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German Pages 544 Year 2000
de Gruyter Lehrbuch Barner / Flohr · Analysis I
Martin Barner Friedrich Flohr
Analysis I 5., durchgesehene Auflage
W DE
G
Walter de Gruyter Berlin · New York 2000
Martin Barner Friedrich Flohr Mathematisches Institut Albert-Ludwigs-Universität Freiburg Hebelstraße 29 79104 Freiburg 7997 Mathematics Subject Classification: Primary: 26-01 Mit 640 Aufgaben, überwiegend mit Lösungshinweisen 1974 Erstaufl 1983 2., verb. Aufl. 1987 3., durchges. Aufl. 1991 4., durchges. und erw. Aufl. Gedruckt auf säurefreiem Papier, das die US-ANSI-Norm über Haltbarkeit erfüllt.
Die Deutsche Bibliothek — CIP-Einheitsaufnahme Barner, Martin:
Analysis / Martin Barner ; Friedrich Flohr. - Berlin ; New York : de Gruyter (De-Gruyter-Lehrbuch) 1. [Mit 640 Aufgaben, überwiegend mit Lösungshinweisen]. 5., durchges. Aufl.. ISBN 3-11-016778-6 Brosch. ISBN 3-11-016779-4 Gb.
© Copyright 2000 by Walter de Gruyter GmbH & Co. KG, 10785 Berlin. Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Printed in Germany. Satz: Tutte Druckerei GmbH, Salzweg-Passau. - Druck: Gerike GmbH, Berlin. Buchbinderische Verarbeitung: Lüderitz & Bauer-GmbH, Berlin. Umschlagentwurf: Hansbernd Lindemann, Berlin.
Vorwort zur 4. und 5. Auflage Zum Studium der Mathematik gehört wesentlich das selbständige Lösen von Aufgaben. Unser Buch enthält deshalb eine größere Zahl von Aufgaben unterschiedlichen Schwierigkeitsgrades. Mit der neuen Auflage folgen wir dem oft geäußerten Wunsch, Hinweise zu den Lösungen zu geben. Bei einfacheren Aufgaben sind zur Kontrolle die Ergebnisse genannt, bei schwierigeren werden Anleitungen zu möglichen Lösungswegen angeboten. Man beachte, daß jede Aufgabe im Zusammenhang mit dem voranstehenden Text zu sehen ist. Wie bei den vorausgehenden Auflagen haben wir den Text durchgesehen und einige kleinere Korrekturen vorgenommen. Freiburg i. Br., Dezember 1999
M. Barner, F. Flohr
Vorwort zur 1. Auflage Diese Darstellung der Analysis ist aus Vorlesungen entstanden, die die Autoren an der Universität Freiburg i. Br. mehrfach gehalten haben. Es handelte sich dabei um eine dreisemestrige Einführung in die reelle Analysis. Der vorliegende erste Band enthält die Differential- und Integralrechnung der Funktionen einer reellen Variablen; die Theorie der Funktionen mehrerer reeller Variablen soll im zweiten Band dargestellt werden. Im ersten Band haben wir uns auf den Integralbegriff für Regelfunktionen beschränkt; das Lebesguesche Integral wird bei den Funktionen mehrerer Variablen eingeführt. Für die klassischen Anwendungen der Integralrechnung kommt man mit dem Bereich der Regelfunktionen aus (dieser ist etwas enger als der Bereich der Riemann-integrierbaren Funktionen, der in der Lehrbuchliteratur sonst bevorzugt wird). Wir haben uns bemüht, den Aufwand an Begriffen gering zu halten und behutsam an abstraktere Begriffsbildungen heranzuführen. Die zahlreichen Aufgaben stehen in enger Verbindung zum Text, so daß wir hoffen, daß dieses Buch auch zum Selbststudium geeignet ist. Danken möchten wir auch an dieser Stelle Frau A. Helbling für ihren unermüdlichen Einsatz bei der Herstellung des Manuskriptes, Herrn Dr. V. Drumm für seine große Hilfe bei den Korrekturarbeiten und dem Verlag für gute Zusammenarbeit. Freiburg i. Br., August 1974
M. Barner, F. Flohr
Inhalt
Vorwort
5
1 Die reellen Zahlen l. l Körperaxiome l .2 Anordnungsaxiome 1.3 Natürliche Zahlen, vollständige Induktion l .4 Vollständigkeitsaxiom 1.5 Bemerkungen
9 10 14 21 34 44
2 Funktionen 2.1 Abbildung, Verkettung, Umkehrabbildung 2.2 Endliche, abzählbar unendliche und überabzählbare Mengen 2.3 Beispiele für reelle Funktionen 2.4 Eigenschaften reeller Funktionen 2.5 Vektorräume reeller Funktionen
52 52 60 64 78 86
3 Konvergente Folgen 3. l Konvergenz von Zahlenfolgen 3.2 Beispiele 3.3 Rechenregeln für konvergente Zahlenfolgen 3.4 Konvergenzkriterien 3.5 Limes inferior, Limes superior
91 91 99 106 112 123
4 Logarithmusfunktion und Exponentialfunktion 4.1 Natürlicher Logarithmus 4.2 Exponentialfunktionen
128 129 133
5 Reihen 5.1 Konvergenz von Reihen 5.2 Umordnung von Reihen, absolute Konvergenz 5.3 Kriterien für absolute Konvergenz von Reihen 5.4 Potenzreihen 5.5 Summierbare Zahlenfamilien
141 141 149 158 167 173
6 Komplexe Zahlen, Winkelfunktionen 6. l Komplexe Zahlen 6.2 Winkelfunktionen
186 187 196
7 Stetige Funktionen 7. l Stetigkeit von Funktionen 7.2 Topologie von IR 7.3 Abbildungseigenschaften stetiger Funktionen 7.4 Stetige Fortsetzbarkeit, gleichmäßige Stetigkeit 7.5 Stetige Homomorphismen von (IR, +) und (IR + , ·)
211 211 222 232 238 247
8
Inhalt 8 Differenzierbare Funktionen 8. l Differenzierbarkeit von Funktionen 8.2 Mittelwertsatz 8.3 Höhere Ableitungen 8.4 Taylorsche Formel
251 252 266 280 287
9 Funktionenfolgen, gleichmäßige Konvergenz 9.1 Punktweise Konvergenz von Funktionenfolgen 9.2 Gleichmäßige Konvergenz von Funktionenfolgen 9.3 Gleichmäßige Konvergenz von Funktionenreihen 9.4 Stetigkeit und gleichmäßige Konvergenz 9.5 Differenzierbarkeit und gleichmäßige Konvergenz 9.6 Treppenfunktionen und Regelfunktionen
302 303 308 314 319 328 338
10 Integration 10.1 Integration von Treppenfunktionen 10.2 Integration von Regelfunktionen 10.3 Hauptsatz der Differential- und Integralrechnung 10.4 Integration und Grenzübergang 10.5 Parameterabhängige Integrale 10.6 Numerische Integration
345 346 351 363 386 398 406
11 Uneigentliche Integrale 11.1 Uneigentliche Integrale mit unbeschränktem Integrationsintervall 11.2 Parameterabhängige uneigentliche Integrale 11.3 Andere Typen uneigentlicher Integrale
416 416 427 436
12 Fourier-Reihen 12. l Trigonometrische Reihen, Fourier-Reihen 12.2 Der Satz von Fejer 12.3 Konvergenz im Sinne der Hubert-Norm 12.4 Punktweise Konvergenz
450 450 458 466 473
Lösungshinweise zu ausgewählten Aufgaben Anhang Symbole Literatur Zeittafel Namenverzeichnis Sachverzeichnis
483 533 535 536 537 538 540
l Die reellen Zahlen
Grundlegend für die Analysis sind die reellen Zahlen. Im Dezimalsystem kann jede reelle Zahl durch eine periodische oder nichtperiodische „Dezimalentwicklung" dargestellt werden; so hat man zum Beispiel: =1,428571428571 .. . 1/2=1,4142135. . . =3, 1415926... . Es liegt daher nahe, die reellen Zahlen direkt durch „Dezimalentwicklungen" einzuführen. Dieses Vorgehen führt aber rasch auf Probleme, deren Beantwortung keineswegs einfach ist. So ist die Bedeutung der drei Punkte in den Beispielen nicht ohne weiteres ersichtlich. Im ersten Fall ist es zwar einfach, für die drei Punkte am Ende der geschriebenen Ziffernfolge die richtige Deutung zu finden; die ZifTernfolgen, die zu j/2~ bzw. zu gehören, sind jedoch nicht periodisch und nur Schritt für Schritt zu bestimmen. Will man etwa für die Summe oder das Produkt zweier Zahlen die Dezimalentwicklung finden, so treten neue Schwierigkeiten auf. Auch die Bevorzugung der dezimalen Schreibweise möchte man möglichst vermeiden, weil die Zahl Zehn aus mathematischer Sicht nicht ausgezeichnet ist. Es wäre ermüdend, wollten wir uns zu Beginn gleich mit den angedeuteten Problemen auseinandersetzen. Wir gehen deshalb folgenden Weg, der sich auch in anderen Situationen in der Mathematik vielfach bewährt hat: Wir stellen ein System von Gesetzen zusammen, die von den reellen Zahlen - was immer das sein mag - erfüllt werden und auf die allein bei den Beweisen zurückgegriffen wird. Die ausgewählten Gesetze nennt man in diesem Zusammenhang Axiome; die Axiome zusammen bilden ein Axiomensystem für die reellen Zahlen. Wenn wir, von dieser Basis ausgehend, unsere Untersuchungen weit genug vorangetrieben haben, werden wir das Problem der Dezimalentwicklung der reellen Zahlen wieder aufgreifen und die genannten Schwierigkeiten bewältigen können.
10
l Die reellen Zahlen
1.1 Körperaxiome Hier werden solche Gesetze aufgezählt, die zur Begründung des „Rechnens", d. h. der Addition, der Subtraktion, der Multiplikation und der Division, ausreichen. In den Axiomen kommen zunächst nur Addition und Multiplikation vor; Subtraktion und Division werden später definiert. Wir nehmen folgendes an: Je zwei reellen Zahlen a, b ist eindeutig eine reelle Zahl a + b, ihre Summe, zugeordnet. Ebenso gehört zu a, b eindeutig eine reelle Zahl a · b, das Produkt von a und b. Für diese Zuordnungen (genannt Addition bzw. Multiplikation) gelten die folgenden Gesetze: Körperaxiome
(l.a) (l.b) (l.c) Addition (l.d)
a+b =b+a a + (b + c) = (a + b) + c
Es gibt genau eine Zahl 0, so daß für alle a gilt: a + 0 = a Zu jedem a gibt es genau ein x, so daß gilt: a + = 0 (2.a) a· b = b· a a · (b · c) — (a · b) · c (2-b) (2.c) Multi- Es gibt genau eine von 0 verplika- schiedene Zahl 1 , so daß für tion alle a gilt: a · 1 = a (2-d) Zu jedem 0 gibt es genau ein je, so daß gilt: a · = 1 a-(b + c) = a-b + a-c (3)
Kommutativgesetz Assoziativgesetz Existenz und Eindeutigkeit derO Eindeutige Lösbarkeit der Gleichung a + = 0 Kommutativgesetz Assoziativgesetz Existenz und Eindeutigkeit der 1 Eindeutige Lösbarkeit der Gleichung a · = 1 für 0 Distributivgesetz
Dabei bedeutet etwa das Kommutativgesetz (l.a): Für alle reellen Zahlen a, b gilt a + b = b + a. Entsprechend sind die Gesetze (l.b), (2.a), (2.b) und (3) zu verstehen. Für das Produkt a · b werden wir meistens die kürzere Schreibweise ab verwenden. Die beiden Assoziativgesetze (l.b) und (2.b) ermöglichen es, Klammern wegzulassen:
1.1 Körperaxiome
11
+ (b + c) = (a + b) + c =·. a + b + c a(bc) = (ab)c=-.abc
Hierbei haben wir das mit einem Doppelpunkt versehene Gleichheitszeichen benutzt, um darauf hinzuweisen, daß es sich um Definitionen handelt. So bedeutet u-=v, daß u definitionsgemäß gleich v ist; schreibt man diese Definitionsgleichung in der Form v =·. u, so liest man etwa: t; wird abgekürzt durch u. Wir wollen hier nur an einigen wenigen Beispielen zeigen, wie aus den Körperaxiomen bekannte Aussagen über reelle Zahlen formal hergeleitet werden können. Für eine ausführliche Darstellung verweisen wir auf die Lehrbücher der Algebra. Beispiele: 1) Bevor wir die binomische Formel (a + b)2 =a2 + 2ab + b2 beweisen, erinnern wir an die Definitionen 2 — 1 + 1,
(a + b)2-.=(a + b)(a + b),
2
··=
,
b2--=bb.
Wir erhalten dann: (a + b)(a + b) = (a + b)a + (a + b)b = a(a + b) + b(a + b) = (aa + ab) + (ba + bb) = ((aa + ab) + ba) + bb = (aa + (ab + ab)) + bb = (aa + ab (i + 1)) + bb
nach Axiom (3) nach Axiom (2. a) nach Axiom (3) nach Axiom (l .b) nach Axiom (l .b) und (2.a) nach Axiom (2.c) und (3)
Aufgrund unserer Definitionen und nach nochmaliger Anwendung des Kommutativgesetzes (2.a) können wir das Ergebnis in der gewohnten Form (a + b)2 =a2 + 2ab + b2
schreiben. 2) Nach (l.d) besitzt die Gleichung a + x = 0 für jede reelle Zahl a genau eine Lösung, die wir - wie üblich - mit ( — a) bezeichnen. Es gilt also
Wir zeigen, daß für alle reellen Zahlen a und b die Gleichung a + x =b
eine und nur eine Lösung besitzt.
12
l Die reellen Zahlen
Addition von (—a) ergibt nämlich (auf die Reihenfolge der Summanden brauchen wir wegen (l.a) nicht zu achten)
und diese Zahl
erfüllt auch wirklich die vorgegebene Gleichung:
a + (b + (-a)) = (a + (-a)) + b = b. Man schreibt kürzer b + (-a)=-b-a und nennt diese Zahl Differenz. Damit ist die Subtraktion auf Grund der Körperaxiome definiert. Bemerkung: Man beachte, daß das Minuszeichen in zwei verschiedenen Bedeutungen verwendet wird: (—a) ist eine reelle Zahl, die der reellen Zahl a nach (l.d) eindeutig zugeordnet ist. Die Differenz b — a ist dagegen für je zwei reelle Zahlen a, b als Summe von b und ( — a) erklärt. Die Überlegungen aus Beispiel 2) lassen sich entsprechend auch für die Multiplikation durchführen. Wir notieren als Ergebnis: Nach (2.d) gibt es zu jedem 0 genau eine Zahl a~l, so daß gilt aa~ l = l . Statt a" 1 wird auch — geschrieben. Für
0 besitzt die Gleichung ax = b
genau eine Lösung x = ba~1 — — ; man nennt diese Zahl Quotient. Damit ist die Division für
0 erklärt.
Aufgabe: Man führe die Beweise analog zu Beispiel 2) durch. 3) Für jedes a gilt: a · 0 = 0. Nach Axiom (l.a) und (l.c) hat man c = 0 + c. Setzt man b = 0 in Axiom (3), so folgt ac = fl(0 + c) = a · 0 4- ac. Addition von (-ac) auf beiden Seiten der Gleichung liefert die Behauptung. Wir haben also bewiesen: Ist in einem Produkt mindestens ein Faktor 0, so ist das Produkt 0.
1.1 Körperaxiome
13
Dieser Satz läßt sich umkehren. Sei nämlich ab = Q und
0, so ergibt sich:
Q = -(ab)=(-a]b=i-b = b. a \a ) (Für a = 0 braucht nichts mehr bewiesen zu werden!) 4) Schließlich zeigen wir noch
Die Zahl (— ab) ist nach Definition die eindeutig bestimmte Lösung der Gleichung
Andererseits rechnet man nach, daß die Zahl ( — ä)b auch Lösung dieser Gleichung ist: ab + (-d)b = (a + (-«))· b = 0 · b = 0. Wegen der Eindeutigkeit der Lösung muß also gelten: Aufgaben 1. Man beweise die binomische Formel für den Exponenten 3 und gebe bei jedem Beweisschritt genau an, welches Körperaxiom benutzt wird. 2. Man zeige, daß gilt: a + ((b + c) + d) = a + (b + (c + d)).
Für diese Zahl schreibt man kurz: a + b + c + d. Wieviel Möglichkeiten der Beklammerung gibt es bei 5 Summanden? 3. Man zeige, daß ( — ( — a)) = a gilt. 4. Im Anschluß an Beispiel 4) beweise man
5. Man zeige, daß für jedes (-^-^-( -1).
0 gilt:
6. Aus den Körperaxiomen lassen sich die Regeln der „Bruchrechnung" herleiten. Unter der (notwendigen) Voraussetzung b 0 und d 0 beweise man die folgenden Aussagen :
14
l Die reellen Zahlen
(1)
ü
a
(3)
(4)
c
Aus — = — folgt ad = bc und umgekehrt folgt aus ad=bc auch b a a c c _ a-d+b- c b-d
a- c b-d
b] \d) (?-}·(-]
l
a· = ^, b-c'
falls auch c
0.
1.2 Anordnungsaxiome Hier handelt es sich darum, eine tragfähige Basis für das Umgehen mit der Kleinerbeziehung, die durch das Zeichen < symbolisiert wird, zu legen. Wir nehmen an, daß folgendes gilt: Sind a, b irgend zwei reelle Zahlen, so steht fest, ob a < b richtig oder falsch ist. Für die Kleinerbeziehung gelten die folgenden Gesetze:
(1) (2) (3) (4)
Anordnungsaxiome Trichotomiegesetz Entweder gilt a = b oder a < b oder b < a Transitivgesetz Aus a < b und b < c folgt a < c Monotoniegesetz der Addition Aus < b folgt a + c < b + c Monotoniegesetz der MultipliAus a < b und 0 < c folgt ac < bc kation
Die Zahl 0 ist durch die Körperaxiome ausgezeichnet. Gilt 0 < a, so heißt a positiv; gilt a < 0, so heißt a negativ. Eine Beziehung der Art a < b nennt man Ungleichung, in manchen Zusammenhängen auch Abschätzung.
1.2 Anordnungsaxiome
15
Wir zeigen an einigen Beispielen, wie aus den Anordnungsaxiomen - zusammen mit den Körperaxiomen - Folgerungen gezogen werden können. Beispiele: 1) Aus
< b und c < d folgt a + c < b + d.
Beweis: Nach Axiom (3) folgt aus a < b
a + c 0, b > 0 und ( — ) < 2. Dann gilt _
2< 9. Es sei a
b
I
14
I
i~U
\
\a + b ) 0 und b
sowie 0. Dann gilt
a
10. Für alle a, b gilt:
\a + b\ + \ 11. Man beweise:
Wann gilt die Gleichheit? 12. Die Menge aller positiven Zahlen sei mit P bezeichnet. Dann gilt: (1) Entweder a = 0 oder a e P oder ( — a)e P. (2) Aus a e P und b e P folgt a + beP. (3) Aus a e P und b e P folgt a -be P. Man kann diese drei Aussagen auch umgekehrt als , Anordnungsaxiome" verwenden, d.h. wenn P vorgegeben ist und die Bedingungen (1), (2) und (3) erfüllt, dann kann man die Kleinerbeziehung definieren und die Anordnungsgesetze (1) bis (4) von S. 14 beweisen. Man führe dies im einzelnen durch!
1.3 Natürliche Zahlen, vollständige Induktion Die Körperaxiome und die Anordnungsaxiome reichen zur Kennzeichnung der reellen Zahlen noch nicht aus. Bevor wir hierzu im nächsten Abschnitt
22
l Die reellen Zahlen
das „Vollständigkeitsaxiom" einführen, wollen wir zeigen, wie man aufgrund der Körper- und Anordnungsaxiome die natürlichen Zahlen definieren kann. Auch die „vollständige Induktion" erfordert dann kein neues Axiom, sondern ist bei diesem Vorgehen ein beweisbarer Satz. Naheliegend ist es zu sagen, daß die natürlichen Zahlen, ausgehend von der Zahl 0, durch fortgesetzte Addition der Zahl l erzeugt werden. Will man die Unbestimmtheit und das zeitliche Moment, die in dem Begriff der „fortgesetzten Addition" liegen, vermeiden - weil eine Präzisierung den Begriff der natürlichen Zahl voraussetzt -, so kann dies unter Verwendung des Mengenbegriffs wie folgt geschehen. Def.:
Eine Menge M von reellen Zahlen heißt induktiv, wenn gilt: (l)OeM (2) wenn xeM,sox+ieM.
Induktive Mengen gibt es, z. B. die Menge aller reellen Zahlen oder die Menge aller nichtnegativen reellen Zahlen. Zu jeder induktiven Menge gehören die Zahlen 0 und l (wie etwa auch l + l und (l + 1) + 1). Der Durchschnitt eines beliebigen Systems induktiver Mengen ist selber eine induktive Menge. Denn die Zahl 0 gehört zum Durchschnitt, da sie nach Voraussetzung zu jeder Menge des Systems gehört. Ebenso folgt, daß wenn zum Durchschnitt, also zu jeder Menge des Systems gehört, dasselbe auch für + l gilt. Die Menge der natürlichen Zahlen ist nun die „kleinste" induktive Menge, d. h. sie ist in jeder induktiven Menge enthalten. Def.:
Der Durchschnitt aller induktiven Mengen reeller Zahlen heißt Menge der natürlichen Zahlen und wird mit N 0 bezeichnet.
Da IM0 eine Menge von reellen Zahlen ist, gelten auch in N0 die Anordnungseigenschaften. Die Zahl 0 ist die kleinste natürliche Zahl, denn es gibt keine negative Zahl, die zu allen induktiven Mengen gehört, weil die Menge aller nichtnegativen Zahlen induktiv ist. Dagegen gibt es keine größte natürliche Zahl, denn mit n ist auch n + l eine natürliche Zahl, für die wegen l > 0 gilt /i + l >n. Eine unmittelbare Folgerung aus der Definition der natürlichen Zahlen ist die „Induktionseigenschaft". Da 0 die kleinste induktive Menge ist, muß jede in iM0 enthaltene induktive Menge W schon mit N 0 übereinstimmen. Es gilt also der
1.3 Natürliche Zahlen, vollständige Induktion
Satz:
23
Es sei W l + na für jede natürliche Zahl n. Man bezeichnet diese Aussage als Bernoullische Ungleichung. Beweis: 1) I n d u k t i o n s a n f a n g : Für «0 = 0 ist
(l + a)° ^ l + 0 · a richtig. (2) I n d u k t i o n s s c h r i t t : Aus der Aussage für n
(l + a)" ^ l + na folgt durch Multiplikation mit der positiven Zahl (l + a) die Ungleichung
d.h. Da a2 ^ 0 und n ^ 0 gilt, folgt weiter na2 ^ 0 und damit
l + (n + \}a + na2 ^ l + (AI + l)fl. Wegen der Transitivität von ^ gilt also (1+ )
+1
^ 1 + ( / +1) .
2) Für alle natürlichen Zahlen n ^ 5 gilt: 2">n2. Beweis: (1) I n d u k t i o n s a n f a n g : Für n 0 = 5 ist die Behauptung richtig, denn 25 = 32>25 = 5 2 . (2) I n d u k t i o n s s c h r i t t : Aus der Annahme 2">n2 folgt durch Multiplikation mit 2:
1.3 Natürliche Zahlen, vollständige Induktion
25
Wir müssen nun zu zeigen versuchen, daß 2n 2 ^(/z + l) 2 gilt. Diese Ungleichung ist aber für n ^ 3 richtig, weil dann n ^ 3 > 2 + — und damit 2n2 = n2 + nn>n2 + H / 2 + -) =(« + l) 2 gilt. Also folgt aus der Annahme 2" > n2, falls n ;> 3, die Ungleichung
Damit ist der Induktionsbeweis geführt. Man sieht an diesem Beispiel, daß beim Induktionsschritt die Bedingung n ^ 3 benötigt wird, während für den Induktionsanfang die natürlichen Zahlen 0, l, 5 nicht aber die Zahlen 2, 3, 4 in Frage kommen. Deshalb ist die Aussage für n = 0,1 und für alle n ^ 5 richtig. 3) Für alle natürlichen Zahlen n ^ l gilt: l + 3 + 5 + . . . + (2« - 3) + (2/i - 1) = n2.
Beweis: (1) I n d u k t i o n s a n f a n g : Für «0 = l erhält man die richtige Gleichung 1 = 1. (2) I n d u k t i o n s s c h r i t t : Aus der Annahme l +3 + 5 + . . . + (2/i - 3) + (In - 1) = n2
folgt durch Addition der Zahl (2n + 1): l + 3 + 5 + . . . + (2n - 3) + (2n - 1) + (2n + 1) = n2 + (2n + 1)
d.h. l + 3 + 5 + . . . + (2n - 1) + (2/i + 1) = (n + l) 2 ,
also die Aussage für n + l . Es ist zweckmäßig, für die Summe a1 +a2 + a3 + ... +tf„-i + a„ eine abkürzende Schreibweise einzuführen: n
1+
2+
3 + ... +a„_l+a„=·.
}. J=l
heißt Summenzeichen, der Buchstabe j wird in diesem Falle als Summationsindex verwendet. Er kann beliebig umbenannt werden; so gilt z. B.
26
l Die reellen Zahlen
«/=
a k=l
k=
r=l
°r·
Aufgrund der Erklärung hat man die Gleichung:
(
n V
\ „ l
a
a
„
Li j}+ n+l=
n+ l V
L^r
Entsprechend verwendet man die abkürzende Schreibweise n
flj · Ü2 ' · · · ' Q„-
' ü„ =:
ü-.
Für das folgende Beispiel benötigen wir die sogenannten Binomialkoeffizienten. Diese sind für beliebiges natürliches n und natürliches k mit < k ^ n erklärt durch n! k\(n-k)\
Dabei bedeutet «! (lies: n Fakultät) die natürliche Zahl 1 - 2 - 3 · . . . · « . Ferner setzt man 0! = l. Wir beweisen durch Nachrechnen (für l 5 k 5 n):
n \
/«\
/«+1\
Nach den gegebenen Definitionen ergibt sich: n!
!
n\ k\(n-k)\
n\k k\(n+i-k)\
und damit die Behauptung. 4) a, 6 seien reelle Zahlen. Dann gilt für alle natürlichen Zahlen n ^ 0:
(Binomische Formel).
Beweis: (1) Induktionsanfang: Für /i = 0 erhält man die richtige Gleichung 1 = 1.
1.3 Natürliche Zahlen, vollständige Induktion
27
(2) I n d u k t i o n s s c h r i t t : Aus der Annahme
folgt durch Multiplikation mit (a + b):
Setzt man in der zweiten Summe für den Summationsindex k =j - l ein, so erhält man weiter (a + bY^=an +i+ £ ("}an+l-kbk+ V ( " \an^-jbj + bn +1.
fr \kj
fr
V- V
Da die Benennung des Summationsindex ohne Bedeutung ist, können die beiden mittleren Summanden zusammengefaßt werden: t-=1 \\vw l· I
d.h.
' ' +1
/
,
k=0\
5) Es sei ^
\ 11 v\ If —;;
4\
*
/
1. Dann gilt für alle natürlichen Zahlen n _ 0:
1-9 (Geometrische Summenformel). Beweis: (1) Für n = 0 erhält man 1 = 1. (2) Aus der Annahme
y g*= ! —^ i -v folgt durch Addition von q"+ 1 : + 1
.
-
i-q
28
l Die reellen Zahlen
Aufgabe: Man zeige, daß für alle reellen a, b und alle natürlichen Zahlen n ^ l gilt: a"-b"=(a-b)· (a"'1 + a"'2 -b + ...+ - b"~2 + b"'1). 6) Für alle natürlichen Zahlen n ^ l gilt: Wenn x l 9 x2, ···, x„ positive reelle Zahlen sind, deren Produkt xt- x2· ...· x„=i ist, dann gilt für ihre Summe die Ungleichung X! +x2 + ... + x„^n. Die Gleichheit tritt genau dann ein, wenn Xj = x2 . . . = x„ = l gilt. Beweis: (1) Für n = i ist die Aussage offensichtlich richtig. (2) Für je n positive Zahlen sei die Aussage richtig. Wenn nun
x1 · x2 ' x$ ' . . . ' x„ ' x„+i = l ist und nicht alle dieser positiven Zahlen gleich l sind, so muß mindestens eine kleiner als l und eine größer als l sein (warum?). Es sei etwa Xj > l und x2 < l, also (*! - \}(x2 - l) = XiX 2 -*i -*2 + l Xi · x2 ergibt sich hieraus die Aussage für die n + l positiven Zahlen xlfx2,x3, ...,x„,xn+1:
Insbesondere kann also das Gleichheitszeichen nur gelten, wenn alle Zahlen gleich l sind. Aufgabe: Für positives als a2, ...,a„ gilt die Ungleichung zwischen arithmetischem, geometrischem und harmonischem Mittel: / ! + ö 2 + ... +a„\"
n
] ~
/
'.L ^i
n
J_ a2
'"
J_ an/
(Wenn wir die n-te Wurzel definiert haben werden (vgl. S. 83), läßt sich diese Ungleichung in der Form
1.3 Natürliche Zahlen, vollständige Induktion
n
29
^ ül
schreiben.)
^
°2
Wir beweisen nun einige Aussagen über natürliche Zahlen, die selbstverständlich zu sein scheinen, aber aufgrund unserer Definition der natürlichen Zahlen doch bewiesen werden können und müssen. Dies hätte auch schon unmittelbar im Anschluß an den Satz von der vollständigen Induktion (vgl. S. 23) geschehen können. Die vorgeführten Beispiele werden hierbei nicht verwendet (sie dienten der Einübung der Beweismethode). Satz :
Es seien m und n natürliche Zahlen. Dann sind auch m + n und m · n natürliche Zahlen.
Beweis: Um die Behauptungen durch vollständige Induktion beweisen zu können, denken wir uns m festgehalten. (1) I n d u k t i o n s a n f a n g : m + 0 = m und m -0 = 0 sind natürliche Zahlen. (2) I n d u k t i o n s s c h r i t t : Wenn m+n eine natürliche Zahl ist, dann gilt dies auch von (m + n) + l ; also ist auch m + (n + 1) eine natürliche Zahl. Damit gilt also bei festem m für alle natürlichen Zahlen n, daß m + n eine natürliche Zahl ist. Da m beliebig gewählt werden kann, folgt der erste Teil der Behauptung. Wir verwenden dieses Resultat beim Beweis des Induktionsschrittes für das Produkt: Wenn m · n eine natürliche Zahl ist, dann gilt dies auch von mn + m; also ist auch m(n + 1) eine natürliche Zahl. Um nun zu zeigen, daß für m ä; n auch die Differenz m — n eine natürliche Zahl ist, sind einige Vorüberlegungen erforderlich. Zunächst weisen wir nach, daß es keine natürliche Zahl m gibt, für die 0 < m < l gilt. Dies ergibt sich unmittelbar daraus, daß die Menge
induktiv ist (Beweis als Aufgabe). Weiter überlegt man sich, daß der Induktionssatz auch mit dem Induktionsanfang l richtig ist, d. h. daß folgendes gilt: Wenn eine Menge Jf natürlicher Zahlen die beiden Eigenschaften (1) (2)
leff wenn n
l und n e W, so « + l e W
besitzt, dann gehören alle natürlichen Zahlen, die größer oder gleich l sind, zu W. Zum Beweis prüft man nach, daß die Menge W = {0} u W die Bedingungen des Induktionssatzes (vgl. S. 23) erfüllt. Es gilt deshalb W ' = INI 0 . Da zwischen 0 und l keine natürliche Zahl liegt, folgt die Behauptung. Die Menge aller natürlichen Zahlen, die größer oder gleich l sind, bezeichnen wir mit N . Es gilt also N 0 = {0}uN. Wenn zu N gehört, so ist n — l eine natürliche Zahl. Diese Aussage ist für n = l richtig und wenn sie für n ^ l richtig ist, so auch für n + l . Denn (n + l ) — l = n gehört nach Annahme zu IM, also erst recht zu N 0 . Satz :
Für jede natürliche Zahl n gilt: es gibt keine natürliche Zahl m mit der Eigenschaft n < m < n + l .
30
l Die reellen Zahlen
Beweis: (1) I n d u k t i o n s a n f a n g : Wir haben oben schon gezeigt, daß es keine natürliche Zahl m mit 0 < m < l gibt. (2) I n d u k t i o n s s c h r i t t : Wenn es keine natürliche Zahl m mit n b, so würde folgen n ~
was der Definition von k widerspricht. Der Fall a 5 0 läßt sich auf den hier diskutierten zurückführen, indem man statt a, b die beiden Zahlen a + c, b + c mit geeigneter rationaler Zahl c betrachtet. Die Durchführung sei dem Leser überlassen. In jedem Intervall, zu dem mehr als ein Element gehört, gibt es also eine rationale Zahl.
Aufgaben :
1. Man beschreibe folgende Mengen reeller Zahlen in möglichst einfacher Form:
a) { || - | = | -3|} b) {x|x 2 -jc+10>16}
d) {x\\x-l\ + \x-2\>i} x-i e) {x\ = 2}. jc+l '
42
l Die reellen Zahlen
Man stelle für jede dieser Mengen fest, ob sie nach oben beschränkt ist und bestimme gegebenenfalls die kleinste obere Schranke. 2. Man bestimme Supremum und Infimum - falls sie existieren - für folgende Mengen und untersuche jeweils, ob diese Zahlen zur betreffenden Menge gehören: M1 = {x|x = (-l)"Yl + -^J mit ne N} / l V" M2 = {x\x= l - -r-l
M3 =
3
mit w, rcefN}
{x\(x-a)(x-b)(x-c)0. Man zeige, daß dann die Menge M' = {x\-eM} ' nach oben beschränkt ist und daß gilt:
sup M' = ——-. mfM 4. Die Mengen A und B seien nach oben und unten beschränkt. Man zeige, daß die Menge C= [x\x=y + z mit yeA und zeB} nach oben und unten beschränkt ist und daß gilt: sup C = sup A + sup B inf C = inf A + inf B.
5. Man zeige:
sup {a, b] = max { , b] =
b + \b-a\
2 a + b- \b-a\ inf { , b} = min {a, b} — 2
6. Die Mengen A und B seien beschränkt. Man zeige: sup (/l u.ß) = max (sup A, sup B} inf (A u B) = min {inf A, inf B}.
1.4 Vollständigkeitsaxiom
43
Wenn A 0 }
Q + = {x\x>0, xeQ}. (c) Sieht man die Beweise, die wir geführt haben, durch, so kann man zwei Arten der Argumentation unterscheiden: Ein direkter Beweis wird geführt, indem man ausgehend von den Axiomen - unter Zuhilfenahme schon bewiesener Sätze und der Voraussetzungen durch eine Kette korrekter Schlüsse zur aufgestellten Behauptung gelangt. Beim indirekten Beweis nimmt man an, daß die Negation der Behauptung richtig ist, und leitet mit dieser zusätzlichen Voraussetzung eine Aussage her,
1.5 Bemerkungen
47
von der man schon weiß, daß sie falsch ist. Dieser „Widerspruch" tritt nur dann nicht auf, wenn die ursprüngliche Behauptung doch richtig ist. Für die in Beispiel 5) auf S. 16 direkt bewiesene Aussage: ,Aus a B und sagt A impliziert B Aus A folgt B A ist hinreichend für B. Soll eine solche Implikation bewiesen werden, so kann man an Stelle von A => B auch deren Kontraposition nicht B => nicht A beweisen. Die Begründung ergibt sich aus den Bemerkungen zur Methode des indirekten Beweises: Wenn aus der Negation von B die Negation von A folgt, andererseits aber die Voraussetzung A richtig ist, entsteht der Widerspruch, daß zugleich A und die Negation von A richtig ist. Dieser Widerspruch läßt sich nur dadurch beseitigen, daß tatsächlich die Negation von B falsch ist, d. h. B muß richtig sein. Wenn man also die Kontraposition einer Implikation beweisen kann, ist auch die Implikation selber richtig. Als Beispiel betrachten wir für positives a und b die Implikation: Aus a2 < b2 folgt a 0) (da b > 0) (Transitivität von 3i).
(Ein direkter Beweis der Implikation „0 < a, 0 < b, a2 < b2 => a < b" kann etwa so geführt werden: b2 - a2 > 0 Wegen (b + a) > 0 folgt hieraus (b - a) > 0, d. h.: a B beweisen wollen, nehmen wir an, daß A richtig ist. Gelingt es einzusehen, daß dann auch B richtig sein muß, so ist A => B richtig. Wenn aber A falsch sein sollte, dann sieht man A => B als richtig an, ganz gleich, ob B richtig oder falsch ist („ex falso quodlibet"). Demnach ist A => B nur falsch, wenn zwar A richtig, aber B falsch ist. Mit dieser Festsetzung ist eine Implikation „A => B" genau dann richtig, wenn ihre Kontraposition „nicht B => nicht A" richtig ist. Wenn A hinreichend für B ist, so ist also „nicht B" hinreichend für „nicht A", d.h. wenn B nicht richtig ist, dann kann auch A nicht richtig sein. Man sagt deshalb auch für A => B : B ist notwendig für A . Als Umkehrung der Implikation A => B bezeichnet man die Implikation B => A. Ist die erste Aussage richtig, braucht die zweite natürlich nicht auch richtig zu sein. Zum Beispiel ist die Umkehrung der richtigen Aussage „Wenn a und b positiv sind, so ist ab positiv" die offenbar falsche Aussage: „Wenn ab positiv ist, so sind a und b positiv". Daß diese zweite Aussage falsch ist, zeigt man mit Hilfe eines Gegenbeispiels, etwa mit a — b = — \ : Zwar ist (— 1) · (— 1) = l positiv, doch ist - l nicht positiv. Es kann aber auch sein, daß sowohl „Aus A folgt B" als auch „Aus B folgt A" richtige Aussagen sind.
50
l Die reellen Zahlen
Dann sagt man: A ist notwendig und hinreichend für B. B ist notwendig und hinreichend für A. Um zu zeigen, daß A notwendig und hinreichend für B ist, sind also immer zwei Überlegungen durchzuführen: 1) Aus A folgt B. 2) Aus B folgt A. Wir nennen noch einige andere gleichbedeutende Formulierungen: A A A A
gilt dann und nur dann, wenn B gilt. gilt genau dann, wenn B gilt. und B sind äquivalent. ist kennzeichnend für B.
Als Kurzschreibweise verwenden wir: A o B. Ein Beispiel eines Satzes dieser Art ist etwa die Kennzeichnung des Supremums einer Menge auf S. 38. (f) Eine wichtige Veranschaulichungsmöglichkeit für die reellen Zahlen und ihre Anordnungseigenschaften bietet sich in der sogenannten Zahlengeraden. 13
Iz
I
I
0
P
2
~
7
l
5
Auf einer Geraden wird ein Punkt 0 als „Nullpunkt" beliebig gewählt. Jedem rechts von 0 liegenden Punkt wird diejenige positive reelle Zahl zugeordnet, die gleich dem Abstand (gemessen in irgendeiner Längeneinheit) dieses Punktes von 0 ist. Jedem links von 0 liegenden Punkt wird dagegen sein negativer Abstand von 0 zugeordnet. Dann bedeutet a < b, daß der zu a gehörende Punkt links von dem zu b gehörenden Punkt liegt. Gilt < z < b, so liegt der zu z gehörende Punkt zwischen den zu a bzw. b gehörenden Punkten; dieselbe Ausdrucksweise benützen wir auch für die zugehörigen reellen Zahlen. Sehr einfach wird die anschauliche Deutung der Addition, der Multiplikation und der Anordnungseigenschaften, die wir im einzelnen dem Leser überlassen.
1.5 Bemerkungen
51
So nützlich die beschriebene Veranschaulichungsmöglichkeit auch ist, so darf sie doch niemals als Beweismittel verwendet werden. Die Begriffe Gerade, Punkt, Abstand müßten nämlich zuvor präzise definiert werden, was hier nicht geschehen ist. Dagegen wird das Umgehen mit den reellen Zahlen genau durch die formulierten Grundeigenschaften festgelegt; nur auf diese stützen wir uns beim Beweisen. Trotzdem empfehlen wir die Verwendung von Figuren und anschaulichen Hilfsmitteln zur Orientierung; läßt doch eine solche Figur oft schon das Wesen des betrachteten SachVerhaltes erkennen.
2 Funktionen
Der Begriff der Funktion oder Abbildung wird in der gesamten Mathematik und ihren Anwendungen in anderen Wissenschaften ständig benutzt. Von der (noch häufig anzutreffenden) Vorstellung, eine Funktion sei immer durch einen „Rechenausdruck" gegeben, muß man sich allerdings befreien. Mit einem solchen engen Funktionsbegriff kommt man selbst dann nicht aus, wenn man die Mathematik nur als Hilfswissenschaft braucht. Hier soll daher zunächst der Begriff der Abbildung in solcher Allgemeinheit eingeführt werden, wie es für das Folgende zweckmäßig ist. Dabei benutzen wir den MengenbegrifT. In den folgenden Abschnitten spezialisieren wir uns auf „reelle Funktionen". Unter den Beispielen zum Funktionsbegriff befinden sich die ganzrationalen und die rationalen Funktionen, die allein mit Hilfe der Körpereigenschaften der reellen Zahlen erklärt werden können und die man deshalb zu den sogenannten „elementaren Funktionen" rechnet. Andere elementare Funktionen, wie Logarithmus-, Exponential- und Winkelfunktionen werden wir erst später einführen, nachdem Folgen und Reihen behandelt worden sind. Besonders hingewiesen sei an dieser Stelle noch auf die Treppenfunktionen, die in unserem Aufbau der Integralrechnung verwendet werden.
2. l Abbildung, Verkettung, Umkehrabbildung
Gegeben seien die Mengen A und B, und es sei jedem aus A genau ein Element aus B, das wir f ( x ) nennen, zugeordnet. Wir sagen dann, daß durch A, B und diese Zuordnung eine Abbildung f von A in B gegeben ist. Wir verwenden die Schreibweisen: oder
f:A -> B h-»· f(x)
für
e A.
Statt Abbildung sagt man auch Funktion. B e m e r k u n g : Nicht verwenden sollte man die früher übliche Redeweise: „Die Abbildung oder Funktion y =/( )". Denn y (und damit /(x)) ist ein
2.1 Abbildung, Verkettung, Umkehrabbildung
53
Element der Menge B, dagegen gilt dies nicht von der Abbildung /. Funktion / und Funktionswert f ( x ) an der Stelle : sind zu unterscheiden. Beispiele von Abbildungen sind uns schon im ersten Kapitel vielfach begegnet, ohne daß wir diese Bezeichnung verwendet haben: So wurde auf S. 1 1 festgestellt, daß jeder reellen Zahl a eindeutig die Zahl (—a) zugeordnet werden kann. Das heißt aber nach der jetzt eingeführten Terminologie, daß —>· ( — ) eine Abbildung von (R in IR ist. Ein anderes Beispiel findet sich auf S. 36. Nach dem Vollständigkeitsaxiom ist jeder nicht leeren nach oben beschränkten Menge reeller Zahlen eindeutig die kleinste obere Schranke dieser Menge zugeordnet. Hier ist A ein Mengensystem, nämlich die Menge aller nicht leeren nach oben beschränkten Mengen von reellen Zahlen und B die Menge [R. Man sehe Kap. l nochmals daraufhin durch, wo Abbildungen vorkommen ! Ist /eine Abbildung von A in B, so heißt A die Definitionsmenge von /, jedes e A auch Stelle oder Argument von /. B, die Zielmenge von /, jedes yeB, zu dem ein x e / 4 existiert derart, daß y=f(x) Bild von /, und die Menge aller Werte von /
gilt, Wert oder
W = {y | Es gibt : e A , so daß y =/(*)} die Wertemenge der Abbildung /. Kürzer schreibt man für die Wertemenge
Unter dem Bild einer beliebigen Teilmenge C von A bei der Abbildung / versteht man die Menge aller Elemente aus B, die als Bilder von Elementen aus C vorkommen:
Diese Menge bezeichnet man kurz mit f(C). Unter dem Urbild einer beliebigen Teilmenge D von B bei der Abbildung / versteht man die Menge aller Elemente aus A, deren Bilder in D liegen: {x |/(*) 6 D}.
Diese Menge bezeichnet man kurz mit f ~ l ( D ) . Selbstverständlich gilt /~! (D) c A (denn für ist f ( x ) nicht erklärt). Die Bezeichnung bedeutet
54
2 Funktionen
nicht, daß es eine Abbildung /~ 1 von f(Ä) in A gibt; auch wenn D nur aus einem Element besteht, können zu /~ l (D) mehrere Elemente gehören. Aufgabe: Es gilt 1
und
(/(O) => C
für alle C c A
/(/- l (D)) c D
für alle D^B.
Besteht die Teilmenge D von B nur aus einem einzigen Element b, so besteht die zugehörige Urbildmenge aus allen Elementen von A, die die Gleichung f ( x ) = b erfüllen, den „Lösungen" dieser Gleichung. Man nennt die Menge
{x\f(x) = b} daher auch Lösungsmenge der Gleichung f ( x ) = b. Das Problem des Gleichungslösen besteht darin, zu untersuchen, ob diese Menge nicht leer ist, und wenn das der Fall ist, andere übersichtliche definierende Eigenschaften für diese Menge - etwa in „aufzählender" Form - zu finden. Die Elemente : aus D, die die Gleichung f ( x ) = b erfüllen, heißen auch b-Stellen von f. Für Bilder und Urbilder bei einer Abbildung gelten mengenalgebraische Rechenregeln, die wir hier zusammenstellen. Satz:
Sei f eine Abbildung von A in B. Für alle U f(A)\f(U). Für alle U c B und alle V^B gilt:
Wir beweisen nur die erste Beziehung und überlassen die anderen Beweise dem Leser. Wenn yef(Ur\ V) gilt, dann gibt es ein xe U r\ V derart, daß y =f(x) ist. Da sowohl zu U als auch zu V gehört, folgt, daß f(x) sowohl zu /([/) als auch zu f ( V ) gehört. Also gilt yef(U)r\f(V).
2. l Abbildung, Verkettung, Umkehrabbildung
55
Daß /(l/n F) echt in /(l/)n/(K) enthalten sein kann, zeigt etwa die Abbildung /: (R -+ R mit f(x) = x2 und U = {x\x ^ 0} und V= {x|x^0}. Dann gilt/(l/nF) = Aufgabe: Aus U m) kann auch als injektive Abbildung von A„ in A„^1 aufgefaßt werden. Sei nun k die kleinste natürliche Zahl, so daß der Abschnitt der Länge k + l injektiv in den Abschnitt der Länge k abgebildet werden kann. Wir zeigen, daß es dann auch eine injektive Abbildung des Abschnitts der Länge k in den Abschnitt der Länge k — l gibt. Nach Annahme gibt es eine injektive Abbildung
Wir unterscheiden die Fälle: (a) Die Zahl k - l tritt nicht als Bild bei der Abbildung /auf. (b) Die Zahl k - l ist Bild der Zahl k bei der Abbildung /. (c) Die Zahl k — l ist Bild einer Zahl j < k bei der Abbildung /. In den beiden ersten Fällen ist die Restriktion von / auf Ak eine injektive Abbildung von Ak in Ak-1. Im Fall (c) wird durch , v
f/(*) £ ( * ) 1(f(k) / =
für xeAk, x+j ·· für =y
eine injektive Abbildung g von Ak in Ak_1 definiert. Damit erhalten wir einen Widerspruch zu der Annahme, daß k die kleinste natürliche Zahl ist, für die Ak +i injektiv in Ak abgebildet werden kann. F o l g e r u n g : Für m
gibt es keine Bijektion von Am auf A„.
Damit können wir nun definieren: Def. :
Eine Menge M heißt endlich, wenn es eine natürliche Zahl n gibt derart, daß eine Bijektion von A„ auf M existiert. Die natürliche Zahl n heißt „Anzahl der Elemente" von M.
Eine endliche Menge kann also nicht auf eine ihrer echten Teilmengen bijektiv abgebildet werden. Für unendliche ( = nicht endliche) Mengen gilt dies nicht, wie das Beispiel der bijektiven Abbildung n i—» n + l von iKl0 auf INJ zeigt.
62
2 Funktionen
Auch für unendliche Mengen kann eine Typeneinteilung vorgenommen werden, indem man Mengen, die bijektiv aufeinander abgebildet werden können, zu demselben Typ rechnet. Zum einfachsten Typ unendlicher Mengen gehört die Menge N0 der natürlichen Zahlen. Def. :
Eine Menge M heißt abzählbar unendlich, wenn eine Bijektion von NO auf M existiert.
Die Mengen, die entweder endlich oder abzählbar unendlich sind, nennt man gemeinsam abzählbare Mengen. Etwas ungenau, aber doch treffend, kann man sagen, daß die Elemente einer abzählbaren Menge „durchnumeriert" werden können. Jede Teilmenge einer abzählbaren Menge ist wieder abzählbar. Auch die Vereinigung zweier abzählbarer Mengen ist wieder abzählbar. Satz :
Die Menge Q aller rationalen Zahlen ist abzählbar.
Zum Beweis ordnen wir zunächst die positiven rationalen Zahlen in einem Schema an, an dem zu erkennen ist, daß eine Durchnumerierung erfolgen kann. Daß in diesem Schema rationale Zahlen mehrfach auftreten, stört die Betrachtung nicht; eine solche Zahl bekommt nur bei ihrem ersten Auftreten eine Nummer und wird im folgenden einfach ausgelassen; wichtig ist, daß jede rationale Zahl tatsächlich auftritt; dies erkennt man aber unmittelbar. Hier das Schema: 5. l
1 2
s
2 1
/
3 2
/
4 2
1
1
1
4
1 4
1 4
1 4
4 4
3
3
3
3
1 4
l / / / / l i l f ! Die Durchnumerierung erfolgt in der Reihenfolge der Pfeile und erfaßt alle im Schema auftretenden, d.h. alle positiven rationalen Zahlen. Bezeichnet man die positiven rationalen Zahlen entsprechend der angegebenen Abzählung mit r l 5 r 2 , r 3 ,..., so erhält man eine Abzählung aller rationalen Zahlen folgendermaßen:
2.2 Endliche, abzählbar unendliche und überabzählbare Mengen
63
Läßt sich die Menge A weder auf einen Abschnitt von INI0 noch auf IKI0 selbst bijektiv abbilden, so heißt A überabzählbar (oder auch nicht abzählbar). Satz :
Die Menge [R aller reellen Zahlen ist überabzählbar.
Die Menge IR ist sicher nicht endlich, da sie die Menge N enthält. Es muß also noch ausgeschlossen werden, daß (R abzählbar unendlich ist. Wir nehmen dazu an, die Menge [R könnte durchnumeriert werden: XQ,
,
2, X$, X4t · · · ·
Dann wählen wir ein abgeschlossenes Intervall J0 = [a0,bo], das x0 nicht enthält. J0 zerlegen wir in drei abgeschlossene Teilintervalle; diese haben höchstens Endpunkte gemeinsam. Xj kann daher nicht in allen drei Teilintervallen zugleich liegen. Es gibt somit ein in J0 enthaltenes Intervall [a ^ &i] = /!, dem x t nicht angehört. Setzt man dieses Auswahlverfahren fort, so erhält man eine Folge abgeschlossener Intervalle
derart, daß x„$J„ = [a„, b„\ für jedes n e N 0 gilt. Nun betrachte man die Menge M der linken Endpunkte der genannten Intervalle. M ist nach oben beschränkt, z. B. ist jedes b„ obere Schranke von M. Nach der Eigenschaft der Vollständigkeit besitzt M daher eine kleinste obere Schranke s. Diese reelle Zahl s muß zu jedem der Intervalle J0, Jl, J2, ... gehören. Andernfalls gäbe es nämlich eine natürliche Zahl n, so daß s J„, also s > b„ gelten würde. Da b„ obere Schranke von M ist, wäre s nicht die kleinste obere Schranke von M. Die reelle Zahl s kann unter den reellen Zahlen
nicht vorkommen, weil für jedes n & INI0 gilt: s e J„, aber x„ J„, also sicher 5
x„.
Die vorgegebene Durchnumerierung von IR kann also nicht alle Elemente von [R erfassen. Unsere Überlegung hat uns noch das folgende wichtige Resultat mit erbracht: Der Durchschnitt einer „absteigenden" Folge abgeschlossener Intervalle ist nicht leer. Außerdem zeigt der Beweis, daß jedes Intervall, das mehr als einen Punkt enthält, überabzählbar ist.
64
2 Funktionen
Aufgaben 1. Man beweise durch vollständige Induktion: Jede nicht leere endliche Menge M reeller Zahlen besitzt ein kleinstes und ein größtes Element. 2. Wieviele Abbildungen von A in B gibt es, wenn A eine Menge mit m Elementen und B eine Menge mit n Elementen ist? Wieviele dieser Abbildungen sind Injektionen? 3. Man zeige, daß die Abbildungen (m, n) H+ 2 m - ( 2 / z + l ) (/»,»)·-»
„
+m+l
Bijektionen von N 0 fKl0 auf N sind. (Man beachte, daß (\) = 0 ist.) 4. Es seien A, B abzählbar unendliche Mengen. Man beweise, daß A abzählbar unendlich ist. Weiter zeige man, daß die Menge
abzählbar unendlich ist. 5. Die Menge aller Intervalle mit rationalen Endpunkten ist abzählbar unendlich. 6. Eine Menge von Intervallen, von denen jedes mehr als einen Punkt enthält und die paarweise disjunkt sind, ist abzählbar. 7. Man zeige, daß die Vereinigung zweier abzählbarer Mengen eine abzählbare Menge ist. Daraus folgere man, daß die Menge aller irrationalen Zahlen überabzählbar ist. 8. Alle Intervalle - außer der leeren Menge und den einpunktigen Intervallen lassen sich bijektiv auf IR abbilden. Man gebe für alle Intervalltypen Bijektionen auf [R an. 9. Eine Menge A ist genau dann unendlich, wenn A bijektiv auf A\{a] (a beliebig aus A) abgebildet werden kann.
2.3 Beispiele für reelle Funktionen
Ist / eine Abbildung einer Teilmenge von [R in die Menge (R, so nennen wir / eine reelle Funktion. Die Definitionsmenge bezeichnen wir dann meistens mit D; die Zielmenge ist [R.
2.3 Beispiele für reelle Funktionen
65
Bevor wir uns mit besonderen Eigenschaften reeller Funktionen beschäftigen, führen wir einige wichtige Typen reeller Funktionen ein: die ganzrationalen Funktionen, die rationalen Funktionen und die Treppenfunktionen. Weiter erörtern wir, um die Allgemeinheit des Funktionsbegriffs zu erläutern und unr Material für Gegenbeispiele zu haben, einige besondere Funktionen.
Ganzrationale Funktionen
Sind c0, c l s . . . , c„ fest vorgegebene reelle Zahlen mit c„ die Zuordnung
, so wird durch
n
x i—> £ ckxk
für xe IR
eine ganzrationale Funktion vom Grad n definiert. Statt ganzrationaler Funktion sagt man auch Polynom. Definitionsmenge und Zielmenge ist (R. Die Wertemenge ist, falls der Grad n ungerade ist, ebenfalls IR; ist dagegen n gerade und n 5: 2, so ist die Wertemenge ein Intervall des Typs {x\x^a} oder {x|x 2 a}. Diese Behauptung beweisen wir hier nicht; sie ergibt sich aus den Sätzen des Abschnitts 7.3 (vgl. auch Aufg. 11, S. 86). Die Definition des Grades einer ganzrationalen Funktion bedarf einer Rechtfertigung; denn es kann zunächst nicht ausgeschlossen werden, daß durch zwei verschiedene „Koeffizientensysteme" dieselbe Funktion festgelegt wird. Tatsächlich kann dies nicht geschehen. Zum Beweis bilden wir die Differenz zweier Darstellungen und haben dann zu zeigen, daß eine ganzrationale Funktion / nur dann für alle x e IR den Wert 0 annehmen kann, wenn alle Koeffizienten gleich 0 sind. Für 0 schreiben wir /(x) in der Form "
x"J
und schätzen |/(x)| für „große x" nach unten ab; für x >0 gilt (vgl. Aufgabe 10 von S.33)
für x ^ l folgt weiter
66
2 Funktionen
Wählt man nun ein
so groß, daß
k n - l l + kn-ll + · · - + |Cpl ^ l,
-
=
c
|
gilt (warum ist dies möglich?), so ergibt sich
!/(*)! £i|cj>o. Wenn also c„ 0 ist, kann f ( x ) = 0 nicht für alle
e (R richtig sein.
Damit ist bewiesen: Zwei ganzrationale Funktionen sind genau dann gleich, wenn ihre Koeffizientensysteme übereinstimmen. Aufgabe: Die Zahl der Nullstellen einer ganzrationalen Funktion / ist höchstens gleich dem Grad n von /. (Ob überhaupt Nullstellen vorhanden sind, bleibt offen.) Anleitung: Ist a eine Nullstelle von /, so gibt es eine ganzrationale Funktion g vom Grad n — l derart, daß f(x) = (x — a ) · g(x) für alle IR gilt. Summe und Produkt zweier ganzrationaler Funktionen sind wieder ganzrationale Funktionen. Es gilt Grad (/ · g) = Grad / + Grad g. Die ganzrationalen Funktionen, deren Grad höchstens gleich l ist, bezeichnen wir als affine Funktionen:
Zu ihnen gehören auch die auf [R konstanten Funktionen, insbesondere die Nullfunktion i—> 0 (man beachte, daß für die Nullfunktion der Grad nicht erklärt ist, im Gegensatz zu den anderen konstanten Funktionen, die alle den Grad 0 besitzen).
Rationale Funktionen
Sind g und h ganzrationale Funktionen und ist M die Menge der Nullstellen von h, so wird durch
/(*) =
*(*) h(x)
eine Funktion / mit der Definitionsmenge D = (R\M erklärt. / heißt (gebrochen) rationale Funktion.
2.3 Beispiele für reelle Funktionen
67
Eine rationale Funktion kann auf ihrer Definitionsmenge mit einer ganzrationalen Funktion übereinstimmen, wenn nämlich h „Teiler" von g ist. Beispielsweise gilt für e iR\{ — l, l}: l - x4~ l-
2.
— lti _(_ V
—
Die Funktionen x i—> l + x2
für x e (R
und l-x4
für j c e l R \ { - l , 1}
sind aber wegen der Verschiedenheit ihrer Definitionsmengen zu unterscheiden. Dagegen ist die ganzrationale Funktion
x i—> l — x2
für x e [R
gleich der (scheinbar gebrochen) rationalen Funktion l -x 4 x i—> 2=-
l +x
für x e (R. y
Wenn Grad g ^ Grad h gilt, dann kann man — in der Form p -\— schreiben; h h dabei sind p und r ganzrationale Funktionen mit Grad p — Grad g — Grad und Grad r < Grad h. In der Praxis bestimmt man p und r mit dem „Divisionsalgorithmus". Beispiel:
*(*) = *(*) · /»(*) + r(jc) 2 2 3 3 2 2 (x -x + x -x + x -1) = (x +x + x + 1) · (x -2x + 2) + (-2x +x-3) x5 + x4 + x3 + x2 5
4
-2x4-2x3-2x2-2x 2x3
-2x2+ x-3 Daß dieses Verfahren bei jedem g und h zum gewünschten Ziel führt, erkennt man daran, daß bei jedem Schritt sich auf der linken Seite der Grad um mindestens l erniedrigt.
68
2 Funktionen
Treppenfunktionen
Die Funktion / sei auf dem abgeschlossenen Intervall [a, b\ erklärt. Eine Einteilung von [_a, b\ wird gegeben durch endlich viele „Teilpunkte" dieses Intervalls und wird beschrieben durch Ö
V *£ mit den genannten Eigenschaften. Dann konstruieren wir /fc + , als Fortsetzung von fk wie folgt \fk(x) für = 0,1, 2 , . . . , A: + ( }
]
Fk(fk(k))
Diese Funktion fk + i erfüllt die Bedingung (1) und die Bedingung (2) für dies von fk gilt und außerdem der Wert fk +i (k + 1) entsprechend festgesetzt ist. Die gesuchte Folge / erhalten wir nun durch die Festsetzung
/c, weil
für n = 0 für n ^ l.
Wir haben zu zeigen, daß die so definierte Folge / die Bedingungen (1) und (2) erfüllt. Das ist klar für (l). Zum Beweis von (2) rechnen wir nach: f(n + 1) =f
(n + 1) = F (f (n)) = F (/(«)),
d.h. die Folge / erfüllt auch die Bedingung (2). In dem Beispiel einer rekursiv definierten Folge von S. 71 sind die Funktionen F„ alle gleich:
Für die Definition der Summe bzw. des Produkts von n Zahlen n _ l hat man zu wählen:
p (x) — -\- an
bzw
F (x) =
·a .
In die Produktdefinition ordnen sich z.B. auch die Definitionen von a" bzw. von n\ ein. Man kann aber auch unmittelbar (sogar für n ^ 0) rekursiv definieren: (1) (2) bzw.
/(n+l)=fl-/(n)
(1) (2)
/(O) = < /(» + !) = (»+!)·/(«)
für/(«)= [χ] ist monoton wachsend, aber nicht streng monoton wachsend. Monoton wachsende bzw. monoton fallende Funktionen brauchen also nicht injektiv zu sein, wie das letzte Beispiel zeigt. Eine hinreichende Bedingung f r die Injektivit t erh lt man aber mit der strengen Monotonie: Satz:
Ist f streng monoton, so ist f injektiv und die Umkehrfunktion f ist ebenfalls streng monoton.
1
Beweis: Sei / etwa streng monoton wachsend. Gilt x t φ χ 2 > s° mu weder x^ | | dehnungsbeschränkt mit c — l ,
Aufgabe: Man zeige, daß alle affinen Funktionen dehnungsbeschränkt sind. (Dehnungsbeschränkte Funktionen brauchen also nicht beschränkt zu sein.) Die Funktion hat
\
—> " ist im Intervall | | 5 a dehnungsbeschränkt, denn man 1
- " \ = \ 2- \·\ -
·
+
~
1
2~2 + ··· + *"'1! ~2
"1
2.4 Eigenschaften reeller Funktionen
81
Wegen | Xj | ^ a und | x2 \ ^ a folgt hieraus: „ -. ^ .. _n — l . lX- , _ „ l 1*2 ~~ X l l = na \ 2 \·
Satz:
Sind f und g in D erklärt und dehnungsbeschränkt, so gilt dies auch von —>/( ) + g (x) und von —> · f ( x ) .
Beweis: Nach Voraussetzung gibt es positive Zahlen c und d derart, daß für alle x,, x2 e D gilt:
Hieraus folgt:
Der Beweis für die Dehnungsbeschränktheit von x\-+a-f(x) sei dem Leser überlassen. Ganzrationale Funktionen sind also in jedem Intervall |x|^a (und damit auch in jedem Intervall [a, 6]) dehnungsbeschränkt, da dasselbe von den Potenzfunktionen x\—*x" gilt. Daß eine Funktion / nicht dehnungsbeschränkt ist, bedeutet nach der Definition von S. 80: Zu jeder Zahl c >0 gibt es Stellen x t , x2 e D derart, daß gilt.
Beispielsweise ist
—»·
2
in D = (R nicht dehnungsbeschränkt, denn man hat
Zu jedem c >0 kann man aber x1, x2 e (R so finden, daß \x2 + x\ \ >c gilt. Aufgabe: Man zeige, daß alle ganzrationalen Funktionen, deren Grad mindestens 2 ist, nicht dehnungsbeschränkt sind. Aufgabe: Alle nichtkonstanten Treppenfunktionen sind nicht dehnungsbeschränkt. Wenn eine Funktion / in einem Intervall [a, 6] (oder in einer beschränkten
82
2 Funktionen
Menge D) dehnungsbeschränkt ist, dann ist sie auch beschränkt. Aus \f(x)-f(a)\£c-\x-a\Zc-(b-a) folgt ja die Ungleichung f(ä) - c(b - ä) Zf(x) g/(fl) + c(b - a). Eine wichtige Eigenschaft der dehnungsbeschränkten Funktionen (allgemeiner der stetigen Funktionen, vgl. S. 234), die in Intervallen definiert sind, ist die „Zwischen Werteigenschaft". Satz:
Es sei f : [a, b~\ —·* IR dehnungsbeschränkt. Dann nimmt f jeden Wert zwischen f (a) undf(b) an. (Zwischenwertsatz für dehnungsbeschränkte Funktionen.)
Beweis: Wir nehmen an, daß /(a) y. Für alle h > 0 gilt (soweit
83
— h zu [a, b] gehört):
Wäre nun /(x) — y > 0, so würde für alle h ^ 0 mit
c
y
und
x-h>a
gelten: f(x - ) £ /(x) - c · > /( ) - (/( ) -?)=?. Für alle diese h würde — h also nicht zu My gehören, wäre also nicht die kleinste obere Schranke von My. Die Annahme f ( x ) >y hat also ebenfalls zu einem Widerspruch geführt. Folgerung: Eine streng monoton wachsende und dehnungsbeschränkte Funktion f : [a, b~\ —> IR bildet das Intervall [a, b] bijektiv auf das Intervall [f(a), /(£)] ab. In Anwendung der bewiesenen Ergebnisse führen wir für n ^ 2 die Wurzelfunktion
als Umkehrfunktion der auf IRo eingeschränkten Potenzfunktion "
OelR 0 + )
ein. Hierzu bestimmen wir zunächst die Wertemenge dieser Potenzfunktion. Da x H-> x" auf dem Intervall [0, b~\ streng monoton wachsend und dehnungsbeschränkt ist, enthält die Wertemenge das Intervall [0, bn~\. Dies gilt für jedes b >0, d.h. aber daß jede Zahl y aus IR0+ in der Wertemenge vorkommt, da b so groß gewählt werden kann, daß y < b" gilt. Die Funktion
hat also die Wertemenge IRo". Wegen der strengen Monotonie existiert ihre Umkehrfunktion; diese besitzt somit IRo als Definitionsmenge. Die Umkehrfunktion von —>x" (xe [R o") wird auch mit
bezeichnet.
84
2 Funktionen
Die zweite Schreibweise deutet schon an, daß man die Wurzelfunktionen auch als Potenzfunktionen mit gebrochenen Exponenten auffassen kann. Um allgemein die Potenzfunktionen mit rationalen Exponenten in (R+ zu erklären, bieten sich die beiden Möglichkeiten an: , ·. X" ~ \Xm)~" .
\ *
Tatsächlich sind beide Definitionen äquivalent, denn es gilt
Zum Beweis verwenden wir, daß die Gleichung
(ynr=(ymr l
-\n
für natürliche Zahlen m und n gilt. Da nach Definition ( »
=
ist, folgt
i)f -Mr)". Hieraus ergibt sich nach Definition der -ten Wurzel:
m p — SA u f g a b e : Man beweise, daß für — — — gilt: x" = x? . n q Damit ist xr für nichtnegatives rationales r erklärt. Für negatives rationales r setzt man fest: ^••=-^7
(X > 0) -
Dann gelten für beliebiges r,seQ die gewohnten Rechenregeln: '.^ = ^ + xr-yr = (x-yY
(x>Q,y> 0)
(Beweis als Aufgabe !) Für nichtrationales r werden wir ^ nach Einführung der Logarithmus- und Exponentialfunktionen erklären (vgl. S. 1 36).
2.4 Eigenschaften reeller Funktionen
85
Aufgaben
l . Man zeige, daß die rekursiv definierte Folge (/„)
f -—-i4 /o streng monoton wachsend und nach oben beschränkt ist. 2. Die Funktionen / und g seien beide nach oben beschränkt. Dann ist auch die Funktion h mit h(x)=f(x) + g(x) nach oben beschränkt. Sind F, G bzw. H die Wertemengen von /, g bzw. h, so gilt ^ supF+ sup G. Man belege durch ein Beispiel, daß sup H < sup F + sup G
gelten kann. 3. Ist / beschränkt, so ist auch f°g für jedes g, für das die Verkettung möglich ist, beschränkt. Sind / und g streng monoton wachsend, so gilt dies auch von g ° f , sofern die Verkettung erklärt ist. 4. Man zeige, daß die Wurzelfunktion —»· J/GT ( e IRo") streng monoton wachsend ist. 5. Man prüfe, welche der folgenden Funktionen dehnungsbeschränkt sind: (1)
f(x)=-J^ 2 l+x
für
e (R
(2)
f ( x ) = yx
fürjce(R 0 +
(3)
/(*) = —
fürxe(R +.
Man gebe passende Intervalle an, in denen die zugehörigen Restriktionen dehnungsbeschränkt sind. 6. Die Funktion / sei in den Intervallen
, — jeweils affin und es sei
/ ( — ) = 0 für gerades k sowie / f — l = l für ungerades k. Setzt man \kj \kj /(O) = 0, so ist/in [0, 1] erklärt. Ist / dehnungsbeschränkt? Gibt es Teilintervalle, in denen / dehnungsbeschränkt ist?
86
2 Funktionen
7. Sind / und g beide dehnungsbeschränkt und ist die Verkettung g°f möglich, so ist g°/ dehnungsbeschränkt. 8. Gibt es zu einer Funktion / eine Zahl c' > 0 derart, daß für alle \1,x2eD gilt so ist / umkehrbar und die Umkehrfunktion ist dehnungsbeschränkt. Ist / außerdem dehnungsbeschränkt und D ein Intervall, so ist / streng monoton. 9. Man untersuche (für beliebiges rationales r) die Funktion \—> x' (x e [R +) auf Beschränktheit, Monotonie, strenge Monotonie und Dehnungsbeschränktheit. Man gebe Intervalle an, so daß die entsprechende Restriktion alle diese Eigenschaften besitzt. 10. Ist / in [a, b~\ dehnungsbeschränkt und gilt f ( ä ) - f ( b ) [ eine Nullstelle. 1 1 . Jede ganzrationale Funktion ungeraden Grades hat die Wertemenge IR . 12. Die Funktion / sei in einem Intervall definiert und erfülle die Bedingung
\f(x2)-f(xi)\^c-\x2-x1\r mit rationalem r > l . Dann ist / eine konstante Funktion. Zum Beweis unterteile man das Intervall mit den Endpunkten xv und x2 äquidistant. 13. Es sei D eine beliebige nichtleere Teilmenge von IR. Durch
wird eine Funktion /: [R —> IR^ erklärt. Man zeige, daß / dehnungsbeschränkt ist. Kann / außer den Punkten von D noch andere Nullstellen haben? 14. Die Funktion /: D —> [R sei dehnungsbeschränkt mit der Dehnungsschranke c. Man zeige, daß durch F(x) = inf {z\z =f(y) + c\x - y\, y e D}
eine dehnungs beschränkte Fortsetzung von / erklärt wird, die auf ganz IR definiert ist und dieselbe Dehnungsschranke c wie / besitzt.
2.5 Vektorräume reeller Funktionen
Sind / und g reellwertige Funktionen mit derselben Definitionsmenge D, so definiert man die Funktion / + g durch die Festsetzung (f +g)(x) :=f(x) +g(x)
für
e D.
2.5 Vektorräume reeller Funktionen
87
Damit ist in der Menge ^(D) aller reell wertigen Funktionen mit der Definitionsmenge D eine Verknüpfung „ + " erklärt. 5(£>) mit dieser Verknüpfung ist eine kommutative Gruppe. Das „Nullelement" ist die konstante Abbildung x\—»0
fürxeD,
die wir kurz mit 0 bezeichnen. Weiter gibt es zu / eine Abbildung ( —f), die durch
H-»· —f(x)
für
eD
erklärt ist, so daß gilt: / + (-/) = 0. Ist a eine reelle Zahl und fe 3(i>), so definiert man das Produkt af von a und / durch (af)(x) = a · f(x)
für
e D.
af ist ein Element von ^(D). Für diese Multiplikation gelten die Regeln:
1) 2) 3)
(a + b)f = af + bf a(f + g) = af + ag a(bf) = (a-b)f
4)
!/ = /.
Zusammenfassend sagt man: ^(D) ist einVektorraum über [R. (Zu den auftretenden Begriffen der „Linearen Algebra" vergleiche man zum Beispiel H.J.Kowalsky, Lineare Algebra.) In der Analysis beschäftigt man sich nicht so sehr mit dem Vektorraum aller in D erklärten reellen Funktionen, sondern vielmehr mit bestimmten Untervektorräu-men von g (D), von denen wir einige in den folgenden Beispielen beschreiben werden. Die Sonderfälle D = IKI, D = [a, b~\, D = (R sind auch hier besonders wichtig. 1) Die Menge aller beschränkten Funktionen
ist ein Untervektorraum von 'S (D). Zum Beweis zeigen wir, daß mit /, g auch / + g sowie mit e [R auch af beschränkte Funktionen sind. Aus |/(jc) \£b
und
\g(x)\£c
für alle xeD
88
2 Funktionen
folgt nämlich K/ + *)WI = L/W +*WI ^ l/W l + I*WI ^ * + c sowie = e= 0 < f l · *
für alle x e D , f ü r alle xeD.
Für D = erhält man die Aussage: Der Vektorraum 5(^) aner Zahlenfolgen enthält als Untervektorraum die Menge aller beschränkten Zahlenfolgen. 2) Die Summe zweier monoton wachsender Funktionen /, g ist ebenfalls monoton wachsend. Die Funktion ( —f) ist dagegen monoton fallend, falls / monoton wachsend ist. Deshalb ist die Menge der monoton wachsenden Funktionen (mit fester Definitionsmenge D) kein Vektorraum. Wohl aber gelangt man zu einem Vektorraum, wenn man die Funktionen / betrachtet, die Differenz zweier monoton wachsender Funktionen g, h sind: f = g-h. Der Beweis, daß af auch diese Eigenschaft hat, ergibt sich aus der Fallunterscheidung a 2: 0 bzw. a < 0. Weiter folgt aus /i = gi — AI, = g 2 — A 2 :
Für den Fall, daß D ein abgeschlossenes Intervall [a, b] ist, nennt man die Elemente dieses Vektorraums auch „Funktionen endlicher Variation". Der Grund für diese Bezeichnung wird in Kap. 12 erörtert werden (vgl. S. 478). 3) Auf S. 81 haben wir gezeigt, daß mit / und g auch die Funktionen f + g und a-f dehnungsbeschränkt sind. Die Menge aller in D dehnungsbeschränkten Funktionen ist also ein Untervektorraum von 'S (D). 4) Die Menge aller ganzrationalen Funktionen ist ein Untervektorraum von ), denn mit m
x^ £ akxk
sind auch die Summe ak - 0 für k>m , „ „.. , bk = 0 für k >n
2.5 Vektorräume reeller Funktionen
89
sowie das Produkt mit a e (R m
m
a
x^a
k
aa x0 gegeben. Die Bedingung
< ist äquivalent mit l n>—.
Wir wählen deshalb n0 als kleinste dieser natürlichen Zahlen und haben dann für n^.n0:
^ —i < —i ^ n nQ
,
, also
i < . -jri= yn
3.2 Beispiele
101
3) Sei q e [R. Dann gilt für \q\ l:
(q") ist divergent (q"} ist divergent
n
n
Beweis: Wir beschäftigen uns mit dem Fall \q\ < 1. Da für q = Q die Behauptung richtig ist, können wir 0 < \q\ < l annehmen. Ob es zu vorgegebenem > 0 überhaupt natürliche Zahlen n gibt, für die
gilt, ist nicht unmittelbar zu sehen. Doch führt der Ansatz
kT = 1+/z zusammen mit der Bernoullischen Ungleichung zu folgender Abschätzung: —- = (l + h)n ^ l + nh > n · h = n · 101"
lgl
,
101
d.h.
101
i
\q\n< \-\q\ n Nun gibt es natürliche Zahlen n, für die ——— · — < und damit auch 1-101 n \q\" < gilt. Die kleinste Zahl dieser nichtleeren Menge von natürlichen Zahlen wählen wir als n0. Dann gilt für alle n ^ n0:
Aufgabe: Man beweise die Behauptungen für q = l, q = — l und \q\ > l . 4) Sei \q\ < l und p e N. Dann gilt lim npq" = 0. n
Beweis: Wir führen den Beweis für p = 2 vor und überlassen den allgemeinen Fall dem Leser. Aus der binomischen Formel folgt für h > 0 und n ^ 3 die
102
3 Konvergente Folgen
Abschätzung (!+*)"-
" 'n\.. in' 3 . }ti> JA . j=o \J J \J/
Wir setzen nun l + h — — und haben also
M
1 6n2 l 2 , ,. ' —T. n 'm M < n(n- l)(/i- 2) A 3 Da für n ^ 4 die Ungleichung
(«—!)(« — 2 )
0 ein geeignetes n0 bestimmen.
5) Sei a >0. Dann gilt lim ]/a = l n
(Was gilt für a = 0?) Beweis: Sei zunächst a^ 1. Wir zeigen mit Hilfe der Bernoullischen Ungleichung, daß die Folge (g„) mit
eine Nullfolge ist. Es gilt einerseits 0 ^ g„ und andererseits also
a = (l+gn)"^l+ng„
. a-1 ""- n
Daraus folgt für ^ l die Behauptung. Den Fall 0 < a < l führt man auf den soeben bewiesenen zurück. Dazu verwendet man am einfachsten eine der Regeln über das Rechnen mit konvergenten Folgen, die wir im nächsten Abschnitt herleiten werden. Wir stellen deshalb den Beweis bis dahin zurück.
3.2 Beispiele
103
6) Es gilt n /—
lim yn = l. n
Beweis: Wir betrachten die Folge (g„) mit
Da 0 g g„ für alle n gilt, ergibt sich aus der binomischen Formel
also für n ^ 2 g^i
oder
0^gn
7) Es gilt für jedes reelle a
lim ^ = 0.
«
Beweis: Für genügend großes m wird der Bruch — kleiner als — ; wir wählen m 1 deshalb eine natürliche Zahl· k > 2a und erhalten dann für n > k:
"~ k
2fl
*
Da Ä: eine feste (zu a gehörige) natürliche Zahl ist, folgt die Behauptung. 8) Es gilt «0 ist divergent. Beweis: Wir zeigen, daß sich aus der Annahme, (|// ) sei beschränkt, ein Widerspruch ergibt. Wenn es ein a > 0 gäbe, so daß für alle n
gelten würde, so hätte man: —>l n\ ~
für alle n.
104
3 Konvergente Folgen
"\
Die Folge — ist aber, wie wir gesehen haben, eine Nullfolge. \n\) Aufgabe: Man zeige, daß gilt l lim -ir= " ]/n\ Aufgaben
1. Man untersuche, ob (/„) konvergiert oder divergiert und bestimme gegebenenfalls den Grenzwert für (a) (b) (c)
2. Für die nachgenannten Nullfolgen bestimme man zu vorgegebenem > 0 jeweils ein passendes n0 derart, daß |/„ | < für n^.n0 gilt. (Dabei ist es nicht nötig, «0 möglichst klein zu wählen, vielmehr schätze man die /„ durch möglichst einfache Ausdrücke grob ab!)
f _
n2 +n+ l n3 +n2 +n + l
l
(b)
/„ =
(c)
/„ =
(d)
p fm=li/ + A -\ -l
(peN)
3. Man untersuche die Folgen auf Konvergenz und berechne gegebenenfalls den Grenzwert: (a)
/„ =
(b)
fn=Vnk
&^V
^ f"= —2 · 4 · 6y—\—· · . . . · 2n
3.2 Beispiele
105
4. Für die Folge (/„) gelte: \imfn=a2
und
lim (/„ + 1 -/„) = 0.
Konvergiert die Folge? 5. Es sei s eine beliebige reelle Zahl und \q\ < 1. Dann ist (/„) mit 4s-l)...(j-n+l) q " n\ eine Nullfolge. Weiter ist auch (g„) mit J
gn=nP-fn
(P 6 fNl 0 )
eine Nullfolge. ..·* K~, 6. (/„) sei eine Folge positiver reeller Zahlen mit lim
n
Jn + l
f Jn
= a.
Man zeige: (a) Ist a < l, so ist (/„) konvergent. Man bestimme den Grenzwert. (b) Ist a > l, so ist (/„) divergent. (c) Im Falle a = l kann die Folge (/„) konvergent oder divergent sein. Man gebe für beide Fälle ein Beispiel an. 7. Die Folge (/„) sei rekursiv definiert durch
fo=a, A=b, f„+2=fn
+ 1+f„
für/j^O.
Für welche a, b konvergiert diese Folge? Welchen Grenzwert hat sie in diesem Fall? 8. Es sei (a„) eine konvergente Folge mit dem Grenzwert a. Wenn alle a„ und a zur Definitionsmenge einer dehnungsbeschränkten Funktion / gehören, dann gilt
Anwendung: Aus lim a„ = a >0 folgt n
lim ar„ = ar n
für beliebiges rationales r. Für welche r gilt dies auch im Fall a = 0? 9. Für die Folge (/„) gelte
/„>0
und "
fn
106
3 Konvergente Folgen
Dann ist die Folge (yf„) konvergent und es gilt
lim
3.3 Rechenregeln für konvergente Zahlenfolgen Wir leiten nun einige Sätze her, die für Konvergenzuntersuchungen und die Bestimmung von Grenzwerten nützlich sind. Satz: Es sei c e [R und es gelte lim /„ = a und lim g„ = b. n
n
Dann sind die Folgen (/„ + g„) und (cf„) konvergent und es gilt lim(fn+gn) = a + b n
lim cf„ = ca n
Beweis: Sei >0 vorgegeben. Da (/„) und (g„) konvergent sind, gibt es zu g
— > 0 jeweils eine natürliche Zahl n0 und eine natürliche Zahl ra0, so daß gilt:
/·- | 0 und ^^- < l für alle n, so konvergiert (/„).
f
Jn
5. Die Folge (/„) habe nur positive Werte und es gebe eine Zahl q mit 0 < q < l derart, daß für alle n gilt
Dann ist (/„) eine Nullfolge. 6. Man berechne folgende Grenzwerte: ... (1)
(2) (3)
,. 1-2 + 3 - 4 + . . . -2n hm
n
l i m ( 42r + i— + . . . + _LJ\ « U (n + i)2 (In)2)
7. Für welche a e (R konvergiert die Folge (/„), falls /72" _
l
(D
/.»^|
(2)
/„ =
(3)
/„ = «w · (a - [ ] H- #·
Wenn möglich, bestimme man die Grenzwerte.
3.4 Konvergenzkriterien
In der Konvergenzdefinition ist festgelegt, wann eine Folge (/„) konvergent mit dem Grenzwert a genannt werden soll. Oftmals ist es jedoch so, daß man die Zahl a nicht kennt. Die Fragestellung lautet dann: Existiert ein e [R, so daß die in der Definition formulierte Bedingung erfüllt ist? Ist diese Frage positiv entschieden, so kann die Folge (/„) zur näherungsweisen numerischen Berech-
3.4 Konvergenzkriterien
113
nung von a dienen. So werden wir z. B. die Zahl e mit Hilfe von Folgen einführen und Näherungswerte für e ermitteln. Monotone beschränkte Folgen Zuerst werden wir uns mit den monotonen beschränkten Folgen beschäftigen; bei ihnen ergibt sich die Konvergenz unmittelbar aus dem Vollständigkeitsaxiom. Als Anwendung folgt der Satz von der Intervallschachtelung. Wir hatten in 3.1. schon festgestellt, daß jede konvergente Folge beschränkt ist. Für monotone Folgen gilt auch die Umkehrung. Satz:
Ist (/„) monoton wachsend und nach oben beschränkt, so ist (/„) konvergent.
Beweis: Als Grenzwert a kommt in diesem Fall nur das Supremum der Wertemenge der Folge (/„) in Frage. Ist nun > 0 vorgegeben, so gibt es nach dem Satz von S. 38 ein Element /„0 der Wertemenge, so daß gilt
Für alle n ^ «0 gilt wegen der Monotonie der Folge f„0^f„^a,
also auch
so daß (/„) konvergent mit dem Grenzwert a ist. Entsprechend gilt: Ist (/„) monoton fallend und nach unten beschränkt, so ist (/„) konvergent. Für monotone Folgen erhält man somit die Aussage: Eine monotone Folge ist dann und nur dann konvergent, wenn sie beschränkt ist. Wir können nun den letzten Schritt in der Konvergenzuntersuchung für die rekursiv definierte Folge aus Beispiel 7) von S. 92 tun, indem wir zeigen, daß die Folge (/„) von n = 2 ab monoton fallend ist. Auf S. 109 hatten wir schon bewiesen, daß J/ untere Schranke der Folge ist (wenn man /j = b außer Betracht läßt). Aus f„ ^ ]/~ä ergibt sich aber
"j-Sf.
Jn In
und damit
114
3 Konvergente Folgen
Die Folge (/„) ist also monoton fallend. Da (/„) beschränkt ist, existiert lim/ n und nach S. 1 10 gilt lim/. = I/o". n
n
'
Das Rekursionsschema ist zur numerischen Berechnung von Quadratwurzeln gut geeignet; der Leser erprobe es für |/2~! Eine unmittelbare Anwendung des Satzes, daß eine monotone beschränkte Folge konvergent ist, ist der Satz über die Intervallschachtelung: Satz:
Es sei (J„~) eine Folge ineinanderliegender Intervalle J„ = [a„, b„], d.h. es gelte
Ist (b„ — a„) eine Nullfolge, so gibt es genau einen Punkt a, der in allen Intervallen der Folge liegt.
Beweis: Nach Voraussetzung gilt a„^am^bm^ b„
für alle n, m mit n^m.
Die Folge (a„) ist monoton wachsend und nach oben (z.B. durch b0) beschränkt; die Folge (b„) ist monoton fallend und nach unten (z.B. durch a0) beschränkt. Beide Folgen konvergieren somit und es gilt lim a„ ^ Iim6„. Da nach Voraussetzung lim(&„ — a„) = 0 gilt, konvergieren also beide Folgen gen
gen denselben Grenzwert a. Aus der Monotonie der Folgen (a„) und (b„) ergibt sich an^a^b„ für alle n, d.h. a liegt in allen Intervallen /„. a ist aber auch der einzige Punkt, der in allen Intervallen liegt. (Beweis als Aufgabe) Die Zahl e Bei der Untersuchung von Wachstumsvorgängen wird man auf die Folge
/
iV
- )
geführt. Dazu geht man etwa von einem Anfangskapital l aus und nimmt an, daß es sich in der Zeiteinheit verdoppelt („Zinssatz 100%"). Wird der Zins bereits nach — , — , — , . . . , — , . . . der Zeiteinheit zugeschlagen, so ergibt sich 2 3 4 n
3.4 Konvergenzkriterien
115
nach Ablauf der Zeiteinheit als Endkapital 4 \2
Bei Wachstumsvorg ngen hat man sich die Zahl n sehr gro vorzustellen; die mathematische Idealisierung f hrt auf die Betrachtung des Grenzwertes dieser Folge. Satz:
Die Folge (/„) mit
i lV /„ = (!+-)
O.SD
ist monoton wachsend und es gilt
Der Grenzwert von (/„) wird mit e bezeichnet. Beweis: (/„) ist monoton wachsend, denn es gilt f r n ^2 /„
Λι + ΐ γ / ι ι - l V - 1
/«2-Λη. η n2 J i i - l
Λ l
l Υ. η n2! n-i
Nach der Bernoullischen Ungleichung folgt nun -' i _ ^ j _^_ = i. nj n-i
f*
Somit ist /„ ^ /„ -1. Die Beschr nktheit ergibt sich mit Hilfe der binomischen Formel; zun chst erh lt man die Gleichung
M l "/
\ Kifl-/nnk k^ = 0\
^ \\Ifl K k=l ·/
«*"' n
Da nun f r k 2: 2 die Absch tzung l nk
gilt, erh lt man
l k\
η·η· ... -n
(2) l + ^ expx
für alle x, y e IR für alle e IR
(3) expx rg
für alle
l —x
< l
134
4 Logarithmusfunktion und Exponentialfunktion
(4) exp ist streng monoton wachsend (5) Die Wertemenge von exp ist [R 4 (6) exp ist ein Isomorphismus der additiven Gruppe ([R, + ) auf die multiplikative Gruppe ([R 4 , ·).
B e m e r k u n g : Die Funktion In ist - wie wir bewiesen haben - durch die Funktionalgleichung f(xy)=f(x)+f(y) und die Ungleichung f(x)^x—i eindeutig festgelegt. Entsprechend ist die Funktion exp durch die Funktionalgleichung (1) und die Ungleichung (2) gekennzeichnet. Beweis: Mit w = expx und v — e\py folgt aus Inw v = \nu + lnv die Gleichung ln(expx · exp>>) = χ + y, also durch Einsetzen dieser Zahl in die Funktion exp die Behauptung (1). Zu (2): Aus u = exp χ und In M rg u — l ergibt sich l + χ ^ expjc. Zu (3): Aus l - χ fS exp(-x) = -
l folgt f r l - x > 0 : expx
l l -x exp χ
4.2 Exponentialfunktionen
135
Zu (4): Da In streng monoton wachsend ist, gilt dies auch von der Umkehrfunktion exp. Zu (5): Die Wertemenge von exp ist die Definitionsmenge von In, also IR 4 . Die Behauptung (6) schließlich ergibt sich aus (1), (4) und (5). Aufgabe: Man beweise die folgenden Ungleichungen: (1 +A)expx^exp(x + A) ^
l—A
v— (y - x) · expx 5 expj - expx rg —
expx
· expx
(xe (R, A < 1) (x, y e (R, y -
< 1)
Man folgere hieraus, daß exp in jedem Intervall {x | x ^ a] dehnungsbeschränkt ist. Für rationales r gilt die Beziehung lnxr = r-lnx; ihr steht gegenüber (Beweis als Aufgabe): exprx = (expx)r. Setzt man x = l, so folgt exp r = (exp l )r
für r e Q.
Damit ist die Bezeichnung „Exponentialfunktion" für exp gerechtfertigt, soweit die Argumente rational sind; für irrationale Argumente x wird dagegen (exp 1)* durch expx erst definiert. Es bleibt nun noch die Aufgabe, die Zahl exp l näher zu kennzeichnen. Wir zeigen, daß exp l = e gilt. Aus der Ungleichung
l
- -\
i -i
für den natürlichen Logarithmus ergibt sich folgende Ungleichung für die e-Funktion: Y\" l +n/ (, xY
136
4 Logarithmusfunktion und Exponentialfunktion
sofern n ^ \x\ ist. Speziell für ; = l erhält man: 1
„,
/
-
V
n)
Da sowohl die links wie auch die rechts stehende Folge gegen e konvergiert (vgl. S. 115 und Aufg.7) von S. 122), folgt die Behauptung. Für rationales je gilt also exp* = ex; es ist üblich, auch für irrationales x die Potenzschreibweise zu verwenden. Wir können nun auch für beliebiges b> 0 und beliebiges x e (R die Potenz bx erklären. Für rationales x = — ist bx schon festgelegt (vgl. S. 84). Unter Verwendung der eingeführten Funktionen In und exp erhält man — im \ b" = exp —\nb . \n )
Deshalb definiert man für beliebiges x e [R:
Aus dieser Definition und den Funktionalgleichungen für In und exp folgen die Rechenregeln (a > 0, b > 0, x, y e (R): (a · b)x = ax-bx
A u f g a b e : Man führe die Beweise für diese Rechenregeln aus. Die Funktion
i-> bx
(x e (R)
heißt Exponentialfunktion zur Basis b. Die Basis b — i ist nicht interessant; für 0 < b < l ist die Exponentialfunktion zur Basis b wegen \nb i wegen Inö >0 streng monoton wachsend. Die Wertemenge ist in beiden Fällen [R + .
4.2 Exponentialfunktionen
137
Falls b l ist, existiert die Umkehrfunktion von zur Basis b genannt und mit —>log fc .x
—»· bx, sie wird Logarithmus
(xe(R4)
bezeichnet. Mit dem natürlichen Logarithmus besteht der Zusammenhang
\nx
--, Inb denn aus
= by = exp(j · In b) folgt: Inx = y · Inb = \ogbxlnb.
Aufgaben l . Die beiden reellen Zahlen #, b seien fest vorgegeben und nicht beide gleich l . Man bestimme alle in IR 4 definierten Funktionen /, die die Funktionalgleichung f(Xl · xz) = a f ( X l ) + bf(x2)
(Xl, x2 e R + )
erfüllen. 2. Man zeige, daß es bei vorgegebenem a > 0 genau eine in (R 4 definierte Funktion / gibt, die den beiden Bedingungen
(I)
f(xi-x2)=f(xi)+f(x2)
genügt. Welcher Zusammenhang besteht zwischen / und In? 3. Man zeige, daß für In in jedem Intervall 0 < :g b die Abschätzung
o
besteht und folgere, daß exp in jedem nach oben beschränkten Intervall dehnungsbeschränkt ist (vgl. Aufg. 8 von S. 86). 4. Durch die Definition der allgemeinen Exponentialfunktion (vgl. S. 136) sind auch die Potenzfunktionen mit beliebigen reellen Exponenten s mit erfaßt: Xs ·— exp (s- Inx)
(xelR4)
138
4 Logarithmusfunktion und Exponentialfunktion
Man untersuche diese Funktionen auf Monotonie und Dehnungsbeschr nktheit. 5. Man bestimme folgende Grenzwerte:
(1)
lim
(2)
lim — In« " n \ima„ · \na„
(3)
In«
falls lim a„ = 0
n
n
(4)
lim «*·ίΤ π
(5)
limΠ (n + k) " n Vk=i
(jelR)
6. Es sei 5 > 0 und 0 < χ < —. Dann gilt die Ungleichung i3
. esx - l s< < χ l —sx
Hieraus folgere man, da
(,-iY-, »/
.. v lim
In
/
V
1-
A
=s
«
und lim« ( l - (l - -Y ) = s n
V
V
«//
gilt. 7. Man diskutiere die Funktion
und skizziere ihren Verlauf. 8. Man bestimme alle positiven je, y, die die Gleichung xy=yx erf llen. Welche dieser L sungen sind ganzzahlig?
4.2 Exponentialfunktionen
139
9. Für welche positiven a ist a"' erklärt? (Man präzisiere zuvor die Fragestellung!) 10. Man zeige, daß für jedes jce (R gilt \
lim
» V
l H
l =expx.
n)
Die e-Funktion kann daher auch durch den links stehenden Grenzwert direkt definiert werden. Ohne Verwendung der e-Funktion zeige man, daß
/(x) = lim (l + » V nj für jedes x e IR existiert und daß die so erklärte Funktion / die Eigenschaften der e-Funktion besitzt, die im Satz auf S. 133 aufgezählt sind. (Man vergleiche dazu die Erörterungen zur Einführung von e auf S. 114.) 11. Die „hyperbolischen" Funktionen cosh, sinh, tanh, coth werden definiert durch coshx =
2
ex-e'x smhx = 2 tanhx =
ex-e~x
cothx = —
—
(
0)
(Lies: Cosinushyperbolicus, Sinushyperbolicus, Tangenshyperbolicus, Cotangenshyperbolicus.) Man untersuche diese Funktionen auf Monotonie und Dehnungsbeschränktheit. Weiter beweise man: cosh(x + y) = coshx · coshj + sinhx · sinhy sinh(x + y) = sinhx · coshj + coshx · sinhy cosh2 x — sinh 2 x = l.
140
4 Logarithmusfunktion und Exponentialfunktion
12. Man zeige, daß die Funktionen sinh, tanh und coth umkehrbar sind. Ihre Umkehrfunktionen werden mit Arsinh, Artanh, Arcoth (lies: Areasinushyperbolicus usw.) bezeichnet. Man bestimme deren Definitionsmengen und zeige: Arsinh = In ( : + A * u je = —1 , Artanh 2 l -x A .U l , Arcoth x= — In * + l 2 x-i
13. Für rationales x und c >0 ist cx schon auf S. 84 erklärt worden. Man zeige, daß die so auf Q definierte Funktion auf jeder Menge D = [a, b] n Q dehnungsbeschränkt ist. Nach Aufg. 14 von S. 86 kann die Funktion unter Erhaltung der Dehnungsbeschränktheit auf IR fortgesetzt werden. Man zeige weiter, daß die Funktion
x i—> cx
für x e Q
eine und nur eine Fortsetzung auf IR besitzt, die in jedem abgeschlossenen Intervall dehnungsbeschränkt ist. (Dies ist eine andere Möglichkeit, die Exponentialfunktion xt-^c* zu definieren.)
5 Reihen
Die Summe endlich vieler Zahlen ist aufgrund der Körperaxiome definierbar. In der Analysis und ihren Anwendungen stößt man jedoch häufig auf Probleme, bei denen die „Summe von unendlich vielen Zahlen" zu bilden ist. Selbstverständlich hat das zunächst keinen Sinn. Wir müssen daher für diesen Begriff eine mathematisch einwandfreie Definition geben. Dies geschieht mit Hilfe der Folgen. Dabei ist allerdings die „Reihenfolge" der Summanden wesentlich. Die Ergebnisse über konvergente Folgen lassen sich dann ohne weiteres auf konvergente Reihen übertragen. Wenn die Reihenfolge der Summanden nicht von vornherein vorgegeben ist, tritt die neue Fragestellung auf, wie das Konvergenzverhalten von der Wahl dieser Reihenfolge abhängt. Bei den absolut konvergenten Reihen liegt bei jeder Reihenfolge der Summanden Konvergenz gegen denselben Grenzwert vor. Ein anderer Zugang zu den absolut konvergenten Reihen führt - unabhängig vom Folgenbegriff - über die summierbaren Zahlenfamilien. Wir behandeln diese im letzten Abschnitt. Insbesondere ist hier der natürliche Platz für einen Beweis des „großen" Umordnungssatzes. Für absolut konvergente Reihen gibt es handliche Konvergenzkriterien wie das Quotienten- und das Wurzelkriterium. Diese geben uns auch Aufschluß über das Konvergenzverhalten der Potenzreihen, durch die viele wichtige Funktionen - wie die e-Funktion und die trigonometrischen Funktionen (vgl. Kap. 6) dargestellt werden können.
5. l Konvergenz von Reihen Der Begriff der unendlichen Reihe wird auf den der Folge zurückgeführt. Def. :
Es sei (ak) eine Zahlenfolge. Durch die Festsetzung
wird eine Zahlenfolge (s„) definiert, die man als die zu (ak) gehörende unendliche Reihe bezeichnet.
142
5 Reihen
Ist (sn) konvergent mit dem Grenzwert a, so heißt a die Summe der unendlichen Reihe und man schreibt:
a=
ek. fc = 0
Beispiele : 1) Nach dem Satz von S. 1 16 ist für (ak) = ( — l die Reihe (s„) mit
\k\J
Sn=
"
l
k =0
F· K
konvergent mit lim s„ = e. Wir schreiben also jetzt auch n
00
und nennen e die Summe der unendlichen Reihe l — l. V k = o k\J 2) Es sei | q | < l . Zu (ak) = (^) gehört die unendliche Reihe (s„) mit
sie heißt geometrische Reihe. Nach Beispiel 5) von S. 27 gilt s
*
1 i-q"* 1 = —r —· l -q
Wegen lim qn = Q für \q\0)
(3)
^(-ly-i-L· n +a
(αφΖ).
6. Man zeige, da die Reihe 00
/l
l \
Σ (- +!). 00
Man zeige, da lim a„ genau dann existiert, wenn die Reihe £ ^n konn=1 vergiert. 00
9. Folgt aus der Konvergenz von £ a„ die Konvergenz von £ α2ηΊ Was n= l
n= l 00
l
00
t sich ber die Konvergenz von £ ya„ bzw. £ a^ aussagen, wenn n= l
man zus tzlich a„ > 0 voraussetzt?
n=l
148
5 Reihen
10. Wenn (a„) eine monoton fallende Nullfolge ist und £ a„ konvergiert, dann ist sogar (na„) eine Nullfolge. " =1 Man beweise dies mit Hilfe des Cauchy-Kriteriums. 00
Folgt umgekehrt die Konvergenz von Σ αη
aus
den Voraussetzungen
n=l
a„ ^ 0, (a„) monoton fallend und lim na„ = 0? n
oo
1 1 . Die Reihe £ a„ sei konvergent. Man zeige, da die Folge (rk) mit n=l oo
rk = Σ an n=k
eine Nullfolge ist. 00
12. Eine Reihe £ a„ ist genau dann divergent, wenn es eine „Teilst ckfolge" n=l
(O gibt, die keine Nullfolge ist. Dabei ist
mit geeignetem k„. 13. Es sei g ^ 2 eine nat rliche Zahl. Jede positive reelle Zahl χ besitzt dann eine g-adische Entwicklung oo
„
n=l o
mitx n e{0, l, 2, ...,g- 1}. Die „Ziffernfolge" (x„) kann rekursiv bestimmt werden: r,ΐ — = ΙΛ fCxΛ - L-*J/ IVn · *J e~\
Λ
Man beweise, da f r die so definierte Folge (x„) die Gleichung (*) gilt. Gibt man umgekehrt eine beliebige Ziffernfolge (x„) mit x„ e {0, l, 2, ..., g — 1} vor, so ist die Reihe 00
Σi
n= l
χπ "e"" 6 Λ
konvergent und f r ihre Summe χ gilt Ο 5Ξ χ ^ l. Kann man von verschiedenen Ziffernfolgen ausgehend dieselbe Summe erhalten?
5.2 Umordnung von Reihen, absolute Konvergenz
149
Welche Bedingung muß die Folge (x„) erfüllen, damit sie mit der Folge 00
(x'„), die zu
=
~^~ rekursiv bestimmt werden kann, übereinstimmt? n= l 5
Für < 0 erhält man die g-adische Entwicklung aus der von ( — x) durch Multiplikation mit (—1). Reelle Zahlen werden oft durch g-adische Entwicklungen gegeben (wobei g meistens gleich zwei oder zehn ist). Für
n= l 6
n= l 5
findet man als Summe
n=l
Da dies nicht notwendig die g-adische Entwicklung von + y ist, hat man für + y die Ziffernfolge (z„) nach dem Rekursionsverfahren neu zu bestimmen. 14. Man zeige, daß die rationalen Zahlen dadurch gekennzeichnet werden können, daß ihre g-adische Entwicklung von einer Stelle m an periodisch ist, d. h. es gibt ein p e IN derart, daß x„ + p = x„ für alle « ^ m gilt.
5.2 Umordnung von Reihen, absolute Konvergenz
Eine Summe von endlich vielen Zahlen ist unabhängig von der Reihenfolge wohldefiniert. Man kann nicht erwarten, daß eine analoge Aussage für konvergente unendliche Reihen gilt, da die Reihenfolge der Summanden wesentlich in die Definition eingeht. Hierzu ein Beispiel: Nach dem Leibniz-Kriterium ist die Reihe 00
k=l
J
(-DT *C
konvergent mit einer Summe a, für die i^fl^l gilt. Wir ordnen nun die Reihe
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5 Reihen
i - i + *-i + i-i + ... um in die Reihe 1 ~ " 2 ~ 4 + 3'~