, worüber sie nach diesem Gefühl urtheilen und von
den verschiednen Aussprüchen, die es thut,
allgemeine Regeln, ab, wonach sie denn in der Folge auch unmittelbar und ohne erst auf die besondern auf das moralische Gefühl
gewachten Wirkungen zu merken, über Recht
und Unrecht, über das was sie zu thun und
zu lassen haben, zu entscheiden pflegen. Be
zieht man die abstrahirten Regeln und Ge setze von den Rechten und den Pflichten der einzelnen Menschen gegen einander auf die
128
Verhältnisse der Völker: so thut der den Menschen angebohrne moralische Sinn, wenn
er nur etwas ausgebildet ist, den Ausspruch/
daß jene Regeln und Gesetze auch den Be
herrschern für ihr Betragen gewisse Schran ken ziehn, die sie nicht überschreiten können,
ohne sich herabzuwürdigen, sich verächtlich zu machen. So wurden denn auch in den näm lichen Regeln und Gesetzen schon die Matekjalien zu einem Codep gegeben,
wodurch
da» Betragen, welches die verschiednen Theile einer Völkerverein» gegen einander ju beo bachten haben, bestimmt wird.
Und wenn
da» moralische Gefühl selbst die Gesetze an-
giebt, welchen die Völker sich bey ihrer Ver einigung zu einer Staaten-Republik zu un
terwerfen haben: so scheint es, bey den Be
herrschern kultivirter Staaten zu einer be-
129
sondern Ausbildung gelangt, auch eine Ga
rantie für ihre genaue Beobachtung der Bun
desgesetze liefern zu muflvn, die auf gewisse Weise die Stelle der Zwangsanstalten ver
treten kann, welche in den einzelnen Socie
täten zur Verhinderung der Uebertretung der
Gesetze constituirt werden.
Anmerkung. Die Philosophen aus der Lockschen und die aus der Kantschen Schule weichen bey der Erklärung der Sittlichkeit darin von einander ab, daß die erstem das moralische Gefühl für die höchste Instanz zur Entscheidung über das sittlich Gute oder Böse erkennen und die Moral-Gesetze für Regeln erklären/ die von vielen einzelnen Fäl len, worin man nach jenem Gefühl urtheilte, ah gezogen wurden; dahingegen die letztem behaup ten, daß das Sittrngesetz unmittelbar unserm Ge müth eingeprägt worden und daß sogenannte mo ralische Gefühl nur die Wirkung von der Beziehung
der Handlungen auf jenes Gesetz sey. Ich habe, indem ich mir bey der Abfassung dieser Schrift, überhaupt besonders angelegen seyn lasse, mich so faßlich als möglich auszudrücken, mich um so weni ger bedacht, mich in dem vorstehenden Hphen der kockisch-Schmitschen Vorstellustgsart zu bedienen, da ich die Differenz zwischen ihr und der Kantschen in dem Punkt, wovon hier die Rede ist, bey weitem nicht so bedeutend finde, als es viele geglaubt ha ben. Ware das sogenanute moralische Gefühl auch wirklich nur die Wirkung von Beziehungen der Urteilskraft aufPrincipe der praktischen Vernunft: so ist eß doch ausgemacht, daß die Menschen über moralische Gegenstände, vor den mit klarem Be wußtseyn auf solche Gesetze gemachten Beziehun gen, nach dem moralischen Gefühl urtheilen, welches denn in jener Voraussetzung aus jenen Beziehungen, auch ohne daß man sich ihrer bewußt würde, Herr vorgehen konnte.
i5i § 73Dey den europäischen Staaten wurden die Grundsätze des Natur - oder des, sey cs auf ein moralisches Gefühl oder ein ange» bohrneS Sittengesey gegründeten, Völker rechts Hey der fortgehenden Cultur mehr entwickelt, wirklich das vornehmste Band, welches sie zu der Art der Staatenrepublik, die sie in den letzten Jahrhunderten form in« ten, zusammenschlang. Da jene Grundsätze unter andern ausiagten, daß Völker eben scw wohl als Individuen eingegangene Ver pflichtungen zu halten schuldig waren: si> wurden dem europäischen Völkerrecht neben den Naturgesetzen auch noch vermittelst der zwischen verschiednen Völkern geschloßneir Traktaten und Conventionen positive Gesetzt
beygefügt. Ja, da mit der Verbindlichkeit
152
einen Vertrag zu halten auch die zusammen hangt, der Erwartung, die man durch eine gewisse Gleichförmigkeit in seinem Beneh men für die Fortdauer desselben erregte, zu entsprechen, eine durch Handlungen still schweigend gegebne Einwilligung zu einer gegenseitigen Beobachtung eines gewissen Verhaltens, eben so wenig, als ein in aus drücklichen Worten gegebnes Versprechen, zu verletzen: so entstand in den Observanzen noch ein dritter Theil des europäischen Völ kerrechts.
§. 7-4*
Alle Monarchen Europas räumten ihre Verbindlichkeit, dasauf die erwähnte Weise fyrmirte Europäische Völkerrecht zu beo-
dachten ein; durch ihre tausendfältigen Be ziehungen
und Berufungen auf dasselbe
ward es als ein allgemeiner Eode^/ dem alle
Völker Europas unterwörfen waren/ seins#
tionirt.
Aber wie manches Gute dieses
angenommene Völkerrecht und das darauf
begründete europäische Staatensystem astch
für die Menschheit hatten: so konnten sie Hoch nicht verhindern/ daß unter den unter dieses System zusammengefaßten Staaten
nicht von Zeit zu Zeit Zwistigkeiten entstan
den/ die durch blutige Fehden geschlichtet
wurden. Wenn auch einige Philosophen den Grundsatz aufstellten/ daß die Führung dec Kriege überhaupt strafbar/ daß sie ein gegen die Menschheit auSgeübteS Verbrechest wäre:
so wurde dieser von andern Philosophen be strittene Satz doch keineswegs in den Code^r
—
i3zj.
™*
drS europäischen Völkerrechts ausgenommen: und zufolge dieses Code^reS blieb es den Für« sten, die sich in ihren Rechten gekrankt hiel ten, immer vorbehalten, sich durch die Waf fen Genugthuung zu verschaffen: so wie ehemals den Privatpersonen, dir mit einem richterlichen Ausspruch nicht zufrieden wa ren , die Appellation an ihr Schwerdt Vor behalten blieb.
§. 75. Sowie oft von zwey streitenden Parthey en, auch wenn ihre Sache wenig verwickelt ist, von einer leidenschaftlichen und einseiti gen Ansicht derselben geleitet, jede aufrich tig die Meinung hegt, daß das Recht offen bar auf ihrer Seite sey, kann eS auch wohl
Monarchen begegnen, daß sie bey Anlassen
zu Zwistigkeiten mit andern Souverainen in ihrenUrtheilen über Recht und Unrecht irren. Und auch in Fällen wo, indem sie sich zur
Ergreifung der Waffen gereiht fühlen, ihr
Gewissen ihnen sagt, daß ihre Pflicht ihnen gebiete, diesen Anregungen zu widerstehn,
muß eü sich natürlich treffen können, daß
sie der Abmahnungen ihres moralischen Ge fühls nicht achten: so wie ja auch oft Pri
vatpersonen sich nicht bedenken, wenn sie da
bey nur dem strafenden Arm der Gerechtig keit zu.entgehen hoffen zu können glauben,
sich auf eine unerlaubte Weis« einen Gewinst zu verschaffen.
§.
76.
Wenn daö von den europäischen Staaten
136 angenommene Völkerrecht auch nicht die Ent stehung derKriege unter ihnen hindern konn
te: so hatte es doch die gute Wirkung, daß
eS die Kriegsübel sehr milderte.
Es be«
schrankte die Anwendung der Mittel, seinem
Feinde
zu schaden, schützte die Besiegten
vor einer schmähligen Behandlung, sicherte die Monarchen und die Staaten, daß ihre Ueberwaltigung nicht ihren Untergang mit
sich führen könnte, und erleichterte den strei tenden Partheyen die Annäherung zur Aus söhnung.
§- 77Manche haben den Glauben gehabt, daß nur vermöge der veredelten moralischen (Be
sinnungen der Fürsten die Idee des ewigen
i3j
Friedens realisirt werden könne, und haben
sich auch der sanguinischen Hoffnung über» taffen, daß eü auch wirklich mit der Sittlich
keit der Regierungen nach und nach dahin ge
deihen dürfte, daß sie jenes erwünschte Re sultat haben würde.
§. 78. Will Man die zu schwach befundne Ge
währleistung , welche die verschiednen in ein
System zusammengreifenden Völkerschaften, für Vie Sicherheit, daß nicht don dem einen
oder dem andern Theil Gewaltthätigkeiten wider sie ausgeübt werden möchten, in der
allgemeinen Sanctionirung des Völkerrechts
finden, nicht durch die Cvnstituirung einer 10
138
Autorität, die über alle einzelne Staaten
gesetzt wird, verstärken, weil nämlich da durch der Unabhängigkeit und Selbstständig
keit der einzelnen Staaten Abbruch gethan würde: so giebt es in der Rücksicht noch ein
Ergänzungsmittel, welches darin besteht, daß die Staaten in solche Verhältnisse tre
ten, daß die meisten von ihnen immer bereit
sind, gegen den Theil, der das Völkerrecht
zu verletzen droht, eine vereinigte überlegne Masse von Streitkräften zum Widerstand aufzubieten.
§.
79*
Das System der combinirten Wider
standsleistung der Malorität des Völkerbun des, gegen den die allgemeinen Bundesgesetze
—
i3g
—
übertretenden Theil, könnte auf einen allge? meinen Vertrag der Völker, der schon einen besondern Artickel des ganzen Dölkervereins auömachte, gegründet werden. Aber bey der Etablirung eines Systems der Art stel len stch der Erreichung der dabey beabsichtig ten Zwecke wieder nicht geringe Schwierig» keiten entgegen.
§. 80.
Dem besondern Artickel der Konstitution deö Völkerbundes, der sich auf eine Einrich tung bezieht, welche die Respectirung aller Bundesgesetze sichern soll, fehlt eS selbst wie der an einer seine eigne Erfüllung sichernden Garantie. * Manche Fürsten dürften in den Fallen, wo eS auf die Entscheidung über "bie Frage ankäme, ob ein Staat daS Völker-
recht verletzt habe und ihm ein gemeinschaft
licher Widerstand von allen übrigen Theilen
deS Völkerbundes entgegen gestellt werden müßte, nicht immer richtige Urtheile fallen.
Auf verändern Seite möchten auch Monar
chen , geneigt zu ihrem privativen Vortheil
das Völkerrecht zu übertreten, bey ihren Un ternehmungen nicht ganz ohne Erfolg durch mancherley Manövers den Wirkungen deS
gegen Gewaltthätigkeiten formirten allge meinen Widerstandssystemö auözuweichen su
chen.
Endlich müßten auch die Völker, um
immer im Stande zu seyn, den ungerechten
Unternehmungen irgend eines grossen Staats, der zu ihrer Ausführung seine Kräfte auf das äusserste anstrengte,
gleich durch eine
überlegne Macht Einhalt zu thun, jeder im
mer eine bedeutende Anzahl von Leuten zum
Kampf in Bereitschaft haben; und die fort dauernde Unterhaltung grosser stehender Hee
re ist mit nicht geringern Uebeln verknüpft,
als aus einzelnen wirklich geführten Krieges entstehn.
§. 81. Zur Verhütung irriger Urtheile über die
Falle, wo die Rede davon ist, ob ein Staat das Völkerrecht verletzt habe und die übrigen
Theile des Staatensystems ihn mit Gewalt zur Refpectirung desselben zu nöthigen ha
ben, kann eine Bundes-Versammlung die nen , die aus aufgeklärten weisen Mannern,
welche die einzelnen Staaten, als ihre Re präsentanten senden, fvrmirt, und worin
nach reiflichen Diöcusstonen durch die Mehr-
142
freit der Stimmen über jene Fälle entschir» den wird. §. 82.
Durch ein bey dem Völkerbereine gemach tes Regulativ wegen der Anzahl der stehen den Truppen, die jeder einzelne Staat nach Verhältniß seines Gebiets, feiner Bevölke rung und seiner Hülfsquellen unterhalten muß, kann dem Uebel der Bedrückung der Völker durch die Überspannung des Mili tär-Wesens um so viel eher vorgebeugt wer den, wenn das militärische. Zusammenwir ken verschiedner Mächte, zur Abwehrung der Gewaltthätigkeiten von Seiten eines Staats, in eine genaue und feste Verbindung mit den Beschlüssen des Bundestages gebracht wird.
145
—
§.
—
83.
Das erwähnte Regulativ für das Mili
tär-Wesen und die zweckmäsig organisirte und mit einer angemessenen Gewalt beklei dete Bundesversammlung könnten auch für
die Erfüllung der Verpflichtung, einzelnen sich empörenden Theilen der Völkerrepublik einen gemeinschaftlichen Widerstand entgegen
zu seyen, zu einer Art der Gewährleistung dienen.
§. .84.
Da, wie oben gezeigt worden, von man chen der neben einander etablirten grossen
Mächten nicht einmal anzunehmen seyn möch
te, daß sie überhaupt geneigt wären, dem
Rechte, willkührlich von ihren Waffen gegen andre Staaten Gebrauch zu machen, zu ent-
144
sagen: so kann man, wenn sie auch wirklich mit andern Machten wegen der gemeinschaft
lichen Respectirung eines gewissen Völker rechts Übereinkommen, sich doch nichts we
niger als von ihnen versprechen, daß sie auch selbst ihr Recht, nach ihrem eignen Urtheil zu entscheiden, ob sie d.em Völkerrecht gemäß
Krieg anfangen könnten, ob ihre Pflicht und ein ihnen mit den übrigen Völkern gemein
schaftliches Interesse die Ergreifung der Waffen von ihnen foydre, an die Stimmen
mehrheit von einer Anzahl von Repräsentan ten der einzelnen Beherrscher zu übertragen geneigt seyn würden.
Wenn auch jeder ein
zelne Staat für den Einfluß auf seinen Wil len , bey er auf die Weise den übrigen ein
räumte, wieder einen Einfluß auf den Wil len der letzter» erhält: so dürften doch die
—
145
—
Beherrscher mächtiger Reiche bey diesem Wech
sel ju viele- einjubüffen glauben. §. 85.
Die Modifikation des DölkervereinS, jufolge deren, vermittelst einer auf die ange gebne Weife organisirten Bundesversamm
lung , der Gewaltthätigkeit gewehrt werden
sollte, scheint daher nicht auf ein allgemei nes einen Welttheil umfassendes Völkersy stem , sondern nur auf ein specielles Staa
tengebilde anwendbar, worin sich in einem mäsigen Umfang mehrere Cantone, Herr
schaften, Fürstenthüiyer oder auf andre Weise
betitelte kleinere Länderdistrikte verbinden. §.
85.
Die Sicherheit, welche für die Erfüllung
146 -er Stipulationen des Völkervereins/ zu
folge deren ein vereinigter Widerstand aller andern Theile gegen Insurgenten festgestellt wurde, jeder durch den gedachten Bundestag erhalten sollte, kann auch auf gewisse Weise
durch die bey allen Cabinettern in Kraft ge setzte Maxime ersetzt werden,
daß es daö
gemeinschaftliche Interesse aller Theile eines Dplkersystems erfordre, darüber zu wachen,
dqß das Völkerrecht allgemein respeetirt wer de und den Bestrebungen irgend eines Staats,
sich auf Kosten anderer zu vergröffern, durch vereinigte Kräfte Einhalt zu thun.
§.
87.
Wenn die genaue Beobachtung deö Pak« turnt , wodurch die in ein System zufam-
147 mengreifende Staaten sich anheischig machen,
denen unter ihnen, die das Völkerrecht ver letzen und die allgemeine Sicherheit bedro hen, gemeinschaftlich entgegen zu wirken,
nur dadurch garantirt werden kann, daß die
angegebne Maxime bey den Höfen herrschend
werde; so macht diese Maxime es auch gewis sermassen überflüssig, daß jener Vertrag in
ausdrücklichen Worten geschlossen werde, und eignet sich, die Stelle desselben zu vertreten.
§. 88. Zu der Anerkennung einer solchen politi schen Maxime muß auch ein grosser Staat
ungleich geneigter seyn, als zu der Unter werfung unter die Entscheidungen eines Bun destages; da er bey ihrer Constituirung als
—
148 •
—
«in allgemeines Gesetz der Nationen nicht nur gegen daS Recht, welches er andern
Staaten einräumt, in Gefahren, worin sie
gerathen, seinen Beystand zu verlangen und wegen fremder Handel auch wieder gegen ihn selbst feindlich zu co-operiren, auch ein
gleiches Recht erhält,
in gewissen Fällen
auch gegen Mächte, wovon er unmittelbar gar nicht beleidigt worden, die Waffen zu ergreifen und wieder andre Staaten zur Mit
wirkung gegen die Umgriffe der Gewalt ei
nes grossen Reiche , und wenn sie auch selbst gar nicht dadurch leiden, aufzufordern: son
dern ihm auch zugleich dabey selbst die Ent scheidung überlassen wird, was er zufolge
der Anwendung jener Maxime und der Be stimmungen des Völkerrechts, zu deren Auf
rechthaltung sie dienen soll, zu leisten und zu
fordern, wann er in jenen Beziehungen Krieg
zu beginnen oder sich vom Kampf zurückzu halten habe.
§. 69. Hs scheint, daß jene Maxime, wo nicht zur Verhinderung der Ausübung aller Unge
rechtigkeiten unter den Völkern y doch wenig
stens zur Sicherstellung der Staaten gegen eine gänzliche Unterjochung mehr Kraft ge winnen müsse, wenn sie dahin ausgedehnt wird, daß sie nicht blos wirkliche Ungtrtd,» tigkeiten, die ein Staat ausübt: sondern
auch Vergrösserungen eines Staats, wodurch er in dem Völkersystem eine unverhaltnißmasige und also die Sicherheit der übrigen
Theile gefährdende Macht erlangt, für Ue-
—
i5o
—
iel erklärt, welche die letztern durch die ge
meinschaftliche Ergreifung der Waffen gegen
ihn hemmen müssen.
Auf die Meise würde
fit dahin wirken, selbst der physischen Mög
lichkeitvorzubeugen, daß eine Macht, wenn
sie sich auch über alle Moral-Printipe hin wegsetzte, andre Völker unterdrücken könnte. Auch scheint es/ daß über einen Anwachs
der Macht eines Reichs/ wodurch derselbe dem übrigen Theil des Völkerbundes gefähr lich werden könne, sich leichter und sichrer
müßte entscheiden lassen, als über gewisse
Abweichungen von dem Völkerrecht, beson
ders wenn die Regierung, die sie sich erlaubt, Nach Art der Anwälde/ welche streitenden Pri
vatpersonen vor Gericht beystehn, ihre Sache
durch Kunst Und Geschicklichkeit zu verschö-
151
nern, die Blösse derselben durch tauschende
Rechtsauölegungen ju verschleiern weiß.
§.
90.
Der Grundsatz von der Verhinderung je
des Bundesstaats, ju einer seine Mitstaaten gefährdenden Grösse zu gelangen/ müßte für
die allgemeine Sicherheit noch wirksamer werden / wenn er in der Abänderung ange nommen würde/ daß alle Staaten darauf
halten müßte»/ daß jede Macht in dem Be»
sitzjustande/ worin sie sich einmal befinde/ verbleibe/ keine ihr Gebiet weiter auödeh-
ne und selbst Mächte/ die mit dem glücklich sten Erfolg Krieg führten/ beym Friedens schluß wieder in den Status quo zurückzutre-
ten genöthigt würden.
152
—
§.
—
91*
Wenn man öftrer die Erfahrung machte,
daß kriegführende Staaten trotz derAnstrengungen und des Aufwands von Schätzen
und Menschenbluts, womit sie kämpften und sich Siege errangen, es doch nicht dahin
dringen konnten, daß Eroberungen, die sie machten, beym Friedensschluß in ihren Hän
den gelassen wurden: so dürfte ein solches Beyspiel auch die Anreitzung, welche sonst
der eine oder der andre ehrgeitzige oder herrsch fuchtige Monarch zur Ergreifung der Gaf
fen fühlen möchte, schwächen, und also nicht
wenig dazu beitragen, wo nicht die Kriege gänzlich aufhören zu lassen, sie doch zu ver
mindern.
153
§» 92‘ Als Mittel betrachtet, durch die DiSrus. stonen und Derathschlagungen mehrerer dazu
autorissrter geschickter Männer, die richtige
Auslegung und Anwendung des Völkerrechts und der erwähnten, das Zusammenwirken der Staaten für die allgemeine Sicherheit betref» senden Maximen zu bewirken , kann der Bun
destag auch in einem gewissen Maas durch ein, mit keiner Schmahlerüng der Autorität der einzelnen Monarchen verknüpftes, Surrogat
ersetzt werden, welches darin besteht; daß fe der Bundesstaat m jedem andern als dem Ort, wo die Regierung ihren Sitz hat, ei
nen Repräsentanten unterhalte, der,
ob
gleich ohne eine entscheidende Stimme und an die Instructionen seines Hofes gebunden,
—
154
—
mit der Regierung, wobey er accreditirt ist,
und den übrigen, ihre Monarchen reprasentirenden, Abgeordneten, die bey ihr angestellt sind, über die politischen Angelegenheiten rvnferiret.
Vermittelst eines solchen diplo
matischen MittheilungS-SystemS müssen auch
kleine Zwistigkeiten, die unter den Fürsten
entstehn, vorher ausgeglichen und Kriege, die sie sonst veranlassen könnten, gehindert werden.
§.
93.
Der Grundsatz der Beschränkung jedes
Bundesstaats auf seinen einmaligen Besitzju-
stand widerspricht der Natur. Der Trieb sei nen Wirkungskrais weiter ausjudehnen, seine
Macht zu vergrössern, ist dem Menschen angebohren.
Nichts hat in der Natur Be-
155 stand.
Alles verwandelt sich.
Wie jedes
menschliche Werk, ist auch ein Staatengebilde der Verbesserung fähig, und es bedarf mit
dem kaufe der Zeit der Abänderung. Jedes Wirken ist Veränderung des gegebnen Stoffs. Politische Umwandlungen gehören zu den vornehmsten Gegenständen,woran der mensch
liche Geist seine Kräfte versuchen und üben kann.
§. 94-
Die Macht einer Nation hängt nicht we
niger, wie von der Grösse und der Frucht barkeit ihres Gebiets, auch von ihrer Betrieb samkeit und ihrem Erwerb ab.
Wollte man
den Grundsatz des Status quo der Reiche
auch auf diese HükfSquellen der politischen
Macht anwenden: so würde er dem allgemei»
—
156
—
hen Reichthum her sämmtlichen Bundesstaa ten und der menschlichen Cultur/ die gleich falls auch schon für sich selbst unter jene HülfL-
quellen gehört/ entgegen wirken.
§.
95.
Bleibt die gegen die Vergrösserung der
Macht der einzelnen Staaten gerichtete Ma-
^rime auch darauf beschrankt/ daß sie nur die Zurückhaltung eines jeden von ihnen/ seinem Gebiet einen der Sicherheit der übrigen ge
fährdenden Zuwachs zu geben/ fordre: so ist doch mit ihrer Annehmung daö Uebel ver
knüpft/ daß sie das Kriegführen/ welches sie
hemmen soll/ von einer gewissen Seite selbst befördert.
Sie begreift unter die rechtma-
sigen Motive zur Ergreiffung der Waffen ge
gen einen Staat/ ausser wirklich von ihm ver-
—
157
—
übter Verletzungen des Völkerrechts, auch
noch eine Ausdehnung der, Macht, die ihm möglich macht, solche Verletzungen uiv-
gestraft zu begehn; denn yiöchte es auch ge
meiniglich der Fall seyn, daß ein Monarch nicht ohne Ungerechtigkeiten zu begehn, sernem Gebiet einen grossen Zuwachs -geben
könne; so muß man, wenn man dies.als Regel annimmt, doch mich einräumen, daß diese Regel Ausnahmen haben könne.
Aus
die Weise würde jede Maxime denn auch dem
Urtheil der Monarchen einen grossem Spiel raum erofnen, zu wjllkührlichen und falschen
Erklärungen über ihre Eignen und anderer
Machte Krieg und Friedembetreffenden Rechte wtb Pflichten.
Ein schlauer-und ehrsüchti
ger Fürst könnte sich solcher Auslegungen als Vorwande bedienen,, um andre Machte zu
158 bewegen oder zu nöthigen, an Ariegen, di«
tr gegen einen Staat zu führen für gut fän de, obgleich dieser Staat die allgemeine Si
cherheit wirklich gar nicht gefährdete, gleich mol Theil zu nehmen, um sich auf die Weise,
besonders eben durch die Schwächung dieser dder jener Macht, deren Widerstand bey sei
nen -Unternehmungen ihm am wenigsten gleichgültig war, dir Ausführung eigner
Vrrgrösserungspläne zu erleichtern.
§.
96.
Auch mit den Föderalverknüpfungen und den Kommunikationen, welche die Souveraine durch die Repräsentanten und Organe verbin
den, die sie in den Gesandten, welche bey den
verschiednen Höfen acereditirt sind, haben,
kann es der Fall seyn, daß rin kluger Mo-
—
15g
—-
narch, statt dadurch zur Erhaltung der all
gemeinen Sicherheit hinzuwirken, sich ihrer als Mittel bediene, Zwecke, die er sich in Beziehung auf sein Privalinteresse setzte, um
so viel leichter zu erreichen, zu seinem be
sondern Vortheil die Wirksamkeit der Streit
kräfte andrer Dvlkerbeherrscher zu Punkten, wo deren Staaten keine reellen Gefahren dro
hen, hinzuleiten, und dagegen von andern
Punkten, wo sich wirklich solche Gefahren für dieselben erzeugen, zurückzuhalten. §. 97-
Mag also ein zur Sicherstellung aller
Theile errichtetes Staatensystem immerhin
auf die Annehmung eines gewissen Völker rechts und der Maxime, daß wenn ein Staat
den andern zu ttnterdrückcn strebt, es den
—-
i6o
—
übrig«» oblieg«, dem unterdrückten Theil zu
Hülfe zu kommen, begründet worden seyn,
und »>ögen immerhin mit der Constituirung desselben, auch den einzelnen Mächten, in,
vermittelst Sesandschaften fortdauernd zu un terhaltenden, (Kommunikationen mit einander
und in besonderen, miteinander anzuknüpfen
den , Allianzen wichtige Hülfsmittel zur Be hauptung der Zwecke von der Formirung je-
n«S Systems gegeben seyn — und ein klu ger Monarch, der seine Herrschaft quözudeh»
nen strebte, wüste die, zur Erhaltung eines solchen Systems angelegten, Restorts auf eine
geschickte Weise so zu handhaben, daß sie selbst in seine eigne DcrgrösserungSplane ein
griffen,
wüste durch gewisse Auslegungen,
die er von dem Völkerrecht und dem Grundsatzder, gegen einen zu fckrchtbar gewordenen
i6i
oder werdenden Staat von den übrigen Staa
ten zu ergreifenden, Sicherhcitsmaasregeln machte, es dahin zu bringen, daß mehrere Herrscher, in dem Glauben, daß es für die allgemeine Sicherheit und das Interesse ihrex Länder nöthig sey, mit ihm zusammenwirklen, um ein Reich, .dessen bedeutende Macht seine Pläne durchkreuzte, zu verkleinern, oder auch nur während des Kriegs, wodurch er.für sich allein diese Absicht zu erreichen suchte, ruhige Zuschauer blieben, eS gelänge ihm, sich auf diese Weise vorS erste nur ein gewisses Uebergewicht in den Machtverhältnissen zu verschaffen, und er gebrauche dann die angewachsenen Staatskräfte, die ihm zu Gebot stunden, ihre Wirksamkeit-nicht nur fortdauernd durch die diplomatischen Kunst griffe, womit er seinen ersten Vergrösse-
162
rüngSunternehmungrn Erfolg verschafte, fon» tcrn auch noch durch dir Furcht, dir er nach
diesem Erfolg zu erregen vermöchte, unter stützend , seine Obermacht in dem Späten
system immer mehr zu vergrössern: so müßte
ttf dahin kommen können, daß dieses Sy stem, ungeachtet alles dessen, was jur Con-
solidirung desselben geschehen wäre, gänzlich
zerrüttet, und der Völkerbund, worin eine beträchtliche Anzahl in gleichem Grad freyer und unabhängiger Staaten neben einander eMirten, in eine Universakmonarchie oder
in eine Hierarchie verwandelt werden könn te, wo einem einzigen oder mehreren Mo
narchen alle übrige fubordinirt würden. §. 98. Die Leser finden §.82. bis94, die Grund-
163 zöge von der Beschaffenheit und der Geschich
te der Ausbildung und des Verfalls des al ten europäischen GleichgewichtesystemS, wel-
che in dem folgenden Theile dieses Werks
mit Beziehung auf Thatsachen werden auügeführt werden.
Daü §. 89. bezeichnete Ge-
sandschaftSwesen war noch zu keiner Zeit in
irgend einer Weltgegend zu der Vollendung gekommen, die eS in den letzten Jahrhun derten in Europa erhielt, wo es auch zu ei ner besondern Stütze zur Aufrechthaltung des Gleichgewichtssystems diente.
5. 99Die Sterblichen können mit ihren Wer
ken die Ideale, die ihnen dabey vorschwe-
ben, niemals völlig erreichen: sondern sich 'ihnen nur nähern.
Unsre Kraft zur Wirk-
i6.j kichkeit zu bringen, kommt dem Dildungsvermögen
unserer
Phantasie
keineswegs
gleich; der Stoff will sich nicht immer genug
nach unfern Absichten fugen, die verschiednen Vollkommenheiten, die wir bei einem Gegenstand zu vereinigen wünschen, wider-
streiten sich oft selbst, einander, oder treten
hey ihrer Realisirung sich einander in den Weg. Auch bey der Zusammensetzung von StaatöEonstitutionen und Völkersystemen können die bildenden Kräfte sich von diesen allgemei
nen Beschränkungen nicht loemachen.
ES
entsteht daher auch für alle politischen Bildungendie Regelt daß man bey ihrer Construirungdaraufbedachtsey,die
verschiednen Zwecke, die man dabey
hat, so nach dem gegebnen Stoff zu mvdificiren und so mit «inan-
165
der zu eombiniren, daß, wennman auch in der einen oder der andern
Rücksicht hinter den Ideen zurückbleibt, man doch in der Wirklich
keit im Ganzen die Vortheilhafte-
sten Resultate hervorbringe» §.
1OO.
Dieser Regel gemäß haben auch wirklich
verfchiedne Völker, die sich Constitutionen
gaben, indem sie die -Hauptzwecke dabey hatten, eine gesetzliche Ordnung einzuführen, welche den Individuen für ihre Personen
und ihr Eigenthum Sicherheit gegen Atten tate von andern Individuen verschafte, und
zugleich unter den Bürgern einen hohen Grad der Freiheit und eine Gleichheit de.r Rechte
zu etabliren und sie gegen Beeinträchtig««-
166
gen dieser Güter von Seiten der höchsten Ge walt zu schützen, von dem, wa- die letztem Zwecke erheischten, etwa- nachzulasten für gut befunden; weil sie dadurch für die Er« reichung de- ersten Zwecke- mehr zu gewin nen hosten, oder auch in dem alten Staats wesen Einrichtungen, die jenen entgegen standen, zu tief eingewurzelt sanden, aldaß sie solche mit Erfolg und ohn« den Be stand der neuen Verfassung auf da- Spiel zu fetzen, bi« auf lu'e geringste Spur au-zutilgen versuchen zu können glaubten. So machten e- unter andern die Britten. Die Franzosen meynten, als sie ihre Revolution begannen, daß die Engländer zufolge ihrer Konstitution die heiligen Ideen der-Freiheit und Gleichheit der Staatsbürger viel zu we nig realisirt hatten, und machten einen küh-
—
io?
—
neu Versuch, eine Nation, mit der sie in svielen Beziehungen rivalisiren, auch in jener Rücksicht weit zu übertreffen: dieser Versuch ist ihnen aber gänzlich mißlungen und hat ihnen mancherley Uebel zugezogen, von der sie gegenwärtig die Befreiung zufolge einer noch weniger beschränkten monarchischen Ver» faffung, als woriy sie ehemals lebten, er warten. §.
101.
Sicherstellung des BesitzzustandeS unh der Unabhängigkeit und Selbstständigkeit der ein zelnen Staaten, Eröfnung eines freien Ver kehrs unter denselben und die Stiftung, wo nicht eines- ewigen, doch so wenig als mög lich durch Kriege unterbrochnen, Friedens, sind die vornehmsten Zwecke eine- Staaten-
168
Vereins.
Ls ist rathsam von dem, was ei,
nem jener Zwecke entspricht, etwas aufzuopfern, wenn man dadurch im Betreff der übrigen um so viel mehr gewinnen sann.. Einzelne Staaten müssen, wenn die Umstän
de von der Art sind, .daß sie von den Gü
tern, deren Erlangung vermöge eines Staatengebildeö für sie zu wünschen wäre, einem gewissen Theil entsagen müssen, wenn sie an»
derS sich nicht der Gefahr auösetzen wollen, noch ungleich mehr davoll einzubüssen, der Klugheit gemäß sich in jene Umstände fügen. §.
102.
Läßt sich auch vermittelst eines Völker
bundes kein ewiger Friede constituirenr so ist »S doch schon ein grosser Gewinn für die Menschheit und die einzelnen Völker, wenn
16g e< nur dahin gebracht wird, daß sie seltner
und die mit ihnen verknüpften Uebel gemil
dert werden. Was die Milderung derKriegö»
übel betrift; so geschieht in der Rücksicht
schon vieles, wenn die verschiednen Staaten als Artickel des Völkerrechts annehmen und respectiren, folgende und mehrere ähnliche
Grundsätze:
daß die Krieger nämlich, die
sich überwunden geben, nicht niedergestossen werden dürfen, sondern gefangen zu neh»
men und in der Gefangenschaft gut zu be» handeln sind; daß die in ein Land eindringen
den feindlichen Partheyen die Personen und das Privat-Eigenthum in demselben keines
wegs der Willkühr der Krieger Preiß geben dürfen; daß Güter, die Privatpersonen ge hören, und besonders, wenn sie das Eigen«
37°
—
—
thun» von Bewohnern neutraler Lander sind, auch selbst über den Schauplatz des Kriegs ungehindert verführt werden können.
Die
Anerkennung und Respectirung solcher Grund sätze, als Gebote der Pflicht und Ehre, müssen um so viel leichter ju bewirken seyn, da sie
so sehr zum gemeinschaftlichen Vortheil aller
Theile eines Staatensystemö und keinem un ter ihnen ju einem besondern Nachtheil ge
wichen; und so haben sie denn auch in dem
alten europäischen Dölkerverein wirklich seit langer Zeit statt gefunden.
§.
io3.
Wenn ein Völkersystem Land- und See mächte, Continental-und Jnsular-Staa-
ten in sich befaßt und eS einmal in demselben
als Princip der Völkerrechts anerkannt wird;
i?1
—
—
daß auch im Kriege das Privateigenthumre» fpeclirt werden, und selbst Güter von Pri»
vatpersonen, die auf der Heerstraffe tranöportirt werden, frei passiren müssen: so hat man ,s, so wie dem allgemeinen Interesse
auch der Reciprocität und der Billigkeit
gemäß gehalten, daß die Seestaaten auf dem Meer nicht durch ihre Kriegsschiffe sich der Güter von Privatpersonen bemächtigen
und überhaupt keine Kauffartheyschiffe auf
ihrer Fahrt molestiren, und am wenigsten solche, die, was auch ihre Ladungen seyn
möchten, die Mitglieder neutraler Staaten
gehörten. — §.
104.
Nachdem es in Europa abgeschaft wvr.
den, daß die Krieger in dem feindlichen Lan«
—
172
~
de die Wohnungen der Bürger willkührlich-
auöplünderen/wurden dieser Art, Beute zu ma chen, die den Städten oder Provinzen im Gan
zen aufgelegte Kriegssteuern und Requisitio
nen, deren Betrag hernach wieder in anqemessenern QuotaS über die einzelnen Bewohner
vertheilt wurden, substituirt.
Wird eS nun
einer Seemacht schwer, Landungen zu be
werkstelligen: so würde sie, wenn sie dem
Recht entsagte, feindliche Güter, die ihre Kriegsschiffe auf dem Meer" träfen, in Be-
sitz zu nehmen, keinen solchen Ersatz dafür erhalten, als die Sieger auf dem festen Lan
de, wenn sie auch das Eigenthum einzelner Privatpersonen nicht überall, wo sie es fän
den, zu Beute machen dürfen, in den Cvntri'butioncn und Requisitionen für jene Be schränkung fänden. — Die Schiffe, welche
in die See gehn, werden gemeiniglich versi
chert;
der Assecurateur nimmt Prämien,
durch deren Betrag, wenn er sie fortdauernd
von einer beträchtlichen Anzahl von Schiffen
einnimmt, er nach allen Berechnungen der
Wahrscheinlichkeit über die von diesen Schif fen zu laufende Gefahr, sich für die Scha denersetzungen , die' er etwan für verlohren
gegangene Fahrzeuge und Ladungen zu lei sten haben möchte, mehr al- gedeckt halt. Die Kaufleute, welche für Waaren, die sie über-Meer ziehn oder versenden, Assecuranz-
Prämien bezahlen, schlagen ihren Betrag auf die Preise jener Waaren, so daß sie am Ende den Consumenten zur Last füllen.
Wenn
also auch auf der See Güter, die Privatper sonen gehören,
weggenommen werden: so
trift doch keineswegs der ganze Verlust blos
'74 di« Eigenthümer, sondern wird, so wir der Betrag der Contributionen und Requisitio nen auf eine adäquate Weise über eine Men
ge Personen vertheilt.
Wenn jene Contri-
butionen und Requisitionen sehr weit getrie
ben werden, so daß ganze Städte und Lander dadurch völlig erschöpft und zur Verarmung gebracht werden: so gewinnen auch die ein zelnen Bürger nicht dabey, daß sie an die
Stelle der Beraubungen traten, denen sie sonst unmittelbar von Seiten der Soldaten au-gesetzt waren. — Wenn eine Seemacht
im Kriege alle unter neutraler Flagge ver
führte Güter sollte frey passiren lassen: so dürften ihre Schiffe bald auf den Wellen fast
keine andre Fahrzeuge al» solche, die sich durch jene» Palladium gegen sie gesichert hat ten, antreffen.
Auch selbst wenn Kriegen
auf der Heerstrasse Wagen begegneten,'die mit Munition und Provision für feindliche Truppen beladen waren, und Personen, die
in einem benachbarten neutralenLande wohn ten, gehörten, dürften jene schwerlich die
se- letzten Umstande- wegen, den Fuhr leuten verstatten, mit ihren Gespannen und
ihrer.Fracht ungehindert, ihren Weg fort» zusetzen.
§.
io5.
Wie sehr e- also auch zu wünschen seyn
mochte, daß die Kauffartheyschiffarth zu je
der Zeit und auch während eine- Seekrieg ungehemmt bliebe: so dürfte doch, in Rück sicht auf die angegebnen Umstände, von ei
ner grossen Seemacht, so lange sie nicht
gänzlich überwältigt worden, schwerlich zu
r?6
—
—
erwarten seyn, daß sie auf da- sich zugeschriebne Recht, sich der auch Privatpersonen
-gehörenden feindlichen Güter und auch selbst dann, wenn sie auf neutrale Schiffe verla
den sind, zu bemächtigen.
Verzicht leisten
würde, eö wäre denn, daß sich ein Arrange-
mentMümitteln liesse, zufolge dessen sie für
eine solche Entsaguug einen besondern und ihr wichtigen Ersatz erhielte. §.
106.
Sicherstellung de- DesitzzustandeS der ein
zelnen Völker ist der Hauptzweck eine- Ver
ein-, den sie mit einander schliessen — und doch ist allen Staaten eine Vergrösserungs
tendenz eigen.
Auch kann von den verschied-
nen Bundesstaaten, zu der Zeit, da sie sich zu einem System vereinigen, mancher im
177
Betreff der Größe, Lage und Degränzung
seines Gebiet-, so wie eS sich zufällig zusam men fügte, in einem Zustand sich befinden, woriyLS ihm eben so schwer wir-, aus seinen Bestandtheilen ein wohlorganisirtes einzelnes politisches Gebilde zu formiren, als in dem Staatensystem eine, für die Erreichung -es allgemeinen Zwecks desselben zuträgliche, Po sition ei'nzunehmen. In dem alten europäi schen Völkerbünde wurden nach dem Völker
recht, welches er zur Basis hatte, angenom men; daß, obgleich ein Staat, der mit Er folg gegen einen andern- der ihn beleidigt hatte, Krieg führte, ihn nicht gänzlich ver nichten durfte, ihm doch verstattet wäre, sich auf Kosten desselben eine mäsige Ver grösserung und eine vortheilhaftere Arrondirung zu verschaffen. Solche Veränderungen
i78
des DesitzzustandeS eines Staats kommen
aber, wenn sie auch wirklich für mehrere
Theile des Völkerbundes Vortheilhaft seyn
möchten, mit dem Hauptzweck desselben, den Kriegen Einhalt zu thun , in Collisivn. §
107.
Nach dem alten europäischen Völkerrecht fanden ausser den Eroberungen, welche Mo narchen in rechtmasig geführten Kriegen mach
ten, auch noch verschiedne andre Mittel statt,
das Gebiet einer Macht zu vergrössern und vvrtheilhast zu verändern.
Man hatte die
Principe des bürgerlichen Rechts von der Vertauschung, Derkaufüng, Verschenkung
und Dermachung deS Eigenthums, und der Vererbung ab intestato auch in jenes Völ
kerrecht ausgenommen, so daß sie auf die
—
—
179
Weist auch auf Land und Leute in Anwen
dung gebracht wurden.
Durch Erbschaften
gelangten besonders in den letzten Jahrhun derten mehrere Staaten zu ansehnlichen Ver
grösserungen.
Jene als Dölkerrechtprincipe
angenommnen positiven bürgerlichen Gesetz« veranlaßten aber oft, zum grossen Nachtheil
eines Landes, eine Jncorporirung desselben m ein andres, mit dem es sich gar nicht eignete,
ein politisches Ganzes zu formiern.
Auch
hatten sie, wenn ein Fürst sie geltend ma
chen wollte, oft, indem sie mit den Grund sätzen von der Erhaltung des Gleichgewichts, denen man sie, als fubordinirt betrachtete,
in Widerstreit gefunden wurden, blutige
Kriege zur Folge. §.
108.
Wenn in einem Staatensystem, bey einer
—
i8o
—
ziemlich langen Fortdauer desselben,
durch
die Sicherheit, die eö den einzelnen Theilen derschafte, durch die Verminderung der Krie ge und die Milderung der damit verknüpften
Uebel, die es bey ihnen bewirkte, und die
mancherley Jdeenmittheilüngen und HandelScommunikationen,
die es unter ihnen
rröfnete, der Erwerb, das Glück und die
Cultur der Völkerschaften,
die rü in sich
schloß, sehr befördert wurde: so ist es für
den gemeinschaftlichen Vortheil dieser Völ kerschaften , wie für das Interesse der Mensch
heit wünschenSwerth,.daß es eine Erweite rung tthakte, daß es über Nationen ausge
dehnt werde, die bis dahin noch nicht in einem Völkerverein lebten und zu ihrem eig nen grossen Nachtheil die guten Wirkungen eines solchen Vereins entbehrten.
Je gröf-
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j8i
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ser der Spielraum ist, worin Völker zur
Hervorbringung der menschlichen Bedürfnis
se, zur Verbesserung des Getriebes des Er« werbwesens, zur Vervollkommnung der Kün
ste und Wissenschaften, zum Umtausch der Ideen und Kenntnisse und der mancherley
Gegenstände des Unterhalts und der Be
quemlichkeit der Menschen zusammenwirken, desto grösser werden auch die Vortheile, die
aus der harmonischen Verwendung
ihrer
Kräfte zur Verstärkung der Resultate für
jedes einzelne von ihnen entstehn.
Statt
also dahin zu streben, stch einer auf Kosten
des andern zu vergrössern, müssen die Bun desstaaten stch vereinbaren, die Sphäre der
verbesserten und harmonischen Wirksamkeit,
des höhern Menschenwohls und der Huma nität und Cultur, die sie umfassen, über
i8a noch isolirt lebende und rohe Nationen auSzudehnen; auf diese Weis« können sie Erobe
rungen machen, die, indem sie ihnen selbst
zu einem gemeinschaftlichen wahren Vortheil dienen, auch zugleich das Wohl der Besieg ten selbst befördern.
Daß der den Staaten
eigne Ausdehnungstrieb bey den kultivirten BundeSvölkern gegen die ausserhalb des, ihren
Verein beschrankenden, KraiseS noch in der Darbarey lebende Nationen gerichtet werde,
ist das beste Mittel, den feindseligen Bestre bungen der erster» gegen einander Einhalt zu thun; eine solche Abänderung jenes Triebes
hat den gedoppelten Vortheil für sie, daß sie, indem sie eine unter ihnen herrschende furcht bare Plage hemmt, auch in manchen Bezie
hungen zugleich nicht wenig positives Gute
für sie bereitet.
Wäre für einzeln« Bundes-
183
floaten ohnehin schon eine Veränderung ih. reS gegebnen BesitzzustandeS zu wünschen: so
liefern Eroberungen, die von einem Staat,
der nicht in ihren Verein mit einbegriffen
war, gemacht werden, Compensationrmittel für Abtretungen, vermittelst welcher diese
um so viel eher auf eine friedliche Weise und ohne Nachtheil für die Staaten, die sie ma
chen , bewerkstelligt werden können.
§.
109.
Wird es in einem Staatensystem rath-
fam gefunden, oder unvermeidlich, die Si cherheit der Ruhe und des Friedens durch
gewisse Aufopferungen von der Unabhängig
keit und Selbstständigkeit einzelner Mächte zu erkaufen: so dürfte mit dem geringsten
Maas dieser Aufopferungen für jenen Zweck
—>
184
—
am meisten gewonnen werden, wenn die Ein
richtung getroffen würde, daß.die verschied-
nen kleinern Mächte sich die einen an diese, die andern an Lene grössere Staaten durch
Schutzverbindungen anschlössen.
Wie auch
ein Staatensystem im übrigen organistrt seyn mag, sind die in demselben zusammengefaß-
ten einzelnen Staaten sich an Macht einander sehr ungleich: so werden kleinere, wenn ih
nen auch völlige Unabhängigkeit und Selbst
ständigkeit in Worten ringeräumt wird, es gleichwohl nicht vermeiden können, daß ihre
Regierungen sich bey ihren Bestimmungen dem Einfluß der einen oder der andern grös
ser» Macht unterwerfen müssen.
So muß
denn auch bey der Anerkennung einer, auf gewisse bestimmte Beziehungen beschränkten,
Autorität der Regierung eines andern Staats,
185 der reelle Verlust an Freiheit und Unabhän
gigkeit, den sie dabey leiden, um so viel ge ringer seyn.
§.
1J0.
Wird ein Staatensystem viel weiter aus gedehnt, umfaßt eö eine grössere Anzahl von einzelnen Staaten: so dürfte man zur Be hauptung der Ordnung, der Ruhe und des
Frieden- und der Erreichung andrer Zwecke
des Vereins, es um so viel zuträglicher fin den , die einzelnen Theile nach einem gewis sen Schema von Abstufungen des Rangsund
der Autorität zu verknüpfen, so wie man ja bey allen Verbindungen der Wirksamkeit
mehrerer Personen zur Erreichung gewisser
Zwecke, z. B. nicht nur bey der Verwaltung 15
186 erntet Staats und dem Militärdienst; son dern auch bey den Geschäften der Industrie,
deö Bergbaues, der kandwirthschaft u. s. f. die Einführung des Subordinationswesens
nöthig gefunden hat.
§.
ui.
Mehrere benachbarte kleine Staaten ha
ben in ihrer Vereinigung zu einem speciellen Völkerbünde ein Mittel, den Einbuß an der
Unabhängigkeit,
den
jeder einzelne sonst,
wenn er sich isolirt der Regierung eines an
dern Reichs subordinirte, leiden würde, zu vermindern, und überhaupt das Nachthei lige von den Wirkungen der Anknüpfung ih rer Regierung an eine fremde höhere Auto
rität zu schwächen, so wie das Gute dersel ben zu verstärken.
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i87
—
Schluß des ersten Theils. Statt die in dieser ersten Rubrike deS Werks „die Umwandlungen von Europa,"
aufgestellten
Grundsätze
und Ideen
über
Staatensysteme und Völkervereine hier in
Abstracto weiter auSzuführen; will der Ver
fasser, da in unsern Tagen das ausgedehn teste Völkersystem, welches jemals in der
Welt e^ristirte, und auch ein sehr, merkwür
diger speciellerStaatenverein aufgelöset wor
den sind und beyde zu neuen politischen Ge bilden umgeschaffen werden, mit jenen Grund
sätzen und Ideen, gleich, so wie sie darge stellt worden, zu der Untersuchung der bey
den zertrümmerten alten und der jetzt in der Schöpfung begriffnen neuen Staatenqcbilde
übergehn,
und
die weitere Entwick
lung derselben in der Folge,
so wie er eS
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188
—
dem Gang der Untersuchung angemessen fch-en wird, nachhohlen.