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German Pages 359 [360] Year 2005
Schriften zum Steuerrecht Herausgegeben von Prof. Dr. Joachim Lang und Prof. Dr. Jens Peter Meincke
Band 86
Abschreibungen zwischen Aufwandsund Subventionstatbestand Europarechtliche und verfassungsrechtliche Grenzen von Abschreibungstatbeständen
Von
Oliver v. Schweinitz
asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin
OLIVER V. SCHWEINITZ
Abschreibungen zwischen Aufwandsund Subventionstatbestand
Schriften zum Steuer recht Herausgegeben von Prof. Dr. Joachim Lang und Prof. Dr. Jens Peter Meincke
Band 86
Abschreibungen zwischen Aufwandsund Subventionstatbestand Europarechtliche und verfassungsrechtliche Grenzen von Abschreibungstatbeständen
Von
Oliver v. Schweinitz
asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin
Die Juristische Fakultät der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg hat diese Arbeit im Jahre 2004 als Dissertation angenommen.
Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
D 16 Alle Rechte vorbehalten # 2005 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme: Klaus-Dieter Voigt, Berlin Druck: AZ Druck und Datentechnik GmbH, Kempten (Allgäu) Printed in Germany ISSN 0582-0235 ISBN 3-428-11741-7 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier ∞ entsprechend ISO 9706 *
Internet: http://www.duncker-humblot.de
Vorwort Diese Arbeit beschäftigt sich am Beispiel der Abschreibungstatbestände mit den Schnittstellen zwischen dem Steuerrecht, Verfassungsrecht und Europarecht. Sie soll dem Verfassungsjuristen dienen, die bedenklichen Abschreibungstatbestände von den realitätsgerechten abzuschichten und auf ihre Vereinbarkeit mit dem Grundgesetz zu überprüfen. Sie soll dem Europarechtler die Anwendung des Beihilfenrechts auf die Abschreibungsvergünstigung erläutern. Nicht zuletzt hoffe ich, daß die Arbeit auch dazu beiträgt, das Steuerrecht zu einem gerechteren System zu vereinfachen. In erster Linie danke ich Herrn Prof. Dr. Paul Kirchhof, Bundesverfassungsrichter a. D., für die klaren Vorgaben im methodischen Bereich und die große Freiheit im inhaltlichen Bereich. Bei der Themenwahl und Themeneingrenzung haben mir seine Hilfestellungen sehr geholfen. Menschlich wie fachlich ist er mir Vorbild gewesen. Von August 2002 bis Mai 2003 habe ich über das Austauschprogramm der Universität Heidelberg und ein Stipendium der Studienstiftung (European Recovery Program) an dem LL.M.-Programm der Duke University, North Carolina, teilnehmen dürfen. Herrn Prof. Dr. Peter Hommelhoff, Herrn Prof. Dr. Wulf Goette, Herrn Prof. Dr. Müller-Graff und Herrn Prof. Dr. Paul Kirchhof danke ich für die Gutachten, die mir diesen Schritt ermöglicht haben. Auf dem Weg haben mich Assistenten und Praktiker mit ihren Anregungen begleitet. Insbesondere danke ich Frau Maria Bergmann, Herrn Dr. Carl-Heinz Heuer, Herrn Prof. Dr. Ulrich Hufeld, Herrn Prof. Dr. Stefan Huster, Dr. OttoFerdinand Graf Kerssenbrock (Ernst & Young), Herrn Dr. Hanno Kube (LL.M.), Frau Martina Meier (Haarmann, Hemmelrath & Partner), Herrn Prof. Dr. Christoph Möllers, Herrn Rüdiger Steinmann (Hauptsachgebietsleiter Einkommensteuer, Finanzamt Heidelberg) und Herrn Joachim Ziegler für ihre Anregungen. Meinen Eltern danke ich für die finanzielle und inhaltliche Begleitung dieses Studienabschnittes. Oliver v. Schweinitz
Inhaltsübersicht
Teil I Einleitung
1
§1
Verfassungsrechtliche Bedenken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
8
§2
Europarechtliche Bedenken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
15
Teil II Formen, Terminologie und Wirkungen von Steuervergünstigungen
18
§3
Systematische Einordnung der Fragestellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
18
§4
Wirkung der Abschreibungstatbestände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
22
§5
Verabschiedung von der Sitztheorie und Verhaltenskodex für die Unternehmensbesteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
26
Teil III Funktionsweise der Abschreibungstatbestände
39
§6
Anwendungsbereich der Abschreibungstatbestände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
39
§7
Systematik der Abschreibungstatbestände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
52
§8
Fehlen von Buchungsalternativen zur periodischen Aufwandsverteilung . . . .
61
Teil IV Abschreibungen als Subventionstatbestand
69
Steuervorteil durch Förderabschreibungstatbestände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
69
§ 10 Subventionsbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
78
§ 11 Förderabschreibungstatbestände als Subvention . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
89
§9
VIII
Inhaltsübersicht Teil V Europarechtliche Grenzen für Förderabschreibungstatbestände
109
§ 12 Grenzen durch die Beihilferegelungen gem. Art. 87–89 EGV . . . . . . . . . . . . . 110 § 13 Keine Grenzziehung durch die „steuerlichen Vorschriften“ oder Art. 25 EGV 155 § 14 Modalitätsüberprüfung von Steuervergünstigungen durch die Grundfreiheiten (Art. 23–31, 43–48, 49–55, 56–60 EGV) und das Diskriminierungsverbot des Art. 12 EGV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 § 15 Verfahrensfolgen eines Verstoßes gegen das Durchführungsverbot gem. Art. 88 III 3 EGV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 § 16 Einzelfallprüfungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172
Teil VI Verfassungsrechtliche Grenzen für Förderabschreibungstatbestände
188
§ 17 Individuelle Rechtserwartungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 § 18 Institutionelle Rechtsmaßstäbe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256 § 19 Zusammenfassung: Individueller und institutioneller Rechtfertigungsmaßstab 286 § 20 Einzelfallprüfungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 286
Teil VII Folgerungen
296
§ 21 Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 296 § 22 Thesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 300 § 23 Abstract of content . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 312 Anhang: Nettosubventionsäquivalent nach dem Fördergebietsgesetz . . . . . . . . . 317 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 322 Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 337
Inhaltsverzeichnis Teil I Einleitung
1
§1
Verfassungsrechtliche Bedenken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
8
§2
Europarechtliche Bedenken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
15
Teil II Formen, Terminologie und Wirkungen von Steuervergünstigungen
18
§3
Systematische Einordnung der Fragestellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Formen staatlicher Einflußnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Terminologie der Steuervergünstigungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
18 18 20
§4
Wirkung der Abschreibungstatbestände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Wirkung der Abschreibungstatbestände auf die Einkommensteuer . . . . . . B. Wirkung der Abschreibungstatbestände auf die Körperschaftsteuer . . . . . C. Wirkung der Abschreibungstatbestände auf die Gewerbesteuer . . . . . . . . . D. Wirkung der Abschreibungstatbestände auf die Erbschafts-/Schenkungssteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
22 22 22 23
§5
Verabschiedung von der Sitztheorie und Verhaltenskodex für die Unternehmensbesteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
23 26
Teil III
§6
Funktionsweise der Abschreibungstatbestände
39
Anwendungsbereich der Abschreibungstatbestände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Wirtschaftsgut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Wirtschaftsgut zur Erzielung von Einkünften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Zuordnung zur Erzielung von Überschußeinkünften – Privatvermögen II. Zuordnung zur Erzielung von Gewinneinkünften – Betriebsvermögen C. Mehrjährige betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Zeitraum von mehr als einem Jahr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Begrenzter Zeitraum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
39 40 40 41 41 42 44 46
X
Inhaltsverzeichnis D. Absetzungsberechtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
49
§7
Systematik der Abschreibungstatbestände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Verhältnis zu handelsbilanziellen Abschreibungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Verhältnis der steuerlichen Abschreibungstatbestände zueinander . . . . . . .
52 52 56
§8
Fehlen von Buchungsalternativen zur periodischen Aufwandsverteilung . . . .
61
Teil IV Abschreibungen als Subventionstatbestand
69
Steuervorteil durch Förderabschreibungstatbestände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Flexibilität von Sonderabschreibungstatbeständen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Stundungsvorteil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Effektive Steuervermeidung bei absehbar sinkenden Einkünften . . . . . . .
69 70 73 77
§ 10 Subventionsbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Subventionsbegriff im Bereich der Normen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Begriffsverwendung im internationalen Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Begriffsverwendung im nationalen Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Stabilitätsgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Abgabenordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Strafgesetzbuch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Begriffsverwendung innerhalb der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Fachgerichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Bundesverfassungsgericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Begriffsverwendung innerhalb der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Übernahme einer Terminologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
78 78 78 80 81 82 82 84 84 85 86 88
§ 11 Förderabschreibungstatbestände als Subvention . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Abschichtung von Steuervergünstigungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Abschichtung von Förderabschreibungstatbeständen . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Realität der Wertentwicklung als zwingender Maßstab . . . . . . . . . . . . II. Kein Goodwill-Aufschlag zur Inflationsberücksichtigung . . . . . . . . . III. Methodik der Abschichtung von Förderabschreibungstatbeständen . . IV. Typologie einer realitätsgerechten Wertentwicklung . . . . . . . . . . . . . . 1. Abschichtung der Teilwertabschreibung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Abschichtung der degressiven Abschreibung . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Förderabschreibungstatbestände als Subvention . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
89 89 93 93 95 99 100 101 103 108
§9
Inhaltsverzeichnis
XI
Teil V Europarechtliche Grenzen für Förderabschreibungstatbestände § 12 Grenzen durch die Beihilferegelungen gem. Art. 87–89 EGV . . . . . . . . . . . . . A. Rechtsentwicklung zu Förder-Abschreibungen und Beihilfenrecht . . . . . . B. Explizite und implizite Tatbestandsvoraussetzungen des Art. 87 I EGV I. Begriff der Beihilfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Zurechenbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Belastung öffentlicher Mittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Begünstigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Zwischenergebnis zu den Voraussetzungen des Art. 87 I EGV . . a) Zwischenergebnis zum Begriff der „Beihilfe“ . . . . . . . . . . . . . b) Zwischenergebnis zu den sonstigen Voraussetzungen des Art. 87 I EGV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Begünstigung bestimmter Unternehmen oder Produktionszweige . . . III. Vorgehen des EuG 1. Instanz in der Rechtssache CETM/Kommission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Marktvergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Mitteilung der Kommission über die Anwendung steuerlicher Vorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Steuerliche Beihilfen – zweistufige Gesamtschau . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Verhältnis des Beihilfenrechts zur Harmonisierung gem. Art. 96, 97 EGV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Mit dem Gemeinsamen Markt zu vereinbarende Beihilfen . . . . . . . . . . . . . I. Art. 87 II EGV, insbesondere Art. 87 II c) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Art. 87 III EGV, insbesondere Art. 87 III a), b) 2. Alt. . . . . . . . . . . . 1. Beihilfen zur Förderung unterentwickelter Gebiete (Art. 87 III a) EGV) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Beihilfen zur Förderung wichtiger Vorhaben und zur Behebung beträchtlicher Störungen (Art. 87 III b) EGV) . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Beihilfen zur Förderung gewisser Wirtschaftszweige oder Wirtschaftsgebiete (Art. 87 III c) EGV) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Beihilfen zur Förderung der Kultur (Art. 87 III d) EGV) . . . . . . 5. Sonstige Beihilfen per Ratsentscheidung (Art. 87 III e) EGV) . . III. Art. 88 II, 3. Abschnitt, EGV (außergewöhnliche Umstände) . . . . . .
109 110 110 114 117 118 118 120 122 122 122 124 127 131 135 140 144 146 146 149 151 153 153 154 154 155
§ 13 Keine Grenzziehung durch die „steuerlichen Vorschriften“ oder Art. 25 EGV 155 § 14 Modalitätsüberprüfung von Steuervergünstigungen durch die Grundfreiheiten (Art. 23–31, 43–48, 49–55, 56–60 EGV) und das Diskriminierungsverbot des Art. 12 EGV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 A. Ausschlußwirkung einer Steuervergünstigung als Verstoß gegen Grundfreiheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 B. Freie Konkurrenz zwischen dem Beihilfenrecht und dem Recht der Grundfreiheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159
XII
Inhaltsverzeichnis C. Grundfreiheitsverstoß nur bei Vorliegen national-begrenzender Modalitäten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161
§ 15 Verfahrensfolgen eines Verstoßes gegen das Durchführungsverbot gem. Art. 88 III 3 EGV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 § 16 Einzelfallprüfungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. § 4 II Nr. 1 i.V. m. §§ 3, 1 Fördergebietsgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Rechtsentwicklung des Fördergebietsgesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Subsumtion des Fördergebietsgesetzes unter Art. 87 I EGV . . . . . . . III. Vereinbarkeit des Fördergebietsgesetzes mit dem Gemeinsamen Markt gem. Art. 87 II c) EGV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Bewertungsfreiheit für Handelsschiffe, für Schiffe, die der Seefischerei dienen, und für Luftfahrzeuge (§ 82f EStDV) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Rechtsentwicklung zu § 82f EStDV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Unvereinbarkeit der Luftfahrzeugabschreibungen mit dem Beihilfenrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Unvereinbarkeit der Schiffsabschreibungen mit dem Beihilfenrecht C. Deutsche Kohle-Förderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Bewertungsfreiheit für bestimmte Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens im Kohlen- und Erzbergbau (§ 81 EStDV) . . . . . . . . . . . . . . 1. Bergbauförderung als sektorale Beihilfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Unvereinbarkeit deutscher Kohleförderung wegen bevorstehender Osterweiterung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Außerkraftsetzen des Wettbewerbsrechts durch die politischen Akteure . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Sonderabschreibung gem. § 7g I und „Ansparabschreibung“ gem. § 7g VII, VIII EStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Vereinbarkeit von § 7g I EStG mit dem Beihilfenrecht . . . . . . . . . . . II. Rechtsentwicklung zu der Ansparabschreibung gem. § 7g VII, VIII EStG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Die Bestimmtheit der Ansparabschreibung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
172 172 172 172 174 174 174 175 176 177 177 177 178 179 183 183 184 185
Teil VI Verfassungsrechtliche Grenzen für Förderabschreibungstatbestände § 17 Individuelle Rechtserwartungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Art. 3 I Grundgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Art. 3 I GG als vergleichsabhängiges Differenzierungsgebot . . . . . . 1. Anwendungsbereich der „Neuen Formel“ des BVerfG . . . . . . . . . a) Personenbezogene Ungleichbehandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Gleichzeitige Beeinträchtigung eines Freiheitsrechts . . . . . . . 2. Kontrolldichte nach der „Neuen Formel“ des BVerfG . . . . . . . . . 3. Bereichspezifische Anwendung des Art. 3 I GG im Steuerrecht
188 188 189 190 192 193 195 196 200
Inhaltsverzeichnis
XIII
a) Gebot der Leistungsfähigkeit und gewährende Staatstätigkeit b) Dogmatik des Gleichheitssatzes nach Stefan Huster . . . . . . . . c) Privilegierende und benachteiligende Ungleichbehandlungen aufgrund externer Kriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Klassifikation der Verschonungssubvention als rechtfertigungsbedürftige Bevorzugung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Anforderungen gem. Art. 3 I GG an die steuerliche Bemessungsgrundlagensubvention . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Zweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Objektive Eignung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Erforderlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Gleichheit im Belastungserfolg durch Typisierung . . . . . II. Art. 3 I GG als allgemeiner Gerechtigkeitsgrundsatz . . . . . . . . . . . . . 1. Allgemeines Willkürverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Gebot der Folgerichtigkeit und Widerspruchsfreiheit . . . . . . . . . . III. Zwischenergebnis: Anforderungen gem. Art. 3 I GG an Förderabschreibungstatbestände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Art. 12 I GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Förderabschreibungstatbestände als erwerbsbezogene Einflußnahme II. Funktionaler Schutzbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Berufsfreiheit – ein Recht auf ökonomische Vernunft? . . . . . . . . . . . IV. Eingriff durch Zwangsähnlichkeit der Beeinflussung? . . . . . . . . . . . . C. Wettbewerbsfreiheit der Konkurrenten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Herleitung des Anspruchs auf staatliche Wettbewerbsneutralität aus Art. 12 I i.V. m. 3 I GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Geltungskraft der Wettbewerbsfreiheit gem. Art. 12 I i.V. m. Art. 3 I GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
200 210
§ 18 Institutionelle Rechtsmaßstäbe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Kompetenzverteilung innerhalb des Zentralstaates . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Gesetzgebungskompetenz für steuerliche Lenkungstatbestände – der Begriff der „Steuer“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Ältere Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts: Nebenzwecklehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Neuere Rechtsprechung: Widerspruchsfreie Steuerrechtsordnung 3. Exklusive oder kumulative Sachgesetzgebungskompetenz . . . . . . 4. Ertragsrelevanz als kompetenzzuweisendes Kriterium . . . . . . . . . II. Gesetzesvorbehalt für Förderabschreibungstatbestände . . . . . . . . . . . . 1. Rechtsstaatlich-grundrechtlicher Gesetzesvorbehalt . . . . . . . . . . . . 2. Demokratisch-institutioneller Gesetzesvorbehalt . . . . . . . . . . . . . . a) Lehre vom Totalvorbehalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Unterscheidung nach Sachbereichen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Reichweite des Vorbehalts gem. Art. 80 I GG: Manifestation der Lenkungsentscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
213 216 216 220 221 223 223 231 231 233 238 239 239 243 246 249 251 251 254 256 257 257 258 260 261 263 264 268 271 271 272 276
XIV
Inhaltsverzeichnis III. Beeinträchtigung des Bruttoprinzips (Art. 110 II 1 GG) . . . . . . . . . . B. Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Beeinträchtigung der bundesstaatlichen Ertragsverteilung . . . . . . . . . II. Beeinträchtigung der Sachgesetzgebungskompetenzen der Länder . . III. Beeinträchtigung der Verwaltungs- und Ausgabezuständigkeiten der Länder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
278 280 280 283 284
§ 19 Zusammenfassung: Individueller und institutioneller Rechtfertigungsmaßstab 286 § 20 Einzelfallprüfungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. § 7 II EStG (20% degressive Abschreibung) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. § 7 IV Nr. 2 a) EStG (2% lineare Abschreibung bei „Neubauten“) . . . . . C. § 4 II Nr. 1 i.V. m. §§ 3, 1 Fördergebietsgesetz (50% Sonderabschreibung) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. § 7 IV Nr. 2 b) EStG (2,5% lineare Abschreibung bei Altbauten) . . . . . . E. § 7g I EStG, Sonderabschreibungen und Ansparabschreibungen zur Förderung kleiner und mittlerer Betriebe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
286 286 288 289 290 292
Teil VII Folgerungen
296
§ 21 Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 296 § 22 Thesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Einheitliche Qualifikation von Steuervergünstigungen . . . . . . . . . . . . . . . . B. Steuervergünstigungen vor dem Europarecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Art. 87 I EGV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Befreiungsmöglichkeiten gem. Art. 87 II, III EGV . . . . . . . . . . . . . . . III. Grundfreiheiten und allgemeines Diskriminierungsverbot . . . . . . . . . IV. Einzelfallprüfungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Steuervergünstigungen vor dem Grundgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Art. 3 I GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Artt. 12/14 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Institutionelle Rechtsmaßstäbe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Einzelfallprüfungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
300 300 303 303 305 305 306 307 307 309 309 311
§ 23 Abstract of content . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 312 Anhang: Nettosubventionsäquivalent nach dem Fördergebietsgesetz . . . . . . . . . 317 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 322 Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 337
Tabellen- und Abbildungsverzeichnis Tabelle 1: Systematik der handelsrechtlichen Abschreibungen . . . . . . . . . . . . . . . .
52
Tabelle 2: Progressionsvermeidung durch Sonderabschreibung . . . . . . . . . . . . . . .
71
Tabelle 3: Auswirkungen des Nominalprinzips . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
96
Abbildung 1: Formen staatlicher Einflußnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
19
Abbildung 2: Steuerliche Abschreibungstatbestände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
57
Abbildung 3: Subventionen im weiteren Sinn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
88
Abbildung 4: Tatbestandsmerkmale des Art. 87 I EGV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
116
Abbildung 5: Merkmale des Beihilfenbegriffs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
117
Abbildung 6: Zweistufige Gesamtschau für Förderabschreibungstatbestände . . .
144
Abbildung 7: Der Gleichheitssatz in der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
195
Abbildung 8: Die Entsprechungsprüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
197
Abkürzungsverzeichnis ABl. Abs. AG Alt. AO AöR Art. Artt. AStG Aufl. Az. BB Bd. BewG BFH BGBl. BHO BIP BMF BMW BMG BStBl. BT-Drs. BVerfG DB DBA DDR d.h. dies. DÖV DStR DStZ DVBl. EG EGKS
Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften Absatz Aktiengesellschaft Alternative Abgabenordnung v. 16.3.1976 Archiv des öffentlichen Rechts ein Artikel mehrere Artikel (lateinische Pluralbildung) Außensteuergesetz Auflage Aktenzeichen Betriebsberater (Zeitschrift) Band Bewertungsgesetz Bundesfinanzhof Bundesgesetzblatt Bundeshaushaltsordnung Bruttoinlandsprodukt Bundesministerium für Finanzen Bundesministerium für Wirtschaft Bemessungsgrundlage Bundessteuerblatt Bundestagsdrucksache Bundesverfassungsgericht Der Betrieb (Zeitschrift) Doppelbesteuerungsabkommen Deutsche Demokratische Republik das heißt dieselbe Die öffentliche Verwaltung (Zeitschrift) Deutsches Steuerrecht (Zeitschrift) Deutsche Steuerzeitung (Zeitschrift) Deutsches Verwaltungsblatt (Zeitschrift) Europäische Gemeinschaft (en) Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl
Abkürzungsverzeichnis EGV E EStDV EStR etc. EU EuGeI EuGH EUV EuZW EWS f. FA FAZ ff. FG Fn. FördergebietsG FR G GA GD GewStG GG GmbH GS HFR HGB HGrG Hrsg. HStR i. d. F. i. H. v. InvZulG i. S. d. IStR i.V. m. JA Jura JuS JZ
XVII
Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft Entscheidungssammlung Einkommensteuer Durchführungsverordnung Einkommensteuerrichtlinien et cetera Europäische Union Gericht Erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften Europäischer Gerichtshof Vertrag über die Europäische Union Europäische Zeitschrift für Wirtschaft Europäisches Wirtschafts- und Steuerrecht (Zeitschrift) folgende Seite Finanz-Archiv (Zeitschrift) Frankfurter Allgemeine Zeitung folgende Seiten (lateinische Pluralbildung) Finanzgericht Fußnote Gesetz über Sonderabschreibungen und Abzugsbeträge im Fördergebiet (Fördergebietsgesetz) Finanzrundschau Gesetz Generalanwalt Generaldirektion der Kommission Gewerbesteuergesetz Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland v. 23.5.1949 Gesellschaft mit beschränkter Haftung Großer Senat Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung (Zeitschrift) Handelsgesetzbuch Haushaltsgrundsätzegesetz Herausgeber Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland in der Fassung in Höhe von Investitionszulagengesetz im Sinne des Internationales Steuerrecht (Zeitschrift) in Verbindung mit Juristische Arbeitsblätter (Zeitschrift) Juristische Ausbildung (Zeitschrift) Juristische Schulung (Zeitschrift) Juristenzeitung
XVIII KFZ KMU KStG m. a. W. MDR m. E. Mio. Mitt. Mrd. MSt. m. w. N. NBÄ NJW No./Nr. NVwZ NUTS OECD RAO RFH Rn. RL Rs. s. S. Slg. s. o. sog. SolZG StGB StuW Tab. Tz. u. a. UStG usw. Urt. v. Vfg. vgl. VO VStG
Abkürzungsverzeichnis Kraftfahrzeug Kleine und mittelständische Unternehmen Körperschaftsteuergesetz mit anderen Worten Monatsschrift für Deutsches Recht (Zeitschrift) meines Erachtens Million (en) Mitteilung Milliarden Mitgliedstaat der Europäischen Union mit weiteren Nachweisen Netto-Beihilfenäquivalent Neue Juristische Wochenzeitschrift Nummer Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht Nomenclature des Unités Territoriales Statistiques Organisation for Economic Cooperation and Development Reichsabgabenordnung Reichsfinanzhof Randnummer Richtlinie Rechtssache siehe Seite Sammlung der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes siehe oben sogenannt Solidaritätszuschlaggesetz Strafgesetzbuch Steuer und Wirtschaft (Zeitschrift) Tabelle Teilziffer unter anderem Umsatzsteuergesetz und so weiter Urteil von Verfügung Vergleiche Verordnung Vermögensteuergesetz
Abkürzungsverzeichnis WRV WuW z. B. ZHR ZonenRFG z. T.
XIX
Weimarer Reichsverfassung Wirtschaft und Wettbewerb zum Beispiel Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht und Wirtschaftsrecht Zonenrandförderungsgesetz zum Teil
Außerdem verweise ich auf: Kirchner, Hildebert, Abkürzungsverzeichnis der Rechtssprache, 4. Auflage, Berlin 1993.
Teil I
Einleitung Diese Arbeit über „Abschreibungen zwischen Aufwands- und Subventionstatbestand“ befaßt sich mit den verfassungsrechtlichen und europarechtlichen Grenzen, die dem Normgeber bei der Konzeption von Abschreibungstatbeständen gesetzt sind. Abschreibungstatbestände regeln die periodengerechte Zuordnung des Wertverzehrs bei abnutzbaren Wirtschaftsgütern.1 Abschreibung ist der Oberbegriff für alle Formen der Wertabsetzung.2 Diese Arbeit konzentriert sich auf die steuerlichen Abschreibungsmöglichkeiten. Diese Verteilung des Anschaffungs- oder Herstellungsaufwands fällt mehr oder weniger günstig für den Steuerpflichtigen aus. Entspricht die angeordnete Verteilung nicht mehr dem Grad der Abnutzung, fördert der Staat ein bestimmtes Investitionsverhalten. Derartige Abschreibungen, die nicht einer streng realitätsgerechten Aufwandsverteilung entsprechen, werden im folgenden als Förderabschreibungstatbestände bezeichnet. Dieser Begriff hat zwei Vorteile: – Er ist noch nicht einfachgesetzlich belegt. – Er ist in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts im Keim angelegt. Das Bundesverfassungsgericht spricht allgemeiner von „Förderungstatbeständen“3. Mit dem Begriff der Förderabschreibung wird diese Rechtsprechung aufgegriffen und an das Recht der Abschreibungen angepaßt. Übersteigen die Abschreibungsmöglichkeiten den Abnutzungsgrad, stundet der Staat den eigentlich entstanden Steueranspruch in Höhe der Differenz. Mit der gestundeten Liquidität kann der Steuerpflichtige „arbeiten“; er kann Zins und Zinseszins erwirtschaften. Dieser Vorteil bedeutet verfassungsrechtlich eine Beeinträchtigung des Prinzips der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit (Art. 3 I GG)4; europarechtlich kann es sich bei Abschreibungstatbeständen um Beihilfen i. S. d. Art. 87 I EGV handeln. Seit Jahren steigt die Arbeitslosigkeit in Deutschland. Die Anzahl arbeitssuchender Menschen hat sich bei über 4 Mio. Marke eingependelt5. Dabei be1 2 3 4
Lambrecht in Kirchhof, EStG § 7 Rn. 1. Falterbaum/Bolk/Reiß, Buchführung und Bilanz, Nr. 15.8.3.1 S. 661. BVerfGE – Vermögensteuer – 93, 121 (148). Paul Kirchhof in Kirchhof – KompaktKommentar, EStG Einleitung Rn. 20.
2
Teil I: Einleitung
stehen große regionale und branchenbezogene Unterschiede. Die regionalen Unterschiede sind nicht nur zwischen den alten und neuen Bundesländern6 frappierend, sondern auch unter den alten und neuen Bundesländern. Durch Investitionsförderung versucht der Staat, auf die Arbeitslosigkeit zu (re-)agieren. Die Investitionsförderung kann direkt durch Vergabe von Finanzhilfen oder indirekt durch Einräumung von Steuervergünstigungen erfolgen.7 Beide Formen der Investitionsförderung beeinflussen privatwirtschaftliche Betätigung und die Ressourcen des Staatshaushalts. Diese Verwandtschaft zwischen den beiden Formen der Investitionsförderung spiegelt sich im Stabilitätsgesetz8 wider. Beide Formen der Investitionsförderung sind gem. § 12 I und II Stabilitätsgesetz dem Bundestag und Bundesrat zusammen mit dem Entwurf des Bundeshaushaltsplans alle zwei Jahre von der Bundesregierung mitzuteilen. 9 Das Gesamtvolumen der Subventionen für Deutschland (Finanzhilfen und Steuervergünstigungen von Bund und Ländern, Marktordnungsausgaben der EU und ERP-Finanzhilfen) betrug nach Ansicht der Bundesregierung 57,8 Mrd. A im Jahr 200110. Während die Finanzhilfen sich kontinuierlich rückläufig entwickeln, ist bei den Steuervergünstigungen im Zeitraum 1999 bis 2002 ein Anstieg zu verzeichnen.11
5 Im November 2001 lag die Anzahl der Arbeitslosen nach Angaben der Deutschen Bundesbank noch bei 3,936 Mio. Menschen. Daraus errechnet sich eine Arbeitslosenquote von 9,5%; Deutsche Bundesbank, saisonbereinigte Wirtschaftszahlen, Dezember 2001, statistisches Beiheft zum Monatsbericht 4, S. 28, unter Bezugnahme auf Ursprungswerte des Statistischen Bundesamtes, Bundesanstalt für Arbeit. Definition der Statistik der Bundesanstalt für Arbeit. Am 5.3.2004 berichtete die FAZ unter Berufung auf Angaben der Bundesagentur für Arbeit, im vergangenen Monat seien 4,64 Millionen Menschen arbeitslos gemeldet gewesen, FAZ v. 5.3.2004, Nr. 55, S. 13 „Lage am Arbeitsmarkt verschlechtert sich deutlich“. 6 Im November 2001 waren 2,540 Mio. Menschen (7,6%) in West- und 1,396 Mio. Menschen (17,8%) in Ostdeutschland arbeitslos; Deutsche Bundesbank, saisonbereinigte Wirtschaftszahlen, Dezember 2001, statistisches Beiheft zum Monatsbericht 4, S. 28, unter Bezugnahme auf Ursprungswerte des Statistischen Bundesamtes, Bundesanstalt für Arbeit. Definition der Statistik der Bundesanstalt für Arbeit. 7 Inhaltlich ist Identisches mit der Einteilung in indirekte und direkte Subventionen gemeint, vgl. Tipke/Lang, Steuerrecht, § 19 Rn. 2. 8 „Gesetz zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft“ v. 8.6. 1967, BGBl. I, 582; im folgenden als Stabilitätsgesetz bezeichnet. 9 Diese „Mitteilung“ erfolgt durch den sog. Subventionsbericht der Bundesregierung. 10 18. Subventionsbericht der Bundesregierung über die Entwicklung der Finanzhilfen des Bundes und der Steuervergünstigungen für die Jahre 1999–2002, Berlin, August 2001, S. 22. Das Kieler Institut für Weltwirtschaft kommt 1997 auf der Basis eines erweiterten Subventionsbegriffs auf 300 Milliarden Mark. Hoffmann, DIE ZEIT, Nr. 35, 22.8. 1997, Wirtschaft. 11 18. Subventionsbericht der Bundesregierung über die Entwicklung der Finanzhilfen des Bundes und der Steuervergünstigungen für die Jahre 1999–2002, Berlin, August 2001, S. 12 Rn. 3.1a)11.
Teil I: Einleitung
3
Im europäischen Vergleich schneidet Deutschland schlecht ab: Die Subventionen nehmen in der Europäischen Union stetig ab.12 Nur Deutschland verharrt auf einem hohen Subventionsniveau.13 Sowohl absolut, als auch relativ führt Deutschland die Subventionsliste an. In Deutschland wurden nach Angaben der EU-Kommission 1999 30,4 Milliarden A, d.h. 371 A pro Einwohner ausgegeben.14 In Großbritannien waren es demgegenüber gerade mal 4,7 Milliarden A, d.h. 80 A pro Einwohner.15 Diese Entwicklung ist einerseits erstaunlich, andererseits aber auch bedenklich. Sie ist zunächst erstaunlich, weil der Anwendungszeitraum des Fördergebietsgesetzes Ende 1998 endete.16 Das Fördergebietsgesetz hatte in großem Umfang Sonderabschreibungen insbesondere auch im Bereich der Immobilien ermöglicht. Noch im Jahr 1999 betrugen die hierdurch insgesamt entstehenden Steuermindereinnahmen 909 Mio. A.17 Das Auslaufen des Fördergebietsgesetzes wird aber weitgehend durch das neue Investitionszulagengesetz 1999 aufgefangen.18 Die Steuermindereinnahmen durch die Ökologische Steuerreform werden im Jahr 2002 auf 4,6 Mrd. A ansteigen.19 Das Gesamtvolumen an Steuervergünstigungen wird damit um 2,3 Mrd. A auf 13,2 Mrd. A zunehmen. Diese Zunahme steht im scharfen Kontrast zu einer Abnahme der (direkten) Finanzhilfen von 10,8 Mrd. A auf 8,2 Mrd. A. Die Verminderung der Finanzhilfen ist in Höhe von 1,3 Mrd. A auf eine Abnahme der Finanzhilfen an den Bergbau zurückzuführen.20 Anstoß dieser Entwicklung ist entgegen der Darstellung der Bundesre12 Bis 1999 haben die Subventionen in der EU um 12% abgenommen. DIE ZEIT, Quelle: EU-Kommission, Nr. 17, 22.4.1999, „Subventionen in der EU“. 13 Von 1999 bis 2000 sind die Subventionen des Bundes sogar leicht gestiegen von 21,821 Milliarden auf 23,144 Milliarden, seitdem aber wieder auf 21,445 Milliarden zurückgegangen. 18. Subventionsbericht der Bundesregierung über die Entwicklung der Finanzhilfen des Bundes und der Steuervergünstigungen für die Jahre 1999–2002, Berlin, August 2001, S. 5. 14 DIE ZEIT, Quelle: EU-Kommission, Nr. 17, 22.4.1999, „Subventionen in der EU“. 15 DIE ZEIT, Quelle: EU-Kommission, Nr. 17, 22.4.1999, „Subventionen in der EU“. 16 18. Subventionsbericht der Bundesregierung über die Entwicklung der Finanzhilfen des Bundes und der Steuervergünstigungen für die Jahre 1999–2002, Berlin, August 2001, S. 28 Rn. 5.1b)34. 17 18. Subventionsbericht der Bundesregierung über die Entwicklung der Finanzhilfen des Bundes und der Steuervergünstigungen für die Jahre 1999–2002, Berlin, August 2001, S. 28 Rn. 5.1b)34, Übersicht 10. 18 Im Jahr 2000 wird das Investitionszulagengesetz nach dem Haushaltsplan zu Steuermindereinnahmen von 1785 Mio. A führen. 18. Subventionsbericht der Bundesregierung über die Entwicklung der Finanzhilfen des Bundes und der Steuervergünstigungen für die Jahre 1999–2002, Berlin, August 2001, S. 28 Rn. 5.1b)34, Übersicht 10. 19 18. Subventionsbericht der Bundesregierung über die Entwicklung der Finanzhilfen des Bundes und der Steuervergünstigungen für die Jahre 1999–2002, Berlin, August 2001, S. 12 Rn. 3.1a)11. 20 18. Subventionsbericht der Bundesregierung über die Entwicklung der Finanzhilfen des Bundes und der Steuervergünstigungen für die Jahre 1999–2002, Berlin, August 2001, S. 12 Rn. 3.1a)11.
4
Teil I: Einleitung
gierung21 jedoch nicht in erster Linie das „Zukunftsprogramm zur Sicherung von Arbeit, Wachstum und sozialer Stabilität“ der Bundesregierung, sondern das Auslaufen des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (= EGKSV). Der EGKSV endete gem. Art. 97 am 23.7.2002. Ab dann sind Kohle und Stahl „insbesondere im Rahmen der Wettbewerbspolitik“ als „normale Industrieprodukte“22 zu betrachten, auf die der EGV anwendbar ist. Die Entwicklung ist darüber hinaus jedoch auch bedenklich. In wirtschaftlicher Hinsicht tragen die Subventionen zur Staatsverschuldung bei23; ihre Effektivität24 läßt sich nur bedingt durch Sanktions- oder Überwachungsmechanismen sicherstellen25: Neben der Prüfung der zweckmäßigen Verwendung muß der Staat bei Fördermaßnahmen sicherstellen, daß die Verhaltenserwartung ohne die Förderung nicht erfüllt würde. Diese Frage nach einem hypothetischen Kausalverlauf kann er aber nicht einschätzen. Zum Beispiel mag die Investition einer Fabrik in neue Filteranlagen aus vielerlei wirtschaftlichen Gründen im Eigeninteresse des Unternehmens liegen. Vielleicht befindet sich eine derartige Investition schon in der Planung. Bietet der Staat hierfür nun eine Förderung an, wird das Unternehmen diese in Anspruch nehmen, ohne daß sein Verhalten sich ändern würde. Derartige „Mitnahme-Effekte“26 bedeuten eine Verschwendung von Staatsfinanzen. Diese Verschwendung wird nie offenbar werden, weil scheinbar das „Planziel“ von der Fabrik erreicht wurde. Eine effektive Umweltpolitik hat jedoch nicht stattgefunden. Der Haushalt ist unnötig belastet worden. Jede Subvention birgt demnach die Gefahr von Fehlallokation.27 Der Begriff bezeichnet einmal die unnötige Vergabe von Haushaltsmitteln; andererseits deutet er aber auch auf eine volkswirtschaftlich fehlerhafte Zuordnung von Wirt21 18. Subventionsbericht der Bundesregierung über die Entwicklung der Finanzhilfen des Bundes und der Steuervergünstigungen für die Jahre 1999–2002, Berlin, August 2001, S. 12 Rn. 3.1a)11. 22 Kommissionsvorschlag für eine Verordnung des Rates über staatliche Beihilfen für den Steinkohlebergbau, 501PC0423, Abschnitt: Begründung, 1. Einleitung, Absatz 1. 23 Legt man dafür nicht die durch Kameralistik, sondern durch Doppik (doppelte Buchführung) ermittelte Staatsverschuldung zugrunde liegt diese (unter Berücksichtigung der Renten- und Pensionsverpflichtungen der Zukunft) bei 330 Prozent des Bruttoinlandsproduktes, nicht bei 61 Prozent, FAZ v. 24.4.2004 Nr. 96 Standpunkte, „Die vergessene Reform“, S. 14. 24 Zum Teil wird die Effektivität von Subventionen für die Arbeitsmarktpolitik generell angezweifelt. So will etwa das Trierer Universitätsinstitut für Mittelstandsökonomie festgestellt haben, daß die Regionen, die mit Mitteln der „Gemeinschaftsaufgabe zur Förderung der regionalen Wirtschaftsstruktur aufgepäppelt wurden, 83.000 Arbeitsplätze verloren haben, während in Gebieten ohne Förderung 400.000 neue entstanden sein sollen“. Hoffmann, DIE ZEIT, Nr. 35, 22.8.1997, Wirtschaft. 25 Sie sind der Erfolgskontrolle entzogen, Tipke/Lang, Steuerrecht, § 20 Rn. 30. 26 Begriffsverwendung übernommen von Gusy, JA 1991, S. 287. 27 Für das Beispiel des Fördergebietsgesetzes, Wewers, DB 1993, S. 1490, Rn. V.
Teil I: Einleitung
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schaftsgütern hin. Die Gefahr der haushaltsmäßigen Fehlallokation ist um so größer, je mehr auf das Mittel der Verschonungssubvention zurückgegriffen wird, um die Verhaltenserwartung zu formulieren. Eine Norm kann nicht die Präzision herstellen, die durch einzelfallbezogenes Verwaltungshandeln entsteht. Der Steuerpflichtige wird jedoch auch in vom Normgeber nicht vorgesehenen „Grauzonen“ die Begünstigung für sich in Anspruch nehmen.28 Statt blühenden Landschaften entstehen so „versteinerte Luftschlösser, die niemand braucht“29. Daneben sind Subventionen nicht marktneutral. Sie beeinflussen das Marktgeschehen außerhalb des Spiels von Angebot und Nachfrage. Dadurch kommt es vielfach zu volkswirtschaftlichen „Entgleisungen“. Die Gefahr von Fehlallokation zeigen etwa die Abschreibungsmöglichkeiten im sozialen Wohnungsbau. Die Mieter, d.h. insbesondere die jüngeren Haushalte mit Kindern, werden von der Härte des durch diverse Ausnahmetatbestände überhöhten Steuertarifs getroffen.30 Investoren schreckt die Überregulierung im Wohnungsmarkt von der Investition ab. Wohlhabende, ältere Haushalte, die das Subventionsangebot durch Investitionen annehmen, werden von der Steuerpflicht entlastet.31 Die Ertragschancen der vorhandenen Wohnungen werden verringert, die Insolvenzgefahr für Vermieter gerade in Ostdeutschland hat erheblich zugenommen.32 Das große Angebot von Neubauten an den Stadtgrenzen führt dazu, daß sich mittlerweile so manches stadtplanerisch erwünschte Bauvorhaben nicht mehr rechnet.33 Volkswirtschaftlich kommt es zu einer Verlagerung der Finanzierungslasten. Machte 1960 die Lohnsteuer nicht einmal 12% aller Steuern aus, so sind es 1998 (einschließlich Solidaritätszuschlag) mehr als 33%.34 In vielen Fällen wirkt die Einkommensteuer damit nur noch scheinbar progressiv. Tatsächlich sinkt oft bei steigenden Brutto-„Einkommen“ die (relative oder gelegentlich die absolute) Steuerlast.35 Diese unangemessene Finanzlastverteilung zu Lasten der Arbeitnehmer ist um so bedrohlicher, als von 1980 bis 1997 die Bruttolöhne pro 28 Man mag dies als „Gießkanneneffekt“ bezeichnen; Interview zwischen Christian Wernicke und Karel van Miert. DIE ZEIT, Nr. 1, 27.12.1996, Wirtschaft. Karel van Miert: „. . . Wenn die anderen fördern, dann wollen wir es bei uns auch. Und der Nachbar legt dann noch einen drauf. Das ist eine geradezu perverse Logik. Dieser Wettlauf löst die Probleme nicht, er verlagert sie nur. Wir müssen diese alte Gießkanne in Europa endlich verschrotten.“ 29 Creutzburg, DIE ZEIT, Nr. 49, 29.1.1996, Wirtschaft. 30 Pfeiffer, FAZ, 20.7.2001, Nr. 166, S. 54. Creutzburg, DIE ZEIT, Nr. 49, 29.1.1996, Wirtschaft: „Nicht die Wohnungswirtschaft braucht Subventionen, sondern die einkommensschwachen Mieter . . .“. 31 Pfeiffer, FAZ, 20.7.2001, Nr. 166, S. 54. 32 Eekhoff, FAZ, 20.4.2001, Nr. 92, S. 55. 33 Creutzburg, DIE ZEIT, Nr. 49, 29.1.1996, Wirtschaft. 34 Herz, DIE ZEIT, Nr. 35, 20.8.1998. Wirtschaft. 35 Herz, DIE ZEIT, Nr. 35, 20.8.1998. Wirtschaft.
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Arbeitnehmer in der Bundesrepublik real um 15% gestiegen sind, während die Wirtschaftsleistung um 32% wuchs.36 Die Einkommensteuer verbleibt in ihrem Grundkonzept dennoch im Vergleich etwa mit der Umsatzsteuer eine „gerechte“ Steuer: Nach einer Statistik des Bundesfinanzministeriums trugen 5% der Steuerzahler mit Einkünften ab 143 TDM im Jahr 1998 zu 41% des Einkommensteueraufkommens bei. Die oberen 50% der Steuerzahler mit Einkünften ab 49 TDM trugen 91% des Einkommensteueraufkommens.37 Diese Grundkonzeption wird aber durchbrochen, wenn Spitzenverdiener die steuerlichen Subventionsangebote wahrnehmen, indem sie sich z. B. an wirtschaftlich unsinnigen38 Abschreibungsgesellschaften beteiligen.39 Unternehmen verschieben über (realitätswidrige) Abschreibungen ihre Finanzierungsverantwortlichkeit für das Gemeinwesen auf den Sankt-Nimmerleins-Tag.40 Ausländische Unternehmen hingegen lassen sich von einer Investition in Deutschland durch die (scheinbar) hohen41 Steuersätze abschrecken.42 Marktwirtschaftliche Verzerrungseffekte sind mit jeder Subvention zwingend verbunden. Im Umweltrecht ist diese volkswirtschaftliche Verzerrung ganz besonders zu beklagen. Über die Lenkungsabgabe hätte der Gesetzgeber es nämlich in der Hand, marktneutral korrigierend dieselben Lenkungszwecke zu erreichen: Mit der Subvention entscheidet sich der Staat, nicht den Verursacher der Umweltbelastung, sondern die Allgemeinheit zur Verantwortung zu ziehen. Umwelt kostet nichts. In der volkswirtschaftlichen Literatur wird deshalb darauf hingewiesen, daß der Marktmechanismus für die Allokation des Gutes „Umwelt“ nicht geeignet ist. Die Umweltkosten könnten nur dann wieder in den Markt36
Heuser, DIE ZEIT, Nr. 44, 24.10.1997, Wirtschaft. Lang, Europa- und verfassungsrechtliche Maßstäbe für eine Besteuerung der Unternehmen, Grundrechtsschutz im Steuerrecht, S. 23. 38 Reibert hat das sehr treffend formuliert: „Soweit bei Abschreibungsgesellschaften in der Hauptsache die Verlustzuweisung im Vordergrund steht und keine ausreichende Gewährung für eine ökonomisch sinnvolle, d.h. langfristig rentable Durchführung gegeben ist, sind diese Investitionen auch regionalpolitisch ineffizient. „Abschreibungsruinen“ schaffen keine sicheren Arbeitsplätze und haben keinen Kapazitätseffekt, sondern bedeuten Fehlleitung von Ressourcen.“ Reibert, Problematik von Sonderabschreibungen, S. 154. 39 Lang, Europa- und verfassungsrechtliche Maßstäbe für eine Besteuerung der Unternehmen, Grundrechtsschutz im Steuerrecht, S. 74. 40 Herz, DIE ZEIT, Nr. 36, 27.8.1998. Wirtschaft. 41 Überhöhte Einkommensteuersätze mögen auf den ersten Blick „gerecht“ erscheinen; sie führen jedoch zu Auswanderung und Leistungsverminderung bei den Spitzenverdienern. Zu hohe Steuern können deshalb eine wirtschaftliche Abwärtsspirale einleiten. Den Bedürftigen ist deshalb durch überhöhte Steuern nicht geholfen, Bareis, Maßstäbe für die Besteuerung des Einkommens, Grundrechtsschutz im Steuerrecht, S. 101. 42 Herz, DIE ZEIT, Nr. 36, 27.8.1998. Wirtschaft. 37
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prozeß integriert werden, wenn der Staat diese Kosten dem Verursacher aufbürdet (Verursacherprinzip). Die Internalisierung der (externen) Umweltkosten43 wird jedoch nicht erreicht, wenn über Subventionen die Allgemeinheit zum Schutze der Umwelt aufkommt (Gemeinlastprinzip).44 Eine Mischform der Internalisierung bilden Finanzierungssonderabgaben. Nicht der einzelne Verursacher, aber auch nicht die Allgemeinheit wird dabei zur Verantwortung gezogen. Sie verwirklichen damit das sog. Gruppenlastprinzip.45 In der praktischen Umsetzung einer umweltbezogenen Lenkungssteuer zeigt sich jedoch wieder die Inkonsequenz des Gesetzgebers. Das Ökosteuergesetz enthält Ausnahmetatbestände im Umfang von 4,9 Milliarden Mark.46 Die Ökosteuer vermeidet die Belastung des produzierenden Gewerbes und verfehlt damit ihren marktkorrigierenden Lenkungszweck.47 Gleiches gilt für die Steuerfreiheit von Flugbenzin und einer Kilometerpauschale, die die Arbeitnehmer ermutigt, mit dem Auto zu einer weit-entfernten Arbeitsstätte zu fahren.48 In der volkswirtschaftlichen Theorie ist jedoch die Lenkungsabgabe der Subvention, das Verursacherprinzip dem Gemeinlastprinzip überlegen. Der (unvollständige) Marktmechanismus wird bei der Subvention nicht korrigiert. Im Gegenteil, der im umweltbezogenen Industriesektor von sich aus fehlerhaft funktionierende Markt droht zusätzlich verzerrt zu werden. Zu den wirtschaftlichen Bedenken gesellen sich aber auch politische Bedenken. Die Ausnahmevorschriften begünstigen die Vermögensbildung und führen zu einer Vermögensschere. Drei Viertel der neuen Mietwohnungen in Ostdeutschland gehören Privateigentümern aus den alten Bundesländern.49 Die Vermögen sind ungleicher verteilt als die Einkommen. Das trifft auch auf das Geldvermögen zu.50 Mit einer derartigen Entwicklung fördert man politische 43 Zum Begriff der Internalisierung, Bareis/Elser, DVBl. 2000, S. 1178; das Begriffspaar „intern“/“extern“ bezieht sich auf die Einbeziehung als Kostenfaktor im Produktionskreislauf. 44 Vgl. dazu, Wieberneit, Ordnungsrahmen für Umweltsubventionen, S. 55. Die Befürwortung der Internalisierung der Umweltkosten geht auf A. C. Pigou zurück. 45 Wieberneit, Ordnungsrahmen für Umweltsubventionen. S. 68 ff. (76). 46 Vorholz, DIE ZEIT, Nr. 5, 27.1.2000, Wirtschaft. 47 Anderer Ansicht ist wohl die Kommission, die die Befreiungen von der deutschen Ökosteuer genehmigt hat. Über die Genehmigungsbefristung hat die Kommission jedoch weiterhin das Steuer in der Hand: „Günstig hat sie dabei beurteilt, daß die Steuerermäßigung nunmehr bis zum Jahr 2005 begrenzt ist und daß die deutschen Behörden zugesagt haben, den Spitzenausgleich gesetzlich zu beenden, falls die Industrie das für das Jahr 2005 gesteckte Ziel nicht erreichen sollte. Der Spitzenausgleich wird bereits im Jahr 2004 beendet, falls sich herausstellt, daß selbst unter zusätzlichen Anstrengungen die Zielvorgabe für das Jahr 2005 nicht erfüllt werden kann.“ Pressemitteilung vom 13.2.2002 Dokumentennummer IP/02/240. 48 Vorholz, DIE ZEIT, Nr. 5, 27.1.2000, Wirtschaft. 49 Creutzburg, DIE ZEIT, Nr. 49, 29.1.1996, Wirtschaft. 50 Heuser, DIE ZEIT, Nr. 44, 24.10.1997, Wirtschaft.
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Gruppierungen am rechten und linken Rand der politischen Mitte. Zudem erweisen sich Subventionen als erstaunlich reform-resistent. Wirkt sich eine Subvention zu Gunsten eines bestimmten Wirtschaftszweiges aus, findet sich leicht eine Lobby, die „aus Gründen des Gemeinwohls“ um den Erhalt der Subvention politisch zu kämpfen bereit ist. Das fällt um so leichter, als dem Steuergesetzgeber so viele Differenzierungseinheiten zur Verfügung stehen, wie eine Geldsumme in Euro teilbar ist.51 Das zeigen insbesondere die Reaktionen auf die Aufforderung des (ehemaligen) Wirtschaftsministers Werner Müller, konkrete Subventionskürzungen vorzuschlagen. Mario Ohoven, Präsident des Bundesverbandes mittelständischer Wirtschaft, fühlte sich nicht angesprochen. Beim Mittelstand sei Müller an der falschen Adresse. Auch Michael Fuchs, Präsident des Deutschen Groß- und Außenhandelsverbandes (BGA), befand: „Wir können aber zur Subventionskürzung praktisch keinen Beitrag leisten, da wir nicht zu den Subventionsempfängern gehören.“ Hans-Olaf Henkel, Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), stellte sich stumm, hat aber schließlich doch einen Schuldigen gefunden. 2004 solle mit der Ostförderung ein für allemal Schluß sein.52 Konkrete Vorschläge wollte keiner machen.53 Die Politik verhilft sich mit Euphemismus. Das gilt für Politiker gleich welcher Couleur.54 Schon 1960 befürchtete Stern, daß die Undurchsichtigkeit des Subventionswesens „es dem Lobbyismus gestattet, durch geschickte Lancierung im politischen Raum Subventionen unter Verdeckung der wahren Absichten (Interessentenwünsche) aus volkswirtschaftlichen Gründen durchzusetzen.“55 Die rechtlichen Bedenken, die hier nur kurz anzudeuten sind, beziehen sich auf das Verfassungsrecht (I) und auf das Europarecht (II).
§ 1 Verfassungsrechtliche Bedenken Die verfassungsrechtlichen Bedenken bestehen einerseits im Hinblick auf die Rechtserwartungen des Individuums ((1)–(4)), andererseits im Hinblick auf die Kompetenzverteilung in unserem Staatswesen (5). (1) Der Steuerspareffekt steigt mit der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen. Es kommt zu einer Verschonungssubvention zu Gunsten 51
Paul Kirchhof, Die Kunst der Steuergesetzgebung, NJW 1987, S. 3219. Schmid, DIE ZEIT, Nr. 19, 6.5.1999, Wirtschaft. 53 Ein fernöstliches Sprichwort lautet: „Willst du den Sumpf austrocknen, darfst du nicht die Frösche befragen.“ Hoffmann, DIE ZEIT, Nr. 15, 8.4.1999, Wirtschaft. 54 Etwa auch für Günter Rexrodt, ehem. Wirtschaftsminister. Hoffmann, DIE ZEIT, Nr. 35, 22.8.1997, Wirtschaft. 55 Stern, JZ 1960, S. 519; diese Angst vor einem unüberschaubaren Klientelismus ist nicht verebbt. Vgl. etwa Herz, DIE ZEIT, Nr. 33, 10.8.2000. 52
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der „Besserverdienenden“, „Minderbemittelte“ erreicht der Leistungsanreiz nicht.56 Steuerliche Verschonungssubventionen sind „progressionswirksam“. Diese „umgekehrte“ einkommensteuerliche Progression widerspricht dem Grundgedanken des Einkommensteuerrechts. Aus der gesetzlichen Entscheidung für einen progressiven Tarif ist erkennbar, daß der Gesetzgeber mit steigender Leistungsfähigkeit eine verstärkte staatliche Teilhabe am wirtschaftlichen Erfolg herstellen wollte. Dieses Ziel wird verfehlt, wenn der Gesetzgeber an anderer Stelle Ausnahmen zur Verfügung stellt, deren Auswirkungen vor allem die Besserverdienenden zur Umgehung der Progression auffordert. Wer die Ansicht vertritt, die Progressionswirksamkeit von steuerlichen Fördermaßnahmen sei „systembedingt“ und unvermeidbar, der irrt: In dem Konzept zur Vereinfachung des Steuerrechts von Herrn Professor Paul Kirchhof hat der ehemalige Verfassungsrichter vorgeschlagen, die Frage der Steuerprogression von zunehmendem Einkommen nicht über einen progressiven Steuersatz, sondern über die progressive Einbeziehung in die Bemessungsgrundlage zu lösen. Nach dem Reformmodell sollen Einkommen, die den geplanten jährlichen Grundfreibetrag von 8000 Euro unterschreiten, durch einen Sozialausgleich entlastet werden. Die ersten über den Grundfreibetrag hinausgehenden 5000 Euro unterliegen nach dem Modell der Steuer jedoch nur zu 60%, die folgenden 5000 zu 80% und erst danach soll der Steuersatz von 25% voll greifen.57 Dieses Modell hat den Vorteil, daß es etwaige Bewertungsvorteile wirkungsneutral auf alle Einkommensschichten verteilt. Nach dem bisherigen Steuerrecht wirkt sich nämlich jede Fehlbewertung bei der Bemessungsgrundlage erst bei höheren Einkommen voll aus; der Entwurf des Verfassungsrichters verdient deshalb gerade in der Frage der technischen Umsetzung des Progressionsgedankens höchste Beachtung. Selbst bei Fortführung der vielfachen Fehlbewertungen in der Bemessungsgrundlage würde die von Kirchhof vorgeschlagene Bemessungsgrundlagenprogression etwaige Bewertungsfehler in jedem Fall abmildern. Festzuhalten bleibt, daß die Progressionswirksamkeit von Verschonungssubventionen gesetzestechnisch nicht zwingend ist. (2) Die vielen Ausnahmetatbestände im Einkommensteuerrecht bewirken, daß die Einkommensteuer insgesamt nicht mehr den sie tragenden Prinzipien der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit gerecht wird. Die Einkommensteuer ist zu einer „Dummensteuer“ verkommen.58 Die unterschiedlichen 56
Paul Kirchhof, DStR 2001, S. 915, Rn. 3.2. FAZ, 26.9.2003, Nr. 224, S. 13, Länder starten Initiative für radikale Steuerreform. Konzept des früheren Verfassungsrichters Kirchhof wird geprüft/Einheitlicher Steuersatz von 25 Prozent. 58 Wassermeyer, DStR 2001, S. 921, Rn. 2. 57
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Belastungswirkungen sind nicht mehr Ausdruck des Prinzips der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit, sondern eines steuernden Staatseingriffs.59 Diesen Zusammenhang hat auch das Bundesverfassungsgericht erkannt. In der Entscheidung über den Abbau des ermäßigten Tarifs für wissenschaftliche oder künstlerische Nebentätigkeiten formulierte es u. a.: „Bei der Streichung einer steuerlichen Begünstigung und der daraus folgenden Anwendung des allgemeinen Steuertarifs handelt es sich grundsätzlich nicht um die Herbeiführung einer neuen Ungleichheit, sondern um die Herstellung größerer Gleichheit.“60 Ähnlich entschied das Bundesverfassungsgericht in der Frage der Aufhebung der Steuerfreiheit des Zinsertrags von Sozialpfandbriefen61 (1. Leitsatz): „Der Abbau einer nicht mehr gerechtfertigten Steuersubvention bezweckt damit die folgerichtige Ausgestaltung der steuergesetzlichen Belastungsgründe (vgl. BVerfGE 81, 108 [118]) und wird so auch im Hinblick auf die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit grundsätzlich durch einen hinreichenden Legitimationsgrund getragen. Genügt die Belastungsgrundentscheidung den Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes, dann kann für die Entscheidung, einen Steuerpflichtigen durch Aufhebung einer Steuerbefreiung nach den grundsätzlich gleichen Belastungsprinzipien zu besteuern, in der Regel nichts anderes gelten.“
Das Steuerrecht wird durch die vielen Ausnahmen und Rückausnahmen unübersichtlich. Der Steuerpflichtige wird dennoch bei Strafe (§§ 369 ff. AO) zu der Einhaltung der Absurditäten gezwungen. Üblich sind deshalb die Klagen, das Steuerrecht sei zu einem „Chaos“, „Dschungel“ oder gar einer „Perversion“ verkommen62. Der Steuerpflichtige wird zur List angestachelt. Das Steuergesetz verliert an Autorität.63 Der Autoritätsverlust äußert sich auf Seiten des Steuerpflichtigen durch Ausweichmanöver, auf Seiten des Verfassungsjuristen durch (berechtigte) Ungeduld: „judicial activism“ sei dort am Platze, wo der parlamentarische Gesetzgeber sich lange Zeit hindurch verweigere bzw. unfähig zeige, grundlegende Gerechtigkeitsprinzipien durchzusetzen.64
59 Gegenbegriff zu der „Gestaltungsgleichheit“ ist der Begriff der „personenbezogenen Statusgleichheit“. Die Unterscheidung dient dem Ziel der bereichsspezifischen Differenzierung des Gleichheitssatzes, BVerfGE 84, 239 (268); vgl. zur Terminologie Paul Kirchhof, Die Verschiedenheit der Menschen und die Gleichheit vor dem Gesetz, S. 46 Rn. V1.a). 60 BVerfGE 81, 108–122 (114 ff.). 61 Die Inhaber dieser Pfandbriefe hielten den damit verbundenen Wertverlust für eine Beeinträchtigung ihres Eigentums. Das Bundesverfassungsgericht entschied weder das Eigentum, noch der Vertrauensschutz sei verletzt worden. BVerfGE 105, 17–48, Entscheidung des 2. Senates v. 5.2.2002. 62 Vogel, Die Steuergewalt und ihre Grenzen, S. 531 m. w. N. 63 Paul Kirchhof, Besteuerung im Verfassungsstaat, S. 21.
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(3) Diese Manipulierung des Steuerpflichtigen beeinträchtigt ihn in seiner wirtschaftlichen Freiheit. Die Trennung zwischen privater Wirtschaftsordnung und teilhabender Staatsgewalt wird aufgehoben. Eine unklare „Gemengelage“ entsteht, in der die wirtschaftliche Verantwortlichkeit für den Erfolg eines Vorhabens nicht mehr klar erkennbar ist. Ob darin eine Beeinträchtigung des Prinzips des Steuerstaats und/oder der Art. 12/14/2 I GG zu sehen ist, bleibt späterer Erörterung überlassen.65 (4) Zudem versucht der Gesetzgeber – angesichts der von ihm selbst angeordneten Auswüchse – dem selbst geschaffenen Problem entgegenzusteuern. Anstatt am Grund der Malaise zu arbeiten – etwa die Abschreibungsmöglichkeiten auf ein vernünftiges Maß zu begrenzen –, feilt er dann vielfach an den Rechtsfolgen. So ist etwa eine Mindestbesteuerung gem. § 2 III EStG entstanden, die selbst für Steuerrechtsexperten nicht durch bloße Gesetzeslektüre nachvollziehbar ist.66 Erst das Datenverarbeitungsprogramm der DATEV führt dazu, daß der Steuerpflichtige noch seiner Erklärungspflicht nachgehen kann. Auch das Steuerrecht unterliegt dem Rechtsgrundsatz „impossibilium nulla est obligatio“. Angesichts einer Vorschrift des § 2 III EStG verkommt das Recht jedoch zu einem unverständlichen Datenwust. (5) Auch die Kompetenzverteilung in unserem Staatswesen wird durch Steuervergünstigungstatbestände beeinträchtigt. Die Beeinträchtigung bezieht sich zunächst (a) auf das Verhältnis zwischen Exekutive und Legislative innerhalb des Zentralstaats, betrifft mittelbar aber auch (b) die vertikale Gewaltenteilung zwischen Bund und Ländern. (a) Das Verhältnis zwischen Exekutive und Legislative im Zentralstaat Grundsätzlich hat der Bundestag über (alle) Einnahmen und Ausgaben zu wachen (Art. 110 I, II 1 GG, Bruttoprinzip). Die Ausgabenermächtigung erteilt das Parlament durch den Haushaltsplan (§ 3 I BHO; § 3 I HGrG). Eine große Anzahl der Direktsubventionen vollzieht die Verwaltung allein auf Grundlage des Haushaltsplanes.67 Der Haushaltsplan soll eine vollständige Sicht der Staatsfinanzen widerspiegeln (vgl. § 8, 11 II, 15 I BHO).
64 Vgl. Vogel, Die Steuergewalt und ihre Grenzen, S. 558 unter Bezugnahme auf ein Zitat von Peter Häberle, FS für Klaus Vogel, 2000, S. 139 (152). 65 Siehe „B. Art. 12 I GG“. 66 Offensichtlich war sich die Bundesregierung bis zur Vorlage des Entwurfs nicht klar, was sie eigentlich wollte. Jedenfalls sollte irgendwie eine Mindestbesteuerung eingeführt werden (Schmid, DIE ZEIT, Nr. 29, 9.7.1998, Wirtschaft). Die politische Konzeptionslosigkeit ist inzwischen ein handfestes, juristisches Auslegungsproblem geworden. 67 Mußgnug, Der Haushaltsplan als Gesetz, S. 12.
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Diese horizontale Kompetenzzuweisung wird durch Verschonungssubventionen beeinträchtigt.68 Steuervergünstigungen sind nicht transparent. Die Beeinträchtigung des Haushalts geschieht außerhalb des Parlaments. Der steuerliche Verschonungstatbestand wirkt zeitlich vor der Einnahmenerzielung durch den Staat. Die Lenkung geschieht außerhalb der Staatsfinanzen – wenngleich auf Kosten der Staatsfinanzen. Für Steuervergünstigungen steht kein „Haushalts-Titel“ zur Verfügung.69 Diese Gefahr haben die Amerikaner schon früh erkannt. Sie sprechen von „tax expenditures“.70 Um der Beeinträchtigung der parlamentarischen Haushaltshoheit wenigstens konzeptionell zu begegnen, ordnet § 12 Stabilitätsgesetz die Offenbarung der Steuervergünstigungen an. Im daraufhin ergehenden Subventionsbericht der Bundesregierung werden Steuervergünstigungen jedoch nur unvollständig aufgeführt. Unter Steuervergünstigungen erfaßt der Subventionsbericht nur „spezielle steuerliche Ausnahmeregelungen, die für die öffentliche Hand zu Mindereinnahmen führen“.71 Die Subventionsabgrenzung „konzentriere“ sich auf Hilfen für private Unternehmen und Wirtschaftszweige. Die Bundesregierung führt steuerliche Sonderregelungen nicht auf, wenn sie nicht nur eine Minderheit der Steuerpflichtigen betreffen.72 Die unvollständigen Angaben der Bundesregierung über die Höhe der Steuerausfälle beruhen überdies „im allgemeinen auf Schätzungen“ und stellen schon nach Ansicht der Bundesregierung selbst „nur Größenordnungen dar“.73 Die 68
Ähnlich Gusy JA 1991, S. 333. Über den Haushaltsplan wird die Anpassung an die Wirklichkeit aufgeteilt. Die Grundsatzanpassung ist gesetzlich, die Detailergänzung administrativ. Vgl. Paul Kirchhof, Verwalten und Zeit, S. 20 Rn. 3. b)bb)b). 70 Seit 1974 schreibt das Congressional Budget and Impoundment Control Act vor, daß der jährliche Haushaltsvoranschlag des Präsidenten eine Liste der tax expenditures sowie aller vorgeschlagenen Veränderungen enthalten muß. Schon 1966 hatte Präsident Johnson dazu aufgefordert, die tax expenditures regelmäßig auf ihre Effektivität und Angemessenheit zu überprüfen. Diese Initiativen gehen wohl auf den damaligen Unterstaatssekretär für Steuerpolitik Stanley S. Surrey zurück. Vogel, StuW 1977, S. 98. 71 18. Subventionsbericht der Bundesregierung über die Entwicklung der Finanzhilfen des Bundes und der Steuervergünstigungen für die Jahre 1999–2002, Berlin, August 2001, S. 10 Rn. 2.3, Gesetzliche Grundlagen und Subventionsbegriff, 6. 72 „Eine Steuervergünstigung wird im Subventionsbericht tendenziell um so weniger als Subvention angesehen, je größer der Kreis der Begünstigten ist. Allgemeine Steuerentlastungen, wie etwa Tariffreibeträge oder der Sparerfreibetrag, sind daher nicht als Subventionen anzusehen.“, 18. Subventionsbericht der Bundesregierung über die Entwicklung der Finanzhilfen des Bundes und der Steuervergünstigungen für die Jahre 1999–2002, Berlin, August 2001, S. 129 Anhang 8. Wenn die Bundesregierung eine Steuervergünstigung „tendenziell“ nicht als Steuervergünstigung ansieht, wird sie diese nicht anführen. Tipke nimmt an, daß erst ab einer Mehrzahl der Steuerpflichtigen die Subvention nicht mehr aufgeführt wird, Tipke/Lang, Steuerrecht, § 20 Rn. 15 Fußnote 1. 69
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Steuervergünstigung nimmt der Steuerpflichtige von sich aus in Anspruch. Während bei der Vergabefinanzhilfe eine Ermessensausübung auf Seiten des Staates stattfindet, handelt bei der Steuervergünstigung der Steuerpflichtige „eigenmächtig“. Eine Kontrolle im Einzelfall findet nicht statt. Die Abgrenzung, nach der die Bundesregierung im Subventionsbericht vorgeht, wird vielfach kritisiert, teilweise aber auch als „absurd“74 bezeichnet. Eine (peinliche) Offenbarung wird vermieden.75 (b) Die vertikale Gewaltenteilung zwischen Bund und Ländern Das Machtgleichgewicht zwischen Bund und Ländern wird vom Grundgesetz nach den verschiedenen Sachbereichen jeweils unterschiedlich geregelt. Im Bereich der Sachgesetzgebung hat sich das Grundgesetz im Ergebnis für weitreichende Befugnisse des Bundes entschieden, bei den ertragsstarken Steuern ist das ähnlich (vgl. Art. 105 II GG). Im Bereich der Verwaltungszuständigkeiten spricht sich das Grundgesetz grundsätzlich gegen eine Bundesverwaltung aus. Die Länder tragen die Verwaltungslast. Daraus folgt auch die Kostenlast und Ausgabenbefugnis (Art. 104a GG) und eine im Grundsatz gleiche Ertragszuweisung bei den Einnahmen (Art. 106 III GG). Gem. Art. 104a I GG tragen der Bund und die Länder gesondert die Ausgaben, die sich aus der Wahrnehmung ihrer (Verwaltungs-)Aufgaben ergeben, soweit dieses Grundgesetz nichts anderes bestimmt (Konnexitätsprinzip). Hinter Art. 104a I GG steckt die einfache Vorstellung, daß die Pflicht zur Ausgabe auch 73 18. Subventionsbericht der Bundesregierung über die Entwicklung der Finanzhilfen des Bundes und der Steuervergünstigungen für die Jahre 1999–2002, Berlin, August 2001, S. 76, Fußnotenerklärung 4) Absatz 2. Dies zeigt auch folgendes Beispiel: Die Steuervergünstigung gem. § 82f EStDV für alle Luft- und Seeverkehrsunternehmen hatte die Bundesregierung im Subventionsbericht vom 11.11.1991 mit insgesamt 10 Mio. A beziffert. Eine Aufteilung dieses Betrages auf die einzelnen Luftverkehrsunternehmen war der Bundesregierung trotz Aufforderung der Kommission nicht möglich, Mitteilung der Kommission Nr. C 16/3 in 1994. Wenn diese Aufteilung schon bei derart speziellen Tatbeständen nicht möglich ist, worauf beruhen dann die Angaben im Subventionsbericht bei Steuervergünstigungen mit größerer Streuungsbreite? Paul Kirchhof ist sogar der Ansicht, der Gesetzgeber könne den durch steuerliche Subventionsangebote bedingten Einnahmeausfall „auch nicht annähernd“ schätzen, DStR 2001, S. 915, Rn. 3.2. 74 Hoffmann, DIE ZEIT, Nr. 35, 22.8.1997, Wirtschaft: „. . . Die Beliebigkeit, mit der direkte und indirekte steuerliche Finanzhilfen als Subvention oder auch nicht gewertet werden, ist denn auch der Grund dafür, weshalb die Subventionsberichte das tatsächliche Volumen staatlicher Hilfe mehr verschleiern als erhellen.“ 75 Schaden ist der Ansicht, es würden nur die wettbewerbsrelevanten Subventionen aufgeführt und „unter diesem Gesichtspunkt sei es dann . . . gar nicht so falsch, solche Vergünstigungen aus dem Subventionsbericht auszuschließen, die einer Majorität zugute kommen.“ Er verkennt dabei, daß der Subventionsbericht (auch) der Haushaltshoheit des Parlaments dient. Deshalb ist die Nichtaufführung von Verschonungstatbeständen rechtswidrig.
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eine Machtzuweisung bedeutet. Wer zahlt, bestimmt. Steuervergünstigungen bringen dieses ausgeklügelte Gleichgewicht ins Wanken: (aa) Die Sachgesetzgebungskompetenz der Länder im Kulturbereich wird beeinträchtigt, wenn der Bundessteuergesetzgeber die Leistungssubvention meidet. Die Voraussetzungen einer Leistungssubvention für Baudenkmäler etwa kann der Bund nicht bestimmen; statt dessen bedient er sich der Bestimmung einer „erhöhten Absetzung bei Baudenkmalen“ gem. § 7i EStG. Die Sachgesetzgebungskompetenz der Länder wird ausgehöhlt. (bb) Eine Leistungssubvention kann nach den Verwaltungszuständigkeiten gem. Art. 83 ff. im Grundsatz nur von den Ländern verfaßt werden, die dafür gem. Art. 104a GG die Kosten tragen müssen. Subventionsvergabe ist im Außenverhältnis Verwaltungshandeln nach Art. 83 ff. GG und damit grundsätzlich Ländersache.76 Verwaltungs- und Ausgabenhoheiten werden umgangen, wenn der Bund statt der Leistungssubvention die steuerliche Verschonungssubvention anordnet. Aus Sicht der betroffenen Subventionsnehmer ist es jedoch nur eine Frage der technischen Abwicklung, ob eine (direkte) Investitionszulage oder eine (indirekte) Steuervergünstigung gewährt wird. Bis zum Veranlagungszeitraum 1999 betraf der Maximalsteuersatz in der Proportionalzone der Einkommensteuer 53%. Bei einem derartigen Steuersatz kommt es einem Befehl nahe, einem Steuerpflichtigen eine Steuervergünstigung anzubieten. Den Steuerpflichtigen erreicht die Nachricht des (Bundes-)Einkommensteuergesetzes: „Kaufe sonderabschreibungsfähige Kulturgüter § 7i EStG oder Du zahlst 53% auf Deine letztverdiente Mark.“ Über diesen befehlsnahen Anreiz kann der Bund mittelbar verwalten. Auch die Verwaltungskompetenz der Länder scheint beeinträchtigt zu sein. (cc) Einkommensteuerliche Vergünstigungen werden durch den Bundestag (in der Regel mit Zustimmung des Bundesrates, Art. 105 III GG) beschlossen, wirken sich in finanzieller Hinsicht jedoch auch zu Lasten von Ländern und Gemeinden aus. Deren Ertragshoheit ist beeinträchtigt.77 Gem. Art. 106 III 1 GG steht das Aufkommen der Einkommensteuer dem Bund und den Ländern gemeinsam zu, nachdem vorab an die Gemeinden ein Anteil an dem Aufkommen weitergeleitet worden ist (Art. 106 V GG). 76 Nach Gusy ist das Leistungsvergaberecht eine Annexkompetenz zu den allgemeinen Verwaltungskompetenzen, damit aber auch Sache der Länder, Gusy, JA 1991, S. 327. 77 Vgl. Paul Kirchhof, DStR 2001, S. 915.
§ 2 Europarechtliche Bedenken
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Der Effekt ist überdies subtil. Eine offene Finanzhilfe an Gutverdienende für Investitionen in den Neuen Bundesländern würde den Zorn der Bevölkerung heraufbeschwören. Eine Sonderabschreibung, die sich faktisch ähnlich auswirkt, läßt sich viel schwieriger erfassen. Die Subtilität macht die Steuervergünstigung politisch akzeptabel.
§ 2 Europarechtliche Bedenken Die Subtilität der Steuervergünstigung wirkt sich auch im Verhältnis zum Europarecht aus. Eine direkte Finanzhilfe läßt sich nicht kaschieren. Die große Masse der Verfahren, die die Kommission wegen Verstoßes gegen das Recht der Beihilfen einleitet, beziehen sich demgemäß auf Finanzhilfen. Gegen Steuervergünstigungen vorzugehen, ist ungemein schwieriger. Schon die Abgrenzung der Begünstigten-Gruppe bereitet Probleme, sind diese doch namentlich nicht zu erfassen. Steuervergünstigungen sind damit auch europarechtlich in einer „Grauzone“, die sich ein geschickter Gesetzgeber zunutze machen kann. Investitionsförderung durch Steuervergünstigung bringen – wie besehen – keinen zusätzlichen Verwaltungsaufwand mit sich. Die Streuungsbreite der Begünstigung wird nicht administrativ angepaßt. Die Verwaltung wird durch das Gesetz entlastet.78 Außerdem wird die Steuervergünstigung vom Empfänger der Verhaltensaufforderung eher akzeptiert als die direkte Subvention.79 Er hat nicht das Gefühl, auf Almosen angewiesen zu sein, sondern daß sein Vermögenserfolg auf eigenem Tun beruht. Die Beeinflussung durch „Lockbrot“ anstelle von Befehl und Zwang entspricht zudem dem wirtschaftlichen Denken des Steuerpflichtigen. Die Beeinflussung ist „marktkonform“. Andere ökonomische Interessen können sich gegen die Verhaltenserwartung durchsetzen, wenn ihr Nutzen die Subvention kompensiert.80 Die Verhaltenserwartung einer Steuervergünstigung wird vom Steuerpflichtigen aus Eigeninitiative und damit schneller umgesetzt, als ein schwerfälliger Staat es in einem Verwaltungsprogramm verwirklichen könnte. Die Investitionsförderung durch Abschreibungstatbestände bildet eine Unterart der Investitionsförderung durch Steuervergünstigung. Der Staat steht mit diesem Verhalten in der Tradition von John Meynard Keynes. Die Massenarbeitslosigkeit zu Anfang der 30er Jahre hatte Keynes beunruhigt. Ein weitgehend liberales Wirtschaftssystem hatte zu einer bisher unbekannten wirtschaftlichen Schieflage geführt. Ausgangspunkt seiner Argumentation war die Kritik an der „quantity theory of money“.81 Die „quantity theory of money“ ging von dem 78
Paul Kirchhof, Verwalten und Zeit, S. 26 Rn. 4f). Lang nimmt an, daß viele Bürger auf eine Minderung der lästigen Steuer stärker reagieren als auf entsprechende Transferzahlung. Tipke/Lang, Steuerrecht, § 20 Rn. 32. 80 Jarass, Jus 1980, S. 115. 79
16
Teil I: Einleitung
Gedanken aus, daß Geld an sich keinen Gebrauchswert hat. Folglich würde – wenn die Gewohnheiten der Menschen sich nicht ändern – die Summe an Kaufkraft, die die Menschen in der Form von Geld halten, immer gleich sein. Wenn „n“ also die Anzahl der Banknoten ist, „p“ der Preis jeder Verbrauchseinheit und die vorsorglich gehaltenen Verbrauchseinheiten „k“ benannt werden, folgt daraus zunächst ein konstantes Verhältnis von „n“ zu „p“ und „k“. Die Anzahl der von den Verbrauchern gehaltenen Banknoten wird dem entsprechen, was der Einzelne als Preis einer Verbrauchseinheit mit seinem Sicherheitsbedürfnis an reservierten Verbrauchseinheiten „k“ zu halten bereit ist: npk \dag:82
Daraus folgten die Quantitätstheoretiker vor Keynes, daß eine Verdoppelung der Geldmenge zu einer Verdoppelung der Preise führen würde (= Inflation). Konsequenz dieser Argumentationslinie war es, daß eine Erweiterung der Geldmenge nicht als geeignetes Mittel angesehen wurde, um ein Wirtschaftswachstum herbeizuführen. Daraus folgte der nicht-interventionistische Staat. Die bisherige Lehre kritisierte Keynes mit den berühmten Worten: „Now ,in the long run‘ this is probably true . . . In the long run we are all dead.“83
Er spricht sich dafür aus, durch Erweiterungen der Geldmenge würde – wenigstens kurzfristig – auch „k“ geändert.84 „n“ und „p“ würden nicht strikt proportional aufeinander reagieren. Der Konsument würde das plötzlich scheinbare „Mehr“ an Kaufkraft einsetzen. Damit würde die Wirtschaft angekurbelt. Auch langfristig sei damit eine Änderung des Kaufverhaltens zu erwarten, „k“ sei keine fixe Größe. Keynes war deshalb der Meinung, der Staat müsse die Wirtschaft in Zeiten der Depression wieder ankurbeln. Der Staat solle über Kredite Investitionen fördern und den Preis des Geldes, den Zinssatz, erniedrigen. Diese „easy money policy“ würde zu Konsumausgaben und Investitionen führen. Früher wie heute steht einer streng keynesianischen Politik das Recht entgegen. Die Deutsche Bundesbank war gem. Art. 88 GG unabhängig, die Europäische Zentralbank ist gem. Art. 108 EGV (vgl. dazu Art. 88 S. 2 GG85) unab81 Keynes, a tract on monetary reform, chapter III The theory of money and of the foreign exchanges, page 75. 82 Diese Formel läßt sich ohne Mühe erweitern, um die Bargeldrücklagen der Banken mitzuerfassen, Keynes, a tract on monetary reform, chapter III The theory of money and of the foreign exchanges, page 75 ff. 83 Keynes, a tract on monetary reform, chapter III The theory of money and of the foreign exchanges, page 83. 84 Keynes, a tract on monetary reform, chapter III The theory of money and of the foreign exchanges, page 83. 85 Art. 88 GG (n. F.): „Der Bund errichtet eine Währungs- und Notenbank als Bundesbank. Ihre Aufgaben und Befugnisse können im Rahmen der Europäischen Union
§ 2 Europarechtliche Bedenken
17
hängig. In ihrer Unabhängigkeit wacht sie über die Geldwertstabilität. Kein Mitgliedstaat kann individuelle Investitionsförderung und Geldmengenwachstum kumulativ anwenden. Die Geldmenge ist dem Einfluß der Politik enthoben. Keynesianisch ist jedoch der Gedanke, durch staatliche Investitionsförderung aktiv in die Wirtschaft eingreifen zu wollen. Diese Investitionsförderung geschieht gesetzestechnisch in weitem Maße durch steuerliche Verschonungssubventionen, insbesondere durch besonders günstig gestaltete Abschreibungsvorschriften. Der Gesetzgeber macht sich dabei den sogenannten Multiplikatoreffekt zu Nutze: Investiert U1 10 A in ein Auto, kann der Autoverkäufer von den 10 A einen Teilbetrag in neue Geräte investieren. Die erhöhte Gesamtnachfrage nach Gütern kann ein Vielfaches der 10 A betragen. Trotz ihres geringen Anteils an der Gesamtnachfrage können Investitionen demnach erhebliche Schwankungen des Bruttosozialproduktes verursachen.86 Ob und inwieweit dieser Förderung europarechtliche und verfassungsrechtliche Grenzen gesetzt sind, bildet die Leitfrage dieses Buches. Bei der Wahl des Titels „Abschreibungen zwischen Aufwands- und Subventionstatbestand“ meint der Terminus der Abschreibung87 in einer steuerwissenschaftlichen Arbeit mit europarechtlichen und verfassungsrechtlichen Bezügen natürlich nur die steuerlich anerkannten Abschreibungsmöglichkeiten. Abschreibungsmöglichkeiten, die allein handelsrechtlich bestehen, steuerlich wegen des Bewertungsvorbehaltes gem. § 5 VI EStG jedoch keine Auswirkung haben, sind nicht Gegenstand dieser Untersuchung.
der Europäischen Zentralbank übertragen werden, die unabhängig ist und dem vorrangigen Ziel der Sicherung der Preisstabilität verpflichtet.“ 86 Donner, JA 1977, S. 513. 87 Abschreibung ist der Oberbegriff für alle Wertabsetzungen, Falterbaum/Bolk/ Reiß, Buchführung und Bilanz, Nr. 15.8.3.1 S. 661.
Teil II
Formen, Terminologie und Wirkungen von Steuervergünstigungen § 3 Systematische Einordnung der Fragestellung A. Formen staatlicher Einflußnahme Der Staat hat viele Möglichkeiten, um auf die Wirtschaft Einfluß zu nehmen. Er kann dies durch verbindliche Verhaltensgebote z. B. über das Polizeirecht, oder durch unverbindliche Verhaltensangebote wie Direktsubventionen tun. Das Steuerrecht ist seiner Rechtsnatur nach zunächst Eingriffsrecht. Innerhalb dieses Rechtsgebiets haben Steuervergünstigungen jedoch eine Sonderstellung, die sie den unverbindlichen Verhaltensangeboten annähert. Die Möglichkeiten staatlicher Einflußnahme sind in der nachstehenden „Abbildung 1: Formen staatlicher Einflußnahme“ erläutert.1 Die Erläuterung des Baumdiagramms soll anhand folgenden (fiktiven) Falles erfolgen: Will der Staat etwa den Einbau umweltfreundlicher Wärmeisolierungen fördern, stehen ihm mehrere Mittel zur Verfügung. Er kann am Markt zu besonders günstigen Bedingungen derartige Isolierungen anbieten. Er kann den Einbau von Isolierungen durch Direkt-Subventionen fördern (Spalte ganz links). Er kann auch bestimmte Wärmeemissionen verbieten. In diesem Fall bedient er sich der Mittel des Ordnungsrechts, also etwa des Baurechts oder des Emissions-Schutzrechts (rechte Spalte). Gewissermaßen zwischen dem „Zuckerbrot“ der Direktsubvention und der „Peitsche“ des Ordnungsrechts steht die Einflußnahme durch das Steuerrecht. Mit reinen Fiskalzwecknormen kann der Staat sein Ziel, umweltfreundliche Isolierungen zu fördern, nicht durchsetzen. Er muß auf Lenkungsnormen des Steuerrechts Zugriff nehmen. Dabei stehen ihm wieder zwei Möglichkeiten zur Auswahl: Er kann „negativ“ Einfluß nehmen, indem er eine Steuer für nicht-isolierte Fenster einführt oder den Energieverbrauch erhöht besteuert. Diese Zielsetzung verfolgt unter anderem die Mineralölsteuer. Er kann schließlich auch den Einbau umwelt1 Wie alle anderen Graphiken dieser Arbeit erhebt auch dieses Baumdiagramm keinen Anspruch auf Vollständigkeit und dient allein der Anschaulichkeit.
§ 3 Systematische Einordnung der Fragestellung unverbindliche Verhaltensangebote
verbindliche Verhaltensgebote
Steuerrecht: Fiskalisches Handeln (Steuerung über privatrechtliche Verträge) – Direktsubvention (insbesondere die Realförderung)2
Polizei u. Ordnungsrecht:
= direkte Motivbeeinflussung
= das Recht der Ge- und Verbote
Fiskalzwecknormen4
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= indirekte Motivbeeinflussung 3
Lenkungsnormen
Positive5 Lenkungsnormen6: Ausnahmen, Erleichterungen von der Regelbesteuerung
Negative Lenkungsnormen7: Erhöhung einer Regelbesteuerung
= Steuervergünstigungen (Verschonungssubventionen)8
= Steuersonderbelastungen z.B. Ökosteuern
Abbildung 1: Formen staatlicher Einflußnahme
freundlicher Wärmeisolierungen steuerlich begünstigen. Denkbar wäre etwa, daß die Umsatzsteuer auf derartige Isolierprodukte nur noch mit dem ermäßigten Steuersatz festgelegt wird. Eine andere Möglichkeit ist die Förderung durch 2 Die Abgrenzung zwischen fiskalischem Handeln und Realförderung erweist sich in der Praxis häufig als problematisch. Bei der Realförderung tritt der Staat als scheinbarer Marktteilnehmer auf, um seinen Lenkungszweck zu verfolgen. Der „Prototyp der Direktsubvention“ ist jedoch die Subventionsvergabe von monetären Mitteln. Vergleichsmaßstab für die Abgrenzung ist der „vernünftige“ Kaufmann. Dieser will in der Totalperiode Gewinn erzielen; dafür kann – ausnahmsweise – ein kurzfristig unrentables Geschäft, etwa ein „Stehenlassen eines Gesellschafterdarlehens“, wirtschaftlich sinnvoll sein. Vgl. zum Problembereich, Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 17 Rn. 3. 3 Teilweise wird noch eine dritte Kategorie, die Steuervereinfachungszwecknorm, vorgeschlagen. Das ist abzulehnen, weil sich Typisierungen – von ihrer Wirkungsweise beurteilt – entweder als fiskalische oder außerfiskalische Maßnahme auffassen lassen. Schaden, Steuervergünstigung als staatliche Leistung, S. 24. 4 Diese werden auch Lastenausteilungsnormen genannt, vgl. Birk, Allgemeines Steuerrecht, § 2 Rn. 7. Fiskalzwecknormen sind sog. „Structural Components“, Sozialzwecknormen sog. „Tax Expenditure Components“, Gross, RIW, 2002, S. 51. 5 Der Begriff „positive Lenkungsnorm“ ist in diesem Zusammenhang wertneutral als Gegenbegriff zu dem der „negativen Lenkungsnorm“ aufzufassen.
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Teil II: Terminologie und Wirkungen von Steuervergünstigungen
erhöhte Abschreibungen. Diesen letzten Weg hat der Staat z. B. in § 7d EStG genommen („Erhöhte Absetzungen für Wirtschaftsgüter, die dem Umweltschutz dienen“); die Fallgruppe „Wärmeisolierungsförderung“ ist freilich nicht von § 7d III EStG umfaßt. Gem. § 12 III StabG ist die Bundesregierung verpflichtet, im Subventionsbericht auch die Steuervergünstigungen neben den Direktsubventionen aufzuführen. Dadurch stellt das Stabilitätsgesetz den systematischen Zusammenhang zwischen den gezielten Mindereinnahmen und Mehrausgaben her.9 Zahlreiche Direktsubventionen werden von den Finanzbehörden nach den Regeln der AO verwaltet.10 Aus Sicht des Gesetzgebers ist das Mittel der Steuervergünstigung nur eines von vielen. Der Gesetzgeber setzt die ihm zur Verfügung stehenden Mittel nicht nur alternativ, sondern kumulativ ein. Zum Beispiel fördert er den sozialen Wohnungsbau durch Steuervergünstigungen (§ 3 I h) WoBauG) und durch Direktsubventionen (§ 3 I a) bis g), i), m) WoBauG).
B. Terminologie der Steuervergünstigungen Im Zusammenhang mit den verschiedenen positiven Lenkungstatbeständen im Steuerrecht erscheint es an dieser Stelle angebracht, die Terminologie aufzuklären. Die Terminologie ist weitgehend den Grundlagenforschungen von Birk zu verdanken. Birk stellt fest, daß jedes Steuergesetz drei11 Fragen zu klären hat: (1) Wer wird besteuert? (Steuersubjekt) (2) Was wird besteuert? (Steuergegenstand = Besteuerungsgrundlage) (3) Wie hoch wird besteuert? (Steuersatz, oder bei wechselndem Satz „Steuertarif“) 6 Arndt unterscheidet zwischen Wirtschaftsförderung mit begünstigenden Maßnahmen und Wirtschaftslenkung mit Maßnahmen belastender Art, Arndt, WiVerw, 1990, S. 5. 7 Teilweise wird aus der Ertragsrelevanz des außerfiskalischen, negativ lenkenden Abgabenrechts gefolgt, dieses stünde dem Abgabenrecht näher als das entlastende Abgabenrecht. Schaden, Steuervergünstigung als staatliche Leistung, S. 26. 8 Nicht nur die Abschichtung der Steuervergünstigungen von den Fiskalzwecknormen, auch die Abgrenzung zwischen Steuervergünstigungen und direkten Subventionen begegnet Schwierigkeiten. Für die Investitionszulage, Vogel, DÖV 1977, S. 837 ff. 9 Lang in Tipke/Lang, Steuerrecht, § 19 Rn. 2. 10 Vgl. für eine Auflistung, Tipke/Lang, Steuerrecht, § 20 Rn. 2. 11 Die (vierte) Frage nach dem Steuergläubiger ist eine Frage des Verfahrensrecht (Art. 108 I, II GG). Steuergläubiger ist die Körperschaft, an die der Steuerschuldner die Steuer zu zahlen hat. Die örtliche Zuständigkeit ergibt sich aus §§ 17 ff. AO, die sachliche aus § 16 AO i.V. m. dem Gesetz über die Finanzverwaltung (vgl. aber auch § 41a EStG, Abführung der Lohnsteuer an das Betriebsstättenfinanzamt). Birk, Allgemeines Steuerrecht, § 6 Rn. 15.
§ 3 Systematische Einordnung der Fragestellung
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Diese Fragen werden durch die Grundnormen des entsprechenden Steuergesetzes entschieden. Sodann bietet sich für den Gesetzgeber die Möglichkeit, für Steuersubjekt, Steuerobjekt oder Steuersatz Ausnahmen vorzusehen, die den Steuerpflichtigen in eine bestimmte Richtung motivieren sollen. Die Ausnahmen von der subjektiven Steuerpflicht bezeichnet man mit dem Terminus „persönliche Steuerbefreiung“. Die Ausnahmen, die sich auf die Bemessungsgrundlage auswirken, heißen „sachliche Steuerbefreiung“. Dabei unterscheidet Birk die technische (unechte) und die subventive (echte) Steuervergünstigung. Er macht damit deutlich, daß einige scheinbare Ausnahmevorschriften der Bemessungsgrundlage nur „technisch“, aber nicht „inhaltlich“ Ausnahmen sind. So bewirkt der Kinderfreibetrag nur scheinbar (unecht) eine sachliche Steuerbefreiung, weil durch ihn inhaltlich nur das Prinzip der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit umgesetzt wird.12 Inhaltliche Ausnahmen im Bereich des Steuersatzes bezeichnet Birk als „Steuerermäßigung“. Abschreibungstatbestände verkürzen die Bemessungsgrundlage. Diese Arbeit handelt deshalb nur von „sachlichen Steuervergünstigungen“. Die Abschichtung der technischen von den inhaltlichen Ausnahmevorschriften ist ein Problem der „Abschichtung“, das später zu erörtern sein wird. Im Bereich der negativen Lenkungsnormen ist seit der Diskussion um „ÖkoSteuern“ der Streit entbrannt, wie weit die staatliche Beeinflussung gehen darf.13 Der Bereich der Verschonungssubventionen bildet jedoch noch eine „terra incognita“14. Für diese Nichtbeachtung sind keine einleuchtenden Gründe ersichtlich. Zwar entbehrt er vielleicht der tagespolitischen Aufmerksamkeit; die Auswirkungen, die Verschonungssubventionen haben, sind dadurch jedoch nicht gemindert. Es hat sich gezeigt, daß innerhalb der Mittelvielfalt eine Wahl des Gesetzgebers stattzufinden hat. Dabei scheint die steuerliche Verschonungssubvention in vielfacher Hinsicht politisch angenehmer für den Staat zu sein: Will er bestimmte gesellschaftliche Gruppen fördern, so ist die Subtilität dieser Förderung eher gewahrt, wenn er Verschonungstatbestände schafft. Dieser Förderung „unter dem Deckmantel des Steuerrechts“ versucht das Europarecht Einhalt zu gebieten. Der Wettbewerb der nationalen Steuerprivilegien wird dadurch zu einem Wettbewerb der nationalen Steuersysteme.15
12
Birk, Allgemeines Steuerrecht, § 5 Rn. 11. Vgl. etwa Sackofsky, Verfolgung ökologischer und anderer öffentlicher Zwecke durch Instrumente des Abgabenrechts, NJW 2000, S. 2619 ff. 14 Vgl. Hey, Abbau von Direktsubventionen und Steuervergünstigungen – verfassungsrechtliche terra incognita, StuW 1998, S. 298. 15 Ein Wettbewerb der Systeme scheint sich auch im Gesellschaftsrecht anzubahnen, vgl. EuGH 9.3.1999 Centros Ltd. ./. Erhvers – ok Selskabsstryrelsen Rn. 27: „Damit kann es für sich allein keine mißbräuchliche Ausnutzung des Niederlassungsrechts darstellen, wenn ein Staatsangehöriger eines Mitgliedstaats, der eine Gesellschaft gründen möchte, diese in dem Mitgliedstaat errichtet, dessen gesellschaftsrecht13
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Teil II: Terminologie und Wirkungen von Steuervergünstigungen
§ 4 Wirkung der Abschreibungstatbestände Die Frage nach der Verfassungsmäßigkeit von steuerlichen Abschreibungsmöglichkeiten ist nicht Ausdruck eines wissenschaftlichen „L’art pour l’art“ – Scheingefechts. Die Abschreibungstatbestände sind für mehrere Steuerarten von Bedeutung. Sollten sich einige von ihnen als verfassungs- oder europarechtswidrig herausstellen, hätte dies erheblich Auswirkungen. Die Abschreibungstatbestände wirken sich ertragsmindernd auf die Einkommensteuer (A.), die Körperschaftssteuer (B.), die Gewerbesteuer (C.) und die Erb- und Schenkungssteuer (D.) aus.
A. Wirkung der Abschreibungstatbestände auf die Einkommensteuer Die steuerlich anerkannten Abschreibungsmöglichkeiten sind in den §§ 7 bis 7k EStG, sowie in einer Reihe von Spezialgesetzen (Fördergebietsgesetz, Zonenrandförderungsgesetz, usw.) geregelt. Innerhalb der Vorschriften über die Gewinnermittlung (Abschnitt „II. Einkommen“, Unterabschnitt „3. Gewinn“) nehmen sie eine zentrale Stelle ein. Die §§ 7–7k EStG bestimmen, in welchem Umfang im Rahmen der Gewinneinkünfte (§ 2 II Nr. 1 EStG) „Absetzungen“ auf die Wirtschaftsgüter anzurechnen sind, deren „Verwendung oder Nutung durch den Steuerpflichtigen zur Erzielung von Einkünften sich erfahrungsgemäß auf einen Zeitraum von mehr als einem Jahr erstreckt“ (§ 7 I 1 EStG). Sie wirken sich damit gewinnmindernd aus. Unmittelbar betreffen die Abschreibungstatbestände nur die Gewinneinkünfte, d.h. die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft, die Einkünfte aus Gewerbebetrieb und die Einkünfte aus selbständiger Arbeit. Über § 9 V EStG gelten die Vorschriften über die Abschreibungen „sinngemäß“ aber auch innerhalb der Überschußeinkünfte. Die Abschreibungstatbestände betreffen mithin alle Einkunftsarten.
B. Wirkung der Abschreibungstatbestände auf die Körperschaftsteuer Die „Einkommensteuer“ von verselbständigten Vermögensmassen i. S. d. § 1 I KStG ist im Körperschaftsteuergesetz geregelt. Besteuerungsgrundlage ist das zu versteuernde Einkommen, also „das Einkommen i. S. d. § 8 I, vermindert um die Freibeträge der §§ 24, 25 KStG“ (§ 7 II KStG). Was als Einkommen gilt und wie das Einkommen zu ermitteln ist, bestimmt sich gem. § 8 I KStG nach lichen Vorschriften ihm die größte Freiheit lassen, und in anderen Mitgliedstaaten Zweigniederlassungen gründet.“
§ 4 Wirkung der Abschreibungstatbestände
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den Vorschriften des Einkommensteuergesetzes und dieses Gesetzes. Bei Steuerpflichtigen, die nach den Vorschriften des HGB zur Führung von Büchern verpflichtet sind, sind alle Einkünfte als Einkünfte aus Gewerbebetrieb zu behandeln. Die beiden Hauptbeispiele der Besteuerung nach dem KStG sind die GmbH und die AG (vgl. § 1 I Nr. 1 KStG). Diese sind gem. § 13 III GmbHG, 3 I AktG wie Handelsgesellschaften zu behandeln. Auf die Handelsgesellschaften finden gem. § 6 I HGB die Vorschriften über die Kaufleute Anwendung, also auch § 238 I 1 HGB, nach dem der Kaufmann verpflichtet ist, Bücher zu führen. Bei Steuerpflichtigen, die nach den Vorschriften des HGB zur Führung von Büchern verpflichtet sind, sind gem. § 8 II KStG alle Einkünfte als Einkünfte aus Gewerbebetrieb zu behandeln. Damit vollzieht sich die Gewinnermittlung nach den Paragraphen § 8 II, I KStG, §§ 15 I S. 1 Nr. 1, 2 I Nr. 2, 2 II Nr. 1, 4–7k EStG. Mittelbar bestimmen die Abschreibungstatbestände also auch die Bemessungsgrundlage nach dem Körperschaftsteuergesetz.
C. Wirkung der Abschreibungstatbestände auf die Gewerbesteuer Besteuerungsgrundlage der Gewerbesteuer ist der Gewerbesteuermeßbetrag (§ 16 GewStG). Dieser ist durch Anwendung eines Hundertsatzes (Steuermeßzahl) auf den Gewerbeertrag zu ermitteln (§ 11 I 2 GewStG). Gewerbeertrag ist der nach den Vorschriften des Einkommensteuergesetzes oder des Körperschaftsteuergesetzes zu ermittelnde Gewinn aus dem Gewerbebetrieb vermehrt und vermindert um die nach den §§ 8 und 9 bezeichneten Beträge (vgl. § 7 1 GewStG). Die Gewinnminderung der Abschreibungstatbestände für das EStG/ KStG wirkt also fort bis in das Gewerbesteuerrecht. Auch die Bemessungsgrundlage der Gewerbesteuer wird durch Abschreibungstatbestände beeinträchtigt.
D. Wirkung der Abschreibungstatbestände auf die Erbschafts-/Schenkungssteuer Die Auswirkungen der erhöhten Abschreibungstatbestände auf die Bemessungsgrundlage der Erbschafts- und Schenkungssteuer sind gering. Liegt ein steuerbarer Vorgang gem. § 1 ErbStG vor, so unterliegt die „Bereicherung“ (§ 10 I 1 ErbStG2), ermittelt im Grundsatz nach dem Bewertungsgesetz (§ 12 I ErbStG) der Besteuerung mit dem Steuersatz (§ 19 ErbStG). Die vorgenommenen Abschreibungen wirken sich damit im Bereich der Immobilien nicht aus. Dies gilt gem. §§ 138 III, 99 BewG auch für Betriebsgrundstücke. Anders ist dies aber bei Betriebsvermögen, das nicht dem Bereich des Grundbesitzes zuzuordnen ist. Nach § 109 I BewG sind die zu einem „Gewerbebetrieb gehörenden Wirtschaftsgüter, sonstigen aktiven Ansätze, Schulden und sonstigen passiven Ansätze bei Steuerpflichtigen, die ihren Gewinn nach § 4 I
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Teil II: Terminologie und Wirkungen von Steuervergünstigungen
oder § 5 des Einkommenssteuergesetzes ermitteln, . . . mit den Steuerbilanzwerten anzusetzen“. Bei Steuerpflichtigen, die nicht unter Absatz 1 fallen – ihren Gewinn also gem. § 4 III EStG ermitteln – werden die Wirtschaftsgüter des abnutzbaren Anlagevermögens gem. § 109 II „mit den ertragsteuerlichen Werten“ angesetzt. Für „sonstiges“ Betriebsvermögen führen Abschreibungstatbestände mithin zu einer Schmälerung der Bemessungsgrundlage. Bei Wirtschaftsgütern des Privatvermögens knüpft das Bewertungsgesetz an Kriterien an, die von erhöhten Abschreibungen unabhängig sind. Immobilien werden wie besehen separat bewertet. Ansonsten gelten die §§ 9, 11–16 BewG. Mittelbare Auswirkungen haben die erhöhten Abschreibungstatbestände aber auch bei der Schätzung nach § 11 II 2 BewG. Anteile an Kapitalgesellschaften, die nicht einem notierten Kurs unterliegen und bei denen auch keine Verkaufszahlen vorliegen, werden gem. § 11 II 2 geschätzt. Dabei bedient sich die Finanzverwaltung des sog. „Stuttgarter Verfahrens“ (Richtlinie 96–108 ErbStR). Das Stuttgarter Verfahren ist eine Mischung zwischen Substanz- und Ertragswertverfahren. Die Formel des Stuttgarter Verfahrens ist von der Finanzverwaltung induktiv durch Auswertung von statistischem Datenmaterial gebildet worden.16 Ausgangspunkt der Berechnung ist der Nennwert der Beteiligung. Dieser wird mit einem Faktor multipliziert, dem die Finanzverwaltung den Namen „Anteilswert“ gegeben hat. Der Anteilswert ist demnach ein Faktor, der in Prozent bemessen wird. Der Anteilswert ergibt sich aus einem Mischverfahren zwischen Ertragsund Substanzwertmethode. Der Anteilswert ergibt sich aus folgender Gleichung: Anteilswert = 0,68 (Vermögenswert + 5 Ertragshundertsatz)17 1. Der Vermögenswert ist wie der Anteilswert ein Faktor in Prozent. Er ergibt sich aus der Gleichung: Vermögen der Kapitalgesellschaft 100/Nennkapital = Vermögenswert Das Vermögen als Ausgangsgröße umfaßt alle Vermögenswerte18 mit Ausnahme des Firmenwerts (§ 12 II 3 ErbStG). 2. Der Ertragshundertsatz soll den künftigen Jahresertrag berücksichtigen. Er ergibt sich aus folgender Gleichung: Jahresertrag 100/Nennkapital = Ertragshundertsatz. 16
Das macht sie für den deduktiv denkenden Juristen so schwer nachvollziehbar. R 100 II S. 2–6 der Erbschaftsteuerrichtlinien zu § 11 BewG; der Faktor 0,68 ergibt sich aus einer Umformung und berücksichtigt den anderweitig auf dem Markt zu erzielenden Zinsgewinn. Dabei legt die Verwaltung einen hypothetischen Zinssatz von 9% zugrunde. 18 In diesem Zusammenhang sind Betriebsgrundstücke wieder mit dem Grundbesitzwert anzusetzen (R 98 II 3). 17
§ 4 Wirkung der Abschreibungstatbestände
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Der Jahresertrag ist ein gewichteter Durchschnittssatz. Er ergibt aus dem zu versteuernden Einkommen der letzten drei Wirtschaftsjahre: zu versteuerndes Einkommen (§§ 7,8, KStG) der letzten drei Wirtschaftsjahre +/– Korrekturen = Zwischensumme der einzelnen Wirtschaftsjahre Gewichtung: Wert im letzten Jahr 3, Wert im zweiten Jahr 2, Wert im drittem Jahr 1 6 = prognostizierter Ertragsdurchschnitt
Eine der „Korrekturen“ betrifft die Abschreibungen: Sonderabschreibungen und erhöhte Absetzungen sind dem zu versteuernden Einkommen hinzuzurechnen (ErbStR 99 I 5 Nr. 1 a19). Beispiel: Das Stammkapital einer GmbH sei 50.000 A, das Vermögen der GmbH betrage 100.000 A. Daraus errechnet sich nach der vorstehenden Formel der „Vermögenswert“ wie folgt: 1. Vermögenswert = 100.000 100/500.000 = 200% 2. Der Jahresertrag der GmbH sei je 10.000 A. Dieser Betrag ist um vorgenommene Sonderabschreibungen von 10.000 A zu korrigieren. Daraus ergibt sich als Faktor, der den Ertragshundertsatz bildet: Ertragshundertsatz: 20.000/50.000 = 40% 3. Der Anteilswert nach dem Stuttgarter Verfahren ist demnach: 0,68 (200% + 5 20%) = 204% Nennwert des Anteils von Herrn XY sei 20.000 A. Der geschätzte Wert des Anteils von Herrn XY beträgt 204% des Nennkapitals, also 40.800 A: 20.000 204% = 40.800 A 19 ErbStR 99 I 5: „Das sich ergebende Einkommen ist noch wie folgt zu korrigieren: 1. Hinzuzurechnen sind a) Sonderabschreibungen oder erhöhte Absetzungen, Bewertungsabschläge, Zuführungen zu steuerfreien Rücklagen sowie Teilwertabschreibungen. Es sind nur die normalen Absetzungen für Absetzungen zu berücksichtigen. Diese sind nach den Anschaffungs- oder Herstellungskosten und der gesamten Nutzungsdauer zu bemessen. Die normalen Absetzungen für Abnutzung sind auch dann anzusetzen, wenn für die Absetzungen in der Steuerbilanz vom Restwert auszugehen ist, der nach Inanspruchnahme der Sonderabschreibungen oder erhöhten Absetzungen verblieben ist. b) Absetzungen auf den Geschäfts- oder Firmenwert oder auf firmenwertähnliche Wirtschaftsgüter; (. . .) 2. Abzuziehen sind a) einmalige Veräußerungsgewinne (. . .).“
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Teil II: Terminologie und Wirkungen von Steuervergünstigungen
Das Beispiel zeigt, daß im Stuttgarter Verfahren die Effekte von Sonderabschreibungen und erhöhten Abschreibungen ausgeglichen werden. Die nicht als „erhöht“ oder als „Sonderabschreibung“ gekennzeichneten Abschreibungen gehen jedoch mit in die Bewertung ein. Das bedeutet für den Rechtsanwender, daß eine degressive Abschreibung nach Verwaltungsauffassung wohl nicht ausgeglichen werden muß. Die Übernahme der ertragssteuerlichen Werte führt dennoch im Ergebnis dazu, daß mit dem Stuttgarter Verfahren nur rund 65% des Verkehrswertes erfaßt werden.20 Für diese Unterbewertung sind Förderabschreibungstatbestände jedoch weitgehend nicht verantwortlich, weil zumindest „Sonderabschreibungen“ und „erhöhte Abschreibungen“ ausgeglichen werden. Im Bereich des Privatvermögens findet wegen der Anrechnung der erhöhten Abschreibungen und der Sonderabschreibungen gem. ErbStR 99 I 5 nur eine geringe Beeinflussung durch realitätsferne Abschreibungen statt. Beim Betriebsvermögen beschränken sich die Effekte von Förderabschreibungstatbestände – wie besehen – auf den Bereich der beweglichen Sachen. Zwischenergebnis: Die Frage nach den verfassungsrechtlichen Grenzen ist für die Einkommensteuer, Körperschaftsteuer und die Gewerbesteuer von Bedeutung. Im Bereich der Erbschafts-/Schenkungsteuer wird nur die Bewertung von beweglichen Sachen des Betriebsvermögens durch erhöhte Abschreibungsmöglichkeiten wesentlich beeinflußt.
§ 5 Verabschiedung von der Sitztheorie und Verhaltenskodex für die Unternehmensbesteuerung Der Gemeinsame Binnenmarkt hat zu einer Konkurrenz der Mitgliedstaaten um Unternehmen und Kapitalflüsse geführt. Bei der Wahl eines Standortes für Unternehmen und für Zinserträge spielt die Steuerbelastung eine nicht unbedeutende Rolle.21 Auch aus Sicht der operativen Unternehmen (bei Holdings mag dies anders sein) geht es um ein vernünftiges Preis-Leistungsverhältnis zwischen den Steuern (= Preis) und den öffentlich erbrachten Gütern wie soziale Infrastruktur, Ausbildung der Mitarbeiter und Rechtssicherheit (= Leistung). Ein 20 BFH, Aufforderung an das BMF, dem Verfahren beizutreten, Beschluß v. 24.10.2001, HFR 2002, Nr. 2, S. 116. Es wird eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht erwartet, mit dem weitgehende Vorschriften des Bewertungsrechts in Frage gestellt werden. 21 Die Bedeutung der verschiedenen Besteuerungsniveaus ist in Umfragen untersucht worden. Die Ergebnisse dieser Untersuchungen widersprechen sich. So geht etwa der Ruding-Report von einem geringen Einfluß, die Untersuchung von Devereux/Pearson von einem starken Einfluß aus. Einigkeit besteht wohl darin, daß andere Faktoren (Arbeitskräfte, Infrastruktur) größeren Einfluß haben. Auch scheint der Einfluß des Steuerrechts auf die Rechtsformwahl größer zu sein, als auf die Standort-Wahl. Jimenez, Towards Corporate Tax Harmonization in the European Community, S. 12.
§ 5 Verhaltenskodex für die Unternehmensbesteuerung
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„Race to the bottom“ mit dem Idealziel einer Nullsteuerbelastung kann auch aus Sicht „normaler“ Unternehmen nicht das Ziel dieser Staatenkonkurrenz sein: Denn dann „ist der Staat tot.“22 Aus Furcht vor sozialstaatlichen Verwerfungen wird teilweise der „Wettbewerbsgedanke“ des Europarechts kritisiert. Er gefährde den „sozialen Frieden“.23 Wie stark die Meinungen hier differieren, zeigen die Meinungsverschiedenheiten um die eben angeführten Äußerungen des für Europarecht zuständigen Verfassungsrichters Broß.24 Terminologisch wird in diesem Zusammenhang oft von „Wettbewerb“25 zwischen den Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten der EU gesprochen.26 Der Begriff ist nicht unproblematisch, suggeriert er doch für einen unvorsichtigen Leser einen zwanghaften Überlebenskampf zwischen Staaten und damit eine Vorstellung, die weder mit dem friedvollen Integrationsgedanken des Europarechts noch mit dem Demokratiegedanken des nationalen Verfassungsrechts zu vereinbaren ist. Aus Mangel an sprachlichen Alternativen soll hier deshalb der Begriff „Konkurrenz“ gebraucht werden, um das Phänomen des Wettstreits um die mobilen Besteuerungsgrundlagen zu beschreiben. Die Konkurrenz der Mitgliedstaaten gilt insbesondere den mobilen Besteuerungsgrundlagen.27 Global operierende Unternehmensgruppen drohen offen mit Abwanderung.28 Bis zur „Daily Mail“-Entscheidung des EuGH war es vertretbar, die Konkurrenz der Mitgliedstaaten als Konkurrenz um die Ansiedlung neuer Gesell22
Paul Kirchhof, DIE ZEIT, 8.5.2002, S. 32. Broß, Daseinsvorsorge – Wettbewerb – Gemeinschaftsrecht, JZ 2003, 879, der zwischen Art. 3 lit. G EGV („Aux fins énoncées à l’art. 2, l’action de la Communauté comporte, dans les conditions et selon les rythmes prévus par le présent traité: (. . .) – un régime assurant que la concurrence n’est pas faussée dans le marché intérieur“) und dem Sozialstaatsgedanken gem. Artt. 79 III, 20 I GG einen „strukturellen Widerspruch“ sieht. Wer die Äußerungen mit der Position des Verfassungsrichters Broß in Beziehung setzt, erkennt, daß hier nach der Maastricht-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts erneut unter anderen Vorzeichen um einen Verfassungsvorbehalt des deutschen Rechts gem. Art. 79 III GG vor den Rechtseinflüssen des Europarechts gestritten wird. 24 Der Spiegel, 41/2003, Verfassungsrichter, Angriff auf Europa, S. 20: „Europakritische Äußerungen eines Richters sorgen am Bundesverfassungsgericht für erheblichen Unmut unter Kollegen.“ 25 So zuletzt Bundeskanzler Schröder, Börsen-Zeitung Nr. 84 v. 1. Mai 2004, S. 6 „Kanzler warnt vor EU-Steuerwettbewerb.“ 26 So spricht etwa Ebke mit Hinblick auf die Überseering-Entscheidung von einem „Wettbewerb der Gesellschaftsrechtsordnungen“, Ebke, „Überseering: ,Die wahre Liberalität ist Anerkennung‘“, JZ 19/2003, S. 930. 27 Mann, DB 1990, S. 1737. 28 Fischermann, DIE ZEIT, Nr. 25, 15.6.2000, Wirtschaft. 23
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Teil II: Terminologie und Wirkungen von Steuervergünstigungen
schaften zu begreifen. In der Entscheidung „Daily Mail“ (EuGH v. 27.9.1988, Rs. 81/87, Slg. 1988, 5483, 5484 ff.) hat der europäische Gerichtshof nämlich festgestellt, daß „die Art. 52 und 58 EWG-Vertrag den Gesellschaften nationalen Rechts kein Recht gewähren, den Sitz ihrer Geschäftsleitung unter Bewahrung ihrer Eigenschaft als Gesellschaften des Mitgliedstaats ihrer Gründung in einen anderen Mitgliedstaat zu verlegen.“29 Inzwischen ist die Entscheidung „Daily Mail“ jedoch überholt. In der Centros-Entscheidung hat der EuGH Dänemark dazu verurteilt, die Niederlassung einer britischen Limited Company anzuerkennen, obwohl die britische Limited Company nur zur Vermeidung der dänischen Mindestkapitalvorschriften gegründet worden war.30 Während die Centros-Entscheidung ihrem Wortlaut nach noch auf Niederlassungen begrenzt war, ist der vorläufige Abschluß dieser Entwicklung hin zu einer freien Sitzverlegung innerhalb der EU die „Überseering“-Entscheidung. Der 7. Senat des BGH ging davon aus, daß das deutsche Recht in Anwendung einer strengen31 Sitztheorie einer ausländischen Corporation die 29 Der EuGH hat seine Aussagen aber schon in Daily Mail auf den bisherigen Stand des Europarechts begrenzt. ECJ Case 81/87 Reports 1988, page 5483 („Daily Mail“): „The Treaty regards the differences in national legislation concerning the connecting factor required of companies incorporated thereunder and the question whether – and if so how – the registered office or real head office of a company incorporated under national law may be transferred from one Member State to another as problems which are not resolved by the rules concerning the right of establishment but must be dealt with by future legislation or conventions, which have not yet been adopted or concluded. Therefore, in the present state of Community law, Articles 52 and 58 or the Treaty, properly construed, confer no right on a company incorporated under the legislation of a Member State and having its registered office there to transfer its central management and control to another Member State.“ 30 ECJ 9 March 1999, Case C-212/97, ruling: „It is contrary to Articles 52 and 58 of the EC Treaty for a Member State to refuse to register a branch of a company formed in accordance with the law of another Member State in which it has its registered office but in which it conducts no business where the branch is intended to enable the company in question to carry on its entire business in the State in which that branch is to be created, while avoiding the need to form a company there, thus evading application of the rules governing the formation of companies which, in that State are more restrictive as regards the paying up of a minimum share capital. That interpretation does not, however, prevent the authorities or the Member State concerned from adopting any appropriate measure for preventing or penalising fraud, either in relation to the company itself, if need be in cooperation with the Member State in which it was formed, or in relation to its members, where it has been established that they are in fact attempting, by means of the formation of a company, to evade their obligations towards private or public creditors established in the territory of the Member State concerned.“ 31 Tatsächlich war die strenge Sitztheorie schon vorher durch eine Entscheidung des (für Gesellschaftsrecht zuständigen) 2. Senates abgemildert worden. Der 2. Senat des BGH hatte zuvor eine ausländische Corporation wie eine GbR/OHG behandelt und nach der neueren Rechtsprechung für Personengesellschaften als parteifähig behandelt, vgl. Roth, From Centros to Ueberseering, ICLQ, page 194, unter Hinweis auf die Entscheidung des 2. Senats vom 1. Juli 2002, ZIP (2002), 1763.
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Parteifähigkeit versagt, wenn die Corporation durch Gesellschafterwechsel ihren Sitz nach Deutschland verlegt, ohne hier eingetragen zu sein. Der 7. Senat hat deshalb dem EuGH die Vorlagefrage gestellt, ob eine derartige strenge Anwendung der Sitztheorie mit der Niederlassungsfreiheit nach dem EGV vereinbar ist. Unter der Prämisse, daß das deutsche Recht in strenger Anwendung der Sitztheorie einer ausländischen Corporation die Parteifähigkeit versagt, entschied der EuGH: „The requirement of reincorporation of the same company in Germany is therefore tantamount to outright negation of freedom of establishment.“
Der EuGH entschied, daß einer ausländischen Gesellschaft auch bei Sitzverlegung Parteifähigkeit zu gewähren sei. Aus dieser Entscheidung folgt – jedenfalls im europäischen Kontext –, daß die Sitztheorie vermutlich obsolet ist. In der Nachfolgeentscheidung zu „Überseering“ mit dem Namen „Inspire Art“ hat der EuGH noch einmal klargestellt:32 „The Court has also held that the fact that the company was formed in a particular Member State for the sole purpose of enjoying the benefit of more favourable legislation does not constitute abuse even if that company conducts its activities entirely or mainly in that second State . . .“
Das Gesellschaftsrecht eines Mitgliedstaates darf für rechtmäßig entstandene ausländische Körperschaften keine weiteren Bedingungen für das Haftungskapital oder die Haftung von Geschäftsführern aufstellen33, weil eine Ausweitung des heimischen Standards auf ausländische Gesellschaften eine nicht-gerechtfertigte Behinderung der Niederlassungsfreiheit der ausländischen Gesellschaft bedeuten würde. Inzwischen hat sich der BGH der Gründungstheorie angeschlossen34, nicht nur im Hinblick auf europäische Kapitalgesellschaften, sondern auch auf amerikanische.35 Welche steuerrechtlichen Folgen eine Sitzverlegung innerhalb der Europäischen Union nach dieser Rechtsprechung hat, ist jedoch unklar. Der EuGH hat nämlich in der Überseering-Entscheidung angedeutet, daß unter Umständen eine zwangsweise Auflösung der stillen Reserven bei Verlagerung des Unternehmenssitzes möglich sein könnte:36
32 ECJ, 30 September 2003, Kamer von Koophandel en Fabrieken voor Amsterdam, and Inspire Art Ltd, on the interpretation of Articles 43 EC, 46 EC and 48 EC, Case C-167/01, Number of Reasoning 96. 33 ECJ, 30 September 2003, Kamer von Koophandel en Fabrieken voor Amsterdam, and Inspire Art Ltd, on the interpretation of Articles 43 EC, 46 EC and 48 EC, Case C-167/01, Ruling Nº 2. 34 BGH v. 13.3.2003 – VII ZR 370/98, AG 2003, 386 (zur Frage der Rechtsfähigkeit, „Überseering II“). 35 Das Personalstatut führt auch in der Frage der Haftung zu einer Anknüpfung an amerikanisches Gesellschaftsrecht, BGH v. 5.7.2004 – II ZR 389/02, WM 2004, 1683.
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Teil II: Terminologie und Wirkungen von Steuervergünstigungen
„It is not inconceivable that overriding requirements relating to the general interest, such as the protection of the interests of creditors, minority shareholders, employees and even the taxation authorities, may, in certain circumstances and subject to certain conditions, justify restrictions on freedom of establishment. Such objectives cannot, however, justify denying the legal capacity and, consequently, the capacity to be a party to legal proceedings of a company properly incorporated in another Member State in which it has its registered office.“
Innerhalb eines Mitgliedstaats hat das Umwandlungssteuerrechts für viele Möglichkeiten der steuerfreien Übertragung von stillen Reserven geführt. Die Sitzverlagerung unter Beibehaltung der bisherigen Rechtsform ist jedoch keine Umwandlung. § 1 des Umwandlungsgesetzes beschränkt den Begriff der Umwandlung auf „Rechtsträger mit [bestehendem] Sitz im Inland“. Wie die Enthaftung der stillen Reserven bei Sitzverlagerungen steuerrechtlich gelöst werden kann, ist nach diesen Entscheidungen des EuGH unklar. Der bisher etwa in Deutschland bestehende Zwang zur Auflösung [unter Auflösung der stillen Reserven] und Neu-Gründung bei Sitzverlagerungen ist jedenfalls gemeinschaftsrechtswidrig. Gegen eine steuerfreie Überführung dieser Reserven von einem Mitgliedstaat auf den anderen spricht der Gesichtspunkt, daß die Verhaftung der Reserven mit der zivilrechtlichen Anwartschaft vergleichbar ist, dem Staat mithin eine Ertragserwartung einräumt. Oft entstehen die stillen Reserven nämlich kraft gesetzgeberischer Dezision, dem Steuerpflichtigen ein Bewertungswahlrecht einzuräumen. Die nationale Konjunkturförderung findet buchungsrechtlich oft ihren Niederschlag in der Entstehung von stillen Reserven. Sollte die Niederlassungsfreiheit die steuerfreie Übertragung dieser Reserven verlangen, wäre dies jedenfalls ein weitreichender Eingriff in die nationale Souveränität der Mitgliedstaaten. De lege ferenda dürfte deshalb zumindest eine schrittweise Auflösung der stillen Reserven (vergleichbar §§ 34 II Nr. 1. I EStG) vor dem Europarecht Bestand haben. Aus alledem folgt, daß die Konkurrenz um den Standort von Kapitalgesellschaften rechtstechnisch nicht nur Neugründungen, sondern auch in zunehmendem Maße Sitzverlegungen unter Beibehaltung der bisherigen Rechtsform betrifft. Welche Ausmaße die Konkurrenz der Mitgliedstaaten um die Ansiedlung großer Kapitalgesellschaften angenommen hat, zeigen die Beispiele von BMW und Elf.
36 ECJ, Überseering BC v. Nordic Construction Company Baumanagement GmbH (NCC), reference for preliminary ruling by the Bundesgerichtshof, Case C-208/00, ECJ Reports 2002, Page I-9919, November 4, 2002, ruling.
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(1) Bei BMW zum Beispiel hatten sich über 200 europäische Standorte für das neue Werk beworben, vor allem auch solche aus Osteuropa.37 Die Werbemaßnahmen umfaßten teilweise auch mehrjährige Steuerbefreiungen.38 Gewonnen hat im „beauty contest“ die Stadt Leipzig mit einer Investitionshilfe von 418,6 Millionen A auf ein Investitionsvolumen von 1,2 Mrd. (Beihilfeintensität 34,7%). Inzwischen hat die Europäische Kommission insbesondere wegen der Höhe der Beihilfe ein förmliches Prüfungsverfahren eröffnet.39 (2) Die Investitionen der ELF-Tochter Mitteldeutsche Erdöl-Raffinerie GmbH (MIDER) in Leuna waren das wesentliche Motiv für die Verlängerung von Sondervergünstigungen nach dem Investitionszulagengesetz. In dem Beihilfeverfahren machte die Bundesregierung geltend, es sei aus rechtlichen Gründen nicht möglich gewesen, ein Bundesgesetz allein für den Fall MIDER zu erlassen. Die Bundesregierung erklärte ihre Bereitschaft, die Änderung des InvZulG nur auf den Fall MIDER anzuwenden und alle weiteren Fälle zu notifizieren.40 Der „Kompromißvorschlag“ wurde von der Kommission abgewiesen. Die von Deutschland angebotene Verpflichtung könne nicht wirksam abgegeben werden, da die Bundesregierung nicht in der Lage sei, ein vom Bundestag verabschiedetes Gesetz für unanwendbar zu erklären.41 Die Konkurrenz der Staaten betrifft in erster Linie den Bereich der direkten Steuern, in dem bisher noch keine Harmonisierung (= europäische Rechtsvereinheitlichung) oder Koordinierung der verschiedenen Rechtsordnungen stattgefunden hat.42 Die Versuche zur Harmonisierung der Körperschaftsteuersysteme (1975), der Vorschriften über den Verlustvortrag (1984 und 1985) und der Unternehmensbesteuerung (1988) scheiterten43 – nicht zuletzt an dem Einstimmig37
v. Rohr, Handelsblatt, 19.1.2002, Nr. 13, S. 10. v. Rohr, Handelsblatt, 19.1.2002, Nr. 13, S. 10. Herr v. Rohr ist deshalb der Ansicht, „jede Mark an staatlicher Beihilfe im Osten ist gut angelegtes Geld.“ Wenn Herr v. Rohr sich gefragt hätte, welche kleinen mittelständischen Unternehmen diese 418,6 Millionen A zahlen mußten, wäre er vielleicht nicht so optimistisch gewesen. 39 Pressemitteilung vom 3.4.2002 Dokumentennummer IP/02/492. Der Alternativstandort lag in der Tschechischen Republik. 40 Stellungnahme der Bundesregierung, Entscheidung der Kommission v. 1.10.1997 betreffend die Verlängerung der 8%igen Investitionszulage für Investitionen in den neuen Bundesländern durch das Jahressteuergesetz 1996, ABl. 1998, L 73/38 (39). 41 Entscheidung der Kommission v. 1.10.1997 betreffend die Verlängerung der 8%igen Investitionszulage für Investitionen in den neuen Bundesländern durch das Jahressteuergesetz 1996, ABl. 1998, L 73/38 (40). 42 Veröffentlichung der Europäischen Kommission, Steuerpolitik in der Europäischen Union, Reihe: Europa in Bewegung, Luxemburg: Amt für amtliche Veröffentlichungen der Europäischen Gemeinschaften, 2000, S. 24. 43 Veröffentlichung der Europäischen Kommission, Steuerpolitik in der Europäischen Union, Reihe: Europa in Bewegung, Luxemburg: Amt für amtliche Veröffentlichungen der Europäischen Gemeinschaften, 2000, S. 25. 38
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keitserfordernis44 im Steuerrecht.45 Die Politik ist offenbar schwerer zu globalisieren als die Wirtschaft.46 Der Rat als Vertretung der Mitgliedstaaten zeigt sich den Selbstbestimmungsrechten der Mitgliedstaaten stärker verbunden als dem Interesse an ökonomischer Effizienz. Dies ist eine Beobachtung, die in vergleichbarer Form für die gescheiterten Versuche des amerikanischen Kongresses zutrifft, die zwischenstaatliche Besteuerung von Unternehmen zu harmonisieren.47 Die Mitgliedstaaten „konkurrieren“ um die Steuerzahler, indem sie ihnen Steuererleichterungen einräumen.48 Diese „Konkurrenz“ ist dort am stärksten, wo die Mobilität der Besteuerungsgrundlage besonders ausgeprägt ist, also insbesondere bei Kapitalerträgen.49 Die Mobilität des Steuerpflichtigen hat gerade in letzter Zeit zugenommen.50 Durch die Einführung des Euro wird sich dieser Trend weiter verstärken. Dadurch gerät das Abgabenniveau der Mitgliedstaaten unter Druck, die Leistungsfähigkeit der Steuersysteme insgesamt wird gefährdet.51 Schon jetzt ist es zu gravierenden Fehlsteuerungen gekommen. Die effektive steuerliche Belastung der am wenigsten mobilen Besteuerungsgrundlage – der Arbeit – hat ständig zugenommen.52 Andere Verlierer dieser Entwicklung 44 Art. 94 EGV: „Der Rat erläßt einstimmig auf Vorschlag der Kommission und nach Anhörung des Europäischen Parlaments und des Wirtschafts- und Sozialausschusses Richtlinien für die Angleichung derjenigen Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten, die sich unmittelbar auf die Errichtung oder das Funktionieren des Gemeinsamen Marktes auswirken.“ Art. 5 II EGV: „In den Bereichen, die nicht in ihre ausschließliche Zuständigkeit fallen, wird die Gemeinschaft nach dem Subsidiaritätsprinzip nur tätig, sofern und soweit die Ziele der in Betracht gezogenen Maßnahmen auf Ebene der Mitgliedstaaten nicht ausreichend erreicht werden können und daher wegen ihres Umfangs oder ihrer Wirkungen besser auf Gemeinschaftsebene erreicht werden können.“ 45 Taxation and Customs Union: The taxation package, Legal Notice of the Ecofin meeting at Verona in April 1996, Coordination of tax policies. 46 Vgl. Fischermann, DIE ZEIT, Nr. 25, 15.6.2000, Wirtschaft. 47 Jimenez, Towards Corporate Tax Harmonization in the European Community, S. 324. 48 Veröffentlichung der Europäischen Kommission, Steuerpolitik in der Europäischen Union, Reihe: Europa in Bewegung, Luxemburg: Amt für amtliche Veröffentlichungen der Europäischen Gemeinschaften, 2000, S. 4. 49 Veröffentlichung der Europäischen Kommission, Steuerpolitik in der Europäischen Union, Reihe: Europa in Bewegung, Luxemburg: Amt für amtliche Veröffentlichungen der Europäischen Gemeinschaften, 2000, S. 32. 50 Veröffentlichung der Europäischen Kommission, Steuerpolitik in der Europäischen Union, Reihe: Europa in Bewegung, Luxemburg: Amt für amtliche Veröffentlichungen der Europäischen Gemeinschaften, 2000, S. 9; schon 1966 stellt Gübbels fest, daß Frankreich im Hinblick auf den zunehmenden internationalen Wettbewerb Abschreibungsvergünstigungen eingeführt hat, Gübbels, Handbuch der steuerlichen Abschreibung, S. 428. 51 Veröffentlichung der Europäischen Kommission, Steuerpolitik in der Europäischen Union, Reihe: Europa in Bewegung, Luxemburg: Amt für amtliche Veröffentlichungen der Europäischen Gemeinschaften, 2000, S. 9.
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sind standortgebundene Kleinunternehmer und Verbraucher.53 So werden etwa bei der neuen Ökosteuer Privathaushalte voll belastet, das verarbeitende Gewerbe aber durch den Spitzenausgleich von der Steuerlast ausgenommen.54 Die Entwicklung wird noch verschärft durch die Strategien von sog. Steueroasen. Diese spezialisieren sich auf die Anlockung von Kapital und Finanzdienstleistungen, ohne für die Kosten einer produktionsintensiven Infrastruktur gerade zu stehen.55 Es kommt dadurch zu einer nicht marktkonformen Umschichtung von Kapitalströmen in niedrigbesteuerte Gebiete.56 Angesichts dieser erheblichen Gefahren für die Gerechtigkeit und Funktionsfähigkeit der Steuersysteme insgesamt haben sich die Mitgliedstaaten auf die nachstehend erläuterte Koordinierung (nicht Harmonisierung57) der direkten Steuern geeinigt.58 Die Europäische Union geht damit zunächst59 den Weg der Einigung über „soft60 law“.61 Aus Sicht des Subsidiaritätsprinzips ist diese Entwicklung zu begrüßen.62 Ähnliche Bestrebungen sind neuerdings auch auf der Ebene der OECD zu beobachten.63 Gegenüber den Beitrittskandidaten setzt die 52 Veröffentlichung der Europäischen Kommission, Steuerpolitik in der Europäischen Union, Reihe: Europa in Bewegung, Luxemburg: Amt für amtliche Veröffentlichungen der Europäischen Gemeinschaften, 2000, S. 30. 53 Wartenburger, IStR 2001, S. 397. 54 Die Ökosteuer verschafft der Industrie unerlaubt Vorteile, meint EU-Kommissar Mario Monti. Kippen wird die Abgabe deshalb aber kaum. Fritz Vorholz, Streit um den Rabatt, DIE ZEIT, Nr. 51, 13. Dezember 2001, S. 27. 55 Darauf weist Gross (RIW, 2002, S. 48) hin; ähnlich Wartenburger, IStR 2001, S. 400. 56 Koschyk, Steuervergünstigungen als Beihilfen nach Art. 92 EGV, S. 207. 57 Gedacht wird jedoch an die Entwicklung eines einheitlichen Regelwerks zur Körperschaftsteuerveranlagung. Die Harmonisierungstendenzen stehen im Zuge der Entwicklung der Europäischen Aktiengesellschaft; Kippenberg, IStR 2001, S. 410. 58 Maiterth versteht Harmonisierung und Koordinierung als Synonyme, Wettbewerbsneutralität der Besteuerung, S. 69. Dem soll hier widersprochen werden. Harmonisierung meint zwingende Rechtsangleichung über Richtlinien oder Verordnungen. Koordinierung meint die Rechtsangleichung über politische Abstimmung (persuasive authority). 59 Die Harmonisierung wird jedoch nach wie vor angestrebt, Ruding, EC tax review, 1998, S. 72; so hat die Kommission am 29.4.2002 eine Konferenz über die Möglichkeiten zur Einführung einer einheitlichen Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage abgehalten, Pressemitteilung vom 15.3.2002, Dokumentennummer IP/02/ 419 und dazu eine einheitliche Unternehmenssteuer-Website eingerichtet: http:// europa.eu.int/comm/taxation_customs/taxation/company_tax/index_en.htm . 60 Der unverbindliche Charakter ergibt sich aus der Nichterwähnung in Art. 249 EGV, Pinto, European Taxation, 1999, S. 302 (argumentum e contrario). Das zunächst unverbindliche „soft law“ kann jedoch eine Selbstbindung der Verwaltung bewirken („breach of legitimate expectations“) und auf diesem Weg eine Nichtigkeitsfeststellungsklage bei Abweichungen bewirken. 61 Wie sich später herausstellen wird, setzt die Kommission diese unverbindlichen Vorgaben jedoch im Beihilfenrecht „durch die Hintertür“ durch. 62 Bratton/McCahery, Common Market Law Review, 2001, S. 681.
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Kommission auf eine enge Kooperation, um im Bereich der Unternehmensbesteuerung den Erlaß von begünstigenden Vorschriften zu verhindern.64 Das Konzept der Gemeinschaft wurde unter dem Titel „Maßnahmenpaket zur Bekämpfung des schädlichen Steuerwettbewerbs in der Union“ (KOM [97] 564) in einer Mitteilung von der Kommission zusammengefaßt. Dieses vom EcofinRat am 1. Dezember 1997 beschlossene „Steuerpaket“ umfaßte folgende Elemente: – Verhaltenskodex für die Unternehmensbesteuerung;65 – Maßnahmen zur Beseitigung der Verzerrungen bei der Besteuerung von Zinserträgen; – Maßnahmen zur Beseitigung der Quellensteuer auf die grenzüberschreitende Zahlung von Zinsen und Lizenzgebühren zwischen Unternehmen.66 Der Verhaltenskodex betrifft die Regelungen, die den „Standort für wirtschaftliche Aktivitäten in der Gemeinschaft spürbar beeinflussen oder beeinflussen können.“ Zu den steuerlichen Regelungen, auf die sich der Kodex bezieht, gehören sowohl Rechts- und Verwaltungsvorschriften als auch Verwaltungspraktiken. Nach dem Verhaltenskodex für die Unternehmensbesteuerung verpflichten sich die Mitgliedstaaten, keine neuen schädlichen steuerlichen Maßnahmen zu treffen. Steuerliche Regelungen sind „als potentiell schädlich und damit unter den Kodex fallend anzusehen, die [wenn sie] gemessen an den üblicherweise in dem betreffenden Mitgliedstaat geltenden Besteuerungsniveaus eine deutlich 63 Am 9.4.1998 billigte der Rat der OECD einen Bericht des Steuerausschusses „Harmful Tax Competition – An Emerging Global Issue“, der sehr detaillierte Regelungen zum fairen und unfairen Steuerwettbewerb enthält; Wartenburger, IStR 2001, S. 401. Die OECD unterteilt die Steuerunterschiede zwischen Staaten in drei Situationen: 1. The first country is a tax haven . . . 2. the first country collects significant revenue from tax imposed on income . . . but its tax system has preferential features that allow the relevant income to be subject to low or no taxation. 3. the first country collects significant revenue from tax imposed on income . . . but the effective tax rate that is generally applied at that level is lower than that levied in the other country (Owens, International Tax Review, 1998, S. 230). 64 Veröffentlichung der Europäischen Kommission, Steuerpolitik in der Europäischen Union, Reihe: Europa in Bewegung, Luxemburg: Amt für amtliche Veröffentlichungen der Europäischen Gemeinschaften, 2000, S. 35; gleichzeitig hat die Kommission jedoch eine Steuerbefreiung für alle Firmen genehmigt, die im Finanzzentrum von Triest ihre Aktivitäten mit bezug zu Osteuropa entwickeln, Pinto, European Taxation, 1999, S. 308. 65 Entschließung des Rates und der im Rat vereinigten Vertreter der Regierungen der Mitgliedstaaten vom 1.12.1997, Amtsblatt C 2/2 v. 6.1.1998; die Entschließung ist als politische Grundsatzentscheidung ohne unmittelbare Rechtswirkung zu werten. 66 Ein Informationssystem soll ausreichen. Österreich, Belgien und Luxemburg sollen eine Quellensteuer für eine Übergangsfrist einführen, Taxation and Customs Union: The taxation package, Legal Notice of the Ecofin meeting at Verona in April 1996, Coordination of tax policies.
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niedrigere Effektivbesteuerung, einschließlich einer Nullbesteuerung, bewirken.“ Bei der Beurteilung der Schädlichkeit ist nach dem Willen des Rates „zu berücksichtigen: (1) ob die Vorteile ausschließlich Gebietsfremden oder für Transaktionen mit Gebietsfremden gewährt werden oder (2) ob die Vorteile völlig von der inländischen Wirtschaft isoliert sind, so daß sie keine Auswirkungen auf die innerstaatliche Steuergrundlage haben oder (3) ob die Vorteile gewährt werden, auch ohne daß ihnen eine tatsächliche Wirtschaftstätigkeit und substantielle wirtschaftliche Präsenz in dem diese steuerlichen Vorteile bietenden Mitgliedstaat zugrunde liegt oder (4) ob die Regeln für die Gewinnermittlung bei Aktivitäten innerhalb einer multinationalen Unternehmensgruppe von international allgemein anerkannten Grundsätzen, insbesondere von den von der OECD vereinbarten Regeln, abweichen oder (5) ob es den steuerlichen Regelungen an Transparenz mangelt, einschließlich der Fälle einer laxeren und undurchsichtigen Handhabung der Rechtsvorschriften auf Verwaltungsebene.“67 Außerdem hat die Kommission Leitlinien für staatliche Beihilfen steuerlicher Art ausgearbeitet, um die Prüfung der Vereinbarkeit derartiger Beihilfen mit dem Gemeinsamen Markt zu erleichtern (Mitteilung 98/C 384/03). Das Beihilfenrecht hat dabei zwei besondere Vorzüge:68 (1) Das Vollzugsverbot für neue Beihilfen gem. Art. 88 III 1 EGV hat eine unmittelbare Wirkung. (2) Die Kommission hat ein originäres Initiativrecht und ist nicht auf den „good-will“ der Mitgliedstaaten angewiesen. Die Kommission ist seit neuestem dazu übergegangen, durch den halbjährlich erscheinenden Beihilfenanzeiger „zu mehr Transparenz beizutragen und das Bewußtsein für die Beihilfenkontrolle zu schärfen.“69 Die Europäische Union greift die Steuererleichterungen unter zwei verschiedenen Blickwinkeln an: „Unverbindlich“ über den Verhaltenskodex des Rates und verbindlich über das Beihilfenrecht.70 Im Rat vertritt jedes Land sein Inter67 Bericht der Gruppe „Verhaltenskodex“, Press Release: Brussels (29/2/2002) Nr. 4901/99, Primarolo Gruppe, abrufbar unter http://ue.eu.int/newsroom/ . 68 Diese Vorzüge hat Schön herausgearbeitet, Schön, Steuerliche Beihilfen, Beiheft 69 ZHR, S. 109. 69 Pressemitteilung der Kommission v. 7.1.2002, Dokumentennummer IP/02/12; der Anzeiger ist abrufbar auf den Internetseiten der Generaldirektion Wettbewerb http://europa.eu.int/comm/competition . 70 Broß, Daseinsvorsorge – Wettbewerb – Gemeinschaftsrecht, JZ 2003, S. 876, hingegen ist der Ansicht, das Europarecht dulde oder eröffne Steueroasen: „Mit der Dul-
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Teil II: Terminologie und Wirkungen von Steuervergünstigungen
esse, die Rivalen am „Steuerdumping“ zu hindern und so ein forum-shopping der Steuerverpflichteten zu vermeiden. Außerhalb der Treuebekundungen im Rat hat jedes Mitgliedsland jedoch ein Interesse daran, im Streit um die Gunst der mobilen Steuerverpflichteten selbst besonders attraktiv zu erscheinen. Die Kollektivbekundungen im Rat und die Rechtsakte der Kommission, der Kodex und das Beihilfenrecht, haben deshalb leicht unterschiedliche Zielsetzungen. Eine Harmonisierung der direkten Unternehmensbesteuerung würde an dem Einstimmigkeitserfordernis des Art. 94 EGV71 scheitern.72 Das europäische Beihilfenrecht greift damit genau den Versuch der Mitgliedstaaten an, wirtschaftlichen Partikularinteressen Privilegien einzuräumen. Gerade Förderabschreibungstatbestände sind darauf angelegt, in den Konflikt zum Europarecht zu geraten. Setzt sich in diesem Spannungsfeld das Europarecht durch, wird der Steuerwettbewerb langfristig zu einem „Wettlauf“ der Systeme73, und ein „Wettlauf“ der Ausnahmevorschriften wird vermieden. Wird im Rahmen der Beihilfevorschriften der „schädliche Steuerwettbewerb“ zu weit aufgefaßt, so ist allerdings zu befürchten, daß der Vorbehalt der Souveränität auf dem Gebiet der direkten Steuern gebrochen wird.74 Dann liegt es nahe, daß Hochsteuerländer dem Druck zur Rationalisierung ihrer Staatssektoren zu entgehen versuchen. Bei einem Scheitern der Kommissionsbemühungen ist außerdem zu erwarten, daß Hochsteuerländer zu einem Treaty-overriding der Doppelbesteuerungsabkommen übergehen, um einem „Steuer-Dumping“ zu begegnen.75 Diese Befürchtungen sind allerdings bei dem bisher doch sehr zaghaften Vorgehen der Kommission im Bereich der direkten Steuern noch unbegründet. Damit liegt die Hoffnung nahe, daß die Mitgliedstaaten – langfristig – ihre Bemesdung oder gar der Eröffnung von Steueroasen innerhalb der Gemeinschaft verfälscht diese [die Gemeinschaft] auch den Standort-Wettbewerb der Mitglieder untereinander. Die Gemeinschaft übersieht bei einem solchen Verhalten, daß unlauterer Wettbewerb und die Schädigung einzelner Mitgliedsländer unmittelbar über die Belastung der jeweiligen Volkswirtschaft durch unredliche Steuerflucht – häufig allein über Briefkastenfirmen – die Substanz einzelner Mitgliedstaaten, aber auch die die Gemeinschaft verbindende Substanz nachhaltig in Frage stellt oder gar allmählich auszehrt.“ 71 Nach Art. 95 II ist Art. 95 I nicht für die Bestimmungen über die Steuern anwendbar. Eine Harmonisierung müsste deshalb gem. Art. 94 erfolgen. Neben der Einstimmigkeit ist gem. Art. 94 erforderlich, daß sich die Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten, „unmittelbar auf die Errichtung oder das Funktionieren des Gemeinsamen Marktes auswirken.“ 72 Die Kommission ist jedoch bemüht über Pilotregelungen für mittelständische Unternehmen und über die weitere Adaptation der International Accounting Standards zu einer Harmonisierung der Besteuerungsgrundlagen zu gelangen, FAZ v. 2.12.2003, Nr. 280, S. 19 „Weniger Steuerbürokratie im EU-Binnenmarkt, Pilotregelungen für mittelständische Unternehmen, Fernziel einheitliche Steuerbemessungsgrundlage“. 73 Frick, Einkommensteuerliche Steuervergünstigungen und Beihilfeverbot nach dem EG-Vertrag, S. 104. 74 Schön, Steuerliche Beihilfen, Beiheft 69 ZHR, S. 110. 75 Koschyk, Steuervergünstigungen als Beihilfen nach Art. 92 EGV, S. 211.
§ 5 Verhaltenskodex für die Unternehmensbesteuerung
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sungsgrundlagen erweitern und ihre Ausnahmevorschriften verringern werden, um im Wettlauf der Systeme mithalten zu können. Die schwierige Abgrenzung – die in dieser Arbeit unternommen werden soll – zwischen einer „allgemeinen“ Konjunkturförderung durch Steuersenkung und einer Beihilfe ist deshalb von besonderer Bedeutung.76 Ansonsten steht zu befürchten, daß der Wettlauf der Mitgliedstaaten um die Gunst der Unternehmen und Kapitalerträge in einem unübersichtlichen Scheiterhaufen von Ausnahmetatbeständen endet. Auch bei einem erfolgreichen Kampf gegen „unfairen Steuerwettbewerb“ kann jedoch nur das kumulative Eingreifen von Europarecht und nationalem Verfassungsrecht eine Verschiebung der Steuerlasten verhindern. Lang hat beobachtet, daß sich die Körperschaftsteuersätze auf ein Niveau von 30% zubewegen, während die einkommensteuerlichen Spitzensätze in den meisten Ländern zwischen 40% und 50% liegen.77 Die Belastungsgleichheit zwischen Personengesellschaften und Kapitalgesellschaften kann nur das nationale Verfassungsrecht herstellen.78 Die Bemühungen um einen „fairen“ Wettbewerb der Steuersysteme in Europa arbeiten mit dem Begriff des Wettbewerbs. Auf Staaten angewandt führt der Begriff des Wettbewerbs jedoch auch, wie schon vorher angedeutet, in die Irre: – Zutreffend an ihm ist, daß neuerdings Staaten um die Unternehmen werben. Aus dem allmächtigen Staat ist ein bittender, werbender Staat geworden. – Es geht jedoch beim „Wettbewerb“ der Steuersysteme nicht um eine Verdrängung der „Konkurrenten“. Es geht nicht „um die Wette“. Bei Unternehmen ist der Erfolg in Zahlen sichtbar, der Klassenstreber wird Monopolist. Bei Staaten liegt der Erfolg in dem „Glück“ der Einwohner, in dem Erreichen von Werten, die nur noch abstrakt beschrieben werden können (Gerechtigkeit, Naturschutz, etc.). Der Erfolg ist nicht meßbar, schon gar nicht in einfachen Zahlen. Die Reduzierung der Staatsquote kann einen Erfolg darstellen, wenn die gleiche Qualität öffentlicher Güter mit geringeren Mitteln erreicht wurde. Sie kann aber auch auf ein Defizit an öffentlichen Gütern hinweisen. Wer ohne Vorsicht den Begriff des Wettbewerbs anwendet, läuft deshalb Gefahr, unbewußt für einen „Nachtwächterstaat“ 79 zu plädieren. Ein Nachtwächterstaat wäre mit dem deutschen Grundrechtsverständnis unvereinbar. 76
Das Ergebnis ist eine zweistufige Prüfung, s. o. Lang, Europa- und verfassungsrechtliche Maßstäbe für eine Besteuerung der Unternehmen, Grundrechtsschutz im Steuerrecht, S. 14. 78 Das Europarecht ähnelt allerdings in seiner rechtsformneutralen Betrachtung dem nationalen Verfassungsrecht, Paul Kirchhof, DIE ZEIT, 8.5.2002, S. 32. 79 Der Begriff ist eine spöttische Bezeichnung für die Staatsvorstellungen des Liberalismus im 19. Jahrhundert. Danach sollte dem Staat allein die Aufgabe zufallen, die Entwicklung der Einzelpersönlichkeit durch Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicher77
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Teil II: Terminologie und Wirkungen von Steuervergünstigungen
– Zudem haftet dem Begriff des Wettbewerbs etwas Zwanghaftes an. Dem Wettbewerb kann sich ein Unternehmer nicht entziehen, er muß sich ihm beugen. Ein Staat wird durch den kanalisierten Volkswillen gelenkt. Dieser Wille ist frei. Der Begriff des Wettbewerbs kann als sprachliche Waffe mißbraucht werden, indem er dem freien Wähler eine Unfreiheit suggeriert, die in dieser Form nicht besteht. Anstelle von Vorschlägen für einen besseren Staat entstehen so Diskussionen um den „Standort Deutschland“, die mit quasi naturwissenschaftlicher Konsequenz mit einem zwingend erscheinenden Schlußwort zum Abbau der Sozialsysteme enden. Daraus folgt, daß der Begriff des „Wettbewerbs“ allenfalls mit Vorsicht auf Staaten angewandt werden kann. Wird er hier in Anführungszeichen aufgeführt, geschieht dies nur zur Umschreibung der Umstände, nicht als Programmsatz. Ziel eines jeden Staatswesens ist seine kontinuierliche Verbesserung zu Gunsten seiner Einwohner; wie dieser Weg auszusehen hat, ist Ergebnis des demokratischen Meinungskampfes und Interessensausgleichs.
heit und Ordnung mittels Gesetzgebung, Rechtspflege und Polizei und durch die Abwehr von Angriffen anderer Staaten zu sichern. Creifelds, Rechtswörterbuch, unter „Liberalismus“, 14. Auflage, München 1997.
Teil III
Funktionsweise der Abschreibungstatbestände § 6 Anwendungsbereich der Abschreibungstatbestände Abschreibung ist der Oberbegriff für alle Formen der Buchwert-Herabsetzung eines Wirtschaftsgutes.1 Er ist Oberbegriff für das Handelsrecht und das Steuerrecht. Gegenbegriff ist die „Zuschreibung“ (§§ 268 II 2, 280 HGB) oder „Wertaufholung“ (BMF-Schreiben v. 25.2.2000 zu der Neuregelung gem. § 6 I Nr. 1, S. 4 EStG). Das Steuerrecht bezeichnet den Vorgang der Abschreibung meist mit dem Terminus „Absetzung“. Es bestimmt in § 7 I 1 EStG, wann Absetzungen vorgeschrieben sind. „Absetzungen für Abnutzung“ sind nur „bei Wirtschaftsgütern, deren Verwendung oder Nutzung durch den Steuerpflichtigen zur Erzielung von Einkünften sich erfahrungsgemäß auf einen Zeitraum von mehr als einem Jahr erstreckt,“ vorzunehmen (§ 7 I 1 EStG). Die Absetzung bemißt sich nach der betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer des Wirtschaftsguts (§ 7 I 2 EStG). Über die Absetzungen für Abnutzung werden die Anschaffungs2- oder Herstellungskosten3 periodengerecht verteilt. Es muß sich also um ein Wirtschaftsgut (A.) handeln, das zur Erzielung von Einkünften dient (B.), und dessen Verwendung oder Nutzung durch den Steuerpflichtigen sich erfahrungsgemäß auf einen Zeitraum von mehr als einem Jahr erstreckt (C.). Absetzungsberechtigt ist, wer die Abnutzung wirtschaftlich trägt (D.). Die Abschreibung beginnt mit der effektiven Nutzung des Wirtschaftsgutes.4
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Falterbaum/Bolk/Reiß, Buchführung und Bilanz, Nr. 15.8.3.1 S. 661. Vgl. § 255 I HGB: „Anschaffungskosten sind die Aufwendungen, die geleistet werden, um einen Vermögensgegenstand zu erwerben und ihn in einen betriebsbereiten Zustand zu versetzen, soweit sie dem Vermögensgegenstand einzeln zugeordnet werden können. Zu den Anschaffungskosten gehören auch die Nebenkosten, sowie die nachträglichen Anschaffungskosten, Anschaffungspreisminderungen sind abzusetzen.“ 3 Vgl. § 255 II, III HGB. Die Begrifflichkeiten sind in Steuerrecht und Handelsrecht identisch, Steuerrecht, § 9 Rn. 376. Abzugrenzen sind die Herstellungskosten vom sofort abziehbaren Erhaltungsaufwand. 4 Vgl. § 11c EStDV und EStR 44 I S. 1–3 zu § 7 EStG: „AfA ist vorzunehmen, sobald ein Wirtschaftsgut angeschafft oder hergestellt ist. Ein Wirtschaftsgut ist im Zeitpunkt seiner Lieferung angeschafft. Ist Gegenstand eines Kaufvertrages über ein Wirtschaftsgut auch dessen Montage durch den Verkäufer, so ist das Wirtschaftsgut 2
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Teil III: Funktionsweise der Abschreibungstatbestände
A. Wirtschaftsgut Der Begriff des Wirtschaftsguts ist sehr weit auszulegen. Wirtschaftsgüter sind Sachen, Rechte oder tatsächliche Zustände, konkrete Möglichkeiten oder Vorteile für den Betrieb, deren Erlangung der Kaufmann sich etwas kosten läßt, die einer besonderen Bewertung zugänglich sind, in der Regel eine Nutzung für mehrere Wirtschaftsjahre erbringen und zumindest mit dem Betrieb übertragen werden können.5 Die Begriffe Vermögensgegenstand und Wirtschaftsgut sind Synonyme6. Der Begriff des Wirtschaftsgutes ist auf der Grundlage der dem Steuerrecht eigenen „wirtschaftlichen Betrachtungsweise“ auszulegen. Deshalb ist nicht jeder Vermögenswert ein Wirtschaftsgut (Vermögensgegenstand). Seine Greifbarkeit macht erst das Wirtschaftsgut aus. Er muß als Einzelheit ins Gewicht fallen.7 Ob ein Wirtschaftsgut als Einzelheit ins Gewicht fällt, bemißt sich nach den wirtschaftlichen Funktionszusammenhängen, nicht jedoch nach bürgerlich-rechtlichen Zuordnungen. Die bürgerlich-rechtliche Einteilung als Scheinbestandteil gem. § 95 BGB zum Beispiel ist für die steuerrechtliche Zuordnung regelmäßig sogar irreführend. So sind Ladeneinbauten, Schaufensteranlagen des Mieters (gem. EStR 13 III Nr. 3 etc.) steuerrechtlich selbständige Gebäudeteile, die nach Verwaltungsauffassung als unbewegliche Wirtschaftsgüter in 7 Jahren abzuschreiben sind.8
B. Wirtschaftsgut zur Erzielung von Einkünften Das Wirtschaftsgut muß der Erzielung von Einkünfte dienen. Dabei ist auf die jeweilige Einkunftsart abzustellen. Die Zuordnung zu den Überschußeinkünften (I.) und zu den Gewinneinkünften (II.) führt zu unterschiedlichen Rechtsfolgen.
erst mit Beendigung der Montage geliefert.“ Vgl. Falterbaum/Bolk/Reiß, Buchführung und Bilanz, Nr. 15.9.7 S. 674. 5 BFH in DStR 1997, S. 1638–1640 (1638). 6 Wichmann, Die unbenannte echte umgekehrte Maßgeblichkeit, BB 1990, 1684; a. A. Stobbe, Das Verhältnis von handels- und steuerrechtlicher Rechnungslegung unter Berücksichtigung der Neuregelung des § 5 I S. 2 EStG (Teil I), DStR 1991, S. 56. 7 BFH GS in DStR 2000, S. 1682–1687 (1682) (= BFHE 192, 339). 8 Die früher nicht-beanstandete Abschreibung in 5–10 Jahren (BFHE 80, 223) ist weiter auf 7 Jahre vereinheitlicht worden, Falterbaum/Bolk/Reiß, Buchführung und Bilanz, Nr. 15.10.21.4 S. 710.
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I. Zuordnung zur Erzielung von Überschußeinkünften – Privatvermögen Vermögensgegenstände, die zur Erzielung von Überschußeinkünften eingesetzt werden, verbleiben im Privatvermögen. So kann ein PKW, den der Steuerpflichtige für seine Tätigkeit als Angestellter nutzt, nur innerhalb dieser Einkunftsart abgeschrieben werden, verbleibt aber im Privatvermögen. Sofern der Angestellte die (neu eingeführte) Jahresfrist des § 23 I Nr. 2 EStG beachtet, ist ein etwaiger Veräußerungsgewinn steuerfrei.9 Die Abschreibungen führen beim Steuerpflichtigen zu Werbungskosten innerhalb der Einkunftsart „Nichtselbständige Arbeit“ gem. §§ 19 I S. 1 Nr. 1, 9 V, 7 ff. EStG. Die Zuordnung der Erwerbskosten zu einer bestimmten Einkommensart ist nach der Begrenzung der Verlustverrechnung durch §§ 2 III S. 2 bis 8 und 10d EStG von besonderer Bedeutung. Insbesondere für Abschreibungen, die als Werbungskosten in den Bereich der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung fallen, kann dies zu unangenehmen Folgen führen.10 Die Widmung zur Erzielung von Überschuß-Einkünften unterliegt keinen Beschränkungen. II. Zuordnung zur Erzielung von Gewinneinkünften – Betriebsvermögen Beim Betriebsvermögen ist je nach dem Grad der betrieblichen Nutzung zu unterscheiden. Die Widmung ist entbehrlich, wenn ein Gegenstand mehr als 50% betrieblich genutzt wird. Dann ist der Vermögensgegenstand Teil des „notwendigen Betriebsvermögens“.11 Bei einer betrieblichen Nutzung unter 10% ist eine Widmung zum Betriebsvermögen nach Verwaltungsauffassung nicht möglich.12 Hier ist der Gegenstand notwendiges Privatvermögen. Im Bereich zwischen 10 und 50% ist das Wirtschaftsgut „willkürfähig“. Die Widmung ist dann konstitutiv. Die Zuordnung eines Wirtschaftsguts muß unmißverständlich so kundgemacht werden, daß ein sachverständiger Dritter ohne weitere Erklärung des Steuerpflichtigen die Zugehörigkeit zum Betriebsvermögen er9 Entsprechendes gilt für denjenigen, der Einkünfte mit der Vermietung eines Gebäudes erzielt. Das Gebäude verbleibt bei nicht-gewerblicher Vermietung im Privatvermögen. Die Abschreibungen kann der Vermieter über § 9 I Nr. 7, V EStG wahrnehmen. Ein Veräußerungsgewinn ist bei Beachten der 10jährigen „Spekulations“-Frist steuerfrei (§ 23 I Nr. 1 EStG). 10 Hier bietet sich in der Praxis die Umqualifikation dieser Negativeinkünfte durch Einbringung in eine GmbH oder GmbH & Co KG an. Die GmbH selbst erzielt per definitionem nur gewerbliche Einkünfte, die ohne Begrenzung mit den weiteren Einkünften der GmbH verrechnet werden können. Interessanter mag noch die Möglichkeit der Einbringung in eine gewerblich geprägte Personengesellschaft erscheinen. Auch hier ist danach eine Verrechnung mit den anderweitigen Einkünften des entsprechenden Steuerpflichtigen aus Gewerbebetrieb möglich. 11 Vgl. R (= Richtlinie) 13 I 1 zu § 4 EStG. 12 R 13 I 5 zu § 4 EStG.
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Teil III: Funktionsweise der Abschreibungstatbestände
kennen kann.13 Das wird im Regelfall nur durch Aufnahme in die Bilanz möglich sein. Durch die Widmung zur Einkunftserzielung entsteht bei den Gewinneinkünften Betriebsvermögen; das Wirtschaftsgut ist „steuerverhaftet“. Die Wertveränderungen zwischen Buch- und Veräußerungswert bilden den zu versteuernden Veräußerungserlös. Die Widmung entscheidet mithin innerhalb der Gewinneinkünfte, ob ein Vermögensgegenstand dem Betriebs- oder Privatvermögen angehört. Daraus entsteht eine Mißbrauchsgefahr. Ein Steuerpflichtiger, der negative Wertveränderungen an einem Wirtschaftsgut erwartet, wird versuchen, diese Verluste in die betriebliche Sphäre zu ziehen. Deshalb hat der 4. Senat des BFH entschieden: „Die Steuerpflichtigen haben kein (freies) Wahlrecht, gewillkürtes Betriebsvermögen oder Privatvermögen zu bilden. Vielmehr muß für die Bildung gewillkürten Betriebsvermögens eine betriebliche Veranlassung gegeben sein. Die Wirtschaftsgüter müssen objektiv betriebsdienlich sein. Die Willkürung muß ihr auslösendes Moment im Betrieb haben. Deshalb muß der Steuerpflichtige darlegen, welche Beziehung das Wirtschaftsgut zum Betrieb hat und welche vernünftigen wirtschaftlichen Überlegungen ihn veranlaßt haben, das Wirtschaftsgut als Betriebsvermögen zu behandeln.“14
Für den Freiberufler, der nach § 4 III EStG seinen Gewinn durch EinnahmenÜberschußrechnung ermittelt, ist zunehmend streitig, ob auch er gewillkürtes Betriebsvermögen bilden darf. Dies hat der 4. Senat des BFH in der genannten Entscheidung zuletzt ausdrücklich offengelassen.15 Lehnt man dies ab, gehören Wirtschaftsgüter, die der Freiberufler nur zwischen 10 und 50% zur Einkunftserzielung nutzt, stets zum Privatvermögen. Das hat die Folge, daß auch keine Abschreibungen vorgenommen werden können.16 Zwischenergebnis: Die Zuordnung zur Erwerbssphäre ist im Bereich der Gewinneinkünfte von Fallgruppen geprägt. Die Zuordnung zum Betriebsvermögen des Freiberuflers ist ein ungelöstes Problem.
C. Mehrjährige betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer Die „Verwendung oder Nutzung des Wirtschaftsguts durch den Steuerpflichtigen“ muß sich „erfahrungsgemäß auf einen Zeitraum von mehr als einem Jahr 13
BFHE 172, 354. BFHE 191, 307. 15 Ablehnend noch BFH 10. Senat v. 22.9.1993 in BFHE 172, 354. 16 Ob aus dem Grundsatz der Totalgewinngleichheit zwischen Überschußrechnung gem. § 4 III EStG und Bilanzierung gem. §§ 4 I, 5 I die Möglichkeit zu fordern ist, auch der Überschußrechner solle Betriebsvermögen bilden können, kann an dieser Stelle offenbleiben. Eine Diskussion der Fragestellung würde zu sehr von der eigentlichen Aufgabe wegführen. 14
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erstrecken“ (§ 7 I 1 EStG). Gem. § 7 I 2 EStG „bestimmt sich die Absetzung hierbei nach der betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer des Wirtschaftsguts“.17 Ob ein Wirtschaftsgut zum abnutzbaren Anlagevermögen gehört, bemißt sich allein danach, ob seine Nutzung zeitlich begrenzt ist. Der Begriff der Abnutzung unterfällt dabei in die Unterkategorien der tatsächlichen und der wirtschaftlichen Abnutzung. Nur bei der wirtschaftlichen Abnutzung sind die Wertverhältnisse des Wirtschaftsguts zu beachten.18 Bei der tatsächlichen Abnutzung durch körperlichen Verschleiß werden die Veränderungen in den Wertverhältnissen vom Gesetzgeber typisierend und unwiderlegbar vermutet. Die subjektive Abschreibungsberechtigung ist von den Begriffen des wirtschaftlichen oder zivilrechtlichen Eigentums unabhängig19; sie ist Gegenstand einer an Billigkeitserwägungen orientierten Kasuistik des BFH. Es ist demnach zum Zeitpunkt der Anschaffung oder Herstellung des Wirtschaftsguts eine Prognose vorzunehmen, auf welchen Zeitraum das Wirtschaftsgut voraussichtlich durch den Steuerpflichtigen verwendet oder genutzt wird. Für die Prognose ist auf die Erfahrung abzustellen („erfahrungsgemäß“). Die Erfahrung bezieht sich auf den konkreten Betrieb („betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer“).20 Dessen Eigenheiten finden Berücksichtigung. Aus der Pluralform („Bei Wirtschaftsgütern . . .“) schließt die Rechtsprechung andererseits, daß es nicht auf das konkrete Wirtschaftsgut ankommt, sondern auf Wirtschaftsgüter dieser Art.21 Die betriebstypische Nutzungsdauer wird nicht dadurch gemindert, daß der Steuerpflichtige das Wirtschaftsgut vor Vollendung des technischen oder wirtschaftlichen Wertverzehrs typischerweise veräußert.22 Die Nutzungsdauer ist insofern „veräußerungsunabhängig“.23 Die Prognose muß einerseits einen Zeitraum von mehr als einem Jahr ergeben (I.), muß andererseits aber auf einen zeitlich begrenzten Nutzungshorizont hindeuten (II.).
17 In der Sprache des Handelsrechts handelt es sich demnach um abnutzbares Anlagevermögen. Vgl. § 247 II HGB: „Beim Anlagevermögen sind nur die Gegenstände auszuweisen, die bestimmt sind, dauernd dem Geschäftsbetrieb zu dienen.“ 18 Siehe „II. Begrenzter Zeitraum“. 19 Siehe „D. Absetzungsberechtigung“. 20 BFH 10. Senat v. 19.11.1997, BStBl. 1998 II S. 59. 21 BFH 6. Senat v. 26.7.1991, BFHE 165, 378: „Die Schätzung ist in der Regel an den Erfahrungen zu orientieren, die mit Wirtschaftsgütern gleicher oder ähnlicher Art gemacht worden sind.“ 22 BFH 10. Senat v. 19.11.1997, BStBl. 1998 II S. 59. 23 Vgl. BFH 10. Senat v. 19.11.1997, BStBl. 1998 II S. 59.
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I. Zeitraum von mehr als einem Jahr „Zeitraum von mehr als einem Jahr“ ist streng wörtlich als ein Zeitraum von mehr als 365 Tagen nach Anschaffung des Wirtschaftsgutes zu verstehen. Ein kurzlebiges Wirtschaftsgut wird also direkt als Aufwand gebucht (Aufwand an Bank).24 Dies gilt auch dann, wenn ein kurzlebiges Wirtschaftsgut in der zweiten Hälfte des Wirtschaftsjahres angeschafft oder hergestellt wird und seine Nutzungsdauer über den Bilanzstichtag hinausreicht.25 Ergibt die Prognose einen Zeitraum von mehr als einem Jahr, bestimmt § 7 I 1 EStG, daß Absetzungen für Abnutzung vorzunehmen sind. Gem. § 7 I 2 EStG bestimmt sich der Zeitraum der Absetzung nach der „betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer“. Die Nutzungsdauer eines bestimmten Wirtschaftsguts kann also durchaus unterschiedlich ausfallen, je nach der Art der prognostizierten Nutzung durch den Steuerpflichtigen. Ein LKW, der etwa für häufige Dienstbotenfahrten genutzt wird, hat eine geringere betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer als ein LKW, der nur gelegentlich bei Auslieferungen zum Einsatz kommt. Die Nutzungsdauerprognose wird dem Steuerpflichtigen in der Regel durch die „AfA-Tabellen“ des BMF abgenommen. Insgesamt gibt es über 300 „AfATabellen“. Diese Prognosen sind meist sehr vorteilhaft, so daß es sich für den Steuerpflichtigen lohnt, sich auf die Geltung dieser Verwaltungsanweisungen zu berufen. Die AfA-Tabellen sind weder Verordnung noch Gesetz. Eine Ermächtigung zum Erlaß von AfA-Tabellen enthält das Einkommensteuergesetz nicht. Ihre Funktion besteht darin, die Gleichmäßigkeit der Besteuerung festzulegen. Für die Gerichte sind die AfA-Tabellen zwar nicht rechtlich bindend; die AfATabellen sollen jedoch eine „Vermutung der Richtigkeit für sich haben“26. Als Sachverhaltsprognosen sind sie jedoch insofern für die Gerichte beachtlich, als die Verwaltung über Art. 3 I GG einer Selbstbindung unterliegt. Diese Selbstbindung versagt in Fällen offensichtlich fehlerhafter Prognose. Der 6. Senat hat einen Anspruch des Steuerpflichtigen aus Art. 3 I GG auf Anwendung dieser Form der publizierten Verwaltungseinschätzung bejaht, sofern die Verwaltungseinschätzung nicht offensichtlich fehlerhaft ist.27 Das Gleichbehandlungsgebot führt so dazu, daß der hohe Anspruch des § 7 I 1 EStG, eine realitätsgerechte 24
BFHE, 4. Senat, 172, 502. Falterbaum/Bolk/Reiß, Buchführung und Bilanz, Nr. 15.8.3.2 S. 662. 26 BFH 10. Senat v. 19.11.1997, BStBl. 1998 II S. 59. 27 BFHE 126, 217: „Verwaltungsanweisungen, die auf Erfahrung der Verwaltung beruhende Schätzungen zum Inhalt haben, sind nach ständiger Rechtsprechung des BFH aus Gründen der Gleichbehandlung auch von den Steuergerichten zu beachten, solange sie im Einzelfall nicht offensichtlich zu falschen Ergebnissen führen. Die Steuergerichte dürfen jedoch derartige Verwaltungsanweisungen nicht selbst auslegen, sondern nur darauf überprüfen, ob die Auslegung durch die Finanzbehörden nach dem Wortlaut der Verwaltungsanweisung möglich ist.“ Ähnlich schon der 6. Senat in BFHE 82, 155. 25
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Besteuerung zu ermöglichen, in seiner praktischen Umsetzung durchlöchert wird, ohne daß der Gesetzgeber darauf seinen Einfluß ausüben könnte.28 Als publizierte Sachverhaltsprognosen der Finanzverwaltung haben die AfA-Tabellen nicht nur den Rahmen der Verfassung, sondern auch den des einfachen Gesetzes zu beachten. Das „Sachverhalts-Ermessen“ darf dabei nicht völlig fehlerhaft sein.29 Stehen die in den „AfA-Tabellen“ gefundenen Werte in keiner Beziehung zu der tatsächlichen Nutzungsdauer, sind sie wegen Verstoßes gegen den Willen des Gesetzgebers nach § 7 I 2 EStG gesetzeswidrig. Der Bundesfinanzhof hat durch seine grundsätzlichen Ausführungen im Urteil vom 19.11.199730 eine Überarbeitung der AfA-Tabellen bewirkt.31 Die darauf folgenden AfA-Tabellen sind realitätsgerechter. Gewisse Zweifel hinsichtlich der Vereinbarkeit mit § 7 I 1 EStG und Art. 3 I GG vermögen auch die neuen Tabellen nicht auszuräumen: Der ADAC hat im März 2002 eine Tabelle der durchschnittlichen Wertverluste über die gesamte Modellpalette der Automarken veröffentlicht. Für Fahrzeuge des Baujahres 1998 mit einer durchschnittlichen Laufleistung von 60.000 Kilometern betrug der Wertverlust zwischen 34,7% (Porsche) bis 61,7% (Daewoo).32 Nach der AfATabelle für allgemein verwendbare Anlagegüter vom 15.12.2000 beträgt die Nutzungsdauer von Personenkraftwagen 6 Jahre. Bei linearer AfA sind pro Jahr danach 1/6 = 16,6 . . .% der Anschaffungskosten abzuschreiben. Der Wertverlust nach 4 Jahren beträgt bei linearer AfA 66,6. . .%. Keine der vom ADAC geprüften Marken hat in 4 Jahren einen derartigen Wertverlust erlitten. Der Fragestellung, ob die AfA-Tabellen realitätsgerecht sind und § 7 I 1 EStG entsprechen, soll jedoch hier nicht weiter nachgegangen werden. Die Untersuchung beschränkt sich auf „Abschreibungstatbestände (zwischen Aufwands- und Subventionstatbestand)“, mithin auf die gesetzlichen Bestimmungen über Abschreibungen. Die „AfA-Tabellen“ sind selbst nicht Teil des Abschreibungstatbestandes. Sie bilden eine außerhalb des Gesetzes von der Finanzver-
28 Diesen Gedanken äußert Mußgnug im Zusammenhang mit Dispensen. Auf Sachverhaltsprognosen, die wie ein Dispens das Gesetz „aufweichen“, trifft er aber in vergleichbarer Weise zu, Mußgnug, Der Dispens von gesetzlichen Vorschriften, S. 131. 29 Es liegt zumindest nahe, in der meist günstigen Prognose eine versteckte Förderung bestimmter Industriezweige zu sehen. So entspricht eine prognostizierte Nutzungsdauer von 5 Jahren für neue Pkws nicht der Realität. Der Steuerpflichtige wird dadurch geradezu ermuntert, zu einem untertriebenen Wert das Wirtschaftsgut zu entnehmen/zu veräußern, um erneut „Abschreibungsmasse“ zur Verfügung zu haben. 30 BStBl. 1998 II S. 59. 31 Vgl. BMF-Schreiben betr. Ermittlung der betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer gem. § 7 I S. 2 EStG vom 15.6.1999. 32 ADAC Motorwelt, Beitrag von Thomas Kroher, „Der Markt als Spiegel“, Quelle: Gebrauchtwagen-Preise der Deutschen Automobil Treuhand (DAT), Heft 3, März 2002, S. 19 (20).
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Teil III: Funktionsweise der Abschreibungstatbestände
fassung typisiert vorgenommene Prognose der „betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer“ i. S. d. § 7 I 2 EStG. Festzuhalten ist, daß die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer in der Praxis nach den „AfA-Tabellen“ bestimmt wird.33 II. Begrenzter Zeitraum Der Zeitraum der Nutzbarkeit eines Wirtschaftsgutes muß andererseits begrenzt sein. Wirtschaftsgüter gehören zum abnutzbaren Anlagevermögen, wenn ihre Nutzung zeitlich begrenzt ist.34 Die „Abnutzung“ ist keinesfalls wörtlich zu verstehen. Abnutzen kann sich jedes Wirtschaftsgut, dessen wirtschaftliche Verwertung an eine zeitliche Grenze gebunden ist. Die zeitliche Grenze ergibt sich zwar im Regelfall aus der tatsächlichen Nutzung; dieses Kausalverhältnis zwischen Nutzung und zeitlicher Begrenztheit ist jedoch nicht begriffsnotwendig. Die Abnutzung muß nicht zwingend in dem physischen Verbrauch liegen.35 „Abnutzbar“ sind nicht nur materielle Wirtschaftsgüter (Gebäude, nicht aber Grund und Boden), sondern auch einige immaterielle Wirtschaftsgüter. Dies gilt nach deutschem Steuerrecht insbesondere für Nutzungsrechte (Nießbrauch, dingl. Wohnrecht, Erbbaurecht, obligatorisches36 Nutzungsrecht)37 und für den (entgeltlich) erworbenen Praxis-38, Geschäfts- oder Firmenwert39. Nach deutschem Handels- und Steuerrecht ist der Goodwill abschreibungsfähig. Dies ent33 Ausnahmsweise kann auch eine kürzere Nutzungsdauer begründet sein, vgl. AfATabelle für die allgemein verwendbaren Anlagegüter, („AV“), für Anlagegüter, die nach dem 31.12.2000 angeschafft oder hergestellt worden sind, BMF IV D 2 – S 1551 – 188/00, Allgemeine Vorbemerkungen Nr. 2, Absatz 2. 34 Falterbaum/Bolk/Reiß, Buchführung und Bilanz, Nr. 15.8 S. 652. 35 Dies hat der 8. Senat für den Bereich der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung früher gefordert, BFHE 112, 165. Er hat dies damit begründet, daß der Aufwand für den Erwerb der Einkommensquelle systematisch von der Überschußeinkunftsart nicht erfaßt sei. Er hat diese Ansicht jedoch selbst aufgegeben. „Zeitlich begrenzte Rechte unterliegen auch dann einem durch AfA zu berücksichtigenden Wertverzehr, wenn sie der Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung dienen.“ BFH 8. Senat in BFHE 125, 528; vgl. auch Schellenberger in FR 1980, 25. 36 Zu Grunde liegender Fall ist die Mietvorauszahlung für mehrere Jahre. Technisch wären die Einkünfte eigentlich abzugrenzen. Der private Vermieter kann wegen § 11 II EStG jedoch keine Rechnungsabgrenzungsposten bilden. Zur Berücksichtigung der periodischen Zugehörigkeit sind Abschreibungen vorzunehmen, auch wenn dies eigentlich mangels Wirtschaftsguts nicht möglich erscheint. § 7 I 1 EStG ist jedenfalls analog anzuwenden. Vgl. in diesem Sinn, Schellenberger in FR 1980, 28. 37 Tipke/Lang, Steuerrecht, § 9 Rn. 387. 38 Bei einer Sozietät geht die Finanzverwaltung von einer Nutzungsdauer von 6–10, bei einer Einzelpraxis von einer Nutzungsdauer von 3–5 Jahren aus. BMF-Schreiben betr. steuerrechtliche Behandlung des Wirtschaftsguts „Praxiswert“ v. 15.1.1995, BStBl. I S. 14. 39 § 7 I 3 EStG: „Als betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer des Geschäfts- oder Firmenwerts eines Gewerbebetriebs oder eines Betriebs der Land- und Forstwirtschaft gilt ein Zeitraum von 15 Jahren.“
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spricht der bisherigen Praxis nach International Accounting Standards (IAS). Diese (handelsrechtlichen) Buchführungsregeln sollen nach dem Willen der Kommission (für das Handelsrecht) europaweit verbindlich werden.40 Dem widerspricht eine US-amerikanische Novelle. Mit dem neuen Statement of Financial Accounting Standard 142 „Goodwill and Intangible Assets“ ist nach neuem US-GAAP der Goodwill nicht mehr abschreibungsfähig. Für einige deutsche Unternehmen, die ihre Handelsbilanz nach US-GAAP vollziehen41, wird dies (auf die Handelsbilanz begrenzte) Gewinnsteigerungen zur Folge haben.42 Es ist nicht absehbar, ob diese Entwicklung auch das deutsche Steuerrecht erfassen wird. Gegenwärtig ist der (entgeltlich erworbene) Goodwill abzuschreiben. Dies gilt nicht nur für die Steuerbilanz, sondern auch – für die Unternehmen, die nicht nach § 292a HGB vorgehen – für die Handelsbilanz43. Ob die Nutzung eines Wirtschaftsguts zeitlich begrenzt ist, kann in Grenzfällen problematisch werden. So ist etwa die Frage, ob Marken44 abnutzbar sind, 40 Die gesetzlichen Vereinheitlichungsbemühungen der Kommission werden richterrechtlich durch den EuGH unterstützt. Der EuGH hat sich in einer Entscheidung vom 7.1.2003 (Rs. C-306/99) dafür zuständig erklärt, in einem Vorabentscheidungsverfahren für die deutsche Gewerbesteuer erforderliche Bilanzierungsfragen zu klären. Da die Gewerbesteuer auf dem Gewerbeertrag nach EStG oder KStG beruht, die Gewinnermittlung aber mittelbar auf den europarechtlich vorgegebenen, handelsrechtlichen Buchungsgrundsätzen beruht, ergibt sich so eine allgemeine Zuständigkeit des EuGH in Bilanzierungsfragen. Der EuGH trägt mit der Entscheidung entscheidend zur Rechtsvereinheitlichung bei. Er stützt seine Entscheidung u. a. auch auf die Feststellung, „daß sich die nationalen Praktiken im Laufe der Jahre tendenziell immer stärker internationalen Rechnungslegungsstandards, den so genannten IAS, angleichen“, DStR 3/2003, 67 (68).Wegen des Bewerbungsvorbehalts des Steuerrechts gem. § 5 VI EStG ist jedoch die Reichweite der Entscheidung noch nicht abzusehen. Vgl. Dziadkowski, Zuständigkeit des EuGH in Bilanzierungsfragen, FR 2003, 553. 41 § 292a HGB I: „Ein börsennotiertes Unternehmen, das Mutterunternehmen eines Konzerns ist, braucht einen Konzernabschluß und einen Konzernlagebericht nach den Vorschriften dieses Unterabschnitts nicht aufzustellen, wenn es einen den Anforderungen des Absatzes 2 entsprechenden Konzernabschluß und Konzernlagebericht aufstellt und ihn in deutscher Sprache und Euro nach den §§ 325, 328 HGB offenlegt. Bei der Offenlegung der befreienden Unterlagen ist ausdrücklich darauf hinzuweisen, daß es sich um einen nicht nach deutschem Recht aufgestellten Konzernabschluß und Konzernlagebericht handelt.“ 42 FAZ 2.7.2001, Nr. 150, S. 28 (29). 43 § 255 IV HGB: „Als Geschäfts- oder Firmenwert darf der Unterschiedsbetrag angesetzt werden, um den die für die Übernahme eines Unternehmens bewirkte Gegenleistung den Wert der einzelnen Vermögensgegenstände übersteigt. Der Betrag ist in jedem folgenden Geschäftsjahr zu mindestens einem Viertel durch Abschreibungen zu tilgen. Die Abschreibung des Geschäfts- oder Firmenwerts kann aber auch planmäßig auf die Geschäftsjahre verteilt werden, in denen er voraussichtlich genutzt wird.“ Wie lange ein Geschäftswert voraussichtlich genutzt wird, bestimmt dann § 7 I 3 EStG. 44 Für die Abnutzbarkeit, BMF v. 12.6.1999 BStBl. I 1998, 252 („Als betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer einer Marke gilt in Anlehnung an § 7 I 3 EStG ein Zeitraum von 15 Jahren, es sei denn, der Steuerpflichtige weist eine kürzere Nutzungsdauer nach“), FG Köln DStRE 2000, 1198–1201, gegen BFH BStBl. 1996, 586.
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noch nicht endgültig geklärt. Bei entgeltlich erworbenen Rentenstammrechten wird überwiegend die Abschreibungsfähigkeit der Anschaffungskosten verneint. Der allmähliche Kapitalverzehr werde schon dadurch berücksichtigt, daß nur der Ertragsanteil der Rente der Einkommensteuer unterworfen ist.45 Gegen die Geltendmachung einer AfA auf das Rentenstammrecht spricht zudem, daß die Anschaffungskosten schon nach § 10 I Nr. 2 b) bb) und cc) EStG als Sonderausgabenabzug zu einer Verminderung der Einkommensteuer geführt haben.46 Die Abnutzung kann wirtschaftlicher oder technischer Natur sein. Diese Unterscheidung ergibt sich aus § 7 I 6 EStG. Gem. § 7 I 6 EStG sind Absetzungen für außergewöhnliche technische oder wirtschaftliche Abnutzung (= AfaA) zulässig. Was das Gesetz für den Spezialfall der „AfaA“ bestimmt, gilt nicht minder für die gewöhnliche Abnutzung gem. § 7 I 1, 2 EStG. Die technische Abnutzung bezeichnet die Rechtsprechung als „Verschleiß“. Der Begriff der wirtschaftlichen Abnutzung jedoch ist erklärungsbedürftig. Er betrifft nicht nur Abnutzungsvorgänge von Wirtschaftsgütern, die keinem Verschleiß unterliegen: Technische und wirtschaftliche Abnutzung können vielmehr parallel verlaufen, wobei dem Steuerpflichtigen die Möglichkeit gegeben wird, sich auf das günstigere zu berufen. Das verdeutlicht folgendes Beispiel: Taxifahrer T muß sein Taxi den Kunden präsentieren können. Der technische Endpunkt der Nutzbarkeit liegt zeitlich nach dem Zeitpunkt, zu dem die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer des Taxis endet. Aus wirtschaftlichen Gesichtspunkten ist es T nicht zuzumuten, bis zum Endpunkt der technischen Nutzbarkeit abzuwarten. Das Beispiel zeigt die Wertungsoffenheit der „wirtschaftlichen Abnutzung“. Wirtschaftliche Nutzungsdauer ist nach Falterbaum/ Bolk/Reiß „die Zeit, in der das Gut in betriebswirtschaftlich sinnvoller Weise (rationell, rentabel) eingesetzt werden kann“.47 Die wirtschaftliche Nutzungsdauer ist meist kürzer als die technische Nutzungsdauer. Nach Ansicht des BFH nutzen Wirtschaftsgüter sich „wirtschaftlich ab, wenn sie – unabhängig von ihrem materiellen Verschleiß – erfahrungsgemäß wirtschaftlich zur Erzielung von Einkünften nur zeitlich beschränkt verwendbar sind.“48 Dabei soll eine wirtschaftliche Abnutzung auch einen erheblichen Wertverlust voraussetzen.49 Den zeitlichen Endpunkt bezeichnet der BFH als „wirtschaftlichen Verbrauch“. Diese Verknüpfung von Wertverlust mit dem Be45 Schellenberger in FR 1980, 29; das FG BW v. 4. Mai 1999 Az. 4 K 212/98 lehnt die Abnutzbarkeit ab. Dem liegt wohl die Vorstellung zu Grunde, das Rentenstammrecht bestehe die ganze Lebenszeit „voll“ und erlösche mit dem Tod „auf einen Schlag“. 46 Schellenberger in FR 1980, 29. 47 Falterbaum/Bolk/Reiß, Buchführung und Bilanz, Nr. 15.8.3.2 S. 663. 48 BFH 10. Senat v. 19.11.1997, BStBl. 1998 II S. 59. 49 BFH 10. Senat v. 19.11.1997, BStBl. 1998 II S. 59.
§ 6 Anwendungsbereich der Abschreibungstatbestände
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griff der Abnutzung vollzieht der BFH nur bei der wirtschaftlichen Abnutzung.50 Er geht damit über den Wortlaut des § 7 I 1, 2 EStG hinaus. Dieses Überschreiten ist jedoch für die Fallgruppe der wirtschaftlichen Abnutzung gerechtfertigt. Wie sonst sollte die wirtschaftliche Einsatzfähigkeit eines Wirtschaftguts objektiv51 nachprüfbar festgestellt werden? Es werden sich auch praktisch keine Fälle denken lassen, in denen ein wirtschaftlicher Verbrauch eines Wirtschaftsguts eintritt, ohne daß das Wirtschaftsgut einem Wertverlust ausgesetzt gewesen ist. Ein wirtschaftlicher Verbrauch ist nur anzunehmen, wenn die Möglichkeit einer wirtschaftlich sinnvollen (anderweitigen) Nutzung oder Verwertung endgültig entfallen ist.52 Damit ist der Endzeitpunkt durch Zumutbarkeitskriterien umschrieben. Unter einer „wirtschaftlich sinnvollen Nutzung“ faßt der BFH dabei auch die Möglichkeit, das Wirtschaftsgut unter Erzielung eines beachtlichen Veräußerungserlöses zu verkaufen.53 Die Absetzungen für Abnutzung sind in der Regel so anzusetzen, daß mit Ablauf des Nutzungszeitraumes das Wirtschaftsgut vollständig abgesetzt wurde; Wertverlust, der nicht auf Nutzung beruht, ist nicht erfaßt.54
D. Absetzungsberechtigung Absetzungsberechtigt ist, wer die Abnutzung wirtschaftlich trägt,55 wem der Aufwand nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten „gebührt“.56 Das Recht der Abschreibungen folgt damit einer ganz besonderen Ausprägung der wirtschaft50 BFH 10. Senat v. 19.11.1997, BStBl. 1998 II S. 59: „Für die Schätzung der Nutzungsdauer ist regelmäßig von dem Zeitraum auszugehen, in dem sich das Wirtschaftsgut technisch abnutzt. Eine hiervon abweichende kürzere wirtschaftliche Nutzungsdauer kommt nur in Betracht, wenn das Wirtschaftsgut erfahrungsgemäß vor Ablauf der technischen Nutzungsdauer objektiv wirtschaftlich wertlos wird.“ 51 Auch Hahn begrüßt den Versuch der Objektivierung, DStZ 1999, S. 853. 52 BFH 10. Senat v. 19.11.1997, BStBl. 1998 II S. 59. 53 BFH, 10. Senat v. 19.11.1997, BStBl. 1998 II S. 59: „Ist ein Wirtschaftsgut zwar nicht mehr entsprechend der ursprünglichen Zweckbestimmung nutzbar, hat es aber wegen seiner Nutzbarkeit für andere noch einen erheblichen Verkaufswert, ist es auch für den Unternehmer wirtschaftlich noch nicht verbraucht.“ 54 Nur wenn ein Restwert verbleibt, ist auf den Restwert abzuschreiben. BFHE GS 91, 93: „Schon die Verwendung dieser Begriffe, insbesondere der Begriffe ,Nutzung‘ und ,Abnutzung‘, im Wortlaut des § 7 Abs. 1 EStG, läßt den Schluß zu, daß AfA nur insoweit und nur in dem Umfang zulässig sein sollen, als das Wirtschaftsgut ,genutzt‘ wird. Dies führt in der Regel zu einer vollen AfA. Bleibt jedoch nach der Erfahrung auch nach Beendigung der Nutzung eines Wirtschaftsguts ein im Verhältnis zu den Anschaffungs- oder Herstellungskosten beträchtlicher Restwert bestehen, so ist insoweit eine Abnutzung nicht erfolgt.“ 55 Falterbaum/Bolk/Reiß, Buchführung und Bilanz, Nr. 15.8.5 S. 666. 56 BFH BStBl. II 1982, 454 (455) „Da es sich bei den AfA nach § 7 EStG und auch bei den erhöhten Absetzungen nach § 7b EStG um Werbungskosten (§ 9 I EStG) handelt, muß derjenige, der sie geltend macht, auch Aufwendungen gehabt haben.“
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Teil III: Funktionsweise der Abschreibungstatbestände
lichen Betrachtungsweise. Die Abschreibungsberechtigung ist für den BFH nicht nur vom zivilrechtlichen Eigentum, sondern auch vom wirtschaftlichen Eigentum57 unabhängig.58 In der Regel wird jedoch der Wertverlust sich zu Lasten des bürgerlich-rechtlichen Eigentümers auswirken. Fallen wirtschaftliches und bürgerlich-rechtliches Eigentum auseinander, trägt der wirtschaftliche Eigentümer – wirtschaftlich betrachtet – den Verlust. Letzteres ist insbesondere für die Fälle der „Betriebsvorrichtung“ bedeutsam. Betriebsvorrichtungen sind „selbständige Wirtschaftsgüter, weil sie nicht in einem einheitlichen Nutzungsund Funktionszusammenhang mit dem Gebäude stehen.“59 Sie gehören nach ständiger Verwaltungspraxis auch dann „zu den beweglichen Sachen des Betriebsinhabers, wenn sie (zivilrechtlich) wesentliche Bestandteile eines Grundstücks sind.“60 Aus dieser steuerlichen Sonder-Konstellation erklärt sich auch, weshalb das Finanzierungsleasing ein so gebräuchliches Mittel ist, um die Bilanz in die eine oder andere Richtung zu verändern.61 Je nach den Modalitäten des Vertrages richtet sich die wirtschaftliche Zurechnung, letzterer folgt die Absetzungsberechtigung. Die Einzelheiten hierzu regelt der Leasing-Erlaß.62 Aus der dogmatischen Unabhängigkeit von Absetzungen folgert der BFH, daß insbesondere beim Vorbehaltsnießbrauch63 sich die Absetzungsberechtigung ganz von 57 Das wirtschaftliche Eigentum ist an versteckter Stelle, in § 39 AO, kodifiziert worden. Systematisch wäre es genauer gewesen, man hätte eine Vorschrift wie § 39 AO schon in das Handelsgesetzbuch als Grundsatz ordnungsmäßiger Buchführung aufgenommen. Über § 5 I 1 EStG würde diese Festlegung dann in das Einkommensteuerrecht einwirken. Statt dessen hat es der Gesetzgeber vorgezogen, nur in der AO eine derartige Festlegung zu treffen. Inhaltlich gelten die Grundsätze, die § 39 AO festgelegt hat, aber auch im reinen Handelsbilanzrecht. 58 BFH BStBl. II 1983, 627; 1992, 67; 1994, 319 (321): „Grundsätzlich ist derjenige befugt, AfA nach § 9 I 3 Nr. 7 EStG i.V. m. § 7 IV EStG geltend zu machen, der den Tatbestand der Vermietung nach § 21 I EStG erfüllt und die Anschaffungs- oder Herstellungskosten für das Wirtschaftsgut getragen hat. Die Befugnis setzt nicht zwingend voraus, daß er bürgerlich-rechtlicher oder wirtschaftlicher Eigentümer ist (Urteil des Bundesfinanzhofs v. 24.4.1990 IX R 9/86, BFHE 160, 522, BStBl II 1990, 888). Entsprechendes gilt für das Recht, erhöhte Absetzungen nach § 7b EStG oder § 82a EStDV in Anspruch zu nehmen (BFH-Urteil v. 15.5.1990 IX R 21/86, BFHE 162, 26, BStBl II 1992, 67).“ So auch Tipke/Lang, Steuerrecht, § 9 Rn. 4. 59 R 42 III EStR. 60 R 42 III EStR. 61 Der BFH verschließt vor diesem Faktum die Augen, wenn er formuliert: „Die steuerrechtliche Zuordnung unterliegt nicht der vertraglichen Disposition.“ BFH BStBl II 1994, S. 319 (321). 62 Schreiben betreffend die ertragsteuerliche Behandlung von Leasing-Verträgen über bewegliche Wirtschaftsgüter v. 19.4.1971, BStBl. I S. 264. 63 BFH BStBl II 1992, S. 67 (68): „Aufgrund dessen hat die Rechtsprechung das Recht auf erhöhte Absetzungen nach § 7b EStG auch einem Vorbehaltsnießbraucher zugesprochen, der die Anschaffungs- oder Herstellungskosten getragen hatte, bevor er das Grundstück unter dem Vorbehalt eines Nießbrauchs Angehörigen schenkte, und der nunmehr aufgrund seines Nutzungsrechts Einkünfte aus Vermietung und Verpach-
§ 6 Anwendungsbereich der Abschreibungstatbestände
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der Zurechnung des Wirtschaftsguts zum „Eigentum“ des Steuerpflichtigen gelöst hat.64 Sog. „Drittaufwand“ kann nicht geltend gemacht werden. Wer etwa ein Gebäude aufgrund eines ihm unentgeltlich zugewendeten Nießbrauchs nutzt, ist nach Auffassung des BFH nicht AfA-berechtigt, wenn nicht er, sondern der Eigentümer die Anschaffungs- oder Herstellungskosten getragen hat.65 Die Betrachtungsweise bleibt dabei aber weiterhin steuerjuristisch. Das zeigt etwa der Fall der sog. „mittelbaren Grundstücksschenkung“: Ist im voraus eine klare und eindeutige Schenkungsabrede getroffen, daß der Gegenstand der Schenkung ein ganz bestimmtes Grundstück und nicht ein frei verfügbarer Geldbetrag ist, und erlangt der Schenker aufgrund der vollzogenen Schenkung ein Nießbrauch am Gebäude, mit dem er Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung erzielt, darf er (und nicht der Eigentümer des Gebäudes) die Abschreibungen vornehmen.66 Wer also formal – d.h. zivilrechtlich – die Anschaffungskosten trägt, ist nicht entscheidend. Bei der mittelbaren Grundstücksschenkung wird der Zahlungsweg abgekürzt. Anstatt erst das Gebäude zu kaufen, und sich dann einen Vorbehaltsnießbrauch zurückzubehalten, wird ein Geldbetrag zum Kauf eines Gebäudes geschenkt unter der Auflage, einen Nießbrauch einzurichten. Die beiden Fälle sind wirtschaftlich gleich zu behandeln. Auf die weitere Darstellung dieser Kasuistik soll hier verzichtet werden. Im Regelfall fallen aber Absetzungsberechtigung, wirtschaftliches Eigentum und zivilrechtliches Eigentum zusammen. Das ist nicht überraschend. Der wirtschaftliche Eigentümer ist aktivierungspflichtig. Den Wertverlust muß er messen, dazu dienen die Abschreibungsregeln. In Fällen des Vorbehaltsnießbrauchs67 kann es allerdings dazu kommen, daß der Absetzungsberechtigte den Absetzungsaufwand geltend machen darf, ohne wirtschaftlicher Eigentümer zu sein und damit ohne das Gebäude aktivieren zu müssen.
tung erzielt (BFH-Urteil in BFHE 138, 180, BStBl II 1983, 627). Wer hingegen ein Objekt aufgrund eines ihm unentgeltlich zugewendeten Nießbrauchsrechts nutzt, ist nach Auffassung des BFH in BFHE 134, 409, BStBl II 1982, 454 nicht zur Inanspruchnahme erhöhter Absetzungen befugt, wenn nicht er, sondern der Eigentümer die Anschaffungs- oder Herstellungskosten getragen hat.“ 64 BFH GS, 4 Entscheidungen vom 23.8.99, BFHE 189, 174: „Das Nettoprinzip gebietet es, die Aufwendungen des Steuerpflichtigen, die er im eigenen betrieblichen Interesse selbst getragen hat, bei der Ermittlung seiner Einkünfte zu berücksichtigen. Unerheblich ist, ob der Steuerpflichtige Eigentümer des Wirtschaftsguts ist, für das er Aufwendungen getätigt hat.“ 65 BFH BStBl II 1990, S. 888. 66 Vgl. BFH BStBl II 1990, S. 67 (68). 67 Für den Vermächtnisnießbrauch hat der BFH jedoch die Ansicht vertreten, der Anschaffungs-/Herstellungsaufwand gehe nicht auf den Nießbrauchsnehmer, sondern auf den Erben über, BFH BStBl II 1994, S. 319 (320).
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Teil III: Funktionsweise der Abschreibungstatbestände
§ 7 Systematik der Abschreibungstatbestände Die Systematik der Abschreibungstatbestände ist zunächst durch die parallel laufenden Abschreibungsmöglichkeiten nach dem HGB und dem Steuerrecht geprägt (A.). Nachdem deren Verhältnis dargestellt worden ist, soll die Systematik der rein steuerlichen Abschreibungstatbestände erläutert werden (B.).
A. Verhältnis zu handelsbilanziellen Abschreibungen Aus Sicht des Handelsrechts sind Abschreibungen auf die Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens erforderlich, um eine vorsichtige Bewertung der Aktiva zu erreichen. Das Anlagevermögen ist im HGB nicht definiert. Der Begriff wird jedoch im Steuerrecht inhaltsgleich verwandt. So gilt § 7 II EStG nur bei Wirtschaftsgütern des „Anlagevermögens“. Aus der systematischen Stellung des § 7 II EStG im Anschluß an § 7 I 1 EStG ergibt sich jedoch, daß an den Grundtatbestand der linearen Abschreibung angeknüpft werden soll. Das folgt auch aus der Überleitungsvorschrift von der degressiven zur linearen Abschreibung gem. § 7 III EStG. 7 II und 7 I EStG müssen inhaltlich identische Wirtschaftsgüter meinen mit dem kleinen Unterschied, daß § 7 II EStG nur für bewegliche Wirtschaftsgüter anwendbar ist. Daraus folgt, daß der Begriff des „Anlagevermögens“ in § 7 I 1 EStG indirekt definiert wird als derjenige Teil des Betriebsvermögens, den der Steuerpflichtige voraussichtlich einer mehrjährigen Nutzung unterwerfen wird. Diese für das Steuerrecht vorgefundene Terminologie entspricht der des Handelsrechts. Zur Verdeutlichung der handelsrechtlichen Systematik soll folgende Tabelle dienen. Tabelle 1 Systematik der handelsrechtlichen Abschreibungen Handelsrechtliche Abschreibungen Planmäßige Abschreibungen
Außerplanmäßige Abschreibungen
§§ 253 II 1 u. 2, IV, 254 HGB
§§ 253 II 3, III, IV, 254 HGB
Gem. § 5 I S. 1 EStG ist „bei Gewerbetreibenden, die auf Grund gesetzlicher Vorschriften verpflichtet sind, Bücher zu führen und regelmäßig Abschlüsse zu machen, oder die ohne eine solche Verpflichtung Bücher führen und regelmäßig Abschlüsse machen, für den Schluß des Wirtschaftsjahres das Betriebsvermögen
§ 7 Systematik der Abschreibungstatbestände
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anzusetzen (§ 4 I 1 EStG), das nach den handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung auszuweisen ist.“ Dem Wortlaut nach bezieht sich § 5 I 1 EStG nur auf den Wertansatz, soweit dieser Ausdruck der handelsrechtlichen GoB (= Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung) ist.68 Über diese sog. materielle Maßgeblichkeit69 der GoB für die Steuerbilanz hinaus, wird jedoch nach ganz herrschender Meinung § 5 I 1 EStG auch als Verweis auf den formellen Wertansatz verstanden (sog. formelle Maßgeblichkeit).70 Abschreibungen sind Ausdruck des Periodizitäts-71 und, sofern sie realitätsgerecht sind, des Vorsichtsprinzips. Das Vorsichtsprinzip ist ein Grundsatz ordnungsgemäßer Buchführung. Deshalb müßten die handelsrechtlichen Wertansätze eigentlich Maßgeblichkeit gem. § 5 I 1 EStG entfalten. Diese Maßgeblichkeit wird jedoch gerade im Bereich der Abschreibungen von § 5 VI EStG durchbrochen. Gem. § 5 VI EStG „sind die Vorschriften (. . .) über die Absetzung für Abnutzung oder Substanzverringerung zu befolgen“ (sog. Bewertungsvorbehalt). § 5 VI EStG verweist auf die §§ 7 ff. EStG.72 Die handelsrechtlichen Abschreibungstatbestände bleiben in ihrer Auswirkung auf das Handelsrecht beschränkt. Während die handelsrechtlichen Abschreibungsvorschriften für die Steuerbilanz bedeutungslos sind, haben die steuerlichen Abschreibungsmöglichkeiten eine Rückwirkung auf die Handelsbilanz. Dies ergibt sich aus dem Zusammenspiel der §§ 254 HGB und 5 I 2 EStG. Gem. § 254 HGB können steuerrechtliche Abschreibungen auch in der Handelsbilanz umgesetzt werden. Das scheinbare Wahlrecht des § 254 HGB („können“) existiert in Wirklichkeit nur in seltenen Fällen. Steuerlich kann sich der Gewerbetreibende, der sei68 Die Reichweite des Verweises ist umstritten. Insbesondere ist unklar, ob auf rechtsformspezifische GoB verwiesen wird (das wäre wohl mit Art. 3 I GG nicht zu vereinen) oder nur auf die §§ 238–263 HGB. Der Streit ist für Kapitalgesellschaften von Bedeutung, für die gem. §§ 264–289 HGB zusätzliche Rechnungslegungsvorschriften gelten. Im Rahmen der formellen Maßgeblichkeit führt die Ansicht, nur auf die §§ 238–263 HGB werde verwiesen, zu einem Auseinanderfallen von Handels- und Steuerbilanz bei Kapitalgesellschaften, Stobbe, Das Verhältnis von handels- und steuerrechtlicher Rechnungslegung unter Berücksichtigung der Neuregelung des § 5 I S. 2 EStG (Teil I), DStR 1991, S. 54 ff. 69 Stobbe, Das Verhältnis von handels- und steuerrechtlicher Rechnungslegung unter Berücksichtigung der Neuregelung des § 5 I S. 2 EStG (Teil I), DStR 1991, S. 54. 70 Dziadkowski/Robisch, Gebäudebilanzierung in Handels- und Steuerbilanz, BB 1997, S. 356. 71 Kirchhof/Söhn/Mellinghoff-Werndl, § 7 Rn. A 400. 72 Es entspricht der üblichen gesetzlichen Verweistechnik, daß der Gesetzgeber zunächst nur auf Vorschriften desselben Gesetzes verweisen möchte, wenn eine Gesetzesangabe fehlt. Zudem wäre eine Auslegung des § 5 VI EStG als Verweis auf die handelsrechtlichen Abschreibungen sinnlos. Auf die Abschreibungen würde schon durch § 5 I 1 EStG verwiesen. § 5 VI EStG ist deshalb als Einschränkung von § 5 I 1 EStG zu verstehen (Jedoch sind die steuerlichen Vorschriften über Absetzung für Abnutzung zu befolgen).
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Teil III: Funktionsweise der Abschreibungstatbestände
nen Gewinn gem. §§ 5 I 1, 4 I S. 1 EStG durch doppelte Buchführung auf dem Umweg der Handelsbilanz ermittelt, das „Ob“ der Abschreibung nicht aussuchen. Gem. § 7 I 1 EStG ist jeweils nur ein Teil der Anschaffungskosten abzusetzen. Allein hinsichtlich des „wie“ kann er den Steuerbilanzansatz in den meisten Fällen – etwa bei beweglichen Sachen gem. §§ 7 I 1 oder 7 II EStG – wählen. Diese Wahl hinsichtlich des „wie“ wird aber gem. § 5 I 2 EStG nur anerkannt, wenn sie auch in der Handelsbilanz vollzogen wird. § 5 I 2 EStG formuliert dies umständlich mit den Worten: „Steuerliche Wahlrechte bei der Gewinnermittlung sind in Übereinstimmung mit der handelsrechtlichen Jahresbilanz auszuüben.“ Werden die Wahlrechte in der Handelsbilanz nicht nachvollzogen, führt dies auch steuerlich zu ihrer Nicht-Anerkennung. Diese Lesart des § 5 I S. 2 EStG sieht sich durch die Rechtsprechung des BFH73 bestätigt: „Die Inanspruchnahme der degressiven AfA-Methode setzt voraus, daß diese Methode in der Handelsbilanz zugrunde gelegt wird. Wurde in der Handelsbilanz von der Absetzung in gleichen Jahresbeträgen ausgegangen, kann die degressive AfAMethode gem. § 7 II EStG nur dann der Besteuerung zugrunde gelegt werden, wenn die Handelsbilanz geändert wird. (. . .) Entscheidend für die Bindung der Steuerbilanz an die Handelsbilanz ist nicht in erster Linie die betragsmäßige Übereinstimmung der AfA-Beträge, sondern die Methode der Absetzung.“
§ 254 HGB ermöglicht dem bilanzierenden Gewerbetreibenden, die Ausübung der steuerlichen Wahlrechte in Übereinstimmung mit der handelsrechtlichen Jahresbilanz auszuüben. Er ist eine sog. Öffnungsklausel. Die steuerlichen, fakultativen Abschreibungserleichterungen sind damit immer ein Anwendungsbeispiel für die „umgekehrte Maßgeblichkeit“74 gem. § 5 I S. 2 EStG. Der Begriff der „umgekehrten Maßgeblichkeit“ ist mit Vorsicht zu genießen. Die faktische Rückwirkung steuerlicher Wahlrechte auf den handelsrechtlichen Wertansatz (gem. § 5 I 2 EStG i.V. m. § 254 HGB) löst die formale Bindung der Steuerbilanz an die Handelsbilanz gem. § 5 I 1 EStG nicht auf. Die Steuerbilanz bleibt abgeleitete Bilanz, die Ableitungsgrundlage ist jedoch steuerrechtlich beeinflußt. Besteht steuerlich kein Wahlrecht, ist auch § 5 I S. 2 EStG nicht anwendbar; erst dann ist der Gewerbetreibende frei in der Gestaltung seiner Handelsbilanz und „kann“ gem. § 254 HGB den Handelsbilanzansatz nach dem Steuerbilanzansatz richten oder nicht. Nur in den Fällen, in denen steuerlich keine Wahlmöglichkeit hinsichtlich der Abschreibungsmodalitäten besteht, gelangt das „können“ in § 254 HGB zu einer eigenständigen Bedeutung. Das wird in praxi sehr selten vorkommen. Für diesen exotischen Fall sperrt § 279 II HGB bei Kapitalgesellschaften die (handelsrechtliche) Abschreibung nach § 254 HGB: „Abschreibungen nach § 254 HGB dürfen nur insoweit vorgenommen werden, 73 74
BFH BStBl. II 1990, 681. Wichmann, Die unbenannte echte umgekehrte Maßgeblichkeit, BB 1990, 1683.
§ 7 Systematik der Abschreibungstatbestände
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als das Steuerrecht ihre Anerkennung bei der steuerrechtlichen Gewinnermittlung davon abhängig macht, daß sie sich aus der Bilanz ergeben.“ Zusammenfassend hat das „können“ in § 254 HGB demnach nur dann eigenständige Bedeutung, wenn eine steuerlich-zwingende Abschreibung handelrechtlich nachvollzogen werden kann und es sich nicht um eine Kapitalgesellschaft handelt, ein Fallbeispiel der Phantasie.75 § 279 II HGB führt zu einem Auseinanderfallen von Handels- und Steuerbilanz in einem seltenen Teilbereich. Im Normalfall wird sich der Steuerpflichtige aber auch dann, wenn ihm § 5 I 2 EStG keinen handelsrechtlichen Anpassungszwang auferlegt, in Handelsbilanz und Steuerbilanz identisch verhalten wollen; er hat kein Interesse an einem Auseinanderfallen von Steuer- und Handelsbilanz. In der Mehrzahl der gewerblichen Unternehmen wird nur eine (Steuer-)Bilanz aufgestellt, die zugleich als Handelsbilanz dient.76 Bei der Ausübung handelsrechtlicher Wahlrechte folgt der Steuerpflichtige dafür steuerlichen Vorgaben. Damit sind die steuerlichen Abschreibungstatbestände faktisch auch für die Handelsbilanz prägend, sie entfalten „Rückwirkung“.77 Diese Rückwirkung der Steuerrechts führt zu einer „Verfälschung“78 der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage in der Handelsbilanz.79 Das für Kapitalgesellschaften in § 264 II HGB80 festgelegte Ziel eines „true and fair view“ wird aus steuerlichen Motiven verfehlt. Gerade bei Kapitalgesellschaften dürfen Gläubiger nicht irregeführt werden. Für den Fachmann ist der Effekt zwar begrenzt: Nach Durchsicht von Jahresabschluß (Handelsbilanz + Gewinn und VerlustRechnung, § 242 III HGB), Lagebericht und Anhang (§ 264 I HGB) wird er die steuerbedingten Verzerrungen nachvollziehen können. Die Masse der Gläubiger dürfte jedoch auch bei Offenlegung dieser Angaben (§ 325 HGB) die steuerlichen Rückwirkungen nicht mehr nachvollziehen können. Wegen dieser Rückwirkungseffekte wird teilweise die Aufgabe des Maßgeblichkeitsgrundsatzes gem. § 5 I 1 EStG gefordert.81 Die Verzerrung der Handelsbilanz ist vom Steuergesetzgeber beabsichtigt: Handelsrechtlich wird ein zu geringer82 Gewinn ausgewiesen. 75
Vgl. Koller/Roth/Morck – Morck, HGB, § Rn. 279 Rn. 3. Falterbaum/Bolk/Reiß, Buchführung und Bilanz, Nr. 12.2.1 S. 336. 77 Wichmann, Die unbenannte echte umgekehrte Maßgeblichkeit, BB 1990, 1683. 78 Hilke, Bilanzpolitik, S. 41 Rn. B.I. 79 Dziadkowski/Robisch, Gebäudebilanzierung in Handels- und Steuerbilanz, BB 1997, S. 356. 80 § 264 II HGB: „Der Jahresabschluß der Kapitalgesellschaft hat unter Beachtung der Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage der Kapitalgesellschaft zu vermitteln. Führen besondere Umstände dazu, daß der Jahresabschluß ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild im Sinne des Satzes 1 nicht vermittelt, so sind im Anhang zusätzliche Angaben zu machen.“ 81 Hilke, Bilanzpolitik, S. 41 Rn. B.I. 76
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Teil III: Funktionsweise der Abschreibungstatbestände
Der handelsrechtlich ermittelte und durch Beschluß festgestellte Gewinn ist Grundlage jeder Gewinn-Ausschüttung (§ 721 II BGB83 i.V. m. § 105 II HGB, § 29 GmbHG84, § 58 IV AktG85). Bei Kapitalgesellschaften führt die Anwendung der §§ 30, 31 GmbHG zu einer Ausschüttungssperre.86 Die steuerliche Subvention verbleibt im Unternehmen.87 Zwischenergebnis: Steuerliche Förderabschreibungstatbestände entfalten eine vom Gesetzgeber beabsichtigte Rückwirkung auf den handelsrechtlichen Wertansatz. Die steuerlich motivierten stillen Reserven verbleiben im Unternehmen, weil zumindest im Fall der Kapitalgesellschaften ihre Ausschüttung gegen die Kapitalerhaltungsregeln verstoßen würde.
B. Verhältnis der steuerlichen Abschreibungstatbestände zueinander Die steuerlichen Abschreibungstatbestände lassen sich wie folgt gliedern.
82 Dem könnte man entgegenhalten, daß jede Bewertung entweder gewinn- oder substanzkonservativ ist und nicht „richtig“ oder „falsch“. Diese skeptische Sichtweise führt allerdings dazu, den Aufklärungseffekt einer Bilanz gem. §§ 325 i.V. m. 264 II HGB schlicht zu leugnen. 83 § 721 II BGB, anwendbar für die OHK/KG über 105 II HGB: „Ist die Gesellschaft von längerer Dauer, so hat der Rechnungsabschluß und die Gewinnverteilung im Zweifel am Schlusse jedes Geschäftsjahres zu erfolgen.“ 84 § 29 I GmbHG: „Die Gesellschafter haben Anspruch auf den Jahresüberschuß (. . .)“; Jahresüberschuß ist der Überschuß der Erträge über die Aufwendungen, wie er sich aus den aus der Gewinn- und Verlustrechnung ergibt, § 275 II Nr. 20. Vom Jahresergebnis ist das Bilanzergebnis zu unterscheiden. Das Bilanzergebnis ergibt sich, wenn das Jahresergebnis um die Beträge korrigiert wird, die in § 158 I Nr. 1–5 AktG aufgezählt sind, Falterbaum/Bolk/Reiß, Buchführung und Bilanz, Nr. 23.3.4.1 S. 1213. 85 § 58 IV: „Die Aktionäre haben Anspruch auf den Bilanzgewinn, soweit er nicht nach Gesetz oder Satzung, durch Hauptversammlungsbeschluß nach Absatz 3 oder als zusätzlicher Aufwand auf Grund des Gewinnverwendungsbeschlusses von der Verteilung unter die Aktionäre ausgeschlossen ist.“ 86 Dziadkowski/Robisch, Gebäudebilanzierung in Handels- und Steuerbilanz, BB 1997, S. 359. 87 Dziadkowski/Robisch sind in teleologischer Auslegung des § 5 I S. 2 EStG der Ansicht, der Wortlaut des § 5 I 2 EStG müsse eingeschränkt ausgelegt werden. Voraussetzung für die Anwendung von § 7 V EStG etwa sei – entgegen der Ansicht des BFH – „lediglich, daß handelsrechtlich keine höheren Buchwerte entstehen.“ Sofern handelsrechtlich unter Berücksichtigung der GoB ein höherer Abschreibungssatz geltend gemacht wird, sollte nach Ansicht von Dziadkowski/Robisch für steuerliche Zwecke die höchstzulässige methodengleiche AfA angesetzt werden. Sie widersprechen damit der Rechtsansicht der Finanzverwaltung zur Gebäude-AfA (BMF-Schreiben v. 30.12.1994), nach der die steuerlichen Abschreibungswahlrechte nur anerkannt werden, wenn sie identisch auch handelsrechtlich nachvollzogen werden; Dziadkowski/ Robisch, Gebäudebilanzierung in Handels- und Steuerbilanz, BB 1997, S. 359.
§ 7 Systematik der Abschreibungstatbestände
Anlagevermögen
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Umlaufvermögen
≈ planmäßige Abschreibungen des HGB (§ 253 II 1) ≈ „Aufwendungen für Abnutzung“
≈ außerplanmäßige Abschreibungen des HGB (§ 253 II 3)
Differenzierung nach Art der WG
Aufwendungen für außergewöhnliche Abnutzung = „AfaA“
Materielle Wirtschaftsgüter
Immaterielle Wirtschaftsgüter
Teilwertabschreibung
Bewegliche Wirtschaftsgüter88 Unbewegliche Wirtschaftsgüter89 Firmenwert, Marken in der Form von Gebäuden90/ Gebäudeteilen91 Wahlrecht: Linear (§ 7 I 1 EStG), Degressiv (§ 7 II, III EStG), Erhöht (§ 7d EStG, 82g EStDV), Sonderabschreibungen (§§ 7f, g EStG, §§ 81, 82f EStDV, §§ 2, 4 Fördergebietsgesetz), AfA nach Maßgabe der Leistung (§ 7 I 5 EStG)92, Sofortabzug bei geringwertigen Wirtschaftsgütern (§ 6 II EStG)
Wahlrecht: Linear (§ 7 IV EStG), Degressiv (§ 7 V93 EStG), Erhöht (§ 7b94, c, d, h, i, k EStG, §§ 82, 82a, 82i EStDV, § 7 Schutzbaugesetz, §§ 14, 15 BerlinFG), Sonderabschreibungen (§§ 7f EStG, § 81 EStDV, §§ 3, 4 Fördergebietsgesetz)
Kein Wahlrecht: Linear (§ 7 I 1, 7 I 3 EStG)
Abbildung 2: Steuerliche Abschreibungstatbestände
88 Bei beweglichen Wirtschaftsgütern ist es aus Vereinfachungsgründen nicht zu beanstanden, wenn für die in der ersten Hälfte eines Wirtschaftsjahres angeschafften oder hergestellten Wirtschaftsgüter der für das gesamte Wirtschaftsjahr in Betracht kommende AfA-Betrag und für die in der zweiten Hälfte des Wirtschaftsjahres ange-
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Teil III: Funktionsweise der Abschreibungstatbestände
Gut erkennbar an der Übersicht ist, daß die Teilwertabschreibung sowohl für Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens, als auch für Wirtschaftsgüter des Umlaufvermögens möglich ist. Für Gebäude ist § 7 IV EStG die einfachgesetzliche Grundnorm, eine Abschreibung mit 3% für Betriebsgebäude, 2 bzw. 2,5% für Privatgebäude damit der Normalfall. § 7 IV EStG wird durch § 7 V EStG und zahlreiche erhöhte Absetzungen verdrängt. § 7 IV EStG gestattet in Satz 2 den Ansatz einer kürzeren Nutzungsdauer, wenn der Steuerpflichtige den Nachweis einer tatsächlich kürzeren Nutzungsdauer erbringt. Die Beweisanforderungen sind nach Ansicht des FG Köln gering: „An den Nachweis einer kürzeren als der typischen Nutzungsdauer dürfen keine strengen Anforderungen gestellt werden. Auszugehen ist grundsätzlich von der Schätzung des Steuerpflichtigen, der die konkreten Verhältnisse am besten kennt. Der Schätzung müssen allerdings Erwägungen zugrunde liegen, wie sie ein vorsichtig überlegender und vernünftig wirtschaftender Steuerpflichtiger anstellt. Das FA kann die Schätzung des Steuerpflichtigen nur verwerfen, wenn sie eindeutig außerhalb des angemessenen Schätzungsrahmens liegt.“95
In der steuerrechtlichen Terminologie werden üblicherweise die Regel-Absetzungen den Sonderabschreibungen, erhöhten Absetzungen und der Sofortabschreibung geringwertiger Wirtschaftsgüter gegenübergestellt. Zu den Regel-Absetzungen zählt man – die AfA für betriebsgewöhnliche Abnutzung gem. § 7 I 1–5, II – Va EStG, – die Absetzung für Substanzverringerung gem. § 7 VI EStG, schafften oder hergestellten Wirtschaftsgüter die Hälfte des für das gesamte Wirtschaftsjahr in Betracht kommenden AfA-Betrags abgesetzt wird, EStR 44 (zu § 7 EStG) II 3. 89 Es gibt auch unbewegliche Wirtschaftsgüter, die keine Gebäude oder Gebäudeteile sind, vgl. Richtlinie EStR 42 zu § 7. Der Vereinfachung halber ist diese Fallgruppe hier nicht aufgeführt worden. 90 Ein Gebäude ist ein Bauwerk auf eigenem oder fremdem Grund und Boden, das Menschen oder Sachen durch räumliche Umschließung Schutz gegen äußere Einflüsse gewährt, den Aufenthalt von Menschen gestattet, fest mit dem Grund und Boden verbunden, von einiger Beständigkeit und standfest ist, Falterbaum/Bolk/Reiß, Buchführung und Bilanz, Nr. 15.10 S. 688. Gebäudeteile, die selbständige unbewegliche Wirtschaftsgüter sind, sowie Eigentumswohnungen und im Teileigentum stehende Räume stehen gem. § 7 Va EStG Gebäuden gleich. 91 Wie ein Gebäude sind auch bestimmte Nutzungsrechte zu behandeln, die durch geduldetes Bauen auf fremden Grund und Boden entstehen, vgl. Richtlinie EStR 42 zu § 7 „Gebäude“. 92 Die AfA nach Maßgabe der Leistung ist für Wirtschaftsgüter von Bedeutung, deren Verschleiß starken Schwankungen unterliegt, EStR 44 V zu § 7 EStG. 93 § 7 V ist derart oft geändert worden, daß auch die Finanzverwaltung nur noch mit Hilfe einer Tabelle den Überblick wahrt, vgl. Anlage 2 zu H 44 EStH. 94 Die Wohnungsbauförderung gem. § 7b ist inzwischen in § 10f EStG aufgegangen, vgl. Anlage 3 zu H 52 EStH. 95 FG Köln 8. Senat, EFG 2001, 675–676 (Leitsatz).
§ 7 Systematik der Abschreibungstatbestände
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– die AfaA für außergewöhnliche technische oder wirtschaftliche Abnutzung gem. § 7 I 6 EStG, – die AfaS für außergewöhnliche technische oder wirtschaftliche Substanzverringerung gem. § 7 VI i.V. m. I S. 6 EStG, sowie – die Teilwertabschreibung gem. § 6 I Nr. 1 und 2 EStG. Die Teilwertabschreibungen haben eine Sonderstellung. Sie knüpfen allein an den Wertverlust an. Die Abnutzung ist nicht Tatbestandsmerkmal der Teilwertabschreibung. Anwendungsfälle sind z. B. gesunkene Wiederbeschaffungskosten oder verringerte Absatzchancen.96 Die Abgrenzung der Teilwertabschreibung zu den „Aufwendungen für außergewöhnliche technische oder wirtschaftliche Abnutzung“ („AfaA“) ist oft schwierig. Die „AfaA“ verdrängt die Teilwertabschreibung, wenn der Wertverlust auf Abnutzung beruht. Dieses Spezialitätsverhältnis folgt auch aus folgender Überlegung:97 Die „AfaA“ ist geboten; die Teilwertabschreibung jedoch nur bei voraussichtlich dauerhafter Wertminderung (§ 6 I Nr. 1 S. 2/Nr. 2 S. 2 EStG). Zwingendes Recht geht vor. Für die weitere Prüfung der Abschreibungstatbestände folgt aus dieser Systematik, daß der Wertverlust eines Wirtschaftsguts grundsätzlich nicht entscheidend ist für die Abschreibungshöhe. Allein die Abnutzung ist entscheidend. Für die Messung des Abnutzungsgrades begnügt sich der Gesetzgeber mit einer Prognose. Teilwertabschreibung und „AfaA“ ermöglichen eine nachträgliche Korrektur. Bei Teilwertabschreibung und „AfaA“ hat sich die Prognose als fehlerhaft erwiesen. Aufgrund eines außerordentlichen Ereignisses ist das Wirtschaftsgut mit einem Schlag weniger wert. Im Unterschied zur Teilwertabschreibung verbleibt die AfaA jedoch insoweit im System, als sie die Abnutzung zum Maßstab der Bewertung macht. Eine Wertveränderung wird zwar in aller Regel mit der AfaA einhergehen, ist jedoch nicht Tatbestandsmerkmal.98 Das außerordentliche Ereignis für eine „AfaA“ kann, so präzisiert das Gesetz in § 7 I 6, 1. Halbsatz EStG, wirtschaftlicher oder technischer Natur sein. Ein außerordentliches Ereignis technischer Natur ist z. B. ein Unfall. Ein Beispiel außerordentlicher wirtschaftlicher Abnutzung ist etwa ein technischer Durchbruch in der Herstellungsfabrikation. Ein PKW, der bisher halbautomatisch produziert wurde, kann nun vollautomatisch mit Robotern gebaut werden. Die halbautomatischen Maschinen sind zwar weiterhin technisch einwandfrei, aber wirtschaftlich überholt. An dem Beispiel wird deutlich, daß die Bezeichnung „außerordentliche wirtschaftliche Abnutzung“ zeigt, wie wenig der Begriff der Abnut96 Müller, Materialsammlung zum Teil II, Ertragsteuerliche Gewinnermittlung, S. 196. 97 So auch Falterbaum/Bolk/Reiß, Buchführung und Bilanz, Nr. 15.8.3.5 S. 665. 98 Vgl. Lang in Tipke/Lang, Steuerrecht, § 9 Rn. 392.
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Teil III: Funktionsweise der Abschreibungstatbestände
zung vom reinen Wertverlust unterscheidbar ist. Wäre der Wertverlust in dem Beispiel mit den halbautomatischen Maschinen nach und nach eingetreten, wäre eine Teilwertabschreibung in Betracht gekommen. Mit der „AfaA“ ist der außerordentliche Wertverlust aufgrund eines einmaligen wirtschaftlichen Ereignisses gemeint. Dieser Wertverlust soll durch die „AfaA“ oder Teilwertabschreibung in der Steuerbilanz ausgeglichen werden. Auch für den nichtbilanzierenden Gewinnermittler hat der Gesetzgeber mithin an dieser Stelle das Gebot der wirtschaftlichen Vorsicht einfließen lassen. Der Steuerpflichtige ist weniger leistungsfähig, als ursprünglich angenommen wurde, daß er es sein würde. Die AfaA und Teilwertabschreibungen führen zu einer Anpassung der angenommenen Leistungsfähigkeit mit der tatsächlich erreichten. Eine Besserstellung findet durch die „außerplanmäßigen“ Abschreibungen nicht statt. Sie sind damit verfassungsrechtlich unbedenklich, weil sie eine nach ihrem Sinn und Zweck genauere Messung der Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen ermöglichen sollen. Die weitere Prüfung wird sich demnach auf die Abschreibungstatbestände beschränken, bei denen der Steuerpflichtige eine mehrjährige Abnutzungsprognose erstellt. Diese Form der nach Plan verlaufenden Abschreibung bezeichnet das Handelsrecht als „planmäßige Abschreibungen“ (§ 253 II 1 HGB). Der Plan muß die Anschaffungs- und Herstellungskosten auf die Geschäftsjahre verteilen, in denen der Vermögensgegenstand voraussichtlich genutzt werden kann (§ 253 II 2 HGB). Das Einkommensteuergesetz bezeichnet diese planmäßigen Abschreibungen als „Absetzung für Abnutzung“ (AfA) in Gegenüberstellung zu der „Substanzverringerung“. Die Absetzung für Abnutzung“ erfolgt durch den Steuerpflichtigen selbst; die Substanzverringerung ist Resultat eines äußeren Ereignisses. Den Vorschriften über die AfA ist gemeinsam, daß sie eine Prognose mit planmäßiger Aufwandsverteilung vorsehen. Der Begriff der planmäßigen Abschreibung ist jedoch ein handelsrechtlicher. Mit ihm bezeichnet man eine Abschreibungsmethode, bei der die rechnerischen Grundlagen jedes späteren Wertansatzes bei der ersten Abschreibung feststehen.99 Das Handelsrecht faßt unter die planmäßigen Abschreibungen alle Formen der rechnerischen Verteilung, also neben der linearen Abschreibung etwa auch die degressive. Dem Steuerrecht ist ein Oberbegriff für nach Plan verlaufende Abschreibungen fremd. Es soll deshalb unter deutlichem Hinweis auf die handelsrechtliche Terminologie (§ 253 II 1 u. 2 HGB) dennoch der handelsrechtliche Begriff der „planmäßigen Abschreibung“ auch für die steuerjuristische Betrachtung verwendet werden. Sonderabschreibungen und degressive Abschreibungen können zeitlich nicht nebeneinander in Anspruch genommen werden. Dieses Verbot folgt ausdrück99 Müller, Materialsammlung zum Teil II, Ertragsteuerliche Gewinnermittlung, S. 182.
§ 8 Fehlen von periodengerechten Buchungsalternativen
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lich aus § 7a IV EStG. Nach bisher überwiegend vertretenen Ansicht wurde aus dieser Vorschrift auch gefolgert, daß eine vorherige Inanspruchnahme von Sonderabschreibung die nachfolgende Inanspruchnahme von degressiven Abschreibungen ausschließt. In einem Beschluß über die vom Finanzgericht abgelehnte Aussetzung der Vollziehung vom 23.4.2003 hat der BFH jedoch „ernstliche Zweifel“ daran gehabt, daß § 7a IV EStG eine derartige Ausschlußwirkung zu entnehmen ist:100 „Ein weiter gehendes Verbot der zeitversetzt hintereinander geschalteten Inanspruchnahme beider Abschreibungen würde voraussetzen, daß man den Regelungswortlaut so versteht, daß sich die Inanspruchnahme von Sonderabschreibungen in absoluter Weise im gesamten Begünstigungszeitraum ausschließlich mit AfA nach § 7 Abs. 1 oder 4 EStG vereinbaren läßt. Dafür könnte sprechen, daß es Regelungszweck sein könnte, eine Begünstigungskumulation zu vermeiden. Allerdings wird in der Regelung allein die Gegenwartsform benutzt („sind“, nicht jedoch „waren und sind“), was auf ein Verbot lediglich der zeitlich parallelen Inanspruchnahme von Sonderabschreibungen und degressiver AfA in betreffenden Veranlagungszeitraum hindeutet. . . . Jedenfalls kommt die vom FG vertretene Auffassung im Gesetz nicht mit der notwendigen Klarheit zum Ausdruck, so daß ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides bestehen und im summarischen Verfahren zu Gunsten der Ast. zu entscheiden ist.“
Aus Sicht einer Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit steht allerdings zu hoffen, daß die bisher herrschende Meinung aufrechterhalten wird. Sonderabschreibungen bilden Abweichungen von einer auf Gleichmäßigkeit gerichteten Besteuerung, dieser Ausnahmecharakter liegt auch bei degressiven Abschreibungen nahe. Für das Verbot einer kumulativen Inanspruchnahme – sei es gleichzeitig oder nacheinander – spricht deshalb nicht nur der Sinn und Zweck des Verbots gem. § 7a IV EStG, sondern auch das Gebot verfassungskonformer Auslegung einfachen Rechts. Die beiden Auslegungen zugängige Vorschrift des § 7a IV EStG sollte deshalb verfassungskonform im Sinne der bisher herrschenden Meinung entschieden werden. Die weitere Prüfung beschränkt sich auf die „planmäßigen“ Vorschriften der „Aufwendungen für Abnutzung“ des Steuerrechts.
§ 8 Fehlen von Buchungsalternativen zur periodischen Aufwandsverteilung Abschreibungsvorschriften kennt jede Steuerrechtsordnung. Wie zwingend notwendig sie sind, zeigt sich am leichtesten, indem man die derzeitige Rechtslage vergleicht mit der Rechtslage, die man ohne die Abschreibungstatbestände erhalten würde. 100
BFH Az. I B 11/03, NV, abgedruckt in DStRE 15/2003, S. 909.
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Teil III: Funktionsweise der Abschreibungstatbestände
Zwei Alternativen sind denkbar: – Die Anschaffungskosten werden als Anschaffungsaufwand behandelt. Im Jahr der Herstellung oder Anschaffung würde der Steuerpflichtige den Anschaffungsaufwand geltend machen (Totalabzug). Die spätere Veräußerung/Entnahme würde zur Realisierung eines Totalgewinns (ohne Abzug der Anschaffungskosten) führen. Der Anschaffungsaufwand ist schon in die Gewinn- und Verlustrechnung eingegangen und darf nicht doppelt angesetzt werden.101 – Der Anschaffungsvorgang selbst wird steuerlich als unbeachtlich empfunden. Auch der Wertverlust wird selbst nicht erfaßt. Zum Zeitpunkt der Veräußerung oder Entnahme bemißt sich der Gewinn nach der Differenz zwischen den Anschaffungskosten und dem Veräußerungs- oder Entnahmewert. Die erste Möglichkeit würde dazu führen, daß der Steuerpflichtige seine steuerliche Bemessungsgrundlage manipulieren kann. Zeichnete sich ein Gewinn ab, würde der Steuerpflichtige geradeso soviel investieren, daß seine ansonsten positiven Einkünfte ausgeglichen würden. In einem Randbereich stellt sich dieses Problem auch bei der gegenwärtigen Rechtslage. Gem. § 6 II EStG können – vereinfacht ausgedrückt – die Anschaffungs- oder Herstellungskosten von geringwertigen Wirtschaftsgütern im Wirtschaftsjahr der Anschaffung oder Herstellung als Betriebsausgaben abgesetzt werden, ganz gleich ob sie einer mehrjährigen Nutzung fähig sind oder nicht. Problematisch wird § 6 II EStG, wenn geringwertige Wirtschaftsgüter auf Vorrat genommen werden. Die Finanzverwaltung erkennt das Bewertungswahlrecht 101 Möglichkeit 1 wäre wohl – ohne die §§ 7 ff. EStG – naheliegender: Die Anschaffung eines Wirtschaftsguts zum Zwecke der mehrjährigen Nutzung ist „durch den Betrieb veranlaßt“. Sie wäre als Betriebsausgabe (§ 4 IV EStG) sofort abziehbar. Auch innerhalb der Überschußeinkünfte würden die Anschaffungs-/Herstellungskosten sofort abziehbare Erwerbskosten bilden. Dies gilt sogar, wenn man dem scheinbar eindeutigen Wortlaut des § 9 I S. 1 EStG getreu weiterhin Finalität verlangt. Nach § 9 I 1 EStG sind „Werbungskosten Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen“. Anschaffungskosten für den Erwerb eines längerfristig zu nutzenden Wirtschaftsguts wären sofort abziehbare „Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen“ i. S. d. § 9 I S. 1 EStG. Die gesetzlich vorausgesetzte Finalität hat der BFH inzwischen aufgegeben: BFH GS zur Angleichung von Betriebsausgaben und Werbungskosten in BFHE 124, 43–52 (48): „Der Große Senat stimmt mit der bisherigen Rechtsprechung darin überein, daß die Abzugsfähigkeit von Kfz-Unfallkosten (wobei hier zwischen einzelnen Arten von Unfallkosten zu differenzieren aufgrund der Vorlagebeschlüsse keine Veranlassung besteht) als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit (§ 2 Abs. 3 Nr 4, Abs. 4 Nr 2 i.V. m. § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG) und als Betriebsausgaben bei den Einkünften aus Landwirtschaft und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb und aus selbständiger Arbeit (§ 2 Abs. 3 Nr 1 bis 3, Abs. 4 Nr 1 i.V. m. § 4 Abs. 4 EStG) grundsätzlich nicht unterschiedlich beurteilt werden kann. Entscheidend für die Abzugsfähigkeit derartiger Kosten ist, ob sie durch den Betrieb oder den Beruf veranlaßt sind (vgl. die Urteile des BFH vom 2. März 1962 VI 79/60 S, BFHE 74, 513, BStBl III 1962, 192, und vom 21. Juli 1967 VI R 307/66, BFHE 89, 520, BStBl III 1967, 734).“
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nur an, wenn die Vorratshaltung sich in normalen Grenzen hält. Ein offensichtlicher Mißbrauch des § 6 II EStG wird angenommen, wenn über den Bedarf des laufenden und des folgenden Wirtschaftsjahres hinaus geringwertige Wirtschaftsgüter auf Vorrat genommen werden. Dann wird die sofortige Absetzung versagt.102 Außerdem wäre bei einem Totalabzug ein Anreiz geschaffen, das Betriebsvermögen veralten zu lassen: Wenn die Veräußerung einen Totalgewinn aufdeckt, besteht ein negativer steuerlicher Anreiz, sich von veralteten Produktionsmethoden zu trennen. Möglichkeit 2 würde die Betriebe steuerlich benachteiligen, die ihr Betriebsvermögen länger nutzen wollen. Die Anschaffungskosten treten bis zur Veräußerung/Entnahme steuerlich nicht in Erscheinung. Betriebe – man denke an große Presseunternehmen – wären gezwungen, jedes Jahr ihr Betriebsvermögen auszutauschen. Unternehmen, die auf Jahre das gleiche Material benutzen, gerieten in einen Wettbewerbsnachteil. Sie müßten hohe Gewinne versteuern, weil ihre Anschaffungskosten jahrelang unbemerkt blieben. Beide Möglichkeiten würden nicht zu einer Besteuerung nach der steuerlichen Leistungsfähigkeit führen. Bei Möglichkeit 1 könnte der Unternehmer sich arm rechnen. Während sein Betriebsvermögen tatsächlich gewachsen ist, wäre sein steuerlicher Gewinn durch Anschaffungsaufwand gemindert. Bei Möglichkeit 2 kommt es zum umgekehrten Phänomen. Unternehmen, die längerfristig Material einsetzen, werden stärker zur Steuerpflicht herangezogen, als es ihrer Leistungsfähigkeit entspricht. Unser gegenwärtiges Recht bestimmt für die Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich gem. § 4 I S. 6 EStG jedoch, daß „bei der Ermittlung des Gewinns die Vorschriften über die . . . Absetzung für Abnutzung oder Substanzverringerung zu befolgen sind.“ § 7 I 1 EStG ordnet in der Rechtsfolge an, daß nur „(. . .) jeweils für ein Jahr der Teil der Anschaffungs- oder Herstellungskosten abzusetzen ist, der bei gleichmäßiger103 Verteilung dieser Kosten auf die Gesamtdauer der Verwendung oder Nutzung auf ein Jahr entfällt.“ Der Zwang zur nur anteilsmäßigen Verteilung der Anschaffungskosten bedeutet zunächst eine Schlechterstellung. Diese Schlechterstellung erklärt sich jedoch aus dem Sinn und Zweck des Betriebsvermögensvergleichs. Im Moment der Anschaffung, d.h. des entgeltlichen Erwerbs eines Wirtschaftsguts, liegt ein Aktivtausch vor. Das Bankguthaben (Aktivposten innerhalb des Umlaufvermögens) wird „eingetauscht“ gegen das neue Wirtschaftsgut. Erst mit der Zeit macht sich der Tausch bemerkbar. Während Geld nicht „altert“, ist das Wirtschaftsgut dem Verfall ausgesetzt. 102
Falterbaum/Bolk/Reiß, Buchführung und Bilanz, Nr. 15.9.18.1 S. 684. Die „gleichmäßige Verteilung dieser Anschaffungskosten“ wird auch lineare Abschreibung genannt. 103
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Diese auf das Wirtschaftsgut in seinem Bestand ausgerichtete „Wertverzehrthese“ ist mit der statischen Bilanztheorie verwandt. Nach der statischen Bilanzlehre dient die Bilanz in erster Linie der richtigen Ermittlung des Betriebsvermögens. Der Gewinn ist nur Folge, jedoch nicht Ziel der statischen Bilanz104; zugleich läßt sich das System der AfA aber auch als periodengerechte Verteilung des Anschaffungs- oder Herstellungsaufwands auffassen. Dann ist das Wirtschaftsgut nur Zuordnungsobjekt für verausgabte Kosten.105 Diese Sichtweise ist mit der dynamischen Bilanztheorie verwandt.106 Nach der dynamischen Bilanztheorie liegt das Schwergewicht der Bilanz auf der Erfolgsermittlung.107 Selbst innerhalb der Abschreibung lassen sich die Wurzeln von statischer und dynamischer Bilanzlehre zurückverfolgen. So ist die technische Abnutzung statisch geprägt; die wirtschaftliche Abnutzung hingegen ist tatbestandlich mit der wirtschaftlichen Nutzungsfähigkeit verknüpft und damit dynamisch geprägt.108 Die Dichotomie der Bilanzzwecke hat Auswirkungen auf die Funktion der AfA. In der Literatur ist der Zweck und das Wesen steuerlicher AfA umstritten.109 Zu den Schwierigkeiten in der dogmatischen Einordnung trägt weiter bei, daß auch für Überschußeinkünfte eine AfA vorgeschrieben ist, obwohl die Wertverhältnisse im Privatvermögen grundsätzlich irrelevant sind. Sieht man § 9 I 3 Nr. 7 EStG als Ausnahmeverweisung an, wird die statische Wertverzehrthese unterstützt; hält man § 9 I 3 Nr. 7 EStG als selbstverständliche Regelung an für ein einheitliches System der Aufwandsverteilung wird die Aufwandsverteilungsthese unterstützt. Meines Erachtens ist die AfA in erster Linie eine Methode im (Betriebs-) Vermögensvergleich. In der Gewinnermittlung nach den §§ 4–7 EStG liegt der gesetzessystematische Schwerpunkt der AfA. Die dogmatische Erfassung der AfA muß deshalb mit der Wertverzehrthese beginnen. Bei Anlagevermögen wird der Verfall durch die Abschreibungstatbestände typisiert. Eine optimale Messung der Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen würde man erreichen, wenn jedes Jahr zum Jahreswechsel eine amtliche Schätzung des Anlagevermögens stattfinden würde. Dieser Vorschlag zeigt zugleich, welchen absurden Aufwand es für den Staat bedeuten würde, jährlich Schätzungen des Anlagevermögens durchzuführen. Das Steuerverfahren ist ein Massenverfahren. Die Anzahl der in Deutschland Einkommensteuerpflichtigen betrug 29.752.289 im Jahr 1995.110 Ein Schätzungsverfahren ist schon technisch nicht 104 105 106 107 108 109
Falterbaum/Bolk/Reiß, Buchführung und Bilanz, Nr. 12.2.3.1 S. 338. Jakob/Wittmann, FR 1988, S. 546. Jakob/Wittmann, FR 1988, S. 541. Falterbaum/Bolk/Reiß, Buchführung und Bilanz, Nr. 12.2.3.2 S. 339. Hahn, DStZ 1999, S. 850. Jakob/Wittmann, FR 1988, S. 542.
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durchführbar. Der Staat begnügt sich also mit einer typisierten Messung der Wertverhältnisse. Der Gesetzgeber stellt die unwiderlegliche Vermutung auf, daß die Abnutzung mit einem Wertverlust einhergeht und begnügt sich mit der typisierten Prognose der Abnutzung. Um auf die unterschiedliche Abnutzbarkeit (und dem damit vermuteten, unterschiedlichen Wertverlust) der einzelnen Wirtschaftsgüter einzugehen, hat der Gesetzgeber Differenzierungen vorgenommen, die sich insbesondere nach der Art der Wirtschaftsgüter (beweglich, unbeweglich) und der Art der Nutzung richten (Wirtschaftsgebäude vgl. etwa § 7 IV Nr. 1 EStG, Wohnzwecke vgl. § 7 V Nr. 3 EStG i. d. F. des Gesetzes v. 13.9.1993). Der Wertverlust selbst ist für die „planmäßigen“ (§ 253 II S. 1, 2 HGBf.) Absetzungen für Abnutzungen grundsätzlich nicht maßgeblicher Anknüpfungspunkt. Damit nicht genug, die Wertveränderungen sind für die Frage der „planmäßigen“ Abschreibungen sogar irrelevant.111 Das ergibt sich aus dem Wortlaut (a), der Entstehungsgeschichte der Abschreibung (b), der Systematik (c) und ist schließlich auch Ansicht der Rechtsprechung (d). (a) Der Begriff der „Abnutzung“ ist bei materiellen Gegenständen am Verschleiß, bei immateriellen Gegenständen an der zeitlichen Begrenzung zu erkennen. Abnutzen läßt sich ein Wirtschaftsgut unabhängig von den Wertschwankungen, denen es ausgesetzt sein mag. (b) In der Entstehungsgeschichte der Abschreibungstatbestande ist deutlich geworden, daß der Gesetzgeber sich 1921 bewußt von dem Begriff der Absetzung für Wertveränderung gelöst hat. Durch das Auswechseln der Begriffe „Wertveränderung“ mit „Abnutzung“ hat er deutlich gemacht, daß die Abnutzung gerade von der Frage der Wertveränderung unabhängig sein sollte. (c) Systematisch sind Teilwertabschreibungen und Absetzungen wegen außergewöhnlicher Abnutzung zu unterscheiden. Bei der Teilwertabschreibung knüpft der Gesetzgeber an die Wertverhältnisse an; für die AfaA sind die Wertverhältnisse jedoch irrelevant.112 Was im Verhältnis der außergewöhnlichen Absetzungen zu den Teilwertabschreibungen gilt, ist auch für die „gewöhnlichen“ Absetzungen zutreffend. Die „gewöhnlichen“ Absetzungen für Abnutzung sind wertunabhängig. (d) Eine deutliche Stellungnahme zu dieser Fragestellung ist schließlich dem 6. Senat des BFH zu verdanken. In BStBl. II 2001, 194 hat er entschieden: „Eine über 300 Jahre alte Meistergeige, die im Konzertalltag regelmäßig 110 Diese große Zahl ergab sich, obwohl zusammenveranlagte Steuerpflichtige als ein Steuerpflichtiger gezählt wurden. Quelle: Statistisches Bundesamt, Fachserie 14, Reihe 7.1, 1995, S. 14. 111 Anderer Ansicht ist wohl – trotz des Hinweises auf BFH BStBl. 1986, 355 – Lang in Tipke/Lang, Steuerrecht, § 9 Rn. 387. 112 Tipke/Lang, Steuerrecht, § 9 Rn. 392.
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bespielt wird, unterliegt einem technischen Verschleiß, der eine AfA auch dann rechtfertigt, wenn es wirtschaftlich zu einem Wertzuwachs kommt.“113 Ähnlich hat der 6. Senat schon 1986 entschieden, daß „AfA wegen technischer Abnutzung auch dann in Betracht kommen, wenn die Gegenstände schon 100 Jahre alt sind und im Wert steigen.“114 Kunstwerke hingegen, die in keiner Weise der Witterung ausgesetzt sind, etwa eine Statue aus Gold, können nicht abgeschrieben werden.115 Diesem Ansatz scheint der 10. Senat zu widersprechen, wenn er für die wirtschaftliche Abnutzung einen Wertverlust verlangt.116 Der Widerspruch ist jedoch auflösbar: Die Urteile betreffen unterschiedliche Erklärungsmodelle für eine „Abnutzung“. Bei der technischen Abnutzung ist die Frage nach dem Wertverlust irrelevant. Nur bei der wirtschaftlichen Abnutzung verlangt die Rechtsprechung einen tatsächlichen Wertverlust.117 Dies erklärt sich aus der Unbestimmtheit des Begriffs „wirtschaftliche Abnutzung“.118 Anknüpfungspunkt jeder Abschreibung ist zunächst die technische Abnutzung. Wird diese von der wirtschaftlichen Abnutzung übertroffen – dies soll nur bei entsprechende Wertminderung der Fall sein können –, ist die wirtschaftliche Abnutzung maßgeblich. In dem Hauptanwendungsbereich, der äußerlich feststellbaren technischen Abnutzung, sind Abschreibungen jedoch unabhängig von den Wertverhältnissen vorzunehmen. Damit nimmt die wirtschaftliche Abnutzung in der einfachgesetzlichen Anwendung eine Brückenstellung zwischen der technischen Abnutzung und der Teilwertabschreibung ein. Die technische Abnutzung ist von den Wertverhältnissen unabhängig. Für die Teilwertabschreibung ist der Wertverlust hinreichende Bedingung. Für die wirtschaftliche Abnutzung ist der Wertverlust notwendige, aber nicht hinreichende Bedingung. Technische und wirtschaftliche Nutzungsdauer fallen in der Regel zusammen. Sofern die wirtschaftliche Nutzungsdauer ausnahmsweise kürzer ist als die technische, kann der Steuerpflichtige sich hierauf berufen.119 Das wird immer dann der Fall sein, 113 Die Restnutzungsdauer kann mit 100 Jahren angesetzt werden, sofern der Steuerpflichtige keine kürzere Nutzungsdauer darlegt und nachweist bzw. zumindest glaubhaft macht, BFH 6. Senat, BStBl. II 2001, S. 194. Falterbaum/Bolk/Reiß, Buchführung und Bilanz, Nr. 15.8 S. 653 ist hier zu widersprechen. Diese formulieren: „Echte Teppiche, die durch die Benutzung nicht an Wert verlieren, dürften ebenfalls keiner AfA unterliegen.“ Das ist nicht richtig. Es kommt bei der AfA wegen technischer Abnutzung nicht auf die Wertverhältnisse an. 114 BStBl. II 1986, S. 355. 115 Gemälde anerkannter Meister sind nicht abnutzbar (Jakob/Wittmann, FR 1988, S. 550). 116 BFH 10. Senat v. 19.11.1997, BStBl. 1998 II S. 59. 117 BFH 10. Senat v. 19.11.1997, BStBl. 1998 II S. 59: „Ist ein Wirtschaftsgut zwar nicht mehr entsprechend der ursprünglichen Zweckbestimmung nutzbar, hat es aber wegen seiner Nutzbarkeit für andere noch einen erheblichen Verkaufswert, ist es auch für den Unternehmer wirtschaftlich noch nicht verbraucht.“ 118 Vgl. oben § 3 D II.
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wenn infolge der steigenden Reparaturen der wirtschaftliche Nutzen eines Wirtschaftsguts mit dem Alter des Wirtschaftsguts schneller abnimmt als seine tatsächliche Funktionsfähigkeit.120 Die Vermutung des Gesetzgebers, die Abnutzung gehe mit einem Wertverlust einher, ist in aller Regel auch begründet. Maschinen, Autos etc. verlieren mit der Abnutzung an Wert. Den Wertverlust selbst zu messen, würde – wie oben dargestellt – die Finanzverwaltung überfordern. Schon bei Oldtimern wird die Vermutung, Verschleiß gehe mit Wertverlust einher, jedoch fragwürdig. Dies gilt in vielleicht stärkerem Maß noch für Gebäude und Gebäudeteile. Diese Ausführungen sollen andererseits nicht dazu verleiten, ein körperlicher Verschleiß sei zwingend erforderlich. Dann wären immaterielle Wirtschaftsgüter nicht abschreibbar. § 7 I S. 3 EStG, der als betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer des Geschäfts- oder Firmenwerts einen Zeitraum von 15 Jahren festlegt, geht jedoch implizit davon aus, daß immaterielle Wirtschaftsgüter abnutzbar sind. Der Gesetzgeber selbst gebraucht den Begriff der Abnutzung also im Bereich der immateriellen Wirtschaftsgüter ohne jeden körperlichen Bezug. „Abnutzbar“ im Sinne des § 7 I 1 EStG ist ein Wirtschaftsgut, wenn es zeitlich begrenzt ist.121 Auf dem Umweg der prognostizierten Abnutzung ermittelt der Staat mittelbar die Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen. Diese Ermittlung ist ein Fall von Typisierung. Typischerweise werden sich der Grad der Abnutzung und der Wertverlauf des Wirtschaftsguts entsprechen. Die Typisierung, Verschleiß gehe mit Wertverlust einher, ist verfassungsrechtlich im Grundsatz nicht zu beanstanden. Jede gesetzliche Regelung muß verallgemeinern.122 Der Gesetzgeber darf sich grundsätzlich am Regelfall orientieren und ist nicht gehalten, allen Besonderheiten jeweils durch Sonderregelungen Rechnung zu tragen.123 Diese gesetzlichen Verallgemeinerungen müssen allerdings auf eine möglichst weite, alle betroffenen Gruppen und Regelungsgegenstände einschließende Beobachtung aufbauen.124 Der Gesetzgeber hat vor allem bei der Ordnung von Massenerscheinungen und deren Abwicklung einen – freilich nicht unbegrenzten – Spielraum für generalisierende, typisierende und pauschalierende Regelungen.125 Bei
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So ausdrücklich BFH 10. Senat v. 19.11.1997, BStBl. 1998 II S. 59. Vgl. Falterbaum/Bolk/Reiß, Buchführung und Bilanz, Nr. 15.9 S. 667. 121 Schellenberger in FR 1980, 33. 122 BVerfGE 82, 126 (151). 123 BVerfGE, 2. Senat, – zur Verfassungsmäßigkeit der Aufhebung des steuerrechtlichen Weihnachts- und Arbeitnehmerfreibetrags –, 96, 1–10 (6). 124 BVerfGE, 2. Senat, – zur Verfassungsmäßigkeit der Aufhebung des steuerrechtlichen Weihnachts- und Arbeitnehmerfreibetrags –, 96, 1–10 (6) unter Bezugnahme auf BVerfGE 84, 348 (360); 87, 234 (255). 125 BVerfGE, 2. Senat, – zur Verfassungsmäßigkeit der Aufhebung des steuerrechtlichen Weihnachts- und Arbeitnehmerfreibetrags –, 96, 1–10 (6) unter Bezugnahme auf BVerfGE 82, 126 (151 f.); 84, 348 (359 f.). 120
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Teil III: Funktionsweise der Abschreibungstatbestände
der Ausgestaltung einer Typisierung darf der Gesetzgeber auch den unwiderleglichen Typus wählen.126 Zugleich sind die Abschreibungstatbestände Ausdruck des Prinzips der Abschnittsbesteuerung.127 Gem. § 2 VII S. 1 EStG ist die Einkommensteuer eine Jahressteuer. Die Grundlagen für ihre Festsetzung sind jeweils für ein Kalenderjahr zu ermitteln (§ 2 VII 2 EStG). Optimal wäre ein Messung der Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen, wenn der Staat erst zum Ende der Totalperiode „steuerpflichtige Lebenszeit“ mit der Besteuerung einsetzen würde. Erst dann wäre ex post sicher, welche Wertverluste die Wirtschaftsgüter tatsächlich erlitten haben. Statt dessen begnügt sich der Staat mit der „ex ante“128 aufgestellten Abnutzungsprognose des Steuerpflichtigen. Zu Gunsten des Steuerpflichtigen läßt er jedoch Prognosekorrekturen zu (AfaA, Teilwertabschreibungen). Abschnittsweise erkennt der Staat die vermuteten Wertverluste an. Er stellt damit – soweit dies technisch möglich ist – eine auch in zeitlicher Hinsicht anteilige Beteiligung an den Staatsaufgaben sicher. Für die Gewinnermittlung durch Einnahmen-/Überschußrechnung gem. § 4 III EStG bestimmt § 4 III 3 EStG, daß „die Vorschriften über die Absetzung für Abnutzung oder Substanzverringerung zu befolgen sind.“ Ähnliches sieht § 9 I Nr. 7 EStG vor, nach dem Absetzung für Abnutzung und für Substanzverringerung und erhöhte Absetzungen“ auch Werbungskosten sind. Die Erwähnung der Abschreibungen in § 9 I Nr. 7 ist überflüssig, denn schon § 9 V EStG bestimmt, daß „§§ 6b bis 8a EStG sinngemäß“ gelten. Zwischenergebnis: Die Abschreibungstatbestände erfassen den unwiderleglich vermuteten Wertverlust, den der Steuerpflichtige durch die Abnutzung erleidet. Die typisierende mittelbare Anknüpfung an die Abnutzung ist vom Grundsatz her nicht zu beanstanden.
Die typisierte Messung der Leistungsfähigkeit ist im Steuerrecht ein Alltagsphänomen. Indirekte Steuern etwa knüpfen an die vermutete Leistungsfähigkeit des Nachfragenden an. Vgl. Paul Kirchhof, Besteuerung im Verfassungsstaat, S. 25. 126 Paul Kirchhof, Besteuerung im Verfassungsstaat, S. 39. 127 Der BFH ist der Ansicht, die AfA dienten dem handelsrechtlichen Periodizitätsprinzip, BFHE GS 91, 93: „Im Rahmen der Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung gilt der Grundsatz zeitraumrichtiger Abgrenzung von Aufwand und Ertrag (periodengerechte Gewinnermittlung). Aus ihm folgt, daß bei der Ermittlung des Gewinns für ein bestimmtes Wirtschaftsjahr nur solche Aufwendungen berücksichtigt werden können, die gerade dieses Wirtschaftsjahr betreffen. Es ist kein Anhaltspunkt vorhanden, der es ausschlösse, auch § 7 EStG unter Berücksichtigung des Grundsatzes periodengerechter Gewinnermittlung auszulegen. Dieser gilt deshalb auch für den Wertverlust, der an den Gegenständen des Anlagevermögens durch die Nutzung im Betrieb entsteht. Die AfA bezwecken den Ausgleich dieses Wertverlustes.“ 128 Hahn, DStZ 1999, S. 847.
Teil IV
Abschreibungen als Subventionstatbestand § 9 Steuervorteil durch Förderabschreibungstatbestände Wie sich aus dem Zwischenergebnis zur Entstehungsgeschichte der Abschreibungstatbestände ergeben hat, folgt die Abschreibung zunächst nur dem erwarteten Grad der (technischen oder wirtschaftlichen) Abnutzung. An diesen knüpft der Gesetzgeber die unwiderlegliche Vermutung des Wertverlustes. Auf die tatsächlichen Wertverhältnisse kommt es – im Grundsatz – nicht an.1 Ein Förderabschreibungstatbestand zeichnet sich dadurch aus, daß von dem tatsächlich zu erwartenden Grad der Abnutzung zu Gunsten des Steuerpflichtigen abgewichen wird. Die Abschreibungsrate ist beschleunigt. Die Differenz zwischen der tatsächlichen und der gesetzlich festgelegten Abnutzung führt zur Entstehung einer „stillen Reserve“. Als stille Reserve bezeichnet man das Zurückbleiben des Buchwerts hinter dem Verkehrswert oder Teilwert. Es ist erstaunlich, daß bei einem derartig zentralen Begriff eine relativ unsichere Begriffsverwendung vorherrscht. Ob nun der Veräußerungs-Verkehrswert oder der Teilwert als Vergleichsmaßstab gemeint ist, wenn von einer „stillen Reserve“ gesprochen wird, bleibt offen. Dies liegt daran, daß der Vergleichsmaßstab wechselt. Bei der Überführung in das Privatvermögen ist gem. § 6 I Nr. 4 EStG der Teilwert anzuwenden. Im normalen Geschäftsverkehr wird hingegen üblicherweise der Veräußerungs-Verkehrswert für die „Entstrickung“ maßgeblich sein. Verallgemeinernd und abstrahierend kann man eine stille Reserve deshalb definieren als das Zurückbleiben des Buchwerts hinter dem Realisationswert.2 Das Wirtschaftsgut wird in der Handels- und Steuerbilanz mit einem zu geringen Buchwert ausgewiesen. Das buchungstechnische Zurückbleiben ist in den folgenden Jahren dann Ausdruck des handelsrechtlichen Realisationsprinzips. Gem. § 252 I Nr. 4 HGB ist „vorsichtig zu bewerten (. . .); Gewinne sind nur zu berücksichtigen, wenn sie am Abschlußstichtag realisiert sind.“ Diese Spielart des Vorsichtsprinzips ist ein Grundsatz ordnungsgemäßer Buchführung, der über § 5 I 1 EStG in das Steuerrecht einwirkt. Solange die derart gebildete „stille Re1 Eine Ausnahme bildet insofern die Teilwertabschreibung. Hier wird zu Gunsten des Steuerpflichtigen eine Anpassung an die Realität vorgenommen. 2 Vgl. Wolfgang Jakob, Einkommensteuer, § 4 Rn. 171f, Birk spricht von „Wertsteigerungen, die nicht realisiert werden“, Birk, Steuerrecht, § 6 Rn. 845.
70
Teil IV: Abschreibungen als Subventionstatbestand
serve“ nicht durch Veräußerung/Überführung in das Privatvermögen aufgedeckt wird, stundet der Staat die darauf eigentlich schon fällige Steuer. Gesetzestechnisch sind diese Lenkungs-Tatbestände meist als „erhöhte Abschreibung“ oder „Sonderabschreibung“ gekennzeichnet. In der einfachgesetzlichen Anwendung sind diese beiden Rechtsinstitute der „erhöhten Abschreibung“ und der Sonderabschreibung streng zu unterscheiden. „Erhöhte Abschreibungen“ sind alternativ zu den nicht als „erhöht“ bezeichneten (linearen oder degressiven) Abschreibungstatbeständen vorzunehmen. Die „Sonderabschreibungen“ sind hingegen kumulativ zu den linearen Abschreibungstatbeständen anzuwenden. Dies ergibt sich aus § 7a IV EStG. Diese eingeschränkte Kombinationsmöglichkeit der Sonderabschreibungen mit den Abschreibungstatbeständen wird ausnahmsweise durch § 7g EStG erweitert. Die Sonderabschreibung gem. § 7g EStG kann auch im Verbund mit § 7 II EStG angewandt werden. Erhöhte Abschreibungen und Sonderabschreibungen werden meist auf einen Begünstigungszeitraum begrenzt festgelegt. Dieser Begünstigungszeitraum ist für „erhöhte Abschreibungen“ jedoch starr, während bei Sonderabschreibungen regelmäßig ein Wahlrecht des Steuerpflichtigen besteht, für welches Jahr er die Begünstigung in Anspruch nehmen will. Damit wird ihm die Möglichkeit gegeben, die Abschreibungen im Förderzeitraum nach Gutdünken zu verteilen. Bei Steuerpflichtigen mit schwankenden Einkünften können so die Einkommensspitzen nivelliert werden. In einem Einkommensteuersystem, das sich grundsätzlich für einen progressiven Tarif entschieden hat, scheint dies verfassungsrechtlich nicht unproblematisch zu sein. Für Steuerpflichtige mit gleichbleibend hohen Einkünften wirkt sich die gewonnene Flexibilität jedoch nicht aus. Diese Flexibilität betrifft Steuerpflichtige mit schwankenden Einkünften. Für Steuerpflichtige mit absehbar sinkenden Einkünften besteht durch vorgezogene Abschreibungen in begrenztem Umfang die Möglichkeit, effektiv die Besteuerung zu vermeiden. Damit lassen sich die Vorteile von Förderabschreibungen auf drei Phänomene zusammenfassen: (1) der Stundungsvorteil, (2) die Flexibilität von Sonderabschreibungstatbeständen, (3) die effektive Steuervermeidung bei absehbar sinkenden Einkünften. Zunächst soll die Flexibilität anhand eines Beispiels erläutert werden (A.), ehe das allgemeinere Phänomen der Steuerstundung untersucht wird (B.); der höchste Vorteil läßt sich bei absehbar sinkenden Einkünften erzielen (C.).
A. Flexibilität von Sonderabschreibungstatbeständen Sachverhalt: Kaufmann K erzielt im Jahr 01 eine ausgeglichene Handelsbilanz ohne Gewinn und Verlust (ohne Berücksichtigung der Abschreibungen); im Jahr 02 verbessert sich die Marktlage (positive Einkünfte von 100 A ohne
§ 9 Steuervorteil durch Förderabschreibungstatbestände
71
Berücksichtigung der Abschreibungen). In den Folgejahren ändert sich jedoch der Kundengeschmack, K erzielt negative Einkünfte von jeweils 10 A. Im Jahr 01 kauft K ein Auto (AK 100 A). Das Auto habe eine Nutzungsdauer von 5 Jahren. Rechtslage ohne Förderung: Müßte K linear abschreiben, dürfte er 1/5 = 20% seiner AK im Jahr 01, d.h. 20 A abschreiben. Im Jahr 01 hätte er einen Verlust von 20 A. Diesen Verlust könnte er gem. § 11d EStG in das Jahr 02 vortragen. Die Abschreibungen von 20 A im Jahr 02 und der Verlustvortrag von 20 A würden die positiven Einkünfte von 100 A um 40 A mindern. K hätte in 02 immerhin noch positive Rest-Einkünfte von 60 A. Den Gewinn könnte er nicht vortragen; er würde also mit 60 A (progressiv) besteuert. Rechtslage mit Förderung: Demgegenüber bieten K §§ 7g I i.V. m. 7 II EStG die Möglichkeit, die Progression fast vollständig zu vermeiden. Tabelle 2 Progressionsvermeidung durch Sonderabschreibung Jahr
Lineare AfA
BW (Linear)
Degressive AfA
1
20,00 A
80,00 A
30,00 A
2 3
20,00 A 20,00 A
60,00 A 40,00 A
21,00 A 9,67 A
4 5
20,00 A 20,00 A
20,00 A 0,00 A
9,67 A 9,67 A
Sonderabs. Abschr./Jahr
20,00 A
20,00% 100,00 A
Degressive AfA Sonderabs. gem. § 7g EStG
30,00 A
70,00 A
41,00 A 9,67 A
29,00 A 19,33 A
9,67 A 9,67 A
9,67 A 0,00 A
100,00 A
Summe: Lineare AfA Startwert
Restbuchwert
30,00% 20,00%
K nimmt die Sonderabschreibung im Jahr 02 in Anspruch. Wie sich aus der Tabelle ergibt, wird K sich entschließen, ab Jahr 03 wieder zur linearen AfA zu wechseln. Dies ist gem. § 7 III EStG möglich. Die Jahre 03/04/05 sind steuerlich hier irrelevant, weil K in jedem dieser Jahre negative Einkünfte erzielt. Der Buchwert (= BW) bei linearer Abschreibung ohne Inanspruchnahme der Sonderabschreibung ist in der zweiten Spalte abgebildet. Die Abschreibungen, die K insgesamt vornehmen wird, sind in der vorletzten Spalte abgebildet. Daraus ergibt sich der ganz rechts angegebene Restbuchwert. Im Jahr 01 kann K gem. § 7 II EStG degressiv 30 A abschreiben. Der Förderungszeitraum für die Sonderabschreibung beträgt gem. § 7g I EStG 5 Jahre. K wird die Sonderabschreibung erst im Jahr 02 vornehmen (20% der AK), weil er im Jahr 01 auch ohne
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Teil IV: Abschreibungen als Subventionstatbestand
Inanspruchnahme der Sonderabschreibungen steuerfrei bleibt. § 7g EStG erlaubt zudem – entgegen § 7a IV EStG – die Koppelung der Sonderabschreibung mit der degressiven Abschreibung gem. § 7 II EStG. Im Jahr 02 kann K demnach insgesamt 41 A abschreiben. Zusammen mit dem Verlustvortrag (30 A) kann K im Jahr 02 mithin 71 A als Betriebsausgaben geltend machen. Resteinkünfte in 02 hätte K 29 A (100 A–71 A) zu versteuern. Das sind 31 A weniger als bei Zugrundelegung einer linearen AfA. Seine Steuerersparnis ergibt sich aus einem Zusammenspiel von Gewerbesteuer, Einkommensteuer und Solidaritätszuschlag. Unterstellt K wäre mit den 31 A weit in der Progressionszone (48,5%) gewesen, hätte K gespart: 1. Gewerbesteuer Bemessungsgrundlage der Gewerbesteuer ist der Steuermeßbetrag, der mit einem von der Gemeinde festgelegten Hebesatz multipliziert wird, § 16 GewStG. Der Steuermeßbetrag ergibt sich durch Anwendung eines Hundertsatzes, der sog. Steuermeßzahl (1–5%), auf den Gewerbeertrag, § 11 GewStG. Der Gewerbeertrag ist der nach den Vorschriften des Einkommensteuergesetzes oder des Körperschaftsteuergesetzes zu ermittelnde Gewinn, vermehrt und vermindert um die in §§ 8 und 9 des Gewerbesteuergesetzes bezeichneten Beträge, § 7 GewStG. Mittelbar ist damit Bemessungsgrundlage der Gewerbesteuer der einkommensteuerliche ermittelte Gewinn. Nach der Richtlinie R 20 zu § 4 EStG sind für die (einkommensteuerliche) Gewinnermittlung jedoch nicht nur die rückständigen Vorauszahlungen als Schuld zu berücksichtigen, „sondern es ist entsprechend den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung auch für eine sich ergebende Abschlußzahlung eine Rückstellung in die Schlußbilanz einzustellen.“ Zur Ermittlung dieser abzugsfähigen Rückstellung kann die Gewerbesteuer mit schätzungsweise fünf Sechsteln des Betrags der Gewerbesteuer angesetzt werden, der sich ohne Berücksichtigung der Gewerbesteuer als Betriebsausgabe ergeben würde. Mittelbar ist damit die Gewerbesteuer von ihrer eigenen Bemessungsgrundlage abziehbar (R 20 zu § 4, II 2).3 Ohne Berücksichtigung der Gewerbesteuer als Betriebsausgabe ergibt sich folgender Betrag: 31 A * 5% (Steuermeßzahl) = 6,2 (Steuermeßbetrag gem. § 11 I 1 GewStG) 6,2 (Steuermeßbetrag) * 400% (Hebesatz) = 24,8 A. Darauf Anwendung der 5/6 –Methode: 24,8 5/6 = 20,66 . . . A (Gewerbesteuerrückstellung) 2. Einkommensteuer Einkünfte gem. §§ 2 I Nr. 2, II, 15 I Nr. 1 EStG: 31 A – 20,66 . . . A Gewerbesteuerrückstellung = 10,33 . . . A = Bemessungsgrundlage 10,33 A 48,5% = 5,01 . . . A
3 Die Gewerbesteuer ist damit in der Berechnung komplizierter als die Einkommensteuer. Für letztere gilt gem. § 12 Nr. 3 EStG, daß sie nicht von ihrer eigenen Bemessungsgrundlage abzugsfähig ist.
§ 9 Steuervorteil durch Förderabschreibungstatbestände
73
3. Solidaritätszuschlag Bemessungsgrundlage des Solidaritätszuschlags ist die berechnete Einkommensteuer (§ 3 Nr. 1 SolZG): 5,01166 . . . 5,5% = 0,275 . . . A Gesamtersparnis auf 31 A Steuerschuld, die bei linearer Abschreibung entstanden wären, durch die Koppelung der degressiven Abschreibung mit der Sonderabschreibung jedoch vollständig vermieden werden können: GewStRückstellung ( später entstehende Gewerbesteuerschuld):
20,66 . . . A
ESt:
5,01 . . . A
SolZ:
0,28 . . . A
Saldo:
25,95 . . . A
Das Beispiel zeigt, welche Bedeutung die Flexibilität haben kann, die durch einen Förderzeitraum eingeräumt wird. Das kann gerade für konjunkturanfällige Branchen von Bedeutung sein.
B. Stundungsvorteil Das Phänomen der Steuerstundung ist kein auf Förderabschreibungstatbestände beschränktes Verfahren. Auch bei Rückstellungen läßt sich dieser Vorteil in ganz ähnlicher Weise feststellen. Hier wie dort verzichtet der Staat vorläufig auf eine eigentlich schon fällige Besteuerung. Kann der Steuerpflichtige z. B. im Jahr 01 eine Sonderabschreibung nach dem Fördergebietsgesetz in Anspruch nehmen, weist seine Bilanz im Jahr 02 das fragliche Wirtschaftsgut mit einem zu geringen Wert aus. Dieses „sich-armrechnen“ bei dem entsprechenden Wirtschaftsgut ermöglicht es dem Steuerpflichtigen, seinen Gewinn zu verringern. Im Jahr 01 zahlt der Steuerpflichtige – vorausgesetzt er erzielt Gewinn – eine zu geringe Steuer. Den Betrag an „eigentlich“ fälliger Steuer, der ihm auf diese Weise gestundet wird, wird er jedoch in späteren Jahren nicht mehr als Abschreibungsmasse zur Verfügung haben. Auf die fiktive Totalperiode zahlt er nominal den gleichen Steuerbetrag. Allerdings ist es eine Selbstverständlichkeit, daß der „homo oeconomicus“ in dem Stundungszeitraum nicht untätig sein wird. Er wird Zinsen mit dem gestundeten Betrag erzielen; daraus wird ihm ein Vermögensvorteil erwachsen, den er wiederum mit Zinsgewinn anlegen kann. Was aus Sicht des Staates ein zinsloses Darlehen ist, stellt sich aus Sicht des Steuerpflichtigen als Möglichkeit dar, Zins und Zinseszins aus einer gestundeten Steuer zu erzielen. Der wirt-
74
Teil IV: Abschreibungen als Subventionstatbestand
schaftlichen Bedeutung einer derartigen Zahlungsverlagerung ist sich das einfache Recht durchaus bewußt: Die Abgabenordnung hat Instrumente geschaffen, mit denen derartige Liquiditätsvorteile abgeschöpft werden sollen4 (z. B. die §§ 233 ff. und 240 ff. AO „Verzinsung, Säumniszuschläge“). Die sog. Vollverzinsung gem. § 233a AO soll eine sonst bestehende Ungleichbehandlung ausgleichen.5 Die Liquiditätsvorteile bei späterer Steuerfestsetzung werden in einem typisierten Verfahren abgeschöpft. Die Berufung auf in concreto nicht eingetretene Liquiditätsvorteile (etwa wegen fehlender Anlagemöglichkeit) ist ausgeschlossen.6 Gerade auch für den Fall der freiwilligen Gewährung einer Steuerstundung sieht das einfache Recht sog. „Stundungszinsen“ gem. § 234 AO vor. Im Falle der Förderabschreibung wird die gestundete eigentlich schon jetzt fällig werdende Steuerschuld auf eine spätere Periode verlagert. In der Zwischenzeit kann der Steuerpflichtige mit dem gestundeten Betrag „arbeiten“; er erlangt ein zinsloses Darlehen des Fiskus. Dieser Effekt soll anhand eines Beispiels erläutert werden (siehe „Anhang“, Seite 323): Die A-GmbH erzielt jedes Jahr einen erheblichen Gewinn. Für die Bemessung der Gewerbesteuer ist sie weit im Bereich der 5% Regelung. Der Hebesatz betrage 400%. Damit ergibt sich eine Gewerbesteuergrenzbelastung von 20%, wobei zu beachten ist, daß die Gewerbesteuer von ihrer eigenen Bemessungsgrundlage abziehbar ist. Nach neuem Recht gilt der Körperschaftsteuersatz von 25%. Die steuerliche Gesamtsteuerbelastung der GmbH in Prozent für jede zusätzlich verdiente Mark ergibt sich aus folgender Gleichung7: Körperschaftsteuer + Gewerbesteuer = X% (Steuersatz KSt + Steuersatz Gewerbesteuer)/(1 + Steuersatz Gewerbesteuer) = (0,25 + 0,2)/(1 + 0,2) = 0,375%
Unter diesen Voraussetzungen investiert die GmbH 100 A in ein Gebäude, für das sie Sonderabschreibungen von 50% im Jahr der Anschaffung in Anspruch nehmen kann (z. B. gem. §§ 3, 4 II Nr. 1 Fördergebietsgesetz). Das Anschaffungsjahr sei 1996. Der Begünstigungszeitraum beträgt gem. § 4 I 2 FördergebietsG 5 Jahre. Nach Ablauf des Begünstigungszeitraumes ist der Restbuchwert neu auf die eigentlich anwendbare lineare Abschreibung zu verteilen: Gem. EStR 45 IX zu § 7a EStG ist (im Grundsatz) „die lineare AfA in Anlehnung an § 7 IV 1 EStG nach einem um den Begünstigungszeitraum verminderten Abschreibungszeitraum zu bemessen“. Wenn also gem. § 7 IV 1 Nr. 1 EStG ein im Jahr 1996 4 5 6 7
Klein-Rüsken, AO § 233a Rn. 1. Klein-Rüsken, AO § 233a Rn. 1. Klein-Rüsken, AO § 233a Rn. 1. Übernommen von Ulrich, DStR 14/96, S. 558.
§ 9 Steuervorteil durch Förderabschreibungstatbestände
75
errichtetes Gebäude mit 3% abzuschreiben war, führt diese Regelung in der Einkommensteuerrichtlinie 45 IX zu einer nachträglichen Verringerung der jährlichen Abschreibungssumme nach Ablauf des Begünstigungszeitraumes.8 Das vermag auch die Finanzverwaltung nur noch durch ein Beispiel9 zu erläutern: Herstellungskosten Abschreibungen Fördergebietsgesetz (50%)
100 A –50 A
Abschreibungen gem. § 7 IV 1 Nr. 1 im Begünstigungszeitraum (3%): = 5 3% = –15 A Restwert nach Jahr 05
35 A
Der Restwert bildet mit Ablauf des Jahres 05 eine neue Bemessungsgrundlage. Würde die AfA von 3 A/Jahr fortgeführt, wäre das Gebäude nach weiteren 11,66 . . . Jahren abgeschrieben, insgesamt also nach 16,66 . . . Jahren. Dieses Ergebnis wäre im Widerspruch zu § 7a IV EStG, nach dem bei Sonderabschreibungen die Absetzungen für Abnutzung nach § 7 I oder IV EStG vorzunehmen sind. Wenn § 7 IV 1 Nr. 1 EStG von 3% ausgeht, meint das Gesetz damit eine 33,33 . . .-jährige Nutzungsdauer. Diese lange Nutzungsdauer wird nun erreicht, indem nach Ablauf der Begünstigungszeitraums neu „Maß angelegt“ wird. Gesamtlaufzeit der AfA nach Begünstigungszeitraum sind deshalb noch 33,33 . . . Jahre – 5 Jahre = 28,33 . . . Jahre. Ab dem Jahr 05 beträgt der jährliche AfASatz demnach 35 A/28,33 Jahre, d.h. 1,235 . . . A pro Jahr.10 Realitätsgerecht sei aber eine betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer von 50 Jahren (= 2% pro Jahr). Im Jahr der Anschaffung kann die GmbH 51% „zuviel“ abschreiben (50% Sonderabschreibung + 3% lineare Abschreibung – 2% echter Wertverzehr). Auf die 51% zuviel abgeschriebenes Investitionsvolumen hätte die GmbH 37,5% Steuern gezahlt, d.h. 19,125 A. Mit diesem ihr im Jahr 01 gestundete Betrag wird sie Zinsgewinne erzielen. Der Gesetzgeber hat an versteckter Stelle den Versuch gewagt, den Stundungszinsgewinn zu bewerten. Gem. § 6 I Nr. 3a. e) 1. Halbsatz EStG sind Rückstellungen für Verpflichtungen mit einem Zinssatz von 5,5 vom Hundert abzuzinsen; gem. § 6 I Nr. 3 EStG sind Verbindlichkeiten mit einem Zinssatz von 5,5 vom Hundert abzuzinsen. Das Abzinsungsgebot dient dem Ausweis des zutreffenden Aufwands.11
8 Ohne Erklärung aber mit ähnlichem Beispiel Falterbaum/Bolk/Reiß, Buchführung und Bilanz, Nr. 15.10.14 S. 702. 9 Vgl. Einkommensteuer H 45 Beispiel 4; das Beispiel ist hier angepaßt worden an die neue lineare AfA für Betriebsgebäude. 10 Diesen aus Sicht des Steuerpflichtigen negativen Zusammenhang der Richtlinie verschleiert die Finanzverwaltung zusätzlich, indem sie diesen neuen Satz mit „5%“ (von der verminderten Bemessungsgrundlage!!) bezeichnet. 11 Schmidt/Glanegger, § 6 Rn. 402.
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Teil IV: Abschreibungen als Subventionstatbestand
Diese Bewertung des zu erzielenden Zinssatzes darf in Niedrigzinszeiten vielleicht als angemessen, in Hochzinszeiten als vorsichtig bezeichnet werden. In Hochzinszeiten wird ein höherer Zins zu erzielen sein. Die Diskontierung von Rückstellungen beinhaltet einen Verstoß gegen das Realisationsprinzip, da künftige Finanzierungserträge antizipiert werden.12 Das steuerliche Abzinsungsgebot stellt deshalb eine Durchbrechung des Prinzips der Maßgeblichkeit der Handelsbilanz für die Steuerbilanz dar.13 Eine Abzinsung von langfristigen Verbindlichkeiten/Rückstellungen mit einem Zins von z. B. 7% würde zum Ausweis eines noch nicht realisierten Zinsgewinnes führen.14 Diese Bewertung mit einem Zins von 5,5% ist dem nachfolgend berechneten Beispiel zu Grunde gelegt:15 Auf die 19,125 wird die GmbH im ersten Jahr 1,05 A Zins (= 5,5% 19,125) erzielen, darauf 37,5% Steuern, d.h. 0,39 A zahlen. Letztendlich verbleibt ein Vermögenszuwachs von 0,66 A nach dem Jahr 01. Diese 0,66 wird die GmbH im Jahr 02 re-investieren. Darauf erzielt sie einen Zinseszinsgewinn von 0,04 A vor Steuern. Die 19,125 werden auch im Jahr 02 gestundet. Der gestundete Betrag nimmt sogar leicht zu, weil auch die lineare Grund-AfA unrealistisch ist. Über die Zinseszinsspirale wird sich der Vermögenszuwachs der GmbH auf 50 Jahre beschleunigen. Im Beispiel beträgt er 69,70 . . . auf 50 Jahre. Das ergibt abgezinst auf den Istwert zum Zeitpunkt der Investition 69,70 . . ./1,055n, wobei n = 50, eine Netto-Jetzt-Förderung von 4,79 A (= 4,79%). Würde man die einzelnen Jahre gewichten, ergäbe sich wegen der Vorverlagerung in den Anfangsjahren noch ein höherer Nettosubventionswert.
Diese Berechnung ist durchaus vorsichtig: (1) Wie besehen ist der zu Grunde gelegte Zinssatz von 5,5% relativ gering. (2) Die üblicherweise zu erwartende Inflation hat keine Berücksichtigung gefunden. (3) Die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer einer Immobilie wurde mit 50 Jahren angesetzt. Zu Punkt 2: Die Inflation führt dazu, daß die Aufwandsverteilung nie vollständig erreicht wird. Zwar kann der Steuerpflichtige auf 50 Jahre nominal seinen gesamten Anschaffungs-/Herstellungsaufwand verteilen. Im Jahr 50 wird 12
Rogall/Spengel, BB 2000, S. 1241. Rogall/Spengel, BB 2000, S. 1241. 14 Vgl. Schmidt/Glanegger, § 6 Rn. 402: „Ansonsten würde es zum Ausweis eines Gewinns aus dem schwebenden Geschäft kommen.“ 15 Für die Berechnung des Beihilfenäquivalents wendet die Kommission bei Darlehen seit dem 1.12.2001 einen Referenzzinssatz von 5,23% an, Koenig/Kühling/Ritter, EG-Beihilfenrecht, S. 49. Die hier folgende Berechnung führt zu einer Abzinsung unter Berücksichtigung der Steuerlast. Sie schließt damit ab mit dem Ausweis eines Nettosubventionsäquivalents, wie sie die Kommission bei ihren Genehmigungsverfahren zu Grunde legt. 13
§ 9 Steuervorteil durch Förderabschreibungstatbestände
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der Aufwandsanteil aber real weniger wert sein als seine nominale Höhe. Gestattet nun das Gesetz eine Sonderabschreibung, wird dieser üblicherweise zu erwartende Inflationsnachteil verringert. Im Jahr 01 sind 50% Abschreibungsvolumen auch 50% der Anschaffungskosten wert. Zu Punkt 3: Im Zwischenergebnis zu der Entstehung eigener Abschreibungsvorschriften für Gebäude ist festgehalten worden, daß die Abnutzungsdauer des § 7 IV EStG „wohlwollend“ ist und von den tatsächlichen Verhältnissen nicht bestätigt wird. Wenn hier eine Nutzungsdauer von nur 50 Jahren zu Grunde gelegt wurde, dann erfolgt dies allein, um den später zu treffenden Wertungen eine vorsichtige Analyse des Stundungsvorteils vorauszusetzen. Auf ein Investitionsvolumen von 100 erzielt ein Steuerpflichtiger im Vergleich zu dem nicht in Sonderabschreibung kommenden fiktiven Vergleichssteuerpflichtigen einen Stundungszinsgewinn nach Steuern von 69,70 . . . A. Die herbeigeführte Ungleichbehandlung ist – gemessen am Investitionsvolumen – erheblich. Zwischenergebnis: Der Stundungsvorteil kann auch bei besonders vorsichtiger (vgl. Punkte 1, 2 und 3) Bewertung erheblich sein. Der Vorteil wächst mit dem Zeitraum der betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer und dem zu Grunde zu legenden Zinssatz.16
C. Effektive Steuervermeidung bei absehbar sinkenden Einkünften Insbesondere bei natürlichen Personen oder Familiengesellschaften ist das Ende der Einkünfteerzielung oft absehbar. Der Freiberufler, der mit 65 Jahren in den Ruhestand gehen wird, weiß dies mehrere Jahre im voraus. Ab dann werden seine Einkünfte geringer sein. Dieses Wissen kann er sich zunutze machen. Kauft er mit 62 Jahren eine Immobilie, für die er Sonderabschreibungen in Anspruch nehmen kann, führt dies nicht nur zu einer Steuerstundung, sondern zu einer effektiven Steuervermeidung. Dies gilt natürlich nur unter der Voraussetzung, daß er ab dem 65. Lebensjahr keine steuerpflichtigen Einkünfte mehr erzielt. Diese Annahme ist nicht unrealistisch. Vielleicht finanziert er seinen Lebensabend mit dem Verkauf eines Hauses, einer Lebensversicherung oder mit dem Handel mit Aktien unter Beachtung der Spekulationsfrist. Die Abschreibungsbeträge, die der Freiberufler vorgezogen hat, werden ihn nie „einholen“. Das zeigt folgender Fall: Während seiner Berufstätigkeit erzielt ein Freiberufler große Einkünfte und befindet sich mit seinen Einkünfte weit in der Proportionalzone der Einkommensteuer. Investiert er für 100 A und nimmt er hierfür Sonderabschreibungen von 50% im Jahr 01 in Anspruch, spart er auf 16
Ulrich, DStR 14/96, S. 563.
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Teil IV: Abschreibungen als Subventionstatbestand
die 50 A endgültig den hierfür fälligen Steuerbetrag. Das kann bei einem Einkommensteuersatz von 48,5% (§ 32a EStG in der Fassung VZ 2001) und einem darauf zu bemessenden Solidaritätszuschlag von 5,5% (§ 4 SolZG) einiges ausmachen: 50 48,5% = 24,25
Darauf SolZ: 24,25 5,5% = 1,33 . . .
Auf 100 A Investitionsvolumen erspart er sich damit 25,58 . . . A. Zwischenergebnis: Eine echte Steuervermeidung findet nur ausnahmsweise statt, kann dann aber in ihrer Höhe sehr erheblich sein. Der Vorteil steigt mit dem Einkommen. Die Abschreibungen ermöglichen es, Einkommensspitzen auszugleichen (Flexibilität) oder in Ausnahmefällen ganz zu vermeiden. „Schlimmstenfalls“ beschränken sich die Vorteile einer Förderabschreibung auf die Steuerstundung. Dieser Vorteil wächst mit der betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer. Die Abschreibungsvorteile sind deshalb bei Gebäuden nicht nur in absoluter, sondern auch in relativer Hinsicht am stärksten.
§ 10 Subventionsbegriff Der Subventionsbegriff wird nicht einheitlich verwendet.17 Nicht nur im Bereich der Normen (I.), auch innerhalb der Rechtsprechung (II.) und der Literatur (III.) ist die Begriffsverwendung vielfältig.
A. Subventionsbegriff im Bereich der Normen Der Subventionsbegriff wird im internationalen Recht und im nationalen Recht unterschiedlich verwendet. Während das internationale Recht (I.) den Begriff der Subvention (oder Beihilfe) definiert, um Wettbewerbsverzerrungen zu verhindern, geht es dem nationalen Recht (II.) in erster Linie darum, die Haushaltshoheit des Parlaments sicherzustellen. Das offenbar affektbeladene Wort „Subvention“ wird dabei meist vermieden.18 I. Begriffsverwendung im internationalen Recht Der EGV verwendet in Art. 87 EGV den Begriff der „Beihilfe“. Der EuGH hat es jedoch bisher unterlassen, eine allgemeine Definition des Beihilfebegriffs 17 Ipsen etwa ist der Ansicht, der Nutzeffekt von Bemühungen um die Bestimmung des Begriffs „Subvention“ seien begrenzt, Ipsen, § 92 Subventionen, in: HStR IV, S. 364 Rn. 22. 18 LK – Tiedemann, § 264, Rn. 21.
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vorzugeben. Einigkeit besteht insofern, als die Perspektive des Europarechts zu einer wirkungsorientierten Betrachtungsweise zwingt. Auf die rechtliche Form der fraglichen Maßnahme oder die guten Vorsätze des betreffenden Mitgliedstaates kommt es nicht an.19 Die wirkungsorientierte Betrachtungsweise führt dazu, daß der Begriff der Beihilfe nicht nur die klassische Leistungssubvention, sondern auch die (Verschonungs-)Subvention umfaßt.20 Der Begriff wird später sehr eingehend behandelt und deshalb hier nur angedeutet. Der EGKS-V unterscheidet zwischen Subventionen und Beihilfen.21 Trotz dieser Unterscheidung will etwa Cremer den Subventionsbegriff vom Beihilfebegriff umfaßt wissen.22 Oppermann hingegen ist der Ansicht, die Formulierung des EGKSV sei „mißglückt“, Subvention und Beihilfe würden dasselbe bedeuten.23 Die systematisch anmutende Unterscheidung im ersten Titel des EGKS-V wird selbst innerhalb dieses Vertrages dann im Ergebnis nicht befolgt. Art. 67 EGKS-V gebietet die Mitteilung von „jeder Maßnahme eines Mitgliedstaates, die eine fühlbare Auswirkung auf die Wettbewerbsbedingungen in der Kohle- und Stahlindustrie haben kann.“ Der EGKS-V vermeidet damit im Ergebnis bei der Subsumtion den problematischen Begriff der Beihilfe/Subvention. Ein weiterer europarechtlicher Definitionsversuch wird von der Antisubventionsverordnung der EG, L 288 v. 21.10.97, unternommen. Unter dem Begriff der Subvention wird dabei nicht nur der direkte Mitteltransfer [Art. 2, 1 a) i)], sondern auch die Verschonung von normalerweise zu entrichtenden Abgaben gefaßt [Art. 2, 1 a) ii)], soweit dadurch ein Vorteil gewährt wird [Art. 2, 2.)]. Interessanterweise unterscheidet die Antisubventionsverordnung zwischen spezifischen Subventionen (für ein Unternehmen oder einen Wirtschaftszweig) und nicht spezifischen Subventionen. Einer ähnlichen Zielsetzung wie die Antisubventionsverordnung der EG dient auch das „Übereinkommen über Subventionen und Ausgleichsmaßnahmen“ der WTO.24 Das Übereinkommen definiert wie die Antisubventionsverordnung die 19
Müller-Graff, ZHR 152 (1988), 403–438 (416). EuGH 22.11.2001 C-53/00 Ferring ./. Agence centrale des organismes de sécurité sociale, Rn. 15: „Wie der Gerichtshof bereits festgestellt hat, ist der Begriff der Beihilfe weiter als der Begriff der Subvention, denn er umfaßt nicht nur positive Leistungen wie Subventionen selbst, sondern auch Maßnahmen, die in unterschiedlicher Form die Belastungen vermindern, die ein Unternehmen normalerweise zu tragen hat und die zwar keine Subventionen im strengen Sinne des Wortes darstellen, diesen aber nach Art und Wirkung gleichstehen (. . .).“ 21 Art. 4 EGKS-V: „Als unvereinbar mit dem gemeinsamen Markt für Kohle und Stahl werden innerhalb der Gemeinschaft gemäß den Bestimmungen dieses Vertrages untersagt: (. . .) c) von den Staaten bewilligte Subventionen oder Beihilfen oder von ihnen auferlegte Sonderlasten, in welcher Form dies auch immer geschieht; (. . .)“. 22 Wolfgang Cremer, in Calliess/Ruffert, EGV, Art. 87, Rn. 7. 23 Oppermann, Europarecht, § 15 Rn. 1112. 20
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Subvention unter dem Blickwinkel des Wettbewerbs. Das Übereinkommen betrifft demgemäß nur „unternehmensspezifische“25 Subventionen. Es unterscheidet zwischen verbotenen, anfechtbaren und nicht anfechtbaren Subventionen.26 Als Gegenmaßnahmen können „Ausgleichszölle“ verhängt werden. Die Definition der Subvention nach dem vorstehenden Übereinkommen der WTO umfaßt direkte und indirekte Förderungsmechanismen.27 II. Begriffsverwendung im nationalen Recht Das nationale Recht definiert oder beschreibt Förderungsmechanismen zu drei verschiedenen Zwecken: (1) Im Stabilitätsgesetz dient die Auflistung von „Steuervergünstigungen“ und „Finanzhilfen“ der parlamentarischen Kontrolle der Bundesregierung. Die Ausgabenseite soll umfassend kontrolliert werden, damit die „Erfordernisse des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts“ beachtet werden können (vgl. § 1 S. 1 Stabilitätsgesetz, § 23 BHO). (2) Die Abgabenordnung nennt den Terminus der „steuerlichen Vergünstigung“, um eine Art von Beweislastverteilung zu Lasten des Steuerpflichtigen herzustellen. § 97 III AO beschreibt Förderungsmechanismen deshalb unter dem Blickwinkel des Verfahrensrechts. (3) Eine eigene Subventionsdefinition findet sich nur im Strafrecht in § 264 VII StGB. Die dort vorgefundene Definition beschränkt sich aber auf 24 ABl. 1994 L 336/156 vom 15.4.1994, abgedruckt bei Wolfgang Benedek, Die Welthandelsorganisation: (WTO), Abschnitt 16, S. 330. 25 Wolfgang Benedek, Die Welthandelsorganisation: (WTO), Einführung A.V., S. 29. 26 Zum Teil wird das als „Ampelmodell“ bezeichnet, „grün“, „gelb“ und „rot“. 27 Art. 1, 1. des Übereinkommens lautet: „Im Sinne dieses Übereinkommens liegt eine Subvention vor, wenn a) eine Regierung oder öffentliche Körperschaft im Gebiet eines Mitglieds (in diesem Übereinkommen „Regierung“ genannt) eine finanzielle Beihilfe leistet, d.h. wenn i) diese Praktik der Regierung einen direkten Transfer von Geldern (z. B. Zuschüsse, Kredite und Kapitalzufuhren) sowie potentielle direkte Transfers von Geldern oder Verbindlichkeiten (z. B. Kreditbürgschaften) ii) die Regierung auf normalerweise zu entrichtende Abgaben verzichtet oder diese nicht erhebt (z. B. Steueranreize wie Steuergutschriften) iii) eine Regierung Waren oder Dienstleistungen, die nicht zur allgemeinen Infrastruktur gehören, zur Verfügung stellt oder Waren aufkauft; iv) eine Regierung Zahlungen an einem Fördermechanismus leistet oder eine private Einrichtung mit der Wahrnehmung einer oder mehrerer der in i) bis iii) genannten Aufgaben, die normalerweise der Regierung obliegen, betraut oder dazu anweist und sich diese Praktik in keiner Weise von den Praktiken unterscheidet, die normalerweise von den Regierungen ausgeübt werden oder b) irgendeine Form der Einkommens- oder Preisstützung im Sinne des Artikels XVI des Gatt 1994 besteht und c) dadurch ein Vorteil gewährt wird.“
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§ 264, erklärt doch Absatz 7, daß die Definition nur auf den „Sinn dieser Vorschrift“ beschränkt ist. 1. Stabilitätsgesetz § 12 I Stabilitätsgesetz bestimmt, daß „Bundesmittel, die für bestimmte Zwecke an Stellen außerhalb der Bundesverwaltung gegeben werden, insbesondere Finanzhilfen“ nach bestimmten Kriterien gewährt werden sollen. Gem. § 12 II Stabilitätsgesetz legt die Bundesregierung dem Bundestag und dem Bundesrat zusammen mit dem Entwurf des Bundeshaushaltsplans alle zwei Jahre eine zahlenmäßige Übersicht vor über die in Absatz 1 bezeichneten Finanzhilfen. Dieser sog. „Subventionsbericht“ soll nach dem Zweck der Finanzhilfe gegliedert sein. Dabei unterscheidet § 12 II Stabilitätsgesetz nach drei verschiedenen Zwecken: (1) der Erhaltung von Betrieben oder Wirtschaftszweigen, (2) der Anpassung von Betrieben oder Wirtschaftszweigen an neue Bedingungen und (3) der Förderung des Produktivitätsfortschritts und des Wachstums von Betrieben oder Wirtschaftszweigen, insbesondere durch Entwicklung neuer Produktionsmethoden und -einrichtungen. Diese Gliederung soll gem. § 12 III Stabilitätsgesetz „entsprechend“ für eine Übersicht der Steuervergünstigungen gelten, die zusammen mit den geschätzten Mindereinnahmen beizufügen ist. Das Stabilitätsgesetz kennt also nur den Begriff der Finanzhilfe und der Steuervergünstigung. Beide Begriffe sind richterlich nicht weiter eingegrenzt worden, befindet sich § 12 II Stabilitätsgesetz doch im Bereich des „politischen“. Die Bundesregierung ist bisher so verfahren, daß sie die Steuervergünstigungen nur teilweise aufführt. Aus der Darstellung des Stabilitätsgesetzes läßt sich folgern, daß das deutsche Recht den Zusammenhang zwischen Vergabe- und Verschonungssubvention verinnerlicht hat. Es ähnelt insofern in den Begrifflichkeiten der Antisubventionsverordnung der EG. Ob eine Verschonungssubvention auch als Steuervergünstigung qualifiziert wird, hängt damit in erster Linie von dem Willen der Bundesregierung ab. Der Gesetzgeber kann aber der Regierung den Kennzeichnungszwang vorgeben, indem er die Norm selbst klar als Subvention bezeichnet. Insofern findet der an späterer Stelle sich ergebende Zwang zur Vorgabe des Subventionszwecks in § 12 II Stabilitätsgesetz seine haushaltsrechtlich-formale Entsprechung.
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2. Abgabenordnung Daneben kennt das nationale Recht den Begriff der „steuerlichen Vergünstigung“ in § 97 I 2 AO. Die Vorschrift ist eine Regelung des Beweisverfahrens. Nach ihr kann die Vorlage von Urkunden ohne die Beschränkung gem. § 97 I 1 AO verlangt werden, soweit der (Verfahrens-)Beteiligte eine „steuerliche Vergünstigung“ geltend macht. Der Begriff wird „ohne Begriffszucht“ verwendet und ist untechnisch zu verstehen.28 Einigkeit besteht insoweit, als nicht jeder steuermindernde Umstand eine „steuerliche Vergünstigung“ darstellt. Gemeint seien Maßnahmen mit „Subventionscharakter“.29 Steuermindernde Vorschriften, die lediglich einer verminderten steuerlichen Leistungsfähigkeit Rechnung tragen wie Betriebsausgaben/Werbungskosten sind keine „steuerlichen Vergünstigungen“. 3. Strafgesetzbuch Auch das Strafrecht nähert sich dem Subventionsbegriff mit einer materiellen Definition.30 Das war bei Entstehung der Vorschrift nicht selbstverständlich. Im Interesse der Rechtssicherheit31 hatte der Regierungsentwurf noch eine formalen Subventionsbegriff befürwortet. § 264 StGB sollte nur anwendbar sein, wenn die Leistung ausdrücklich „durch Gesetz als Subvention im Sinne dieser Vorschrift bezeichnet“ worden ist.32 § 264 StGB schützt in erster Linie das Allgemeininteresse an einer wirkungsvollen staatlichen Wirtschaftsförderung durch Subventionen.33 Daneben ist auch das Vermögen der öffentlichen Hand geschützt.34 Die Vorschrift wird ergänzt durch die im Subventionsgesetz35 genannten Angabenpflichten. § 264 StGB war aus Sicht des Gesetzgebers erforderlich, weil er den Bereich der Subventionsvergabe für besonders schützenswert hielt und der Meinung war, die Voraussetzungen des Betruges gem. § 263 seien schwer nachzuweisen.36 So verzichtet die Vorschrift des § 264 auf das Erfordernis eines Irrtums, einer Vermögensverfügung und eines Schadens und sieht in 28
Tipke/Kruse – Tipke, § 97 AO Rn. 10. Tipke/Kruse – Tipke, § 97 AO Rn. 10. 30 Fischer ist der Ansicht, diese Definition sei für das „gesamte öffentliche Recht maßgeblich“, Tröndle – Fischer, § 264 Rn. 6. Diese Ansicht überzeugt nicht. § 264 StGB erfaßt Subventionen nur unvollständig, vgl. BVerwG NJW 1959, S. 1098. Für indirekte Subventionen trifft § 264 StGB zudem keine Aussagen. Auch Verschonungssubventionen sind jedoch „Subventionen“. Vgl. ähnlich Jarass JuS 1980, S. 116. 31 Schönke/Schröder – Lenckner/Perron, § 264 Rn. 7. 32 LK – Tiedemann, § 264, Rn. 20. 33 Wessels/Hillenkamp, BT, § 16 Rn. 680; Lackner – Kühl, § 264 Rn. 1. 34 Wessels/Hillenkamp, BT, § 16 Rn. 680. 35 „Gesetz gegen mißbräuchliche Inanspruchnahme von Subventionen“ (Subventionsgesetz), v. 29.7.1976, BGBl. I, 2037. 36 Vgl. Tröndle – Fischer, § 264 Rn. 3. 29
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IV eine leichtfertige Begehungsweise vor. Das Erfordernis einer Täuschungshandlung wird deutlich reduziert. § 264 StGB ist damit seiner Rechtsnatur nach ein abstraktes Gefährdungsdelikt.37 Die unrichtiger oder unvollständige Angabe über subventionserhebliche Tatsachen (§ 264 I Nr. 1), die Mittelverwendung entgegen einer Mittelbeschränkung (§ 264 I Nr. 2), das in Unkenntnis lassen des Subventionsgebers (§ 264 I Nr. 3) sowie das Gebrauchen einer unrichtig erlangten Subventionsbescheinigung (§ 264 I Nr. 4) wird allein deshalb bestraft, weil damit abstrakt die Gefahr entsteht, daß das Allgemeininteresse an einer wirkungsvollen staatlichen Wirtschaftsförderung nicht eingehalten wird. Gem. § 264 StGB ist „Subvention im Sinne dieser Vorschrift 1. eine Leistung aus öffentlichen Mitteln nach Bundes- oder Landesrecht an Betriebe oder Unternehmen, die wenigstens zum Teil a) ohne marktmäßige Gegenleistung gewährt wird und b) der Förderung der Wirtschaft dienen soll; 2. eine Leistung aus öffentlichen Mitteln nach dem Recht der Europäischen Gemeinschaften, die wenigstens zum Teil ohne marktmäßige Gegenleistung gewährt wird. Betrieb oder Unternehmen im Sinne des Satzes 1 Nr. 1 ist auch das öffentliche Unternehmen.“
Damit sind grundsätzlich nur Subventionen erfaßt, die der Förderung der Wirtschaft dienen.38 Bei Leistungen nach dem Recht der Europäischen Gemeinschaft hingegen verzichtet die Vorschrift auf die Voraussetzung, daß die Förderung an Betriebe/Unternehmen gewährt wird und der Förderung der Wirtschaft dient.39 Diese Subventionsdefinition erfaßt zudem nicht indirekte Subventionen, die aufgrund steuerrechtlicher Vorschriften gewährt werden.40 Diese unterliegen auch dann dem vorrangigen Steuerstrafrecht, wenn sie in Geldleistungen statt in einer bloßen Steuerermäßigung bestehen.41 Dann nämlich ist § 370 AO einschlägig. Dieser stellt – stark vereinfacht – das pflichtwidrige Erlangen von „nicht gerechtfertigten Steuervorteilen“ unter Strafe. Der nicht gerechtfertigte Steuervorteil, die fehlgeleitete Verschonungssubvention, wird demnach allein durch das Steuerstrafrecht geschützt. Die Abgrenzung direkte und indirekte Subvention kann zuweilen Schwierigkeiten bereiten. Investitionszulagen sind di37
Wessels/Hillenkamp, BT, § 16 Rn. 681. Insbesondere Sozialsubventionen und Subventionen, die der Forschung, Technologie, kulturellen Zwecken dienen etc. bleiben außerhalb des Anwendungsbereichs, Schönke/Schröder – Lenckner/Perron, § 264 Rn. 6. 39 Wessels/Hillenkamp, BT, § 16 Rn. 684. 40 Ganz herrschende Meinung, Lackner – Kühl, § 264 Rn. 5; diese Vorrangigkeit des Steuerstrafrechts entspricht auch der ausdrücklichen Intention des Gesetzgebers, BT-Drs. 7/5291, S. 11. 41 Wessels/Hillenkamp, BT, § 16 Rn. 687. 38
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rekte Subventionen, auch wenn sie als staatlicher Zuschuß zu den Anschaffungs-/Herstellungskosten vom Finanzamt aus den Einnahmen an Einkommensteuer oder Körperschaftssteuer gewährt werden.42 Die kriminelle Ausnutzung einer nicht bestehenden Sonderabschreibung ist eine Herbeiführung einer fehlgeleiteten Verschonungssubvention. Sie ist damit Steuerstraftat, § 264 StGB nicht anwendbar.43 Zwischenergebnis: Die jeweiligen Subventionsdefinitionen sind abhängig von dem verfolgten Normzweck. Ein einheitlicher Subventionsbegriff besteht nicht. Das nationale Recht nähert sich dem Phänomen „Subvention“ von einem teleologischen Standpunkt („der Förderung der Wirtschaft dienen soll“), während das internationale Recht zunächst nur nach der Wirkung einer fraglichen Maßnahme fragt.44 Diese unterschiedliche Perspektive begründet sich wohl damit, daß es unmöglich wäre, einem (vertragswidrigen) Staat sein Fehlverhalten vorzuwerfen, könnte dieser auf seine „guten Absichten“ verweisen. Der Subventionsbegriff im internationalen Recht ist wirkungsorientiert anzuwenden.
B. Begriffsverwendung innerhalb der Rechtsprechung I. Fachgerichte Für die Fachgerichte war der Begriff „Subvention“ mit der Frage nach dem Rechtsweg verknüpft. 1958 hat sich das Bundesverwaltungsgericht45 erstmals zum Subventionsbegriff geäußert. Ein Subventionsverhältnis, das auf einem öffentlich-rechtlichen Vergleich beruhte, war in Streit geraten. Die daraus entstehende Streitigkeit hat das Bundesverwaltungsgericht unter Rückgriff auf den Subventionsbegriff als öffentlich-rechtlich eingestuft. Die Klage war zulässig. Subventionen sind nach dem Bundesverwaltungsgericht „öffentlich-rechtliche Leistungen des Staates, die zur Erreichung eines bestimmten, im öffentlichen Interesse gelegenen Zwecks gewährt werden. Die daraus entstehenden Rechtsbeziehungen sind öffentlich-rechtlicher Art.“ Die Einschlägigkeit des öffentlichen Rechtswegs war damals noch nicht selbstverständlich. Noch am 30.4.1959 fällte der BGH46 ein Sachurteil zu der Frage, in welcher Weise bei staatlichen Stützungs- und Hilfsmaßnahmen für die Wirtschaft der Kreis der zu Beteiligenden abzugrenzen ist. Ein Urteil des OVG Saarlouis v. 6.5.1959 bildet den Schlußpunkt in dieser Entwicklung zur Rechtswegabgrenzung.47 42
LK – Tiedemann, § 264, Rn. 22. LK – Tiedemann, § 264, Rn. 22. 44 Vgl. zusammengefaßter Diskussionsbericht von Carsten Beckmann, ZHR 152 (1988), S. 439. 45 Bundesverwaltungsgericht, 19.12.1958, VII G 204/57 (Kassel), abgedruckt in der NJW 1959, S. 1098; ähnlich OVG Münster DÖV 1959, S. 711. 46 BGH, III ZR 24/58 (OLG Köln), abgedruckt in DÖV 1959, S. 710. 43
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„(. . .) die Subvention kann im Rechtssinne begrifflich dahingehend umschrieben werden, daß sie unentgeltlich gegeben wird, ihr unmittelbarer Erfolg für den Empfänger also einen Vermögenszuwachs bedeutet, während ihre Funktion für die öffentliche Verwaltung, die sie gewährt, in der Erzielung eines bestimmten Interventionserfolges öffentlichen Interesses liegt.“ Zur Erreichung dieses Erfolges könne sich „die öffentliche Verwaltung auch der rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten des Zivilrechts bedienen (. . .)“ „Aus dem weiteren Moment, daß der Staat nicht befugt sei, etwas zu verschenken, er also nicht mit seinen Geldmitteln wie ein Privatmann schalten und walten dürfe, sondern sie für seine staatlichen Zwecke zu verwenden habe, womit also die Subventionierung nur auf der Rechts- und Verfassungsgrundlage erfolgen dürfe,“ folgte nach Ansicht des OVG, „daß das in der Subventionierung liegende gesetzlich zugelassene Ziel öffentlicher Aufgabenerledigung durch wirtschaftliche Begünstigung Privater nicht eine fiskalische Staatsbetätigung, sondern eine Hoheitstätigkeit darstellt.“
Damit war aus der Rechtswegperspektive der einfachen Rechtsprechung das Phänomen „Subvention“ gelöst. Bedeutsame Entscheidungen zum Subventionsbegriff hat es nicht mehr gegeben. II. Bundesverfassungsgericht Die weitere Entwicklung hat sich mit den rechtlichen Grenzen der Subventionierung beschäftigt. Dabei war insbesondere die Frage des Gesetzesvorbehalts streitig. Traditionell hatte man versucht, über die Formel vom „Eingriff in Freiheit und Eigentum“ einen Gesetzesvorbehalt herzuleiten. Für Subventionen erwies sich dieser Weg als unfruchtbar. Neben den traditionellen aus rechtsstaatlichen Gesichtspunkten hergeleiteten Gesetzesvorbehalt, gesellte sich ein demokratischer Gesetzesvorbehalt für besonders „wesentliche“ Fragen.48 Von den Gerichten wurde im Bereich der Leistungssubventionen jede parlamentarische Willensäußerung für ausreichend gehalten.49 Das Bundesverfassungsgericht hat sich wiederholt mit dem Subventionswesen beschäftigt. 1958 hat es in der Entscheidung über die Zulässigkeit des Investitionshilfegesetzes die Zuständigkeit des Bundes gem. Art. 74 Nr. 11 GG auch für lenkende Gesetze bejaht.50 Das Grundgesetz gewährleiste kein bestimmtes Wirtschaftssystem. Wirtschaftslenkende Gesetze dürften deshalb auch die Wettbewerbslage verändern. Sie könnte auch im Interesse einzelner Gruppen erlassen werden, jedoch nur, wenn dies durch das öffentliche Wohl geboten ist und 47 Nicht in der amtlichen Sammlung, DÖV 1959, S. 709; vgl. Stern, JZ 1960, S. 519. 48 Vgl. ausführlich zu dieser Entwicklung, Fritz Ossenbühl, Vorrang und Vorbehalt des Gesetzes, in: HStR III, § 62 Rn. 35 ff. 49 Fritz Ossenbühl, Vorrang und Vorbehalt des Gesetzes, in: HStR III, § 62 Rn. 21 ff. 50 BVerfGE 4, 7 (18) v. 20.7.1954; 1. Senat.
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schutzwürdige Interessen anderer nicht willkürlich vernachlässigt werden. Dieser Prüfungsmaßstab anhand der Willkürformel51 wurde auch 196452 bestätigt. Das Bundesverfassungsgericht hat in diesem Verfahren Subventionen erstmalig beiläufig definiert („Förderung aus freier Entschließung eines bestimmten Verhaltens der Bürger durch finanzielle Zuwendungen“). Im Bereich der gewährenden Staatstätigkeit habe der Gesetzgeber eine größere Gestaltungsfreiheit als innerhalb der Eingriffsverwaltung. Solange die gesetzliche Regelung „sich auf eine der Lebenserfahrung nicht geradezu widersprechende Würdigung der jeweiligen Lebensverhältnisse stützt, insbesondere der Kreis der von der Maßnahme Begünstigten sachgerecht abgegrenzt“ sei, könne „sie von der Verfassung her nicht beanstandet werden.“
C. Begriffsverwendung innerhalb der Literatur Es gibt keine einheitliche Begriffsverwendung innerhalb der Literatur. Der Literatur ist es jedoch zu verdanken, eine Systematisierung der Förderungsformen ausgearbeitet zu haben. Sie hat zunächst zwischen einem weiten und engen Subventionsbegriff unterschieden.53 Die Einteilung in Subventionen im weiteren und im engeren Sinn wird auch von Jarass für sinnvoll gehalten.54 Der enge Subventionsbegriff entspricht der Begriffsverwendung nach § 264 VI StGB. Er klammert damit Steuervergünstigungen und Leistungen zu konsumtiven Zwecken (Sozialsektor) aus. Dieser enge Begriff der Subvention ist im Verwaltungsrecht gebräuchlich. Er hat die Funktion, der Abgrenzung zwischen Zivil- und Verwaltungsrechtsweg zu dienen. Dabei wird überwiegend wohl die „Zweistufentheorie“ vertreten, nach das „ob“ der Subvention nach öffentlichem Recht zu beurteilen ist, das „wie“ hingegen nach Privatrecht zu beurteilen sein kann.55 Eine Annäherung an einen allgemeinen, weiten Subventionsbegriff ist Gusy zu verdanken. Gusy hat versucht, die Begrifflichkeiten zusammenzufassen. Das Charakteristikum staatlicher Wirtschaftsförderung bestehe „in der Verknüpfung einer bestimmten Verhaltenserwartung der öffentlichen Hand mit der Vergabe von Leistungen an denjenigen, an welchen sich die Erwartung richtet.“ Sinnvollerweise könne von einer „Wirtschaftsförderung nur gesprochen werden, soweit sie sich an Empfän-
51 Die Willkürformel geht auf Gerhard Leibholz zurück, Vogel, Verfassungsrechtsprechung zum Steuerrecht, S. 15. 52 BVerfGE 12.2.1964, S. 210 (217) – abstrakte Normenkontrolle über die Verfassungsmäßigkeit des Wohnungsbau-Prämiengesetzes. 53 Besonderes Verwaltungsrecht – Hans-Wolfgang Arndt, Abschnitt VII Wirtschaftsverwaltungsrecht, Randnummer 190. 54 Jarrass, JuS 1980, S 116. 55 Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 17 Rn. 11 ff.
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ger richtet, die selbst kein Teil des Staates sind.“56 Besteht die Leistung in einer Geldleistung spricht Gusy von Subventionen im engeren Sinne.57 Als allgemeine Subventionsdefinition schlägt er folgende Definition vor: „Subventionen sind vermögenswerte Zuwendungen, die ein Träger öffentlicher Verwaltung ohne marktmäßige Gegenleistung unmittelbar oder durch Dritte an Private gewährt, um sie instandzusetzen, öffentlichen Bedürfnissen zu entsprechen, also zu anderen als konsumtiven Zwecken.“
Die vorgeschlagene Begrifflichkeit erfasse alle vermögenswerte Leistungen, beschränke sich demnach nicht auf Geldleistungen. Der Zusatz „oder durch Dritte“ deute an, daß es nicht auf darauf ankommt, ob der Empfänger auf direktem Weg oder indirektem Weg die Vergünstigung erhalte.58 Das Fehlen der marktmäßigen Gegenleistung grenze die Subvention vom Staatsauftrag ab. Der Subventionszweck schließlich werde in der übrigen Literatur teils negativ – kein konsumtiver Zweck, teils positiv – Entsprechung öffentlicher Bedürfnisse verstanden.59 Der Definitionsvorschlag von Gusy führt beide Sichtweisen zusammen. Einigkeit des Kriteriums bestehe darin, Sozialleistungen auszugrenzen, welche dem Sozial- nicht dem Subventionsrecht unterfallen sollen. Bei diesen ist es dem Empfänger gerade freigestellt, wie er die Förderung verwendet. Prototyp indirekter Subventionen sei der Abgabenverzicht.60 Optisch dargestellt untergliedern sich die „Subventionen im weiteren Sinn“ daher wie folgt.
56
Gusy, JA 1991, S. 286. Gusy, JA 1991, S. 287. 58 Diese Unterscheidung betrifft die Länge des Zahlungsweges. Die Begriffe „direkte“ und „indirekte Subvention“ sind termini technici für die ganz anders liegende Frage, ob der Vorteil in einer Verschonung und einer Gewährung liegt. 59 Diese Unterscheidung betrifft die Länge des Zahlungsweges. Die Begriffe „direkte“ und „indirekte Subvention“ sind termini technici für die ganz anders liegende Frage, ob der Vorteil in einer Verschonung und einer Gewährung liegt. 60 Gusy, JA 1991, S. 288. 57
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Teil IV: Abschreibungen als Subventionstatbestand
Direkte Subventionen
Indirekte Subventionen (= Verschonungssubvention)
= Umsetzungsmittel: Leistungen, welche der Insbesondere der Abgabenverzicht Staat außerhalb sonstiger, gesetzlich geregelter Rechtsverhältnisse an den Empfänger vergibt.
Unterart: „Subvention im engeren Sinn“ = Handlungsform: Geldleistung
Zuständiges Rechtsgebiet:
Zuständiges Rechtsgebiet:
Verwaltungsrecht (Umsetzung ev. Zivilrecht)
Steuerrecht, Sozialrecht
Abbildung 3: Subventionen im weiteren Sinn
D. Übernahme einer Terminologie Für die Zwecke dieser Arbeit ist es erforderlich, die Verwandtschaften und Unterschiedlichkeiten der verschiedenen Subventionsformen zu erarbeiten.61 Das ist nur bei einem weiten Subventionsbegriff möglich. Ein enger Subventionsbegriff ist für die verwaltungsrechtliche Perspektive (welcher Rechtsweg?) überzeugend; für die verfassungs- und europarechtliche Perspektive ist die Handlungsform jedoch weitgehend irrelevant. Ein enger Begriff würde den Gesamtzusammenhang der staatlichen Einflußnahme verschleiern. Deshalb soll hier dem weiten Subventionsbegriff gefolgt werden. Diesem Zweck gemäß wird die Einteilung der Subventionen bei Gusy übernommen. Subventionen sind vermögenswerte Zuwendungen, die ein Träger öffentlicher Verwaltung ohne marktmäßige Gegenleistung unmittelbar oder durch Dritte an Private gewährt, um sie instandzusetzen, öffentlichen Bedürfnissen zu entsprechen, also zu anderen als konsumtiven Zwecken. Subventionen stehen über diese Zweckbindung in einem „hinkenden Austauschverhältnis“62 zwischen dem Staat und dem Bürger. Der Staat erwartet für 61
Dabei fordert Jarass ein „pragmatisches“ Vorgehen, JuS 1980, S. 116. Der Begriff ist der Dogmatik zu § 56 II Verwaltungsverfahrensgesetz nachgebildet. Unter der Überschrift „Austauschvertrag“ bestimmt § 56 II des Verwaltungsverfahrensgesetzes: 62
§ 11 Förderabschreibungstatbestände als Subvention
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die Gewährung der Subvention die Erfüllung eines bestimmten Verhaltens vom Steuerpflichtigen, von dem der Staat annimmt, daß sie im öffentlichen Interesse liege. Die staatliche Erwartungshaltung bildet deshalb das Abgrenzungskriterium, um eine Verschonungssubvention des Steuerrechts von der steuerlich entlastenden Lastenausteilungsnorm ohne Gestaltungszweck zu unterscheiden. Der Vergünstigung steht „ein (belastendes) Äquivalent auf der Empfängerseite gegenüber, welches der Zuwendung seine „totale“ Entlastungswirkung nimmt.“63
§ 11 Förderabschreibungstatbestände als Subvention Der methodische Vorgang, mit dem Steuervergünstigungen von Fiskalzwecknormen abgegrenzt werden, nennt sich „Abschichtung“64.
A. Abschichtung von Steuervergünstigungen Der Begriff der „Abschichtung“ bezeichnet die „Abhebung“ einer steuerrechtlichen Regelung gegenüber der Regelbesteuerung, mit dem Ziel die Steuervergünstigungen und Prohibitivbelastungen des geltenden Rechts festzustellen.65 Die Abschichtung ist ein Auslegungsvorgang eigener Art.66 Die Abschichtung arbeitet mit dem Axiom der „Regelbesteuerung“. Diese festzustellen, ist das eigentliche Problem. Wäre die „Regelbesteuerung“ eine bekannte Determinante, wäre die Abschichtung eine einfache Frage mathematischer Subsumtion. Gegen diese Vergleichsmethode ist eingewandt worden, sie führe in den Fällen eines völlig strukturlosen Steuergesetzes nicht zum Erfolg.67 Dieser Einwand über„Besteht auf die Leistung der Behörde ein Anspruch, so kann nur eine solche Gegenleistung vereinbart werden, die bei Erlaß eines Verwaltungsaktes Inhalt einer Nebenbestimmung nach § 36 sein könnte.“ Einen derartigen Austauschvertrag bezeichnet die Literatur als „hinkend“, weil die Behörde eine Leistung vertraglich fordert, obwohl sie schon gesetzlich zu eben dieser Leistung verpflichtet ist. Eine vergleichbare Unausgewogenheit besteht bei einer Verschonungssubvention. Das Verhalten des Steuerpflichtige wird gegen einen Verzicht auf die Steuerschuld erkauft. Indirekt findet so ein „Austausch“ staatlicher gegen private Leistung statt. Wie bei § 56 II Verwaltungsverfahrensgesetz ist das Austauschverhältnis aber auch hier unausgewogen. 63 Birk, Das Leistungsfähigkeitsprinzip als Maßstab der Steuernormen, S. 96; Sozialleistungen dienen der Bedürfnisbefriedigung. Wird das Bedürfnis überkompensiert, können diese Leistungen auch in den Bereich der „Subventionen“ abrutschen. Anders wohl Birk, Das Leistungsfähigkeitsprinzip als Maßstab der Steuernormen, S. 100. 64 Siehe „A. Abschichtung“. 65 Vgl. Vogel, StuW 1977, S. 100. Vogel selbst definiert Abschichtung als „gedankliche Verselbständigung einzelner Teile einer steuergesetzlichen Regelung und ihre gesonderte Darstellung gemeinsam mit den ihnen zuzurechnenden Rechtsfolgen.“ 66 Vogel, Grundzüge des Finanzrechts des Grundgesetzes, in: HStR IV, § 87 Rn. 52. 67 Schaden, Steuervergünstigung als staatliche Leistung, S. 45.
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Teil IV: Abschreibungen als Subventionstatbestand
zeugt nicht. Es mag sich im derzeitigen Einkommensteuerrecht als schwierig herausstellen, eine Regelbesteuerung festzustellen; kapituliert der Jurist jedoch vor der fehlenden Systematik, wird es unmöglich sein, Steuervergünstigungen zu qualifizieren. Die Qualifikation der Steuervergünstigungen ist jedoch Voraussetzung, um sie verfassungsrechtlich zu überprüfen oder „de lege ferenda“ abzuschaffen. Die fehlende Systematik des Einkommensteuerrechts zeigt vielmehr die Notwendigkeit einer „Abschichtung“ auf. Ein Hinderungsgrund ist sie nicht. Dazu sind zahllose Theorien vertreten worden. Deren Darstellung wird bewußt kurz gehalten, da das Entscheidungsmerkmal für Abschreibungstatbestände (realitätsgerecht oder nicht) schon vorgegeben ist. Das Steuerrecht ist weniger als andere Gebiete von der Natur vorgeprägt. Das Straßenverkehrsrecht etwa ist durch die Sicherheitsbedürfnisse im Straßenverkehr vorherbestimmt. Paul Kirchhof hat deshalb die folgende Feststellung getroffen: „Die gesetzgeberische Suche nach der Steuerwürdigkeit (. . .) findet keine vergleichbaren Wegweisungen im Tatsächlichen.“68 „Das Steuerrecht folgt aus einem Rechtsgedanken, der an die Wirklichkeit herangetragen wird, nicht von der Wirklichkeit der Rechtsordnung zugewiesen wird.“69
Eine steuerliche Regelung entsteht aus „gesetzgeberischer Dezision“.70 Deshalb ist jede bisherige oder zukünftige steuerliche Regelung in gewisser Weise „beliebig“71. Eine objektive Abschichtung kann nicht in einen Vergleich des geltenden mit dem vormaligen Recht münden.72 Auch kann eine (objektive) Abschichtung nicht nach formalen Kriterien erfolgen. Wenn der Staat etwa die Vermögenssteigerungen im Privatvermögen grundsätzlich unbesteuert lassen will73, hat er zwei Möglichkeiten: Zunächst kann er – wie im gegenwärtigen Recht – den steuerbegründenden Tatbestand so formulieren, daß derartige Gewinne ausgenommen sind; er könnte aber auch den steuerbegründenden Tatbestand weit fassen, für Zugewinne im Privatvermögen aber eine Ausnahme vorsehen. Vogel formuliert deshalb: „Es sind mit anderen Worten Gründe der Verständlichkeit und Übersichtlichkeit des Gesetzes – und in einer sehr breiten Grenzzone oft auch nur Zufälligkeiten –, die über die Wahl der einen oder anderen Formulierungsweise entscheiden.“
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Paul Kirchhof, Die Kunst der Steuergesetzgebung, NJW 1987, S. 3218. Paul Kirchhof, Verfassungsrechtliche Maßstäbe für die Alterssicherung, S. 12. 70 Paul Kirchhof, Die Kunst der Steuergesetzgebung, NJW 1987, S. 3218. 71 Vogel, StuW 1977, S. 101. 72 Die historisch voraufgegangene Regelung ist keine objektive Vergleichsnorm, Vogel, StuW 1977, S. 101. 73 Dies ist Folge des Dualismus von Privat- und Betriebsvermögen im deutschen Steuerrecht und ergibt sich aus der Unvollständigkeit der §§ 17 und 23 Einkommensteuergesetz. 69
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Die Abgrenzung hat deshalb nach inhaltlichen Gesichtspunkten zu erfolgen. Surrey hat vorgeschlagen, die Abschichtung nach allgemeinem Konsens zu richten. Diese Methode ist in den Grauzonen zum Scheitern verurteilt. In den kritischen Fällen besteht kein Konsens.74 Lang will nach den „Primärwertungen“ entscheiden. Formale Vergünstigungen können danach einerseits „aptiv“ und „subventiv“ wirken. „Aptive“ Vergünstigungen seien von „Steuerwürdigkeitsprinzipien geprägt“75; die subventiven Vergünstigungen beruhten hingegen „in der Regel nicht auf Primär- oder Grundwertungen, sondern auf Prinzipien der nächsttieferen Ebene“76; sie sind gewissermaßen „Prinzipien ohne Wertungsstammbaum“.77 Dagegen hat Vogel eingewandt, daß die Systemwidersprüche des geltenden Steuerrechts es unmöglich machen könnten, dem Gesetz noch „eine Primärwertung (. . .) zu entnehmen“.78 Am Beispiel der Gewerbesteuer, die die „freien Berufen“ von der Steuerpflicht ausnimmt, zeigt Vogel auf, daß es auch Steuerarten ohne nachvollziehbare Primärwertung geben kann.79 Das gilt nach Vogel nicht weniger für das „System“ der Verbrauchssteuern. Die Besteuerung nur einiger der im Substitutionswettbewerb stehenden Güter kann gleichzeitig als Vergünstigung der befreiten und als Sonderbelastung der besteuerten Güter aufgefaßt werden. Auf die Absicht des historischen Gesetzgebers kann es nicht ankommen. Die Gründe können sich ändern oder sogar irreführend sein, wenn der Gesetzgeber eine Regelung für Partikularinteressen der Öffentlichkeit als „allgemeine Steuersenkung“ verkauft.80 Gegen eine Abgrenzung nach dem historischen Zweck der Vorschrift spricht auch, daß dieser oft zweifelhaft ist.81 Vogel möchte deshalb die Abschichtung nach dem „objektiven Zweck“, nach der „Funktion“ vornehmen.82 Aus der allgemeinen Methodenlehre ist das Problem bekannt, ob der subjektive Zweck des Gesetzgebers durch einen „objektiven“ Zweck ersetzt werden kann.83 Diese Übereinstimmung ist kein Zufall.84
74
Vogel StuW 1977, S. 103. Lang, Systematisierung der Steuervergünstigungen, S. 126. 76 Lang, Systematisierung der Steuervergünstigungen, S. 127. 77 Lang, Systematisierung der Steuervergünstigungen, S. 127. 78 Vogel StuW 1977, S. 105. 79 Vogel StuW 1977, S. 105. 80 Vogel, Grundzüge des Finanzrechts des Grundgesetzes, in: HStR IV, § 87 Rn. 52. 81 Vogel StuW 1977, S. 106. 82 So im Ergebnis auch Bilgery, Die steuerliche Vergünstigungsnorm im Lichte der Theorie vom Stufenbau des Steuertatbestandes unter besonderer Berücksichtigung der Einkommensteuer, S. 157: „Materielle Steuervergünstigung ist jeder einschränkende Rechtssatz, der eine dem Steuerpflichtigen günstige Ausnahme vom Steuertatbestand normiert und dabei einen Ausnahmezweck verfolgt.“ 75
92
Teil IV: Abschreibungen als Subventionstatbestand
Auch die Abschichtung ist eine Form der Gesetzesauslegung (die jedoch nicht auf die Subsumtion unter das Gesetz abzielt). Vogel unterscheidet Lastenausteilungsfunktion, Lenkungsfunktion und Vereinfachungsfunktion. Die dritte Kategorie der Vereinfachungsfunktion soll hier entgegen Vogel nicht übernommen werden. Vereinfachende, typisierende Regelungen lassen sich entweder den lastenausteilenden oder den lenkenden Normen85 zuordnen. Sie bilden keine eigene Kategorie. Vogel möchte für die Qualifikation einer Steuervergünstigung ermitteln, „bis zu welcher Grenze eine Regelung durch Überlegungen der Lastenausteilung gerechtfertigt werden kann (die „marginale Austeilungssteuer“) und in welchem Umfang die (. . .) Entlastung über diese Grenze hinausgeht.“86 Dabei ist für Vogel – wohl um anzweifelbare Ergebnisse der objektiven Abschichtung zu vermeiden – im Zweifel gegenüber einer „Abschichtung“ vorsichtig.87 Eine Abschichtung sei nicht möglich, wenn die Regelung unter den „Möglichkeiten sich gerade noch als Ausprägung austeilender Gerechtigkeit verstehen läßt.“88 Eine Abschichtung sei nicht möglich, wenn die Regelung auch aus Erwägungen austeilender Gerechtigkeit denkbar wäre.89 Birk hält diese Vorgehensweise für „zu kompliziert“90. Vogels Methodik ist jedoch im theoretischen Ansatz so genau, wie es die Hermeneutik des Rechts zuläßt. Die Frage nach dem „objektiven Zweck“ ist auch praktisch umsetzbar, weil Vogel eine ganze Reihe von Hilfskriterien zuläßt: „Ein allgemeiner Konsens, die Grundwertungen des Gesetzes, auch der vom Gesetzgeber mit der Regelung subjektiv verfolgte Zweck.“91 Im übrigen ist im Wege der Interpretation „nach dem „objektiven“ Zweck des Gesetzes, d.h. nach seiner Funktion zu fragen.“92 Zwischenergebnis: Die Abschichtung von Steuervergünstigungen erfolgt durch einen Interpretationsvorgang, der dazu dient, den objektiven Gesetzes83 Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 171, die darauf hinweisen, daß ein Gesetz, das zwecklos geworden ist, gegen Art. 3 I GG verstößt („cessante ratione legis cessat lex ipsa“). 84 Vogel StuW 1977, S. 106. 85 Jachmann fordert noch zu einer Abschichtung von „Wohlstandskorrekturen durch Umverteilung als sozialstaatlich fundierter Gestaltungswirkung“ auf (StuW 1998, S. 294). Abschreibungstatbestände betreffen allein die Erwerbssphäre. Die Abschichtung nicht lenkender sozialstaatlich motivierter Umverteilungsregeln kann deshalb im hier interessierenden Zusammenhang der Vereinfachung halber übergangen werden. 86 Vogel, Grundzüge des Finanzrechts des Grundgesetzes, in: HStR IV, § 87 Rn. 52. 87 Vogel StuW 1977, S. 108. 88 Vogel StuW 1977, S. 120. 89 Vogel StuW 1977, S. 120. 90 Birk, Steuerrecht I, Allgemeines Steuerrecht, S. 17. 91 Vogel StuW 1977, S. 120. 92 Vogel StuW 1977, S. 120.
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zweck zu ermitteln. Der Zweck einer Steuernorm kann alternativ in einer lastenausteilenden Funktion oder in einer lenkenden Funktion liegen. Werden beide Funktionen verfolgt, ist der bestimmendere Zweck maßgeblich. Die Ermittlung des objektiven Zwecks kann als Hilfskriterien den allgemeinen Konsens, die Grundwertungen des Gesetzes und den subjektiv vom Gesetzgeber verfolgten Zweck berücksichtigen.
B. Abschichtung von Förderabschreibungstatbeständen Die Abschichtung der fragwürdigen Förderabschreibungstatbestände hat an dem tatsächlichen Abnutzungsverlauf der Wirtschaftsgüter anzusetzen. Dieser ist als Axiom einer Regelbesteuerung der gesetzgeberischen Dezision gegenüberzustellen. Ergibt sich eine Differenz zu Gunsten des Steuerpflichtigen, liegt ein Förderabschreibungstatbestand93 vor. I. Realität der Wertentwicklung als zwingender Maßstab Der Widerspruch zur Realität ist ein Maßstab, der auf abstrakter Ebene eindeutig ist. Im konkreten hat er leider einen unausweichlichen Nachteil: Er setzt ein Wissen über die Realität voraus, das statistisch meist nicht vorliegt. Das Nichtwissen über die realitätsnahe Abnutzung ist bei der technischen AfA größer als bei der wirtschaftlichen. So ist es schwierig zu wissen, wann typischerweise z. B. ein Haus technisch verbraucht ist, wann es seine Funktionsfähigkeit verliert. Die wirtschaftliche Abnutzung setzt – so jedenfalls der BFH (s. o., S. 61 ff.) – einen Wertverlust voraus. Die Wertverhältnisse eines Gebrauchtwagens etwa lassen sich messen. Der Begriff der Abnutzung umfaßt nicht nur die technische Abnutzung, sondern auch die wirtschaftliche. Damit ist der Vergleichmaßstab „realitätsgerechte Abnutzung“ kumulativ durch zwei unbestimmte, alternativ geltende Rechtsbegriffe umschrieben. Die Schwierigkeiten, die Abnutzungsdauer und Abnutzungsweise richtig einzuschätzen zeigten sich insbesondere bei der Novellierung der AfA-Tabellen. Die Finanzverwaltung hat ein Urteil des BFH94 zum Anlaß genommen, die AfA-Tabellen zu verändern. Der erste Entwurf einer neuen AfA-Tabelle Anfang 1999 führte zu Verlängerungen der Nutzungsdauer um 75%.95 Nach der Kritik durch Vertreter der Wirtschaft sagte die Finanzverwaltung zu, das Steuermehraufkommen durch die Änderung der Nutzungsdauer auf 3,5 Milliarden DM 93 94 95
Siehe „Teil I: Einleitung“. BFH 10. Senat, 19.11.1997, BFHE 184, 522. Treptow, FAZ, 12.1.2001, Nr. 10, S. 14.
94
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zu begrenzen.96 Im Oktober 2000 sah die letzte Fassung der AfA-Tabellen dann nur noch eine durchschnittliche Verlängerung der Nutzungsdauer um 30% vor.97 Die Anhörung der Verbände am 30. November 2000 sei – so ein Vertreter der Verbände – „zu einer täuschenden Showveranstaltung“ geworden.98 Die alten Tabellen hätten „viel mit Steuerkalkül und wenig mit der tatsächlichen Nutzung zu tun gehabt“.99 Auch die neuen Tabellen sind nur nach politischem Druck – auch von Seiten der Grünen100 – zustande gekommen. Sie sind ein politisches Ergebnis, auch wenn sie (vielleicht) der Realität näher kommen. Trotzdem ist der Maßstab der Realität für die Verfassungsperspektive zwingend: (1) Er folgt aus dem Vergleich mit der Regelbesteuerung. Die Regelbesteuerung würde jede Form einer Wertverlustvermutung über § 7 I 1, 2 EStG periodengerecht zuordnen. Wenn spezielle Normen diesen Maßstab durchbrechen, so kann dies nur zwei Gründe haben: Entweder der Gesetzgeber typisiert den Wertverlustaufwand eines besonderen Wirtschaftsgutes, indem er sich an dem Maßstab des § 7 I 1, 2 EStG orientiert; oder er versucht investitionsfördernd einzugreifen. Ist die Typisierung zu weit von dem Maßstab des § 7 I 1 EStG entfernt, handelt es sich um eine Abweichung von der Regelbesteuerung, um einen Lenkungstatbestand. (2) Der Qualifikations-Maßstab der Realität folgt aus Art. 3 I GG. In der Entscheidung über die Verfassungswidrigkeit der unterschiedlichen Besteuerung von Renten und Pensionen spricht das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich von dem „Gebot realitätsgerechter Tatbestandsgestaltung“101. Der Gleichheitssatz verlange, daß die „einkommensteuerrechtlichen Bemessungsgrundlagen in Einnahmen und Aufwand die erfaßten wirtschaftlichen Vorgänge sachgerecht aufnehmen und realitätsgerecht abbilden.“102 (3) Die sachbereichsbezogene Anwendung des Gleichheitssatzes erfordert eine richtige Erfassung der jeweiligen Leistungsstärke der Steuerpflichtigen. In diesem Zwang zur jeweilig sachgerechten Erfassung ist als Kern ein Zwang zu Sachlichkeit, zu Objektivität enthalten. Dieses Objektivitätsgebot verbindet den Gleichheitssatz mit dem allgemeinen Gerechtigkeitsanspruch des Rechtsstaatsprinzips. Die realitätsgerechte, objektiv zutreffende Bemessung der Wertentwicklung ist damit nicht nur für den Gesetzgeber Maßstab, son96
Treptow, FAZ, 12.1.2001, Nr. 10, S. 14. Treptow, FAZ, 12.1.2001, Nr. 10, S. 14. 98 Treptow, FAZ, 12.1.2001, Nr. 10, S. 14 (15). 99 FAZ, 16.1.2001, Nr. 15, S. 15. 100 FAZ, 16.1.2001, Nr. 13, S. 15 „Grüne lenken im Streit um Abschreibungen ein“. 101 BVerfG v. 6.3.2002, HFR 2002, S. 331 (336). 102 BVerfG v. 6.3.2002, HFR 2002, S. 331 (336). 97
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dern auch für die Anwendung des Gleichheitssatzes ein denklogischer Zwischenschritt, der sprachlich unter dem Begriff der Abschichtung vollzogen wird. (4) Schließlich hat auch das Bundesverfassungsgericht die Realität als Abgrenzungskriterium bemüht. Im Zusammenhang mit der Entscheidung zum steuerfreien Existenzminimum103 hat es ausgeführt, „daß der Gesetzgeber bei der steuerlichen Berücksichtigung zwangsläufiger Unterhaltsaufwendungen (für Kinder, d. Verf.) nicht realitätsfremde Grenzen ziehen darf.“ Für die Erbschaftssteuer hat das Bundesverfassungsgericht formuliert, die „gleichmäßige Belastung“ hänge davon ab, daß für die einzelnen zur Erbschaft gehörenden wirtschaftlichen Einheiten und Wirtschaftsgüter Bemessungsgrundlagen gefunden werden, die deren Werte „realitätsgerecht“ abbilden.104 Auch im Urteil über die Vermögensteuer hat das Bundesverfassungsgericht verlangt, daß der Gesetzgeber eine „unterschiedliche Ertragsfähigkeit realitätsgerecht erfaßt“.105 Die Realität ist demnach aus Sicht des Bundesverfassungsgerichts der verfassungsrechtliche Maßstab, um steuerliche Bemessungsgrundlagen gleichheitsgerecht zu ermitteln. II. Kein Goodwill-Aufschlag zur Inflationsberücksichtigung Bei der buchhalterischen Berücksichtigung des Wertverlustes zeigt sich unter Zugrundelegung von sehr langen Zeitspannen, daß die Aufwandsverteilung bei gleichzeitiger Inflation hinter dem tatsächlich angefallenen Aufwand zurück bleiben kann. Das soll folgendes Beispiel zeigen: Unternehmer U kauft am 1.1.01 ein Wirtschaftsgut für 100 Euro, das er linear in zehn Jahren abschreibt. Die unterstellte Nutzungsdauer von 10 Jahren und die Abschnittsverteilung in 10%-Schritten seien realitätsgerecht. Jedes Jahr findet eine Inflation von 2% statt. Wenn U am Ende des ersten Jahres „10 Euro“ Abschreibungsaufwand bei seiner Steuererklärung geltend macht, sind dies nicht ganz genau 10% seiner Anschaffungskosten, sondern weniger. Streng nach seiner Leistungsfähigkeit würde U erfaßt, wenn er 10,2 Euro geltend machen könnte (= 10 Euro * 102%). Wenn 10,2 Euro also 10% seiner Anschaffungskosten darstellen, dann sind „1 Euro“ nur 0,9803 . . .% (x/1 = 10/10,2; x = 10/10,2). Indem er „10 Euro“ geltend macht, finden nur 9,803 . . .% seiner Anschaffungskosten Berücksichtigung. Dieser Effekt verstärkt sich mit der Länge der beobachteten Zeitspanne. 103 104 105
BVerfGE 82, 60 (88). BVerfGE 93, 165 (173). BVerfGE 93, 121 (148).
96
Teil IV: Abschreibungen als Subventionstatbestand Tabelle 3 Auswirkungen des Nominalprinzips Fehlender Anteil des berücksichtigten Prozentbetrag Anschaffungsauf- (gerundet) wands in % (x = 10/y)
Jahr
AfANominal-Betrag
„Richtiger“ AfA-Aufwand unter Berücksichtigung der Inflation (= y)
1 2
10 Euro 10 Euro
10*102% = 10,2 A 10*102% = 10,404 A
9,80 . . .% 9,6 . . .%
0,2% 0,39%
3 4
10 Euro 10 Euro
10*102% = 10,612. . .A . . . = 10,824.. A
9,42 . . .% 9,23 . . .%
0,58% 0,77%
5 6
10 Euro 10 Euro
= 11,040.. A = 11,261.. A
9,05 . . .% 8,88 . . .%
0,95% 1,12%
7 8
10 Euro 10 Euro
= 11,486.. A = 11,716.. A
8,70 . . .% 8,53 . . .%
1,3% 1,47%
9 10
10 Euro 10 Euro
= 11,950.. A = 12,189.. A
8,36 . . .% 8,20 . . .%
1,64% 1,8%
Mit zunehmender Zeitspanne entfernt sich der geltend gemachte Aufwand von der 10%-Marke. Unter umgekehrten Vorzeichen zeigt sich hier das Problem der „Scheingewinnbesteuerung“.106 Die Nichtberücksichtigung der Inflation durch das Steuerrecht bezeichnet man als „Nominalwertprinzip“.107 Der Gesetzgeber nimmt eine Scheingewinnbesteuerung im Grundsatz hin. Man könnte jedoch die Ansicht vertreten, bei langfristigen Wirtschaftsgütern verlange Art. 3 I GG eine Anpassung der Nominalbeträge an den realwirtschaftlichen Aufwandsanteil. Deshalb könnte man zunächst der Ansicht sein, daß bei der Abschichtung von langfristigen Abschreibungstatbeständen (also der Qualifikation als realitätsgerecht oder realitätswidrig) im Zweifel ein gewisser Goodwill-Aufschlag angebracht ist. Aus Art. 3 I GG eine Anpassung an die tatsächlichen Wertverhältnisse zu fordern, würde jedoch grundlegenden Wertungen unserer Verfassungsordnung widersprechen. So hielt das Bundesverfassungsgericht die Auswirkungen des Nettoprinzips auf die Zinsgewinnbesteuerung mit den folgenden Worten für verfassungsmäßig: 106
Eekhoff, FAZ 20.4.2001, Nr. 92, S. 56. Kirchhof in Kirchhof, § 2 Rn. 77; Nominal- und Nennwertprinzip sind Synonyme des Begriffs. 107
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„Im Bereich des Steuerrechts, das unmittelbare Eingriffe in die Einkommens- oder Vermögenssphäre der Staatsbürger normiert, kommt dem Nennwertprinzip schon deshalb ein besonderes Gewicht zu, weil es eine eindeutige und einfache Bestimmung der Steuerpflicht im Einzelfall ermöglicht. Die Grundsätze des Rechtsstaats fordern, daß die Norm, die eine Steuerpflicht begründet, nach Inhalt, Gegenstand, Zweck und Ausmaß hinreichend bestimmt und begrenzt ist, so daß die Steuerlast meßbar und für den Staatsbürger voraussehbar und berechenbar wird.“108
Im grundrechtssensiblen Bereich der Besteuerung kann die Steuerpflicht deshalb nicht einer Wertanpassungsklausel unterliegen. Das folgt auch aus der Verpflichtung zu finanzwirtschaftlicher Stabilität. Gem. Art. 109 II GG haben Bund und Länder bei ihrer Haushaltswirtschaft den Erfordernissen des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts Rechnung zu tragen. Aus der zwingenden Formulierung folgt, daß Art. 109 II GG kein bloßer Programmsatz, sondern ein Verhaltensgebot ist.109 Der Staat darf sich nicht selbst inflationsfördernd verhalten. Würde jedoch der Staat eine „natürliche“ Inflation in das Steuerrecht einplanen, wäre er selbst Ursache des Geldwertverfalles. Grundsätzlich verlangt das Recht auch im privaten Wirtschaftsverkehr eine Ignoranz des Inflationsphänomens und beugt so einer Inflationserwartung vor. So hat der BGH entschieden:110 „Der Senat rechnet mit dem Bundesverfassungsgericht (Beschluß v. 21.1.1969 – 1 BvR 325, 598/68, Höchstrichterliche FinanzRspr 1969, 347), dem Bundesfinanzhof (BFH 89, 422, 434 ff. = WM 1967, 1151, 1155 f.; BFH 92, 561, 564 f.), und dem Bundesarbeitsgericht (aaO zu B II 4 a m. w. N.) das Nominalprinzip („Mark gleich Mark“) zu den tragenden Grundlagen unserer Rechts- und Wirtschaftsordnung.“
Zivilrechtliche Wertsicherungsklauseln stehen auch nach Einführung des Euro im Regelfall unter einem Erlaubnisvorbehalt (so früher § 3 II Währungsgesetz, heute § 2 I Preisangaben- und Preisklauselgesetz)111. § 2 I112 Preisangaben- und Preisklauselgesetz bestimmt: „(1) Der Betrag von Geldschulden darf nicht unmittelbar und selbsttätig durch den Preis oder Wert von anderen Gütern oder Leistungen bestimmt werden, die mit den vereinbarten Gütern oder Leistungen nicht vergleichbar sind. Das Bundesministerium für Wirtschaft kann auf Antrag Ausnahmen genehmigen, wenn Zahlungen langfristig zu erbringen sind oder besondere Gründe des Wettbewerbs eine Wertsicherung rechtfertigen und die Preisklausel nicht eine der Vertragsparteien unange108
BVerfGE 50, 57 (93). Maunz/Dürig – Maunz, Art. 109 Rn. 37. 110 BGHZ 61, 31 (38). 111 Folter, Auswirkungen der Einführung des Euro, S. 49 ff.; von dem neuen Indexierungsverbot sind Finanzdienstleistungen, Verträge von gebietsansässigen Kaufleuten mit Gebietsfremden und Mietanpassungsklauseln unter bestimmten Voraussetzungen ausgenommen. 112 Der zweite Absatz des § 2 Preisangaben- und Preisklauselgesetz ermächtigt die Bundesregierung zum Erlaß von Rechtsverordnungen. 109
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Teil IV: Abschreibungen als Subventionstatbestand
messen benachteiligt. Der Geld- und Kapitalverkehr, einschließlich der Finanzinstrumente im Sinne des § 1 II des Kreditwesengesetzes sowie die hierauf bezogenen Pensions- und Darlehensgeschäfte, bleibt vom Indexierungsverbot ausgenommen. Desgleichen bleiben Verträge von gebietsansässigen Kaufleuten mit Gebietsfremden vom Indexierungsverbot ausgenommen.“
Nicht genehmigte Indexierungsklauseln sind schwebend unwirksam.113 Das Gesetz ordnet damit zwingend an, daß der Gläubiger (im Regelfall) das Risiko der Geldentwertung trägt.114 Dieser Grundwertung kann aber das öffentliche Recht nicht dadurch widersprechen, daß es eine Inflationsberücksichtigung verlangt. Das Nominalwertprinzip folgt deshalb nicht nur aus Art. 109 II GG, sondern auch aus der Verpflichtung zur Folgerichtigkeit und Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung. Auch § 34 EStG, nach dem Veräußerungsgewinne einer ermäßigten Besteuerung unterworfen werden, läßt sich hier nicht als inflationsberücksichtigende Norm anführen. Vorrangiger Beweggrund für die Vorschrift ist die kompensatorische Vermeidung der Progressionswirkung bei „außerordentlichen Einkünften“, deren realwirtschaftlicher Hintergrund auf den mehrjährigen Anstrengungen des Steuerpflichtigen beruht.115 Wenn zudem in Anbetracht eines überschuldeten Staatswesens, „Inflation eine Art von Steuer auf den Besitz von Geld ist“116, dann ist es dem Staat verwehrt, sich über die Inflation einer indirekten Besteuerung zu bedienen, die den Typenzwang eines Steuergesetzes umgeht und die komplexe Struktur der föderalen Finanzverfassung nicht berücksichtigt. Wollte man vom Gesetzgeber „Rücksichtnahme“ auf die erwartete Inflation verlange, dann macht man den Staat selbst zum Verursacher des Phänomens. Das zeigen auch die Erfahrungen anderer Staaten.117 Im Bereich der Besteuerung hat Frankreich es zum Beispiel mehrfach dem Steuerpflichtigen ermöglicht, durch Aufwertung („Réévaluation“) die Nachteile der Geldentwertung für den Ansatz von Abschreibungen zu kompensieren. Auch deshalb, so darf vermutet werden, erstreckte sich die Geldentwertung in Frankreich über einen sehr langen Zeitraum und war einschneidender Natur.118
113
Palandt – Heinrichs, § 245 BGB, Rn. 27. Palandt – Heinrichs, § 245 BGB, Rn. 15 ff. 115 Vgl. Mellinghoff in Kirchhof, EStG § 34 Rn. 15, der von „Zusammenballung von Einkünften“ spricht. 116 Obst/Hinter, Geld-, Bank- und Börsenwesen, S. 35. 117 Auch das Bundesverfassungsgericht hielt das strikte Festhalten am Nominalwertprinzip jedenfalls nicht für evident sachwidrig, indem es die Inflationserfahrungen Deutschlands mit denen anderer westlicher Industrienationen verglich, BVerfGE 50, 57 (101). 118 Gübbels, Handbuch der steuerlichen Abschreibung, S. 427. 114
§ 11 Förderabschreibungstatbestände als Subvention
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Schließlich wäre die Ermittlung der Steuerpflicht nur noch mathematisch besonders begabten Steuerpflichtigen möglich. Auch das Bundesverfassungsgericht hat deshalb unter anderem aus Praktikabilitätsgesichtspunkten 119 das Nominalwertprinzip und die damit bei Zinsgewinnen einhergehende Scheingewinnbesteuerung für verfassungsgemäß gehalten. Für die Frage der Abschichtung der Förderabschreibungstatbestände folgt aus alledem, daß schon bei der Qualifikation eine inflationsneutrale Haltung einzunehmen ist. Die Inflation muß bei der Abschichtung von Förderabschreibungen unberücksichtigt bleiben. III. Methodik der Abschichtung von Förderabschreibungstatbeständen Die Realität eines typischen Wertverlaufs ist ein schwer meßbarer Maßstab. Natürlich können dabei zunächst Statistiken über den Wertverlauf von Wirtschaftsgütern bei der Qualifikation hilfreich sein. Gibt jedoch der Gesetzgeber von sich aus vor, er würde mit einem Abschreibungstatbestand „zur Förderung“ handeln, geht er offenbar selbst von einer Abweichung von der Regelbesteuerung aus. Die „Sonderabschreibungen“ und „erhöhten Absetzungen“ sind damit auch in verfassungsrechtlicher Perspektive „Förderabschreibungstatbestände“. Nur für Abschreibungstatbestände, die der Gesetzgeber selbst nicht als „zur Förderung“ bezeichnet, bleibt die Qualifikation problematisch. Dies gilt insbesondere für die Abschreibung gem. § 7 V EStG. § 7 V EStG ist – einfachgesetzlich – keine „erhöhte Absetzung“120; für die verfassungsrechtliche Perspektive bedeutet diese Festlegung nichts. Gestaltet der Gesetzgeber eine Abschreibungsnorm, deren Anwendung teilweise zu einer realitätsgerechten Anwendung, teilweise jedoch zu einer realitätswidrigen Aufwandsverteilung führt, so ist die Norm insgesamt als „Förderabschreibungstatbestand“ auf die verfassungsrechtliche Vereinbarkeit zu überprüfen. Gerade in den Randbereichen einer Norm muß sich der Gültigkeitsanspruch einer steuerlichen Norm erweisen, weil das auf Vermeidung zielende Verhalten des Steuerpflichtigen zu dem Geltungsanspruch der Norm in Bezug zu setzen ist. Wie sich bei der Untersuchung des Gesetzesvorbehaltes zeigen wird, muß der Gesetzgeber bei Subventionen selbst den Subventionszweck vorzeichnen. Daraus folgt für die Frage der Abschichtung, daß der Gesetzgeber sich einer effektiven Verfassungskontrolle entzieht, indem er Abschreibungsnormen nicht als 119
BVerfGE 50,57 (82). BFH BStBl II 1994, S. 322. Der BFH folgt dies zum einen aus dem Wortlaut (§ 7 V gegenüber § 7b EStG), andererseits aus der Entstehungsgeschichte und dem Zweck der Vorschrift. 120
100
Teil IV: Abschreibungen als Subventionstatbestand
Subventionsnormen oder als Normen ausgleichender Gerechtigkeit kennzeichnet. Schafft er zum Beispiel eine Norm, die ihrer Systematik nach eine Ausnahme ist, ihrer Form nach jedoch keinen bestimmten Industriezweig fördert, mutet er dem Bundesverfassungsgericht eine Kontrolle der tatsächlich-statistischen Auswirkungen der Norm zu, zu deren Erfassung das Gericht nicht geeignet ist. Von dem Gesetzgeber darf deshalb verlangt werden, sich um eine genaue Abbildung der realistischen Wertverhältnisse zu bemühen. Ist dieses Bemühen zum Beispiel aufgrund der Weite des Tatbestandes nicht erkennbar, so daß auf Anhieb Wirtschaftsgüter zu nennen sind, die nicht so schnellem Wertverfall unterliegen, so spricht dies für die Qualifikation eines Tatbestandes als verfassungsrechtlich fragwürdig, für die Qualifikation als sog. Förderabschreibungstatbestand. IV. Typologie einer realitätsgerechten Wertentwicklung In dem Abschnitt „periodische Aufwandsverteilung versus Totalabzug“ ist festgestellt worden: „Die Abschreibungstatbestände erfassen den unwiderleglich vermuteten Wertverlust, den der Steuerpflichtige durch die Abnutzung erleidet. Die typisierende mittelbare Anknüpfung an die Abnutzung ist vom Grundsatz her nicht zu beanstanden.“
Der Gesetzgeber vermutet unwiderleglich den Wertverlust, indem er bei der Bemessung der Wertverhältnisse den Hinweis des Steuerpflichtigen auf den technischen Verschleiß ausreichen läßt; nur bei der wirtschaftlichen Abnutzung verlangt der (einfache) Steuergesetzgeber einen Nachweis des Wertverlustes. Diese Liberalität in der gesetzestechnischen Anknüpfung ändert jedoch nichts daran, daß Abschreibungen der Gewinnermittlung dienen. Als solche sind sie Teil des einfachgesetzlichen Nettoprinzips, das seinerseits eine Ableitung aus dem Gebot einer Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit darstellt. Aus dieser mittelbar erkennbaren Herkunft erklärt sich ihre verfassungsrechtliche Unvermeidbarkeit, sofern ein Wirtschaftsgut tatsächlich dem Wertverlust unterliegt. Daraus folgt, daß bei der Abschichtung der Förderabschreibungstatbestände wieder auf die tatsächlichen Wertverhältnisse zurückgegriffen werden muß. Die typisierende Anknüpfung des einfachen Gesetzgebers an den Abnutzungsverhältnissen ist für die verfassungsrechtliche Perspektive nicht maßgeblich. Die tatsächlichen Wertverhältnisse eines Wirtschaftsgutes sind von der individuellen Nutzung abhängig. Ein Personenkraftwagen nutzt sich langsamer in der Funktion als Vorführwagen ab als in der Funktion eines Taxis. Das Handy eines Notarztes klingelt nicht so häufig wie das Handy eines Börsenhändlers.
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Aus verfassungsrechtlicher Perspektive kann es jedoch auf die individuelle Nutzung nicht ankommen. Sonst wäre die Norm, aufgrund derer das Taxi realitätsgerecht und schnell abgeschrieben werden kann, als Subvention zu qualifizieren, nur weil der gleiche PKW auch als Vorführwagen einsetzbar ist. Der konkrete Unternehmensplan ist für die verfassungsrechtliche Qualifikation irrelevant. Erst bei der typisierenden Betrachtung setzt sich der auf Allgemeinheit drängende Steueranspruch um. Schon bei der Qualifikation der Förderabschreibungstatbestände – nicht erst bei der Frage der Rechtfertigung – gebietet Art. 3 I GG deshalb eine typisierende Betrachtungsweise der Realität. Deshalb kann eine Norm auch verfassungswidrig werden oder von dem verfassungswidrigen in den verfassungsmäßigen Bereich wandern. Sollte etwa der ökonomische Wandel dazu führen, daß Wirtschaftsgüter nur noch eine kürzere oder längere Nutzungsdauer als bisher haben, so hat diese Veränderung der tatsächlichen Verhältnisse Auswirkungen auf die Beurteilung der Verfassungsmäßigkeit einer Norm. Aus dieser typisierenden Betrachtungsweise folgt, daß eine Abschreibungsnorm auch dann Subvention ist, wenn sie in ihrer praktischen Anwendung im Normalfall zu einer Verzerrung der Wertverhältnisse führt.
1. Abschichtung der Teilwertabschreibung Eine derartige Verzerrung der Wertverhältnisse liegt im Fall der Teilwertabschreibung nahe. Gem. § 6 I Nr. 1 EStG kann der Teilwert angesetzt werden, wenn dieser auf Grund einer voraussichtlich dauernden Wertminderung niedriger ist [als der sich gem. § 6 I Nr. 1 S. 1 ergebende Buchwert). § 6 I Nr. 1 S. 3 definiert als Teilwert: „Teilwert ist der Betrag, den ein Erwerber des ganzen Betriebs im Rahmen des Gesamtkaufpreises für das einzelne Wirtschaftsgut ansetzten würde; dabei ist davon auszugehen, daß der Erwerber den Betrieb fortführt.“
Die fiktive Einzelpreisberechnung bei Fortführung des Gesamtbetriebs bereitet der Praxis erhebliche Probleme. Sie macht das einzelne Wirtschaftsgut in seiner Bemessung von der Entwicklung des „going-concern“ value abhängig und führt zu Bewertungsunsicherheiten, die sich der kundige Steuerpflichtige zu Nutze macht. Die Teilwertvermutungen gem. RL 35a sorgen nämlich nur in Teilbereichen für ein eindeutiges Ergebnis: So ist zum Beispiel die Teilwertvermutung Nr. 4 (Hinweis 35a zu „Teilwertvermutungen“) im Bereich des Umlaufvermögens nur scheinbar eindeutig:
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„Danach entspricht bei Wirtschaftsgütern des Umlaufvermögens der Teilwert grundsätzlich den Wiederbeschaffungskosten.“
Schon Satz 2 dieser Vermutung relativiert jedoch das Ergebnis: „Der Teilwert von zum Absatz bestimmten Waren hängt jedoch auch von deren voraussichtlichem Veräußerungserlös (Börsen- oder Marktpreis) ab . . .“
Auch hier vermutet der Leser des einkommensteuerlichen Hinweises zunächst eine objektiv nachprüfbare Größe. Die tatsächlichen Auswirkungen des Satzes 2 versteht man jedoch nur, indem man auch Richtlinie R 36, dort insbesondere II S. 4, mitliest. Dort heißt es: „Im Regelfall kann davon ausgegangen werden, daß der Teilwert dem Betrag entspricht, der sich nach Kürzung des erzielbaren Verkaufserlöses um den durchschnittlichen Rohgewinnaufschlag ergibt.“
In der praktischen Anwendung kann der Steuerpflichtige deshalb entweder auf den sonst üblichen Marktpreis oder auf den von ihm bei vorsichtiger Betrachtung (!) zu erzielenden Verkaufserlös minus Rohgewinnaufschlag abwerten. Der Steuerpflichtige erhält hier Bewertungsmöglichkeiten, die ihn zur Manipulation seiner Steuerpflicht auffordern. Derartige Abwertungspotentiale erhält der Steuerpflichtige auch dadurch, daß er die Teilwertvermutungen gem. Richtlinie 35a widerlegen kann. Gem. Einkommensteuer-Richtlinie 35a ist eine Teilwertvermutung widerlegt, wenn der Steuerpflichtige anhand konkreter Tatsachen und Umstände darlegt und nachweist, daß die Anschaffung oder Herstellung eines bestimmten Wirtschaftsguts von Anfang an eine Fehlmaßnahme war, oder daß zwischen dem Zeitpunkt der Anschaffung oder Herstellung und dem maßgeblichen Bilanzstichtag Umstände eingetreten sind, die die Anschaffung oder Herstellung des Wirtschaftsguts nachträglich zur Fehlmaßnahme werden lassen. Weiter soll die Teilwertvermutung auch widerlegt sein, wenn der [objektiv feststellbare] Nachweis erbracht wird, daß die Wiederbeschaffungskosten am Bilanzstichtag niedriger als der vermutete Teilwert sind. Der Steuerpflichtige hat es demnach in der Hand, ob er die Anschaffung eines Wirtschaftsguts als Fehlmaßnahme deklariert. Das Wirtschaftsgut mag objektiv noch werthaltig sein, ein Teil des Wiederveräußerungsrisikos wird so auf den Fiskus verschoben. Es mag aus der auf Netto-Gewinn zielenden Sichtweise des Steuerpflichtigen zum Beispiel besser sein, eine Anschaffung als nachträgliche Fehlinvestition darzustellen und zum Schrottpreis zu veräußern (um so an den Fiskus an der Teilwertabschreibung zu beteiligen), als sich um eine rentable Weiterveräußerungsmöglichkeit zu bemühen. Bewirkt wird diese widersinnige Manipulationsmöglichkeit durch einen Teilwertbegriff, der zwar in sich theoretisch denkbar ist, in seiner praktischen Ab-
§ 11 Förderabschreibungstatbestände als Subvention
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leitung den Steuerpflichtigen jedoch dazu verleitet, den von ihm erworbenen good-will – im Fall von Wirtschaftsgütern des Umlaufvermögens seine Veräußerungsmöglichkeiten – geringer darzustellen, als er tatsächlich ist. Der Steuerpflichtige sucht hier nach Möglichkeiten, die von ihm getätigten Investitionen als fehlerhaft darzustellen. In der praktischen Anwendung eröffnet § 6 I Nr. 1 EStG dem Steuerpflichtigen damit nicht nur eine Abwertungsmöglichkeit, sondern gleich ein ganzes Bündel an Varianten. Der Bezug zu den objektiven Meßgrößen der Anschaffungs- und Herstellungskosten geht so verloren. In der Unüberschaubarkeit der Abschreibungsmöglichkeiten liegt eine (versteckte) Subvention. Mangels gesetzlicher Zielbestimmung ist § 6 I Nr. 1 EStG damit in seiner praktischen Umsetzung verfassungswidrig. 2. Abschichtung der degressiven Abschreibung Es gibt verschiedene Formen der degressiven Abschreibungen. Sie unterscheiden sich danach, ob der Absetzungssatz sich verändert und danach ob sie vom jeweiligen Buchwert oder vom Anschaffungswert vorzunehmen sind. Danach lassen sich unterscheiden:121 (1) Die abfallende Absetzung mit ungleichmäßig fallenden Prozentsätzen vom Anschaffungswert, (2) die abfallende Absetzung mit gleichmäßig fallenden Prozentsätzen vom Anschaffungswert („digitale“ Abschreibung) und (3) die abfallende Afa mit gleichbleibendem Prozentsatz vom jeweiligen Buch oder Restwert. Typus Nr. 1 entspricht den fallenden Prozentsätzen nach § 7 V EStG. Typus Nr. 3 entspricht § 7 II EStG. Typus Nr. 2 ist eine Abschreibungsmethode der USA.122 Dabei werden die Jahressummen der insgesamt zur Verfügung stehenden Afa zusammengezählt (1+2+3+4+5 = 15). Die Absetzung beträgt dann beispielsweise 5/15 im ersten Jahr, 4/15 im zweiten Jahr, 3/15 im dritten, 2/15 vierten und 1/15 im fünften Jahr. Typus Nr. 3 bedeutet im Regelfall die stärkste Vorverlagerung des Anschaffungsaufwandes. Gemeinsam ist allen degressiven Abschreibungsmethoden, daß der steuerlich geltend gemachte Abschreibungsaufwand mit zunehmender Nutzungsdauer pro 121 122
Gübbels, Handbuch der steuerlichen Abschreibung, S. 85. Gübbels, Handbuch der steuerlichen Abschreibung, S. 88.
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Teil IV: Abschreibungen als Subventionstatbestand
Veranlagungszeitraum abnimmt. Darin unterscheidet sich die degressive Abschreibung von der linearen, bei der pro Veranlagungszeitraum derselbe Abschreibungsaufwand geltend zu machen ist. Bei degressiven Abschreibungsformen (§§ 7 II EStG, 7 V EStG) liegt es nahe, konjunkturpolitische Motive des Gesetzgebers zu vermuten. Häufig wird es sich darum handeln, daß der Gesetzgeber Rationalisierungsmaßnahmen des Betriebs gezielt fördern will, um die Wettbewerbsfähigkeit der Betriebsanlage zu gewährleisten. Der allgemein zu beobachtende Wertverlust mit Erstbenutzung führt jedoch nicht dazu, daß die degressive Abschreibung als Regelbeispiel einer realitätsgerechten, periodischen Aufwandsveranlagung angesehen werden kann. Aus dem Gedanken der Abschnittsbesteuerung folgt nämlich, daß der jedem Wirtschaftsgut mit der Erstbenutzung anfallende Wertverlust nicht als realitätsgerechter Wertmaßstab herangezogen werden kann. Sonst wäre das vom Gesetzgeber vorgegebene Regelbeispiel der Abschnittsbesteuerung, § 7 I EStG, nicht zu erklären. Die Erstbenutzung für sich ist deshalb bei dem Auslegungsvorgang der Abschichtung irrelevant. Degressive Abschreibungen können jedoch ausnahmsweise realitätsgerecht sein, wenn durch sie besonderen Verhältnissen des betreffenden Wirtschaftsgutes Rechnung getragen wird. Das kann insbesondere bei Wirtschaftsgüter der Fall sein, die besonders schnell wirtschaftlich überaltern. Technische Neuerungen bei Maschinen etwa können im Einzelfall so drastisch sein, daß der Wert des Wirtschaftsgutes dem vorzeitigen Verfall ausgesetzt ist. Zum Beispiel bei Filmrechten verläuft der Wertverlust nicht-linear, auch nicht in Ausnahmefällen. Mit jeder Verwertung nimmt der „Unterhaltungswert“ eines Filmrechts ab. Nach dem Medienerlaß (BMF-Schreiben v. 23.2.2001) sind Filmrechte dennoch linear abzuschreiben. Überzeugender ist im Falle von Filmrechten jedoch die analoge Anwendung der leistungsabhängigen Abschreibung gem. § 7 I S. 5 EStG, um die Abschreibungen periodengerecht dem Wert des Filmrechts anzupassen. Die Haltung des Bundesministeriums der Finanzen führt ansonsten zu dem systemwidrigen Gebrauch von Teilwertabschreibungen: Nach Meinung der OFD München und der Finanzministerien von Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg sollen zur Ermittlung des Teilwerts eines Kinospielfilms, sofern der Film durchschnittliche Einspielergebnisse erbringt, in den ersten 6 Monaten nach dem Uraufführungszeitpunkt Absetzungen von bis zu 90% der Herstellungskosten zugelassen werden.123 Wohl mit Blick auf physische Wirtschaftsgüter haben Falterbaum/Bolk/Reiß die degressive AfA damit begründet, „daß in erheblichem Umfang steigender 123 Radau, Die Abschreibung von Filmrechten nach dem Medienerlaß, DStR 2003, S. 1281.
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Erhaltungsaufwand in den späteren Jahren der Nutzung bei einem Anlagegut notwendig wird.“ Die höhere Abschreibung in den ersten Jahren der Nutzung solle ein Ausgleich sein für die in diesen Jahren fehlenden Reparaturaufwendungen. Durch sie solle bis zu einem gewissen Grad eine gleichmäßige Verteilung der gesamten Aufwendungen des Wirtschaftsguts auf die Nutzungszeit erreicht werden.124 Dieser Gedankengang ist stark verkürzt und bedarf der Erläuterung. Bei der wirtschaftlichen AfA ist der Wertverlust kraft Abnutzung entscheidend. Der Wert eines Wirtschaftsgutes nimmt jedoch bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise ab, wenn ständig Reparaturmaßnahmen erforderlich werden. Der Erhaltungsaufwand indiziert deshalb einen abnehmenden Wert. Auch eine degressive AfA kann im Einzelfall bei „in erheblichem Umfang steigendem Erhaltungsaufwand“ realitätsgerecht sein. Die bisher angeführten Beispiele, Filmrechte, Gemälde anerkannter Meister, Pkws zeigen, daß die Frage nach dem realitätsgerechten Wertverlauf sehr stark von der Einteilung des Wirtschaftsgutes abhängig ist. Je allgemeiner der Anwendungsbereich einer nicht-linearen Abschreibung ist, um so mehr spricht für die Realitätswidrigkeit dieser Abschreibungsform. Bei Filmrechten zum Beispiel scheint sich der degressive Wertverlauf auf Kinospielfilme zu beschränken. Schon Dokumentarfilme mögen anders zu beurteilen sein. Bezogen auf das Beispiel von Filmrechten etwa wäre eine allgemein degressive Abschreibung verfassungsrechtlich fragwürdig, wenn auch nur ein nicht unbeachtlicher Teil der Filmrechte nicht einem degressiven Wertverlauf unterliegt. Für die verfassungsrechtliche Frage der Abschichtung von Fördertatbeständen folgt daraus, daß der Gesetzgeber nicht nur bei Subventionen, sondern auch bei Normen, die bestimmt sind, ausgleichender Gerechtigkeit zu dienen, bemüht sein muß, den Anwendungsbereich tatbestandlich einzugrenzen, um eine verfassungswidrige Rechtspraxis zu verhindern. Dieses Erfordernis eines restriktiven Anwendungsbereichs der degressiven Abschreibung hat auch die Bundesregierung selbst bei Einführung des § 7 V EStG (degressive Abschreibungen für Herstellungsaufwand von Neu-Gebäuden) zu „schwerwiegenden Bedenken“125 veranlaßt. Die Bundesregierung hielt schon die Bemessung der Nutzungsdauer mit 50 Jahren für „großzügig“; die darüber hinaus gehende Zulassung einer degressiven Abschreibung bei Gebäuden war ihrer Ansicht nach „nicht vertretbar“. Die Bundesregierung hatte einerseits Bedenken, die im Zusammenhang mit dem Prinzip der Besteuerung nach der Lei124
Falterbaum/Bolk/Reiß, Buchführung und Bilanz, Nr. 15.9.4.2 S. 669. Begründung der Bundesregierung zum Gesetzesentwurf, Bundestagsdrucksache IV/2008, S. 5. 125
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Teil IV: Abschreibungen als Subventionstatbestand
stungsfähigkeit stehen a), andererseits aber auch solche, die den Einkünftedualismus des deutschen Steuerrechts berühren und den Zusammenhang mit den Spekulationsfristen aufzeigen b):126 a) Gebäude unterliegen weniger als andere Wirtschaftsgüter dem modischen Geschmack oder technischen Fortschritt. Eine degressive Absetzung neben der kurz bemessenen Nutzungsdauer hielt sie schon deshalb für unvertretbar.127 b) Bei degressiven Abschreibungen entstehenin der Regel erhebliche stille Reserven. Der Dualismus im deutschen Steuerrecht führt für das Privatvermögen dazu, daß diese Reserven am Fiskus vorbeigesteuert werden können. Eine Aufhebung des Dualismus komme jedoch nicht in Betracht, weil dann der Schutz der Privatsphäre nicht mehr gewährleistet sei.128 126 Begründung der Bundesregierung zum Gesetzesentwurf, Bundestagsdrucksache IV/2008, S. 6. 127 Aus der Rechtsprechung des BFH zu § 7 in den bis 1957 geltenden Fassungen ergäbe sich, daß degressive Abschreibung nur bei solchen Wirtschaftsgütern das angemessene Abschreibungsverfahren war, bei denen die Leistung bzw. der Nutzen wesentlich absinkt und in den späteren Jahren in erheblichem Umfang ein steigender Erhaltungsaufwand notwendig wird. Außerdem müßten die Wirtschaftsgüter in besonderem Maße einem Fortschrittsrisiko oder dem schnellen Wandel des modischen Geschmacks unterliegen. Diese Voraussetzungen lägen bei Gebäuden im allgemeinen nicht vor. Das Abschreibungsverfahren könne nicht von der Bemessung der Nutzungsdauer getrennt werden, da Gesichtspunkten, die für die Zulassung der degressiven Abschreibung sprechen können, auch durch eine besonders kurz bemessene Nutzungsdauer Rechnung getragen werden könne. Neben einer besonders kurz bemessenen Nutzungsdauer könne nicht auch noch die degressive Abschreibung zugelassen werden. 128 Bei der degressiven Abschreibung stünden den in den ersten Jahren zulässigen hohen Absetzungen im allgemeinen keine entsprechende Entwertungen des Wirtschaftsgutes gegenüber. Die Anwendung der degressiven Abschreibungsmethode führe deshalb regelmäßig zunächst zur Bildung erheblicher stiller Reserven. Dieses Ergebnis ließe sich nur vertreten, wenn sichergestellt ist, daß die stillen Reserven bei einer Veräußerung des Wirtschaftsguts steuerlich erfaßt werden. Das träfe nur bei Wirtschaftsgütern, die zu einem Betriebsvermögen gehören, zu, da die hier zur Anwendung kommenden steuerlichen Gewinnermittlungsvorschriften gewährleisten, daß vorhandene stille Reserven in jedem Fall steuerlich erfaßt werden. Würde die degressive Abschreibung jedoch auch bei Gebäuden zugelassen werden, die nicht zu einem Betriebsvermögen gehören, so würde eine Besteuerung der durch die hohen Absetzungen in den ersten Jahren entstandenen stillen Reserven in aller Regel nicht stattfinden, weil in diesen Fällen der bei einer Veräußerung erzielte Gewinn grundsätzlich steuerfrei sei. Man könne zwar daran denken, die unterschiedlichen Auswirkungen, die sich nach der derzeitigen Rechtslage bei betrieblichen und privaten Gebäuden ergeben, dadurch zu beseitigen, daß auch die bei Veräußerung privater Gebäude erzielten Gewinne der Einkommensteuer unterworfen werden. Gegen eine solche Maßnahme bestünden aber so erhebliche Bedenken (Verletzung des Grundsatzes, daß Vorgänge in der privaten Vermögenssphäre einkommensteuerlich grundsätzlich unberücksichtigt bleiben müssen; Gefahr von Weiterungen, da die Maßnahme auf die Dauer nicht auf Gebäude beschränkt werden könnte, sondern auf weitere Wirtschaftsgüter des Privatvermögens, insbesondere auf die Wertpapiere, ausgedehnt werden müßte), daß sie nicht in Betracht kommen könne.
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Diesen Bedenken der Bundesregierung hat sich der Bundestag nur teilweise angeschlossen. Auf Gesetzesentwurf des Bundestages entstand schließlich dennoch § 7 IV EStG. Alt-Gebäude (Fertigstellung vor dem 1.1.1925) sollten mit 2,5 v.H., Neugebäude (Fertigstellung nach dem 31.12.1924) sollten mit 2 v.H. jährlich abzuschreiben sein. Gebäude, die nach dem 31.12.1964 fertiggestellt worden sind, durften jedoch nach dem neuen § 7 V EStG in Zukunft degressiv129 abgeschrieben werden. Der Finanzausschuß hat den Vorstellungen der Bundesregierung nur teilweise Rechnung getragen und deshalb die degressive Abschreibung der Anschaffungskosten nicht aufgenommen.130 Eine allgemeine, degressive Abschreibung auf Gebäude, unabhängig von einem tatsächlichen Vorliegen eines besonderen Wertverfalles, entspricht nicht einer realitätsgerechten Besteuerung und unterliegt deshalb den Rechtfertigungskriterien für Verschonungssubventionen. Wie die Bedenken der Bundesregierung zeigen, ist eine derartige Abschreibung insbesondere dann verfassungsrechtlich bedenklich, wenn sie auch auf Überschußeinkünfte anwendbar ist. Bei langfristigen Wirtschaftsgütern und einer Veräußerung außerhalb der Spekulationsfristen ermöglicht der Gesetzgeber es auf diese Weise nämlich dem Steuerpflichtigen, die Entstehung stiller Reserven steuermindernd geltend zu machen, die Auflösung der stillen Reserven jedoch als steuerneutralen Vorgang zu behandeln. Insbesondere bei Immobilien wird dies deutlich: Der gesetzlich vorgesehene Wertverlust liegt tatsächlich nicht vor, in der Regel steigen Immobilien im Wert. Erfolgt die Veräußerung nach Ablauf der „Spekulationsfrist“ von 10 Jahren, ist läßt sich die Wertsteigerung steuerfrei realisieren. Aus dem Erfordernis, eine Gleichheit im Belastungserfolg allgemein herzustellen, ergibt sich mithin, daß Abschreibungen in einem Funktionszusammenhang mit den verschiedenen Einkunftsarten stehen. Degressive Abschreibungen müssen deshalb auch in ihrer Anwendung auf Überschußeinkünfte verfassungsrechtlich zu rechtfertigen sein. Ergibt sich, daß der Staat selbst den Gleichheitsanspruch der Besteuerung unterminiert, indem er das „Vorbeischleusen“ stiller Reserven ermöglicht, dann muß ihm dieser gleichheitswidrige Belastungserfolg zugerechnet werden. Zwischenergebnis: Die objektive Abschichtung von Förderabschreibungen sucht nach dem objektiven Zweck einer Regelung. Zunächst ist nach dem Willen des Gesetzgebers zu forschen. Zeigt sich hierbei ein Wille, lenkend einzugreifen, ist dies ein erhebliches Indiz für eine Qualifikation als Förderabschreibungstatbestand. Auch bei langlebigen Wirtschaftsgütern ist wegen Art. 109 II GG selbst im Zweifel kein „good-will-Aufschlag“ geboten, um die Inflation mit 129 Entwurf des Bundestages, Drucksache IV/2191, übernommen in die Endfassung, Bundesgesetzblatt I, 1964, S. 353. 130 Bericht des Finanzausschusses, Abgeordneter Schlee, Drucksache zu IV/2191, S. 3.
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Teil IV: Abschreibungen als Subventionstatbestand
zu berücksichtigen. Das Nominalprinzip des Steuerrechts hat über Art. 109 II GG Verfassungsrang. Die Teilwertabschreibungsmöglichkeiten sind in ihrer Vielfältigkeit so nicht mit dem auf Allgemeinheit angelegten Steueranspruch vereinbar und verfassungswidrig. Für degressive Abschreibungen gilt, daß sie tatbestandlich sich auf Wirtschaftsgüter beschränken müssen, deren Wertverlust beschleunigt ist. Sind sie tatbestandlich nicht auf derartige Wirtschaftsgüter eingegrenzt, spricht dies für ihre Verfassungswidrigkeit.
C. Förderabschreibungstatbestände als Subvention Durch Förderabschreibungstatbestände entsteht ein Stundungseffekt. Einkommensspitzen können vermieden werden (Flexibilität); bei absehbar sinkenden Einkommen kann die Steuer effektiv vermieden werden.131 Förderabschreibungstatbestände beinhalten damit einen, von den Verhältnissen des Steuerpflichtigen abhängigen Vorteil. Dieser hat einen bezifferbaren Vermögenswert und setzt keine Gegenleistung voraus. Die Förderabschreibung gilt nur zu Gunsten von Steuerpflichtigen. Hoheitsträger sind i. d. R. in bezug auf ihre hoheitlichen Befugnisse von der Steuerpflicht ausgenommen (§ 1 I 1 EStG, §§ 1 I Nr. 4–6, 2 Nr. 2 KStG). Die Zuwendung gilt damit nur für private Rechtsträger. Sie dient auch dem Zweck, diese instandzusetzen, öffentlichen Bedürfnissen zu entsprechen. Bei Verschonungssubventionen wird der Zweck allerdings erst ex post festgestellt. Nach Vollzug der „förderungswürdigen Handlung“ wird die in Aussicht gestellte Begünstigung gewährt. Damit sind Förderabschreibungstatbestände Subventionen im Sinne der Definition Gusys. Sie beeinträchtigen das Prinzip der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit und bedürfen insoweit einer Rechtfertigung (Art. 3 I).
131
Vgl. oben § 1 Steuervorteil durch Förderabschreibungstatbestände.
Teil V
Europarechtliche Grenzen für Förderabschreibungstatbestände Dem Willen des deutschen Gesetzgebers, durch besondere Abschreibungstatbestände die Konjunktur gezielt zu beeinflussen oder andere ertragsfremde Zwecke zu verfolgen, sind europarechtliche Grenzen gesetzt. Das Europarecht zeigt sich insofern als widersprüchliche Rechtsordnung: Die EU wird immer wieder für ihre Subventionspolitik angegriffen1; ihrerseits geht die Wettbewerbs-Abteilung der Kommission aber mit zum Teil2 erstaunlicher Härte gegen nationale Beihilfen vor.3 Im Schwerpunkt werden sich die europarechtlichen Ausführungen mit den „Vorschriften über staatliche Beihilfen“4 beschäftigen. Die Anwendung des Beihilfenrechts auf Maßnahmen der direkten Unternehmensbesteuerung befindet sich noch in der Entwicklungsphase: Viele Fragen sind „ungeklärt“5, die Rechtssicherheit der Unternehmen und Mitgliedstaaten ist „eingeschränkt“6. Sind diese Vorschriften des Beihilfenrechts in ihrer Anwendung auf Förderabschreibungstatbestände erläutert worden, bleibt schließlich fraglich, ob daneben noch andere europarechtliche Vorschriften geeignet sind, der Grenzziehung zu dienen.
1
Schmid, DIE ZEIT, Nr. 10, 1.3.1996, Wirtschaft. Insgesamt zeigt sich die Kommission jedoch relativ verständnisvoll: Von sämtlichen abschließenden Entscheidungen, die die Kommission im Zeitraum 1999 bis 2001 erlassen hat, waren nur 7% negative Entscheidungen, Pressemitteilung über die Veröffentlichung des neuesten Beihilfenanzeigers IP/02/754; der Beihilfenanzeiger ist abrufbar unter http://europa.eu.int/comm/competition/state_aid/scoreboard/. 3 Vgl. etwa die Äußerung von Karel von Miert, es sei an der Zeit die Sonderregeln (für Ostdeutschland) zu beenden, schließlich herrsche auch andernorts hohe Arbeitslosigkeit. Schmid, DIE ZEIT, Nr. 33, 9.8.1996 Wirtschaft. 4 Ein sehr informativer und kurzer Überblick über das Beihilfenrecht findet sich bei Pinto, European Taxation, 1999, S. 295–304. 5 Schwarze – Bertold Bär-Bouyssière, Art. 87 EGV Rn. 43. 6 Schwarze – Bertold Bär-Bouyssière, Art. 87 EGV Rn. 43. 2
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Teil V: Europarechtliche Grenzen
§ 12 Grenzen durch die Beihilferegelungen gem. Art. 87–89 EGV A. Rechtsentwicklung zu Förder-Abschreibungen und Beihilfenrecht Ob der Stundungsvorteil, der sich aus einer besonders günstigen nationalen Abschreibungsvorschrift ergibt, eine Beihilfe nach Art. 87 EGV darstellt, ist weder durch den EuGH, noch durch das EuG 1. Instanz geklärt worden. Der EuGH hat sich jedoch mehrfach mit einer Verminderung der Sozialabgaben zur Konjunkturförderung beschäftigen müssen. Von großer Bedeutung war dabei die Entscheidung zu den Familienzulagen im italienischen Textilsektor. Der Fall, der Anlaß zu diesen Formulierungen gab, betraf ein italienisches Gesetz, das eine Verringerung der Sozialabgaben für den Textilsektor vorsah. Die Kommission entschied am 25.7.1973, daß die Italienische Republik die entsprechende Bestimmung „aufhebt“. Gegen diese Entscheidung erhob die Regierung der Italienischen Republik Nichtigkeitsfeststellungsklage gem. Art. 230 EGV (n. F.). Die Klage wurde abgewiesen.7 Italien argumentierte8, die Maßnahme sei dem Bereich der innerstaatlichen Steuern zuzuordnen oder als soziale Maßnahme zu qualifizieren. Dieser Bereich sei der Souveränität der Mitgliedstaaten vorbehalten.9 Dieses Argument wies der EuGH mit der Begründung ab, die Vorschrift des heutigen Art. 87 wolle verhindern, daß der Handel zwischen Mitgliedstaaten durch von staatlichen Stellen gewährte Vergünstigungen beeinträchtigt wird, die in verschiedenartiger Weise durch die Bevorzugung bestimmter Unternehmen oder Produktionszweige den Wettbewerb verfälschen oder zu verfälschen drohen. Die Vorschrift unterscheide nicht nach den Gründen oder Zielen solcher Maßnahmen, sondern beschreibe diese nach ihren Wirkungen. Um eine von einem Mitgliedstaat getroffene Maßnahme dem Anwendungsbereich des Art. 8710 zu entziehen, genüge es mithin nicht, daß die Maßnahme möglicherweise steuerlicher Art sei oder eine soziale Zielsetzung habe.11
7 EuGH „Familienzulagen im Textilsektor“, Rs. 173/73, 2.7.1974, Ital. Republik ./. Kommission, Sammlung 1974, 709 (710). 8 Hier sollen nur die materiellen Hilfsklagegründe Erwähnung finden. Die Hauptklagegründe waren rein formell und betrafen die angeblich fehlerhafte Begründung der Kommissionsentscheidung. 9 EuGH „Familienzulagen im Textilsektor“, Rs. 173/73, 2.7.1974, Ital. Republik ./. Kommission, Sammlung 1974, 709 (718), Rn. 21. 10 Nummerierungsweise folgt dem Vertrag von Amsterdam, auch wenn – wie hier – in der Zitatstelle noch die Nummerierungsweise nach dem Vertrag von Maastricht verwendet worden ist.
§ 12 Grenzen durch die Beihilferegelungen gem. Art. 87–89 EGV
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Weiterhin brachte Italien vor, die Maßnahme wolle lediglich die Belastungen wieder ins Gleichgewicht bringen, die für die Textilindustrie aus dem allgemeinen System der Sozialbeiträge herrührten. Italien brachte mit dieser unklaren Formulierung den Gedanken zum Ausdruck, die Textilindustrie sei durch den hohen Anteil weiblicher Arbeitnehmer besonders mit den Familienzulagen belastet. Diesen Beweis der Sonderbelastung sah der EuGH als nicht erbracht an. Die teilweise Befreiung von den Soziallasten (. . .) stelle eine Maßnahme dar, welche die Unternehmen eines bestimmten Industriezweiges (. . .) von den finanziellen Lasten freistellen soll, die sich aus der normalen Anwendung des allgemeinen Sozialversicherungssystems ergeben, ohne daß diese Befreiung durch die Natur oder den inneren Aufbau dieses Systems gerechtfertigt ist.12 Inhaltlich hätte das Argument vermutlich beim EuGH Gehör gefunden, wenn die behauptete Tatsache bewiesen worden wäre. Schließlich argumentierte die italienische Regierung, sie wolle damit nur die im Vergleich zu anderen Mitgliedstaaten höheren italienischen Soziallasten ausgleichen. Darauf entgegnete der EuGH, daß „bei der Anwendung des Artikels 87 I notwendigerweise von der Wettbewerbslage auszugehen ist, die vor dem Erlaß der strittigen Maßnahme auf dem Gemeinsamen Markt bestand (. . .).“ Im übrigen regele der Vertrag in seinen Artikel 99 bis 102 im einzelnen die Beseitigung allgemeiner Verzerrungen, die aus den Unterschieden zwischen den Steuer- und Sozialversicherungssystemen der verschiedenen Mitgliedstaaten herrühren (. . .). Die einseitige Veränderung eines bestimmten Produktionskostenfaktors in einem Wirtschaftssektor eines Mitgliedstaats sei hingegen geeignet, das bestehende Gleichgewicht zu stören.13 Die italienische Textilindustrie stehe mit den Textilunternehmen der übrigen Mitgliedstaaten in Wettbewerb, wie an den umfangreichen und wachsenden Ausfuhren italienischer Textilerzeugnisse in die anderen Mitgliedstaaten des Gemeinsamen Marktes zu erkennen sei. Die Veränderung der Produktionskosten der italienischen Textilindustrie durch die Befreiung von den genannten Soziallasten beeinträchtige zwangsläufig den Handel zwischen den Mitgliedstaaten.14
11 EuGH „Familienzulagen im Textilsektor“, Rs. 173/73, 2.7.1974, Ital. Republik ./. Kommission, Sammlung 1974, 709 (718), Rn. 26. 12 Auch in neueren Entscheidungen stellt der EuGH darauf ab, ob der scheinbare Vorteil „systemimmanent“ ist. EuGH 22.11.2001 C-53/00 Ferring ./. Agence centrale des organismes de sécurité sociale, Rn. 17: „Denn an einem solchen Vorteil fehlt es, wenn die unterschiedliche Behandlung aus Gründen gerechtfertigt ist, die systemimmanent sind (. . .)“ (= in der französischen Ur-Fassung: „En effet, un tel avantage est absent dès lors que ladite différence de traitement est justifiée par des raisons tenant à la logique du système (. . .)“. 13 EuGH „Familienzulagen im Textilsektor“, Rs. 173/73, 2.7.1974, Ital. Republik ./. Kommission, Sammlung 1974, 709 (720), Rn. 36/40. 14 EuGH „Familienzulagen im Textilsektor“, Rs. 173/73, 2.7.1974, Ital. Republik ./. Kommission, Sammlung 1974, 709 (720), Rn. 44/45.
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Teil V: Europarechtliche Grenzen
Die Entscheidung erging in einem Nichtigkeitsfeststellungsverfahren. Der EuGH konnte sich deshalb in seiner Begründung auf die Argumente beschränken, die Italien vorgebracht hatte. Anders als in einem Vorlagebeschluß hat der EuGH keine allgemeinen Kriterien aufgestellt, unter welchen Voraussetzungen steuerliche Vergünstigungstatbestände gegen Art. 87 I EGV verstoßen. Aus der Gegenargumentation des EuGH lassen sich jedoch drei Schlußfolgerungen ziehen: • Das Steuerrecht ist nicht gegen das Beihilfeverbot des EGV „immun“. • Abweichungen von der Regelbesteuerung wird der EuGH als Beihilfen ansehen, wenn „diese Befreiung nicht durch die Natur oder den inneren Aufbau dieses Systems gerechtfertigt ist.“ • Ein Verweis auf die Besteuerung in den anderen Mitgliedstaaten als „Rechtfertigungsgrund“ läßt der EuGH nicht zu.15 Ein Abweichen von der Regelbesteuerung kann sich mithin durch die Natur oder den inneren Aufbau des Steuersystems rechtfertigen. Sonst ist die Erleichterung von der Regelbesteuerung als Beihilfe anzusehen, von deren Verbot nur nach Art. 87 II/III EGV abgesehen werden kann. Der EuGH muß sich jedoch vorwerfen lassen, mit dieser Entscheidung mehr Fragen eröffnet denn geklärt zu haben. Indem er sich darauf beschränkte, auf die Argumente der Kommission zu erwidern, hat er weitgehend offengelassen, unter welchen Voraussetzungen eine Steuervergünstigungsvorschrift als Beihilfe anzusehen ist. Der Hinweis auf „die Natur oder den inneren Aufbau des Systems“ zeigt jedoch schon früh in der Rechtsprechung, daß das Europarecht damit „auf die Gestaltung des innerstaatlichen Steuersystems einwirkt“16. Das Detailproblem, unter welchen Voraussetzungen Abschreibungstatbestände gegen die Vorschriften über Beihilfen verstoßen, ist richterlich nur berührt, nicht jedoch geklärt worden. Allerdings hat die Kommission mit der Entscheidung 96/369/EG Nr. L 146/ 4217 zu dem Problembereich Stellung bezogen. Die Bundesregierung hatte mit Schreiben v. 8.9.1993 die Kommission davon unterrichtet, daß sie eine Verlängerung der Sonderabschreibung gem. § 82f EStDV für die Wirtschaftsjahre 1995 bis 1999 einführen wollte. § 82f EStDV war schon zuvor durch Schreiben v. 21.4.1993, Nr. C 289/2, von der Kommission als gemeinschaftswidrige Beihilfe eingestuft worden.
15 In diesem Sinne auch EuGH Steinike und Weinlig ./. BRD 22.3.1977 Rechtssache 78/76: „Une violation éventuelle par un Etat membre d’une obligation, lui incombant en vertu du traité en rapport avec l’interdiction de l’Art. 92, ne saurait être justifiée par la circonstance que d’autres Etats membres manqueraient également à cette obligation.“ 16 Sedemund, EuZW 2001, S. 609. 17 Vorher Fristsetzung zur Äußerung, C 16/4 v. 19.1.1994.
§ 12 Grenzen durch die Beihilferegelungen gem. Art. 87–89 EGV
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Aufgrund von § 82f EStDV konnten die deutschen Luftverkehrsunternehmen bei Luftfahrzeugen, die für den internationalen Luftverkehr bestimmt waren, im Wirtschaftsjahr der Anschaffung und in den vier folgenden Wirtschaftsjahren Sonderabschreibungen vornehmen. Die Inanspruchnahme war nur zulässig, wenn die Luftfahrzeuge innerhalb eines Zeitraums von sechs Jahren nach ihrer Anschaffung nicht veräußert wurden. Die Abschreibung durfte höchstens 30% der Gesamtkosten der Anschaffung betragen. § 82f EStDV betraf nur Luftfahrzeuge, die in die deutsche Luftfahrzeugrolle eingetragen waren. Die deutschen Behörden durften derartige Betriebsgenehmigungen gem. Art. 4 der VO (EWG) Nr. 2407/92 nur erteilen, wenn die Unternehmen ihre Hauptniederlassung in Deutschland hatten. Die kombinierte Anwendung dieser Vorschriften bewirkte, daß allein deutsche Luftfahrtunternehmen für Flugzeuge im internationalen Luftverkehr in die Vergünstigung des § 82f EStDV kommen konnten. In der Entscheidung 96/369/EG Nr. L 146/42 hat die Kommission diese angestrebte Verlängerung deshalb als sektorale Beihilfe18 zu Gunsten der deutschen Luftverkehrsunternehmen eingestuft. Der Handel zwischen den Mitgliedstaaten werde verfälscht, weil die wettbewerbliche Position der deutschen Luftverkehrsunternehmen im Vergleich zu den anderen Gemeinschaftsunternehmen durch § 82f EStDV verstärkt werde. Die Begünstigung wurde dabei nicht nur in dem Vergleich zur linearen Abschreibung gesehen; § 82f ermögliche es den Luftfahrtunternehmen, den vorgesehenen Abschreibungsbetrag nach eigenem Ermessen zu beeinflussen, je nachdem, ob sie in einem Geschäftsjahr Gewinne oder Verluste machen. Dadurch werde nicht nur ihr versteuertes Einkommen zeitlich gestreut, sondern in bestimmten Fällen ganz neutralisiert, obwohl grundsätzlich ein Verschieben von Gewinnen durch Gewinnvortrag im deutschen Steuerrecht nicht erlaubt sei.19 Auch eine Ausnahme gem. Art. 87 II oder III wurde abgelehnt. Die dagegen angestrengte Klage der deutschen Luftverkehrsunternehmen wurde als unzulässig abgewiesen.20 Andere Personen als die Adressaten einer Entscheidung seien nur dann individuell im Sinne von Art. 230 IV EGV betroffen, wenn diese Entscheidung sie wegen bestimmter persönlicher Eigenschaften oder besonderer, sie aus dem Kreis aller übrigen Personen heraushebender Umstände berührt und sie dadurch in ähnlicher Weise individualisiert wie einen Adressaten. Für die potentiell Begünstigten der angestrebten Verlängerung sei dies eine Maßnahme mit allgemeiner Geltung, die für objektiv bestimmte Situationen gilt und Rechtswirkungen gegenüber einer allgemein und abstrakt umschriebenen Personengruppe erzeugt.21 Die Klage wurde also wegen fehlender Klagebefugnis abgewiesen. Da die Klage aus formellen Gründen ab18 Sektorale Beihilfen sind staatliche Finanzzuführungen, die Unternehmen in bestimmten Wirtschaftszweigen zugute kommen, Koenig/Kühling/Ritter, EG-Beihilfenrecht, S. 170. 19 Entscheidung 96/369/EG Nr. L 146/42, Abschnitt V. 20 EuG, 11.2.1999, EWS 1999, 265.
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Teil V: Europarechtliche Grenzen
gelehnt worden ist, ist die materiell-rechtliche Frage, unter welchen Voraussetzungen Förderabschreibungen gemeinschaftswidrige Beihilfen darstellen, noch nicht richterlich geklärt. Der Fall zu § 82f EStDV stellt eine „Rarität“ dar. Eine Sonderabschreibung, die allein deutsche Unternehmen allein bei ihren internationalen Aktivitäten unterstützt, gibt es ansonsten nicht. Derart „ungeschicktes“ Verhalten des Gesetzgebers ist eine Seltenheit. Lehrreich ist der Verfahrensverlauf in dreierlei Hinsicht: • Er zeigt, daß auch die Kommission die Gemeinschaftsrelevanz der Abschreibungstatbestände erkannt hat. • Er zeigt ferner, daß Deutschland den Präzedenzfall vermeiden wollte. • Er zeigt, daß die tatbestandlich begünstigten Unternehmen mangels Klagebefugnis vor dem EuG kein Gehör finden werden. Damit wird die weitere Rechtsentwicklung im Bereich Beihilfen und Förderabschreibungen wohl der Kommission überlassen bleiben. Die Ansicht, die weiteren Entwicklungen im Bereich Steuervergünstigungen und Beihilfenrecht seien der Kommission überlassen, wird insbesondere durch die „Mitteilung der Kommission über die Anwendung der Beihilfevorschriften im Bereich der direkten Unternehmensbesteuerung“ (98/C 384/03) bestätigt. Im folgenden wird deshalb versucht, unter Bezugnahme auf die bisherige Rechtsprechung des EuGH zu anderen Fragestellungen, Rückschlüsse zu ziehen, unter welchen Voraussetzungen Förder-Abschreibungstatbestände nach gegenwärtiger Rechtsentwicklung als Beihilfen anzusehen sind.
B. Explizite und implizite Tatbestandsvoraussetzungen des Art. 87 I EGV Dabei soll zunächst von Art. 87 EGV ausgegangen werden. Art. 87 I EGV lautet: „Soweit in diesem Vertrag nicht etwas anderes bestimmt ist, sind staatliche oder aus staatlichen Mitteln gewährte Beihilfen gleich welcher Art, die durch die Begünstigung bestimmter Unternehmen oder Produktionszweige den Wettbewerb verfälschen oder zu verfälschen drohen, mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar, soweit sie den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigen.“
Art. 87 II regelt bestimmte Beihilfen, die der EGV als mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar ansieht, Art. 87 III regelt Beihilfen, die nach pflichtgemäßer Ermessensausübung der Kommission als mit dem Gemeinsamen Markt ver21 EuG, 11.2.1999, EWS 1999, 267, Abs. 45; hätten die Luftfahrtunternehmen nachgewiesen, daß ihnen die Rückforderung droht, wäre ihre Klage zulässig gewesen, EuGH Italien und Sardegna Lines/Kommission 19.10.2000 Rs.C-15/98 und C-105/99, Sammlung 2000, I-8855.
§ 12 Grenzen durch die Beihilferegelungen gem. Art. 87–89 EGV
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einbar angesehen werden können. Schließlich kann der Rat einstimmig auf Antrag eines Mitgliedstaats entscheiden, daß eine von diesem Staat gewährte oder geplante Beihilfe in Abweichung von Art. 87 (. . .) als mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar gilt, wenn außergewöhnliche Umstände eine solche Entscheidung rechtfertigen (Art. 88 II Unterabsatz 3 Satz 1). Art. 88 EGV regelt das Verfahren, Art. 89 EGV ermächtigt zum Erlaß von Durchführungsverordnungen zu den Art. 87/88 EGV. Von dieser Ermächtigung wurde durch die VO (EG) Nr. 994/1998 und die VO (EG) Nr. 659/1999 Gebrauch gemacht. Die VO (EG) Nr. 994/1998 ermächtigt die Kommission zu Gruppenfreistellungen (Art. 1) und zum Erlaß einer „de minimis“-Regel. Von der Ermächtigung hat die Kommission mit der VO (EG) Nr. 69/2001 v. 12.1.2001 Gebrauch gemacht.22 Innerhalb des Anwendungsbereichs der VO23 geht die Kommission nach ihren Erfahrungen davon aus, daß Beihilfen bei Einhaltung des Schwellenwerts von 100.000 Euro (innerhalb von drei Jahren) „den Handel zwischen Mitgliedstaaten nicht beeinträchtigen und/ oder den Wettbewerb nicht verfälschen oder zu verfälschen drohen.“24 Systematisch gesehen bilden die Vorschriften des Abschnitts 2 „staatliche Beihilfen“ mit den „Vorschriften für Unternehmen“ die „Wettbewerbsregeln“ (Kapitel 1 des Titels VI). Während die „Vorschriften für Unternehmen“ die Verfälschung des Wettbewerbs von privater Seite verhindern, wenden sich die Vorschriften über „staatliche Beihilfen“ gegen Verfälschungen durch staatliche Einflußnahme. Von der Darstellung der Sonderstatute, in denen „etwas anderes bestimmt ist“, wird hier abgesehen (Agrarpolitik Art. 36 EGV, Fischerei, Verkehr Art. 73, 80 EGV, Ausfuhr in Drittländer Art. 112, Montan EGKSV25, Umweltschutz).26 22 Die Regelungen der Mitteilung, Amtsblatt C 68 v. 6.3.1996 S. 9, sind aus Gründen der Rechtssicherheit in der Verordnung verankert worden (2. Erwägungsgrund der VO (EG) Nr. 69/2001). 23 Art. 1 der VO (EG) Nr. 69/2001 lautet: „Diese Verordnung gilt für Beihilfen an Unternehmen in allen Wirtschaftsbereichen mit folgenden Ausnahmen: a) Beihilfen im Verkehrssektor und für Tätigkeiten, die sich auf die Herstellung, Verarbeitung oder Vermarktung von in Anhang I des EGV aufgeführten Waren beziehen; b) Beihilfen für Exportbezogene Tätigkeiten, d.h. Beihilfen, die unmittelbar mit den ausgeführten Mengen, der Errichtung und dem Betrieb eines Vertriebsnetzes oder den laufenden Ausgaben einer Exporttätigkeit im Zusammenhang stehen; c) Beihilfen, die von der Verwendung heimischer Erzeugnisse zu Lasten von Importwaren abhängig gemacht werden.“ 24 Erwägungsgrund 5 der VO (EG) Nr. 69/2001; die eigentliche „de minimis“-Regelung ist in Art. 2 I, II und III enthalten. 25 Der EGKSV endet am 23.7.2002; ab dann sind Kohle und Stahl als „normale Industrieprodukte“ zu betrachten, auf die der EGV anwendbar ist. Der Vorschlag der Kommission (501PC0423) zum Erlaß einer Verordnung des Rates über staatliche Beihilfen (2001/0172 CNS) soll den Übergang in das neue Recht gewährleisten. Gerade für die Neu-Mitglieder Polen und Tschechien wird dies problematisch. Allein Polen hat zur Zeit eine ebenso hohe Produktion erreicht wie die vier Kohle produzierenden
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Art. 87 (= Art. 92 EGV in der Fassung des Maastrichter Vertrags) enthält bei näherer Betrachtung folgende Tatbestandsmerkmale: (1) staatliche oder aus staatlichen Mitteln gewährte Beihilfe (gleich welcher Art) (2) dadurch Begünstigung bestimmter Unternehmen oder Produktionszweige (3) dadurch tatsächliche oder drohende Wettbewerbsverfälschung (4) soweit dadurch der Handel zwischen den Mitgliedstaaten beeinträchtigt wird.
Abbildung 4: Tatbestandsmerkmale des Art. 87 I EGV
Die Vorschrift verzichtet auf eine Definition des Beihilfebegriffs.27 Wortlaut und Sinn und Zweck sprechen für seine weite Auslegung:28 Der Wortlaut verwendet den Begriff der „Beihilfe“ und damit bewußt ein Wort, das der Alltagssprache fremd ist. Der Begriff der Beihilfe war von Anfang an offen für seine Evolution. Auch der Sinn und Zweck spricht für eine weite Auslegung: Der Sinn und Zweck des EGV wird in Art. 3 normiert. Unter anderem „umfaßt die Tätigkeit der Gemeinschaft“ einen Binnenmarkt ohne Hindernisse (Art. 3 I c) EGV) und „ein System, das den Wettbewerb innerhalb des Binnenmarkts vor Verfälschungen schützt“ (Art. 3 I g) EGV). Unter die „Wettbewerbsregeln“ faßt der EGV die „Vorschriften für Unternehmen“ und „Staatliche Beihilfen“. Der EGV signalisiert damit die zwei Bedrohungen für den reibungslosen Binnenmarkt, von Seiten der Unternehmen und von Seiten der Mitgliedstaaten. Damit zeigt der EGV in seiner Systematik, daß die Gemeinschaft möglichst umfassend gegen wettbewerbsverzerrende Maßnahmen gleich welcher Rechtsnatur vorgehen will. Für eine weite Auslegung spricht schließlich auch der Wortlaut des Art. 87 I mit der Formulierung „Beihilfen gleich welcher Art“. Es blieb dem EuGH überlassen, den Beihilfe-Begriff näherungsweise zu klären. Länder der Gemeinschaft (Deutschland, Vereinigtes Königreich, Spanien, Frankreich), Einleitung, 5. Teil des Vorschlags. Das neue Beihilfenregime hat die Kommission in einer Mitteilung zusammengefaßt. Schließungs- und Entwicklungsbeihilfen bleiben möglich, Communication de la Commission sur certains aspects du traitement des affaires de concurrence résultant de l’expiration du traité CECA, S. 6, abrufbar im Internet unter http://europa.eu.int/ comm/competition/state_aid/ . 26 Oppermann, Europarecht, § 15 Rn. 1103–1107. 27 Auch die VO (EG) 659/1999 schweigt hierzu (Art. 1a): „Im Sinne dieser Verordnung bezeichnet der Ausdruck, ,Beihilfen‘ alle Maßnahmen, die die Voraussetzungen des Art. 87 I des Vertrags erfüllen.“ 28 Oppermann, Europarecht, § 15 Rn. 1110.
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I. Begriff der Beihilfe Der EuGH hat dabei Fallgruppen gebildet.29 Eine allgemeine Definition und die damit verbundene Festlegung hat er vermieden30; er hat den Begriff der „Beihilfe“ damit bewußt „subsumtionsfeindlich“ offen gelassen. Dieses Unterlassen ist unter dem Gesichtspunkt der Rechtssicherheit sicherlich zu kritisieren. Ihm liegt das Bestreben zu Grunde, Beihilfeformen und -typen nicht abschließend zu erfassen, um flexibel auf die Erfordernisse des Binnenmarkts reagieren zu können.31 Einigkeit besteht, daß der Begriff weit zu fassen ist, daß die Maßnahmenwirkung entscheidend ist, nicht jedoch die Rechtsform der Maßnahme.32 Ab dort beginnen die Kriterien jedoch weitgehend zu „verschwimmen“. Dennoch lassen sich allgemeine Tatbestandsmerkmale aus dieser Rechtsprechung „herausfiltern“.33 Zusätzliche Schwierigkeiten bei der Suche nach einer begrifflichen Festlegung bereitet die Vorgehensweise des EuGH. Dieser vermengte die verschiedenen, weiteren Tatbestandsmerkmale des Art. 87 EGV mit dem Beihilfebegriff. Obwohl der Wortlaut die Begünstigung an bestimmte Unternehmen oder Produktionszweige als selbständiges Tatbestandsmerkmal erwähnt, ist diese Frage der „Spezialität“ für den EuGH schon im Begriff der Beihilfe enthalten. Aus dessen Rechtsprechung ergeben sich – die Spezialität einbezogen – folgende Merkmale, die den Beihilfebegriff ausmachen:34 (1) Die Maßnahme muß dem Staat zurechenbar sein („Zurechenbarkeit“) (2) Die Maßnahme führt zu einer Belastung öffentlicher Mittel („Ausgabenrelevanz“) (3) Sie bewirkt eine Begünstigung gegenüber der gedachten Normal-Situation („Begünstigung“) (4) Die Begünstigung betrifft nur bestimmte Unternehmen oder Produktionszweige (Bestimmtheit = Spezifizität = Spezialität) Abbildung 5: Merkmale des Beihilfenbegriffs
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Vgl. die ausgeprägte Kasuistik bei Geiger, Art. 87 EGV, Rn. 8. Diese Beobachtung macht auch Müller-Graff, ZHR 152 (1988), 403–438 (415). 31 Wieberneit, Ordnungsrahmen für Umweltsubventionen, spricht von einer „absichtlichen Vermeidung konturenscharfer dogmatischer Fixierungen“, S. 319. Vgl. Cremer, in Calliess/Ruffert, EGV, Art. 87, Rn. 7. 32 Müller-Graff, ZHR 152 (1988), 403–438 (416). 33 Wieberneit, Ordnungsrahmen für Umweltsubventionen, ist der (wohl übertriebenen) Ansicht, daß „sich die Kommission über eine konkrete Begründung und konkrete Verortung der ,Beihilfe‘ selbst im Unklaren ist“. 34 Soltesz, EuZW 1998, S. 748. 30
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Ausdrücklich nicht Tatbestandsmerkmal – wenngleich in der Regel damit verbunden – ist die Verhaltenserwartung gegenüber dem Adressaten einer Beihilfe. Das Europarecht richtet sich gegen jeden wettbewerbsverfälschenden Vorteil durch die Mitgliedstaaten. Es kommt nicht darauf an, ob der Staat und die Beteiligten sich des Vorteils bewußt waren, ob und welche Erwartungen mit der Freigebigkeit verbunden waren. Diese Blindheit für die nationalen Beweggründe ergibt sich zwangsläufig aus der wirkungsorientierten Betrachtungsweise.35 1. Zurechenbarkeit Die Zurechenbarkeit kann problematisch sein, wenn die Förderung durch ein Institut des privaten Rechts erfolgt. Abschreibungstatbestände sind jedoch in jedem Fall auf staatliche Intervention zurückzuführen. Ob es sich dabei um eine Initiative der Legislative oder der Exekutive (etwa eine Abschreibungstabelle) handelt, ist aus europarechtlicher Sicht unerheblich. 2. Belastung öffentlicher Mittel Das Merkmal „Belastung öffentlicher Mittel“ ergibt sich aus der Sloman Neptun-Entscheidung36. Es sieht sich erheblicher Kritik37 ausgesetzt, ist in jüngster Zeit aber durch die Entscheidung zum Stromeinspeisungsgesetz PreussenElektra AG/Schleswag AG38 erneut bestätigt worden. Der Sachverhalt ist für 35 Dies verkennt Hoischen, indem er sich bei der Bestimmung des Beihilfenbegriffs an den der Subvention anlehnt. Auch dort ist nur der objektiv zu ermittelnde Zweck Kennzeichnungsmerkmal; Hoischen, Die Beihilferegelung in Art. 92 EWGV, S. 38: „Eine Beihilfe ist die außerhalb marktkonformer Bedingungen liegende Gewährung eines Vermögensvorteils von einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaft oder der Europäischen Gemeinschaft selbst an eine natürliche oder juristische Person des Privatrechtes, die aufgrund bestimmter berufs- oder branchenspezifischer Eigenschaften individualisierbar ist und den Zweck der Beihilfeleistung durch Vornahme einer Handlung erfüllt, die sozialen, wirtschaftlichen oder wirtschaftspolitischen Interessen des Beihilfegebers dient.“ 36 EuGHE I 1993, 887; das Merkmal ist nicht unumstritten, vom EuGH gegen die Angriffe der Kommission jedoch auch in der Entscheidung zum Stromeinspeisungsgesetz aufrechterhalten worden, EuGH v. 13.3.2001 – C-378/98 (= DVBl. 2001, 633 ff.). 37 So hinterfragt etwa Paul Kirchhof den Wettbewerbsschutz nach dieser Rechtsprechung. Die staatlich angeordnete Abnahmepflicht schwächt zugleich den Abnehmer (um so mehr liegt eine Wettbewerbsbeeinträchtigung nahe) und umgeht die parlamentarische Entscheidung, die mit einer Direktsubvention verbunden wäre. FAZ 8.5.2001, S. 12. 38 EuGH (Plenum), 13.3.2001, Rs. C-379/98 (PreussenElektra AG/Schleswag AG, abgedruckt in EuZW 2001, S. 243. Entscheidungsgrund 59: „Im vorliegenden Fall führt die Verpflichtung privater Elektrizitätsversorgungsunternehmen zur Abnahme von Strom aus erneuerbaren Energiequellen zu festgelegten Mindestpreisen nicht zu
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das Verständnis des Rechtsproblems von Bedeutung: Eine Vorschrift des deutschen IPR (§ 21 IV Flaggenrechtsgesetz) ermöglichte es auf Schiffen unter deutscher Flagge, ausländische Seeleute nicht zu den Bedingungen des deutschen Rechts einzustellen. Der Seebetriebsrat der Sloman Neptun SchiffahrtsAG verweigerte seine Zustimmung zu der Einstellung philippinischer Seeleute zu Niedriglöhnen. Das Arbeitsgericht legte dem EuGH die Frage vor, ob Art. 87 EGV eine entsprechende Regelung nationalen Rechts verbiete. Der EuGH verneinte die Frage. Zwar führte § 21 IV Flaggenrechtsgesetz zu einer Begünstigung eines speziellen Industriezweiges, die Einordnung als Beihilfe lehnte der EuGH dennoch ab; aus der Unterscheidung des Art. 87 I EGV zwischen „staatlichen“ und „aus staatlichen Mitteln gewährten“ Beihilfen folgere, daß diese dem Zweck diene, in den Beihilfenbegriff nicht nur unmittelbar vom Staat gewährte Beihilfen, sondern auch jene Beihilfen einzubeziehen, die durch vom Staat benannte oder errichtete öffentliche oder private Einrichtungen gewährt werden. Daher sei zu prüfen, ob die Vorteile aus einer derartigen Regelung aus staatlichen Mitteln gewährt werden.39 Die mit der Regelung des deutschen IPR verbundene Einbuße an Steuererträgen und Sozialbeiträgen sei einer derartigen Regelung „immanent“ und stelle „kein Mittel dar, um den betroffenen Unternehmen einen bestimmten Vorteil zu gewähren“.40 Das Festhalten des EuGH an dem Merkmal „Belastung öffentlicher Mittel“ über den Wortlaut der deutschen Fassung wird zudem durch den Wortlaut der englischen Fassung bestätigt. In der englischen Fassung lautet Art. 87 I EGV: „Save as otherwise provided in this Treaty, any aid granted by a Member State or through State resources in any form whatsoever which distorts or threaten to distort competition by favouring certain undertakings or the production of certain goods shall, in so far as it affects trade between Member States, be incompatible with the common market“.
„Through State resources“ ist eine Vergünstigung nur, wenn sie eine Ausgabenrelevanz aufweist. Das Erfordernis einer Ausgabenrelevanz führt auch zu einer klareren Abgrenzung zwischen Regelungsbereichen der Grundfreiheiten und dem Beihilferecht. Diese Abgrenzung ist auch unter Zuständigkeitsgesichtspunkten wünschenswert. Während die Grundfreiheiten unmittelbar anwendbar einer unmittelbaren oder mittelbaren Übertragung staatlicher Mittel auf die Unternehmen, die diesen Strom erzeugen.“ Entscheidungsgrund 62: „Dieses Ergebnis wird auch nicht dadurch in Frage gestellt, daß sich die finanzielle Belastung durch die Abnahmepflicht zu Mindestpreisen, wie das vorlegende Gericht ausführt, negativ auf das wirtschaftliche Ergebnis der dieser Pflicht unterliegenden Unternehmen auswirken und dadurch die Steuereinnahmen des Staates verringern kann. Diese Folge ist einer derartigen Regelung immanent und kann nicht als Mittel gesehen werden den Erzeugern von Strom aus erneuerbaren Energiequellen auf Kosten des Staates einen bestimmten Vorteil zu gewähren (. . .).“ 39 Sloman Neptun, Sammlung 1993, I, 935, Abs. 20. 40 Sloman Neptun, Sammlung 1993, I, 935, Abs. 21.
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sind, ist für die Feststellung der Unvereinbarkeit einer Beihilfe die Kommission zuständig.41 Abzustellen für die Frage der Belastung öffentlicher Mittel ist auf die mit der Regelung gesetzte Primärrechtsfolge.42 Die Primärrechtsfolge einer Förder-Abschreibung besteht zunächst in einer Steuerstundung, während eine Steuervermeidung nur bei stark schwankenden Einkünften eintritt. Fraglich ist deshalb, ob diese Stundung das Merkmal „Belastung öffentlicher Mittel“ erfüllt. Das wäre dann zu verneinen, wenn mit den Worten „Belastung öffentlicher Mittel“ nur die endgültige Belastung erfaßt wäre. Das ist jedoch nicht der Fall. Nicht jeder durch den Staat herbeigeführte Vorteil ist erfaßt, sondern nur der Vorteil, der Korrelat eines staatlichen Nachteils ist. Dann stecken Staat und Wirtschaft sozusagen „unter einer Decke“, um den Wettbewerb zu verfälschen. Dieses kollusive Einwirken ist aber auch gegeben, wenn der Staat nur zeitweise auf Steuereinnahmen verzichtet, die Steuer also über Abschreibungstatbestände stundet. 3. Begünstigung Der EuGH hat mehrfach klargestellt, daß die Begünstigung nicht zwangsweise in einer Zahlung bestehen muß. Die Verschonung von einer sonst bestehenden Abgabenbelastung ist ausreichend. Dies hat der EuGH nochmals in einer neueren Entscheidung klargestellt.43 Die Entscheidung erging zu der Frage der Erweiterung des § 6b EStG durch § 52 VIII EStG. § 6b EStG sieht eine Übertragung der stillen Reserven vor. § 52 VIII EStG erweiterte den Anwendungsbereich des § 6b für die Wirtschaftsjahre 1996 bis 1998. Gewinne aus der Veräußerung konnten danach bis zur vollen Höhe von den Kosten der Anschaffung von Anteilen an Kapitalgesellschaften abgezogen werden, wenn der Erwerb im Zusammenhang mit einer Kapitalerhöhung oder der Neugründung von Kapitalgesellschaften erfolgt, die ihren Sitz und ihre Geschäftsleitung in den neuen Bundesländern oder in Berlin haben und zum Zeitpunkt des Erwerbs der Beteiligungen jeweils nicht mehr als 250 Arbeitnehmer beschäftigen. Diese Erweiterung wurde von der Kommission als rechtswidrige Beihilfe zu Gunsten der Unternehmen in den neuen Bundesländern oder Berlin eingestuft und untersagt. Der EuGH bestätigte die Entscheidung der Kommission. Zwar sei unstreitig, daß die Steuervergünstigung, die darin besteht, daß Steuerpflichtige, die be41 Auf beide Gesichtspunkte weist Soltesz, EuZW 1998, S. 751 hin. Daraus folgt im Umkehrschluß, daß Begünstigungen ohne Ausgabenrelevanz allein den Grundfreiheiten unterfallen und durch diese sanktionierbar sind. 42 Soltesz, EuZW 1998, S. 752. 43 EuGHE zu § 6b EStG, der die Übertragung stiller Reserven ermöglicht, Az.: C-156/98 v. 19.9.2000.
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stimmte Wirtschaftsgüter veräußern, den daraus resultierenden Veräußerungsgewinn von den Kosten der Anschaffung anderer Wirtschaftsgüter abziehen können, diesen einen Vorteil verschafft, der als eine unterschiedslos auf alle Wirtschaftsteilnehmer anwendbare allgemeine Maßnahme keine Beihilfe an diese Steuerpflichtigen darstellt. Jedoch sah der EuGH in der streitigen Regelung eine Beihilfe zu Gunsten der Unternehmen in den ostdeutschen Bundesländern und Berlin. Beihilfen seien auch „Maßnahmen, die in verschiedener Form die Belastungen vermindern, die ein Unternehmen normalerweise zu tragen hat, und die somit zwar keine Subventionen im strengen Sinne des Wortes darstellen, diesen aber nach Art und Wirkung gleichstehen.“44
Das Hinzutreten einer autonomen Entscheidung der Investoren ließe den Zusammenhang zwischen der Steuervergünstigung und dem den betreffenden Unternehmen gewährten Vorteil nicht entfallen, da nach wirtschaftlicher Betrachtungsweise die Änderung der Marktbedingungen, die diesen Vorteil bewirkt, daraus folge, daß dem Staat Steuereinnahmen entgehen.45 Der EuGH geht dabei davon aus, daß Beihilfen, die ein Unternehmen von den Kosten befreien sollen, die es normalerweise im Rahmen seiner laufenden Geschäftsführung oder seiner üblichen Tätigkeiten zu tragen gehabt hätte, grundsätzlich die Wettbewerbsbedingungen verfälschen.46 Die Beweislast liegt danach bei dem betreffenden Mitgliedstaat. Der EuGH schließt auf diese Beweislastverteilung wohl aus der Formulierung des Vertrages, nach der es ausreicht, wenn die Beihilfe den Wettbewerb zu verfälschen droht. Auch der geringe Umfang einer Beihilfe schließt nach dieser Rechtsprechung die Möglichkeit einer Beeinträchtigung des Handels zwischen Mitgliedstaaten nicht aus. Wenn nämlich die Beihilfe die Stellung eines Unternehmens gegenüber anderen Wettbewerbern im innergemeinschaftlichen Handel verstärkt, so müsse dieser Handel als von der Beihilfe beeinflußt angesehen werden.
44 Diese wiederholt verwendete Formulierung des EuGH nähert sich einer allgemeinen Definition an und ist deshalb in vielen Kommentaren Ausgangspunkt der Untersuchungen, vgl. etwa Cremer, in Calliess/Ruffert, EGV, Art. 87, Rn. 7. Formulierung hier zitiert aus EuGHE zu § 6b EStG, der die Übertragung stiller Reserven ermöglicht, Az.: C-156/98 v. 19.9.2000, Abs. 25, identisch EuGH v. 15.3.1994, Banco Credito ./. gegen Ayuntamiento de Valencia, EWS 1994, 132, Abs. 13; ähnlich formuliert das EuG Az. T-106/95, Sammlung 1997, II, 229, Leitsatz 10: „Eine Maßnahme, mit der staatliche Stellen einem öffentlichen Unternehmen eine Steuervergünstigung gewähren, die zwar nicht mit der Übertragung staatlicher Mittel verbunden ist, aber den Begünstigten finanziell besser stellt als die übrigen Steuerpflichtigen, stellt eine staatliche Beihilfe im Sinne von Art. 92 I des Vertrages dar.“ 45 EuGHE zu § 6b EStG, der die Übertragung stiller Reserven ermöglicht, Az.: C156/98 v. 19.9.2000, Abs. 27. 46 EuGHE zu § 6b EStG, der die Übertragung stiller Reserven ermöglicht, Az.: C156/98 v. 19.9.2000, Abs. 30.
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Auch die „de minimis“-Regel, auf die sich die deutsche Regierung berief, nach der Beihilfen bis 100.000 ECU den Handel nicht beeinträchtigen, stand dieser Ansicht nicht entgegen. Es sei nämlich durch nichts gewährleistet, daß die in dieser Mittelung festgelegte Schwelle von 100.000 ECU nicht überschritten wird. Die Kommission folgt damit dem Ansatz, nach dem im Beihilfenrecht – anders als im Kartellrecht – kein allgemeines Kriterium der Spürbarkeit in den Tatbestand des Art. 87 I EGV hineinzuinterpretieren ist. Jedenfalls für Steuervergünstigungen, deren Beihilfenintensität im Einzelfall und in der gesamtwirtschaftlichen Perspektive kaum einzuschätzen sind, überzeugt diese strenge Vorgehensweise.47 4. Zwischenergebnis zu den Voraussetzungen des Art. 87 I EGV a) Zwischenergebnis zum Begriff der „Beihilfe“ Für die Subsumtion der Frage, ob bzw. wann eine besondere Abschreibungsregel eine Beihilfe darstellt, hat der EuGH die meisten Fragen in anderem Zusammenhang schon beantwortet. Wie besehen, bewirken die Förder-Abschreibungstatbestände eine steuerliche Begünstigung gegenüber der Regelbesteuerung. Aus der Rechtsprechung ergibt sich, daß auch eine zeitweilige Verschonung von einer Regelbesteuerung, d.h. ein bloßes Unterlassen, ausreichend ist.48 Die Höhe der Begünstigung ist unerheblich. Die „de minimis“-Regelung ist mangels Meßbarkeit der Begünstigung nicht anwendbar. Der Stundungsvorteil steht auch im Zusammenhang mit einer steuerlichen Mindereinnahme beim betreffenden Steuerpflichtigen. Der Begünstigungsvorteil ist dem Staat zurechenbar; die Zurechenbarkeit entfällt nicht dadurch, daß für das Eintreten der Begünstigung eine autonome Entscheidung des Steuerpflichtigen erforderlich ist. Einzig problematisch ist das Merkmal der Spezialität. Ließe sich diese bejahen, würden allerdings auch die übrigen Merkmale des Art. 87 EGV vorliegen. b) Zwischenergebnis zu den sonstigen Voraussetzungen des Art. 87 I EGV Eine Förder-Abschreibung befreit die Unternehmen von den Kosten, die sie normalerweise im Rahmen ihrer laufenden Geschäftsführung oder ihrer üblichen Tätigkeiten zu tragen gehabt hätten und ist damit Betriebsbeihilfe.49 Be47
A. A. sind z. B. Koenig/Kühling/Ritter, EG-Beihilfenrecht, S. 89. Auch das Aufschieben einer Zahlungspflicht ist ausreichend, Pinto, European Taxation, 1999, S. 307. 48
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triebsbeihilfen drohen nach der bisherigen Rechtsprechung grundsätzlich die Wettbewerbsbedingungen zu verfälschen (Ziffer 3 der Voraussetzungen gem. Art. 87 I EGV, s. o.).50 Aus der allgemeinen Stärkung der „Stellung“51 eines Unternehmens gegenüber anderen Wettbewerbern im innergemeinschaftlichen Handel schließt der EuGH schließlich auf die Beeinflussung des innergemeinschaftlichen Handels (Ziffer 4 der Voraussetzungen gem. Art. 87 I EGV, s. o.). Die Beeinträchtigung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten wird (widerlegbar) vermutet, sobald ein Unternehmen einer Wirtschaftstätigkeit nachgeht, die Gegenstand des „Handels“ zwischen den Mitgliedstaaten ist.52 „Handel“ umfaßt dabei nicht nur den Warenaustausch, sondern auch den Dienstleistungsverkehr.53 Zwar könnte man gegen diese Vorgehensweise des EuGH einwenden, er verkenne die Selbständigkeit des Merkmals „Beeinträchtigung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten“. Offensichtlich gingen die „Väter“ des EGV davon aus, daß eine drohende Wettbewerbsverfälschung allein nationale Ausmaße haben kann. Dagegen spricht aber, daß das Merkmal „Beeinträchtigung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten“ ein „anachronistisches Relikt aus der Gründerzeit“ ist.54 Dem Merkmal liegt die Vorstellung von einzelstaatlich parzellierten Märkten zugrunde.55 Bei der nun schon fortgeschrittenen Europäisierung der Märkte ist es nicht mehr hinreichend geeignet, als selbständiges Merkmal bestimmte Fördermaßnahmen von der Beihilfeaufsicht des Art. 87 ff. EGV auszuschließen.56 Gegen die Vorgehensweise des EuGH, von der Wettbewerbsverfälschung auf die Beeinträchtigung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten zu schließen, bestehen damit keine Einwände. Einziges weiterhin zu untersuchendes Merkmal für die Subsumtion von Förderabschreibungstatbeständen ist nach diesem Zwischenergebnis also die „Begünstigung bestimmter Unternehmen oder Produktionszweige“, in der englischen Fassung „favouring certain undertakings or the production of certain goods“, in der französischen Fassung „favorisant certaines entreprises ou certai49 Senkungen der laufenden Ausgaben eines Unternehmens sind Betriebsbeihilfen, Koenig/Kühling/Ritter, EG-Beihilfenrecht, S. 163. 50 EuGHE, Az.: C-156/98 v. 19.9.2000, Abs. 30. 51 EuGH 22.11.2001 C-53/00 Ferring ./. Agence centrale des organismes de sécurité sociale, Rn. 21: „Verstärkt im übrigen ein von einem Mitgliedstaat gewährter Vorteil die Stellung einer Gruppe von Unternehmen gegenüber anderen, mit ihnen im innergemeinschaftlichen Handel im Wettbewerb stehenden Unternehmen, so muß dieser Handel als von diesem Vorteil beeinflußt betrachtet werden (. . .).“ 52 Wartenburger, IStR 2001, S. 398. 53 Dies folgt aus der französischen Fassung, „échange“, italienische Fassung: „scampi“; Modlich, EWS 1996, S. 405; Wolfgang Cremer, in Calliess/Ruffert, EGV, Art. 87, Rn. 16; Geiger, Art. 87 EGV, Rn. 14. 54 Müller-Graff hält das Merkmal der Handelsbeeinträchtigung trotz seiner anachronistischen Züge für akzeptabel, ZHR 152 (1988), 403–438 (433). 55 Müller-Graff, ZHR 152 (1988), 403–438 (433). 56 Modlich, EWS 1996, S. 407.
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nes productions“.57 Läßt sich dieses Merkmal bejahen, fallen Förderabschreibungstatbestände unter das Verbot gem. Art. 87 I EGV. II. Begünstigung bestimmter Unternehmen oder Produktionszweige Unternehmen („undertakings“) i. S. d. Art. 87 EGV sind natürliche und juristische Personen des öffentlichen oder privaten Rechts, die Güter oder Dienstleistungen auf einem Markt anbieten.58 Gegenbegriff zum Unternehmer ist der Verbraucher. Auf eine Gewinnerzielungsabsicht kommt es nicht an.59 Nur bestimmte nicht jedoch (e contrario60) „allgemeine“ Fördermaßnahmen der Wirtschaftspolitik zugunsten der Gesamtheit der Unternehmen werden durch Art. 87 EGV ausgeschlossen.61 Diese Alternativität allgemeine Förderung – spezielle Förderung stellt sich nur bei Steuervergünstigungen. Bei Direktsubventionen stellt sie sich nicht. Daraus resultieren die besonderen Schwierigkeiten, die sich bei der Prüfung von Steuervergünstigungen anhand des Beihilfenrechts ergeben. Wie Müller-Graff angemerkt hat, ist das Außerachtlassen allgemeiner Wirtschaftsförderungsmaßnahmen aus Sicht des gemeinsamen Binnenmarktes logisch nicht zwingend: Im Rahmen des ganzheitlich gedachten Marktes wirkt sich auch die allgemeine Verzerrung der Wettbewerbsbedingungen zu Gunsten eines Mitgliedstaates negativ aus.62 Würden allerdings allgemeine Förderungsmaßnahmen von dem Beihilfeverbot erfaßt, gäbe es keine eigenständige Wirtschaftspolitik der Mitgliedstaaten mehr. Die Abgrenzung zwischen allgemeiner Wirtschaftsförderung und (verbotener) Beihilfe ist damit letztlich eine Frage der Kompetenzabgrenzung zwischen Mitgliedstaaten und Europäischer Union. Ob ein Maßnahme „allgemein“ oder bestimmt ist, entscheidet sich nach der Wirkung der Maßnahme, nicht nach der Formulierung oder Intention, die die Fördermaßnahme begleitet hat. An dieser Stelle ist es noch einmal sinnvoll, sich die Besonderheit von Steuervergünstigungen vor Augen zu führen. Steuervergünstigungen sind in aller Regel Zahlungserleichterungen aufgrund einer Norm. Anders als bei einer Leistungssubvention steht der Empfänger nicht fest. Bestimmt sind Unternehmen oder Produktionszweige, wenn sie sich durch gemeinsame Merkmale oder Eigenschaften unterscheiden.63 Das Merkmal ist in 57 Auch Pinto ist der Ansicht, das Spezialitätskriterium sei „the most difficult to apply“, European Taxation, 1999, S. 303. 58 Wolfgang Cremer, in Calliess/Ruffert, EGV, Art. 87, Rn. 8. 59 Wolfgang Cremer, in Calliess/Ruffert, EGV, Art. 87, Rn. 8. 60 Pinto, European Taxation, 1999, S. 299. 61 Wolfgang Cremer, in Calliess/Ruffert, EGV, Art. 87, Rn. 8. 62 Vgl. Müller-Graff, ZHR 152 (1988), 403–438 (428/429). 63 Wieberneit, Ordnungsrahmen für Umweltsubventionen, S. 338.
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der Rechtsprechung nur selten problematisiert worden. Die Masse der Fälle behandelt die klassische Leistungssubvention. In diesen Fällen ist es unproblematisch, den Adressaten der Begünstigung zu benennen und festzustellen, daß er sich von seinen Konkurrenten unterscheidet. Im Falle der Steuervergünstigung jedoch entsteht eine „Grauzone“64 zwischen allgemeiner (und zulässiger) Wirtschaftspolitik und gezielter (und prinzipiell unzulässiger) Förderung bestimmter Unternehmen oder Produktionszweige. Diese Grauzone hat die Kommission jetzt durch eine Mitteilung über die Anwendung der Beihilfevorschriften auf Steuervergünstigungen zu erhellen versucht. Deren Darstellung wird ein eigener Abschnitt gewidmet. Zuvor soll jedoch versucht werden, ohne diese Gedankenstütze der Kommission sich unbefangen dem Merkmal der Spezialität zu nähern. Dabei zeigt sich, daß das Merkmal der Spezialität bei Steuervergünstigungen eng mit der Marktlage zusammen hängt. Cremer nennt als „allgemeine Fördermaßnahme“ auch verbesserte Abschreibungsmöglichkeiten, „soweit alle (und nicht nur einige) Unternehmen, die in einer Wettbewerbsbeziehung zueinander stehen, diese Vergünstigung in Anspruch nehmen können.“ Müller-Graff will die Selektivität „zuallererst nach der Eignung der Maßnahme zur selektiv wirkenden Begünstigung bestimmen.“ Maßgeblich könne hierbei werden, ob eine (. . .) Maßnahme in ihrer Ausgestaltung allein auf die Begünstigung (. . .) mehrerer nach einem gemeinsamen wettbewerbserheblichen Einzelmerkmal (z. B. Produkt-, Projekt-, Tätigkeits-, Sektor-, Regionspezifizität) von anderen unterscheidbarer und dadurch wenigstens abstrakt identifizierbarer Unternehmen angelegt sei . . . oder nicht. Lehner ist der Ansicht, die Begünstigung „bestimmter Unternehmen“ müsse für eine Wettbewerbsverfälschung oder das Drohen einer Wettbewerbsverfälschung kausal sein und verknüpft damit das Kriterium der Bestimmtheit mit dem der Wettbewerbsverfälschung.65 Diese Ansichten zeigen, daß das Merkmal der Bestimmtheit66 bei Steuervergünstigungen nicht isoliert geprüft werden kann. Ob die Förderung gerade ein bestimmtes Unternehmen oder eine bestimmte Branche fördert, läßt sich erst feststellen, wenn die begünstigten Unternehmen mit ihren europäischen Konkurrenten verglichen werden. Erst wenn eine Wettbewerbsbeeinflussung naheliegt 64
Wieberneit, Ordnungsrahmen für Umweltsubventionen, S. 339. Lehner, DB 1983, S. 1785. 66 Die Begriffe Bestimmtheit, Spezifizität, Spezialität oder Selektivität werden teils synonym verwendet. Gross, RIW, 2002, S. 49; a. A. ist Koenig: „Unter der Selektivität, die nicht mit dem Merkmal der Bestimmtheit verwechselt werden darf, ist diejenige Wirkungsweise einer staatlichen Handlung zu verstehen, die einem oder mehreren Unternehmen auf einem relevanten Markt eine Begünstigung zukommen läßt, während diese anderen versagt bleibt.“ Koenig, Weichenstellungen im EG-Beihilfentatbestand: „Market Economy Investor“ – Test und Marktabgrenzung, Beiheft 69 ZHR, S. 19; dazu noch ausführlich an späterer Stelle. 65
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(„droht“), läßt sich auch das Merkmal der Bestimmtheit bejahen. Diese Beobachtung ist von fundamentaler Bedeutung. Während bei der Leistungssubvention das Merkmal der Bestimmtheit eine eigenständige Bedeutung entwickelt, läßt es sich bei der Steuervergünstigung nicht einzeln prüfen. Das soll ein Beispiel verdeutlichen: Eine Leistungssubvention begünstigt nur ein Unternehmen. Das Merkmal der Bestimmtheit ist hier unproblematisch gegeben. Betreibt das Unternehmen in gesicherter Monopolstellung nur ein Produkt, findet dennoch auf dem relevanten Markt keine Verzerrung statt. Auf dem nur durch dieses Unternehmen beherrschten Markt findet keine selektive Marktverfälschung statt. Auf demselben Produktmarkt wird nun eine Steuervergünstigung eingeführt. Als allgemein formulierte Wirtschaftsmaßnahme ist sofort fraglich, ob die Maßnahme bestimmt ist oder nicht. Dann hilft nur ein Verweis auf die Wettbewerbslage vor und nach der Begünstigung weiter. Dabei ergibt die Prüfung, daß das Unternehmen auf dem Markt eine Monopolstellung innehat. Die Förderung wirkt sich zu Gunsten des gesamten Marktes aus, wenngleich dieser nur aus einem Unternehmen besteht. Damit fehlt es kumulativ an einer Wettbewerbsverfälschung und an der „Bestimmtheit“. Aus der grundlegend verschiedenen Betrachtungsweise zwischen der Beihilfe durch Steuervergünstigung und der Beihilfe durch Einzelakt erklären sich auch einige terminologische Bedeutsamkeiten. So wollen Koenig/Kühling/Ritter die Selektivität und das Merkmal der Bestimmtheit „streng voneinander trennen“, auch wenn die Bestimmtheit einer Maßnahme deren Selektivität indiziere.67 Für andere dagegen sind Selektivität und Bestimmtheit identisch.68 Nach der hier vertretenen Auffassung können – beschränkt auf Steuervergünstigungen – Selektivität und Bestimmtheit zwar denklogisch, nicht aber praktisch getrennt werden. Praktisch läßt sich der Kreis der Begünstigten bei einer Steuervergünstigung erst durch die Wettbewerbswirkungen feststellen. Bei der Leistungssubvention hingegen ist der Ansatz von Koenig/Kühling/Ritter, Selektivität und Bestimmtheit streng zu trennen, voll zu unterstützen. Daraus folgt, daß die Merkmale „tatsächliche oder drohende Wettbewerbsverfälschung“, „Handelsbeeinträchtigung“ und „Bestimmtheit“ bei einer Steuervergünstigung denselben Inhaltskern haben. Liegt eine Wettbewerbsbeeinflussung vor, die zu einer Verfälschung des Marktverhaltens führt, lassen sich alle drei Merkmale bejahen.69 Diese Gesamtschau der Tatbestandsmerkmale ist durch die Eigenheiten von Steuervergünstigungen bedingt und nur für diese zu empfehlen. 67
Koenig/Kühling/Ritter, EG-Beihilfenrecht, S. 86. Gross, RIW, 2002, S. 49. 69 Auch Kube stellt fest, daß in der Praxis der Kommission das Merkmal der Beihilfe und das der Spezifizität nicht getrennt werden, Kube, National Tax Law and the Transnational Control of State Aid, EUI Nr. 2001/9, Page 19. 68
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Dieses Zwischenergebnis mag man als Zirkelschluß kritisieren wollen. Es liegt jedoch an den Besonderheiten des Europarechts, daß Definitionen nicht im Sinne einer Begriffsjurisprudenz feststehen, sondern final gefunden werden. Die Finalität liegt bei den hier interessierenden Vorschriften – wie besehen – in dem Herstellen eines unverzerrten Binnenmarkts. Es ist deshalb nicht weiter verwunderlich, daß gerade dieses Merkmal – trotz der Vermutungsregeln, die der EuGH aufgestellt hat – den Kern der Subsumtion bildet. Zugunsten bestimmter nationaler Unternehmen oder nationaler Produktionszweige muß zu Lasten der europäischen Konkurrenz ein Wettbewerbsvorteil herbeigeführt werden. Dieser ist durch einen Marktvergleich vor und nach der streitigen Maßnahme zu ermitteln.70 Verbindliche Kriterien für eine Wettbewerbsverfälschung durch Beihilfen sind bisher nur in einzelnen Bereichen aufgestellt worden.71 Für den Marktvergleich hat aber das europäische Kartell- und Wettbewerbsrecht Kriterien aufgestellt, die hier – in dem etwas ungewöhnlichen Einstieg über das Beihilfenrecht – wieder aufzugreifen sind. Das Merkmal „drohend“ bezieht auch potentielle Wettbewerber des Begünstigten in den Schutzbereich ein.72 Zwischenergebnis: Ob eine Förderabschreibung dem Beihilfeverbot des Art. 87 I EGV unterfällt, ist durch eine Marktanalyse zu ermitteln. Das einzige dabei streitige und festzustellende Merkmal der Bestimmtheit ist auf dem Weg des Marktvergleichs im Einzelfall zu ermitteln. Es liegt vor, wenn die Förderabschreibung speziell deutschen Unternehmen oder Produktionszweigen Wettbewerbsvorteile gegenüber ihren europäischen Konkurrenten verschafft. Liegen demnach im Einzelfall die Voraussetzungen des Art. 87 I EGV vor, ist weiterhin zu prüfen, ob die Regelung als Ausnahme gem. Art. 87 II EGV mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar ist, oder ob sie von der Kommission gem. Art. 87 III als mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar angesehen werden könnte. III. Vorgehen des EuG 1. Instanz in der Rechtssache CETM/Kommission Das EuG 1. Instanz hat den Maßstab der Selektivität jedoch ohne Rückgriff auf die Wettbewerbsverhältnisse zu bestimmen versucht.73 70
Wolfgang Cremer, in Calliess/Ruffert, EGV, Art. 87, Rn. 12. Interview zwischen Klaus-Peter Schmid und Karel Van Miert. DIE ZEIT, Nr. 15, 7.4.1995, Wirtschaft. Auf die Frage „Warum gibt es eigentlich immer noch keine verbindlichen Kriterien dafür, wann eine staatliche Subvention den Wettbewerb verfälscht und damit abzulehnen ist?“ antwortet Herr Karel van Miert: „Wir haben auch hier immer wieder versucht, allgemeingültige Spielregeln festzulegen. Das gibt es aber nur für einzelne Bereich, etwa Textilindustrie, Vertrieb von Autos, Stahl. In den anderen Fällen müssen wir immer neu prüfen, ob die Spielregeln noch stimmen.“ 72 Wolfgang Cremer, in Calliess/Ruffert, EGV, Art. 87, Rn. 14. 71
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Anlaß war ein Klage der „Confederación Española de Transporte de Mercancías (CETM)“ gegen die Kommission. Die Kommission hatte mit Entscheidung 98/693/EG vom 1. Juli 1998 Spanien aufgefordert, eine Direktsubvention teilweise zurückzuverlangen. Spanien hatte beim Erwerb von Nutzfahrzeugen gem. dem „Plan Renové Industrial“ eine Zinsverbilligung gewährt. Von der Vergünstigung waren nur Großunternehmen ausgeschlossen. Die Kommission forderte die Rückforderung der Zinsvergünstigung für die Unternehmen, die im Beförderungssektor aktiv waren. Die Klägerin, eine Vereinigung, die die Kollektivinteressen von Unternehmen wahrnimmt, argumentierte insbesondere, die Förderung sei eine allgemeine wirtschaftliche Maßnahme und betreffe nicht bestimmte Unternehmen oder Unternehmenszweige. Diese Argumentation wies das EuG zurück (Rn. 40): „Zunächst ist das Vorbringen der Klägerin zurückzuweisen, daß die individuellen Adressaten der Regelung des PRI nicht von vornherein festgestanden hätten. Daß eine Beihilfe nicht für einen von vornherein festgelegten Begünstigten oder mehrere von vornherein festgelegte Begünstigte gilt, sondern einer Reihe objektiver Voraussetzungen unterliegt, aufgrund deren sie im Rahmen eines vorher festgelegten Gesamtbudgets einer unbestimmten Zahl zunächst nicht individualisierter Begünstigter gewährt werden kann, genügt nämlich nicht, um den selektiven Charakter der Maßnahme und damit ihre Einstufung als staatliche Beihilfe im Sinne von Artikel 87 Absatz 1 EG-Vertrag zu verneinen. Aus diesen Umständen folgt lediglich, daß die fragliche Maßnahme keine individuelle Beihilfe ist. Sie stehen jedoch nicht der Beurteilung der fraglichen staatlichen Intervention als eine Beihilferegelung entgegen, die eine selektive und damit spezifische Maßnahme begründet, sofern sie nach ihren Anwendungsvoraussetzungen bestimmten Unternehmen oder Branchen unter Ausschluß anderer eine Vergünstigung gewährt.“
Weiter erklärt es seine sehr weite Vorstellung vom Merkmal der Bestimmtheit (Rn. 41): „Die Kommission verweist in diesem Zusammenhang auf ihre folgenden Ausführungen in der angefochtenen Entscheidung (Abschnitt IV vierter Absatz der Begründung): ,Hinsichtlich der Käufer soll die Maßnahme natürlichen Personen, KMU74, Gebietskörperschaften und kommunalen Dienstleistungsunternehmen zugute kommen. Die Zuschüsse reduzieren die gewöhnlichen Kosten ihrer unternehmerischen Tätigkeit, die ihre Konkurrenten tragen müssen. Nach Auffassung der Kommission verbessert die Beihilfe die Finanzlage und die Handlungsmöglichkeiten der von der Beihilfe begünstigten Unternehmen im Vergleich zu ihren Wettbewerbern.“
Nach diesem Auszug aus der angefochtenen Entscheidung ergibt sich der selektive Charakter der Regelung des PRI daraus, daß sie nur für natürliche Personen, KMU (= Kleine und mittlere Unternehmen), Gebietskörperschaften und
73 Urteil v. 29.9.2000 – Rs. T-55/99, CETM/Kommission, noch nicht in der Sammlung veröffentlicht, aber rechtskräftig. Abrufbar unter http://europa.eu.int/jurisp/ . 74 KMU = Kleine und mittlere Unternehmen.
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kommunale Dienstleistungsunternehmen gilt und dadurch andere Käufer von Nutzfahrzeugen ausschließt. Das EuG 1. Instanz folgt mithin der Kommission in der weiten Vorstellung von Bestimmtheit. Bestimmt ist danach jede Förderung, die nicht jeden Wirtschaftsteilnehmer erfaßt. Der Ausschluß der Großunternehmen oder – positiv formuliert – die Beschränkung auf KMU ist nach Ansicht des EuG damit ausreichend.75 Ähnlich weit verfährt auch die EFTA Überwachungsbehörde.76 Selbst eine Steuer-Tarifsenkung kann nach Ansicht der Kommission eine selektive Maßnahme sein, wenn dadurch die Stellung eines Monopolisten gestärkt wird. Ladbroke, ein englischer Anbieter von Wetten auf Pferderennen, hatte 1989 die Kommission um eine Entscheidung ersucht, weil die französische Regierung dem französischen Monopolisten für Wetten auf Pferderennen, der Paris Mutuel Urbain (= PMU), eine ganze Reihe von finanziellen Unterstützungen gewährte. Da die Entgegennahme von Wettvereinbarungen auch grenzüberschreitend möglich ist, sind Ladbroke und PMU in Wettbewerb geraten. Die Kommission ist den Bitten Ladbrokes weitgehend gefolgt. Am 22.9.1993 entschied sie, daß die Beihilfen zurückzuzahlen wären. Ladbroke hatte jedoch nur einen Teilerfolg errungen. Die Senkung des Steuertarifs der französischen Pferderenn-Wettsteuer hatte die Kommission als Maßnahme angesehen, die einer Reform des Steuersystems entspricht („equivalent to a reform in the form of a ,tax‘ adjustment that is justified by the nature and economy of the system in question“). Die Kommission hat sich dabei nicht an die von ihr selbst vorgebrachten Grundsätze gehalten, nach denen eine TarifSenkung zu Gunsten eines Monopolisten eine Beihilfe darstellen kann.77 75
Hakenberg/Erlbacher, EWS 2001, S. 211. In der Rechtssache Norwegen/EFTA-Überwachungsbehörde entschied der EFTAGerichtshof, daß ein System regional unterschiedlicher Sozialversicherungssysteme bestimmte Unternehmen begünstigt, nämlich solche, die in bestimmten Regionen ansässig sind, EFTA-Gerichtshof, 20.5.1999 Rs. E-6/98, Rn. 37 ff. Abrufbar sind die Entscheidungen des EFTA-Gerichtshofs unter http://www.efta.int/docs/Court/Publica tions/Decision/index.htm: Rn. 38: „The Court thus finds that the system of regionally differentiated social security contributions must be seen as favouring certain undertakings within the meaning of Article 61(1) EEA, unless it can be shown that the selective effect of the measures is justified by the nature or general scheme of the system itself. Any direct or indirect discrimination which is to be considered justified must derive from the inherent logic of the general system and result from objective conditions within that general system. In the opinion of the Court, these criteria are not satisfied in the present case, where differentiation is based on regional criteria alone.“ 77 Entscheidung der Kommission v. 22. September 1993 betreffend der Beihilfen durch die Französische Regierung an „Pari mutuel urbain (PMU)“, Amtsblatt L 300, 07/12/1993 p. 0015–0021, 93/625/EEC: „The tax arrangements applicable to horseraces are the responsibility of the national authorities; consequently, any upward or downward adjustments made to the rates of tax set do not amount to the granting of State aid provided that the changes resulting from such adjustments are applicable 76
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Ladbroke hat darauf die Entscheidung der Kommission vor dem EuG 1. Instanz angegriffen. Das EuG hat zunächst zu der Prüfungsintensität ausgeführt, daß die Kommission bei der Frage, ob eine Maßnahme unter Art. 87 EGV fällt, kein Ermessen hat, für die Frage der Vereinbarkeit der Beihilfe gem. Art. 87 III der Kommission jedoch ein Ermessensspielraum zuzubilligen ist.78 Die Kommission hatte zunächst die Tarifsenkung nicht als Beihilfe angesehen, weil sie einen temporären Charakter habe. Dem hielt das EuG entgegen, Artikel 87 Absatz 1 EG-Vertrag unterscheide nicht zwischen dauerhaften und vorübergehenden staatlichen Maßnahmen. Die Kommission hatte die Einstufung als Beihilfe des weiteren abgelehnt, weil die betreffende Maßnahme nicht bezweckt habe, eine punktuelle Maßnahme zu finanzieren. Das EuG entgegnete, Art. 87 Absatz 1 unterscheide jedoch nicht nach den Gründen oder Zielen von staatlichen Maßnahmen, sondern beschreibt diese nach ihren Wirkungen. Schließlich hatte die Kommission die Einstufung als Beihilfe mit dem Argument abgelehnt, die von den französischen Behörden beschlossene Senkung des Abgabensatzes sei nur begrenzt gewesen. Das EuG lehnte auch dieses Argument ab. Die verhältnismäßig geringe Höhe einer Beihilfe schließe die Anwendung des Artikels 87 Absatz 1 EG-Vertrag nicht a priori aus. Es hat die Tarifsenkung damit als Beihilfe eingestuft.79 Die französische Republik hat dieses Urteil des EuG vor dem EuGH angegriffen. Der EuGH hat die Entscheidung des EuG bestätigt, insbesondere habe das EuG die Prüfungsintensität zutreffend ermittelt.80
uniformly to all the undertakings concerned. However, the existence of State aid cannot be ruled out where a significant reduction in the rate of taxation results in the strengthening of the financial situation of an undertaking in a monopoly position; in such circumstances, the reduction in the rate of taxation would have to be assessed in the context of Article 92 (1) of the Treaty.“ 78 „Daher ist es im Rahmen der Qualifizierung einer Maßnahme als staatliche Beihilfe, die nach dem EG-Vertrag sowohl der Kommission als auch den nationalen Gerichten obliegt, grundsätzlich nicht gerechtfertigt, der Kommission einen weiten Spielraum einzuräumen, wenn keine besonderen Umstände vorliegen, die insbesondere mit der komplexen Natur der betreffenden staatlichen Maßnahme zusammenhängen (Urteile des Gerichtshofes vom 29. Februar 1996 in der Rechtssache C-56/93, Belgien/ Kommission, Slg. 1996, I-723, Rn. 10 und 11, und des Gerichts vom 12. Dezember 1996 in der Rechtssache T-358/94, Air France/Kommission, Slg. 1996, II-2109, Rn. 71). Ob die Gründe und Ziele staatlicher Maßnahmen erheblich sind, ist nämlich nur im Rahmen der Prüfung nach Artikel 92 Absatz 3 EG-Vertrag zu beurteilen, ob diese Maßnahmen gegebenenfalls mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar sind. Nur bei der Durchführung dieser Bestimmung, die eine Berücksichtigung komplexer Wertungen wirtschaftlicher, sozialer, regionaler oder sektoraler Art durch die Kommission einschließt, verfügt diese aber über ein weites Ermessen (Urteile des Gerichtshofes vom 14. Januar 1997 in der Rechtssache C-169/95, Spanien/Kommission, Slg. 1997, I-135, Rn. 18, und vom 15. Mai 1997 in der Rechtssache C-355/95 P, TWD/Kommission, Slg. 1997, I-2549, Rn. 26).“ 79 EuG 1. Instanz, Rechtssache T-67/94, Ladbroke Racing Ltd gegen Kommission der Europäischen Gemeinschaften unterstützt durch die Französische Republik, 27. Januar 1998, Sammlung EuGHE 1998, II-1 ff., Rn. 51–62.
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IV. Marktvergleich Ein Marktvergleich vor und nach der fraglichen Maßnahme muß logisch notwendig mit der Abgrenzung des Marktes beginnen.81 Verbreitet ist zwar die Ansicht vertreten worden, eine wettbewerbsverzerrende Wirkung sei jeder Beihilfe „immanent“. Diese Ansicht ist wiederholt von der Europäischen Kommission vorgebracht worden, wohl auch um den Beweisschwierigkeiten zu entgehen, die der Nachweis der Wettbewerbsverzerrung mit sich bringt.82 Dem ist der EuGH nicht gefolgt. Er verlangt von der Kommission, daß sie begründet, warum die Beihilfe den Wettbewerb verfälsche, wenngleich sich dies bereits aus den Umständen der Beihilfegewährung ergeben könne.83 In Übereinstimmung mit der Vorgehensweise des EuGH kann im Zusammenhang mit Abschreibungstatbeständen jedoch gerade das Vorliegen des Merkmals einer Beihilfe nicht ohne eine Prüfung der Wettbewerbslage geführt werden. Die vorgebrachte Ansicht betrifft denn auch nur Fälle, in denen eine Direktsubvention gewährt wurde, das Merkmal der Beihilfe also unproblematisch war. Auch in diesen Fällen hat der EuGH jedoch eine Marktanalyse verlangt. Die Kriterien der Marktabgrenzung sind im Kartellrecht entwickelt worden. Das Problem der Marktabgrenzung ist im Rahmen der Beihilfenprüfung bislang wenig bearbeitet worden.84 Jeder Markt hat eine sachliche und räumliche Begrenzung. Die sachliche wird primär durch die Nachfrage definiert (sog. Bedarfsmarktkonzept).85 Waren/Dienstleistungen gehören zum selben Markt, wenn sie aus der Sicht der Nachfrager wegen ihrer Eigenschaften zur Befriedigung eines gleichbleibenden Bedarfs gleichermaßen geeignet erscheinen, während ihre Austauschbarkeit mit anderen Erzeugnissen oder Leistungen gering ist.86 Die Substitutsfähigkeit wird 80 EuGH v. 16.5.2000, Rs. C-83/98 P (Frankreich ./. Ladbroke Racing Ltd.), Rn. 25. Abrufbar unter http://europa.eu.int/jurisp/, abgedruckt in EuZW 2000, S. 405 ff. 81 An dieser Stelle befindet sich einer der interessanten Übergänge zwischen der juristischen und der betriebswirtschaftlichen Disziplinen. Die Definition eines Marktes ist eine wirtschaftliche. 82 Vorbringen der Kommission zu EuGH, Rs. 304/85, Sitzungsbericht, Slg. 1987, 871 878) (Falck/Kommission); GA F. Capotorti, Schlussantrag zu EuGH, Rs. 730/79, 18.6.1980, Slg. 1980, 2671 (2693, 2698 f.) (Philip Morris/Kommission). Vgl. dazu Cremer, in Calliess/Ruffert, EGV, Art. 87, Rn. 12. 83 EuGH verbundene Rs. 296 und 318/82, 13.3.1985, Slg. 1985, 809, Rn. 24 (Niederlande und Leeuwarder Papierwarenfabriek/Kommission). 84 Koenig, Weichenstellungen im EG-Beihilfentatbestand: „Market Economy Investor“ – Test und Marktabgrenzung, Beiheft 69 ZHR, S. 19. 85 Hirsbrunner, EuZW 1997, S. 753. 86 Emmerich, Fälle zum Wettbewerbsrecht, S. 160; die Definition der Kommission in der „Bekanntmachung über die Definition des relevanten Marktes im Sinne des
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durch die Preiselastizitäten der Nachfrage bestimmt. Nur solche verwandten Güter werden demnach zu einem Markt gerechnet, auf die die Verbraucher bereits bei geringfügigen Preisänderungen bei anderen Gütern dieser Art ausweichen, während Güter, bei denen Preisänderungen nur schwache Ausweichbewegungen der Nachfrager auf andere Güter auslösen, offenbar auf getrennten Märkten gehandelt werden.87 Die Kommission formuliert deshalb, bei der Marktabgrenzung stehe der Preis „im Mittelpunkt“.88 Nach Ansicht der Kommission ist deshalb fraglich, ob als Reaktion auf eine „kleine, bleibende Erhöhung der relativen Preise (im Bereich zwischen 5 und 10%)“ die Kunden auf Substitute ausweichen würden. Das Ausweichverhalten wird anfangs sehr stark ausfallen, wenn noch viele gleichgeartete Produkte/Dienstleistungen zur Verfügung stehen. Erst wenn der durch die Substitution herbeigeführte Absatzrückgang geringer ist als der Mehrertrag durch die relative Preissteigerung, ist die Marktabgrenzung erreicht.89 Dann ist die Preiserhöhung aus Sicht der Konsumenten unausweichlich. In Ausnahmefällen kann aber auch die Austauschbarkeit aus Sicht der Anbieter zu der Annahme führen, daß sich verschiedene Anbieter auf einem gemeinsamen Markt befinden.90 Dies setzt nach Ansicht der Kommission voraus, daß die Anbieter in Reaktion auf kleine, dauerhafte Änderungen bei den relativen Preisen in der Lage sind, ihre Produktion auf die relevanten Erzeugnisse umzustellen und sie kurzfristig auf den Markt zu bringen, ohne spürbare Zusatzkosten oder Risiken zu gewärtigen.91 Wettbewerbsrechts der Gemeinschaft“ (97/C 372/03) stellt etwas weniger das Kriterium der relativen Substituierbarkeit heraus, II Nr. 7: „Der sachlich relevante Produktmarkt umfaßt sämtliche Erzeugnisse und/oder Dienstleistungen, die von den Verbrauchern hinsichtlich ihrer Eigenschaften, Preise und ihres vorgesehenen Verwendungszwecks als austauschbar oder substituierbar angesehen werden.“ 87 Emmerich, Fälle zum Wettbewerbsrecht, S. 179. Im Einzelfall können demnach auch identische Produkte zu verschiedenen Märkten gehöre; an sich unterschiedliche Produkte können einem einzigen Markt zuzuordnen sein. Es kommt auf die Austauschbarkeit aus Sicht der Nachfrage an. „Bekanntmachung über die Definition des relevanten Marktes im Sinne des Wettbewerbsrechts der Gemeinschaft“ (97/C 372/03), II Nr. 8: „Der geographisch relevante Markt umfaßt das Gebiet, in dem die beteiligten Unternehmen die relevanten Produkte oder Dienstleistungen anbieten, in dem Wettbewerbsbedingungen hinreichend homogen sind und das sich von benachbarten Gebieten durch spürbar unterschiedliche Wettbewerbsbedingungen unterscheidet.“ 88 „Bekanntmachung über die Definition des relevanten Marktes im Sinne des Wettbewerbsrechts der Gemeinschaft“ (97/C 372/03), II Nr. 15 (C 372/7). 89 Vgl. „Bekanntmachung über die Definition des relevanten Marktes im Sinne des Wettbewerbsrechts der Gemeinschaft“ (97/C 372/03), II Nr. 16 (C 372/7). 90 Hirsbrunner, EuZW 1997, S. 753. 91 „Bekanntmachung über die Definition des relevanten Marktes im Sinne des Wettbewerbsrechts der Gemeinschaft“ (97/C 372/03), II Nr. 20 (C 372/7). So sollen etwa die Papierfabriken ohne größere Zusatzkosten in der Lage sein, sich auf eine andere Papierqualität umzustellen, während bei Markengetränken wegen der Vorlaufzeiten (Werbung etc.) eine Angebotsumstellung nicht zu erwarten sein soll.
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Der räumlich relevante Markt zeichnet sich dadurch aus, daß in ihm weitgehend homogene Marktbedingungen herrschen.92 Ein Markt, in dem der Käufer die Leistung über Ausschreibungen bezieht, an denen Unternehmen aus der gesamten Gemeinschaft teilnehmen, wird in der Regel die Gemeinschaft den räumlich relevanten Markt bilden.93 Für sperrige, geringwertige Produkte bilden die Transportkosten ein räumliches Hindernis.94 Ein Markt kann „Gebietspräsenz“ erfordern, und damit den Konkurrenzdruck räumlich eingrenzen.95 Der Markt muß in räumlicher Hinsicht über das Gebiet eines Mitgliedstaats hinausreichen. Das Europarecht bezweckt die Errichtung eines gemeinsamen Marktes. Marktverfälschungen, die sich nur innerhalb eines Mitgliedstaates auswirken, unterliegen nicht dem Europarecht.96 Von dieser Perspektive aus gesehen, ist die Beihilfenkontrolle wie die Fusionskontrolle auf strukturelle Veränderungen hin ausgelegt; sie ist dynamischer orientiert als die verhaltensorientierte Mißbrauchskontrolle. Bei der verhaltensorientierten Mißbrauchskontrolle fungiert die Marktabgrenzung nur als Vorprüfungsstufe. Koenig vermutet wegen der dynamischen Veranlagung der Beihilfenkontrolle, daß dies „tendenziell zu einer weiteren Marktabgrenzung als im Rahmen der verhaltensorientierten Mißbrauchskontrolle führt.“97 Die Marktabgrenzung dient – anders als im Bereich der Wettbewerbsregeln für die Unternehmen – nur der Frage, ob auf dem betreffenden Markt überhaupt (grenzüberschreitender) Wettbewerb statt findet; die Herrschaftsverhältnisse selbst sind irrelevant.98 Daraus ergibt sich ein „gröberer Maßstab zur Marktabgrenzung“.99 92 Fusionskontroll-Verordnung, VO (EWG) Nr. 4064/89, Art. 9 VII: „Der räumliche Referenzmarkt besteht aus einem Gebiet, auf dem die betroffenen Unternehmen als Anbieter oder Nachfrager von Waren oder Dienstleistungen auftreten, in dem die Wettbewerbsbedingungen hinreichend homogen sind und das sich von den benachbarten Gebieten unterscheidet; dies trifft insbesondere dann zu, wenn die in ihm herrschenden Wettbewerbsbedingungen sich von denen in den letztgenannten Gebieten deutlich unterscheiden. Bei dieser Beurteilung ist besonders auf die Art und die Eigenschaften der betreffenden Waren oder Dienstleistungen abzustellen, ferner auf das Vorhandensein von Zugangsschranken, auf Verbrauchergewohnheiten sowie auf das Bestehen erheblicher Unterschiede bei den Marktanteilen der Unternehmen oder nennenswerte Preisunterschiede zwischen dem betreffenden Gebiet und den benachbarten Gebieten.“ Vgl. Emmerich, Fälle zum Wettbewerbsrecht, S. 161. 93 „Bekanntmachung über die Definition des relevanten Marktes im Sinne des Wettbewerbsrechts der Gemeinschaft“ (97/C 372/03), II Nr. 48 (C 372/12). 94 „Bekanntmachung über die Definition des relevanten Marktes im Sinne des Wettbewerbsrechts der Gemeinschaft“ (97/C 372/03), II Nr. 50 (C 372/12). 95 „Bekanntmachung über die Definition des relevanten Marktes im Sinne des Wettbewerbsrechts der Gemeinschaft“ (97/C 372/03), II Nr. 30 (C 372/9). 96 Vgl. Koenig, Weichenstellungen im EG-Beihilfentatbestand: „Market Economy Investor“ – Test und Marktabgrenzung, Beiheft 69 ZHR, S. 21. 97 Koenig, Weichenstellungen im EG-Beihilfentatbestand: „Market Economy Investor“ – Test und Marktabgrenzung, Beiheft 69 ZHR, S. 22. 98 Koenig, Weichenstellungen im EG-Beihilfentatbestand: „Market Economy Investor“ – Test und Marktabgrenzung, Beiheft 69 ZHR, S. 23 f.
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Art. 87 I EGV unterscheidet die Begünstigung „bestimmter Unternehmen“ (1. Alternative) und die Begünstigung „bestimmter Unternehmenszweige“ (2. Alternative). Die Begünstigung bestimmter Unternehmenszweige umfaßt damit schon tatbestandlich ein Marktsegment. Bei steuerlichen Verschonungssubventionen wird typischerweise nur eine Begünstigung eines Unternehmenszweiges vorliegen. Der Weite des steuerlichen Subventionstatbestandes wird damit durch die Weite des Verbotstatbestandes gem. Art. 87 I 2. Alt. begegnet.100 Ist auf diese Weise ein gemeinsamer Markt gefunden worden, muß dieser „verfälscht“ worden sein oder zumindest „drohen verfälscht zu werden“ sein. Diesen Nachweis zu führen, fällt schwerer, wenn keine konkreten Unternehmen in Frage stehen. Indem Art. 87 EGV jedoch auch die „drohende Verfälschung“ in den Schutzbereich einbezieht, senkt er den Begründungsmaßstab herab. Ein zukünftiger Zustand der Wettbewerbsverfälschung läßt sich nicht „beweisen“. Dafür ist eine Prognose anzustellen. Diese Prognose muß hinreichend wahrscheinlich sein, um als eine Zukunftsvariante das Ausmaß einer Drohung zu erreichen. Meines Erachtens genügt eine Plausibilitätskontrolle diesen Anforderungen. Der Grad der Wettbewerbsverfälschung hängt von der Wettbewerbssituation auf dem relevanten Markt und dem Ausmaß des Wettbewerbsvorteils ab.101 Ist der Wettbewerb ex ante schon besonders intensiv, wirken sich auch kleine Wettbewerbsvorteile stark aus.102 Koschyk ist die Erkenntnis zu verdanken, daß Beihilfenintensität und Wettbewerbskonzentration deshalb in einer Art Vektorverhältnis zu dem Grad der Wettbewerbsverfälschung stehen.103 Es ist ausreichend, wenn die Kommission plausibel begründet, daß der Wettbewerb durch die in Frage stehende Maßnahme droht, verfälscht zu werden. Dabei ist die Frage nach der Wettbewerbsverzerrung nicht auf den rechtstechnischen Adressaten einer Steuervergünstigung zu beschränken. Ein Förderabschreibungstatbestand für Industriebauten kann nicht nur in seinem Fördereffekt zu Gunsten der Industrieunternehmen, sondern auch in seinem Fördereffekt für die Bauindustrie den Tatbestand einer spezifischen Beihilfe erfüllen.104 Gleiches gilt etwa, wenn der Förderabschreibungstatbestand rechtstechnisch den privaten Verbraucher betrifft (eine für Art. 87 I EGV irrelevante Personengruppe), sich aber „sekundär“ zu Gunsten einer bestimmten Branche auswirkt.105 Auch das 99 Koenig, Weichenstellungen im EG-Beihilfentatbestand: „Market Economy Investor“ – Test und Marktabgrenzung, Beiheft 69 ZHR, S. 24. 100 Vgl. Koenig, Weichenstellungen im EG-Beihilfentatbestand: „Market Economy Investor“ – Test und Marktabgrenzung, Beiheft 69 ZHR, S. 25. 101 Koschyk, Steuervergünstigungen als Beihilfen nach Art. 92 EGV, S. 193. 102 Koschyk, Steuervergünstigungen als Beihilfen nach Art. 92 EGV, S. 198. 103 Koschyk, Steuervergünstigungen als Beihilfen nach Art. 92 EGV, S. 203. 104 So auch Schön, Steuerliche Beihilfen, Beiheft 69 ZHR, S. 125. 105 Dieser Gedanke findet sich bei Schön, Steuerliche Beihilfen, Beiheft 69 ZHR, S. 125; Schön spricht in diesem Zusammenhang von bipolaren und multipolaren Begünstigungswirkungen.
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Merkmal der Bestimmtheit wirft keine Schwierigkeiten auf, wenn die Förderabschreibungsvorschrift sich nur für bestimmte Industriezweige oder Regionen auswirkt.106 Schön will wegen der bipolaren Wirkungsweise etwa eine Sonderabschreibung für umweltfreundliche Heizanlagen als Beihilfe für den ökologischen Heizungsbau charakterisieren, auch wenn bezüglich der Nutzer der Heizanlagen keine Selektivität gegeben ist. Selbst ein einheitlicher durchschnittlicher Abschreibungssatz für Wirtschaftsgüter aller Art könne als verschleierte Subvention wirken, wenn gerade Unternehmen, die überwiegend langfristig nutzbare Anlagegüter einsetzen, dadurch eine branchenspezifische Steuerstundung erführen.107 Auch das verschleierte Einzelfallgesetz wirkt bestimmt.108 Zwischenergebnis: Die Bestimmtheit läßt sich bei Steuervergünstigungen nur über einen Marktvergleich feststellen.109 Ergibt ein Vergleich des Marktes vor und nach der in Frage stehende Maßnahme, daß eine Verfälschung des Marktes plausibel erscheint, liegen die Voraussetzungen des Art. 87 I EGV vor. Die Steuererleichterung ist damit Beihilfe. Als Beihilfe ist sie verboten, wenn nicht zu ihren Gunsten die Ausnahmen der Art. 87 II oder III EGV greifen.
V. Mitteilung der Kommission über die Anwendung steuerlicher Vorschriften Die Kommission hat versucht, in ihrer „Mitteilung über die Anwendung der Vorschriften über staatliche Beihilfen auf Maßnahmen im Bereich der direkten Unternehmensbesteuerung“ (98/C 384/03) die „Anwendung der Vorschriften über staatliche Beihilfen zu präzisieren und zu verbessern.“110 106 Schön, Steuerliche Beihilfen, Beiheft 69 ZHR, S. 127; Schön ist auch der Ansicht, die Entlastungen des produzierenden Gewerbes gegenüber Handels- und Dienstleistungsbetrieben im Rahmen der ökologischen Steuerreform sei ausreichend, um sie als selektiv qualifizieren zu müssen. 107 Schön, Steuerliche Beihilfen, Beiheft 69 ZHR, S. 129. 108 Schön, Steuerliche Beihilfen, Beiheft 69 ZHR, S. 128. 109 A. A. ist Koschyk. Koschyk ist der Ansicht, das Spezifizitätskriterium gehe in dem Begriff der Steuervergünstigung auf: „Hat man eine Steuervergünstigung von der allgemeinen Steuernorm abgegrenzt, so ist auch die Frage des Spezifizitätskriteriums des Art. 92 I EGV beantwortet.“ (Steuervergünstigungen als Beihilfen nach Art. 92 EGV, S. 182). Dabei will er auf den Wortlaut abstellen (Steuervergünstigungen als Beihilfen nach Art. 92 EGV, S. 215). Es gibt jedoch auch allgemeine Steuervergünstigungen. Das verfassungs-steuerrechtlich zu bestimmende Kriterium der Steuervergünstigung ist qualitativ, nicht quantitativ zu bestimmen. Ob die (ev. quantitativ häufig angewandte) Steuervergünstigung selektiv wirkt, ist nach der hier vertretenen Auffassung dagegen in einem zweiten Schritt über die Wettbewerbsverzerrung festzustellen. Die Gefahr in der Sichtweise Koschyks besteht m. E. darin, sich von der wirkungsorientierten Betrachtungsweise beim Begriff der Steuervergünstigung wie beim Begriff der Beihilfe zu lösen.
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Sie unterscheidet dabei 4 Prüfungsstufen: Erstens müsse die Maßnahme dem Begünstigten einen Vorteil verschaffen, durch den seine normalerweise zu tragenden Belastungen vermindert werden.111 Ein solcher Vorteil könne durch eine Minderung der Steuerlast des Unternehmens auf verschiedene Weise gewährt werden. Insbesondere hält die Kommission eine derartige Möglichkeit der Steuerlastminderung für gegeben „durch Minderung der Steuerbemessungsgrundlage (. . . außergewöhnliche oder beschleunigte Abschreibung, . . .).“112 Zweitens müsse der Vorteil vom Staat oder aus staatlichen Mitteln gewährt werden. Ein Steuereinnahmenverlust stehe der Verwendung staatlicher Mittel in Form von Steuerausgaben gleich. Drittens müsse die betreffende Maßnahme den Wettbewerb und den Handel zwischen den Mitgliedstaaten beeinträchtigen. Dieses Kriterium setze voraus, daß der Begünstigte unabhängig von seiner Rechtsform oder Finanzierungsweise eine Wirtschaftstätigkeit ausübt. Nach ständiger Rechtsprechung sei die Voraussetzung der Handelsbeeinträchtigung erfüllt, wenn das begünstigte Unternehmen einer Wirtschaftstätigkeit nachgeht, die Gegenstand eines Handels zwischen den Mitgliedstaaten ist. Schon die Tatsache, daß die Beihilfe die Stellung dieses Unternehmens gegenüber anderen im innergemeinschaftlichen Handel konkurrierenden Unternehmen verstärkt, berechtige als solche zu der Feststellung, daß dieser Handel beeinträchtigt würde. Weder die relativ geringe Bedeutung einer Beihilfe noch die geringe Größe des Beihilfeempfängers oder sein äußerst geringer Anteil am Gemeinschaftsmarkt oder gar das Fehlen einer Exporttätigkeit bei diesem oder die Tatsache, daß das Unternehmen fast seine gesamte Produktion aus der Gemeinschaft ausführt, ändere etwas an dieser Feststellung. Viertens müsse die betreffende Maßnahme spezifisch oder selektiv sein, also „bestimmte Unternehmen oder Produktionszweige“ begünstigen. Der selektive Charakter einer Maßnahme könne jedoch „durch die Natur oder den inneren Aufbau des Systems gerechtfertigt sein“. In diesem Falle entziehe die Maßnahme sich dem Zugriff des Art. 87 I EGV. Später erläutert die Kommission ihre Rechtsauffassung mit allgemeineren Ausführungen „über die Unterscheidung zwischen staatlichen Beihilfen und allgemeinen Maßnahmen.“
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Einleitung, Rn. 2. Diese Definition beruht auf Untersuchungen der OECD und hat auch Eingang in die EG-Verordnung zur Umsetzung des Anti-Subventions-Kodex des GATT gefunden. Danach gilt es einen objektiven Normalmaßstab festzulegen, vgl. Schön, Steuerliche Beihilfen, Beiheft 69 ZHR, S. 116. 112 B. Anwendung von Art. 92 I EGV auf steuerliche Maßnahmen, Rn. 9, 1. Spiegelstrich. 111
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Vorausgesetzt, sie gelten gleichermaßen für alle Unternehmen und Produktionszweige, stellen insbesondere Vorschriften über die Wertminderung und Abschreibungen keine staatlichen Beihilfen dar. Auch begünstigten Steueranreize für Investitionen in Umweltschutz, Forschung und Entwicklung oder Ausbildung nur solche Unternehmen, die derartige Investitionen tätigen, und stellten trotzdem „nicht unbedingt“ staatliche Beihilfen dar. Aus Sicht der Kommission muß es demnach selektive, durch die Natur oder den inneren Aufbau gerechtfertigte und selektive, nicht durch die Natur oder den inneren Aufbau gerechtfertigte Investitionsanreize geben. Geradezu inkonsequent ist es jedoch, einerseits auf die selektive Wirkungsweise der Maßnahmen abzustellen, gleichzeitig aber der Ansicht zu sein, Investitionsförderung bliebe im Rahmen der allgemeinen Wirtschaftsförderung, auch wenn sie sich nur zu Gunsten der Unternehmen auswirken sollte, die derartige Investitionen tätigen. Wesentlich für die Anwendung des Art. 87 I auf eine steuerliche Maßnahme sei also vor allem, daß diese Maßnahme eine Ausnahme von der Anwendung des allgemein geltenden Steuersystems zugunsten bestimmter Unternehmen eines Mitgliedstaats darstellt. Demnach müsse also zuerst festgestellt werden, welche allgemeine Regelung gilt. Anschließend müsse geprüft werden, ob die Ausnahme oder die systeminternen Differenzierungen durch die Natur oder den inneren Aufbau des Steuersystems gerechtfertigt sind, das heiße, ob sie sich also unmittelbar aus den Grund- oder Leitprinzipien des Steuersystems des betreffenden Mitgliedstaats ergeben. Sei dies nicht der Fall, so handele es sich um eine staatliche Beihilfe. Das unbestimmte Kriterium der „inneren Natur“ wird später beiläufig erläutert. Die differenzierende Natur bestimmter Maßnahmen sei nicht unbedingt ein Grund, dies als staatliche Beihilfen anzusehen. Dies gelte z. B. für Maßnahmen, die aufgrund wirtschaftlicher Überlegungen für die „Leistungsfähigkeit“ des Systems erforderlich sind. Die Progressivität der Steuertabellen sei „auf Grund der Steuerumverteilungslogik“ gerechtfertigt. Dies gelte auch für die Logik bestimmter besonderer Steuervorschriften für kleine und mittlere Unternehmen. Das Kriterium des selektiven Charakters erläutert die Kommission mit einer überaus interessanten Argumentation e contrario: Der EGV sehe für regionale Beihilfen in Art. 87 III Buchstaben a) und c) ausdrücklich vor, daß vom allgemeinen Grundsatz der Unvereinbarkeit nach Art. 87 I abgewichen werden könne. Der EGV stufe Maßnahmen zur Förderung der wirtschaftlichen Entwicklung einer Region als Beihilfen ein. Diese „e contrario“-Argumentation ist verführerisch, überzeugend ist sie nicht. Die Rechtfertigungsgründe wollen nach ihrem Sinn und Zweck eine Öffnung des Beihilfenrechts für bestimmte Maßnahmen ermöglichen. Aus ihrem Bestehen umgekehrt eine Verschärfung der Anwendungsvoraussetzungen gem. Art. 87 I EGV zu folgern, ist deshalb zumindest zweifelhaft.
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Teil V: Europarechtliche Grenzen
Ein Ermessen in der Anwendung der Steuervorschriften stuft die Kommission als Vermutung einer Beihilfe ein. Für deutsche Abschreibungstatbestände stellt sich hier kein Problem, da nach gefestigter Rechtsprechung jedenfalls eine Rechtsverordnung ohne Ermessensspielraum für die Festlegung der Abschreibungstatbestände erforderlich ist.113 Die Kommissionsmitteilung ist jedoch vor allem unter dem Aspekt interessant, was sie nicht sagt. In der Kommissionsmitteilung fehlt das Erfordernis eines Marktvergleichs. Aus dem Fehlen diesbezüglicher Ausführungen ergibt sich nämlich, daß die Kommission auf einen Marktvergleich verzichten will. In neuer Gestalt versucht die Kommission damit dem Nachweis einer Wettbewerbsverfälschung zu entgehen, eine Vorgehensweise, der der EuGH wiederholt entgegengetreten ist.114 Zwar meint die Kommission, mit ihrer Mitteilung „nur Anhaltspunkte“ gegeben zu haben; die Mitteilung sei „nicht erschöpfend“.115 Die Kommission werde in jedem Einzelfall sämtlichen Begleitumständen Rechnung tragen.116 Über diese scheinbaren Einschränkungen des Geltungsbereichs der Mitteilung versucht sich die Kommission die Hintertür für die Dynamik des Gemeinsamen Marktes offen zu halten. Ein Marktvergleich wird mit keinem Wort erwähnt. Für die Kommission ist allein entscheidend, ob von der Regelbesteuerung abgewichen wird.117 Über die Einhaltung des Normalmaßes drückt die Kommission ein Verlangen nach Systemkonsequenz aus, das auch das Verhältnis des nationalen Steuerrechts zu den Grundfreiheiten kennzeichnet.118 Damit wird quasi „durch die Hintertür“ der unverbindliche Verhaltenskodex über die Unternehmensbesteuerung durchgesetzt.119 113
Siehe „II. Gesetzesvorbehalt für Förderabschreibungstatbestände“. Vgl. von der Groeben – Fritz-Harald Wenig, Art. 92 Rn. 20. 115 E. Anwendung dieser Mitteilung, Rn. 37. 116 E. Anwendung dieser Mitteilung, Rn. 37. 117 Insofern ähneln sich WTO und Art. 87 I EGV in ihrer praktischen Anwendung erheblich. Der Appellate Body der WTO hat in dem Fall FSC auf einen Vergleich mit der Regelbesteuerung abgestellt (sog. „But for“-Test), Appellate Body Report, 24.2.2000 – WT/DS108/AB/R, United States-Tax Treatment for „Foreign Sales Corporations“ (abrufbar unter http://www.wto.org ), vgl. Gross, RIW, 2002, S. 52. Das Subventionsrecht der WTO beschränkt sich jedoch auf den Warenverkehr, vgl. Gross, RIW, 2002, S. 55. 118 Dies stellt Schön, EuR, 2001, S. 358, fest. 119 So auch ausdrücklich Gross, RIW, 2002, S. 54; vgl. aber das Dementi der Kommission in der Mitteilung, C. Vereinbarkeit staatlicher Beihilfen steuerlicher Art mit dem Gemeinsamen Markt, Rn. 30: „Die Qualifizierung einer gemäß dem Verhaltenskodex schädlichen steuerlichen Maßnahme berührt nicht die eventuelle Qualifizierung der Maßnahme als staatliche Beihilfe. Dagegen wird die Prüfung der Vereinbarkeit von steuerlichen Beihilfen mit dem Gemeinsamen Markt auch unter Berücksichtigung der Auswirkungen dieser Beihilfen, die durch die Anwendung des Verhaltenskodex erkennbar werden, vorzunehmen sein.“ 114
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Sedemund kritisiert, daß die Feststellung einer Wettbewerbsverzerrung im Verhältnis zu konkurrierenden Unternehmen anderer Mitgliedstaaten an sich einen Vergleich der Ertragssteuerbelastung (der jeweiligen Mitgliedstaaten, Anm. des Verf.) voraussetze.120 Sedemund stellt fest, daß nach der Rechtsprechung des EuGH (Slg. 1974, 709 Italien/Kommission) es nichts an der Einstufung als Beihilfe ändere, wenn eine Maßnahme nur zu einer Annäherung der Abgabenbelastung des betreffenden Sektors an die Abgabenbelastung ihrer Konkurrenten in anderen Mitgliedstaaten beiträgt. Der grenzüberschreitende Bezug werde ausgeblendet. Es sei offensichtlich, daß diese Auslegung des Beihilfenbegriffs (. . .) primär auf die Gestaltung des innerstaatlichen Steuersystems einwirke. Er spricht deshalb von einem Funktionswandel der Beihilfenaufsicht zu einer innerstaatlichen Bereinigung des Ertragssteuerrechts um „systemwidrige“ Abweichungen von der „Normalbesteuerung“. Die Beihilfeaufsicht gerate einerseits in Gefahr, sich ins Uferlose auszuweiten und den grenzüberschreitenden Bezug vollends zu verlieren, und andererseits, zu weit in die mitgliedstaatliche Souveränität auf dem Gebiet der Unternehmensbesteuerung einzugreifen, die ein „Wettbewerb der Steuersysteme“ ja voraussetze. Diese Kritik ist nicht ganz unberechtigt. Wenn die Kommission meint, in Anlehnung an den EuGH sich auf die Prüfung einer steuerlichen Systemabweichung beschränken zu können, so geht sie methodisch unsauber vor. Die Systemabweichung kann eine Wettbewerbsverfälschung plausibel machen; in der Regel wird eine Steuervergünstigung sogar zu einer Verfälschung der Marktverhältnisse führen und nicht nur eine drohende Verfälschung nahe legen. Zwingend ist ein derartiger Schluß jedoch nicht. Das zeigt sich ganz deutlich, wenn man sich einzelne Steuervergünstigungen vor Augen ruft, die ohne jeden Marktbezug sind. Wenn etwa Spenden an politische Parteien steuerbegünstigt sind, so ist doch sofort einsichtig, daß diese Regelung keine Verfälschung des Gemeinsamen Marktes bewirkt. In der geschilderten Entscheidung der Kommission über Sonderabschreibungen (Entscheidung 96/369/EG Nr. L 146/42) zu Gunsten von Fluggesellschaften hingegen lag eine Marktverfälschung nahe. Die Abweichung von der Regelbesteuerung ist damit nur ein Indiz für das Vorliegen des Merkmals der „Bestimmtheit“. Von dem Nachweis einer drohenden Wettbewerbsverfälschung enthebt sie nicht. Sedemund überzeugt jedoch nicht mit seiner These, durch das Ausblenden eines europaweiten Belastungsvergleichs wirke diese Auslegung des Beihilfenbegriffs (. . .) „primär auf die Gestaltung des innerstaatlichen Steuersystems“ ein: Müßte für jede fragliche Maßnahme ein Mitgliedstaatenvergleich angestellt werden, würde dies im Ergebnis eine Reziprozität der europarechtlichen Ver120
Sedemund, EuZW 2001, S. 609.
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pflichtungen bewirken und den „tu quoque“-Einwand ermöglichen. Während der völkerrechtliche Vertrag zwischen zwei oder mehr Staaten i. d. R. nur „synallagmatische“ Verpflichtungen enthält, begründen die europarechtlichen Verträge Verpflichtungen gegenüber der Gemeinschaft. Aus dieser Sichtweise des Europarechts begründet sich z. B., daß das Reziprozitätserfordernis gem. Art. 55 der französischen Verfassung121 im europarechtlichen Kontext nicht anwendbar ist.122 Könnte etwa Deutschland auf die branchenübliche Besteuerung in anderen Mitgliedstaaten verweisen, wäre Art. 87 I EG nur ein Anspruch auf „gleichartige Subventionierung“. Die Verpflichtungen des EGV stehen in keinem Gegenseitigkeitsverhältnis zueinander.123 Der Einwand „tu quoque“ ist im Europarecht irrelevant.124 VI. Steuerliche Beihilfen – zweistufige Gesamtschau Für Abschreibungstatbestände sind alle Kriterien bis auf das der Selektivität unproblematisch. Das Merkmal der Spezialität läßt sich bei Steuervergünstigungen nur durch ein zweistufiges Verfahren ermitteln. Auf einer ersten Stufe ist nach den steuerrechtlichen Kriterien des jeweiligen Mitgliedstaates festzustellen, ob es sich um eine Steuervergünstigung handelt; in einem zweiten Schritt ist die Wettbewerbsverzerrung durch Marktvergleich zu ermitteln.125 Art. 87 EGV erfaßt auch die potentielle Wettbewerbsverzerrung. Deshalb genügt es, wenn die Kommission plausibel darlegt, warum eine Wettbewerbsverzerrung durch eine Steuervergünstigung naheliegt. Allein das Anknüpfen an die inner121 „Les traités ou accords régulièrement ratifiés ou approuvés ont, dès leur publication, une autorité supérieure a celle des lois, sous réserve, pour chaque accord ou traité, de son application par l’autre partie.“ 122 Chapus, Droit Administratif, Rn. 143 B; Les grands arrêts de la jurisprudence administrative, observations a l’arrêt NICOLO, Conseil d’Etat, 20.10.1989, par Frydman, S. 755. 123 Das ergibt sich etwa aus der französischen Fassung von Art. 10 EGV: „Les Etats membres prennent toutes mesures générales ou particulières propres à assurer l’exécution des obligations découlant du présent traité ou résultant des actes des institutions de la Communauté.“ 124 Die Fristversäumnis bei der Umsetzung von Richtlinien kann nicht damit gerechtfertigt werden, die anderen Mitgliedstaaten seien auch nicht besser. EuGH, Slg. 1976, 277 Gemüse-Richtlinie: „Auch der Einwand, daß die anderen Mitgliedstaaten die Richtlinie ebenfalls nicht rechtzeitig umgesetzt haben, greift nicht durch.“ 125 Kube scheint zu beobachten, daß zunehmend das Merkmal der Spezifizität mit dem der Marktabgrenzung verknüpft wird; Kube, National Tax Law and the Transnational Control of State Aid, EUI Nr. 2001/9, Page 16: „There is some – though not compelling – evidence, however, that the idea of „relevant markets“ gains in importance, according to which only such regulations are specific that do not cover all products within a relevant market.“; auch Bergmann sieht eine Verbindung zwischen dem Merkmal der Selektivität und der Nichteinhaltung von Leistungsfähigkeitskriterien bei einer steuerlichen Regelung, Erweiterte Sonderausgabenabzugsfähigkeit für Donationen an Stiftungen, Kapitel E II 2 c).
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staatliche Systemkonsequenz reicht nicht aus. Die Systemabweichung ist nur der erste Schritt. Liegt eine Systemabweichung vor, muß diese auch eine Wettbewerbsverzerrung nahe legen.126 Indem das Europarecht auf die innere Natur des nationalen Steuerrechts verweist, respektiert es die nationalen Eigenheiten. Die Vorgehensweise ist „binnensystemorientiert.“127 In Deutschland führt dieser Verweis jedenfalls im Einkommensteuerrecht auf das Prinzip der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit.128 Schön bezeichnet dies treffend mit der „nationalen Prärogative im Steuerwesen“129, Kube spricht von Wechselbeziehungen in einem mehrschichtigen System („interlinkages in a multy-layer system“).130 Die Suche nach der nationalen Regelbesteuerung ist jetzt schon in die Prüfungspraxis der Kommission eingegangen. So hat die Kommission in dem Verfahren, indem es über die Vereinbarkeit der Rückstellungen der Kernkraftwerksbetreiber mit Art. 87 EGV befand, sich intensiv mit der Rechtsprechung des BFH auseinandergesetzt, um festzustellen, ob die Rückstellungen im Atomsektor der „allgemeinen Regelung“ entsprachen.131 Dieser über das Europarecht herbeigeführte Verweis auf Kriterien der Leistungsfähigkeit beschränkt sich nicht auf Deutschland. Auch andere Mitgliedstaaten der EG kennen Leistungsfähigkeitskriterien („capacité contributive“, „ability to pay“ etc.), die entweder über das jeweilige nationale Verfassungsrecht einwirken132 oder über das internationale Recht, hier insbesondere die teils unmittelbar anwendbare Europäische Menschenrechtskonvention133. Zwar 126 Auch Koschyk sieht in dem wettbewerbsverzerrenden Effekt den entscheidenden Prüfungspunkt, Steuervergünstigungen als Beihilfen nach Art. 92 EGV, S. 177. 127 Gross, RIW, 2002, S. 51. 128 Das Prinzip der Leistungsfähigkeit wird im verfassungsrechtlichen Teil dieser Arbeit eingehend behandelt. 129 Schön, Steuerliche Beihilfen, Beiheft 69 ZHR, S. 115 ff. 130 Kube, National Tax Law and the Transnational Control of State Aid, EUI Nr. 2001/9, Page 2. 131 Staatliche Beihilfe Nr. NN 137/01, Aktenzeichen C (2001) 3967fin vom 11.12. 2001 Rn. 3, abrufbar im Internet unter http://europa.eu.int/comm/secretariat_general/ sgb/state_aids/ . 132 Diese Feststellung mag euphemistisch anmuten. In mehreren Staaten der EG besteht jedoch inzwischen die Möglichkeit einer verfassungsrechtlichen Kontrolle der Gesetzgebung. Über den jeweiligen Gleichheitssatz wird damit auch die Steuergesetzgebung auf Einhaltung der Maßstäbe kontrolliert. Der Gleichheitssatz führt damit mittelbar zu dem Durchbruch des Leistungsfähigkeitsprinzips. Diese Länder mit Verfassungskontrolle sind Spanien, Österreich, Belgien, Frankreich, Deutschland und Italien. Das Vereinigte Königreich hinkt – mangels geschriebener Verfassung – der Entwicklung ein wenig hinterher. Die Niederlande bilden einen Sonderfall. Meussen, Conclusion, The Principle of Equality in European Taxation, S. 170 f. 133 Die Individualbeschwerde nach dem Fakultativprotokoll zu dem Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte hat – soweit ersichtlich – für den Bereich der direkten Besteuerung noch keine Auswirkungen gehabt; ihre Auswirkungen betref-
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gibt es nur wenige Fälle, nach denen sich der jeweilige Gleichheitssatz erfolgreich gegen Steuergesetzgebung durchgesetzt hat.134 Die Wurzel einer europaweit jeweils national anerkannten Anwendung von gleichheitsrechtlichen Leistungsfähigkeitskriterien ist jedoch gelegt: Das Diskriminierungsverbot der EMRK gilt auch im steuerrechtlichen Bereich. In kombinierter Anwendung von Art. 14 der EMRK135 und von Art. 1 des Protokolls Nr. 1136 entschied der europäische Gerichtshof in der Darby-Entscheidung137 (Rn. 31): „Article 14 protects individuals placed in similar situations from discriminations in their enjoyment of their rights under the Convention and its Protocols. However, a difference in the treatment of one of these individuals will only be discriminatory if it ,has no objective and reasonable justification‘, that is if it does not pursue a ,legitimate aim‘ and if there is no ,reasonable relationship of proportionality between the means employed and the aim sought to be realized.‘ . . . It appears first that Dr. Darby can claim to have been, as regards his right to an exemption under the Dissenters Tax Act, in a situation similar to that of other non-members of the Church who were formally registered as residents in Sweden . . . In fact, the Government stated at the hearing before the Court that they did not argue that the distinction in treatment had a legitimate aim. In view of the above, the measure complained of cannot be seen as having had any legitimate aim under the Convention.“
Damit ist im Kern ein über die EMRK einwirkendes gleichheitsorientiertes Besteuerungsrecht angelegt.138 Abweichungen von diesem Gleichbehandlungssatz nach Art. 14 EMRK können nur gerechtfertigt werden, wenn ein angemessenes Verhältnis zwischen dem Ziel und den Mitteln besteht, ein sachlicher Grund allein reicht nicht aus.139
fen i. d. R. „fundamentale“ Menschenrechtsverletzungen insbesondere in Ländern, die über keine Verfassungsgerichtsbarkeit verfügen und der Unterwerfungserklärung nach der EMRK nicht zugestimmt haben. Die meisten Fälle stammen aus Uruguay, Tomuschat, Menschenrechtssicherung in der internationalen Praxis, S. 20 ff. 134 Meussen, Conclusion, The Principle of Equality in European Taxation, S. 174. 135 Art. 14 EMRK: „The enjoyment of the rights and freedoms set forth in this Convention shall be secured without discrimination on any ground such as sex, race, colour, language, religion, political or other opinion, national or social origin, association with a national minority, property, birth or other status.“ 136 „Every natural or legal person is entitled to the peaceful enjoyment of his possessions. No one shall be deprived of his possessions except in the public interest and subject to the conditions provided for by law and by general principles of international law. The preceding provisions shall not, however, in any way impair the right of a State to enforce such laws as it deems necessary to control the use of property in accordance with the general interest or to secure the payment of taxes or other contributions or penalties.“ 137 European Court of Human Rights, 23.10.1990, No. 17/1989/177/233. 138 Teilweise ist die EMRK nicht im innerstaatlichen Recht anwendbar. Das führt dazu, daß die Umsetzung der Vorgaben der EMRK mit Schwierigkeiten verbunden ist, vgl. Frowein, Der europäische Grundrechtsschutz und die nationale Gerichtsbarkeit, S. 26.
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Bei dem Verweis auf nationale Kriterien der Leistungsfähigkeit bleibt die Anwendung von Art. 87 EGV nicht an die nationalen Grenzziehungen der nationalen Steuerarten gebunden. Schöpft etwa das British Petrolium Revenue Tax (BRT) die Gewinne britischer Ölfördergesellschaften geringer ab als die allgemeine Körperschaftssteuer, so „sollte man nicht zögern, das Regime der BRT als günstige Abweichung vom generellen System der Körperschaftsbesteuerung einzuordnen.“140 Der Leistungsfähigkeitsindikator „Gewinn“ ist vom britischen Gesetzgeber künstlich in zwei Steuerarten aufgespalten worden. Im harmonisierten Bereich des Umsatzsteuerrechts stellt sich diese Frage nach dem nationalen Systemprinzipien konsequenterweise nicht.141 Wie schon oben in der Erörterung über den Subventionsbegriff führt der Verweis des Europarechts auf die Qualifikationsprärogative des nationalen Steuerrechts zu einer wirkungsorientierten Betrachtungsweise. Eine Abschichtung der Steuervergünstigungen nach formalen Kriterien oder nach den Motiven des Gesetzgebers würde dem Willen der Kommission zuwiderlaufen, eine Maßnahme nur an ihren Wirkungen zu messen.142 Zurecht kritisiert Kube die Kommission, wenn die Natur des nationalen Steuerrechts nach quantitativen Kriterien ermittelt wird. Die dem Leistungsfähigkeitsprinzip entsprechende „Regelbesteuerung“ kann nicht bloß aus der quantitativ-allgemeinen Anwendbarkeit der Steuernorm („general applicability“), sondern nur aus den Prinzipien des Steuerrechts entwickelt werden.143 Die formale Ausnahme kann durch das Leistungsfähigkeitserwägungen geboten sein; umgekehrt kann auch die formale Grundnorm Steuervergünstigung sein. Leistungsfähigkeitskriterien entspricht im Bereich der Abschreibungstatbestände nur eine realitätsgerechte Verteilung des Wertverzehrs.144 Europarecht und nationales Steuerrecht sind hier in einer eigentümlichen Weise verzahnt. Allerdings ist EuGH und Kommission beizupflichten, daß eine Stärkung der allgemeinen Wettbewerbsposition die marktverzerrende Wirkung nahe legt. 139 Selon Marc Bossuyt la cour européenne a fixé sa jurisprudence dans l’affaire „Linguistique Belge c. Belgique“, 23.7.1968, décision au fond, page 34: „L’égalité de traitement est violée si la distinction manque de justification objective et raisonnable. L’existence d’une pareille justification doit s’apprécier par rapport au but et aux effets de la mesure considérée, eu égard aux principes qui prévalent généralement dans les sociétés démocratiques. Une distinction de traitement dans l’exercice d’un droit consacré par la Convention ne doit pas seulement poursuivre un but légitime: L’art. 14 est également violé lorsqu’il est clairement établi qu’il n’existe pas de rapport raisonnable de proportionnalité entre les moyens employés et le but visé.“ M. w. N. Pettiti/Decaux/Imbert, La Convention Européenne des Droits de l’Homme, S. 481, Rn. V. 140 Schön, Steuerliche Beihilfen, Beiheft 69 ZHR, S. 119. 141 Ähnlich Schön, Steuerliche Beihilfen, Beiheft 69 ZHR, S. 116. 142 Gross, RIW, 2002, S. 51. 143 Kube, National Tax Law and the Transnational Control of State Aid, EUI Nr. 2001/9, Page 18. 144 So auch Schön, Steuerliche Beihilfen, Beiheft 69 ZHR, S. 122.
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Daraus folgt für die Prüfung von Abschreibungsvorschriften auf ihre Vereinbarkeit mit Art. 87 I EGV folgender Prüfungsaufbau: (1) Vorteil = Weicht die Abschreibungsnorm von einer realitätsgerechten Absetzung ab? (2) Selektivität/Wettbewerbsverfälschung/Handelsbeeinträchtigung: 2.1. Wirkt die Abschreibungsnorm sich zu Gunsten von Unternehmen aus? 2.2. Stehen die begünstigen Unternehmen mit ausländischen, europäischen Unternehmen in Konkurrenz? 2.3. Läßt sich durch die Stärkung der allgemeinen Wettbewerbsstellung eine Verzerrung des Wettbewerbs plausibel begründen? Abbildung 6: Zweistufige Gesamtschau für Förderabschreibungstatbestände
VII. Verhältnis des Beihilfenrechts zur Harmonisierung gem. Art. 96, 97 EGV Gem. Art. 96 I 1 EGV kann die Kommission, nachdem sie festgestellt hat, „daß vorhandene Unterschiede in den Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten die Wettbewerbsbedingungen auf dem Gemeinsamen Markt verfälschen und dadurch eine Verzerrung hervorrufen, die zu beseitigen ist, mit den betreffenden Mitgliedstaaten in Beratungen eintreten.“ Führen diese Beratungen nicht zur Beseitigung dieser Verzerrung, so erläßt der Rat gem. Art. 96 II 1 EGV mit qualifizierter Mehrheit auf Vorschlag der Kommission die erforderlichen Richtlinien. Art. 96 EGV ist damit eine Harmonisierungsgrundlage. Oben wurde vertreten, Steuervergünstigungen, die den Wettbewerb zu verfälschen drohen, erfüllten alle Tatbestandsmerkmale des Art. 87 EGV. Die Selektivität folge aus der Wettbewerbsverzerrung. Dagegen könnte man einwenden, aus Art. 96 EGV ergebe sich e contrario, daß es auch nicht-selektive Steuervergünstigungen geben muß, die den Wettbewerb verzerren, aber keine Beihilfen darstellen. Dieser Einwand überzeugt nicht. Art. 96 EGV regelt die Fallkonstellation, bei der sich aus den Unterschieden der nationalen Rechtsordnungen Wettbewerbsverzerrungen ergeben. Diese rechtsvergleichende Perspektive führt dazu, daß die Kommission mit „den betreffenden Mitgliedstaaten“, mit mehreren also, in Beratungen eintreten muß. Während die Charakterisierung einer mitgliedstaatlichen Vorschrift als Beihilfe eine Schuldzuweisung (Vertragsbruch) impliziert, ist dies in der Fallkonstellation nach Art. 96 EGV nicht der Fall. Das verdeutlicht folgendes Beispiel: Wenn etwa Irland die Steuersätze für alle
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Unternehmen einheitlich auf 10% senkt, führt das zu erheblichen Wettbewerbsverzerrungen gegenüber dem Hochsteuerland Frankreich. Die allgemeine Tarifsenkung wäre keine „Steuervergünstigung“, sie wäre systemkonsequent.145 Damit würde im entsprechenden Fall der Kommission die Eingriffsmöglichkeit nach Art. 87 EGV fehlen. Trotzdem ist es aus Sicht des europäischen Wettbewerbs (vgl. die Überschrift des Titels VI: Gemeinsame Regeln betreffend Wettbewerb, Steuerfragen und Angleichung der Rechtsvorschriften) geboten, die Verzerrungen auszugleichen. Eben dafür ist Art. 96 EGV bestimmt. Art. 96 EGV erlaubt der Gemeinschaft damit subsidiär146, sofern das Beihilfenrecht nicht schon einschlägig ist, die Wettbewerbsverzerrungen entgegentreten. Nichts anderes ergibt sich aus Art. 97 EGV. Danach setzt sich der Mitgliedstaat, der eine Maßnahme beabsichtigt, die eine Wettbewerbsverzerrung im Sinne des Art. 96 EGV bewirken könnte, mit der Kommission ins Benehmen. Diese empfiehlt nach Beratungen mit den Mitgliedstaaten den beteiligten Staaten die zur Vermeidung dieser Verzerrung geeigneten Maßnahmen. Auch Art. 97 EGV geht damit von einem multinational-rechtsvergleichenden Ansatz aus. Mangels Verschulden eines Mitgliedstaates kann er sich gem. Art. 97 II sogar über die Empfehlungen der Kommission hinwegsetzen. Die Harmonisierung durch den Rat gem. Art. 96 EGV und die Unverbindlichkeit der Empfehlung gem. Art. 97 EGV (vgl. Art. 249 V EGV) zeigen, daß – ohne Vertragsbruch – die Kompetenzen bei den Mitgliedstaaten verweilen. Art. 87 EGV führt zu einer Verlagerung der Kompetenzen. Die einseitige Bevorzugung der nationalen Unternehmen begründet die Kompetenz der Kommission. Indirekt stützt diese Argumentation auch die Vorgehensweise der Kommission in der Mitteilung über die Anwendung der Beihilferegelungen auf steuerliche Vorschriften. Dort hat die Kommission bewußt auf einen Ländervergleich verzichtet. Unter dem Vorzeichen des Art. 87 EGV ist dies zutreffend, unter dem Blickwinkel der Art. 96, 97 EGV wäre es hingegen verfehlt.147 Die Selektivität einer Steuervergünstigung ergibt sich aus ihrer wettbewerbsverzerrenden Wirkung, auf die Formulierung kommt es nicht an.
145 Koschyk ist wohl der Ansicht, auch Art. 96, 97 erfaßten Steuervergünstigungen, Steuervergünstigungen als Beihilfen nach Art. 92 EGV, S. 185. 146 Es ist wohl einhellige Meinung, daß Art. 96, 97 in einem Subsidiaritätsverhältnis zu dem Beihilfenrecht stehen, Wartenburger, IStR 2001, S. 399. 147 Der Vorschlag von Koschyk, die Wechselwirkungen von steuerlichen Beihilfen auf das Verhalten anderer Mitgliedstaaten mit in die Betrachtung einzubeziehen, sollte m. E. nur im Rahmen der Art. 96, 97 EGV Beachtung finden. Im Rahmen des Beihilfenrechts ist die Perspektive jedoch auf das Verhalten eines Mitgliedstaates fokussiert. Das drohende Anpassungsverhalten sollte die Kommission hier nur zu einem härteren Durchgreifen anspornen; Koschyk, Steuervergünstigungen als Beihilfen nach Art. 92 EGV, S. 217.
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C. Mit dem Gemeinsamen Markt zu vereinbarende Beihilfen Sind Förderabschreibungen als Beihilfe qualifiziert worden, ist fraglich, ob sie gem. Art. 87 II oder III EGV mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar sind. Diese Prüfung weist für Förderabschreibungstatbestände keine Besonderheiten auf. Die Darstellung wird deshalb bewußt kurz gehalten. Art. 87 nennt in Absatz 2 Beihilfen, die qua Gesetz mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar sind. Absatz 3 nennt demgegenüber nur Beihilfen, die als mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar angesehen werden „können“. Art. 87 III EGV gewährt der Kommission ein weites wirtschaftspolitisches Ermessen.148 Die Kriterien, die im folgenden erklärt werden, können demnach nur Hinweise sein, wie die Kommission vermutlich vorgehen wird. Nach neuerer Rechtsprechung sind Beihilfen zu Gunsten von Unternehmen, die mit Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse betraut sind, auch nach Art. 86 II EGV genehmigungsfähig.149 Solange die Kommission keine Genehmigung erteilt hat, ist die Beihilfe i. S. d. Art. 87 III als nicht mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar anzusehen. I. Art. 87 II EGV, insbesondere Art. 87 II c) Die in Art. 87 II EGV150 bezeichneten Beihilfen betreffen bestimmte soziale (87 II a) EGV), schadensbeseitigende (87 II b) EGV) und nachteilsausgleichende Subventionen (87 II c) EGV).151 Obwohl diese Beihilfen per se gemeinschaftskonform sind, sind sie nicht der Kontrolle durch die Kommission entzo-
148 Diese Sicht beruht auf der Philip Morris Entscheidung, Philip Morris Holland versus Commission, 17.9.1980, EuGHE 1980, 901 (Pinto, European Taxation, 1999, S. 302). 149 Hakenberg/Erlbacher, EWS 2001, S. 214; Koenig/Kühling/Ritter, EG-Beihilfenrecht, S. 32; hierbei ist wohl noch offen, ob Art. 86 II Rechtfertigungsgrund ist oder den Tatbestand des Art. 87 I EGV ausschließt. Im letztgenannten Sinn ist es möglich, anzunehmen, eine gemeinwirtschaftliche Verpflichtung schließe das Merkmal des einseitigen Vorteils aus. Dieser Meinungsstreit ist wohl von erheblicher Relevanz: Wirkt Art. 86 II tatbestandsausschließend, ist die Maßnahme wohl nicht anmeldepflichtig, Reinhard Ruge, Anmerkung zu EuGH 22.11.2001 C-53/00 Ferring ./. Agence centrale des organismes de sécurité sociale, EuZW 2002, S. 51 (52). 150 Art. 87 II EGV: „Mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar sind: a) Beihilfen sozialer Art an einzelne Verbraucher, wenn sie ohne Diskriminierung nach der Herkunft der Waren gewährt werden; b) Beihilfen zur Beseitigung von Schäden, die durch Naturkatastrophen oder sonstige außergewöhnliche Ereignisse entstanden sind; c) Beihilfen für die Wirtschaft bestimmter, durch die Teilung Deutschlands betroffener Gebiete der Bundesrepublik Deutschland, soweit sie zum Ausgleich der durch die Teilung verursachten wirtschaftlichen Nachteile erforderlich sind.“ 151 von der Groeben – Fritz-Harald Wenig, Art. 92 Rn. 28.
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gen. Die Mitgliedstaaten müssen derartige Beihilfen trotz ihrer (eventuellen) Vereinbarkeit mit dem Gemeinsamen Markt der Kommission notifizieren.152 Nach Art. 87 II a) sind Beihilfen sozialer Art an einzelne End153-Verbraucher vom Verbot ausgenommen, wenn sie ohne Diskriminierung nach Herkunft der Waren gewährt werden. Der soziale Charakter der Beihilfe muß sich aus dem Kreis der Begünstigten ergeben und im Vordergrund stehen. Fritz-Harald Wenig hat darauf hingewiesen, daß der Anwendungsbereich dieser Ausnahme gering ist: Da Art. 87 nur Beihilfen an Unternehmen erfaßt, sind bei Art. 87 II a) zwei Fallgruppen zu unterscheiden. – Entweder gehen die Beihilfen unmittelbar an einzelne Verbraucher, wirken sich aber mittelbar bei bestimmten Unternehmen oder Produktionszweigen aus. – Oder die Beihilfen sind an Unternehmer gerichtet, die begünstigende Wirkung soll aber nur bei einzelnen Verbrauchern eintreten. Als Beispiel nennt Wenig die Verbilligung von Heizöl, Kleidung oder von Nahrungsmitteln.154 Abschreibungstatbestände sind Vorschriften, die die Erwerbsausgaben des Steuerpflichtigen betreffen. Bei ihnen kann deshalb nur die 2. Fallgruppe (unmittelbar an Unternehmen, mittelbar an einzelne Verbraucher) einschlägig sein. Eine Förderabschreibungsvorschrift, die etwa im Bereich des sozialen Wohnungsbaus den Verbraucher mehr begünstigt als die Wohnungsbau- oder Wohnungsverwaltungs-Unternehmen, hätte jedoch keinen praktischen Anwendungsbereich. Damit steht der soziale Charakter nicht im Vordergrund. Zudem ist es aus Sicht des Steuergesetzgebers kaum möglich, die Begünstigungswirkung zu Gunsten einzelner Verbraucher sicherzustellen. Daraus folgt, daß Art. 87 II a) EGV für Abschreibungstatbestände bedeutungslos ist.155 Unter den generell mit dem Gemeinsamen Markt zu vereinbarenden Beihilfen interessiert deshalb hier nur Buchstabe c). Gem. Art. 87 II c) sind Beihilfen für die Wirtschaft bestimmter, durch die Teilung Deutschlands betroffener Gebiete der Bundesrepublik Deutschland zulässig, soweit sie zum Ausgleich der durch die Teilung verursachten wirtschaftlichen Nachteile erforderlich sind.
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von der Groeben – Fritz-Harald Wenig, Art. 92 Rn. 28. Cremer, in Calliess/Ruffert, EGV, Art. 87, Rn. 20. 154 von der Groeben – Fritz-Harald Wenig, Art. 92 Rn. 28. 155 Schwarze – Bertold Bär-Bouyssière berichtet jedoch (Art. 87 EGV Rn. 47): „Die Kommission hat jedoch eine Steuerermäßigung für den Erwerb umweltfreundlicher Kfz, auf dieser Grundlage genehmigt (Agence Europe v. 31.3.1990, 8).“ Der Hinweis auf den „Bulletin Quotidien“ der „Agence Europe“ ist leider fehlerhaft und deshalb nicht nachvollziehbar gewesen. 153
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Dem Wortlaut nach müssen die Gebiete nur durch die Teilung Deutschlands besonders betroffen sein. Daraus könnte man schließen, die Förderung der neuen Bundesländer – etwa nach dem Fördergebietsgesetz – sei von Art. 87 II c) erfaßt. Dieser Auffassung hat sich weder der EuGH156, noch die Kommission angeschlossen. Art. 87 II c) ist eine Vorschrift, die nicht erst durch die Wiedervereinigung geschaffen wurde. Die Vorschrift diente jahrelang dazu, eine Zonenrandgebietsförderung und eine Förderung des Landes Berlin zu ermöglichen. Bleibt man – wie die Kommission – bei der historisch-ehemaligen Bedeutung der Vorschrift, dann ist eine allgemeine Ostförderung der Neuen Bundesländer nicht erfaßt. Die Kommission hat darauf abgestellt, die wirtschaftliche Benachteiligung der neuen deutschen Bundesländer sei nicht durch die Teilung verursacht, sondern beruhe auf anderen Gründen, namentlich auf den unterschiedlichen politisch-wirtschaftlichen Systemen.157 Hintergrund dieser restriktiven Haltung der Kommission ist das Bemühen, das Wirtschaftsniveau der schwächeren Mitgliedstaaten an das Niveau des stärkeren Mitgliedstaates Deutschland (sog. Kohärenz).158 Allerdings ist Art. 87 II c) nach der Wiedervereinigung nicht geändert worden, obwohl dies etwa bei den Verhandlungen über den Vertrag von Maastricht oder Amsterdam durchaus möglich gewesen wäre. Sollte Art. 87 II c) nur die ehemaligen Zonenrandgebiete erfassen, so hätte er mit der Wiedervereinigung jeden sinnvollen Anwendungsbereich verloren. Kann man allerdings das Schweigen der Vertragsväter als dynamische Veränderung deuten? Oppermann ist eben dieser Ansicht, die Belassung von Art. 87 II c) führe dazu, daß „der vertragliche Wille damit offenkundig war, die Deutschlandklausel für Beihilfenfragen mit Blick auf Teilungsfolgen nach der Wiedervereinigung anwendbar zu halten.“159 Die Kommission möchte die Anwendbarkeit der Deutschlandklausel auf das ehemalige Zonenrandgebiet beschränken. Sie hat das Problem dadurch entschärft, daß sie die zahlreichen „großen Fälle“ als Befreiungsfälle gem. Art. 87 III a) behandelt hat. Ihre Genehmigungspraxis war dabei im allgemeinen anfangs „verständnisvoll“.160 Das Problem der Anwendbarkeit von Art. 87 II c) wird wohl nie einer gerichtlichen Klärung zugeführt werden. Die Legalausnahme betrifft schon nach dem Wortlaut nur „teilungsbedingte“ Nachteile. Je länger die deutsch-deutsche Teilung zurückliegt, um so schwieriger wird der Nachweis fallen, daß die wirtschaftliche Rückständigkeit durch die Teilung Deutschlands verursacht wurde. 156 EuG 1. Instanz, Freistaat Sachsen und Vw/Kommission, Sammlung 1999, II3663, Rn. 129-148; EuGH Deutschland/Kommission (Neue Bundesländer), 19.9.2000, Slg. 2000, I-6857. 157 Hakenberg/Erlbacher, EWS 2001, S. 215. 158 Koschyk, Steuervergünstigungen als Beihilfen nach Art. 92 EGV, S. 78. 159 Oppermann, Europarecht, § 15 Rn. 1123. 160 Oppermann, Europarecht, § 15 Rn. 1124.
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Überzeugender ist es, von einer Anwendbarkeit der Deutschlandklausel auf die Neuen Bundesländer auszugehen. Selbst wenn man nicht der Ansicht ist, Art. 87 II c) EGV sei „stillschweigend“ geändert worden, kann der Sinn und Zweck des Art. 87 II c) schon bei seiner Entstehung doch nur gewesen sein, die Sondersituation Deutschlands zu berücksichtigen. Die Teilung Deutschlands ist von der BRD nie als endgültig anerkannt worden. Damit war Art. 87 II c) von vornherein auf eine dynamische Entwicklung angelegt.161 Die Ansicht der Kommission mutet einem unbefangenen Leser einiges an Spitzfindigkeit zu, wenn sie den Hauptanwendungsfall der teilungsbedingten Sondersituation – die Sonderlage der Neuen Bundesländer nach der Wiedervereinigung – aus dem Tatbestand von Art. 87 II c) EGV ausnimmt. Die Bedeutung von Art. 87 II c) nimmt mit wachsendem zeitlichen Abstand zur Wiedervereinigung ab. Oppermann nennt Art. 87 II c) deshalb ein „auslaufendes Modell“162, Hakenberg/Erlbacher bezeichnen Art. 87 II c) nach der bestätigten Entscheidungspraxis von Kommission und EuGH Art. 87 II c) als „fast leere Hülse“.163 II. Art. 87 III EGV, insbesondere Art. 87 III a), b) 2. Alt. Die Genehmigungsmöglichkeiten nach Absatz 3164 sind von ihrer Bedeutung wohl gewichtiger als die Regelungen des Absatz 2.165 Absatz 3 nennt 5 verschiedene Beihilfekategorien, während Absatz 2 nur 3 Fallgruppen unterscheidet. Absatz 3 ist eine Ermessensvorschrift, Absatz 2 eine Legalausnahme. Die Kommission hat für alle 5 Fallgruppen in Leitlinien166 Kriterien aufgestellt, 161 Müller-Graff spricht von einer „entwicklungsoffenen Auslegung des Gemeinschaftsrechts“, Regionalförderung im vereinigten Deutschland, S. 53. 162 Oppermann, Europarecht, § 15 Rn. 1125. 163 Hakenberg/Erlbacher, EWS 2001, S. 215. 164 Art. 87 III EGV: „Als mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar können angesehen werden: a) Beihilfen zur Förderung der wirtschaftlichen Entwicklung von Gebieten, in denen die Lebenshaltung außergewöhnliche niedrig ist oder eine erhebliche Unterbeschäftigung herrscht; b) Beihilfen zur Förderung wichtiger Vorhaben von gemeinsamem europäischen Interesse oder zur Behebung einer beträchlichten Störung im Wirtschaftsleben eines Mitgliedstaats; c) Beihilfen zur Förderung der Entwicklung gewisser Wirtschaftszweige oder Wirtschaftsgebiete, soweit sie die Handelsbedingungen nicht in einer Weise verändern, die dem gemeinsamen Interesse zuwiderläuft; d) Beihilfen zur Förderung der Kultur und der Erhaltung des kulturellen Erbes, soweit sie die Handels- und Wettbewerbsbedingungen in der Gemeinschaft nicht in einem Maß beeinträchtigen, das dem gemeinsamen Interesse zuwiderläuft; e) sonstige Arten von Beihilfen, die der Rat durch eine Entscheidung mit qualifizierter Mehrheit auf Vorschlag der Kommission bestimmt.“ 165 Koschyk, Steuervergünstigungen als Beihilfen nach Art. 92 EGV, S. 79. 166 Besonders erwähnenswert sind die Leitlinien für Staatliche Beihilfen mit regionaler Zielsetzung, Amtsblatt C 74 v. 10.3.1998, S. 9, der Gemeinschaftsrahmen für
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nach denen sie ihr Ermessen ausüben wird. Dieses Nebeneinander von tatbestandsformendem EGV, Verordnungen und ermessensleitenden Leitlinien/Gemeinschaftsrahmen/Mitteilungen führt zu einer weitgehenden Unvorhersehbarkeit des Kommissionsverhaltens. Statt Transparenz entsteht Verwirrung. Die Vielzahl von Verordnungen, die für die einzelnen Sachbereiche verbindliche Detailregelungen aufstellen167, führt dazu, daß dieser Rechtsbereich unübersichtlich ist. Gerade die Überschneidungsformen zwischen den begrifflichen Festlegungen der Kommission werfen Schwierigkeiten auf.168 Für die genehmigungsbedürftigen Beihilfen hat die Kommission allgemein ihre restriktive Haltung im Steuerrecht in der Kommissionsmitteilung169 zusammengefaßt. Danach müssen alle genehmigungsbedürftigen Beihilfen: • in einem angemessenen Verhältnis zu den auszugleichenden Nachteilen stehen, • grundsätzlich degressiv und begrenzt sein.170 staatliche Umweltschutzbeihilfen, (EG) Amtsblatt 2001/C 37/03, die Mitteilung der Kommission über die Anwendung der Art. 87 und 88 EGV auf staatliche Beihilfen in Form von Haftungsverpflichtungen und Bürgschaften, ABl. C 71, die Leitlinien der Gemeinschaft für staatliche Beihilfen zur Rettung und Umstrukturierung von Unternehmen in Schwierigkeiten, ABl. C 288, die Mitteilung der Kommission – Leistungen der Daseinsvorsorge in Europa. KOM/2000/580. 167 Besonders erwähnenswert sind die Gruppenfreistellungsverordnungen: die Verordnung der Kommission (EG) Nr. 70/2001 vom 12.1.2001 über die Anwendung der Art. 87 und 88 EGV auf staatliche Beihilfe an kleine und mittlere Unternehmen, Amtsblatt L 10, 13.01.2001, S. 33–42; Verordnung (EG) Nr. 68/2001 der Kommission v. 12.1.2001 über die Anwendung der Art. 87 und 88 EGV auf Ausbildungsbeihilfen, ABl. L 10, 20; Verordnung (EG) Nr. 69/2001 der Kommission v. 12.1.2001 über die Anwendung der Art. 87 und 88 EGV auf „de-minimis“-Beihilfen, ABl. L 10, 30. Diese drei Gruppenfreistellungsverordnung haben als Ermächtigungsgrundlage die Verordnung (EG) Nr. 994/98 des Rates v. 7.5.1998 über die Anwendung der Art. 92 und 93 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft auf bestimmte Gruppen horizontaler Beihilfen, ABl. L 142, 1, Hakenberg/Erlbacher, EWS 2001, S. 209. Für bestimmte Industriebereiche (Landwirtschaft, Rundfunk, Kohle und Stahl, Elektrizität, Fischerei, Kraftfahrzeugbau, Schiffsbau, Transport etc.) gelten Sonderregelungen. Eine Sammlung der wichtigsten Texte findet sich auf http://europa.eu.int/comm/ competition/state_aid/legislation/aid3.html . 168 So ist z. B. bei einer Steuervergünstigung für Umweltschutzinvestitionen ostdeutscher Unternehmer fraglich, welche Regelungen zu beachten sind. In Betracht kämen unter anderen der Gemeinschaftsrahmen für staatliche Umweltschutzbeihilfen (so noch Bordewin, BB 1975, S. 458), die Mitteilung über die Anwendung der Beihilfen auf steuerliche Maßnahmen, die Verordnung der Kommission über die Anwendung der Art. 87 und 88 EGV auf staatliche Beihilfen an kleine und mittlere Unternehmen und die Leitlinien für staatliche Beihilfen mit regionaler Zielsetzung. 169 „Mitteilung über die Anwendung der Vorschriften über staatliche Beihilfen auf Maßnahmen im Bereich der direkten Unternehmensbesteuerung“ (98/C 384/03). 170 In den Leitlinien für Regionalbeihilfen stellt die Kommission die Forderung nach zeitlicher Begrenzung und degressiver Staffelung nur für „Betriebsbeihilfen“ auf. Betriebsbeihilfen sind Beihilfen, die die laufenden Ausgaben des Unternehmens senken. Indem die Kommission für steuerliche Beihilfen generell verlangt, diese müßten
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Von dem 2. Erfordernis will die Kommission Beihilfen ausnehmen, die als Beförderungsbeihilfen in Gebieten in äußerster Randlage und in bestimmten, schwer zugänglichen nordischen Gebieten mit sehr niedriger Bevölkerungsdichte genehmigt werden. Ausfuhrbeihilfen werden generell nicht genehmigt. Regionalförderungen müssen: • zur Regionalförderung beitragen und Tätigkeiten entsprechen, die einen lokalen Bezug haben: „Off-shore“-Tätigkeiten stellen in der Regel keinen ausreichenden Beitrag zur Unterstützung dieser Wirtschaft dar. • tatsächlichen regionalen Benachteiligungen entsprechen, • in einem gemeinschaftsweiten Kontext untersucht werden: In diesem Zusammenhang müsse die Kommission den negativen Auswirkungen Rechnung tragen, die derartige Maßnahmen auf die anderen Mitgliedstaaten haben können. Ohne bezug auf steuerliche Beihilfen hat die Kommission als „oberstes Leitkriterium“ aufgetragen, daß die Beihilfen eines der in Absatz 3 genannten Ziele auch tatsächlich näher bringt.171 Das hat die Kommission etwa im Fall der Verlängerung von Investitionsbeihilfen nach dem InvZulG abgelehnt: Die Verlängerung des Begünstigungszeitraumes würde nicht-abgeschlossenen Investitionen einen „Zufallsgewinn“172 bescheren, der auf das Investitionsverhalten der Betriebe keinen Einfluß mehr haben konnte. Die Beihilfen wurden deshalb als nicht befreiungsfähige Betriebsbeihilfen eingestuft. Die durch § 18 Nr. 1 des Jahressteuergesetzes 1996 herbeigeführte Verlängerung des Investitionszulagenzeitraumes war mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar.173 1. Beihilfen zur Förderung unterentwickelter Gebiete (Art. 87 III a) EGV) Als mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar können gem. Art. 87 III a) EGV Beihilfen zur Förderung der wirtschaftlichen Entwicklung von Gebieten angesehen werden, in denen die Lebenshaltung außergewöhnlich niedrig ist oder eine erhebliche Unterbeschäftigung herrscht. Fraglich ist im Rahmen dieser Fallzeitlich begrenzt sein und degressiv gestaffelt, tritt die Auffassung der Kommission zu Tage, steuerliche Beihilfen generell als „Betriebsbeihilfen“ einzustufen, Leitlinien für Staatliche Beihilfen mit regionaler Zielsetzung, Amtsblatt C 74 v. 10.3.1998, S. 9, Rn. 4.15. 171 Koschyk, Steuervergünstigungen als Beihilfen nach Art. 92 EGV, S. 84. 172 Entscheidung der Kommission v. 1.10.1997 betreffend die Verlängerung der 8%igen Investitionszulage für Investitionen in den neuen Bundesländern durch das Jahressteuergesetz 1996, ABl. 1998, L 73/38 (40). 173 Entscheidung der Kommission v. 1.10.1997 betreffend die Verlängerung der 8%igen Investitionszulage für Investitionen in den neuen Bundesländern durch das Jahressteuergesetz 1996, ABl. 1998, L 73/38 (41).
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gruppe, was als Vergleichsmaßstab herangezogen wird, um ein Gebiet mit außergewöhnlich niedriger Lebenshaltung und erheblicher Unterbeschäftigung zu klassifizieren.174 Zwei Vorgehensweisen sind denkbar: Möglich wäre es zum einen ein nationales oder zum anderen ein europäisches Durchschnittsgebiet zu bilden.175 Die Frage stellen, heißt sie in letzterem Sinne zu beantworten. Vor dem Ziel einer wirtschaftlichen Konvergenz innerhalb des Gemeinsamen Marktes muß eine europäische Perspektive eingenommen werden. In Deutschland wird eine Unterentwicklung deshalb nur in relativ seltenen Fällen nachzuweisen sein.176 Welche Gebiete unter Art. 87 III a) fallen, ermittelt die Kommission durch einen Vergleich des Bruttoinlandsprodukts pro Kopf (BIP) gemessen am gemeinschaftsweiten Kaufkraftstandard (KKS) auf der geographischen Einheit der NUTS-Ebene II. Das BIP pro Kopf darf den Schwellenwert von 75% KKS nicht überschreiten.177 Die Kommission legt die regionalen Fördergebiete durch eine Fördergebietskarte fest.178 Die bis 31.12.2003 geltende Fördergebietskarte hat die fünf neuen Bundesländer Brandenburg, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen und Mecklenburg-Vorpommern als Gebiete gem. Art. 87 III a) eingeordnet.179 Weiterhin „erkennt die Kommission die besondere geographische Lage der Stadt Berlin an.“180 Die Kommission kommt zu dem Schluß, daß die Stadt Berlin unter die Ausnahmebestimmungen des Art. 87 III c) EGV fällt181, begrenzt jedoch die Beihilfehöchstintensität auf 20% Nettosubventionsäquivalent (für kleine und mittlere Unternehmen 30%).182 Um europaweit einheitliche Kri174
Koschyk, Steuervergünstigungen als Beihilfen nach Art. 92 EGV, S. 80. Koschyk, Steuervergünstigungen als Beihilfen nach Art. 92 EGV, S. 80. 176 Im Zuge eines Kompromisses zwischen dem Ziel nationaler und europäischer Kohärenz bemißt die Kommission die erforderliche Mindestabweichung zunächst im nationalen Rahmen, erweitert aber bei einer Region, die in einem Mitgliedstaat höherer Entwicklungsstufe belegen ist, die erforderliche Mindestabweichung. MüllerGraff, Regionalförderung im vereinigten Deutschland, S. 60 ff. 177 Leitlinien für Staatliche Beihilfen mit regionaler Zielsetzung, Amtsblatt C 74 v. 10.3.1998, S. 9, Rn. 3.5. 178 Leitlinien für Staatliche Beihilfen mit regionaler Zielsetzung, Amtsblatt C 74 v. 10.3.1998, S. 9, Rn. 5 ff. 179 Entscheidung der Kommission v. 14.3.2000 zur Neuabgrenzung der Fördergebiete der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ in Deutschland für den Zeitraum v. 1.1.2000 bis 31.12.2003, Amtsblatt Nr. L 097 v. 6.4.2001, S. 27–39, Rn. II 7. 180 Entscheidung der Kommission v. 14.3.2000 zur Neuabgrenzung der Fördergebiete der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ in Deutschland für den Zeitraum v. 1.1.2000 bis 31.12.2003, Amtsblatt Nr. L 097 v. 6.4.2001, S. 27–39, Rn. 46. 181 Entscheidung der Kommission v. 14.3.2000 zur Neuabgrenzung der Fördergebiete der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ in Deutschland für den Zeitraum v. 1.1.2000 bis 31.12.2003, Amtsblatt Nr. L 097 v. 6.4.2001, S. 27–39, Rn. 47. 182 Entscheidung der Kommission v. 14.3.2000 zur Neuabgrenzung der Fördergebiete der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ in 175
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terien anzuwenden, rechnet die Kommission das Nettosubventionsäquivalent der entsprechenden Beihilfen nach einheitlichen Kriterien aus.183 Art. 87 III a) und c) 2. Alternative EGV (Förderung der Entwicklung gewisser Wirtschaftsgebiete) bezeichnet die Kommission als „Regionalbeihilfen“. Für Regionalbeihilfen verlangt die Kommission, daß die Gewährung der Beihilfen von der Voraussetzung abhängig gemacht werden, daß die Investition und die neugeschaffenen Arbeitsplätze während einer Mindestdauer in dem benachteiligten Gebiet aufrechterhalten werden.184 2. Beihilfen zur Förderung wichtiger Vorhaben und zur Behebung beträchtlicher Störungen (Art. 87 III b) EGV) Die erste Alternative umfaßt nur Vorhaben von gemeinsamem europäischen Interesse. Eine Steuervergünstigung in Form von Förderabschreibungen ist zu ungezielt, um von dieser Fallgruppe erfaßt zu sein. Die zweite Alternative hingegen umfaßt auch beträchtliche Gesamtstörungen in der wirtschaftlichen Entwicklung eines Mitgliedstaates, insbesondere also konjunkturelle Störungen.185 Wegen der Gefahr einer Ausuferung dieses Befreiungstatbestands hat die Kommission hierunter nur besonders gravierende Fälle gerechnet.186 Die Störung muß den gesamten Mitgliedstaat erfassen; eine Störung auf einem Teilgebiet reicht nicht aus.187 Die von der Kommission im Rahmen des Art. 87 III b) als Ausnahme genehmigten Beihilfen beinhalten vor allem Unterstützungsmaßnahmen, die unmittelbar der Arbeitserhaltung und Arbeitsbeschaffung dienen. 3. Beihilfen zur Förderung gewisser Wirtschaftszweige oder Wirtschaftsgebiete (Art. 87 III c) EGV) Art. 87 III c) EGV umfaßt in seinen beiden Alternativen sektorale und regionale Beihilfen, sofern Handelsbeziehungen nicht wider dem gemeinsamen Interesse verändert werden.188 Dieser breite Anwendungsbereich führt dazu, daß Art. 87 III c) die am häufigsten angewandte Ausnahmeregelung darstellt.189 Deutschland für den Zeitraum v. 1.1.2000 bis 31.12.2003, Amtsblatt Nr. L 097 v. 6.4.2001, S. 27–39, Art. 2 II der Entscheidung. 183 Anhang I zu den Leitlinien für Staatliche Beihilfen mit regionaler Zielsetzung, Amtsblatt C 74 v. 10.3.1998, S. 9. 184 Leitlinien für Staatliche Beihilfen mit regionaler Zielsetzung, Amtsblatt C 74 v. 10.3.1998, S. 9, Rn. 1 Einleitung. 185 Koschyk, Steuervergünstigungen als Beihilfen nach Art. 92 EGV, S. 81. 186 Oppermann, Europarecht, § 15 Rn. 1131. 187 EuG 1. Instanz, 15.12.1999 Rs. T-132/96 und T-143/96, Freistaat Sachsen und VW/Kommission, Sammlung 1999, II-3663, Rn.166–172. 188 Koschyk, Steuervergünstigungen als Beihilfen nach Art. 92 EGV, S. 82.
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Der Nachsatz „sofern Handelbedingungen nicht in einer Weise verändert werden, die dem gemeinsamen Interesse entgegen läuft“, ist als Lockerung des Merkmals der Handelsbeeinträchtigung aufzufassen. Der EGV nimmt damit eine Handelsbeeinträchtigung und eine Wettbewerbsbeeinflussung zum Teil bewußt in Kauf.190 In der 2. Alternative erfaßt Art. 87 III c) EGV wie schon Art. 87 III a) regionale Beihilfen. Für diese hat die Kommission in ihren Leitlinien einheitliche Kriterien aufgestellt. Nach Ansicht der Kommission gestattet Art. 87 III c) 2. Alt. wegen des fehlenden Hinweises im Wortlaut auf dem Gemeinschaftsdurchschnitt einen nationalen Vergleichsmaßstab.191 4. Beihilfen zur Förderung der Kultur (Art. 87 III d) EGV) 1993 wurde der EGV um diese weitere Ausnahmekategorie ergänzt. Nach ihr sind in Ausnahmefällen auch Beihilfen zulässig, die der Förderung der Kultur und der Erhaltung des kulturellen Erbes dienen. Die relativ neue Ausnahmevorschrift ist bisher in der Rechtsprechung noch nicht tiefer erörtert worden.192 Oppermann nimmt an, daß Kulturbeihilfen zu einer Verzerrung im grenzüberschreitenden Wettbewerb kultureller Dienstleistungsunternehmen führen.193 In der Praxis wird damit wohl insbesondere die Medienbranche von Art. 87 III d) EGV betroffen sein. 5. Sonstige Beihilfen per Ratsentscheidung (Art. 87 III e) EGV) Für die sonstigen Beihilfen gem. Art. 87 III e) EGV entscheidet der Rat mit qualifizierter Mehrheit auf Vorschlag der Kommission.194 Der Mangel an tatbestandlicher Begrenzung wird durch ein besonders strenges Verfahren ausgeglichen. Die Ratsentscheidungen haben ihrer Rechtsnatur nach den Stellenwert einer Rechtsnorm, da sie sich nicht an einen bestimmten Empfängerkreis richten.195 Bekanntestes Beispiel dieser Sondervorschrift sind die verschiedenen Richtlinien über Beihilfen im Bereich des Schiffbaus.196 189
Koschyk, Steuervergünstigungen als Beihilfen nach Art. 92 EGV, S. 82. Koschyk, Steuervergünstigungen als Beihilfen nach Art. 92 EGV, S. 82. 191 Leitlinien für Staatliche Beihilfen mit regionaler Zielsetzung, Amtsblatt C 74 v. 10.3.1998, S. 9, Rn. 3.6. 192 Koschyk, Steuervergünstigungen als Beihilfen nach Art. 92 EGV, S. 83. 193 Oppermann, Europarecht, § 15 Rn. 1135. 194 Koschyk, Steuervergünstigungen als Beihilfen nach Art. 92 EGV, S. 83. 195 Koschyk, Steuervergünstigungen als Beihilfen nach Art. 92 EGV, S. 84. 196 Koschyk, Steuervergünstigungen als Beihilfen nach Art. 92 EGV, S. 84. 190
§ 13 Die „steuerlichen Vorschriften‘‘ und Art. 25 EGV
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III. Art. 88 II, 3. Abschnitt, EGV (außergewöhnliche Umstände) Gem. Art. 88 II 3 EGV kann der Rat einstimmig auf Antrag eines Mitgliedstaats entscheiden, daß eine von diesem Staat gewährte oder geplante Beihilfe in Abweichung von Art. 87 oder von den nach Art. 89 erlassenen Verordnungen als mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar gilt, wenn „außergewöhnliche Umstände eine solche Entscheidung rechtfertigen“. Auch Art. 88 II 3 hat einen Tatbestand: Im tatsächlichen müssen außergewöhnliche Umstände vorliegen. Außerhalb des Landwirtschaftsbereichs197 hat der Rat soweit ersichtlich bisher nur eine Beihilfe gem. Art 88 II, 3. Abschnitt EGV genehmigt.198 Sie wird ausführlich später behandelt.199 Die Norm hat einen Makel: Die Genehmigung erfolgt ohne Beteiligung der Kommission. Damit haben die Mitgliedstaaten faktisch die Möglichkeit, das Beihilfenrecht zu umgehen, wenn sie im Konsens handeln. Um so wichtiger wird es für Rechtsprechung und Lehre sein, die außergewöhnlichen Umstände im tatsächlichen auf ihr Vorliegen und ihre Außergewöhnlichkeit zu überprüfen. Sicherlich will Art. 88 II 3. Abschnitt nur für solche Gründe eine Genehmigungsmöglichkeit enthalten, die keiner der genannten Genehmigungsmöglichkeiten entspricht. Ansonsten wäre Art. 88 II 3. Abschnitt EGV eine Möglichkeit, das Ermessen der Kommission gem. Art. 87 III zu überspielen. Der Begriff der „Außergewöhnlichkeit“ ist rechtlicher, nicht tatsächlicher Natur. Angesichts der umfangreichen Genehmigungsmöglichkeiten gem. Art. 87 II oder III EGV wird das nur sehr selten der Fall sein, eben „exzeptionell“ 200.
§ 13 Keine Grenzziehung durch die „steuerlichen Vorschriften“ oder Art. 25 EGV Prima facie könnte man des weiteren eine Anwendung der „steuerlichen Vorschriften“ gem. Art. 90–93 EGV erwägen. Die „steuerlichen Vorschriften“ verbieten höhere Abgaben auf ausländische Waren (Art. 90 EGV), verbieten Entlastungen und Rückvergütungen bei innergemeinschaftlichem Export (Art. 91, 92 EGV) und ermöglichen die Harmonisierung der indirekten Steuern (Art. 93 EGV). Förder-Abschreibungstatbestände sind „positive“ Lenkungsnormen innerhalb der direkten Steuern. Ihre Wirkung beschränkt sich auf die direkten Steuern. Die Art. 90–93 beziehen sich jedoch nur auf indirekte Steuern. Sie sind für 197
Cremer, in Calliess/Ruffert, EGV, Art.87, Rn. 20. So auch Oppermann, Europarecht, § 15 Rn. 1130. 199 Im Abschnitt „II. Außerkraftsetzen des Wettbewerbsrechts durch die politischen Akteure“. 200 In der französischen Fassung heißt es „circonstances exceptionelles“. 198
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die Zulässigkeit von Abschreibungstatbeständen (im Bereich der direkten Steuern) bedeutungslos. Diese Auslegung nach dem Wortlaut bestätigt auch der Sinn und Zweck der Art. 90–93 EGV: Die Art. 90–93 flankieren die Warenverkehrsfreiheit. Indirekte Steuern sind für die Verwirklichung eines gemeinsamen Binnenmarktes besonders hinderlich. Aus Sicht des Käufers drücken sie sich im Preis aus. Indirekte Steuern sind damit in besonderer Weise geeignet, den inner-europäischen Wettbewerb zu verfälschen. Diesem Konfliktpotential begegnen die „steuerlichen Vorschriften“. Meilenstein dieser Entwicklung ist die Harmonisierung der Umsatzsteuer zu einer Mehrwertsteuer durch die 6. EG-Richtlinie vom 17.5. 1977.201 Einer höheren Abgabenbelastung für ausländische Waren durch einen „negativen“ Lenkungstatbestand würde Art. 90 EGV entgegenstehen.202 Aus den Art. 90–93 zu schließen, diese enthielten eine erschöpfende und abschließende Regelung des Themas wettbewerbsverfälschender Steuervergünstigungen203, vermag nicht zu überzeugen. Der EGV ist auf maximale Wirksamkeit angelegt (effet utile). Dem würde es aber widersprechen, wenn man aus der Beschränkung der Art. 90–93 auf indirekte Steuern e contrario schließen wollte, das Recht der Beihilfen sei verdrängt. Die Art. 90–93 schließen die Anwendung der Vorschriften über „staatliche Beihilfen“ nicht aus. Sie flankieren das allgemeine Schutzprogramm zu Gunsten des Wettbewerbs. Dies ist auch ständige Ansicht des EuGH.204 Die Art. 90–93 konkurrieren frei mit den Vorschriften über Beihilfen. Die Vereinbarkeit mit den Art. 90–93 präjudiziert keine Vereinbarkeit mit den Vorschriften über Beihilfen.205
201 Amtsblatt Nr. L. 145 (1977), S. 1; eine gute Darstellung dieser Entwicklung findet sich bei Birk, Steuerrecht, § 10 Rn. 1278. 202 EuGH Sammlung 1985, 2049; die höhere Besteuerung von ausländischem Importwein durch die Italienische Republik war gemeinschaftswidrig, „Marsala-Likörwein“. 203 Wieberneit, Ordnungsrahmen für Umweltsubventionen. S. 325. 204 EuGH Rechtssache 73/79, 21.5.1980, Commission ./. République Italienne, Sommaire de la commission: „Une mesure réalisée par l’intermédiaire d’une taxation discriminatoire et susceptible d’être en même temps considérée comme faisant partie d’une aide au sens de l’Art. 92 du traité CEE, est assujettie cumulativement aux dispositions de l’Art. 95, alinéa 1, et à celles relatives aux aides d’Etat.“ 205 EuGH, 25.6.1970, Rechtssache 47/69, Regierung der französischen Republik gegen Kommission, Zusammenfassung der Kommission: „Les Art. 92 et 93, d’une part, et 95, d’autre part, poursuivant des objectifs différents, le fait qu’une mesure nationale satisfait aux exigences de l’Art. 95 n’implique pas qu’elle soit légitime au regard d’autres dispositions, telles que celles des Art. 92 et 93.“
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§ 14 Modalitätsüberprüfung von Steuervergünstigungen durch die Grundfreiheiten (Art. 23–31, 43–48, 49–55, 56–60 EGV) und das Diskriminierungsverbot des Art. 12 EGV Steuervergünstigungen sind zunächst an dem Beihilferecht zu messen. Die Grundfreiheiten sind nur insoweit von Bedeutung als die tatbestandliche Ausgestaltung einer Steuervergünstigung zu einer Ausgrenzung der Unternehmen eines anderen Mitgliedstaates führen können.
A. Ausschlußwirkung einer Steuervergünstigung als Verstoß gegen Grundfreiheiten Leitentscheidung für das Verhältnis von den Grundfreiheiten zu den Tatbeständen der direkten Steuern ist vermutlich die Entscheidung des EuGH im Vorabentscheidungsersuchen Finanzamt Köln-Altstadt gegen Roland Schumakker, EuGH 1995, I-225 Rs. C-279/93. Dort entschied der EuGH für das Verhältnis der direkten Steuern zu den Grundfreiheiten im ersten Leitsatz (I-226): „Obwohl der Bereich der direkten Steuern als solcher nicht in die Zuständigkeit der Gemeinschaft füllt, dürfen die Mitgliedstaaten bei der Ausübung der ihnen insoweit verbliebenen Befugnis das Gemeinschaftsrecht nicht außer acht lassen. Insoweit ist Artikel 48 des Vertrages dahin auszulegen, daß er das Recht eines Mitgliedstaats, die Voraussetzungen und die Modalitäten der Besteuerung der in seinem Hoheitsgebiet von Angehörigen eines anderen Mitgliedstaats erzielten Einkünfte festzulegen, insoweit einschränken kann, als er es einem Mitgliedstaat nicht erlaubt, einen Staatsangehörigen eines anderen Mitgliedstaats, der in Ausübung seines Recht auf Freizügigkeit im Hoheitsgebiet des erstgenannten Staates eine nichtslebständige Beschäftigung ausübt, bei der Erhebung der direkten Steuern schlechter zu behandeln als einen eigenen Staatsangehörigen, der sich in der gleichen Lage befindet.“
Allerdings differenzierte der EuGH, wann eine derartige Diskriminierung vorliege, indem er die Bedürfnisse des speziellen Gleichheitssatzes mit denen der nationalstaatlichen Steuersouveränität in Beziehung brachte (I-226): „Zwar steht Artikel 48 des Vertrages grundsätzlich nicht der Anwendung von Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats entgegen, nach denen das Einkommen eines Gebietsfremden, der eine nicht-selbständige Beschäftigung in diesem Staat ausübt, höher besteuert wird als das eines Gebietsansässigen, der die gleiche Beschäftigung ausübt206; etwas anderes gilt jedoch, wenn der Gebietsfremde in seinem Wohnsitz-
206 Die Möglichkeit an die Gebietsansässigkeit eine höhere Steuer anzuknüpfen ist auch in späteren Entscheidungen vom EuGH bekräftigt worden, vgl. Rechtssache C112/91 Hans-Werner gegen Finanzamt Aachen-Innenstadt (Vorabentscheidungsverfahren des Finanzgerichts Köln) 1993, I-429, Leitsatz 472: „Es verstößt nicht gegen Arti-
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staat keine nennenswerten Einkünfte hat und sein zu versteuerndes Einkommen im wesentlichen aus einer Tätigkeit bezieht, die er im Beschäftigungsstaat ausübt, so daß der Wohnsitzstaat nicht in der Lage ist, ihm die Vergünstigungen zu gewähren, die sich aus der Berücksichtigung seiner persönlichen Lage und seines Familienstands ergeben. Zwischen der Situation eines solchen Gebietsfremden und der eines Gebietsansässigen, der eine vergleichbare nicht-selbständige Beschäftigung ausübt, besteht nämlich kein objektiver Unterschied, der eine Ungleichbehandlung hinsichtlich der Berücksichtigung der persönlichen Lage und des Familienstands des Steuerpflichtigen bei der Besteuerung rechtfertigen könnte.“
Speziell mit Hinblick auf Steuervergünstigungen formulierte der EuGH in seinen Entscheidungsgründen (I-259 Rn. 27–29): „Die Rechtsvorschriften, um die es im Ausgangsverfahren geht, gelten zwar unabhängig von der Staatsangehörigkeit des betreffenden Steuerpflichtigen. Es besteht aber die Gefahr, daß sich derartige nationale Rechtsvorschriften, die eine Unterscheidung aufgrund des Kriteriums des Wohnsitzes treffen, indem sie Gebietsfremden bestimmte Steuervergünstigungen verweigern, die sie Gebietsansässigen gewähren, hauptsächlich zum Nachteil der Angehörigen anderer Mitgliedstaaten auswirken, da Gebietsfremde meist Ausländer sind. Unter diesen Umständen können Steuervergünstigungen, die den Gebietsansässigen eines Mitgliedstaats vorbehalten werden, eine mittelbare Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit darstellen.“
Die tatbestandliche Anknüpfung an den Wohnsitz des Steuerpflichtigen ist somit aus Sicht der Grundfreiheiten problematisch. Aufgrund der Entscheidung Schumacker hat der deutsche Gesetzgeber die Anrechnungsmöglichkeiten der beschränkt Steuerpflichtigen für die persönliche Lage und den Familienstand in § 1a I Nr. 2 i.V. m. § 1 III EStG erweitert. Er hat dem beschränkt steuerpflichtigen EU-Staatsangehörigen die Möglichkeit gegeben, die Zusammenveranlagung mit Splittingverfahren auf sich anzuwenden, wenn in relativer Hinsicht mindestens 90% der Jahreswelteinkünfte der deutschen Besteuerung unterliegen oder die nicht in Deutschland besteuerten Jahreseinkünfte 6136 Euro (bei Ehegatten 12272 Euro) nicht übersteigen. Diese Grenzen für die Anwendung des Splittingverfahrens hat der EuGH für mit dem EGV vereinbar erklärt.207 Abschreibungsvergünstigungen knüpfen jedoch in aller Regel nicht an den Wohnsitz des Steuerpflichtigen an, sondern an ein bestimmtes förderungswürdiges Investitionsverhalten. Auch hier kann jedoch die Ausgrenzung von Auslandsinvestitionen eine mittelbare Diskriminierung bedeuten.
kel 52 EWG-Vertrag, wenn ein Mitgliedstaat eigenen Staatsangehörigen, die ihre Berufstätigkeit in seinem Hoheitsgebiet ausüben und die ausschließlich dort ihre Einkünfte erzielen oder ihr Vermögen besitzen, dann, wenn sie nicht im Inland wohnen, eine höhere Steuerbelastung auferlegt, als wenn sie dort wohnen.“ 207 EuGH v. 14.9.1999, Rs. C-391/97 (Gschwind), Slg. 1999, I-5451, 5487 f.
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B. Freie Konkurrenz zwischen dem Beihilfenrecht und dem Recht der Grundfreiheiten Außerhalb des Beihilfenrechts könnte man konkret für die Grenzziehung zunächst an die Grundfreiheiten denken, also an den freien Warenverkehr (Art. 23– 31 EGV), die Niederlassungsfreiheit (Art. 43–48), den freien Dienstleistungsverkehr (Art. 49–55 EGV) und Kapital- und Zahlungsverkehr (Art. 56–60 EGV).208 Die Systematik des EGV könnte jedoch für eine Verdrängung der Vorschriften über die Grundfreiheiten und des Diskriminierungsverbotes sprechen. So wird in der Tat vertreten, die Beihilferegelungen seien spezieller209 und würden innerhalb ihres Anwendungsbereichs die Grundfreiheiten vollständig verdrängen.210 Dafür ließe sich anführen, daß beide Bereiche in sich abgeschlossen sind. Die Art. 87 ff. EGV erscheinen von ihrem Regelungsinhalt spezieller zu sein. Zudem könnte eine gänzlich freie Konkurrenz zu Wertungswidersprüchen führen. Hält etwa die Kommission gem. Art. 87 III EGV ein Förderungsverhalten für zulässig oder wird diese Wertung ex lege durch Art. 87 II EGV getroffen, so darf sie nicht über den Umweg der Art. 30 ff. EGV zunichte gemacht werden.211 Beide Regelungsbereiche dienen jedoch gleichermaßen der Herstellung eines Gemeinsamen Marktes unter gleichen Wettbewerbsbedingungen212 (Art. 3g) EGV)213. Das spricht für eine freie Konkurrenz der verschiedenen Regelungen. Der Einwand, die Wertungen des Beihilfenrechts könnten über die Vorschriften der Grundfreiheiten umgangen werden, läßt sich zudem dadurch vermeiden, daß die Ausnahmen gem. Art. 87 II und III als Rechtfertigungsgründe für eine Beeinträchtigung der Warenverkehrsfreiheit angesehen werden. Bei einer derartigen eingeschränkten Konkurrenz erhalten beide Regelungsbereiche ihre mög208 Unter umgekehrtem Vorzeichen werden die Grundfreiheiten teilweise vor den deutschen Finanzgerichten bemüht, um gegen die Einstufung eines Verhaltens als steuerlicher Mißbrauch (§ 42 AO) vorzugehen. Gegen eine Verletzung der Niederlassungsfreiheit im dortigen Zusammenhang spricht, daß die Grundfreiheiten nur echten wirtschaftlichen Wettbewerb, nicht jedoch rein steuerlich motivierte Verhaltensweisen schützen sollen; Wartenburger, IStR 2001, S. 400. 209 So noch EuGH v. 15.3.1994, Banco Credito ./. gegen Ayuntamiento de Valencia, EWS 1994, 132, Abs. IX; Koenig/Kühling/Ritter sehen eine derartige Spezialität nur im Verhältnis zu Art. 28 EGV, EG-Beihilfenrecht, S. 37. 210 So wohl Klein/Haratsch, EWS 1997, S. 411, die allerdings die Ansicht vertreten, Art. 30 EGV könne dennoch den Modalitäten einer Beihilferegelung entgegenstehen. 211 Auf dieses Problem weist auch Kube hin, der sich für ein Spezialitätsverhältnis ausspricht; Kube, National Tax Law and the Transnational Control of State Aid, EUI Nr. 2001/9, Page 11. 212 EuGHE 1985, 1339, Entscheidungsgründe, 13. Abschnitt. 213 Geiger, Art. 87 EGV, Rn. 1.
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lichst weitgehende Geltung. Daraus folgt eine eingeschränkte Konkurrenz, bei der Steuervergünstigungen beiden Regelungskomplexen genügen müssen, bei der aber die Ausnahmen gem. Art. 87 II und III über ihren eigentlichen Regelungszweck hinaus auch als spezielle Rechtfertigung für die grundfreiheitsrechtlich rechtfertigungsbedürftige Ausschlußwirkung einer Steuervergünstigung in Betracht kommen. Für Steuervergünstigungsnormen besteht – aus Sicht des Europarechts – die Gefahr, daß der Wettbewerb durch die Begünstigung nationaler Unternehmen verzerrt wird. Das Beihilfeverbot und das Verbot von Handelshemmnissen sind deshalb „zwei Seiten derselben Medaille“.214 Die Abwehr unliebsamer Konkurrenz aus anderen Mitgliedstaaten läßt sich nämlich sowohl durch die Belastung ausländischer Produktionen und Dienstleistungen, als auch durch die Unterstützung einheimischer Unternehmen erreichen.215 Gegen die Annahme (eingeschränkt) freier Konkurrenz zwischen den Regelungskomplexen läßt sich schließlich auch nicht überzeugend einwenden, jede Begünstigung des nationalen Steuerpflichtigen führe aus Sicht des ausländischen Konkurrenten zu einer Benachteiligung. Diese „reflexartige“ Benachteiligung würde jedoch bei jeder Beihilfe zu Gunsten einheimischer Unternehmer bestehen, aus der Natur der Steuerstaats ist diese „natürliche“, reflexartige Andersbehandlung jedoch keine „Diskriminierung“ im Sinne der Grundfreiheiten. Es kann nämlich nicht Sinn und Zweck der Grundfreiheiten sein, als Appendix zu jeder Beihilfenregelung eine nochmalige Abwägung zu fordern. Grundfreiheiten können nur den Bereich steuerlicher Maßnahmen erfassen, der sich unmittelbar nachteilig auf Konkurrenzunternehmen auswirkt.216 Die Abgrenzung zwischen unmittelbarer Benachteiligung durch Ausgrenzung (dann Grundfreiheiten) und mittelbarer, reflexartiger Benachteiligung durch Beschränkung des Begünstigtenkreises (dann Beihilfenrecht) kann im Einzelfall schwierig sein. Die Kommission hat deshalb im Beihilfeverfahren auch außerhalb des Beihilfenrechts liegende Vorschriften mit zu beachten.217 Nach dem EuGH müssen Steuervergünstigungen beiden Regelungskomplexen genügen (EuGH Kommission ./. Frankreich v. 7.5.1985, Rs. 18/84, Slg. 1985, 1339, 1345, 1. Leitsatz): „Die Bestimmungen von Art. 92 und 94 EWG-Vertrag [heute 87 EGV) über Beihilfen können keinesfalls dazu dienen, die Bestimmungen des Vertrages über den Freien Warenverkehr außer Kraft zu setzen, übrigens ebensowenig wie die Bestim-
214
Cremer, in Calliess/Ruffert, EGV, Art.87, Rn. 2. Cremer, in Calliess/Ruffert, EGV, Art.87, Rn. 2. 216 Diese Formulierung ist weitgehend von Schön (Steuerliche Beihilfen, Beiheft 69 ZHR, S. 108) übernommen, der meint, die Grundfreiheiten würden sich nur gegen Maßnahmen richten, die sich unmittelbar und nachteilig auf den Rechtsstatus der Konkurrenzunternehmen auswirkten. 217 Koenig/Kühling/Ritter, EG-Beihilfenrecht, S. 36. 215
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mungen über die Beseitigung der Steuerdiskriminierungen. Alle diese Bestimmungen verfolgen ein gemeinsames Ziel, das darin besteht, den Freien Warenverkehr zwischen Mitgliedstaaten unter normalen Wettbewerbsbedingungen sicherzustellen. Der Umstand, daß eine einzelstaatliche Maßnahme möglicherweise als Beihilfe im Sinne von Artikel 92 betrachtet werden kann, stellt deshalb keinen hinreichenden Grund dafür dar, sie vom Verbot des Artikels 30 auszunehmen.“
Der Fall, der den EuGH veranlaßte zu dem Konkurrenzverhältnis Stellung zu beziehen, hält schließlich auch die Ausschlußwirkung einer französischen Steuervergünstigung für mit Art. 30 EGV unvereinbar (2. Leitsatz): „Der Umstand, daß ein Mitgliedstaat die Presseunternehmen für Veröffentlichungen, die sie in den anderen Mitgliedstaaten drucken lassen, vom Genuss bestimmter Steuervergünstigungen außchließt, ist geeignet, die Einfuhr von Druckerzeugnissen aus diesen Staaten zu hemmen, und ist deshalb als eine gemäß Artikel 30 EWGVertrag verbotene Maßnahme mit gleicher Wirkung wie eine mengenmäßige Beschränkung anzusehen.“
C. Grundfreiheitsverstoß nur bei Vorliegen national-begrenzender Modalitäten Jeder Staat ist „Steuerstaat“ und begrenzt seinen Steueranspruch auf die in seinem Staatsgebiet (unbeschränkt steuerpflichtigen) Einwohner und auf den in seinem Staatsgebiet stattfindenden, typisierend bemessenen Erwerb an wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit (beschränkt steuerpflichtiger). Dadurch kommt es bei „Grenzgängern“ zu Überschneidungen. Der Wohnsitzstaat will das Welteinkommen der Besteuerung zu Grunde legen, während gleichzeitig der Staat, in dem die Leistungsfähigkeit entstanden ist, seinen Steueranspruch geltend macht. Die meisten Länder haben untereinander Doppelbesteuerungsabkommen abgeschlossen, die durch Anrechnung der Steuer im Entstehungsstaat oder Freistellung von der Steuer im Entstehungsstaat eine Doppelbesteuerung vermeiden. Daraus ergibt sich im Belastungserfolg eine Beschränkung des Steuerzugriffs auf das Territorium eines Staates. Will der Staat wirtschaftslenkend durch Steuervergünstigungen eingreifen, ergibt sich durch die Begrenzung auf das Staatsgebiet der natürliche, systemgerechte Ausschluß der nicht seinem Steueranspruch unterliegenden Wirtschaftsteilnehmer. Die Folgen der territorialen Begrenzung des Steuerzugriffs hat auch der EuGH anerkannt.218 218 Vgl. EuGH v. 15.5.1997, Rs. C-250/95 (Future Participations SA), Slg. 1997, I2471, 2495 f., Leitsatz: „Es verstößt nicht gegen Artikel 52 des Vertrages, wenn ein Mitgliedstaat den Verlustvortrag aus früheren Jahren bei einem Steuerpflichtigen, der in seinem Gebiet eine Zweigniederlassung, nicht aber seinen Sitz hat, davon abhängig macht, daß die Verluste in wirtschaftlichem Zusammenhang mit Einkünften stehen,
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Die europäische Rechtsprechung steht deshalb vor dem Problem, die aus der Staatlichkeit begründete Ausschlußwirkung von der systemwidrigen Ausschlußwirkung abzugrenzen. Dafür stellt der EuGH in der Regel auf die Modalitäten der Beihilfegewährung ab. Die Modalitäten der Steuervergünstigung müssen denen der Besteuerung entsprechen, um aus Sicht der Grundfreiheiten Bestand zu haben. Vgl. EuGH, „avoir fiscal“, v. 28. Januar 1986, Kommission gegen Französische Republik, Rs. 270/83, Sammlung 1986, 273, Leitsätze 1–2: „Artikel 52 EWG-Vertrag stellt eine der grundlegenden Vorschriften der Gemeinschaft dar und ist seit dem Ablauf der Übergangszeit in den Mitgliedstaaten unmittelbar anwendbar. Er will die Vergünstigung der Inländerbehandlung jedem Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats garantieren, der sich, sei es auch nur mit einer Nebenstelle in einem anderen Mitgliedstaat niederläßt, um dort eine selbständige Erwerbstätigkeit auszuüben, und untersagt jede Diskriminierung, auch von nur geringem Umgang, aufgrund der Staatsangehörigkeit, die sich aus den Rechtsvorschriften als Beschränkung der Niederlassungsfreiheit ergibt. . . . Wenn allerdings die steuerrechtliche Regelung eines Mitgliedstaats die Versicherungsgesellschaften mit Sitz im nationalen Hoheitsgebiet und die im nationalen Hoheitsgebiet gelegenen Zweigniederlassungen und Agenturen von Gesellschaften mit Sitz im Ausland bei der Besteuerung ihrer Gewinne auf die gleiche Stufe stellt, kann sie sie nicht ohne Schaffung einer Diskriminierung im Rahmen einer damit zusammenhängenden Vergünstigung, wie des Steuerguthabens, ungleich behandeln. Der Gesetzgeber des Mitgliedstaats hat nämlich dadurch, daß er die beiden Niederlassungsformen im Rahmen der Besteuerung der von ihnen erzielten Gewinne gleichbehandelt, anerkannt, daß zwischen beiden Formen in bezug auf die Modalitäten und Voraussetzungen dieser Besteuerung kein Unterscheid in der objektiven Situation besteht, der eine unterschiedliche Behandlung rechtfertigen könnte.
Daraus ergibt sich, daß bei der Überprüfung von Steuervergünstigungen das „Ob“ der Regelung am Beihilfenrecht, das „Wie“ der Regelung (die Modalitäten) jedoch am Recht der Grundfreiheiten zu messen ist. Während das Beihilfenrecht sich nämlich gegen die Vergünstigung selbst wendet, ist das Recht der Grundfreiheiten darauf angelegt, die Ausschließlichkeit zu Gunsten einer Allgemeinheit der Vergünstigung auszudehnen. Die Modalitäten einer Beihilfengewährung sind deshalb selbständig auf die Einhaltung der sonstigen Vorschriften des EGV überprüfbar.219 So führt etwa die tatbestandliche Begrenzung einer Beihilfe auf Angehörige eines Mitgliedstaates zu einem Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot des Art. 12 EGV.220 Die territoriale Begrenzung einer Steuervergünstigung ist unschädlich, die der Steuerpflichtige in diesem Staat erzielt hat, sofern Steuerinländer nicht besser behandelt werden.“ 219 Koenig/Kühling/Ritter, EG-Beihilfenrecht, S. 38. 220 Koenig/Kühling/Ritter, EG-Beihilfenrecht, S. 36; vgl. dazu die Entscheidung des EuGH Svensson u. Gustavsson, v. 14.1.1995, Slg. 1995, I-3955 ff., Leitsatz: „Ar-
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solange sie unterschiedslos allen Steuerpflichtigen im jeweiligen Mitgliedstaat zur Verfügung steht.221 Als Richtschnur für die Modalitätsprüfung sind Allgemeinheit der Besteuerung und Allgemeinheit der Verschonung miteinander zu vergleichen.222 Wie tikel 67 des Vertrages verwehrt es einem Mitgliedstaat, die Gewährung einer sozialen Beihilfe für den Wohnungsbau, insbesondere einer Zinsvergütung, davon abhängig zu machen, daß die Darlehen zur Finanzierung des Baus, des Erwerbs oder der Verbesserung der subventionierten Wohnung bei einem Kreditinstitut aufgenommen wurden, das in diesem Mitgliedstaat zugelassen ist, was voraussetzt daß es dort niedergelassen ist. – Diese Voraussetzung ist nämlich geeignet, die Darlehensnehmer davon abzuschrecken, sich an in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassene Banken zu wenden, so daß sie ein Hindernis für den liberalisierten Kapitalverkehr darstellt, zu dem Bankdarlehen gehören.“ In diesem Sinne für den Bereich von Kapitallebensversicherungen, EuGH-Urteil vom 28.4.1998, Rs. C-118/96 (Safir), Slg. 1998, I-1897, 1921 ff.; für die Tätigkeit von Holdinggesellschaften, EuGH v. 16.7.1998, Rs. C-264/96 (ICI), Slg. 1998, I-4695 (4713 ff.); für Konzernstrukturen, EuGH v.18.11.1999, Rs. C-200/98 (X AB, Y AB), Slg. 1999, I-8261, 8278 ff.. Für eine Einkommensteuerbefreiung auf Dividenden, die davon abhängig gemacht wurde, daß die dividendenzahlende Gesellschaft ihren Sitz in diesem Mitgliedstaat hat, EuGH 6.6.2000 Rs. C-35/98 (Verkooijen), Slg. 2000, 4071 ff. 221 Vgl. Koenig/Kühling/Ritter, EG-Beihilfenrecht, S. 36. 222 Vgl. EuGH v. 13.7.1993, Rs. C-330/91 (Commerzbank AG), Slg. 1993, I-4017, 4039 ff. Die Commerzbank war zwar beschränkt steuerpflichtig, konnte jedoch bei der Rückerstattung zuviel gezahlter Steuern nicht einen Zuschlag verlangen, der ihr hätte gewährt werden müssen, wenn sie ihren Sitz im Inland gehabt hätte. Der EuGH hielt die britische Vorschrift, die auf den Sitz der Gesellschaft und nicht auf die Steuerpflicht abstellte, für gemeinschaftswidrig. Leitsatz: „(. . .) Zwar ist das Kriterium des steuerlichen Sitzes im Inland und damit der Zugehörigkeit zur Rechtsordnung eines Staates für die Gewährung eines Zuschlags zur Rückzahlung nicht geschuldeter Steuern unabhängig vom Sitz der Gesellschaft anwendbar; es droht sich jedoch besonders zu Lasten der Gesellschaften auszuwirken, die ihren Sitz in anderen Mitgliedstaaten haben, denn es werden zumeist diese sein, die ihren steuerlichen Sitz außerhalb des fraglichen Mitgliedstaats haben.“ Auch im Fall „Biehl“ hat der EuGH die Allgemeinheit der Besteuerungspflicht mit der (fehlenden) Allgemeinheit der Rückerstattungsmöglichkeiten zuviel gezahlter Steuern verglichen und einen Verstoß festgestellt, EuGH v. 8.5.1990, Rs. C-175/88, Slg. 1990, I-1779, 1790 f., Leitsatz: „Artikel 48 II EWG-Vertrag verbietet es, daß nach dem Steuerrecht eines Mitgliedstaats die einbehaltenen Steuern auf die Löhne und Gehälter zu Lasten eines Arbeitnehmers aus einem Mitgliedstaat, der nur während eines Teils der Jahres gebietsansässiger Steuerpflichtiger ist, weil er sich im Laufe des Steuerjahres im Lande niederläßt oder das Land verläßt, der Staatskasse verfallen und nicht erstattet werden können.“ Wie eine Weiterführung der „Biehl“-Entscheidung liest sich der Leitsatz aus der Entscheidung Kommission/Luxemburg, EuGH v. 26.10.1995, Rs. C-151/94, Slg. 1995, I-3685, 3704 ff.: „(. . .) Die besondere Situation der zeitweise Gebietsansässigen kann es zwar objektiv rechtfertigen, daß spezifische Verfahrensregeln erlassen werden, um es den zuständigen Finanzbehörden zu ermöglichen, den auf die inländischen Einkünfte anzuwendenden Steuersatz zu bestimmen; sie kann jedoch nicht rechtfertigen, daß diese Gruppe von Steuerpflichtigen von der Erstattung von Steuern außer im Rahmen eines Einspruchsverfahrens ausgeschlossen wird, während die zuviel einbehaltenen Steuern den ständig Gebietsansässigen von Rechts wegen erstattet werden.“
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die Allgemeinheit, ist auch die Höhe des Steuersatzes und der Steuervergünstigungen miteinander zu vergleichen. Eine höhere Tarifbesteuerung von EU-Ausländern223 oder niedrigere Entlastung von EU-Ausländern224 ohne rechtfertigenden Grund verstößt gegen die jeweils in Frage kommende Grundfreiheit. Soll der rechtfertigende Grund in einer Kompensation von Inländerbenachteiligung liegen, muß der Kompensationseffekt der Benachteiligung „unmittelbar“ sein.225 Ergibt sich eine Diskrepanz zu Lasten der europäischen Konkurrenten liegt ein Verstoß gegen die Grundfreiheiten vor.226 Werden Inländer begünstigt und für die Ausländer eine (nachteilige) Ausnahme geschaffen, so ist dies sowohl eine Frage des Beihilfenrechts als auch der Grundfreiheiten.227 Ist die Begünstigung allgemein, ohne durch die Modalitäten explizit oder implizit EU-Konkurrenten auszuschließen, reduziert sich der
Vgl. auch EuGH v. 11.8.1995 – „Wielockx“ –, Slg. 1995, I-2493 (2510), Leitsatz: „Eine von einem Mitgliedstaat erlassene Vorschrift, die es den in diesem Staat ansässigen Personen gestattet, vom steuerpflichtigen Einkommen die Gewinne aus unternehmerischer Tätigkeit abzuziehen, die sie zur Bildung einer Alterrücklage verwenden, diesen Vorteil aber steuerpflichtigen Gemeinschaftsangehörigen verweigert, die zwar in einem anderen Mitgliedstaat wohnen, aber im erstgenannten Mitgliedstaat ihre gesamten oder nahezu ihre gesamten Einkünfte erzielen, kann nicht durch den Umstand gerechtfertigt werden, daß die Rentenzahlungen, die der gebietsfremde Steuerpflichtige später aus der Altersrücklage bezieht, nicht in diesem Staat besteuert werden, sondern in dem Staat seines Wohnsitzes mit dem der erstgenannte Staat ein Doppelbesteuerungsabkommen geschlossen hat, auch wenn es infolge der generellen Gewährung des Vorteils nicht möglich ist, innerhalb des im erstgenannten Staat geltenden Steuersystems eine genaue Übereinstimmung zwischen der Abzugsfähigkeit der Zuführungen zur Altersrücklage und der Steuerpflichtigkeit der Bezüge aus dieser Rücklage zu gewährleisten. Eine solche Diskriminierung verstößt demnach gegen Artikel 52 des Vertrages.“ 223 So z. B. im Fall „Asscher“, EuGH v. 27.6.1996, Rs. C-107/94, Slg. 1996, I3089, 3115 ff.; vergleichbar für den Steuersatz von Kapitalgesellschaften, EuGH v. 29.4.1999, Rs. C-311/97 (Royal Bank of Scotland plc), Slg. 1999, I-2651 ff. 224 EuGH v. 26.1.1999, Rs. C-294/97 (Eurowings Luftverkehr AG), Slg. 1999, I7447; in EuGH v. 8.7.1999, Rs. C-254/97 (société Baxter u. a.), Slg. 1999, I-4809 hat der EuGH eine Regelung für gemeinschaftswidrig gehalten, nach der Arzneimittelfirmen eine außerordentliche Abgabe vom Gesamtumsatz leisten mußten, bei der Bemessung der Forschungsausgaben der französische Staat jedoch nur Ausgaben innerhalb Frankreichs berücksichtigte. 225 Vgl. EuGH 26.1.1999, Rs.C-294/97 (Eurowings Luftverkehrs AG), Slg. 1999, I7447, 7449 ff. 226 Die Allokation von Steuerendbelastungen durch Doppelbesteuerungsabkommen sind jedoch auch dann gemeinschaftskonform, wenn sie im Einzelfall eine höhere Endbelastung des Steuerpflichtigen im fremden Aufenthaltsstaat bewirken, vgl. EuGH v. 12.5.1998, Rs. C-336/96 (Gilly), Slg. 1998, I-2793, 2825 ff.; ausführlich dazu Cordewener, Europäische Grundfreiheiten und nationales Steuerrecht, S. 590 ff. 227 Bei der Prüfung der Vereinbarkeit einer derartig scheinbaren Benachteiligung kommen ganz ähnliche Gedanken zum Tragen wie im Rahmen der Beihilfenkontrolle. Unter anderem kommt als „Rechtfertigungsgrund“ die Kohärenz des Steuerrechts in Betracht, Musil, IStR 2001, S. 488.
§ 14 Die Grundfreiheiten und das Diskriminierungsverbot
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Prüfungsrahmen auf das Beihilfenrechts. Dieses Konkurrenzverhältnis soll anhand eines Falles erläutert werden. Das in Deutschland allgemeinübliche „Schachtelprivileg“228 nach § 8b KStG i.V. m. den entsprechenden Doppelbesteuerungsabkommen galt nicht für nur beschränkt körperschaftssteuerpflichtige Vermögensmassen. So mußte die deutsche Zweigniederlassung der französischen Compagnie Saint Gobain ihre Dividendenerträge aus ausländischen Tochtergesellschaften versteuern. In dem darauf folgenden finanzgerichtlichen Verfahren hat das FG Köln dem EuGH die Frage vorgelegt, ob die Beschränkung des Schachtelprivilegs auf unbeschränkt (und damit i. d. R. deutsche) steuerpflichtige Körperschaften mit der Niederlassungsfreiheit zu vereinbaren ist. Der EuGH hielt diese Begrenzung für einen Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit (ohne jedoch auf das Beihilfenrecht einzugehen).229 Die Beschränkung des Schachtelprivilegs verstößt damit gegen Art. 43, 48 EGV.230 Ein allgemeines Schachtelprivileg wäre hingegen „nur“ eine Frage des Beihilfenrechts gewesen. Die Grundfreiheiten bilden – wenn nicht aus Konkurrenzgesichtspunkten, dann aus inhaltlichen Gesichtspunkten, – keine Grenzen für das „Ob“ der staatlichen Investitionslenkung durch Abschreibungstatbestände.231 „Nur“ das „wie“ der Regelung, die Modalitäten unterliegen einer selbständigen Überprüfung anhand der Grundfreiheiten. Zwischenergebnis: Aus alledem folgt, daß für die Frage des „ob“ der Gewährung allein die Beihilferegelungen zu beachten sind. Nur hinsichtlich der Modalitäten der Gewährung kann der von der Vergünstigung ausgeschlossene Steuerpflichtige die Grundfreiheiten mobilisieren. Das Ergebnis ist für den politisch interessierten Steuerzahler enttäuschend: Die Beachtung der Beihilfenvorschriften steht praktisch unter dem Entscheidungsmonopol der Kommission. Das EuG 228 Gem. § 8b KStG bleiben Bezüge im Sinne des § 20 I Nr. 1, 2, 9 und 10 Buchstabe a des Einkommensteuergesetzes bei der Ermittlung des Einkommens außer Betracht. Dividenden von Tochtergesellschaften sind damit bei der Körperschafts-Holding steuerfrei. 229 EuGH Aff. C-307/97 Compagnie de Saint-Gobain, Zweigniederlassung Deutschland ./. Finanzamt Aachen Innenstadt v. 21.9.1999, mit Schlußbemerkungen des Generalanwalts J. Mischo. 230 Musil, IStR 2001, S. 485. 231 Nur die Modalitäten einer Beihilfe sind Prüfungsgegenstand der weiteren Vorschriften des EGV, EuGH Rechtssache 74/76 22.3.1977 Ianelli et Volpi spa ./. ditta paolo meroni: „Les aides visées aux Art. 92 et 93 du traité ne relèvent, pas en tant que telles, du champ d’application de l’interdiction des restrictions quantitatives à l’importation et des mesures d’effet équivalent édictée par l’Art. 30, mais des modalités d’une aide, non nécessaires à son objet ou à son fonctionnement, qui contreviendraient à cette interdiction peuvent être, de ce chef, reconnues incompatibles avec cette disposition.“
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Teil V: Europarechtliche Grenzen
1. Instanz hat – wie besehen (S. 110 ff.) – die Klagebefugnis der von § 82f EStDV betroffenen Unternehmen auf Beibehaltung abgelehnt.232 Sofern nicht die Vereinbarkeit einer Beihilfe, sondern das Durchführungsverbot gem. Art. 88 III EGV im Streit steht, stehen jedoch auch den nationalen Gerichten und dem EuG Eingriffsbefugnisse zu, die im folgenden Teil dargestellt werden.
§ 15 Verfahrensfolgen eines Verstoßes gegen das Durchführungsverbot gem. Art. 88 III 3 EGV Art. 87 ist nicht unmittelbar anwendbar233; unmittelbar anwendbar ist nur das Durchführungsverbot für neue Beihilfen gem. Art. 88 III 3234: „Der betreffende Mitgliedstaat darf die beabsichtigte Maßnahme nicht durchführen, bevor die Kommission eine abschließende Entscheidung erlassen hat.“
Eine Konkurrentenklage vor nationalen Gerichten mit der Begründung, Art. 88 III 3 EGV sei nicht eingehalten worden, ist deshalb möglich, eine Konkurrentenklage mit der Begründung, es handele sich um eine verbotene Beihilfe i. S. d. Art. 87 I EGV ist deshalb nicht möglich; das Initiativmonopol liegt bei der Kommission.235 Das Durchführungsverbot gem. Art. 88 III EGV hat drittschützende Wirkung zu Gunsten des Konkurrenten.236 Der Mitgliedstaat muß die geplante Beihilfe ordnungsgemäß notifizieren und bei einer fehlenden Reaktion durch die Kommission mindestens zwei Monate237 abwarten, ehe er die geplante Beihilfe durchführen darf. Hat die Kommission ein förmliches Prüfungsverfahren einge232 Diese Lösung überzeugt nicht. Die Rechtsprechung des EuG wird dazu führen, daß die Normadressaten weder von der Kommission, noch von den Mitgliedstaaten ernst genommen werden. 233 Pinto, European Taxation, 1999, S. 301. 234 Geiger, Art. 87 EGV, Rn. 6. 235 Das ergeben die Ausführungen des EuGH Steinike und Weinlig ./. BRD 22.3.1977 Rechtssache 78/76, Sommaire de la commission: „Le traité, en organisant par l’article 93 l’examen permanent et le contrôle des aides par la commission, entend que la reconnaissance de l’incompatibilité éventuelle d’une aide avec le marche commun résulte sous le contrôle de la cour de justice, d’une procédure appropriée dont la mise en œuvre relève de la responsabilité de la commission. Les particuliers ne sauraient, dès lors, en invoquant le seul Art. 92, contester la compatibilité d’une aide avec le droit communautaire devant les juridictions nationales ni demander à celles-ci de se prononcer à titre principal ou incident, sur une incompatibilité éventuelle.“ 236 Lampert, EWS 2001, S. 362; ABl. 1995 Nr. C 312/10. 237 Diese Frist ergibt sich aus der Rechtsprechung des EuGH, EuGH SFEI u. a. gegen La Poste Rs. C-39/94, Slg. 1996, I-3547 (3593) Rn. 38; sie ergibt sich aus dem Wortlaut „so rechtzeitig, daß sie sich äußern kann“, daraus schließt der EuGH auf eine Bedenk- und Untersuchungsfrist, die ausreicht, um sich eine erste Meinung über die teilweise oder völlige Vereinbarkeit der ihr angezeigten Vorhaben mit dem Vertrag zu bilden, EuGH, Rs. 120/73, Lorenz, Slg. 1973, 1471 (1481) Rn. 3.
§ 15 Das Durchführungsverbot gem. Art. 88 III 3 EGV
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leitet, darf der Mitgliedstaat die Maßnahme nicht vor Erlaß der abschließenden Entscheidung durchführen.238 Ist entgegen dieses Durchführungsverbotes gehandelt worden oder droht eine derartige Vertragsverletzung können Konkurrenten vor den nationalen Gerichten oder dem EuG Rechtsschutz verlangen. „Es ist jedoch Sache der nationalen Gerichte, die Rechte der Einzelnen gegen eine Verletzung des in Art. 93 (neu: 88) III letzter Satz des Vertrages ausgesprochenen Verbots der Durchführung der Beihilfen, der unmittelbare Wirkung hat, zu schützen.“239
Für die Klagebefugnis vor dem EuG kam es wohl bisher darauf an, zu welchem Verfahrenszeitpunkt sich die Konkurrenten gegen die Beihilfegewährung richteten. Nach Abschluß eines förmlichen Prüfungsverfahrens können Konkurrenten nach dieser Rechtsprechung nur klagen, wenn die angefochtene Regelung ihre Marktstellung spürbar beeinträchtigt und sie sich im förmlichen Prüfungsverfahren aktiv beteiligt haben.240 Diese Rechtsprechung orientiert sich an den Mitwirkungsbefugnissen von „Beteiligten“, wie sie aus der VO (EG) Nr. 659/1999 des Rates v. 22.3.1999 (L 83/1) über besondere Vorschriften für die Anwendung von Art. 93 des EGV hervorgeht. Gem. Art. 20 I der VO (EG) Nr. 659/1999 des Rates v. 22.3.1999 (L 83/1) „kann jeder Beteiligte nach der Entscheidung der Kommission zur Eröffnung des förmlichen Prüfverfahrens eine Stellungnahme (. . .) abgeben.“ Nach Art. 20 II der VO „kann jeder Beteiligte der Kommission Mitteilung über mutmaßlich rechtswidrige Beihilfen (. . .) machen.“ Der Ausdruck „Beteiligte“ bezeichnet gem. Art. 1 h) der VO „Mitgliedstaaten, Personen, Unternehmen oder Unternehmensvereinigungen, deren Interessen aufgrund der Gewährung einer Beihilfe beeinträchtigt sein können, insbesondere der Beihilfeempfänger, Wettbewerber und Berufsverbände.“ Der Weite dieser Verfahrensrechte vor der Kommission stellt nun das EuG eine Art Verwirkung gegenüber, wenn die Beteiligten sich im Prüfungsverfahren nicht aktiv beteiligt haben. Diese restriktive Haltung bei der Klagebefugnis überzeugt nicht. Konkurrierende Mitgliedstaaten sind zu unflexibel, um gegen die Beihilfen ihrer Nachbarn vorzugehen. Bei neuen Beihilfen sind die Auswirkungen der Beihilfe zum Zeitpunkt ihrer Einführung oft nur schlecht vorausseh-
238 EuGH SFEI u. a. gegen La Poste Rs. C-39/94, Slg. 1996, I-3547 (3593) Rn. 39; mit Ablauf der Frist wird die neue Beihilfe zu einer bestehenden Beihilfe, EuGH, Rs. 120/73, Lorenz, Slg. 1973, 1471 (1481) Rn. 5. 239 EuGH, Demoor, Slg. 1992, I-6613. 240 Von diesem letzteren Kriterium gibt es wohl Ausnahmen, Koenig/Kühling/Ritter, EG-Beihilfenrecht, S. 204.
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Teil V: Europarechtliche Grenzen
bar, mangels ausreichender Information werden diese Wirkungen dann von den Konkurrenten unterschätzt. Die potentielle oder schon bestehende Wettbewerbsbenachteiligung der Konkurrenten muß ausreichend sein, um die Klagebefugnis zu bejahen – unabhängig von einer vorherigen Beteiligung. Sind die Mitwirkungsbefugnisse von „Beteiligten“ nach der VO verletzt worden, kann dies aber umgekehrt die Klagebefugnis begründen. Die potentielle oder schon bestehende Wettbewerbsbenachteiligung der Konkurrenten muß auch vor nationalen Gerichten ausreichend sein, um auf der Grundlage eines Verstoßes gegen die Notifizierungspflicht gem. Art. 88 III EGV gegen Beihilfeempfänger oder Beihilfeträger vorzugehen. Der EuGH hat mehrfach bestätigt, daß die nationalen Gerichte im Falle ihrer Anrufung auch die vorläufige Rückzahlung einer zweifelsfrei formell rechtwidrig gewährten Beihilfe anordnen können.241 Die Kommission hat die Rechte und Pflichten der nationalen Gerichte in der „Bekanntmachung über die Zusammenarbeit zwischen der Kommission und den Gerichten der Mitgliedstaaten im Bereich der staatlichen Beihilfe“242 erläutert. Die Konstellation ist den Gerichten aus der Konstellation der baurechtlichen Nachbarklage hinreichend bekannt. Sie für die steuerliche Verschonungssubvention umzusetzen, wird allerdings größte Anstrengungen bei den nationalen Gerichten erfordern. Auch die Kommission erkennt an, daß die hier im Raume stehenden Rechtsfragen „komplexer Natur“ sind und bietet deshalb ihre Amtshilfe an.243 Die Kommission geht davon aus, daß die nationalen Gerichte auch bei „Steuererleichterungen“244 dem Durchführungsverbot zur Wirksamkeit verhelfen. Der Rechtsschutz durch die nationalen Gerichte bietet gegenüber einem Kommissionsverfahren aus Sicht des Konkurrenten mehrere Vorteile: (1) Der gerichtliche Rechtsschutz ist schneller, Gerichte können auch einstweilige Maßnahmen bis hin zur Rückerstattung der Beihilfe245 erlassen.246 Die Kommission hingegen kann die Rückerstattung einer Beihilfe nicht allein mit der Begründung anordnen, sie sei nicht unterrichtet worden.247 (2) In Fortführung der Francovich-Rechtsprechung können einzelne den Schaden von einem Mitgliedstaat ersetzt verlangen, den sie durch die Nichtbeachtung des Durchführungsverbotes erleiden.248 241 242 243 244 245 246 247
Koenig/Kühling/Ritter, EG-Beihilfenrecht, S. 211. ABl. 1995 Nr. C 312/8. ABl. 1995 Nr. C 312/11, Rn. 23. ABl. 1995 Nr. C 312/9, Rn. 7. EuGH SFEI u. a. gegen La Poste Rs. C-39/94, Slg. 1996, I-3547 (3593) Rn. 70. ABl. 1995 Nr. C 312/10, Rn. 10, 3. EuGH SFEI u. a. gegen La Poste Rs. C-39/94, Slg. 1996, I-3547 (3593) Rn. 43.
§ 15 Das Durchführungsverbot gem. Art. 88 III 3 EGV
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(3) Das Europarecht bietet zwar keinen Durchgriffsanspruch gegen den Beihilfeempfänger, steht aber einer Anwendung eines Durchgriffsanspruchs auf Grund des nationalen Rechts nicht entgegen.249 In Deutschland kommt hier insbesondere eine Haftung des Beihilfenempfängers nach §§ 1250 i.V. m. § 33251 UWG oder § 823 II BGB i.V. m. Art. 88 III 3 EGV in Betracht.252 (4) Schließlich können nationale Gerichte anders als in einem Verwaltungsverfahren vor der Kommission der obsiegenden Partei die Kosten des Verfahrens auferlegen.253 Bereitet das Vorliegen des Beihilfetatbestandes gem. Art. 87 I EGV und die Nichtbeachtung des Durchführungsverbotes keine Schwierigkeiten, ist eine derartiges Verfahren mit geringen Risiken versehen: Die Unrechtmäßigkeit einer Beihilfedurchführungsmaßnahme kann nicht durch eine befürwortende Entscheidung der Kommission rückwirkend aufgehoben werden.254 Die Anwendungsvoraussetzungen einer Durchgriffshaftung nach § 1 UWG haben Tilmann/Schreibauer dargestellt. In Frage kommende Fallgruppe ist hier der „Vorsprung durch Rechtsbruch.“ § 1 UWG wendet sich zunächst zwar nur gegen abgestimmte Verhaltensweisen unter den Unternehmen. Hat der Staat jedoch die Absicht,255 dem Beihilfeempfänger einen Wettbewerbsvorsprung durch Rechtsbruch zu verschaffen, kommt auch § 1 UWG als Haftungstatbestand in Betracht. Im Falle von Förderabschreibungstatbeständen ist der Finanzrechtsweg zuständig, um die unmittelbare Verbotswirkung gem. Art. 88 III EGV umzusetzen.256 Bei dieser Umsetzung ist ein Konflikt zwischen dem „effet utile“ des 248 ABl. 1995 Nr. C 312/11 mit ausdrücklichem Hinweis auf Rechtssachen C-6/90 und C-9/90, Andrea Francovich und andere gegen Italien, Slg. 1991, S I-5337. 249 EuGH SFEI u. a. gegen La Poste Rs. C-39/94, Slg. 1996, I-3547 (3593) Rn. 75. 250 § 1 UWG: „Vereinbarungen zwischen miteinander im Wettbewerb stehenden Unternehmen, Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen, die eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs bezwecken oder bewirken, sind verboten.“ 251 § 33 UWG: „Wer gegen eine Vorschrift dieses Gesetzes oder eine Verfügung der Kartellbehörde verstößt, ist, sofern die Vorschrift oder die Verfügung den Schutz eines anderen bezweckt, diesem zur Unterlassung verpflichtet; fällt ihm Vorsatz oder Fahrlässigkeit zur Last, ist er auch zum Ersatz des aus dem Verstoß entstandenen Schadens verpflichtet. Der Anspruch auf Unterlassung kann auch von rechtsfähigen Verbänden zur Förderung gewerblicher Interessen geltend gemacht werden.“ 252 Koenig/Kühling/Ritter, EG-Beihilfenrecht, S. 213 mit weiteren Nachweisen. 253 ABl. 1995 Nr. C 312/13. 254 ABl. 1995 Nr. C 312/12, Rn. 25. 255 Der BGH spricht davon, die Verletzungen eines Tarifvertrages stelle nur dann einen Verstoß gegen § 1 UWG dar, wenn sie seitens der Arbeitgeber „systematisch den Zweck verfolgen, sich einen Wettbewerbsvorteil gegenüber vertragstreuen Wettbewerbern zu verschaffen“, BGHZ 120, 320 (325). 256 Lampert, EWS 2001, S. 361, Fn. 30.
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Art. 88 III EGV257 und der Befolgung eines Parlamentsgesetzes schon vorprogrammiert: Einerseits verlangt das Europarecht, daß der Richter jede BeihilfenDurchführungsmaßnahme verhindert, daß also in der hier interessierenden Fallkonstellation der Finanzrichter eine Abschreibungsvorschrift nicht anwendet; andererseits verlangt das nationale Verfassungsrecht, daß nur der Verfassungsrichter den Gehorsam gegenüber einem Parlamentsgesetz außer Kraft setzen kann (und gibt dafür dem Richter ein Prüfungsrecht über Art. 100 I GG an die Hand). Dieser Konflikt zwischen den Direktwirkungen des Europarechts und dem nationalen Recht ist über den Anwendungsvorrang des Europarechts aufzulösen.258 Im Bereich des Durchführungsverbotes haben demnach – nicht anders als es in Deutschland bei der Frage der Rückforderung gem. § 48 (L)VwVfG üblich ist – die nationalen Gerichte die Pflicht und das Recht, auch ein Parlamentsgesetz259 außer Acht zu lassen, soweit der Anwendungsvorrang des Europarechts260 in Frage steht. 257 ABl. 1995 Nr. C 312/10: „Die nationalen Gerichte müssen die Rechte schützen, über die der einzelne aufgrund der direkten Wirkung des in Art. 93 III letzter Satz des Vertrages niedergelegten Verbots verfügt.“ EuGH SFEI u. a. gegen La Poste Rs. C-39/94, Slg. 1996, I-3547 (3593) Rn. 45: „Jede andere Auslegung würde dazu führen, daß die Nichtbeachtung des Verbots der Durchführung von beabsichtigten Beihilfemaßnahmen durch die Mitgliedstaaten gefördert würde. Da die Kommission, solange sie ihre abschließende Sachentscheidung nicht erlassen hat, nur die Aussetzung zusätzlicher Zahlungen anordnen kann, wäre die praktische Wirksamkeit des Art. 93 III des Vertrages gemindert, wenn die Anrufung der Kommission die nationalen Gerichte daran hindern würde, alle Konsequenzen aus einer Verletzung dieser Bestimmung zu ziehen.“ 258 Für die Vorrangigkeit allgemeiner Regelungen des Völkerrechts hat das Grundgesetz über Art. 100 II, 25 GG den Vorlagemechanismus an Lösung vorbereitet. Dort stellt sich das Problem deshalb nicht. 259 Dieser Ansicht ist auch die Kommission, ABl. 1995 Nr. C 312/10, Rn. 11: „Ein nationales Gericht, das in einem Fall betreffend das Gemeinschaftsrecht die Auffassung vertritt, daß das einzige Hindernis, das es davon abhält, eine einstweilige Maßnahme zu erlassen, eine nationale Rechtsvorschrift ist, muß diese Vorschrift außer Betracht lassen.“ 260 Dies gilt jedenfalls in der praktischen Anwendung nach den folgenden Urteilen des Bundesverfassungsgerichts, ohne daß hier auf die dogmatische Herleitung dieses Anwendungsvorrangs eingegangen werden soll. BVerfGE (Solange II) 73, 339, 2. Entscheidungsgrund: „Solange die Europäischen Gemeinschaften, insbesondere die Rechtsprechung des Gerichtshofes der Gemeinschaften einen wirksamen Schutz der Grundrechte gegenüber der Hoheitsgewalt der Gemeinschaften generell gewährleisten, der dem vom Grundgesetz als unabdingbar gebotenen Grundrechtsschutz im wesentlichen gleichzuachten ist, zumal den Wesensgehalt der Grundrechte generell verbürgt, wird das Bundesverfassungsgericht seine Gerichtsbarkeit über die Anwendbarkeit von abgeleitetem Gemeinschaftsrecht, das als Rechtsgrundlage für eine Verhalten deutscher Gerichte oder Behörden im Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland in Anspruch genommen wird, nicht mehr ausüben und dieses Recht mithin nicht mehr am Maßstab der Grundrechte des Grundgesetzes überprüfen; . . .“. Vgl. aber auch BVerfGE (Maastricht) 89, 155; 7. Entscheidungsgrund: „Auch Akte einer besonderen, von der Staatsgewalt der Mitgliedstaaten geschiedenen öffentlichen Gewalt einer supranationalen Organisation betreffen die Grundrechtsberechtigten in
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Die Pflicht, den Anwendungsvorrang des hier in Frage stehenden Art. 88 III 3 EGV zu beachten, trifft auch die deutsche Finanzverwaltung. Sie darf deshalb eine nicht notifizierte Steuervergünstigung nicht durchführen, auch wenn die Steuervergünstigung aufgrund eines Gesetzes gewährt wird.261 Gleiches gilt, wenn die Genehmigung einer Beihilfe wegen schwerer Rechtsfehler unwirksam ist. Ausnahmsweise kann die Art und Weise und der Schutz Dritter die Ungültigkeit des Vollzugsgeschäfts verbieten. Dies wird etwa für das dingliche Vollzugsgeschäft bei der Übertragung von Grundeigentum erwogen. Dann ist die Behörde allerdings verpflichtet, die Vorteile aus dem (ausnahmsweise wirksamen) Vollzugsgeschäft bei der Rückforderung mit abzuschöpfen.262 Aus Sicht der Klagearten kommt zunächst vorbeugender Rechtsschutz vor den Verwaltungsgerichten und den Finanzgerichten in Frage. Ist die aufschiebende Wirkung eines Widerspruchs durch Anordnung der sofortigen Vollziehung aufgehoben worden, kann der Konkurrent gem. §§ 80a II Nr. 2, bzw. 80a III VwGO einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung stellen. Nach Vollzug der Beihilfe kann die Anfechtungsklage bei öffentlich-rechtlicher Gewährung und die Rückgängigmachung gem. § 113 I 2 VwGO verlangt werden. Vermutlich ist jedoch der Rechtsschutz vor den Zivilgerichten für den Konkurrenten noch interessanter. Er kann gem. § 839 BGB i.V. m. Art. 34 GG (in europarechtskonformer Auslegung aufgrund der Francovich-Rechtsprechung), gem. §§ 823 II BGB i.V. m. Art. 88 III 3 EGV und (unter engen Voraussetzungen) gem. §§ 1, 13 UWG Schadensersatz von der vollziehenden Finanzbehörde verlangen; auch ein Anspruch gegen den Konkurrenten selbst kommt in Betracht, soweit dieser als Mittäter beim „Vorsprung durch Rechtsbruch“ mitgewirkt hat.263
Deutschland. Sie berühren damit die Gewährleistungen des Grundgesetzes und die Aufgaben des Bundesverfassungsgerichts, die den Grundrechtsschutz in Deutschland und insoweit nicht nur gegenüber deutschen Staatsorganen zum Gegenstand haben [Abweichung von BVerfGE 58, 1 (27)]. Allerdings übt das Bundesverfassungsgericht seine Rechtsprechung über die Anwendbarkeit von abgeleitetem Gemeinschaftsrecht in Deutschland in einem ,Kooperationsverhältnis‘ zum Europäischen Gerichtshof aus.“ Ganz anders die Begründung des EuGH des absoluten Vorrang des Gemeinschaftsrechts z. B. in EuGH Sammlung 1964, 1251 (Costa/ENEL), der davon ausgeht, daß das Gemeinschaftsrecht eine „eigenständige Rechtsordnung“ bildet. Der „effet utile“ gebietet demnach eine einheitliche Anwendung des Europarechts. 261 Diese Ansicht setzt sich wohl auch im BMF allmählich durch, BMF-Schreiben vom 17.2.1997, BStBl. I 1997, S. 195: „Da die Europäische Kommission die Sonderabschreibungen für Handelsschiffe genehmigt hat, die vor dem 1.1.2000 angeschafft oder hergestellt werden, unterliegen die eingeschränkten Vorschriften nicht der Sperrwirkung des Art. 93 (neu: 88) III 3 EG-Vertrag.“ 262 Tilmann/Schreibauer, GRUR 2002, S. 215. 263 Tilmann/Schreibauer, GRUR 2002, S. 215.
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Teil V: Europarechtliche Grenzen
§ 16 Einzelfallprüfungen A. § 4 II Nr. 1 i.V. m. §§ 3, 1 Fördergebietsgesetz I. Rechtsentwicklung des Fördergebietsgesetzes Das durch das Steueränderungsgesetz 1991 geschaffene „Fördergebietsgesetz“264 ist der Nachfolger des ausgelaufenen Zonenrandförderungsgesetzes von 1971. Das Fördergebiet erstreckt sich auf die fünf neuen Bundesländer einschließlich des Stadtstaates Berlin. Gem. § 4 I FördergebietsG wurden Investitionen in bewegliche und unbewegliche Wirtschaftsgüter im Fördergebiet mit einer Sonderabschreibung von bis zu 50% der Anschaffungs-/Herstellungskosten gefördert. Diese Möglichkeit galt bis Ende 1996.265 Die Sonderabschreibungen wurden von der Kommission zunächst genehmigt266, gegen die Ausdehnung der Sonderabschreibungen nach dem Fördergebietsgesetz auf bestimmte Betriebe in Berlin (West) würde jedoch ein Prüfungsverfahren eingeleitet. Ergebnis des Prüfungsverfahrens waren Einschränkungen des Investitionszulagengesetzes und des Fördergebietsgesetzes, die durch das Gesetz zur Fortsetzung der wirtschaftlichen Förderung in den neuen Ländern v. 18.8.1997 (BGBl. I S. 2070, BStBl. I S. 790) umgesetzt worden sind. Die neue Rechtslage, inzwischen schon dem Finanzbeamten erläuterungsbedürftig267, führte im Raum Berlin West auf eine Einengung der Förderungsmöglichkeiten auf kleine und mittlere Unternehmen.268 II. Subsumtion des Fördergebietsgesetzes unter Art. 87 I EGV Ob Steuervergünstigungen Beihilfen sind, ist in einem zweistufigen Verfahren zu klären.269 Auf einer ersten Stufe ist nach den national geltendem Steuerverfassungsrecht zu klären, ob es sich überhaupt um einer Steuervergünstigung handelt. Dieser Verweis führt in Deutschland zu dem Kriterium der Leistungsfähigkeit.270 Eine an Leistungsfähigkeitskriterien orientierte Abschreibungsregelung orientiert sich an einer realitätsgerechten Abnutzung.
264 Gesetz über Sonderabschreibungen und Abzugsbeträge im Fördergebiet, BGBl. I v. 24.6.1991 S. 1322. 265 Koschyk, Steuervergünstigungen als Beihilfen nach Art. 92 EGV, S. 222. 266 ABl. 1992 Nr. C 238/3. 267 Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen IV B 3 – S 2056 – 50/97, BStBl. I 1997, S. 864. 268 Koschyk, Steuervergünstigungen als Beihilfen nach Art. 92 EGV, S. 228. 269 Siehe „VI. Steuerliche Beihilfen – zweistufige Gesamtschau“. 270 Siehe „B. Abschichtung von Förderabschreibungstatbeständen“.
§ 16 Einzelfallprüfungen
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Die Abschreibungen nach dem Fördergebietsgesetz waren Steuervergünstigungen, indem sie von dem Maßstab der Leistungsfähigkeit abwichen. Die Förderung richtete sich nicht an eine bestimmte Branche, sondern an eine Region. Unternehmen/Niederlassungen mit Sitz in den neuen Bundesländern und Berlin würden begünstigt. Als Förderabschreibungen bewirkten sie einen Stundungsvorteil, der auf Seiten des Staates zu einer Belastung öffentlicher Mittel271 führte. Fraglich ist auf einer zweiten Stufe, ob der Vorteil auch zu Gunsten bestimmter Unternehmen eintrat und dadurch drohte, den Wettbewerb zu verzerren und den Handel zu beeinträchtigen.272 Bei der Steuervergünstigung kann wegen der Unvorhersehbarkeit des Adressatenkreises die Bestimmtheit nicht sinnvoll von der Wettbewerbsverzerrung und Handelsbeeinträchtigung getrennt werden. Diese Merkmale sind in einer Gesamtschau zu klären. Dafür ist danach zu fragen, ob auf einem europäischen Markt eine Wettbewerbsverfälschung eingetreten ist. Das Fördergebietsgesetz wirkte branchenübergreifend wettbewerbsverzerrend. Anlageinvestitionen insbesondere in ostdeutsche Immobilien waren interessanter als an anderen Stellen der Gemeinschaft. Dadurch wurden nicht nur die investierenden Unternehmen, sondern auch die Kapitalmärkte273 verzerrt. Immobilienfonds mit Ausrichtung auf den ostdeutschen Markt waren erfolgreicher als ihre europäischen Konkurrenten. Wer mit Frick meint, Art. 87 I EGV würde „Subventionen insoweit tolerieren, als sie zur Herstellung der Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen erst einmal notwendig sind“274, liest in Art. 87 I EGV negative Tatbestandsmerkmale hinein, ohne dafür einen Anhaltspunkt im EG-Vertrag zu finden.275 Auch Subventionen, die langfristig möglicherweise wettbewerbsverstärkend wirken, unterfallen dem Beihilfenrecht und der Kontrolle durch die Kommission. Die 271
Siehe „2. Belastung öffentlicher Mittel“. Siehe „VI. Steuerliche Beihilfen – zweistufige Gesamtschau“. 273 In der Entscheidung zu § 6b EStG sah der EuGH die ostdeutschen Unternehmen mittelbar dadurch als Begünstigte an, daß investierende Unternehmen ihre Investitionskosten senken konnten. In einer ähnlichen Mediatisierung befindet sich der Markt für Immobilenfonds, wenn seine deutsche Sektion über das Fördergebietsgesetz günstigere Produkte anbieten kann. 274 Frick, Einkommensteuerliche Steuervergünstigungen und Beihilfeverbot nach dem EG-Vertrag, S. 66. 275 Einer Übertragung der aus dem amerikanischen Kartellrecht geläufigen „rule of reason“-Doktrin steht das Regel-Ausnahmeverhältnis des Art. 87 I EGV entgegen. Ein Vertrag, der den Wettbewerb einschränkt, kann nach amerikanischem Kartellrecht als „reasonable“ vom Kartellverbot ausgenommen werden. Die amerikanische Rechtsprechung liest dazu in Section 1 Sherman Act (every contract, combination . . . or conspiracy of trade) ein negatives Tatbestandsmerkmal (soweit nicht die Vereinbarung „reasonable“ ist); Stopper, EuZW 2001, 428. 272
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Teil V: Europarechtliche Grenzen
positiven Auswirkungen einer Beihilfe sind erst bei der Frage ihrer Vereinbarkeit nach Art. 87 II oder III EGV relevant. III. Vereinbarkeit des Fördergebietsgesetzes mit dem Gemeinsamen Markt gem. Art. 87 II c) EGV Der Beihilfe stand jedoch der Ausnahmetatbestand des Art. 87 II c) EGV gegenüber. Die Sonderrolle Deutschlands, die dieser Bestimmung vorschwebte, kam hier erstmals voll zum Tragen.276 Die Einbeziehung Berlins in die Förderung erscheint aus dieser Perspektive konsequent. Berlin hat den Umstellungsprozeß und das Zusammenwachsen verschiedenartiger Wirtschaftssysteme mehr als jede andere Region Deutschlands verkraften müssen. Auch diese Einigungsfriktionen sind teilungsbedingt. Die Kommission hat anfangs demnach zu Recht die Beihilfen nach dem Fördergebietsgesetz genehmigt. Die Genehmigung hat auch Rechtfertigungswirkung für die Beeinträchtigung der Niederlassungsfreiheit und Warenverkehrsfreiheit der von der Förderung ausgeschlossenen Bewerber gehabt. In der späteren Entwicklung wurden die Nachteile in den neuen Bundesländern immer weniger Ausdruck der teilungsbedingten Sonderrolle Deutschlands, als vielmehr zu regionalen Strukturproblem wie es auch andere Mitgliedstaaten kennen (Italien – Mezzogiorno, Spanien – Baskenland, etc.). Damit stand auch der Befreiungstatbestand des Art. 87 III c) nicht mehr zur Verfügung. Die Genehmigungsfähigkeit nach Art. 87 III c) hingegen stand unter dem Vorbehalt des gemeinsamen Interesses. Das gemeinsame Interesse kommt in der Einigung über den steuerlichen Systemwettbewerb zum Ausdruck. Steuervergünstigungen, die multinationalen Großunternehmen gewährt werden, sind deshalb besonders problematisch. Sie führen zu einem „forum-shopping.“ Insofern ist die Einengung der Förderungsmöglichkeiten auf kleine und mittlere Unternehmen, die weniger mobil ihre Standorte aussuchen können, konsequent.
B. Bewertungsfreiheit für Handelsschiffe, für Schiffe, die der Seefischerei dienen, und für Luftfahrzeuge (§ 82f EStDV) I. Rechtsentwicklung zu § 82f EStDV Die Verlängerung der Sonderabschreibungsregelung für Luftfahrzeuge hielt die Kommission mit Entscheidung v. 13.3.1996 für mit dem Gemeinsamen
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Siehe „I. Art. 87 II EGV, insbesondere Art. 87 II c)“.
§ 16 Einzelfallprüfungen
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Markt unvereinbar.277 Die Entscheidung ist oben schon ausführlich dargestellt. Sie soll hier auf ihre Stichhaltigkeit überprüft werden. Die Sonderabschreibung nach § 82f EStDV galt für: • Handelsschiffe, • (Schiffe, die der Seefischerei dienen278), • Luftfahrzeuge. Die Luftfahrzeugförderung betraf nur Luftfahrzeuge, die zur gewerbsmäßigen Beförderung von Personen oder Sachen im internationalen Luftverkehr (oder zur Verwendung zu sonstigen gewerblichen Zwecken im Ausland) bestimmt waren. Die Luftfahrzeuge mußten in die deutsche Luftfahrzeugrolle eingetragen sein (§ 82f VI EStDV). De facto waren damit nur inländische Luftfahrzeugbetreiber von der Steuervergünstigung erfaßt. II. Unvereinbarkeit der Luftfahrzeugabschreibungen mit dem Beihilfenrecht Bei § 82f EStDV handelt es sich in seiner Anwendung auf Luftfahrzeuge (Nr. 1) um eine Steuervergünstigung (1. Stufe):279 Gibt der Gesetzgeber selbst an, er wolle „zur Förderung“ handeln, ist dies ein deutliches Indiz für die Abweichung von Leistungsfähigkeitskriterien.280 Auf einer 2. Stufe sind die Merkmale der Bestimmtheit/Wettbewerbsverzerrung/Handelsbeeinträchtigung in einer Gesamtschau zu ermitteln.281 Dafür ist die Wettbewerbsverzerrung nach den im Kartellrecht entwickelten Kriterien des Marktvergleichs zu ermitteln. Betroffener Markt ist hier der internationale Luftverkehr.282 Im internationalen Luftverkehr gibt es eine intensive europäische Konkurrenz.283 Ist die Konkurrenz sehr intensiv, genügt schon ein geringer Vorteil, um eine Wettbewerbsverzerrung nahe zu legen. Aus der Wettbewerbsverzerrung ergibt sich die Selektivität. § 82f VI EStDV ist eine Förderabschreibung, die den Wettbewerb zu verzerren drohte. Die Beschränkung auf in Deutschland eingetragene Luftfahrzeuge beeinträchtigte zudem den Warenverkehr und die Niederlassungsfreiheit der ausländischen
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ABl. Nr. L 146/42 (96/369/EG). Die Förderung der Seeschiffahrt wird nicht erörtert. 279 Vgl. Paul Kirchhof, DIE ZEIT, 8.5.2002, S. 32. 280 Siehe „I. Realität der Wertentwicklung als zwingender Maßstab“. 281 Siehe „VI. Steuerliche Beihilfen – zweistufige Gesamtschau“. 282 Siehe „IV. Marktvergleich“. 283 Darauf weist auch Koschyk hin, Steuervergünstigungen als Beihilfen nach Art. 92 EGV, S. 243. 278
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Konkurrenten, weil Flugzeuge, die in einer ausländischen Luftfahrtrolle eingetragen waren, nicht die gleiche Förderung bekamen. Dem Verbot steht auch keine mögliche Befreiung gem. Art. 87 II oder III EGV gegenüber. Gebietsbezogene Befreiungsmöglichkeiten scheiden von vornherein aus (Art. 87 II c), 87 III a), c) 2. Alt.). Für Art. 87 III c) EGV müßte § 82f den Zweck haben, eine beträchtliche Störung im gesamtdeutschen Wirtschaftsleben zu beheben, was nicht der Fall ist. Denkbar erscheint allenfalls die Förderung der Entwicklung gewisser Handelszweige (Art. 87 II c) EGV). Diese Ausnahmebestimmung setzt jedoch voraus, daß die Förderung die Handelsbedingungen nicht in einer Weise verändert, die dem gemeinsamen Interesse zuwider läuft. Dieses gemeinsame Interesse hat die Kommission in ihrer Mitteilung über die Anwendung der Art. 92 und 93 des EGV und des Art. 61 des EWR-Abkommens auf staatliche Beihilfen im Luftverkehr284 festgelegt. Beihilfen für den Luftverkehr sind danach nur mit dem gemeinsamen Markt vereinbar, wenn sie Unternehmen in wirtschaftlichen Schwierigkeiten gewährt werden. Die Förderung gem. § 82f EStDV beschränkt sich nicht auf derartige Unternehmen. Damit erfüllt § 82f keine Freistellungsvoraussetzungen. Die Kommission hat mithin zu Recht die Verlängerung der Geltungsdauer von § 82f EStDV als mit dem gemeinsamen Markt nicht zu vereinbarende Beihilfe gewertet. III. Unvereinbarkeit der Schiffsabschreibungen mit dem Beihilfenrecht Die Sonderabschreibung zugunsten von Handelsschiffen weicht vom Maßstab der Leistungsfähigkeit ab (1. Stufe). Schiffe unterliegen keinem stärker degressiven Verschleiß als andere Wirtschaftsgüter. Fraglich ist, ob die Steuervergünstigung bestimmt ist. Das Merkmal der Bestimmtheit läßt sich bei Steuervergünstigung nur durch einen Vergleich der europäischen Marktlage vor und nach Einführung der Maßnahme feststellen. Ist es zu einer Verzerrung des Wettbewerbs gekommen, erfüllt die Steuervergünstigung alle Tatbestandsmerkmale des Art. 87 I EGV (2. Stufe, Gesamtschau). Die Förderung von Handelsschiffen (Nr. 2, s. o.) bezieht sich nur auf Handelsschiffe, die in einem inländischen Seeschiffsregister eingetragen sind. Die Betreiber von Handelsschiffen bieten Transportleistungen insbesondere im Güterfernverkehr an. Dieser Bereich unterliegt einer starken, europäischen Konkurrenz. Für den internationalen Güterfernverkehr stehen Spediteure aus Europa in einem ständigen Preiskampf. Ob Kaffee aus Südamerika, der für den europäischen Markt bestimmt ist, nach Rotterdam oder Hamburg geliefert wird, hängt von den Transportkosten ab. Über § 82f I EStDV können deutsche Seeschiff284
ABl. Nr. C 350 v. 10.12.1994, S. 5.
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fahrtsbetreiber ihre steuerlichen Kosten senken. Diese Betriebsbeihilfe verzerrt in gleicher Weise wie die Beihilfe zu Gunsten der Flugzeugbetreiber den europäischen Wettbewerb. Wie sie ist auch die Beihilfe zur Förderung der Handelsschiffe nicht mit dem gemeinsamen Markt vereinbar. Dennoch hat die Kommission die Sonderabschreibung für Handelsschiffe mit Bescheid vom 15.10.1996 genehmigt.285 Die Genehmigung der Kommission läßt sich wohl nur noch durch das ausgeprägte Subventionswesen im Schiffbau und das Lobbying der Bundesregierung erklären. Bei den Überlegungen der Kommission wird eine Rolle gespielt haben, daß die Beihilfe zeitlich befristet ist.286
C. Deutsche Kohle-Förderung I. Bewertungsfreiheit für bestimmte Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens im Kohlen- und Erzbergbau (§ 81 EStDV) 1. Bergbauförderung als sektorale Beihilfe Ab 23.7.2002 fällt auch der Bereich Kohle und Stahl in den Anwendungsbereich des EGV. § 81 EStDV gewährt eine Sonderabschreibung von 50% bei beweglichen und 30% bei unbeweglichen Wirtschaftsgütern; § 81 ist nach Absatz 4 eine auslaufende Vorschrift. § 81 EStDV weicht vom Maßstab der Leistungsfähigkeit ab (1. Stufe).287 Es ist nicht einzusehen, weshalb etwa Wirtschaftsgüter, die für die Wiederinbetriebnahme stillgelegter Tagebaue (§ 81 II Nr. 1 b) dd) EStDV) angeschafft worden sind, einer schnelleren Abnutzungsrate unterliegen sollen, als bei anderweitigem Einsatz. Man mag zwar dagegen einwenden, daß derartige in Stollenanlagen eingesetzte Wirtschaftsgüter mit dem Beginn ihrer Nutzung unverkäuflich sind. Eine derartige Unverkäuflichkeit träfe jedoch – wenn überhaupt – die Wirtschaftsgüter nur bei einer Einzelbetrachtung. Mit dem Einsatz der entsprechenden Grubengerätschaften steigt auch der Wert des Abbaugebiets insgesamt. Eine Besteuerung, die sich nach Leistungsfähigkeitskriterien orientiert, würde deshalb keine 50%/30%ige Sonderabschreibung gewähren. 285
Schreiben des BMF v. 17.2.1997, Bundessteuerblatt I 1997, S. 194. § 82f V: „Die Abschreibungen nach Absatz 1 können nur in Anspruch genommen werden, wenn das Handelsschiff vor dem 1.1.1999 angeschafft oder hergestellt wird und der Kaufvertrag oder Bauvertrag vor dem 25.4.1996 abgeschlossen worden ist. Bei Steuerpflichtigen, die in eine Gesellschaft im Sinne des § 15 I Nr. 2 und III des Einkommensteuergesetzes nach Abschluß des Schiffbauvertrags (Unterzeichnung des Hauptvertrags) eintreten, sind Sonderabschreibungen nur zulässig, wenn sie der Gesellschaft vor dem 1.1.1999 beitreten.“ 287 Siehe „I. Realität der Wertentwicklung als zwingender Maßstab“. 286
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§ 81 EStDV betrifft einen Wirtschaftsbereich, der von wenigen multinational operierenden Großunternehmen geprägt ist (Subventionsadressaten). Diese stehen untereinander in einem starken Wettbewerb. Im sachlichen Anwendungsbereich läßt sich aus den in Absatz 2 der angeführten Wirtschaftsgütern288 herausfiltern, daß gerade auch Erweiterungsmaßnahmen begünstigt werden sollen. Im Ergebnis trifft § 81 EStDV damit insbesondere die deutschen Großunternehmen bei ihren Erweiterungsmaßnahmen, d.h. beim Kampf um Marktanteile. Ist der Wettbewerb besonders ausgeprägt, genügt schon ein geringer Vorteil, um eine Verzerrung der Wettbewerbsverhältnisse nahe zu legen („drohende Wettbewerbsverzerrung“). Das Merkmal der Selektivität folgt nach der hier vertretenen Ansicht aus der Wettbewerbsverzerrung, ist im Fall einer sektoral eingegrenzten Investitionsförderung jedoch ohnehin unproblematisch (2. Stufe).289 2. Unvereinbarkeit deutscher Kohleförderung wegen bevorstehender Osterweiterung Die Sonderabschreibung gem. § 81 I EStDV können gem. Absatz 4 nur für Wirtschaftsgüter vorgenommen werden, die vor dem 1.1.1991 hergestellt oder angeschafft worden sind. Eine Entscheidung der Kommission hätte wirtschaftlich fast keine Auswirkungen mehr, würde aber dem deutschen Gesetzgeber für die Zukunft eine Grenze aufzeigen. 288 EStDV § 81 II: „Voraussetzung für die Anwendung des Absatzes 1 ist, 1. daß die Wirtschaftsgüter a) im Tiefbaubetrieb des Steinkohlen-, Pechkohlen-, Braunkohlen- und Erzbergbaues aa) für die Errichtung von neuen Förderschachtanlagen, auch in Form von Anschlußschachtanlagen, bb) für die Errichtung neuer Schächte sowie die Erweiterung des Grubengebäudes und den durch Wasserzuflüsse aus stilliegenden Anlagen bedingten Ausbau der Wasserhaltung bestehender Schachtanlagen, cc) für Rationalisierungsmaßnahmen in der Hauptschacht-, Blindschacht-, Strekken- und Abbauförderung, im Streckenvortrieb, in der Gewinnung, Versatzwirtschaft, Seilfahrt, Wetterführung und Wasserhaltung sowie in der Aufbereitung, dd) für die Zusammenfassung von mehreren Förderschachtanlagen zu einer einheitlichen Förderschachtanlage oder ee) für den Wiederanschluß stilliegender Grubenfelder und Feldesteile, b) im Tagebaubetrieb des Braunkohlen und Erzbergbaues aa) für die Erschließung neuer Tagebaue, auch in Form von Anschlußtagebauen, bb) für Rationalisierungsmaßnahmen bei laufenden Tagebauen, cc) beim Übergang zum Tieftagebau für die Freilegung und Gewinnung der Lagerstätte oder dd) für die Wiederinbetriebnahme stillgelegter Tagebaue angeschafft oder hergestellt werden und 2. daß die Förderungswürdigkeit dieser Vorhaben von der obersten Landesbehörde oder der von ihr bestimmten Stelle im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Wirtschaft bescheinigt worden ist.“ 289 Siehe „VI. Steuerliche Beihilfen – zweistufige Gesamtschau“.
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Eine derartige Beihilfe ist als sektorale Beihilfe gem. Art. 87 III c) EGV genehmigungsfähig, wenn sie nicht die Handelsbedingungen in einer Weise verändert, die dem gemeinsamen Interesse zuwider läuft. Die neuen Beitrittskandidaten sind Kohleproduzenten. Vor dem Ziel einer wirtschaftlichen Kohärenz innerhalb der EU kann nicht mit dem gemeinsamen, gesamteuropäischen Interesse zu vereinbaren sein, daß der Handel durch eine deutsche Kohlesubvention verzerrt wird. II. Außerkraftsetzen des Wettbewerbsrechts durch die politischen Akteure Das Auslaufen des EGKS-Vertrags hat die Trägheit aller politischen Akteure bewiesen, sich auch im Bereich Kohle und Stahl zum Wettbewerb zu bekennen. Das einheitliche Vorgehen aller Beteiligten zu Gunsten einer Kohleförderung überrascht: In der derzeitigen Europäischen Union sind nur noch Deutschland, Spanien, Frankreich und das Vereinigte Königreich Kohleproduzenten.290 Die Überführung des Beihilfenregimes auf den EGV hat sich schon früh abgezeichnet. So hat der beratende Ausschuß der EGKS in der Entschließung v. 6.4.2000 folgende Schlußfolgerung getroffen291: „In diesem Zusammenhang (erg. des Verfassers: eines schärferen internationalen Wettbewerbs) muß u. a. unbedingt dafür gesorgt werden, daß Bewährtes aus dem EGKS-Vertrag in den EG-Vertrag übernommen wird, damit sichergestellt ist, daß die Marktteilnehmer mit der ständigen Expansion des Stahlmarktes und mit dessen zunehmender Globalisierung Schritt halten können und damit die vor allem in den Beitrittsländern zu erwartenden Probleme aufgefangen werden können.“
Etwas verklausuliert steht hier eine Empfehlung auf Beibehaltung eines protektionistisch ausgerichteten, hohen Subventionsniveaus. Es geht der EU um die Wettbewerbsfähigkeit auf den „Weltmärkten“292. Nach Ansicht des Rates der Europäischen Union in seiner Zusammensetzung als Rat der Energieminister gilt es, die Auswirkungen der US-amerikanischen Einfuhrzölle abzuwehren.293 290 Pressemitteilung 14837/01 (Presse 452) zur 2394. Tagung des Rates am 4./5. Dezember 2001 in Brüssel, S. 11. 291 Entschließung des Beratenden Ausschusses der EGKS vom 6.4.2000 zur Mitteilung (KOM (1999) 453 endg. Vom 5.10.1999) der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat und den Beratenden Ausschuß der EGKS zum Stand der Wettbewerbsfähigkeit der Stahlindustrie in der EU, in der 349. Vollsitzung am 6.4.2000 einstimmig angenommen, Dok. 1914/3/99. 292 Pressemitteilung des Europäischen Parlaments 4.7.2., Zielsetzungen, http://www. europarl.eu.int/fastsheets/4_7_2_de.htm. 293 Pressemitteilung und Vorankündigung der Ratssitzung vom 6./7.6.2002 (Dokument v. 30.5.2002), Background, Sidérurgie, abrufbar unter http://ue.eu.int/newsroom: „Les mesures prises par les Etats-Unis posent le risque pour l’UE que son industrie sidérurgique soit confrontée non seulement à une réduction de ses exportations vers le marché américain mais aussi à un détournement substantiel vers le marché européen
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Unter der Behauptung, die „bisherige strenge Kontrolle der staatlichen Beihilfen“ habe „maßgeblich zur Gewährung eines fairen Wettbewerbs in dieser Branche beigetragen“, hat die Kommission daraufhin das bisherige Subventionswesen des Stahlbeihilfekodexes durch formal neue Leitlinien bestätigt. Die Kommission ist der Meinung, „daß Beihilfen zur Unterstützung struktureller Anpassungen (. . .) zur Gesundung der Stahlindustrie beitragen können.“294 Die zukünftige Unvereinbarkeit einer deutschen Kohleförderung im bisherigen Umfang hat auch die Bundesregierung wahrgenommen. In der Kohlepfennig-Entscheidung hat das Bundesverfassungsgericht festgestellt, daß „die Ausgleichsabgabe nach § 8 Drittes Verstromungsgesetz (= Kohlepfennig) nicht als Sonderabgabe zu rechtfertigen ist, weil sie eine Allgemeinheit von Stromverbrauchern belastet, die als solche keine besondere Finanzierungsverantwortlichkeit für die Aufgabe trifft, den Steinkohleneinsatz bei der Stromerzeugung zu sichern.“295 Die Kohleförderung ist daraufhin in einen aus Steuermitteln finanzierten Bundeszuschuß überführt worden. Mit dem Auslaufen des EGKS-Vertrages bahnte sich eine Unvereinbarkeitserklärung durch die Kommission ab. Daraufhin ist es zu einem politischen Tauschgeschäft296 auf höchster politischer Ebene gekommen: Mitspieler dieses Tauschgeschäfts waren in erster Linie die Regierungen der Niederlanden, Frankreichs, Italiens und Deutschlands. In den Niederlanden, Frankreich und Italien galt ein ermäßigter Verbrauchssteuersatz für bestimmte Mineralöle zugunsten von Unternehmen des Straßengüterverkehrs. Die drei Länder „beantragten und erreichten“297, daß der Rat der EU einstimmig die Steuererleichterungen gem. Art. 88 II 3 EGV genehmigte. Sie verhalfen Art. 88 II 3 EGV damit zur erstmaligen298 Anwendung außerhalb des Landwirtschaftsbereichs. Gem. Art. 88 II 3 EGV kann der Rat einstimmig auf Antrag eines Mitgliedstaats entscheiden, daß eine von diesem Staat gewährte oder geplante Beihilfe in Abweichung von Art. 87 oder von den nach Art. 89 erlassenen Verdes exportations des autres pays tiers touchés par les mesures américaines. Le 27 mars dernier, la Commission a adopté des mesures de sauvegarde en faveur de la sidérurgie européenne à la suite des dispositions prises par les Etats-Unis le 20 mars. Ces mesures provisoires visent à empêcher le détournement vers l’UE d’un afflux d’importations d’acier, et s’appliqueront aux 15 produits sidérurgiques qui ont fait l’objet d’une hausse des droits d’entrée aux Etats-Unis et pour lesquels les importations dans l’UE ont augmenté.“ 294 Pressemitteilung vom 13.2.2002 Dokumentennummer IP/02/241. 295 BVerfGE 91, 186, 2. Leitsatz. 296 Rosenkranz, DER SPIEGEL, 23/2002, S. 106; Bundeswirtschaftsminister Müller bestätigte, daß Deutschland die Zustimmung mit einem politischen Tauschgeschäft zu Lasten der deutschen Spediteure bezahlt habe, Die FAZ, 8.6.2002, Nr. 130, S. 12. 297 Diese Formulierung ist aus der Pressemitteilung Nr. 8639/02 vom 3. März 2002. 298 Andere Fälle sind mir nicht bekannt.
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ordnungen als mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar gilt, wenn „außergewöhnliche Umstände eine solche Entscheidung rechtfertigen“.299 Es scheint, die „außergewöhnlichen Umstände“ standen in engem Zusammenhang mit dem Wahlkampf in Deutschland. Deutschland hat die Steuersubventionen für ausländische Spediteure mitgetragen. Im Gegenzug300 hat der Rat die Bundeszuschüsse zur Kohleförderung abgesegnet301 und damit „die Kohleförderung gesichert.“302 Das Tauschgeschäft wird den deutschen Steuerzahler mindestens 25 Milliarden Euro kosten, etwas weniger als der Kohlekompromiß 1997 (35 Milliarden Euro).303 Bis 2007 können Deutschland, Spanien und Großbritannien sowohl die Stillegung von Zechen als auch den laufenden Betrieb subventionieren.304 Danach sind bis 2010 nur noch Betriebsbeihilfen möglich, sofern nicht 2006 eine Verlängerung der Kohleförderung beschlossen wird.305 Eine Tonne deutsche Steinkohle kostet durchschnittlich 150 Euro, dreimal soviel wie auf dem Weltmarkt.306 Für 51200 Beschäftigte gibt der deutsche Fiskus gegenwärtig 3,7 Milliarden A jährlich aus, also 72265 A pro Beschäftigten.307 Die Förderung soll auf 2,7 Milliarden A bis 2005 reduziert werden (75000 A pro Beschäftigten).308 Deutschland ist der „Klotz am Rhein“.309, 310 Die sachwidrige Verknüpfung von Transport-Subventionen mit deutscher Kohleförderung führt zu einem Verstoß gegen Art. 6 I EUV. Gem. Art. 6 I beruht die Union auf dem Grundsatz der Rechtsstaatlichkeit. Das Rechtsstaatsprinzip verlangt, daß Ermessensbefugnisse nicht aus sachwidrigen Motiven ausgenutzt werden.311 Das Tauschgeschäft über die deutsche Kohleförderung mag politisch wirksam gewesen sein, rechtmäßig ist es nicht. Die Rechtswidrigkeit 299 In einem Grundsatzurteil über die Vereinbarkeitserklärung zu Gunsten portugiesischer Schweinezüchter hat der EuGH entschieden, daß eine Kommissionsentscheidung nicht vom Ministerrat kassiert werden kann (Az. C-110/02), FAZ v. 30. Juni 2004, Nr. 149, S. 12 „Gericht stärkt EU-Kommission“. 300 Das Kuhhandel-Paket umfaßte als deutsche Gegenleistung neben der Zustimmung zu den Spediteur-Beihilfen noch die Zustimmung für eine Herkunftsbezeichnung von Strom, Die FAZ, 8.6.2002, Nr. 130, S. 12. 301 Technisch ist dies in der Form einer Verordnung des Rates geschehen; Pressemitteilung 14837/01 (Presse 452) zur 2394. Tagung des Rates am 4./5. Dezember 2001 in Brüssel, S. 11. 302 So die Formulierung der Süddeutschen Zeitung Nr. 126, 4.Juni 2002, S. 19, die sich hierfür auf die Deutsche Presse Agentur beruft. 303 Rosenkranz, DER SPIEGEL, 23/2002, S. 106. 304 Die FAZ, 8.6.2002, Nr. 130, S. 12. 305 Die FAZ, 8.6.2002, Nr. 130, S. 12. 306 Rosenkranz, DER SPIEGEL, 23/2002, S. 106. 307 Die FAZ, 8.6.2002, Nr. 130, S. 12. 308 Die FAZ, 8.6.2002, Nr. 130, S. 12. 309 Petra Pinzler formuliert ihren Unmut sogar drastischer: „Verkohlt. Ach Herr, wirf Hirn vom Himmel.“, DIE ZEIT, 6.6.2002, S. 10. 310 Rosenkranz, DER SPIEGEL, 23/2002, S. 106.
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von europäischen „Akten“ führt bei schweren und offensichtlichen Fehlern zu deren Unwirksamkeit.312 Ein öffentlich zugestandenes313 Tauschgeschäft zwischen sachlich unabhängigen Regelungsgebieten begründet einen schweren und offensichtlichen Fehler.314 Die Genehmigung der Kohleförderung durch den Rat ist deshalb nicht nur rechtswidrig, sie ist unwirksam.315 Damit greift auch das 311 Eine Ermessenskontrolle ist im europarechtlichen Kontext erst in der Entstehung. „Ermessensmißbrauch“ begründet jedoch auch im Europarecht einen Rechtsfehler: Rs. 98/78, Firma A. Racke gegen Hauptzollamt Mainz, Urteil vom 25.1.1979; Slg.1979, S. 69: „(1) Bei der Beurteilung eines komplexen wirtschaftlichen Sachverhaltsverfügt die Verwaltung über einen weiten Ermessensspielraum. Bei der Kontrolle über die Rechtmäßigkeit der Ausübung eines solchen Ermessens muß sich der Richter darauf beschränken zu prüfen, ob der Verwaltungsbehörde kein offensichtlicher Irrtum oder Ermessensmißbrauchunterlaufen ist oder ob sie die grenzen ihres Ermessensspielraumes nicht offensichtlich überschritten hat.“ 312 Rs. 15/85, Consorzio Cooperative d’Abruzzo, Urteil vom 26.2.1987; Slg. 1987, S. 1005: „(10) Zu der Inexistenz ist zu bemerken, daß für einen – auch fehlerhaften – Verwaltungsakt im Gemeinschaftsrecht wie im nationalen Recht der einzelnen Mitgliedstaaten die Vermutung der Gültigkeit spricht, bis er aufgehoben oder von der Stelle, die ihn erlassen hat, ordnungsgemäß zurückgenommen worden ist. Die Qualifizierung eines Verwaltungsakts als inexistent erlaubt – außerhalb der Klagefristen – die Feststellung, daß dieser Akt keine Rechtswirkung entfaltet hat. Aus offenkundigen Gründen der Rechtssicherheit muß diese Qualifizierung daher im Gemeinschaftsrecht, ebenso wie in den nationalen Rechtsordnungen, in denen sie bekannt ist, Akten vorbehalten bleiben, die mit besonders schweren und offensichtlichen Fehlern behaftet sind.“ 313 Die FAZ, 8.6.2002, Nr. 130, S. 12. 314 Nach deutschem Recht ist die Nichtigkeit eines Verwaltungsaktes immer anzunehmen, wenn er „gegen die guten Sitten verstößt“ (§ 44 II Nr. 6 VwVfG). Eine Genehmigung, die ohne jeden Zusammenhang mit dem Inhalt des Antrags aufgrund eines „Kuhhandels“ gewährt wurde, verstößt gegen die guten Sitten. Für die europarechtliche Betrachtung folgt aus der Sittenwidrigkeit ein schwerwiegender Mangel, der auch für den durchschnittlich interessierten Bürger offensichtlich ist. 315 Für die Rechtmäßigkeit der Beihilfen zugunsten der niederländischen, französischen und italienischen Spediteure folgt aus dem Tauschcharakter der Genehmigung ebenfalls, daß der Rat vertragswidrig handelte, als er die sektorale Beihilfe zu ihren Gunsten genehmigte. Die Umstände, für die der Rat gem. Art. 88 II 3. Abschnitt eine Ausnahmegenehmigung erteilen kann, müssen irgendwie anders sein als die in Art. 87 II/III erwähnten Umstände, eben, „außergewöhnlich“. Das Ziel, eine bestimmte Gruppe von Unternehmern, hier die Spediteure der entsprechenden Länder, in einer etwaigen besonderen Notlage zu unterstützen, ist jedoch schon von Art. 87 II c) EGV erfaßt. Eine sektorale Beihilfe zugunsten von Spediteuren in Notlage ist nichts „Außergewöhnliches“. Damit lag der Tatbestand von Art. 88 II 3. Abschnitt EGV nicht vor, die Genehmigung verstößt gegen Art. 88 II 3. Abschnitt EGV. Ob aus der Rechtswidrigkeit der Genehmigung auch ihre Nichtigkeit folgt, ist wie im deutschen Rechtskreis anhand der Schwere des Fehlers und der Offensichtlichkeit des Fehlers zu entscheiden. Der Fehler ist hier wie dort schwerwiegend und offensichtlich, die Genehmigung damit „nichtexistent“. Meines Erachtens verstößt die Förderung der Spediteure durch die Niederlande, Frankreich und Italien deshalb gegen Art. 88 III 3 EGV. Die Beihilfe ist so zu behandeln, als sei sie ohne Notifizierung bei der Kommission eingeführt worden. Konkurrenten der Spediteure haben die Möglichkeit, vor dem EuG 1. Instanz die Nichtigkeit der Genehmigung feststellen zu lassen oder vor nationalen Rechtsschutz zu verlangen. Vor Ablauf der Monatsfrist ist dies natürlich mit einem
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Durchführungsverbot des Art. 88 III 3 EGV für die neuen Kohlesubventionen Deutschlands.316
D. Sonderabschreibung gem. § 7g I und „Ansparabschreibung“ gem. § 7g VII, VIII EStG I. Vereinbarkeit von § 7g I EStG mit dem Beihilfenrecht § 7g EStG wird schon seit seiner Entstehung auf seine europarechtliche Vereinbarkeit untersucht.317 Die Sonderabschreibung zu Gunsten von kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) weicht von dem Maßstab der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit ab. Vergleichsmaßstab ist auch hier nur der realitätsgerechte Abnutzungsgrad318; die im Rahmen der Erbschaftssteuer angestellten Überlegungen des Verfassungsgerichts319 zur verminderten Leistungsfähigkeit des Erben eines derart sozialgebundenen Vermögensgegenstandes gelten für die Bemessung der Wertverhältnisse an einzelnen Wirtschaftsgütern nicht. Die Steuervergünstigung müßte den Wettbewerb verfälschen (zweite Stufe).320 Sie ist nicht branchenspezifisch formuliert. Das macht den Nachweis einer Marktverfälschung zugleich schwerer und leichter: Einerseits ist kein Markt für die Prüfung vorgegeben, andererseits beschränkt sich die Prüfung der Wettbewerbsverfälschungen jedoch nicht auf den angegebenen Markt. Wer vor der tatbestandlichen Weite des § 7g I EStG (Mittelstandsförderung) kapituliert, ohne auf die Auswirkungen in allen in Betracht kommenden Märkten einzugehen, greift deshalb zu kurz.321 Die wirkungsorientierte Betrachtungsweise des Beihilfenrechts zwingt den Rechtsanwender, nach den Auswirkungen der Norm im tatsächlichen zu forschen. Auch kleinere und mittlere Unternehmen stehen in verschiedenen Märkten in einem europaweiten Wettbewerb. Die Verzerrungen sind jedoch geringer, als wenn multinationale Groß-Unternehmen von der Abschreibungsvergünstigung geringeren Risiko verbunden, sofern ein Gericht davor zögern sollte, aus der Rechtswidrigkeit der Genehmigung auch auf die Nichtigkeit der Genehmigung zu folgern, vgl. Seite 166. 316 Zu den Rechtsfolgen, siehe „§ 15 Verfahrensfolgen eines Verstoßes gegen das Durchführungsverbot gem. Art. 88 III 3 EGV“. 317 Lehner, DB 1983, S. 1783. 318 Siehe „I. Realität der Wertentwicklung als zwingender Maßstab“. 319 BVerfGE 93, 165 (175), vgl. „a) Gebot der Leistungsfähigkeit und gewährende Staatstätigkeit“. 320 Siehe „VI. Steuerliche Beihilfen – zweistufige Gesamtschau“. 321 So aber Frick, der aus diesem Grund die Bestimmtheit und Wettbewerbsverzerrung ablehnt, Einkommensteuerliche Steuervergünstigungen und Beihilfeverbot nach dem EG-Vertrag, S. 63.
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betroffen wären. Typischerweise ist der Hauptabsatzmarkt von KMU regional begrenzt. Das führt dazu, daß die Kommission grundsätzlich die Beihilfe gem. Art. 87 III c) EGV genehmigen könnte. § 7g I, II richtet sich an kleine und mittlere Unternehmen. Die deutsche Definition ist jedoch mit der europarechtlichen Festlegung nicht identisch. Die Kommission definiert kleine und mittlere Unternehmen anhand der Größenmerkmale Anzahl an Arbeitnehmern, Jahresumsatz, Bilanzsumme und Beteiligungsverhältnisse.322 Die Subventionsadressaten sind jedoch trotz unterschiedlicher Definitionen im praktischen Ergebnis deckungsgleich. Die Beihilfe ist nach Art. 87 III c) EGV genehmigungsfähig. II. Rechtsentwicklung zu der Ansparabschreibung gem. § 7g VII, VIII EStG Die „Ansparabschreibung“ gem. 7g VII, VIII EStG ist keine Bestimmung über den Wertverzehr. Der Begriff „Ansparabschreibung“ ist begrifflich irreführend. Inhaltlich gewährt § 7g VII die Möglichkeit, eine Rücklage323 von 50% für zukünftigen Anschaffungsaufwand zu bilden. Der Aufwand wird damit zeitlich vorverlagert. Wird die geplante Investition nicht durchgeführt, ist der rückgestellte Betrag mit einem Gewinnzuschlag aufzulösen. Für Existenzgründer i. S. d. § 7g VII 2 EStG wird der zulässige Höchstbetrag der „Ansparabschreibung“ gem. § 7g VII Nr. 2 EStG von 154.000 A auf 307.000 A in etwa verdoppelt und der Rücklagenzeitraum erweitert. Die allgemeine Ansparabschreibung zu Gunsten von KMU wurde von der Kommission am 14.7.1993 genehmigt.324 Die Ansparabschreibungserweiterung für Existenzgründer unterlag jedoch einem Prüfungsverfahren. Die Kommission genehmigte die Existenzgründer-Regelung außerhalb der sensiblen Sektoren gem. Art. 87 III c) i.V. m. dem Gemeinschaftsrahmen für staatliche Beihilfen an kleine und mittlere Unternehmen325. Sie sah alle Bedingungen des Gemeinschaftsrahmens als erfüllt an: Zwar verwende die deutsche Vorschrift nicht die (europarechtliche) Definition (eines KMU), sondern nehme auf das Betriebsvermögen des Unternehmens Bezug. 322 Gemeinschaftsrahmen für staatliche Beihilfen an kleine und mittlere Unternehmen, Bekanntmachung der Kommission, ABl. Nr. C 213 v. 23.07.1996, S. 4; KMU sind gem. Rn. 3. Unternehmen, die – weniger als 250 Personen beschäftigen, – einen Jahresumsatz von höchstens 40 Mio. ECU oder eine Jahresbilanzsumme von höchstens 27 Mio. ECU haben, und – die das Kriterium der Unabhängigkeit erfüllen. 323 Graf formuliert dies vorsichtiger, die Ansparabschreibung könne auch als Investitionsrücklage bezeichnet werden, Steuer und Studium 1995, S. 346. 324 Das geht aus der Mitteilung der Kommission gem. Art. 93 II EGV an die anderen Mitgliedstaaten und Beteiligten über staatliche Beihilfen zugunsten von Existenzgründern hervor, 98/C 334/04 Rn. 2.1. 325 Gemeinschaftsrahmen für staatliche Beihilfen an kleine und mittlere Unternehmen, Bekanntmachung der Kommission, ABl. Nr. C 213 v. 23.07.1996, S. 4.
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Dieses sei indes auf einen so niedrigen Wert begrenzt, daß selbst ohne Beschränkung der Anzahl der Beschäftigen sichergestellt sei, daß nur kleine und mittlere Unternehmen (i. S. d. Gemeinschaftsrahmens) diese Voraussetzung erfüllen. Die Bedenken gegenüber der Ausnahme vom Gewinnaufschlag hat die Bundesregierung erfolgreich mit einem Verweis auf § 42 AO ausräumen können. § 42 AO soll nach Ansicht der Kommission deshalb in einer Weise angewandt werden, daß Betriebsbeihilfen ausgeschlossen werden.326 Der Vorschlag der Bundesregierung, für sensible Sektoren die Förderung durch Verwaltungsanweisung auszuschließen, wurde von der Kommission verworfen. Beriefe sich das Unternehmen eines derartigen Sektors auf den gesetzlichen Anspruch, so könne die entgegenstehende Verwaltungsanweisung gegenüber diesem Gesetz nur unter Berufung auf die Umsetzung höherrangigen Gemeinschaftsrechts Vorrang beanspruchen und zu einem Ausschluß eines durch Gesetz eingeräumten Anspruchs führen. Ob indes der Staat sich in dieser Weise vor Gericht mit Erfolg zur Derogierung von Parlamentsgesetzen durch Verwaltungsanweisungen auf diesen Grundsatz wird berufen können, erscheine zweifelhaft. Der Grundsatz des Anwendungsvorrangs könne schwerlich dem Mitgliedstaat selbst als Rechtfertigung dienen, von der gemeinschaftskonformen Ausgestaltung seiner Gesetze Abstand zu nehmen.327 Ergebnis dieses politischen Kompromisses war der Ausschluß der sensiblen Sektoren.328 III. Die Bestimmtheit der Ansparabschreibung Koschyk ist der Ansicht, die Eingrenzung auf KMU sei nicht hinreichend bestimmt. Die Eingrenzung erscheine zu allgemein, als daß man von bestimmten Unternehmen sprechen könne. 99% aller Unternehmen in der EU seien KMU. Die Eingrenzung auf KMU erfüllt nach dieser Ansicht das Spezialitätskriterium nicht. § 7g EStG sei zwar „Steuervergünstigung“, auch der Wettbewerb werde jedoch nicht verfälscht. Die Förderung sei „zu allgemein“. Für Koschyk ist die Kommissionsentscheidung damit nur im Ergebnis „zugestimmt.“ 326 Mitteilung der Kommission gem. Art. 93 II EGV an die anderen Mitgliedstaaten und Beteiligten über staatliche Beihilfen zugunsten von Existenzgründern, 98/C 334/ 10 Rn. 3. 327 Mitteilung der Kommission gem. Art. 93 II EGV an die anderen Mitgliedstaaten und Beteiligten über staatliche Beihilfen zugunsten von Existenzgründern, 98/C 334/ 10 Rn. 3. 328 Sensible Sektoren sind: Eisen- und Stahlindustrie (§ 7g VIII S. 2 Nr. 1 EStG), Schiffbau. (§ 7g VIII S. 2 Nr. 2 EStG), Kraftfahrzeug-Industrie (§ 7g VIII S. 2 Nr. 3 EStG), Kunstfaserindustrie (§ 7g VIII S. 2 Nr. 4 EStG), Landwirtschaftssektor (§ 7g VIII S. 2 Nr. 5 EStG), Fischerei (§ 7g VIII S. 2 Nr. 6 EStG), Verkehrssektor (§ 7g VIII S. 2 Nr. 7 EStG) und Steinkohlenbergbau (§ 7g VIII S. 2 Nr. 8 EStG).
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Teil V: Europarechtliche Grenzen
Dem wird hier widersprochen. Oben wurde für ein zweistufiges Verfahren plädiert. Die Ansparabschreibung zu Gunsten von KMU/Existenzgründern weicht von dem Kriterium der Leistungsfähigkeit ab. Einem (vorsichtigen) Kaufmann wird nur über die engen Ausnahmen zur Rückstellungsbildung die Möglichkeit gegeben, Aufwand zeitlich vor zu verlagern. Rückstellungen sind nur im Falle eines greifbaren, zukünftigen Risikos möglich.329 Die Ansparabschreibung betrifft jedoch kein zukünftiges Risiko, sondern eine (noch nicht greifbare und nur mögliche) Investitionschance. Die Möglichkeit zur Ansparabschreibung ist damit Steuervergünstigung. Das Merkmal der Steuervergünstigung ist qualitativ zu bestimmen. Der quantitativ große Anwendungsbereich der Ansparabschreibung ändert an dem Charakter als Steuervergünstigung nichts. Die Selektivität ergibt sich aus der Perspektive der Marktlage vor und nach Einführung der Ansparabschreibung. § 7g ist auf keine Branche beschränkt. Die Ausgrenzung der sensiblen Sektoren betrifft Randbereiche wirtschaftlicher Aktivität. Das bedeutet jedoch nicht, daß § 7g EStG nicht in einem der möglicherweise geförderten Marktbereiche doch den Wettbewerb verzerrt. Deshalb hätte an dieser Stelle eine Prüfung der verschiedenen Branchen durch die Kommission erfolgen müssen. Etwa im Bereich Software-Portale/Internetsuchdienste sind viele mittlere und kleine Unternehmen aktiv, ohne mit ihrer Dienstleistung auf den nationalen Markt eingegrenzt zu sein. Wenngleich die Gründungsphase bei KMU i. d. R. eine Verlustphase darstellt, ist dieses Regelverhältnis doch nicht zwingend. Für „Senkrechtstarter“ im Bereich der „new economy“ bedeutet § 7g EStG damit einen europaweiten Marktvorteil. Die Offenheit des Tatbestandes spricht nicht gegen eine Wettbewerbsverzerrung; die sprachliche Weite des Tatbestandes ermöglicht – auf der Suche nach einer Wettbewerbsverzerrung – ein „Branchen-Screening“. Der in der Beweislast liegende deutsche Staat muß nachweisen können, daß keines der angesprochenen Marktsegmente im europaweiten Wettbewerb verzerrt wird. Für den Bereich der „new economy“ wird ihm das nicht gelingen. Damit unterfällt die Ansparabschreibung grundsätzlich dem Beihilfeverbot. Die Förderintensität unterschreitet jedoch die Kriterien des Gemeinschaftsrahmens für KMU330. Die Kommission konnte deshalb zu Recht die Beihilfe gem. Art. 87 III c) genehmigen.
329 Die Entstehung des Risikos muß „wahrscheinlich oder sicher“ sein, nur der Zeitpunkt und die Höhe sind unbestimmt, vgl. § 249 II HGB; die Höhe der Rückstellungen von Kernkraftwerksbetreibern war Gegenstand eines Prüfungsverfahrens durch die Kommission. Das Verfahren war durch konkurrierende Elektrizitätsversorger eingeleitet worden. Es endete mit der Feststellung, daß die untersuchte Maßnahme keine Beihilfe im Sinne des Art. 87 I EGV darstellt, C (2001) 3967fin vom 11.12.2001. 330 Gemeinschaftsrahmen für staatliche Beihilfen an kleine und mittlere Unternehmen, Bekanntmachung der Kommission, ABl. Nr. C 213 v. 23.07.1996, S. 4.
§ 16 Einzelfallprüfungen
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Bei ihrer Entscheidung konnte die Kommission auch die sensiblen Sektoren von der Förderung ausnehmen. Wie die Verfassungswidrigkeit von § 7g VII zeigen wird331, hat Deutschland diese Vorgaben jedoch nicht umgesetzt.
331 Siehe „E. § 7g I EStG, Sonderabschreibungen und Ansparabschreibungen zur Förderung kleiner und mittlerer Betriebe“.
Teil VI
Verfassungsrechtliche Grenzen für Förderabschreibungstatbestände Das Grundgesetz bildet einen vom deutschen Gesetzgeber einzuhaltenden Maßstab. Es zeigt die Grenzen zwischen Recht und Politik.1 Die Anforderungen des Grundgesetzes für die Frage, inwieweit der Gesetzgeber bei der Schaffung von Förderabschreibungstatbeständen Grenzen unterliegt, sollen in einem ersten Schritt abstrakt erfaßt werden. Diese Erfassung kann nur soweit gehen, ein „Prüfungsschema“ zu entwickeln. Die verfassungsrechtliche Abwägung ist – wie immer – abhängig von den konkreten Umständen.2 Erst dann können einige Abschreibungstatbestände anhand der abstrakt entwickelten Maßstäbe geprüft werden.3 Verfassungsrechtliche Bedenken bestehen einerseits im Hinblick auf die Rechtserwartungen des Individuums, andererseits im Hinblick auf die Kompetenzverteilung in unserem Staat.
§ 17 Individuelle Rechtserwartungen Steuerrechtliche Regelungen haben (negative oder positive) Belastungswirkungen. Neben dieser Ertragsrelevanz haben steuerrechtliche Regelungen immer auch Gestaltungswirkungen. Der Steuerpflichtige versucht, durch Sachverhaltsgestaltung die Steuerpflicht zu vermeiden oder in den Genuß einer steuerlichen Vergünstigung zu gelangen, mit anderen Worten, sein Verhalten wird beeinflußt. Birk formuliert deshalb: „Jeder Steuernorm sind zwei Wirkungsweisen immanent, die belastende und die gestaltende Wirkungsweise.“4
Die Verhaltensbeeinflussung ist eine Frage der Freiheitsrechte, die Belastungswirkung eine Frage der gerechten Lastenverteilung (Art. 3 I GG). Ab1
Schlink, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, S. 465. Siehe „e) Anforderungen gem. Art. 3 I GG an die steuerliche Bemessungsgrundlagensubvention“. 3 Siehe „§ 20 Einzelfallprüfungen“. 4 Birk, Das Leistungsfähigkeitsprinzip als Maßstab der Steuernormen, S. 232. 2
§ 17 Individuelle Rechtserwartungen
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schreibungstatbestände haben eine Entlastungswirkung. Förderabschreibungstatbestände haben neben dieser Entlastungswirkung auch eine Gestaltungswirkung. Die (negative) Belastungswirkung muß sich deshalb vor Art. 3 I GG rechtfertigen, die Gestaltungswirkung muß vor den Freiheitsrechten Bestand haben.5
A. Art. 3 I Grundgesetz Es ist Aufgabe dieser Arbeit, die Anforderungen des Art. 3 I für das Steuerrecht zu untersuchen und für Förderabschreibungstatbestände zu präzisieren. Förderabschreibungstatbestände mindern die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer. Der allgemeine Gleichheitssatz befindet sich schon seit längerem in der Entwicklung. Während die Freiheitsrechte in ihrer Dogmatik (Schutzbereich/ Schranken-Gesetzesvorbehalt/Rechtfertigung) ausgereift sind, sind Prüfungsweise und -intensität von Art. 3 I GG weitgehend noch ungeklärt.6 „Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.“ Der kurze Wortlaut ist mißverständlich. Nicht nur „vor dem Gesetz“, sondern auch für den Gesetzgeber sind alle Menschen „gleich“. Auch das Wort „gleich“ ist in diesem Zusammenhang irreführend. Das Grundgesetz leugnet die Verschiedenheit der Menschen nicht. Die Verschiedenheit darf jedoch nicht Ausgangspunkt einer sachwidrigen Differenzierung unter den Menschen sein. Justitia ist in diesem Sinne „blind“: Für das jeweilige Sachgebiet irrelevante Eigenschaften der Menschen interessieren sie nicht. Art. 3 I GG verpflichtet den Staat demnach, sachgerecht auf die Verschiedenheit der Menschen zu reagieren. Aus dem Verbot der Ungleichbehandlung hat das Bundesverfassungsgericht schon sehr früh ein Differenzierungsgebot entwickelt. Art. 3 I gebiete, heißt es demnach in ständiger Rechtsprechung, „Gleiches gleich und Ungleiches ungleich zu behandeln.“7 Das gleichheitsbezogene Willkürverbot wurde dann aus seinem VergleichsZusammenhang gelöst und als allgemeines Gerechtigkeitspostulat formuliert. Aus diesem vergleichsunabhängigen Gebot des willkürfreien Staatshandelns ist schließlich das Gebot der Widerspruchsfreiheit und Folgerichtigkeit der Rechtsordnung entwickelt worden. Art. 3 I GG ist inzwischen nicht mehr nur ein subjektives Grundrecht auf Gleichbehandlung (I), sondern auch ein allgemeiner Gerechtigkeitsgrundsatz (II). 5 Die Unterscheidung hinsichtlich Belastungs- und Gestaltungswirkung hat Birk herausgearbeitet, Birk, Steuerrecht, § 2 B III 4 Rn. 178; auch Vogel schließt sich diesem methodischen Ansatz an, Grundzüge des Finanzrechts des Grundgesetzes, in: HStR IV, § 87 Rn. 86. 6 Sehr gute Darstellungen zu der Entwicklung des Art. 3 I GG finden sich bei Sachs, JuS 1997, S. 124 und Huster, JZ 1994, S. 541. 7 Seit BVerfGE 1, 14 (52).
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Teil VI: Verfassungsrechtliche Grenzen
I. Art. 3 I GG als vergleichsabhängiges Differenzierungsgebot Methodisch ist die Vorgehensweise des Art. 3 I GG mit keinem der Freiheitsrechte vergleichbar. Zunächst ist ein Vergleichspaar zu suchen. Das Paar weist ein gemeinsames drittes Merkmal auf (tertium comparationis). Der Staat behandelt dennoch die eine Gruppe anders („ungleich“) als die andere. Diese „Ungleichbehandlung“ muß gerechtfertigt sein, um vor dem Gleichheitssatz Bestand zu haben. Hat sie Bestand, liegt zwar prima facie eine „Ungleichbehandlung“ vor; diese „Ungleichbehandlung“ ist jedoch keine normative Ungleichbehandlung i. S. d. Art. 3 I GG gewesen. Der Gleichheitssatz hat einen modalen Abwehrcharakter und wirkt damit nur „negativ“-gestaltend. Anders als die speziellen Freiheitsrechte verpflichtet er den Staat nicht originär „positiv“8 in eine bestimmte Richtung.9 Ihm liegt keine Zielvorstellung zugrunde. Die Zielvorstellung wird vielmehr durch den (einfachen) Gesetzgeber gebildet. Dabei verlangt der Gleichheitssatz eine bestimmte Modalität der Umsetzung.10 Anfangs wurde in der Judikatur des Bundesverfassungsgericht jede Ungleichbehandlung hingenommen, sofern sich sachliche Gründe dafür boten. Nur das evident ungerechte, willkürliche Gesetz sollte Thema verfassungsgerichtlicher Kontrolle sein. Der Streit um die gerechteste Lösung sollte an die Politik zurückgegeben, die Kontrolle auf Evidenzfehler beschränkt sein. In der Praxis hat die reine Willkürtheorie aber zu einem „Ausfransen“ des Willkürbegriffs geführt.11 Die Grenze zwischen „bloß ungerechten“ und „schon willkürlichen“ Gesetzen ist schwer zu ziehen.12 Die Labilität des Willkürbegriffs macht jede mutige Entscheidung angreifbar. Der Gleichheitssatz ist infolgedessen ausgehöhlt worden und zu einem bloßen „Begründungsgebot für Ungleichbehandlung“ verkommen.13 Sachs bringt das in treffender Weise zum Ausdruck, wenn er von einem „erheblichen Unbehagen“ spricht: „wenn dem einst im revolutionären Dreiklang (neben liberté und fraternité) formulierten Anspruch der „égalité“ immer schon dann genügt ist, wenn sich nur irgendwie ein nicht völlig abseitiger Sachgesichtspunkt für eine Differenzierung angeben läßt, verbleibt ein schaler Nachgeschmack.“ Die Reduktion des Gleichheitssatzes auf ein Willkürverbot war ursprünglich Ausdruck der Gewaltenteilung zwischen Gesetzgeber und Bundesverfassungsgericht.14 Rechtsprechung und Schrifttum haben sich um Konkretisierungen des Gleichheitssatzes durch den jeweiligen rechtlichen Kontext bemüht. 8 Die Unterscheidung, die hier gemacht wird, unterscheidet sich von der Frage nach dem Leistungscharakter der Grundrechte. 9 Ähnlich Jarass in Jarass/Pieroth, Art. 3 Rn. A I 1. 10 Paul Kirchhof, Die Verschiedenheit der Menschen und die Gleichheit vor dem Gesetz, S. 71 Rn. 3f). 11 Huster, Rechte und Ziele, S. 60. 12 Huster, Rechte und Ziele, S. 60. 13 Huster, JZ 1994, S. 541.
§ 17 Individuelle Rechtserwartungen
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Daraus ist die nun schon 21jährige „neue Formel“ des Bundesverfassungsgerichts entstanden. In BVerfGE 55, 72 (88 ff.) vom 7.10.1980 hat der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts erstmals eine „Verletzung des Gleichheitsgrundrechts“ angenommen, „wenn zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, daß sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen können.“ Diese Möglichkeit zu einer erhöhten Prüfungsintensität mittels der „neuen Formel“ hat das Bundesverfassungsgericht in einer Art „Case Law“ weiter ausdifferenziert.15 Die Prüfungsdichte ist seitdem schwankend je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmal. Der abgestuften Kontrolldichte bei der verfassungsgerichtlichen Prüfung entspricht die unterschiedliche Weite des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums.16 Aus dieser Beziehung zur Gewaltenteilung rühren die Unsicherheiten in der Anwendung des Gleichheitssatzes. Aus dem allgemeinen Gleichheitssatz ergeben sich nach Ansicht des Gerichts „je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber, die vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse reichen.“17 Es hat diese „Abstufung der Anforderungen aus Wortlaut (1)18, Sinn des Art. 3 I (2) sowie aus seinem Zusammenhang mit anderen Verfassungsnormen (3)“ geschlossen.19 (1) Der Wortlaut des Art. 3 I GG verlangt die „Gleichbehandlung ,aller Menschen‘ vor dem Gesetz“20. Daraus folgert das Bundesverfassungsgericht, daß der Gleichheitssatz um so strikter sei, „je mehr er den Einzelnen als Person betrifft, und um so mehr für gesetzgeberische Gestaltungen offen, als allgemeine, für rechtliche Gestaltungen zugängliche Lebensverhältnisse geregelt werden.“21 (2) Der Grundsatz, daß alle Menschen vor dem Gesetz gleich sind, solle „in erster Linie eine ungerechtfertige Verschiedenbehandlung von Personen verhindern.“ Daraus zieht das Gericht die Konsequenz, daß der „Gesetzgeber bei einer Ungleichbehandlung von Personengruppen regelmäßig einer stren14 Osterloh spricht von der „kompetenzrechtlichen (funktionell-rechtlichen) Antwort auf das Problem der Wertungsoffenheit des Art. 3 I GG“, Sachs-Osterloh, Art. 3 Rn. 10; vgl. auch Sachs, JuS 1997, S. 125, Rn. II 1. 15 Eine sehr gute Darstellung der neue Kriterien findet sich in BVerfGE 89, 15 (22 f.); 88, 87 (96). 16 BVerfGE 91, 389 (401); BVerfGE 91, 346 (363); BVerfGE 92, 365 (407). 17 BVerfGE 92, 26 (51); BVerfGE 91, 346 (362); BVerfGE 92, 365 (407); BVerfGE 88, 87 (96); BVerfGE 93, 99 (111). 18 Klammerzusatz durch den Verfasser. 19 BVerfGE 88, 87 (96). 20 Anführungszeichen im Ursprungstext, BVerfGE 101, 151 (155). 21 BVerfGE 101, 151 (155).
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Teil VI: Verfassungsrechtliche Grenzen
gen Bindung unterliegt.“22 Dieser Telos des Gleichheitssatzes entspricht den verfassungsrechtlichen Garantien von Menschenwürde und individueller Freiheit.23 Bei einer Anknüpfung an persönliche Eigenschaften mischt sich der Staat in gleichheitswidriger Weise in die Privatsphäre des Individuums ein. Die Unterscheidung in Privatsphären und Sozialsphärenbeeinflussung ist dem Verfassungsrecht dabei nicht neu. Auch im Rahmen des Allgemeinen Persönlichkeitsrecht hat die Verfassungsrechtsprechung lange Zeit nach „Sphären“ unterschieden, um die Prüfungsintensität zu regeln.24 Dort hat es lange Zeit zwischen Intimsphäre, Privatsphäre und Sozialsphäre unterschieden. Im Bereich der Intimsphäre, dem „Kernbereich“ des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts, findet eine „Abwägung nach Maßgabe der Verhältnismäßigkeitsprüfung nicht statt.“25 (3) Welche Artikel des Grundgesetzes das Gericht mit dem „Zusammenhang mit anderen Verfassungsnormen“26 gemeint hat, führt es indirekt an anderer Stelle aus: Bei einer Ungleichbehandlung von Personengruppen unterliege der Gesetzgeber regelmäßig einer strengen Bindung.27 Diese sei „um so enger, je mehr sich die personenbezogenen Merkmale denjenigen in Art. 3 III GG annähern“ und je größer deshalb die Gefahr ist, daß eine an sie anknüpfende Ungleichbehandlung zur Diskriminierung einer Minderheit führt.28 Wie sich schon aus der Begründung des Gerichts für die Abstufungen der Anforderungen ergibt, unterscheidet es nach Fallgruppen, um die Prüfungsintensität zu regeln. 1. Anwendungsbereich der „Neuen Formel“ des BVerfG Auf unterster Stufe prüft das Gericht das Willkürverbot. Komme dieses in Betracht, so könne ein Verstoß gegen Art. 3 I GG nur festgestellt werden, wenn die Unsachlichkeit der Differenzierung evident ist.29 Dagegen prüfe das Bundesverfassungsgericht bei „Regelungen, die Personengruppen verschieden behandeln a)30 oder sich auf die Wahrnehmung von Grundrechten nachteilig auswirken b)31, im einzelnen nach, ob für die vorgese22
BVerfGE 91, 389 (401). Paul Kirchhof, Die Verschiedenheit der Menschen und die Gleichheit vor dem Gesetz, S. 14 Rn. I 2. 24 Vgl. Jarass in Jarass/Pieroth, Art. 2 Rn. 37a. 25 BVerfGE 34, 238 (245). 26 BVerfGE 92, 26 (52). 27 BVerfGE 92, 26 (52). 28 BVerfGE 92, 26 (52). 29 BVerfGE 91, 389 (401). 30 Klammerzusatz durch Verfasser. 23
§ 17 Individuelle Rechtserwartungen
193
hene Differenzierung Gründe von solcher Art und solchem Gewicht32 bestehen, daß sie die ungleichen Rechtsfolgen rechtfertigen können.“33 Diese Einbeziehung von Verhältnismäßigkeitserwägungen soll hier im folgenden als „Stufe 2“ bezeichnet werden. a) Personenbezogene Ungleichbehandlung Die personenbezogene Ungleichbehandlung bezeichnet das Gericht als „Ungleichbehandlung von Personengruppen.“34 Innerhalb der Stufe zwei, Fallgruppe „personenbezogene Ungleichbehandlung“, versucht das Gericht eine gleitende Prüfungsdichte anzubieten. Es orientiert sich dabei an den Differenzierungsverboten gem. Art. 3 III GG. So ist es der Ansicht, daß „bei einer ungleichen Behandlung von Personengruppen der Gesetzgeber regelmäßig einer um so strengeren Bindung unterliegt, je mehr nach personenbezogenen Merkmalen differenziert wird.“35 Um ein an den Eigenschaften von Personen anknüpfendes Merkmal als „personenbezogen“ qualifizieren zu können, ist es von großer Bedeutung, ob und inwiefern der Einzelne auf das Vorliegen der Merkmale Einfluß hat.36 Gegensatz zu der personenbezogenen Ungleichbehandlung ist die „verhaltensbezogene Ungleichbehandlung.“ Paul Kirchhof hat für die Unterscheidung nach personen- und verhaltensbezogener Ungleichbehandlung eine neue Terminologie eingeführt. Er unterscheidet die „Statusgleichheit“ und die „Gestaltungsgleichheit“. Die von Art. 1 und 2 GG geprägte Statusgleichheit erlaube dem Gesetzgeber kaum Differenzierungen. Anderes gelte für die Gestaltungsgleichheit, wenn der Grundrechtsberechtigte seine Freiheit in Begegnung mit der Rechtsgemeinschaft ausübt. Dann sei der demokratische Gesetzgeber befugt und gehalten, diese Begegnungen und Gemeinschaften gestaltend zu regeln.37 Diese Terminologie hat den Vorteil der größeren, sprachlichen Präzision. Insbesondere im Zusammenhang mit dem 31 Die Auswirkungen auf Grundrechte als zweite Fallgruppe intensiver Kontrolldichte erwähnen auch BVerfGE 91, 346 (363); BVerfGE 82, 126 (146). 32 In der Sprache des Gerichts müssen die Gründe „ausreichend“ oder „gewichtig“ sein, vgl. etwa BVerfGE 84, 348 (363). 33 BVerfGE 91, 389 (401). 34 BVerfGE 92, 26 (52). 35 BVerfGE 91, 346 (362). 36 Kokott, Gleichheitssatz und Diskriminierungsverbote in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, S. 133. Die dargestellte Rechtsprechung erinnert in ihren Abstufungen entfernt an die Dreistufenlehre im Rahmen des Art. 12 I GG. Dort differenziert das Bundesverfassungsgericht zwischen objektiven und subjektiven Zulassungsbeschränkungen. Objektive Zulassungsbeschränkungen sind Beeinträchtigungen der Berufswahl aus Gründen, die der Bewerber nicht beeinflussen kann. BVerfGE 7, 377 (407) – Apothekerurteil; vgl. in Jarass/Pieroth, Art. 12 Rn. 20. 37 Paul Kirchhof, StuW 2000, S. 318.
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Teil VI: Verfassungsrechtliche Grenzen
Wahlrecht und der strengen Statusgleichheit aller Beteiligten, also der Wähler, Wählervereinigungen und Parteien, vermag sie zu erklären, warum die Statusgleichheit einer nach Einkommenshöhe unterscheidenden Belastungsminderung entgegensteht.38 Zwischen der verhaltens- und personenbezogenen Ungleichbehandlung will das Gericht eine dritte Gruppe erkennen. „Gleiche Maßstäbe“, d.h. eine strenge Kontrolldichte, sollen nämlich „gelten, wenn eine ungleiche Behandlung von Sachverhalten mittelbar eine ungleiche Behandlung von Personengruppen bewirkt.“ Bei „lediglich verhaltensbezogenen Unterscheidungen“ hänge „das Maß der Bindung vor allem davon ab, inwieweit die Betroffenen in der Lage sind, durch ihr Verhalten die Verwirklichung der Merkmale zu beeinflussen, nach denen unterschieden wird.“39 Damit hat das Bundesverfassungsgericht die Kriterien für die Anwendbarkeit der Stufe 2 leicht aufgeweicht. Nachdem vormals nur „personenbezogene“ und „verhaltensbezogene“ Unterscheidungen abzugrenzen waren, führt es damit auch die Fallgruppe der „verhaltensbezogenen Ungleichbehandlung mit mittelbarer Ungleichbehandlung von Personengruppen“ ein. Selbst die Fallgruppe „verhaltensbezogene Ungleichbehandlung“, nach der bisherigen Dogmatik nicht Teil des Anwendungsbereichs der „neuen Formel“, wird in ihrer Abgrenzungsfunktion nahezu aufgehoben, wenn es heißt, das Maß der Bindung hänge „vor allem davon ab, inwieweit die Betroffenen in der Lage sind, durch ihr Verhalten die Verwirklichung der Merkmale zu beeinflussen, nach denen unterschieden wird.“40 Auch die „Ungleichbehandlung von Personengruppen“, wird anhand des Kriteriums der „faktischen Vermeidbarkeit“ zusätzlich ausdifferenziert.41 Zudem kennt die Judikatur neben kontrollschärfenden Fallgruppen auch kontrollmindernde Faktoren.42 Das macht die eingeführte Judikatur auch für das Gericht selbst nicht einfach handhabbar.43 In seiner Rechtsprechungspraxis beschränkt sich das Gericht denn auch oft – trotz Anführung der abstrakten Prüfungsmaßstäbe – auf die Frage, ob die staatliche Maßnahme sachlich begründet ist.
38 Vgl. Paul Kirchhof, StuW 2000, S. 318, unter Hinweis auf BVerfGE – § 10b EStG – 78, 350 (358 f.); – kommunale Wählervereinigungen – 99, 69 (78 f.). 39 BVerfGE 91, 346 (363). 40 BVerfGE 91, 346 (363). 41 BVerfGE 92, 365 (408). 42 Kokott, Gleichheitssatz und Diskriminierungsverbote in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, S. 135. 43 So prüft das Gericht etwa in BVerfGE 93, 99 (111) in der Sache nur den sachlichen Grund, obwohl es vorher festgestellt hat, für die Differenzierung müsse es Gründe von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, daß sie die ungleiche Rechtsfolge rechtfertigen können.
§ 17 Individuelle Rechtserwartungen
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b) Gleichzeitige Beeinträchtigung eines Freiheitsrechts Auch bei gleichzeitiger Berührung eines Freiheitsrechts wendet das Bundesverfassungsgericht die intensive Kontrolldichte an. Alle Formen von Ungleichbehandlung lassen sich schließlich durch das Recht des Gesetzgebers, typisierende und pauschalisierende Regelungen zu treffen, rechtfertigen. Unbedenklich ist eine Typisierung aber nur, „solange eine verhältnismäßig kleine Gruppe benachteiligt wird und der Gleichheitsverstoß nicht sehr intensiv ist.“44 Maßstab für die Verfassungsmäßigkeit des staatlichen Handelns ist die Gegenwart. Eine ehemals verfassungsmäßige Regelung kann durch Veränderung der tatsächlichen Verhältnisse verfassungswidrig werden.45 Dieses komplexe und ausdifferenzierte Bild der Rechtsprechung läßt sich vereinfacht noch graphisch darstellen. Kontrolldichte je nach Grad der Vermeidbarkeit des Unterscheidungsmerkmals Hohe Kontrolldichte
Art. 3 GG
1. Schutzbereich des Art. 3 III GG: Unvermeidbarkeit: Prinzipiell keine Wertung46 2. Schutzbereich des Art. 3 I GG: Abgestufte Kontrolldichte 2.1. Prüfungsintensität: „Neue Formel“:
Niedrige Kontrolldichte
2.1.1. „Personenbezogene Ungleichbehandlung“ (+ mittelbar personenbezogene Ungleichbehandlung)
2.1.2. Kumulative Freiheitsrechtsbeeinträchtigung
2.2. Prüfungsintensität: „Willkürformel“: Verhaltensbezogene Ungleichbehandlung Abbildung 7: Der Gleichheitssatz in der Rechtsprechung
44
BVerfGE 82, 126 (152). Vgl. BVerfGE 82, 126 (153); die unterschiedlichen Kündigungsfristen für Arbeitnehmer und Angestellte sind nicht mehr verfassungsmäßig, weil zum Zeitpunkt der Entscheidung nur noch etwa ein Drittel der Arbeiter im produzierenden Gewerbe und der Landwirtschaft tätig waren. Dem Bedürfnis nach erhöhter personalwirtschaftlicher Flexibilität im produktiven Bereich kann nicht „typisierend“ durch unsachliche Schlechterstellung von 2/3 der Arbeiter entsprochen werden. 46 Art. 3 III GG wäre nahezu wirkungslos, wenn das Wort „wegen“ eine subjektive Diskriminierungsfinalität des Gesetzgebers meinte; Art. 3 III wird deshalb als Verbot jeder Anknüpfung an die verbotenen Merkmale aufgefaßt, das auch dann gilt, wenn eine Regelung nicht auf eine verbotene Ungleichbehandlung angelegt ist, sondern in erster Linie andere Ziele verfolgt. Sachs, Grundrechte, S. 246, Rn. 80. 45
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Teil VI: Verfassungsrechtliche Grenzen
Leitbild für die abgestufte Kontrolldichte ist Art. 3 III GG. Die Merkmale des Art. 3 III GG (Geschlechte, die Abstammung, Rasse, Sprache, Heimat, Herkunft, Glaube, religiöse oder politische Anschauungen oder Behinderung) zeichnen sich dadurch aus, daß ihr Träger mit ihnen untrennbar verbunden ist. Eine Unterscheidung, die etwa an das Geschlecht oder an eine Behinderung anknüpft, um mit diesem Merkmal negative Rechtsfolgen zu verbinden, verstößt in aller Regel gegen Art. 3 III GG. Das Bundesverfassungsgericht geht davon aus, daß unterhalb der Schwelle des Art. 3 III GG ähnliche personenbezogene Ungleichbehandlungen möglich sind, die einen besonders strengen Prüfungsmaßstab erfordern. Wenn Art. 3 III 1 a. E. GG anordnet, daß wegen religiöser oder politischer Anschauung keine Benachteiligung oder Bevorzugung stattfinden soll, dann folgert das Bundesverfassungsgericht daraus allgemein, daß bei gleichzeitiger Betroffenheit eines Freiheitsgrundrechts die Gleichheitsprüfung besonders intensiv zu erfolgen hat. Mindestmaßstab der abgestuften Kontrolldichte ist die Willkürformel. Im Umkehrschluß zu der Fallgruppe „personenbezogene Ungleichbehandlung“ liegt eine geringe Prüfungsintensität deshalb bei einer Ungleichbehandlung nahe, die an verhaltensbezogenen Merkmale anknüpft. 2. Kontrolldichte nach der „Neuen Formel“ des BVerfG Ist schon der Anwendungsbereich der „Neuen Formel“ eher einzelfallbezogen, gilt dies nicht weniger für die Kontrolldichte.47 Ausgangspunkt der Entwicklung war die Formulierung, eine ungleiche Behandlung sei mit dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 I GG nur vereinbar, wenn zwischen den Gruppen „Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, daß sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen können.“48 Diese Prüfung der Unterschiedlichkeitsschwere soll hier als „Neue Formel 1“ bezeichnet werden. Nimmt man das Gericht insofern beim Wort, sind der Grad der Unterschiedlichkeit und die Schwere der Verschiedenbehandlung49 miteinander zu vergleichen.
47 Mangelnde Konsistenz bei dem strengeren Maßstab wegen gleichzeitiger Freiheitsrechtsbeeinträchtigung will auch Kokott festgestellt haben, Gleichheitssatz und Diskriminierungsverbote in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, S. 139; auch stellt Kokott fest, der Anwendungsbereich der unterschiedlichen Kontrollmaßstäbe sei „teils schwierig abzugrenzen“ und es sei die „Transparenz“ der Wahl des verwendeten Kontrollmaßstabs beeinträchtigt, Gleichheitssatz und Diskriminierungsverbote in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, S. 162. 48 BVerfGE 82, 126 (146). 49 Dem Vorschlag Sachs’, auf der ersten Stufe den Terminus der Verschiedenbehandlung zu verwenden, wird hier gefolgt. Sachs, Grundrechte, S. 223.
§ 17 Individuelle Rechtserwartungen
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Tertium Comparationis: Merkmal XY Gruppe 1: Gruppe 2: Große Unterschiedlichkeiten Kleine Unterschiedlichkeiten I. Grad der Unterschiedlichkeit II. Schwere der Verschiedenbehandlung
Groß
Groß
Klein
Klein
Klein
Groß
Groß
Klein
Abbildung 8: Die Entsprechungsprüfung
Besteht zwischen I und II Übereinstimmung, ist die Regelung gerechtfertigt. Ansonsten ist die Differenzierung nicht angemessen. Diese Art der Prüfung läuft darauf hinaus, eine Ungleichbehandlung festzustellen oder abzulehnen. Ergibt die Prüfung etwa, daß der Grad der Unterschiedlichkeit „groß“ ist, so ist eine besonders schwer wiegende („große“) „Ungleichbehandlung“ zwischen den Vergleichsgruppen in Wahrheit eine sachgerechte Differenzierung der vorgefundenen Unterschiede. Wenn das Bundesverfassungsgericht dennoch von einer „Rechtfertigung“ einer „Ungleichbehandlung“ spricht, dann ist dies mehr eine Frage von sprachlichem Pragmatismus. Streng logisch sind die Vergleichsgruppen nämlich nach dieser Prüfungsweise nur wesentlich gleich oder ungleich. Es ist ein semantisches Problem, dieses Dilemma des Gleichheitssatzes sprachlich auszudrücken. Eine „Ungleichbehandlung“ (besser wäre hier vermutlich der Begriff „Verschiedenbehandlung“) wird durch die Unterschiedlichkeit gerechtfertigt. Der Bezugspunkt des Vergleichspaars, das tertium comparationis, hat sich als nicht tragfähig erwiesen. Vielfach ist bestritten worden, ob sich aus dem Gleichheitssatz auch ein Gebot ergibt, unterschiedliche Personengruppen verschieden zu behandeln.50 Der Wortlaut des Gleichheitssatzes wie seine Verwurzelung in der Absage an die wohlgegliederte Gesellschaft des Ständestaates legten eine „prinzipielle Ausrichtung auf Egalität“ nahe.51 Sachs sieht in dieser „Ausrichtung des Gleichheitssatz allein auf Gleichheit“ keinen Verzicht auf Grundrechtsschutz. Jeder von einer willkürlich unterschiedlosen Regelung nachteilig Betroffene könne geltend machen, daß die Regelung gegen das Rechtsstaatsprinzip verstoße und deswegen keinen Bestandteil der verfassungsmäßigen Ordnung im Sinne des Art. 2 I GG darstelle.52 Dagegen spricht jedoch, daß der Wortlaut des Gleich50 51 52
So etwa Sachs, Grundrechte, S. 233, Rn. 42. So etwa Sachs, Grundrechte, S. 233, Rn. 42. Sachs, Grundrechte, S. 233, Rn. 44.
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heitssatzes für die Verengung auf eine Gleichbehandlungsrichtung wenig hergibt. Das Ungleichbehandlungsgebot richtet sich insbesondere an den Gesetzgeber. Dieser ist jedoch nach dem (mißverständlichen) Wortlaut des Art. 3 I GG nicht Verpflichtungsadressat („vor dem Gesetz“). Dem Wortlaut – quasi e contrario – zu entnehmen, daß eine grundlose Gleichbehandlung nicht Art. 3 I GG unterliegt, überzeugt deshalb nicht. Mit dem Wort „gleich“ fordert Art. 3 I GG den Staat vielmehr zu einer Einhaltung der verschiedenen Sachbereichsmaßstäbe auf. Insbesondere das Steuerrecht macht dies deutlich: Werden zwei Steuerpflichtige mit identischen Einkünften ohne Grund unterschiedlich behandelt, ist das eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung, weil gegen den Bereichsmaßstab „Leistungsfähigkeit“ verstoßen wird.53 Im Hinblick auf das relevante Unterscheidungskriterium sind identische54 Personen schematisch gleich zu behandeln und unterschiedliche Personen nach dem Grad ihrer Unterschiedlichkeit verschieden zu behandeln. Werden zwei Steuerpflichtige mit unterschiedlich hohen Einkünften identisch besteuert, ist dies eine ungerechtfertigte Gleichbehandlung. Der Gleichheitssatz verlangt Einhaltung des Maßstabes, im Steuerrecht Einhaltung des Maßstabes der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit. Das Bundesverfassungsgericht hat diese Methodik unter Einbeziehung von Verhältnismäßigkeitserwägungen jedoch erweitert. Es fragt nicht nur nach der Art und dem Grad der Unterschiede, sondern danach, „ob für die vorgesehene Differenzierung Gründe von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, daß sie die ungleichen Rechtsfolgen rechtfertigen können.“55 Diese hier als „Neue Formel 2“ bezeichnete Formulierung bringt eine andere Nuance ins Spiel.56 Während bisher die Ungleichbehandlung nur mit der Verschiedenheit der Gruppen gerechtfertigt werden mußte, sind nun (alle) „Gründe von solcher Art und Gewicht“ ausreichend. Sprachlich erfassen derartige Gründe auch die Verschiedenheit der Vergleichsgruppen; „Gründe“ können aber auch unabhängig von der Verschiedenheit der Gruppen bestehen. Die „Neue Formel 2“ ist für beide Formen der Differenzierung – interner und externer Gründe – offen. Die „Neue Formel 2“ erlaubt damit auch die Einbeziehung interventionspolitischer Ziele des Staates in die Abwägung. Will der Staat zugunsten einer Gruppe von einer anderen Vergleichsgruppe abweichen, geschieht dies vielfach nicht auf Grund 53 Nach BVerfGE – Schwarzwaldklinik kann die Rechtsform allein eine unterschiedliche Besteuerung nicht rechtfertigen. Die Rechtsform ist selbst nicht Teil des Sachbereichsmaßstabs. Vgl. BVerfGE 101, 132 (139). 54 Ganz und gar identische Personen kann es nicht geben; das Wort Identität ist entlehnt aus dem Mittellateinischen „identitas“, einem Abstraktum zu lat. „idem“ = „derselbe“ (Kluge, Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache, 23. Auflage, bearb. von Elmar Seebold, Berlin 1999). 55 BVerfGE 89, 15 (23). 56 Die Unterscheidung von zwei Neuen Formeln deutet sich auch bei Kokott, Gleichheitssatz und Diskriminierungsverbote in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, S. 136 an.
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der Verschiedenheit der beiden Gruppen (die es geben mag), sondern um eines wirtschaftspolitischen Ziels willen. Humanmediziner werden hinsichtlich ihrer Behandlungsleistung von der Umsatzsteuer freigestellt, weil der Gesetzgeber die Sozialversicherungen entlasten will, nicht jedoch, weil zwischen Ärzten und anderen Freiberuflern erhebliche Unterschiede bestehen. Etwa die Annahme, daß die Arbeit eines Arztes ethisch besonders wertvoll sein mag, war für den Gesetzgeber nicht maßgeblich. Es wäre befremdlich, den Gesetzgeber dennoch auf die Einhaltung der Unterschiede zwischen Ärzten und anderen Freiberuflern zu überprüfen, obwohl dies ein Umstand war, der ihn selbst nicht beschäftigt hat. Im Rahmen der „Neuen Formel 2“ können demnach sowohl Gründe, die in der Verschiedenheit angelegt sind (interne Gründe), als auch Gründe, die von außen an die beiden Vergleichsgruppen herangetragen werden (externe Gründe), abgewogen werden. Verschiedentlich ist die Einbeziehung von Verhältnismäßigkeitserwägungen als „Ausdehnung verfassungsgerichtlicher Kontrolle auf die Einhaltung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes“57 aufgefaßt worden. Diese Auffassung überzeugt jedoch nicht.58 Zwischen den Freiheitsrechten und dem Gleichheitssatz besteht ein grundlegender Unterschied. Während die Freiheitsrechte einen in absoluter Hinsicht vorgezeichneten Schutzbereich menschlichen Verhaltens wahren, schützt der Gleichheitssatz nur in relativer Hinsicht. Sein Anwendungsbereich ist nicht prädeterminiert. Seine Eigenheiten sind aus der jeweiligen Sachgesetzlichkeit zu entwickeln. Je nach Wahl des Vergleichsmaßstabs sind alle Menschen gleich oder verschieden.59 Ein Mann und eine Frau sind hinsichtlich ihrer Eigenschaft als Mensch gleich, hinsichtlich ihres Geschlechtes verschieden. Ein älterer Mann mag hinsichtlich seiner Eigenschaft als Steuerzahler mit einem jüngeren gleich sein, hinsichtlich der Eigenschaft als Wehrdienstverpflichteter sind sie verschieden. Die Verschiedenheit kann dabei gerade durch das Gesetz bewirkt werden (Wehrdienstleistender) oder sich aus der Natur der Dinge ergeben (Mann und Frau). Es ist demnach nur eine Frage der Vergleichsperspektive, ob Menschen gleich oder verschieden sind.60
57 Abweichende Meinung des Richters Katzenstein zum Beschluß des Ersten Senats vom 18.11.1986 (zu BVerfGE 74, 9), BVerfGE 74, 28 (30); später ist auch das Bundesverfassungsgericht selbst diesem Mißverständnis unterlegen, BVerfGE 88, 87 (96). 58 Sachs, Grundrechte, S. 229. 59 Zum folgenden ausführlich: Paul Kirchhof, Die Verschiedenheit der Menschen und die Gleichheit vor dem Gesetz, S. 8 Rn. I. 1. 60 Paul Kirchhof, Die Verschiedenheit der Menschen und die Gleichheit vor dem Gesetz, S. 29 Rn. IV 1.
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3. Bereichspezifische Anwendung des Art. 3 I GG im Steuerrecht a) Gebot der Leistungsfähigkeit und gewährende Staatstätigkeit Für das Gebiet des Steuerrechts folgt aus dem allgemeinen Gleichheitssatz, daß die Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen ausgerichtet werden muß.61 Vogel z. B. hält jedoch aus dem Bezug der Finanzverfassung zu Indikatoren der Leistungsfähigkeit gem. Art. 106 III 4 Nr. 2 GG62 eine anderweitige Ableitung des Leistungsfähigkeitsprinzips für möglich.63 Der Gleichheitssatz bedeutet im Steuerrecht die „Wahrung der Steuergerechtigkeit und der Gleichmäßigkeit der Besteuerung nach seiner individuellen und damit relativ gleichen Leistungsfähigkeit zur Finanzierung der die Gemeinschaft treffenden Lasten.“64 Die Weimarer Reichverfassung formulierte dies explizit in Art. 134 WRV: „Alle Staatsbürger ohne Unterschied tragen im Verhältnis ihrer Mittel zu allen öffentlichen Lasten nach Maßgabe der Gesetze bei.“
Im Grundgesetz hingegen ist die Besteuerungsgrenze je nach Verhältnis der Mittel nicht explizit geregelt. Man könnte daraus schließen wollen, in dem „Fehlen“ einer expliziten Regelung des Sachproblems liege ein „Mangel“ des Grundgesetzes. Überzeugender ist es jedoch, in dem Verzicht auf eine ausdrückliche Regelung des Leistungsfähigkeitsprinzips einen folgerichtigen Beweis für das Vertrauen des Grundgesetzes in den allgemeinen Grundrechtsschutz zu sehen, der gem. Art. 1 III GG alle staatliche Gewalt als unmittelbar anwendbares Recht bindet.65 61 BVerfGE 81, 228 (236); vgl. dazu Paul Kirchhof, Besteuerung im Verfassungsstaat, S. 32 ff.; Birk, Das Leistungsfähigkeitsprinzip als Maßstab der Steuernormen, S. 193. 62 Art. 106 III 4 Nr. 2 GG: „Bei der Festsetzung [der Gemeinschaftsteuern] ist von folgenden Grundsätzen auszugehen: ... 2. Die Deckungsbedürfnisse des Bundes und der Länder sind so aufeinander abzustimmen, daß ein billiger Ausgleich erzielt, eine Überbelastung der Steuerpflichtigen vermieden und die Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse im Bundesgebiet gewahrt wird.“ 63 Vogel meint, es gebe vier Grundlagen, aus denen sich ein Leistungsfähigkeitsprinzip ableiten läßt: „In my opinion, this fundamental principle of encumbrance has a four-fold origin in German constitutional law: The general regulation of tax distribution under art. 106 of the Basic Law; the principle of the democratic state derived from article 20 of the Basic Law, as it expresses the constitutional prohibition on arbitrariness; the principle of the democratic state under articles 20 and 28 of the Basic Law; and the general principle of equality in article 3 (I) of the Basic Law.“, Vogel, Germany, The Principle of Equality in European Taxation, S. 114. 64 BVerfGE – Ausbildungsplatzförderungsgesetz – 55, 274 (302).
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Für das Grundgesetz ergibt sich demnach das Prinzip der Besteuerung im Verhältnis der Mittel aus der bereichsspezifischen Anwendung des Art. 3 I GG. Diese Orientierung nach dem Maßstab der Leistungsfähigkeit bezeichnet das Bundesverfassungsgericht als „Steuergerechtigkeit“. Es sei ein „grundsätzliches Gebot der Steuergerechtigkeit, daß die Besteuerung nach der (wirtschaftlichen) Leistungsfähigkeit ausgerichtet wird. Dies gilt insbesondere für die Einkommensteuer.“66 Überwiegend wird auch heute noch das Einkommen als Hauptindikator der Leistungsfähigkeit angesehen.67 Es ist deshalb nicht weiter verwunderlich, wenn sich das Dogma der Leistungsfähigkeitsprinzips insbesondere mit der Einkommensteuer verbindet.68 Die formelhafte Verknüpfung der Steuergerechtigkeit mit dem Begriff der Leistungsfähigkeit findet sich wiederholt in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts.69 Die Begriffe werden als Synonyme betrachtet, die sich gegenseitig mit Inhalt ausfüllen. Die Abschreibungstatbestände wirken sich insbesondere im Bereich der Erwerbsbesteuerung durch Einkommen- und Körperschaftsteuer aus. Hier gilt das Prinzip der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit. Ob das Leistungsfähigkeitsprinzip als Ausdruck des Gleichheitssatzes sich auch im Bereich der Lenkungssteuern auswirkt, kann hier deshalb offen gelassen werden.70 Der Klarstellung dient dabei die Terminologie nach Paul Kirchhof. Dieser vermeidet den Begriff der Leistungsfähigkeit zu Gunsten des Begriffes der individuellen Zahlungsfähigkeit.71 Anders als noch nach Art. 163 der Weimarer Reichsverfassung gibt es nach dem Grundgesetz keine Pflicht für jedermann, seine Erwerbsfähigkeit auch tatsächlich für das Gemeinwohl einzusetzen. Der Rechtsstaat des Grundgesetzes „duldet es in einer bemerkenswerten Liberalität, daß der Bürger seine Talente brachliegen läßt und seinen Beitrag zur Deckung des allgemeinen Finanzbedarfs verweigert.“72 Selbst wer willentlich sein Talent zum Erwerb von Vermögenswerten brachliegen läßt, schuldet dem Staat keine Steuer.73
65 Dieser Gedanke ist im wesentlichen von Paul Kirchhof übernommen worden, Paul Kirchhof, Der Grundrechtsschutz des Steuerpflichtigen, AöR 2003, S. 4. 66 BVerfGE 43,108 (120); 61, 319 (343). 67 Birk, Das Leistungsfähigkeitsprinzip als Maßstab der Steuernormen, S. 33. 68 Ähnlich Birk, Das Leistungsfähigkeitsprinzip als Maßstab der Steuernormen, S. 33. 69 Vgl. Birk, Das Leistungsfähigkeitsprinzip als Maßstab der Steuernormen, S. 50. 70 Tipke ist der Ansicht, es komme bei ihnen auf das Lenkungsbedürfnis an, nicht auf die Leistungsfähigkeit. Sie bildeten jedenfalls eine Sondereinheit (erg. des Steuerrechts), gehörten nicht zur Einheit des vom Leistungsfähigkeitsprinzip getragenen Steuerrechts, Tipke, Über die Einheit der Rechtsordnung S. 755. 71 Paul Kirchhof, Jura 1983, S. 510. 72 Paul Kirchhof, Besteuerung im Verfassungsstaat, S. 27. 73 Paul Kirchhof, Jura 1983, S. 509.
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Anders als bei familienrechtlichen Unterhaltsansprüchen muß der Steuerpflichtige sich nicht fiktive Einkünfte in der Höhe anrechnen lassen, wie er sie erzielen könnte,74 entscheidend ist die (typisiert) bemessene Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen, die dieser tatsächlich innehat. Kehrseite der Liberalität ist eine typisierende Bemessung der Zahlungsfähigkeit. Es kommt dem Steuerrecht nicht darauf an, was der Steuerpflichtige zahlen könnte, sondern was bei typisierender Betrachtung in einem Massenverfahren als steuerfähige Leistungsfähigkeit normativ der Bemessung der Steuerlast zu Grunde gelegt werden kann. Auch die typisierend bemessene Zahlungsfähigkeit als Maßstab kann jedoch (wenngleich in vermindertem Maße als die hypothetische Leistungsfähigkeit) zu „schwierigen Bewertungsproblemen“75 führen. Auf der Einnahmenseite ist der Zugewinn rechtlich einzuordnen und zu schätzen, auf der Ausgabenseite ist das steuerliche Bedürfnis der Erwerbsausgaben (Stichwort: Gemischte Aufwendungen) und der personengebundenen Ausgaben (Kinder, Krankheiten, Alter) der Höhe und dem Grunde nach ein Bewertungsproblem. Bei der Frage des Zugewinns an Zahlungsfähigkeit kann im Rahmen der Erbschaftsteuer zu Gunsten von mittelständischen Unternehmen zu berücksichtigen sein, daß diese „in besonderer Weise gemeinwohlgebunden und gemeinwohlverpflichtet sind“.76 Die langfristige Sozialbindung der betrieblichen Funktionseinheit hat nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts „zur Folge, daß die (. . .) erfaßte finanzielle Leistungsfähigkeit des Erben nicht seinem durch den Erbfall erworbenen Vermögenszuwachs voll entspricht.“77 Der Gleichheitssatz fordere, diese verminderte Leistungsfähigkeit bei den Erben zu berücksichtigen, die einen solchen Betrieb fortführen.78 Mit dieser Argumentationslinie bezweckt das Bundesverfassungsgericht einen Schutz der mittelständischen Betriebe als Funktionseinheit, nicht jedoch einen Schutz der Betriebsinhaber. Diese Rechtsprechung beschränkt sich auf die Besteuerungsformen des Vermögensbestandes.79 Für die Einkommensteuer folgt aus dieser Zielsetzung, daß die Erträge aus einer Publikums-AG und die Erträge aus einem kleinen mittelständischen Betrieb prinzipiell gleich 74 Brandenburgisches OLG, DStRE 2003, S. 705: „Der Unterhaltsschuldner muß alle in Betracht kommenden Steuervergünstigungen (z. B. begrenztes Realsplitting, Freibeträge, Abschreibungsmöglichkeiten usw.) in Anspruch nehmen, um sich so leistungsfähig wie möglich zu halten. Unterläßt der Unterhaltspflichtige, solche Steuervorteile zu ziehen, bleibt er damit grundsätzlich hinter seinen individuellen Erwerbsmöglichkeiten zurück, so daß er sich fiktive Einkünfte in der Höhe anrechnen lassen muß, wie er sie durch die unterlassene Nutzung zumutbarer steuerlicher Vorteile erzielen könnte.“ 75 Birk, Das Leistungsfähigkeitsprinzip als Maßstab der Steuernormen, S. 27. 76 BVerfGE 93, 165 (175). 77 BVerfGE 93, 165 (176). 78 BVerfGE 93, 165 (176). 79 Paul Kirchhof, Besteuerung im Verfassungsstaat, S. 59.
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zu behandeln sind. Eine Verallgemeinerung in dem Sinne, daß alle mittelständischen Erträge wegen Art. 3 I GG bevorzugt zu behandeln seien, ist dieser Rechtsprechung nicht zu entnehmen.80 Den Bezugspunkt der Zahlungsfähigkeit als gleichheitsrechtlich allein maßgeblich zu bezeichnen, ist vielfach bestritten worden.81 Die Leistungsfähigkeit sei nur einer von vielen möglichen Differenzierungsgründen. Es sei zu unbestimmt82 und widersprüchlich. Diese Argumente überzeugen nicht. Je abstrakter ein Rechtssatz ist, um so unbestimmter und schwieriger ist seine Anwendung. Der Gleichheitssatz ist vermutlich der schwierigste Rechtssatz überhaupt. Er gebietet keine schematische Gleichbehandlung; eine Kopfsteuer etwa würde den Sinn und Zweck der Vorschrift verfehlen, eine sachgerechte Differenzierung zu verlangen. Sachgerecht ist im Steuerrecht der Maßstab der Leistungsfähigkeit. Diese sachbereichsbezogene Differenzierung ist freilich nur ein erster Schritt. Die weitere Konkretisierung des Gleichheitssatzes ist deshalb das eigentliche Problem, nicht der Geltungsrang des Leistungsfähigkeitsprinzips an für sich. Zudem spricht auch das Prinzip der Folgerichtigkeit und Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung jedenfalls für den hier interessierenden Bereich der Einkommensteuer für die Geltungskraft eines Leistungsfähigkeitsprinzips: Der Gesetzgeber der Einkommensteuer hat sich mit einem progressiven Tarif (§ 32a EStG) und einer möglichst vollständigen Erfassung der finanziellen Leistungsfähigkeit durch sieben Einkunftsarten zur „Summe der Einkünfte“ (§ 2 III EStG) dazu bekannt, nach der Höhe des Zugewinns differenzieren zu wollen.83 Weicht er von diesem selbstgeschaffenen Maßstab des Einkommensteuerrechts ab, muß er sich im Hinblick auf Art. 3 I rechtfertigen. Ob Art 3 I GG derart aufzufassen ist, daß ex cathedra jede Steuer – etwa eine Stromsteuer – zunächst nach Leistungsfähigkeitsgesichtspunkten differenzieren muß (ohne in Rechtfertigungszwang zu geraten), kann deshalb hier offen bleiben. Dieses Verständnis eines Leistungsfähigkeitsgrundsatzes originär durch die Verfassung und „derivativ“ über die gleichheitsrechtlich-verstärkte einfachgesetzliche Ausrichtung hat Birk als „doppelten hermeneutischen Zirkel“ erkannt. „Das Verstehen (des Leistungsfähigkeitsprinzips)84 ist gespeist aus dem Verfassungstext (. . .) und es ist gespeist aus den einfach-gesetzlichen Normtexten 80
Vgl. im einzelnen hierzu die Einzelfallprüfung, Seite 292. Unter anderen Arndt, WiVerw, 1990, S. 16; ders., Steuerliche Leistungsfähigkeit, S. 29: „Die Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit ist kein normatives Gebot.“ 82 Arndt zieht dabei gar den Vergleich mit der Formulierung, „wer sich nicht entsprechend verhält, wird entsprechend bestraft“, mit dem die Nationalsozialisten das Strafgesetzbuch zu ersetzen trachteten, Steuerliche Leistungsfähigkeit, S. 36. 83 Hier klingt schon der Gedanke der Systemgerechtigkeit an. Auf das Gebot der Widerspruchsfreiheit und Folgerichtigkeit der Rechtsordnung wird jedoch an späterer Stelle ausführlicher eingegangen. 84 Ergänzung durch Verfasser. 81
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(. . .).“85 Beide Zirkel sind durch „Hin- und Herwandern des Blicks“ zur Dekkung zu bringen.86 Auch kann für die Frage nach der Verfassungsmäßigkeit der Abschreibungstatbestände offenbleiben, ob das Leistungsfähigkeitsprinzip nicht als allgemeines Prinzip im Transferverhältnis Staat-Bürger anzusehen ist. Dieter Birk geht von einem „einheitlichen Transferverhältnis“ zwischen Staat und Bürger aus87, in dem Geben- und Nehmens-Systeme (insbesondere Sozialrecht und Steuerrecht) miteinander „saldiert“88 werden müssen. In der ehemals rein finanzwissenschaftlich geführten Diskussion um das Leistungsfähigkeitsprinzip haben sich zwei Grundkonzeptionen herauskristallisiert, eine gleichheitsorientierte und eine sozialstaatliche Konzeption.89 Die sozialstaatliche Konzeption findet sich gelegentlich auch in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts wieder.90 Die sozialstaatliche Konzeption führt zur Mitberücksichtigung personengebundener Ausgaben (etwa Krankheit, Kindererziehung, etc.). Diese Arbeit beschäftigt sich mit dem Leistungsfähigkeitsprinzip unter dem Blickwinkel der Abschreibungstatbestände, d.h. für die Frage der richtigen Bemessung von Erwerbsaufwendungen. Erwerbsaufwendungen stehen mit dem Sozialstaatsprinzip in keiner Verbindung. Die sozialstaatliche Komponente des Leistungsfähigkeitsprinzips ist deshalb in dieser Arbeit zu vernachlässigen. Hier ist allein die gleichheitsorientierte Konzeption maßgeblich. Die Leistungsfähigkeit ergibt sich aus dem (disponiblen) Netto-Ertrag, den der Steuerpflichtige nach Abzug seiner Erwerbsaufwendungen und seiner im privaten Bereich liegenden, unvermeidbaren Existenzaufwendungen behält. Das Leistungsfähigkeitsprinzip läßt sich damit auf das Nettoprinzip91 konkretisieren. 85
Birk, Das Leistungsfähigkeitsprinzip als Maßstab der Steuernormen, S. 64. Vgl. Birk, Das Leistungsfähigkeitsprinzip als Maßstab der Steuernormen, S. 64. 87 Birk, Das Leistungsfähigkeitsprinzip als Maßstab der Steuernormen, S. 102, 106. 88 Birk, Das Leistungsfähigkeitsprinzip als Maßstab der Steuernormen, S. 262. 89 Birk, Das Leistungsfähigkeitsprinzip als Maßstab der Steuernormen, S. 30; Jachmann etwa will die Leistungsfähigkeit als Differenzierungskriterium der proportionalen Besteuerungsgleichheit im Sozialstaatsprinzip angelegt wissen, StuW 1998, S. 293. Es umfasse selbst jedoch keine Umverteilungszwecke, StuW 1998, S. 294. 90 BVerfGE 36, 66 (72) u. 32, 334 (339): „Bei Steuern, die an die Leistungsfähigkeit des Pflichtigen anknüpfen, ist die Berücksichtigung sozialer Gesichtspunkte zulässig und geboten.“ In BVerfGE36, 66 (72) – Stabilitätszuschlag – formuliert das Bundesverfassungsgericht sogar: „Es ist auch mit dem Gleichheitssatz des Art. 3 I GG vereinbar, daß der Stabilitätszuschlag nur von den Beziehern mittlerer und höherer Einkommen erhoben wird.“ 91 Das Bundesverfassungsgericht hat bisher nur noch dem Worte nach offengelassen, ob aus der Orientierung nach der Leistungsfähigkeit das Prinzip der Nettobesteuerung zu folgern ist. In der Entscheidung zum steuerfreien Existenzminimum hat es anerkannt, daß „die für den Steuerpflichtigen unvermeidbare Sonderbelastung (durch Unterhaltsverpflichtungen) seine Leistungsfähigkeit mindert und ohne Verstoß gegen Art. 3 I GG vom Gesetzgeber nicht unberücksichtigt bleiben darf (vgl. zuletzt BVerfGE 68, 143 (152 f.)“, BVerfGE 82, 60 (87). 86
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Letzteres zerfällt in zwei Bestandteile: Das objektive und subjektive Nettoprinzip.92 Nach dem objektiven Nettoprinzip sind Werbungskosten und Betriebsausgaben von den Einnahmen abziehbar. Nur die Summe aus dieser Rechnung, das objektive Netto, geht einkommensteuerrechtlich in die Bemessungsgrundlage ein. Nach dem subjektiven Nettoprinzip sind auch bestimmte unvermeidbare personen- und nicht einkünftebezogene Ausgaben vom Steuergesetzgeber zu berücksichtigen. Das Gebot, auch die subjektiven Existenzbedürfnisse zu berücksichtigen, läßt sich aus Art. 3 I GG ableiten. Nach dem Bundesverfassungsgericht ergibt sich – trotz der Vieldeutigkeit des Leistungsfähigkeitsprinzips – aus demselben „jedenfalls, daß auch solche Ausgaben einkommensteuerrechtlich berücksichtigt werden müssen, die außerhalb der Sphäre der Einkommenserzielung anfallen und für den Steuerpflichtigen unvermeidbar sind.“93 Den Aspekt der subjektiv indisponiblen Ausgaben hat das Bundesverfassungsgericht später zu Gunsten des Familienverbandes ausgebaut. In dem Urteil über das familiäre Existenzminimum hat das Bundesverfassungsgericht das Verbot einer Besteuerung des Existenzminimums „aus Art. 1 I GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsgrundsatz des Art. 20 I GG“ abgeleitet.94 Der Staat müsse deshalb das Einkommen des Steuerpflichtigen insoweit steuerfrei belassen, als es Mindestvoraussetzung eines menschenwürdigen Daseins sei.95 Verpflichtet er den Steuerpflichtigen zivilrechtlich zu Unterhalt, muß er diese Minderung der Leistungsfähigkeit auch einkommensteuerlich in Betracht ziehen. Würde der auf der elterlichen Pflicht zur Erziehung und Betreuung ihrer Kinder beruhende Bedarf bei der Bemessung der Einkommensteuer außer Betracht gelassen, wären die Eltern gegenüber kinderlosen Steuerpflichtigen benachteiligt, deren Leistungsfähigkeit nicht durch die Erfüllung elterlicher Pflichten gemindert werde. Das Gebot der horizontalen Gleichheit wäre verletzt.96 Trotz der Verwendung des Begriffes Nettoprinzip im verfassungsrechtlichen Sinn muß davon das Nettoprinzip im Sinne von § 4 EStG streng unterschieden werden. § 4 EStG definiert den steuerpflichtigen Gewinn wie folgt: „Gewinn ist der Unterschiedbetrag zwischen dem Betriebsvermögen am Schluß des Wirtschaftsjahres und dem Betriebsvermögen am Schluß des vorangegangen Wirtschaftsjahres, vermehrt um den Wert der Entnahmen und vermindert um den Wert der Einnahmen.“
Diese Definition, die im hermeneutischen Zirkel auch das verfassungsrechtliche „Nettoprinzip“ prägt, ist jedoch in seiner tatbestandlichen Enge nicht für 92 93 94 95 96
Birk, Steuerrecht, BVerfGE 43, 108 BVerfGE 99, 216 BVerfGE 99, 216 BVerfGE 99, 216
§ 2 C II 1 Rn. 154. (120). (233). (233). (234).
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die Auslegung des Art. 3 I GG bindend. Nur der Richtung nach, nicht dem genauen Betrag nach orientiert sich das verfassungsrechtliche Nettoprinzip an der Definition in § 4 EStG. Deshalb hat das Bundesverfassungsgericht noch am 23. Januar 1990 (BVerfGE 81, 228) offengelassen, ob auch das in § 4 EStG kodifizierte Nettoprinzip verfassungsrechtlich vorgeschrieben ist. Es hat in einer späteren Entscheidung BVerfGE 101, 297, 310 – häusliches Arbeitszimmer – sein Verständnis vom Zusammenhang zwischen dem verfassungsrechtlichen Leistungsfähigkeitsprinzip und dem einfachgesetzlichen „Nettoprinzip“ weiter erläutert: „Der Gesetzgeber legt der Einkommensteuer das sog. Nettoprinzip zugrunde, nach dem nur das Nettoeinkommen, die Erwerbseinnahmen abzüglich der Erwerbsaufwendungen und der existenzsichernden Aufwendungen, besteuert wird (BVerfGE 99, 280, 299 f.). Der Gleichheitssatz fordert allerdings nicht, daß der Gesetzgeber stets den gewillkürten tatsächlichen Aufwand berücksichtigt, vielmehr kann es auch genügen, daß er für bestimmte Arten von Aufwendungen nur den Abzug eines in realitätsgerechter Höhe typisierten Betrages gestattet (vgl. BVerfGE 96, 1 [9]). Dies gilt insbesondere, wenn die Erwerbsaufwendungen die Kosten der allgemeinen Lebensführung i. S. des § 12 EStG berühren und deshalb zur Klarstellung wie zur Vereinfachung in einem unwiderleglichen Regeltatbestand erfaßt werden. Dadurch können zugleich Ermittlungen im Privatbereich eingegrenzt werden.“
Aus dieser Rechtsprechung zeigt sich schon sehr früh, daß das Bundesverfassungsgericht bereit ist, dem Gesetzgeber gerade bei den hier in Frage stehenden Erwerbsaufwendungen einen großen Typisierungsspielraum zuzubilligen, damit Besteuerungsgleichheit auch im steuerlichen Massenverfahren erreichbar bleibt. Verlangt man, daß das Steuerrecht sich an der Leistungsfähigkeit orientiert, ist es logisch zwingend, sich einzugestehen, daß die Leistungsfähigkeit nur das für die Steuerzahlung effektiv verfügbare Einkommen treffen kann.97 Verfügbares Einkommen wiederum ist das Netto der Einkünfte (objektives Nettoprinzip) vermindert um die unvermeidbaren persönlichen Ausgaben (subjektives Nettoprinzip). Einkünfte und Ausgaben sind jedoch ihrerseits Meßgrößen, die dem Typisierungsspielraum des Gesetzgebers unterworfen sind. Der Gleichheitssatz wirkt dabei in relativer Hinsicht sowohl horizontal als auch vertikal. Steuerpflichtige mit gleicher Leistungsfähigkeit sind gleich zu besteuern (= horizontale Steuergerechtigkeit), Steuerpflichtige mit unterschiedlicher Leistungsfähigkeit nach dem Grad ihrer Verschiedenheit (= vertikale Steuergerechtigkeit).98 Diese Steuergerechtigkeit verwirklicht sich in der Gleichheit im Belastungserfolg99; der zwischen den Vergleichspaaren etwa unterschiedliche Weg der Ermittlung ist irrelevant. 97
So auch in der Sache Birk, Steuerrecht, § 2 C II 1 Rn. 154. BVerfGE 82, 60 – Steuerfreies Existenzminimum (89); Birk, Steuerrecht, § 2 C II 1 Rn. 155; Birk, Das Leistungsfähigkeitsprinzip als Maßstab der Steuernormen, S. 165. 98
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Hier ist insbesondere die Subventionstätigkeit innerhalb des Einkommensteuerrechts von Interesse. Ohne Blick auf steuerliche Verschonungssubventionen hat das Bundesverfassungsgericht dem Staat für die „gewährende Staatstätigkeit“ eine „größere Gestaltungsfreiheit als innerhalb der Eingriffsverwaltung“ zugesprochen.“ Dies müsse besonders dann gelten, wenn der Staat nicht deshalb Leistungen gewährt, um eine dringende soziale Notlage zu steuern oder eine – mindestens moralische – Verpflichtung der Gemeinschaft zu erfüllen (wie etwa beim Lastenausgleich), sondern aus freier Entschließung durch finanzielle Zuwendungen („Subventionen“) ein bestimmtes Verhalten der Bürger fördert, das ihm aus wirtschafts-, sozial- oder gesellschaftspolitischen Gründen erwünscht ist.100 Welche Form der Subvention dem Gericht dabei vor Augen schwebt, ergibt sich erst im Anschluß an die eben zitierte Stelle. Es ist die Fallgruppe der Direktsubvention. „Hier“ könne der Gesetzgeber nicht nur bestimmen, welche Beträge er zur Durchführung der Maßnahme im Haushaltsplan insgesamt bereitstellen will. Dabei bleibe er an die Verfassung, insbesondere an den Gleichheitssatz, gebunden. Das bedeute, daß er seine Leistungen nicht nach unsachlichen Gesichtspunkten, also nicht „willkürlich“, verteilen darf. Sachbezogene Gesichtspunkte stünden ihm aber im weitesten Umfang zu Gebote; solange die Regelung sich auf eine der Lebenserfahrung nicht geradezu widersprechende Würdigung der jeweiligen Lebensverhältnisse stütze, insbesondere der Kreis der von der Maßnahme Begünstigten sachgerecht abgegrenzt sei, könne sie von der Verfassung her nicht beanstandet werden.101 Für direkte Subventionen gilt demnach ein weiter Ermessensspielraum. Nicht geklärt ist damit jedoch, ob für steuerliche Verschonungssubventionen nun der „strenge Maßstab“ der Leistungsfähigkeit oder der „weiche Maßstab“ der Subventionsverwaltung gilt. Das Ziel der „bereichsspezifischen“ Anwendung des Gleichheitssatzes führt bei bereichsübergreifenden Problemkreisen zu Schwierigkeiten. Die Gegenüberstellung gewährende Staatstätigkeit – Eingriffsverwaltung, von der das Gericht in BVerfGE 17, 210 (216) überzeugt zu sein scheint, besteht in Wirklichkeit häufig nicht.102 Vielmehr bedient sich der Staat – z. B. bei der Verschonungs99
BVerfGE 84, 239 (268). BVerfGE 17, 210 (216). 101 BVerfGE 17, 210 (216). 102 Die Schwierigkeiten einer derartigen Einteilung sind auch den Richtern am Bundesverfassungsgericht klar gewesen, vgl. etwa die Äußerung von Herrn Dr. Helmut Simon, Richter am Bundesverfassungsgericht, (Frowein/Meyer/Schneider, „Bundesverfassungsgericht im dritten Jahrzehnt“, S. 52): „Dabei hat die bisherige Rechtsprechung gemeint, auf dem Gebiet der darreichenden Verwaltung lasse Art. 3 dem Gesetzgeber einen noch größeren Spielraum als sonst bei der Anwendung des Art. 3. Es könnte zu fragen sein, ob dieser Satz so richtig ist. Schließlich kann die staatliche Tätigkeit in der gestaltenden darreichenden Verwaltung auf die Länge der Sicht für die Staatsbürger ähnlich freiheitsgefährdend werden wie die Eingriffstätigkeit in der klassischen Verwaltung; man kann heute durch einseitige Privilegierung sehr viel stär100
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subvention – der Sprache des Steuerrechts (Eingriffsverwaltung), um der Sache nach Subventionspolitik zu betreiben. Das Steuerrecht bietet eine ganze Reihe derartiger „Amphibien“. So werden bei den Wohnungsbauprämien oder den Investitionszulagen Direktsubventionen durch die Steuerverwaltung vergeben. Diese Vermischung ist primär verwaltungsverfahrensrechtlicher Natur.103 Bei der Verschonungssubvention hingegen wird inhaltlich das Steuerrecht in seinem auf Allgemeinheit zielenden Anspruch abgeschwächt. Einigkeit besteht insofern, als steuerrechtliche Vorschriften nicht allein der Erzielung von Einnahmen für den Staatshaushalt dienen müssen; sie dürfen auch bestimmte sozial- und wirtschaftpolitische Ziele verfolgen.104 Für die lenkungspolitisch motivierte Benachteiligung hat das Bundesverfassungsgericht den Maßstab der „Neuen Formel 1“ gefordert. Für die am Maßstab des Gleichheitssatzes vorzunehmende Prüfung komme es somit darauf an, ob eine Gruppe von Steuerpflichtigen ohne hinreichenden sachlichen Grund stärker belastet wird als andere und dadurch in eine empfindlich ungünstigere Wettbewerbslage gerate. Die gesetzliche Auswirkung dürfe nicht weiter greifen, als der die Verschiedenbehandlung legitimierende Zweck es rechtfertige, und sie dürfe schutzwürdige Belange der Nichtbegünstigten nicht ohne hinreichenden sachlichen Grund vernachlässigen. Entscheidend sei der objektiv erkennbare Sinn und Zweck des Gesetzes sowie dessen Wirkung im Wirtschaftsleben.105 Für die Bevorzugung einer Gruppe ergibt sich aus der eben zitierten Rechtsprechung jedoch nichts. Gewährende Staatstätigkeit und Eingriffsverwaltung sind bei der Verschonungssubvention des Steuerrechts zu nahe miteinander verknüpft. Welcher bereichsspezifische Maßstab anzuwenden ist, bleibt bis hierhin deshalb unklar. Die Analyse der Rechtsprechung fördert eine „leicht chaotisch anmutende Anhäufung von Formeln“ zutage.106 Dazu hat das Bundesverfassungsker die Existenzgestaltung beeinflussen als durch Eingriffe. Wie läßt sich im Leistungsstaat erreichen, daß die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers auf der einen Seite und der Schutz der Freiheit der Person andererseits auf einen Nenner gebracht werden? Ich kann da einstweilen nichts sagen, ich kann nur stottern.“ 103 Für die Bergmannsprämie, die Arbeitnehmer-Sparzulage und die Investitionszulagen ist in den einschlägigen Gesetzen bestimmt, daß diese Leistungen „aus den Einnahmen“ der entsprechenden Steuer zu gewähren seien, vgl. z. B. § 7 II Investitionszulagengesetz i. d. F. v. 22.1.1996. Unter Berufung auf diese Bestimmungen werden die Leistungen nicht im Haushaltsplan veranschlagt und bei der Verteilung des Steueraufkommens nur die um diese Leistungen geminderten Einnahmen angesetzt. Diese Praxis ist verfassungsrechtlich höchst bedenklich, vgl. Vogel, Grundzüge des Finanzrechts des Grundgesetzes, in: HStR IV, § 87 Rn. 109. 104 BVerfGE 85, 238 (244). 105 BVerfGE 85, 238 (244, 245). 106 So eine Formulierung von Ossenbühl über die Abstufungen der Kontrolldichte, Bundesverfassungsgericht und Gesetzgebung, in: Festschrift 50 Jahre Bundesverfassungsgericht, S. 53.
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gericht mit beigetragen, indem es die Wirkung des Leistungsfähigkeitsprinzips relativierte: „Zu einer reinen Verwirklichung dieses Prinzips ist der Gesetzgeber von Verfassungs wegen nicht verpflichtet.“107 Eine Aufklärung der bereichspezifischen Prüfungsmaßstäbe ist dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Verfassungsmäßigkeit der Vermögensteuer zu verdanken. In dieser Entscheidung hat es ausgeführt, daß das gebotene Gleichmaß sich in dem Belastungserfolg verwirklicht, den die Anwendung der Steuergesetze beim einzelnen Steuerpflichtigen erreicht.108 Damit hat es klargestellt, daß der Gleichheitssatz ergebnisbezogen und nicht handlungsbezogen ist. Es hat diese Forderung nach einem Gleichmaß im Belastungserfolg unter anderem damit begründet, daß der steuerliche Eingriff in Vermögens- und Rechtssphäre des Einzelnen seine Rechtfertigung auch und gerade aus der Gleichheit dieser Lastenzuteilung gewinnt. Ist der Steuersatz einheitlich, könne die Gleichmäßigkeit der Besteuerung nur in den Bemessungsgrundlagen der je für sich zu bewertenden wirtschaftlichen Einheiten gesichert werden. Die Bemessungsgrundlage müsse deshalb auf die Ertragsfähigkeit der wirtschaftlichen Einheiten sachgerecht bezogen sein und deren Werte in ihrer Relation realitätsgerecht abbilden.109 In dieser Entscheidung nimmt es schließlich zu dem Problem der steuerlichen Verschonungssubvention Stellung. Die ungleiche Belastung von Grundvermögen und sonstigem werde nicht durch die Erwägung gerechtfertigt, daß von der bestehenden Rechtslage möglicherweise ein Subventionseffekt ausgeht. Eine solche Intervention setze eine erkennbare Entscheidung des Gesetzgebers voraus, mit dem Instrument der Steuer auch andere als bloße Ertragswirkungen erzielen zu wollen.110 Der Lenkungszweck müsse mit hinreichender Bestimmtheit tatbestandlich vorgezeichnet und gleichheitsgerecht ausgestaltet sein.111 Wirkt sich eine bevorzugende Bewertung auf mehrere Steuerarten aus, muß der Subventionseffekt hinsichtlich jeder der Steuerarten durch das Gemeinwohl zu rechtfertigen sein.112 Das war bei der Einheitsbewertung gem. § 10 Vermögen-
107 BVerfGE 27, 58 (68); 43, 108 (121). In der letztgenannten Entscheidung (S. 122) hat das Bundesverfassungsgericht noch befunden, daß die individuelle, auch finanzielle Verantwortung der Eltern für ihre Kinder die volle steuerliche Berücksichtigung der Unterhaltsaufwendungen zu Lasten der Allgemeinheit und der Gesamtheit der Steuerzahler verfassungsrechtlich als nicht geboten erscheinen lasse. Diese Ansicht hat es später implizit verworfen, BVerfGE 61, 319 (344): „Die wirtschaftliche Belastung durch Unterhaltsverpflichtungen gegenüber Kindern ist ein besonderer, die Leistungsfähigkeit der Eltern beeinträchtigender Umstand. Diese unabweisbare Sonderbelastung darf der Gesetzgeber ohne Verstoß gegen die Steuergerechtigkeit nicht außer acht lassen [vgl. BVerfGE 43, 108 (120)].“ 108 BVerfGE 93, 121 (134). 109 BVerfGE 93, 121 (134). 110 BVerfGE 93, 121 (147). 111 BVerfGE 93, 121 (148). 112 Vgl. BVerfGE 93, 121 (148).
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steuergesetz nicht der Fall. Die niedrige Bewertung von einheitswertgebundenem Vermögen beruhte nicht auf einer gesetzgeberischen Entscheidung. Bei Abschreibungstatbeständen wird jedoch in der Regel eine klare Entscheidung des Gesetzgebers zur Förderung eines bestimmten Investitionsverhaltens vorliegen. Ist das der Fall, bleibt fraglich, ob wegen der Durchbrechung des Leistungsfähigkeitsprinzips ein strenger Maßstab anzustellen ist („Neue Formel“) oder ob auf Grund der Ähnlichkeit zum direkten Subventionsverhalten jeder sachliche Grund ausreicht? b) Dogmatik des Gleichheitssatzes nach Stefan Huster Huster geht von der Prämisse aus, daß der Gleichheitssatz keine schematische Gleichbehandlung verlangt.113 Eine schematisch gleiche Kopfsteuer etwa würde gegen den Gleichheitssatz verstoßen. Der Begriff der Gleichbehandlung nach Art. 3 I GG sei deshalb normativ.114 Er hänge vom jeweiligen Maßstab ab. Im Steuerrecht sei dieser Maßstab das Leistungsfähigkeitsprinzip, im Strafrecht das Schuldprinzip, im Sozialrecht das Prinzip der Bedürftigkeit.115 Diese frühe Unterscheidung116 zeigt auf, daß es bei Art. 3 I GG um Maßstabsgerechtigkeit geht. Er weist darauf hin, daß der Satz „Gleiches solle gleich, Ungleiches ungleich behandelt werden“ zwar zutreffend ist, für die Gleichheitsprüfung aber nicht weiter führt: Ganz gleich würden zwei Sachverhalte nie sein, sonst wären sie identisch und damit nicht unterscheidbar.117 Vielmehr fordere der Gleichheitssatz, daß hinsichtlich des jeweils relevanten Maßstabs die Vergleichsgruppen gleich oder ungleich behandelt werden. Das tertium comparationis ist kontextabhängig.118 Welcher Maßstab aus dem jeweiligen Kontext zu entnehmen ist, ergibt sich aus der Formel jedoch nicht. Sie ist damit nicht falsch, aber auch nicht sachbereichsbezogen. Der Gleichheitssatz verlange eine Maßstabsgerechtigkeit. Diese ließe sich jedoch erst bei der Frage der Rechtfertigung feststellen. Huster empfiehlt deshalb, den Begriff der Gleichbehandlung zunächst unabhängig davon zu definieren, ob der Maßstab, anhand dessen die Zuordnung von Rechtsfolgen stattfindet, zulässig ist.119 113 Andere bezeichnen dies anscheinend als „faktische“ Ungleichbehandlung, vgl. Kokott, Gleichheitssatz und Diskriminierungsverbote in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Die Bezeichnung „schematische“ Ungleichbehandlung ist jedoch griffiger. 114 Huster, Rechte und Ziele, S. 20. 115 Huster, Rechte und Ziele, S. 364 mit weiteren Beispielen. 116 Huster, Rechte und Ziele, S. 25. 117 Huster, Rechte und Ziele, S. 30. 118 Huster, Rechte und Ziele, S. 31. 119 Huster, Rechte und Ziele, S. 21.
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Damit geht er zur Frage der Rechtfertigung über. Die Willkürformel habe ausschließlich die Negationen zur Gerechtigkeit, also nur bestimmte „radikale Verneinungen der Gerechtigkeit“120, erfaßt. Nur die eindeutige Irrelevanz eines Unterscheidungskriteriums wurde ausgeschieden. Huster hat dabei beobachtet, daß die Willkürformel keine Beschränkung des Gleichheitssatzes an sich, sondern nur der Kognitionsbefugnis des Bundesverfassungsgerichts betraf.121 Die Willkürformel ist damit inhaltlich eine rein kompetenzrechtliche Antwort auf das Gewaltenteilungsprinzip, nicht aber auf den Gleichheitssatz. Indiz für diese These sei auch die Begriffsverwendung durch das Gericht. Dieses hat die Frage der Willkür auf „evident“ unsachliche Gründe beschränkt. Wenn jedoch nur evident unsachliche Differenzierungen beanstandet werden, müsse es auch Differenzierungen geben, die zwar nicht evident, aber doch noch unsachlich und insoweit ungerecht sind.122 Diese Inkonsistenz zwischen verfassungsrechtlichen Prüfungsanforderungen (Art. 1 III, 3 I GG) und praktizierten Prüfungsmaßstab hat Huster als unbefriedigend empfunden. Mit der Frage nach dem sachlichen Grund könnten nur grundlose Ungleichbehandlungen geahndet werden.123 Ungerechtfertigte Ungleichbehandlungen beruhten meistens jedoch nicht auf Gedankenlosigkeit.124 Kernstück der Arbeit Husters ist die Behauptung, der Gesetzgeber könne nur aus „internen“ und „externen“ Gründen zwischen Personengruppen differenzieren. Interne Gründe sind nach Huster solche Unterscheidungen, die gerade der Verschiedenheit der Personengruppen dienen. Externe Gründe hingegen versuchen nicht, die Verschiedenheit der Personengruppen nachzuzeichnen. Sie tragen ein von den Personen unabhängiges Unterscheidungsmerkmal an sie heran. Aus der Alternativität der Unterscheidungskriterien zieht Huster an späterer Stelle Schlüsse für die Rechtfertigungsprüfung. Dabei bedient er sich eines Vergleichs mit den Freiheitsrechten. Dort, so behauptet er, leite sich das Verhältnismäßigkeitsprinzip aus deren Schutzbereichen ab. Sobald Rechte gewährleistet seien, ergebe sich das Gebot, sie nicht beliebig einzuschränken, aus ihnen selbst.125 Die Verhältnismäßigkeitsprüfung hat dabei die Aufgabe, die bereichspezifischen Einzelfreiheiten auch innerhalb der Freiheitsgrundrechte auszuprägen. Das „Schwellengewicht“ etwa der allgemeinen Handlungsfreiheit sei damit von den konkreten Umständen abhängig.126
120 121 122 123 124 125 126
Huster, Rechte und Ziele, S. 48. Huster, Rechte und Ziele, S. 49. Huster, Rechte und Ziele, S. 50. Vgl. Huster, Rechte und Ziele, S. 52. Huster, Rechte und Ziele, S. 52. Huster, Rechte und Ziele, S. 100. Huster, Rechte und Ziele, S. 104.
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Er überträgt die Verhältnismäßigkeitsprüfung dann auf die Fallgruppe der Ungleichbehandlung auf Grund externer Kriterien. Er greift dabei auf die schon von Paul Kirchhof vertretene These127 zurück, der logische Anwendungsbereich des Verhältnismäßigkeitsprinzips umfasse Rechtsgüterkonflikte jeder Art.128 Das Verhältnismäßigkeitsprinzip sei zwar für die Freiheitsrechte aus diesen abzuleiten, bleibe logisch aber nicht auf diese beschränkt.129 So sei etwa im Subventionsrecht neben dem subjektiv-freiheitssichernden ein objektiv-haushaltsrechtliches Verhältnismäßigkeitsprinzip anerkannt, das aus §§ 14 HGrG, 23 BHO in Verbindung mit dem Gebot der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit abgeleitet werde.130 Den verfassungsrechtlichen Anwendungsbereich sieht er aber nur in dem Schutz individueller Rechte.131 Das ergebe sich aus der Präponderanz der individuellen Rechte gegenüber kollektiven Gütern. Mit diesem Begriff bezeichnet Huster die auf Minderheitenschutz angelegte Perspektive derjenigen Grundrechte, die auf Vorrang drängen, in seiner Terminologie „Schwellenwert“ besitzen. Der logische Anwendungsbereich (Güterkollision, s. o.) werde jedoch terminologisch überschritten, wenn das Verhältnismäßigkeitsprinzip auf Verhältnisse – etwa das von Strafe und Schuld – übertragen werde, die sich nicht als Relationen von Rechtsgüterkollisionen auffassen ließen.132 Er unterscheidet deshalb Entsprechungs- und Verhältnismäßigkeitsprüfungen.133 Ob das Verhältnismäßigkeitsprinzip in die Gleichheitsprüfung integriert werden kann, hänge daher davon ab, ob Ungleichbehandlungen durch interne oder externe Zwecke gerechtfertigt werden. Bei der Ungleichbehandlung durch interne Zwecke stellt sich nur die Frage der Maßstabsgerechtigkeit. Verlangt etwa das Steuerrecht eine Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit, so ist dies zunächst eine Entsprechungsfrage. Eine Verhältnismäßigkeitsprüfung ist demnach aus technischen Gründen ausgeschlossen. Die Frage, ob eine „echte“ Verhältnismäßigkeitsprüfung bei Ungleichbehandlungen vorzunehmen ist, kann sich deshalb nur bei Ungleichbehandlungen stellen, die durch externe Zwecke gerechtfertigt werden. Nur in diesen Fällen werde – normativ betrachtet – „ungleich“ behandelt. Das sei etwa bei lenkungspolitisch bedingten Ungleichbehandlungen der Fall.
127 128 129 130 131 132 133
Vgl. Paul Kirchhof, Gleichmaß und Übermaß, S. 135 ff. Huster, Rechte und Ziele, S. 467. Huster, Rechte und Ziele, S. 108. Huster, Rechte und Ziele, S. 108. Huster, Rechte und Ziele, S. 129. Huster, Rechte und Ziele, S. 468. Huster, Rechte und Ziele, S. 468.
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Diese sind jedoch keine maßstabsgerechten Abweichungen. Zwischen der Ungleichbehandlung und der Verfolgung des externen Zwecks bestehe bei der lenkungsbedingten Verschiedenbehandlung ein „echtes“ Mittel-Zweck-Verhältnis; auch ließen sich die Gleichbehandlung im normativen Sinne und die Zweckverfolgung als kollidierende Rechtsgüter auffassen. Dementsprechend könne in einer Verhältnismäßigkeitsprüfung gefragt werden, ob die Ungleichbehandlung geeignet und erforderlich ist, um diesen Zweck zu erreichen, und ob dieser Zweck so gewichtig ist, daß er die Ungleichbehandlung im normativen Sinne rechtfertigen kann.134 Diese Verhältnismäßigkeitsprüfung sei auch geboten, weil derartige Durchbrechungen mit den individuellen Gleichheitsrechten der nachteilig Betroffenen kollidieren und das Verhältnismäßigkeitsprinzip gerade die Funktion hat, individuelle Rechte zu schützen.135 Diese Übertragung der Verhältnismäßigkeitsprüfung auf den Gleichheitssatz bezeichnet er als Eingriffsmodell. c) Privilegierende und benachteiligende Ungleichbehandlungen aufgrund externer Kriterien Huster gelingt es, die Dogmatik des Gleichheitssatzes klarer verständlich zu machen. Dieser Beitrag ist von entscheidender Bedeutung für die Entwicklung des Gleichheitssatzes.136 Bei der Darstellung der Rechtsprechung ist offenbar geworden, daß diese zwischen zwei „Neuen Formeln“ unterscheidet und diese scheinbar wahllos anwendet. Huster hat bewiesen, daß die „Neue Formel 1“ inhaltlich keine (vierstufige) Verhältnismäßigkeitsprüfung sein kann. Die „Ungleichbehandlung“ (im tatsächlichen Sinn) aufgrund interner Zwecke unterliegt damit einem eigenen Rechtfertigungsbereich (Entsprechungsprüfung). Für die Ungleichbehandlung im normativen Sinn, d.h. auf Grund externer Kriterien, überzeugt seine Annahme, eine Verhältnismäßigkeitsprüfung sei zumindest möglich. Es ist zutreffend, daß auch hier – ähnlich wie bei den Freiheitsrechten – eine Güterkollision stattfindet. Er macht in seiner Arbeit aber nicht hinreichend deutlich, daß diese Kollisionsverhältnismäßigkeit nur bei benachteiligender Ungleichbehandlung geboten erscheint. Wenn Art. 3 I GG ein grundrechtliches Abwehrrecht ist, dann entfaltet er seine Wirkungsweise in erster Linie bei benachteiligendem Staatshandeln. Wäre Art. 3 I GG hingegen ein allgemeiner, der Popularklage ähnlicher Anspruch auf
134
Huster, Rechte und Ziele, S. 469. Huster, Rechte und Ziele, S. 470. 136 Gerade in der steuerlichen Literatur ist der Ansatz Husters’ auf Zustimmung gestoßen. Vgl. Vogel, Die Steuergewalt und ihre Grenzen, S. 542. 135
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Einhaltung der Gerechtigkeit, könnte etwa auch der Subventionsempfänger mit der Verfassungsbeschwerde die Gleichheitswidrigkeit seiner Begünstigung anfechten. Dieser Gedanke wirkt befremdlich. Der modale Charakter des Gleichheitssatzes ändert an dieser Wertung nichts. Für die Menschenwürde, ein Freiheitsrecht, ist ein ähnlicher (modaler) Abwehrcharakter wohl anerkannt.137 Auch dort wird ein subjektives modales Abwehrrecht nur demjenigen zugestanden, der von der Staatsmacht nachteilig erfaßt wird. Deshalb ist bei der Behandlung des Gleichheitssatzes zunächst klar zwischen der privilegierenden und benachteiligenden Ungleichbehandlung zu unterscheiden. Diese Unterscheidung wirkt in nicht-steuerlichen Sachverhalten sofort einleuchtend: Die Bevorzugung des einen Prüflings im juristischen Staatsexamen wirkt für die anderen zunächst – trotz des Gebotes der Chancengleichheit – neutral. Anders ist es, wenn gezielt einem Prüfling Chancen genommen werden, etwa wenn ihm erheblich weniger Fragen gestellt werden als seinen Kommilitonen. Im Subventionsrecht hingegen vermischt sich – wie etwa auch im Beamtenrecht – die Förderung des einen mit der Zurückstellung des anderen. Auch im Steuerrecht ist, wie noch zu zeigen sein wird, die schematische Unterscheidung in Privilegierung und Benachteiligung wegen des Gedankens der Finanzierungsgemeinschaft problematisch. Die eben angedeuteten Einschränkungen des gerade erst vorgestellten Unterscheidungsprinzips widerlegen dieses jedoch nicht. Wenn der Konkurrent durch die Subvention einen Wettbewerbsnachteil erhält und wenn der Nicht-Steuerbegünstigte seinen Beitrag erhöhen muß, dann betrifft dies die entsprechenden Personengruppen wegen des mittelbaren individuellen Nachteils stärker als in der Fallkonstellation einer „neutralen“ Begünstigung. Der Schwellenwert des Gleichheitssatzes, ein Begriff, der das Sachproblem verbildlicht, kann sich nur in der individualschutzrechtlichen Perspektive entfalten. Nur wo es um die Abwehr einer nachteiligen Behandlung geht, um den status negativus der Grundrechte, liegt eine Güterkollision vor; nur hier kann eine Verhältnismäßigkeitsprüfung geboten sein. Für eine bevorzugende Ungleichbehandlung hat Huster damit keine dogmatische Lösung angeboten. Die rein bevorzugende Ungleichbehandlung ist jedoch eine sehr eng umgrenzte Fallgruppe. Nur für die wirtschaftslenkende, rein bevorzugende Ungleichbehandlung gilt traditionell ein weiter Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers; auch sie müssen sich jedoch gemeinwohlbezogen rechtfertigen lassen. Das Bundesverfassungsgericht hat den Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers in ei-
137 Man denke an die Objektformel des Bundesverfassungsgerichts, z. B. in BVerfGE 45, 187 (228) – lebenslange Freiheitsstrafe: „Es widerspricht daher der menschlichen Würde, den Menschen zum bloßen Objekt im Staate zu machen.“
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ner neueren Entscheidung über das Ausscheiden der gewerblichen Brennereien aus dem Branntweinmonopol erneut weiter ausdifferenziert: „Auf der anderen Seite hat der Gesetzgeber im Bereich der gewährenden Staatstätigkeit eine größere Gestaltungsfreiheit als innerhalb der Eingriffsverwaltung. Das gilt insbesondere dann, wenn der Staat Leistungen nicht deshalb gewährt, weil er einer dringenden sozialen Notlage begegnen oder eine – mindestens moralische – Verpflichtung der Gemeinschaft erfüllen will, sondern aus freier Entschließung durch finanzielle Zuwendungen ein bestimmtes Verhalten der Bürger fördert, das ihm aus wirtschafts-, sozial- oder gesellschaftspolitischen Gründen erwünscht ist. In der Entscheidung darüber, welche Personen oder Unternehmen gefördert werden sollen, ist der staatliche Gesetzgeber weitgehend frei. Zwar darf der Staat seine Leistungen nicht nach unsachlichen Gesichtspunkten verteilen. Subventionen müssen sich gemeinwohlbezogen rechtfertigen lassen, damit sie vor dem Gleichheitssatz Bestand haben. Sachbezogene Gesichtspunkte stehen dem Gesetzgeber jedoch in sehr weitem Umfang zu Gebote; solange die Regelung sich auf eine der Lebenserfahren nicht geradezu widersprechende Würdigung der jeweiligen Lebensverhältnisse stützt, insbesondere der Kreis der von der Maßnahme begünstigten sachgerecht abgegrenzt ist, kann sie verfassungsrechtlich nicht beanstandet werden (vgl. BVerfGE 17, 210 [216]; 93, 319 [350]).“138
Oft geht die Vorteilsvergabe mit einer Diskriminierung der Nicht-Begünstigten einher, die dem System der Begünstigung (Allgemeinheit der Pflegeversicherung) oder dem System der Belastung (Allgemeinheit der Steuerbelastung) widerspricht. In dem Verfassungsbeschwerdeverfahren gegen die Nichteinbeziehung einzelner in das System der Pflegeversicherung hat das Bundesverfassungsgericht deshalb entschieden: „Es verstößt . . . gegen den allgemeinen Gleichheitssatz, daß der Gesetzgeber gleichermaßen schutzbedürftige Personen ohne Krankenversicherungsschutz vom Zugang zur gesetzlichen Pflegeversicherung ausgeschlossen hat, die als Volksversicherung angelegt ist. Diesen Personen ist zumindest ein Beitrittsrecht einzuräumen.“139
Wie der Widerspruch der Privilegierung zu dem System der Belastung aufgelöst werden kann, ist von der Klassifikation der Steuervergünstigung abhängig.
138 BVerfG – Ausscheiden der gewerblichen Brennereien aus dem Branntweinmonopol – NVwZ 2002, S. 197 [198]. 139 BVerfGE 105, 225.
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d) Klassifikation der Verschonungssubvention als rechtfertigungsbedürftige Bevorzugung Die Verschonungssubvention des Steuerrechts ist aus der Begünstigungsperspektive des Entlasteten Subvention, aus der Belastungsperspektive der Allgemeinheit Benachteiligung. Aus diesem begriffsnotwendigen Negativeffekt folgt jedoch zugleich, daß die Erstinterpretation des Steuergesetzgebers der Vertretbarkeitskontrolle durch die Gerichte unterworfen ist. Eine begriffsjurisprudentielle Ableitung der gleichheitsrechtlichen Grenzen trifft bei Verschonungssubventionen auf eine denklogische Grenze, weil eine Abwägung nur mit Hinblick auf Be- und Entlastungswirkung und mit Blick auf den verfolgten Subventionszweck erfolgreich sein kann. Das Bundesverfassungsgericht hat deshalb in der Entscheidung über die Verfassungswidrigkeit der unterschiedlichen Besteuerung von Renten und Pensionen ausgeführt:140 „Genauere Maßstäbe und Kriterien dafür, unter welchen Voraussetzungen im Einzelfall das Willkürverbot oder das Gebot verhältnismäßiger Gleichbehandlung durch den Gesetzgeber verletzt ist, lassen sich nicht abstrakt und allgemein, sondern nur bezogen auf die jeweils betroffenen unterschiedlichen Sach- und Regelungsbereiche bestimmen . . .“.
Die Abwägungssituation wird bei der Verschonungssubvention dadurch erschwert, daß sie in drei Richtungen abgewogen werden muß: Die Entlastung des Begünstigten muß mit der Belastung der Allgemeinheit und dem verfolgten Subventionszweck in Beziehung gesetzt werden. Um die Abwägungssituation weiter zu rationalisieren, bietet es sich an, nach der Form der steuerlichen Verschonungssubvention zu differenzieren. Dabei wird im folgenden danach unterschieden, ob die Verschonungssubvention an der Bemessungsgrundlage ansetzt oder an dem Steuerbetrag. e) Anforderungen gem. Art. 3 I GG an die steuerliche Bemessungsgrundlagensubvention Als Steuervergünstigung auf den Betrag wirkt sich im Ergebnis z. B. die Investitionszulage aus (vgl. § 5 Investitionszulagengesetz). Die „Auszahlung der Investitionszulage aus den Einnahmen der Einkommensteuer“ (§ 7 II InvZulG) wird im Regelfall durch Aufrechnung (§ 226 AO) vollzogen. Der errechnete Steuerschuldbetrag wird verringert. Als Steuervergünstigung der Bemessungsgrundlage wirken sich dagegen zum Beispiel Förderabschreibungstatbestände aus. Bei ihnen wird die Progression 140
BVerfGE 105, 73 (111).
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umgekehrt. Steuervergünstigungen, die an die Bemessungsgrundlage anknüpfen, wirkten sich „regressiv“ aus. Wenn man sich auf den Bereich der Einkommensteuer beschränkt, wird das Sachproblem deutlich: Ein Abzug bei der Bemessungsgrundlage begünstigt den Spitzenverdiener mehr als den Geringverdiener. Beugt sich der Spitzenverdiener etwa im Veranlagungszeitraum 2003 der Verhaltensempfehlung, so spart er auf 1000 A Bemessungsgrundlagenabzug 485 A Einkommensteuer. Der Geringverdiener hingegen spart etwa zwischen einem zu versteuernden Einkommen von 9000 A und einem von 8000 A nur 216,87 A.141 Das Verhaltensangebot steigt in seiner Attraktivität mit dem Einkommen.142 Auch an diesem Beispiel zeigt sich, daß die anfangs aufgestellte Unterscheidung zwischen Ungleichbehandlung durch Privilegierung oder Benachteiligung bei der einkommensteuerlichen Bemessungsgrundlagenvergünstigung an ihre Grenzen stößt. Die Vergünstigung, die an der Bemessungsgrundlage ansetzt, „privilegiert“ nicht nur den einen; sie führt zu einer Umgehung der Progression und einer schleichenden Mehrbelastung der anderen. Die Privilegierung einer Minderheit läßt sich zwar für die „benachteiligten“ Steuerzahler nicht messen. Daraus jedoch zu schließen, zur Herleitung von Verhältnismäßigkeitsanforderungen fehle der „Schwellenwert“, wäre zu kurz gegriffen. Die Progression ist Ausdruck der Steuergerechtigkeit. Die „regressiv“ wirkende Steuervergünstigung beeinträchtigt dieses Finanzierungssystem nicht nur, sie pervertiert es.143 Die Steuerlast „für die Dummen“ wächst mit der Steuerbegünstigung der „Cleveren“. Durch die „Bevorzugung einer Minderheit“ wird die Gesamtheit der Steuerzahler individuell-grundrechtlich benachteiligt.
141 Die Berechnung ist kompliziert. Erst muß gemäß § 32a I 2, II EStG die Variable „y“ gefunden werden. Nach meinen Berechnungen ist „y“ bei 9000 A (VZ 2003) = 9000 7200 7200 = 0,18; bei 8000 A ist „y“ = 799218 = 0,081. Daraus errechnet sich eine 10000 10000 Steuerschuld von 383,11 A bei 9000 A Bemessungsgrundlage und 166,23 A bei 8000 A Bemessungsgrundlage. Die Differenz zwischen 383,11 A und 166,23 A ist der gesparte Steuerbetrag (216,87 A). 142 Paul Kirchhof ist der Ansicht, innerhalb einer progressiven Steuer dürfe eine Verschonungssubvention grundsätzlich nur als Abzug vom Steuerbetrag, nicht als Minderung der Bemessungsgrundlage angeboten werden, § 88 Staatliche Einnahmen, in: Handbuch des Staatsrechts IV, S. 114, Rn. 61. 143 Dieser Gesichtspunkt ist auch vom Bundesverfassungsgericht erkannt worden. BVerfGE 85, 264 (316) – Parteienfinanzierung IV –: „Bei dem progressiven Steuertarif des geltenden Steuerrechts wird der Bürger mit hohem Einkommen in seiner Möglichkeit, durch Zuwendungen an Parteien auf die politische Willensbildung Einfluß zu nehmen, gegenüber dem Bürger mit geringerem Einkommen steuerlich begünstigt. Jener erspart gegenüber diesem einen absolut und relativ höheren Betrag an Steuern, seine politische Meinung wird sozusagen prämiert. Eine solche, durch ein Gesetz geschaffene unterschiedliche steuerliche Behandlung der Einflußnahme auf die politische Willensbildung je nach der Höhe des Einkommens verträgt sich aber nicht mit dem Grundsatz der formalen Gleichheit, der die Ausübung politischer Rechte in der freien Demokratie beherrscht [BVerfGE 8, 51 (69)].“
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Damit besteht ein verfassungsrechtlich relevanter Unterschied zwischen der verwaltungsrechtlichen Leistungssubvention und der steuerrechtlichen Verschonungssubvention. Die Leistungssubvention erreicht den Subventionsadressaten nicht in seiner Eigenschaft als Steuerzahler. Die Verschonungssubvention erreicht den Adressaten als Steuerpflichtigen, sie ist „interpersonell“144 verhaftet. Die Leistungssubvention ist mangels tertium comparationis bei fehlender Beeinträchtigung der Wettbewerbsverhältnisse eine Form gewährender Staatstätigkeit. Dritte sind von ihr regelmäßig nur dann betroffen, wenn die Marktverhältnisse durch die Subvention verzerrt werden. Die Beeinträchtigung des Gleichheitssatzes ist – ohne Beeinträchtigung von Konkurrenten – kaum greifbar. Damit korreliert für die Leistungssubvention ein größerer Gestaltungsraum.145 Als Steuerpflichtige sind alle Bürger jedoch in einer Finanzierungsgemeinschaft für die „res publica“146, die gemeinsame Sache, verpflichtet. Die Steuer soll „allen auferlegt werden, bei denen der Tatbestand zutrifft, an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpft“ (§ 3 AO I 1. Halbsatz). Die Steuer begründet sich gerade durch ihren gleichheitsrechtlichen Anspruch, alle ohne Unterschied zu treffen.147 Sie ist die demokratischste und damit gleichheitsrechtlich am stärksten verwurzelte Pflicht des Bürgers. Die Amerikaner haben „no taxation without representation“ zum Ausgangspunkt ihrer Revolution gemacht; die Franzosen haben in Art. 13 ihrer „Déclaration des droits de l’homme et du citoyen“ vom 26. August 1789 formuliert: „Pour l’entretien de la force publique, et pour les dépenses d’administration, une contribution commune est indispensable: elle doit être également répartie entre tous les citoyens, en raison de leurs facultés.“148
Dieser gleichheitsrechtliche Anspruch des vermögensmäßigen Beitrags zum gemeinen Wohl liegt auch Art. 14 III GG zu Grunde. Art. 14 III bestimmt, daß eine Enteignung nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig ist und nur durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt. Ein Sonderopfer soll nur gegen Entschädigung stattfinden. Das Eigentum wird über die „Junktim-Klausel“ in seinem vermögensmäßigen Betrag geschützt.
144 Nach Schlink mündet der Gleichheitssatz in einem „interpersonellen“ Nutzenvergleich. Schlink hat gegen eine gleichheitsrechtliche Abwägung deshalb weniger Bedenken als gegen eine Abwägung bei Freiheitsrechtseingriffen. Schlink, Abwägung im Verfassungsrecht, S. 202 ff. (212). 145 Vgl. zu diesem Problem Kokott, Gleichheitssatz und Diskriminierungsverbote in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, S. 146. 146 Paul Kirchhof, DIE ZEIT, 8.5.2002, S. 32. 147 BVerfGE 84, 239 (270). 148 Übersetzung durch den Verfasser: „Für die Kosten einer Armee und die Verwaltungskosten ist ein gemeinsamer Beitrag unverzichtbar; er muß gleich auf alle Bürger verteilt sein in Betracht der jeweiligen Möglichkeiten.“
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Der Steuer liegt ein gleichheitsrechtsrechtlicher Anspruch zu Grunde, indem sie „unterschiedslos“ den Staat an der Leistungsfähigkeit seiner Bürger beteiligt.149 Die gemeinsame Finanzierungsverantwortung wird jedoch aufgelöst, wenn der Staat einige aus der Finanzierungsverantwortung entläßt. Die Bemessungsgrundlagenvergünstigung hat zudem eine Regressionswirkung. Gerade derjenige, der besonders geeignet ist, zum Gemeinwohl beizutragen, kann sich der Pflicht entziehen. Die Gleichheit der Bürger vor der Steuerlast wird bei Förderabschreibungstatbeständen zudem nicht nur innerhalb der gegenwärtig Steuerpflichtigen durchbrochen. Der Gleichheitssatz hat auch eine zeitliche Komponente, die im Steuerrecht zu einer zeitnahen Erfassung und Abführung der Steuerlast zwingt.150 Nicht nur innerhalb einer (zeitabschnittsbezogenen) „Generation“ der Steuerpflichtigen, auch zwischen den „Generationen“ führt eine Subvention, die an die einkommensteuerliche Bemessungsgrundlage anknüpft, zu Verzerrungen. Das rechtfertigt es, von einem „Schwellenwert“ des Gleichheitssatzes bei der Bemessungsgrundlagen-Verschonungssubvention auszugehen. Die Zulässigkeit von derartigen Verschonungssubventionen ist am Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu messen. Die Durchbrechung des Leistungsfähigkeitsprinzips durch Verschonungssubventionen, die die einkommensteuerliche Bemessungsgrundlage aushöhlen, ist nicht schon dadurch gerechtfertigt, daß überhaupt ein „Grund“ vom Gesetzgeber angeführt wird.151 Die Durchbrechung ist nur gerechtfertigt, wenn sie geeignet bb) ist, den legitimen Zweck aa) zu erreichen, zu diesem Zweck erforderlich cc) ist und in bezug auf die Beeinträchtigung des Gleichheitssatzes angemessen ist.
149 Ähnlich BVerfGE 84, 239 – Zinsbesteuerung – (269): „Die Steuer ist eine Gemeinlast, die alle Inländer trifft; sie werden zur Finanzierung der allgemeinen Staatsaufgaben herangezogen. Der Staat greift dabei – ohne individuelle Gegenleistung – auf das Vermögen des Einzelnen zu, indem er ihm die Pflicht auferlegt, von dem Seinigen etwas abzugeben. Der darin liegende Eingriff in die Vermögens- und Rechtssphäre des Steuerpflichtigen gewinnt seine Rechtfertigung auch und gerade aus der Gleichheit der Lastenzuteilung. Dadurch unterscheiden sich Gemeinlasten von anderen staatlichen Eingriffen. Im Steuerrecht müssen von Verfassungs wegen sowohl die steuerbegründenden Vorschriften als auch die Regelungen ihrer Anwendung dem Prinzip einer möglichst gleichmäßigen Belastung des Steuerpflichtigen besonders sorgfältig Rechnung tragen (vgl. BVerfGE 35, 324 (335) m. w. N.).“ 150 Paul Kirchhof, StuW 2000, S. 321. 151 Auch Tipke beklagt, daß „das Bundesverfassungsgericht zur Rechtfertigung von Durchbrechungen des Leistungsfähigkeitsprinzips und damit der steuerlichen Gleichbelastung finanzpolitische und steuertechnische Erwägungen ohne Rücksicht auf ihr Gewicht zuläßt.“ Tipke, Über die Einheit der Rechtsordnung, S. 757.
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aa) Zweck Diese Mittel-Zweck-Relation bezieht sich auf das Fernziel des Gesetzgebers, das er sich von dem „angestrebten Verhalten“152 des Steuerpflichtigen erhofft. Eine Sonderabschreibung fördert unmittelbar ein Investitionsverhalten des Steuerpflichtigen und mittelbar ein Fernziel (Umweltschutz, Steigerung der Konkurrenzfähigkeit von mittelständischen Betrieben, Konjunkturbelebung etc.). Das Fernziel bildet die Motivation des Gesetzgebers. Die demokratisch fixierte Motivation des Gesetzgebers kann die Beeinträchtigung des Gleichheitssatzes rechtfertigen.153 Der entfernt liegende Gestaltungszweck muß ein solcher des Gemeinwohls sein.154 Ähnlich der Enteignungsvoraussetzung gem. Art. 14 III S. 1 GG kann die Verschonungssubvention nicht durch bloße Partikularinteressen gerechtfertigt werden.155 Für die Ausfüllung des Bereichs, der am „Gemeinwohl“ teilhat, können die in Sachgesetzgebungskompetenzen teilweise enthaltenen Zielbestimmungen hilfreich sein.156 Wenngleich steuerliche Lenkungsnormen formal dem Steuerrecht zuzuordnen sind, haben sie doch dieselbe Tendenz wie die dynamische Sachgesetzgebung etwa auf Grund von Art. 74 Nr. 13 GG (Förderung der wissenschaftlichen Forschung), oder von Art. 74 Nr. 19a GG (Sicherung der Krankenhäuser). Diesen hier nur auszugsweise zitierten Sachgesetzgebungskompetenzen ist zu entnehmen, daß das Grundgesetz hier „staatliche Aktivität erwartet“157. Diese Erwartung einer staatlichen Aktivität etwa zur Sicherung der Krankenhäuser kann auch über den Umweg des Steuerrechts verwirklicht werden.
152 Die terminologische Unterscheidung zwischen „angestrebtem Verhalten“ und „entfernteren Zwecken“ geht auf Vogel zurück. Vogel, Begrenzung von Subventionen durch ihren Zweck, S. 545. 153 Birk, Das Leistungsfähigkeitsprinzip als Maßstab der Steuernormen, S. 259. Umgekehrt gilt dies nicht. Birk formuliert (S. 259): „Eine Verletzung der für die steuerlichen Gestaltungswirkungen geltenden gestaltungsbegrenzenden Verfassungsnormen kann nicht unter Berufung auf eine maßstabsgerechte Verteilung der steuerlichen Belastungswirkungen gerechtfertigt werden.“ 154 BVerfGE – Vermögenssteuer – 93, 121 (147): „Führt ein Steuergesetz zu einer steuerlichen Verschonung, die einer gleichmäßigen Belastung der jeweiligen Steuergegenstände innerhalb einer Steuerart widerspricht, so kann eine solche Steuerentlastung dennoch vor dem Gleichheitssatz gerechtfertigt sein, wenn der Gesetzgeber dadurch das wirtschaftliche oder sonstige Verhalten des Steuerpflichtigen aus Gründen des Gemeinwohls fördern oder lenken will (. . .).“ 155 Vgl. Paul Kirchhof, Der Grundrechtsschutz des Steuerpflichtigen, AöR 2003, S. 48. 156 Selmer, Steuerinterventionismus und Verfassungsrecht, S. 266. Selmer nennt als Gegenbegriff das Privatwohl, schränkt diese Aussage aber sofort wieder ein, indem er anerkennt, daß auch eine Förderung von Privatinteressen mittelbar dem Gemeinwohl dienen kann. Gegenbegriff zur Gemeinwohlförderung ist deshalb das gezielte Privileg. 157 Birk, Das Leistungsfähigkeitsprinzip als Maßstab der Steuernormen, S. 252 unter Verweis auf Scheuner, Staatszielbestimmungen, S. 344.
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Auch der objektiv-rechtliche Gehalt der Grundrechte kann gemeinwohlbestimmend sein.158 Wenngleich sich das Gemeinwohl nicht weiter begrifflich einengen läßt, verhindert der Gleichheitssatz doch, daß sich reine Individualoder Gruppeninteressen als Gemeinschaftsbelang gerieren.159 Der Gleichheitssatz ist privilegienfeindlich.160 Bevorzugungen sind nur zu Gunsten der Allgemeinheit erträglich. Will der Gesetzgeber Umverteilungen vornehmen, ist die Durchbrechung der horizontalen Steuergerechtigkeit durch Privilegierung dazu kein geeignetes Mittel.161 bb) Objektive Eignung Die „objektive Eignung“162 einer Maßnahme unterliegt wegen der Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers nur einer Vertretbarkeitskontrolle.163 Die vom Gesetzgeber angestrebte mittelbare Kausalitätskette zwischen dem angestrebten Verhalten und dem entfernter liegenden Zweck wird an dieser Stelle auf ihre Stichhaltigkeit überprüft. Bei der Förderabschreibung ergeben sich in bezug auf das erste Glied dieser Kette, die Eignung, ein Verhalten des Steuerpflichtigen hervorzurufen, in der Regel keine Probleme. Als Verschonungssubvention greifen die Förderabschreibungstatbestände buchungstechnisch erst mit dem Vollzug des Verhaltensangebotes ein. Abschreibungen sind ab dem Zeitpunkt der Anschaffung oder Herstellung vorzunehmen. Im Hinblick auf den weiteren Teil der erhofften Kausalitätskette können sich Prognosefehler des Gesetzgebers offenbaren. Förderabschreibungen setzen nicht an den Ursachen der ungünstigen Investitionsbedingungen an, sondern führen nur zur Finanzierungserleichterung; sie garantieren keine sinnvolle Mittelverwendung. Die Vertretbarkeitskontrolle ist deshalb insbesondere bei Sonderabschreibungen zur Beseitigung von Strukturproblemen eine echte Hürde: Zur Lösung tiefer struktureller Probleme erscheinen Sonderabschreibungen prima facie ungeeignet.164 158 Für die Wissenschaftsförderung und Art. 5 III GG: Birk, Das Leistungsfähigkeitsprinzip als Maßstab der Steuernormen, S. 253, der nach „tolerierten“ und „förderungswürdigen“ Gemeinwohlbestimmungen unterscheidet. 159 Vgl. Hufen, NJW 1994, S. 2913 (2918). 160 BVerfGE 40, 296 (328): „Ein willkürliches Steuerprivileg hinsichtlich bestimmter Einkommen ist mit Art. 3 I GG unvereinbar.“; BVerfGE 99, 280 (295): „Die Steuerfreiheit für Stellenzulagen als Lohnbestandteile gem. § 3 Nr. 12 Satz 1 EStG widerspricht diesem gesetzlichen Belastungsprinzip und schafft bereits grundsätzlich ein gleichheitswidriges Steuerprivileg.“; insofern ähnelt der Gleichheitssatz insbesondere Art. 12 I GG. Gemeinsam verhindern Art. 12 I und 3 I GG Klientelschutzgesetze. Vgl. Hufen, NJW 1994, S. 2913 (2920). 161 Birk, Das Leistungsfähigkeitsprinzip als Maßstab der Steuernormen, S. 176 ff. 162 So die Formulierung in der neueren Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Verfassungswidrigkeit der unterschiedlichen Besteuerung von Pensionen und Renten, BVerfG v. 6.3.2002, HFR 2002, S. 331 (332). 163 Vgl. Hufen, NJW 1994, S. 2913 (2918).
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Teil VI: Verfassungsrechtliche Grenzen
Die Eignung liegt gleichfalls nicht vor, wenn auf den Verhaltenserfolg nicht verzichtet werden kann.165 So wäre es etwa unzulässig, mit einer steuerlichen Verschonungssubvention den Schutz des ungeborenen Lebens bewältigen zu wollen. Zum Erreichen unverzichtbarer Lenkungserfolge ist das Steuerrecht ungeeignet.166 Soll mit der Vergünstigung auf ein Bedürfnis einer bestimmten Gruppe eingegangen werden, so fehlt es an der Eignung der Maßnahme, wenn die Vergünstigung mit zunehmendem Bedürfnis abnimmt.167 Verschonungssubventionen, die sozialstaatlichen Gesichtspunkten Rechnung tragen, dürfen deshalb nicht an der Bemessungsgrundlage ansetzen. Soll mit der steuerlichen Vergünstigung ein Bedürfnis kompensiert werden, muß das Bedürfnis auf Kompensation im Vergleich zu den anderen der Regelbesteuerung unterliegenden Steuerpflichtigen feststellbar sein und die Kompensationswirkung sinnvoll auf das Ausgleichsbedürfnis abgestimmt sein. Für die Ertragsanteilsbesteuerung von Renten war beides nicht der Fall: Das Bundesverfassungsgericht konnte weder auch nur annähernd gleichmäßige Nachteile auf Grund des Rechts der gesetzlichen Rentenversicherung gegenüber dem Beamtenversorgungsrecht feststellen, noch war die Ausgestaltung der steuerlichen Wirkungen der Ertragsanteilsbesteuerung nicht sinnvoll auf mögliche unterschiedliche Ausgleichsbedürfnisse abgestimmt.168 Auch fehlt es an der Eignung, wenn der Lenkungszweck nur noch dem Spezialisten zugänglich ist. Der steuerpflichtige homo oeconomicus muß in der Lage sein, den Verhaltensanreiz wahrzunehmen. Fehlt es an dieser Wahrnehmbarkeit, etwa weil die Verhaltensanreize zu zahlreich oder widersprüchlich ist, ist jeder einzelne dieser Verhaltensanreize nicht mehr geeignet.169 164 So die betriebswirtschaftlichen Beobachtungen bei Reibert, Problematik von Sonderabschreibungen, S. 163; bei konjunkturellen oder regionalpolitischen Zielsetzungen gilt diese Skepsis nicht. Hier kann der Investitionsmultiplikator zu einer echten Behebung der Schwierigkeiten führen, vgl. Reibert, Problematik von Sonderabschreibungen, S. 164. 165 So kann etwa ein Umweltprogramm scheitern, wenn sich der Adressat durch Subventionsverzicht sein Recht zur Umweltbelastung erhält. Ähnlich Paul Kirchhof, FAZ 8.5.2001, S. 11 (13); vgl. ähnlich Schaden, Steuervergünstigung als staatliche Leistung, S. 22; Birk, Finanzierungszwecke und Lenkungszwecke in einem verfassungsmäßigen Steuersystem, in: Grundrechtsschutz im Steuerrecht, S. 85. 166 Derartige Überlegungen hat das Bundesverfassungsgericht in der Spielautomaten-Entscheidung angestellt, BVerfGE NVwZ 1997, 573 (575). Ausdrücklich hält Paul Kirchhof eine steuerliche Lenkung nur dann für geeignet, wenn und soweit das steuerlich empfohlene Verwaltungsprogramm auch scheitern dürfte. Paul Kirchhof, Der Grundrechtsschutz des Steuerpflichtigen, AöR 2003, S. 25. 167 Tipke/Lang, Steuerrecht, § 20 Rn. 49. 168 BVerfGE 105, 73 [114]. 169 Auf diesen Zusammenhang zwischen Abgabenpsychologie und Eignung hat Ferdinand Kirchhof hingewiesen. DVBl. 2000, S. 1174.
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cc) Erforderlichkeit Bei der Stufe der Erforderlichkeit ist nach einer „verteilungsgerechten Regelungsalternative“ zu fragen, die die Gestaltungswirkung gleich effektiv unter geringerer Beeinträchtigung der Lastengleichheit erzielen würde.170 Dabei besteht keine Vermutung dafür, die Effizienz einer Abschreibungsregel sei größer als die einer Direktsubvention oder eines Abzugs von der Steuerschuld. Die Anwendung der Abschreibungsvorschriften ist trotz der Vereinfachungsregeln der Verwaltung nicht einfacher als ein entsprechendes Verwaltungsprogramm.171 Sicherlich spricht für die Effizienz einer Abschreibungsregel, daß der Steuerpflichtige die Subvention im Selbstvollzug wahrnimmt. Die Leistungssubvention kann aber einen ähnlichen Anreizeffekt erzielen, wenn auf sie ein gesetzlicher Anspruch besteht. In diesem Fall ist ihre Wirkungsweise genauso effizient wie die der Abschreibungsvergünstigung. Gestaltungszweck und Maßstabsverstoß hinsichtlich der Belastungswirkung müssen in einem angemessenen Verhältnis stehen.172 Auch die Kumulation verschiedener Steuervergünstigungen mit einheitlichem Lenkungszweck kann die Unangemessenheit jeder der Einzelregelungen begründen.173 dd) Gleichheit im Belastungserfolg durch Typisierung Die Steuerpflicht gilt allgemein und jedem gegenüber. Wird die Steuer wie in vielen Ländern der Dritten Welt nur von wenigen erhoben, besteht die Gefahr, daß der Staat sich in Abhängigkeit von den wenigen Steuerpflichtigen nur deren Interessensicherung verschreibt. Die Allgemeinheit der Steuerpflicht ist deshalb nicht nur aus dem Gleichheitssatz, sondern auch aus dem Demokratiegedanken heraus zwingend. Wie bei der Wehrpflicht führt die gleichheitswidrige Befreiung einiger vom Zwang zum Ende der Pflicht überhaupt. Eine allgemeine Rechtspflicht ist nur 170 Der Terminus der „verteilungsgerechten Regelungsalternative“ ist von Birk in „Das Leistungsfähigkeitsprinzip als Maßstab der Steuernormen“, S. 243 entwickelt worden. 171 Wer dies bestreitet, dem sei empfohlen, sich etwa mit den Eigenheiten des Fördergebietsgesetzes auseinanderzusetzen, Wewers, Steuerliche Förderinstrumente für die neuen Bundesländer und Berlin; Eisolt, BB 1996, S. 619: „Durch die Neuregelung wird das FörderG insgesamt noch schwerer verständlich, als es dies ohnehin schon war.“ 172 Birk, Das Leistungsfähigkeitsprinzip als Maßstab der Steuernormen, S. 245 (Graphik). 173 Vgl. BFH, Aufforderung an das BMF, dem Verfahren beizutreten, Beschluß v. 24.10.2001, HFR 2002, Nr. 2, S. 117. Allgemein wird mit einer Vorlage verschiedener Vorschriften des Bewertungsrechts an das Bundesverfassungsgericht gerechnet. Mit den Folgen einer Unvereinbarkeits- oder Nichtigerklärung beschäftigen sich von Oertzen/Slabon, DStR 2002, S. 251 f.
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Teil VI: Verfassungsrechtliche Grenzen
dann praktisch durchsetzbar, wenn sie auch befolgt wird. Der Staat muß deshalb nicht nur durch Rechtsnormen, sondern auch durch einen effektiven Verwaltungsaufbau dafür sorgen, daß die allgemeine Rechtspflicht durchgesetzt wird. Mehr als andere Rechtsgebiete setzt das Steuerrecht deshalb seine allgemeine Durchsetzung voraus, und wird durch diese Allgemeinheit selbst definiert. Die Steuer ist allgemeine Abgabe, die Sonderabgabe dient nur dem Interessenkreis einer abgrenzbaren Personengruppe. Die Ertragshoffnungen des Staates allein rechtfertigen eine Steuer nicht, sondern erst der Gedanke der gleichmäßigen Teilhabe am privaten Erfolg zur Finanzierung des Staatswesens ist in der Lage, die durch Verwaltungszwang und Strafvorschriften durchgesetzte Steuerpflicht des einzelnen verfassungsrechtlich zu rechtfertigen.174 Der Allgemeinheit des Zahlungsanspruches des Staates steht ein allgemeiner Anspruch des Steuerpflichtigen auf Teilhabe an der staatlichen Infrastruktur (Rechtswesen, Schulen, etc.) gegenüber, der verfahrensrechtlich in der Haushaltssouveränität des Parlaments seine demokratische Bestimmung erfährt. Die Allgemeinheit des einen Anspruchs ist ohne die Allgemeinheit des anderen nicht denkbar. Gerade steuerliche Vorschriften, die als Erwerbsausgaben (Betriebsausgaben oder Werbungskosten) die Bemessungsgrundlage betreffen, stehen zu diesem auf Allgemeinheit angelegten Steueranspruch in Konflikt. Der eine Steuerpflichtige mag das Steuerrecht gut kennen, dem anderen fehlt es an dieser Kenntnis. Auch besteht bei den Erwerbsausgaben immer die Gefahr, daß private Ausgaben als betriebliche deklariert werden, oder daß der Steuerpflichtige durch die Einreichung gefälschter oder nicht ihm gehörender Belege die Steuerpflicht umgeht. Ob ein Wagen, ein Anzug oder ein Essen privat oder geschäftlich ist, hängt rechtspraktisch nicht nur von dem Lebenssachverhalt, sondern auch von dem Darstellungsgeschick des Steuerpflichtigen ab. Das Steuerrecht versucht deshalb bewußt, die Geltendmachung von gemischt privatgeschäftlichen Aufwendungen zu verhindern.175 174
Vgl. Paul Kirchhof, Der Grundrechtsschutz des Steuerpflichtigen, AöR 2003,
S. 7. 175 Selbst für Ausgrenzung von gemischten Aufwendungen kann das Europarecht Bedeutung haben. So hat der EuGH am 28.10.1999, Rs. C-55/98 (Vestergaard), Slg. 1999, I-7641, 7665 entschieden, daß eine Vermutung des dänischen Rechts, nach der Fortbildungskosten an ausländischen Urlaubsorten im Regelfall privat veranlaßt seien, für gemeinschaftswidrig erklärt wird (Leitsätze): „Artikel 59 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 49 EG) steht der Regelung eines Mitgliedstaats entgegen, wonach für die Bestimmung des zu versteuernden Einkommens vermutet wird, daß Fortbildungsveranstaltungen an üblichen Urlaubsorten in anderen Mitgliedstaaten in so erheblichem Umfang Urlaubszwecken dienen, daß die Ausgaben für die Teilnahme an diesen Veranstaltungen nicht als berufliche Aufwendungen abzugsfähig sind, während für Fortbildungsveranstaltungen an üblichen Urlaubsorten in dem betreffenden Mitgliedstaat eine solche Vermutung nicht gilt. Eine solche Regelung, die den steuerlichen Abzug von Ausgaben für die Teilnahme an Fortbildungsveranstaltungen im Ausland
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Gem. § 12 Nr. 1 S. 2 EStG gehören zu den (nicht von den Einkünften abziehbaren) Beträgen auch die Aufwendungen für die Lebensführung, die die wirtschaftliche oder gesellschaftliche Stellung des Steuerpflichtigen mit sich bringt, auch wenn sie zur Förderung des Berufs oder der Tätigkeit des Steuerpflichtigen erfolgen. R 117 der Einkommensteuerrichtlinien formuliert dies noch „prägnanter“176, läßt sich eine Trennung von Aufwendungen nicht leicht und einwandfrei durchführen oder ist nur schwer erkennbar, ob sie mehr dem Beruf oder der privaten Lebensführung gedient haben, ist der gesamte Betrag nicht abziehbar. Dennoch zeigt sich gerade im Bereich der „gemischten Aufwendungen“, daß die Kenntnis des Steuerpflichtigen über die unübersichtliche Einzelfallrechtsprechung zu § 12 EStG für das rechtspraktische Besteuerungsergebnis von Bedeutung ist. Den Steuerpflichtigen trifft nämlich in bezug auf § 12 EStG die „Feststellungslast“177, die weit überwiegend berufliche Veranlassung nachzuweisen. Ist er sprachlich oder juristisch nicht dazu in der Lage, wird es ihm nicht gelingen, seiner Feststellungslast nachzukommen. Aus diesem einfachrechtlichen Befund folgt für die verfassungsrechtliche Perspektive, daß gerade bei der Bemessung der Erwerbsaufwendung die Gesetzestechnik der Typisierung erforderlich ist, um ein Gleichmaß des Besteuerungserfolges sicher zu stellen. Ein Steuerrecht, das mit einer Vielzahl unterschiedlicher Abschreibungstatbeständen teils den Steuerpflichtigen zum Subventionsangebot auffordert, teils versucht, den Anschaffungsaufwand richtig zu verteilen, fordert den Steuerpflichtigen auf, sich zu „verbeugen“ und zu „verbiegen“ und untergräbt so den eigenen Geltungsanspruch.178 Erwerbsausgaben beruhen auf freier Einkommensverwendung; anders als zwangsläufiger, pflichtbestimmter Aufwand (Erziehungsaufwand, Existenzminimum) können sie vom Steuerpflichtigen auch bewußt eingesetzt werden, um seine Steuerpflicht zu mindern. Diese Freiheit in der Disposition verleitet dazu, insbesondere für Erwerbsausgaben auf eine weitreichende Typisierungskompetenz des Gesetzgebers zu schließen. Dieser Gedankengang liegt auch dem ersten Leitsatz einer neueren Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zugrunde, BVerfGE 4.12.2002, 2 BvR 400/98, 2 BvR 1735/00, DStR 2003, 633: schwieriger macht als den von Ausgaben für solche Veranstaltungen in dem betreffenden Mitgliedstaat, enthält nämlich eine Ungleichbehandlung je nach dem Ort der Erbringung der Dienstleistung, die weder durch die Notwendigkeit, die Kohärenz des Steuersystems zu wahren, noch durch das Erfordernis wirksamer Steuerkontrollen gerechtfertigt ist.“ 176 Vgl. Fischer in Kirchhof, EStG § 12 Rn. 3. 177 Fischer in Kirchhof, EStG § 12 Rn. 4. 178 Paul Kirchhof, Der Grundrechtsschutz des Steuerpflichtigen, AöR 2003, S. 12.
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„Für die verfassungsrechtlich gebotene Einkommensbesteuerung nach finanzieller Leistungsfähigkeit kommt es auch auf die Unterscheidung zwischen freier oder beliebiger Einkommensverwendung einerseits und zwangsläufigem, pflichtbestimmtem Aufwand andererseits an.“
Selbst im Bereich des „zwangsläufigen Aufwandes“ hat das Bundesverfassungsgericht eine Regelung für verfassungsmäßig gehalten, die den abziehbaren Unterhalt typisierend begrenzte. In dem entschiedenen Fall ging es um § 33a EStG, der für „zwangsläufigen“ Unterhaltsaufwand einen Abzug vom Gesamtbetrag der Einkünfte ermöglichte. Insbesondere bei in Deutschland lebenden Gastarbeitern stellte sich die Frage, wie hoch der „zwangsläufig“ Unterhaltsaufwand war, den diese ihren Familienangehörigen in anderen Ländern zukommen ließen. Um die verschiedenen Lebenshaltungskosten zu berücksichtigen, wurden in einem gemeinsamen Erlaß des BMF und der Länderfinanzminister die Länder in drei Gruppen eingeteilt. Ein Gastarbeiter wehrte sich – auch vor dem Bundesverfassungsgericht vergeblich – gegen die typisierte Bemessung des Unterhaltsaufwandes:179 Ferner darf der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung der Gesetze, vor allem bei der Ordnung von Massenerscheinungen, generalisierende, typisierende und pauschalierende Regelungen verwenden (vgl. BVerfGE 11, 245 (254); 17, 1 (23); 21, 12 (27); 63, 119 (128); 71, 146 (157); st. Rspr.). Er ist berechtigt, von dem Gesamtbild auszugehen, das sich aus den vorliegenden Erfahrungen ergibt [vgl. BVerfGE 11, 245 (254)]. (. . .) Es verstößt nicht gegen das Grundgesetz, daß Steuerverwaltung und Gerichte im vorliegenden Falle keine vollständige Prüfung des Einzelfalles vorgenommen, sondern sich auf eine nach Ländergruppen typisierende Betrachtung beschränkt haben. Bei den Unterhaltsleistungen ins Ausland handelt es sich um eine jener Massenerscheinungen, die ein typisierendes und pauschalierendes Vorgehen von Gesetzgeber und Verwaltung rechtfertigen. Dieses erweist sich auch deshalb als unumgänglich und daher zulässig, weil es angesichts der weiten Entfernungen und der höchst unterschiedlichen Verhältnisse in den einzelnen Ländern schlechthin unmöglich wäre, wirklich an den Besonderheiten des Einzelfalles ausgerichtete Ermittlungen durchzuführen. Eine Aufklärung durch Einschaltung der deutschen Botschaften würde entgegen den Vorstellungen der Beschwerdeführer und der kirchlichen Wohlfahrtsverbände zu keiner hinreichenden Lösung dieses Problems führen. Es mag bereits zweifelhaft sein, ob nach einfachem Gesetzesrecht (vgl. § 90 Abs. 2 AO) die Verwaltung oder der Beschwerdeführer zur Beschaffung der erforderlichen Unterlagen verpflichtet wäre. Spätestens im finanzgerichtlichen Verfahren träte bei einer Mitwirkung der Botschaften, die ja lediglich Behörden sind, jedenfalls die Frage auf, ob, in welchem Umfang und aufgrund welcher Tatsachen das Gericht die ihm vorgelegten Auskünfte und Berechnungen zu überprüfen und gegebenenfalls durch andere zu ersetzen hätte. (. . .)
179
BVerfGE 78, 214 (226).
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Das Steuerrecht weist überdies Besonderheiten auf, die dieses Ergebnis zusätzlich untermauern. Auf der einen Seite ist es sowohl im Interesse der Steuerpflichtigen als auch der staatlichen Finanzwirtschaft auf einen möglichst raschen Gesetzesvollzug angelegt; langjährige Prüfungen der steuerpflichtigen Tatbestände müssen schon aus praktischen Gründen die Ausnahme bleiben. Andererseits ist es eine berechtigte Überlegung, daß eine Beweiserhebung im Einzelfall möglichst nicht teurer werden sollte als der jeweils in Rede stehende Steuerbetrag [vgl. BFH, BStBl, II 1986, S. 200 (204)]. Deshalb hat das Bundesverfassungsgericht beispielsweise die weitreichenden Schätzungsbefugnisse der Steuerbehörden (vgl. insbesondere § 162 Abs. 1 AO) verfassungsrechtlich nicht beanstandet. Nichts anderes kann in Fällen wie dem vorliegenden gelten, in denen die Verwaltung durch Bildung von Fallgruppen einen möglichst gleichmäßigen Gesetzesvollzug sicherzustellen versucht.
Deshalb ist die im Einzelfall vorliegende Nichterfassung von Erwerbsausgaben verfassungsrechtlich gerechtfertigt. Dies gilt um so mehr, je freiwilliger die Ausgaben einzustufen waren. Bei einer streng individualisierten Steuerbemessung müßte mit großem Aufwand eine Verwaltung zur Prüfung der vom Steuerpflichtigen vorgebrachten Angaben unterhalten werden, ein Vorgang, der sowohl bei dem Steuerpflichtigen als auch beim Staat unnötigerweise Ressourcen bindet und Freiheitsräume des einzelnen bei der Erklärung und Nachprüfung in Anspruch nimmt. Aus der Allgemeinheit der Steuerpflicht folgert deshalb, daß der Gesetzgeber gerade für Erwerbsausgaben nicht nur typisieren darf, sondern daß er typisieren soll. Dieser verfassungsrechtliche Befund ist durchaus mit einer „Soll-Vorschrift“ des Verwaltungsrecht vergleichbar. Im Regelfall soll der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung des Steuerrechts typisieren, nur im Ausnahmefall darf er von der typisierenden Betrachtungsweise zu einer Einzelfallbetrachtungsweise übergehen. Anderenfalls ist der Steuergesetzgeber selbst Ursache des ungleichen Belastungserfolgs und muß sich diesen zurechnen lassen.180 Der Begriff der Typisierung ist hier weit zu verstehen. Er verlangt eine vereinfachte, typisierende Bemessung bei der Ausgestaltung des gesamten Steuersystems, bezieht sich deshalb nicht nur auf die einzelne Steuervorschrift, sondern verbietet auch eine Undurchsichtigkeit des Steuerrechts durch eine zu 180 Vgl. BVerfGE 84, 239 – Zinsbesteuerung – (269): „Die Steuer ist eine Gemeinlast, die alle Inländer trifft; sie werden zur Finanzierung der allgemeinen Staatsaufgaben herangezogen. Der Staat greift dabei – ohne individuelle Gegenleistung – auf das Vermögen des Einzelnen zu, indem er ihm die Pflicht auferlegt, von dem Seinigen etwas abzugeben. Der darin liegende Eingriff in die Vermögens- und Rechtssphäre des Steuerpflichtigen gewinnt seine Rechtfertigung auch und gerade aus der Gleichheit der Lastenzuteilung. Dadurch unterscheiden sich Gemeinlasten von anderen staatlichen Eingriffen. Im Steuerrecht müssen von Verfassungs wegen sowohl die steuerbegründenden Vorschriften als auch die Regelungen ihrer Anwendung dem Prinzip einer möglichst gleichmäßigen Belastung des Steuerpflichtigen besonders sorgfältig Rechnung tragen (vgl. BVerfGE 35, 324 (335) m. w. N.).“
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große Vielzahl von nicht mehr aufeinander abgestimmten Vorschriften. Das Verfassungsrecht erfaßt insofern Ungleichbehandlungen durch Maßnahmen gleich welcher Art (vgl. Art. 87 I EGV). Ob sich der Verstoß gegen die Allgemeinheit im Belastungserfolg aus einer einzelnen Norm ergibt, oder sich aus der allzu großen Vielzahl an nicht aufeinander abgestimmten Besteuerungsgeboten, ist aus Sicht des Gleichheitssatzes unerheblich. Diese gleichheitsrechtliche Ableitung des Typisierungsgebots wird durch die rechtsstaatlichen Anforderungen des Bestimmtheitsgebotes bekräftigt. Für das Bestimmtheitsgebot formuliert Maurer:181 „Das Bestimmtheitsgebot gilt im übrigen nicht nur für die einzelnen Rechtsnormen, sondern für die gesamte Rechtsordnung, in der die einzelnen Rechtsnormen stehen; sie muß übersichtlich, in sich stimmig und widerspruchsfrei sein.“
Aus der Verfassung leitet sich demnach sowohl aus der grundrechtlichen Perspektive (Art. 3 I, 19 II GG), als auch aus rechtsstaatlich-institutionellen Gesichtspunkten (Art. 20 III; 19 II GG) ab, daß der Steuergesetzgeber typisieren „soll.“ Diese Typisierungsbefugnis gilt nicht nur für die Bemessung des Erwerbsaufwandes, sondern auch für die Bemessung des Einkommens selbst. Nach geltendem Recht mißt der Gesetzgeber den Gewinn bei Handelsschiffen im internationalen Verkehr pauschalisierend durch Tonnagebesteuerung (§ 5a EStG) und bei Landwirten durch Vieheinheiten (§ 13 EStG). Auch bei der Bemessung der positiven Leistungsfähigkeit durch pauschalisierende Berechnungsmethoden muß der Gesetzgeber jedoch bemüht sein, das Einkommen realitätsgerecht zu bemessen. Beide eben zitierten Vorschriften bemessen das Einkommen jedoch nur unzureichend und sind deshalb verfassungsrechtlich wie europarechtlich bedenklich.182 Die typisierende Bemessung des Einkommens hat den volkswirtschaftlichen Vorteil, daß sie das Erwerbsstreben des Steuerpflichtigen weniger hemmt, als eine tatsächliche Bemessung des Leistungserfolges. Ein Landwirt zum Beispiel weiß, daß seine Besteuerung unabhängig von seinem tatsächlichen Gewinn nach der Größe seines Viehbestandes bemessen wird. Er unterscheidet sich darin von anderen Unternehmern, die den Grenzsteuersatz in ihre Überlegungen einbeziehen werden, wieviel sie sich zum Erwerb steuerpflichtigen Einkommens anstrengen werden. Insbesondere bei einer staatlichen Beteiligung am freiheitlich erworbenen Leistungserfolg in Höhe von mehr als 50% ist auch der Prohibitiveffekt der Steuer verfassungsrechtlich bedenklich.
181 182
Rn. 1.
Maurer, Staatsrecht, S. 230 Rn. 48. Gosch in Kirchhof, EStG § 5a Rn. 1; vgl. Jachmann in Kirchhof, EStG § 13
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Daraus folgt, daß gerade bei Einkommensgrenzen, in denen sich der Prohibitiveffekt der individuellen Leistungsfähigkeitsbemessung vollständig auswirkt (d.h. Spitzeneinkommen und Einkommensgruppen knapp oberhalb der sozialen Absicherung) die typisierende Bemessung der Leistungsfähigkeit zulässig ist. Zusammenfassend folgt aus dem Grundgesetz danach sowohl für die einkommensbemessenden als auch für die erwerbsaufwandsbemessenden Steuervorschriften, daß der Gesetzgeber typisieren soll. Die Typisierung im Steuerwesen ist damit nicht nur im Ergebnis gerechtfertigt, sondern geradezu vom Ansatz her geboten. In Massenverfahren wie denen des Steuerrechts kann nur die typisierende Bemessung des Realität eine Gleichheit in der Rechtsanwendung erreichen. Die Allgemeinheit von Gesetzen (Art. 19 II GG) erlangt hier ihre besondere gleichheitssichernde Bedeutung. Art. 19 II S. 1 GG verlangt: „Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten.“
Entstehungsgeschichtlich und gesetzessystematisch steht bei Art. 19 II S. 1 GG die Grundrechtssicherung durch rechtsstaatliche Gleichbehandlung im Vordergrund vor einer gewaltentrennenden Zielrichtung.183 Ein Einzelfallgesetz liegt nämlich nicht nur vor, wenn der Gesetzgeber den Adressatenkreis personell kennzeichnet, sondern auch wenn er den Tatbestand der Rechtsnorm zwar abstrakt-generell umschreibt, jedoch so, daß der Gesetzgeber damit ausschließlich eine bestimmte Gruppe von Einzelfällen regeln wollte. Ein derartiges „verdecktes“ Individualgesetz verletzt Art. 19 II GG. Zwar will Denninger aus dem Sozialstaatsprinzip einen notwendigen Funktionswandel des Gesetzgebers ableiten. Der Gesetzgeber soll danach „zur permanenten Verwirklichung materialer Gerechtigkeit aufgerufen“ sein, zu „immer feinmaschigeren Gruppendifferenzierungen“: [Der Funktionswandel führe dazu, daß der Gesetzgeber zu] „Begünstigungen hier, Belastungen dort fortschreitet.“184 Damit verkennt Denninger jedoch, daß übermäßige Differenzierungen Massenverfahren wie die des Steuerrechts oder des Sozialrechts inhaltlich überfordern können, so daß dem einzelnen mit der Differenzierung zwar „geholfen“ sein mag, im Gesamtergebnis dadurch jedoch ein gleichheitswidriger Erfolg erreicht wird. Vielleicht ist Denninger jedoch insofern zuzustimmen, daß tendenziell das Sozialrecht größere Differenzierungen vom Gesetzgeber abverlangt, als das Steuerrecht. Während das Sozialrecht mit dem Anspruch auf Schutz der Men-
183 184
Denninger in AK, Art. 19 GG, Rn. 11. Denninger in AK, Art. 19 GG, Rn. 13.
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schenwürde verknüpft ist185 und so auch im Vergabeverfahren einen stärkeren Bezug zu den Bedürfnissen des Individuums verlangt, ist das Steuerrecht kein primär auf Ermöglichung von Menschenwürde angelegtes Verwaltungsverfahren. Während es im Sozialrecht um die Ermöglichung von Freiheit geht, ist das Steuerrecht auf eine Teilhabe des Staates an der ausgeübten wirtschaftlichen Freiheit des Steuerpflichtigen gerichtet. Aus dieser unterschiedlichen Zielrichtung folgt eine unterschiedliche Stärke des Typisierungsgebotes zwischen Steuerrecht und Sozialrecht. Steuerstaat und Sozialstaat sind jedoch inhaltlich und rechtspraktisch miteinander verknüpft. Die Funktionsfähigkeit beider Verwaltungsstränge kann nicht getrennt voneinander betrachtet werden, die stärkere Typisierung des Steuerrechts ist deshalb nicht nur erforderlich, um die Gleichheit im Belastungserfolg herzustellen, sondern auch um das Sozialstaatsgebot rechtspraktisch zu verwirklichen. Steuern sind das wichtigste monetäre Mittel zur Verwirklichung des Sozialstaats.186 Paul Kirchhof unterscheidet dogmatisch zwischen Rechtssetzungs- und Rechtsanwendungsgleichheit. Dem Gleichheitssatz ist nur gedient, – so die Prämisse Kirchhofs – wenn beide Formen im Ergebnis einen gleichheitsrechtlich akzeptablen Erfolg bewirken. Rechtssetzungsgleichheit und Rechtsanwendungsgleichheit würden „ineinander greifen.“187 Praktikabilitätserwägungen seien kein Gegensatz zum Gleichheitssatz, sondern befolgten die Anforderungen einer auf die Rechtssetzungsgleichheit aufbauenden Rechtsanwendungsgleichheit.188 Deutlich wird diese Argumentationsweise, wenn man sich eine Steuernorm vorstellt, die in der Rechtsfolge Ermessen gewährt. Die Gefahr einer Ungleichheit in der Rechtsanwendung ist offensichtlich. Die Rechtsanwendungsmöglichkeit zu (gleichheitsrechtlich erwünschten) Differenzierungen ist gleichzeitig eine (gleichheitsrechtlich unerwünschte) Möglichkeit zu Diskriminierungen oder Bevorzugungen. Die Praktikabilität ist damit selbst Ziel des Gleichheitssatzes ohne Ansehung der Person, so daß Kirchhof zu dem Ergebnis kommt, daß der Gleichheitssatz bei Massenverwaltungen vermehrt Standardisierungen nahe legt.189 Jedenfalls bei Massenerscheinungen besteht nach beiden Ansätzen im Ergebnis ein weiter Typisierungsraum des Gesetzgebers. Wer – wie gelegentlich das Bundesverfassungsgericht – die Rechtfertigung der typisierten und pauschalisierten Bemessung der Abzüge allein durch die 185 Broß, Daseinsvorsorge – Wettbewerb – Gemeinschaftsrecht, JZ 2003, 875; Denninger in AK, Art. 1 GG, Rn. 25. 186 Denninger in AK, Art. 20 GG, Rn. 89. 187 Paul Kirchhof, Der allgemeine Gleichheitssatz, HStR: Band V, § 124, Rn. 300. 188 Paul Kirchhof, Der allgemeine Gleichheitssatz, HStR: Band V, § 124, Rn. 301. 189 Paul Kirchhof, Der allgemeine Gleichheitssatz, HStR: Band V, § 124, Rn. 300, 301.
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„Verwaltungspraktikabilität“ rechtfertigt190, wähnt sich hingegen unter Umständen unter einem mißverstandenen, gleichheitsrechtlichen Rechtfertigungszwang. Eine Rechtfertigung aus Gründen der Verwaltungspraktikabilität macht nämlich nicht hinreichend deutlich, daß Typisierung das Mittel par excellence zur Erreichung eines gleichheitsgerechten Besteuerungserfolges darstellt. II. Art. 3 I GG als allgemeiner Gerechtigkeitsgrundsatz Förderabschreibungstatbestände könnten auch gegen Art. 3 I GG in seiner Ausprägung als allgemeiner Gerechtigkeitsgrundsatz verstoßen. Zum Teil wird vertreten, aus Art. 3 I GG folge ein allgemeines Willkürverbot und das Gebot der Folgerichtigkeit und Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung. In Erwägung zu ziehen ist deshalb, ob den Förderabschreibungstatbeständen über ein allgemeines Willkürverbot (1.) oder das Gebot der Folgerichtigkeit und Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung (2.) Grenzen gezogen sind. 1. Allgemeines Willkürverbot Außerhalb einer Vergleichssituation gilt das vergleichsbezogene Willkürverbot fort, ist es nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts nach wie vor aus Art. 3 I GG ableitbar.191 Das Bundesverfassungsgericht hat sich dabei insbesondere dann des Willkürverbots bedient, wenn es Rechtsanwendungsfehler der Gerichte ahnden wollte. Trotz der Bezugnahme auf Art. 3 I GG bezeichnet das Bundesverfassungsgericht das Willkürverbot in derartigen Fallgestaltungen als „allgemeinen rechtsstaatlichen Grundsatz“192. Diese sprachliche Unklarheit – Ableitung aus Art. 3 I oder 20 III GG ? – zeigt, daß Art. 3 I GG in vergleichsunabhängigen Situationen der falsche Ansatzpunkt ist, um ein Willkürverbot festzulegen. Die Loslösung der Willkürformel von der Vergleichssituation (unter Anführung von Art. 3 I GG) wird deshalb zurecht kritisiert. Die Loslösung des Willkürbegriffs von der Dogmatik des Art. 3 I GG verstoße gegen alle methodischen Regeln der Verfassungsinterpretation.193 Die Anbindung an Art. 3 I GG sei nicht notwendig, da das Auffanggrundrecht des Art. 2 I GG willkürlicher Rechtsanwendung entgegensteht.194 190 BVerfG Beschluß vom 23.10.1996 – Verfassungsmäßigkeit der Berücksichtigung von Pflegeversicherungsbeitrag sowie Solidaritätszuschlag bei arbeitsförderungsrechtlichen Lohnersatzleistungen, DStR 1997, S. 425. 191 BVerfGE 69, 161 (168). 192 BVerfGE 69, 161 (169). 193 Huster, Rechte und Ziele, S. 51. 194 Huster, Rechte und Ziele, S. 51.
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Die Fundamentalkritik, die Loslösung verstoße gegen alle methodischen Regeln, ist jedoch überzogen. Die Willkürformel bei vergleichsabhängigen Situationen beruhte ursprünglich auf dem Gedanken der Kompetenzabgrenzung zwischen Legislative und Verfassungsgericht. Dieser Gedanke der Kompetenzabgrenzung scheint aber in ähnlicher Weise für das Verhältnis zwischen einfachen Gerichten und dem Verfassungsgericht nahezuliegen.195 Die Spannungssituation zwischen den Kontrollbefugnissen des Verfassungsgerichts und dem Interpretationsvorbehalt des einfachen Rechts bei den Fachgerichten hat das Bundesverfassungsgericht – aus seiner Sicht nachvollziehbar – deshalb mit der bekannten Figur der Willkürformel gelöst. Dies klingt sehr deutlich in BVerfGE 70, 93 (97) an: „Selbst eine zweifelsfrei fehlerhafte Anwendung einfachen Rechts begründet noch keinen Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz. Hinzukommen muß vielmehr, daß die fehlerhafte Rechtsanwendung unter Berücksichtigung der das Grundgesetz beherrschenden Gedanken nicht mehr verständlich ist und sich daher der Schluß aufdrängt, daß sie auf sachfremden Erwägungen beruht.“196
Ein Willkürverbot in vergleichsunabhängigen Situationen hat mit dem Wortlaut des Art. 3 I GG nichts mehr zu tun. Es ist deshalb wohl überzeugender, das Willkürverbot an Art. 2 I oder 20 III GG197 festzumachen. Die Nähe eines allgemeinen Willkürverbots zum Rechtsstaatsprinzip zeigt sich auch daran, daß der rechtsstaatliche Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zunächst nach dem legitimen Zweck fragt. In anderen Worten, es muß auch bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung einen sachlichen Grund geben, dessen Verfolgung mit der Beeinträchtigung des entsprechenden Rechtsguts abgewogen werden muß. Dieses generelles Gebot, der Staat dürfe keine illegitimen (unsachlichen) Ziele verfolgen, ergibt sich aus der dienenden Funktion des Staates an sich.198 Im Entwurf von Herrenchiemsee hieß es deshalb in Art. 1 I GG: „Der Staat ist um des Menschen willen da, nicht der Staat um des Staates willen.“199 Folgt man allerdings dem Bundesverfassungsgericht in seiner Herleitung eines allgemeinen Willkürverbots aus Art. 3 I GG, so ist der Inhalt des Willkürverbots fraglich. 195 Auf diesen Zusammenhang weist auch das Gericht selbst hin, BVerfGE 55, 72 (89): „Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts erschöpft sich allerdings der Gleichheitssatz nicht in dem Verbot einer ungerechtfertigten Ungleichbehandlung von Normadressaten. Vielmehr kommt in ihm ein Willkürverbot als fundamentales Rechtsprinzip zum Ausdruck, das nicht nur der Rechtsprechung, sondern auch der Gesetzgebung gewisse äußerste Grenzen setzt.“ 196 Vgl. ähnlich BVerfGE 65, 317 (322), 66, 199 (206). 197 Sachs, JuS 1997, S. 125, Rn. 2; für eine Herleitung aus Art. 20 III GG auch Zuck, MDR 1986, S. 724; Jarass hingegen, in Jarass/Pieroth, Art. 3 Rn. 1, sieht das allgemeine Willkürverbot auch dort als Teil des Art. 3 I GG an; vgl. BVerfGE 23, 98 (106); 78, 232 (248). 198 Vgl. Huster, Rechte und Ziele, S. 96. 199 Jarass/Pierot – Jarass, Art. 1 GG Rn. 1.
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Inhaltlich sollen sich die Schranken des Willkürverbots nicht abstrakt erschließen lassen. Erst wenn Gesetzlichkeiten, die „in der Sache selbst“ vorliegen, und wenn die fundierten allgemeinen Gerechtigkeitsvorstellungen der Gemeinschaft mißachtet werden, liegt nach Ansicht des Gerichts ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz vor. Die verfassungsgerichtliche Feststellung von Willkür enthalte keinen subjektiven Schuldvorwurf, sondern wolle in einem objektiven Sinne verstanden sein; entscheidend sei die tatsächliche und eindeutige Unangemessenheit einer Maßnahme im Verhältnis zu der Situation, deren sie Herr werden soll.200 Der Gesetzgeber handele nicht schon dann willkürlich, wenn er unter mehreren Lösungen nicht die zweckmäßigste, vernünftigste oder gerechteste gewählt hat, vielmehr nur dann, wenn sich ein sachgerechter Grund für eine gesetzliche Bestimmung nicht finden läßt.201 Zwischenergebnis: Für die Förderabschreibungstatbestände folgt aus diesem Willkürverbot keine erhöhte Prüfungsintensität. Als Ausnahmen von dem gewöhnlichen Abnutzungsaufwand sind Förderabschreibungstatbestände in einen Vergleichsrahmen gestellt, der eine Prüfung des Art. 3 I GG in seiner vergleichsbezogenen Perspektive erforderlich macht. Ein allgemeines Willkürverbot – sei es nun aus Art. 3 I GG oder 20 III GG – führt zu keiner erhöhten Kontrolldichte. 2. Gebot der Folgerichtigkeit und Widerspruchsfreiheit Eine ähnliche Verwandtschaft des Gleichheitssatzes mit rechtsstaatlichen Prinzipien kennzeichnet auch das „Gebot der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung“.202 Systemwidrigkeit203, Widersprüchlichkeit oder fehlende Folgerich200
BVerfGE 69, 161 (169); 70, 93 (97); 62, 189 (192). BVerfGE 55, 72 (90). 202 Leading case für das Gebot der Widerspruchsfreiheit ist wohl die Entscheidung über die Kasseler Verpackungssteuer, BVerfGE 98, 106 (117 ff.); für das Gebot der folgerichtigen Umsetzung der Besteuerungsgrundlagen ist insbesondere das Urteil über die einheitliche Bewertung von Kapital- und Grundvermögen bei der Erbschaftssteuer von Bedeutung, BVerfGE 93, 165 (172 f.); 1. Leitsatz: „Entscheidet sich der Gesetzgeber bei der Erbschaftssteuer für eine gesonderte Bewertung der zu besteuernden Güter, so muß er die einmal getroffene Belastungsentscheidung folgerichtig umsetzen und die Steuerpflichtigen – ungeachtet verfassungsrechtlich zulässiger Differenzierungen – gleichmäßig belasten.“ 203 Noch sehr vorsichtig formuliert das Bundesverfassungsgericht – Umsatzsteuersatz für Schallplatten –, BVerfGE 36, 321 ff. (336 f.): „Die Beschwerdeführerinnen meinen, dem Umsatzsteuergesetz den Grundsatz entnehmen zu können, daß Leistungen und Lieferungen im gesamten Kulturbereich nur mit dem halben Steuersatz belegt werden sollten. Sie sehen hierin eine „vom Gesetz selbst statuierte Sachgesetzlichkeit“ (vgl. BVerfGE 34, 103, 115 m. w. N.), von der nur mit gewichtigen Gründen abgewichen werden dürfe, die nicht vorlägen. Die Rüge geht jedoch schon deshalb fehl, weil es nicht möglich ist, den enumerativ angeführten Steuerbefreiungen und Steuerbegünstigungen in den §§ 4 und 12 II UStG 201
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tigkeit kann eine Verletzung von Art. 3 I GG (nach a. A. Art. 2 I i.V. m. 20 III GG) begründen. Viele verstehen den Grundsatz der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung als Ausdruck des Rechtsstaatsprinzips204, einige als Ausdruck des Gleichheitssatzes205. Jarass hat zur terminologischen Klarheit beigetragen, indem er den „Normwiderspruch“ vom „Wertungswiderspruch“ unterscheidet.206 Ein Normwiderspruch liegt vor, wenn zwei Regelungen an denselben Tatbestand zwei miteinander nicht zu vereinbarende Rechtsfolgen knüpfen. Er nennt dafür das Beispiel, daß eine Baumschutzsatzung das Fällen von Bäumen verbietet, das private Nachbarrecht dem Nachbarn aber einen Anspruch auf Beseitigen der Bäume an der Grundstücksgrenze einräumt. In diesem Fall kann der Bürger nicht handeln, ohne gegen eine Regelung zu verstoßen. Ist ihm dies zwar möglich, stehen die Wertungen zweier Regelungen aber in einem teleologischen Widerspruch – wie im Fall der Kasseler Verpackungssteuer – spricht Jarass von einem „Wertungswiderspruch“, von einer „Divergenz“. Die neuere Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts führt zu einer Verschärfung der verfassungsgerichtlichen Kontrolle im Bereich der Normdivergenz. Gänzlich unbestritten ist das Gebot der Folgerichtigkeit im Bereich des Normwiderspruchs. Das Gebot der Folgerichtigkeit und Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung geht von dem Axiom der Einheit der Rechtsordnung aus.207 Welche Perspektive für die Frage nach der Einheit der „Rechtsordnung“ einzunehmen ist, hängt von dem jeweiligen Rechtsproblem ab. So kann es mal auf die „Einheit der Rechtsordnung“ innerhalb eines Steuergesetzes ankommen, mal auf die größere Perspektive der folgerichtigen Besteuerung einer einheitlichen 1967 ein geschlossenes System der Begünstigung zu entnehmen. (. . .) Eine Zusammenschau aller Steuerbegünstigungs- und Steuerbefreiungsvorschriften in den §§ 4 und 12 II UStG läßt danach keinen einheitlichen Plan des Gesetzgebers bei der Verteilung der Steuervergünstigungen erkennen.“ Es läßt die Frage, ob ein Anspruch auf Systembefolgung besteht, offen, indem es ausführt, daß „schon“ kein derartiges System erkannt werden könne. 204 So wohl der zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts in BVerfGE 98, 106 (119): Die dargelegten „rechtsstaatlichen Vorgaben begründen im Rahmen der bundesstaatlichen Ordnung der Gesetzgebungskompetenzen zugleich Schranken der Kompetenzausübung.“ Diese Interpretation der Entscheidung wird auch von Jarass vertreten, Die Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung als verfassungsrechtliche Vorgabe, AöR 2001, S. 591. 205 Paul Kirchhof, Die Verschiedenheit der Menschen und die Gleichheit vor dem Gesetz, S. 41 Rn. 5. 206 Jarass, Die Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung als verfassungsrechtliche Vorgabe, AöR 2001, S. 592. 207 Paul Kirchhof, Die Kunst der Steuergesetzgebung, NJW 1987, S. 3221: „Die Einheit der Rechtsordnung fordert eine widerspruchsfreie, aber nach dem jeweiligen Regelungsstand differenzierende Gesetzgebung.“
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Quelle steuerlicher Leistungsfähigkeit (etwa Folgerichtigkeit bei der Besteuerung der Quelle: Vermögen) oder sogar auf die Makroperspektive eines Sachproblems (z. B. konsequente Regelung des Abfallrechts). Da es sich um ein verfassungsrechtliches Axiom handelt, ist der Verfassungsjurist bei seiner Anwendung nicht an die einfachgesetzlichen Festlegungen des Steuergesetzgebers gebunden.208 An den Bürger dürfen durch Teilrechtsordnungen keine widersprüchlichen Verhaltensaufforderungen geknüpft werden. Im Konflikt zwischen Steuerrecht und sonstigem Recht wird ein Widerspruch angenommen, wenn die Abgabenregelung der „Gesamtkonzeption“ der sachlichen Regelung oder deren „konkreten Einzelregelungen“ widerspricht.209 Über diesen mehr konkurrenzorientierten Anwendungsbereich des Gebotes der Widerspruchsfreiheit hinaus richtet es sich jedoch auch gegen Widersprüchlichkeiten ein und desselben Gesetzgebers. Paul Kirchhof formuliert deshalb: „Das Gebot der Folgerichtigkeit gilt für das Zusammenwirken der einzelnen Teilrechtsordnungen, aber auch innerhalb einer Teilrechtsordnung und sodann innerhalb eines einzelnen Gesetzes.“210
Die mangelnde logische Konsequenz begründet einen Mangel, der zur Verfassungswidrigkeit der entsprechenden Regelung führt. Das Gebot der folgerichtigen Umsetzung der einmal getroffenen Entscheidung trifft auch den Gesetzesvollzug und die Rechtsprechung.211 Das Gebot der Widerspruchsfreiheit zielt in seiner praktischen Anwendung gerade auch auf den Steuergesetzgeber, weil dem Steuergesetzgeber, anders etwa als dem Gesetzgeber für Gefahrenabwehr, vorgefundene Maßstäbe durch die Wirklichkeit vorgegeben sind.212 Der Steuergesetzgeber ist deshalb mehr als andere Gesetzgeber an seinen selbst erfundenen Maßstab gebunden. Auch wird das Steuerrecht mehr als andere Rechtsbereiche von Interessengruppen beeinflußt. Jede Steuernorm hat eine mathematische Rechtsfolge. Im Gesetzgebungsverfahren sind deshalb so viele Kompromisse denkbar, wie eine Summe teilbar ist. Das Steuerrecht als den Nettogewinn beeinflussende Variante ist deshalb stärker als andere Bereiche des Rechts den Einflüssen von Interessensvertretern ausgesetzt. Die Unsystematik des deutschen Steuerrechts ist nicht neu. Schon 1973 stellte Tipke fest, daß „die unsystematischen Steuern von heute nicht nur das Ergebnis historischer und sachlicher Fehlentwicklungen sind, sondern auch das Ergebnis der größten Anstrengungen, sie von anderen 208
Vgl. Tipke, Über die Einheit der Rechtsordnung, S. 749. BVerfGE 98, 106 (119); Jarass, Die Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung als verfassungsrechtliche Vorgabe, AöR 2001, S. 591. 210 Paul Kirchhof, StuW 2000, S. 322. 211 BVerfGE 101, 151 (154). 212 Ähnlich Paul Kirchhof, StuW 2000, S. 322. 209
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zahlen zu lassen.“213 Angesichts der Gefahr von lobbyistischen Wahlgeschenken forderte Tipke schon damals eine strengere Kontrolle durch die Judikative. Der Richter dürfe und müsse „prüfen, ob der Gesetzgeber das, was er selbst zum Prinzip erhoben hat, konsequent durchgeführt hat oder ob ihm (. . .) Gleichheitsverstöße unterlaufen sind.“214 Klarer noch formuliert dies Birk: „Mit der Einführung der Einkommensteuer hat sich der Gesetzgeber aber in einem wichtigen rechtlichen Teilbereich für eine Differenzierung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit entschieden. Damit entfaltet sich der Gleichheitssatz in seiner Funktion formaler Rechtsgleichheit. Von der einmal getroffenen Entscheidung für ein maßgebliches Differenzierungskriterium sollen alle gleich betroffen sein; d.h. der Gesetzgeber ist an die systematischen Grundlagen seiner von ihm geschaffenen gesetzlichen Regelung bei Änderung und Novellierung des Gesetzes gebunden. (. . .) Über dieses sich aus dem Gleichheitssatz ergebende Gebot der Systemgerechtigkeit oder Systemtreue kommt man zu einer verfassungsrechtlichen Bindung des Gesetzgebers an das Leistungsfähigkeitsprinzip in den Rechtsbereichen, in denen er – wie etwa im Einkommensteuerrecht – das Leistungsfähigkeitsprinzip zum grundlegenden Strukturprinzip erhoben hat.“215
Herleitung und Reichweite eines Prinzips der Folgerichtigkeit und Widerspruchsfreiheit sind noch nicht endgültig geklärt. So könnte man einwenden, diese Argumentationsstruktur beruhe auf „unsicherem Boden.“216 Es gehe nicht an, über den Gleichheitssatz bestimmten Teilen des einfachen Rechts einen quasi-verfassungsrechtlichen Rang zu verleihen.217 Eine Selbstbindung der einfachen Gesetzgebung sei nur schwer mit dem Prinzip zu vereinbaren, daß das jüngere Gesetz dem älteren vorgeht.218 Während für die Verwaltung die Ermessens-Selbstbindung über Art. 3 I GG anerkannt ist, wirkt für viele eine ParallelVorstellung auch für den Gesetzgeber befremdlich. Das legt es jedenfalls nahe, ein „judicial self-restraint“ bei seiner Anwendung zu verlangen.219 Obwohl die Inkonsequenz des Steuerrechts Ausgangspunkt dieser dogmatischen Figur zu sein scheint, ist es eben diese Widersprüchlichkeit des Steuergesetzgebers, die 213
Tipke, BB 1973, 157. Tipke, BB 1973, 158. 215 Birk, Das Leistungsfähigkeitsprinzip als Maßstab der Steuernormen, S. 159, 160. 216 Birk, Das Leistungsfähigkeitsprinzip als Maßstab der Steuernormen, S. 160. 217 Rodi etwa formuliert: „Das Rechtsstaatsprinzip als „Verfassungsprinzip“ vermag eine solche weittragende Konsequenz nicht zu stützen. (. . .) Der unmittelbar demokratisch legitimierte Steuergesetzgeber hätte insoweit zugunsten des BVerfG abzutreten.“; Rodi, Steuer und Wirtschaft, 1999, S. 110. 218 Auf dieses Problem weist auch das Gericht selbst hin: „Welche der einen Widerspruch begründenden Regelungen zu weichen hat, bestimmt sich grundsätzlich nach dem Rang, der Zeitenfolge und der Spezialität der Regelungen.“ BVerfGE 98, 106 (119). 219 So auch Jarass, Die Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung als verfassungsrechtliche Vorgabe, AöR 2001, S. 601. 214
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Birk an der Sichtbarkeit der Differenzierungsentscheidung zu Gunsten des Merkmals der Leistungsfähigkeit zweifeln läßt.220 Meines Erachtens sprechen erheblich mehr Gründe für ein Gebot der Folgerichtigkeit jedenfalls des Steuergesetzgebers, der ohne Vorgaben durch die Wirklichkeit die Steuerwürdigkeit eines Tatbestandes festlegt. Die bereichsspezifische Anwendung des Gleichheitssatzes bedeutet gerade für das Einkommensteuerrecht einen verfassungsrechtlichen Zwang zur Folgerichtigkeit.221 In einer neueren Entscheidung des 2. Senats vom 4. Dezember 2002 (Az. 2 BvR 400/ 98, Leitsätze abgedruckt in DStR 2003, 633–636) hat das Bundesverfassungsgericht das Gebot der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit erneut mit dem Gebot der Folgerichtigkeit verknüpft: „Zwar hat der Gesetzgeber bei der Auswahl des Steuergegenstands und bei der Bestimmung des Steuersatzes einen weitreichenden Entscheidungsspielraum, jedoch muß er unter dem Gebot möglichst gleichmäßiger Belastung aller Steuerpflichtigen bei der Ausgestaltung des steuerrechtlichen Ausgangstatbestands die einmal getroffene Belastungsentscheidung folgerichtig im Sinne der Belastungsgleichheit umsetzen (vgl. BVerfGE 84, 239 [271]; 93, 121 [135], 99, 88 [95], 99, 280 [290], 101, 132 [138];101, 151 [95]; 99, 280 [290]). Dies gilt insbesondere für das Einkommensteuerrecht, das auf die Leistungsfähigkeit des einzelnen Steuerpflichtigen hin angelegt ist (BVerfGE 82, 60 [86], im Anschluß an stRspr).“
Gerade bei Verschonungssubventionen wird der auf Allgemeinheit angelegte Steueranspruch ad absurdum geführt. Diese dem einfachen Recht innewohnende Systemschwäche führt dazu, daß das Gebot der Folgerichtigkeit gerade im Steuerrecht immer wieder verfassungsrechtlich zur Geltung kommt.222 Erkennt man ein Prinzip der Folgerichtigkeit und Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung an, so gilt jedenfalls im Einkommensteuerrecht der Maßstab der Leistungsfähigkeit. Der Gesetzgeber hat im Einkommensteuerrecht die Belastungsentscheidung getroffen, die Markteinnahmen abzüglich des erwerbssichernden und des existenzsichernden Aufwands zu besteuern, eine Festlegung, die das Bundesverfassungsgericht als „Belastungsprinzip“ bezeichnet hat.223 Eine andere gesetzliche Aus220
Birk, Das Leistungsfähigkeitsprinzip als Maßstab der Steuernormen, S. 161. Die Verwandtheit der Gesichtspunkte der Gleichheit und der Folgerichtigkeit liegt auch der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu Grunde, BVerfGE 93, 121 (136): Das Gebot der möglichst gleichmäßigen Belastung aller Steuerpflichtigen beläßt dem Gesetzgeber „zwar bei der Auswahl des Steuergegenstandes und bei der Bestimmung des Steuersatzes einen weitreichenden Entscheidungsspielraum. Bei der Ausgestaltung des Ausgangstatbestandes hat er die einmal getroffene Belastungsentscheidung dann aber folgerichtig im Sinne der Belastungsgleichheit umzusetzen.“ 222 Vgl. BVerfGE 84, 239 (271) – Zinsbesteuerung –; 86, 148 (251 f.) – Finanzausgleich –; 87, 153 (170) – Grundfreibetrag –; 93, 121 (136) – Vermögensteuer –; 98, 83 (97 f.) – Landesabfallabgabe –; 98, 106 (118 f.) – Verpackungssteuer –; NJW 2002, 1103 (1105) – Rentenbesteuerung –. 223 BVerfGE – Stellenzulage für Bundes- und Landesbeamten in den neuen Bundesländern – 99, 280 (295). 221
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gestaltung ist inkonsequent. Die Abweichung von diesem Maßstab wird jedoch im selben Atemzug von der vergleichsbezogenen Anwendung des Gleichheitssatzes erfaßt. Die dort gefundenen, strengen Kriterien für die Rechtfertigung einer Maßstabsabweichung finden im Gebot der Folgerichtigkeit ihre Bestätigung. Die im Zusammenhang mit dem Gebot der Folgerichtigkeit gefundenen Ergebnisse stützen die Auffassung, eine strenge Kontrolle subventionsrechtlicher Bestimmungen sei geboten. Insofern liegt es nahe, Art. 3 I GG als einen durch die kumulative Anwendung von Art. 20 III GG verstärkten Rechtssatz zu begreifen. Zwischenergebnis: Der für die vergleichsorientierte Anwendung des Gleichheitssatz gefundene strenge Maßstab der Rechtfertigung findet im Gebot der Folgerichtigkeit seine Bestätigung. III. Zwischenergebnis: Anforderungen gem. Art. 3 I GG an Förderabschreibungstatbestände Förderabschreibungstatbestände zeichnen sich gerade dadurch aus, daß sie nicht der Orientierung an dem Maßstab der Leistungsfähigkeit dienen. Sie enthalten eine normative Ungleichbehandlung. Die Ungleichbehandlung aufgrund von externen Zielen ermöglicht eine „echte“ Verhältnismäßigkeitsprüfung. Die Ungleichbehandlung entfaltet den „Schwellenwert“ des Art. 3 I GG. Zwar ist der Finanzierungsnachteil der Allgemeinheit nicht individuell meßbar; jedoch folgt aus der gemeinsamen Finanzierungsverantwortlichkeit, dem Wesen der Steuer als gleichheitsrechtlich begründetem Gemeinschaftsopfer und der Gefahr der Progressionsumgehung, daß der Gleichheitssatz fundamental beeinträchtigt wird. Eine Verhältnismäßigkeitsprüfung ist demnach geboten. Formal setzt die Abweichung eine „erkennbare Entscheidung des Gesetzgebers voraus, mit dem Instrument der Steuer auch andere als bloße Ertragswirkungen erzielen zu wollen.“224 Der Lenkungszweck muß „tatbestandlich vorgezeichnet“ sein225, weil eine Überprüfung der Norm eine klare Zweckbeschreibung voraussetzt.226 Ein „Nachschieben“ von Gründen für Ungleichheiten außerhalb eines gesetzgeberischen Willensbildungsverfahrens ist nicht möglich.227 Wirkt sich eine bevorzugende Bewertung auf mehrere Steuerarten aus, muß der Subventionseffekt sich hinsichtlich jeder der betroffenen Steuerarten durch das Gemeinwohl228 verfassungsrechtlich rechtfertigen.229
224 BVerfGE 93, 121 (147); mit sehr ähnlichen Formulierungen, vgl. auch BVerfGE 105, 73 (112) – Besteuerung von Pensionen und Renten. 225 BVerfGE 93, 121 (148). 226 Haverkate, Verfassung als Gegenseitigkeitsordnung, S. 293. 227 Paul Kirchhof, Besteuerung im Verfassungsstaat, S. 72.
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B. Art. 12 I GG Förderabschreibungstatbestände entfalten neben ihrer (ungleichen und negativen) Belastungswirkung auch Gestaltungswirkungen. Positiv formuliert kann man sagen, der Steuerpflichtige würde zu einem bestimmten Investitionsverhalten motiviert; in den Worten des Kritikers könnte man formulieren, daß der Staat den Steuerpflichtigen manipuliert. Diese Verhaltensbeeinflussung könnte einen Eingriff in die Berufsfreiheit, die Eigentümerfreiheit oder die allgemeine Handlungsfreiheit des steuerpflichtigen Subventionsempfängers darstellen. Dieser Frage geht der folgende Teil auf der Suche nach verbindlichen Grenzen nach; die Eigenschaft der Grundrechte als gesetzeszielbestimmender Wertmaßstab wird erörtert.230 I. Förderabschreibungstatbestände als erwerbsbezogene Einflußnahme Durch die Steuer hat der Staat an dem privaten Erfolg teil. Die Förderabschreibungstatbestände treffen den Steuerpflichtigen in seiner wirtschaftlichen Betätigung. Der Steuerpflichtige wird, um in den Genuß einer vorgezogenen Abschreibung zu kommen, seinen Fuhrpark schneller auffrischen, als er dies unbeeinflußt täte. Er wird seine Vermögensanlage anders strukturieren (etwa mehr in Immobilien investieren), als er dies sonst täte. Art. 12 I oder Art. 14 I 1 GG könnten deshalb thematisch berührt sein. Zunächst könnte man die Garantie des Eigentums für einschlägig halten. Die Besteuerung des Ertrages in der Form der Einkommens- oder Körperschaftssteuer knüpft an das Resultat des Wirtschaftens an. Der eigentlich dem privaten Nutzen gewidmete Ertrag des Steuerpflichtigen wird abgeschöpft. Der Besteuerungszugriff ist vergangenheitsbezogen. Danach liegt es nahe, für die Besteuerung selbst231 Art. 14 I GG für einschlägig zu halten.232 Für die Funktion der 228 Paul Kirchhof weist darauf hin, daß das Gemeinwohl bei Art. 14 III GG als „griffige Grenze“ gehandhabt werden kann; Besteuerung im Verfassungsstaat, S. 72. 229 Vgl. BVerfGE 93, 121 (148). 230 Diese Unterscheidung hat Lang (vgl. Lang, Europa- und verfassungsrechtliche Maßstäbe für eine Besteuerung der Unternehmen, Grundrechtsschutz im Steuerrecht, S. 14 ff.) angeregt. Sie beruht m. E. auf der Doppel-Funktion der Grundrechte als kassatorische ex post-Kontrolle und als gestaltende ex ante-Lenkung. 231 Vgl. etwa Arndt, WiVerw, 1990, S. 18. 232 Das Bundesverfassungsgericht hält in den neueren Entscheidungen Art. 14 GG zwar für einschlägig, hat jedoch die Vereinbarkeit der Steuerpflicht mit Art. 14 GG noch nicht abschließend geklärt In der früheren Rechtsprechung hat sich das Bundesverfassungsgericht jedoch mit dem pauschalen Hinweis zufriedengegeben, Art. 14 GG schütze nicht das Vermögen. Vgl. BVerfGE – Investitionshilfegesetz – 4, 7 (17): „Wenngleich der Umfang der durch Art. 14 GG geschützten Objekte in Schrifttum
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Eigentumsgarantie mache es keinen Unterschied, ob der Eigentümer Geld- oder Sachvermögen zu eigen hat.233 Ansonsten würde das Eigentum seine freiheitsschützende Funktion verfehlen.234 Wer sich über Bar- oder Buchgeld die Entscheidungsfreiheit über die von ihm erwünschten Sachgüter vorbehält, müßte allein wegen dieser freiheitlichen Vernunft auf den Grundrechtsschutz verzichten.235 Geld ist „geprägte Freiheit“.236 Zudem hat das Bundesverfassungsgericht betont, daß die Garantie des Eigentums eine „eigenverantwortliche Gestaltung“ des Lebens ermöglichen will. Das verfassungsrechtlich geschützte Eigentum sei durch Privatnützigkeit gekennzeichnet, d.h. die Zuordnung zu einem Rechtsträger, in dessen Hand es als Grundlage privater Initiative und im eigenverantwortlichen, privaten Interesse „von Nutzen“ sein solle.237 Die autonome238 und privatnützige Zielsetzung des und Rechtsprechung umstritten ist, besteht doch Einmütigkeit darüber, daß Art. 14 GG nicht das Vermögen gegen Eingriffe durch Auferlegung von Geldleistungspflichten schützt. Solche Geldleistungspflichten, wie sie das Investitionshilfegesetz vorsieht, berühren nicht die Eigentumsgarantie des Grundgesetzes.“ Einigkeit bezüglich der Verletztheit von Art. 14 I besteht erst wieder im – rein theoretischen Fall – einer Erdrosselungssteuer, BVerfGE – Wegfall des ermäßigten Tarifs für wissenschaftliche oder künstlerische Nebeneinkünfte – 81, 108–122 (121): „Art. 14 Abs. 1 GG schützt grundsätzlich nicht gegen die Auferlegung von Geldleistungspflichten (vgl. BVerfGE 78, 214 (230) m. w. N.), insbesondere nicht gegen die Verpflichtung zur Zahlung von Einkommensteuer, es sei denn, sie belastete den Betroffenen übermäßig und beeinträchtigte ihn grundlegend in seinen Vermögensverhältnissen. Von einer in diesem Sinne erdrosselnden Wirkung der Einkommensteuer nach dem Wegfall des § 34 Abs. 4 EStG kann jedoch keine Rede sein [vgl. dazu BVerfGE 30, 250 (271 f.); 63, 312 (327); 68, 287 (310 f.)].“ In der Entscheidung zum Existenzminimum (BVerfGE 87, 153 (169) spricht das Bundesverfassungsgericht jedoch von einem Eingriff „in die allgemeine Handlungsfreiheit gerade in deren Ausprägung als persönliche Entfaltung im vermögensrechtlichen und beruflichen Bereich (Art. 14 I, Art. 12 I GG)“, eine Formulierung, die immerhin eine spezifische Freiheit im vermögensrechtlichen Bereich erkennen läßt. Paul Kirchhof meint, der Sinne der Formel, daß die Eigentumsgarantie nicht vor der Auferlegung von Geldleistungspflichten schütze, liege in der Alternativität von Staatswirtschaft oder staatlicher Steuerung, Paul Kirchhof, Die Kunst der Steuergesetzgebung, NJW 1987, S. 3225; Birk unterscheidet für die Frage der eigentumsrechtlichen Relevanz die Ausweichwirkung und die (bei Hinnahme der Belastung entstehende) Folgewirkung. Die Folgewirkung kann das Eigentum verletzen, wenn sie sich so stark auf Eigentumsobjekte auswirkt, daß es dem Inhaber nicht mehr sinnvoll erscheint, sie zu besitzen, zu nutzen oder mit ihnen zu wirtschaften, Birk, Das Leistungsfähigkeitsprinzip als Maßstab der Steuernormen, S. 212. 233 Paul Kirchhof, Jura 1983, S. 507; dagegen spricht allerdings, daß das Privateigentum eine bestimmte Sachbeziehung schützt. Diese enge Beziehung besteht aber beim Halten von monetären Mitteln nicht. Geld ist mit jedem anderen Wirtschaftsgut fungibel. Der Zugriff auf das Geldvermögen scheint damit sich von dem Zugriff auf sonstiges Vermögen zu unterscheiden. 234 Paul Kirchhof, Staatliche Einnahmen, HStR: Band IV, § 88, Rn. 23. 235 Paul Kirchhof, Staatliche Einnahmen, HStR: Band IV, § 88, Rn. 88. 236 BVerfGE 97, 350 (370), Paul Kirchhof, Der Grundrechtsschutz des Steuerpflichtigen, AöR 2003, S. 14, Vogel, Die Steuergewalt und ihre Grenzen, S. 527.
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Eigentums im Sinne einer freien Verfügung zu eigenem Nutzen wird jedoch – so scheint es – beeinträchtigt, wenn der Steuerpflichtige für fremde Investitionszwecke „eingespannt“ wird. Schließlich betreffen die meisten steuerlichen Tatbestände die Berufsausübung nur indirekt, wenn man von Sonderbesteuerungen absieht.239 Die Berufsausübung hinsichtlich ihres „ob“ und „wie“ ist Gegenstand des Wirtschaftsrechts; das Steuerrecht ist für die Art der Berufsausübung weitgehend „blind“. Zwar unterscheidet es zwischen dem gewerbesteuerpflichtigen Einkünftebezieher nach § 15 EStG (§ 2 I 2 GewStG) und dem insoweit befreiten Freiberufler nach § 18 EStG; gerade im Bereich der Abschreibungstatbestände finden sich jedoch keine derartigen Unterscheidungen. Die Freistellung vom Zugriff motiviert den Wirtschaftsteilnehmer allerdings in die Zukunft. In der Hoffnung, eine Sonderabschreibung zu erhalten, investiert er z. B. in ostdeutsche Betriebe, Schiffe etc. Erst der Nach-Vollzug dieser vagen Hoffnung des Steuerpflichtigen durch den Beamten des Finanzamtes führt zur gesetzestechnischen Anwendung der Begünstigung. Der Vergünstigungstatbestand würde jedoch gänzlich ungeeignet sein, wenn der Steuerpflichtige von seiner Anwendbarkeit erst nachträglich erführe. Realistischerweise wird der Steuerpflichtige vor Investitionsentscheidungen größeren Umfanges zunächst steuerlichen Rat einholen, ehe er die Investitionsentscheidung fällt. Es ist deshalb kein Zufall, daß die Lenkungsnormen besonders im Bereich der Gebäudeinvestitionen zu finden sind. Dort haben die Lenkungsnormen Zeit, um auf den Steuerpflichtigen „einzuwirken“. Die Lenkungstatbestände sind damit „zukunftsorientiert“. Gesetzestechnisch kommen sie zwar erst mit Vollendung des Besteuerungstatbestandes zum Zuge, aus Sicht des Grundrechtsträgers treffen sie ihn jedoch zum Zeitpunkt der Entscheidungsfindung, d.h. vor Zugriff des Steuerstaates. Sie treffen den Steuerpflichtigen bei dem Erwerbsvorgang. Typischerweise wird dieser Erwerbsvorgang Teil seiner Berufsausübung sein. Damit ist Art. 12 I für die Frage, „Eingriff durch steuerlichen Verschonungstatbestand“ inhaltlich einschlägig – nicht jedoch Art. 14 I GG. Auf die sehr umstrittene Frage, ob der „normale“ Steuerzugriff Art. 14 I GG berührt240 oder 237
BVerfG (erweiterte Mitbestimmung) BVerfGE 50, S. 290 (339). Der Begriff wird von BVerfG (erweiterte Mitbestimmung) BVerfGE 50, S. 290 (344, 345). 239 BVerfGE 13, 181 (186 f.); 29, 327 (333 f.) (zur Schankerlaubnissteuer); 16, 147 (163 ff.); 38, 61 (85 ff.) (Beförderungssteuer, Straßengüterverkehrsteuer); 14, 76 (101); 31, 8 (32) (Vergnügungssteuer auf Gewinnapparate). 240 So insbesondere Paul Kirchhof, Besteuerung im Verfassungsstaat, S. 50 ff.; wenn man mit der Naßauskiesungsentscheidung bei allen generell-abstrakten Regelungen von einer Inhalts- und Schrankenbestimmung gem. Art. 14 I S. 2 GG ausgeht, spricht auch das „Zirkelschlußinstrument“ aus Art. 14 III 2 GG nicht dagegen. Wert238
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ob dies erst bei einer „Erdrosselungssteuer“ der Fall sein soll, kommt es in diesem Zusammenhang deshalb nicht an. Art. 12 I schützt den Deutschen in seinen zukunftsorientierten Betätigungen. Es ist kein Zufall, daß der Verfassungsgeber die Berufsfreiheit (Art. 12 I S. 1, 1. Variante, S. 2 GG) neben die Freiheit berufsbezogener Ausbildung stellt („Recht, (. . .) Ausbildungsstätte frei zu wählen“). Dementsprechend grenzt das Bundesverfassungsgericht ab [BVerfGE 81, 108–122 (121)]: „Steuerrechtliche Vorschriften sind nur dann an Art. 12 Abs. 1 GG zu messen, wenn sie in engem Zusammenhang zur Ausübung eines Berufes stehen und objektiv eine berufsregelnde Tendenz erkennen lassen (vgl. BVerfGE 47, 1 m. w. N.). Deshalb können sie Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG grundsätzlich auch dann berühren, wenn sie nicht unmittelbar auf die Berufsfreiheit abzielen, sondern nur in ihrer tatsächlichen Auswirkung geeignet sind, diese zu beeinträchtigen. Das ist hier jedoch nicht der Fall. Zwar lassen sich auch durch die Gewährung steuerlicher Vergünstigungen gewisse Lenkungs- und Regelungseffekte erzielen, weil sich die Steuerpflichtigen in dem Bestreben, Steuerbelastungen zu meiden, eher den steuerbegünstigten Tätigkeiten zuwenden werden. Die Ausübung einer qualifizierten Nebentätigkeit wird jedoch auch nach Wegfall des § 34 Abs. 4 EStG weder unterbunden noch nennenswert behindert.“ „Greift ein Akt der öffentlichen Gewalt eher in die Freiheit der . . . Erwerbs- und Leistungstätigkeit ein, so ist der Schutzbereich des Art. 12 I GG berührt; begrenzt er mehr die Innehabung oder Verwendung vorhandener Vermögensgüter, so kommt der Schutz des Art. 14 GG in Betracht.“241
Die Befreiungstatbestände treffen den Steuerpflichtigen in seiner Erwerbstätigkeit, in der Ausübung seiner „vocatio“242. Seine Entscheidungsfindung wird durch externe, d.h. nicht-wirtschaftliche Faktoren beeinflußt. Damit ist geklärt, daß inhaltlich nach einem Eingriff in die Berufsfreiheit und nicht nach einem Eingriff in das Eigentum zu fragen ist. Noch nicht ist aber die Frage geklärt, ob das Grundrecht der Berufsfreiheit auch Verhaltensbeeinflussungen243 durch Vergünstigungsmöglichkeiten als „Eingriff“ empfindet.
summenschutz wird nur bei Enteignungen gewährt. Der Steuerzugriff ist jedoch nie Enteignung. Vgl. Kirchhof, Besteuerung im Verfassungsstaat, S. 52. 241 BVerfGE 30, 335. 242 Das Wort „Beruf“ läßt sich von „berufen“ im geistlichen Sinn ableiten. Die weltliche Bedeutung des Wortes ist auf Luther zurückzuführen. Vgl. Kluge, Friedrich, Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache; bearb. V. Elmar Seebold, 23. Auflage, Berlin 1999. 243 Bei belastender Wirtschaftslenkung ist nicht nur das finanzielle Opfer, sondern auch die Verhaltensbeeinflussung als Ansatzpunkt der Grundrechtsprüfung zu sehen. In letzterem Punkt ähneln sich begünstigende und belastende Wirtschaftslenkung. Vgl. Arndt, WiVerw, 1990, S. 5.
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II. Funktionaler Schutzbereich Die weitere Prüfung der Freiheitsrechte – gleichgültig, ob im Rahmen des 12 I oder 2 I GG, – wird die Frage beantworten müssen, ob ein „Eingriff“ durch das Einräumen einer Begünstigung möglich sein wird. Dabei wird vom klassischen Eingriffsbegriff auf die neueren Tendenzen einzugehen sein. Neben der Frage, welches der genannten Grundrechte hier überhaupt einschlägig ist, erscheint es aber zunächst angebracht, auf eine Besonderheit der Grundrechte hinzuweisen. Diese bilden jeweils für sich „kleine Wertordnungen“, Leitbilder für den einfachen Gesetzgeber. Sie schützen – mit der Ausnahme des als Auffanggrundrecht verstandenen Art. 2 I GG – bestimmte Lebensbereiche individueller oder gemeinschaftlicher Lebensgestaltung. Neben diesem inhaltlichen und personalen Schutzbereich sind viele Grundrechte jedoch auch noch weitergehend in ihrer Schutzfunktion begrenzt. Manche Grundrechte schützen nur vor einer bestimmten Form des Eingriffs. In dieser Form wird etwa die Menschenwürdegarantie aufgefaßt, wenn sie eng als Objektformel verstanden wird. In sachlicher Hinsicht vermag niemand zu benennen, welche Bereiche des Lebens Ausdruck der Menschenwürde sind. Hingegen besteht Einigkeit, daß „die Menschenwürde es verbietet, den Menschen zum bloßen Objekt des Staates zu machen oder ihn einer Behandlung auszusetzen, die seine Subjektqualität prinzipiell in Frage stellt.“244 Der funktionale Schutzbereich fragt nach dem „wie“ der Beeinträchtigung; (nur) dieser ist für Art. 1 I GG annähernd geklärt. Eingriff und Schutzbereich lassen sich nicht immer genau trennen. Bei mittelbaren, indirekten oder „bloß“ faktischen Beeinträchtigungen ist die Frage des „Eingriffs“ also nicht von dem in Frage kommenden Grundrecht unabhängig. Dann wird es „erheblich, ob die Funktion des thematisch an sich einschlägigen Grundrechts nach seinem Schutzzweck dahin geht, auch Beeinträchtigungen derart anderer Qualität abzuwehren.“245 Diese Untrennbarkeit von Schutzbereich und „Eingriff“ ist bei den Grundrechten unterschiedlich stark ausgeprägt. Gerade Art. 12 I GG ist jedoch ein Grundrecht, das einen derartig funktional begrenzten Schutzbereich aufweist. Das hat das Bundesverfassungsgericht meist mit dem mehr heuristisch verwendeten Begriff der „berufsregelnden Tendenz“ umschrieben.246 Danach geht das Bundesverfassungsgericht bei der Berufsfreiheit grundsätzlich noch von einem klassischen final, imperativ geprägten Eingriffsbegriff aus. Art. 12 I GG kommt „in aller Regel als Maßstabsnorm nur für solche Bestim244 245 246
BVerfGE 50, 166 (175); 87, 209 (228). Schwerdtfeger, Öffentliches Recht in der Fallbearbeitung, § 32 Rn. 447. BVerfGE – Werkfernverkehrsbesteuerung – 16, 147.
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mungen in Betracht, die sich gerade auf die berufliche Betätigung beziehen und diese unmittelbar zum Gegenstand haben.“247 Wenn man dieser Rechtsprechung Folge leisten will, ist deshalb zunächst fraglich, ob eine steuerliche Vergünstigung ohne wettbewerbsverzerrende Wirkung248 sich gerade auf die berufliche Betätigung bezieht und diese unmittelbar zum Gegenstand hat. Förderabschreibungstatbestände sind in erster Linie Vorschriften aus dem einkommensteuerlichen System der Gewinnermittlung. Die Einkommensteuer ist als renditesteuernde Belastung vielleicht eine Steuerart, die „sich gerade auf die berufliche Betätigung bezieht.“ Jedoch hat die Einkommensteuer nicht die berufliche Betätigung unmittelbar zum Gegenstand. Förderabschreibungstatbestände als Regelungen der Einkommensteuer sind damit zunächst nicht vom funktionalen Schutzbereich des Art. 12 I GG erfaßt. Zusätzlich249 sind jedoch an Art. 12 GG auch Vorschriften zu messen, welche „infolge ihrer Gestaltung in engem Zusammenhang mit der Ausübung eines Berufs stehen und – objektiv – eine berufsregelnde Tendenz erkennen lassen.“250 Die Formel von der berufsregelnden Tendenz scheint speziell für den Bereich der „Erhebung von Steuern und sonstigen Abgaben“ vom Bundesverfassungsgericht erfunden worden zu sein.251 Die Kasseler Verpackungssteuer etwa hatte „Einfluß auf die Art und Weise der Berufsausübung“ und war „deshalb an Art. 12 I GG zu messen.252 Die Formel von der „berufsregelnden Tendenz“ stellt einen „Mittelweg“ dar, indem einerseits die Intention des Gesetzgebers, andererseits das Kriterium der Unmittelbarkeit für unbeachtlich befunden wird.253 Was mit Tendenz gemeint ist, wird jedoch vom Bundesverfassungsgericht nicht präzisiert. Dieses ist der Ansicht, daß allgemeine Steuergesetze als Normen mit einem unspezifischen Adressatenkreis ohne unmittelbare Beziehung zu einem Beruf an generelle Merkmale wie Gewinn, Ertrag, Umsatz, oder Vermögen anknüpfen und daher den Schutzbereich der Berufsfreiheit nicht berühren. Folgt man dem, müßten allgemeine Steuergesetze wenigstens an Art. 2 I GG zu messen sein.254
247
BVerfGE 13, 181 (185). Auf dieses Problem wird an späterer Stelle einzugehen sein. 249 Diese Erkenntnis ist Schwerdtfeger, Öffentliches Recht in der Fallbearbeitung, § 36 Rn. 525 zu verdanken; versteht man das Kriterium der berufsregelnden Tendenz als Synonym mit dem Merkmal der Unmittelbarkeit, ist die Rechtsprechung nicht mehr logisch nachvollziehbar, vgl. Birk, Das Leistungsfähigkeitsprinzip als Maßstab der Steuernormen, S. 214 ff. 250 BVerfGE 13, 181 (185 f.); 22, 380 (383); 46, 120 (137 f.). 251 Selmer hält sie für die „Leitthese“ des Verhältnisses von Steuerrecht und Berufsfreiheit“, Steuerinterventionismus und Verfassungsrecht, S. 246. 252 BVerfGE 98, 106 (117). 253 Birk, Das Leistungsfähigkeitsprinzip als Maßstab der Steuernormen, S. 214. 254 Vgl. dazu Vogel, Die Steuergewalt und ihre Grenzen, S. 535. 248
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Birk hat vorgeschlagen, die Gestaltungswirkungen der Steuernorm dann zuzurechnen, wenn sie für den Gesetzgeber voraussehbar waren (Prognostizierbarkeitskriterium).255 Schon um der Effektivität des Grundrechtsschutzes willen, muß das Kriterium des Eingriffs objektiv bestimmt werden. Es kann deshalb allenfalls auf eine objektive Vorhersehbarkeit der Gestaltungswirkung ankommen. Wendt will bei motivationsbestimmendem, staatlichen Handeln zweistufig vorzugehen: Zunächst müsse von dem staatlichen Handeln eine kausale Zwangswirkung ausgehen. Darüber hinaus müsse das staatliche Handeln unmittelbar oder mittelbar objektiv-final auf die Beeinflussung der Willensbetätigung der Bürger gerichtet sein.256 Weder Wendt (objektive Finalität) noch Birk (Kriterium der Vorhersehbarkeit) unterscheiden jedoch zwischen der aus Sicht des Steuerpflichtigen erwünschten und unerwünschten Gestaltungswirkung des Steuerrechts. Es besteht ein grundlegender Unterschied zwischen der Ausweichwirkung einer prohibitiv-wirkenden Steuerregel („disincentive“) und der positiven Gestaltungswirkung einer Förderabschreibung. Letztere wirkt positiv gestaltend auf das Verhalten des Steuerpflichtigen („incentive taxation“). Die steuerliche Gestaltungswirkung einer Prohibitivbestimmung beinhaltet einen Nachteil für den Steuerpflichtigen. Die Nachteilswirkung bildet den Resttatbestand des Eingriffs-Kriteriums. Bei der Einwirkung durch „disincentives“ ist der Ansatz von Wendt überzeugend; für die steuerliche Anreizregelung hingegen wäre es befremdlich, könnte sich der Subventionsempfänger vor dem Bundesverfassungsgericht auf die Verfassungswidrigkeit der Motivationsbeeinflussung berufen. Im Zeitpunkt der Einwirkung auf den Steuerpflichtigen wägt der Steuerpflichtige ab. Er überlegt sich, ob er die vielleicht gefahrvollere Investition z. B. in ein ostdeutsches Bauprojekt wagen soll oder ob er lieber bei einer als sicher empfundenen Finanzanlage bleiben soll. Dieser Abwägungsprozeß würde – dächte man sich einen steuerlichen Robinson Crusoe – rein nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten geführt werden. Crusoe würde sich wohl nach dem betriebswirtschaftlich Vernünftigen richten. Dieser steuerliche Robinson Crusoe ist eine Utopie. Der Freiberufler, Gewerbetreibende oder Vermieter in Deutschland wird betriebswirtschaftlichen und steuerlichen Sachverstand kombinieren müssen, um eine vernünftige Nettorendite zu erzielen. Dabei üben gerade die Förderabschreibungstatbestände einen großen Einfluß auf den Steuerpflichtigen
255 Birk, Das Leistungsfähigkeitsprinzip als Maßstab der Steuernormen, S. 217: „Mußte der Gesetzgeber mit den berufsbeeinträchtigenden Gestaltungswirkungen rechnen, dann ist zu prüfen, ob das auf die Berufsfreiheit einwirkende Steuergesetz vom Vorbehalt des Art. 12 I S. 2 GG gedeckt ist, der sich in unterschiedlicher Intensität auf Berufswahl- und Berufsausübungsregelungen bezieht.“ 256 Wendt, Die Gebühr als Lenkungsmittel, S. 135.
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aus.257 Gerade bei Investitionsentscheidungen ist er in seinem Meinungsbildungsprozeß nicht mehr ungebunden. Diese Bindung ist anders als bei der Leistungssubvention jedoch nicht mit den Mitteln rechtlichen Zwangs ausgestaltet. Für die Leistungssubvention ist die Gewährung unter Beifügung einer (belastenden) Nebenbestimmung gem. § 36 VwVfG typisch.258 Dann scheint eine Beeinträchtigung von Grundrechten näher zu liegen als bei der steuerlichen Verschonungssubvention.259 Diese Motivationsbeeinflussung des Steuerpflichtigen läßt sich „funktional“ jedoch dann als „Eingriff“ in die Berufsfreiheit begreifen, wenn die Berufsfreiheit nach ihrem Sinn und Zweck als „Recht auf ökonomische Vernunft“260 zu verstehen ist. III. Berufsfreiheit – ein Recht auf ökonomische Vernunft? Versteht Art. 12 I 1 GG mit dem Wort „frei“ die Freiheit nur von Zwang oder auch die Freiheit vor Beeinflussung? Für eine solche Freiheit vor „motivationsbestimmenden“ Einwirkungen könnte sprechen, daß der Grundrechtsschutz sonst unvollkommen wäre.261 Bei näherer Betrachtung überzeugt dieses Argument nicht. Entweder die Grundrechte gebieten einen solchen Motivationsschutz oder nicht. Von dem Wunsch, diese würden dies gebieten, auf den Schutzbereich zu schließen, ist nicht überzeugend. Auch ein unvollkommener Schutz kann verfassungsrechtlich geboten sein. So könnte man etwa argumentieren, Art. 14 I GG schütze mit dem Begriff des Eigentums gerade nicht das „Vermögen“. Ein Vermögensschutz nach anderen Vorschriften sei damit durch diese Grundentscheidung gesperrt.262 Für eine solche Freiheit vor Beeinflussung könnte aber die Grundentscheidung des Grundgesetzes für einen „Steuerstaat“263 sprechen. Das Grundgesetz regelt die Finanzierung des Staatswesens in dem Abschnitt über die Finanzverfassung (Art. 104a–115 GG) und schützt das Privateigentum (Art. 14 GG). Es hat sich damit für den Steuerstaat und gegen die staatliche Bewirtschaftung ertragsfähiger Wirtschaftsgüter entschieden.264 Staat und Wirtschaft sind deshalb 257 258 259 260
Paul Kirchhof, DIE ZEIT, 8.5.2002, S. 32. Jarass, Der Vorbehalt des Gesetzes bei Subventionen, NVwZ 1984, S. 477. Jarass, Der Vorbehalt des Gesetzes bei Subventionen, NVwZ 1984, S. 477. Paul Kirchhof, Verfassungsrechtliche Maßstäbe für eine Steuergesetzgebung,
S. 47. 261
Vgl. Vogel, Die Steuergewalt und ihre Grenzen, S. 532. Auch diese Argumentation „e contrario“ ist jedoch gefährlich. Überzeugend ist allein eine Argumentation, die „sine ira et studio“ nach den Auslegungskriterien vorgeht. 263 Die Entwicklung zu einem Begriff mit normativem Gehalt schildert Wieland, Finanzverfassung, Steuerstaat und föderaler Ausgleich, S. 776 ff. 264 Paul Kirchhof, Jura 1983, S. 505. 262
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zunächst zwei unterschiedliche Bereiche. Die Wirtschaft unterliegt dem „rationalen“ Prinzip von Verlust und Gewinn und erscheint deshalb zunächst effizienter. Vogel formuliert: „Diese höhere Rationalität des wirtschaftlichen Systems ist jedoch eine eingeschränkte Rationalität. Sie wird mit einem Verzicht erkauft: andere als in Geld ausdrückbare Ziele treten bei der Bemessung eines Erfolgs oder Mißerfolgs nicht in Erscheinung.“265
Die Trennung von Staat und Wirtschaft erleichtert die Kontrolle und Veränderung des wirtschaftlichen Zwischenergebnisses.266 Die Verstaatlichung des Wirtschaftswesens sieht das Grundgesetz deshalb nur in Ausnahmefällen vor (Art. 15 GG). Indem der Staat jedoch die Willensbildung des Steuerpflichtigen beeinflußt, „mischt er sich ein“. Aus der Summe der verfassungsrechtlichen Normierung jedoch auf eine konsistente Wirtschaftsordnung „nach dem Grundgesetz“ zu schließen, wäre jedoch verfehlt. Das Grundgesetz trennt zwar den Steuerstaat formal von der Wirtschaft, eine „Trennkultur“ ist jedoch verfassungsrechtlich nicht geboten. Der Staat ist nicht bloßer Parasit eines Wirtschaftssystems; er ist selbst Teil dieser Wirtschaftsordnung, indem er mit der Sozialstaatlichkeit und dem Rechtsstaat die Voraussetzungen des Wirtschaftslebens schafft. Das Grundgesetz ist deshalb wirtschaftspolitisch „neutral“267. Es spricht sich weder für noch gegen eine Einmischung in wirtschaftliche Abläufe aus.268 Nur die Führung der gesamten Wirtschaft im „Eigenbetrieb“ ist durch das Prinzip des Steuerstaates und den Schutz des Privateigentums ausgeschlossen. Das Grundgesetz enthält keine unmittelbare Festlegung und Gewährleistung einer bestimmten Wirtschaftsordnung.269 Der Gesetzgeber darf jede ihm sachgemäß erscheinende Wirtschaftspolitik verfolgen.270 Das Grundgesetz ist wirtschaftpolitisch „neutral“.271 Der Begriff der Freiheit ist zudem in besonderem 265 Vogel, Grundstrukturen des Verfassungsstaates, in: HStR Band I, § 27, S. 1176, Rn. 60. 266 Vgl. Vogel, Grundstrukturen des Verfassungsstaates, in: HStR Band I, § 27, S. 1176, Rn. 60. 267 Donner, JA 1977, S. 516. 268 BVerfGE – Investitionshilfe – 4, 7 (17): „Das Grundgesetz garantiert weder die wirtschaftspolitische Neutralität der Regierungs- und Gesetzgebungsgewalt noch eine nur mit marktkonformen Mitteln zu steuernde ,soziale Marktwirtschaft‘. Die ,wirtschaftspolitische Neutralität‘ des Grundgesetzes besteht lediglich darin, daß sich der Verfassungsgeber nicht ausdrücklich für ein bestimmtes Wirtschaftssystem entschieden hat. Dies ermöglicht dem Gesetzgeber die ihm jeweils sachgemäß erscheinende Wirtschaftspolitik zu verfolgen, sofern er dabei das Grundgesetz beachtet.“ 269 BVerfGE (erweiterte Mitbestimmung) 50, S. 290 (337). 270 BVerfGE (erweiterte Mitbestimmung) 50, S. 290 (338). 271 Im Bereich der Wirtschaftspolitik beschränkt sich das Bundesverfassungsgericht deshalb oft auf eine Evidenzkontrolle. Starck, Das Bundesverfassungsgericht in der Verfassungsordnung und im politischen Prozeß, S. 9.
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Maße unbestimmt. Der Verdeutlichung mag eine Parallelbetrachtung von § 240 StGB dienen. § 240 StGB dient der Willensbildungsfreiheit des Einzelnen272 – ein Bereich, dem auch Art. 12 I GG dienen würde, wollte man aus ihm ein Recht auf ökonomische Vernunft ziehen. Die Wertungsoffenheit des § 240 StGB führte zu verfassungsrechtlichen Bedenken.273 Dies mag in der Parallelbetrachtung überraschen. § 240 beschränkt sich auf den Willensbildungsschutz vor bestimmten Eingriffen („mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel“) und verlangt für die Rechtswidrigkeit eine Abwägung274. Art. 12 I GG hingegen müßte als Abwehrrecht von ökonomischer Unvernunft verstanden werden, ohne daß bestimmte Eingriffsmodalitäten – wie bei § 240 I StGB – zur weiteren Einschränkung zur Verfügung stünden. Die Unbestimmtheit einer derartigen Verfassungsauslegung wäre frappierend. Wer außer dem Bundesverfassungsgericht könnte entscheiden, ob diese oder jenes Subventionsangebot den Steuerpflichtigen zu stark zu unvernünftigen Verhalten zwingt? Es ist auch keine verfassungsrechtliche Lücke zu befürchten, wenn kein derartiges Recht auf ökonomische Vernunft angenommen wird. Art. 3 I gebietet jedenfalls – unabhängig von der Frage, ob eine Verhältnismäßigkeitsprüfung angestrengt wird –, daß Abweichungen vom Gleichheitsmaß zu einem anderen sachlichen Grund vorgenommen werden. Der Grund erweist sich aber als unsachlich, wenn die vom Gesetzgeber vorgeschlagene Regelung evident ungeeignet ist, um den vorgegebenen Grund zu verfolgen. Der schmale Grad zwischen einem prima facie geeigneten Grund und der „vernünftigen“ Lösung bleibt dem Prozeß politischer Willensbildung vorbehalten. Die Mehrheit zumindest des Bundestages hinter sich, wird eine gesetzliche Regelung zudem nur in ganz seltenen Fällen als „unvernünftig“ anzusehen sein, ohne nicht schon aus anderen – außerhalb des Art. 12 I GG – liegenden Gründen verfassungswidrig zu sein. Dem einfachen Gesetzgeber ist – jedenfalls für den Bereich der Wirtschaftslenkung – ein „Recht auf Unvernunft“ zuzubilligen. Die Unvernunft wird, soviel ist der Hoffnung überlassen, bei den nächsten Wahlen seine Sanktion finden. Es besteht aus Art. 12 I GG kein erzwingbares275 Recht auf ökonomische Vernunft. 272
Schönke/Schröder – Eser, § 240 Rn. 1. Schönke/Schröder – Eser, § 240 Rn. 1b. 274 § 240 II StGB: „Rechtswidrig ist die Tat, wenn die Anwendung der Gewalt oder Androhung des Übels zu dem angestrebten Zweck als verwerflich anzusehen ist.“ 275 Jachmann ist der Ansicht, es sei bei der verfassungsrechtlichen Beurteilung einer steuergesetzlichen Regelung streng zu trennen zwischen der juristischen Verbindlichkeit von Verfassungsnormen und der normativ-ethischen Wirkkraft des verfassungsrechtlichen Wertsystems. Die normativ-ethische Wirkkraft des verfassungsrechtlichen Wertsystems gehe über das gegenüber dem Gesetzgeber erzwingbare hinaus und gelte dem steuerpolitischen Auftrag der Recht der Rechtswissenschaft; Jachmann, StuW 1998, S. 296. Die große Nähe der „Freiheit zur ökonomischen Vernunft“ zum 273
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IV. Eingriff durch Zwangsähnlichkeit der Beeinflussung? Dem klassischen Eingriffsbegriff liegt die Vorstellung vom Verwaltungsakt zu Grunde. Auch der neueren, weiteren Eingriffsdogmatik gelingt es nicht, sich vollständig von diesem Vorbild „Eingriff durch Zwang“ zu lösen. Die Kategorien „Zwang – Nicht Zwang“ gehen jedoch ineinander über. Feststellende Verwaltungsakte – etwa die Feststellung über die einheitliche und gesonderte Gewinnfeststellung gem. §§ 180 I Nr. 2a) AO, 15 I Nr. 2 EStG – treffen den Bürger nicht weniger schwer als Zahlungsaufforderungen. Auch außerhalb der Verwaltungsakte hat die Praxis gezeigt, daß etwa Äußerungen den Bürger sehr wohl in seinen Rechten beeinträchtigen können. Daraus hat man dann zunehmend einen „neuen Eingriffsbegriff“ abgeleitet. Der „Eingriff“ durch Beeinflussung wäre jedoch eine neue Kategorie innerhalb der „neueren Eingriffslehre“. Steuerliche Verschonungssubventionen beeinträchtigen den Steuerpflichtigen in seiner Entscheidungsfindung. Prima facie wird dem Steuerpflichtigen nur eine zusätzliche Möglichkeit eingeräumt. Bestünde ein Steuertarif von 100% wäre der Zwangscharakter der Beeinträchtigung dennoch eindeutig. Vor die Wahl Konfiskation oder Willensbeugung gestellt, wird der Steuerpflichtige die „Qual der Wahl“ als Eingriff in seine freie Berufsausübung empfinden. Im Veranlagungszeitraum 2001 beträgt der Spitzensteuersatz in der Proportionalzone 49%. Ist auch bei einer annähernd hälftigen Teilung das Handlungsangebot ein „Eingriff“? Dagegen spricht, daß anders als bei der 100%-Abgabe der Steuerpflichtige die wirtschaftliche Letztverantwortlichkeit behält. Die angebotene Handlungsalternative ist meist gerade deshalb „förderungswürdig“, weil ihr Risiko oder ihre Rendite nicht dem üblichen Maß entspricht. Sonst wäre die Förderung sinnlos. Dann kann es in der Netto-Perspektive in der Tat klüger sein, die angebotene Handlungsalternative nicht wahrzunehmen. Während bei dem oben genannten Beispiel der 100%-Abgabe in Wahrheit keine Handlungsalternativität vorliegt, hat der Steuerpflichtige es in der Realität in der Hand, ja oder nein zu dem Handlungsangebot zu sagen. Diese Wahlmöglichkeit ist bei jeder steuerlichen Verschonungssubvention zunächst Möglichkeit nicht Eingriff.276 Das Subventionsverhalten ist nicht „geverfassungsrechtlich Erzwingbaren spricht dafür, dieses Wertprinzip der „normativethischen Wirkkraft des verfassungsrechtlichen Wertsystems“ zuzuordnen. 276 Anderer Ansicht ist wohl Paul Kirchhof: „Das gegenwärtige Steuerrecht bietet auch in seinen Regelsteuerbelastungen vielfach Anlaß für steuermindernde und steuervermeidende Sachverhaltsgestaltungen, kann also eine „berufsregelnde Tendenz“ haben. Wenn die gewerbliche Qualifizierung von Einkommen davon abhängt, welche Organisationsform der Berufstätige gewählt hat, wenn die steuererheblichen Leistungsverhältnisse zwischen einem Unternehmen und seinen Anteilseignern von der rechtlichen Gestaltung der Erwerbstätigkeit abhängen, wenn der Umfang des dem Unternehmen gewidmeten Vermögens nach Vorgaben der steuergesetzlichen Belastungsgründe bestimmt werden, wenn die Wahl zwischen einer freiberuflichen Berufstätigkeit und
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schuldet“; das Beispiel der 100%-Abgabe ist fiktiv. Eine „Erdrosselungssteuer“277 ist – verfassungsrechtlich gesprochen – keine Steuer.278 Sie hat keinen Ertragszweck. Der häufig im Zusammenhang mit Steuervergünstigungen vorgebrachte Terminus der „Wahlschuld“ legt eine Zwangslage nahe; in Wahrheit besteht eine derartige Zwangslage jedoch nicht. Anders als bei der Wahlschuld i. S. d. § 262 BGB besteht vor der „Wahlausübung“ keine Pflicht des Steuerschuldners, sich dem Verhaltensangebot des Staates zu beugen.279 Die rechtlich unverbindliche Beeinträchtigung des Willens ist nicht als „Eingriff“ anzusehen. Aufgrund eines Subventionsverhältnisses ist ein Eingriff nur vorstellbar, soweit dem Subventionsempfänger durch die Annahme der Subvention in die Zukunft hineinwirkende Verpflichtungen entstehen.280 Art. 12 I GG will nach seinem funktionalen Schutzbereich nicht vor unvernünftiger Beeinflussung schützen. Es besteht keine Ähnlichkeit zwischen einer Willensbeugung durch Zwang und der Willensbeeinflussung durch Ermöglichen einer Verschonungssubvention. Eine Willensbeugung durch Zwang würde zwar einer Verschonungssubvention anhaften, wenn gleichzeitig eine Erdrosselungssteuer bestünde. Die Erdrosselungssteuer ist jedoch keine Steuer. Die Vergünstigung, die für eine „Steuer“ gewährt wird, die diese Bezeichnung verfassungsrechtlich verdient, ist damit kein „Eingriff“. Dies entspricht im Ergebnis der wohl noch herrschenden Ansicht des Bundesverfassungsgerichts. Der erste Senat des Bundesverfassungsgerichts war in der Entscheidung über die Streichung des vergünstigten Tarifs für wissenschaftliche und künstlerische Tätigkeiten der Ansicht, daß die Lenkungseffekte steuerlicher Vergünstigungen nur an Art. 12 I GG zu messen wären, wenn durch sie eine „Behinderung“ entsteht.281 Art. 14 I 1 GG (Eigentum) ist aufgrund der Zukunftsbezogenheit der Verschonungstatbestände nicht einschlägig.
einer Arbeitnehmertätigkeit wesentliche Folgen für die Einkommen- und die Umsatzsteuer hat, so wirkt das Steuerrecht in gleicher Weise auf die Berufsfreiheit ein wie eine ausdrücklich berufsregelnde Lenkungssteuer. Vielfach ist die Unterscheidung zwischen Regeltatbestand und gesetzlichem Gestaltungsangebot auch nur eine Frage der Gesetzgebungstechnik.“ Paul Kirchhof, Der Grundrechtsschutz des Steuerpflichtigen, AöR 2003, S. 26. 277 Der klassische Fall betraf die Potsdamer Nachtigallen. Die Nachtigallensteuer von 1844 wurde auch noch nach 1897 erhoben, obwohl keine Nachtigall mehr gemeldet war; Vogel, Steuerrecht und Wirtschaftslenkung, S. 231. 278 So auch Birk, Allgemeines Steuerrecht, § 2 Rn. 16. 279 § 262 BGB n. F.: „Werden mehrere Leistungen in der Weise geschuldet, daß nur die eine oder die andere zu bewirken ist, so steht das Wahlrecht im Zweifel dem Schuldner zu.“; die Wahlschuld ist wohl am besten mit „alternative obligations“ zu übersetzen, Kube, National Tax Law and the Transnational Control of State Aid, EUI Nr. 2001/9, Page 9. 280 So auch Breuer, Die staatliche Berufsregelung und Wirtschaftslenkung, in: HStR Band VI, § 148 Rn. 71.
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Art. 2 I ist durch den eigentlich einschlägigen Art. 12 I GG verdrängt. Die funktionale Begrenzung dessen Schutzbereichs verbietet einen Rückgriff auf Art. 2 I GG. Selbst wenn man dennoch auf Art. 2 I GG zurückgriffe, läge kein „Eingriff“ in die allgemeine Handlungsfreiheit vor.
C. Wettbewerbsfreiheit der Konkurrenten Mit Förderabschreibungstatbeständen kann der Staat auch Wettbewerbsverzerrungen hervorrufen. Der Staat kann bestimmte Unternehmer zu Lasten der Konkurrenten von der Steuerzahlungspflicht befreien. Gedacht ist hier etwa an § 7g EStG, der Sonderabschreibungen zur Förderung kleiner und mittlerer Betriebe ermöglicht. Dieser selektiven Begünstigung steht einerseits das Europarecht entgegen; auch das nationale Verfassungsrecht gewährleistet jedoch einen grundrechtlichen Anspruch auf Wettbewerbsneutralität. Die Herleitung dieses Anspruchs ist umstritten. I. Herleitung des Anspruchs auf staatliche Wettbewerbsneutralität aus Art. 12 I i.V. m. 3 I GG In besonders kulturell-freiheitlichen Wirtschaftsbereichen folgt die Neutralitätspflicht aus dem entsprechenden Freiheitsbereich. Dies gilt etwa im Bereich der Presse. Dort folgt der Anspruch auf Einhaltung der Neutralitätspflicht aus Art. 5 I 2 GG.282
281 BVerfGE 81, 108–122 (121): „Steuerrechtliche Vorschriften sind nur dann an Art. 12 Abs. 1 GG zu messen, wenn sie in engem Zusammenhang zur Ausübung eines Berufes stehen und objektiv eine berufsregelnde Tendenz erkennen lassen (vgl. BVerfGE 47, 1 (21) m. w. N.). Deshalb können sie Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG grundsätzlich auch dann berühren, wenn sie nicht unmittelbar auf die Berufsfreiheit abzielen, sondern nur in ihrer tatsächlichen Auswirkung geeignet sind, diese zu beeinträchtigen. Das ist hier jedoch nicht der Fall. Zwar lassen sich auch durch die Gewährung steuerlicher Vergünstigungen gewisse Lenkungs- und Regelungseffekte erzielen, weil sich die Steuerpflichtigen in dem Bestreben, Steuerbelastungen zu meiden, eher den steuerbegünstigten Tätigkeiten zuwenden werden. Die Ausübung einer qualifizierten Nebentätigkeit wird jedoch auch nach Wegfall des § 34 Abs. 4 EStG weder unterbunden noch nennenswert behindert.“ 282 BVerfGE 80, 124 (134): Wenn „sich der Staat (. . .) zu Fördermaßnahmen für die Presse entschließt (. . .), verlangt Art. 5 I S. 2 GG, daß jede Einflußnahme auf Inhalt und Gestaltung einzelner Erzeugnisse sowie Verzerrungen des publizistischen Wettbewerbs insgesamt vermieden werden. Staatliche Förderungen dürfen bestimmte Meinungen oder Tendenzen weder begünstigen noch benachteiligen. Art. 5 I S. 2 GG begründet im Förderbereich für den Staat vielmehr eine inhaltliche Neutralitätspflicht, die jede Differenzierung nach Meinungsinhalten verbietet. Dieser Neutralitätspflicht des Staates entspricht auf Seiten des Trägers der Pressefreiheit ein subjektives Abwehrrecht gegen die mit staatlichen Fördermaßnahmen etwa verbundenen inhaltslenkenden Wirkungen sowie ein Anspruch auf Gleichbehandlung im publizistischen Wettbewerb.
§ 17 Individuelle Rechtserwartungen
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schaften überführen (Art. 15 GG) und hat bei seiner Haushaltswirtschaft das gesamtwirtschaftliche Gleichgewicht zu beachten (Art. 109 II GG). Im wirtschaftlichen Bereich schwebt dem Grundgesetz damit keine Vorstellung einer „staatsfremden Marktentstehung“ vor. Daraus folgt – im Vergleich zu dem Bereich des kulturellen Wettbewerbs – eine geringere Kontrolldichte des Bundesverfassungsgerichts, ein größerer Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers. Im wirtschaftlichen Bereich ist die Ableitung einer Wettbewerbsneutralitätspflicht nicht unumstritten. Man könnte den Anspruch auf Wahrung der Wettbewerbsneutralität aus Art. 3 I ableiten285, teilweise wird er aus Art. 12 I GG286 abgeleitet; überwiegend wird die Wettbewerbsfreiheit aber bei Art. 2 I GG angesiedelt.287 Dreier macht das Problem der Verortung dadurch deutlich, daß er die Wettbewerbsfreiheit als „Innominatfreiheitsrecht“ 288 bezeichnet. Logisch vorrangig sind die Freiheitsrechte. 3 I GG kann deshalb nur dann Wettbewerbsneutralität gebieten, wenn dies keinem der Freiheitsrechte zu entnehmen ist. Beim Stichwort „Wettbewerb“ geht es um Erwerbschancen. Diese schützt Art. 14 I GG im Grundsatz nicht. Wie Jarass nachgewiesen hat, gilt dies jedoch nicht unbegrenzt: „Jedenfalls dann, wenn die Gewinnchancen derartig reduziert werden, daß ein Unternehmen ganz oder teilweise zur Aufgabe des Betriebs gezwungen wird, muß man sein Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb und damit Art. 14 GG als beeinträchtigt ansehen.“289
Eine derartig starke Verzerrung des Wettbewerbs durch Förderabschreibungstatbestände ist zwar denkbar, aber höchst unwahrscheinlich. Der Finanzierungsvorteil des Konkurrenten hält sich in Grenzen. Art. 12 I GG liegt nach dem Wortlaut zunächst eher fern, wenn man an dem Wort „Beruf“ haften bleibt. Art. 12 I GG will jedoch gerade nicht bestehende 285 Das klingt zumindest an in BVerfGE 21, 12 (27): „Wirkt sich jedoch ein Steuergesetz, das durch eine besonders weite Fassung des typischen Sachverhalts äußerlich eine ungleiche Behandlung vermeidet, praktische dahin aus, daß ganze Gruppen von Steuerpflichtigen wesentlich stärker belastet sind als andere und dadurch in eine empfindlich ungünstigere Wettbewerbslage geraten, so können diese ungleichen Folgen in einem Mißverhältnis zu den mit der Typisierung verbundenen Vorteilen stehen. Ein solches Steuergesetz kann dem Art. 3 I GG widersprechen.“ 286 Für Art. 12 I GG wohl das BVerfGE 46, 120 (137); Selmer, Steuerinterventionismus und Verfassungsrecht, S. 292: „Immerhin läßt sich aufgrund des besonderen Stellenwertes konkurrenzeffizienter steuerlicher Ingerenzen bei der Anwendung und konkreten Auslegung des berufsfreiheitsrechtlichen Grundrechts davon sprechen, daß die ,Freiheit des Wettbewerbs‘ gegenüber staatlichen Interventionen mittelbar in den Verfassungsschutz gewährleistenden Einzugsbereich des Art. 12 I GG fällt.“ 287 Jarass, Der Vorbehalt des Gesetzes bei Subventionen, NVwZ 1984, S. 477. 288 Dreier – Kommentar zum Grundgesetz, Art. 2 Rn. 35. 289 Jarass, Der Vorbehalt des Gesetzes bei Subventionen, NVwZ 1984, S. 477.
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Berufsbilder schützen, sondern eine Freiheit im Erwerben. Der Plural von Berufsfreiheit heißt Wettbewerb.290 Der Wettbewerbsbeeinflussung haftet jedoch gleichzeitig eine gleichheitsrechtliche Relevanz an. Der eine wird bevorzugt. Deshalb erscheint es überzeugend, Art. 12 I GG kumulativ291 mit Art. 3 I GG für einschlägig zu halten.292 Dies scheint auch Auffassung des Bundesverfassungsgerichts zu sein.293 Das Bundesverwaltungsgericht hat die Frage bisher nicht entschieden.294 II. Geltungskraft der Wettbewerbsfreiheit gem. Art. 12 I i.V. m. Art. 3 I GG Die grundrechtlich begründete Wettbewerbsfreiheit ist eine Freiheit zum Wettbewerb, keine Freiheit vor Wettbewerb. So sind Marktteilnehmer295 nicht vor neuer Konkurrenz geschützt, und sei diese Konkurrenz eine staatliche.296 In gleicher Weise kann die Wettbewerbsfreiheit auch nicht vor zusätzlicher privater Konkurrenz schützen, wenn diese durch staatliche297 Subvention veran290
Hufen, NJW 1994, S. 2913 (2915). Auf die Bedeutung der kumulativen Grundrechtsprüfung hat insbesondere Hufen hingewiesen. Hufen, NJW 1994, S. 2913 (2916). 292 So auch Breuer, Die staatliche Berufsregelung und Wirtschaftslenkung, in: HStR Band VI, § 148 Rn. 77. 293 BVerfGE 46, 120 (137): „Im Rahmen der bestehenden Wirtschaftsordnung ist das Verhalten der Unternehmer im Wettbewerb Bestandteil ihrer Berufsausübung; soweit es rechtlich normiert wird, ist ihr Grundrecht aus Art. 12 I GG berührt [vgl. BVerfGE 32, 311 (317)]. Davon abgesehen ist es im ,Leistungsstaat‘ der Gegenwart eine zunehmend zu beobachtende Erscheinung, daß staatliche Einwirkungen in den Bereich der wirtschaftlichen Betätigung nicht im Wege eines unmittelbar ,gezielten‘ Eingriffs erfolgen, sondern durch staatliche Planung, Subventionierung oder – wie im vorliegenden Fall – als Folge einer bestimmten Wahrnehmung von Aufgaben der staatlichen Leistungsverwaltung.“ 294 BVerwGE 71, 183 (189, 191) mit einer deutlichen Tendenz zu der Anwendung des Art. 2 I GG. 295 Das deutsche Verfassungsrecht kann mit der hiermit abgeleiteten Wettbewerbsfreiheit nur den deutschen Markt im Auge haben. Die grundrechtlich-begründete Wettbewerbsfreiheit richtet sich gegen Marktverzerrungen innerhalb des deutschen Marktes. Sie unterscheidet sich darin vom europarechtlichen Ansatz. 296 BVerwG, NJW 1995, 2938 (2939): „In bezug auf Abwehrrechte eines Konkurrenten gegenüber solchen Betätigungen ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geklärt, daß im Grundsatz das Hinzutreten des Staates oder wie hier einer Gemeinde als Konkurrenten lediglich eine weitgehend systemimmanente Verschärfung des marktwirtschaftlichen Konkurrenzdrucks beinhaltet.“ 297 Bei einer Quersubvention unter privaten Konkurrenten sind die Kriterien für Sonderabgaben einzuhalten. Die Quersubvention muß deshalb eine homogene Gruppe mit Finanzierungsverantwortlichkeit treffen, die Quersubvention muß zum Nutzen der Gruppe verwendet werden. An beidem fehlt es in bezug auf das Stromeinspeisungsgesetz: Das Stromeinspeisungsgesetz verpflichtet Elektrizitätsversorgungsunternehmen, konkurrierende Unternehmen zu ihrem Nachteil zu subventionieren, ohne daß eine be291
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laßt ist. Eine Existenzförderung, wie sie etwa § 7g VII, VIII EStG vorsehen, führt zu zusätzlichem Wettbewerb. Die anderen Marktteilnehmer können sich deshalb nicht auf ihre „Wettbewerbsfreiheit“ berufen, um die heraufbeschworene Konkurrenz zu verhindern. Hier steht nur die Subvention durch Förderabschreibungstatbestände auf dem Prüfstand. Anders als die meisten Direktsubventionen ist die steuerliche Verschonungssubvention, soweit sie etwa an ein bestimmtes Investitionsverhalten anknüpft, jedem Wirtschaftsteilnehmer zugänglich. Eine Abschreibungsregelung für Neubauten etwa steht – soweit keine zusätzlichen Voraussetzungen an die Subvention geknüpft sind – allen Wirtschaftteilnehmern offen. Die allgemein zugängliche Verschonungssubvention ist damit Teil der „Wettbewerbslage“.298 Eine Verschonungssubvention mit personal-eingeschränktem Adressatenkreis hingegen, verzerrt den Wettbewerb. So steht die Förderabschreibung des § 7g I EStG nur kleinen und mittleren Unternehmern offen; Großbetriebe können durch ihr Verhalten nicht in den Genuß derartiger Verschonungssubventionen gelangen. Nur in Fällen personaler Adressatenbestimmung kann die steuerliche Verschonungssubvention die Wettbewerbsfreiheit i. S. d. Art. 12 I i.V. m. 3 I GG beeinträchtigen. Abschreibungstatbestände haben wegen der relativen Unbestimmtheit ihres Adressatenkreises einen generellen Charakter. Bei allgemeinen wirtschaftslenkenden Maßnahmen verlangt das Bundesverfassungsgericht jedoch eine „berufsregelnde Tendenz“, um das Merkmal des Eingriffs bejahen zu können. Die besonderen Schwierigkeiten, die mit diesem funktionalen Schutzbereich der Berufsfreiheit verknüpft sind, waren oben schon Gegenstand dieser Arbeit.299 Die „berufsregelnde Tendenz“ liegt jedenfalls bei der „Erdrosselungssubvention“300 vor, die die nichtbegünstigten Konkurrenten zur Aufgabe ihres Betriebes nötigt. Wegen ihrer Wirkungsweise ist sie als objektive Berufszulassungsbeschränkung nur gerechtfertigt, wenn sie zur Abwehr „nachweisbarer oder höchstwahrscheinlicher schwerer Gefahren für ein „überragend wichtiges Gemeinschaftsgut“301 geeignet, erforderlich und verhältnismäßig ist.302
sondere Finanzierungsverantwortlichkeit der Elektrizitätsversorgungsunternehmen für das gemeinschaftliche Ziel des Umweltschutzes ersichtlich wäre. Die Subvention wird zudem gerade zum Nachteil der Subventionspflichtigen verwendet. Das Stromeinspeisungsgesetz ist deshalb verfassungswidrig, Blanke/Peilert, RdE 1999, S. 101. 298 Vgl. Breuer, Die staatliche Berufsregelung und Wirtschaftslenkung, in: HStR Band VI, § 148 Rn. 76. 299 Siehe „II. Funktionaler Schutzbereich“. 300 Breuer, Die staatliche Berufsregelung und Wirtschaftslenkung, in: HStR Band VI, § 148 Rn. 77. 301 BVerfGE 7, 377 (407 f.). 302 Breuer, Die staatliche Berufsregelung und Wirtschaftslenkung, in: HStR Band VI, § 148 Rn. 77.
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Wenn man die Wettbewerbsfreiheit in Art. 2 I GG ansiedelt, so ist nach dem Bundesverwaltungsgericht auch dort ein Eingriff nur zu bejahen, wenn „der Staat durch die einseitige Subventionierung eines Konkurrenten die Wettbewerbslage verzerrt und die wirtschaftliche Stellung des nicht begünstigten Unternehmers in unerträglichem Maße und unzumutbar schädigt“.303 Die Marktstellung des Konkurrenten muß in deutlicher Weise beeinträchtigt sein.304 Weder beeinträchtigen Förderabschreibungstatbestände den konkurrierenden Unternehmer in „unerträglichem Maße“, noch erdrosseln sie den Wettbewerb. Damit befinden sich Förderabschreibungstatbestände auch in bezug auf ihre Wettbewerbswirkungen im Graubereich der „berufsregelnden Tendenz“. Die indirekten Steuern wirken preisbildend und gehen damit in den Produkt- und Dienstleistungswettbewerb mit ein. Paul Kirchhof hat daraus den Schluß gezogen, daß die Wettbewerbsneutralität ein „Gleichheitsprinzip nur für die unmittelbar preisbildenden, indirekten Steuern“ ist.305 Dem ist zuzustimmen. Die Konkurrenten einer Abschreibungsregelung wie der des § 7g I EStG sind gleichheitsrechtlich unmittelbar betroffen; ihre Wettbewerbsfreiheit ist jedoch nicht beeinträchtigt. Die Wettbewerbsfreiheit bleibt damit für Verschonungssubventionen im Bereich der direkten Steuern ein entfernt liegender Leitpfad. Nur bei ganz erheblichen Verzerrungen können Konkurrenten durch Art. 12 I i.V. m. 3 I GG erfolgreich eine negative Konkurrentenklage anstrengen. Der abstrakte Reiz eines Anspruchs auf Wettbewerbsfreiheit steht damit in umgekehrtem Verhältnis zu seiner praktischen Bedeutungslosigkeit.306 Derartig heftige Wettbewerbsverzerrungen sind mit personal formulierten Förderabschreibungstatbeständen in der Regel nicht verbunden. Zwischenergebnis: In bezug auf individualrechtliche Rechtserwartungen sind Förderabschreibungstatbestände zumeist nur gleichheitsrechtlich problematisch.
§ 18 Institutionelle Rechtsmaßstäbe Förderabschreibungstatbestände sind Steuervergünstigungen. Aus Sicht institutioneller – im Gegensatz zu individueller – Rechtserwartung beeinträchtigen Steuervergünstigungen das Kompetenzgefüge innerhalb des Bundesstaats (A.) und das Kompetenzgefüge zwischen dem Bund und den Ländern (B.).
303 304 305 306
BVerwGE 71, 175 (191). Tilmann/Schreibauer, GRUR 2002, S. 216. Paul Kirchhof, Staatliche Einnahmen, HStR: Band IV, § 88, Rn. 123. Ähnlich Gündisch, NVwZ 1984, S. 493.
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A. Kompetenzverteilung innerhalb des Zentralstaates Bei der Gestaltung von Förderabschreibungen stellen sich zwei kompetenzrechtliche Fragen: – Im Rahmen welcher Gesetzgebungskompetenz darf der Bund Förderabschreibungstatbestände schaffen? – Wer innerhalb des Bundes darf derartige Tatbestände schaffen – Legislative oder auch Exekutive? Die erste Frage betrifft die Kompetenzgrundlage: Bedürfen Lenkungstatbestände einer Sachgesetzgebungskompetenz? Sind sie noch von der Steuergesetzgebungskompetenz umfaßt? Mit der zweiten Frage sucht der Verfassungsjurist nach der Erforderlichkeit eines Gesetzesvorbehalts. Muß der Bundestag entscheiden, kann die Exekutive mit oder ohne Ermächtigung derartige Vergünstigungen schaffen? I. Gesetzgebungskompetenz für steuerliche Lenkungstatbestände – der Begriff der „Steuer“ Das Grundgesetz hat eine bestimmte Vorstellung, was „Steuern“ sind. Sonst wäre die Abgrenzung zwischen Sachgesetzgebungs- und Steuergesetzgebungskompetenz überflüssig. Das legt es nahe, aus dem Begriff der Steuer eine Kompetenzabgrenzung zu ziehen. Die Gesetzgebungskompetenz für Steuergesetze durch den Bund ist abschließend in Art. 105 GG geregelt. Der Bund hat gem. Art. 105 II „die konkurrierende Gesetzgebung über die übrigen Steuern, wenn ihm das Aufkommen dieser Steuern ganz oder zum Teil zusteht oder die Voraussetzungen des Art. 72 II GG vorliegen.“ Das Grundgesetz geht wie selbstverständlich von einem kompetenzzuweisenden Begriff der Steuer aus. Zur Zeit der Entstehung des Grundgesetzes galt § 1 RAO; dessen Definition ist verfassungsrechtlich vorausgesetzt worden307: „Steuern sind einmalige oder laufende Geldleistungen, die nicht eine Gegenleistung für eine besondere Leistung darstellen und von einem öffentlich-rechtlichen Gemeinwesen zur Erzielung von Einkünften allen auferlegt werden, bei denen der Tatbestand zutrifft, an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpft.“
Der Nachsatz „die Erzielung von Einnahmen kann Nebenzweck sein“ ist erst nachträglich einfachgesetzlich in § 3 I AO angefügt worden.308 Lange Zeit war deshalb streitig, ob der verfassungsrechtliche Steuerbegriff auch zu einer Abgaberegelung ermächtigen würde, die nicht oder nicht nur zur Deckung des Fi307
Friauf, Verfassungsrechtliche Grenzen, S. 15. Durch die neue Abgabenordnung (BGBl. I, 1976, S. 613), in Kraft getreten am 1.1.1977 (sog. „AO 1977“). 308
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nanzbedarfs der öffentlichen Verwaltung, sondern zu sonstigen Zwecken erhoben wird.309 Die Lösungsansätze waren und sind sehr unterschiedlich. 1. Ältere Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts: Nebenzwecklehre Das Bundesverfassungsgericht hat in der Entscheidung zur Vergnügungssteuer NW sein weites Verständnis vom Begriff der „Steuer“ erläutert. Es hat die Kompetenzen des Steuergesetzgebers ausgedehnt, indem es auch solche Regelungen als steuerrechtlich einordnete, die nur im Nebenzweck der Einnahmezielung dienten (sog. „Nebenzwecklehre“). Über Art. 105 II hat der Bund die Gesetzgebungskompetenz über die „Gemeinschaftssteuern“ nach Art. 106 III GG, also die Einkommen-, Körperschaftund Umsatzsteuer. Der Bund ist im Verhältnis zu den Ländern damit der weitaus bedeutsamere Steuergesetzgeber. Ordnet das Bundesverfassungsgericht auch Regelungen, die nur im Nebenzweck der Einnahmeerzielung dienen, dem Steuergesetzgeber zu, führt dieses weite Verständnis vom Begriff der Steuer indirekt zu einer Kompetenzzuweisung zu Gunsten des Bundesgesetzgebers: „Es liegt in der Natur einer jeden Steuer, daß sie irgendwie in die freie wirtschaftliche Betätigung eingreift [vgl. BVerfGE 21, 12 (27)]. Das Recht zur Steuergesetzgebung schließt daher – wie bereits im Beschluß vom 2. Mai 1967 [DVBl. 1968 S. 554 (556)] ausgeführt worden ist – die Legitimation zu einem solchen, in der Regel ungezielten Eingriff in sich; die Steuergesetzgebungsbefugnis der Länder umfaßt wesensmäßig auch das Recht, auf den Umfang einer vom Bundesgesetzgeber erlaubten Tätigkeit irgendwie Einfluß zu nehmen und als Nebenzweck neben dem rein fiskalischen Zweck der Einnahmeerzielung auch einen beschränkten Edukationseffekt, nämlich die Eindämmung der Spielsucht, zu verfolgen. Verfassungsrechtliche Bedenken könnten demnach erst dann geltend gemacht werden, wenn die Erhöhung des Vergnügungssteuersatzes die gewerberechtlich zugelassene Aufstellung von Gewinnspielgeräten in aller Regel wirtschaftlich unmöglich machen und durch diese „erdrosselnde“ Wirkung dem steuerlichen Hauptzweck der Einnahmeerzielung geradezu zuwiderlaufen würde [vgl. BVerfGE 14, 76 (99); 16, 147 (161); 29, 327 (331)]. Alsdann würde zugleich ein Verstoß gegen das rechtsstaatliche Übermaßverbot vorliegen.“310
Bei der Erdrosselungssteuer schlägt die Finanzfunktion der Abgabenerhebung in eine reine Verwaltungsfunktion mit Verbotscharakter um.311 Die Erdrosselungssteuer ist damit nur noch scheinbar „Steuer“, die Form der Steuer ist mißbraucht, die Erhebung verfassungswidrig. Aufgrund dieser Rechtsprechung war lange Zeit streitig, ob die Finanzierung des Staates wenigstens Nebenzweck 309 310 311
Friauf, Verfassungsrechtliche Grenzen, S. 15. BVerfGE 31, 8–32. Arndt, WiVerw, 1990, S. 8.
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einer Steuergesetzgebung sein müsse. Die Steuergesetzgebungskompetenz greife a priori nur, wenn die Regelung hauptsächlich „zur Erzielung von Einnahmen“ diene. Die Nebenzwecklehre hat sich nicht durchgesetzt. Die Skepsis bezüglich eines a priori „neutralen“ Steuerbegriffs hat seine Gründe. Nicht hilfreich ist es, mit der Änderung der Abgabenordnung zu argumentieren. 1977 wurde durch die Neufassung mit dem Zusatz „die Erzielung von Einnahmen kann Nebenzweck sein“ nur der einfachgesetzliche Steuerbegriff für Lenkungszwecke geöffnet und die Nebenzwecklehre einfachgesetzlich zementiert. Der verfassungsrechtliche Steuerbegriff ist von einfachgesetzlichen Festlegungen jedoch unabhängig. An versteckter Stelle hat sich der Verfassungsgeber für die Möglichkeit einer lenkenden Steuergesetzgebung bekannt. Gem. Art. 109 II GG haben der Bund und die Länder „bei ihrer Haushaltswirtschaft den Erfordernissen des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts Rechnung zu tragen.“ Die Haushaltswirtschaft umfaßt materiell die Gesamtheit des Einnahme- und Ausgabewesens.312 Die Verfassungsergänzung des Art. 109 II GG aus dem Jahr 1967 war dazu bestimmt, dem Bund eine antizyklischen Konjunkturpolitik zu ermöglichen.313 Aus der Verfassungsänderung folgt Arndt deshalb zu Recht, daß mit Art. 109 II GG die Steuergesetzgebung in wirtschaftspolitische Ziele eingebunden ist.314 Daraus jedoch einen Staatsauftrag zur globalen Wirtschaftssteuerung zu folgern315, schießt jedoch über das Ziel hinaus.316 Die Wörter „Rechnung-tragen“ meinen eine Mit-Berücksichtigung; sie sind keine Staatszielbestimmung. Die Ausweglosigkeit einer Abgrenzung des Steuerbegriffs über die alte Nebenzwecklehre hat das Bundesverfassungsgericht in der Entscheidung zum Ausbildungsplatzförderungsgesetz implizit anerkannt: „Der verfassungsrechtliche Steuerbegriff muß darüber hinaus dem Funktionszusammenhang der bundesstaatlichen Finanzverfassung ebenso Rechnung tragen, wie der Notwendigkeit, daß die Steuer in der modernen Industriegesellschaft zwangsläufig auch zum zentralen Lenkungsinstrument aktiver staatlicher Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik geworden ist, wobei der Zweck, Einkünfte für die Bestreitung allgemeiner Staatsaufgaben zu erzielen, sogar als Nebenzweck nicht selten völlig in den Hintergrund tritt.“317 312
Jarass in Jarass/Pieroth, Art. 109 GG Rn. 1. Vogel, Grundzüge des Finanzrechts des Grundgesetzes, in: HStR IV, § 87 Rn. 16. 314 Arndt, WiVerw, 1990, S. 7. 315 So aber Donner, JA 1977, S. 518. 316 Es besteht keine Verpflichtung zum Erlaß von Lenkungsnormen, Birk, Finanzierungszwecke und Lenkungszwecke in einem verfassungsmäßigen Steuersystem, in: Grundrechtsschutz im Steuerrecht, S. 87; andererseits formuliert Birk jedoch auch die „verfassungsrechtliche Verpflichtung, die realen marktwirtschaftlichen Ausübungsbedingungen der Grundrechte zu gewährleisten und gegebenenfalls zu optimieren“, Das Leistungsfähigkeitsprinzip als Maßstab der Steuernormen, S. 247. 313
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2. Neuere Rechtsprechung: Widerspruchsfreie Steuerrechtsordnung In der neueren Rechtsprechung versucht das Bundesverfassungsgericht die Kompetenz-Grenzen, die mit dem Begriff der Steuer verbunden sind, über das Gebot der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung zu ziehen und nicht mehr über die „Nebenzwecklehre“. Nach der Ansicht des 2. Senats setzt eine steuerrechtliche Regelung, die Lenkungswirkungen in einem nicht steuerlichen Kompetenzbereich entfaltet, keine zur Steuergesetzgebungskompetenz hinzutretende Sachkompetenz voraus:318 „Das Grundgesetz trennt die Steuer- und die Sachgesetzgebungskompetenz als jeweils eigenständige Regelungsbereiche und verweist auch die Lenkungssteuer wegen ihres verbleibenden Finanzierungszwecks in die Zuständigkeit des Steuergesetzgebers. Die Ausübung der Steuergesetzgebungskompetenz zur Lenkung in einem anderweitig geregelten Sachbereich ist jedoch nur zulässig, wenn dadurch die Rechtsordnung nicht widersprüchlich wird. Greift die steuerliche Lenkung auf eine Sachmaterie über, darf der Steuergesetzgeber nicht Regelungen herbeiführen, die den vom zuständigen Sachgesetzgeber getroffenen Regelungen widersprechen. (. . .) Sachkompetenz und Steuerkompetenz werden vom Grundgesetz bereits in der Weise aufeinander abgestimmt, daß grundsätzlich der Sachgesetzgeber Verhaltenspflichten, der Steuergesetzgeber Zahlungspflichten regelt. (. . .) Begründet der Steuergesetzgeber aber Zahlungspflichten, die den Adressaten zur Vermeidung des steuerbelasteten Tatbestandes veranlassen sollen, so kann diese Lenkung Wirkungen erreichen, die den vom zuständigen Sachgesetzgeber widersprechen.“319
Der Gesetzgeber darf also nach dieser Rechtsprechung aufgrund einer Steuerkompetenz nur insoweit lenkend in den Kompetenzbereich eines Sachgesetzgebers übergreifen, als die Lenkung weder der Gesamtkonzeption der sachlichen Regelung noch konkreten Einzelregelungen widerspricht.320 Damit hat das Bundesverfassungsgericht den Streit um den Steuerbegriff wieder zurückgeführt auf das inhaltliche Problem. Nicht eine Abgrenzung durch Begriffsjurisprudenz („Nebenzwecklehre“), sondern eine Abgrenzung durch Interessensjurisprudenz („Widerspruchsfreiheit“) schwebte dem Gericht vor. Die Frage, wer sich wem anzupassen hat, entscheidet das Gericht im Verhältnis von Steuer- und Sachgesetzgeber nach dem Kriterium der Spezialität321; wenn das Steuerrecht Zahlungspflichten, das Sachgesetz Verhaltenspflichten regeln soll, ist dieser Vorrang einleuchtend.
317 318 319 320 321
BVerfGE – Ausbildungsplatzförderungsgesetz – 55, 274 (299). BVerfGE zur Kasseler Verpackungsteuer 98, 106 (118). BVerfGE zur Kasseler Verpackungsteuer 98, 106 (119). BVerfGE 98, 106 (119 ff.). Rodi, Steuer und Wirtschaft, 1999, S. 108.
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3. Exklusive oder kumulative Sachgesetzgebungskompetenz Teilweise322 ist die Ansicht vertreten worden, „steuerliche“ Lenkungstatbestände könnten nur auf Grund einer Sachgesetzgebungskompetenz geschaffen werden; die Steuergesetzgebungskompetenz sei nicht ausreichend. Lenkungstatbestände beträfen „ihrer Natur nach Sachbereiche, die in den Art. 70 ff. GG geregelt sind.“323 Stern ist der Ansicht, für Steuervergünstigungen seien kumulativ die Steuergesetzgebungs- und die Sachkompetenzen erforderlich.324 Von Paul Kirchhof wird das Erfordernis einer kumulativen Sachgesetzgebungskompetenz nur für spezielle „Lenkungssteuern“ erwogen.325 Schaden etwa will aus dem Nebenzweckerfordernis des neuen § 3 AO schließen, daß Lenkungstatbestände nicht vom verfassungsrechtlichen Steuerbegriff erfaßt seien.326 Mit ihnen würden keine Einnahmeerzielungsabsichten verfolgt.327 Damit begeht Schaden zwei methodische Ungenauigkeiten: (1) Einfachgesetzliche Festlegungen sind für das Verfassungsrecht allenfalls Indiz. Das gilt für den Begriff der „Steuer“ nicht weniger als für den des „Eigentums“ (Art. 14 I GG) oder den der „juristischen Person“ (Art. 19 IV GG). Der verfassungsrechtliche Begriff der Steuer „reicht über das Konzentrat einfach-gesetzlicher Normen hinaus.“328 (2) Zudem steht auch die Aussage, mit Steuervergünstigungen würden keine Einnahmeerzielungsabsichten verfolgt, auf unsicherem Boden. § 3 AO spricht davon, daß die Erzielung von Einnahmen „Nebenzweck“ sein kann. Eine „Absicht“ im Sinne eines positiven Strebens ist jedoch mehr als eine „Nebenzweckverfolgung“. Schaden betrachtet die Vorschriften zu sehr in ihrer Individualität. Steuervergünstigungen sind in fiskalische Regelungen eingebunden. Versteht man Art. 105 II GG als Ermächtigung zur Regelung vom Sachbereich „Steuern“, so ist für die Gesamtheit etwa der Abschreibungstatbestände die steuerliche Zweckverfolgung noch eingehalten. Zudem hat der Gesetzgeber sich mit der Neufassung des § 3 AO nach dem Sinn und Zweck Freiraum für wirtschaftliche Gestaltungen schaffen wollen. Gerade aus § 3 AO nun die Beschränkung zu ziehen, überzeugt deshalb nicht. Konsequent weitergedacht führt die Ansicht, Steuervergün322
Schaden, Steuervergünstigung als staatliche Leistung, S. 62. Schaden, Steuervergünstigung als staatliche Leistung, S. 62. 324 Stern, Staatsrecht, Bd. II, S. 1105. 325 Vgl. Paul Kirchhof, der diesen Gedanken „naheliegend“ findet, Staatliche Einnahmen, HStR: Band IV, § 88, Rn. 56. 326 Schaden, Steuervergünstigung als staatliche Leistung, S. 68. 327 Schaden, Steuervergünstigung als staatliche Leistung, S. 68. 328 BVerfGE – Ausbildungsplatzförderungsgesetz – 55, 274 (299). 323
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stigungen unterfielen nicht der Steuergesetzgebungskompetenz, zudem zu drei befremdlich anmutenden Ergebnissen: Nach Schaden müßten die Lenkungstatbestände durch eine Landesverwaltung umgesetzt werden (1), die dafür die Kosten trägt (2). Gleichheitsrechtliche Probleme sieht Schaden nicht (3). (1) Die Sachgesetzkompetenz für einschlägig zu halten, würde angesichts der weitgehenden Sachgesetzgebungskompetenz des Bundes für das Recht der Wirtschaft (Art. 74 I Nr. 11) zu keiner praktischen Änderung führen. An den Begriff der „Steuer“ knüpfen jedoch auch die Verwaltungskompetenz und – in negativer Weise – die Ausgabenkompetenz an. Die Steuerverwaltung ist eine Mischverwaltung (Art. 108 GG). Schaden weist die „steuerlichen Lenkungstatbestände“ einer Landesverwaltung gem. Art. 83 ff. GG zu.329 Dieses Ergebnis überzeugt nicht. (2) Die Verwaltungsausgaben-Kompetenz folgt dem Konnexitätsprinzip. Gem. Art. 104a GG tragen der Bund und die Länder gesondert die Ausgaben, die sich aus der Wahrnehmung ihrer Aufgaben ergeben. Davon sieht das Grundgesetz (mit Ausnahme der Finanzhilfen gem. Art. 104a IV GG) nur Einschränkungen vor, die die Eigenständigkeit der Landes-Entscheidungsbefugnisse allenfalls geringfügig einschränken: (a) Handeln die Länder im Auftrage des Bundes, trägt der Bund die sich daraus ergebenden Ausgaben (Art. 104a II GG). (b) Bundesgesetze, die Geldleistungen gewähren und von den Ländern ausgeführt werden, können bestimmen, daß die Geldleistung ganz oder zum Teil vom Bund getragen wird. Bestimmt das Gesetz, daß der Bund die Hälfte der Ausgaben oder mehr trägt, wird es im Auftrage des Bundes durchgeführt. (. . . Art. 104a III GG). Art. 104a II und III betreffen damit Einschränkungen des Konnexitätsprinzips, bei denen auch die politische Entscheidungsbefugnis mit der Auftragsverwaltung (Art. 85 III, IV GG) auf den Bund übergegangen ist. Damit wird einmal mehr deutlich, daß das Grundgesetz der Meinung ist, daß bezahlen soll, wen die politisch Letztentscheidungskompetenz bei der Verwaltung trifft.330 Wenn man mit Schaden davon ausgeht, Steuervergünstigungen seien keine steuerrechtlichen Regelungen, dann muß man wohl daraus das absurd anmutende Zwischenergebnis folgern, daß die Länder gem. Art. 104a I i.V. m. Art. 83 ff. die Kosten der Steuervergünstigungen voll329 Vogel ist der Ansicht, über ein Zustimmungsgesetz könne gem. Art. 84 I „unproblematisch“ auch die Zuständigkeit der Finanzämter bei solchen Gesetzen hergestellt werden, die nicht dem Steuerrecht angehören. Vogel, DÖV 1977, S. 841. 330 Ähnlich Vogel, Grundzüge des Finanzrechts des Grundgesetzes, in: HStR IV, § 87 Rn. 23.
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ständig zu tragen haben. Dieses offensichtlich unpassende Ergebnis versucht Schaden dann auf dem Umweg des Art. 104a III GG zu umgehen, indem er Steuervergünstigungen als „Gewährung einer Geldleistung“ auffaßt.331 (3) Schaden kommt zu dem Ergebnis, daß Steuervergünstigungen als steuerfremde Regelungen für den Gleichheitssatz unbeachtlich seien. Zwischen dem Steuerpflichtigen, der der Regelbesteuerung unterliegt, und dem Steuerpflichtigen, der das Verhaltensangebot der Steuervergünstigung angenommen hat, bestehen nach Schadens Verständnis wohl keine Gemeinsamkeiten. Für ihn steht die Steuervergünstigung damit nicht unter einem gleichheitsrechtlichen Rechtfertigungszwang.332 4. Ertragsrelevanz als kompetenzzuweisendes Kriterium Die (neuere) Ansicht des Bundesverfassungsgerichts333 überzeugt, nach der widerspruchsfreie Lenkungstatbestände auf Grund der Steuergesetzgebungskompetenz erlassen werden können. Das Ertragsrelevanzkriterium im Sinne einer „Erzielung von Einnahmen für den allgemeinen Finanzbedarf eines öffentlichen Gemeinwesens“334 ist für die Abgrenzung des Steuerbegriffs ausreichend.335 Da auch Verschonungssubventionen eine (negative) Ertragsrelevanz aufweisen, sind auch sie im Grundsatz von der Steuergesetzgebungskompetenz des Art. 105 II GG umfaßt. Eine hinzutretende Sachgesetzgebungskompetenz ist nicht erforderlich, gleichgültig wie stark die Lenkungswirkungen des Steuergesetzes sind.336 Die neuere Rechtsprechung weist den Steuervergünstigungen eindeutig eine Kompetenz zu (die Steuergesetzgebungs- und Steuerverwaltungskompetenz), berücksichtigt jedoch die Janusköpfigkeit der Lenkungstatbestände. Allerdings muß der Finanzierungszweck noch irgendwie erkennbar bleiben. Diese Forde331
Schaden, Steuervergünstigung als staatliche Leistung, S. 91. Schaden, Steuervergünstigung als staatliche Leistung, S. 167: „Da Steuervergünstigungen aber dem materiellen Steuerrecht gerade nicht zuzuordnen sind – sie fallen darüber hinaus, wie oben gezeigt, auch weder unter den abgabenrechtlichen noch unter den verfassungsrechtlichen Steuerbegriff – können diese Normen bei der Frage nach der Steuergleichheit nicht beachtet werden.“ Damit entfernt sich Schaden zu weit vom Gerechtigkeitsempfinden des Grundgesetz. Wenn ein Spitzenverdiener wegen § 4 II Fördergebietsgesetz jahrelang keine Steuern zahlt, ist dies für Schaden kein gleichheitsrechtliches Problem. 333 BVerfGE zur Kasseler Verpackungsteuer 98, 106 (118). 334 BVerfGE 82, 159 (178). Mit der Formulierung „für den allgemeinen Finanzbedarf“ wird der Steuerbegriff gegenüber Sonderabgaben abgegrenzt, Jarass, Nichtsteuerliche Abgaben und lenkende Steuern unter dem Grundgesetz, S. 8. 335 Jarass, Nichtsteuerliche Abgaben und lenkende Steuern unter dem Grundgesetz, S. 7; Selmer/Brodersen, DVBl. 2000, S. 1156. 336 Jarass, Nichtsteuerliche Abgaben und lenkende Steuern unter dem Grundgesetz, S. 15. 332
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rung leitet sich aus dem Verbot einer „Erdrosselungssteuer“ ab. Erdrosselnd ist eine Abgabenbestimmung, wenn „objektiv zu erkennen ist, daß die Abgabe, insbesondere durch ihre Höhe, die abgabepflichtigen Tatbestände unterbinden soll, also Erträge nicht erbringen, sondern sie verhindern soll.“337 Steuergesetzgebung umfaßt damit alle Regelungen über hoheitlich-erhobene Geldleistungen zur Finanzierung der allgemeinen Staatsaufgaben ohne Bezug zu einem individualisierbaren Vorteil („Voraussetzungslosigkeit“), die in irgendeiner Form (negative oder positive) „Ertragsrelevanz“ aufweisen.338 II. Gesetzesvorbehalt für Förderabschreibungstatbestände Abschreibungstatbestände sind und waren nicht nur in (formellen) Parlamentsgesetzen geregelt. Gegenwärtig enthält z. B. die Einkommensteuerdurchführungsverordnung (EStDV) eine ganze Reihe von besonderen Abschreibungsmöglichkeiten. Gedacht ist hier an die §§ 80–82k EStDV, die die Bundesregierung auf Grund der Ermächtigung gem. § 51 I Nr. 2 n), p), q), s), u), w), x), y) EStG mit Zustimmung des Bundesrates erlassen hat. Aus der Perspektive des geltenden Rechts stellt sich die Frage nach dem Gesetzesvorbehalt nur als Frage nach einem Parlamentsvorbehalt mit Delegationsverbot. Den Parlamentsvorbehalt einschließlich seiner Besonderheiten für das Steuerrecht hat Christian Seiler in seiner Arbeit über den „einheitlichen Parlamentsvorbehalt“ beleuchtet.339 In der auf Förderabschreibungstatbestände zugespitzten Perspektive ist die Frage nach einem Parlamentsvorbehalt jedoch neu. Die Frage nach einem Gesetzesvorbehalt für Förderabschreibungstatbestände ist hingegen nicht neu: Bis 1970 waren die Sonderabschreibungen für Investitionen im Zonenrandgebiet in Erlassen der Länderfinanzbehörden geregelt. Gesetzliche „Grundlage“ sollte § 131 I 3, II und III RAO340 darstellen.341 337
Vogel, Grundzüge des Finanzrechts des Grundgesetzes, in: HStR IV, § 87 Rn. 51. Ähnlich Paul Kirchhof, Staatliche Einnahmen, HStR: Band IV, § 88, Rn. 55; Birk formuliert: „Entfaltet eine Steuernorm überhaupt keine Belastungswirkung, sondern nur Gestaltungswirkungen (in der Weise, daß alle potentiell Steuerpflichtigen ihr ausweichen), dann handelt es sich begrifflich um keine Steuer mehr.“, Birk, Das Leistungsfähigkeitsprinzip als Maßstab der Steuernormen, S. 70. 339 Seiler, Der einheitliche Parlamentsvorbehalt. Berlin 2000. 340 § 131 RAO (1) Im Einzelfall können Steuern und sonstige Geldleistungen ganz oder zum Teil erlassen werden, wenn ihre Einziehung nach Lage des einzelnen Falles unbillig wäre; unter der gleichen Voraussetzung können bereits entrichtete Steuern und sonstige Geldleistungen erstattet oder angerechnet werden. Die Befugnis zum Erlaß der Steuer umfaßt bei Besitz- und Verkehrsteuern auch das Recht, zuzulassen, daß die Steuer niedriger festgesetzt wird oder daß einzelne Besteuerungsgrundlagen, die die Steuer erhöhen, bei der Festsetzung nicht berücksichtigt werden. Mit Zustimmung des Steuerpflichtigen kann bei Steuern vom Einkommen zugelassen werden, daß einzelne Besteuerungsgrundlagen, soweit sie die Steuer erhöhen, bei 338
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An der normativen Unklarheit war der Bundestag nicht unbeteiligt: Auf der Grundlage eines Beschlusses des Bundestages vom 2.7.1953342 hatte das Bundesfinanzministerium verschiedene Empfehlungsschreiben verfaßt.343 Das Schleswig-Holsteinische Finanzgericht344 lehnte die in Streit geratene Abschreibung nach diesem Zonengrenzland-Förderungsprogramm (ZFP) ab. Auch Milderungen bei der Besteuerung müßten durch Gesetz geregelt werden. Es könne zwar dahingestellt bleiben, inwieweit die Leistungsverwaltung allgemein dem Gesetzesvorbehalt unterliege. Jedenfalls gelte der Vorbehalt für die Verwaltung bei Wirtschaftssubventionen. Der BFH345 wollte das Problem offenlassen. Das ist ihm nicht gelungen. Er entschied, es könne dahingestellt bleiben, ob in bestimmten Fällen eine gewährende Leistungsverwaltung – im Gegensatz zu der Eingriffsverwaltung – auch ohne ausdrückliche Ermächtigung tätig werden kann. Voraussetzung für ein Tätigwerden ohne Gesetz wäre jedenfalls, daß der begünstigende Verwaltungsakt im Bereich der dem Ressort zugewiesenen verfassungsmäßigen Aufgaben liegt. Das sei hier aber nicht der Fall. Aufgabe der Finanzverwaltung sei die Erhebung von Steuern zur Sicherung des öffentlichen Finanzbedarfs. (. . .). Die allgemeine Nichterhebung von Steuern gehöre nicht zu den der Finanzverwaltung von der Verfassung übertragenen
der Steuerfestsetzung erst zu einer späteren Zeit, und daß sie, soweit sie die Steuern mindern, schon zu einer früheren Zeit berücksichtigt werden. (2) Für bestimmte Gruppen von gleichgelagerten Fällen können für die entsprechende Anwendung des Absatzes 1 Richtlinien aufgestellt werden. (3) Die Befugnisse nach den Absätzen 1 und 2 stehen der obersten Finanzbehörde der Körperschaft, die die Steuern verwaltet, oder den von ihr bestimmten Stellen zu. Das Zweite Gesetz über die Finanzverwaltung vom 15.3.1952 (Bundesgesetzblatt I S. 293) und § 203 V des Lastenausgleichsgesetzes vom 14.8.1952 (Bundesgesetzblatt I S. 446) bleiben unberührt. (4) Eine Maßnahme nach Absatz 1 Satz 3 wirkt, soweit sie die gewerblichen Einkünfte als Grundlage für die Festsetzung der Steuer vom Einkommen beeinflußt, auch für den Gewerbeertrag als Grundlage für die Festsetzung des Gewerbesteuermeßbetrages. (5) Für bestimmte Gruppen gleichgelagerter Fälle können die Oberfinanzdirektionen und die Finanzämter zu Maßnahmen nach Absatz 1 Sätze 2 und 3 auch durch eine allgemeine Verwaltungsanordnung der Bundesregierung ermächtigt werden, die, soweit die Verwaltung der Steuer den Landesfinanzbehörden obliegt, mit Zustimmung des Bundesrates zu erlassen ist. 341 Teilweise ist die Notwendigkeit einer gesetzlichen Ermächtigung bei Abweichungen zu Gunsten des Steuerpflichtigen noch 1963 generell bestritten worden, Becker/Riewald/Koch § 131 RAO, Rn. 1. 342 Vgl. Bundestagsprotokoll der 279. Sitzung. In: Deutscher Bundestag: BT-Drs. I/ 4467. 343 Die ganze Entwicklung ist bei Ebertz, Sonderabschreibungen für Investitionen im Zonenrandgebiet, S. 22 ff. dargestellt. 344 Urteil des 2. Senates des FG Schleswig-Holstein v. 19.12.1968, Az.: II 28–29/ 67, EFG 1969, 145–148. 345 BFH v. 9.7.1970 – IV R 34/69 in DB 1970, S. 1908 mit Anmerkung von Hartz.
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Aufgaben, § 131 AO und andere Bestimmungen des Steuerrechts gestatteten die Nichterhebung nur unter bestimmten Voraussetzungen und bildeten eine abschließende Regelung. Zwar könne der Gesetzgeber mit der Steuerpolitik auch andere – z. B. wirtschaftliche oder kulturpolitische – Zwecke, verfolgen. Dann müsse aber der Gesetzgeber eingreifen. Die Voraussetzungen des § 131 AO seien nicht erfüllt. (. . .) Derartige politische Maßnahmen dürften zwar, sofern sie sich im Rahmen des Art. 3 GG bewegten, auch mit steuerlichen Mitteln angestrebt werden. Dann müsse aber der Gesetzgeber eine entsprechende rechtliche Grundlage schaffen. Die Finanzverwaltung sei dazu jedenfalls nicht befugt. Der BFH folgt aus der verfassungsmäßigen Aufgabenverteilung, daß „der Gesetzgeber eine entsprechende Grundlage schaffen muß“. Dem ist der Gesetzgeber durch das Zonenrandförderungsgesetz v. 5.8.1971 kurze Zeit später nachgekommen.346 Dem BFH ist jedenfalls im Ergebnis zuzustimmen. Die Grundentscheidungen der Besteuerung muß der Gesetzgeber regeln, weil die Steuer jedenfalls ein Eingriff in Art. 2 I GG darstellt (sog. „Tatbestandsmäßigkeit der Besteuerung“).347 Der Gesetzgeber muß die wesentlichen Grundlagen für Steuergegenstand, Steuerschuldner, Steuerbemessungsgrundlage und Steuersatz festlegen. Die Exekutive kann von diesem gesetzlich definierten Eingriffsprogramm nur dann rechtmäßig zu Gunsten des Steuerpflichtigen abweichen, wenn sie dabei jedenfalls nicht gegen den Willen des Gesetzgebers handelt (Vorrang des Gesetzes). Aus dem Zusammenspiel von Vorbehalt und Vorrang des Gesetzes ergibt sich für das Steuerrecht mithin, daß eine Abweichung von der gesetzlichen Leitlinie nur mit dem Willen des Gesetzgebers möglich ist. Seiler spricht deshalb davon, die Verschonungssubvention setzte als „negative“ Eingriffsvoraussetzung der Steuerauflage Schranken348; als „negativer“ Teilbereich des Steuer-Eingriffsrechts bedarf auch die Verschonungssubvention eines gesetzlich bestimmten Ursprungs. Festzuhalten bleibt, daß Förderabschreibungstatbestände jedenfalls nicht in Verwaltungsvorschriften geregelt werden dürfen, die ohne gesetzliche Ermächtigung entstanden sind. 346 Ebertz, Sonderabschreibungen für Investitionen im Zonenrandgebiet, S. 30. Der Gesetzgeber hat früh mit Symptombehandlungen angefangen. Verluste nach dem ZRFG durften nur noch mit positiven Einkünften innerhalb eines als einheitlich anzusehenden Gewerbebetriebs ausgeglichen werden. 347 Vgl. § 3 I, 1 AO: „Steuern sind alle Geldleistungen, die nicht eine Gegenleistung für eine besondere Leistung darstellen und von einem öffentlich-rechtlichen Gemeinwesen zur Erzielung von Einnahmen allen auferlegt werden, bei denen der Tatbestand zutrifft, an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpft; die Erzielung von Einnahmen kann Nebenzweck sein.“; zum Grundsatz der „Tatbestandsmäßigkeit der Besteuerung“, Paul Kirchhof, Jura 1983, S. 507. 348 Seiler, Der einheitliche Parlamentsvorbehalt, S. 277.
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Damit ist jedoch noch nicht entschieden, ob die Exekutive mit dem Willen des Gesetzgebers unter den Voraussetzungen des Art. 80 I GG zu Gunsten des Steuerpflichtigen Verschonungssubventionen anbieten darf. Die Abschreibungstatbestände in der Einkommensteuerdurchführungsverordnung sind aufgrund der gesetzlichen Ermächtigung gem. § 51 EStG entstanden. Sie könnten nur dann verfassungswidrig sein, wenn sich aus dem Grundgesetz ergibt, daß die Einrichtung von Förderabschreibungen einem Delegationsverbot unterliegt. Die Frage nach einem Gesetzesvorbehalt in seiner Ausprägung als Delegationsverbot ist sehr stark zugespitzt. Sie kann nicht ohne Rückgriff auf die allgemeine Dogmatik zum Gesetzesvorbehalt gelöst werden. Das Problem des Gesetzesvorbehaltes ist eine Zentralfrage der Gewaltenteilung.349 Ossenbühl hat dies für die Entstehungsgeschichte des Gesetzesvorbehaltes treffend formuliert: „Der Gesetzesvorbehalt war in der konstitutionellen Ära nichts anderes als der „juristische Problemausdruck“ für die realpolitische Rivalität zwischen Landesherrn und bürgerlichen Repräsentationsorganen. (. . .). Als Kompetenzbegriff war der Gesetzesbegriff damit der juristisch nüchterne Terminus für einen realen Machtkampf zwischen Volks- und Fürstensouveränität. (. . .) Demokratische und rechtsstaatliche Forderungen und Prinzipien waren im Gesetzesvorbehalt miteinander verquickt.“
Drei Bereiche staatlicher Regelungskompetenzen werden in der gegenwärtigen Diskussion voneinander unterschieden:350 – ausschließliche Parlamentskompetenzen, – übertragbare Parlamentskompetenzen, – originäre Exekutivkompetenzen. Der Gesetzesvorbehalt in seiner Ausprägung als Delegationsverbot soll hier in Anlehnung an die Terminologie Ossenbühls als „Parlamentsvorbehalt“ bezeichnet werden. Darunter werden Regelungen verstanden, die ausschließlich dem Parlament vorbehalten sind und die in Gestalt eines förmlichen Gesetzes getroffen werden müssen.351 Zum Teil wird der Begriff des „Gesetzesvorbehalts“ für die speziellen Gesetzesvorbehalte der Freiheitsgrundrechte reserviert und diesem „Gesetzesvorbehalt“ ein „allgemeiner Vorbehalt des Gesetzes“ gegenübergestellt.352 Im folgenden sollen hier jedoch die Begriffe „Gesetzesvorbehalt“ und „Vorbehalt des Gesetzes“ als Synonyme verwendet werden.353 Es haben sich zwei Ansatzpunkte herauskristallisiert, aus denen ein Gesetzesvorbehalt (mit oder ohne Delegationsverbot) abgeleitet werden kann, ein rechts349
Fritz Ossenbühl, Vorrang und Vorbehalt des Gesetzes, in: HStR IV, § 62 Rn. 7. Fritz Ossenbühl, Vorrang und Vorbehalt des Gesetzes, in: HStR IV, § 62 Rn. 9. 351 Fritz Ossenbühl, Vorrang und Vorbehalt des Gesetzes, in: HStR IV, § 62 Rn. 9. 352 Vgl. Fritz Ossenbühl, Vorrang und Vorbehalt des Gesetzes, in: HStR IV, § 62 Rn. 12. 353 So auch Fritz Ossenbühl, Vorrang und Vorbehalt des Gesetzes, in: HStR IV, § 62 Rn. 12. 350
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staatlich-grundrechtlicher Ansatz (1.) und ein demokratisch-institutioneller 354 Ansatz (2.). 1. Rechtsstaatlich-grundrechtlicher Gesetzesvorbehalt Im rechtstaatlich-grundrechtlichen Bereich ist der Gesetzesvorbehalt zunächst an das Merkmal des „Eingriffs“ geknüpft worden, hat sich dann aber zunehmend vom Kriterium des Eingriffs gelöst. Als allgemeiner Vorbehalt des Gesetzes verpflichtet er den Gesetzgeber „– losgelöst vom Merkmal des „Eingriffs“ – in grundlegenden normativen Bereichen, zumal im Bereich der Grundrechtsausübung, soweit diese staatlicher Regelung zugänglich ist, alle wesentlichen Entscheidungen selbst zu treffen.“355 Der Gesetzesvorbehalt folgt – bei Bestehen eines Eingriffs in ein besonderes Freiheitsrecht – aus dem dort angeordneten Gesetzesvorbehalt (vgl. z. B. Art. 8 II, 10 II, 11 II GG). Das Gesetz selbst ist Rechtfertigungsgrund – solange es selbst die Schranken-Schranken (insbesondere den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz beachtet. Eingriffe in besondere Freiheitsrechte ohne Gesetzesvorbehalt (z. B. Art. 5 III, 4 I, II GG) werden hingegen nicht durch ein (einfaches) Gesetz selbst gerechtfertigt. Rechtfertigungsgrund sind kollidierende Verfassungsgüter, die den Schutzbereich des betreffenden Grundrechts von innen heraus („immanent“) einschränken. Aus dem Fehlen einer expliziten Bestimmung eines Gesetzesvorbehalts kann dabei nicht geschlossen werden, daß der Grundgesetzgeber diese schrankenlosen Rechte geringer schützen wollte. In Rechtsanalogie – man mag dies „Wesentlichkeitslehre“ nennen – ist deshalb der Gedanke des Gesetzesvorbehaltes auch auf diese Rechte übertragbar. Eingriffe in schranklose, besondere Freiheitsrechte sind mithin nur gerechtfertigt, wenn die „praktische Konkordanz“ zwischen den kollidierenden Verfassungsgütern einfachgesetzlich nachgezeichnet wird. Vorreiter der Loslösung des Gesetzesvorbehalts von der Eingriffsdogmatik war das Schulrecht. Das Bundesverfassungsgericht hat in der Entscheidung über Sexualerziehung in Schulen ausgeführt: „Als entscheidender Forschritt (. . .) ist es anzusehen, daß der Vorbehalt des Gesetzes von seiner Bindung an überholte Formeln (Eingriff in Freiheit und Eigentum) gelöst und von seiner demokratisch-rechtsstaatlichen Funktion her auf ein neues Fundament gestellt wird, auf dem aufbauend Umfang und Reichweite diese Rechtsinstituts neu bestimmt werden können. Die Kritik richtet sich vor allem dagegen, daß die Abgrenzung der dem Gesetzgeber vorbehaltenen Entscheidungen mit dem Begriff
354 Das Bundesverfassungsgericht spricht in der Kalkar I – Entscheidung von der (neuen) „Erkenntnis auch der demokratischen Komponente“ des Grundsatzes des Vorbehalts des Gesetzes, BVerfGE 49, 89 (126). 355 BVerfGE – Kalkar I – 49, 89 (126).
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,wesentlich‘ umschrieben wird (. . .). Auf dem 51. Deutschen Juristentag wurde in der Diskussion (. . .) darauf hingewiesen, daß ,wesentlich‘ als zunächst heuristischer Begriff und nicht als Beitrag zur Dogmatisierung zu verstehen sei, als ein Begriff, der im Grunde nur eine Binsenweisheit ausspreche, daß nämlich die wirklich wichtigen Dinge in einem parlamentarisch-demokratischen Staatswesen vor das Parlament gehören. (. . .) Ob eine Maßnahme wesentlich ist und damit dem Parlament selbst vorbehalten bleiben muß oder zumindest nur aufgrund einer inhaltlich bestimmten parlamentarischen Ermächtigung ergehen darf, richtet sich zunächst allgemein nach dem Grundgesetz. Die meisten Grundrechtsartikel sehen ohnehin vor, daß Eingriffe nur durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes zulässig sind. Außerdem entspricht ihre Sicherung durch Einschaltung des Parlaments dem Ansatze nach der überkommenen Vorbehaltslehre, ohne daß allerdings zwischen Eingriffen und Leistungen zu unterscheiden ist. Im grundrechtsrelevanten Bereich bedeutet somit ,wesentlich‘ in der Regel ,wesentlich für die Verwirklichung der Grundrechte‘ (. . .).“356
Die „Wesentlichkeitslehre“ ist damit mehr als eine Art Gesamtanalogie zu den einzelnen Freiheitsgrundrechts-Gesetzesvorbehalten. Das ergibt sich auch aus der Geschichte dieser dogmatischen Figur. Vor ihrer Entstehung stand der allgemeine Vorbehalt des Gesetzes im Zusammenhang mit dem Begriff des „Eingriffs in Freiheit und Eigentum“. Seit dem Ende der liberalen Ära357 beschränkt sich das allgemein als bedeutsam empfundene Staatshandeln nicht mehr auf „Freiheit und Eigentum“. Verallgemeinernd wurde aus dem Gesetzesvorbehalt für Eingriffe in Freiheit und Eigentum ein Gesetzesvorbehalt für „wesentliche“ Entscheidungen.358 Der allgemeine Vorbehalt des Gesetzes und die speziellen Gesetzesvorbehalte der Freiheitsrechte stehen damit nebeneinander.359 Freiheitsrechte sind durch die Schaffung von Förderabschreibungstatbeständen nicht beeinträchtigt, solange die Abschreibungstatbestände keine Wettbewerbsverzerrungen herbeiführen.360 Mit Bezug auf den allgemeinen Gleichheitssatz hat sich herausgestellt, daß dieser eine Einhaltung der Verhältnismäßigkeit zwischen der getroffenen Ungleichbehandlung und dem verfolgten Lenkungszweck verlangt. Hält man den „allgemeine Vorbehalt des Gesetzes“ systema-
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BVerfGE 47, 46 (79). Das Bundesverwaltungsgericht fragt sich, ob die „veränderte Realität des modernen Staates und die Vielfalt der Gesetz, die nicht Eingriffe, sondern Leistungen des Staates zum Gegenstand haben, zu einer anderen Beurteilung des Gesetzesbegriffs und seiner Funktion als Regulativ der Sozialabläufe Veranlassung geben“, BVerwGE 6, 282 (287). 358 Vgl. Fritz Ossenbühl, Vorrang und Vorbehalt des Gesetzes, in: HStR IV, § 62 Rn. 13 ff. 359 So auch Fritz Ossenbühl, Vorrang und Vorbehalt des Gesetzes, in: HStR IV, § 62 Rn. 16. 360 Dann gilt der Gesetzesvorbehalt jedenfalls gem. Art. 2 I GG, vgl. Jarass, Der Vorbehalt des Gesetzes bei Subventionen, NVwZ 1984, S. 477. 357
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tisch zunächst für eine Gesamtanalogie zu den Gesetzesvorbehalten der Freiheitsrechte, so folgt daraus, daß eine Beeinträchtigung des allgemeinen Gleichheitssatzes nicht dem Gesetzesvorbehalt unterliegt. Hält man hingegen den allgemeinen Gesetzesvorbehalt für eine von den Freiheitsrechten unabhängige Kategorie, so folgt daraus, daß eine wesentliche Gleichheitsrechtsbeeinträchtigung dem Gesetzesvorbehalt unterliegt. Dagegen spricht, daß eine Wesentlichkeitslehre auch im Gleichheitsbereich den Bezug zu dem Wortlaut des Grundgesetzes verliert. Ungleichbehandlungen bedürfen einer sachlich-inhaltlichen, nicht jedoch einer formal-kompetenziellen Rechtfertigung.361 Die Gesetzesvorbehalte der besonderen Freiheitsrechte sind Entscheidungen für besonders geschützte Sachbereiche; demgegenüber ist der Schutzbereich des Gleichheitssatzes nicht vorherbestimmt. Daran vermögen auch die von Huster nachgewiesenen Verwandtschaften zwischen Gleichheits- und Freiheitsrechten nichts zu ändern. Die von ihm nachgewiesenen Verwandtschaften betreffen nicht die Frage nach der Übertragung der freiheitsrechtlichen Gesetzesvorbehalte, sondern die Frage nach der Übertragung der Schrankendogmatik. Hier wird deshalb der Meinung gefolgt, nach der der rechtsstaatlich-grundrechtliche allgemeine Gesetzesvorbehalt noch eng mit der Eingriffsdogmatik der Freiheitsrechte verknüpft ist. Für die Freiheitsrechte wurde nur bei Vorliegen einer Wettbewerbsverzerrung ein „Eingriff“ bejaht. Eine Wettbewerbsverzerrung wurde nur bei Verschonungssubventionen mit personal-eingeschränktem Adressatenkreis bejaht. Daraus folgt, daß sich ohne eine derartige Verzerrung bei der Prüfung von Förderabschreibungstatbeständen kein Gesetzesvorbehalt aus rechtsstaatlich-grundrechtlichen Erwägungen ableiten läßt.362 Zwischenergebnis: Förderabschreibungstatbeständen unterliegen keinem Gesetzesvorbehalt, der sich auf rechtsstaatlich-grundrechtlichen Erwägungen gründet.
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Vgl. Sachs, Grundrechte, S. 230. Das Bundesverfassungsgericht sieht das zum Teil anscheinend anders. BVerfGE – Kalkar I – 49, 89 (126): „Im vorliegenden Fall geht es um den Bereich der Rechtsetzung, also um einen Bereich, für den das Grundgesetz eine Kompetenzzuordnung enthält. Hier ergibt sich aus dem Grundsatz des allgemeinen Vorbehalts des Gesetzes, daß die Exekutive für Akte, die den Freiheits- und Gleichheitsbereich des Bürgers wesentlich betreffen, der gesetzlichen Grundlage bedarf.“ Vogel stellt jedoch fest: „Tatsächlich hat aber das Bundesverfassungsgericht ,Wesentlichkeit‘ bisher nur für Maßnahmen angenommen, die zu einer Grundrechtsbeeinträchtigung führen, so daß dies zu keiner Erweiterung über die hier schon entwickelten Grundsätze hinaus führt.“ Nach Vogel bedürfen Geldleistungen deshalb jedenfalls nicht wegen der Ähnlichkeit mit Verhaltensgeboten einer Gesetzesgrundlage, Vogel, Grundstrukturen des Verfassungsstaates, in: HStR Band I, § 27, S. 1172, Rn. 49. 362
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2. Demokratisch-institutioneller Gesetzesvorbehalt Die „Wesentlichkeit“ hat dem Bundesverfassungsgericht den Weg zu einem Parlamentsvorbehalt erleichtert, der in Teilbereichen unabhängig ist von der Frage nach einem Grundrechtseingriff. Die Wesentlichkeitslehre hat damit eine Überleitungsfunktion von der individuell-freiheitsrechtlichen zu der staatsrechtlich-institutionellen Perspektive. Hier ist nur die Frage von Interesse, ob aus demokratisch-institutionellen Gesichtspunkten ein Parlamentsvorbehalt zu verlangen ist. Die Antwort kann wiederum nicht ohne Rückgriff auf die allgemeine Dogmatik zum Gesetzesvorbehalt gefunden werden. a) Lehre vom Totalvorbehalt Man könnte der Meinung sein, in der parlamentarischen Demokratie sei das Parlament im Verhältnis zur Exekutive der demokratisch privilegiertere Ort. Aus dieser Überlegung ist die Lehre vom Totalvorbehalt entwickelt worden. Folgt man dieser Lehre, bedarf jedes exekutive Handeln einer parlamentarischen Ermächtigung363. Dann liegt es auch nahe, für weite Bereiche einen Parlamentsvorbehalt (= Gesetzesvorbehalt mit Delegationsverbot) anzunehmen. Die Lehre vom Totalvorbehalt verkennt jedoch, daß auch die Exekutive über eine eigenständige demokratische Legitimation verfügt (1) und in einem „Kernbereich exekutiver Verantwortung“364 gegen die Ingerenz des Bundestages geschützt ist (2). (1) Die eigenständige demokratische Legitimation der Exekutive hat das Bundesverfassungsgericht insbesondere in der Kalkar I – Entscheidung herausgearbeitet. In Anwendung des § 7 I, II Atomgesetz hatte der zuständige Minister eine Errichtungsgenehmigung für den neuen Reaktortyp „schneller Brüter“ in Kalkar erteilt. Auf Vorlage des OVG Nordrhein Westfalen hatte das Bundesverfassungsgericht über die Verfassungsmäßigkeit des § 7 Atomgesetz zu befinden. Es entschied: „Das Grundgesetz spricht dem Parlament nicht einen allumfassenden Vorrang bei grundlegenden Entscheidungen zu. Es setzt durch die gewaltenteilende Kompetenzzuordnung seinen Befugnissen Grenzen. Weitreichende – gerade auch politische – Entscheidungen gibt es der Kompetenz anderer oberster Staatsorgane anheim, wie zum Beispiel die Bestimmung der Richtlinien der Politik durch den Bundeskanzler (Art. 56 S. 1 GG), die Auflösung des Bundestages (Art. 68 GG), die Erklärung des Gesetzgebungsnotstands (Art. 81 GG) oder wichtige außenpolitische Entscheidungen, wie etwa über die Aufnahme oder den Abbruch diplomatischer Beziehungen. (. . .) Die konkrete Ordnung der Verteilung und des Ausgleichs staatlicher Macht, die 363 Vgl. Fritz Ossenbühl, Vorrang und Vorbehalt des Gesetzes, in: HStR IV, § 62 Rn. 18. 364 BVerfGE – Flick-Untersuchungsausschuß – 67, 100 (139).
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Teil VI: Verfassungsrechtliche Grenzen
das Grundgesetz gewahrt wissen will, darf nicht durch einen aus dem Demokratieprinzip fälschlich abgeleiteten Gewaltenmonismus in Form eines allumfassenden Parlamentsvorbehalts unterlaufen werden. Aus dem Umstand, daß allein die Mitglieder des Parlaments unmittelbar vom Volk gewählt werden, folgt nicht, daß andere Institutionen und Funktionen der Staatsgewalt der demokratischen Legitimation entbehrten.“
(2) In Fortführung dieser Rechtsprechung hat es in der Entscheidung zum Nato-Doppelbeschluß einen „Kernbereich exekutivischer Eigenverantwortung“365 anerkannt. Die in Art. 59 II 1 GG als Grundsatz normierte organisatorische funktionelle Unterscheidung und Trennung der Gewalten diene zumal der Verteilung von politischer Macht und Verantwortung sowie der Kontrolle der Machtträger; sie ziele auch darauf ab, daß staatliche Entscheidungen möglichst richtig, das heißt von den Organen getroffen werden, die dafür nach ihrer Organisation, Zusammensetzung, Funktion und Verfahrensweise über die besten Voraussetzungen verfügen, und sie wolle auf eine Mäßigung der Staatsgewalt insgesamt hinwirken. Auch der Grundsatz der parlamentarischen Verantwortung der Regierung setze notwendigerweise einen Kernbereich exekutivischer Eigenverantwortung voraus.366 Damit sind beide Prämissen der Lehre des Totalvorbehalts widerlegt: • Das Parlament wird zwar als einziges Organ unmittelbar gewählt. Auch die demokratische Legitimation der Exekutiven ist jedoch verfassungsunmittelbar. • Die Gewaltenteilung des Grundgesetzes führt dazu, daß es auch Bereich geben muß, die der Exekutiven „vorbehalten“ sind. b) Unterscheidung nach Sachbereichen Es ist deshalb, zwischen einem Bereich staatlichen Handelns, der dem „Parlamentsvorbehalts“ unterliegt, einem Bereich, der „nur“ dem Gesetzesvorbehalt ohne Delegationsverbot, und einem der Exekutive vorbehaltenen Bereich staatlichen Handelns zu unterscheiden. Für die Frage, ob eine parlamentarische Ermächtigung erforderlich ist, hat das Bundesverfassungsgericht vage Maßstäbe entwickelt: „In welchen Bereichen danach staatliches Handeln einer Rechtsgrundlage im förmlichen Gesetz bedarf, läßt sich nur im Blick auf den jeweiligen Sachbereich und die Intensität der geplanten oder getroffenen Regelung ermitteln. Die verfassungsrechtlichen Wertungskriterien sind dabei in erster Linie den tragenden Prinzipien des Grundgesetzes, insbesondere den vom Grundgesetz anerkannten und verbürgten Grundrechten zu entnehmen.“367 365 366
BVerfGE 68, 1 (87). BVerfGE 68, 1 (86 ff.).
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Diese Maßstäbe sollen auch für die Frage gelten, wie weit der Gesetzgeber die Details regeln muß.368 Damit stand die Dogmatik vor dem schwierigen Problem nach Sachbereichen differenzierend festzulegen, ob und wie weit eine Regelung so wesentlich ist, daß sie der Gesetzgeber entscheiden müsse. Soweit auf die Eingriffsdogmatik zurückgegriffen werden konnte, fiel dies nicht sonderlich schwer. Insbesondere im Bereich der direkten Subventionen gehen – mangels Grundrechtseingriff – die Meinungen weit auseinander. Die Rechtsprechung hält eine ausreichende Legitimation369 für gegeben, wenn – im Haushaltsplan als Bestandteil des förmlichen Haushaltsgesetzes entsprechende Mittel eingesetzt sind, – innerhalb des Haushaltsplans eine ausreichende Umreißung der Zweckbestimmung dieser Mittel vorgesehen ist, – die Vergabe dieser Mittel zu den den betreffenden Verwaltungsinstanzen zugewiesenen verfassungsmäßigen Aufgaben gehört.370 Diese Rechtsprechung betrifft jedoch nur die direkte Leistungssubvention. Förderabschreibungstatbestände sind indirekte Subventionen. Anders als bei den direkten Subventionen greift deshalb nicht das Argument, eine „parlamentarische Willensbildung“371 finde schon durch die Zustimmung zum Haushaltsplan statt. Die Verschonungssubventionen erscheinen (auszugsweise) im Subventionsbericht. Im Haushaltsgesetz gibt es keinen „Titel“ für „tax expenditures“. Für das hier in Frage stehende Problem der Behandlung indirekter Subventionen ergibt sich keine Lösung aus der Rechtsprechung zu den direkten Subventionen.
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BVerfGE – Kalkar I – 49, 89 (127). BVerfGE – Kalkar I – 49, 89 (127): „Nach den gleichen Maßstäben beurteilt sich, ob der Gesetzgeber, wie der verfassungsrechtliche Gesetzesvorbehalt weiter fordert [BVerfGE 34, 165 (192)], mit der zur Prüfung vorgelegten Norm die wesentlichen normativen Grundlagen des zu regelnden Rechtsbereichs selbst festgelegt und dies nicht dem Handeln etwa der Verwaltung überlassen hat.“ 369 BVerwG, DVBl. 1963, 859: „Nach der Rechtsprechung des BVerwG kommt für die leistungsgewährende Verwaltung neben dem förmlichen Gesetz auch eine andere parlamentarische Willensäußerung, insbesondere etwa die etatmäßige Bereitstellung der erforderlichen Mittel, als hinreichende Legitimation verwaltungsmäßigen Handelns in Betracht.“ 370 Zusammenfassung der Anforderungen bei Fritz Ossenbühl, Vorrang und Vorbehalt des Gesetzes, in: HStR IV, § 62 Rn. 21. BVerwGE 6, 282 (287); BVerwGE 18, 352 (353); BVerwGE 58, 45 (48): „Das Haushaltsgesetz einschließlich Bundeshaushaltsplan ist zwar kein Gesetz im materiellen Sinne. Gleichwohl kann die im Haushaltsgesetz 1969 vorgenommene Bereitstellung der Förderungsmittel und deren Zweckbindung mit der Auflage, die Zuschüsse nach Maßgabe besonderer Richtlinien zu gewähren, in verfassungsrechtlicher Sicht als ausreichende Rechtsgrundlage für die vorgesehene Subventionierung angesehen werden.“ 371 So die Formulierung in BVerwGE 6, 282 (287). 368
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Es bleibt die Frage, ob die parlamentarische Bestimmung von steuerlichen Verschonungssubventionen erforderlich ist. Ossenbühl hat die Frage nach einem Parlamentsvorbehalt sehr treffend auf einen Nenner reduziert: „Auf eine scharfe Alternative gebracht, stellt sich das Problem des demokratischen Parlamentsvorbehaltes dahin, ob und gegebenenfalls welche Angelegenheiten des Gemeinwesens bürokratisch, d.h. durch die Ministerialverwaltungen, geregelt werden dürfen und welche Angelegenheiten der Entscheidung durch das Parlament ,vorbehalten‘ sind.“
Ossenbühl stellt ein mehr oder weniger bürokratisches Verfahren der öffentlichen, integrierend wirkenden Debatte durch ein Entscheidungsorgan gegenüber. Das Parlament ist sozusagen die privilegierte „Bühne der Demokratie“; das Scheinwerferlicht ist nicht für alle Fragestellungen angemessen (kein Totalvorbehalt), für einige Fragen jedoch geboten. Das Problem besteht deshalb darin, im konkreten Falle zu bestimmen, was „wesentlich“ ist.372 Ossenbühl zweifelt deshalb daran, ob „eine „Rationalisierung“ der Grenzziehung zwischen „wesentlich“ und „unwesentlich“ je voll gelingen wird. Der Begriff der „Wesentlichkeit“ ist nur als „heuristischer“373 Problemansatz zu verstehen. Aus ihm selbst Rechtsfolgen abzuleiten, hieße Begriffsjurisprudenz zu betreiben. Ossenbühl zählt denn auch eine Reihe von Beispielen auf, in denen „Unwesentliches“ zwingend durch Gesetz zu regeln ist (eine geringfügige Geldbuße) und „Wesentliches“ nicht in Gesetzen geregelt ist (Staatshaftungsrecht, Grenzwerte im Umweltschutzrecht etc.).Er spricht sich dafür aus, in Fortführung der Kalkar I – Entscheidung nach einer „funktionsgerechten Organstruktur“ zu suchen.374 Wie nun ist eine funktionsgerechte Organstruktur für die Regelung von Förderabschreibungstatbeständen? Gebietet diese eine Regelung durch die Legislative? Man könnte (vorschnell) meinen, das Problem sei in Art. 105 III GG gelöst. Danach bedürfen Bundesgesetze über Steuern, deren Aufkommen den Ländern oder den Gemeinden (Gemeindeverbänden) ganz oder zum Teil zufließt, der Zustimmung des Bundesrates. Abschreibungen wirken sich auf das Aufkommen der Einkommensteuer und Körperschaftssteuer aus, auf Steuern also die gem. Art. 106 III GG zum Teil den Ländern zufließen375. Der über das Zustimmungserfordernis gesicherte Einfluß der Länder wird jedoch auch bei einer Delegation der Rechtssetzungsmacht über Art. 80 GG aufrechterhalten. Nicht nur das ermächtigende Gesetz wäre über 106 III zustimmungspflichtig; der Zustimmung des Bundesrates bedürfen gem. Art. 80 II, vorbehaltlich anderweitiger bundesgesetzlicher Regelung, u. a. Rechtsverordnungen auf Grund von Bundesgesetzen, die der Zustimmung des Bundesrates bedürfen. Der Schutz durch 372
Fritz Ossenbühl, Fritz Ossenbühl, 374 Fritz Ossenbühl, 375 Die Gemeinden Art. 106 V GG. 373
Vorrang und Vorbehalt Vorrang und Vorbehalt Vorrang und Vorbehalt erhalten einen Anteil
des des des am
Gesetzes, in: Gesetzes, in: Gesetzes, in: Aufkommen
HStR IV, § 62 Rn. 44. HStR IV, § 62 Rn. 44. HStR IV, § 62 Rn. 49. der Einkommensteuer,
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Art. 80 II GG wurde vom Bundesverfassungsgericht zudem dadurch gestärkt, daß es für die Zustimmungsbedürftigkeit der Verordnung nach Art. 80 II GG nicht auf den Inhalt der Verordnung, sondern nur auf die Ermächtigungsgrundlage der Verordnung ankommen soll.376 Die EStDV, die Abschreibungstatbestände enthält, bedurfte deshalb der Zustimmung des Bundesrates. Aus Art. 105 III läßt sich für die Frage nach einem Parlamentsvorbehalt nichts folgern.377 Damit verbleibt es beim Grundsatz. Das Grundgesetz hat sich mit Art. 80 I 1 dafür entschieden, daß „durch Gesetz die Bundesregierung, ein Bundesminister oder die Landesregierungen ermächtigt werden können, Rechtsverordnungen zu erlassen“. Im Interesse einer „Entschlackung“ des Gesetzgebungsorgans und einer Flexibilisierung steht es der Delegation von Rechtsetzungsmacht deshalb grundsätzlich positiv gegenüber. Mit der Delegation soll jedoch nicht eine Flucht des Gesetzgebers vor der Letztverantwortung verbunden sein. Deshalb bestimmt Art. 80 I 2 GG, daß „dabei Inhalt, Zweck und Ausmaß der erteilten Ermächtigung im Gesetz bestimmt werden“ und Art. 80 I 3 GG, daß „die Rechtsgrundlage in der Verordnung anzugeben ist.“ Für eine andere, strengere Beurteilung von Förderabschreibungstatbeständen könnte zwar sprechen, daß diese den Gleichheitsbereich in besonderer Weise in Frage stellen und eine Haushaltsdebatte nicht stattfinden kann. Diese Argumente vermögen aber nicht zu überzeugen. Die Gesetzesvorbehalte der Grundrechte sind in ihrer Formulierung („oder auf Grund eines Gesetzes“) für eine Beschränkung durch Verordnung unter den Bedingungen des Art. 80 I GG offen. Selbst für Art. 5 II GG, der ausdrücklich nur von „allgemeinem Gesetz“ spricht, ist wohl weitgehend anerkannt, daß mit dieser Formulierung auch andere Rechtsvorschriften in Betracht kommen.378 Es würde merkwürdig anmuten, wollte man nun für die wesentliche Ungleichbehandlung durch Förderabschreibungen in Überschreitung der freiheitsrechtlichen Vorgaben einen strengen Parlamentsvorbehalt verlangen. Die haushaltsrechtliche Bedenklichkeit allein reicht nicht aus, um einen Parlamentsvorbehalt für steuerliche Verschonungssubventionen zu verlangen. Art. 80 I GG stellt sicher, daß Verschonungssubventionen nicht abseits der Öf376 BVerfGE 24, 184 (198): „Die Möglichkeit, Teile einer Materie aus dem Gesetz auszugliedern und sie der Regelung durch die Exekutive zuüberlassen, soll nicht zu einer Verkürzung der Mitwirkung des Bundesrates an der Rechtsetzung führen. Ha sich der Bundesgesetzgeber zur Zusammenfassung von Normen in einem Gesetz entschieden, so hat er damit auch über die Zustimmungsbedürftigkeit aller in diesem Gesetz enthaltenen Normen befunden. Dem entspricht es, daß alle Verordnungen auf Grund eines Zustimmungsgesetzes zustimmungsbedürftig sind ohne Rücksicht darauf, ob die Ermächtigung und die mit ihr zusammenhängenden Normen die Zustimmungsbedürftigkeit des Gesetzes ausgelöst haben.“ 377 Vgl. aber die wohl etwas andere Ansicht von Paul Kirchhof, Staatliche Einnahmen, HStR: Band IV, § 88, Rn. 42. 378 So jedenfalls Jarass in Jarass/Pieroth, Art. 5 GG Rn. 45.
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fentlichkeit entstehen. Diesen Zweck verfolgt auch die Forderung nach einer Bestimmung für direkte Subventionen im Haushaltsplan. Zwischenergebnis: Der Gesetzgeber kann die Exekutive gem. Art. 80 I GG zur Schaffung von Verschonungssubventionen ermächtigen. Die Vorschriften der Einkommensteuerdurchführungsverordnung sind nicht wegen eines Verstoßes gegen einen Parlamentsvorbehalt verfassungswidrig. c) Reichweite des Vorbehalts gem. Art. 80 I GG: Manifestation der Lenkungsentscheidung Der Parlamentsvorbehalt umfaßt nicht nur die Frage, ob eine gesetzliche Regelung erforderlich ist, sondern auch die Frage, wie detailliert diese ausfallen muß.379 Art. 80 I GG ermöglicht die Verlagerung von Rechtsetzungsmacht auf die Exekutive nur unter Vorbehalten. „Inhalt, Zweck und Ausmaß der erteilten Ermächtigung“ müssen im Gesetz „bestimmt“ werden (Art. 80 I 2 GG). In formaler Hinsicht verlangt Art. 80 I 3, daß die Rechtsgrundlage in der Verordnung anzugeben ist. Art. 80 I 2 GG behält mit dem Trikolon „Inhalt, Zweck und Ausmaß“ die wesentlichen Entscheidungen dem Gesetzgeber vor. Wesentlich für eine Abschreibungsvorschrift sind weniger die technischen Details (Abschreibungssatz, Abschreibungsberechtigter, Begünstigungszeitraum); es würde dem Entlastungszweck des Art. 80 I GG widersprechen, wenn man eine genaue Vorzeichnung der technischen Details verlangte. Wesentlich i. S. d. Art. 80 I GG ist bei Abschreibungstatbeständen vor allem die Entscheidung, ob mit einer Abschreibung von der Regelbesteuerung abgewichen werden soll und welches Gestaltungsziel mit dieser Abweichung verfolgt wird. Erst diese Angaben ermöglichen der Verfassungsrechtsprechung eine Überprüfung der in Frage stehenden Norm anhand des Gleichheitssatzes.380 Die objektive Verschonungssubvention bedarf einer Begründung und einer klaren gesetzgeberischen Dezision.381 Das hat das Bundesverfassungsgericht im Zusammenhang mit den Ostzulagen der Bundes- und Landesbeamten entschieden: „Die Steuerfreiheit der Aufwandsentschädigung kann auch nicht als Verschonungssubvention gerechtfertigt werden. Zwar schließt der Gleichheitssatz nicht jede steu379
Seiler, Der einheitliche Parlamentsvorbehalt, S. 413. Das deutsche Verwaltungsrecht kennt den Begründungsmangel nicht nur bei der Überprüfung von Verwaltungsakten (vgl. § 39 VwVfG). Im französischen Recht gibt es den „recours pour manque de motivation“ jedoch nur im Hinblick auf Verwaltungsakte und zwar Kraft gesetzgeberischer Entscheidung; ein allgemeines, auf Verfassungsrecht gestütztes Begründungsgebot gibt es in Frankreich nicht, article premier de la loi du 11 juillet 1979, Conseil d’Etat, Section, 24.7.1981, Belasri, Recueil des décisions du Conseil d’Etat (Lebon), S. 322. 381 Vgl. Seiler, Der einheitliche Parlamentsvorbehalt, S. 280. 380
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erliche Verschonung aus, die das Verhalten des Steuerpflichtigen aus Gründen des Gemeinwohls fördern oder lenken will. Eine solche Intervention, die das Steuerrecht in den Dienst außerfiskalischer Verwaltungsziele stellt, setzt aber voraus, daß der Gesetzgeber Ziel und Grenze der Lenkung mit hinreichender Bestimmtheit tatbestandlich vorzeichnet (. . .) Die Zahlung der Stellenzulage unter der Bezeichnung ,Aufwandsentschädigung‘ macht deutlich, daß der einer Zulage innewohnende Lenkungszweck gesetzlich nicht einmal angedeutet, geschweige denn tatbestandlich vorgezeichnet ist. (. . .) Bei diesen fließenden Übergängen ist nicht erkennbar, wie weit die Vereinfachungsbefreiung reicht und wo die Subvention beginnt. Insoweit gewinnt der Anwender des Gesetzes keinen Gesetzesmaßstab für die Entscheidung, welche Werbungskosten durch die Aufwandsentschädigung abgegolten sind und welcher Betrag zusätzlich eine Subvention gewährt.“382
Lenkungseffekte allein rechtfertigen keine Abweichung vom Prinzip der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit. Dies geht auch aus der neueren Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Verfassungswidrigkeit der unterschiedlichen Behandlung von Pensionen und Renten hervor:383 Das aus Art. 3 I GG abgeleitete allgemeine Gebot folgerichtiger tatbestandlicher Ausgestaltung steuerlicher Belastungsgrundentscheidungen (BVerfGE 99, 88; 99, 280 (296) hindert den Gesetzgeber nicht daran, nichtfiskalische Förderungs- und Lenkungsziele zu verfolgen (st. Rspr.; BVerfGE 93, 121, 147; 99, 280, 296). Nur dann jedoch, wenn solche Förderungs- und Lenkungsziele von erkennbaren gesetzgeberischen Entscheidungen getragen werden, sind sie auch geeignet, rechtfertigende Gründe für steuerliche Belastungen oder Entlastungen zu liefern (vgl. BVerfGE 93, 121, 147 f.; 99, 280, 296).
Der Strenge dieser Formulierungen ist zuzustimmen. Gerade für Subventionsentscheidungen ist eine Entscheidung im Lichte der Öffentlichkeit, im Parlament, zu fordern. Ansonsten besteht mehr denn je die Gefahr einer Absprache zwischen exekutiver Spitze und lobbyistischer Interessensgruppe, abseits von der öffentlichen Debatte. Wer im Bundestag ist sich den unübersichtlich-langen Ermächtigungen gem. § 51 I Nr. 2 n), p), q), s), u), w), x), y) EStG etwa zu 382 Ähnlich deutlich klingen auch die Formulierungen in der Entscheidung über die Vermögensteuer, BVerfGE 93, 121 (147): „Eine solche Intervention, die das Steuerrecht in den Dienst außerfiskalischer Verwaltungsziele stellt, setzt aber eine erkennbare Entscheidung des Gesetzgebers voraus, mit dem Instrument der Steuer auch andere als bloße Ertragswirkungen erzielen zu wollen. Würde allein eine tatsächliche Entwicklung ein Steuergesetz in den Dienst auch außerfiskalischer Zwecke stellen können, so würde ein speziell für die Besteuerung vorgesehene Ermächtigung ohne gesetzgeberische Entscheidung tatsächlich auch für nichtsteuerliche Ziele in Anspruch genommen: (. . .)Gesetzgeberisches Unterlassen verändert nicht die bisherige Konzeption des geltenden Steuergesetzes; es ersetzt nicht die allein dem Gesetzgeber vorbehaltene (vgl. BVerfGE 13, 318 (328); 71, 354 (362 f.) Entscheidung über die Steuerwürdigkeit bestimmter generell bezeichneter Sachverhalte. (. . .) Der hiernach notwendige gesetzgeberische Akt, der eine unterschiedliche Ertragsfähigkeit realitätsgerecht erfaßt, Förderungstatbestände deutlich umgrenzt sowie gemeinwohlbezogen und zweckgebunden bemißt, liegt nicht vor.“ 383 BVerfG v. 6.3.2002, HFR 2002, S. 331 (332).
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Gunsten des Schiffbaus oder der Energiewirtschaft bewußt gewesen? Wie viel weniger dürfte die Öffentlichkeit von § 81 EStDV der Bewertungsfreiheit zu Gunsten des Kohlen und Erzbergbaus erfahren haben? Art. 80 I 1 GG verlangt im Bereich des Steuerrechts, daß die Subventionsentscheidung vom Gesetzgeber gefällt wird, daß im historischen Gesetzgebungsverfahren sich die Subventionsentscheidung manifestiert. Dieses Manifestationsgebot, das hier aus dem Spannungsverhältnis zwischen Legislative und Exekutive gem. Art. 80 I GG abgeleitet wurde, stimmt mit den Folgerungen zu Art.3 I GG überein. Hier wie dort bedarf die wesentliche Entscheidung der Abweichung vom Fiskalzweck einer parlamentarischen Legitimation. Zwischenergebnis: Die gesetzliche Ermächtigung an die Exekutive zur Schaffung von Förderabschreibungstatbeständen ist zulässig. Der Gesetzgeber muß allerdings die Entscheidung zur Subvention erkennbar selbst fällen und Inhalt, Zweck und Ausmaß der Ermächtigung festlegen. III. Beeinträchtigung des Bruttoprinzips (Art. 110 II 1 GG) Gem. Art. 110 II 1 GG wird der Haushaltsplan durch das Haushaltsgesetz festgestellt. In den Haushaltsplan sind alle Einnahmen und Ausgaben des Bundes einzustellen (Vollständigkeitsprinzip, Art. 110 I 1 GG). Trotz des insoweit unvollständigen Wortlauts des Art. 110 I GG folgt aus dem Sinn und Zweck der Vorschrift auch das Verbot, Einnahmen und Ausnahmen gegeneinander zu saldieren (sog. „Bruttoprinzip“).384 Ein schon verrechneter Ausweis von Einnahmen und Ausgaben würde zwar „alle“ Einnahmen und Ausgaben in den Haushaltsplan „einstellen“; das Ziel einer Offenlegung des staatlichen Finanzgebarens wäre jedoch vermieden. Der Bundesminister der Finanzen hat dem Bundestage und dem Bundesrate über alle Einnahmen und Ausgaben sowie über das Vermögen und die Schulden im Laufe des nächsten Rechnungsjahres zur Entlastung der Bundesregierung Rechnung zu legen (Art. 114 I GG). Aus diesem System von Vorgabe und Kontrolle wird deutlich, daß der Gesetzgeber die „herausragende Stellung“385 im Finanzwesen des Bundes einnimmt. Mit dem Haushaltsgesetz gibt er verbindlich ein in Zahlen ausgedrücktes Regierungsprogramm vor. Abweichend von Art. 76 I GG hat die Bundesregierung nach wohl h. M. jedoch auf die Erstellung des Regierungsprogramms ein Initiativmonopol386. Die Vorgabe des Regie384 Vogel, DÖV 1977, S. 642. Das Bruttoprinzip gilt jedenfalls einfachgesetzlich gem. § 12 I S. 1 Haushaltsgrundsätzegesetz: „Die Einnahmen und Ausgaben sind in voller Höhe und getrennt voneinander zu veranschlagen.“ 385 BVerfGE 45, 1, erster Leitsatz. 386 Jarass in Jarass/Pieroth, Art. 110 GG Rn. 9. Das soll sich aus der Formulierung von Art. 113 I mittelbar ergeben („Gesetze, welche die von der Bundesregierung vorgeschlagenen Ausgaben des Haushaltsplanes erhöhen oder neue Ausgaben in sich
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rungsprogramms wird formal im Haushaltsgesetz konzentriert, indem Art. 110 IV GG es verbietet, im Haushaltsgesetz Vorschriften aufzunehmen, die sich nicht auf die Einnahmen und Ausgaben des Bundes im entsprechenden Rechnungszeitraum beziehen (sog. Bepackungsverbot). Dieses Kontrollsystem lebt von den finanzverfassungsrechtlichen Begriffen der Einnahmen und Ausgaben, von numerisch bezifferbaren Größen also. Steuervergünstigungen fallen aus diesem Raster heraus. Ihre Höhe läßt sich nicht genau beziffern. Der Staat kann schätzen, aber nicht genau vorhersagen, ob und in welcher Größe sein Verhaltensangebot Erfolg haben wird. Steuervergünstigungen werden zeitlich vor und damit außerhalb des Systems von Einnahmen und Ausgaben „verbucht“. Der Staat kann den Erfolg seiner Verhaltensangebote nur durch Rückschlüsse und Schätzungen aus dem tatsächlichen, geminderten Steueraufkommen folgern. Paul Kirchhof formuliert deshalb, der entsprechend verminderte Einnahmeansatz sei „richtig“ und „ohne Alternative“.387 Der fehlende Ausweis der „tax expenditures“ ist deshalb formal-rechtlich kein Verstoß gegen das Prinzip das Bruttoprinzip; der vollständige Ausweis staatlicher Einnahmen ist jedoch „der Idee nach gefährdet“388, wenn der Gesetzgeber steuerliche Verschonungstatbestände schafft. Das Vollständigkeitsprinzip ist jedoch von seiner Rechtsnatur her so formal wie sein Name. Die Beeinträchtigung dieses Prinzips geschieht außerhalb des Bereichs des verfassungswidrigen, aber innerhalb des Bereichs des verfassungsrechtlich Bedenklichen. Zwischenergebnis: Die Beeinträchtigung des Vollständigkeitsprinzips ist gerechtfertigt, wenn der Gesetzgeber vertretbare Gründe hatte, die Verschonungssubvention der (direkten) Leistungssubvention vorzuziehen. Ein solcher Grund liegt insbesondere vor, wenn er der nicht unvertretbaren Ansicht war, die Leistungssubvention sei ineffizienter.
schließen oder für die Zukunft mit sich bringen, bedürfen der Zustimmung der Bundesregierung.“); Mußgnug ist demgegenüber der Ansicht, die Regierung habe verfassungsrechtlich nur ein „Vortrittsrecht“. Wortlaut, Sinn und Entstehungsgeschichte der Art. 110 III und 113 I S. 2 GG enthielten keinen Hinweis darauf, daß sie die Haushaltsinitiativen des Parlaments völlig ausschließen wollten. Das Initiativmonopol sei in fragwürdiger Weise einfachgesetzlich in der BHO verankert. Verfassungsrechtlich bildet nach diesem Ansatz jedoch das Vollständigkeitsgebot eine für das Parlament nur schwer überwindbare Hürde. Der Konflikt bei der Initiative ist insofern abgeschwächt, als die Exekutive im Regelfall nicht durch das Haushaltsgesetz zur Ausgabe gezwungen wird (reine Ausgabenermächtigung, Mußgnug, Der Haushaltsplan als Gesetz, S. 378). Unterschiede ergeben sich insbesondere bei der Frage, ob es dem Bundestag gestattet ist, einen Nachtragshaushalt in eigener Initiative zu beschließen. Mußgnug, Der Haushaltsplan als Gesetz, S. 355 ff. 387 Paul Kirchhof, Staatliche Einnahmen, HStR: Band IV, § 88, Rn. 23. 388 So eine Formulierung von Paul Kirchhof, Staatliche Einnahmen, HStR: Band IV, § 88, Rn. 23.
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B. Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern I. Beeinträchtigung der bundesstaatlichen Ertragsverteilung Wenn der Bund in Gemeinschaftssteuern (d.h. Steuern, die Bund und Ländern gemeinsam zustehen) Verschonungssubventionen anbietet, geht dies zum Teil zu Lasten der Länderhaushalte. Tendenziell ist der Bund deshalb eher zu derartigen Verschonungssubventionen bereit, als wenn ihn die Finanzierungsverantwortlichkeit vollständig treffen würde.389 Die mittelbare Finanzwirkung bundesstaatlichen Verhaltens ist vom Grundgesetz durchaus als Problem erkannt worden. Einmalig auftretende Investitionslasten soll der Bund nicht auf die Kommunen abwälzen dürfen.390 Zu diesem Schutzzweck bestimmt Art. 106 VIII, daß der Bund den (finanziell) „erforderlichen Ausgleich gewährt“, wenn er in einzelnen Ländern oder Gemeinden besondere Einrichtungen „veranlaßt“, die diesen Ländern oder Gemeinden „unmittelbar Mehrausgaben oder Mindereinnahmen (Sonderbelastungen) verursachen, wenn und soweit den Ländern oder Gemeinden nicht zugemutet werden kann, die Sonderbelastungen zu tragen.“ Man könnte zwar die Ansicht vertreten, aus der Ausgleichspflicht nur für „einzelne“ Länder bei „Sonderbelastungen“ sei im Umkehrschluß zu schließen, bei einer nicht auf einzelne Länder begrenzte Mehrbelastung werte das Grundgesetz die Beeinträchtigung als verfassungsrechtlich unerheblich. Das würde aber verkennen, daß Art. 106 VIII GG in erster Linie einen zusätzlichen Schutz für Länder und Gemeinden darstellen will. Eine derartige Auslegung würde dem Sinn und Zweck dieser Bestimmung widersprechen. Zudem spricht auch Art. 104a III 3 GG dafür, daß eine Aushöhlung der Finanzausstattung der Länder durch Bundesgesetze nicht möglich sein soll. Gem. Art. 104a III 3 GG bedarf ein Bundesgesetz, das Geldleistungen gewährt, der Zustimmung des Bundesrates, wenn es bestimmt, daß die Länder ein Viertel der Ausgaben oder mehr tragen. Normen, die Verschonungssubventionen darstellen, sind jedoch keine „Geldleistungsgesetze“. Für den Ertragsausfall, der durch allgemeine Verschonungssubventionen des Bundes bewirkt wird, findet sich damit im Grundgesetz jedenfalls keine Detail-Regelung.
389 So hatte der Bund über die Freistellung der Gehaltszulagen „Ost“ gem. § 3 Nr. 12 EStG seinen Beamten eine steuerfreie Vergünstigung zukommen lassen. Der Steuerausfall war hälftig von den Ländern zu finanzieren. Die Freistellung von der Steuerlast war deshalb nicht mit einer Zulagenerhöhung vergleichbar. Das Bundesverfassungsgericht ist im Ergebnis mit einer gleichheitsrechtlichen Argumentation dazu gelangt, die Verfassungswidrigkeit der Steuer-Freistellung festzustellen, BVerfGE (2. Senat) 99, 280 (296); Paul Kirchhof, Staatliche Einnahmen, HStR: Band IV, § 88, Rn. 60. 390 Vgl. Pieroth in Jarass/Pieroth, Art. 106 GG Rn. 18.
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Demokratie setzt klare Verantwortlichkeiten voraus. Die Zuständigkeitsabgrenzungen dienen dazu, den politischen Verantwortungsträger zu offenbaren. Dem Volk wird die Unfähigkeit oder Tugendhaftigkeit der beteiligten Personen vor Augen geführt. Das zeigt sich etwa bei der Konnexität von Ausgaben und Verwaltungsaufgaben. Für die Einführung von Verschonungstatbeständen ist der Bund zuständig. Die Verantwortung trifft jedoch zum Teil die Länder. Der Bund zeigt sich auf deren Kosten großzügig und verspricht Erleichterungen bei der Einkommensteuer. Dem Volk wird hierbei der Wirkungszusammenhang verschleiert. Bundestag und Bundesregierung erscheinen als progressiv und kompetent, Landesparlament und Landesregierung hingegen als reformfeindlich. Die mittelbare Lastentragung erklärt sich rechtstechnisch aus den gemeinsamen Ertragszuständigkeiten gem. Art. 106 III GG.391 Man könnte sich deshalb damit abfinden, formal sei „alles in Ordnung“. Diese formale Betrachtungsweise bleibt jedoch am Wortlaut des Art. 106 III GG haften. Wenn Art. 106 III GG die Erträge verteilt, dann regelten die Väter des Grundgesetzes damit eine positive Machtteilhabe. An die anknüpfende Frage der Tax-Expenditure-Finanzierungsverantwortlichkeit haben sie offensichtlich nicht gedacht. Die Teilhabe-Norm des Art. 106 III segnet das freigebige Verhalten des Bundes damit nicht ab. Zudem würde man mit einer formalen Auslegung das demokratische Ziel der Aufdeckung von Verantwortlichkeiten verfehlen. Das zeigt sich um so mehr, wenn der Gemeindeanteil über Steuervergünstigungen ausgehöhlt wird, ohne daß dieselben an ihrer Finanzmisere eine Verantwortlichkeit trifft. Inhaltlich müssen dem Bund deshalb bei der Einrichtung von Verschonungssubventionen zu Lasten der Ertragserwartungen der Länder/Gemeinden Grenzen auferlegt werden. Systematischer Anhaltspunkt hierfür ist das bündische Rücksichtnahmegebot sein. Es ist dem Bund deshalb verboten, Verschonungssubventionen zu Lasten fremder Haushalte anzubieten, ohne deren Interessen am gemeinsamen Ertrag mit zu berücksichtigen.392
391 Ein Trennsystem würde zwar die Verantwortlichkeiten offenbaren, wäre jedoch weniger auf gemeinsames finanzielles Zusammenhalten zwischen Bund und Ländern angelegt. 392 Ein ähnliches Problem stellt sich in abgeschwächter Form auch in bezug auf die Ertragsinteressen der Religionsgesellschaften. Soweit diese Körperschaften des öffentlichen Rechts sind, sind sie gem. Art. 137 V i.V. m. Art. 140 GG berechtigt, auf Grund der bürgerlichen Steuerlisten nach Maßgabe der landesrechtlichen Bestimmungen Steuern zu erheben. Die nach den Landesgesetzen zugewiesene Erhebungskompetenz knüpft an die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer an oder an den nach der Einkommensteuer zahlbaren Betrag (vgl. z. B. § 5 I Nr. 1 Kirchensteuergesetz BadenWürttemberg oder Art. 6 ff. des Kirchensteuergesetzes Bayern). Wird die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer ausgehöhlt, ist die Erhebungskompetenz der Kirchen eine Schutznorm ohne Substanz.
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Teil VI: Verfassungsrechtliche Grenzen
Dagegen könnte man einwenden, der Zustimmungsvorbehalt gem. Art. 105 III GG sei zum Schutze der Länderinteressen ausreichend. Gem. Art. 105 III GG bedürfen Bundesgesetze über Steuern, deren Aufkommen den Ländern oder den Gemeinden ganz oder zum Teil zufließt, der Zustimmung des Bundesrates. Art. 105 III GG ist damit eine Vorschrift, die deutlich den „Schutz durch Verfahren“ widerspiegelt.393 Art. 105 III GG ähnelt in dieser Zielsetzung Art. 104a III 3 GG nach dem ein Geldleistungsgesetz, dessen Lasten zu mind. 1/4 die Länder tragen, deren Zustimmung bedarf. Anders als bei den Zustimmungsvorbehalten der Art. 84 I, II, 85 GG läßt sich nach dem Wortlaut des Art. 105 III nicht argumentieren, die Vorschrift bezwecke allein eine Abstimmung mit den für die Umsetzung der Gesetze verantwortlichen (Länder-)Verwaltungsspitzen. Der Schutzmechanismus des Zustimmungsvorbehaltes gem. Art. 105 III GG ist bei einkommensteuerlichen Verschonungssubventionen jedoch nicht ausreichend: Verschonungssubventionen wirken sich je nach den regionalen Besonderheiten unterschiedlich aus. Das Verteilungssystem nach örtlichem Aufkommen (Art. 107 I GG) bewirkt, daß es Länder geben kann, die durch die Einnahmeausfälle nicht oder fast nicht betroffen sein werden. Es ist deshalb möglich, daß die Mehrheit unbetroffener Länder zu Lasten der betroffenen Länder die Zustimmung erklärt.394 Zudem kann es in einem parlamentarischen Regierungssystem mit starker Parteienanbindung auch dazu kommen, daß Länderinteressen von parteipolitischen Zwängen überspielt werden. Schließlich ist auch die Dynamik des Steuerbegriffs nur dann „gezügelt“, wenn gegenüber der Zuweisung einer bundesstaatlichen Investitionslenkung über Art. 105 II GG Kompetenzausübungsschranken gebildet werden. Diese Erweiterung der bundesstaatlichen Steuerkompetenz war den Vätern des Grundgesetzes in dieser Form nicht gegenwärtig. Die verfahrensrechtliche Schranke des Zustimmungsvorbehaltes ist zum Schutz der Ertragsinteressen der Länder deshalb nicht ausreichend. Die Kehrseite der weitgehenden Steuergesetzgebungskompetenzen des Bundes ist, daß er bei den Erträgen dieser Steuern nicht in gleichem Maße frei ist.395 Beeinträchtigt er die Länderinteressen an den Erträgen durch Verschonungssubventionen, muß er einen hinreichenden sachlichen Grund für die Auswahl dieses Förderungsmittels vorbringen.
393 Mußgnug, Konkurrierende Gesetzgebungskompetenz für Bundessteuern? Zur Auslegung des Art. 105 II GG, S. 653: „Art. 105 III GG wappnet die Länder (. . .) auch gegen bundessteuerliche Steuerreformen auf ihre Kosten.“. 394 Diesen Gedanken hat Birk formuliert, Finanzierungszwecke und Lenkungszwecke in einem verfassungsmäßigen Steuersystem, in: Grundrechtsschutz im Steuerrecht, S. 83. 395 Vgl. Mußgnug, Konkurrierende Gesetzgebungskompetenz für Bundessteuern? Zur Auslegung des Art. 105 II GG, S. 653.
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II. Beeinträchtigung der Sachgesetzgebungskompetenzen der Länder Die Frage nach der Beeinträchtigung der Sachgesetzgebungskompetenz der Länder stellt sich allgemein für Steuervergünstigungen und weist keinen besonderen Bezug zu Förderabschreibungstatbeständen auf. In dem obigen Abschnitt über die Steuergesetzgebungszuständigkeit des Bundes ist ein weiter Steuerbegriff verfolgt worden. Daraus folgt in der praktischen Konsequenz mittelbar eine Kompetenzzuweisung zu Gunsten des Bundes für wirtschaftslenkende Steuergesetze. Kann der Bund über Art. 105 II GG auch Gesetze schaffen, die in ihren Details wirtschaftslenkend wirken, im ganzen jedoch Ertragsrelevanz haben, so folgt daraus, daß der Bund auch steuerliche Verschonungssubventionen anbieten darf. Konflikte zwischen dem Bundessteuergesetzgeber und dem Landessachgesetzgeber können über das Gebot der Widerspruchsfreiheit und das Gebot der Bundestreue396 abgewogen werden.397 Nach dem Prinzip der Bundestreue muß auch der Bund bei der Wahrnehmung seiner Kompetenzen die gebotene und ihm zumutbare Rücksicht auf die Interessen der Länder nehmen.398 Eine Fallgruppe, in der diese Konfliktlage zu der Verfassungswidrigkeit der entsprechenden Regelung führen könnte, ist die Bundes-Verschonungssubvention im Bereich der ausschließlichen Landessachgesetzgebung. Kommt es zu einem Wertungswiderspruch der ausschließlicher Landessachgesetzgebung mit den Lenkungswirkungen einer Bundessteuer fragt sich, wer gegenüber wem Rücksicht zu nehmen hat und wie der Widerspruch aufzulösen ist. Die Ausführungen über den Steuerbegriff haben gezeigt, daß die Lenkungswirkung dem Bundessteuergesetzgeber zwar möglich ist, sich aber im Randbereich seiner Steuergesetzgebungskompetenz befindet. Das führt dazu, daß ein derartiger Konkurrenzkonflikt in der Regel durch einen Vorrang des Landessachgesetzgebers zu lösen ist.399 Im Fall der Abschreibungstatbestände beweist der Bundessteuergesetzgeber jedoch gerade hier Rücksichtnahme für die Länderinteressen: Der Bundessteuergesetzgeber hilft sich mit einem zweistufigen Verfahren: So sieht etwa § 7i II („Erhöhte Absetzungen bei Baudenkmälern“) EStG vor, daß der Steuerpflichtige die erhöhte Absetzung nur in Anspruch nehmen kann, wenn er durch eine Bescheinigung der nach Landesrecht zuständigen oder von der Landesregierung bestimmten Stelle die Voraussetzungen der Förderungswürdigkeit nachweist.400 396 Der Gedanke der Bundestreue als Kompetenzausübungsschranke ist nicht neu, Kloepfer, StuW 1972, S. 178. 397 Die Verbindungslinien des Gebots der Bundestreue und des Gebots der Widerspruchsfreiheit will auch Jarass erkannt haben, Die Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung als verfassungsrechtliche Vorgabe, AöR 2001, S. 605. 398 Becker/Karpen, JZ 2001, S. 973. 399 Ähnlich Jarass, Die Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung als verfassungsrechtliche Vorgabe, AöR 2001, S. 606.
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Teil VI: Verfassungsrechtliche Grenzen
Förderungswürdig ist gem. § 7i I EStG ein Gebäude, das nach den jeweiligen landesrechtlichen Vorschriften ein Baudenkmal ist. Im Ergebnis bestimmt damit jedes Bundesland, was gefördert wird. Mehr Rücksichtnahme auf Landesinteressen kann von einem Bundessteuergesetzgeber nicht verlangt werden. Der Fall einer bundessteuerrechtlich im Einzelfall festgelegten Kulturförderung ohne Abstimmung mit den Länderinteressen ist jedenfalls für Abschreibungstatbestände ein realpolitisches nullum. Er braucht deshalb nicht entschieden zu werden. III. Beeinträchtigung der Verwaltungs- und Ausgabezuständigkeiten der Länder Eine Leistungssubvention ist nach den Verwaltungszuständigkeiten im Grundsatz401 von den Ländern zu vergeben, die dafür gem. Art. 104a GG die Kosten tragen müssen.402 Die Artikel 83 ff. regeln das Außenverhältnis Staat – Bürger, Art. 104a ff. die Lastentragungsrechte und Lastentragungspflichten im Verhältnis Bund – Länder. Förderabschreibungstatbestände werden vom Bund veranlaßt und durch die steuerliche Mischverwaltung umgesetzt. Man könnte die Verwaltungskompetenz der Länder dadurch beeinträchtigt sehen, daß der Bund über das Steuerrecht Subventionen „vergibt“. In der Einleitung wurde eine derartige Beeinträchtigung der Verwaltungs- und Ausgabekompetenzen der Länder mit dem Argument nahegelegt, der Verschonungssubventionsanreiz sei aus Sicht des Steuerpflichtigen mit einem Leistungssubventionsanreiz austauschbar. Die Verschonungssubvention gestatte dem Bund ein mittelbares Verwalten. Gegen eine derartige inhaltliche Betrachtungsweise spricht jedoch der Formalismus, mit dem das Grundgesetz selbst die Verwaltungs- und Ausgabenkompetenzen zuordnet. Eine Verschonungssubvention gehört formal dem Bereich des Steuerrechts an. Diese formale Zuordnung bedeutet eine Grundentscheidung gegen das Veranlassungsprinzip. Diese bewußt formale Betrachtung ist im Verhältnis zur Verwaltungs- und Ausgabenkompetenz, anders als für die Ertragshoheit auch überzeugend. Bei der Ertragshoheit wirkt sich das Angebot einer Verschonungssubvention unmittelbar zu Lasten der Länder und Gemeinden aus.
400 Ähnlich strukturiert ist etwa auch § 7d EStG (erhöhte Absetzungen bei Investitionen, die dem Umweltschutz dienen), Bordewin, BB 1975, S. 459; der Nachweis bezieht sich nur auf die Eignung und Zweckbestimmung des Wirtschaftsguts; ob die Wirtschaftsgüter dem Umweltschutz tatsächlich dienen, kann erst nach Inbetriebnahme beurteilt werden. Für diese Beurteilung ist das Finanzamt zuständig. 401 Dieser Grundsatz ist sehr abgeschwächt durch die Verwaltungspraxis, vgl. Heiko Faber in AK, Art. 104a GG, Rn. 2. 402 Siehe „§ 1 Verfassungsrechtliche Bedenken“.
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Die Einwirkung auf die (Außen-)Verwaltungs- und (Binnen-)Ausgabenkompetenz der Länder ist jedoch mittelbar. Die Umgehung der Länder-Vergaberechte ist eine systemimmanente Folge aus der Absage an die Veranlassungstheorie.403 Schließlich spricht für die rein formale Betrachtung und damit gegen eine Beeinträchtigung der Länder-Subventionsvergabekompetenzen, daß auch dem Bund weitreichende Subventions-Vergabekompetenzen zustehen. Das kann einmal der Fall sein, wenn über 87 III selbständige Bundesoberbehörden oder bundesunmittelbare Körperschaften oder Anstalten des öffentlichen Rechts geschaffen wurden. Deren Ausgaben hat der Bund gem. Art. 104a I GG zu tragen. Zusätzlich bestehen aber eine ganze Reihe von ungeschriebenen Bundeszuständigkeiten. Nach einem Entwurf aus dem Jahre 1971 einer „Verwaltungsvereinbarung über die Finanzierung öffentlicher Aufgaben von Bund und Ländern (sog. Entwurf des Flurbereinigungsabkommens) sind dem Bund kaum Grenzen gesetzt.404 Insbesondere war vorgesehen, daß der Bund Maßnahmen der Wirtschaftsförderung, die sich auf das Bundesgebiet als Ganzes beziehen und ihrer Art nach nicht durch ein Land allein wahrgenommen werden können, finanzieren darf.405 Ein Stufenverhältnis zwischen Bund und Ländervergabekompetenzen besteht deshalb nicht. Gleiches gilt auch im Verhältnis zwischen den beiden Formen der öffentlichen Förderung, der Vergabe- und der Verschonungssubvention. Die Abgrenzungsversuche bei der Steuergesetzgebungskompetenz haben die steuerliche Verschonungssubvention sicherlich an den Randbereich der Bundeskompetenzen gerückt. Es ließe sich deshalb argumentieren, diese Randlage der Verschonungssubvention spreche für einen Vorrang der Leistungssubvention. Der herausgearbeitete weite Steuerbegriff (Ertragsrelevanz ist ausreichend) wirkt jedoch auch kompetenzerweiternd. Bundessteuerliche Verschonungssubvention und Bundesverwaltungs-Leistungssubvention stehen gleichberechtigt nebeneinander. Die Länder werden durch die bundessteuerlichen Verschonungssubvention nicht in ihren Rechten, Subventionen zu vergeben und für diese aufzukommen, beeinträchtigt.406
403
Vgl. Heiko Faber in AK, Art. 104a GG, Rn. 1. Maunz/Dürig – Maunz, Art. 104a GG Rn. 16 ff. 405 Daneben sollte der Bund auch für gesamtstaatliche Repräsentation, Auslandsbeziehungen, Integration der Neuen Bundesländer, Großforschung, für die Förderung nichtstaatlicher zentraler Organisationen und für Ausgaben, die zur sachgemäßen Erfüllung von Aufgaben der Bundesbehörden notwendig sind, aufkommen dürfen. 406 Im Interesse einer Vermeidung von Parallelzuständigkeiten ist für die Zukunft zu fordern, daß die Kompetenzen der Bundesbehörden klarer beschrieben werden und daß ungeschriebene Bundesverwaltungs- und Ausgabekompetenzen nur unter engen Voraussetzungen angenommen werden; ähnlich Maunz/Dürig – Maunz, Art. 104a GG Rn. 12. 404
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§ 19 Zusammenfassung: Individueller und institutioneller Rechtfertigungsmaßstab Für Förderabschreibungstatbestände gebietet Art. 3 I einen strengen Rechtfertigungsmaßstab unter Einhaltung von Verhältnismäßigkeitskriterien. Die Freiheitsrechte des subventionierten Wirtschaftsteilnehmers sind nicht betroffen. Konkurrenten können sich nur dann auf die Einhaltung ihrer Wettbewerbsfreiheit berufen, wenn die Förderabschreibungstatbestände personal-abgrenzend formuliert sind. Dann erst kommt es zu einer Wettbewerbsverzerrung zu Lasten der Konkurrenten und zur Erfüllung des funktionalen Schutzbereichs der Berufsfreiheit, der berufsregelnden Tendenz. Aus institutioneller Sicht gilt gem. Art. 80 I GG, daß die Subventionsentscheidung vom Gesetzgeber gefällt werden muß, sofern die Details dem Verordnungsgeber überlassen werden dürfen. Die Beeinträchtigung der Ertragshoheiten von Ländern und Gemeinden zwingt den Bund dazu, seine Wahl der Verschonungssubvention sachlich zu begründen. Nur in Extremfällen können sich die Länder jedoch auf die Beeinträchtigung ihrer Sachgesetzgebungskompetenzen berufen. In diesen Fällen ist das pervertierte Steuergesetz wegen Verstoßes gegen das Prinzip der Bundestreue und das Prinzip der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung nichtig. Die Sachverwaltungskompetenz der Länder und die Ausgabenkompetenzen der Länder sind hingegen nicht betroffen.
§ 20 Einzelfallprüfungen A. § 7 II EStG (20% degressive Abschreibung) Gem. § 7 II 1 EStG kann der Steuerpflichtige bei beweglichen Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens statt der Absetzung für Abnutzung in gleichen Jahresbeträge die Absetzung in fallenden Jahresbeträgen bemessen. Der dabei anzuwendende Hundertsatz darf 20% nicht überschreiten. Bei der verfassungsrechtlichen Prüfung dieser degressiven Abschreibungsmethode gilt es, zunächst diese Norm „abzuschichten“. Ist die degressive Abschreibung beweglicher Wirtschaftsgüter Steuervergünstigung oder entspricht sie Leistungsfähigkeitskriterien? Der rein formale Ausnahmecharakter der Vorschrift im Verhältnis zu § 7 I EStG (lineare Abschreibung) ist für sich genommen nicht aussagekräftig. Der Wortlaut der Vorschrift ist neutral. Ein investitionsfördernder Charakter steht der Norm nicht „auf die Stirn geschrieben.“ Deshalb ist die Frage zu stellen, ob bewegliche Wirtschaftsgüter typischerweise einem degressiven Wertverlust407 unterliegen. Bewegliche Wirtschaftsgüter sind kurzlebiger als unbewegliche. Auch mag eine Reparatur wirtschaftlich weniger zwingend als bei Gebäuden sein. Der Steuerpflichtige kann geringwer-
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tige Wirtschaftsgüter gem. § 6 II EStG sofort absetzen. Für § 7 II EStG bleiben damit in praxi nur hochwertige bewegliche Wirtschaftsgüter übrig. Die Wirtschaftsgüter, die nach § 7 II EStG abgeschrieben werden, sind typischerweise relativ langlebig. Diese Beobachtung beruht darauf, daß für kurzlebige, bewegliche und hochwertige Wirtschaftsgüter die lineare Abschreibung gem. § 7 I EStG interessanter ist: Mit dem Höchstsatz von 20% bei der degressiven AfA ergeben sich erst ab einer Nutzungsdauer von mehr als sechs Jahren Unterschiede. Langlebige, hochwertige und bewegliche Wirtschaftsgüter sind in vielfältigen Formen denkbar. Ladeneinbauten, Maschinen und Fahrzeuge gehören zum Beispiel zu den in Frage kommenden Wirtschaftsgütern. Der Wert von Maschinen mag in der Regel einem schnellen Alterungsprozeß unterworfen sein. Maschinen unterliegen mehr als andere Wirtschaftsgüter – etwa des Umlaufvermögens – dem technologischen Fortschritt. Die beschleunigte Veralterung von Maschinen führt dazu, daß sie nur kurze Zeit ihren ErstWert behalten. § 7 II EStG ist jedoch tatbestandlich nicht auf moderne Maschinen begrenzt. Schon Ladeneinbauten, Mietereinbauten408 und Betriebsvorrichtungen409 mögen anders zu beurteilen sein und einem linearen Wertverlust unterliegen. Die tatbestandliche Weite des § 7 II EStG erschwert zudem den Vergleich mit einer realitätsgerechten Wertentwicklung. Die Anwendung der Norm auf Pkws mag angemessen sein, auf Flugzeuge jedoch unangemessen. Je weiter der Anwendungsbereich einer Norm ist, ohne daß der Gesetzgeber jedoch angezeigt hätte, ob er diese Norm als lastenausgleichend oder als subventionierend gemeint hat, um so mehr spricht diese tatbestandliche Weite der Norm dafür, sie in ihrer rechtspraktischen Anwendung als Förderabschreibungstatbestand zu begreifen. Daraus folgt, daß es sich bei § 7 II EStG nicht um eine Norm austeilender Gerechtigkeit handelt, sondern um eine Verschonungssubvention.410 Mangels Angabe eines Rechtfertigungsgrundes ist die Norm deshalb verfassungswidrig.
407 Die Frage nach dem Wertverlust bedeutet eine bewußte Vereinfachung. Nach dem folgerichtigen Weiterdenken des. § 7 I S. 1 EStG kommt es nur auf die Abnutzungsgrad an. 408 Mietereinbauten können je nach Funktionszusammenhang „bewegliche“ oder „unbewegliche“ Wirtschaftsgüter sein, H 13 zu Mietereinbauten. 409 R 42 III: „Betriebsvorrichtungen sind selbständige Wirtschaftsgüter, weil sie nicht in einem einheitlichen Nutzungs- und Funktionszusammenhang mit dem Gebäude stehen. Sie gehören auch dann zu den beweglichen Wirtschaftsgütern, wenn sie wesentliche Bestandteile eines Grundstücks sind.“ 410 Anderer Ansicht ist unter betriebswirtschaftlicher Vorgehensweise Reibert, Problematik von Sonderabschreibungen, S. 18.
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Für die Parteien folgt der Anspruch aus Art. 21 I i.V. m. 3 I GG. Die Willensbildung in Parteien hat staatsfrei zu erfolgen. „Der Staat verfälscht durch die steuerliche Begünstigung von Spenden an politische Parteien deren vorgefundene Wettbewerbslage, wenn dadurch Parteien bevorzugt werden, die eine größere Anziehungskraft auf Steuerpflichtige mit hohen Einkünften ausüben als andere Parteien.“283
Daraus wurde gegen den sich aus Art. 21 I i.V. m. 3 I GG ergebende Grundsatz der Chancengleichheit der Parteien verstoßen. In diesen Bereichen „kulturellen Wettbewerbs“ ergibt sich der Anspruch auf Wettbewerbsneutralität aus dem speziellen Freiheitsrecht, in konsequenter Fortführung der oben genannten Rechtsprechung also aus den Art. 4 I, 5 I S. 1, S. 2, 5 III, 7 I, IV, 8 I, 9 I GG. Die „Marktabgrenzung“ erfolgt ähnlich wie im Wettbewerbs- und Kartellrecht nach der Substitutionsfähigkeit der in Frage stehenden „Produkte“.284 Problematisch ist die Ableitung einer Neutralitätspflicht aber im Bereich des „wirtschaftlichen Wettbewerbs“. Anders als im Bereich des kulturellen Wettbewerbs läßt sich hier keine „staatsfremde Entstehung“ fordern. Die meisten der Freiheitsbereiche im „kulturellen Wettbewerb“ besitzen eine demokratische Bedeutung. Eine Demokratie ohne den Kampf der Meinungen, ohne den Wettbewerb der Presseerzeugnisse ist keine Demokratie. Die staatsfremde Entstehung der Meinung/Presse etc., ist zwingend. Die Willensbildung beginnt beim Volk und nicht beim Staat. Das Volk ist die Wurzel, der Staat das Vehikel für die Ausübung der mehrheitlich gewünschten politischen Idee. Anders ist dies im Bereich des „wirtschaftlichen Wettbewerbs“. Staat und Wirtschaft interagieren. Es ist vom Grundgesetz zwar durch die Anordnung einer Steuerfinanzierung (Art. 104a–115 GG) eine (formale) Trennung von Staat und Wirtschaft vorgesehen; die Teilhabe an wirtschaftlichen Entwicklungen ist jedoch immer zugleich auch eine staatliche Einflußnahme. Der Staat darf zudem in Gemeinwirt-
Ein Verstoß gegen die aus Art. 5 I S. 2 GG folgende Neutralitätspflicht liegt freilich nicht schon dann vor, wenn der Staat Fördermaßnahmen nicht unterschiedslos auf sämtliche unter die Pressefreiheit fallende Druckerzeugnisse erstreckt. Der Staat genießt im Bereich der Grundrechtsförderung vielmehr einen weiteren Handlungsspielraum als im Bereich der Grundrechtseinschränkung. Art. 5 I S. 2 GG verbietet nur, daß er den Inhalt der Meinungen oder die Tendenz von Presseerzeugnissen zum Förderungskriterium macht und sich auf diese Weise Einfluß auf den gesellschaftlichen Meinungs- und Willensbildungsprozeß verschafft, der nach dem Willen des Grundgesetzes im Interesse der personalen Autonomie und des demokratischen Systems staatsfrei zu bleiben hat (vgl. BVerfGE 20, 162 (174).“ 283 BVerfGE – Parteienfinanzierung – 85, 264 (312 f.). 284 Das Bundesverfassungsgericht spricht von „mittelbarem (Substitutions-)Wettbewerb im Sinne eines Kampfes um Marktanteile“ und fragt weiter nach den „medienspezifischen Eigenheiten der verschiedenen Kommunikationsmittel“, BVerfGE – Umsatzsteuertarif für Schallplatten – 36, 321 (334 f.).
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Teil VI: Verfassungsrechtliche Grenzen
B. § 7 IV Nr. 2 a) EStG (2% lineare Abschreibung bei „Neubauten“) Die geringste Abschreibungsform für Gebäude ist § 7 IV Nr. 2 a) EStG, nach dem der Steuerpflichtige ein Gebäude in Jahresraten von 2% abzuschreiben hat. Die nach heutiger Systematik als Grundnorm für Gebäudeabsetzungen anmutendende Vorschrift bedeutet jedoch ihrerseits eine Begünstigung gegenüber der Anwendung von § 7 I 1 EStG. Bis zur Einführung der Vorschrift waren Abschreibungszeiträume von 50 bis 100 Jahren bei Gebäuden üblich. Entspricht die zweiprozentige Abschreibung dem Maßstab der Realität? Die Abschreibungstatbestände müßten – wie dies der BFH411 1964 ausführte – „das Ziel zu erreichen versuchen, daß die Restwerte dem verbleibenden Nutzwert des Wirtschaftsgutes im wesentlichen entsprechen.“ Eine realitätsgerechte Abschreibung müßte das Maß der Abnutzung berücksichtigen; die tatsächlichen Wertverhältnisse sind für die gesetzestechnische Anknüpfung zunächst unerheblich. Andernfalls müßte die Wertsteigerung von Gebäuden einbezogen werden; trotz der tatsächlichen Abnutzung könnten Gebäude nicht abgeschrieben werden. Das wäre ein widersinniges Ergebnis. Bei Zugrundelegung der tatsächlichen Abnutzung müssen wertbezogene Kriterien wie modischer Wandel etc. außen vor bleiben. Indiz für die Einordnung ist die Rechtsprechung des BFH vor Einführung des § 7 IV. Damals waren Abnutzungsdauern von 50–100 Jahren üblich. Legt man diese Abnutzungsverhältnisse zu Grunde, findet für den Teil der Gebäude, die tatsächlich 100 Jahre „stehen“, eine Bevorzugung statt. Aus der Verpflichtung, das gesamtwirtschaftliche Gleichgewicht zu wahren, folgt, daß bei der Qualifikation von Verschonungssubventionen der Staat die Inflation nicht berücksichtigen darf. Angesichts der Diskrepanz zwischen der tatsächlichen Abnutzung, der Steigerung der Wertverhältnisse und dem stetigen Abnehmen der Buchwertverhältnisse führt die Norm zu einer Verzerrung der Wertverhältnisse und ist deshalb objektiv Subvention. Zwar ließe sich einwenden, aus der Aufwands-Verteilungsfunktion der Abschreibungen folge, daß der Anschaffungsaufwand über die Nutzungsperiode aufzuteilen sei. Daraus läßt sich jedoch nicht folgern, daß durch die Abschreibung von im Wert üblicherweise steigenden Wirtschaftsgütern eine realitätsgerechte Buchung dieser Wirtschaftsgüter erreicht wird. Insofern sind Gebäude weniger vergleichbar mit Neuwagen, deren Wert abnimmt, sondern eher mit Antiquitäten. Auch ein Ölgemälde von Rubens bedarf der Restauration, dem Wertverfall ist es typischerweise jedoch nicht ausgesetzt. Daraus folgt, daß ein Abschreibungsgrad von 2% bei Grundstücken nicht mehr realitätsgerecht ist.
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BFHE 60, 429.
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Die Verzerrung ist tatbestandlich nicht durch Förderungsgesichtspunkte nachgezeichnet. So fehlt der Norm eine Eingrenzung auf Eigenheimförderung oder Bautätigkeit. Mangels vorgezeichnetem gesetzlichem Förderungszweck ist die Norm verfassungswidrig.
C. § 4 II Nr. 1 i.V. m. §§ 3, 1 Fördergebietsgesetz (50% Sonderabschreibung) Das Fördergebietsgesetz hat Abschreibungsraten von bis zu 50% gewährt. Diese Förderung bezog sich auch auf Gebäude, und damit auf Wirtschaftsgüter, deren Investitionssumme im Regelfall erheblich ist. Das Fördergebietsgesetz wich damit erheblich vom Grad der Leistungsfähigkeit ab. Die Verschonungssubventionen standen in engem Zusammenhang mit Herstellungstätigkeiten. Die Anschaffung eines abnutzbaren unbeweglichen Wirtschaftsguts war nach § 3 S. 2 Fördergebietsgesetz nur begünstigt, wenn u. a. das Wirtschaftsgut bis zum Ende des Jahres der Fertigstellung angeschafft worden ist. Über diese Klausel wurde sichergestellt, daß bei Gebäuden ein unmittelbarer Zusammenhang zu einer Bautätigkeit bestand. In Verbindung mit der Eingrenzung auf das Fördergebiet gem. § 1 II Fördergebietsgesetz (Neue Länder und Berlin) hat das Fördergebietsgesetz damit eine Bautätigkeit gefördert. Die Bauförderung ist – mehr als andere Formen der Investitionsförderung – von einer nachhaltigen Wirkung. Relikt von wirtschaftlichen Bautätigkeiten sind Gebäude und damit bessere, räumliche Lebensbedingungen für die Menschen in den Neuen Bundesländern. Die Förderung der wirtschaftlichen Aktivität und der Stadtsanierung sind Ziele, für die das Fördergebietsgesetz sich als geeignet erwiesen hat. Die Ostförderung nach dem Fördergebietsgesetz hat zu einem Zeitpunkt eingesetzt, in dem die dortige Konjunktur eine Initialzündung benötigte. Förderabschreibungen zur Lösung konjunktureller Defizite sind prima facie geeignet. Mildere Maßnahmen gleicher Effizienz sind jedenfalls bei erstem Anschein nicht ersichtlich. Für die Frage der Erforderlichkeit ist es jedoch nicht geboten, intensive Nachforschungen über alternative Handlungsmöglichkeiten anzustrengen. In der Zeit unmittelbar nach der Wende fehlte es in den Neuen Bundesländern auch an einer Infrastruktur der Verwaltung. Finanzbehörden waren erst in der Entwicklung. In dieser Situation wäre die Vergabe von Direktsubventionen nicht in gleicher Weise geeignet gewesen. Die erhebliche Förderung hat sich jedoch in besonderer Weise zu Gunsten gutverdienender, insbesondere westdeutscher Investoren ausgewirkt. Die Regressionswirkung dieser Verschonungssubvention zwingt deshalb weiter danach zu fragen, ob die Förderung in dieser beträchtlichen Höhe angemessen war. Abgewogen werden müssen hier das Ziel der Förderung – Stadtsanierung und
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Wirtschaftsförderung in den Neuen Bundesländern – mit der Beeinträchtigung des Leistungsfähigkeitsprinzips. Bei dieser Abwägung ist zu Gunsten der Angemessenheit zu berücksichtigen, daß das Fördergebietsgesetz nicht nur als Mittel gegen irgendeine regionale Strukturkrise eingesetzt wurde. Die durch die verschiedenen politischen System bedingte Rückständigkeit der ostdeutschen Wirtschaft hat das gesamte politische und wirtschaftliche System der Bundesrepublik vor eine Belastungsprobe gestellt, die keinen historischen Vergleich kennt. Deutschland befand sich – auch verfassungsrechtlich – in einer Sonderlage. Die Pflicht zur Bundestreue zu Gunsten der Neuen Länder, wie sie etwa in der Bildung des Fonds „Deutsche Einheit“ gem. Art. 7 V des Einigungsvertrages412 zum Ausdruck kommt, war ausgeprägter als zu jedem anderen Zeitpunkt in der deutschen Geschichte. Angesichts der historischen Ausnahmesituation war es deshalb zulässig, eine derart großzügige Verschonungssubvention anzubieten. Diese Gesichtspunkte kommen auch in bezug auf die Beeinträchtigung der Länder-Ertragshoheiten zum Tragen. Das Fördergebietsgesetz ist verfassungsmäßig.
D. § 7 IV Nr. 2 b) EStG (2,5% lineare Abschreibung bei Altbauten) Gem. § 7 IV Nr. 2 b) EStG können (Privat-)Gebäude, die vor dem 1.1.1925 fertig gestellt worden sind, jährlich mit 2,5% abgeschrieben werden. § 7 IV Nr. 2 b) EStG ist damit noch günstiger als § 7 IV Nr. 2 a) EStG. Die Besserstellung fertiggestellter Altbauten ist nur noch historisch zu erklären: Bei Einführung des § 7 V EStG wollte man vermeiden, daß einige Altbauten noch über Jahrzehnte abgeschrieben werden (damals waren Abschreibungsdauern von 50–100 Jahren üblich). Die Bevorzugung der Altbauten wurde 1964 als „Milderung“ gegenüber den Neugebäuden gem. § 7 V EStG gesehen. § 7 IV Nr. 2 b) EStG ist damit eine Übergangsvorschrift, die aus dem damaligen Verständnis von „Gleichbehandlung“ resultiert. Dieser (vielleicht damals rechtfertigende) Grund ist jedoch entfallen. § 7 IV Nr. 2 b) EStG hat sich perpetuiert. Die Übergangsvorschrift ist versteinert. Das Bundesverfassungsgericht hat jedoch festgestellt, daß der Gesetzgeber „Wertverzerrungen“413 entgegensteuern muß, die durch seine Untätigkeit entstehen. Haben sich die steuererheblichen Werte für bestimmte Gruppen wirtschaftlicher Einheiten deutlich auseinanderentwickelt, dürfe der Gesetzgeber dies nicht auf sich beruhen lassen.414 Die Bindung des Gesetzgebers an die verfassungsmäßige Ordnung (Art. 20 III GG) erschöpft sich nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts nämlich nicht 412 Vertrag zwischen der BRD und der DDR über die Herstellung der Einheit Deutschlands v. 31.8.1990, BGBl. II S. 889. 413 BVerfGE 93, 165 (173). 414 BVerfGE 93, 165 (173).
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in der Verpflichtung, bei Erlaß eines Gesetzes die verfassungsrechtlichen Grenzen einzuhalten; sie umfasse auch die Verantwortung dafür, daß die erlassenen Gesetze in Übereinstimmung mit dem Grundgesetz bleiben.415 Die Nachbesserungspflicht des Gesetzgebers aktualisiere sich erst dann, wenn die Verfassungswidrigkeit eines Gesetzes erkannt oder doch jedenfalls deutlich erkennbar werde.416 Hier ist die Nachbesserungspflicht erkennbar. Für lenkende Steuergesetze hat das Bundesverfassungsgericht nämlich ausgesprochen, daß das in den Dienst stellen des Steuerrechts in außerfiskalische Verwaltungsziele eine erkennbare Entscheidung des Gesetzgebers voraussetze, mit dem Instrument der Steuer auch andere als bloße Ertragswirkungen erzielen zu wollen.417 Würde allein eine tatsächliche Entwicklung ein Steuergesetz in den Dienst auch außerfiskalischer Zwecke stellen können, so würde eine speziell für die Besteuerung vorgesehene Ermächtigung ohne gesetzgeberische Entscheidung tatsächlich auch für nichtsteuerliche Ziele in Anspruch genommen.418 Das bloße Erreichen eines legitimen Lenkungszweckes ist für die Rechtfertigung des Belastungsunterschieds nicht ausreichend.419 Aus dieser Rechtsprechung folgt im hier interessierenden Zusammenhang, daß der Gesetzgeber Belastungsunterschiede nur über den von ihm gesetzten Zweck rechtfertigen kann. War der Zweck – wie hier – nur übergangsweise tragfähig420, so kann das Unterlassen des Gesetzgebers der faktischen Verschonungssubvention keine Rechtfertigung verleihen. Bei näherer Betrachtung kommt es auf diese Argumentationslinie des Bundesverfassungsgerichts bei der Beurteilung des § 7 IV Nr. 2 b) EStG nicht an. § 7 IV Nr. 2 b) EStG weicht vom Maßstab der Leistungsfähigkeit ab. Eine solche Abweichung setzt nicht nur formal (Begründungsgebot), sondern auch materiell voraus, daß ihr ein legitimer Zweck zu Grunde liegt. Ein solcher ist jedoch auch inhaltlich nicht zu erkennen. Der Norm liegt weder formal noch inhaltlich eine (heutzutage) wirksame Zwecksetzung zu Grunde. Auf die relativ geringe Höhe der Abweichung von der Leistungsfähigkeit kommt es nicht an; die Höhe der Abweichung ist erst auf der Stufe einer hier nicht möglichen Abwägung beachtlich. Sie ist verfassungswidrig.
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BVerfGE 88, 203 (310). BVerfGE 88, 203 (310). 417 BVerfGE 93, 121 (147). 418 BVerfGE 93, 121 (147). 419 BVerfGE 93, 121 (147). 420 Auch an der Haltbarkeit eines gleichheitsorientierten „Abmilderns“ bestehen Zweifel, die jedoch hier nicht entscheidungserheblich sind. 416
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E. § 7g I EStG, Sonderabschreibungen und Ansparabschreibungen zur Förderung kleiner und mittlerer Betriebe § 7g I EStG weicht zur Förderung von KMU (= Kleine und Mittlere Unternehmen) von einer realitätsgerechten Abschreibung ab und ist damit Steuervergünstigung. Ziel der Regelung war es, die Bereitstellung von Risikokapital für Unternehmen anzuregen, die Investitionsbereitschaft der Wirtschaft zu fördern und positive Impulse für einen weiteren Aufschwung und für die Erhaltung und Schaffung von Arbeitsplätzen zu geben.421 Die Steuervergünstigung gilt zu Gunsten von KMU. KMU haben bei der Finanzierung gegenüber Großunternehmen viele Nachteile. Der Zugriff auf den Kapitalmarkt ist ihnen versperrt: Der Anleger-Markt ist in Deutschland mehr als in anderen Ländern ein börsendominierter Markt. KMU sind üblicherweise nicht börsennotiert. Sie können weder über öffentliche Kapitalerhöhungen, noch über die Begebung von handelbaren Anteilen ihre Finanzierung sicherstellen. Diese Nachteile im Refinanzierungsprozeß wirken sich gerade bei Investitionen aus. Kapitalintensive Investitionen sind für KMU deshalb schwerer zu bewältigen als für Großunternehmen. § 7g EStG trifft die Unternehmen gerade zum Zeitpunkt der Finanzierung von Investitionen. Die Steuerzahlungspflicht wird gerade zu dem Zeitpunkt gemindert, zu dem die Anschaffungskosten die Liquidität belasten. § 7g I EStG ist damit geeignet, die KMU zu Investitionen anzuregen. Aus Sicht des Gleichheitssatzes mildere, aber gleichwirksame Formen der Investitionsförderung sind nicht von vornherein ersichtlich. Zwar wäre eine Mittelstandsförderung über Investitionszuschüsse gleichheitsrechtlich unbedenklicher; an der gleichen Effizienz einer derartigen Maßnahme bestehen jedoch Zweifel: Anspar-Abschreibung und Abschreibungsvorteil vollziehen sich ipse lege. Ein durch Gesetz eingeräumter Anspruch auf Investitionszuschuß würde dem zwar gleichkommen, würde aber für die KMU einen zusätzlichen Verwaltungsaufwand erfordern. Die Investitionsförderung nach § 7g EStG wird über die Buchführung in die Organisationsstruktur eines KMU übernommen; ein Investitionszuschuß hingegen würde dem vom Zufluß der Mittel abhängen, also zu einem zeitlich späteren Zeitpunkt die KMU in ihren Liquiditätsschwierigkeiten entlasten. Die Förderung von KMU ist relativ geringfügig, bei Existenzgründern jedoch erheblich. Nur bei letzteren könnten deshalb Zweifel an ihrer Angemessenheit bestehen. Diese Zweifel sind jedoch letztlich unberechtigt. Existenzgründer sind 421 Grundsatzbeschlüsse der Bundesregierung zum Bundeshaushalt und zu den Begleitgesetzen, Bulletin des Presse- und Informationsamts der Bundesregierung Nr. 50 v. 20.5.1983, 468; zitiert nach Ehlers in Frotscher, EStG, § 7g, Rn. 1 (86. Lieferung 12/97).
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mehr als andere Unternehmer innovativ und in ihrer Refinanzierung gehemmt. Typischerweise erleben Existenzgründer zunächst einen „capital burn-out“, ehe die Bekanntheit des neuen Konkurrenten steigt und mit einem Nettogewinn zu rechnen ist. In dieser Situation ist es gerechtfertigt, wenn der Gesetzgeber den Förderbedarf besonders hoch einstuft. Die Wettbewerbsfreiheit der konkurrierenden Großunternehmen wird nicht in einem Maße beeinträchtigt, welches für die berufsregelnde Tendenz dieser Förderung sprechen könnte. In bezug auf Existenzgründer können sich die konkurrierenden Großunternehmen nicht auf ihre Wettbewerbsfreiheit berufen. Diese schützt nicht vor neuer Konkurrenz.422 Diese Erwägungen gelten entsprechend auch für die Rechtfertigung der LänderErtragskompetenzen. Erhebliche Zweifel ergeben sich aber gegenüber der Bestimmtheit der Ansparabschreibung. Die Ansparabschreibung wird gem. § 7g VII EStG erweitert. Absatz 7 ist jedoch gem. § 7g VIII 1 EStG nur anzuwenden, soweit in sensiblen Sektoren die Förderfähigkeit nicht ausgeschlossen ist. Die sensiblen Sektoren sind in § 7 VIII S. 2 unter Verweis auf die Rechtsakte der Europäischen Union einzeln aufgeführt. Diese Verweistechnik ist in besonderer Weise unklar: Der Umfang des Verweises ergibt sich erst aus der Lektüre der europarechtlichen Vorschriften, mithin aus der Lektüre von Rechtsakten, die nicht auf der Ausübung deutscher Souveränität beruhen. Der Verweis ist nach dem Wortlaut des Gesetzes statisch (§ 7g VIII 3: „Der Umfang der Förderfähigkeit ergibt sich aus den in Satz 2 genannten Rechtsakten.“).423 In den Ausführungen über den Gesetzesvorbehalt ist festgestellt worden, daß der Gesetzgeber die Subventionsentscheidung selbst fällen muß, daß er die Einzelheiten aber an den Verordnungsgeber delegieren kann. Wäre der Verweis dynamisch, dann wäre § 7g VIII 2 schon wegen Verstoßes gegen das Demokratieprinzip verfassungswidrig. Bei einem statischen Verweis ist jedoch m. E. ein Verweis auf europarechtliche Vorschriften möglich. Dann muß sich der deutsche Gesetzgeber so behandeln lassen, als hätte er die entsprechenden Vorschriften selbst geregelt. Hätte aber der deutsche Gesetzgeber eine derartige Liste von Ausnahmetatbeständen selber formuliert, ist fraglich, ob § 7g VII und VIII EStG noch für hinreichend bestimmt gehalten werden können. Die Lehre vom Gesetzesvorbehalt gilt nicht nur für das „Ob“ des Gesetzesvorbehaltes, sondern auch für die inhaltlichen Anforderungen. Diese sind im Steuerrecht wegen der Strafbewehrtheit der Einhaltung des Rechts höher, als in anderen Rechtsgebieten. Dieses Verfassungsproblem ist dem Bundesministerium der Finanzen wohl nachträglich auch aufgegangen. Es hat die sensiblen Sektoren im Sinne des § 7g VIII EStG 422
Maunz/Dürig – Scholz, Art. 12 Rn. 39 ff. Dynamische Verweise begegnen besonderen verfassungsrechtlichen Bedenken. Schmidt-Bleibtreu/Klein – Sanwald, Art. 82 Rn. 33. 423
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Teil VI: Verfassungsrechtliche Grenzen
im Bundessteuerblatt Teil I veröffentlicht. „Ohne Gewähr für die Richtigkeit und Vollständigkeit“424 hat hier das Bundesfinanzministerium den Steuerpflichtigen seinem Schicksal überlassen. An die „Übersicht“ auf Bundessteuerblatt I 2000, S. 917 fügen sich auf den Seiten 919 bis 1114 des Bundessteuerblattes die Einzelheiten der Verweisung an. 195 Seiten der nur noch für den Kenner des Beihilfenrechts nachvollziehbaren Rechtsakte des Europarechts. Indirekt belastet die Bundesregierung damit den Steuerpflichtigen mit der Pflicht zur Einhaltung des Europarechts. Gem. Art. 10 I 1 EGV treffen die Mitgliedstaaten alle geeigneten Maßnahmen zur Erfüllung ihrer Verpflichtungen, die sich aus diesem Vertrag oder aus Handlungen der Organe der Gemeinschaft ergeben. Die Steuerpflichtigen sind jedoch – es sei denn im Fall der Verordnung oder Entscheidung (Art. 249 EGV) – grundsätzlich nicht Verpflichtete des EGV. Der Versuch, die Steuerpflichtigen mit dem europarechtskonformen Vollzug des Gemeinschaftsrechts zu belasten, indem ihnen 195 Seiten an Ausnahmen zugemutet werden, führt aus der Sicht des deutschen Verfassungsrechts zur Unbestimmtheit des § 7g VIII EStG. Die Bestimmtheit dient der Rechtssicherheit des Steuerpflichtigen. Eben diesem Ziel dient auch das Erfordernis der Verkündung (Art. 82 I GG). Für die Verkündung eines Gesetzes kommt es „nicht darauf an, daß Worte und Buchstaben im Bundesgesetzblatt stehen, sondern entscheidend ist, daß im Text des Bundesgesetzblattes Rechtsgedanken, die verbindlich befolgt werden müssen, publiziert worden sind.“425 Der Abdruck unverständlicher Regeln im Bundesgesetzblatt genügt nicht dem Erfordernis der Veröffentlichung.426 Die in § 7g VIII EStG angeordnete Verweisung ist rechtlich unwirksam, weil gegen den Bestimmtheitsgrundsatz (Art. 20 III GG) verstoßen wurde und das Gesetz nicht in verständlicher Weise „verkündet“ worden ist (Art. 82 GG). Welche Rechtsfolge folgt aus dem Verstoß? Ist von der Verfassungswidrigkeit nur § 7g VIII oder auch die Ansparabschreibung gem. § 7g VII EStG betroffen? Die Begrenztheit von § 7g VII EStG ergibt sich erst aus § 7g VIII EStG. § 7g VII EStG behält auch ohne die Geltung des § 7g VIII EStG einen in sich sinnvollen Anwendungsbereich. Die Verfassungswidrigkeit von § 7g VIII EStG wirkt sich deshalb nur auf eben diesen Absatz 8 aus. Für die Anwendung des § 7g VII EStG folgt daraus, daß der Wille der Kommission, von der Ansparabschreibung sensible Sektoren auszunehmen, nicht umgesetzt worden ist. Damit verstößt § 7g VII gegen die Entscheidung der Kommission. Der Anwendungsvorrang des Europarechts gilt
424
So das BMF, Bundessteuerblatt I 2000, S. 916. Paul Kirchhof, Der Verfassungsauftrag zur Vereinfachung des Steuerrechts und die gegenwärtige Steuerrechtswirklichkeit, S. 15. 426 Paul Kirchhof, Besteuerung im Verfassungsstaat, S. 86. 425
§ 20 Einzelfallprüfungen
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nur zu Lasten der Mitgliedstaaten. Andernfalls könnten diese sich im Verhältnis zu ihren Bürgern auf die Nicht-Einhaltung von Europarecht berufen. Folglich bleibt § 7g VII EStG ohne die Einschränkung der sensiblen Sektoren anwendbar. Die Beihilfe ist notifiziert worden. Auch das unmittelbar anwendbare Vollzugshindernis des Art. 88 III 3 EGV ändert deshalb an diesem Ergebnis nichts. Die Steuerpflichtigen können deshalb § 7g VII EStG ohne Beschränkung auf sich anwenden lassen. Die Beihilfen in sensiblen Sektoren sind nicht rückforderbar.
Teil VII
Folgerungen § 21 Ausblick Förderabschreibungstatbestände geraten wegen ihrer Regressionswirkung in einen Zielkonflikt mit dem Gleichheitssatz. Dem Staat stehen andere, unbedenklichere Mittel für die Investitionslenkung zur Verfügung. Innerhalb der Direktsubventionen soll hier jedoch kein Plädoyer für die „Investitionszulagen“ erbracht werden. „Investitionszulagen“ verbleiben im verfassungsrechtlich-bedenklichen Bereich: 1. Investitionszulagen gehören nicht zu den Einkünften im Sinne des Einkommenssteuergesetzes (§ 10 S. 1 InvZulG). Sie mindern nicht die steuerlichen Anschaffungs- und Herstellungskosten (§ 10 S. 2 InvZulG). Für den Spitzenverdiener ist die Aussicht einer „steuerfreien Einnahme“ verheißungsvoller als für den Geringverdiener. Nur nominal ist das Verhaltensangebot für alle gleich viel „wert“. Die Progression der Einkommensteuer wird nicht umgekehrt wie bei der Bemessungsgrundlagensubvention; sie wird „ausgesetzt“.1 Man mag zwar einwenden, die Nichtversteuerung von Subventionen sei die systemgerechtere Lösung, weil Subventionen nicht Teil des „Markterfolges“ sind.2 Wenn jedoch bei Erwerbsausgaben die erwerbswirtschaftliche Veranlassung ausreicht3, muß dies auch für die Einnahmenseite gelten. Entscheidend ist deshalb nicht, „daß 1 Ebertz schlägt deshalb vor, das Investitionszulagengesetz zu ändern. Die Investitionszulage solle weiterhin als steuerfreie Einnahme behandelt werden, solle aber die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer mindern. Zudem schlägt er vor, die Investitionszulage auch haushaltsrechtlich als Ausgabe aufzuführen; Sonderabschreibungen für Investitionen im Zonenrandgebiet, S. 138. 2 So etwa Paul Kirchhof, Staatliche Einnahmen, in: HStR Band IV, § 88, Rn. 116. 3 BFHE GS 124, 43 (48 ff.): „Der Große Senat stimmt mit der bisherigen Rechtsprechung darin überein, daß die Abzugsfähigkeit von Kfz-Unfallkosten (wobei hier zwischen einzelnen Arten von Unfallkosten zu differenzieren aufgrund der Vorlagebeschlüsse keine Veranlassung besteht) als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit (§ 2 Abs. 3 Nr 4, Abs. 4 Nr 2 i.V. m. § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG) und als Betriebsausgaben bei den Einkünften aus Landwirtschaft und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb und aus selbständiger Arbeit (§ 2 Abs. 3 Nr 1 bis 3, Abs. 4 Nr 1 i.V. m. § 4 Abs. 4 EStG) grundsätzlich nicht unterschiedlich beurteilt werden kann. Entscheidend für die Abzugsfähigkeit derartiger Kosten ist, ob sie durch den Betrieb oder den Beruf veranlaßt sind (. . .).“
§ 21 Ausblick
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die Zugänge im Betrieb erwirtschaftet worden sind, sondern allein, daß sie durch den Betrieb veranlaßt sind.“ 4 Dann aber gehören Subventionen in Weiterverfolgung des einkommensteuerlichen Systems zu den steuerbaren Einkünften. 2. Die „Investitionszulage“ wird gem. § 7 II 1 Investitionszulagengesetz5 „aus den Einnahmen der Einkommensteuer und Körperschaftsteuer“ ausgezahlt. Die Auszahlung findet auch dann statt, wenn keine Steuerschuld entstanden ist.6 Daran zeigt sich, daß Investitionszulagen als direkte Subventionen nicht mehr dem Steuerrecht angehören. Daran vermag die Begrenzung ihres begünstigten Adressatenkreises gem. § 1 InvZulG auf „Steuerpflichtige“ nichts zu ändern. Die rein formale Verrechnung einer Direktsubvention mit der Steuerschuld macht aus der Investitionszulage keinen Vorgang des Steuerrechts. Ihr Nicht-Ausweis im Haushaltsplan verstößt gegen das haushaltsrechtliche Bruttoprinzip7, nach dem Einnahmen und Ausgaben unverrechnet einander gegenüberzustellen sind.8 Die Verkürzung des Zahlungsweges umgeht haushaltsverfassungsrechtliche Entscheidungsvorgänge und ist deshalb verfassungswidrig.9 3. Die Finanzierung „aus den Erträgen der Einkommensteuer“ verstößt auch gegen Art. 106 V GG. Der Gemeindeanteil an der Einkommensteuer10 ist nach dem Grundgesetz durch Ausgabengesetze „ungeschmälert“. Das zeigt sich schon an der Systematik der Finanzverfassung; erst regelt das Grundgesetz die Ausgaben, dann die Gesetzgebungs- und Ertragszuständigkeiten für Steuern und schließlich das Haushaltsrecht. Zwischen Art. 104a und Art. 105 GG zieht sich eine Demarkationslinie. Diese einzuhalten, ist Aufgabe der Begriffe „Steuern“ und „Ausgaben“. Die Begrifflichkeiten stehen nicht zur Disposition des einfachen Gesetzgebers. Das Investitionszulagengesetz ist ein Ausgabengesetz auf dem Weg der direkten Subvention. Bund und Länder haben es nicht in der Hand, über einfach-gesetzliches Ge4
BFH BStBl. II 1988, S. 324 (327); ähnlich BFH BStBl. II 1986, S. 806. Gesetz in der Fassung v. 22.1.1996. 6 Vogel, DÖV 1977, S. 838. 7 Für die Bergmannsprämie formulierte der Bundesrat: „Das der Haushaltsklarheit dienende, in der Haushaltsordnung und im Grundgesetz festgelegte Bruttoprinzip gebietet die gesonderte Veranschlagung von Einnahmen und Ausgaben im Haushalt (Art. 110 I 1 GG und § 7 HO). Danach sind die für die Prämienerstattung erforderlichen Beträge in den Haushalten von Bund und Ländern als gesonderte Ausgaben auszubringen, und umgekehrt ist das Lohnsteueraufkommen unverkürzt nachzuweisen.“ BT-Drs. II/2351, S. 7. Gegen das Investitionszulagengesetz machte der Bundesrat ganz ähnliche Bedenken geltend: „Obwohl es sich unbestritten um Subventionen und damit um Haushaltsausgaben handelt, werden die erforderlichen Mittel in den Haushaltsplänen und -rechnungen von Bund und Ländern nicht als Ausgaben ausgewiesen, sondern von den Einnahmen sofort abgesetzt. Dadurch wird auch die parlamentarische Kontrolle eingeschränkt.“ BT-Drs. V/3890, S. 38. Diese Bedenken wurden aus realpolitischen Erwägungen im Ergebnis nicht aufrechterhalten, Vogel, DÖV 1977, S. 840. 8 Vogel, DÖV 1977, S. 842. 9 Ähnlich Paul Kirchhof, StuW 2000, S. 321. 10 § 1 1 des Gemeindefinanzreformgesetzes lautet: „Die Gemeinden erhalten 15 vom Hundert des Aufkommens an Lohnsteuer und an veranlagter Einkommensteuer sowie 12 vom Hundert des Aufkommens aus dem Zinsabschlag (Gemeindeanteil an der Einkommensteuer).“ 5
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Teil VII: Folgerungen
bahren den verfassungsrechtlichen Anteil der Gemeinden an der Einkommensteuer zu mindern. Die anteilige Ertragshoheit der Gemeinden wird durch die gegenwärtige Praxis, die Investitionszulagen als „Steuereinnahmenverminderung“ zu betrachten, in verfassungswidriger Weise beeinträchtigt. 11
Anders als die Investitionszulage und Bemessungsgrundlagenverschonungssubvention ist der „Investitionszuschuß“ eine Möglichkeit der direkten Subvention, die gleichheitsrechtlich unbedenklich ist. Anders als die (bedenkliche) Praxis bei der „Investitionszulage“ wird der Zuschuß haushaltsrechtlich offenbart.12 Der Zuschuß ist gleichheitsrechtlich eine unbedenkliche Form der Wirtschaftsförderung: Zuschüsse müssen entweder zum steuerpflichtigen Einkommen gerechnet werden oder der Investor muß die Bemessungsgrundlage für die AfA um den Betrag der Zuschüsse mindern.13 Der realpolitische Erfolg der Förderabschreibung ist wohl psychologisch zu erklären14: Der Steuerpflichtige ist der (fehlerhaften) Ansicht, seine Ersparnis beruhe auf eigener Leistung und know-how und unterschätzt regelmäßig den Nachteil zukünftig fehlender Abschreibungsmasse.15 Dem Staat entstehen keine Verwaltungskosten, der Bund kann auf Kosten der Länder/Gemeinden sparen und die Staatsquote bleibt (scheinbar) niedrig. Die schwer nachvollziehbare Wirkungsweise von Förderabschreibungen auf den Staatshaushalt bleibt Öffentlichkeit wie Parlamentariern verborgen. Die mangelnde Transparenz ist in einer Konsensdemokratie ein politischer Vorteil. Aus wirtschaftlicher Sicht haben klare Investitionszuschüsse auch eine gewisse Ehrlichkeit für sich: Der Staatsanteil am Bruttosozialprodukt wird ausgewiesen. Das ist vielleicht auch einer der Gründe, weshalb der Staat über steuerliche Bemessungsgrundlagenvergünstigungen und „Investitionszulagen“ den wahren Anteil seiner Implikationen verheimlicht. Gegen die Form der Investitionsförderung über Abschreibungstatbestände spricht, daß sie tendenziell eine kapitalintensive Produktionsweise begünstigt. Der Zuschuß hingegen ist nicht „kapitalgebunden“. Direktsubventionen können zielgenauer als Verschonungssubventionen eingesetzt werden16 und wirken ein-
11 Vogel, DÖV 1977, S. 841 ist der Ansicht, das Problem sei durch eine verfassungskonforme Auslegung des Investitionszulagengesetzes lösbar. Das Problem stellt sich in identischer Form für die Bergmannsprämien und die Arbeitnehmersparzulagen. 12 Auch Reibert fordert im Ergebnis eine transparentere Form der Wirtschaftsförderung, Problematik von Sonderabschreibungen, S. 180. 13 Ebertz, Sonderabschreibungen für Investitionen im Zonenrandgebiet, S. 136. 14 Reibert, Problematik von Sonderabschreibungen, S. 181. 15 Gegenwärtige Steuerzahlungspflichten werden regelmäßig als unangenehmer als zukünftige empfunden. 16 Ulrich, DStR 14/96, S. 563.
§ 21 Ausblick
299
kommensunabhängig. Deshalb wird hier für eine Umstellung der Fördersysteme plädiert.17 Mit dem Karlsruher Entwurf zur Reform der Einkommensteuer liegt ein in sich geschlossenes, unparteiisches Konzept vor18, in dessen Fortführung eine Reduzierung des Steuer-Unwesens auf vier Steuerarten möglich ist.19 Immerhin scheint der Karlsruher Entwurf schon jetzt zu einem gewissen Umdenken geführt zu haben: Inzwischen prüfen neben dem Bundesfinanzministerium sechs Bundesländer unterschiedlicher politischer Couleur den Entwurf20; allmählich dämmert die Einsicht, daß Effizienz und Gerechtigkeit keine Antinomie bedeuten und daß eine entschlackende Steuerreform sich für alle Beteiligten rechnet. Die „kritische Solidarität“21 der Steuerrechtswissenschaftler ist dem Entwurf sicher.22 Die bisher erfolglosen Bemühungen um eine Eindämmung des Subventionswesens stimmen dennoch pessimistisch. Der Zwang zu einer Verringerung der Ausnahmetatbestände wird wohl vermutlich nicht politischer, sondern rechtlicher Natur sein. Das Verfassungsgericht hat über das Prinzip der Leistungsfähigkeit einen Ansatz gefunden, weitreichende Veränderungen zu bewirken. Die institutionellen Rechtserwartungen – außer dem Begründungsgebot für Subventionen – werden sich jedoch wohl als wirkungslos erweisen: Die Länder haben die bisherige Rechtsentwicklung über Zustimmungsgesetze mitgetragen. Allenfalls gemeindliche Verfassungsbeschwerden könnten hier erfolgsversprechender sein. Die größte Hoffnung auf Abschaffung der Förderabschreibungstatbestände gründet sich deshalb m. E. auf die europäische Rechtsentwicklung. Koschyk fordert die Beihilfenkontrolle insbesondere im Finanz- und Versicherungssektor verstärkt durchzuführen.23 Dieser Ansatz kann noch verallgemeinert werden. Gerade in den Bereichen, in denen die steuerliche Bemessungsgrundlage mobil
17 Dieser Gedanke ist nicht neu; z. B. ist das Fördersystem nach § 7b EStG aus diesen Gründen umgestellt worden; BT-Drs. 8/2554 v. 8.2.68 (Bericht der Bundesregierung über Möglichkeiten zur Umstellung des § 7b EStG auf ein anderes Fördersystem). 18 Karlsruher Entwurf zur Reform des Einkommensteuergesetzes, Heidelberg 2001; der Entwurf findet sich auch im Internet als pdf-Datei, http://www.uni-heidelberg.de/ institute/fak2/kirchhof/estg-entwurf.pdf . 19 Paul Kirchhof, DIE ZEIT, 8.5.2002, S. 32. 20 Interview mit Paul Kirchhof, „Gefährlicher Kurswechsel“, Der ehemalige Verfassungsrichter Paul Kirchhof über Stärken und Schwächen der rot-grünen Finanzpolitik, Wirtschaftswoche, Nr. 22, 23.5.2002, S. 37. 21 Tipke, StuW 2002, 149. 22 Die ökonomischen Wirkungen einer Umsetzung des Entwurfs schildert Bareis, StuW 2/2002, S. 135 ff. 23 Koschyk, Steuervergünstigungen als Beihilfen nach Art. 92 EGV, S. 323.
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Teil VII: Folgerungen
ist (und das betrifft insbesondere Finanzdienstleistungen), sollte die Kommission mit Härte gegen nationale Beihilfen vorgehen, um einer weiteren Verlagerung der Besteuerungsfaktoren zu Lasten der Arbeit und der KMU entgegenzusteuern. Koschyk fordert weiterhin, einen europaweit einheitlichen Standard bei der Beihilfenkontrolle über die Berechnung der Nettobeihilfenäquivalente zu gewährleisten.24 Auch dieser Vorschlag verdient Zustimmung. Die Eigenheiten der nationalen Steuersysteme verschwinden, die Förderungsintensität wird auch für die anderen Mitgliedstaaten transparent gemacht. An der erforderlichen Transparenz fehlt es auch, wenn die Kommission Genehmigungsentscheidungen nicht begründet.25 Begründungspflichten tragen zur Rationalität der Akteure bei26, fehlende Begründungspflichten bewirken das Gegenteil. Den im Steuerwettbewerb konkurrierenden Mitgliedstaaten wird so die Möglichkeit genommen, die Reichweite und Motive der Entscheidung zu erfahren. Ohne dieses Wissen wird die Bequemlichkeit der europäischen Nachbarn größer sein als ihr Interesse an einem störungsfreien Wettbewerb. Im Interesse eines europäischen Binnenmarktes halte ich ein großzügigeres Vorgehen bei der negativen Konkurrentenklage für erforderlich. Deutschland wird erst zur ökonomischen Stärke zurückfinden, wenn vernünftige Unternehmer sich wieder nach wirtschaftlichen (und nicht steuerrechtlichen) Maßstäben richten müssen. Es ist für die Volkswirtschaft hinderlich, daß in Deutschland „unternehmerische Kraft dazu verschwendet wird, Steuergesetze zu studieren.“27
§ 22 Thesen A. Einheitliche Qualifikation von Steuervergünstigungen (1) Die Staaten konkurrieren um die mobilen Besteuerungsgrundlagen. Je mobiler die Besteuerungsgrundlagen, um so größer ist der Konkurrenzdruck unter den Systemen. Die Konkurrenz hat zu einer Verlagerung der Besteuerungsfaktoren zu Lasten des Faktors Arbeit geführt. (2) Um ein „race to the bottom“ zu verhindern, versuchen EU und OECD einheitliche Besteuerungsstandards zu entwickeln. Diese Bemühungen haben in einem zunächst unverbindlichen Maßnahmenkatalog ihren ersten Höhepunkt 24
Koschyk, Steuervergünstigungen als Beihilfen nach Art. 92 EGV, S. 325. Koschyk, Steuervergünstigungen als Beihilfen nach Art. 92 EGV, S. 329. 26 So für die Rolle des Bundesverfassungsgerichts, Starck, Das Bundesverfassungsgericht im politischen Prozeß der Bundesrepublik, S. 11. 27 Interview mit Paul Kirchhof, „Gefährlicher Kurswechsel“, Der ehemalige Verfassungsrichter Paul Kirchhof über Stärken und Schwächen der rot-grünen Finanzpolitik, Wirtschaftswoche, Nr. 22, 23.5.2002, S. 37. 25
§ 22 Thesen
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erreicht. Eine Harmonisierung der direkten Besteuerungsgrundlagen ist jedoch am politischen Widerstand der jeweiligen Mitgliedstaaten gescheitert. (3) Durch die „Hintertür“ des Beihilfenrechts werden die unverbindlichen Vorgaben von der Kommission durchgesetzt. (4) Die Fragen nach den rechtlichen Grenzen von Steuervergünstigungen beginnen mit der doppeldeutigen Natur dieses mittelbaren Verwaltungshandelns: Steuervergünstigungen stehen zwischen dem Eingriff durch Befehl und Zwang und der Beeinflussung durch Direktsubventionen. Steuervergünstigungen verfolgen objektiv in erster Linie nicht-fiskalische Zwecke, die den Steuerpflichtigen zu einem bestimmten Verhalten lenken. Wegen dieser objektiven Erwartungshaltung sind Steuervergünstigungen Subventionen im weiteren Sinne.28 Die indirekte Motivbeeinflussung des Steuerrechts äußert sich in Lenkungsnormen, die mit Prohibitivbelastungen oder Steuervergünstigungen den Steuerpflichtigen in seinem Verhalten beeinflussen. (5) Abschreibungstatbestände, die realitätswidrige Wertabsetzungen zulassen, beeinflussen das Investitionsverhalten. Derartige Förderabschreibungstatbestände sind Steuervergünstigungen. Ihre „Abschichtung“ beginnt mit dem Wortlaut des Abschreibungstatbestandes. Ergibt sich aus ihm, daß der Gesetzgeber eine Verhaltensbeeinflussung vornehmen will, ist dies ein deutlicher Hinweis auf den nicht-fiskalischen Charakter einer Norm. Führt die tatbestandliche Weite einer Abschreibungsnorm dazu, daß in nicht unerheblichem Maß für Teilbereiche der Norm eine realitätswidrige Abschreibung in Anspruch genommen werden kann, ist die Norm insgesamt als verfassungsrechtlich fragwürdig einzustufen. Ist eine Absicht des Gesetzgebers zweifelhaft, können Statistiken über Wertverhältnisse und Funktionsfähigkeiten zu Rate gezogen werden.29 (6) Auch bei langlebigen Wirtschaftsgütern ist es verfassungsrechtlich nicht geboten, zur Inflationsberücksichtigung einen good-will bei der Abschichtung zu berücksichtigen. Dies folgt aus Art. 109 II, nach dem den Erfordernissen des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts Rechnung zu tragen ist. (7) Förderabschreibungstatbestände wirken sich nicht nur auf die Einkommenund Körperschaftsteuer aus, sondern auch auf die Gewerbesteuer und die Erbschaft- und Schenkungssteuer.30 (8) Die interventionspolitisch motivierten Abschreibungswahlrechte führen über die umgekehrte Maßgeblichkeit gem. § 5 I S. 2 EStG zu einer Rückwirkung auf die Handelsbilanz.31 Der Steuergesetzgeber beabsichtigt eine han28 29 30 31
Siehe Siehe Siehe Siehe
„D. Übernahme einer Terminologie“. „I. Realität der Wertentwicklung als zwingender Maßstab“. „§ 4 Wirkung der Abschreibungstatbestände“. „A. Verhältnis zu handelsbilanziellen Abschreibungen“.
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delsrechtliche Ausschüttungssperre, einen Verbleib der Steuersubvention im Unternehmen. Umgekehrt wirken sich die handelsrechtlichen Abschreibungen wegen des Bewertungsvorbehalts des Steuerrechts praktisch nicht aus.32 (9) Mit dem Begriff der Abnutzung hat der Gesetzgeber sich für eine stark typisierte Messung der Wertverhältnisse entschieden. Für die Absetzung für technische Abnutzung wird der Wertverlust vom Steuergesetzgeber unwiderleglich vermutet. Bei der Absetzung für wirtschaftliche Absetzung verlangt der BFH (als notwendige, aber nicht hinreichende Bedingung) einen Wertverlust. Damit ist der Begriff der Abnutzung teilweise von einem Wertverlust abgekoppelt. (10) Wirtschaftliche und technische Absetzung stehen in einem alternativen Günstigkeitsverhältnis.33 (11) Ein System der Sofortabsetzung ist mit dem Prinzip Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit unvereinbar. Auch ein System, in dem bis zur Veräußerung oder Entnahme keine Wertverminderungen geltend zu machen sind, stößt im Dualismus des deutschen Steuerrechts auf schwere Bedenken: Wertverminderungen bei Veräußerung außerhalb der Veräußerungsfristen wären unbeachtlich.34 (12) Förderabschreibungstatbestände bieten gegenüber realitätsgerechten Absetzungen erhebliche Vorteile für den Steuerpflichtigen. Neben der Steuerstundung35 im Zeitpunkt des Liquiditätsbedarfs der Investition können durch den geschickten Einsatz von Förderabschreibungstatbeständen auch Einkommensfluktuationen ausgeglichen werden.36 Bei Steuerpflichtigen, die das Ende ihrer Einkommensphase voraussehen können, kann dadurch in Ausnahmefällen eine effektive Steuervermeidung eintreten.37 (13) Es gibt keinen einheitlichen Subventionsbegriff.38 Die Begrifflichkeiten hängen von der Perspektive des jeweiligen Rechtsgebiets ab. Für die Makroperspektive des Verfassungs- und Europarechts wird ein einheitlicher, weiter Subventionsbegriff verfolgt.39 Subventionen kennzeichnen sich durch
32
Siehe Siehe lung“. 34 Siehe lung“. 35 Siehe 36 Siehe 37 Siehe 38 Siehe 39 Siehe 33
„A. Verhältnis zu handelsbilanziellen Abschreibungen“. „§ 8 Fehlen von Buchungsalternativen zur periodischen Aufwandsvertei„§ 8 Fehlen von Buchungsalternativen zur periodischen Aufwandsvertei„B. Stundungsvorteil“. „A. Flexibilität von Sonderabschreibungstatbeständen“. „C. Effektive Steuervermeidung bei absehbar sinkenden Einkünften“. „§ 10 Subventionsbegriff“. „D. Übernahme einer Terminologie“.
§ 22 Thesen
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ihren objektiv fördernden Zweck; auf die Zielrichtung des historischen Gesetzgebers oder auf den formalen Ausnahmecharakter kommt es nicht an.40 (14) Förderabschreibungstatbestände sind Subventionen im weiteren Sinne.41 Ihre „Abschichtung“ muß sich an einer realitätsgerechten Abnutzung orientieren; bei der Umsetzung dieses Kriteriums ist ein pragmatisches zweistufiges Verfahren vorgeschlagen worden:42 Hat sich der Gesetzgeber dazu bekannt, „zur Förderung“ zu handeln, ist diese Qualifikation maßgeblich. Liegt keine derartige Selbstqualifikation vor, können Statistiken über die Wertverhältnisse zu Rate gezogen werden.43 Der Begriff des Teilwerts verknüpft die Einzelbewertung mit der Gesamtbewertung des Unternehmens und führt so zu einer Unbestimmtheit, die in vorhersehbarer Weise zu Belastungsungleichheiten im Besteuerungserfolg führt. „Die“ Teilwertabschreibung bedeutet in ihrer praktischen Umsetzung für den Steuerpflichtigen eine Vielzahl von unterschiedlichen Abwertungsmöglichkeiten, legt die Bewertung damit in die Disponibilität des Steuerpflichtigen und kann deshalb nicht mehr als Ausdruck realitätsgerechter Wertbemessung qualifiziert werden. (15) Bei degressiven Abschreibungen muß der Gesetzgeber bemüht sein, den Anwendungstatbestand auf Wirtschaftsgüter einzugrenzen, die in besonderer Weise dem Wertverfall unterliegen. Ist dies nicht der Fall, führt die Anwendung einer allgemeinen, degressiven Abschreibung zu Wertverzerrungen, die – ohne gesetzliche Festlegung eines bestimmten Subventionszwecks – die entsprechende Normverfassungswidrig werden lassen.
B. Steuervergünstigungen vor dem Europarecht I. Art. 87 I EGV (1) Art. 87 I EGV verbietet Beihilfen gleich welcher Art. Nicht nur die Direktsubvention, auch die Verschonungssubvention ist erfaßt. Auch Steuervergünstigungen können verbotene Beihilfen sein.44 (2) Neue Beihilfen dürfen vor einer endgültigen Entscheidung der Kommission nicht durchgeführt werden. Wird gegen das Durchführungsverbot verstoßen,
40
Siehe „A. Abschichtung von Steuervergünstigungen“. Siehe „D. Übernahme einer Terminologie“ und „B. Abschichtung von Förderabschreibungstatbeständen“. 42 Siehe „I. Realität der Wertentwicklung als zwingender Maßstab“. 43 Siehe „I. Realität der Wertentwicklung als zwingender Maßstab“. 44 Siehe „A. Rechtsentwicklung zu Förder-Abschreibungen und Beihilfenrecht“. 41
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kommt eine Schadensersatzklage der Konkurrenten gegen den Mitgliedstaat und gegen den Beihilfeempfänger in Frage.45 (3) Bisher hat die Rechtsprechung noch nicht geklärt, wann Abschreibungen gemeinschaftswidrige Beihilfen darstellen. (4) Steuervergünstigungen haben keinen prädeterminierten Adressatenkreis. Ihre tatbestandliche Offenheit führt zu erheblichen Schwierigkeiten bei der Frage, ob eine steuerliche Regelung den Verbotstatbestand des Art. 87 I EGV erfüllt. Dieser verlangt nämlich eine Begünstigung bestimmter Unternehmen oder Produktionszweige.46 (5) Die Bestimmtheit einer Steuervergünstigung ergibt sich aus ihrer europaweit wettbewerbsverzerrenden Wirkung. (6) Der Tatbestand des Art. 87 I EGV läßt sich bei Steuervergünstigungen nur in einer zweistufigen Gesamtschau klären: (a) Auf einer ersten Stufe ist danach zu fragen, ob nach Kriterien des nationalen Steuerverfassungsrechts die fragliche Norm eine Steuervergünstigung darstellt.47 (b) Auf einer zweiten Stufe ist danach zu fragen, ob durch die fragliche Norm eine Verzerrung eines europäischen Marktes droht. Zu Ziffer 6a (1. Stufe – nationale Steuervergünstigung): • Beihilfenrecht und nationales Steuerverfassungsrecht sind über das Merkmal der Systemkonformität verknüpft.48 Im deutschen Einkommensteuerrecht führt dies zu einem Verweis auf das Leistungsfähigkeitsprinzip.49 • Der Verweis des Beihilfenrechts auf die nationalen Rechtsordnungen bei der Abschichtung einer Steuervergünstigung führt zu einer Einschätzungsprärogative des nationalen Steuerverfassungsrechts.50 • In Deutschland führt der Verweis des Beihilfenrechts zu einer Abschichtung der Steuervergünstigungen nach Leistungsfähigkeitskriterien.51
45 Siehe „§ 15 Verfahrensfolgen eines Verstoßes gegen das Durchführungsverbot gem. Art. 88 III 3 EGV“. 46 Siehe „II. Begünstigung bestimmter Unternehmen oder Produktionszweige“. 47 Siehe „VI. Steuerliche Beihilfen – zweistufige Gesamtschau“. 48 Siehe „VI. Steuerliche Beihilfen – zweistufige Gesamtschau“. 49 Siehe „VI. Steuerliche Beihilfen – zweistufige Gesamtschau“. 50 Siehe „VI. Steuerliche Beihilfen – zweistufige Gesamtschau“. 51 Siehe „VI. Steuerliche Beihilfen – zweistufige Gesamtschau“.
§ 22 Thesen
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• In anderen Ländern erfolgt die Abschichtung nach ähnlichen Prinzipien. Die Europäische Menschenrechtskonvention hat hier über die Geltung des Diskriminierungsverbots den Ursprung eines europaweiten Leistungsfähigkeitskriteriums gebildet.52 Zu Ziffer 6b (2. Stufe – europaweit wettbewerbsverzerrende Wirkung): • Auf der zweiten Stufe hat eine Marktabgrenzung nach den Kriterien zu erfolgen, die das Kartellrecht entwickelt hat.53 • Ein geringer Vorteil bei der Steuerstundung kann in einem Bereich intensiven Wettbewerbs ausreichen, um eine Wettbewerbsverzerrung zu begründen.54 Beweismaßstab ist wegen des Ausreichens auch der drohenden Wettbewerbsverfälschung eine Plausibilitätskontrolle.55 II. Befreiungsmöglichkeiten gem. Art. 87 II, III EGV (7) Für die Förderung Ostdeutschlands kommt die Befreiungsmöglichkeit nach Art. 87 II c) EGV in Frage. Die Vorschrift ist wegen der abnehmenden Kausalität zwischen der Teilung Deutschlands und den wirtschaftlichen Schwierigkeiten dieser Region aber für die Zukunft nicht mehr von tragender Bedeutung.56 (8) Unter den dem Ermessen der Kommission unterliegenden Genehmigungsmöglichkeiten kommen insbesondere Beihilfen zur Förderung gewisser Wirtschaftszweige oder Wirtschaftsgebiete (Art. 87 III c EGV) in Frage.57 Derartige Beihilfen müssen grundsätzlich degressiv bemessen sein und den Zielen tatsächlich näher bringen, zu denen sie eingesetzt werden.58 III. Grundfreiheiten und allgemeines Diskriminierungsverbot (9) Bei Steuervergünstigungen ist das Beihilferecht der primäre Rechtsrahmen, an dem die Gültigkeit der Vergünstigung zu messen ist. (10) Daneben sind jedoch auch die Grundfreiheiten und das allgemeine Diskriminierungsverbot zu beachten.
52
Siehe „VI. Steuerliche Beihilfen – zweistufige Gesamtschau“. Siehe „IV. Marktvergleich“. 54 Siehe „IV. Marktvergleich“. 55 Siehe „IV. Marktvergleich“. 56 Siehe „I. Art. 87 II EGV, insbesondere Art. 87 II c)“. 57 Siehe „3. Beihilfen zur Förderung gewisser Wirtschaftszweige oder Wirtschaftsgebiete (Art. 87 III c) EGV). 58 Siehe „II. Art. 87 III EGV, insbesondere Art. 87 III a), b) 2. Alt.“. 53
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Teil VII: Folgerungen
(11) Aus der logischen Vorrangigkeit des Beihilfenrechts folgt jedoch, daß die Ausnahmen des Beihilfenrechts spezielle Rechtfertigungsgründe auch für die Beeinträchtigung der Grundfreiheiten und des allgemeinen Diskriminierungsverbots bilden. Der freiheitswidrige Ausschluß ausländischer Bewerber kann über die Ausnahmen des Beihilfenrechts gerechtfertigt werden (eingeschränkte Konkurrenz). (12) Verfahrenstaktisch ist es aus Sicht der ausgeschlossenen Konkurrenten dennoch in der Regel besser, die Verletzung der Grundfreiheiten vorrangig zu rügen, weil das Beihilfenrecht selbst nach der Rechtsprechung des EuGH keine drittschützende Wirkung haben soll. (13) Nur bei einem Verstoß gegen das Durchführungsverbot des Art. 88 III S. 3 EGV hat die Konkurrentenklage gestützt auf eine Verletzung des Beihilfenrechts nach der bisherigen Rechtsprechung Aussicht auf Erfolg. IV. Einzelfallprüfungen (14) Das Fördergebietsgesetz war eine regionale Beihilfe, die aber gem. Art. 87 II c) EGV mit dem gemeinsamen Markt vereinbar war. Inzwischen hat die Kausalität zwischen den auszugleichenden Nachteilen und der Teilung Deutschlands abgenommen. Eine Ostförderung wäre in dem damaligen Umfang deshalb nicht mehr nach 87 II c) EGV, sondern allenfalls nach der allgemeinen Vorschrift des Art. 87 III c) EGV genehmigungsfähig.59 (15) § 82f EStDV (Bewertungsfreiheit für Handelsschiffe, für Schiffe, die der Seefischerei dienen, und für Luftfahrzeuge) ist in seiner Gesamtheit eine mit dem gemeinsamen Markt nicht zu vereinbarende Beihilfe; die Bewertungsfreiheit für Flugzeuge ist zu Recht von der Kommission verboten worden.60 (16) § 81 EStDV, die Bewertungsfreiheit für bestimmte Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens im Kohlen- und Erzbergbau, ist eine Beihilfe, die mit dem Ende des EGKS-Vertrages unter den EGV fällt. Sie ist als sektorale Beihilfe gem. Art. 87 III c) EGV nur dann genehmigungsfähig, wenn dies nicht dem gemeinsamen Interesse entgegenläuft. Das gemeinsame Interesse besteht in einer wirtschaftliche Konvergenz der Mitgliedstaaten. Steht bis dahin ein baldiger Beitritt der kohleproduzierenden Länder Polen und Tschechien unmittelbar bevor, besteht kein gemeinsames Interesse mehr an dem Fortbestand der deutschen Kohleförderung gem. § 81 EStDV.61 59 Siehe „I. Art. 87 II EGV, insbesondere Art. 87 II c)“; „III. Vereinbarkeit des Fördergebietsgesetzes mit dem Gemeinsamen Markt gem. Art. 87 II c) EGV“. 60 Siehe „B. Bewertungsfreiheit für Handelsschiffe, für Schiffe, die der Seefischerei dienen, und für Luftfahrzeuge“.
§ 22 Thesen
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(17) Die Ansparabschreibung gem. § 7g EStG ist Steuervergünstigung. Sie droht den Wettbewerb zu verfälschen, weil Existenzgründer z. B. im Bereich der „new economy“ in Deutschland über § 7g EStG Sondervorteile in Anspruch nehmen können, die ihren ausländischen Konkurrenten verwehrt bleiben. Die Kommission konnte die sektorale Beihilfe jedoch gem. Art. 87 III c) genehmigen, weil die Gemeinschaft ein gemeinsames Interesse an der Förderung von kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) hat und die Wettbewerbsauswirkungen im Vergleich zu einer Förderung der Großunternehmen gering sind. Die Auflagen bezüglich der sensiblen Sektoren hat Deutschland jedoch unzureichend umgesetzt: Die Auflagen gem. § 7g VIII EStG in Verbindung mit der Veröffentlichung des Bundesministeriums der Finanzen genügen nicht dem rechtsstaatlichen Grundsatz der Bestimmtheit. Die Verfassungswidrigkeit von § 7g VIII EStG erfaßt jedoch – wegen der logischen Trennbarkeit von § 7g VIII und VII nur den Absatz 8. Deutschland macht sich dadurch im Verhältnis zur europäischen Kommission erneut angreifbar.62
C. Steuervergünstigungen vor dem Grundgesetz I. Art. 3 I GG (1) Art. 3 I GG gebietet eine sachgerechte Differenzierung. Der Sachbereichsmaßstab63 wird vom Gesetzgeber bestimmt, ist dann aber von ihm einzuhalten.64 Im Sozialrecht gilt deshalb gem. Art. 3 I GG der Maßstab der Bedürftigkeit65; jedenfalls im Bereich der Erwerbsbesteuerung gilt deshalb der Maßstab der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit66. Das Prinzip der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit ist eine Fallgruppe der Konkretisierung der Gleichheit vor dem Gesetz, also seiner bereichsspezifischen Anwendung im Steuerrecht. (2) Behandelt der Gesetzgeber zwei Personengruppen verschieden, um anhand des Maßstabes auf die Unterschiede der Personengruppen zu reagieren (interner Zweck), gebietet der Gleichheitssatz eine „Entsprechungsprüfung“: Der Gleichheitssatz ist verletzt, wenn die Verschiedenbehandlung nicht der Unterschiedlichkeit der Personengruppen entspricht. Ergibt die Prüfung hin61
Siehe „C. Deutsche Kohle-Förderung“. Siehe „E. § 7g I EStG, Sonderabschreibungen und Ansparabschreibungen zur Förderung kleiner und mittlerer Betriebe“. 63 Siehe „I. Art. 3 I GG als vergleichsabhängiges Differenzierungsgebot“. 64 Paul Kirchhof, Der Verfassungsauftrag zur Vereinfachung des Steuerrechts und die gegenwärtige Steuerrechtswirklichkeit. 65 Huster, Rechte und Ziele, S. 364 mit weiteren Beispielen. 66 Siehe „a) Gebot der Leistungsfähigkeit und gewährende Staatstätigkeit“. 62
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Teil VII: Folgerungen
gegen, daß der Grad der Unterschiedlichkeit und der Grad der Verschiedenbehandlung sich „entsprechen“, liegt keine „Ungleichbehandlung“ im Sinne des Art. 3 I GG vor.67 (3) Gründet sich die Verschiedenbehandlung jedoch nicht auf dem gesetzgeberischen Versuch, die Unterschiedlichkeit der Personengruppen zu erfassen, wird mit anderen Worten aus externen Zwecken eine Ungleichbehandlung an die Personengruppen herangetragen, ist eine Prüfung nach „Verhältnismäßigkeitskriterien“ möglich. Ob eine Prüfung nach Verhältnismäßigkeitskriterien geboten ist oder ob ein sachlicher Grund ausreicht, richtet sich nach der Art des externen Zwecks. (4) Typisierungen durch den Gesetzgeber verfolgen einen externen Zweck. Verschiedenbehandlungen, die auf Typisierungen beruhen, können nur durch Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkte gerechtfertigt werden. Bei Massenverfahren wie dem einkommensteuerlichen Ermittlungsverfahren wiegt das Ziel der Typisierung besonders schwer: Eine konkret-individuelle Besteuerung wäre kaum durchführbar, die Allgemeinheit der Besteuerung würde verfehlt. Deshalb legt gerade das auf Rechtsanwendungsgleichheit angelegte Steuerrecht dem Gesetzgeber eine Typisierung nahe.68 (5) Typisierung ist als Mittel zur Erreichung einer Gleichheit im Belastungserfolg gerade dort geboten, wo der Steuerpflichtige seine Aufwendungen freiwillig tätigt. Der Gleichheitssatz des Steuerrechts gebietet damit nicht nur hinreichende Differenzierung, sondern auch hinreichende Verallgemeinerung, um die Belastungsgleichheit und Allgemeinheit der Besteuerung herzustellen. (6) Steuervergünstigungen dienen per definitionem nicht dazu, den Maßstab der Leistungsfähigkeit widerzuspiegeln. Sie dienen externen Zwecken und treten damit in einen besonderen Widerspruch zu Art. 3 I GG. (7) Förderabschreibungstatbestände höhlen die einkommensteuerliche Bemessungsgrundlage aus und kehren dadurch den Progressionseffekt der Einkommensteuer um. Bei Subventionen, die die einkommensteuerrechtliche Bemessungsgrundlagen aushöhlen, stößt die Einteilung in privilegierende und benachteiligende Ungleichbehandlungen an ihre Grenzen.69 Förderabschreibungen wirken deshalb nicht nur bevorzugend, sondern zugleich benachteiligend.70 67
Siehe „Abbildung 8: Die Entsprechungsprüfung“. Siehe „e) Anforderungen gem. Art. 3 I GG an die steuerliche Bemessungsgrundlagensubvention“. 69 Siehe „e) Anforderungen gem. Art. 3 I GG an die steuerliche Bemessungsgrundlagensubvention“. 70 Siehe „e) Anforderungen gem. Art. 3 I GG an die steuerliche Bemessungsgrundlagensubvention“. 68
§ 22 Thesen
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(8) Deshalb können Förderabschreibungstatbestände nur unter Einbeziehung von Verhältnismäßigkeitserwägungen gleichheitsrechtlich gerechtfertigt werden.71 (9) Auf der Stufe der Eignung unterliegen Förderabschreibungstatbestände dann größeren Bedenken, wenn sie der Behebung struktureller Probleme dienen sollen.72 (10) Auch aus dem Gebot der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung folgt, daß im Bereich der Einkommensteuer der Gesetzgeber sich an der Zahlungsfähigkeit des Steuerpflichtigen zu orientieren hat.73 II. Artt. 12/14 GG (11) Die Verhaltensbeeinflussung durch das Angebot der Steuervergünstigung könnte nur einen Eingriff in Art. 12 I GG darstellen.74 Während Art. 14 I GG die vergangenheitsorientierte Belastungsentscheidung begrenzt, schützt Art. 12 I GG den Steuerpflichtigen bei seinen wirtschaftlichen Tätigkeiten am Markt. Der Schutzbereich ist durch das Kriterium der berufsregelnden Tendenz jedoch funktional begrenzt.75 Aus dieser Begrenzung heraus läßt sich ein allgemeiner grundrechtlicher Anspruch auf Nichtbeeinträchtigung durch ökonomisch unvernünftige Beeinflussung nicht herleiten.76 In einer Finanzverfassung, die die Erdrosselungssteuer verbietet, kann die Offerte einer Verschonungssubvention nicht zwangsähnlich wirken, weil die Letztverantwortlichkeit beim Steuerpflichtigen verbleibt. Die Verhaltensbeeinflussung ist kein „Eingriff“ in Art. 12 I GG. III. Institutionelle Rechtsmaßstäbe (12) Im Hinblick auf die verfassungsrechtlichen, institutionellen Rechtserwartungen kann der Steuerbegriff dem Interventionismus des Bundessteuergesetzgebers keine Schranken gebieten.77 Für Verschonungssubventionen des Steuerrechts ist nur die Steuergesetzgebungskompetenz einschlägig, da 71 Siehe „e) Anforderungen gem. Art. 3 I GG an die steuerliche Bemessungsgrundlagensubvention“. 72 Siehe „e) Anforderungen gem. Art. 3 I GG an die steuerliche Bemessungsgrundlagensubvention“. 73 Siehe „2. Gebot der Folgerichtigkeit und Widerspruchsfreiheit“. 74 Siehe „I. Förderabschreibungstatbestände als erwerbsbezogene Einflußnahme“. 75 Siehe „II. Funktionaler Schutzbereich“. 76 Siehe „III. Berufsfreiheit – ein Recht auf ökonomische Vernunft?“. 77 Siehe „I. Gesetzgebungskompetenz für steuerliche Lenkungstatbestände – der Begriff der ,Steuer‘“.
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Teil VII: Folgerungen
auch Steuervergünstigungen Normen sind, die Ertragsrelevanz aufweisen. Vor einem Mißbrauch dieser Kompetenz bewahrt im Verhältnis zum Sachgesetzgeber das Gebot der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung und das Gebot zu bundesfreundlichem Verhalten. (13) Der Gesetzesvorbehalt in seiner Ausprägung als Parlamentsvorbehalt kann sich aus rechtsstaatlichen-grundrechtlichen oder demokratisch-institutionellen Gesichtspunkten ergeben.78 Sowohl hinsichtlich des „ob“ eines Gesetzes als auch hinsichtlich der Reichweite eines etwaigen Parlamentsvorbehalts ist nach Sachbereichen zu unterscheiden.79 (14) Die Abweichung vom Maßstab der Leistungsfähigkeit setzt eine „erkennbare Entscheidung des Gesetzgebers voraus, mit dem Instrument der Steuer auch andere als bloße Ertragswirkungen erzielen zu wollen.“80 Der Lenkungszweck muß „tatbestandlich vorgezeichnet“ sein.81 Wesentlich im Sinne des Art. 80 I 1 GG ist die Entscheidung, Lenkungswirkung erzielen zu wollen. Eine rein faktisch erzielte Lenkungswirkung ohne erkennbare Entscheidung ist mit Art. 3 I GG82 nicht vereinbar.83 Der objektive Lenkungszweck muß mit einer Manifestation einer Lenkungsabsicht durch den Gesetzgeber korrelieren. Dieses Manifestationsgebot ergibt sich kumulativ aus Art. 3 I GG und Art. 80 I GG.84 (15) Verschonungssubventionen verlagern indirekte Ausgabenlasten außerhalb des parlamentarischen Entscheidungsprozesses. Das Vollständigkeitsprinzip ist jedoch in erster Linie ein formales Rechtsprinzip. Seine Beeinträchtigung ist deshalb schon gerechtfertigt, wenn der Gesetzgeber vertretbare Gründe hatte, die Verschonungssubvention der (direkten) Leistungssubvention vorzuziehen. (16) Der Steuerbegriff wirkt insbesondere für Art. 105 II GG sowohl kompetenzbegrenzend als auch kompetenzzuweisend. Der moderne Steuerbegriff läßt jede Regelung mit Ertragsrelevanz ausreichen und führt damit zu weitreichenden Interventionskompetenzen des Bundes über Art. 105 II GG. Zudem verfügt der Bund auch im Bereich der Leistungssubvention über weit-
78 Siehe „1. Rechtsstaatlich-grundrechtlicher Gesetzesvorbehalt“ und „2. Demokratisch-institutioneller Gesetzesvorbehalt“. 79 Siehe „b) Unterscheidung nach Sachbereichen“. 80 BVerfGE 93, 121 (147). 81 BVerfGE 93, 121 (148). 82 Siehe „III. Zwischenergebnis: Anforderungen gem. Art. 3 I GG an Förderabschreibungstatbestände“. 83 Siehe „c) Reichweite des Vorbehalts gem. Art. 80 I GG“. 84 Siehe „a) Gebot der Leistungsfähigkeit und gewährende Staatstätigkeit“; auch nach Art. 80 I GG gilt ein Manifestationsgebot für Lenkungseffekte.
§ 22 Thesen
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reichende Interventionsmöglichkeiten. Sachverwaltungs- und Ausgabezuständigkeiten der Länder werden durch die Verschonungssubventionen des Bundessteuerrechts in der Regel nicht beeinträchtigt.85 (17) Verschonungssubventionen des Steuerrechts verletzen jedoch die Ertragshoheiten von Ländern und Gemeinden. Die Großzügigkeit zu Lasten Dritter ist deshalb nur möglich, wenn der Bund bei der Schaffung von Verschonungssubventionen die Interessen der Länder mitberücksichtigt.86 IV. Einzelfallprüfungen (18) § 7 II EStG (degressive Abschreibung für bewegliche Wirtschaftsgüter) ist tatbestandlich zu weit gefaßt. In den Randbereichen seines Anwendungsbereiches, insbesondere in der Anwendung auf Betriebsvorrichtungen oder Mietereinbauten sieht sich die Allgemeinheit der Norm nicht durch eine entsprechende Allgemeinheit besonders schnellen Wertverlustes bei „beweglichen Wirtschaftsgütern“ bestätigt. Mangels Angabe eines Rechtfertigungsgrundes ist die Norm deshalb verfassungswidrig.87 (19) Das Fördergebietsgesetz hat über Abschreibungstatbestände in bisher ungeahnter Form Verschonungssubventionen angeboten. Als Steuervergünstigung der Bemessungsgrundlage hat das Fördergebietsgesetz „regressiv“ gerade zu Gunsten der leistungsfähigeren Steuerzahler gewirkt. Die erhebliche Beeinträchtigung des Gleichheitssatzes war jedoch angesichts des historisch einmaligen Investitionsbedarfs gerechtfertigt gewesen.88 Auch nach nationalem Verfassungsrecht wäre für die Zukunft eine derartige Abweichung nicht mehr erträglich. (20) § 7 IV Nr. 2 b) EStG war seinerzeit als Übergangsvorschrift konzipiert. Die Abweichung von Leistungsfähigkeitskriterien ist jedoch mit Ablauf einer Übergangsperiode jedenfalls heutzutage nicht mehr gerechtfertigt. Der Norm liegt weder formal (manifestierte Lenkungsentscheidung durch den Gesetzgeber) noch inhaltlich eine wirksame Zwecksetzung zu Grunde. Lenkungseffekte, die einer Norm zufällig anhaften, führen zur Verfassungswidrigkeit dieser Norm.89
85 Siehe Länder“. 86 Siehe 87 Siehe 88 Siehe bung)“. 89 Siehe
„III. Beeinträchtigung der Verwaltungs- und Ausgabezuständigkeiten der „I. Beeinträchtigung der bundesstaatlichen Ertragsverteilung“. „A. § 7 II EStG (20% degressive Abschreibung)“. „A. § 4 II Nr. 1 i.V. m. §§ 3, 1 Fördergebietsgesetz (50% Sonderabschrei„B. § 7 IV Nr. 2 a) EStG (2% lineare Abschreibung bei „Neubauten“)“.
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Teil VII: Folgerungen
§ 23 Abstract of content This doctoral thesis deals with the limits to state interventionism. State interventionism has many appearances, ranging from police law to direct subventions. Tax incentives and disincentives occupy – within this perspective – an intermediary position.90 In principle, tax law is deemed to serve public revenue; however, state often abuses of tax payers’ avoidance behavior by implementing indirect administrative measures in the form of tax law. Countries compete for sources of revenue by „fair“ and „unfair“ measures especially in the fields of corporate taxation and capital earnings. OECD and EU try to discern the two forms of competition. EU’s efforts to harmonize have failed so the commission is using its competence in state aid law to fight „unfair“ competition. This paper focuses on fiscal depreciation. Depreciations are described in their conditions and their direct and indirect effects on several taxes.91 In Germany, the federation holds competence both for accountancy rules and for rules governing the establishment of balance-sheets. Therefore, there is a close relationship between accountancy depreciation and fiscal depreciation measures, the latter effectively priming the first.92 Contrary to US constitutional understanding, the German constitutional court has interpreted the German equal protection clause to proscribe the ability to pay as a binding principle to the legislature. Thus, this dissertation deals with the application of the constitutional principle of ability to pay to depreciation measures. Under the constitutional principle of taxation according to the ability to pay (Leistungsfähigkeitsprinzip), there proves to be no alternative to the periodical attribution of decay.93 Otherwise a fiscal depreciation measure needs to be constitutionally justified by the public interest and the public interest served by the depreciation in question has to find some legislative intent expressed in the process of its codification. Depreciation rules that lead to an unrealistic and accelerated loss of nominal value (so called „Förderabschreibungstatbestände“) display several advantages:94 They lead to a deference of due fiscal contributions at a time when liquidity is low in order to realize the investment. This deference may lead, when applied in a very sound way, to effective savings on taxes. In most cases 90
Refer to „Abbildung 1: Formen staatlicher Einflußnahme“. Refer to „§ 4 Wirkung der Abschreibungstatbestände“; refer to „Teil III: Funktionsweise der Abschreibungstatbestände“. 92 Refer to „A. Verhältnis zu handelsbilanziellen Abschreibungen“. 93 Refer to „§ 8 Fehlen von Buchungsalternativen zur periodischen Aufwandsverteilung“. 94 Refer to „§ 9 Steuervorteil durch Förderabschreibungstatbestände“. 91
§ 23 Abstract of content
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however, the deferred payment will only be used to realize interests or save interests. The effect should still not be underestimated. The term „subvention“95 is used differently according to the legal context. Effect-orientated definitions dominate the discussion especially in the context of the EU and the OECD. The classical term of „subvention“ that is limited to the direct hand-out of public funds is not sufficing. The broader term of subvention includes tax exemptions.96 To qualify tax exemptions German doctrine has laid out several approaches, that tend to remain on a rather abstract level.97 Here, a pragmatic approach is favored giving rise to a three-step test for depreciation rules:98 Depreciation are unrealistic and tax exemption if their wording proves interventionism or if statistics of value and decay lead to different results. Due to the constitutional duty to observe the equilibrium of the public economy, it is impermissible to apply a „good-will“ in the qualification process to integrate the foreseeable inflation. European Community law is sought for limits to depreciation advantages. Direct taxation is not harmonized. The rules on taxation only cover indirect taxes. The EC treaty, therefore, can tackle tax exemptions only by the side-effects of competition law or by the impact of the discrimination rule and the four liberties under the EC treaty. State aid law proves to be lex specialis with regards to tax advantages where the modalities are not laid out in a discriminatory manner (i. e. conditioned to nationality). The justification of state aids under state aid law thus pre-empts the application of EC-liberties law. Scrutinizing the tax decisions of the ECJ and the Commission’s notice on the application of state aid law to tax exemption both are shown to be fragmentary.99 The author suggest a two step test for the application of Art. 87 I EC to fiscal exemptions:100 – At first, it must be shown by reference to national principles of taxation that the rule in question is effectively an exemption rule. – In the second step it must be shown that the effects of the rule lead to distortions on the common market. The first step is a compromise between community competence and national sovereignty. The link to the national system of taxation leads – with regards to German law – to the principle of ability to pay (Leistungsfähigkeitprinzip). In other European countries there exist similar principles that are either laid down 95
Refer to „§ 10 Subventionsbegriff“. Refer to „§ 10 Subventionsbegriff“. 97 Refer to „A. Abschichtung von Steuervergünstigungen“. 98 Refer to „B. Abschichtung von Förderabschreibungstatbeständen“. 99 Refer to „A. Rechtsentwicklung zu Förder-Abschreibungen und Beihilfenrecht“. 100 Refer to „VI. Steuerliche Beihilfen – zweistufige Gesamtschau“. 96
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Teil VII: Folgerungen
by national constitutional law or by the law of the European Convention on Human Rights. The ECHR has in the Darby-decision developed the nucleus of a European principle of ability to pay.101 The second step is part of a generalizing approach because of the extreme difficulties inherent to tax exemptions. With regards to tax exemptions it is almost impossible to test the condition of „certainty“ (= specialty) without testing the distortion of market and the affect of trade between member states at the same time. To test the distortions it is recommendable to relay on the market definitions that have been developed in European Cartel law.102 New state aids have to be notified to the commission. According to art. 88 III S. 3 EC no state aid may be carried out before the final decision of the commission took place. Failure to observe this prohibition may render the recipient and the member state liable to damages on the demand of concurrent enterprises.103 With respect to constitutional law accelerated depreciations are tested for the individual and institutional requirements of the Grundgesetz104. The focus-point is Art. 3 I GG105, equality before the law.106 It is shown that the Bundesverfassungsgericht107 displays a broad range of control intensities. Severe control of equal treatment means controlling the proportionality between the inequality of treatment and the followed aim. Low density of control leads to the question if there has been a sound reason for the difference in treatment. In the area of taxation the Bundesverfassungsgericht has interpreted article 3 I GG to mean that taxation has to comply with the principle of ability to pay.108 According to that same court subsidies underlie a low density of control.109 Therefore, it remains open, if tax expenditures are controlled in the lenient way that subsidies are controlled.
101
Refer to „VI. Steuerliche Beihilfen – zweistufige Gesamtschau“. Refer to „IV. Marktvergleich“. 103 Refer to „§ 15 Verfahrensfolgen eines Verstoßes gegen das Durchführungsverbot gem. Art. 88 III 3 EGV“. 104 The „basic law“ is the constitution of the Federal Republic of Germany, in force since 23. May 1949. 105 Art. 3 I: „Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.“ (= all humans are equal before the law). 106 Refer to „I. Art. 3 I GG als vergleichsabhängiges Differenzierungsgebot“. 107 The Bundesverfassungsgericht is the highest court in Germany. It exercises a centralized control of constitutionality vis-à-vis executive, legislative and judiciary acts. Its competence is based both on institutional remedies (Normenkontrolle, Organstreitverfahren) and individual remedies (individuelle Verfassungsbeschwerde, Art. 93 I Nr. 4a GG). 108 Refer to „a) Gebot der Leistungsfähigkeit und gewährende Staatstätigkeit“. 109 Refer to „a) Gebot der Leistungsfähigkeit und gewährende Staatstätigkeit“. 102
§ 23 Abstract of content
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Referring to the dogmatic work of Huster, it is shown that it is possible to transpose the control scheme of fundamental liberties on the equality rule. Huster distinguishes inequality for extern and for intern cause. An intern causemotivated difference in treatment tries to respect the differences between two groups; the control scheme will approve or deny that the difference in treatment corresponds to inherent distinctions. If the difference in treatment is motivated by extern reasons – in particular for interventionist reasons – a control of proportionality may apply. Huster, however, lacks to differentiation between discriminating and privileging inequalities. His high-control-density scheme sounds convincing only when referring to discriminating inequalities. The thereby outlined difference between discriminating and privileging inequalities is, however, not able to respond to tax expenditures referring to the taxable base of the income tax. Subventions that water down the taxable base reverse the progressivity of the income tax system. They are not neutral to the non-recipient of the subvention. Therefore, the principle of equality in taxation asks for a high-density control of justification, for a control of the proportionality of aims and means.110 In the first step the tax subvention rule is controlled for its aptitude to serve the alleged aim brought forward by the legislature.111 In a second step the necessity of the mean has to be proven by showing that there is no possibility to reach that same end with the same effectiveness and with fewer distortions as to the principle of equality in taxation.112 For these first two steps legislature has a broad prerogative to forecast future developments. However, it is shown that accelerated depreciations are not adapted to counterbalance structural deficits. In the third step the measure is controlled for its proportionality in the stricter meaning of this term. The fiscal leniency is proportional if the violation of equal taxation is outweighed by the aims to whose purpose the exemption was granted. The German constitution also limits the scope of interventionism by institutional barriers.113 Parliament has to show its consciousness when deviating from fiscal aims and creating a subvention rule.114 Parliament has to make it clear that it wishes to create a subvention rule either itself or by empowering of executive bodies under art. 80 I Grundgesetz115. Federal barriers show to be relatively weak. The term „Steuer“ serves both to limit and attribute competence.116 110 Refer to „e) Anforderungen gem. Art. 3 I GG an die steuerliche Bemessungsgrundlagensubvention“. 111 Refer to „bb) Objektive Eignung“. 112 Refer to „cc) Erforderlichkeit“. 113 Refer to „§ 18 Institutionelle Rechtsmaßstäbe“. 114 Refer to „c) Reichweite des Vorbehalts gem. Art. 80 I GG“; BVerfGE (official register) 93, 121 (148).
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Teil VII: Folgerungen
Recently the constitutional court has developed a broad understanding of the term. Tax competence is at stake whenever a regulation positively or negatively is relevant to the earnings of the general budget without any recompense whatsoever to the person subject to contribution. This large understanding leads in practice to important attributions of the federation to influence the economy by means of taxation. However, the federation has to respect the interests of the Länder117 according to the principle of common faith (Gebot des bundesfreundlichen Verhaltens).118 If it fails to do so the fiscal regulation is void.
115 According to art. 80 I Grundgesetz parliament may delegate legislative power to executive bodies if the limits of this empowerment are clearly defined. The „Rechtsverordnung“ (regulation) thereby brought about has to respect all parliamentary acts to avoid its nullity (strict hierarchy of norms). 116 Refer to „I. Gesetzgebungskompetenz für steuerliche Lenkungstatbestände – der Begriff der ,Steuer‘“. 117 The German federation consists of 16 Länder: Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, Brandenburg, Bremen, Hamburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Saarland, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein, Thüringen. 118 Refer to „I. Beeinträchtigung der bundesstaatlichen Ertragsverteilung“.
Anhang
Nettosubventionsäquivalent nach dem Fördergebietsgesetz Die nachfolgende Tabelle und die Graphiken beziehen sich auf das Rechenbeispiel, das im Abschnitt „B. Stundungsvorteil“, S. 73 f. dargestellt wird.
318 Jahr 0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44 45 46 47 48 49 50
Anhang: Nettosubventionsäquivalent nach dem Fördergebietsgesetz Realer Wert
BW zu Jahresende
Abschr. Summe
Reale Abnutzung
100 98,00 96,00 94,00 92,00 90,00 88,00 86,00 84,00 82,00 80,00 78,00 76,00 74,00 72,00 70,00 68,00 66,00 64,00 62,00 60,00 58,00 56,00 54,00 52,00 50,00 48,00 46,00 44,00 42,00 40,00 38,00 36,00 34,00 32,00 30,00 28,00 26,00 24,00 22,00 20,00 18,00 16,00 14,00 12,00 10,00 8,00 6,00 4,00 2,00 0,00
100 47,00 44,00 41,00 38,00 35,00 33,76 32,53 31,29 30,06 28,82 27,59 26,35 25,12 23,88 22,65 21,41 20,18 18,94 17,71 16,47 15,24 14,00 12,76 11,53 10,29 9,06 7,82 6,59 5,35 4,12 2,88 1,65 0,41 0,00 0,00 0,00 0,00 0,00 0,00 0,00 0,00 0,00 0,00 0,00 0,00 0,00 0,00 0,00 0,00 0,00
53,00 3,00 3,00 3,00 3,00 1,24 1,24 1,24 1,24 1,24 1,24 1,24 1,24 1,24 1,24 1,24 1,24 1,24 1,24 1,24 1,24 1,24 1,24 1,24 1,24 1,24 1,24 1,24 1,24 1,24 1,24 1,24 1,24 0,00 0,00 0,00 0,00 0,00 0,00 0,00 0,00 0,00 0,00 0,00 0,00 0,00 0,00 0,00 0,00 0,00
2,00 2,00 2,00 2,00 2,00 2,00 2,00 2,00 2,00 2,00 2,00 2,00 2,00 2,00 2,00 2,00 2,00 2,00 2,00 2,00 2,00 2,00 2,00 2,00 2,00 2,00 2,00 2,00 2,00 2,00 2,00 2,00 2,00 2,00 2,00 2,00 2,00 2,00 2,00 2,00 2,00 2,00 2,00 2,00 2,00 2,00 2,00 2,00 2,00 2,00
Tats. Abnutz. Startwert
0,02 100
AfA SoAfA
0,03 0,5
Zu niedr. Wertans. gest. Steuerbetr. (Real.Wert – BW) Jahr 51,00 52,00 53,00 54,00 55,00 54,24 53,47 52,71 51,94 51,18 50,41 49,65 48,88 48,12 47,35 46,59 45,82 45,06 44,29 43,53 42,76 42,00 41,24 40,47 39,71 38,94 38,18 37,41 36,65 35,88 35,12 34,35 33,59 32,00 30,00 28,00 26,00 24,00 22,00 20,00 18,00 16,00 14,00 12,00 10,00 8,00 6,00 4,00 2,00 0,00 Zinssatz KSt und GewSt
19,13 19,50 19,88 20,25 20,63 20,34 20,05 19,76 19,48 19,19 18,90 18,62 18,33 18,04 17,76 17,47 17,18 16,90 16,61 16,32 16,04 15,75 15,46 15,18 14,89 14,60 14,32 14,03 13,74 13,46 13,17 12,88 12,60 12,00 11,25 10,50 9,75 9,00 8,25 7,50 6,75 6,00 5,25 4,50 3,75 3,00 2,25 1,50 0,75 0,00 0,055 0,375
Anhang: Nettosubventionsäquivalent nach dem Fördergebietsgesetz Zinsgewinne Zinseszinsauf gestund. Betrag gewinn 1,05 1,07 1,09 1,11 1,13 1,12 1,10 1,09 1,07 1,06 1,04 1,02 1,01 0,99 0,98 0,96 0,95 0,93 0,91 0,90 0,88 0,87 0,85 0,83 0,82 0,80 0,79 0,77 0,76 0,74 0,72 0,71 0,69 0,66 0,62 0,58 0,54 0,50 0,45 0,41 0,37 0,33 0,29 0,25 0,21 0,17 0,12 0,08 0,04 0,00
0,00 0,04 0,07 0,11 0,16 0,20 0,25 0,29 0,34 0,39 0,44 0,49 0,54 0,59 0,65 0,70 0,76 0,82 0,88 0,94 1,01 1,07 1,14 1,21 1,28 1,35 1,42 1,50 1,58 1,66 1,74 1,82 1,91 2,00 2,09 2,18 2,28 2,38 2,47 2,57 2,68 2,78 2,89 3,00 3,11 3,22 3,34 3,46 3,58 3,71
319
Summierter Zinsgewinn
Steuern auf Zinsgewinn
Zinsgewinn nach Steuern
Vermögenszuwachs
1,05 1,11 1,17 1,23 1,29 1,32 1,35 1,38 1,41 1,44 1,48 1,51 1,55 1,59 1,63 1,67 1,71 1,75 1,79 1,84 1,89 1,94 1,99 2,04 2,09 2,15 2,21 2,27 2,33 2,40 2,46 2,53 2,60 2,66 2,71 2,76 2,82 2,87 2,93 2,99 3,05 3,11 3,18 3,25 3,32 3,39 3,46 3,54 3,62 3,71
0,39 0,42 0,44 0,46 0,48 0,49 0,51 0,52 0,53 0,54 0,55 0,57 0,58 0,60 0,61 0,62 0,64 0,66 0,67 0,69 0,71 0,73 0,75 0,77 0,79 0,81 0,83 0,85 0,87 0,90 0,92 0,95 0,98 1,00 1,02 1,04 1,06 1,08 1,10 1,12 1,14 1,17 1,19 1,22 1,24 1,27 1,30 1,33 1,36 1,39
0,66 0,69 0,73 0,77 0,81 0,82 0,84 0,86 0,88 0,90 0,92 0,95 0,97 0,99 1,02 1,04 1,07 1,09 1,12 1,15 1,18 1,21 1,24 1,28 1,31 1,34 1,38 1,42 1,46 1,50 1,54 1,58 1,63 1,66 1,69 1,73 1,76 1,79 1,83 1,87 1,91 1,95 1,99 2,03 2,07 2,12 2,17 2,21 2,26 2,32
0,66 1,35 2,08 2,85 3,65 4,48 5,32 6,18 7,07 7,97 8,89 9,84 10,81 11,80 12,82 13,86 14,92 16,02 17,14 18,29 19,47 20,68 21,92 23,20 24,51 25,85 27,23 28,65 30,11 31,60 33,14 34,73 36,35 38,01 39,71 41,43 43,19 44,99 46,82 48,68 50,59 52,54 54,52 56,55 58,62 60,74 62,91 65,12 67,39 69,70
Rest-AfA nach Ablauf des Begünstigungs-Zeitraumes = A 1,24
Nettoförd.: e 4,79
Wert in Euro
0
20
40
60
80
100
120
0
2
4
6
8
10
Buchwert
12
14
16
Stille Reserve
20
22
24
26 28
Zeit in Jahren
30
Fördergebietsabschreibung
18
32
34
36
38
40
42
32
44
46
48
50
320 Anhang: Nettosubventionsäquivalent nach dem Fördergebietsgesetz
0,00
0,50
1,00
1,50
Zinsgewinn auf gestundeten Betrag pro Jahr
7
5
3
Zinsgewinn auf gest. Betrag
9
1
2,00
11
2,50
13
Gewinn in € auf 100 € Investitionsvolumen
3,00
27
23
21
Zinseszinsgewinn
Zeit in Jahren
25
19
Zinsgewinne vor Steuern
15
3,50
17
4,00
Anhang: Nettosubventionsäquivalent nach dem Fördergebietsgesetz 321
49
47
45
43
41
39
37
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Sachwortverzeichnis Abschichtung 20, 21, 89, 90, 91, 92, 93, 107, 143, 172, 303, 313 Abschnittsbesteuerung 68 Abschreibung 1, 17, 26, 39, 40, 52, 54, 58, 60, 63, 65, 66, 69, 70, 71, 99, 105, 106, 107, 113, 120, 122, 136239, 265, 276, 286, 287, 288, 292, 311 Absetzung 14, 39, 43, 44, 53, 58, 60, 63, 65, 68, 99, 106, 144, 283, 286, 302 Absetzungsberechtigung 43, 49, 50, 51 Afa-Tabelle 44 Aktivtausch 63 Anlagevermögen 43, 46, 52, 57, 64 Ansparabschreibung 183, 184, 186, 293, 294, 307 Antisubventionsverordnung 79, 81 Bedarfsmarktkonzept 131 Begünstigungszeitraum 70, 74, 75, 276 Belastungsgleichheit zwischen Personengesellschaften und Kapitalgesellschaften 37 Belastungswirkung 188, 223, 239, 264 Bemessungsgrundlage 21, 23, 24, 33, 62, 72, 73, 74, 75, 189, 205, 209, 216, 217, 222, 281, 296, 298, 299, 311 Betriebsvermögen 23, 26, 41, 42, 63, 90, 106, 184 Betriebsvorrichtung 50 Bewertungsvorbehalt 17, 53 Bruttoprinzip 11, 278, 279, 297 Buchwert 39, 69, 71 Deutschlandklausel 148, 149 Direktsubvention 18, 19, 118, 128, 131, 207, 223
Doppelbesteuerungsabkommen 36, 165 Durchführungsverbot 166, 168 EGKS 79, 179, 306 Eingriff 85, 209, 219, 227, 239, 240, 241, 242, 243, 246, 249, 250, 251, 256, 258, 266, 268, 309 Eingriffsverwaltung 86, 207, 208, 265 Entsprechungsprüfung 197 Entstrickung 69 Erhöhte Absetzung 20, 283 Fehlallokation 4, 5 Finanzhilfen 2, 3, 4, 12, 13, 15, 80, 81, 262 Fiskalisches Handeln 19 Fiskalzwecknormen 18, 19, 20 Folgerichtigkeit und Widerspruchsfreiheit 203, 231, 233, 234, 236 Förderabschreibungstatbestände 1, 36, 69, 73, 89, 93, 99, 108, 109, 124, 138, 144, 146, 172, 189, 216, 221, 231, 233, 238, 239, 244, 245, 253, 255, 256, 257, 264, 266, 273, 284, 286, 296, 299, 301, 302, 303, 309 Fördergebietsgesetz 3, 22, 57, 73, 74, 75, 148, 172, 173, 174, 263, 289, 290, 306, 311 Fördergebietskarte 152 Freiheitsrechte 189, 190, 199, 212, 243, 253, 268, 269, 270, 286, 323 Gemeinlastprinzip 7 Gerechtigkeit 33, 92, 211, 214, 287 Gestaltungswirkung 92, 189, 223, 245 Gewaltenteilung 11, 13, 190, 191, 267, 272
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Sachwortverzeichnis
Gewerbeertrag 23, 265 Gewerbesteuermeßbetrag 23 Gewinneinkünfte 22, 42 Gewinnermittlung 22, 23, 54, 55, 59, 60, 63, 68, 244, 330 Gewinnvortrag 113 Goodwill 46, 95 Grundfreiheiten 119, 120, 138, 157, 159, 160, 165 Gruppenlastprinzip 7 Handelsbilanz 47, 53, 54, 70, 302 Haushaltsplan 3, 11, 12, 207, 208, 273, 276, 278, 279, 297 Initiativrecht 35 InvZulG 3, 31, 172, 216, 297 Kapitalerträge 32, 36 KMU 128, 129, 184, 185, 186, 292, 300, 307 Kohärenz 148, 152, 164 Konkurrentenklage 166, 256, 300 Konnexitätsprinzip 13, 262 Kontrolldichte 191, 193, 194, 195, 196, 208, 233, 253 Koordinierung 31, 33 Lastenausteilung 92 Lehre vom Totalvorbehalt 271 Leistungsfähigkeit 1, 8, 9, 21, 32, 60, 63, 64, 67, 68, 82, 95, 106, 108, 137, 141, 143, 177, 183, 186, 198, 200, 201, 202, 203, 204, 205, 206, 207, 209, 212, 219, 236, 237, 238, 289, 291, 299, 307, 310, 314 Lenkungsabgabe 6 Lenkungsnormen 18, 19, 21, 155, 220, 241, 259, 301 Liquidität 1, 292 Marktvergleich 127, 131, 135, 138, 140 Maßgeblichkeit 53, 54, 302
Mitteilung über die Anwendung der Vorschriften über staatliche Beihilfen auf Maßnahmen im Bereich der direkten Unternehmensbesteuerung 135, 150 Multiplikatoreffekt 17 Nebenzweck 257, 258, 259, 261, 266 Nettoprinzip 51, 204, 205, 206 Nettosubventionsäquivalent 152 Neue Formel 195, 196, 198, 210, 213 Nutzungsdauer 25, 39, 42, 43, 44, 45, 46, 47, 48, 49, 58, 66, 71, 75, 76, 77, 78, 93, 95, 106, 287 OECD 33, 136 Öffnungsklausel 54 Ökosteuergesetz 7 Ordnungsrecht 19 Parlamentsvorbehalt 264, 266, 267, 271, 274, 275, 276, 310 Personenbezogene Ungleichbehandlung 193, 195 Privatvermögen 41, 42, 69, 90, 106 Proportionalzone 14, 77, 249 Realförderung 19 Recht auf ökonomische Vernunft 246, 248, 309 Regelbesteuerung 19, 89, 93, 94, 112, 122, 138, 139, 141, 143, 263, 276 Reziprozität 139 Schachtelprivileg 165 Scheinbestandteil 40 Schwellenwert 152, 214, 217, 219, 238 Sofortabzug 57 Sonderabschreibung 15, 70, 71, 73, 77, 84, 112, 114, 135, 172, 175, 183, 220, 241 Souveränität 36, 110, 139, 293 Spezialität 117, 122, 125, 140, 159, 236 Spitzenausgleich 7, 32 Stabilitätsgesetz 2, 12, 20, 80, 81
Sachwortverzeichnis Steuerbilanz 25, 47, 53, 55, 60, 69 Steuergegenstand 20, 266 Steuersatz 14, 19, 20, 21, 23, 74, 209, 233, 266 Steuerstaat 246 Steuersubjekt 20, 21 Steuertarif 20, 217, 249 Steuervergünstigung 12, 13, 14, 15, 19, 20, 21, 81, 89, 91, 92, 120, 121, 125, 126, 134, 135, 139, 140, 143, 145, 150, 153, 162, 175, 183, 185, 186, 216, 217, 222, 261, 263, 286, 292, 307, 309, 311 Stundung 120 Stuttgarter Verfahren 24, 25, 26 Substanzverringerung 53, 58, 59, 60, 63, 68 Subvention 4, 6, 8, 12, 13, 15, 78, 79, 80, 82, 83, 84, 86, 87, 88, 89, 108, 118, 127, 135, 207, 214, 223, 250, 255, 277, 278, 297, 298
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Verlustvortrag 31, 71, 72 Vermögensgegenstand 40, 41 Verschonungssubvention 5, 8, 14, 21, 81, 84, 88, 168, 175, 208, 209, 216, 217, 218, 219, 221, 222, 246, 249, 250, 255, 266, 276, 279, 283, 284, 285, 286, 289, 291, 309, 310, 315 Verursacherprinzip 7 Vollständigkeitsprinzip 278, 279 Vorbehaltsnießbrauch 50, 51 Vorsichtsprinzip 69
Überschußeinkünfte 22, 62 Unternehmensbesteuerung 31, 34, 114, 138, 139 US-GAAP 47
Wahlschuld 250 Wertaufholung 39 Wertverlust 45, 48, 49, 50, 51, 59, 60, 62, 65, 66, 67, 68, 93, 100, 105, 286, 287 Wesentlichkeitslehre 268, 269, 270, 271 Wettbewerb der Systeme 21 Wettbewerbsfreiheit 251, 253, 254, 255, 256, 286, 293 Wettbewerbsverfälschung 116, 123, 125, 126, 127, 138, 139, 144, 305 Willkürformel 86, 195, 196, 211, 231, 232 Willkürung 42 Wirtschaftsgut 39, 40, 41, 42, 43, 44, 45, 46, 49, 50, 59, 63, 65, 66, 67, 69, 73, 95, 240, 289 WTO 79, 138
Veranlassungsprinzip 284 Verhaltensbezogene Ungleichbehandlung 195 Verhaltenskodex für die Unternehmensbesteuerung 34 Verhältnismäßigkeit 188, 269, 326
Zins 1, 73, 76 Zonenrandförderungsgesetz 266 Zuschreibung 39 Zustimmungsvorbehalt 282 Zweistufentheorie 86
Teilwertabschreibung 57, 58, 59, 60, 65, 66, 69 Treaty-overriding 36 Typisierung 67, 94, 195