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German Pages 472 [480] Year 1812
M. A.
VON
THÜMMELS
SÄMMTLICHE WERKE
S 1
L E I P Z I G ,
Ç, H S T F, P.
B t l
G.
J.
B A N
G Ö S C H E N
I'
1 g
1
R in
die
E
I
E
mittäglichen von
VI. T h .
Provinzen
Frankreich.
F ü n f t e r
T h . \V.
S
T h e i l .
Den 1r,. Februar.
I n ein k l e i n e s ,
rulliges,
m i t einer dun-
keln Lampe erleuchtetes Stübchen verwiesen,
sitze i c h
hier in einem ländlichen
Posthause,
zwey Stationen
täubenden
Hauptstadt
konnte
—
von der bedenn
weiter
ich heute n i c h t kommen —
und
blicke meinem abgelaufenen Tage in einer Gemiithsstimmung n a c h , w i e ich sie mir nur,
bei
dem
letzten
herabrieselnden
Sandkörnchen meines Stundenglases, zum U b e r s c h w u n g in die E w i g k e i t w ü n s c h e i l kann.
I c h habe d i e , selbst in ihrer Ver-
rückung n o c h , unübertreffliche F r a u ges e h e n , g e h ö r t , b e j a m m e r t und angebetet. W ä r e n ihr alle Verstandesberaubte gleich, so würde giöse
ich
die
Verehrung
mahomedanische reliderselben
ohne
ken in meine Glaubensartikel
Beden-
aufnehmen.
4 Doch gemach !
Wir müssen erst,
lieber
Eduard , einen langen sauern Weg zurücklegen , ehe wir in die verschwiegene Halle gelangen, die diese Heilige von der grofsen lärmenden Gesellschaft gemeiner Unsinniger scheidet.
Ich
mich
bei
einen Freund
liefs
des
ihrem Vorsteher
als
Marquis ansagen.
E r empfing mich schon
darum mit vieler Achtung, die schnell in Zutrauen überging, da meine Eigenliebe ihm nicht verschweigen konnte, dafs ich dem grofsen F e s t e ,
von dem ich
eben
zurückkäme, als der einzige Fremde beigewohnt hätte: denn es ist unglaublich, was der kleinste Beweis von Auszeichnung, mit welcher St. Sauveur jemanden beehrt,
in den Augen der Rechtschaffnen
für einen Glanz auf ihn zurückwirft.
Un-
ter diese Zahl gehört Herr Filbert
un-
streitig, ein Name, der zwar von keinem Stammbaume beschattet wird,
den ich
aber in den meinigen vor vielen andern aufnehmen möchte, die,
stiftmäfsig, ihr
5 Leben in S p i e l - , T r u n k - und Theegesellschaften vergeuden. Er habe sich, sagte e r , uin seine nichts weniger als anlokkende Stelle beworben, die seiner Mutter Bruder aber, trotz ihrem geringen Schimmer , zu einem wahren Ehrenposten erhoben hätte. Ich zog den Hut a b , als er inir auf mein Befragen nach dem Namen seines Oheims den edeln Howard nannte. „Wenn ich etwas Gutes in meinem beschwerlichen Amte bewirke, so verdanke ich es dem Stolze, einem solchen Blutsfreunde nachzueifern, den ich ganz jung kennen lernte, als er die hiesigen Gefängnisse und Armenhäuser besuchte. Ich h a b e , w i e e r , nicht die Phantasien der W e l t w e i s e n , sondern der Narren studirt — nicht die Kunst, Paläste anzulegen und zu verzieren, sondern bequeme Kerker zu b a u e n , und mit gesunder Luft zu f ü l l e n , ihm abgelernt, werde der Nachw e l t so w e n i g , als e r , eine verbesserte Taktik — wirksamere Mordgewehre, oder
6 neue Plane zu Lotterien und Auflagen — aber der Menschlichkeit in einer Wissenschaft,
die noch sehr im Filistern liegt,
hellere Augengläser vererben.
Diese An-
strengung meiner wenigen Kräfte glaube ich dein Ruhme meines Oheims schuldig zu seyn."
Es ist g u t , E d u a r d , dafs die
N a t u r durch
das Hirngespinst
körperli-
cher Verwandtschaft manchmal auch noch eine geistige s t i f t e t ,
so wie der
leere
Schall eines N a m e n s , den ein berühmter Vorfahr auf uns gebracht h a t , selbst bey dem Unvermögen,
ihn zu e r h ö h e n ,
uns
doch gewifs abhalten w i r d , ihn verächtlich zu machen.
Ein Namensvetter von
Howard oder Filbert k ö n n t e , d ä c h t e i c h , kein unnützer Weltbürger werden.
Meine
Begriffe sind gewifs von dem Verdienste eines Monarchen nicht klein, Staaten in Ruhe
zu
erhalten
der seine und
das
Glas voll gährender Hefen so geschickt zu tragen v e r s t e h t ,
dafs es weder zer-
bricht noch ü b e r l ä u f t ; wenn aber die Be-
7
hauptung wahr ist, dafs ein Haufe verschobener Köpfe schwerer zu behandeln sei, als eine Armee, die, da sie aus lauter klugen in eine Masse zusammen gezwängt i s t ,
geduldig dem Winke eines
Lappens f o l g t , den ihr Gebieter ihnen zur Hetze auf eine andere Menschenmasse vortragen läfst,
die er — ihren Feind
nennt: — so sollte es beinah scheinen, als ob das Regenten-Verdienst eines Narrenwärters mehr besage, Fürsten.
als das
eines
Nach besserer Überlegung halte
ich jedoch d a f ü r , dafs die Regierungskunst des einen wie des andern auf einerlei Grundpfeilern beruhe, und die einfachen Mittel, die Filbert gebraucht,
um
seine tobende Republik in Gehorsam und Ordnung zu erhalten, dieselben sind, die unser Friedrich, nur nach einem gröfsern Mafsstabe, anwendet.
,,Ich
bändige,"
sagte er, „ d u r c h H u n g e r — belohne durch die Freude der Sättigung, und lasse übrigens in gleichgültigen Dingen jedem tollen
ö Kopfe das Spielwerk seiner Laune. Sie werden mich sogleich deutlicher versteh e n , mein Herr." F,r führte mich nun in die erste der vier Abtheilungen, die in einem weitläufigen Bezirke die verschiedenen Klassen dieser Brüdergemeine von einander sondern. Wenn Apollo einmal einem Dichterchor sichtbar erschiene, schwerlich könnte er von feurigem Augen bewillkommt werden, als hier aus einem Dutzend finstrer Behälter meinein Begleiter entgegenfunkelten. „Nach w a s , " fragte i c h , „streklten diese Rasenden ihre Hände so weit aus ihren G i t t e r n ? " „Nach Federn, Tinte und P a p i e r , " w a r seine A n t w o r t , „sie würden aber bald die ganze milde Kasse gesprengt haben, wenn ich ihnen hierin immer zu Willen stände. Diesen Hof, mein Herr, habe ich nur den Genies der Gesellschaft eingeräumt, die meiner Aufsicht um defswillen am nächsten sind, weil sie ihrer am meisten bedürfen. Sie
9 taugen durchaus in keine andere Abtheil u n g , denn sie würden jeden N a r r e n , der n i c h t m i t ihnen a u f derselben Höhe steht, n u r n o c h närrischer machen. das E x c e n t r i s c h e
Hier h ä l t
des E i n e n den Unsinn
des Andern im Gleichgewicht. welt
ist z w a r
pferd,
das
Die Nach-
allgemeine
das sie r e i t e n ,
und
die
SteckenMinder-
j ä h r i g k e i t des Zeitalters ihre ewige K l a g e . " „Da
sie a b e r , "
wendete
„ e i n a n d e r meistens
i c h ihm
ein,
in die F e n s t e r sehen
k ö n n e n , w i e ich b e m e r k e ,
so dächte ich,
miifste b e i gleichen F o r d e r u n g e n ein una u f h ö r l i c h e r Z w i s t u n t e r ihnen herrschen, dessen A u s b r u c h nur die stärksten Ketten „Dafür
hindern k ö n n e n . " sorgt , "
evwiederte
giebt der W e g e
h a b e ich ge-
der Aufseher.
zur
Unsterblichkeit
„Es so
v i e l e ! und indem i c h hier dem TragödienS c h r e i b e r einen S y s t e m a t i k e r — dort dem medicinischen F r e i g e i s t —
einen S t e r n s e h e r
w e i t e r unten dem G o l d k o c h einen Hel-
densänger,
und
ain E n d e des Hofs dem
10
W e l t v e r b e s s e r e r einen L i e d e r d i c h t e r gegen ü b e r gesetzt h a b e , lachen die einen ü b e r die a n d e r n ,
u n d treffen sich nie in einem
Gleise z u s a m m e n .
Jeder verführt ruhig
seine W a a r c der E w i g k e i t z u , u m die L a d u n g des
o h n e sich
Gegenüberstehenden
zu b e k ü m m e r n .
In i h r e r Kost sind sie
sehr g e n ü g s a m ;
desto gieriger a b e r n a c h
gelehrten Z e i t u n g e n , mal aus
u n d ich k a n n alle-
der rasselnden K e t t e des einen,
o d e r der s c h ä u m e n d e n W u t h des a n d e r n abnehmen,
wenn
einer
ihrer
dem n e u s t e n Blatte gelobt ist.
Zunft
in
Defshalb
lasse, ich seit einiger Zeit n u r ein gewisses J o u r n a l , seiner h e r a b w ü r d i g e n d e n U r t h e i l e w e g e n , u n t e r diesen H e r r e n c i r k u l i r e n , u n d k a n n d e m Herausgeber n i c h t g e n u g d a f ü r danken:
d e n n es s c h e i n t n u r f ü r N a r r e n
geschrieben
zu s e y n ,
u n d b e r u h i g t die
mehligen
aufserordentlich.
intervalla
darf i c h n i c h t
rechnen,
Auf
liicida
eher bei i h n e n
als b i s ein L i c h t in der gelehr-
t e n W e l t verlischt.
E s i s t , als ob sie nach
einer solchen Anzeige mehr L u f t bekämen : denn jeder berühmte Mann scheint ihnen
den Raum
zu verengen.
Konnte
sie ein Schlagflufs alle auf einmal tödten, ich glaube, diese
den Tag nachher bekämen
gelbsüchtigen Thoren
gesunde F a r b e . "
alle wieder
„ D ü r f t e ich w o h l , "
fragte i c h , und winkte Bastianen,
„die-
sen Herren einen Theil meines mitgebrachten Geschenkes
anbieten?"
„ O a n t -
wortete mein F ü h r e r , „ S i e können es nirgends zweckmäfsiger anwenden — nur erwarten Sie keinen Dank dafür — denn so weit reinigt
die stärkste Niesewurz ihr
Gehirn n i e . " —
Indem rief mir der Tra-
gikus mit ironischem
Ingrimm und mit
einem
nein,
Blick
zu
—
der F u r i e , die ein
Lucan
hat
Nest Schlangen zer-
drückt, während der Sohn des Poinpejus sie um den Ausgang der
Pharsalischen
Schlacht befragt , keinen erschrecklichem gegeben —
„ S t e h t der junge Herr dort —
rief er — etwa auch in dem W a h n ,
ein
D i c h t e r der ersten Klasse z u seyn ? " ,,Gott bewahre m i c h , " erschrocken,
„vor
—
rief ich ä u f s e r s t
einem
so ü b e r m ü t h i -
gen E i n f a l l e , " u n d b e s c h w o r H e r r n F i l bert,
mich
aus der N ä h e dieses g r o b e n
N a r r e n zu bringen. -— Die a n s t o i s e n d e A b t h e i l u n g w a r still w i e das G r a b .
,,Sie v e r w a h r t , " sagte F i l b e r t ,
„ e h e m a l s g u t e , n ü t z l i c h e Bürger, die d u r c h äufserc u n g l ü c k l i c h e Z u f ä l l e in h ü l f l o s e n B l ö d s i n n g e r a t h e n , u n d auf i h r e m h a r t e n S t r o h l a g e r einer bessern Z u k u n f t entgegen träumen.
Das Mitleid w i r d zu sehr ge-
s p a n n t , um h i e r z u v e r w e i l e n ; d o c h w e r f e n Sie i m m e r im D u r c h g e h n einen Blick i n die m i t t l e r e Z e l l e ,
w e i l Sie bald die
M u t t e r des j u n g e n M a n n e s , der h i e r eingesperrt
ist,
sehen
Er ahndet nicht,
so n a h e w o h n t , d i e , gen ,
ihn
und hören
werden.
dals er der G r a u s a m e n
durch ihr
u m es k u r z zu saBeispiel v e r d o r b e n ,
durch
ihre Lehren zur
seiner
Jugendkräfte,
Verschwendung
zum
Mifsbrauche
seines guten Verstandes gereizt und in diefs Elend gebracht hat — eine Geschichte von gewöhnlichein Ursprung und entsetzlichem Ausgange. „ S e i n Vater — ein reicher Lanquier sonst höchst behutsam in seinen Unternehmungen , — war es nur nicht in der W a h l seiner Gattin.
E r blickte aus sei-
nem Kointoir in die junge weibliche W e l t , wie in ein Waarenlager, und suchte sich das Mädchen a u s ,
das einstimmig unter
den Kennern für die Reizendste wurde.
erklärt
Stolz führte er sie bald als sein
Eigenthum durch die Reihe ihrer Anbeter — glaubte ein unschätzbares Kleinod erhandelt zu haben,
ohne zu bedenken,
dafs es keins in der Ehe giebt, wenn es sich nicht selbst zu schätzen weifs.
Das
wulste seine junge Frau so w e n i g ,
wie
der Diamant des grofsen Moguls — und E r — wenn er nur seine Geldkasten unter dem Schlüssel hatte, glaubte alles in seinem Hause verschlossen.
Während er
»4 gekrümmt an seinem Schreibetische
safs
— hatte er kein Arges auf die Balle, Redouten und Opern, glänzte.
wo
Edelstein
Eifriger konnte er aber kaum
seine Wechselgeschäfte das ihrige.
sein
treiben,
als sie
Sie hätte sogar den Vortheil
gehabt, es länger fortzusetzen, als e r , da ihn ein schneller Tod von der Seite seiner schönen Hälfte wegnahm,
und nun das
Ganze ihren Liebhabern überlassen blieb, •wenn nur nicht nach und nach neben ihrer Wechselbank andere mit melirerem Kredit entstanden — schlankere Gestalten auf den Maskeraden —
leichtere Tänze-
rinnen auf den Bällen — jüngere Gesichter in den Logen erschienen wären,
die
alle Lorgnetten von der ihrigen abzogen. In dieser Verlassenheit,
die mit den Jah-
ren zunahm — bekam sie Zeit, an die Erziehung ihres Sohns zu denken , der schon ziemlich durch ihr Beispiel gebildet, benzehn J a h r e a l t ,
sie-
und reich und schön
genug war, das Werkzeug ihrer doppelten
Rache an unserm und ihrem eigenen Gcschlechte zu werden. Als er an einem Redoutenabend sie um Rath fragte, was er thun solle, um sich auszuzeichnen, stand sie als Zauberin masquirt vor ihm — hob ihren Stab und entlief's ihn mit folgendem Orakelspruch: Blicke um dich und sieh, w i e jene summenden Bienen die Knospen der Rose belagern, u m , sobald sie sich ^aufthun, den ersten Honig aus ihrem Kelche zu saugen — und du könntest die Flügel hängen und anderin Gewürme ruhig den Vorgenufs einräumen ? Ich hasse mein Geschlecht und ergrimme über das deinige. Schaffe mir Genugthuung von beiden und Seelenruhe durch deine Triumphe! ,,An diesem Abend, erzählt man , gelang ihm seine erste Verführung in einer Schäf e r - M a s k e bei einer Schneiders - Tochter, als Diana gekleidet, und beider Unschuld ging verloren. Durch mütterliche Erfahrung wehrhaft gemacht, w i e gefährlich
16
w a r d nicht dieser verwahrloste Jüngling jeder unbewachten
weiblichen T u g e n d ?
W i e manche herrliche Frühlingsblume h a t nicht dieser gehorsame S o h n , auf Kosten seiner eigenen Jugendblüte zerstört ?
In
seinem vier u n d zwanzigsten J a h r e verfiel sein , durch Wollust entkräfteter Körper in ein schleichendes F i e b e r , die Verstandesschwiiche
dem sich
anschlofs,
die
alle seine Ansprüche auf ein frohes Leben vereitelt
und ihn
cudlich unter
Aufsicht gebracht hat.
ineine
Die W e l t bestrafte
das mütterliche Ungeheuer mit Ekel und Verachtung, und der oberste Richter, nach einer mehrjährigen Folter unbefriedigter L e i d e n s c h a f t , durch W a h n s i n n , auch hier nicht einmal dem
der sie
Mitleiden,
sondern dem Spotte der Neugierigen Preis giebt.
Sobald sie einen von unserm Ge-
schlechte zu Gesichte b e k o m m t , wird sie gesprächig, und entwickelt den Gang ihres häfslichen Lebens mit einer unbeschreiblichen N a i v e t ä t ,
die
jedoch f ü r einen
i7 Psychologen nicht ohne W e r t h ist. An der Spitze einer Schaar sinnloser Weiber scheint sie ruhiger zu seyn, als sie es in der vorigen verschuldeten Einsamkeit ihrer prächtigen Wohnung w a r , und vertreibt sich die Zeit durch idealische Buhlerei mit dein Himmel. Als man sie über diesen Hof in ihren K'afich f ü h r t e , kehrte auf einen schrecklichen Augenblick diu Besinnungskraft des Sohnes zurück. Er erkannte die mütterliche Furie — griff rasend in sein Gitter — verfolgte sie mit brüllenden Flüchen, und stürzte dann ohnmächtig auf sein Lager. Sie aber, nur mit ihrem schamlosen Aufputze beschäft'St' g i n g gefühllos vorbei, ohne, w i e es schien, das Schlachtopfer ihrer widernatürlichen. Laster bemerkt zu haben." „Die Geschichte ist gräfslich, lieber Filb e r t , " s a g t e i c h , „sie zerreilst das Herz und bestätigt die Bemerkung, die ich schon in mehrern Irrhäusern zu machen Gelegenheit gehabt habe, dafs unter allen Th. W .
VI. Th.
-i
10
schauderhaften Geburten
des Wahnsinns
keine unserer Seele so w i d r i g und abstofsend erscheint,
als die aus zügellosen
unkeuschen Begierden e n t s p r a n g . " Mein Auge kam von dem Hinblick,
den
es in die grausende Richtstätte des todtbleichen , hohläugigen , zum Selbstmörder herabgesunkenen unseligen Jünglings that, m i t solchem Entsetzen z u r ü c k , dafs mich Filbert geschwind mit den W o r t e n : „Kommen Sie,
mein
Herr ! "
bei der
Hand
nahm. „Als einen M a n n ,
der die Welt
kennt,
wird Sie die folgende Gallerie wieder aufmuntern.
Sie e n t h ä l t ,
was man halbe
Narren n e n n t , n u r um etwas anmafslicher — lächerlicher und gesprächiger, als uns deren nur zu o f t im gewöhnlichen Leben aufstoi'sen! Sie spielen die Angenehmen, dociren gern —
fragen zur Unzeit —
sind zudringlich und mit unter von der lustigsten Laune. —
Einige haben sich
aus rasender Prosa in die matteste Poesie
»9 geworfen.
Diese Krankheit —
ein son-
derbares, aber gegründetes Phänomen — ist gerade an die Stelle des Kerkerfiebers g e t r e t e n , das ich glücklich genug gewesen bin,
nach der Anleitung meines Oheims
auszurotten.
Ich w ü r d e gern die harmo-
nischen Anfalle dieser armen Prefshaften — w i e den Ubergang eines hitzigen Fiebers in ein kaltes — f ü r ein Zeichen der Besserung h a l t e n ,
wenn der unbegreifli-
che S t o l z , der sie dabei j u c k t , mich nicht wieder über
ihren Zustand irre machte.
Einer der ausgezeichnetsten in dieser Rücksieht sitzt gleich
in der nächsten Zelle.
Ich habe ihn erst kürzlich aus der ersten Klasse in diese — aus der wirklichen in die stille W u t h g e b r a c h t ,
indem ich sei-
nem Hochmuthe ein wenig nachgab.
Der
Wunsch des J u l i u s C ä s a r , lieber an einem kleinen Orte der e r s t e ,
als der z w e i t e in
R o m zu s e y n , w a r ihm in gesunden T a gen ü b e r a l l , w o er h i n k a m , sitäten und
auf D ö r f e r n ,
a u f Uniververunglückt,
20 hatte sich aber in seinem Kopfe so arithmetisch festgesetzt, dafs er auch hier im Tollhause nicht
davon abgehen
wollte.
Eine solche Würdigung seiner selbst verlangte nun freilich einen untergeordneten Zähler, und ich konnte lange für diese Stelle kein taugliches Individuum auftreiben , bis mir ein Kandidat in die Hände gerieth, dem die Epidemie der SchulverbesserungÖ
in das Gehirn C5 getreten
war.
Diesen gesellte ich jenem b e i , so wie die Thierwärter ein Hündchen in den Käfich des Löwen stecken, um ihm durch
das
Gefühl der Grol'smutli für ein schwaches Geschöpf alle Kampflust
gegen
stärkere
aus dem Sinne zu schlagen." Wir
traten
ein.
Schwerlich würde ich
mich in die närrische Gruppe,
die sich
mir darstellte, ohne die voraus erhaltene Erläuterung gefunden haben.
Aufgeblasen
safs der Erste iin Rang, sechs Stufen hoch unter einem Thronhimmel mit Goldpapier überkleistert,
hielt
in
seiner
Hechten
21 einen hölzernen Zepter und lächelte mit verächtlichem Mitleid auf die Null herab, der er doch das süfse Bewufstseyn seiner zehnfachen Vergröfserung hatte. halb
zu verdanken
In gehöriger Entfernung seines
glänzenden
Sitzes
unter-
verfolgte
der tolle, und wie ein hessischer Züchtling aufgestutzte Tädagog, rendem Zivkelschlag seine
in
fortwäh-
überspannten
Ideen und haschte nach W ö r t e r n , die er so lange über einen philosophisch-grammatikalischen Leisten zerrte, bis er einen Schuh fertig brachte, der aber auch freilich darnach war. I c h liege — IMI liegest — wir liegen G l e i c h eingehüllet und w a r m . Der eine geschminktem V e r g n ü g e n , E i n andrer der S c h w e m u i l h i m A r m . I c h ziihle — du zählest — wir zählen Die H o h e m als T h o r e n , und sind I m F o r s c h e n , i m W ü n s c h e n und Wahlen Gleich unheratlicn und Mit id.
I c h harre — du harrest — w i r D e s Possenspieles
harren
Vergang.
D o c h dauert lustigen Narren D i e Hora selten zu lang.
D u w ü r d e s t mir gewifs das L a c h e n vergeben h a b e n ,
lieber E d u a r d ,
das
mich
beim Anblicke dieses albernen Wortkrämers befiel.
Von Ihro Magnificenz zog
es mir aber einen tüchtigen Verweis zu. — 0 , rief er und winkte mit seinem Zepter darein: O , Ihr K r i t o n s ! * ) L a f s t den kranken Füllentreiber
unverlacht,
D e r z u m K r e i s l a u f der G e d a n k e n A u s der W i l d b a l m
ohne Schranken
E i n e Keilbahn macht ! * ) K r i t o n erwarb sich den bittersten Undank v o n seinem B r u d e r T h r a s y l l u s , Wahnsinn,
dafs
da er ihn v o n dem siifsen
alle Schiffe im Hafen sein waren,
h e i l t e , u n d z u der traurigen Gewifsheit zurückbrachte ,
dafs es nicht w a h r sei.
manchmal e i n ,
wenn
Antikritiken lese.
M i r faÜL das Beispiel
ich auf liccensionen
gewisse
23 Gönnt dem T h o r e n sein Entzücken ! Stört nicht seines Stolzes Ruh ! D r e h t mit abgewandten Blicken E r denn nicht sogar den Rücken Meinem Purpur z u ?
Meinst Du nicht auch, Eduard, ein Kreisel,
dafs 60
der sich eine Viertelstunde
vor unsern Augen herumdreht, wohl uns am Ende selbst wirblich zu machen im Stande s e i ?
Ieh möchte es beinahe aus
der einfältigen Empfindlichkeit schliefsen, mit der
ich
die Zurechtweisung
eines
solchen Hochmuthsnarien , als dieser Zepterträger
war,
aufnahm.
wirklich,
dafs ich in
Ich
einem
vergafs
Tollhause
w a r , schlug ihm ein Schnippchen zu und k a m , indem ich hastiger, als nöthig war, sein Auditorium
verliefs,
darüber
mit
dem Daumen zwischen Thür und Angel; doch,
sobald ich an die freie Luft kam,
verlor sich eine und die andere unangenehme Empfindung.
—
24 „ U n d wer ist d e n n , " wendete ich mich gegen meineil Begleiter, „ d e r ältliche Mann, der hier so
frei herumgeht und so be-
h u t s a m einhertritt,
als ob
er auf Eier
träte und ein Geheiinnifs unter dem Mantel t r ü g e ? "
,,Er i s t , "
berichtete mich
F i l b e r t , „ m e i n Unteraufseher in diesem Hofe und nur um etwas k l ü g e r , er bewacht.
als die
E s gab eine Z e i t , w o dieser
Schlcicher als der sicherste Führer durch das L a b y r i n t h der Metaphysik angestaunt wurde,
und Schüler z o g ,
leicht hier
d i e . i h n viel-
noch einholen.
Es
mochte
w o h l damals nicht ganz richtig mit ihm bestellt seyn.
Seine letzte Arbeit
verrieth ihn vollends.
aber
Nach vielen Ver-
suchen über die Anomalien anderer kam e r ' e n d l i c h auf seine eigenen, er,
glaube
ich,
hätte
mit denen
anfangen
sollen,
und auf den unglücklichen Einfall, Selbstbekenntnisse zu schreiben, wie Rousseau. Von dieser E p o c h e
an zählt sich seine
Verirrung."
ist a u c h , "
„Das
fiel ich
ihm ins W o r t , ,,der geradeste W e g , entweder
ein Heuchler
werden. —
oder ein Karr zu
Könnten Sie mir wohl sa-
gen , ob er sie in Form eines Tagebuchs s c h r i e b ? " ,,Ist mir nicht b e k a n n t , " antwortete Herr Filbert.
,,Die Handschrift
wurde auf königlichen Befehl verbrannt." — „ V e r b r a n n t ? " w i e d e r h o l t e i c h , ,,wie kommt es aber, dafs man einen so gefährlichen Schriftsteller bei dem Zuspruche der vielen
Neugierigen in so leidli-
cher Verwahrung h ä l t , und ihm obschon die Feder nicht — läfst?"
doch die Zunge frei
,,Weil e r , "
gab mir der Ober-
aufseher zur Antwort, „keiner Seele etwas zu leid t h u t , immer am liebsten von sich spricht, wie sein Original, in der freien Luft am ruhigsten als
jener,
ein
Metaphysikus
in
die
ist — Sonne in
eben so gern, blickt,
einem
und
Tollhause
keine Autorität mehr bei seinen Zuhörern hat.
Sein verlorner Wirkungskreis schien
ihn anfangs
sehr zu schmerzen — diefs
26
bewog mich,
ihm als eine kleine
Ent-
schädigung die Polizei dieses Hofs anzuvertrauen. dabei — Gitter zu
Er
benimmt
schleicht — Gitter —
sich
recht
gut
w i e Sie s e h e n ,
von
horcht,
beobachtet
und verfehlt n i e , es mir sogleich z u melden , w e n n einer seiner Untergebenen den K o p f durch
das L u f t l o c h g e z w ä n g t oder
sonst einen U n f u g gestiftet h a t —
doch
Sie werden gleich selbst urtheilen können, wie
es mit
hier" —
ihm
war
steht."
„Ich
bekleide
seine A n t w o r t auf meine
hingeworfene Frage,
„ein Amt,
das ich
lange durch grofse entfernte U m w e g e z u g e w i n n e n gesucht habe, ehe ich auf einem g a n z einfachen
dahin
gelangte."
„Wie
s o ? " suchte ich ihn in seine S c h w ä r m e rei z u v e r l o c k e n , und ich traf es so gut, dafs
er die
Hülfe n a h m , sein
hier um
mir
Selbstbekenntnifs
t u n g einzufiöl'sen, tete :
grassirende
Poesie
vermuthlich desto mehr
zu für
Ach-
das u n g e f ä h r so lau-
Der Wahrheit dunkeln Pfad zn finden, Der unterm Monde sich verlor, Durchglüht' ich mich und hielt den Blinden Die Leuchte meiner Schriften vor. Mit Rauch umgehen und versunken So gut als sie auf Gottes H e e r d , Schätzt' ich mich doch als einen Funken Des Feuers , das die Geister n ä h r t , A l s einen T h e i l , der für das Ganze Nothwendig wie die Sonne s e i , Und wähnte , z u m gemeinen Glänze Misch' icli auch meinen Firnifs bei. Da hört' ich eine Stimm* erwachan Die W e l t braucht dein erhabnes Licht . Braucht, u m ihr Feuer anzufachen , Den Brennstoff deiner Schriften nicht ? Lais dem Erhalter seine S o r g e n ; Genug dem S t e r b l i n g , der i m Schweifs Des Angcsichls den nächsten Morgen Mit Heute zu berechnen weifs.
JÖ Steig; an d i r Kelle der I d e e n Nicht bis z u m E n g e ! — steig
herab,
Der stolze W e g , der d i r zu g e h e n Vergönnt w i r d , ist der W e g ins G r a b . Der W u r m soll kriechen , sich v e r s l e c k e n , Den S t a u b v e r m e h r e n , der i h n schuf — Das U n s i c h t b a r e zu entdecken Ist keines S t e r b l i c h e n Beruf ! W a s dein Gehirn in U m l a u f
bringet,
B e f ö r d e r t keines S t e i n e s L a u f , S c h r e i b oder n i c h t , die S o n n e
schwinget
S i c h doch a m Horizont h e r a u f . Kann w o h l «ein D o k t o r , ein V e r f e c h t e r Der W a h r h e i t seines innern S i n n s M e h r nützen als ciu N a r r c n w ä c h t c r ? Der w o l l t ' ich eben seyn — u n d b i n ' s !
W o h l Schade,
dachte i c h ,
dafs du dein
Stammbuch nicht bei dir hast, denn das w ä r e gerade der M a n n , den du ohne Bedrnken um ein Memoriae
gratia
bitten
¿9 könntest.
Ich w ü r d e auch gern
seiner
Beichte — ob ich gleich hier u n d da den S i n n erst h i n e i n l e g e n m u f s t e , noch
eine
mein
W e i l e geliehen h a b e n ,
n i c h t das seine d u r c h
ein
Ohr wäre
G e r ä u s c h am
E n d e des Hofs s t u t z i g g e w o r d e n — d e n n n u n w a r er n i c h t a u f z u h a l t e n . Sie ihn n u r g e h e n s a g t e
„Lassen
Herr Filbert,
„ S i e sollen n i c h t s d a b e i einbiifsen.
Tre-
ten Sie n u r an das G i t t e r N u m m e r f ü n f , w e n n Sie einen K a r r e n v o n Magister hören w o l l e n ,
den das N a c h g r ü b e l n
über
die s c h w i e r i g e , a b e r n i c h t ganz v e r w e r f liche
Physiognomik
Seine U r t h e i l e sind
irre
gemacht
hat.
o f t sehr t r e f f e n d —
Sehen Sie n u r w i e seine W ä n d e m i t Schatt e n r i s s e n ü b e r k l e b t sind. kann
ich I h n e n
voraus
In einer S t u n d e sagen,
ist I h r e
S i l h o u e t t e a u c h d a r u n t e r , und" g e w i l s so g l e i c h , als w e n n Sie i h m ten. " — ich,
„ D a ist es
„wirklich
gesessen h ä t -
docherwiederte
ewig Schade,
dafs sein
T a l e n t l i i e r , so ganz u n n ü t z f ü r die W e l t ,
3o vergraben ist. sen ? " —
Spricht er auch in Ver-
,, Das können Sie denken
sagte mein Führer Thür. leid,
und klopfte an die
Der arme Narr! Es that mir wohl dafs er meinetwegen
von seinem
Arbeitstische aufstehen mufste.
Er schien
es mit Verdrufs zu t h u n , und das kann wohl nicht anders als dem zum Tiachtheil gereichen, nimmt. fafste,
den er unter
seine Scheere
Sobald er mich in das Licht studierte er meine Gesichtszüge
mit so tief forschenden Elicken, dafs es mir eiskalt über die Haut lief.
Es währte
lange — und das ist begreiflich — ehe er sein Urtheil abgab.
Ich reichte ihm
inzwischen eine Prise Tabak,
um mich
bei ihin in Gunst zu setzen.
Er nahm
sie auch mit sichtlichem
Vergnügen —
nies'te und erklärte sich: W o h l dem , der so wie D u bedächtig Nur die gerade Strasse g e h t , Stets seiner schwachen Sinne mächtig
S i c h nie aus seinem Gleise
dreht!
Defs ü b e n v i c h t i g e s G e h i r n e Nie in den S t ü r m e n l i n t e l s a n k . W o h l seiner f l a c h e n S t i r n e , D e n n i h r gebührt der Dank. T r i t t a u c h in D e i n e m T r a u e r s p i e l e K e i n Konig L e a r aufs B i e t — w o h l Dir ! D e m Rasenden z u n ä c h s t , a m Z i e l e Der N a r r h e i t , stand sejn S h a k e s p e a r . K l u g m e i d e t d r u m der Dichter Haufen D i e , seit i h m , unbetretne B a h n . W i e b a l d ist nicht i m L a u f e n E i n S c h r i t t zu viel gelh«m! E i n S c h l u c k zu viel heim Nektar - Schmaus^ A p o l l e n s — eine llosc m e h r Der Rosen in d e m vollen Straufse D e r L i e b e , s c h l e u d e r t Dich hiehcr ; D i e T l i o r h e i t lockt m i t
AinoreUcn
Die B e r n a r d s in i h r V o r g e m a c h , U n d zieht m i t Ordcnskctlen Den L ö w e n - Ritter *) *)
Don-Quif.iir
nach.
32
Während der gute Magister sich so bescheiden über meine Physiognomie l^erausliel's, beschäftigte ich mich indefs mit der, die er mir darlegte, und fand in seiner gewölbten Stirn, gebogenen Nase, und spitzen Kinnlade
eine Ähnlichkeit
von einem — aber Gott weifs — welchem meiner Bekannten.
Ich liefs mir
von Bastian eine ganze Deute Rappee geben, die ich ihm verehrte, und w i r schieden als gute Freunde aus einander.
Fil-
bert sah nach der Uhr. „ N o c h haben wir Zeit,
einen Blick in
den Hof zu thun, der das weibliche Geschlecht einschliefst.
Gleich am Eingange
wird Sie die sapphische Furie fest halten, von der ich Ihnen erzählt h a b e . "
,,So
wollen wir l i e b e r , " versetzte ich,
„da-
von bleiben!
denn es ist mir schon so
übernächtig ums Herz, als wenn ich ein Dutzend Musenalmanachs gelesen hätte." — „ N i c h t doch, mein H e r r , " redete mir der Aufseher zu. —
Schon des Kontrast*
wegen mit der vortrefflichen D a m e , Sie. bald sehen w e r d e n , zuvor
diesem
die
rathe ich Ihnen
Gegenstücke einen kurzen
Besuch zu inachen." Kaum hatte er die Thür des Hofs geöffnet, so b ä u m t e sich mir auch schon in dem nächsten liehälter ein so widriges Megär e n - G e s i c h t entgegen, als mich seit langer Zeit keins erschreckt h a t — für die Anatomie
der Seele aber ein noch un-
gleich schrecklicheres K a d a v e r ; die Grundzüge sucht,
des N e i d e s ,
der Heuchelei
denn alle der Gefall-
und der Wollust,
die das schlimmste Weib —
so lange es
bei sich ist — in e t w a s doch zu verbergen w e i l s ,
traten hier durch den Hohl-
spiegel der Tollheit so vergröfsert hervor, dafs es keine
andere E m p f i n d u n g ,
Schauder erregen konnte. von ihrer Toilette
als
Sie schien eben
zu kommen und sich
nicht w e n i g auf ihren K o p f p u t z und den vortheilhaften Faltenschlug ihres Halstuches einzubilden. Th. w .
v i . Th.
A u f der einen Seite lag
34 ein Gebetbuch mit vergoldetem Schnitte von Madain Guyon *), wie mir Fulbert sagte, neben einer Muschel mit Schminke — auf der andern eine W u l s t von schwarzem Sammet, die ihrem hoch aufgestreiften Arme zur Unterlage diente. gezwungenen
In dieser
Stellung lächelte sie mich
zuerst grinzenhaft a n , ehe sie eine andere versuchte,
die vor fünfzig Jahren nicht
ohne W i r k u n g gewesen seyn mag.
,^Vo-
m i t , " fragte ich b o s h a f t , „vertreiben Sie Sich hier die Z e i t ? " „ M i t der Vergangenheit,"
fafste sie sich
Worten, kunft ; "
in
drei
„ d e r Gegenwart
stolzen
und der Zu-
spielte bei dem ersten mit dem
* ) Dais .-o ein Gebetbuch meinen Gedanken einen grofsen Spielraum e i n r ä u m t , aus
beweisen :
dans Je
une c/tatnbre denia.ude
voyais.
mag folgende Stelle dar-
Transportée
pour
qui
En. viiilu. un
vous,
mou épouse.
rvec
vous.
sur
où je fus reçue e.toient.
pour Je
mit
vous ai
une
mont apie
par
Jesus
les deux mère choiiie
Irls que
i r l'autre pour
et
Christ. j'y pour être
ici
Schnürband — warf sich bei dein zweiten in die Brust und blickte bei dem dritten mit gräfslich andächtigen Augen gen Himmel. — ausführte.
N u n h ö r e , w i e sie diesen Text „ M i r , " fing sie mit dem Aus-
drucke süfser Erinnerung a n , gern ein
w e n i g verschämt
und hätte
dazu ausge-
sehen : „Mir
hatte die N a t u r , als K i n d s c h o n ,
manches
Wunder, Das Mannerherzen r ü h r t , in Uinrifs angelegt; G e f ü l l t e r selbst u n d i a n d e r . A l s sie sonst p f l e g t . Still war ich fortgcdieli'n zu i m m e r hüheru Reizen, An W u c h s der Hebe gleich — Dianen an G e s t a l t , D e r S o m m e r k a u m erst dreizehn Bis vierzehn alt. Da setzte m i r die Zeit des Pfaudspiels u n d der Küsse Aus O h r ein PJiuberheer , das i m m e r lauter rief ; W e l c h M ä d c h e n ! G o t t , wie siifse U nd wie naiv !
Da heftete sich m i r das Brillenglas der Greise , Des Jünglings G e i e r - B l i c k , m i t der BeLhcurung a n : 1 Ich übertraf' an Weifse Cytherens
Schwan!
Doch diese S c h w a n e n b r u s t verbarg den T r i e b der Tauben, Ein Herz voll freundlicher u n d girrender N a t u r , U n d nebenbei den G l a u b e n A n Männer S c h w u r .
So
schnell
tönt
Zephyr
nicht
in
eine
Xols-
Harfe , Als jedes falsche W o r t m i r d u r c h die A d e r n
lief,
Das m i c h /.u d e m Bedarfs D e r Liebe rief.
D e n Morgen weckten m i c h P'Uraichs.
—
Mein
die zärtlichen
Tagewerk
sclilols
A bendlied . Und W a c h ' »ui m e i n e m Bellt Hirlr
iu O u d .
Sonnett« Sappho's
5? „ D e m Röschen folgt n u r S p o t t ,
das zu d e m Fest
der W e i h e „ B e r u f e n , " sang ihr M u n d ,
„von keinem W u n s c h
erreicht, „ V e r a c h t e t , in die Reihe „ D e r Dornen schleicht/
A c l i ! dieser I l e h e l w a r ' s , d u r c h den eni Sohn der Musen A u s i h r e m Gleichgewicht einst meine T u g e n d hob, U n d mir den Streif a m Busen Zuerst verschob ;
U n d ist das Lenkseil j e t z t , das meinen Prachlruinei» Mit Ü b e r m u t h vorbei die Neuvcrlockien f ü h r t . Die n u n den L o h n verdienen . Der mir gebührt:
M i r , die ich eingeweiht in alle Heimlichkeiten Der reizenden Natur l a n g s t , Oberpriesterin F ü r alle Tageszeiten Der L i e b e , bin.
38 W o h i n Verflog der E i d , ilen manches Ungeheuer An m e i n e m Busen s c h w o r , w e n n in Vestalen-T|-acht I c h sein gesunknes Feuer Neu a n f g e f a c h t ! W e n n ich i h m Leda w a r , liald Phübe , bald Latone, E r •— h i e r als D o n n e r e r m i r in die F e d e r n drang, D o r t aus der Göttin K r o n e E i n Blatt errang. W o r t b r ü c h i g e s Geschlecht! Mit j e d e m Stufen jähre F i e l ein G e s c h w o m e r ab und traL ein F r e u n d z u r ü c k , Und meinem
blonden Haare
W i r d jetzt kein Blick ! W i e w i l l ich D i r , der m i c h
in meinen J u g e n d -
trümmern Unkundigen
des W e g s z u m M e r k p f a h l aufgestellt,
Die Spötterei v e r k ü m m e r n I n jener W e l t ! Vergebens strecke sich von meiner Brust geschieden Nach i h r e m hüliern Reiz die stolze M ä n n e r h a n d , Die f ü h l l o s sich hienieden Von mir
gewandt!
39 Ja , heuchelte s o g a r , vergafft in meine Strahlen , Ein Männerseraph m i r dort seine Liebcspein — "Wie sollten seine Qualen Mein Labsal seyn ! Gleich Motten sollt' er sich u m die verklärten Hügel I n immer nuherm
Kreis
bis an
den
Brennpunkt
drehn j D a n n m i t versengtem F l ü g e l "Vor m i r v e r g e h n ! Kur
Ihn,
zu d e m
ich bald
verherrlicht w i e d e r -
kehre , Der m i c h , eh' ich noch w a r , z u m seligsten Beruf U n d z u m Geflifs der E h r e Mein H e r z e r s c h u f ,
D e n Schöpfer soll allein —
dafs ich n u r
Einesu
schaue, Der ewig T r e u e h a l l — m e i n W o l k e n b e l t e m p f a h l Milchweifs u n d h i m m e l b l a u e Krepinen
dran. —
Ich bin des H e r r e n Magd und m i r — — — "
•j „ U m aller Heiligen w i l l e n , lieber F i l b e r t , " f a h r ich jetzt z u s a m m e n , dafs ich aus
„ m a c h e n jSie,
der A t m o s p h ä r e
dieses ab-
scheulich verrücktcn W e i b e s komme.
Ich
h a b e d o c h i n meinem L e b e n m a n c h e verschmitzte mancher
Koquette durch
e n t l a r v t gesehen
Buhlerei
—
verunstalteten
Seele a u f g e l a u e r t , u m h i n t e r i h r e Schliche z u k o m m e n : aber sie s c h r ä n k t e n d o c h immer — a u c h i h r e u n e r k l ä v b a r s t e n Ansprüche — blols auf das Zeitliche ein.
Diese
N ä r r i n hingegen lebt sogar der H o f f n u n g , dereinst mit G o t t dem Vater eine I n t r i g u e a n z u s p i n n e n . So e t w a s ist mir n o c h n i c h t vorgekommen!"
Ich d r ä n g t e meinen F ü h -
rer vor mir h e r — rief Bastianen u n d den M a l e r , d e r , an das G i t t e r seines versöhnten Feindes gelehnt,
m i t i h m in ein Ge-
s p r ä c h , v e r m u t h l i c h von der ewigen K u n s t , verwickelt w a r ,
u n d n u n begleitete u n s
F i l b e r t , s c h w e i g e n d u n d n a c h d e n k e n d , bis an den k l e i n e n a b g e s o n d e r t e n — jene t r a u rige W o h n u n g u m s c h l i e f s e n d e n Z w i n g e r ,
die sich die reichste Erbin im L a n d e zu ihrem W i t t - v e n s i t z e g e w ä h l t hatte.
Er
empfahl mir den inncrn T h ü r r i c g e l vorzuschieben , um Herr über meinen Ausgang zu s e y n , schwer
im Fall mir das Herz z u
werden
lächelte i c h ,
sollte.
„ Defswegen? "
„ o Sie halten mich
doch
auch f ü r einen gar zu grofsen W e i c h l i n g , lieber M a n n ! "
W i r setzten uns, nach sei-
ner A n w e i s u n g , so geräuschlos als mögl i c h , auf einen Vorsprung der M a u e r der G i t t e r t h ü r e der u n g l ü c k l i c h e n Dame gerade über. Passerino zog in der Zwischeno zeit sein P e r g a m e n t hervor und nahm das Lokal ziemlich richtig auf.
Auf meinen
beifälligen W i n k zischelte er inir ins Ohr — heute w o l l e er m i r zeigen, dafs er seine Kunst verstehe.
Das konnte ich Dir nicht
versprechen, Eduard;
denn ob ich gleich
auch an die Schilderei d a c h t e , heutige
die der
Morgen auf den Abend meinem
Tagebuche a b w e r f e n w ü r d e , so w a r ich doch dabei von allem artistischen Stolze
42
w e i t entfernt.
Ach G o t t ! w o h a t t e ihn
mein beklommenes Herz beherberge^ soll e n , das von dein ersten Glockenschlage der furchtbaren Stunde an , in zunehmender E r s c h ü t t e r u n g , fortklopfte, drückte, Aus einer
bis zu dem
der es vollends
letzten
zusammen-
wie einen blutigen Schwamm. Innern Seitenthüre
des Ker-
kers — an dem Arme der Freundin, der sie, unter so vielen, den Vorzug gegönnt hatte, ihrem Elende zu folgen — schwankte die Tiefgebeugte, wie ein abgeschiedener Geist auf einen Engel g e s t ü t z t , ter zu.
dem Git-
Mit jedem langsamen Schritte,
durch den sie sich mir n ä h e r t e , h o b sich allmählich immer mehr der Schimmer ihrer Schönheit aus dem dunkeln Grunde des Gefängnisses h e r a u s , bis mir — und ich glaubte u n t e r der Last nie gefühlter W e h m u t h zu versinken —
die schlanke
ätherisch - bleiche— wunderschöne Trauergestalt deutlich vor den Augen stand.
In
weifsen Musselin gekleidet, drückte sie
43 mit der einen kraftlosen Hand ein Krucifix von Elfenbein an ihre bebende Brust — noch kraftloser flofs die linke über den schwarzen Leibgürtel herab.
Nach eini-
gen fürchterlich stillen Sekunden senkteil sich ihre g l ü h e n d e n , an den blauen Himmel
gehefteten A u g e n , und
dem Thränenstrome
begegneten
der meinigen.
Sie
starrte mich an — erhob langsam ihre linke H a n d , als ob sie n a c h s ä n n e ,
und
bald nachher ergriff der Tenor ihrer Klagstimme mein todtbanges Herz.
O ! dafs
ich jetzt vermöchte , Dir das Seelengewitter in seiner ganzen schrecklichen W a h r heit zu schildern, unter welchem sich die Leidende stufemyeise bis zum letzten zermalmenden Ausbruche ihres
Wahnsinns
erhob.
geübtesten
Eitler W u n s c h !
die
W o r t f ü h r e r der N a t u r w ü r d e n daran verzweifeln. nachlallen.
So h ö r e wenigstens mich ihr A c h ! über welches abgelau-
fene Zeitalter schwebte ihr Geist — auf welcher Staffel der Vergangenheit mufste
44 sie mich stehen scheu,
als ihre
ausge-
streckte Hand mir das Bild des sterbenden Heilandes m i t der herzzerreißenden Frage vorhielt: S a h s t d u des J o r d a n s U f e r , Bethranter P i l g e r ?
Sprich —
U n d hortest du den R u f e r A m K r e u z — E s diirstet m i c h ! U n d "willst der b i l t e r n Z ä h r e n , D i e dein G e f ü h l v e r g i e i s t , Kur Eine m i r g e w a h r e n , O d a n n sei m i r g e g r i i f s t ! Dr>ch "wähnsl d u m i c h zu trösten S o w e n d e dein Gericht
y
Denn s i e h , das B i l d der gröfsten G e d u l d v e r m a g es n i c h t ! U m mich Zerknirschte sammeln S i c h v i e l B e d r ä n g t e her * Doch a l l e r Z u n g e n
stammeln
A c h — diese leidet m e h r *
I h r raubte das Enlselzen Sogar des Säuglings U n d keine T h r a n e n
Glück:
netzen
D e n Brand in ihrem .Blick. Nur ihre Lippen
beben
D e i n nach , den sie verlor ! U n d ihre Hände
heben
Slcli nur nach i h m
empor!
N e i n , E d u a r d ! B e w e g l i c h e r als ihre Stimme kannst
Du
Dir
keinen
Ton
in
der
N a t u r v o r s t e l l e n , und d o c h war mir die Pause
noch
rührender,
schöne S i n n l o s e ,
in w e i c h e r
die
einige peinliche Minu-
t e n , verloren d a s t a n d , ehe s i e , die Augen gen Himmel g e w e n d e t ,
ihre i n n e r n
Em-
p f i n d u n g e n , z ä r t l i c h wie die L i e b e selbst, hervorgirrte: Als E r sieh m i r , von allen ihn Wünschenden,
ergab,
Mit w c l c h e m W o h l g e f a l l e n S.th Gull a u f uns herab?
46 A l s 111 d e m Abendschauer D e r feiernden N a t u r S e i n grofses Herz die D a u e r V o n meinem G l ü c k b e s c h w u r :
Mein A u g e m m vQn süfsen Gefühlen
überging-,
U n d ich m i t Erstlingsküssen A n seinen "Wangen
hing;
A l s von der trauten L a u b e , D i e seine L i e b e z o g , E r nun die erste T r a u b e N a c h meineu L i p p e n bog ;
U n d ich in seinen Blichen Mein B i l d gezeichnet iVaui — Natur!
w.u diefs Entzücken
Nur Blendwerk
AVeli
dir
Flötenton über
—
ging
— in
den
deiner H a n d ?
l l u n
gedämpfter
feierlichsten
Ernst
47 Weh dir,
o T a g der W e i h e ,
Der B l u t s c h u l d Milgenofs , Die g r a u e n h a f t die Reihe Glüclvvollcr S u t i i d e n schlols-'
Und w i e ein in der W i l d n i f s i n e n d e s Kind, das um Hülfe j a m m e r t — f u h r sie f o r t : Du meines K u m m e r s Zeuge
;
Den m e i n e Seele r u f t , Verlorner!
ach enlsleige
D e m D u n k e l deiner G r u f t !
Und w i e , w e n n jenes h i n h o r c h t und seine vergeblichen
lütten
in Bergklüften
ver-
schallen h ö r t — schlug auch sie hoffnungslos ihre a u f g e h o b e n e n Hände zusammen — suchte Trost in der Qual der Erinner u n g — sah nur und hörte ihren F r e u n d und liefs die edeln Handlungen seines Lebens,
w i e in einem S p i e g e l ,
den sie dem
ungerechten Schicksale v o r h i e l t , gehen:
vorüber
48 W e n n i m G e d d i n g der S o r g e n Er k e i n e r
unterlag,
U n d , F r e u n d i n , r i e f , nach M o r g e n G l ä n z t uns ein E r n t e t a g ! W o W e r t h u n d L o h n des Fleifses D e m in der S c h a l e l i e g t , Der jeden T r o p f e n S c h w e i fses G l e i c h einer K r o n e w i e g t . W e n n der bescheidne T r ö s t e r Gefallnen Schutz verlieh. U n d sprach : Bin ich erlöster U u d würdiger als s i e ?
Und Er dem Tag
entwunden,
Nach mancher f r o m m e n Thal , Z u m L o h n der A b e n d s t u n d e n S i c h m e i n e n K u i s erbat
-
E r f o r s c h e r u u s r e r Herzen , Furchlbarei ! Wogest
du
S c h o n da d e r Z u k u n f t S c h m e r z e n M i r s c h w c r Getauschten zu t
49 Der Athem stockte mir bei ihrem fragenden Starrblick, der aber bald sanfter gebrochen sich nach der blassen Lichtscheibe richtete, die hinter einem Wölkchen hervortrat.
„ M o n d , " rief sie in melan-
cholischer Schwärmerei —
„ M o n d , der du noch .••o traulich In seiner letzten Nacht Die Schönheit m i r
beschaulich
Des Schlummernden g e m a c h t !
Als mein Gebet i m Schweben A u f deinem Hoffnungsstrahl Dem Ewigen sein Leben U n d meine Ruh' empfahl.
Vertrauter stiller Schatten ! W o weilt dein Todteulicht, Verbirg das Grab des Gatten Der Sattgelcbten nicht! Th. W .
VI. Th.
äo Dort wandele des Schlummers Willkominner
Genius,
Die Folter meines K u m m e r s In Freiheit und Genufs ! War dann dem R u f der T a u b e , Die ihrem Liebling- g i r r t , Vielleicht auf unserm Staube Der Mörder nachgeirrt — Dann fasse das Gewissen U n d peinige die Iland , Die Herzen durchgerissen , Die Gott zusammen b a n d . "
Diese Losungsworte
flogen der Minute
voraus, die den letzten Vorhang des erschütternden Trauerspiels aufzog.
Hatte
ich vorher diese S c h r e c k e n s s c e n e als den einzigen Ausweg zur Beruhigung der Hochgemarterten, selbst bei der Gewifsheit,
dafs er über einen tobenden Ab-
grund führe, seufzend herbeigewünscht; so wäre ich i h r
jetzt noch lieber ent-
öl floh«,
aber
sie fafste mein sträubendes
Haar mit unwiderstehlicher Gewalt und lähmte meine Glieder. teten
Meine Augen hef-
sich nur desto stärker an die Er-
scheinung dieses peinlichen W u n d e r s , je mehr es, als die bis jetzt noch schwankende Flamme des Wahnsinns n u n in voller Glut der Verzweiflung über das fürchterlich schöne Weib zusammenschlug, mein armes Herz zu zerreiben drohte.
Jeder
Pulsschlag setzte ihre W a n g e n in eine immer höhere Rothe — die Brust hob sich bis zum Zerspringen — ihr langes blondes Haar
entschlüpfte
seinen
und flatterte strahlend,
Schleifen
wie ein Komet,
durch die Nacht des Kerkers. die rührenden Bitten ihrer
Ohne auf
heldenmüthi-
gen Freundin — ohne auf das kleine anpochende Herz zu a c h t e n , das unter dem ihrigen schlug, t o b t e sie u n d streckte ihre entblöfsten , durch W u t h gestärkten Arme gegen den Himinel.
Die Allmacht
des
Jammers hatte mich unwissend zu Boden
52 geworfeil —
kniend flehte ich zu G o t t
um Linderung —
0
du,
der alles ver-
mag , schaffe L i n d e r u n g diesem terten Herzen!
Ach
zersplit-
w o w a r sie hinge-
k o m m e n , die edle D u l d e r i n ? Ich sah an ihrer Stelle nur
einen Engel der Rache,
der über ein Leichenfeld h i n s c h w e b t , und auf den
Blutspuren
der erwürgten Un-
schuld seine Beute verfolgt.
Drohungen
der E w i g k e i t blitzten aus ihren zürnenden Augen — flössen über ihre schäumenden Lippen.
Mit Entsetzen sammelt
meine
Feder einige der gifthauchenden Worte, die ihrem zerrütteten Gehirn e n t q u o l l e n : —
aber den erschütternden
Wohlklang
derselben, welche Harmonie der Sprache, welches tönende E r z vermag ihn zu erreichen !
Kannst du auch luiche segnen? S o niimii, G o t t , meinen Sclimcri U n d grab ihn dem verwegnen Mordschnldisen ins Herz.
Das B l u t ,
das er vergossen,
D r o h ' i h m i m Morgenroth ! U n d n u r m i t Blut d u r c h f l ö s s e n Wink* i h m sein A b e n d b r o t ! Die S ü ß i g k e i t der
Ehe,
Die Liebe müss' ihn fliehn , Seibat seinen Kufs -verschmähe Die feilste B u h l e n n I Es fasse jede K a m m e r , W o seine S c h w e r m u l h Den ganzen
weint,
Menschenjammer,
D e n dieses Haus vereint l
Des Übellhäters
Werke
L o h n ' A n g s t g e f ü h l u n d Spott .' I n seinem T o d e stärke I h n kein Gedank* an G ö l l ,
D u r c h Blutgefilde treibe H i n ü b e r ihn m e i n F l u c h , U n d Satans F i n g e r schreibe I h n in sein Hüllpiibuch !
Dort möge des Verbrechers Gewinn gegraben stelin, U n d ewig nicht des Rächers Erbarmung sicli e r f l e h n !
Kaum waren diese schrecklichen Verwünschungen über ihre Z u n g e , so schien es, als ob sich ihre eigene Seele davor entsetze.
Sie zitterte, schwankte und sank
ohnmächtig in die Arme ihrer Busenfreundin , die selbst von Thränep erschöpft, mit
zärtlicher Behutsamkeit
Nebenzimmer trug.
sie in das
Jetzt drang weiter
kein L a u t aus der Kerkerwohnung
der
edeln Kranken; und mir w a r , als hätte mich ein Orkan auf einen einsamen Felsen geworfen.
Meine zerbeizten Augen
starrten vor sich hin und die Stille r die nach einem solchen Aufruhr mein Gehör überfiel, erleichterte mein blutendes Herz nur,
um es desto heftigem Nach wehen
Preis zu geben. sich nicht eher,
Diese Betäubung verlor als
bis meine beiden
Begleiter sich in so weit von ihrer eige-
55 neu erholt h a t t e n , dafs sie mir ihre zitternden Hände bieten konnten — und so schwankte ich endlich aus dieser Behausung des Schreckens mit zu G o t t erhobener sprachloser Empfindung. W i e sauer ward mir dieser Gang!
Setze
den F a l l , E d u a r d , dafs Dein bewundernder Blick von Rubens jüngstem Gerichte auf einmal zu dem Jahrmarkte eines Teniers herabsänke — Du würdest Dir doch n u r einigermaisen den widrigen Eindruck vorstellen k ö n n e n , den jener Haufe gemeiner Narren
auf mich m a c h t e ,
an deren
Behältern vorbei ich jetzt meinen Rückweg
nehmen
mufste.
Ich hatte
keine
Augen, kein Mitleiden f ü r sie m e h r ,
so
voll war mir das Herz von den Seelenleiden
des
herrlichen Weibes
u n d der
schrecklichen W a h r h e i t der W o r t e : U m m i c h Zerknirschte s a m m e l n Sich viel Bedrängte her : Doch A l l e r Z u n g e n s t a m m e l n „ A c h , diese leidet m e h r ! "
56 Ich t r a f , als ich in Filberts Zimmer trat, den Arzt a n , dem St. Sauveur die Besorgung seiner unglücklichen Freundin auf die Seele gebunden, und der seit einer Viertelstunde auf meine Zurückkunft und die Nachrichten gewartet h a t t e , die ich ihm von dem Zustande der Kranken mitbringen würde. Meine Bemerkungen konnten nichts neues für ihn enthalten. Ich brach sie kurz ab und bat dafür i h n mit nassen Augen, mir, der ich auf dem Punkt stände, Marseille zu verlassen, den Balsam mit über die Gränze zu geben, dessen mein verwundetes Herz so sehr bedürfe — die Gewifsheit der Wiederherstellung dieses weiblichen Engels. „Sie verlangen zu viel von der mifslichen Kunst, der ich diene, wenn ich I h n e n , " antwortete er, „mehr als die grofse Wahrscheinlichkeit ihrer Genesung zusichern soll, da sie auf Bedingungen b e r u h t , über die Gott allein Macht hat — dafs nämlich die periodische Heftigkeit ihres Wahnsinns nicht tödtlich
57 für das Unterpfand ihrer ehelichen Zärtlichkeit seyn werde,
und die
Geburts-
stunde mit jener Geistes - Erschütterung nicht zusammen treffe.
In dieser Voraus-
setzung dürfen wir den glücklichsten Erfolg — von dem Erstaunen erwarten, mit welchem ihre erste E n t b i n d u n g — die Erscheinungo der Frucht ihrer Liebe und das neue süfse Gefühl ihr mütterliches Herz erfüllen wird.
Die Vereinigung aller die-
ser Umstände, durch die 6ich die Natur im Fortgänge erhält, Mafse
schmerzstillend
Menschen,
auf den
äui'sern
als sie den innern zu hohen,
moralischen, weckt.
wirkt in gleichem
edeln Entschliefsungen
er-
J a , mein werther Herr, auf die
Gott gebe! glückliche Stunde ihrer Niederkunft, die vielleicht zu Anfange künftiger Woche eintritt, setze ich mein gröfstes Vertrauen —
und bin beinahe über-
zeugt, dafs die heilsame Gegenerschütterung in dem Augenblicke, wo die Verlassene Mutter wird, ihren zerrütteten Ver-
58 stand wieder ins Gleichgewicht
bringt.
Die kleinen Hände des neugebornen Kindes werden die beiden Enden des zerrissenen Bandes ihrer knüpfen.
Liebe
wieder
zusammen-
Mit himmlischer Neugier w i r d
sie in seinem Gesichtchen die edeln holden Züge des Vaters aufsucheil — entdekk e n , und die Freude des Wiedersehens in einem hohen Grade geniefsen.
Sie w i r d
sich nicht mehr f ü r verlassen in einer öden Welt a c h t e n , und ihre lange verhaltenen Thränen
werden
an
der
Wiege
ihres
schlummernden Säuglings einen woblthä^ tigen Ausflufs gewinnen. — Die Sorge f ü r den kleinen Hülfsbedürftigen wird ihr die N o t w e n d i g k e i t ihrer eigenen E r h a l t u n g sanft an das Herz legen, und so, denke und prophezeie ich, wird sie der Allmächt i g e , unter dem Vorgefühl besserer Tage, zum Bewufstseyn ihrer selbst — zu ihr e m , jetzt so getrübten glänzenden Eigenthuin und in die Nähe ihres und unser» edeln Freundes z u r ü c k f ü h r e n .
59 „ I n dieser schönen Erwartung besuche ich täglich die holde Kranke.
Während
ihres Schlafs, der nach der galligen Entledigung ihres unnatürlich gereizten , sanften, grol'smüthigen Herzens — zum Glücke für ihre Erholung bis gegen Mittag anhält, kann ich ihr allein mit meiner Hülfe beikommen, die sie wachend ausschlägt, und Verabredung mit ihrer freiwillig Mitgefangenen nehmen, deren Beistand der armen Verirrten wichtiger ist, als der meinige ,
und die
sich gewifs schon
eine
ängstliche Weile nach mir umsieht. Sie
sind
Möge
innigst
der
gerührt,
Eindruck
mein
dieses
—
Herr!
erhabenen
Trauerspiels Sie nicht nur aus unserer grofsen
sittenlosen
iUm Ausgange
Stadt,
sondern
Ihres Lebens
bis
begleiten,
und Sie für die kummervolle Stunde entschädigen , die für so viele Leichtsinnige, die sie schon sahen, verloren war.
Reisen
Sie glücklich, und leben Sie w o h l ! — 4 4 Ein Händedruck — denn der Sprache
6o w a r ich nicht fähig — dankte dem ehrlichen Manne für seinen Trost und seine guten Wünsche. kern
Ich u m a r m t e den w a k -
Filhert,
unaussprechlich
bewegt,
und setzte mich z w a r h ö c h s t t r a u r i g , aber doch mit einein Herzen, das sich f ü h l t e , und m i t sich zufrieden w a r , in die S ä n f t e , die Bastian herbeigeholt h a t t e .
Ich b r a u -
che E r h o l u n g , erklärte ich ihm beiin Aussteigen,
und kann
unter z w e i
Stunden
noch nicht abreisen — r i c h t e dich darnach ! Doch eben da ich iin Betriff w a r , D * mein Zimmer zu verschliefsen , um ungestört meiner S c h w e r m u t h n a c h z u h ä n g e n , t r a t mir der Maler m i t seiner Zeichnung in den W e g — ,,Das, meinen S i e — " f u h r ich ihn nach dem ersten U b e r b l i c k an, „ s t e l l e den leidenden Engel v o r , von dem w i r herkommen? verantworten,
Können Sie es bei Gott
so eine Sudelei f ü r Nach-
b i l d u n g seines herrlichsten Geschöpfes a u s z ut> g e b e n ? " Doch — um den armseligen W i c h t n i c h t g a n z nieder zu drücken,
6t f u h r ich g e m ä f s i g t e r f o r t :
„ A b e r , es.ist
b e g r e i f l i c h — so ü b e r w ä l t i g t von schmerzhaften Empfindungen, alle w a r e n , einem
würde
Leonard
g e l u n g e n seyn. rino,
als Sie u n d
es einem R o t a r i —
da Vinci eben so w e n i g G e h e n S i e , lieber Passe-
einstweilen
zur
habe höchst nöthig,
Wirthstafel. die w e n i g e n
den vor m e i n e r Abreise allein z u W i e k a n n ich mich d o c h — n u n m i t mir selbst —
Ich Stun-
seyn."
zankte
ü b e r nichts
w i d e r n i c h t s so e r e i f e r n ? wohl
wir
ich und
Ich h ä t t e d o c h
aus dem B e w u f s t s e y n m e i n e r eig-
n e n e r w o r b e n e n F ä h i g k e i t e n auf die K r ä f t e meines L e h r e r s schliefsen k ö n n e n .
War-
u m lieis ich m i c h von i h m zu einer Arbeit war?
begleiten,
der er n i c h t
Bei s o l c h e m Bedarf
gewachsen
eines h e l f e n -
den Genies k o m m t u n s f r e i l i c h die Mittelmäfsigkeit als ein L a s t e r v o r , ist unbillig.
a b e r es
F ü r meine E r i n n e r u n g k a n n
ich ü b r i g e n s jedes Bild von i h r e n t b e h r e n . Weder Worte ^ noch Farben
k ö n n t e n Ja, wenn das so zusammenhängt, mein guter Passerino , " wobei ich mich hinter den Ohren kratzte, ,,so weifs ich k a u m , w i e der Sache zu helfen s t e h t . " — „Welcher Sache?" fragte er neugierig. „Nun — ich kann Ihnen wohl wieder sagen, was ich von einem meiner Korrespondenten als gewifs gehört habe — Ihre liebe Tante ist seit J a h r und Tag sehr verträglich geworden. Sie verinuthet, dafs es Ihnen hier eben nicht nach Wunsch geht." — „Das hat sie errathen, " seufzte er, „ d e n n Ihnen kann ich es wohl gestehen, dafs ich manchmal nicht w e i f s , wovon ich den andern Tag leben soll. — Und Sie werden wohl selbst bemerkt haben , dafs ich noch immer das Kleid t r a g e , in welchem ich Ihnen Stunden g a b , und dafs es nun nicht länger mehr halten w i l l . . . " „Und
71 diese will I h n e n , " fuhr ich f o r t ,
(ohne
ihn merken zu lassen, wie nahe mir sein Elend g i n g ) — ..ihr schönes Freigut zu Triesdorf sammt den Einkünften einräumen, wenn Sie der ewigen K u n s t . . . " „ E n t s a g e n ? Nicht w a h r ? " fiel er mir ins Wort —
„Nun
und nimmermehr"
—
„ u n d zwar gerichtlich, eidlich und feierlich entsagen." —
Dadurch erschreckte
ich ihn s o , dafs er zitterte. —
, , 0 ! da
inufs s i e , " hub er a n ,
„ganz
verrückt
geworden
„Das
seyn!" —
nun eben
n i c h t , " erwiederte ich; „aber diese Grille hat sie sich nun einmal so in den Kopf gesetzt, dafs sie es sogar in ihrem letzten Willen zur Bedingung gemacht hat und darüber — gestorben i s t . " —
Er
überblickte mich bei dieser Anzeige mit zweifelhaftem, unbeschreiblichem Erstaunen,
und ward bald karminroth,
bald
leichenblafs, je nachdem ihm das schöne Vermächtnifs oder gung zu Kopfe trat.
die hälsliche
Bedin-
Ich reichte ihm nun
das Blatt. —
„ Da lesen
aber überlegen Sie —
Sie selbst —
hauptsächlich
dabei
dafs hier nicht zu zaudern i s t ,
das Testament nur noch einige
und
wenige
Wochen zu Ihrem Vortheile g i l t . "
Er
schlich, wie das böse Gewissen, mit seinem Vorbeschied
in die Ecke des Fen-
sters, las, und schüttelte bei jeder Zeile den Kopf.
Seine unglaubliche
Anhäng-
lichkeit an ein stümperhaftes Talent erregte mein
innigstes Mitleiden.
grofser G o t t ,
Aber,
was für eine Schaar von
Brüdern hat er nicht in dieser Rücksicht umherlaufen.
W i e viele opfern nicht ein
glückliches sorgenloses Leben dem Vorurtheile des Standes, —
ihre Ruhe
einer
falschen E h r e , ihre gegenwärtige Zufriedenheit dem Hirngespinste der Nachwelt a u f ; verhören das K o n c e r t , giebt,
das sie um-
und horchen nur nach der Trom-
pete h i n ,
die einst, wie sie sich einbil-
den , über ihr Grab schmettern wird. —• Wer kann die Märtyrer der Religion zäh-
len, die oft so irrig — abgeschmackt und toll i s t , als nimmermehr die fixe Idee des armen Sperling! W e r mufs, bei gesundem Verstände, nicht die Unsterblichkeit der Miltone, Buttler und Kepler bemitleiden , die sich bei lebendigem Leibe ihre Lebenskraft abzapften — die besten Gelegenheiten versäumten, das Herz eines fröhlichen Freundes, den Busen einer schönen Zeitgenossin zu erobern — nur an ihrcu eigenen Fingern und Federn nagten — und die magersten Bissen verschluckten, um nach ihrem Tode, w o sie nicht mitessen konnten, unbekannten Buchtrödlcrn desto fettere aufzutischen. Ich mochte den W e g , auf den mich Sperling gebracht h a t t e , nicht weiter verfolg e n , aus F u r c h t , auf ineinen eigenen Haushalt zu stofsen — schob einstweilen mein Selbstgespräch a u f , und hielt es für dringender, mich in das seine zu mischen, das nicht aufhören wollte. So oft ich bei seinem Erker vor überschritt.
warf ich eine Bemerkung h i n e i n , die er nutzen sollte. —
»Die ewige Kunst, kön-
nen Sie m i r , als einem alten F r e u n d e , g l a u b e n , verliert nichts dabei, wenn Sie Sich fügen. —
Das Vergnügen, Talente
unterstützen zu k ö n n e n " — indem
ich
meinen Oberrock anzog — >>ist vielleicht mehr w e r t h , als die o f t betrügliche Überz e u g u n g , ein eignes zu h a b e n . " —
Er
liols sich durch alles das nicht stören. „Ich stelle mir eine w a h r e Freude v o r , " (redete ich so f ü r mich) „ w e n n ich einmal meinen alten Lehrer auf seinem Landsitze besuchen k a n n , und w i r bei einer guten Mahlzeit über die Gröfse des armen Correggio plaudern, — und uns der vergangenen Zeiten erinnern w e r d e n . " Auch das f o c h t ihn nicht an — immer vor sich h i n ,
E r starrte noch das
Wochenblatt
seinem dürren Knie über gebogen,
und
hing den Kopf, ohne einen Laut zu geben. Bastian m e l d e t e ,
dafs die Pferde gleich
da seyn w ü r d e n ,
aber sein Seelenkampf
dauerte f o r t ,
und mir ward dabei ganz
schwül um das Herz. — So o f t i c h , lieber E d u a r d , den Donquixote gelesen und bis zum Ende des herrlichen Buchs über seine Thorheiten gelacht h a b e , so grübelte es mich doch bei dem letzten Kapitel, w o er wieder klug wird, immer in der Nase.
Ich d ä c h t e , es w ä r e
f ü r uns alle nichts erbaulicheres und rührenderes geschrieben. W i e der arme Mann, so stillschweigend in sich gekehrt, nachs i n n t , die Schatten des vergangenen Lebens — jene Heldenthaten — seine heifse platonische Liebe zu Dulcineen, Sanclio's gutmüthige F r e u n d s c h a f t und die treuen Dienste des dürren Rosinante —
seiner
erstaunten Seele vorübergaukeln
wie
er alles, wras sonst in seiner E i n b i l d u n g von so hohem Werthe w a r — jetzt
in
einem ganz verschiedenen Lichte betrachtet — nicht b e g r e i f t , wie ihm doch sein gesunder Menschenverstand abhanden gek o m m e n , u n d G o t t demuthsvoll um Ver-
76 g e b u n g b i t t e t , dafs er so lange ein Narr gewesen.
Ein solcher Büfsender — welche
Mitgefühle mufs er nicht bei jedem rege machen,
der ihn a n b l i c k t !
bänglichen auch
mein
Lage guter
befand
In gleicher sich
alter
dermalen
Zeichenmeister,
und erhielt sich so lange w a r m
darin,
bis ihn das Horn meines Postillions von seinem Sitze a u f j a g t e .
E r ergriff in gro-
fser Bewegung meine Hand —
„Theuer-
ster F r e u n d und Göuner — " holte er tief Athem : — Angst,
„ Z i e h e n Sie mich aus meiner
und sagen Sie mir
aufrichtig:
Kann ich w o h l den bedungenen E i d mit gutem Gewissen a b l e g e n ? " —
,,Ja, F r e u n d "
klopfte ich ihn auf die Achsel,
dem besten von der Welt — licher M a n n !
„mit
S i e wunder-
W a s machen S i e für Um-
s t ä n d e , und w i e mögen S i e S i c h nur einen Augenblick b e s i n n e n ?
Bei zwei
ten — und
Gottes
s o n s t auf
Talen-
Erdboden
nichts — könnte man, dächt' ich, ja w o h l eins a b s c h w ö r e n , wenn der U m s t a n d dar-
77 auf b e r u h t , ein Freigut zu g e w i n n e n . " Das schien ihm einzuleuchten.
,,Sie wer-
den im Anspachischen und ü b e r a l l , " f u h r ich f o r t , „menschliche Gebrechen genug f i n d e n , deren Sie so viele in Wachs pousiren k ö n n e n , als Sie wollen.
Das ver-
bietet Ihnen ja die Tante nicht, und giebt Ihrer Thätigkeit allen möglichen
Spiel-
r a u m . " — ,,Da haben Sie R e c h t , " erheiterte sich auf einmal sein trübseliges Gesicht.
Spornstreichs laufe ich nun nach
Hause, um Anstalten zu meiner Abreise zu machen — will meine Madonnen und Seestücke recht behutsam einkästeln , und "
„Ist das nicht wieder ein Ein-
fall! W a s um Gotteswillen, gedenken Sie init so vielen unbefleckten J u n g f r a u e n in den Preufsischen Staaten anzufangen, w o man an keine einzige glaubt ':"' „Aber, fragte er sehr n a i v , die von letzthin darf ich doch — A'oire Dame tignac?"
de Graces von Co-
„ A u c h diese N o t h h e l f e r i n " —
erbofste ich mich über seine Thorheit —
78 , , h a t d o r t keinen R u f . I n u n s e r e r R e l i g i o n u n d b e i u n s e r n Gensdarmes— da
solcher
rinnen ?
was brauchts
aufserordentliclien
Vermittle-
U n d nun v o l l e n d s I h r e M a r i n e n !
— D o r t — überlegen
Sie selbst —
auf
dem festen — j a , w i e einige b e h a u p t e n — auf dem festesten L a n d e — nahe bei Nürnberg — wie können Sie wohl hoffen, dafs Sie damit Eindruck und Aufsehen machen werden?
Als V o r b i l d e r t a u g e n «ihre S t ü r -
m e — Kriegsschiffe —
Kaper und Bran-
der n i c h t e i n m a l s o v i e l , a l s I h r e M a d o n nen. —
Als
erreichen s i e
Anleitung nicht
zur
Seeräuberei
die s c h l e c h t e s t e
duktion , und für das
De-
natürliche Strand-
recht w ü r d e n Ihre B e w e i s e m i t dem Finger a u f d e m g e m a l t e n O c e a n denen w e i t
t>
D
nachstehen,
die ein
Kainmerrath
oder D i r e k t o r l ä n g s t s c h o n
gegen
die
dort
Gränznachbarn
Folgen Sie mir,
abgegangener geführt
verkaufen Sie,
schweren Transport
zu
ersparen,
hat.
u m den Ihren
g a n z e n a r t i s t i s c h e n N a c h l a f s einem hiesi-
lange zu
handeln.
Kann er P r o f i t daran m a c h e n ,
gen
Trödler,
ohne
so gön-
nen Sie es ihm ja . . .
Doch noch Eins,
alter F r e u n d , ehe w i r uns trennen ! ben Sie auch R e i s e g e l d ? " —
Ha-
E r schüt-
telte kleinmüthig den Kopf. —
„ N u n so
borge ich I h n e n , was ich gestern nicht gethan h ä t t e , nehmen Sie
vierzig Louisd'or — hier —
damit können Sie
P o s t - — und die Einnahme von
das Ihren
Gemälden dazu gerechnet, — auch das Schmiergeld bezahlen ! —
Und
nun —
leben S i e " — ich streichelte ihm das Kinn — „ r e c h t w o h l , armer gerupfter Sperling, und zaudern Sic n i c h t , um bald in die Federn zu kommen."
Er begleitete mich
bis an den Wagen, weinte — küfste mir dankbar die H a n d , und so schiedcn wir beide sehr gerührt von einander. Es erweckt doch ganz eigene Empfindungen , wenn man nach so vielen Erfahrungen , als ich in der Fremde gemacht habe,
endlich
seine Wagendeichsel dem
öo Vaterlande zugekehrt sieht.
Aber hätte
mich nicht meine Unbesonnenheit mit der Schreibtafel gezwungen , den Weg fortzusetzen, glaube m i r , das Gesetz der moralischen S c h w e r e , das dem
Schweizer,
wie dein L a p p l ä n d e r , aufserhalb seinem Weste keine R u h e v e r g ö n n t , w ü r d e sogar in diesem Augenblicke von seiner Kraft an mir verloren haben müthiger St. Sauveur! den S t u n d e n ,
Edler •grofsDie überraschen-
in denen du meinem er-
schlafften Herzen so viele schöne Beispiele männlicher Tugend zuspieltest — der Zauber jugendlicher Schönheit und Unschuld, durch den die holde Gefährtin deines Lebens einige Tage des meinigen verklärte, sind Bande, die mein Wesen an das eure bis zur Auflösung des Grabes fesseln. — Und
d u , der reinen schönen unverdor-
benen Natur herrlichster Zögling — du meiner W ü n s c h e erhabenes Ziel! —
Wie
viel lange Morgen n o c h , o Agathe, werden meine T r ä u m e bis zu dem Zeitenwurf
öl ü b e r dir s c h w e b e n , d e r , w e n n G o t t mein Gebet e r h ö r t , alle folgende T r i t t e deines Gangs m i t Kosen b e s t r e u e n soll.
Durch
ineine V e r e i n i g u n g m i t dir w i r d m e i n Daseyn erst sein w a h r e s Kolorit — u n d jeder W i n k e l der E r d e ,
an den d u es an-
k e t t e s t , den Reiz meines V a t e r l a n d e s gc Winnen.
Aber I h r ,
zu denen diese E m -
p f i n d u n g e n in der F e r n e , die u n s scheidet, h i n s t r ö m e n — d u heilig v e r b u n d e n e s D r e i ! vergieb m i r , genden
w e n n ich i n dieser h i n f l i e -
reichhaltigen M i n u t e ,
und deinen
Himmel
eine M a c h t
erkenne,
f e n d e r als d u ,
mein
ü b e r dich
voll Seligkeit n o c h die s e l b s t ,
ergrei-
b e b e n d e s Herz an-
m a h n t ! Ja , E d u a r d , in diesem G e d r ä n g e so lieblich s c h w ä r m e r i s c h e r G e d a n k e n w a r sie e s , die h o l d e I r r e n d e , die g e b i e t e n d e r als alle a n d e r e L o c k u n g e n v o r m e i n e Seele trat.
J e n e s heilige G e f ü h l , u n t e r i h r e n
A u g e n g e w o n n e n , das sich v o n dem w e l t lichen
Geschäfte,
dessen ich m i c h eben
entledigt h a b e , w i e die A n d a c h t v o n dem Th. W. VI. Tli.
6
02
Wucher,
zurückzog,
heftete sich jetzt
n u r desto stärker an meine empfängliche Seele und
verbreitete
sich über sie in
vielfach dunkelm Geflechte.
Sie schien
meinem vorbeirollenden Wagen aus ihrem Kerker n a c h z u r u f e n :
Kehre u m ,
sinniger Mensch! —
E r w a r t e das grol'se
leicht-
Schauspiel meiner Genesung, um an meinem Altar dein Herz an der heiligen Flamme zu e r w ä r m e n ,
die mein
grausendes
Schicksal umnebeln, aber nicht verlöschen konnte.
Kehre um und s i e h ,
wie sich
aus der Verklärung meines Freundes ein Funken herabsenket, stirn zur Rückkehr leuchten —
der meinem Irrgein seine Bahn
vor-
an meiner Brust lodern —
das Ebenbild seines Vaters
zurückstrah-
len , u n d mein vertrocknendes Auge mit lindernden Thränen befeuchten w i r d ! So sprechend stand die hohe Dulderin
vor
meiner Seele; als ich aber aus dem Kreise des magischcn Spiegels h e r a u s t r a t ,
und
mich nach mir selbst wieder umsah —
05 ergriff
und schleuderte
mich mein Be-
wul'stseyn in einen desto düsterem Abgrund. Freund,
ich
habe Dir nie
verleugnet,
was in meiner Tiefe vorging —
warum
sollte ich Dir jetzt die beschämenden Gefühle verhehlen,
d i e , wie der Z u g w i n d
auf offene W u n d e n , auf die schmerzhaften Stellen meines
Herzens
eindrangen.
O ! das ist eine viel zu schonende Vergleichung. —
Es w a r der reine Lichtstrom
aus Agathens unbefangenem — aus Klarens belohntem u n d aus dem bangenden Herzen der heiligen Märtyrin zusammengeflossen
der die Kruste eines stehenden
Sumpfs bespülte und die Quellen seines schädlichen
Aushauchs sichtbar machte.
Der Anblick empörte
meinen Stolz. —
Ich wollte Trost — erwartete Schutz — forderte Beruhigung von ihm — mich — u n d ,
erhob
w o h e r , fragt' ich über-
m ü t h i g , kommt dir so unverlangt die Beleuchtung deines U n w e r t h s ? — von einer
64 Wahnsinnigen
W i e ? welcher Dä-
m o n gab mir diefs verunstaltende
Wort
ein ? O du schuldloses Opfer des grausamsten Verhängnisses. — der nicht
das Kleinod
W e h e dem Lästerer, deines Wesens
f ü r unschätzbar
weil es getrübt i s t !
erklären
darum wollte,
E r lasse den Nebel
des Augenblickes v e r d ü n s t e n , ein angehauchter D i a m a n t ,
und
wie
wird es in
seinen angebornen Glanz — in seine flekkenlose N a t u r übertreten. —
Selbst in
der Gluth der Vernichtung wird es, gleich i h m , in Äther zerflicl'sen und keine Spur irdischen Ursprungs zurücklass£n. — Ich habe mir längst abgemerkt,
Eduard,
dafs jede liebevolle E m p f i n d u n g mir w e i t wärmer in den Kopf t r i t t , wenn ich fahre oder r e i t e , als auf meinem
Lehnstuhle.
Überfällt mich ein solcher Enthusiasmus in einer Postchaise, so verliere ich mich •selbst — wie h i e r , zu Pferde gemeiniglich meinen Hut.
W u n d e r e Dich
also
nicht über die kostbaren Ausdrücke meines Selbstgesprächs, und lafs mich ruhig fortschwärmen, bis ich die Station erreicht habe. O Liebe, Liebe, rief ich gen Himmel blickend, du in der Sprache der Engel erhabenstes W o r t — in dem Sternenkranze des Ewigen mildester Strahl — herrlichstes aller Gefühle, nur dem Menschengewürme unbegreiflich, das über den ächten Sinn deines Namens weg — zu Sprachverwirrern hillkriecht, die ihn mit Schlangcnzungen mifsdeuten. Ach! kein Pulsschlag verklingt in dem Reiche der N a t u r , der nicht Millionen Verlästerer deiner Gottheit erweckte. Als Sinnbild von dir setzen sie das raubgierigste Ungeheuer auf deinen Altar — wähnen bei der Enthüllung ihres befleckten Götzen deinen heiligen Schleier zu heben, und schmücken die Opfer, die sie ihm würgen , mit dem Afterscheine deines unsterblichen Kranzes ! O ihr Betrüger euer selbst , ihr lieblosen Verfolger der weib-
8ö liehen W ü r d e ! Haben sich w o h l je eure Irrgänge dein stillen Pfade g e n ä h e r t , auf welchem die Liebe einherwandelt ? schuld t r i t t ihr v o r a n ,
Un-
reulose Freuden
folgen i h r , und ihr Ausgang verläuft, sich in
die seligste Ewigkeit.
Werfet
nun
einen Blick auf das Blendwerk eures Anführers, und zittert!
Selbstsucht ist sein
Schild, T r u g seine R ü s t u n g , und
seine
Waffengefährten sind in der Hölle geworben.
Nur niederträchtige Künste — sinn-
liche Verlockung —
Meineid und
l e u m d u n g folgen seiner Blutfahne. seine s t r a f b a r e n A n h ä n g e r , einem
entsetzlichen
nicht
die
O ihr,
aus was f ü r
Haufen
Mitgehülfen
Ver-
inüfst
ihr
eurer
Unthaten
an ein Ziel zu
gelangen,
wählen,
um
w o nur
Seelenpeiniger in
Larven euer warten. —
scheufslichen Euer
ehrloser
Rückzug geht über Felsenspitzen und Dornen , u n d aus
euerm schändlichen Sieg
werdet ihr nichts von der mühsam errungenen Beute nach Hause t r a g e n ,
als.ein
87 verletztes Gewissen. —
Und nun dieselbe
Hand aufs Herz, die diefs ernste Gemälde entwarf!
Konnte sie denn nirgends ihren
Pinsel r e i n i g e n , als in einem T o l l h a u s e ? Buhlerisches Avignon — dort w a r e s , w o ich —
w a s will ichs läugnen ? —
die
sittlichste Kunst zum Dienste des Unsittlichen erniedrigte — d o r t , w o mein Entbranntes Gehirn jene schlüpfrigen Bilder entwickelte,
zu
denen i c h ,
wo
nicht
selbst sai's, doch andern Mifsgestalten zu sitzen erlaubte. sie mir a u f
Könnte der Z u f a l l ,
der
dem Krankenbette wegstahl
und zum Feuer v e r d a m m t e ,
den Maler
b e r u h i g e n , der sie a u f s t e l l t e , w i e froh wollte ich über ihren S t a u b h ü g e l hinwegsehen! . . . Das könnte ich wollen ? Nein, E d u a r d ; ich w ü r d e vielmehr mit F r e u d e jene E r f a h r u n g meines Lebens —
wenn
ich die Palingenesie verstände, — ihrer Asche h e r v o r r u f e n ; —
sie
aus
sollten
vor meinen und anderer Augen leuchten, so lange der S c h m u t z , aus dem sie ent-
ÖO standen, noch Farbe hielte.
Dem Unei-
fuhrnen , der meine Bilder anstaunte, dem Lüsternen, der ihnen zulächelte, und dem Kenner, der die Treue der Kopie aus seinem eigenen
Originale abzöge — ihnen
allen sollte mein Kabinet und —
stehen,
wenn die Herren über dem Ein-
gang die Aufschrift: jecore
offen
Plusque
ex
alieno
sapio quam ex meo — gelesen und
ihre Ferngläser hell
gerieben hätten,
—
sollte es mir lieb seyn, s i e ,
von einer
Nudität zur andern verlockt,
endlich an
der Warnungstafel anprallen
zu sehen,
die ich mit beträchtlichen Kosten an dem Ausgange meines Saals aufgerichtet habe. Hier möge dann jeder sich besinnen
—
den Spaziergang durch meine Gallerie mit dem vergleichen , den er durch die Welt nahm — möge sich — nachdem es kommt —
entweder freuen,
dafs er,
Gott sei
D a n k , auf allen seinen Reisen zu Wasser und zu Lande nie an solche Klippen gestofsen —
möge,
wenn er kann, sich
89 etwas darauf zu gute thun,
dafs sein
P a t z - und sein Schlafzimmer— von Scipio's Enthaltsamkeit an bis zu der keuschen Lucretia,
nur mit Tugendspiegeln
getäfelt sei — oder er fasse auch den kurzen Entschlufs, sich nie von seinem Ernste und seiner Studierstube zu entfernen, uin sich keinen solchen Gefahren auszusetzen, als mich leider! betroffen haben,
und,
wenn sie ihm ja aufstiefsen, mein abschreckendes Beispiel zu benutzen, ihnen klügei
1
auszuweichen,
Wenigkeit gelang. recht seyn.
und
als meiner
Auch das soll
mir
Müfste er sich aber als ein
ehrlicher Mann gestehen, dafs seine Sittlichkeit, hier und da, wohl noch schimpflichere Niederlagen erlitten habe, als die meine, so weifs ich ihn mit keinem bessern und brüderlichem Rath zu entlassen, als -r- er schlage den Weg ein, auf den mein hölzerner Arm hinweist — den Weg der Reue, wo er auch mich mit meinem Wanderstabe finden wird
go
„Das-sind faule F i s c h e " — w a r das erste W o r t , das ich hörte, als ich mit meinem Selbstgespräche vor dem Posthause abtrat. Ich stutzte — bis ich sähe, dafs es nur einer Hökerin g a l t , die der Hausknecht, trotz der Versicherung, dafs die Sardellen frisch wären — abwies. W e n n es nun aber ein Philosoph gewesen wäre, befragte ich m i c h , der dir mit diesem entscheidenden Urtheile in den Korb geguckt h ä t t e ? was würdest du ihm haben antworten können ? Ein Glück für ihn, dafs ich wieder auf eigenen Füfsen stand und alles Hochtrabende in der Chaise zurückgelassen hatte: — denn nun w a r d mir die Sache erst selbst klärer. — „Nicht ganz g e t r o f f e n ! " erwiederte ich ihm. „Faule Fische, sagen S i e ? Nein, mein Herr, es sind gar keine — sind nichts, als gute ehrliche Frösche, die ich zum Zeitvertreib mit der Angelruthe in dem nächsten Tümpel gewonnen habe, um Versuche, die zu sehr wichtigen Resul-
91
taten leiten können — über die Reizbarkeit der Nerven anzustellen.
Ich mache
mir z u w e i l e n den Spafs, während Euer Ehrwürden
den Ungeheuern des Oceans
Wurfspiefse entgegen schleudern,
ohne,
dafs ich w ü f s t e , eins noch getroffen oder getodtet. zu haben.
Meine Frösche kön-
nen wenigstens nicht mehr q u a k e n , w e n n ihnen die Haut ist.
über die Ohren gezogen
Ihre gute A b s i c h t ,
mein H e r r ,
jedoch gewifs nicht zu verkennen, verdient den Dank aller E d e l n . "
ist und
So ka-
men w i r als gute Freunde aus einander, und gingen, glaube i c h , jeder r u h i g und mit sich zufrieden ins Bette.
D e n 26. F e b r u a r .
A l s ich mich gestern A b e n d der S e k t i o n der Frosche nahm,
gegen
hätte
ich
d e n P h i l o s o p h e n annicht
geglaubt,
dafs
ich Dich h e u t e u m dieselbe Zeit m i t einem Mitbruder
meiner
chen w ü r d e ,
Studien bekannt
der
die
ma-
Sache i n s G i o f s e
t r e i b t , u n d den ich selbst erst z w i s c h e n Nimes u n d M o n t p e l l i e r k e n n e n lernte. traf
sich s o n d e r b a r
heute
m i t dem
genug.
Ich
Es
brach
f r ü h e s t e n auf u n d stieg
so s c h l a f t r u n k e n
in
den
Wagen,
dafs
Bastian
ein p a a r elastische Küssen u n t e r
meinen
Kopf legte u n d
mich der R u h e
ü b e r g a b , die ich v o r l e t z t e Wacht der U n t e r h a l t u n g des D o m i n i k a n e r s so gern a u f geopfert
und
in
der v e r g a n g e n e n
n i c h t h i n l ä n g l i c h ersetzt h a t t e . also
eine
Station
sanft zurück , Bette geschähe.
n a c h der
noch
Ich legte andern
als w e n n es auf
so
meinem
W i r w a r e n d u r c h Nimes
gefahren und schon eine gute Strecke bei Caverac vorbei, als ineine Chaise still stand und das Fluchen des Postknechts mich ermunterte. Vier Wagen vor dem meinigen sperrten den W e g , w e i l an ihrer Spitze ein fünfter das Rad gebrochen h a t t e , und sie mochten schon lange da gehalten haben, ehe ich ankam. Bastian w a r ausgestiegen, uin zu sehen, was vorging. Ich hörte ihn von weitem mit einem Bekannten sprechen, und verlicis nun auch meine Polster. Der erste Wag e n , dein ich neugierig vorbeischlich, falste drei Frauenzimmer, immer eins reizender als das andere. Ich inachte ihnen meine tiefe Verbeugung, die ich mit Erstaunen über eine so ungewöhnliche Erscheinung an dem zweiten , dritten und vierten Wagen wiederholen mul'ste. W a s in aller W e l t ist das für ein Transport? dachte ich. — Entweder ist hier herum eine Pensionsanstalt für junge Fräulein, oder ein Bassa von drei llol'sscbweifen
94 schickt,
Gott weifs w a r u m ?
nach Montpellier.
sein Serail
Indem ich so da stand
und mich der lachenden Gegenstände freute, die den Steinweg belagerten, klopfte mich Jemand auf die Schulter. —
Ich drehte
mich um — erinnerte mich sogleich des ehrlichen Gesichts und , . .
„ J e — lie-
ber Onkel! " rief ich ganz v e r s t ö r t — „ w i e kommen wir denn,
so weit von Cavail-
lon — hier zusammen? — Sind Sie denn nicht mehr W i r t h in dem Propheten ? " „ N e i n , mein H e r r , "
antwortete er mit
sichtbarem Frohsinn. —
„ I c h habe die
lästige Wirthschaft aufgegeben —
diene
seit kurzem als Mundkoch bei Lord Baltim o r e , der dort sich mit den Leuten zu thun macht, die seinem Wagen aufhalfen — und reise jetzt mit ihm nach Spanien." — „Unddiese vier W a g e n ? " fragte ich — „Gehören zu seinem G e f o l g e . " —
„Und
diefs Dutzend allerliebster K i n d e l ? "
—
„Sind Kammerjungfern seiner Gemalin. — Wenn Sie w o l l e n ,
will ich Sie unserer
95 jungen Gebieterin vorstellen, der auf jener Rasenbank ohnehin Zeit und Weile lang •wird —
so ist Ihnen beiden
geholfen."
„ W o h l , " s a g t e i c h , „wenn Sie glauben" —
und so näherten wir uns der vorneh-
men Frau.
Schon in einiger Entfernung
konnte ich schliefsen,
dafs es keine ge-
meine Schönheit sei. —
Ihr Reisekleid
von grauein Taflet lag ihr von obenher knapp a n , und umflatterte ein paar vorgestreckte
niedliche
Füfschen. —
Ein
schwarzer Sommerhut beschattete ein helles Gesichtchen — die eine Hand spielte mit einem Spazierstock, die andere ruhte auf einem englischen
Windspiele
i h r , das uns anmeldete. ein freundliches Bild. — dy,"
neben
Das Ganze gab „Hier,
Myla-
rief mein Introducteur, „habe ich
die E h r e , Ihnen einen meiner Bekannten vorzustellen,
dem die Equipagen
Gnaden den Weg verstopfen."
Euer
Die herr-
lich schlanke Figur erhob sich ein wenig von ihrem Sitze.
Ich verneigte mich auf
yö das ehrerbietigste — stotterte einige Entschuldigung über meine Freiheit — richtete mich in die Höhe — begegnete ihren Augen und . . . „ M y l a d y "
— und —
zugleich — » u m Gotteswillen ! " rief ich — „Sie sind es — Klärchen — S i e ? " — Wenn Du denkst,
dafs sie von
uns
beiden es w a r , die am meisten erschrak, so kennst du sie schlecht. —
Mit der
stolzesten Ruhe mafs sie mich mit den Augen,
und sagte mit W ü r d e : —
»Ich
heifse jetzt Baltimore, Geinalin des Herrn, der eben auf uns zukommt. — es Ihnen zeither gegangen ? " verblüffter vor i h r ,
als jemals —
eine Silbe zu a n t w o r t e n . ist mir in sen. —
W i e ist Ich stand ohne
Unheimlicher
meinem Leben nicht
Überlege selbst, E d u a r d ,
gewewas
hier alles zusammentraf, um mich aufser Fassung zu bringen. — Die hohe fremde Miene der Dame — gegen einen Bekannten , wie mich —
ihr gegenüber — die
Schreibtafel des Barons mit ihrem Migna-
97 turgeinälde und meinem Epigramm in der Tasche —
scheu,
wie ich immer gegen
alle und jede b i n ,
die Thorheiten
von
mir wissen, so dafs ich lieber von ihrem Tode h ö r e , in
als ihnen begegne —
und
demselben Augenblicke zugleich
der Gefahr umschwebt — Klärchens Geinal — zu bezeigen . . . .
von
dem Lord
—
meine Hochachtung Nein, Eduard — um
init solchen Verlegenheiten
zu kämpfen,
mul's man eine unverschämtere Stirn haben , als ich. —
Mein Entschlufs war kurz.
Ich fafste den P r o p h e t e n - W i r t h bei
dem Ärmel — drehte mich uin, und eilte nach meiner Chaise. —
Als wir so weit
w a r e n , dafs uns Niemand hören konnte, blieb ich stehen. —Mundkoch" — „jetzt, Neugier,
„ N u n , lieber Herr
schöpfte ich Athem
—
bitte i c h , befriedigen Sie meine die
unglaublich i s t ! —
Wir
kennen ja beide ihre liebe Nichte von dem Bette a n , wo ihr der Teufel zum ersten Male erschien, bis zu dem Sopha, wo ich Th. W .
VI. Tb.
7
98 ihr das Strumpfband der Maria verhandelte — durch welches W u n d e r ist ihr die Hand eines reichen vornehmen Engländers zu Theil geworden ? " —
„ D u r c h kluge
E r f a h r u n g , " antwortete e r , ,,die bei den Weibern
meistens den Abgang der Un-
schuld ersetzt — u n d durch die Blindheit, mit der Gott uns Männer gestraft hat.
So
erkläre ich mir wenigstens die Sache, w e n n mir das und jenes von der Donna einfällt, und ich über ihr Glück erstaune. — Aber j e t z t , glauben Sie m i r , verdient sie e s . — Sie ist ganz wieder auf dem Wege der Tugend,
eine
zweite
Magdalena
— liebt
ihren Mann und macht ihn glücklich." — „Seit wie l a n g e ? " fragte ich.
„Seitheute
vor acht Tagen," erwiederte e r ; „sie verlangte — und der Lord freute sich kindisch darüber — in der Franziskaneikirche — gerade über dem Grabe der tugendhaften
Laura g e t r a u t zu werden. —
Herr
Ducliquet h a t sie eingesegnet — der getaufte Jude hat bei der Ceremonie aufge-
¿>9 wartet — und in d e r P r o p s t e i " fiel ich ihm ins W o r t , wesen?"
,Ist,
die Hochzeit ge-
„ J a , " sagte er, „und auch das
Beilager." Ich schlag bei dieser Nachricht die Hände gefalten
über den Kopf.
—
„Barmhoizigei G o t t , " rief ich aus, ,,welch ein
Greuel von Menschenverbindung an
deinem Altare!
Gute Laura, was für anti-
petrarchische Gedanken mögen an diesem Tage über deiner Asche geschwebt haben!"
—
„ l l u h i g , mein H e r r ! "
nerte mich der P r o p h e t e n - W i r t h , Nichte bemerkt Sie —
erin„meine
Lassen Sie uns
alles vergessen und vergeben
seyn, was
vorbei i s t , und gedenken Sie künftig der Lady Baltimore im Besten. —
Doch ehe
wir uns trennen, mein Herr, — denn ich sehe, dafs meine Herrschaft einsteigt, mufs ich Ihnen geschwind einen Irrthuin benehmen ,
in welchen ich Sie in
Ansehung
Ihres Landsmanns gesetzt habe. — Es war eine boshafte Nachrede seiner fortgejagten liederlichen Bedienten , — denen ich kei-
lOO
nen Glauben hätte beimessen sollen.
Der
brave Mann hat sich mit Klärchen nicht einmal so viel vorzuwerfen — wenn ich so frei seyn darf, es zu sagen — als Sie. Ein Liebhaber der Kunst kann ja wohl in allen Ehren ein schönes Mädchen als Modell benutzen!
Mehr hat er nicht gethan.
Ich habe seitdem Herrn le Sauve kennen lernen, den Maler, der für ihn gearbeitet , und dem Klärchen in mancherlei Stellungen gesessen hat — von dein weils ich alle Umstände.
Gnade Gott dem Herrn,
der auch die unschuldigste Sache bei verschlossenen Thüren vornimmt! —
Mehr
braucht es bei solchen Schurken nicht, um ihn in den schlimmsten Ruf zu bringen — so dafs er zuletzt keine Tasse Hühnerbrühe mehr nehmen erwecken . . . .
darf,
ohne Verdacht zu
Doch ich mufs fort —
leben Sie wohl — wir bleiben nur diese Nacht in Montpellier. " —
Die vier vor-
dersten Wagen waren schon in vollem Galopp — er hatte seinen Platz in dem
J01 fünften — dem nächsten vor dem meinigen.
Mein P o s t i l l i o n , voll Ungeduld über
den Aufenthalt,
blieb nicht zurück,
so
dafs ich die Ehre hatte, im Gefolge von Lady Klärchen langen,
wo
an dem Posthause anzu-
die Quartiere für die engli-
sche Herrschaft schon durch einen KouTier bestellt waren. Den ganzen Weg Neugier um
über hatte sich meine
eine Frage
herumgedreht,
deren Auflösung von meinem geschwinden Aussteigen aus dem Wagen abhing, ehe mir der
Mundkoch
entwischte.
—
Ich kam ihm glücklich entgegen. — >»Nur noch ein W o r t statt tausend ihn bei dein Kragen. — Welt
führt
Ihre Frau
hielt ich
„ W a r u m in aller Nichte
Gnaden
wenigstens ein Dutzend Kammer)ungfern mehr mit s i c h ,
als eine Königin
chen w ü r d e ? " —
„Das mufs
braufreilich
Wunder n e h m e n , " antwortete e r , „wenn man den weifs. —
wahren
Zusammenhang
Mylord —
nicht
so hat mir sein
102 Kammerdiener v e r t r a u t , stematisches W e r k der W e i b e r .
—
s c h r e i b t ein sy-
ü b e r die
Eigenheiten
Englische Schriftsteller
w ä h l e n ja immer ein auffallendes T h e m a . —
Diese
wohl
artigen
im Dienste
Kinder
sind
n i c h t so-
b e i seiner G e m a l i n
als in dem seinigen —
seine philosophischen Spekulationen ahnden es selbst
—
6ind S t u d i e n f ü r
nicht.
Sie
und
verrathen
ihre kleinen S c h w a c h h e i t e n — F e h l e r und Tugenden
unbefangen,
tagtäglich
neue
Texte.
und
liefern i h m
Bemerkungen z u seinem
E s ist der vollständigste Apparat
z u dergleichen p h y s i o l o g i s c h e n Experimenten,
den man
aus
den leichtsinnigsten
thigsten — —
und
6ich n u r denken kann
sprödesten —
—
—
schwermü-
unschuldigsten
erfahrensten G e s c h ö p f e n
zusam-
deren S e e l e n ,
(denn
mengesetzt
—
mit
w i r k l i c h ist es nur darauf a b gDe s e h e n )' er hunderterlei Versuche anstellt, lich ein neues R e s u l t a t
u m end-
herauszubringen.
G o t t g e b e , dafs es i h m g e l i n g t —
denn
io3 es wäre gewifs ein sehr nützliches Buch !" — „Und
dieser S a c h v e r s t ä n d i g e , " f u h r
mir h e r a u s , „ h a t Ihre Nichte heirathen können ? " — ,,Stille
fiel mir mein ver-
unglückter Oncle ins W o r t — ,,hier ist nicht der O r t , darüber zu schwatzen. — Ich mufs in meine Küche — leben Sie w o h l , mein Herr,
leben Sie w o h l ! " —
Das Buch möchte ich sehen — setzte ich n u n meine V e r w u n d e r u n g mit mir allein f o r t — indem ich mich von einem Lohnbedienten
in die Stadt f ü h r e n liefs, in
die man, wie du w o h l wissen wirst, nicht a n d e r s , als zu Fulse oder in Sänften kommen kann. —
Armer A u t o r !
Gott geBe
dir Glück zu deinen S t u d i e n , denen freilich die meinigen nicht das Wasser reichen! Uber deine junge F r a u ' k ö n n t e ich dir zwar w o h l wichtige Beiträge liefern — aber, ob sie es gleich nicht um mich verdient h a t , w ü r d e ich mich doch schämen, weniger edel zu h a n d e l n , als Herr Ducliquetj der P r o b s t u n d der getaufte Jude.
104 Montpellier ist bei allen seinen unläugbaren Vorzügen doch eine sonderbar ängstliche S t a d t , lieber Eduard. — die so schmal sind, der gegenüber
Gassen,
dafs die Inwohner
stehenden hohen
Häuser
einander die Hände reichen k ö n n e n , und ein Liebhaber, der so gute Gelegenheit h a t , seiner Schönen den Tag über in die Fenster zu sehen, Bret braucht, gen.
nichts weiter als ein
um des Abends einzustei-
Wenn die Hitze z u n i m m t ,
spannt
m a n , aus Furcht vor dem Sonnenstich, Tücher über sie her.
Dann sieht jede
ohnehin w i e ein Himmelbette
aus,
kann füglich dazu benutzt werden.
und Die
Schilder der Wirthshäuser
sind alle aus
der Botanik genommen. —
Da hört man
von keinem Römischen Kaiser oder Kurfürsten ,
w i e in Frankfurt
deutschen
Städten,
aus dem Linneus. besten.
und
andern
sondern nur Namen Ich fragte nach dem
Mein Lohnlaquai nannte mir die
Rhabarber-Pflanze und die Chinawurzel. —
105
Ich wählte das letztere und liätte es nicht besser treffen können; denn an der Hausthüre lehnte ein Bedienter, dessen mir nur allzubekannte Livree mich sogleich verständigte, dafs er dem Herrn angehöre , den ich suchte. Er bestätigte es, und w a r so flink in seinem Dienste, dafs er dem Baron die Ankunft der Schreibtafel schon gemeldet h a t t e , als ich noch auf der Treppe w a r . Kaum hatte ich meinen Staubmantel abgeworfen, so trat dieser auch schon in mein Zimmer — eine Figur von dem edelsten Anstände, ein offenes — liebreiches — verständiges Gesicht — so einnehmend und munter in seiner U n t e r h a l t u n g , w i e es nur ein Deutscher seyn k a n n , den gute Gesellschaften und Reisen gebildet haben. Ich w u f s t e nicht gleich, nach was ich zuerst greifen sollte, um ihm eine bessere Meinung von mir beizubringen, als ich selbst hatte — machte Entschuldigungen 'iber den A u f z u g , in dem er mich träfe —
hätte zwei Nächte nicht geschlafen — und k ä m e — das w a r es eigentlich, wodurch ich mir ein Ansehen bei ihm erbetteln wollte — von der Bastide meines vertrautesten Freundes, des Marquis von St. Sauveur, dessen Vermählung ich als der einzige Gast beigewohnt hätte. In der That traf ich es hier wieder so gut d a m i t , w i e bei Herrn Filbert. Er kannte den Brigadier — wünschte mir Glück zu seiner Freundschaft— und hörte mit innigem Antheil mein enthusiastisches Lob über seine Gemaliii. „Es ist wohl S c h a d e , " sagte e r , „dafs Sie ihm nicht auf sein Stainmgut haben folgen können. Dort würden Sie ihn als einen kleinen Fürsten bewundert haben, der alles das leistet, was man oft umsonst von dem gröfsten erwartet." Ich ging nun nicht ohne Herzklopfen zu dem Hauptgeschäft ü b e r , das ich mit ihm abzuthun hatte. — Er machte es mir sehr leicht — nahm alles, w a s ich über meine hitzige Krank-
107
heit — nachherige Erschlaffung —
und
verordnete Zerstreuung zu meiner Rechtfertigung herausstotterte — f ü r gültig an, und f o r d e r t e ,
ehe ich ihm noch seinen
Verlust einhändigte — Feder und Tinte, uin durch ein Billet an den Kriininal-Gerichts-Pväsidenten, den armen Puppenspielern noch vor Nacht ihre Freiheit zu verschaffen.
„ E s ist nicht meine Schuld,"
sagte e r , ,,dafs die guten Leute in Ketten liegen.
Sie w u r d e n z w a r auf meine An-
zeige in den Zeitungen — nach der Livree, die sie trugen — eingezogen;
doch ihre
eigene Aussage in dein V e r h ö r , dafs man m i t jedem besonders
anstellte,
sie hauptsächlich verdächtig. ten ganz den Kopf
machte
Sie mufs-
verloren haben. —
Dafs sich der eine P r o l o g u s , der andere Epilogus n a n n t e , lern h i n g e h e n ;
liefs man Puppenspieals sie aber den Herrn,
der sie gekleidet, ben s o l l t e n ,
angeben u n d beschrei-
standen beide mit einander
in geradem Widerspruch. —
Der eine
ioö n a n n t e Sie so,
der andere s o ,
k o n n t e nur versichern,
und ich
dafs kein Edel-
mann in ganz Deutschland einen so kauderwelschen Namen führe.
Der älteste
Bruder sagte a u s , Sie wären in Avignon eines Kirchenraubes wegen arretirt worden — der j ü n g s t e , Sie hätten die heilige Dreifaltigkeit in einem Kamin
entdeckt.'
— Man fragte nach ihrem Abschiede, sie hatten
keinen
aufzuweisen.
Ihr
Herr
w ä r e durch ein W u n d e r aus Avignon entkommen —
zu Lambesk h ä t t e n sie die
Schreibtafel in einer verborgenen Tasche gefunden — und dem Herrn sogleich in Verwahrung gegeben — der es vermuthlich vergessen, sie dem E i g e n t h ü m e r auszuliefern , und bei ihrem Abgang in Begriff gestanden h ä t t e , zu gehen.
in sein Vaterland
Diese widersprechenden Aus-
sagen , die alle Stunden einen neueu tollen Zusatz erhielten , erbot sich doch jeder Bruder zu b e s c h w ö r e n — dabei sahen sie sich vor Gerichte so scheu u m , wie das
böse Gewissen. lich i s t ,
Die F r a u , wenn es mög-
bezeigte sich noch verwirrter.
Sie deklamirte in leeren nichts sagenden Phrasen ihre Vertheidigung, und rief unaufhörlich in dem Gefängnisse und vor dem T r i b u n a l :
„ Ach mein Theseus ! —
w o bist du h i n , Doch w a r sie es,
mein Theseus ? "
die den Brief an den
deutschen Baron in dem heiligen schrieb,
—
Geist
ohne Hoffnung zwar ihn anzu-
treffen, u n d den ich sogleich durch eine Stafette abschickte.
Mir fing selbst an
bange f ü r den Ausgang zu werden.
Ich
hielt sie zwar sehr richtig f ü r Narren — verschob jcdoch mein Urtlieil über den Verdacht,
dem sie blofs standen.
T r i b u n a l hingegen hielt sie
Das
hinlänglich
f ü r überwiesen, und ohne meine Gegenvorstellung hätten die Question erlitten. Schelmen
sie
ordinaire
vielleicht et
schon
extraordinaire
Es t h u t mir leid, dafs den armen ihre
Ehrlichkeit so übel be-
lohnt worden ist.
Dafs mich ihre Un-
110 s c h u l d jetzt mehr f r e u t , als Schreibtafel, Venus
und B r i e f ,
die ich
eins w i e das
andere f ü r verloren h i e l t , können Sie nur w o h l zutrauen.
Ich bin g l ü c k l i c h , dafs
meiner über die
Zeit
reise n u n
mehr
nichts
verschobenen A b im
Denn vielleicht wissen Sie
Wege
steht.
schon ,
mein
H e r r , dafs mich in D e u t s c h l a n d eine lieb e n s w ü r d i g e B r a u t mit S e h n s u c h t erwartet,
uin
so viel
ter Brief i h r bestimmt , auf
ein
und
Gut
w e i t entgegen lichkeit,
mit
gen sehen wenig."
Tag
letz-
Ankunft
hat ,
inir
Tante
sechs
Meilen
z u kommen.
Die
Ängst-
der sie mir sonach entgebeklemmt
Brauche
Eduard,
wohl
zählung
anzustreichen,
Stich
da mein meiner
sie gebeten
ihrer
mul's,
—
mehr,
den
mich
ich
die Stellen
Dir,
nicht lieber
in dieser Er-
die
mir
einen
nach dem andern ins Herz gaben.
I c h erduldete sie ohne M u r r e n , gerechte
Züchtigung
w o r t l i c h e n Leichtsinns.
meines
als eine unverant-
Kleinmüthig zog
111
ich das anvertraute G u t aus der Tasche, aber wie ich es dem Eigenthümer einhändigte , brachten mich die Vorklagen, die ich beifügen wollte, in eine neue Verlegenheit.
Auch diese schlug er s o f o r t
als ein Mann von W e l t nieder.
E r öff-
nete die Schreibtafel, besah mit wahren Kenneraugen Klärchens Bild und überlas lächelnd mein Epigramm auf der Hinterseite.
Die Gelegenheit w a r zu g u t ,
um
ihm nicht die Veränderung bekannt zu m a c h e n , die seitdem
mit dem
Original
vorgegangen sei, und durch welches Ungefähr
ich
hätte.
,,Nur h e u t e ?
heute
ihr
Gefolg
verstärkt
das ist g l ü c k l i c h ! "
sagte er ein wenig ironisch, (vermuthlich hat der P r o - und Epilogus eins u n d das andere zu Protokoll gegeben, was er Anstand n a h m , mir gerade in das Gesicht zu sagen.)
„Also an Lord Baltimore verhei-
rathet?
Nun da ist sie in den rechten
Händen,"
schlug er ein lautes
Lachen
auf — ,,ich kenne den alten Schwärmer
112
u n d seine abgeschmackten Versuche f ü r einen T e x t , über den unser kluges und erfahrnes Klärchen ihn in einer Stunde mehr lehren w ü r d e als alle die abgesetzten Lady's, die ihren T r i u m p h w a g e n begleiten.
Wer w e i f s ,
ob sie ihn
nicht
wieder zum Glauben an weibliche
Tu-
gend bekehrt, u n d seine E r f a h r u n g s - und Seelenkunde mit einem P h ä n o m e n
berei-
c h e r t , dem er bis jetzt umsonst nachgeforscht hat.
W i e w i r d sie die Unbefan-
gene spielen — ihn schon von weitem kommen sehen,
w ä h r e n d er seine Expe-
rimente f ü r die ersten h ä l t , blofs steht.
denen sie
Die Reise nach Spanien ist
gewils ihr Werk. —
Dort,
wo
keine
Seele sie k e n n t , wird sie ihm noch lange, ehe sie in den hintersten Wagen versetzt w i r d , f ü r den Stein der Weisen gelten, den
er
sucht." —
Mundkochs. —
Ich
erwähnte
des
,,Den allein , " sagte er,
w ü n s c h t e ich von der säubern Gesellschaft zu sprechen.
Der Ehreninanu hatte mich
n3 vor einiger Zeit, wie mir mein Kammerdiener vertraut h a t ,
in einein schimpfli-
chen V e r d a c h t ,
und seine liebe Nichte,
der
alles Böse an den
er damals
Hals
wünschte, in einem noch schimpflichem." — „Diese U n g e r e c h t i g k e i t , " fiel ich dem Baron ins W o r t ,
,,bereut er jetzt gegen
beide von Herzen, seitdem er einen unverwerflichen Zeugen Ihrer blofs artistischen Verhältnisse mit seiner Nichte — den Herrn Le Sauve gesprochen h a t , der die Schöne so oft unter Ihren Augen u n d in der Lage gemalt h a t , die Sie dem Modell gaben." — Der Baron verfiel in ein kleines Nachdenken , das ihn glücklicherweise verhinderte, die brennende Schamrötlie zu s e h e n , die mir in das Gesicht trat —
denn siehe n u r , ehe ich mich
dessen v e r s a h ,
fiel
Stimmhammer,
bei
•scheiterte,
mir dem
der
verfluchte
meine
Kunst
u n d die geweihte F a r b e ein,
die ich verschüttete. —
, , 0 hätte ich,"
erwachte der Baron wie aus einem T r a u m , Th. w. VI. Th.
8
n4 „das schöne Geschöpf noch so unmündig an Kenntnissen und Jahren gefunden, als da
Herr
inachte,
Ducliquet
ihre
Bekanntschaft
keine Seele w ü r d e jetzt gegen
die W a h l einwenden
des Lords etwas können.
So
gegründetes
aber w a r sie
schon ganz verloren, als ich sie kennen lernte — n u r f ü r die Kunst des
Malers
nicht. Ihre trügerische Aufsenseite konnte schon keinen mehr betrügen, dem es nicht ganz an sittlichem Gefühl und gesunden Augen f e h l t e , wenn er nicht wie Baltim o r e , f ü r sein freigeistiges System mit Blindheit gestraft w a r — am wenigsten ein Herz wie das meinige, das einein fast eben so reizenden — zugleich aber auch dem reinsten und tugendhaftesten w e i b lichen Wesen angehört.
O , meine Karo-
line, mit welchem Wohlbehagen
unver-
letzter Treue w e r d e i c h dir nun bald unter die Augen t r e t e n ! Herr,
ist
Wie belohnend, mein
dieses Bewufstseyn am
Ende
einer Reise, sie m a s einen Weltthcil orl«
das Leben umfassen! " — Lieber Eduard, wenn Du mir die glühenden Zangen der Beschämung, die mich bei jedem dieser Worte zwickten, nachfühlen müfstest — ich würde Dich herzlich bedauern. Da mochte ich mich doch auf die eine oder die andere Seite des Prangers stellen, den der Baron Kliirchens Liebhabern anwies, so hatte ich keine Ehre davon. Ich bekam eine recht kleine Idee von m i r , die noch nicht vergehen will. Besonders that es meiner Eigenliebe w e h , dafs hier zwei Deutsche in so verschiedenem Lichte einander gegenüber safsen. Ich konnte mir nicht verbergen, dafs diesem jungen, blühenden , artigen Manne das Reisen viel besser zugeschlagen s e i , als mir. Mich, glaube i c h , hat er auf den ersten Blick weg gehabt. Sagte er nicht oben, ich wisse vielleicht schon, dafs er eine Braut habe — und würde er wohl mit der Huldigung seiner Karoline so laut gewesen seyn, wenn er mir nicht schon angesehen
116 h ä t t e , dafs mir der
Inhalt des Briefs in
der Schreibtafel so b e k a n n t w ä r e , als ihm selbst ? W a s könnt' ich in dieser Ü b e r z e u g u n g klügeres t h u n , als den V o r w ü r f e n , denen ich nicht a u s z u w e i c h e n vermochte, offen
entgegen z u
Herr B a r o n , "
gehen?
stoppelte
,,Ich merke,
i c h meine ver-
schämten W o r t e zusammen, „ d a f s Sie voraussetzen ,
ich
habe
mich von dem Ge-
heimnisse Ihres Herzens auf eine A r t unt e r r i c h t e t , die grofse E n t s c h u l d i g u n g bedarf.
W a s mir eigentlich n ö t h i g w a r um
den E i g e n t h ü m e r des G e f u n d e n e n aufzusuchen ,
konnte
sagen —
das seh* ich j e t z t r e c h t g u t ein
—
inir schon
und dennoch . . . "
meines Freundes " — —
die Adresse
„ W e n n der Brief unterbrach er mich
„ I h n e n die Z e i t v e r k ü r z t h a t , so h a t
er seine A b s i c h t doppelt erfüllt, und es ist mir l i e b ,
dafs Sie ihn l a s e n " —
auch a b g e s c h r i e b e n ? " fragte ich. —
,>Und „Ja,
auch d a s ! " a n t w o r t e t e er lächelnd. „ H ä t t e er ihn im E r n s t g e s c h r i e b e n ,
so viel er
ii7 übrigens auch W a h r e s e n t h ä l t , so dürfte ich w o h l hoffen, i h n bald genug zu überführen , w i e Unrecht er m i r und dem guten Geschmack gethan — und w i e voreil i g er die Aufschrift über dem P o r t a l e meines
Landhauses
kritisirt h a t . " —
Ich
könnte nun mit g u t e m Gewissen und an keinem s c h i c k l i c h e m
Orte als h i e r den
Brief über oder gegen den guten Geschmack, w o v o n ich Dir bereits in meinein verbrannten Tagebuche hatte,
den
Anfang
ganz einschieben.
mitgetheilt
Er w ü r d e Dir
zum bessern Verständnifs der S a c h e , auf die sich die W i d e r l e g u n g des Barons bezieht — mir aber als eine A n l e i t u n g dienen,
die Verdienste meines L a n d s m a n n s
in ein noch schöneres L i c h t zu ^etzen — aber
ich w ü r d e n u r dadurch den Faden
meiner E r z ä h l u n g , die doch auch bedacht seyn w i l l , verlieren.
G e n u g , Du sollst
nicht darum k o m m e n , u n d sollte ich Dir ihn in einem besonderen F u t t e r a l mitbringen. — » I c h schmeichele m i r , " f u h r der
Baron mit sichtbarer innerer Zufriedenheit f o r t , dafs ich die Zeit meiner Abwesenheit in fremden Ländern nicht so gar übel f ü r meinen künftigen A u f e n t h a l t im Vaterlande und f ü r das Glück meiner Erwählten angelegt habe.
Die Kenntnifs der
grofsen Welt mufs vorausgehen, um durch Vergleichung sein häusliches Glück desto schmackhafter zu machen — so wie man nach einigem Genufs sehr feiner Gerichte gern wieder zu einer kräftigen Hausmannskost zurückkehrt. —
Auch mein Kunst-
gefühl soll mir hoffentlich so viele Freude gewähren, als meinen Nachharn ihre ruhige Ignoranz.
Die Leuchter — die Vaseri
von griechischer F o r m , denke i c h , sollen mir so wenig im Wege stehen als ehemals den Griechen — eine Venus von Titian w i r d meinem Auge immer einen so angenehmen R u h e p u n k t verschaffen,
als das
freundlichste Gesicht einer Dorfnymjihe, und
Lady
Baltimore
in ihrer
schönen
Nacktheit, w o mich jeder rinselstricli an
das Original erinnert, besser als noch jene G ö t t i n , der man aufser ihrem Reiz auch nicht viel Gutes nachsagen kann.
Da Sie
Kl'ärchen, wie ich gehört h a b e ,
persön-
lich k e n n e n , müssen Sie nicht eingesteh e n , mein H e r r , dafs ihr Anblick minder noch wollüstige Begierden erweckt,
als
edle und erhabne Gedanken, die n u r durch die Ungestalt der Seele zurückgestofsen w e r d e n , die den herrlichen Bau, wie die Kröte einen T e m p e l , bewohnt.
Haben
Sie wohl je Nevisans Gedichte und die dreiisig Bedingungen gelesen,
die er zu
einer vollkommenen Schönheit f o r d e r t ? " — „Ja, " antwortete ich, ,,ich habe diese Stelle
erst
kürzlich
für
Freunde abgeschrieben." —
einen
meiner
„Und ich,"
erwiederte der Baron , „ h a b e noch mehr gethan — habe sie, das Buch in der Hand, durch Klärchens Vermittelung mit der Nat u r selbst — jedes rohe W o r t des Dichters mit dem feinen Reiz verglichen, den es anzeigt — sie alle an dem schönen
120
Mädchen beisammen, aber durch das lebendige Kolorit — durch die A b s t u f u n g des Schattens und Lichts — durch die Schlangenlinien,
die sie vereinigen,
ungleich
anziehender, und hier den Ausdruck der N a t u r unendlich poetischer g e f u n d e n , als den Dichter.
Hauchen Sie n u n einer so
sinnlich vollkoinmnen Gestalt Selbstschätzung und Tugend e i n ,
und Sie haben
das anbetungswürdigste Ideal weiblicher Schönheit und Würde.
Ich will Ihnen
aus meinem Portefeuille ein Blatt holen, worauf ich die Physiognomie dieses Mädchens nach verschiedenen Ansichten, Nonne — Heilige —
Betende —
als Ent-
zückte u n d als einen Engel geätzt habe. W ä r e die Zeichnung —
wie sie es frei-
lich nicht ist — von einer Meisterhand — von der Hand eines Raphael oder Battoni, Sie w ü r d e n nicht läugnen dieses zur Venus
können,
so geschickte
dafs
Modell
unter allen Gestalten denselben Eindruck machen würde.
W a s kann uns aber einen
121
h o h e m Begriff von der Allgewalt der Unschuld und Tugend auf das menschliche Herz geben, als dafs es selbst in seiner Verdorbenheit durch nichts so stark als durch eine Bildung angezogen w i r d ,
in
welcher die Anlagen dazu gezeichnet sind, und selbst die gröfste V e r f ü h r e r i n , w e n n sie am unwiderstehlichsten
zu verlocken
t r a c h t e t , wider Willen zu dieser Maske ihre Z u f l u c h t nehmen m u f s . " W ä h r e n d der Baron in seinem Zimmer die edeln Gesichtszüge der jetzigen Lady Baltimore a u f s u c h t e , kam sein Bursche mit der Nachricht z u r ü c k ,
dafs meine ehe-
maligen Bedienten . . .
Nein — f u h r es
mir so w ü t h e n d durch den Kopf, ich vom Stuhle a u f s p r a n g ,
auf ihn zu hören — der P r o l o g u s , ihr als Teufel erschien —
dafs
ohne weiter der
der Epilogus,
in dessen Bette sie flüchtete — die beiden Grenadiere,
die sie
mir
boshafter
Weise in Avignon vor die T h ü r stellte — die armen Unglücklichen,
die in Ketten
I Ü2.
l a g e n , während der Propst sie in
integrum
restituirte — Duclicjuet sie einsegnete — diese Unschuldigen sind es, die in d e r s e l b e n Wacht erfroren aus einem feuchten
Kerker
kriechen,
in
der,
wenig
Schritte von i h n e n , jener Sünderin alle Freuden der N a t u r zu Befehl s t e h e n , u n d ein Lord in schwärmender Andacht
den
unheiligen Busen k ü f s t , an den von Ewigkeit her das böse Schicksal zweier gutmüthiger Puppenspieler
gebunden
war!
Diese Betrachtungen jagten mich die Stube auf und a b , und ich konnte mich nicht eher wieder fassen, bis der Baron hereintrat und nun — der Bediente seinem Herrn viele Grüfse von dem Kriminal-Gerichts Präsidenten ausrichtete und die f r o h e Nachricht wiederholte,
dafs die beiden
Brüder und ihre Gesellschafterin des Gefängnisses entlassen wären. W i r wünschten gegenseitig zum Ausgange dieses verw o r r e n e n Handels einander Glück,
setz-
ten uns zusammen an einen T i s c h ,
und
123
fingen nun an nach allen Regeln Lavaters gemeinschaftlich unschuldigen
die
schönen,
offenen,
und rührenden Liniamente
zu entwickeln, hinter welche die Mutter N a t u r ein so häfsliches — heuchlerisches — frechcs —
und veihuhltes
Herz ver-
borgen h a t t e , als H e r r D u c l i q u e t zu seiner Bearbeitung nur
eins verlangen
konnte.
Ich lege Dir zwei von den radirten Exemplaren b e i ,
die mir der Verfertiger zum
Vertheilen unter meine F r e u n d e verehrt hat.
E w i g S c h a d e , dafs meine geheimen
Nachrichten von ihr in der Asche l i e g e n ! — W i e würden
sie
nicht den
Kupfer-
stich unterstützt haben ! Indefs ist es doch g u t , dafs ich allen d e n e n ,
die etwa von
meinen Thorheiten hören sollten — (denn w a s verschwatzt sich n i c h t ! ) diese betrügende P h y s i o g n o m i e vorhalten k a n n , mit der B i t t e , sich zum vollständigeren Beweis meiner R e c h t f e r t i g u n g vel
quasi,
noch
die jugendlichste F a r b e — die rührendste Karnation — die sonorischste Stimme und
jenen lebhaften F r o h s i n n
hinzuzudenken,
der dem Original eigen ist.
W e r alsdann
noch anstehen k a n n , mich loszusprechen, mufs entweder die Enthaltsamkeit eines Patriarchen — eine Braut zu Hause — oder ein versteintes Herz haben. Eine Bekanntschaft, wie die ineine mit dein Baron w a r — und von so kurzer Zeit h e r , dafs inzwischen die Sonne weder einmal a u f - noch untergegangen ist — sollte man denken, müsse sich eben so kurz abbrechen lassen; eine
aber w i r beide machten
seltene Ausnahme
wöhnlichen Falle,
von diesem ge-
iir sah es mir an, wie
sein Händedruck zum Abschiede mir an das Herz t r a t , und E r — „ W a r t e t e unterw e g e s , " sagte er, „ n i c h t e i n e Geliebte auf m i c h , so wollte ich auf Sie w a r t e n , um Ihnen zu beweisen, dafs jedes Land gleichen W e r t h f ü r mich h a t ,
das mir die
Aussicht g i e b t , einen Freund mehr zu gewinnen.
Ich reise als ein Liebhaber, Tag
und Nacht, dem Gegenstande meiner Wiin-
sehe entgegen. — Sie — als ein Neugieriger, der in seinem Vaterlande nichts zu versäumen h a t , dem kein Umweg etwas kostet, Ihnen darf ich bei solchen Verhältnissen ja wohl, über der französischen Glänze, noch einen vorschlagen, der vielleicht so viel vverth i s t , als jeder andere, den Sie gemacht haben. Sie sind Zeuge von der gegenseitigen Überraschung zweier Liebender gewesen, denen für einander bange w a r , und die w i r nun in diesem Reiche unstreitig für die glücklichsten halten können. W ä r e es aber nicht, schon der Vergleichung w e g e n , Ihrer Mühe w e r t b , nun auch ein paar gute deutsche Herzen aufzusuchen und zu beobachten, die längst mit einander einig, sich doch trennten, nur um durch eine von Posttag zu Posttagte immer höher steigende Erwaro t u n g , der Magie der Liebe einen Reiz mehr zu geben.
Ich w i l l das System un-
sers gemeinschaftlichen
Freundes nicht
tadeln; aber ich halte mich an das mei-
125
nige.
Die Seligkeit ist gleich — obschon
die verschiedenen W e g e d a h i n ihre eigenen Vorzüge haben.
Ich nahm seine Einla-
dung m i t Vergnügen an.
Er nannte mü-
den zu seiner Verbindung mit bestimmten Tag. meinein
Karolinen
W ä h r e n d ich ihn
Musenalmanach
seufzend überlegte,
anstrich,
w e n n doch
in und
einmal
mein Glücksstern ein solches Kalenderzeichen erhalten w ü r d e , ron
h a t t e sich der Ba-
fortgeschlichen.
Um ihn heute nicht w e i t e r zu stören — da es schon über M i t t e r n a c h t ist — übert r u g ich B a s t i a n e n , i h n morgen f r ü h bei seiner Abreise nochmals meiner Hochacht u n g — Dankbarkeit und besten W ü n s c h e z u versichern.
Gott sei Dank f ü r die. Ge-
w i f s h e i t , m i t der ich nun zu Bette gehe, dafs keine menschliche w e g e n leidet.
Kreatur meinet-
So darf ich auch wieder
e i n m a l a u f eine vollkommen r u h i g e Nacht r e c h n e n — u n d a c h , auf noch mehrere; denn seit einigen Tagen hat sich doch
iü7 vieles,
w a s m i c h insgeheim d r ü c k t e , ge-
hoben!
Mein a r m e r L e h r m e i s t e r , f ü r d e n
ich n o c h i m m e r hatte,
ist,
wider
die alte A n h ä n g l i c h k e i t alles E r w a r t e n ,
u n d reich g e w o r d e n .
klug
Klärchen —
fast
n o c h u n b e g r e i f l i c h e r — ist u n t e r die Haub e g e b r a c h t . Die P u p p e n s p i e l e r sind i h r e r t o l l e n W i r t h s c h a f t w i e d e r g e g e b e n , u n d die fatale Sucht,
eine Heilige z u entdecken,
h a t seit A g a t h e n s B e k a n n t s c h a f t sich glücklich bei mir verloren — ist m i r sogar z u m Ekel g e w o r d e n ,
da
ich aus B a l t i m o r e s
Beispiel g e w a h r g e w o r d e n b i n , w a s solche S t u d i e n ain E n d e a b w e r f e n .
Welch
ein behagliches G e f ü h l g e w ä h r t d o c h ein erleichtertes H e r z !
Bei der R ü c k k e h r ins
V a t e r l a n d k a n n m a n g e w i f s k e i n e n angen e h m e m Begleiter h a b e n .
M o n t p e l l i e r den 27. F e b r u a r .
I c h e r w a c h t e w i e eine U n k e , der e i n S o n nenstral in den R ü c k e n fällt. Elektra
Die beiden
Puppenspieler
und
meinem B e t t e ,
und benetzten meine her-
knieten
vor
unterhängende Hand mit heil'sen T h r ä n e n . Warum
w a r mir
doch ihre D a n k b a r k e i t
so ü b e l l ä s t i g ? w e i l ich — mochte ich mir k a u m gestehen — hatte. —
sie so w e n i g
verdient
, , G e h t , g e h t , Ihr guten K i n d e r ! "
suchte ich sie v o n mir a b z u w e h r e n
—
„ E u e r gerührtes Herz w i r f t mir aufs bitterste meinen
Leichtsinn v o r ,
der E u c h
in Ketten und Banden gebracht hat. Schmerzengeld Euren
und
Entschädigung
Jahrmarktsverlust
will
ich
Uber für mich
sogleich mit E u c h berechnen —
und dafs
mir die Prozefskosten z u f a l l e n ,
versteht
sich o h n e h i n . " erwiederte
„ D i e s e , mein lieber Herr,"
der E p i l o g u s ,
Baron bereits
„ h a t der Herr
an einen Banijuier gevvie-
seil,
der d a f ü r h a f t e t .
W o l l e n S i e den-
n o c h ein Ü b r i g e s t h u n , s o g e w ä h r e n S i e u n s die B i t t e ,
dafs wir heute das Theater
m i t der Vorstellung unsers tragischen Zufalls eröffnen und dafs w i r " — f r a g t e ich — „ u n t e r tung
in
einer
„Nun? "
dreifacher Beleuch-
glänzenden Apotheose
S i e , t h c u e r s t e r H e r r , als den deus ex
china
—
ma-
v o r s t e l l e n — in I h r e m g e w ö h n l i c h e n
Kostüme—
w i e wir's kennen " —
Ihr t o l l , lieben K i n d e r ? " Höhe — einige
„Seid
f u h r i c h in die
„ D o c h " — nachdem ich mich
Augenblicke
„meinetwegen —
besonnen
hatte
—
W e n n Ihr g l a u b t , dafs
es z u E u r e m V o r t h e i l s e y n k a n n , s o stellt m i c h a u s , a u f w e l c h e A r t es E u c h b e l i e b t . Die L e u t e ,
m i t denen i c h h i e r e t w a Be-
kanntschaft mache, kommen doch schwerl i c h in E u r e B o u t i q u e . "
Sie sahen,
dafs
mir angst und b a n g e im Bette w a r d ,
und
trollten sich fort.
G l e i c h d a r a u f k a m Ba-
s t i a n h e r e i n , d e m d i e G e s e l l s c h a f t a u f der Treppe begegnet w a r , Th. w .
v i . Th.
und freundschaft9
lieh ein Freibillet verehrte — Erlaubniis,
dieser
beizuwohnen, ertheilte.
E r b a t uin
Comedie
larmoyante
die ich ihm herzlich gern
D i e N a c h r i c h t , die er mir v o n
der Abreise des Barons b r a c h t e , ungleich
interessanter.
Sein
w a r mir Bedienter,
der mit dem K o f f e r v o r a u s w a r , hatte das Portefeuille vergessen,
das seit
gestern
Abends auf meinem S t u h l e liegen geblieben w a r . nach,
Bastian fand und t r u g es ihm noch
schlummerte.
erzählte er mir —
in dem Post-
während
A l s er —
ich
h o f ankam , w a r eben der L o r d im Begriff, m i t seinen f ü n f E q u i p a g e n aufzubrechen. E r erkannte den Baron als einen alten guten
Bekannten,
und glaubte i h m etwas
recht neues in seiner j u n g e n F r a u v o r z u stellen.
Die L a d y s t u t z t e ,
Baron,
als
sie den
und hinter i h m einen Bedienten
lfiit dem
w o h l b e k a n n t e n P o r t e f e u i l l e uud
der S c h r e i b t a f e l , so nahe b e i ihrem Gemal sah —
doch
der
artige Deutsche freute
sich so u n g e z w u n g e n über die Ehre ihrer
i3i B e k a n n t s c h a f t , u n d liels vor ihren Augen Portefeuille und Schreibtafel in die W a gentasche stecken,
dafs ihr M a t h bald
wieder zurückkam; indefs beging er doch in ihrer
die kleine Bosheit, den Lord zu f r a g e n ,
Gegenwart
ob er endlich das
•Resultat seiner vieljährigen Studien gefunden h ä t t e ? —
J a , a n t w o r t e t e der Phi-
losoph mit grofser Selbstzufriedenheit und so strahlenden A u g e n , Gemalin
dafs seine junge
die ihrigen äufserst
verschämt
niederschlug, und r o t h ward bis über die Ohren.
Der Lord w a r viel zu scharf-
sichtig, als dafs ihm das Hinunelszeichen h ä t t e entgehen sollen,
das j u n g e n , erst
kürzlich verheiratheten Weibern so gut steht.
Jlc
bien,
klopfte er dem Baron
auf die Achsel, qu'en dites-vousl die Dame
trippelte
Triuinphirend
hob
nach er sie
schwang sich ihr nach.
dem
Aber Wagen.
hinein,
und
Lieber Gott, ver-
gieb mir die F r a g e ! —
aber was soll
man zu deinen Anstalten sagen,
wenn
*52
man sieht,
dafs sogar die Angst des bö-
sen Gewissens eine F r a u in den Augen i h r e s betrogenen Ehemanns noch verschön e r t ? Der Baron nahm jetzt den Propheten - W i r t h so lange auf die S e i t e , bis Her letzte W a g e n v o r f u h r , ernstlich mit ihm. stieg,
und sprach sehr
Ehe er in den seinigen
legte er Bastianen in den Mund,
w a s er mir von diesem komischen A u f t r i t t erzählen sollte.
Seine geheimen Gedan-
ken dabei w o l l t e er mir aufheben , bis ich zu ihm käme.
Alles recht schön , w e n n
n u r der g u t e Mann es seit einer S t u n d e nicht ein w e n i g bei mir verschüttet h ä t t e ! Seine Grolsmuth gegen die Puppenspieler ist nicht viel besser als eine Beleidigung f ü r mich.
Prozelskosten soll ihm doch
seine Schreibtafel nicht
zuziehen,
und
w e n n ich sein Hochzeitgast seyn soll, haben w i r uns erst darüber zu verständigen. Mufst Du mir nicht hierin Recht geben, Eduard ? Ob ich gleich keiner Braut nachzurennen
h a b e , w e r d e ich es doch nicht lange hier aushalten.
Die M e r k w ü r d i g k e i t e n in den
Ringmauern
der Stadt haben nicht sehr
viel anziehendes f ü r m i c h , ob ich ihnen gleich ihr grofses Verdienst nicht abläugnen
will.
Sie sind gerade s o , w i e sie
sich f ü r den berühmtesten Stapelort der Du findest verschie-
Medicin schicken.
dene Theater hier —
aber n u r anatomi-
sche und c h i r u r g i s c h e — und die herumliegenden
Gärten sind w e d e r franzö-
sische noch englische — sondern botanische. — sich
Die engen Gassen verschlingen
in einander
wie
einem menschlichen Thülen
die Gedärme
Körper.
in
Aus allen
und Fenstern tritt Dir ein Apo-
t h e k e r - G e r u c h entgegen — und auf dem Markte liegen
Skelete,
die man bleicht.
Diese auf das höchste irdische Gut — auf Gesundheit
und Leben — berechne-
ten Anstalten machten — ich w i l l nicht sageu meine Hypochondrie — aber doch eine gewisse Besorgnifs f ü r meinen kör
perlichen Wohlstand rege, der ich mit allem (1cm Ernst nachging, den die Sache verdient.
Ich habe die Regel, die mich
in jüngern Jahren auf mehrere Universitäten geleitet hat — von jeder etwas mitzunehmen, wodurch sie sich vor andern auszeichnet,
eben so p r o b a t auf ineinen
Reisen gefunden.
In Strafsburg kaufte
ich eine kaltePastete und S t r o h w e i n — in Nancy eingemachte Johannisbeeren ohne Körner — zu Auxerre ein Taschenmesser — in Niines seidne Strümpfe — und ich könnte Montpellier verlassen , ohne mich mit dem Rathe eines der grofsen Arzte zu versorgen, die hier von ihrem T h r o n aus ihren Zepter über den halben Erdkreis erstrecken?
W ü r d e ich nicht diese
Yersäumnil's zu spät bereuen , wenn mich einmal eine von den ein und dreifsig tausend Krankheiten, die, wie ich gelesen h a b e , dein menschlichen L e b e n , wie die furchtbarste Armee, gegenüber stehen, zu Boden schlüge? da sie vielleicht heute
noch
Hand
eines
Ä s k u l a p im Keim zu ersticken w ä r e .
durch
die
geschickte
We-
nigstens w i l l ich m i r d o c h
endlich Ge-
wil'sheit ü b e r den Stein in der L e b e r verschaffen , mit dem mich vor z w e i J a h r e n D. Kämpf so g e w a l t i g erschreckt h a t . Gesunden
mag
es f r e i l i c h a u f f a l l e n ,
dafs hier keine W a a r e
verfertigt
wird,
die n i c h t Bezug auf die V e r f e i n e r u n g der W a f f e n h a t , ü b e r die M o l i e r e , dem A u g e n b l i c k e ,
als i h n ,
s t e l l u n g des Malade nendes
Beispiel!
n a h m — seinen gegossen — — f i n d e n ist — Bader —
imaginairc, der
selbst in
bei der Vorein w a r -
Tod beim
Worte
freieeistigen S p o t t ausdafs h i e r
wo
kein H a u s zu
nicht Droguisten
Professoren
und
Schüler
— der
H e i l k u n d e w o h n e n — dafs m a n selbst i n Gasthöfen
nur
Kräutersuppen
bekommt,
und
sogar
zu
essen
das hiesige Meer,
n a c h meiner B e m e r k u n g von h e u t e Mittag, keine A u s t e r n
darbringt,
die n i c h t m i t
kleinen Seespinnen w i e m i t S c h r ö p f k ö p f e n
i3 6 b e s e t z t und mit S e d a t i v - S a l z gert w ä r e n .
geschwän-
Aber einem Kranken erschei-
nen diese U m s t ä n d e u n t e r einer ganz andern Gestalt.
E r f a f s t Z u t r a u e n zu einein
solchen so r e i c h a u s g e s t a t t e t e n O r t e , u n d hofft auf den b a l s a m i s c h e n D ü n s t e n , er a u s s t r ö m t ,
noch
einige J a h r e
die
weiter
zu s c h w i m m e n . Nach
diesem
mich
gegen
Selbstgespräche d r e h t e i c h den L o h n l a q u a i
nach dem b e r ü h m t e s t e n
und
fragte,
hiesigen
Arzte.
„ D a s i s t , " a n t w o r t e t e der M e n s c h ,
„un-
streitig D o k t o r Mellin, der auf dem M a r k t e wohnt,
u m seine
Bleiche in A u g e n zu
haben.
Kein K r a n k e r k o m m t
hier
an,
d e r sich n i c h t seines R a t h s b e d i e n t , u n d kein neugieriger F r e m d e r reist d u r c h M o n t pellier, den
der n i c h t
er in
den
Tempel
seinem Hause der
s c h a f t errichtet h a t . "
besucht, Freund-
E i n sentimenta-
l i s c h e r Z u g p u t z t d o c h jedes
Menschen-
gesicht schon
Ich fafste
von weitem.
schon das b e s t e V o r u r t h e i l f ü r den M a n n ,
»37
che ich ihn sah , und liefs mich von dem S c h w e i f s , der mir über das Gesicht lief, nicht a b h a l t e n ,
i h m zu g e f a l l e n ,
zwei
schon einmal durchkeuchte Strafseil wieder zurück nach seinem Hause zu keuchen. Es ging mir aber nicht nach
Wunsch,
denn auf mein Anklopfeil rief mir j e m a n d aus dem Fenster z u :
„ d e r Herr Doktor
sei mit ein paar Damen auf den P e y r o u gegangen." —
„ W a s ist das f ü r eine
G e l e g e n h e i t ? " f r a g t e ich ganz schachmatt meinen Begleiter. —
»»Ein L u s t p l a t z , "
w a r seine hochtrabende A n t w o r t ,
„auf
dem man vier Königreiche übersehen kann — das sagt" a l l e s . "
„ G u t ! so f ü h r t mich
den nächsten W e g d a h i n . " ich a n l a n g t e , Leben,
das
w o ich
Es w a r , als
erstemal in
meiner
meinem
Müdigkeit
gut
w a r d , u n d meine E r w a r t u n g übertroffen fand.
In der U n g e w i ß h e i t , w o sich mein
Auge zuerst h i n w e n d e n sollte, machte ich den A n f a n g m i t
dem Mittelpunkte
schönen P l a t z e s , auf welchem
des
das Kit-
i38 t e r b i l d L u d e w i g s des V i e r z e h n t e n hervorragte. —
Die S t ä n d e v o n L a n g u e d o c —
las ich im Schweifse meines A n g e s i c h t s an
dein
Fufsgestelle —
gelobten
diefs
Denkmal L u d e w i g dem G r o f s e n bei seinem Leben u n d Tode. —
errichteten
es n a c h
seinem
U n d i c h , ergriff m i c h der bit-
tere G e d a n k e an die arme eiserne Maske, gelobe seinem v e r k a n n t e n B r u d e r , dieser E h r e n p l a t z
mit
mehrerin
dein Rechte
g e b ü h r t — E i n s h u n d e r t J a h r e n a c h seinem
Tode —
und
wendete mich,
um
meine äufsere u n d i n n e r e Hitze zu vers c h n a u f e n , von
diesem n a c h
einem an-
dern , meines Beifalls u n g l e i c h w ü r d i g e r n Monumente — der
nach
dem W a s s e r t e m p e l ,
dem H a u p t e i n g a n g e
sechzehn
marmornen
Kuppel tragen,
gegenüber,
Säulen,
die
mit seine
u m g e b e n , einen grofsen
Behälter bedeckt,
in dem sich die Masse
W a s s e r s s a m m e l t , das i h m auf t h u r m h o hen Arkaden
durch
einen
drei S t u n d e n
langen K a n a l z u g e b r a c h t w i r d .
Malerisch
>3? rauscht es auf den drei freien Seiten des Doms, gleich der Quelle, die ein Monarch von dem ihm zugeflossenen Reichthum wohlthätig unter sein Volk verlaufen läfst — in ein noch gröfseres Becken herab, von da es durch verborgene Röhren in die Stadt geleitet wird. Ich safs so stolz in dieser Rotunde w i e ein Flufsgott unter seinen Nymphen, hörte ihr Plätschern — nahm freundlich die Kühle a u f , die sie mir zufächelten , und würde meine Augen an dem erstaunlich prächtigen Anblick der Wasserleitung, die vor mir l a g , auf das entzückendste geweidet haben, wenn diefs herrliche W e r k , nach einem geraden Lauf von einer Viertelstunde, nicht den Fortgang des überhingleitenden Blicks durch eine schiefe Wendung unterbräche. W i e empörte sich aber erst mein Herz, als mir mein Führer erzählte, dafs diese Krümme durch die schiefe Denkungsart eines der landschaftlichen Deputirten entstanden s e i , denen dieser kostbare Bau
t^! w a r übertragen w o r d e n . dem W e g e ,
Er besafs auf
den der Bogengang
schneiden sollte,
durch-
einen O l - und W e i n -
g a r t e n , an dem seine
niedrige Seele so
fest hi»ig, dafs er die Rechte des Eigenthums auf das u n v e r a n t w o r t l i c h s t e mil'sbrauchte,
und es durch seinen Einflufs
in den B e r a t s c h l a g u n g e n dahin zu leiten w u f s t e , diefs Denkmal einer grofsen Nat i o n , deren u n w ü r d i g e s Mitglied er ist, auf immer zu verunstalten. genug ausgelüftet h a t t e , durch
die
schrecken,
brennende
Als ich mich liefs ich mich
Sonne
nicht
ab-
über die hohen Arkaden —
zwischen den reizendsten Aussichten auf beiden Seiten — bis an den Garten dieses Elenden hinzuschw : eben.
An der
Ecke,
w o der Bogengang sich zu wenden gezwungen
wurde,
war
ein P i l a s t e r —
eine w a h r e Schands'aule f ü r den Ol - und Weinkrämer,
errichtet.
wenigstens dazu,
Ich inachte sie
und schrieb mit Blei-
stift meinen Fluch d a r a n :
1,1 S t i m m s t d u , sein n i e d r i g H e r z zu k r a n k e n , .Natur ! m i t m e i n e n "Wünschen ein ; S o w i i s t tili nie m i t j ä h r l i c h e n S e i n tu^endloses A u g '
W a s seiner u n d a n k b a r e n Ermangelt,
Geschenken
erfreun. Seele
H e i l i g k e i t und
Geist und Geschmack —
Kraft,
das fehl' auch s e i n e m OICj
D a s fehl' auch seinein R e b e n s a f t !
Der Zufall
begünstigte
mich
so
sehr,
dafs ich bei der Z u r ü c k k u n f t von meinem hängenden Spaziergange auf den berühmten Arzt stofsen mul'ste , suchte.
den ich
Der L o h n l a q u a i zeigte mir ihn
schon von weitem.
E r safs in dein Nym-
phentempel zwischen zwei artigen Frauenz i m m e r n , denen e r , G o t t w e i l s , welchen Trost
zusprach. —
Ich liefs inir
eine
Audienz von ihm erbitten, die er mir ungefähr
wie ein grofser Herr bewilligte,
der durch wichtigere Geschäfte zerstreut ist.
Denn während ich ihm meine Ange-
legenheit
vortrug,
schicite er
inehrmal
142
nach dem Sitze, von dem ich ihn aufger u f e n hatte.
E r hörte mir kaum einige
Minuten zu — sah mir in die Augen — befühlte ineinen P u l s , mein Bedenken Leber
und als ich ihm
über den Stein in
vorgelegt hatte —
gerade ins Gesicht.
der
lachte er mir
„ A b e r , lieber Herr
D o k t o r , " bettelte ich ihm vor, „ w o glauben Sie d e n n , dafs es mir f e h l t ?
Ver-
sagen Sie mir nicht Ihren guten R a t h . " „ N e i n , " antwortete e r , „ d e n sollen Sie haben." bestand?
Weifst D u , E d u a r d ,
w o r i n er
In einigen Versen aus einem
französischen L i e d c h e n ,
die er mir vor-
trällerte , und die übersetzt vielleicht so lauten w ü r d e n .
S t a t t ä n g s t l i c h deine U h r z u richten u n d z u putzen, Z u spähn , ob j e d e s Rad leicht 111 das a n d r e greift, Und
frei u m seine S p i n d e l l ä u f t ,
E r i n u n t i e deinen G e i s t , den A u g e n b l i c k zu nutzen, D e r Z e i t , die d i r vorüber s e h w e i f t , D i e schnellen F i t t i g e zu stutzen.
Ich erinnere mich i r g e n d w o gelesen
zu
h a b e n , dafs ein gewisser P a l i s i u s zu R o m einem M a l e r , Namens P r o t o g e n e s ,
auf-
t r u g , die Treue seines Hundes auf einer Votivtafel zu verewigen.
Das arme Thier
w a r der Spur seines Herrn nachgelaufen-— w i e der Mensch seinen Leidenschaften — bis zur völligen E n t k r ä f t u n g , von der er nur
mit M ü h e
geheilt werden
konnte.
Der Künstler stellte alles der Natur gemäl's dar — die starren Augen blutenden Tatzen Zunge.
Nur
—
die
— die herabhängende
der Schauin
des heifsen
Rachens w o l l t e ihm nicht g e l i n g e n ,
so
dal's er zuletzt aus Ungeduld den S c h w a m m , init dem er seinen Pinsel r e i n i g t e , gegen das Bild w a r f .
W a s g e s c h a h ? Der W u r f
glückte so g u t ,
dafs der Maler auf ein-
mal den S c h a u m n a t ü r l i c h an der Schnauze des Hunds hängen und die S c h w i e r i g k e i t ü b e r w u n d e n sah. Diels Geschichtchen, lieber E d u a r d , viel ähnliches m i t der meinigen.
hat
Ich daif
144
mich auch wohl r ü h m e n , die physischen und moralischen Ü b e l ,
von denen mich
Sabathier und andre g u t e Menschen heilten,
eben so treu nach der N a t u r auf
meinem Dir gelobten Votiv - Gemälde geschildert zu h a b e n , als nimmermehr Frotogenes die kläglichen U m s t ä n d e des Hundes auf dein seinigen , bis auf den Stein, den i c h , w o
nicht in der L e b e r ,
in der E i n b i l d u n g mit
mir
doch
herumtrug.
Mit dein, sagte ich immer zu m i r , wird es wohl nicht bis zum Malen kommen — und wenn der unter deinen abgeschüttelten Gebrechen f e h l t , ist dein ganzes
voto
nichts Werth.
Es
war
die
Ex
letzte
und Hauptschwierigkeit, aber auch sie ist nun , Gott sei Dank, durch den S c h w a m m gänzlich g e h o b e n , den mir der ungeduldige D o k t o r an den Kopf warf —
denn
was konnte jetzt meinem Bilde noch zum endlichen A u f h ä n g e n in Deinem abgehen?
Tempel
S o sonderbar auch d;ts Betra-
gen des Mannes gegen den Eniot abstach,
den ich an unsern Ärzten g e w o h n t gestehe ich d o c h ,
bin,
dal» mir die scharfsin-
nigste E n t w i c k e l u n g meiner verworrenen Organe nicht halb so viel F r e u d e gemacht h ä t t e , als es sein S p o t t that. nun
mit
entzückender
Ich konnte
Beruhigung
auf
D. Kämpf als einen Ignoranten herabsehen.
Von
welchem
festen
Stoff
inufs
nicht meine L e b e n s k r a f t s e y n , da so ein Mann
nicht einmal
ihr machen
will!
einen Versuch Meine
Ernst
mit
schien
mehr R a u m bekommen zu haben.
Ich
w u f s t e nicht m e h r ,
lag,
w o die Leber
und griff in der freigebigsten Stimmung nach meiner Börse.
„ L a s s e n Sie es damit
gut seyn ! "
wehrte sich der Franzos ge-
gen meine
deutsche Sitte.
„Damit
Sie
aber sehen, mein Herr, wohin Sie mein guter llath leiten soll — so lade ich Sie diesen Abend auf ein Souper e i n , an dem auch ein Engländer in Ihren Umständen für f ü n f L o u i s d o ' r Theil nehmen wird. Wollen Sie mir die E h r e erzeigen, so dürTh. w .
v i . Th.
ic
i4 bessern,
die ich
schon h a l b i m
Kopfe
h a t t e , in d e n m e i n ' s Huts — nahm ihn unter
den
Zimmer;
Arm
und
taumelte
in
mein
denn von a l l e n S c h w ä t z e r n , lie-
ber Eduard,
ist
m i r k e i n e r so z u w i d e r ,
a l s der m i r G e l e h r s a m k e i t a u s k r a m t , w ä h rend
ich
eine T i ü f f e l s c h ä l e — an d e m
Bein
eines
wie
hier
Haselhuhns der
Fall
W e i n schlürfe.
klaube,
war,
oder —
vortrefflichen
Das w ä r e eher ein M a n n
für unseru Freund G * * ,
als i ü r m i c h . —
W i e w ü r d e i h n so ein G e s e l l s c h a f t e r a u f muntern
—
behagen. —
i h m so
Alb
seine Kinder
und
kaum
die \ erloschenen
A O l l i er.su n
(atnsul
Cliiisli
Wie
könnt'
Wenn
ihm
Kieu/.iguni;er
Wohl
mit
i h r e J u g e i u l w achtel
der
Gewilsheit
|H'aLuriscIicn
an,
D e s ahgelclt.en R u i n s , \ oi'
Mamuiilliaria
Er —
I>er seine s c h o n e F r a u Und
eine
kennt,
Geschlechter
Iii-, z u d e m l e t z t e n F e c h t e r u n d 11111 ein
sich aus
Monument
dein A t h e n i
d e m bettelnden
das S p r ü c h e l c h e n :
Steh,
rennt:
Laterne, W a n d r c i ,
s t i l l u n d AV e i n e ,
190 Ins
Auge
leuchtet —
widersteh»,
Und
einein Sarkophag- u n d e i n e m
Aus
Nero's Zeit Vorübergehn ?
Lcichensteint-
Für
m i c h m a g , w a s sie w i l l , d i e g r a u e
Im
heuchlerischen
V o r w e l i
lügen! Hang,
die
N a c h w e l t
zu
betrügen, War
sie n i c h t e h r l i c h e r , a l s i h r e
Ich weiche
beiden
In Hoffnung ,
von
Kinder
ans a u f m e i n e n dem
Kampf mit
nun.
RiLlerzügen. menschlichem
Vergnügen Auch
ohn1
ein
Marmorgrab
gemächlich
auszuiuhu,
U n d hab' itzt g n u g m i t m i r , u n d u n t e r allen K r ü g e n Mit
einem Aschenkrug
am
wenigsten
?.u
thun.
S t i e g i c h s c h o n die T r e p p e u n t e r s o l c h e n b e l e b e n d e n G e d a n k e n h i n a u f , so r i e b mir
eist
vor
ausgelassenem
ich
Muthwillen
d i e H ä n d e , als i c h m i c h m i t m e i n e r ben
liouteille
leerte
sie
nach
einer
ungestört
vollends frischen.
aus, Je
allein und
hal-
sah
—
klingelte
leichtcr
auch
diese w a r d , d e s t o b e g e i s t e r t e r f ü h l t e i c h
m i c h , diesen herrlichen W e i n gen. —
F.in
Lächeln
innerer
ein sanfter T r i e b
zu
besin-
Zufriedenheit
allgemeinen
Wohl-
wollens, besonders gegen das gute freundliche Geschlecht, das mir immer im S i n n e liegt, der
durchwärmte
sül'sesten
mein
Schwärmerei
das erste Trinklied a n , die
Zunge
indem
ich
Licht
hielt:
O
gekommen mein
stimmte
ist.
volles
U n d i m m e r d a r so r e i n
und
Dein G o l d ,
Lünell,
hell
meinen B e c h e r tropfe !
P e r l t n i c h t in d e i n e m Gleich
einem
Wundersat'l,
Salbuugsole,
Ein
0 [ ) i u m der
Eiu
Elixier —
Leidenschaft, der
riin L a h e t r a n k der
Lebenskraft. Seele''
in ich
über
O , rief ich,
Glas
\erstopfe,
o geistiger
und
das mir j e
ilafx m i r B a c c h u s nie eleu Q u e l l
Von diesem W e i n
In
Llut,
gegen
das
I
9
2
W e r deine Süfse s c h m e c k t , w i r d nie An Tyrannei erkranken. B e i m T r a u m e der P h i l o s o p h i e S c h w ö r ' i c h , dafs D o h m * ) u n d Beccarie ** ) Von d i e s e m W e i n e t r a n k e n . O , h ä l t ' einst u n s e r n F r e d e r i c Ein solcher Geist erheitert, Wiir
unter s e i n e m A d l e r b l i c k
W o l i l nicht m e i n ankerloses G l u c k Tm S t u r m des K r i e g s gescheitert. ***) D e n n M i t l e i d schleicht bei d e m sich ein, Den deine T r a u b e n t r a n k e n ; Iis s c h ä u m t der W u n s c h in d e i n e m W e i n . F r e u n d seiner u n d der W e l t zu se\n, l i n d k e i n Geschöpf zu k r a n k e n . D o l i m , der sich der J u d e n i n einer k r ä f t i g e n Schrift angenommen. * ' ) Ii c c c a T i a , der d u r c h >ein bekanntes W e r k : Uber Verbrcclien u n d S t r a f e n , der :\lcn>chlii;hkeit u n e n d l i c h e Dienste geleistet hat. ***) Als 1745 die P r e u f s ^ c h e Armee in Kur^ichsen e i n d r a n g , w a r d das I'aimlii nfrut des A u t o r * , Schönfeld bei .Leipzig, g e p l ü n d e r t , die llofgebaude niederg e s c h o b e n , das Vieh erstochen u . s . w
»93 Euch,
d i e m i t m i r l'jiu T u n k t
Nach Einem Z w e c k e Ihr G r a z i e n der Euch
neiget,
Glas
geweiht,
entsteiget.
RIein l i e b e s k ü n f t i g e s
Geschlecht,
D e m n u r in d i e s e m W e i n Ich froh tmlgegen S t ö f s an —
bezecht
gehe,
G o t t f ü l l e m i r so a c h t
Einst den Pokal
der
Ehe.
Indem f l o g die T h ü r a u f , mir
in
die Arme.
wünscht,
Ich
und
Margot
hätte w o h l
ge-
dafs sie ein,e Strophe eher ge-
kommen w ä r e . fest
Zeit
Weiblichkeit,
sei der süfse D u f t
Der meinem
der
Sprachlos h i e l t sie mich
umschlungen,
und
ich,
eben
so
sprachlos sie u m s c h l i n g e n d , bedeckte das rührende Gesicht zärtlichsten
mit
Gehalt.
Küssen von Wir
dem
vergafsen uns
in dieser Scene des Wiedersehens so sehr, dafs keins den guten J o h a n n ,
der w e n i -
ger g e s c h w i n d z u g e f l o g e n k a m , als seine leichtfiifsige l ? r a u , eher b e m e r k t e , bis er Th.
w . vi. Th.
13
194 mich thränend b a t ,
dafs ich a u c h ihm
eine Hand reichen m ö c h t e . zur
Sprache
welche
—
nun
N u n kam sie
e r z ä h l t e sie
unverhoffte Freude ihr
mir,
Bastians
Besuch — n o c h m e h r aber die N a c h r i c h t von
meinem
Marktstadt
Hieiseyn gemacht,
in i h r e r n ä c h s t e n und
w i e sie
mit
eigenen Händen geholfen h ä t t e , die Esel z u satteln , d a m i t w i r n u r r e c h t bald zu u n s e r m so gar g u t e n Herrn kämen. Gott!
u n t e r b r a c h n u n eins
wie unaussprechlich uns gemacht!
warm
ums
Gelächter
Acli
andere,
glücklich h a b e n Sie
E b e n n o c h so u n b e f a n g e n
in i h r e n T ä n d e l e i e n , Wochen,
das
als h e u t e vor a c h t
m a c h t e sie m i r Herz.
wieder
ganz
M i t w e l c h e m hellen
e r i n n e r t e sie sich n i c h t unse-
r e r W i r t s c h a f t zu
Caverac,
und
gern
h ä t t e sie m i c h n o c h einmal — w ä r e i c h ihr
nicht
ü b e r den
auf
dem D a c h e
Strauchdieb
berge a b g e h ö r t .
gewesen
—
auf dein F i c h t e n -
Doch k o n n t e ich ihren
beiden lieben H ä n d c h e n n i c h t schnell ge-
n u g w e h r e n , dafs sie uiir n i c h t ein paar R u n z e l n von der S t i r n g l ä t t e t e , u m nachz u s e h e n , ob m i r n i c h t eine N a r b e geblieben wäre.
„ J o h a n n , " rief sie, „ s i e h n u r
her, w a s mein Kräuterumschlag f ü r W u n der g e t h a n h a t !
Da ist a u c h n i c h t die ge-
r i n g s t e S p u r m e h r v o n dem K o p f s t o f s e zu finden." Ein
fröhliches Abendessen,
das
d u r c h drei F l a s c h e n des b e l o b t e n
sich
Weins
bis w e i t ü b e r die M i t t e r n a c h t a u s d e h n t e , vermehrte
unsere Zufriedenheit.
Keine
l'iedoute k a n n eine S t a d t d a i n e so m u n t e r erhalten,
als es die kleine M a r g o t w ä h -
rend unsers lieblichen Bankets w a r .
Erst
bei der d r i t t e n
die i c h
und
J o h a n n allein ü b e r n a h m e n , w u r d e n
ihre
Eouteille,
naiven E i n f ä l l e einzelner — abgebrochener,
u n d die z w a n g l o s e N a t u r
w i e g t e sie endlich n e b e n u n s winkte
ihrem
ihre W o r t e ein.
Ich
M a n n , u n d half i h m sein
müdes W e i b c h e n in das H i m m e l b e t t traf e n , das dem S c h l a f s t u h l e , der m i r nun-
ipö ü b r i g b l i e b , u n g e f ä h r so nahe s t a n d , w i e zu
Caverac ihr
Mein
Strohlager
alter K a m m e r d i e n e r
o h n e ihre
Bescheidenheit
dein meinen. konnte
nun,
zu beleidigen,
so viel zum L o b e seiner L e b e n s g e f ä h r t i n vorbringen,
als
ihm
Ich m o c h t e w o h l
sein
Herz
eingab.
n o c h eine h a l b e S t u n -
de T h e i l an seinen E m p f i n d u n g e n genomm e n h a b e n , als a u c h mir die Augen zuf i e l e n , u n d J o h a n n so leise als möglich, u m m i c h n i c h t zu
stören,
die
angebro-
chene Bouteille u n t e r d e n A r m n a h m , u n d zum
Zimmer
nachschlich. wirkte
hinaus
seiner
Lagerstätte
Das O p i u m des öligen W e i n s
so s t a r k ,
dafs der helle Morgen
s c h o n lange ü b e r u n s e r n H ä u p t e r n s c h w e b e n m o c h t e , ehe n u r eins v o n u n s d r e i e n e r w a c h t e , u n d das w a r ich. ich D i c h
f ü r einen
Nun
Augenblick,
E d u a r d , u m ein f r e u n d l i c h e s G e h ö r ! mir,
bitte lieber Sage
w a s w ü r d e s t D u von einem Maler
halten,
der a u s F u r c h t , mehr zu sehen,
•als sein P i n s e l w i e d e r zu geben vermag,
sein Gesicht von einer paradiesischen gend
in
dem
Augenblicke
Ge-
wegwenden
w o l l t e , w o die Nebel fallen — die S o n n e h e r v o r t r i t t — Berg u n d T h a l
überschim-
i n e r t , u n d sich i h m die s c h ö n s t e Perspektive der N a t u r e r ö f f n e t ?
Deine
Antwort
m a g a u s f a l l e n , w i e sie w i l l , g e n u g , ich genofs lange — auf G e f a h r , g e b l e n d e t z u werden kritische
—
diese eben
Lage
auf
so glückliche als
meinem
Lehnstuhl.
E n d l i c h w ü n s c h t e ich m i r die S c h ö n h e i t e n der F e r n e u m
einige
Schritte
näher
— e r h o b mich leise von m e i n e m Sitz, u n d w o l l t e eben meine süfsen
Betrachtungen
f o r t s e t z e n — als ein Blick auf die W a n d u h r , die a n s c h l u g , m i c h , w i e v o m Donner g e r ü h r t , neben M a r g o t s Bette niederstürzte. — J e t z t , d a c h t e ich — u n d T h r i llen l ö s c h t e n schnell die F l a m m e n meiner Augen — j e t z t t r i t t jene t u g e n d h a f t e Dulderin vor i h r G i t t e r — blickt w e h m ü t h i g gen
Himmel —
die W o h l t h a t
u n d f l e h e t zu G o t t u m
einer Zähre.
Segen
über
i9Ö den
Mann,
Stimme gab!
der
zuerst
der
Zeit
eine
Mit B e t r ü b n i f s ü b e r b l i c k t e
i c h mein zagendes Herz — m i t E r r ö t h u n g die in aller U n s c h u l d S c h l u m m e r n d e e r h o b m i c h v o n m e i n e n Knieen —
—
deckte
m i t dem E r n s t e eines v ä t e r l i c h e n F r e u n des,
w a s z u decken w a r ,
w e c k t e ich sie.
u n d n u n erst,
Sie f l o g mir m i t liebko-
sendem Frohsinn entgegen, und auch ich f r e u t e m i c h , dafs ich n i c h t ganz u n w e r t h war,
ihren
Morgenkufs
zu
erwiedern.
„ W i l l s t d u n i c h t deinen M a n n a u f s u c h e n , Margot, und unser Frühstück bestellen?" Voll
jugendlicher
Heiterkeit
h ü p f t e sie
m i r sogleich a u s dem G e s i c h t e , u n d
ehe
i c h n o c h ganz die meinige w i e d e r e r l a n g t h a t t e , kam sie m i t dem glücklichen Sterbl i c h e n z u r ü c k , der i h r e L i e b e besafs. — Er t r u g eine Schaule m i t Milch h e r b e i — sie ein K ö r b c h e n
mit
Obst. —
ren a u c h P f u s c h e n von
Es wa-
den besten Sor-
ten — j e d o c h m e i n e r jetzigen
gesundem
Einbildungskraft ohne Gefahr,
darunter.
199
Bald n a c h h e r traf a u c h Bastian ein. zog i h n aus A c h t u n g
Ich
f ü r die S c h w e s t e r
m i t an u n s e r e r u n d e Tafel.
M a r g o t blieb
f r e i l i c h die Perle
Gesellschaft.
Doch gehörten auch
nicht
steine. Natur
von
der
die b e i d e n a n d e r n G ä s t e
unter
die
schlechten
J e d e r h a t seinen W e r t h , gleich k e i n e n
wie jene,
so
ob die
begünstigt
die der P o l i t u r
u m i n den
Feldhat,
nicht bedarf,
S c h m u c k einer Königin a u f -
g e n o m m e n zu w e r d e n .
Ich w o l l t e indefs
doch n i c h t , dafs Du es in Berlin h e r u m bilichtest,
w i e gemein ich m i c h w i e d e r
e i n m a l gemacht h a b e .
Ich t r u g n o c h der
Kleinen viele F r e u n d s c h a f t s v e r s i c h e r u n g e n an m e i n e g u t e n W i r t h s l e u t e z u Caverac auf. — G o t t lasse es i h n e n w o h l g e h e n ! J o h a n n e r b o t sich , m i r v o n Zeit zu Zeit Lieferungen
von dem hiesigen vortreffli-
chen M u s k a t e n w e i n n a c h Berlin zu besorgen —
„ U n d ehe der S o m m e r v e r l ä u f t , "
fiel i h m seine
Frau
in die R e d e ,
„er-
f ü l l e n w i r das Versprechen , Sie selbst in
£0ü I h r e r grofsen Stadt zu b e s u c h e n . "
,,Eins
w i e das a n d e r e " — e r k l ä r t e ich i h n e n dag e g e n , „ b i t t e ich e u c h , a n s t e h e n zu lass e n , bis i h r N a c h r i c h t v o n m i r e r h a l t e t —
denn wahrscheinlich
komme ich
in
k u r z e m w i e d e r in diese G e g e n d , u n d lasse m i c h vielleicht macht hat — der.
gar,
w i e es J o h a n n ge-
häuslich hier
herum
nie-
Sie m a c h t e n g r o f s e f r a g e n d e A u g e n
— ich h ü t e t e m i c h aber, so s c h w a t z h a f t e L e u t c h e n t i e f e r in jenes G e h e i m n i f s sehen dem Altar
des
J a n u s t e m p e l s in den Schoofs meines
zu lassen,
das ich
vor
St.
S a u v e u r nieder gelegt h a b e . sen beide in T h r ä n e n ,
Sie zerflos-
als ich A b s c h i e d
n a h m , u n d ich u n d Bastian stiegen a u c h n i c h t mit t r o c k e n e n A u g e n in den W a g e n . Ich kam
glücklich
Montpellier, u n d ,
in den
Posthof
vor
w a s m i r eben so lieb
w a r , zeitig genug a n ,
u m diese medici-
n i s c h e M ö r d e r g r u b e h e u t e n o c h verlassen zu k ö n n e n , u n d w e n i g s t e n s ein paar Stationen
auf m e i n e m W e g e w e i t e r f o r t z u -
201 rücken.
W a s sollte ich n o c h einmal zu
F u f s in die C h i n a w u r z e l wandern ? b e d u r f t e keines Gasthofs — stück
hatte
mich
Ich
mein F r ü h -
hinlänglich
gestärkt.
Ich schickte also meinen Bastian a b , um mit —
dem W i r t h e und
R i c h t i g k e i t z u inachen
setzte mich so lange
schattigen U b e r h a n g
unter
den
meiner Chaise,
bis
er von seinem G e s c h ä f t e zurückkam.
Ein
heimisch angenehmer Schauer des Eigenthums
f l o g mir über die Haut.
S t a d t lag mir im G e s i c h t e
—
—
Die
ich h a t t e
den R ü c k e n f r e i , u n d dachte an mein Vaterland.
W e n n ich
erreicht h a b e ,
es nur
erst w i e d e r
so v e r s c h w ö r e ich . . . .
D o c h nein, unterbrach ich mich erschrokken —
den Meineid gegen A g a t h e n ohne-
hin bei Seile g e s e t z t ,
w ä r e es n o c h im-
mer ein h ö c h s t v e i w e g e n e s G e l ü b d e . Denn
ob
mir gleich
j e t z t der Stein des
D o k t o r Kämpf n i c h t mehr auf
dem Her-
zen l i e g t ,
w e r kann f ü r die Z u k u n f t
wer
d a f ü r stehen,
kann
—
dafs du
—
nicht
¿ü2 a u c h einst als ein v e r a l t e t e r K a m m e i h e r r d e » elektrischen F u n k e n n a c h t a p p e n um Ist, die h i e r dein s c h ö n e n Geschlecht, w i e bei uns
den K a t z e n ,
entspriihen.
—
Und
w e n n dich n u n A g a t h e , w o v o r G o t t sei, nicht möchte,
und
dich n u n nach
nach bei z u n e h m e n d e n
Jahren
und
die g u t e
Gesellschaft zu Berlin von i h r e n m u n t e r n Soupers
als ein u n b r a u c h b a r e s
ausschlösse — deiner
Mitglied
w a s bliebe D i r w o h l zu
Erheiterung
übrig,
als dich
an
eine zu h a l t e n , die mit i h r e r H a u t d a f ü r steht,
und
die m a n ,
so viel ich weifs,
a n keinem O r t e in der W e l t a n t r i f f t , als hier.
Ich maclitc a l s o ,
dein
Monte
wegen
puellarum
meines
indem
ich
von
Abschied
nahm,
Wiederkommens
einige
k l u g e B e d i n g u n g e n , u n d bei der letzten Zeile
des A k k o r d s ,
Erinnerung
i n die
den
w a r Bastian w i e d e r d a , bespannt.
ich zu m e i n e r
Schreibtufel
eintrug,
u n d der W a g e n
203 W e n n m i d i einst H u s t e n , Stein u n d G i c h t Ans jugendlichen Reihen jagen , An m e i n e m hageren G e s i c h t , Melancholie u n d Schwindsucht nagen, In jenen u n w i l l k o m m n c n Wo
man
Tagen,
das O r d e n s b a n d ,
das unsre Brust
um-
rauscht, Den Sack voll G o l d , auf den der E r b e l a u s c h t , G e r n u m ein Pflaster f ü r den Magen U n d einen Kvnuterthec vertauscht, N u r Arzte noch nach u n s e r m Pulse f r a g e n , Kein K u f s siel» m e h r an unsre gelbe H a u t , Kein kluges Mädchen m e h r an unser Bette t r a u t , U n d uns nur S c h m e r z u n d Mifsbehagen Von einem Stuhl z u m andern lragen — Wenn
mich
des
Landes
Fett nun
lange
gnug
genährt , Mein
Fürst,
den ich e r z o g ,
so sehr mein
Alter
ehrt, Und
ihm
Erholung
gönnt,
dafs er
mit
süfsen
Mienen ? Doch
mit
dem
Vorbehalt,
wenn
begehrt,
c.-.
die
Noth
Sich
meines
treuen
Raths
noch
ferner
zu
dienen, M i c h in d e m Spicgulsaal z u m V e t e r a n e r k l ä r t j W e n n sein Heiduck, n u n j e n e r F u r c h e l ä c h e l t , D i e m e i n e weise S t i r n c z i e h t , U n d die P r i n z e f s sich s t a r k e r J e n a h e r sie m i c h k o m m e n
fächelt, sieht,
Belebter n u n der H o f m i t neuen S i c h o h n e m i c h u m seine A x e
Müfsigctaiigcni dreht,
U m m i c h h e r u m die S c h a t t e n sich v e r l ä n g e r n , U n d m e i n G e s t i r n , das j e t z t i m M i t t a g s t e h t , D e n Kreis verläfst u n d u n t e r g e h t
—
W e n n W i e l a n d s ausgespielte F J ü l c N u n a u c h n i c h t m e h r d i e schlaffc Seele r i i h r t , U n d m i c h nicht m e h r die
Abendrothe
N a c h A m a t h u n i in u u s e r s G ü t h e Geheime Mvrlhenwaldchen
führt —
U n d w e n n a u c h D i r , d e r m i r u m eine S t u f ' ; Des Lebens d e m vertrauten
Rufe
Des Todesengels naher stellt, Mancii L ü f t c h e n schon aus Piatons Die Weitgesiinge Diri g
ut
seyn
voll — —
Nur geschwind frische W ä s c h e und einen andern R o c k !
D u r c h r ä u c h e r e die ausge-
zogenen, und mache um des Himmels W i l len , dafs w i r f o r t k o m m e n !
Ich habe
—
286 G o t t , wie zittere i c h ! — I h n , dem ich mich heute zu deiner grofsen Argernifs mehr als einmal übergab — j a , Bastian, ich habe den leibhaften Teufel gesehn. " „Ach lieber Herr! " trat mir Bastian näh e r , „ w i e könnten Sie? — — Sie waren ja in
der
Wohnung
eines
Prälaten!"
„ T h u t nichts , " antwortete ich mit heisrer S t i m m e , „den ganzen Morgen, kannst du mir glauben, bin ich in seiner Gewalt gewesen! "
„ N u n so erbarme sich G o t t ! "
jammerte der arme Schelm, und schmiegte sich mit klappernden Zähnen so fest an m i c h , als ob der böse Geist hinter ihm, und er vor dein Bilde seines Schutzpatrons stände.
Genug, E d u a r d , ich so wenig,
als mein abergläubischer wurden
Kammerdiener,
unsere Uiickenschauer eher los,
als da wir, von unserer fortrollenden Berline aus, die Thurmspitzen von Narbonne erblickten. Hier e r f u h r ich beim Umspannen, dafs seit vier und zwanzig Stunden keine Post
2
ß7
w e d e r h i n - noch h e r w ä r t s , u n d auch eben so l a n g e ,
gab mein F ü h r e r sein
Wort
diizu, kein Pferd in Beziers aus dem Stalin gekommen w ä r e . flüssiger und
Ein n e u e r , aber über-
Beweis von der W a h r h e i t s l i e b e
Redlichkeit
des
Ortolan - Wirthff;
denn s e i n e , für nicht genossene Gerichte, für
nicht getrunkene
W e i n e mir
zuge-
schnellte R e c h n u n g , die ich noch w a r m in meiner T a s c h e , so w i e er mein Geld d a f ü r in der seinigen h a t t e , sprach ohnehin l a u t genug.
Aus w a h r e m Vate'rlands-
g e f ü h l w a r n e ich meine M i t b ü r g e r , e t w a nach mir sich j a ,
diese
Gegend
die
bereisen,
weder durch unsere deutschen
W e g w e i s e r — durch das anlockende S c h i l d der Herberge — durch Fideikommisse und ehrliche Gesichter,
noch durch die bi-
schöfliche Terrasse zu einem längern A u f enthalt in diesem gotteslästerlichen Städtchen verführen zu l a s s e n , Postwechsel ders
die
nöthig m a c h t ;
Bespannung
ihres
als e t w a der und
beson-
Fuhrwerks
Ü88 selber zu bestellen, der,
damit 6ie geschwin-
als ich armer Betrogener,
in das
Kastell des Wohllebens gelangen, dessen Vorzüge
vor allen andern
des Reichs i c h ,
mit Deiner
Kosthäusern Erlaubnil's,
¡Stillschweigend und in meinem Tagebuche zum erstenmal, gleich einer zarten
Em-
p f i n d u n g , die sich nur fühlen, aber nicht beschreiben l'dfst, übergehe.
Der Ehren-
m a n n , in der weitesten Bedeutung des W o r t s , der in der Kürze eines halben Tages
der
herrlichsten
und
wohlfeilsten
Bewirthung das Dankgefühl meines Daseyns höher hinaufgetrieben hat, als alle die Summen, die ich von Jugend an darauf pränumerirt h a b e , wie freundschaftlich greift er mir n i c h t , selbst bei unserer T r e n n u n g , unter die A r m e , wie verschieden von jenem Sudelkoch,
dem die
unverschämteste Lüge glatt über die Zunge g i n g , um mich noch einen Tag länger rupfen zu können.
liier trat der Fall
wirklich
jener
ein,
den
nur
vorgab;
Bastian
liatte sich
diefsmal mit
eignen
Augen ü b e r z e u g t , dafs der Poststall leer stände. Da trat aber mein heutiger W i r t h a u f das edelste dazwischen, um die Schwierigkeit zu beseitigen , und seine Verinittelung verhalf mir nebenbei zu der unverhofften Bekanntschaft eines f ü r mich sehr inerkwüidigen Orts. „ W e n n S i e , " sagte e r , „ e i n e n geringen Umwege
und
das
Nachtlager auf einein
D o r f e nicht zu sehr s c h e u e n , ich Ihnen —
biete
meine eigenen vier tüchtigen
Wallachen an — ner,
so
denn es sind Normän-
die Sie auf einein viel beque-
m e m Wege, als die Poststralse über Carcassone i s t , morgen bei g u t e r Zeit nach T o u l o u s e bringen sollen. " „In
Ihrem H a u s e ,
wortete ich, „wollte
lieber M a n n , "
ant-
w i e es mir ums Herz w a r ,
ich ganz geduldig selbst
noch
einige T a g e auf die Z u r ü c k k u n f t der Postpferde w a r t e n ; aber auf der andern Seite möchte ich doch nicht gern darüber auf Th. W .
VI. Th.
19
290
bessern W e g und vier N o n n ä n n e r zicht thun.
W o meinten S i e ,
übernachten s o l l ? "
Ver-
dafs ich
„ I n einem z w a r un-
ansehnlichen kleinen Dörfchen, das a b e r , " erklärte er m i r , „ d a s Stainmgut eines zu seiner Zeit berühmten S c h r i f t s t e l l e r s w a r , u n d auch seinen Namen f ü h r t , Montesquieu. " — Wort,
Das w a r doch einmal
Eduard,
das
sich hören
ein liefs.
Kaum w a r es ihm über die L i p p e n ,
so
dachte ich w e i t e r nicht an mein körperliches
Wohlbehagen,
und
nahm
seinen
Vorschlag mit herzlicher Freude an.
Er
verliefs
zu
mich,
um sogleich Anstalt
i n a c h e n , indefs ich meine L a n d k a r t e aus einander s c h l u g ,
und
meine Augen
der Gegend nach dem anziehenden herumschickte.
in
Orte
Ich fand e i n i g e , als Zoll-
s t ä t t e , m i t einer F a h n e , —
a n d e r e , als
b i s c h ö f l i c h e Residenzen, mit einem Sternchen , u n d einen mit z w e i sich kreuzenden S e h w e i t e n zum Merkmal bezeichnet, dafs in seiner Nähe eine Schlacht vorgefallen
sei;
dem O r t a b e r , w o der grolse Mann
geboren
war,
lebte
und
schrieb,
hatte
m e i n geographischer H a n d l a n g e r n i c h t einmal seinen lassen ,
Platz auf dem E r d b o d e n ge-
geschweige
ihn
chens g e w ü r d i g e t .
eines
h e r r liels mir n i c h t Z e i t , lange zu ä r g e r n . t r a t er e i n ,
Ehrenzei-
Der jovialische Hausmich
darüber
„ H i e r b r i n g e ich I h n e n , "
,,zuin
Flasche des g u t e n
Abschied Weins ,
n o c h eine
der auf den
Bergen zu M o n t e s q u i e u r e i f t ; s o n s t k a u f ten ihn die E n g l ä n d e r aufs t h e u e r s t e u n s vor dem M u n d e weg, aber seit dem T o d e des gelehrten P r ä s i d e n t e n f r a g e n sie n i c h t m e h r d a r n a c h ; jetzt s t e h t er u m die H ä l f t e im P r e i s ,
ob er s c h o n n o c h i m m e r von
derselben Giite i s t . "
„ D a s tliut m i r leid
u m die E n g l ä n d e r , " sagte ich, u n d n a h m ihm
das volle
Glas ab.
,,Sie
sollen,"
t r a n k ich i h m die G e s u n d h e i t z u , Vergnügen leben,
Herr
aller R e i s e n d e n , Wirth
Sie wissen n i c h t ,
von
„zum
n o c h lange
Castelnaudari!
w i e elend es m i r d r e i
292 T a g e nach einander gegangen i s t , ehe icli h i e r ankam. einzigen
Sie h a b e n m i c h m i t einem
Frühstück
vollkommen
wieder
hergestellt , u n d w ä r e n Sie n i c h t k l ü g e r , als meine L a n d k a r t e , andere,
auf
der
so h ä t t e i c h ,
ordinairen
wie
Poststrafse
f o r t r u m p e l n m ü s s e n , o h n e n u r zu a h n d e n , dais der G e b u r t s o r t des Mannes, den i c h v o r allen a n d e r n schätze u n d l i e b e , auf
dem
Wenn
Seiteuwege
in
der N ä h e
m a n von gottesvergessenen
schen so m ü r b e g e m a c h t w i r d , in
Beziers,
wie
als
e m p f ä n g l i c h ist
mir lag. Menich dann
n i c h t u n s e r Herz f ü r alles G u t e , das uns b e s s e r e zufliefsen lassen ! " Ich
schüttete
Wolilthäter
alle
gegen
meinen
heutigen
m ö g l i c h e Floskeln
des
Danks u m so v e r s c h w e n d e r i s c h e r aus, als er m i r es in w e n i g
Stunden von mehr
als einer Seite h e r g e w o r d e n
war,
und
bestieg d a n n meine Jierliue mit einer gew i s s e n stolzen S e l b s t z u f r i e d e n h e i t , da ich sie
zum
erstenmal
mit
vier
prächtigen
¿93 N o r m a n n e n ) , die keinem k ö n i g l i c h e n E i n züge Schande m a c h e n w ü r d e n , sah.
bespannt
Dergleichen e r b o r g t e E m p f i n d u n g e n
h a l t e n indefs bei einem verständigen J ü n g linge n i c h t lange an, der die v e r g a n g e n e N a c h t ü b e r g u t e n oder schlechten Versen v e r w a c h t e , einen F e l d w e g , w i e von g r ü n e m Sainint b e z o g e n , vor sich, k ü h l e n d e Z e p h y r s iin G e s i c h t , ein weiches Küssen unter
seinem
Kopf liegen h a t ,
S t a h l f e d e r n sitzt.
u n d auf
A u c h w a r meine h e u -
tige Reise ganz dem süfsen T a u m e l ä h n lich,
m i t dem vormals
das
Wiegenlied
einer lieben Amme meine K i n d h e i t beseligte, und da
der n i c h t
eher v e r g i n g ,
als
der Kutscher Abends sieben U h r init
dem Z u r u f : quieu!
Herr,
w i r sind in
Montes-
vor einem S c h i n d e l h ä u s c h c n still
hielt. W i e lieblich schlägt solch ein Klang jedes g u t e menschliche O h r ! wie
eine K i r c h e n g l o c k e ,
Andacht —
an
Er erweckt,
G e d a n k e n der
e r i n n e r t an die
Veredlung
294
u n s e r s Geschlechts —
an den
wohlth'äti-
gen Geist der Gesetze — an öffentliches u n d häusliches Glück. Das w o h l !
aber w e n n m a n , w i e hier der
Fall w a r , n u r ein verödetes, elendes Dörfchen m i t solch einem N a m e n beprägt sieht, m ö c h t e m a n i h m d a n n n i c h t lieber einen aus W e s t p h a l e n g e n o m m e n e n beilegen, der w e n i g e r stolz klänge u n d sich besser z u seinein S c h m u t z pal'hte? so w i e m a n n u r z u o f t in v o r n e h m e n v e r d o i b e n e n Sprossen
Gesellschaften
den
eines edeln Stam-
mes, w o nicht vernichten, — doch umtaufen möchte.
Nie h ä t t e m i r
ahnden
k ö n n e n , in dem S t a n n n g u t e des Philosophen
dieses N a m e n s einen solchen Man-
gel an O r d n u n g , Reinlichkeit cei,
und
u n t e r dem Bettler h ä u f e n , der
Poliihn
b e w o h n t , a n z u t r e f f e n , als i c h leider m i t Augen mir
sah.
Zur
Entschuldigung
z w a r der alte B a u e r ,
Wirth macht,
sagte
der hier den
dal's dieser einst w o h l h a -
bende O r t im letzten Religionskriege so
295 h e r u n t e r gekommen w ä r e . und aber
so
lange mit
E r sei vorher
fleil'sigen,
freilich kalvinistischen
redlichen,
Einwohnern
6ehr reich besetzt g e w e s e n , b i s die Verb i e i t e r der reinen L e h r e alles ketzerische U n k r a u t a u s g e r o t t e t , Kirchen u n d Schulen v e r b r a n n t u n d keine H ü t t e
verschont
h ä t t e n , aufs er der s e i n i g e n , der E i n k e h r u n d des W e i n s c h a n k s wegen.
Der nach-
h e r i g e gelehrte Herr des D o r f s h a b e sich z w a r d u r c h lVath u n d T h a t b e m ü h t , seiner verfallenen Besitzung
wieder a u f z u -
h e l f e n , aber zu solch einem U n t e r n e h m e n r e i c h e e i n Menschenalter n i c h t h i n , u n d man
könne doch a u c h
nicht
verlangen,
dal's der Nachfolger w i e der V o r f a h r denken u n d seinen U n t e r t h a n e n F r o h n e n u n d Zehenden
erlassen s o l l e , ob es gleich das
einzige Mittel w ä r e , dem Übel ihrer d r ü k k e n d e n A r m u t h zu s t e u e r n . Gott d a n k e n , "
,,So w i l l ich
fiel ich i h m in die Rede,
,,dal's ich in s e i n e m , w i e ich s e h e , dreieckigen G a s t z i m m e r , lieber M a n n , wenig-
•2()6
stens vor Religionsverbreitern sicher übernachten k a n n , w e n n es auch vor nicht seyn sollte.
Ratten
Schlafe er w o h l ,
und
lasse er es ja meinen schönen Miethpferden an nichts a b g e h e n ,
ich
bedarf nur
„ U b e r h a u p t , " setzte ich nun die
Ruhe."
Unterredung mit m i r
allein f o r t ,
„darf
ich, ohne mich eben mit der erstiegenen Höhe
unserer
K u l t u r breit
zu
machen,
doch mit frohem Heizen z u den w e i t niedern auf
Stufen
derselben
welchen noch
herunterblicken,
vor
hundert
die Vorlebenden standen.
Jahren
W i e viele g u t e
Köpfe haben n i c h t e r s t , e n t w e d e r w e g e n ihres
zu
schwachen,
Glaubens über gen
müssen,
mit
oder
zu
starken
das Henkerschwert sprinehe
Sicherheit
ich in dein meinigen
eine
freie
Denkungsart
herumtragen konnte.
Selbst
Montesquieu,
sainmt
deiner
Maske,
es n i c h t besser ergangen
würde
s e y n , als deinem durch
den
E r b e , wenn
Tempel
von
dir,
guter
persischen du
Guidos
nicht einen
£97 leichtern
W e g zu der steilen Sorbonne
und in deinen aufgefangenen Briefen aus dem
Serail
ein
so
bewährtes
chungsinittel jener religiösen zen entdeckt h ä t t e s t ,
Erwei-
Felsenher-
dafs j e d e r ,
dessen
Hand nur geschickt genug i s t , es aufzulegen ,
der
weitläufigen
dogmatischen
1'rozesse mit dem Scheiterhaufen überhoben
und gewifs seyn k a n n ,
gläubig
erkannt
f ü r recht-
zu w e r d e n :
denn ein
Maler, der die Entzückungen der Liebe mit so feinen , und nur desto kräftigem Farben zu schildern versteht, als du, hat alle Bischöfe auf seiner Seite." Es w a r ,
als ich kaum einige
Stunden
der Ruhe gepflogen hatte, zwar nur mein Kamin - Schlot, der diese Nacht durch ein Bündel dürrer W e i n r e b e n , die so wenig wissen k o n n t e n , als i c h , dafs er seit vielen Jahren nicht gefegt w a r , gerieth.
in Brand
Diefs hinderte aber n i c h t , dafs
ich den gröfsten Theil
meines
schönen
Schlafs darüber verlor — der Lärm im
Hause mir die Hand l ä h m t e , da ich eben den Vorhang eines persischen
Serails
zu
l ü f t e n v e r s u c h t e , u n d m i c h zugleich
im
selben Augenblick eine N a j a d e , die, leichter bedeckt, als es selbst das erste S c h i e k keu e r l a u b t ,
mit ihrem L ö s c h g e r ä t h e i n
mein Z i m m e r c h e n og e s t ü r z t k a m ,' w e i t e r von G n i d o s e n t f e r n t e , als es einem t r ä u m e n d e n J ü n g l i n g e lieb ist.
G ü t i g e r Him-
m e l ! in w a s f ü r eine w i l d e W i r t h s c h a f t k a n n m a n n i c h t g e r a t h e n , w e n n man der S p u r eines b e r ü h m t e n Mannes n a c h g e h t ! Sollte d e n n der g e l e h r t e
Präsident ,
der
so grofse Sorge f ü r M o n a r c h i e n t r u g , sein Dorf
nicht
einmal mit einer
nung beschenkt haben ? liche A n s t a l t e n !
Welche erbärm-
S t a t t einer
spritze f ü h r t e m a n
FeuerordSchlangen-
in P r o z e s s i o n einen
j u n g e n M ö n c h a u f , der die Flamme, w i e sie es n a n n t e n , b e s p r a c h ,
die a u c h n u r
n o c h einige M i n u t e n knisterte, sich d a n n s e n k t e u n d verlosch. W ä h r e n d dieser geistlichen Gaukelei t r i e b
z
99
das
Sturinglöckchen
—
nyfstönend
wie
eine blecherne Klingel, des gaffenden nackten
Gesindels
eine gröfsere
Menge
mir
unter die A u g e n , als sie zu ertragen vermochten ; aber schon mächtig genug, j a g t e der stinkende beifsende R a u c h , Hütte durchzog,
mich
und
der die
ineine
nor-
mannischen W a l l a c h e n aus unseren B a c h tel).
Sie seilten sich von selbst vor den
Reisewagen, mein
so instinktmäl'sig,
matter
Körper
ab
sich
hineinwarf,
und
schnauften, w i e ich, nach reinerem Äther. Blitzschnell
drängte
sich
nun
der
ver-
störte S c h e n k w i r t h herbei, forderte nicht, sondern bettelte — erst uin sechs für
unsere Beherbergung
—
Livres
dann
um
drei zur Vergütung der U n r u h , die mein allzufrostiges hätte,
Temperament
und noch
den geistlichen
um
veranlafst
eben so viel
für
Beschwörer.
Mittlerweile ich diesem Bettler die Geldstücke zuin Schlage heraus seiner vorgehaltenen
rufsigen
Nachtmütze
zuschleu-
300 derte,
stand j e n e r
in
einem
so
dichten
w e i b l i c h e n K r e i s , als w ä r e n h u n d e r t und junge Busen und dankte für in
mit
an e i n a n d e r funkelnden
die s i c h t l i c h die
alle,
das
Gott
Bewegungen,
eben g e s c h e h e n e W u n d e r
besonders
hatte.
geschnürt,
Augen
frommen
Ernster,
die
jüngern ,
näher
alte
und
sie
versetzt
andächtiger,
als er diese b e s p r a c h , sah' i c h es i h n s e l b s t v o r der b r e n n e n d e n E s s e n i c h t t h u n ,
und
es f r e u t e m i c h g a r s e h r , z u f ä l l i g w i e d e r e i n m a l a u f einen K l o s t e r b r u d e r z u s t o f s e n , der
es m i t d e r h e r a n w a c h s e n d e n
g u t meint.
Jugend
D e r f a l s c h e S c h e i n der M o r -
g e n r ö t h e , die h i n t e r
einem dunkeln
w ö l k e hervordämmerte und , nach cherung
des
Durchbruch
Kutschers, eines
den
dahinter
Versi-
baldigen
versteckten
desto r o s i g e m Tages versprach, über
Ge-
jene
nächtliche
Gruppe
magischen
Schimmer,
w i e ihn
breitete einen
so
Schalken
seinem h e r r l i c h e n G e m ä l d e der k l u g e n u n d thörichten Jungfrauen
zu geben
gewufst
h a t , und
lenkte meinen Seherblick auf
einen Gegenstand , der mir zu einer ganz neuen Vergleichung veihalf.
Die Spiele
der N a t u r , atn Himmel und auf der Erde, sind bei
ihrer M a n n i g f a l t i g k e i t so ver-
schieden v o n e i n a n d e r , dafs jeder Dichter bemüht seyn s o l l t e , auch den entferntesten B e r ü h r u n g s p u n k t unter ihnen aufzufassen.
Eins der blassen Mädchengesich-
ter, die den W u n d e r t l i ä t e r umgaben, hatte sich aus zu dringender Andacht seinem langen b r a u n e n
B a i t e so sehr genähert,
dafs ich diese Zierde seines Standes eine ganze W e i l e f ü r den Schleier des Gesichtchens nahm, das durchschien, bis ich den optischen Betrug entdeckte. „Siehe, B a s t i a n , " riet ich dann w i e inspir i r t , „ d o r t ist auch ein rosiger Tag hinter dunkeln W o l k e n im Durchbrechen ! " Aber sein prosaisches Gehirn verstand das Treffende meines A u s r u f e s nicht.
Ich traue
meinen Lesern höhere Gaben z u ,
denn
w e r keine Ähnlichkeit zwischen den Ob-
3"2 j e k t e n , die ich h i e r e i n a n d e r gegen über stellte, finden k ö n n t e , m ü f s t e sich schlecht auf Gleichnisse verstehen , k e i n e n W a h r sagergeist u n d so w e n i g poetischen
Sinn
haben,
Beim
als
Abfahren
mein
w a r f ich
Kanunerdiener.
n o c h einen l a u n i g e n
Seitenblick auf den G e b u r t s o r t des gepriesenen Geists der G e s e t z e , an dessen Stelle n u r zu
s i c h t b a r einer der s c h m u t z i g s t e n
P o l t e r g e i s t e r getreten ist. E h r l i c h e r M o n t e s q u i e u ! redete ich seinen Schatten a n , wie wenig —
ach —
wie
so gar nicht haben die Balsamstauden deines
eingezogenen L e b e n s ,
die, wunder-
b a r genug, auf diesem M i s t b e e t e z u r Reife kamen , ihren eigenen G r u n d u n d Boden veredelt u n d b e s a m t !
Wahr!
aber
hat
d e n n i h r Blumenkelch sich b e f r u c h t e n d e r ü b e r die W i r t h s c h a f t e n ergossen , die v o n u n s e r E i n e m Respekt f o r d e r n ?
Wo?
—
ich sehe m i c h so w e i t um , als mich die Augen t r a g e n — sind d e n n Absenker dieser E d e l g e w ä c h s e besser gediehen ? Schiin-
—
3 habe."
„ W e l c h e w a r diese ? "
besserung zens."
meines
Verstandes
„ D i e Verund
Hei-
„ D a § ist w o h l n u r S c h e r z , m e i n
H e r r , v o r G e r i c h t j e d o c h sehr z u r Unzeit angebracht."
Ich b ü c k t e m i c h f ü r seinen
s c h m e i c h e l h a f t e n Verweis eben so bescheiden , als er v o r h i n bei m e i n e m L o b e auf die französische N a t i o n .
„ S i n d Sie n i c h t
a u c h vor k u r z e m in dein Kloster zu C011tignac
gewesen ? "
Hier scliofs m i r das
B l a t t , d o c h w a r ich n i c h t einfältig g e n u g , es zu l'augnen. dahin
„ W a s h a t Sie z u r
veranlalst?"
„Indigestion."
Reise Der
E x a m i n a t o r blickte mir ernst ins Gesicht. „ U n d , " setzte ich n o c h h i n z u , „ d i e unges t ü m e n b i t t e n meines ehemaligen Zeichennieisters, der die u n e r r e i c h b a r e de graces
zu k o p i r e n v e r s u c h e n
NotreDamc wollte."
„ W i e lange v e r w e i l t e n Sie iin Kloster ? " „Von
einigen
F r ü h s t u n d e n an bis
nach
dem M i t t a g ,
als der S t ü m p e r
seiner A b z e i c h n u n g f e r t i g w a r . "
kurz mit
So w e c h -
selten u n s c h u l d i g e u n d v e r f ä n g l i c h e F r a n o
33(5 g e n , anderthalb Bogen d u r c h , mit einander a b , bis mein Tauschhandel init dem Pater André klar ain T a g e lag.
Die De-
p u t a t e n waren von meiner kalten liüche, der Berauschung
meiner G ä s t e ,
unserer
unklostei liehen Lustigkeit, kurz von allein bis auf die Zahl der Flaschen unterricht e t , die wir geleert, und der v o l l e n , die ich aufserdem noch dem ehrlichen l'ater auf den G a s t w i r t h zu Marseille angewiesen hatte.
Die folgende F r a g e :
,,Ob ich
nicht wichtige Urkunden dagegen bekommen ? "
zog
inir beinahe die Kehle zu,
doch erholte ich mich nach einem kleinen Hüsteln.
,,Das ich
nicht wiilste.
Der
Mönch z w a r , — — der mit einem Heiligen verwandt seyn w i l l , inachte mir, seiner
Einbildung
nach,
ein
bedeutendes
Geschenk mit dessen gedruckter Legende, und gab mir noch eine Rolle ganz unleserlicher Belege darein.
E s ist die Frage,
ob sie mein Bedienter nur mit eingepackt hat."
„Und
zwar
die
entscheidendste
33? von a l l e n , "
entgegnete
der V o r s i t z e n d e
m i t einein e r n s t e n , r e c h t häfslicheii Blick, ,,rlenn
aulserdem
rnüfste
sein
Herr sich
gefallen l a s s e n , so lange h i e r u n t e r strenger A u f s i c h t zu b l e i b e n ,
bis
sie beige-
schafft wären. " J e t z t w u r d e Bastian g e r u f e n ; dem b e f a h len s i e , Koffer u n d Kasten zu ö f f n e n , u n d d a s , was sie e n t h i e l t e n , i h n e n vor A u g e n
z u legen.
stückweis
Der Kerl
sich so aufser F a s s u n g d a b e i ,
benahm
als w e n n
der T e u f e l von Beziers h i n t e r i h m stände. Ich sah mich g e n ö t h i g t , den H a n d l a n g e r z w i s c h e n i h m u n d den D e p u t i r t e n zu mac h e n , d a m i t sie n u r n i c h t sein v e r s t ö r t e s G e s i c h t , dem ich selbst in diesem A u g e n blick
die
schwersten
Verbrechen
hätte
zutrauen können, bemerken möchten. S o b a l d die Rolle m i t d e n h e i l i g e n D o k u menten zum Vorschein
kam,
rekognos-
cirte u n d ü b e r r e i c h t e ich sie den Bevollmächtigten.
U n g e f o r d e r t legte ich i h n e n
a u c h meine R e c h n u n g e n u n d a n d e r n T h . VV. VI. Tll.
Pa2 2
338 p i e r e vor^ um m i c h r e c h t w e i f s z u b r e n nen.
Dank meiner g e l e h r t e n H a n d !
Bei
dem f l ü c h t i g e n B l i c k , den einer der Beisitzer darauf w a r f , ü b e r s a h er s o g a r m e i nen K o n t r a k t mit dem Glaser der Bastille, der mir d o c h ein s i c h t b a r e s
Herzklopfen
v e r u r s a c h t e , als ich seiner a n s i c h t i g w a r d . Sie hielten sich ganz allein a u die Rolle des l ' a t e r A n d r é , gaben i h r , o h n e sie z u entwickeln,
einen n e u e n U m s c h l a g , den
sie m i t i h r e n drei P e t s c h a f t e n versiegelten u n d m i c h a n w i e s e n , als Z e i c h e n , dal's ich den k ö n i g l i c h e n Gewissen
Willen
nach Ehre und
befolgt h a b e ,
m e i n e n offenen
Ritterhelm darneben zu Ich
drücken.
sah die Sache n u n f ü r g e e n d i g t an.
Schon
hatten
die
Komniissaire
Bastian
e r l a u b t , m e i n e Habseligkeiten w i e d e r a n i h r e n O r t zu b r i n g e n , u n d ich w o l l t e ihm m i t den glücklich
abgefertigten Papieren
m e h r e r e r S i c h e r h e i t w e g e n eben mein Tagebuch
noch zureichen,
Deputirte —
denke
Dir,
als der j ü n g s t e w i e mir
zu
M a t h e wSicL —
es u n t e r weges
Erklärung anhielt:
mit
der
E r h a b e sich lange i n
W i e n a u f g e h a l t e n u n d w o l l e d o c h sehen, ob er D e u t s c h n o c h so f e r t i g lesen k ö n n e , als ehemals.
Glück ü b e r G l ü c k , dafs er
n i c h t lange s u c h t e , u n d e t w a die niedlichen B r u c h s t ü c k e
aus -dem B r i e f w e c h s e l
der Königin A n n a m i t i h r e m aufstörte.
Was
Liebhaber
w ü i d e n die H e r r e n v o n
meinein Ixitterhelm g e d a c h t h a b e n , sie
jene
Abschriften
gefunden
wenn hätten!
G o t t sei g e l o b t , dafs er sich n u r m i t d e m letzten Heft b e s c h ä f t i g t e , n i c h t e t w a w e i l es f ü r mich w e n i g e r g e f ä h r l i c h — ach im Gegentheil!
sondern
w e i l der p o e t i s c h e
F l a c h auf i h n u n d seines G l e i c h e n , d e n er vor
den A u g e n
hatte,
kein
Wiener
Deutsch war. E r s t a r r t e das Blatt einige M i n u t e n
au
u n d legte es m i t einem „ N i c h t w a h r ein W ä s c h z e t t e l ? " zu den ü b r i g e n . f r o h e r als i c h !
Wer war
H i n t e r m i r h ö r t e ich ein
Koiferschlofs n a c h d e m a n d e r n .zuschnap-
p e i l , und der Vorsitzende entliefs meinen Kammerdiener mit einem
gebieterischen
W i n k nach der T h ü r e , den er sich nicht zweimal geben liefs. noch nicht so gut.
Mir aber ging es
Ich m u f s t e noch zur
Schlufsformel meines Verhörs die T o r t u r seiner
Beredtsamlseit
aushalten.
H e r r , " wendete er sich mir,
,,Ihro
„Mein
mit W ü r d e zu
allerchristlicliste
Majestät
erlauben zwar gvofsinüthigst jedem Fiemden,
Ihre
Staaten
zu b e r e i s e n ,
ihm gerne die L u f t —
gönnen
den gesellschaft-
lichen U m g a n g und die fröhlichste Theilnahme an den physischen und moralischen Vorzügen Ihres aber hoffentlich
Reichs. — selbst
Sie
werden
begreifen,
mein
H e r r , dafs diese Vergünstigung sich nicht bis auf die A u s f u h r und E n t w e n d u n g alter Urkunden und Iii iefscliaften erstrecket und erstrecken kann.
Das Unvorsätzliche —
das U n g e f ä h r , wie ich glauben w i l l , wodurch sie Ihnen in die Hände geriethen — indem Ihre ad protocolhnn
gegebene Erlau-
t e r u n g dieser verwickelten Sache mit der 1 u n s m i t eOe t h e i l t e n Aussage o des P a t e r A n d n zur Genüge übereinstimmt — kommt
I h n e n in so w e i t zu S t a t t e n , mein Herr, dafs I h r s o n d e r b a r e r T a u s c h h a n d e l mit i h m , den W i r von G e r i c h t s w e g e n , u n t e r Vorb e h a l t Ihres Regresses an jenen T r u n k e n bold , f ü r n u l l u n d n i c h t i g e r k l ä r e n ,
we-
niger
und
auffallt.
Die
Willfährigkeit
g u t e A r t , die Sie bei der Z u r ü c k g a b e
der
z u m L e b e n des heiligen F i a c r e g e h ö r i g e n Belege b e w i e s e n
haben,
wird
Zweifels
ohne den h o h e n S e n a t vermögen, S i c , als eine keinem w e i t e r e n V e r d a c h t e u n t e r w o r fene P e r s o n , f r e i zu lassen. "
Hier w a r d
der Redner d u r c h den E i n t r i t t dreier w e i b licher E n g e l u n t e r b r o c h e n , die jedem der Herren,
w ahrscheinlich z u r S t ä r k u n g in
i h r e m B e r u f s g e s c h ä f t , eine Tasse Chokolate
überreichten.
Während
sie
solche
e i n s c h l ü r f t e n , d u r f t e ich ja w o h l diesen unerwarteten gnügen
Zwischenakt
benutzen ,
zu dem
einer Hebe u m
Verdie
undere auf das tiefste in die A u g e n zu sehen. Als sie a b t r a t e n , blitzten ihnen die ineinigen noch
so f u n k e l n d n a c h , dafs der
Herr Vorsitzende seine Stimme
erheben
m u f s t e , um meine A u f m e r k s a m k e i t w i e der auf sich zu lenken.
„Zwar,"
diese
S y l b e schob er vorerst e i n , als er den abgerissenen Faden seines Vortrags auffafste, „zwar
frei zu l a s s e n ;
jedoch w i r d zu-
gleich einstimmig von Uns v e r l a n g t , dafs S i e , mein H e r r , je e h e r , je l i e b e r , und sobald
ich Ihnen
den Pafs
zuschicken
w e r d e , Ihre Abreise von h i e r beschleunigen" — ich.
W a r u m denn eben d a s ?
dachte
O Herr P r ä s i d e n t , seyn Sie r u h i g !
Ihre schönen Madchen hätten mich ohneh i n nicht a u f g e h a l t e n — übrigens insgesammt, " Rede,
„ z u der
wir
endigte er seine
„ I h n e n von Herzen alles erforder-
liche Glück w ü n s c h e n . "
Ich w ü r d e gern
zu der F e i e r l i c h k e i t gelacht h a b e n ,
mit
der er die S i t z u n g a u f h o b , h ä t t e sie mich
5i3 nicht um alles g e b r a c h t , was mir
noch
einigerinafsen meinen Ausflug über
die
Glänze zu einer nützlicheil merkwürdigen Reise stempeln konnte.
Jetzt bringe
ich meinen Landsleuten doch in der Gottcswelt nichts m i t , das der Mühe lohnte. Welcher Leser w i r d an meine historische wichtige Entdeckung glauben , da ich sie mit keinem Original - Dokument zu belegen vermag.
Mein W o r t ?
Das
meiner eigenen A b s c h r i f t e n ?
Ja!
Viäimus damit
darf man einem deutschen Gelehrten wohl kommen! —
Indefs w a r ' ich doch heil-
f r o h gewesen, als ich den Blutrichtern des armen Calas nun über die Gasse nachsah — hätte ihre Bekanntschaft meiner Einbildungskraft nicht Schattenbilder
zurück-
gelassen, die beinahe noch fürchterlicher waren, als sie selbst.
Was kann noch aus
dir w e r d e n , fing ich schauerlich zu berechnen a n , wenn die Mehrheit der Stimmen dir dein Absolutorium verweigerte — wenn die altern Kapitouls, klüger als die
344 abgegangenen
jungern,
auf den
natürli-
c h e n E i n f a l l g e r i e t h e n , d e i n e Aussage m i t deinem T a g e b u c h e zu vergleichen , w e n n sie es einem T r a n s l a t o r , der O d e n n i c h t für Wäschzettel n i m m t , in
deinem J a m m e r ,'
französischer brecht
wäre,
und nachher,
so
Sprache als Gott
ihr
übergäben, l a n jDe eben
du
bis es i n so
Homer,
geradewarten,
e r b a r m e sich !
alle
die Stellen v e r a n t w o r t e n m ü f s t e s t , deren sie n u r zu v i e l e , als k r i m i n e l l , oder als unverständlich, mit rother Tinte anstreichen w ü r d e n .
V e r w ü n s c h t sei der P r i o r
zu
m i t seinen K o n v e n t u a l e n !
Contignac
d e n n n u r s i e , die n i c h t m i t t r a n k e n ,
nur
i h r N e i d ü b e r ein G e s c h e n k , an dem sie k e i n e n T h e i l h a t t e n , k ö n n e n allein diese Verrätlierei an dir u n d dem lustigen l ' a t e r A n d r é begangen haben. Mönche! —
0 die heillosen
M i t t e n in diesem
Selbstge-
s p r ä c h v e r m e h r t e ein G e r i c h t s b o t e , der daz w i s c h e n t r a t , m e i n H e r z k l o p f e n , ehe ich sah,
d a f s es der liebe e r w a r t e t e E r l a u b -
345 »il'sschein z u m e i n e r Abreise war., er mir
den
einhändigte.
Der grofse T h a l e r ,
den ich i h m f ü r sei-
nen G a n g in die Hand d r ü c k t e , g i n g u n gleich leichter v o n m i r ,
als j e n e r ,
den
t e u f l i s c h e n Kastellan 7-11 Beziers
ich dem opferte.
Meine F r e u d e
augenblicklich.
w a r aber
nur
U n t e r allen B e w e g u n g e n
der Seele ist k e i n e ,
die der
Phantasie
m e h r z u schaffen m a c h t — einem m ä n n lichen
Geiste
W o r t e keine,
überlästiger,
mit
die d e m ü t h i g e n d e r ,
einem alber-
ner u n d p e i n i g e n d e r i s t , als die F u r c h t . Mir k a m e n die s c h a u d e r h a f t e s t e n Beispiele aus einer Menge
K r i m i n a l a k t e n w i e zu-
geflogen,
a u die ich
sonst
in
Unschuld
gar n i c h t zu denken
meiner gewohnt
b i n , u n d die ich m e i n e m Z u s t a n d e d o c h j e t z t so a n p a s s e n d bildeter Kranker
fand,
als ein einge-
jede grasse Sektionsge-
s c h i c h t e dein seinigen. Ich ü b e r l a s mal mit
m e i n e n F r e i p a f s w o h l zehn-
äufserstem
Mifstrauen,
Jedci
Punkt
Strich , -den ein U n b e f a n g e n e r
gar n i c h t b e m e r k t , k a n n j a ,
d a c h t e ich,
ein abgcredtes Zeichen m i t P o l i z e i d i e n e r n seyn,
an die m a n in v o r a u s w e i f s ,
d u gerathen
mul'st.
Spielen
dafs
nicht
oft
b o s h a f t e J u n g e n m i t einem armen Vogel, tun i h n sicher zu m a c h e n ? ter fliegen,
K a n n er w e i -
als der F a d e n l a n g i s t ,
den
sie i h m h e i m t ü c k i s c h u m den F u f s schlangen , u n d d u , , nicht
kann
ein so g u t e r K e r l ,
schon
wie
tagelang auf der Dili-
gence in engem V e r h a f t s i t z e n ,
u n d im-
mer in dem süfsen W a h n stehen , er reise n a c h seinein V a t e r l a n d e , laurer
für gut
benehmen? diesen
finden, ihm
Kaum
hatte
schreckhaften
abgefertiget,
bis seine A u f -
Möglichkeiten
als gleich
i h r e Stelle t r a t . t r o t z i g zu t h u n .
solchen
ich von
eine
eine a n d e r e an
Einmal versuchte Possen,
zu
allen
ich
s a g t e i c h , die
O r i g i n a l s c h r i f t e n sind ja den königlichen Bevollmächtigten überliefert.
Wer kann
mir b e w e i s e n , dul's ich sie gelesen h a b e ,
aufser —
stockte ich
ganz auf
einm,al
niedergeschlagen — dein unseliges Tagebuch.
Nun — f u h r ich schnell besonnen
f o r t , was h i n d e r t dich d e n n ,
es zu ver-
n i c h t e n , ehe es wider dich zeugt?
Die
eine Hälfte liegt schon in der Asche — lege die andere dazu!
J a , w e n n nicht
die väterliche Liebe zu dein Nestling gewesen w ä r e , die sich geradezu gegen den grausen Gedanken sträubte. ich —
was
Endlich kam
gewinnt man nicht durch
Nachdenken! — auf einen E i n f a l l , der mir in meiner ängstlichen
Lage als der
beste Nothhelfer so genialisch
erschien,
dai's ich ihn sogleich auf das herzhafteste ausführte.
Ich unterwarf
nämlich
mein Buch der Operation des Origenes. Die ausgeschnittenen gefährlichen Blätter theilte ich wieder in zahllose Dreiecke, die ich an einem gewissen staubigen Orte verbarg , dem sich nicht so leicht ein schwarz ogekleideter Kominissair nähern wird. Ich will den Inquisitor l o b e n , der ihn a h
348 verdächtig anspricht, p i e r * Schnitzel
ohne
o d e r a u c h die
Pa-
m e i n e H ü l f e in ein
lesbares Ganze zusammensetzt. N a c h solchen g e n o m m e n e n h i n g e n M a f s r e g e l n , sollte w o h l jeder Vernünftige glauben ,
müsse
wachsen
mir
seyn.
das
verzagte
Nichts
lleiz
weniger.
geDer
S c h r e c k e n w a r m i r e i n m a l ins B l u t getreten u n d s t i e g m i r i m m e r h ö h e r z u K o p f e . Wird
es
denn
die T r a g e a u f , halten,
der K ö n i g ,
w o h l fiir
warf
ich
wahrscheinlich
d a i s j e m a n d seine A h n e n - P r o b e
vierzehn T a g e in der T a s c h e h a b e n k a n n , ohne sie zu u n t e r s u c h e n ?
u n d ist n i c h t
der k ö n i g l i c h e ( H a u b e an die M ö g l i c h k e i t allein s c h o n h i n l ä n g l i c h , ihn par
d'Rtat
in
das
raison
erste b e s t e G e f ä n g n i f s s o
g u t mit einem M a u l k ö r b e zu s t o l s e n ,
als
m i t einer eisernen M a s k e ? Heiliger l ' i a c r e ! schütze mich, willen auf der
du
d a f s ich n i c h t u m deinet-
die Iirescauische
glücklicher
du verdientest,
Austerbank,
entgangen
bist,
zu liegen k o m m e !
als Hier
349 u n t e r b r a c h mich Bastian m i t der Nachr i c h t , die W a s s e l k u t s c h e sei samint dem D a r a u f g e l d e f ü r den guten P l a t z w ä h r e n d meines Verhörs ab und davon gefahren. „ O desto b e s s e r , " rief i c h ,
„ d i e Gesell-
s c h a f t , die man auf einem Toulouser PostschifT e r w a r t e n d a r f , w ü r d e sich ohnediefs sehr schlecht mit meiner g e g e n w ä r tigen S t i m m u n g , und die l a n g w e i l i g e F a h r t noch schlechter mit einem geschwinden F o r t k o m m e n vertragen , an dem m i r mehr noch gelegen seyn m u f s , als den Herren K a p i t o u l s , die hier frühstücken.
Auf der
Landseite entkommen w i r ja diesem Drachenneste um vieles geschwinder. ich doch meinen F r e i p a f s , wir?
was
Mache dich auf die B e i n e ,
Habe warten Bastian,
und schaffe mir ohne Verzug vier tüchtige Pferde vor den W a g e n , sechse.
Hörst d u ? "
oder lieber
Das w a r i h m eben
recht. Es verging keine V i e r t e l s t u n d e , so stand alles zu meiner F l u c h t in Bereitschaft. Die
35
—
glücklichsten Umstände trafen zusammen, sie zu befördern. Ich sah meine Berline mit sechs Pferden b e s p a n n t , , die vor Ungeduld s t a m p f t e n , wie ich.
E i n s zog w i e das a n d e r e , denn
ihre Führer w a r e n , trauten,
w i e sie mir bald ver-
Zwillingsbrüder,
Glaubens ,
und
meinten
kalvinischen es
überhaupt
ehrlich. Sie drückten mir nicht nur auf das herzlichste die
Hand
für
mein
freigebiges
Trinkgeld am E n d e der S t a t i o n , nein sie zeigten es allen ihren Kamineraden, sie a u f z u m u n t e r n , dienen.
um
ein gleiches zu ver-
Die Wege waren vortrefflich, der
Abend r u h i g ,
wie ein gutes Gewissen,
und die Nacht h e l l , wie bei uns ein Frühlingstag.
Nie hat mir der Klang der Post-
hörner mehr F r e u d e gemacht.
Nach der
E i l e , mit der ich an den berühmten Garküchen des Perigords vorbei rollte, hätte kein
Mensch ei r a t h e n ,
welchen
ich auf ihre kalten Pasteten setze.
Werth Ich
liefs m i c h
d u r c h keine a u f h a l t e n ,
denn
ich kam mir selbst w i e eine W a l d s c h n e p f e vor,
die alle i h r e F e d e r n a n s t r e n g t , u m
dein U n g l ü c k , in einer n a c h Holland oder Deutschland
verschickt
zu
werden,
zu
entfliehen. So e r r e i c h t e ich z w a r d u r c h G o t t e s H ü l f e und
o h n e den
m i n d e s t e n A n s t o i s schon
den siebenten M ä r z , einige S t u n d e n n a c h M i t t a g , das schöne w e i n r e i c h e B o u r d e a u x — a b e r die l a n g e Strecke W e g s , die i c h noch bis in mein V a t e r l a n d vor m i r sah, erlaubte
mir
nicht,
durch
i r g e n d einen
Genul's Zeit zu verlieren. W i e h ä t t e ich L u i t h a b e n k ö n n e n , nem Köiper g ü t l i c h zu t h u n ,
mei-
den ich bei
weitein n o c h n i c h t aui'ser G e f a h r g l a u b t e , u n d der s i c h , w i e D u n o c h h ö r e n w i r s t , bei a l l e m ,
w a s i h m a u f s t i e l s , r e c h t lin-
kisch b e n a h m . J e t z t , n a c h einer r u h i g e n f r ö h l i c h e n S t u n de , u n d n a c h d e m ich glücklich ü b e r die Strickleiter w e g b i n ,
die sie m i r erste!-
.552
gen h a l f ,
stellt es freilich g a n z anders um
Deinen F r e u n d , lieber E d u a r d . Ich werde nicht z u m letztenmal über die w i l d e n Blicke l a c h e n , die ich umher w a r f , als ich nicht w e i t von La Trompete,
der
hiesigen F e s t u n g , a u s dem W a g e n stieg. Alle A u g e n , alle K a n o n e n , g l a u b t e ich, w ä r e n auf mich gerichtet.
Ich sah i n
jedem Vorbeigehenden — ärger als Rousseau auf seinen S p a z i e r g ä n g e n — nur einen Spion,
der meine A n k u n f t der
anzeigen
werde.
ich zitterte nach,
die
Polizei
Ich g i n g n i c h t ,
von w e i t e m ich Bastian
meiner allein
nein, Chaise
überliel's
auf die Tost zu bringen und bespannen zu lassen — aber die Gasse dahin w o l l t e k e i n Ende nehmen.
Indem stürzte
ein
T r u p p M a t r o s e n , denen man es deutlich a n s a h , dals sie sich so w e n i g um mich, als
um
die ganze W e l t
bekümmerten,
m i r a u s einer Taberne in den W e g .
Sie
s c h w e n k t e n ihre r u n d e n Hüte und jauchzeten einmal über das andere mit stam-
353 melnder Z u n g e :
Es lebe Katharina
Der Name
Zweite!
die
dieser grofse» F r a u
fiel mir k a u m in die O h r e n ,
so
vergafs
ich Kammerdiener und W a g e n , und überliefs
mich
blindlings
dem Z u g e
meines
dunkelu aber mächtigen Zutrauens. schlols mich dicht au
Ich
die lustige L a n d e
a n , und so o f t ich mich bemerkt glaubte , s c h w e n k t e auch i c h meinen Hut und mischte h e r z h a f t mein V i v a t in das ihrige. So taumelte ich in ihrer Gesellschaft z w e i Stralsen durch bis v o r
die Stadt an den
H a f e n , w o sie a u f einmal Halt machten. Eine schöne gebietende Gestalt stand v o r i h n e n , dämpfte mit einem W i n k ihr
to-
bendes
das
Geschrei
und
wies
sie auf
S c h i f f , von w e l c h e m der N a m e ihrer Monarchin in goldenen Buchstaben mir über die W e l l e n entgegenglänzte , und dem sie sogleich auf einein B o o t e zuruderten. Wie
sich
das Gedränge
der
grünen
Jacken um mich her verloren h a t t e , stand ich
nun
Th. W .
einzeln, VI. Th.
aber ziemlich
aufser S.7)
Fassung,
vor dem K a p i t a i n , d e r , w a h r -
scheinlich ein w e n i g v e r w u n d e r t , reinlichen Überrock
unter seiner
einen Mann-
schaft zu s e h e n , mich von Kopf bis z u Fufs mit ernsten A u g e n betrachtete.
Da
ich nicht von der Stelle w i c h und bei dem
geringsten
Geräusch
scheu
hinter
mich b l i c k t e , f r a g t e er mich e n d l i c h : ob etwas
f ü r mich hier zu thun s e i ?
Ich
t r a t n ä h e r , nannte mit leiser Stimme meinen Nainen, der zum Glück f ü r mich ihm nicht ganz fremd w a r , und bat aus g e w i s sen U r s a c h e n ,
die ich ihm schon noch
entdecken w o l l e ,
vor der Hand nur um
S c h u t z — — „Aber gegen w e n denn ? " f r a g t e er ungeduldig —
„Gegen die w o l -
lüstigen und grausamen Kapitouls zu Toul o u s e , " zischelte ich ihm z u , „ u n d ihre hiesigen S p i o n e . "
Nach einem kurzen
liesinnen gab mir der brave Mann einen Wink,
ilun
auf das kleine Fahrzeug zu
f o l g e n , das bereit w a r , i h n überzusetzen. O w i e gern gcliorchte
ich !
Hütte
353 Bastian nicht besser Acht auf mich geh a b t , als ich auf i h n , so wären w i r vielleicht
so bald nicht wieder
zusammen
gekommen. Er schrie vom Ufer uns nach, bat und erhielt die E r l a u b n i f s , mit einzusteigen. meine
Wie geschwind verzog sich
bisherige Brustbeklemmung.
In
welche Freude ging sie nicht ü b e r , als ich bald nachher mich in der Kajüte meines Beschützers, zwar nur auf Bretern, die aber mit dem Gebiet einer mächtigen Monarchin zusammen h i n g e n , allen u n d jeden Kachstellungen entrissen sah.
des festen Landes
Dieses schöne Gefühl ent-
wickelte zuerst die heroische Frage in mir, ob es nicht möglich und mir am besten gerathen w ä r e ,
unter Russisch - Kaiserli-
cher Flagge allen gesetzlichen Ungeheuern des französischen Labyrinths zu schen.
entwi-
Ich legte diesen W u n s c h am Ende
meiner Geschichtserzählung Kapitain ans Herz.
dem
lieben
Er hörte meinen Vor-
trag mit gütiger Aufmerksamkeit an -—
35ilogircnden Kinde m i t t r a u r i g e m N a c h d e n k e n
in
das niedliche G e s i c h t ; J e r o m m u f s t e m i c h m e h r als einmal
an das F o r t g e h e n erin-
n e r n , u n d d o c h zögerte ich, bis das Glöckchen - G e l ä u t e
der
letzten
abgehenden
T r e c k s c h u t e m i r d u r c h alle Glieder f u h r , u n d als ich n u n in ü b e r s t r ö m e n d e r Z ä r t l i c h k e i t dem guten M ä d c h e n noch einmal ineine Hand b o t , zu Mutlic,
w a r d m i r so w e i n e r l i c h
als ob ich von i h r e m ganzen
lieblichen G e s c h l e c h t ,
sainmt den
Musen e w i g e n Abschied n ä h m e .
neun
So lange
i c h auf der R ü c k f a h r t das s c h m u c k e T e m pelchen n o c h in der Abendsonne, b l i n k e n sah,
w a r es mir n i c h t m ö g l i c h ,
meine
A u g e n nach einer a n d e r n S e i t e , —
ineine
F a n t a s i e auf einen g e r i n g e m G e g e n s t a n d , als auf die N y m p h e zu r i c h t e n , wohnte.
die es be-
I c h s c h r i e b i h r e r J u g e n d , Schön-
h e i t , U n s c h u l d u n d i h r e m poetischen Talente so viele F e s t t a g e zu G u t e ,
dafs ich
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