281 99 24MB
German Pages 268 [288] Year 1933
Göschens Lehrbücherei 1. Gruppe
Reine und angewandte Mathematik Band 9
Algebra Von
Professor Dr. Oskar Perron II Theorie der algebraischen Gleichungen
W a l t e r d e G r u y t e r & Co. T o r m a l s G. J. G S i c h e n ' s c h e V e r l a g s h a n d l u n g J. G u t t e n t a g , V e r l a g s b u c h h a n d l u n g — G e o r g R e i m e r — K a r l J. T r U b n e r — V e i t & C o m p .
Berlin W 10 und Leipzig
1933
Algebra Von
Dr. Oskar Perron o. 6. Professor der Mathematik an der Universität München
II Theorie der algebraischen Gleichungen
Zweite, verbesserte Auflage
Mit 5 Figuren
W a l t e r d e G r u y t e r & Co. • o r m a l a G. J . G 6 s c h e n ' s c h e V e r l a g a h a n d l u i i g J. G u t t e n t a g , V e r l a g s b u c h h a n d l u n g — G e o r g R e i m e r — K a r l J. T r ü b n e r — V e i t & C o m p .
Berlin W 10 und Leipzig
1933
Alle Rechte, insbesondere das der Übersetzung in fremde Sprachen, vorbehalten
Archiv-Nr. i a 05 33 Druck von Walter de Gruyter Je Co., Berlin W xo
Vorwort. Die Grundsätze, die mich bei Abfassung des ersten Bandes geleitet haben, sind auch für den zweiten maßgebend geblieben. Ebenso wie bei der zweiten Auflage des ersten Bandes habe ich mich auch jetzt bemüht, diese Grundsätze noch stärker zur Geltung zu bringen. Vor allem soll der Unterschied zwischen der älteren funktionentheoretischen und der modernen auf den Körperbegriff gegründeten Algebra dem Leser nachdrücklich zum Bewußtsein gebracht werden. Da aber das Buch in erster Linie für die Hand des Studierenden gedacht ist, wurde die Stoffauswahl nach den tatsächlichen Erfordernissen des Lernenden vorgenommen und wurde versucht, alles in möglichst leichtverständlicher, aber natürlich in absolut strenger Form darzustellen. Im zweiten und fünften Kapitel ist nur wenig geändert. Dagegen hat das erste Kapitel eine starke Erweiterung erfahren, und die beiden wichtigsten Kapitel, das dritte und vierte, sind erheblich umgearbeitet und durch Hinzunahme einiger früher weggelassener Dinge besser abgerundet worden. Dabei konnte ich manche Bemerkungen, die mir von freundlichen Fachkollegen zugegangen sind, verwerten; insbesondere fühle ich mich den Herren Professor Hasse in Marburg und Professor V e r r i e s t in Löwen für wertvolle Ratschläge zu Dank verpflichtet. Vor allem gilt aber mein Dank auch wieder den Herren Dr. Bochner und Dr. A u m a n n , die beim Lesen der Korrektur mich tatkräftig unterstützt und zu wesentlichen Verbesserungen angeregt haben. München, im Januar 1933.
Oskar Perron.
Inhaltsverzeichnis. Erstes
Kapitel.
Numerische Auflösung von Gleichungen. Seite
1. Reelle und komplexe Wurzeln 1 2. Sturmsche Ketten 7 3. Vorzeichenregeln von Fourier-Budan und Descartes 14 4. Die Säkulargleichung 19 5. Das Hauptachsenproblem 21 6. Abschätzung der Wurzeln 30 7. Die charakteristische Gleichung einer Matrix 35 8. Beziehungen zwischen den Wurzeln eines Polynoms und gewisser zugehöriger Polynome 41 § 9. Numerische Auflösung von Gleichungen 47 § 10. Die Näherungsmethoden von Daniel Bernoulli, Gräfte und BrodetskySmeal 51
§ § § § § § § §
Zweites K a p i t e l . Gleichungen bis z u m vierten Grad und reziproke Gleichungen. § 11. § 12. §13. § 14. §15. §16. § 17.
Einheitswurzeln und Radikale Die Gleichungen zweiten und dritten Grades Trigonometrische Auflösung der kubischen Gleichung Die Gleichung vierten Grades Zwei Gleichungen zweiten Grades mit zwei Unbekannten Tschirnhaustransformation Reziproke Gleichungen Drittes
57 63 69 74 81 86 91
Kapitel.
Substitutionen und Gruppen. § 18. §19. § 20. § 21. §22. § 23. § 24. § 25. § 26. § 27.
Substitutionen Zyklen und Transpositionen Gruppen Gruppen endlicher Ordnung und Komplexe Die zu einer Substitutionsgruppe gehörenden Polynome Untergruppen und Nebengruppen Konjugierte und ausgezeichnete Untergruppen. — Faktorgruppen Kompositionsreihen. — Metazyklische Gruppen Kompositionsreihen der symmetrischen Gruppen Abelsche Gruppen
96 100 104 107 113 117 120 123 130 134
VlLl
Inhaltsverzeichnis.
§ 28. Hilfssätze aus der Zahlentheorie § 29. Lineare Gruppen § 30. Polyedergruppen
Belt« 139 147 154
Viertes Kapitel. D i e Galoissche Gleichungstheorie. § § § §
31. 32. 33. 34.
§35. §36. § 37. § 38. § 39. § 40. § 41. §42.
Vorbereitende Sätze Die Galoissche Gruppe einer Gleichung Weitere Eigenschaften der Galoisschen Gruppe Wirkliche Aufstellung der Galoisschen Gruppe in einigen besonderen Fällen Reduktion der Galoisschen Gruppe durch Adjunktion Adjunktion eines Radikals Darstellung durch Radikale. — Auflösbarkeit einer Gleichung durch Quadratwurzeln Kreisteilungsgleichungen Resolventen der Kreisteilungsgleichungen Die durch Quadratwurzeln darstellbaren Einheitswurzeln Die durch Radikale auflösbaren Gleichungen Ailektlose Gleichungen im Körper der rationalen Zahlen
158 165 173 175 181 188 192 196 202 209 213 219
Fünftes Kapitel. D i e Gleichungen fünften Grades. § § § § §
43. Auflösung der metazyklischen Gleichungen fünften Grades 44. Die Normalform von Brioschi 45. Hilfsformeln aus der Theorie der elliptischen Funktionen 46. Die Galoissche Gruppe der Jacobischen Gleichung 47. Resolventen fünften Grades
Sach- und Namenverzeichnis Verzeichnis der Sätze
226 228 235 241 250 258 261
Erstes
Kapitel.
Numerische Auflösung von Gleichungen. § 1. Beeile und komplexe Wurzeln. I. Sind die Koeffizienten einer Gleichung komplexe Zahlen, so hat sie nach dem Fundamentalsatz der Algebra auch komplexe Zahlen zu Wurzeln. Im gegenwärtigen Kapitel wollen wir uns damit beschäftigen, diese Wurzeln ihrer absoluten Größe nach abzuschätzen und numerisch zu berechnen. Dabei handelt es sich ebenso wie beim Beweis des Fundamentalsatzes selbst vielfach u m Methoden, die weniger der Algebra als der Funktionentheorie angehören; doch werden wir mit sehr bescheidenen funktionentheoretischen Mitteln auskommen. Satz 1. Sind die Koeffizienten des Polynoms a0xn + OiX"-1 H + an ganze Zahlen, und zwar a 0 4= 0, an 4= 0, so sind die etwa vorhandenen ratiok nalen Wurzeln alle von der Form ± y, wo k ein Teiler von an und l ein Teiler (
von a0 ist. Wenn also insbesondere a0 = 1, so sind die rationalen notwendig ganze Zahlen.
Wurzeln
Ist nämlich r eine rationale Wurzel, so ist das Polynom teilbar durch x — r, und folglich hat man die Zerlegung a0xn + Oi*"-1 + • • • + an = (x - r) (aax^ + bxx»~2 + • • • + b„_,), wo auch die br rationale Zahlen sind. Nach Bd. I, Satz 75 gibt es dann aber eine äquivalente Zerlegung (1) oo*» + a1xn~1 + • • • + an = (Ix - k) (c^x*-1 + ctxn~2 + • • • + cn_x), bei der Z, k und die c, g a n z e Zahlen sind. k gleich y , und da aus (1) folgt:
Die rationale Wurzel r ist dann
a «0 —l c 0i n = 1) so ist a0 durch l und ist a„ durch k teilbar; w. z. b. w.
Nach Satz 1 lassen sich die etwaigen rationalen Wurzeln einer Gleichung mit rationalen Koeffizienten stets durch eine endliche Anzahl von Versuchen ermitteln. P e r r o n , Algebra II.
1
2
Erstes Kapitel. Numerische Auflösung von Gleichungen.
II. Nunmehr wenden wir uns zu Gleichungen mit reellen Koeffizienten. Satz 2. Hat eine Gleichung mit reellen Koeffizienten eine komplexe nicht reelle Wurzel, so ist die dazu konjugiert-komplexe Zahl ebenfalls eine Wurzel, und zwar von gleicher Vielfachheit. Die gegebene Gleichung mit reellen Koeffizienten sei a0ot? + OiX*-1 -| + an = 0 . Das linksstehende Polynom bezeichnen wir zur Abkürzung mit f(x). eine komplexe Wurzel, so ist /(£) = a0f
+ a^""1
Ist £
+ • • • + an = 0 .
Nach Bd. I, Satz 2 ist dann, wenn £ die zu £ konjugiert-komplexe Zahl bezeichnet, /(£) = a 0 f + a j " - 1 + • • • + a n = 0 , also £ ebenfalls eine Wurzel der Gleichung. Ist nun £ etwa eine ft-fache Wurzel, so ist nach Bd. I, Satz 130 / ( i - 1 > ( f ) = 0, /(£)*0, /(£)=0, /'(£) = 0 , . . . , und daher nach dem erwähnten Satz 2 auch /(£) = 0, /'(I) = 0, . . . , / ( t - 1 ) ( £ ) = 0, / (£) + 0; das besagt aber, daß £ ebenfalls eine ft-fache Wurzel ist. Die nicht reellen Wurzeln ordnen sich hiernach zu Paaren konjugiertkomplexer Wurzeln, sind also stets in gerader Anzahl vorhanden. Wir wollen jetzt Methoden kennenlernen, um einer gegebenen Gleichung mit reellen Koeffizienten anzusehen, wieviel reelle und wieviel Paare konjugiert-komplexer Wurzeln sie hat, ohne daß erst die Berechnung der Wurzeln nötig wäre. Sei (2) xn + a x x n—1 + • • • + a B = 0 die Gleichung. Sind f x , . . . , f „ die n Wurzeln, so ist identisch (3) x» + alX"-1 + • • • + an = { x ( x - £ , ) . . . (x -£„), und folglich sind die Zahlen a x , . . . , a n , wie bereits in Bd. I, § 52 I bemerkt, die symmetrischen Grundfunktionen der n Wurzeln. Aus ihnen können wir nach Bd. I, § 32 die Potenzsummen (4) > * = £ + £ + •••+£ (m = 0 , 1 , 2 , •••) berechnen. Diese erweisen sich hiernach als reelle Zahlen und können als bekannt angesehen werden. Nunmehr bilden wir die reelle quadratische Form von n Variabein n n (5) F(xu xn)= 2 i=l 11=1 Ihr Rang und ihre Signatur können nach Bd. I, § 27 berechnet und somit ebenfalls als bekannt angesehen werden. Jetzt beweisen wir den Satz 3. Die Anzahl der voneinander verschiedenen Wurzeln der Gleichung (2) mit reellen Koeffizienten ist gleich dem Rang, die Anzahl der verschiedenen reellen Wurzeln ist gleich der Signatur der quadratischen Form (5).
§ 1. Reelle und komplexe Wurzeln.
Setzt man in (5) für die
3
die Ausdrücke (4) ein, so kommt:
F(xlt ...,*„)
=
Z Z U ^ ¿(¿t'"1**-¿fr1*,)
=
„=1
»=i Nunmehr ändern wir ein wenig die Bezeichnung der Wurzeln, um auch ihre Vielfachheit und Reellität in Erscheinung treten zu lassen. Die Anzahl der voneinander verschiedenen reellen Wurzeln sei k] sie seien (falls Ä > 0 ist) mit 6i , • . . ,Qt bezeichnet, und zwar sei p„ eine p„-fache Wurzel. Die Anzahl der voneinander verschiedenen Paare konjugiert-komplexer Wurzeln sei Z; sie seien (falls l > 0 ist) mit au ält..., er,, ät bezeichnet, und zwar sei ah also nach Satz 2 auch ä x , eine i^-fache Wurzel. Die quadratische Form nimmt dann die Gestalt an: *
F(xxt..., (6)
xn) = ¿'ft.tXi K=1
l +
+
er1*»)2
+ Qnx% + • • • +
a X
* *+ ' " •+
a
X~ lx n) 2 +
+ ***« + • • • +
.
wo die erste bzw. zweite Summe fehlt, falls k bzw. I gleich 0 sein sollte. Natürlich ist k + H^n\ falls k + 21 . . . , R B _ T _ 2 , noch n — k — 21 reelle Zahlen, die voneinander und von den qk verschieden sind. Dann ist die Determinante
1 ..1 1 ei • • • 9t
1
er1-
. .1
1 1
CT,
.at
.1 . • rn-i-21
rt
1 . T-n-l-21
••T
deren erste k Spalten für k = 0 natürlich wegfallen (und entsprechend für l = 0 oder n — k — 21 = 0), nach Bd. I, § 221 von 0 verschieden. Das gleiche gilt daher auch, wenn (ax (7)
= ux
+ iv'x,
äx
l o j - l = »(;-!) + ,V«-1),
= u'x
55-1 =
—iv'x
(t>;>0),
- iüj»-»
gesetzt wird, von der Determinante mit lauter reellen Elementen: 1 Pl
...1 • • • Qt
1 «I
0 'i
l
...1 u i
0 'l
v
1 1
T
...1 • • • T n-i-2i
1 B 1) p1" - 1 . . . p^k" - 1 u*"' 1 * " - " . . . u< - Ie«"-» T"- 1 . . . T"-i „, 1 1 I I ti—«— W
4
Erstes Kapitel. Numerische Auflösung von Gleichungen.
die ja gleich der vorausgehenden multipliziert mit
ist ').
Daher hat
das Gleichungssystem
(8)
= +e"~la;n 4 + u - i = * i + u'xXt + ••• + « i r - 1 ' * » ! X't+2X = VXX2 H +
(x = 1,2,.. (A = 1 2
.,k), l)
4+2i+/i = + r„x2 + • • • + T^- 1 *,, {n = 1, 2 , . . n — k — 21) eine nicht verschwindende Determinante, stellt also eine reelle lineare Transformation dar. Durch diese geht die quadratische Form wegen (6) über in: t i 2JP*X'"2
+ ^^IK+M-l
t
+
l
= 2jp«x'*z
+ 2
ix't+¡w)2
+ (X't + 2X-1 -
¿ti+üi)8]
l 29X4UX-i
-
2lhx*+2X
•
Es kommen also k + l positive und l negative Vorzeichen; der Rang der quadratischen Form ist daher (k + l) + l = k
+
21,.
und die Signatur ist (k + l) - 1 = k . In dem damit bewiesenen Satz 3 ist der folgende als bemerkenswerter Spezialfall enthalten: Satz 4. Die notwendige und hinreichende Bedingung dafür, daß alle Wurzeln der Gleichung (2) mit reellen Koeffizienten selbst reell und voneinander verschieden sind, besteht darin, daß die quadratische Form (5) positiv definit ist. III. Diese Untersuchungen lassen sich soweit vervollkommnen, daß man auch erkennt, wieviel verschiedene reelle Wurzeln zwischen zwei gegebenen reellen Zahlen oc,ß liegen. Dazu betrachten wir, indem wir alle seitherigen Bezeichnungen beibehalten und unter y eine beliebige reelle Zahl verstehen, die quadratische Form n
(9)
n
Gy(Xj,
_ XXxn ' A = 1 /i-l die auf Grund einer analogen Rechnung, wie sie oben bei F(x1,..., geführt wurde, gleich
2 (Y ~ « »=1 ist und folglich auch gleich
xn) durch-
(*1 + f r * . + * * * + S " 1 *n)2
') Zum Beweis addiere man in der vorausgehenden Determinante zu den Elementen der (k + l)-ten Spalte die der (k + 2)-ten Spalte; alsdann subtrahiere mafi von den Elementen der (k -f 2)-ten Spalte die mit i multiplizierten Elemente der (k + l)-ten Spalte.
§ 1. Reelle und komplexe Wurzeln.
5
t
2JpK(y *=i t
- 6J
er1*,)*
+