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German Pages 174 [182] Year 2013
Staats- und völkerrechtlichte Abhandlungen der Studiengruppe für Politik und Völkerrecht Band 28
20 Jahre deutsch-polnischer Nachbarschaftsvertrag Realpolitische Stichproben aus einer fortschreitenden Völkerverständigung Herausgegeben von Gilbert H. Gornig Hans-Detlef Horn Hans-Günther Parplies
Duncker & Humblot · Berlin
20 Jahre deutsch-polnischer Nachbarschaftsvertrag
Staats- und völkerrechtliche Abhandlungen der Studiengruppe für Politik und Völkerrecht Herausgeber im Auftrag der Kulturstiftung der deutschen Vertriebenen, Bonn: Dieter Blumenwitz †, Karl Doehring †, Gilbert H. Gornig, Christian Hillgruber, Hans-Detlef Horn, Bernhard Kempen, Eckart Klein, Hans v. Mangoldt, Dietrich Murswiek, Dietrich Rauschning
Band 28
20 Jahre deutsch-polnischer Nachbarschaftsvertrag Realpolitische Stichproben aus einer fortschreitenden Völkerverständigung
Herausgegeben von Gilbert H. Gornig Hans-Detlef Horn Hans-Günther Parplies
Duncker & Humblot · Berlin
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
Die Bände 1 – 19 der „Staats- und völkerrechtlichen Abhandlungen der Studiengruppe für Politik und Völkerrecht“ erschienen im Verlag Wissenschaft und Politik, Köln
Alle Rechte, auch die des auszugsweisen Nachdrucks, der fotomechanischen Wiedergabe und der Übersetzung, für sämtliche Beiträge vorbehalten © 2013 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 1434-8705 ISBN 978-3-428-14252-1 (Print) ISBN 978-3-428-54252-9 (E-Book) ISBN 978-3-428-84252-0 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706
Internet: http://www.duncker-humblot.de
Vorwort Mit dem Abschluss des „Vertrages über gute Nachbarschaft und freundschaftliche Zusammenarbeit zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Polen“ am 17. Juni 1991 wurde die Erwartung verbunden, auf der Grundlage von Offenheit und Ehrlichkeit im Dialog zu einer weitgehenden Annäherung und Lösung noch bestehender Probleme zu gelangen. Heute sind Deutschland und Polen längst Partner in der Europäischen Union. Die politischen Kontakte zwischen den beiden Staaten gestalten sich eng, werden sorgfältig gepflegt und sind – trotz gelegentlicher Verstimmungen – vertrauensvoll. Die Menschen der beiden Staaten nutzen die offenen Grenzen für mannigfache und intensive Begegnungen. All das wurde zum 20. Jahrestag des Vertragsschlusses – mit Recht – von der Politik beiderseits der Oder, besonders aber von der deutschen reichlich herausgestellt und gefeiert. Es blieb jedoch die Frage, ob die Absicht des Vertrags von 1991, eine „gute Nachbarschaft und freundschaftliche Zusammenarbeit“ herbeizuführen, damit rundum verwirklicht worden ist. Hier galt es, 20 Jahre nach dem Abschluss des Vertrages eine wahrhaftige Bilanz des Erreichten zu ziehen, auch verbliebene Defizite aufzuzeigen und weitere Perspektiven zu erarbeiten. Die Kulturstiftung der deutschen Vertriebenen unternahm dies im Juli 2011 mit einer internationalen Fachtagung, die sich durchaus auch als ein gewisses Korrektiv zu allzu einseitigen Jubelfeiern verstand. Dazu waren Völkerrechtler, Politikwissenschaftler, Publizisten, Historiker, Vertreter von Kirchen und Kulturinstitutionen sowie nicht zuletzt Heimatvertriebene und Vertreter der deutschen Volksgruppe in Polen nach Königswinter am Rhein eingeladen. Dass den im Vertrag angesprochenen in Polen lebenden Deutschen eine besondere Rolle beim Verständigungsprozess zukommt, betonte in ihrem Grußwort Ministerialrätin Marie-Therese Müller als Vertreterin des die Veranstaltung fördernden Bundesministeriums des Innern. Die deutsche Minderheit in Polen stelle ein wichtiges Bindeglied zwischen Deutschland und Polen dar. Die Erhaltung und Pflege von Sprache und Kultur der Volksgruppe sei ein wesentlicher Bestandteil des deutsch-polnischen Aussöhnungs- und Verständigungsprozesses. Verstärkt seien daher identitätsstärkende Maßnahmen zu fördern, ein Prozess, den die Bundesregierung weiter begleiten werde. Martin Flasche, Leitender Ministerialrat im Ministerium für Bundesangelegenheiten, Europa und Medien des Landes NRW, hob hervor, dass es in den vergangenen 20 Jahren nicht zuletzt dank die Begegnung der Menschen fördernder Städte- und anderer Partnerschaften gelungen sei, die alten Ängste und Vorurteile aus dem Weg zu räumen.
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Vorwort
Freilich kann man vor dem Hintergrund der beiderseitigen traumatischen Erfahrungen des 20. Jahrhunderts und weiter offener Punkte nicht leichtfertig von einer erreichten „Normalität“ in den deutsch-polnischen Beziehungen sprechen. Die Beiträge der Tagung – Beiträge von Wissenschaftlern aus beiden Ländern – zeigten ein weit stärker differenziertes Bild auf, als es die Grußworte zu vermitteln vermochten. Den Auftakt bildeten eingehende rechtswissenschaftliche Betrachtungen zu dem Vertragswerk, in denen der Marburger Völkerrechtler Professor Dr. Gilbert H. Gornig das Hauptaugenmerk auf die menschen- und minderheitenrechtlichen Regelungen sowie den Kulturgüterschutz richtete. Der in Bromberg/Bydgoszcz und in Bonn lehrende Politikwissenschaftler Professor Dr. Albert Kotowski verwies auf das Wort des polnischen Ministerpräsidenten Donald Tusk, dass die „Zeit der großen Gesten“ vorbei sei und nunmehr nationale Interessenpolitik im Vordergrund stehe, eine Analyse, die der Warschauer Germanist Professor Dr. Sauerland in seinem Beitrag bestätigte. Trotz umfassender rechtlicher Absicherung der deutschen Volksgruppe bestehen in der Praxis weiter erhebliche Defizite hinsichtlich kultureller und sprachlicher Identitätspflege. Darüber berichteten konkret sowohl Bernhard Gaida, der Vorsitzende des Verbands der deutschen sozial-kulturellen Gesellschaften in Polen, als auch Tobias Körfer von der AGMO e.V. Immerhin macht sich in Polen im Bereich der historischen Forschung ein Generationenwechsel bemerkbar, der eine unvoreingenommene Sicht auf die gemeinsame Vergangenheit mit all ihren Brüchen erlaubt, wie dies Professor Dr. Witold Stankowski und seine jungen polnischen Schülerinnen eindrücklich demonstrierten. Vorwiegend anhand eines konkreten Beispiels, der Wiederherstellung von Schloss Steinort in Masuren, erläuterte Dr. Peter Schabe die erfolgreiche, wenn auch mit zahlreichen Hindernissen verbundene deutsch-polnische Zusammenarbeit im Rahmen der binationalen Stiftungen für Kulturpflege und Denkmalschutz. Angeregte Beiträge der Teilnehmer, etwa im Rahmen der abschließenden Podiumsdiskussion, zeigten auf, dass auf Jahre hinaus weitere gemeinsame Bemühungen erforderlich sein werden, um das, was vor 20 Jahren im deutschpolnischen Nachbarschaftsvertrag proklamiert wurde, dauerhaft mit Leben zu erfüllen und so zu einem vertrauensvollen gutnachbarschaftlichen Verhältnis zu gelangen, das auch jenseits offizieller vertraglicher Regelungen trägt. Die Herausgeber danken den Mitarbeitern am Institut für Öffentliches Recht der Philipps-Universität Marburg für ihre Mithilfe, insbesondere Frau Dr. Aldona Szczeponek LL.M. für die Mitarbeit bei der Fertigstellung des Manuskripts und Frau Elizabeth Burgess für die Übersetzungen. Bonn, den 15. Februar 2013 Hans-Günther Parplies Vorsitzender der Kulturstiftung der deutschen Vertriebenen
Foreword With the completion of the „treaty for good neighbourly relations and friendly cooperation between the German Federation and Republic of Poland” on June 17th 1991 the expectations became united. The aim is a basis of openness and honesty within dialogue to achieve further convergence and to solve remaining problems. Today Germany and Poland are long standing partners in the European Union. The political liaisons between both states are tight, are carefully maintained and are – despite occasional disgruntlement – trusting. The people of both states use the open boarders for manifold and intensive meetings. The 20th anniversary of the conclusion of the treaty – and rightly so – was highlighted and celebrated by both sides, and particularly by the Germans. The question remains however, whether the intention of the treaty established in 1991 for a “good neighbourly relations and friendly cooperation” has been fulfilled. Here, 20 years after the conclusion of the treaty, it was necessary to draw a true record of achievements, identify remaining gaps and also to develop further prospects. The Cultural Foundation for the displaced Germans took on this task in July 2011 by setting up an international expert conference, which certainly stood as a corrective for the one-sided celebrations. International lawyers, political scientists, journalists, historians, representatives of churches and cultural institutions, as well as exiles and representatives of the German minority group in Poland were invited to the conference in Königswinter on the Rhine. As mentioned in the Treaty, the Germans living in Poland are granted a crucial role in the agreement process, as stressed in welcome speech of MarieTherese Müller as representative for the organization promoting the German Federal Ministry of the Interior (Home office). The German ethnic minority in Poland represents a significant link between Germany and Poland. The preservation and care of the language and culture of the ethnic group is a crucial component for the German-Polish reconciliation and agreement process. The National government will keep pursuing policies to support the reinforcement of identity. Martin Flasche, head of the division for the Ministry of National Matters, Europe and the Media for North-Rhine-Westphalia (NRW) pointed out that in the past 20 years the old fears and prejudices have been eliminated, not least thanks to the meetings of the people of supporting cities and other partnerships.
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Foreword
Admittedly, in the context of the mutually traumatic experiences of the 20th century and the issues which are still outstanding, we cannot speak lightly of a reached “normality” in the German-Polish relationship. The contributions to the conference – contributions from academics from both countries – show a much more fractured picture than they were able to convey during the welcome speeches. The start constituted of a detailed jurisprudential examination of the agreement, in which the International Law Professor Dr. Gilbert H. Gornig of Marburg laid the main focus of attention on human and minority rights regulations as well as the protection of national heritage. Dr. Albert Kotowski, professor of politics who is teaching in Bromberg / Bydgoszcz and Bonn, quoted the polish Prime minister Donald Tusk who said that “the time of generous gestures” is over and that national interest are now prioritized, an analysis which Professor Dr. Sauerland of German Studies in Warsaw confirms. Despite extensive legal assurance of the German ethnic group, in practice there are extensive shortfalls concerning the protection of cultural and language identity. Bernhard Gaida, chairman of the German Social-Cultural Society in Poland, as well as Tobias Körfer of AGMO e.V. have reported on this. Nevertheless a generational change can be seen in Poland through historical research, which enables an impartial view of the common past with all its fractions, which is impressively demonstrated by Professor Dr. Witold Stankowski and his young pupils. Primarily on the basis of a concrete example – the restoration of the Castle Steinort in Masuren – Dr. Peter Schabe explains the GermanPolish cooperation which is successful, yet faced with numerous obstacles, within the context of the bi-national foundations for the protection of culture and monument conservation. Stimulating contributions by the participants, for instance during the closing panel discussion, demonstrate how continuous collective efforts are necessary for future years. Through this the German-Polish Neighbour Treaty, which was proclaimed 20 years ago, will have a long lasting realisation and can so lead to a trusting relationship, which is thereafter maintained by official legal regulations. The editors would like to express their thanks to the staff of the Institute for Public Law of the Philipps-University of Marburg for their assistance, especially to Dr. Aldona Szczeponek LL.M. for the compilation of the volume and to Elizabeth Burgess for the translations. Bonn, 15th February 2013 Hans-Günther Parplies Chairman of the Cultural Foundation of the displaced Germans
Inhaltsverzeichnis Albert S. Kotowski Analyse des deutsch-polnischen Verhältnisses vor dem Hintergrund des Nachbarschaftsvertrags ...................................................................................... 17 Abstract .................................................................................................................... 37 Karol Sauerland Die deutsch-polnischen Beziehungen im europäischen Kontext .............................. 39 Abstract .................................................................................................................... 44 Witold Stankowski Fortschritte und Hindernisse bei der Erforschung der gemeinsamen Geschichte von Deutschen und Polen ......................................................................................... 45 Abstract .................................................................................................................... 65 Gilbert H. Gornig Rechtswissenschaftliche Betrachtung der aus dem Nachbarschaftsvertrag erwachsenen Regelungen zum Minderheitenrecht und zur Pflege des kulturellen Erbes ......................................................................................................................... 67 Abstract .................................................................................................................. 102 Bernard Gaida Zur aktuellen Situation der deutschen Volksgruppe in Polen ................................. 105 Abstract .................................................................................................................. 117 Tobias Norbert Körfer Sprach- und Identitätsproblematik der deutschen Volksgruppe in der Republik Polen ....................................................................................................................... 121 Abstract .................................................................................................................. 133
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Inhaltsverzeichnis
Peter Schabe Pflege von ehemaligen deutschen Kulturgütern und Denkmälern in Polen als Bestandteile des gemeinsamen europäischen Kulturerbes ................................ 135 Abstract .................................................................................................................. 140 Aleksandra Kmak-Pamirska Die Wahrnehmung des Danziger Bischofs Carl Maria Splett durch die deutsche und die polnische Gesellschaft ............................................................................... 143 Abstract .................................................................................................................. 150
Die Autoren ................................................................................................................. 153 Personenregister .......................................................................................................... 167 Sachregister ................................................................................................................. 171
Table of Contents Albert S. Kotowski Analysis of the German-Polish relationship in light of the Neighbourship Treaty ... 17 Abstract .................................................................................................................... 37 Karol Sauerland The German-Polish relationships in European context ............................................. 39 Abstract .................................................................................................................... 44 Witold Stankowski Progress and barriers in the study of the common history of the Poles and the Germans ....................................................................................................... 45 Abstract .................................................................................................................... 65 Gilbert H. Gornig Jurisprudential examination of the rules on minority rights and care for cultural heritage, which grew out of the Neighbourship Treaty............................................. 67 Abstract .................................................................................................................. 102 Bernard Gaida About the current situation of the German minority in Poland ............................... 105 Abstract .................................................................................................................. 117 Tobias Norbert Körfer Language and identity problems of the German minority group in the Republic of Poland ................................................................................................................ 121 Abstract .................................................................................................................. 133
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Table of Contents
Peter Schabe Conservation of former German monuments and cultural assets in Poland as a part of common European cultural heritage ......................................................... 135 Abstract .................................................................................................................. 140 Aleksandra Kmak-Pamirska The perception of the Bishop of Gdansk Carl Maria Splett through the German and Polish society ................................................................................................... 143 Abstract .................................................................................................................. 150
The Authors ................................................................................................................. 153 List of Names .............................................................................................................. 167 Index ............................................................................................................................ 171
Abkürzungsverzeichnis / List of Abbreviations abgedr.
abgedruckt
ABl.
Amtsblatt
Abs.
Absatz
a. F.
alte Fassung
AGMO e.V.
Gesellschaft zur Unterstützung der Deutschen in Schlesien, Ostbrandenburg, Pommern, Ost- und Westpreußen
Art.
Artikel
Aufl.
Auflage
AVR
Archiv für Völkerrecht
Az.
Aktenzeichen
Bd.
Band
BeiBl.
Beiblatt
Beschl.
Beschluss
BGBl.
Bundesgesetzblatt
BGH
Bundesgerichtshof
BRD
Bundesrepublik Deutschland
BT
Bundestag
Buchst.
Buchstabe
BVerfG
Bundesverfassungsgericht
BVerfGE
Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts, amtliche Sammlung
BVerwG
Bundesverwaltungsgericht
bzw.
beziehungsweise
ca.
circa
CBOS
Centrum Badania Opinii Spolecznej (polnisches Meinungsforschungszentrum)
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Abkürzungsverzeichnis / List of Abbreviations
CDU
Christlich Demokratische Union
Coll.
Collection
CSU
Christlich Soziale Union
DDR
Deutsche Demokratische Republik
dens.
denselben
ders.
derselbe
DFK
Deutscher Freundschaftskreis im Bezirk Schlesien
d.h.
das heißt
dies.
dieselbe
DM
Deutsche Mark
DPS
Deutsch-polnische Stiftung Kulturpflege und Denkmalschutz
Drs.
Drucksache
DRZ
Deutsche Rechts-Zeitschrift
dt.
deutsch
ebd.
ebenda
ECtHR
European Court of Human Rights
Ed.
Edited
EG
Europäische Gemeinschaft
EGMR
Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte
EMRK
Europäische Menschenrechtskonvention
EPIL
Encyclopedia of Public International Law
etc.
et cetera
et seq.
folgende
EU
Europäische Union
EuGH
Europäischer Gerichtshof
e.V.
eingetragener Verein
f.
folgend
FAZ
Frankfurter Allgemeine Zeitung
FDP
Freie Demokratische Partei
ff.
fortfolgend
Fn.
Fußnote
Abkürzungsverzeichnis / List of Abbreviations FS
Festschrift
GBl.
Gesetzblatt
geb.
geboren
gem.
gemäß
GG
Grundgesetz
ggf.
gegebenenfalls
HLKO
Haager Landkriegsordnung
hrsg.
herausgegeben
Hrsg.
Herausgeber
ICJ
International Court of Justice
i.e.
id est
IGH
Internationaler Gerichtshof
ILC
International Law Commission
insb.
insbesondere
IPbpR
Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte
i.S.d.
im Sinne der/des
i.S.v.
im Sinne von
i.V.m.
in Verbindung mit
jew.
jeweils
KSZE
Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa
KZ
Konzentrationslager
lit.
litera
LM
Landsmannschaft
MdB
Mitglied des Bundestages
MSWiA
Ministerstwo Spraw Wewnetrznych i Administracji (polnisches Innenministerium)
m.w.N.
mit weiteren Nachweisen
m.z.N.
mit zahlreichen Nachweisen
NATO
North Atlantic Treaty Organization
No.
number, Nummer
Nr.
Nummer
NS
Nationalsozialismus
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Abkürzungsverzeichnis / List of Abbreviations
op. cit.
opus citatum
par.
Paragraph
PKZ
Pracownie Konserwacji Zabytkow (Restaurierungswerkstätten)
PNF
Polsko-Niemiecka Fundacja Ochrony Zabytków (Polnisch-Deutsche Stiftung Kulturpflege und Denkmalschutz in Warschau)
PStS
parlamentarischer Staatssekretär
Rn.
Randnummer
S.
Seite
s.
siehe
Slg.
Sammlung (Gesetze, Gerichtsentscheidungen)
sog.
so genannt
SPD
Sozialdemokratische Partei Deutschlands
StIGH
Ständiger Internationaler Gerichtshof
u. a.
und andere
u. ä.
und ähnliche
UN
United Nations, Vereinte Nationen
UNO
United Nations Organization
v.
vom, von
VdG
Verband der deutschen sozialkulturellen Gesellschaften in Polen
vgl.
vergleiche
Vol.
Volume
ZaöRV
Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht
z.B.
zum Beispiel
Ziff.
Ziffer
zit.
zitiert
z. T.
zum Teil
z. Zt.
zur Zeit
Analyse des deutsch-polnischen Verhältnisses vor dem Hintergrund des Nachbarschaftsvertrags Von Albert S. Kotowski Am Sonntag, dem 21. Oktober 2007 fanden in Polen Parlamentswahlen statt, die insbesondere in Deutschland sehr aufmerksam und mit Spannung beobachtet wurden. In den Nachrichten aller Sender und in der Presse nahmen die Informationen aus Warschau an diesem Sonntag den erstrangigen Platz ein. Noch nie seit dem Fall der Mauer und dem Untergang des kommunistischen Systems in Osteuropa wurde so viel Aufmerksamkeit und Sorge der politischen Entwicklung und dem bevorstehenden Machtwechsel in einem der ehemaligen Ostblockstaaten gewidmet. Die Ursache dafür war die Verschlechterung der deutsch-polnischen Beziehungen seit dem Amtsantritt der Zwillingsbrüder Kaczynski, die im Jahre 2005 die Ämter des Staatspräsidenten und des Ministerpräsidenten übernahmen. Der Wahlsieg der Liberalen Bürgerplattform und ihres Vorsitzenden Donald Tusk am 21. Oktober 2007 wurden durch die deutsche Regierung sehr begrüßt und in den deutschen Medien gefeiert. Die „Süddeutsche Zeitung“ berichtete am Tag nach der Wahl über ein „enormes Interesse an guten Beziehungen“ und verwies auf die Äußerung der Bundeskanzlerin Merkel, die den Wahlsieg der Bürgerplattform begrüßte und die Hoffnung auf gute Zusammenarbeit in Europa und eine Entspannung des deutsch-polnischen Verhältnisses zum Ausdruck brachte. Die Zeitung berichtete: „Bundeskanzlerin Merkel setze auf Entspannung im deutsch-polnischen Verhältnis und auf einen Schulterschluss in der Europapolitik. Die Bundesregierung hoffe, dass die neue polnische Regierung des liberalen Spitzenkandidaten Donald Tusk das Angebot zum Dialog und zum Ausgleich aufgreifen werde.“ Zu Wort meldeten sich auch führende deutsche Politiker. Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, Ruprecht Polenz (CDU), erwartete eine spürbare Verbesserung der bilateralen Beziehungen. In Polens Außenund Europapolitik rechnete er mit einem Neuanfang und wies darauf hin, dass man darauf aufbauen könne, was Persönlichkeiten wie Ex-Außenminister Władysław Bartoszewski und andere erreicht hätten. Auf deren Erbe – sagte Polenz – habe sich die bisherige Regierung des Ministerpräsidenten Jarosław Kaczyński – eher weniger bezogen. Ähnlich äußerte sich Gesine Schwan, Koordinatorin der Bundesregierung für die deutsch-polnische Zusammenarbeit. Im
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ersten Interview nach den Wahlen rechnete sie ebenfalls mit einer Entspannung der politischen Verhältnisse zwischen Berlin und Warschau. Schwan wies darauf hin, dass Donald Tusk angekündigt habe, sowohl das Verhältnis zur Europäischen Union als auch zu Deutschland verbessern zu wollen. Nach ihrer Meinung werde Tusk stark genug sein, nationale Interessen zu vertreten, ohne dies zu Lasten Deutschlands oder Europas zu tun. Dies unterscheide ihn vom bisherigen Regierungschef Kaczyński. Im Wahlergebnis sah Schwan auch einen Beleg dafür, dass es nicht gerechtfertigt sei, von einer deutschfeindlichen Stimmung zu sprechen: „Die Umfragen zeigen alle, dass die Polen mehrheitlich sowohl gegenüber Deutschland als auch gegenüber Russland eher eine positive Beziehung haben wollen“.1 In der deutschen Öffentlichkeit herrschte eine Aufbruchstimmung. Man gab sich allerseits zuversichtlich, dass die neue Regierung von Donald Tusk die inzwischen sehr zerfahrenen deutsch-polnischen Beziehungen reparieren wird. Was war eigentlich passiert zwischen Berlin und Warschau in den vergangenen Jahren, dass man deutscherseits auf einen Durchbruch hoffen musste? Wenn man die Äußerungen deutscher Politiker von Ende Oktober 2007 liest, kann man sich der Vermutung nicht entziehen, an der Verschlechterung der Beziehungen seien allein die Polen, und namentlich die Gebrüder Kaczynski, verantwortlich. Diese Meinung verfestigte die in Polen berühmt-berüchtigte Präsidentin des Bundes der Vertriebenen, Erika Steinbach (MdB), die in der ersten Reaktion auf das Wahlergebnis in Warschau ihre Genugtuung zum Ausdruck brachte und zugleich bemerkte: „das, was an Ressentiments vorhanden ist, das kam von polnischer Seite“.2 Stefan Raabe, Leiter des Warschauer Büros der Konrad Adenauer Stiftung, analysierte in seinem Länderbericht vom Januar 2008 die außenpolitische Lage Polens insbesondere im Hinblick auf die deutsch-polnischen Beziehungen. Er betonte, dass es in der Tat im Laufe des Jahres 2007 Divergenzen mit Deutschland gegeben habe bei Themen wie der Gaspipeline durch die Ostsee, der Europapolitik, dem Umgang mit der Geschichte, den Entschädigungsansprüchen einiger Vertriebener, vertreten durch die Preußische Treuhand, und den deutschen Kulturgütern in Polen. Diese Divergenzen führten durch die Art und Tonlage der Behandlung von Seiten der polnischen Regierung zu einer Verschärfung der Krisen in den bilateralen Verhältnissen. Der im Außenministerium angesiedelte Deutschlandbeauftragte der polnischen Regierung Mariusz Muszyński (inzwischen von Tusk längst abgesetzt) goss mit aggressiven publizistischen Einlassungen und Vorwürfen gegenüber Deutschland wiederholt Öl ins Feuer des Streites. Bedingt durch die deutsche EU-Ratspräsidentschaft, die im Gegensatz zu Polen eine Entscheidung in der Frage der Reform des Verfas___________ 1 2
„Süddeutsche Zeitung“ v. 22.10.2007. „Die Welt“ v. 23.10.2007.
Analyse des deutsch-polnischen Verhältnisses
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sungsvertrages der EU herbeiführen wollte, und durch das Problem des Abstimmungsmodus im Europarat, bei dem Deutschland durch seine Größe exponiert ist, entstand in der polnischen Öffentlichkeit der Eindruck eines Interessenkampfes zwischen Deutschland und Polen. Das polnische Parlament unterstützte ohne die Zustimmung der Linken die Verhandlungsposition der Regierung, die ein „Quadratwurzelsystem“ bei der Stimmengewichtung durchsetzen wollte. Der Vorschlag wurde von der Regierung unter anderem damit begründet, dass eine Stärkung Polens zur Verhinderung einer deutschen Hegemonie in der EU notwendig sei. Es müsse verhindert werden, dass Polen wieder einmal Opfer deutscher Interessen werde. Bis zuletzt drohte Premier Kaczyński von Warschau aus unter dem Motto „Quadratwurzel oder Tod“ mit einem Veto. Erst nach äußerst harten Verhandlungen kam es in der Nacht vom 22. auf den 23. Juni 2007 in Brüssel zu einem Kompromiss. Der polnische Premier bewertete den EU-Gipfel anschließend als Erfolg für Polen. Doch auf beiden Seiten ist danach von politischer Erpressung die Rede gewesen. Der damalige Vizepremier Roman Giertych klagte, Deutschland habe Polen wie in früheren Zeiten die Pistole auf die Brust gesetzt. Das konservative Politikmagazin „Wprost“ stellte Kanzlerin Merkel auf dem Titelblatt als „Stiefmutter Europas“ dar, die lächelnd Jarosław und Lech Kaczyński an ihrer Brust stillte. Der polnische Ethikrat kritisierte das Titelblatt als geschmacklos. Die Bild-Zeitung titelte halbseitig: „Polen verhöhnen deutsche Kanzlerin“. Auslöser der „Presseschlacht“ war die Schlagzeile des Spiegel: „Wie die Polen Europa nerven“ und ein Bild, das die polnischen Staatszwillinge auf Angela Merkel reitend darstellte. Letztendlich scheiterte der Versuch der Kaczyńskis, vor dem Hintergrund der Geschichte durch ein populistisch instrumentalisiertes Misstrauen gegenüber Deutschland europapolitisch Kapital zu schlagen. Der Schaden, den diese Politik anrichtete – so Raabe in seinem Länderbericht – wurde in der Sache zwar durch das Einschwenken in letzter Minute auf den Kompromiss, der den Erfolg des Gipfels ausmachte, begrenzt. Die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ bemerkte am Rande der Berichterstattung über diesen Gipfel: Es ist „der Dämon einer anderen, vergangen geglaubten Zeit, dessen giftiger Atem da plötzlich durch Europa streicht“.3 Die von der Frankfurter Allgemeinen Zeitung aufgerufen geglaubten „Dämonen der Vergangenheit“ beschäftigen, natürlich umgekehrt, auch die Polen. Der bereits erwähnte ehemalige polnische Regierungsbeauftragte Muszyński schrieb in der Einleitung einer opulenten Studie der Stiftung „PolnischDeutsche Aussöhnung“ und des polnischen Außenministeriums, die Ende 2007 in Deutsch, Englisch und Polnisch veröffentlicht wurde, Folgendes: „Seit einiger Zeit genügt es einer Lappalie, um das deutsch-polnische Verhältnis zu stö___________ 3 Länderbericht Polen: Politische Chronik 2007, hrsg. von Stefan Raabe, Leiter des Auslandsbüros der Konrad-Adenauer-Stiftung in Warschau vom 28.01.2008, S. 4–5.
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ren. Manchmal reicht ein Wort, eine Zeichnung oder eine Fotomontage und sogleich verlieren die Toleranz, Verständigung und Versöhnung ihre Bedeutung. Der Geist der Geschichte, die nicht vergehen will, schwebt über allem“. Muszyński warf den Deutschen vor, seit dem 18. und 19. Jahrhundert habe sich in der deutschen Öffentlichkeit nichts geändert. Es gäbe dort ein zweipoliges Bild von Polen und seinen Bewohnern. Einerseits werden die Gastfreundschaft und die Vielfalt Polens betont, andererseits wird immer wieder das Stereotyp von den Polen als Bürgern eines armen und schlecht regierten Staates verbreitet, das am Rande Europas liege und kaum in die zivilisierte Europäische Union passe.4 Den „Geist der Geschichte“ und den „Dämon der Vergangenheit“ mitten in Europa zu Beginn des 21. Jahrhunderts heraufzubeschwören, erscheint auf den ersten Blick obsolet, ja fast lächerlich, wenn man bedenkt, wie musterhaft die deutsch-französische „historische Gegnerschaft“ nach dem Zweiten Weltkrieg überwunden wurde. Dabei schienen noch vor wenigen Jahren der politische Wandel am Ende der achtziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts und der epochale Transformationsprozess eine grundlegende qualitative Wandlung der deutsch-polnischen Beziehungen zu ermöglichen. Die Annäherung und Versöhnung sowie die gutnachbarschaftlichen Beziehungen, die in den letzten Regierungsjahren des Bundeskanzlers Helmut Kohl aufgebaut wurden, hätten eine feste Grundlage für die weitere Entwicklung einer Freundschaft und erfolgreichen Partnerschaft beider Nationen bilden können. Zwischen den Versöhnungsgesten und -beteuerungen von Bundeskanzler Kohl und dem polnischen Ministerpräsidenten Tadeusz Mazowiecki während des Treffens beider Staatsmänner in Kreisau sowie dem Vorwurf des Ministerpräsidenten Jarosław Kaczyński an den ehemaligen Außenminister und Brückenbauer der deutschpolnischen Versöhnung, Władysław Bartoszewski, er betreibe eine „Politik des Kniens vor den Deutschen“, liegen weniger als sechs Jahre. Die heutigen deutsch-polnischen Debatten und nachbarschaftlichen Streitigkeiten lassen sich aber ohne einen Rückblick auf die Geschichte der deutsch-polnischen Nachbarschaft nicht erklären. Gehen wir also auf eine kurze Reise in die deutschpolnische Vergangenheit. Der Bonner Jurist Professor Marcus Lutter, der am 16. Mai 2003 die Doktorwürde honoris causa der Warschauer Universität erhielt, sprach in seiner Dankesrede über die glücklichen, goldenen Zeiten der deutsch-polnischen Geschichte und spannte einen Bogen von der Reise des Kaisers Otto III. zum slawischen Herzog Bolesław Chrobry nach Gnesen im Jahre 1000, über die Vermählungen der polnischen Herrscherhäuser mit deutschen Prinzessinnen im ___________ 4
Mariusz Muszyński / Przemysław Sypniewski / Krzysztof Rak (Hrsg.), Die Deutschen über Polen und die Polen. Polen in den deutschen Medien in den Jahren 20062007, Warszawa 2007, S. 9-10.
Analyse des deutsch-polnischen Verhältnisses
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Mittelalter, unter anderem Oda von Meißen und Königin Richeza, bis zum polnischen König Johann Sobieski, dessen Sieg über die Türken bei Wien 1683 eine unglückliche Wende der europäischen Geschichte verhinderte.5 Man kann diesen Bogen noch weiter spannen: Deutsch-polnische Gemeinsamkeiten und friedliche Zeiten sind in der Geschichte leicht aufzufinden. Jan Józef Lipski, einer der führenden und in Deutschland populärsten Persönlichkeiten der demokratischen Opposition im kommunistischen Polen, schrieb in seinem Essay „Polen, Deutsche und Europa“ aus dem Jahre 1989, dass die Grenze zwischen dem Königreich Polen und dem Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation Jahrhunderte lang, vom 14. bis zum 18. Jahrhundert, die ruhigste Grenze Europas war, die unverändert blieb und um die keine Kriege geführt wurden.6 An dieser Stelle kann man die Liste der Beispiele einer friedlichen Nachbarschaft fast beliebig erweitern: Sächsische Kurfürsten herrschten als gewählte Könige der Adelsrepublik und es musste keine schlechte Herrschaft gewesen sein, wenn man bedenkt, dass die polnischen Monarchisten dem heutigen Nachkommen der sächsischen Wettiner vor wenigen Jahren die polnische Krone zugesprochen haben, sollte Polen irgendwann zum Königreich erklärt werden. Erwähnenswert ist das Bündnis deutscher und polnischer Demokraten im 19. Jahrhundert, die deutsche Polenfreundschaft in den 1830er Jahren und die Waffenbrüderschaft auf den Barrikaden der Revolutionen von 1848/49 mit der Parole „Für Eure und Unsere Freiheit“. Diese friedliche Entwicklung und die positiven Traditionen erlitten einen Bruch in der Zeit der Reichsgründung 1870/71, wobei sich die Wende zum preußisch-polnischen Antagonismus bereits in der Debatte abzeichnete, die im Juli 1848 im Frankfurter Parlament geführt wurde. Als die Polen die Aufrechterhaltung der Sonderrechte für die Provinz Posen verlangten, trat der deutsche Abgeordnete Wilhelm Jordan mit einer Rede in der Paulskirche auf, in der er die Deutschen zu einem „gesunden Volksegoismus“ in ihrem Verhältnis zu den Polen aufrief und „deutsche Eroberungen in Polen“ zu einer „Notwendigkeit“ erklärte. Beide Nationen strebten dasselbe Ziel an: Die Gründung eines Nationalstaates, aber nur den Deutschen schien es zunächst gelungen zu sein, dieses Ziel zu erreichen. Die Gesetzgebung des Kulturkampfes mit ihrer antipolnischen Tendenz und Bismarcks Kampf gegen die polnische Kirche und den polnischen Adel schufen ein neues Bild der deutsch-polnischen Beziehungen, das immer mehr den Charakter eines erbitterten Nationalitätenkonfliktes zeigte. In ___________ 5 Rafał Sikorski (Hrsg.), Uroczystość wręczenia dyplomu Doktora Honoris Causa Uniwersytetu Warszawskiego profesorowi Marcusowi Lutterowi 16 maja 2003 roku, Warszawa 2003, S. 12–13. 6 Jan Józef Lipski, Wir müssen uns alles sagen … Essays zur deutsch-polnischen Nachbarschaft. Herausgegeben von Georg Ziegler, Deutsch-Polnischer Verlag Warschau 1996, S. 254.
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den letzten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts, mit der verschärften Germanisierungspolitik im preußischen Teilgebiet, ließen die Ausnahmegesetze des Reichskanzlers von Bülow gegen die preußischen Polen Vorurteile und Stereotypen auf beiden Seiten entstehen, die bis heute noch eine Rolle spielen und den Annäherungsprozess nachhaltig beeinflussen. Der Reichskanzler Bismarck gilt im heutigen Polen oft als Symbol negativer preußischer Polenpolitik.7 Die nationalsozialistische Besetzung Polens, die durch Terror und Vernichtungspolitik gekennzeichnet war, schließlich die Vertreibung der Deutschen aus Polen nach 1945, verursachten eine Kluft zwischen den beiden Nationen, die noch heute nicht ganz überwunden ist. Die deutsch-polnischen Beziehungen erreichten nach dem Zweiten Weltkrieg ihren Tiefpunkt und wurden durch Hass, Vorbehalte und Leidgefühle überschattet. Es kam hinzu, dass zwischen den Staaten, die nach 1945 jeweils Mitglieder antagonistischer Bündnisse waren, Jahrzehnte lang keine diplomatischen Beziehungen existierten. Die Bundesrepublik verweigerte die Aufnahme von Beziehungen mit Staaten, die – wie die Volksrepublik Polen – völkerrechtliche Beziehungen mit der DDR unterhielten. Sie lehnte auch die Anerkennung der Oder-Neiße-Grenze ab. Für die Polen dagegen war deren Anerkennung die erste Voraussetzung für die Aufnahme diplomatischer Beziehungen. Die kommunistischen Machthaber im Lande nutzten diese Situation und schürten die antideutsche Stimmung in Polen, um durch die Bildung einer Front gegen die „revisionistische Bundesrepublik Deutschland“ die Bevölkerung von den innenpolitischen Problemen abzulenken. Immerhin aber konnten 1963 in Warschau und Köln Handelsmissionen eingerichtet werden und das, was in der Politik fehlte, nämlich die Bereitschaft zum Dialog, wuchs langsam in den privaten Kontakten über die OderNeiße-Grenze hinaus. Erst in den 1970er Jahren begann sich das trübe Bild zu ändern – nicht zuletzt deshalb, weil die Bundesrepublik mit ihrer Ostpolitik neue Wege ging, der berühmte Kniefall Willy Brandts vor dem Ehrenmal an der Gedenkstätte des Warschauer Gettos war dafür symbolhaft. Grundlegend für die Verbesserung der deutsch-polnischen Beziehungen waren die Verträge mit Moskau und Warschau aus dem Jahre 1970, die die Unverletzlichkeit der bestehenden Grenzen in Europa anerkannten. Dennoch blieb die weitere Entwicklung immer noch geprägt von den Erfahrungen des Kalten Krieges und der Weg zu konstruktiver Nachbarschaft zwischen Polen und Deutschen schien noch sehr lang zu sein. Die Furcht der Polen vor der Umklammerung und einem Wiedererwachen des antipolnischen Geistes bei den großen Nachbarn war noch zu groß und die Er___________ 7 Albert S. Kotowski, Zwischen Staatsräson und Vaterlandsliebe. Die Polnische Fraktion im Deutschen Reichstag 1871-1918, Düsseldorf 2007, S. 21–30.
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innerungen an die preußische Germanisierungspolitik und an die NS-Herrschaft noch zu frisch. Auch auf deutscher Seite war die Bereitschaft zum Dialog und zur Annäherung durch die innenpolitische Auseinandersetzung über die Prinzipien der deutschen Ostpolitik und durch Leidgefühle der Vertriebenen gehemmt. An dieser Stelle muss betont werden, dass dem politischen Wandel durch die Annäherung ein gesellschaftlicher voraus eilte. Die „Pioniere der Versöhnung“ und die „Brückenbauer“,8 wie sie der ehemalige polnische Außenminister Władysław Bartoszewski,9 Preisträger des Friedenspreises des deutschen Buchhandels10, nennt, waren zunächst weniger die Politiker, vielmehr aber die Kulturschaffenden, Intellektuellen und Vertreter der Kirchen und der Wirtschaft. Die ersten Signale kamen von deutschen Katholiken und Protestanten, deren Weg zur Versöhnung nach dem Krieg nach Auschwitz führte. Hier haben sich vor allem die 1953 von jungen Protestanten gegründete „Aktion Sühnezeichen“ und die katholische Friedensbewegung „Pax Christi“ hervorgetan. Besonders wichtig war die Rolle der Kirchen als Vorreiter des Dialogs. Hier sind etwa das „Tübinger Memorandum“ evangelischer Wissenschaftler von 1962 sowie die Vertriebenen-Denkschrift der Evangelischen Kirche Deutschlands und der Briefwechsel der polnischen und deutschen Bischöfe von 1965 zu erwähnen. Die Stunde der Politik schlug zur Zeit der großen Wende 1989/90: Die Wahl der ersten nichtkommunistischen Regierung Polens nach dem Zweiten Weltkrieg, der Fall der Berliner Mauer, die Wiedervereinigung Deutschlands und später der Rückzug der sowjetischen Truppen aus Ostmitteleuropa bildeten eine feste Grundlage für qualitativ völlig neue Beziehungen zwischen Deutschen und Polen. Durch diese Ereignisse wurden die Traditionslinien der russischpreußischen Hegemonie über Polen seit Ende des 17. Jahrhunderts durchtrennt und neue Bedingungen der deutsch-polnischen und polnisch-russischen Beziehungen geschaffen. Einer der „Brückenbauer“ im Sinne Bartoszewskis, der Historiker Klaus Zernack, langjähriger Vorsitzender der Deutsch-Polnischen Schulbuchkommission, die beispielhaft für die Annäherung durch Wissenschaft steht, fasste die Ereignisse der 1990er Jahre folgendermaßen zusammen: „So sehen sich Deutsche und Polen heute von der Last der Erbschaft negativer Polenpolitik befreit und stehen an einem neuen Anfang ihrer Beziehungen. Die Grenze zwischen Deutschland und Polen, um die es im 20. Jahrhundert so viel ___________ 8
„Ehrendoktorwürde für ‚Brückenbauer‘“ – so überschrieb das Uni-Journal den Bericht über die Verleihung der Ehrendoktorwürde für Wladyslaw Bartoszewski an der Philipps-Universität in Marburg im Juni 2001. 9 Andrzej K. Kunert, Brückenbauer zwischen Ost und West. Wladyslaw Bartoszewski. Publizist, Geschichtsforscher, Staatsmann, Warschau 2000, 199 S. 10 Im Jahre 1986.
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Streit und Konfrontation gegeben hat, ist durch ihre völkerrechtliche Sicherung zum ersten Mal nicht Trennungslinie, sondern diese Grenze beginnt die Völker zu verbinden. In den offiziellen staatlichen Beziehungen sind sich Deutschland und Polen heute in der Zusammenarbeit in allen Fragen der europäischen Einigung so nahe gerückt wie nie zuvor in ihrer Geschichte“. Aus der heutigen Perspektive scheint die Meinung Zernacks doch viel zu optimistisch gewesen zu sein, obwohl die Oder keine Grenze mehr im weiteren Sinne dieses Wortes ist und Deutschland und Polen sich gemeinsam in der Europäischen Union gefunden haben. Verlassen wir nun die Schlachtfelder der Geschichte und widmen uns der Gegenwart. Kurz nach der Übernahme der Regierung in Warschau gab Donald Tusk Anfang November 2007 der führenden polnischen liberalen Zeitung „Gazeta Wyborcza“ ein Interview, in dem er seine Position gegenüber Deutschland als Ministerpräsident offen legte. Der Journalist erinnerte Tusk daran, dass er durch seine politischen Gegner in der Kaczyński-Partei als „germanophil“ bezeichnet wird und angeblich „an einer ungesunden Faszination gegenüber dem Deutschtum“ leiden würde. Ferner hielt ihm die damals regierende Partei Recht und Gerechtigkeit vor, sein Großvater habe bei der Wehrmacht gedient. Tusk entgegnete, bei diesen Behauptungen handle es sich nicht um eine Frage der deutsch-polnischen, sondern der polnisch-polnischen Beziehungen. Die Wahl-Landkarte habe gezeigt, dass die Polen aus ihrem Komplex gegenüber den Deutschen heraustreten; je näher der östlichen Grenze, desto mehr antideutsche Phobien, denn diese erwachsen aus Vorurteilen und dem Mangel an Wissen über die Nachbarn. Auf die entscheidende Frage, ob Donald Tusk und Angela Merkel eine neue Etappe der polnisch-deutschen Versöhnung beginnen werden, gab Tusk eine Antwort, die die Wahlsieg-Euphorie in der deutschen Öffentlichkeit eindämmen musste: „Die Zeit der Politik solcher Gesten, wie sie Kohl und Mazowiecki in Kreisau ausgeführt haben, ist zu Ende. Es hat die Zeit der Interessenpolitik begonnen, und wir müssen unsere Interessen verteidigen“. Tusk pointierte hier seine Rede in Berlin am 29. März 2007 während der Tagung der KonradAdenauer-Stiftung zum 85. Geburtstag von Władysław Bartoszewski, in der er sagte: „Ich bin mir dessen bewusst, dass die Zeit der Politik der Gesten vorbei ist. Die große Öffnung, die Helmut Kohl und Tadeusz Mazowiecki in Kreisau vollzogen haben, wird in den gegenseitigen Beziehungen als Wegweiser für die Zukunft gelten. Heute ist jedoch die Zeit der Interessenpolitik gekommen. Im Geiste jenes Ereignisses müssen wir uns deshalb über die Dinge unterhalten, die uns trennen. Man kann den Stil oder die Effizienz der Außenpolitik ändern, aber die Probleme in den gegenseitigen Beziehungen verschwinden nicht nur deswegen, weil sich die Regierungsmannschaft in Warschau oder Berlin ändert.“11
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Damit wurden die Weichen für die gegenwärtige polnische Deutschlandpolitik gestellt, und – das kann man wohl sagen – nicht ganz so, wie es sich die deutschen Politiker zunächst vorstellten. Aus den anfangs zitierten Stellungnahmen der deutschen Politik auf das Wahlergebnis in Warschau strahlte Zufriedenheit und Entspannung: Nun werden die Polen wieder zur Vernunft der vergangenen Jahre zurückkehren und in die Bahn der konstruktiven Europapolitik zurückgeführt. Der polnische „Patient“ wird wohl bald genesen. Eine vollständige Emanzipation des östlichen Nachbarn auf der internationalen politischen Bühne, dessen Beitritt zur Europäischen Union durch die Bundesregierung stets befürwortet und forciert wurde, wurde zwar begrüßt, aber das polnische Bestreben, als Vorsprecher der neuen EU-Mitglieder aus Osteuropa vorzutreten, wurde in Berlin sehr distanziert und misstrauisch wahrgenommen.12 Die Gründe dafür sind vielseitig und liegen sowohl im fehlenden Verständnis bei der deutschen Politik für die Ängste und Motive der polnischen EU- und Außenpolitik gegenüber den beiden mächtigen Nachbarn Deutschland und Russland als auch bei der Befürchtung, die Vorbehalte Polens gegenüber Russland könnten die deutsch-russischen Beziehungen trüben. Widmen wir uns also zunächst den Motiven der polnischen EU- und Deutschlandpolitik. Einen wesentlichen Einfluss auf die Entwicklung der polnischen Europapolitik zur Zeit der Regierung der Partei „Recht und Gerechtigkeit“ hatten Veränderungen in der Art der Formulierung ihrer Ziele und Strategie. Der außenpolitische Schwerpunkt verschob sich deutlich in Richtung der Kanzlei des Staatspräsidenten; für die Ausarbeitung der polnischen Position zum Verfassungsvertrag war das Präsidialamt verantwortlich. Alle Fäden der polnischen Außenund Innenpolitik befanden sich in den Händen der Zwillingsbrüder Kaczyński; das Außenministerium hatte so gut wie keine Bedeutung, weil dessen Leiterin, Außenministerin Fotyga, zum Kreis der engsten Mitarbeiter des Staatspräsidenten Lech Kaczyński gehörte und nur seine politischen Direktiven ausführte. Es gab drei Problemfelder der Europapolitik, auf denen die deutsch-polnischen Kontroversen am deutlichsten hervortraten – und mehr oder weniger immer noch Bestand haben: der Verfassungsvertrag, die Energiepolitik und die Nachbarschafts- bzw. Ostpolitik. Polen gehört zu jenen Staaten, die ein sehr skeptisches Verhältnis zur Reaktivierung des Verfassungsvertrags haben. Staatspräsident Lech Kaczyński
___________ 11
Donald Tusk, Was für eine Union braucht Polen, was für eine Gemeinschaft braucht Europa? in: „Dialog“. Deutsch-Polnisches Magazin, Nr. 80–81 (2007/2008), S. 13. 12 Mateusz Fałkowski / Agnieszka Popko, Polen und Deutsche. Gegenseitige Wahrnehmungen nach der Osterweiterung der Europäischen Union, Warszawa 2006, S. 7.
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schrieb in einem programmatischen Artikel zur Zukunft Europas im April 2006 folgendes: „Wir müssen Lösungen suchen, die das Funktionieren des heutigen Europa verbessern, die ihm eine neue Dynamik verleihen, die viele gemeinsame Unternehmungen erlauben, aber die nicht das derzeitige Wesen der europäischen Integration verändern“13. Es geht um nichts anderes als darum, eine Einschränkung der Rolle von Nationalstaaten in Europa zu verhindern. Die Polen haben fast 130 Jahre um die Wiederherstellung ihres Nationalstaates gekämpft und die 1918 wiedergewonnene Unabhängigkeit zwanzig Jahre später an Deutschland und die Sowjetunion wieder verloren. Es kann nicht verwundern, dass gerade rechte und rechtspopulistische Parteien in Polen die enge Anbindung ihrer Bürger an die Geschichte der „gepeinigten“ Nation, der „Opfernation“ der großen europäischen Mächte, für eigene Zwecke instrumentalisieren. Die nationale Komponente spielt auch im heutigen Polen eine große Rolle und es ist von der derzeitigen Regierung auch nicht zu erwarten, dass sie diese Sichtweise wesentlich ändern wird. Deshalb kann als sicher gelten, dass Donald Tusk den Protest der Brüder Kaczyński gegen die Einrichtung einer „europäischen Föderation“ nicht mildern und das polnische Konzept der Europäischen Union als das eines Staatenbundes übernehmen wird. Allerdings nennt die Bürgerplattform andere Prioritäten in der Europapolitik, wie die Stärkung der gemeinsamen Verteidigungspolitik, die Entwicklung einer gemeinsamen Energiepolitik und der Kampf gegen den Terrorismus. Zentrale Stellung nimmt in der Außenpolitik aller bisherigen Regierungen die Frage der Sicherheit Polens ein – sie resultiert vor allem aus der geopolitischen Lage und der historischen Erfahrung. Insbesondere die Energiesicherheit ist stark durch den hohen Grad der Abhängigkeit Polens von Rohstoffimporten bedingt: 95% des Erdöls für die polnische Wirtschaft kommen aus Russland. Ebenfalls stammen etwa zwei Drittel des polnischen Gasverbrauchs aus Importen, davon wiederum über 65% aus Russland und 26% aus Zentralasien, – über die von Gazprom kontrollierte Gesellschaft RosUkrEnergo. Zugleich sind über 90% des Gasimports von der Kooperation mit Moskau abhängig. Polen verbraucht zwar wenig Gas, seine Bedeutung wird jedoch in den nächsten Jahrzehnten wachsen. Ein zweiter Faktor, der das Verhältnis Polens zur Energiepolitik bestimmt, ist die Rolle Polens als Transitland. Über die Pipeline Jamal I werden jährlich ca. 30 Mrd. m³ Gas an westeuropäische Abnehmer geliefert. Insgesamt sollten durch beide Jamal-Leitungen 67,5 Mrd. m³ Gas im Jahr transportiert werden. Trotz eingegangener Verpflichtungen hat jedoch die russische Seite den Bau der zweiten Pipeline mit den polnischen Partnern nicht aufgenommen und sich stattdessen im Projekt der Ostsee-Pipeline engagiert. Polen ___________ 13
Lech Kaczyński, Solidarność Europy, „Dziennik“ v. 28.04.2006, nach Piotr Buras, Gelingt Europa gemeinsam? Polens Europapolitik und die deutsche EU Ratspräsidentschaft, Warszawa 2007, S. 16.
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kritisierte dieses Projekt und stellte sich (gemeinsam mit den baltischen Staaten) erfolgreich gegen die Kreditvergabe durch die Europäische Investitionsbank. Die daraus resultierende Furcht vor dem Verlust seiner strategischen Bedeutung als Transitland sowie davor, seitens Russlands einer Energieerpressung ausgesetzt zu sein, ist prägend für die polnische Herangehensweise in der Frage der Energiesicherheit. Während also der Begriff der „Energieaußenpolitik“ in Deutschland erst seit Anfang 2006 zunehmend an Bedeutung gewinnt, wird die Frage einer weit gehenden Abhängigkeit im Bereich der Gasimporte aus Russland seit langem in Polen als eines der wichtigsten Probleme der Energiesicherheit wahrgenommen. Das Ergebnis dieser Wahrnehmung ist Polens Einspruch gegen die Ostsee-Pipeline. Das erstrangige Ziel der polnischen Energiepolitik ist gegenwärtig die Diversifizierung der Gaslieferungen. Die Priorität der Diversifizierung ist auch das Argument gegen die eventuelle Anbindung Polens an die Ostsee-Pipeline. Polen ist nicht daran interessiert, noch mehr Gas als heute schon aus Russland zu beziehen, was die Folge einer solchen Anbindung wäre. Außerdem würde dies die Bedeutung der Jamal-Pipeline schmälern. Nicht der Gasmangel, sondern die Abhängigkeit vom Import ausschließlich eines Partners ist das Hauptproblem der polnischen Energiepolitik. Als zusätzliches Argument dient die Tatsache, dass das Gas, das mit vereinten Kräften von Gazprom und deutschen Konzernen vertrieben werden soll, vermutlich sehr teuer sein wird, um die enormen Kosten dieser Investition zu kompensieren. Umso mehr wird in Warschau die Beteiligung an diesem Vorhaben als unrentabel angesehen. Darüber hinaus liegt nach Auffassung Polens die OstseePipeline nicht im europäischen Interesse, bedeutet sie doch die weiter bestehende Abhängigkeit Europas von Lieferungen aus Russland.14 Ein weiterer Fragenkomplex, in dem deutliche Divergenzen zwischen Deutschland und Polen bestehen, ist die Bewältigung der Vergangenheit. Am Ende der 1990er Jahre schien die deutsch-polnische Versöhnung so weit fortgeschritten zu sein, dass man dies- und jenseits der Oder von einem „Versöhnungskitsch“ sprach. Doch zwei Initiativen, die am Ende des vergangenen Jahrhunderts vom Bund der Vertriebenen ausgegangen bzw. unterstützt waren, sorgten für Spannungen, die man nicht erwartet hätte und die bis heute nicht gänzlich abgebaut worden sind. Zum einen handelt es sich um ein Projekt der Vorsitzenden des Bundes der Vertriebenen, Erika Steinbach, in Berlin ein Zentrum gegen Vertreibungen einzurichten, das vor allem an die Vertreibung von Millionen Deutschen aus Osteuropa nach dem Zweiten Weltkrieg erinnern und dieselbe als Denkstätte dokumentieren sollte. Polnische Medien und auch Politiker starteten einen Sturm der Entrüstung und Protestaktionen. Viele deutsche Politiker zeigten Unverständnis oder hielten sich zurück. Seit etwa fünf Jahren ___________ 14 Piotr Buras, Gelingt Europa gemeinsam? Polens Europapolitik und die deutsche EU Ratspräsidentschaft, Warszawa 2007, S. 26–35.
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bemühen sich beide Seiten, einen Kompromiss zu finden; inzwischen sind die Debatten ruhiger geworden, obwohl ein Konsens noch längst nicht in Sicht ist. Das Hauptproblem liegt in der geschichtlichen Interpretierung der Vertreibung. Für die Polen ist heute noch der Begriff „Vertreibung“ nicht akzeptabel. Man betont, dass die Mehrheit der Deutschen aus den früheren deutschen Ostgebieten noch vor dem Einmarsch der Roten Armee geflüchtet sei. Nach der Besetzung dieser Gebiete wurde eine in Jalta 1944 beschlossene und durch internationale Bestimmungen abgesicherte Aussiedlung der deutschen Bevölkerung organisiert und durchgeführt, die mit einer Vertreibung nicht zu vergleichen sei. Eine kurze Periode von wilden Vertreibungen soll auf die Rechnung der Roten Armee gehen. Immer noch nicht selten sind Stimmen in der polnischen Öffentlichkeit, die den Transfer der deutschen Bevölkerung aus dem Osten mit der Schuld des „Dritten Reiches“ an der Entfesselung des Zweiten Weltkrieges und das Nazi-Verbrechen an den Polen zu erklären versuchen und ihn als gerechtfertigt interpretieren. Für die Deutschen ist Flucht und Vertreibung ein Trauma, das eine Würdigung der Millionen von Zivilopfern verlangt. Für Unmut der Polen sorgt zudem seit einigen Jahren die sogenannte Preußische Treuhand, eine private Organisation von Vertriebenen, die Rechtsansprüche auf verlorenen deutschen Besitz im Osten stellt und gerichtlich durchzusetzen versucht. Bei der Treuhand sind auch Funktionäre des Bundes der Vertriebenen tätig. Diese Tätigkeit stößt auf die polnischen Ängste vor deutschem Revisionismus, mit dem die polnische Bevölkerung insbesondere in den polnischen Westgebieten seit 1945 permanent zur „Verteidigung des Vaterlandes“ mobilisiert wird. Zur Zeit des Kommunismus galt dies als Ablenkung von innenpolitischen Problemen und Abschottung vom Westen. Nach der Wende der 1980er und 1990er Jahre wird der vermeintliche deutsche Revisionismus vor allem durch populistische Parteien und Gruppierungen instrumentalisiert, um die Anhängerschaft zu mobilisieren. An dieser Stelle seien einige Bemerkungen zu einer wichtigen Komponente der deutsch-polnischen Nachbarschaft hinzugefügt. Es gibt eben etwas, was die Deutschen und Polen grundsätzlich unterscheidet, und zwar die Last der historischen Erfahrungen, die das Geschichtsbewusstsein diesseits und jenseits der Oder unterschiedlich geprägt hatte.15 An dieser Stelle soll ein Beispiel die Besonderheit der historischen Erinnerungskultur der beiden Völker verdeutlichen. Als Angela Merkel im November 2005 die Wahlen gewann und das Arbeitszimmer im Bundeskanzleramt in Berlin, das ihr Vorgänger Gerhard Schröder verlassen hatte, neu einrichten ließ, stellte sie auf ihren Schreibtisch ein Bild der Zarin Katharina II.16 Die polnische Öffentlichkeit reagierte empört auf diese ___________ 15 Albert S. Kotowski, Niemców kłopoty z historią, in: Spotkania polsko-niemieckie, hrsg. von Daniel Kawa, Toruń 2011, S. 297–306. 16 Piotr Cywiński, Czarna Dama – Angela Merkel, in: „Wprost“ Nr. 1–2, 2009, S. 2.
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Geste; mit Misstrauen beobachtete man die ersten Schritte der neuen Bundeskanzlerin und warf ihr sogar russophile Neigung vor. Wir haben es hier mit einem klassischen Beispiel der unterschiedlichen historischen Erfahrungen zu tun, welche das Geschichtsbewusstsein von Deutschen und Polen prägten. Man musste Angela Merkel erst erklären, welche Rolle die russische Kaiserin in der polnischen Geschichte spielte, warum der Name Katharinas II. für die Polen genauso negativ behaftet ist wie der Name des „Eisernen Kanzlers“ Otto von Bismarck. Die in Stettin im Jahre 1729 geborene Prinzessin Sophie Auguste Friederike von Anhalt-Zerbst-Dornburg, die spätere Zarin Katharina die Große, war für Angela Merkel vor allem eine berühmte Deutsche, die in die Geschichte einging. Sie war eine Herrscherin, die Russland zur Weltmacht führte, eine beispiellos erfolgreiche Politikerin, die überall im damaligen Europa anerkannt und selbst von Voltaire verehrt wurde, alles in allem eine erfolgreiche Frau, die man nachahmen könnte. Es ist also kein Wunder, dass die Bundeskanzlerin gerade dieses Bild auf ihren neuen Schreibtisch stellte. Dieses Beispiel zeigt, dass die Unkenntnis von der Geschichte der benachbarten Nation politische Missverständnisse verursachen kann. Man hätte mehrere solche Beispiele zitieren können, auf einige werde ich später noch zurückgreifen. Grundsätzliche Diskrepanz im Verhältnis zur eigenen Vergangenheit zwischen Deutschen und Polen fällt den Historikern beider Länder, die mehrere Jahre im Nachbarland verbrachten, auf. Als Beispiel dient eine Äußerung des langjährigen Direktors des Deutschen Historischen Instituts in Warschau, Professor Klaus Ziemer. In einem Interview für die polnische Presse vor einigen Jahren über seine Erfahrungen aus Warschau sagte Ziemer, die Geschichte sei in den Köpfen der Polen viel stärker verankert, als bei den Deutschen. Die Mehrheit der jungen Menschen in Polen könne – vom Schlaf plötzlich aufgeweckt – in einem Atemzug die wichtigsten Daten und wichtigsten Namen der polnischen Geschichte aufzählen. Am Allerheiligenfest am 1. November pilgern junge Polen zum Powązki-Friedhof, um dort auf den Gräbern der berühmten Polen Kerzen anzuzünden. Auf diese Weise entsteht eine seltsame „Hitparade“ der polnischen Geschichte, wo die Abstimmung mit Kerzenlichtern erfolge. Soviel Professor Ziemer.17 Aber gerade die Indolenz oder Unkenntnis der Geschichte, die verschiedene – manchmal peinliche – Fehler der deutschen Politiker und Missverständnisse mit den Nachbarn verursachen, führen uns zum zweiten der wichtigsten Faktoren, der den Unterschied im Umgang mit der Vergangenheit der eigenen Nation sowie in der Bildung des Geschichtsbewusstseins und der Pflege der historischen Tradition zwischen Deutschen und Polen bestimmt: Zum Problem des Geschichtsunterrichts, das ich allerdings wegen Zeitmangels hier nicht weiter ___________ 17 Unser Bild von Polen entspricht nicht der Wirklichkeit [Interview mit Klaus Ziemer], „Universitas“ 1/2008, S. 72–86.
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behandeln kann. An dieser Stelle möchte ich nur noch ein Beispiel zeigen, das die peinlichen Fehler der Politiker verdeutlicht. So ein Lapsus passierte dem ehemaligen Bundespräsidenten Roman Herzog. Im Jahre 1994 gab er ein Interview in einer deutschen Zeitung vor seiner geplanten Visite in Warschau anlässlich des fünfzigsten Jahrestages des Warschauer Aufstandes und verwechselte dabei den Warschauer Aufstand 1944 mit dem Getto-Aufstand in Warschau 1943. Nach dem Machtwechsel in Warschau im Oktober 2007 änderten sich die Verhältnisse grundsätzlich, da die nunmehr an die Macht gekommene Bürgerplattform mit dem Ministerpräsidenten Donald Tusk die Führungsansprüche in der polnischen Außenpolitik zu einem der Hauptziele seiner Regierungszeit erhob. Es kam, wie es kommen musste, zu Spannungen und Missverständnissen zwischen dem Staatspräsidenten – der die Außenpolitik in seinem eigenen Einflussbereich behalten will – einerseits und dem neuen Ministerpräsidenten mit seinem starken und im Lande sehr populären Außenminister Radosław Sikorski andererseits. Die Zusammenarbeit in den Europafragen gestaltete sich sehr schwer und nach den ersten hundert Tagen der Tusk-Regierung waren die außenpolitischen Ziele zwar klar formuliert, aber in vielen Bereichen führten sie noch zu keinen bahnbrechenden Änderungen. Ein deutlicher Durchbruch ist in der polnischen Russlandpolitik zu verzeichnen. Der Besuch Tusks in Moskau im Dezember 2007 führte zur direkten Aufhebung des russischen Embargos auf polnische Fleischprodukte und zu sichtbaren Verbesserungen der unter Kaczyński eingefrorenen polnisch-russischen Beziehungen. Dagegen wurde das Treffen mit Bundeskanzlerin Merkel in Berlin am 16. November 2007 in polnischen Medien als freundlich, aber ohne Ergebnisse bezeichnet. Deutlich kritisiert wurde das Fehlen tatsächlicher Ergebnisse in den problematischen Fragen Gaspipeline, Zentrum gegen Vertreibungen und Restitutionsansprüche von Deutschen. In diesen Fragen bleiben die Polen auf ihren früheren Positionen beständig und erwarten ein Entgegenkommen der deutschen Regierung. Der anfangs zitierte Leiter des Auslandsbüros der Konrad-Adenauer-Stiftung in Warschau, Stephan Raabe, schrieb treffend in seinem Länderbericht Ende 2007 wie folgt: „Nachdem man von polnischer Seite in den letzten zwei Jahren mit einer Strategie konfrontativer Härte die polnischen Interessen gegenüber Deutschland durchsetzen wollte, versucht es die neue Regierung mit konzilianter Freundlichkeit. Nach wie vor ist allerdings aber bei der großen Mehrheit der politischen Klasse und der medialen Meinungsführer offensichtlich die Überzeugung vorherrschend, dass Deutschland in den strittigen Fragen der Europapolitik seine Politik substantiell ändern müsse, also zu einer Erfüllung der polnischen Forderungen zu bewegen sei.“ Raabe bemerkte, vielleicht habe man es von deutscher Seite mit Rücksicht darauf, den „Patienten“ Polen nicht zusätzlich zu erregen und extremen politischen Kräften im Lande nicht Nahrung zu geben, versäumt, die Fakten und politischen Motive bezüglich Gaspipeline, Vertriebenengedenkstätte und Restitutionsforderungen in hin-
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reichender Deutlichkeit darzustellen. Gespräche selbst mit führenden Politikern in Polen machen immer wieder die Unkenntnis und das Unverständnis für die Vorgänge in Deutschland deutlich, was zu einer eher unrealistischen Erwartung dessen führt, was man von polnischer Seite tatsächlich erreichen kann.18 Sicherlich muss man dem Kommentator recht geben, allerdings mit einer wichtigen Ergänzung: Auch in Deutschland herrscht Unkenntnis und ein Unverständnis für die polnische politische Motivation. Eine der Ursachen sind mangelhafte Kenntnisse der polnischen Geschichte, was bereits in der Schule beginnt. Immer wieder wird der Warschauer Aufstand 1944 mit dem GhettoAufstand in Warschau 1943 verwechselt; solche Fehler passierten schon führenden deutschen Politikern. In den Medien wird noch ab und zu der Begriff „polnische Konzentrationslager“ benutzt. Hierzu nur zwei Beispiele aus den letzten Jahren: Am 24. November 2009 wurde in einem Beitrag der Tageszeitung „Die Welt“ von „polnischen Konzentrationslagern“ gesprochen. Auf eine schnelle und massive Reaktion polnischer Medien veröffentlichte die Zeitung zwei Tage später eine klare und umfassende Berichtigung.19 Am 30. November wurde in den ZDF-Nachrichten um 8:30 Uhr und um 9:00 Uhr von dem in München beginnenden Prozess gegen Ivan Demjaniuk berichtet und dabei wurde das Konzentrationslager Sobibór als „polnisches Konzentrationslager“ bezeichnet. Diesmal protestierte sofort die Polnische Botschaft in Berlin beim Fernsehsender und beim Auswärtigen Amt. Das ZDF reagierte umgehend: Der Chefredakteur Nikolaus Bender brachte in einem Brief an die Botschaft sein Bedauern zum Ausdruck und versicherte, der Begriff sei nicht bewusst verwendet worden, sondern es handele sich vielmehr um eine unglückliche Wortverwendung, die keineswegs zur Entstellung der historischen Wahrheit führen sollte. Am nächsten Tag, dem 1. Dezember 2009 in den „Heute“-Nachrichten um 8.30 Uhr wurde dieser Zwischenfall kommentiert und berichtigt.20 Dass die polnische Politik und die Öffentlichkeit auf solche Zwischenfälle sehr empfindlich reagieren, ist nicht nur berechtigt, sondern auch absolut verständlich. Die umgehend erfolgenden Reaktionen der deutschen Medien zeigen allerdings Verständnis für die emotionellen Reaktionen des polnischen Nachbarn und das Bemühen, solche Zwischenfälle sofort zu entschuldigen. Man kann davon ausgehen, dass mit der Zeit diese Probleme langsam verschwinden werden. Zugleich jedoch ist ein mangelhaftes Interesse der deutschen Medien___________ 18 Freundlich, aber ohne Ergebnisse. Länderbericht Stephan Raabe, Leiter des Auslandsbüros der KAS in Warschau v. 13.12.2007. 19 www.eurotopics.net/de/archiv/results/archiv_article/ARTICLE40444-PolnischeKonzentrationslager-sorgen-fuer-Wirbel, letzter Zugriff am 3.12.2009. 20 www.msz.gov.pl/Interwencja,Ambasady,RP,w,Berlinie,w,zwiazku,z,pojawieniem ,sie,w,niemieckich,mediach,sformulowania,„polskie,obozy”.,31960.html, letzter Zugriff am 3.12.2009.
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welt für den Nachbar jenseits der Oder festzustellen. In der Berichterstattung erscheinen oft Nachrichten, die Nahrung für das Aufleben alter Stereotype liefern.21 Noch zu oft werden alte Stereotypen und Vorurteile herbeigerufen, ohne den Kern der deutsch-polnischen Kontroversen zu erforschen. Gegenwärtig sind die deutsch-polnischen Diskussionen fast verstummt, man hat den Eindruck, dass die beiden Seiten versuchen, historische Auseinandersetzungen zu vermeiden. Im Jahre 2008 haben die Außenminister beider Länder, Radosław Sikorski und Frank-Walter Steinmeier, die Vorbereitung und Herausgabe eines gemeinsamen deutsch-polnischen Geschichtswerkes über die deutsch-polnischen Beziehungen in den vergangenen tausend Jahren angeregt. Es sollte ein Standardwerk nach dem Muster des bereits erschienenen deutschfranzösischen Geschichtsbuchs sein. Gegenwärtig arbeiten zahlreiche deutsche und polnische Historiker an diesem mehrbändigen Werk. Ich halte es für keine gute Idee. Das war eine politische Entscheidung und kam nicht aus dem Bedürfnis der Historiker oder der deutschen Lehrerschaft. Man wird sich möglicherweise von beiden Seiten um Höflichkeit bemühen, so war es z. B. mit einem ähnlichen Vorhaben, das 2008 in Breslau abgeschlossen wurde. Im Vordergrund steht der Gedanke, alles was verbindet zu unterstreichen, positive Momente in der deutsch-polnischen Beziehungsgeschichte herauszustellen und die schwierigen Themen möglichst sanft zu betrachten oder gar zu übergehen. Ich hätte mir viel mehr eine publizistische Buchreihe gewünscht, am besten in Form von Taschenbüchern, die dem durchschnittlichen Deutschen Informationen über Geschichte, Kultur, Kunst und Landschaft des polnischen Nachbarn vermitteln könnten. Taschenbücher, die mit Hilfe eines kurzen und reich bebilderten Textes die breiten Bevölkerungskreise dies- und jenseits der Oder mit der Geschichte der beiden Völker vertraut machen, ihnen das tatsächliche Bild des Alltagslebens von Deutschen und Polen sowie die sehr unterschiedlichen historischen Erfahrungen vermitteln könnten, ein Bild frei von Mythen und Stereotypen. In der Dezember Ausgabe von „Polen-Analysen“ im Jahre 2009 schreibt Reinhold Vetter, der Korrespondent des Handelsblatt in Warschau in seiner Halbzeitbilanz der Regierung Tusk Folgendes: „Die Regierung Tusk hat in den letzten zwei Jahren viel dafür getan, in den polnisch-deutschen Beziehungen nach den Zerwürfnissen der Jahre 2005 bis 2007 wieder einen gutnachbarschaftlichen Alltag einkehren zu lassen. Wie gut das Verhältnis auf politischer Ebene ist, haben zuletzt die kluge, abgewogene Rede von Bundeskanzlerin An___________ 21 Dazu sagte z. B. Wolfgang Schäuble, Bundesminister des Innern in seiner Rede beim Deutsch-Polnischen Dialoggespräch der Konrad-Adenauer-Stiftung und des Instituts für Strategische Studien am 03.11.2006 in Krakau: „Ich bin überzeugt, dass die deutsch-polnischen Beziehungen besser sind, als es gelegentlich in den Medien berichtet wird“. In: Rapporte der Konrad-Adenauer-Stiftung in Polen, Nummer 3, 2007, S. 2.
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gela Merkel zum 70. Jahrestag des Beginns des Zweiten Weltkrieges auf der Danziger Westerplatte und der Antrittsbesuch von Außenminister Guido Westerwelle in Warschau gezeigt. Verstimmt reagierte man in Warschau allerdings, als das Kanzleramt in Berlin anfangs die geplante Feier zum 20. Jahrestag des Falls der Berliner Mauer am 9. November ausschließlich auf die Auftritte von Repräsentanten der ehemaligen vier Siegermächte und von Vertretern der früheren DDR-Opposition konzentrieren wollte. Der massive Einsatz polnischer Diplomaten hat dann immerhin dafür gesorgt, dass insbesondere Lech Wałęsa als eine der wichtigen Symbolgestalten des Wandels in ganz Ostmitteleuropa eingeladen wurde, was die polnische Öffentlichkeit mit Genugtuung zur Kenntnis nahm. Für Unmut sorgt weiterhin das Tauziehen um einen Sitz der Präsidentin des Bundes der Vertriebenen, Erika Steinbach, im Stiftungsrat der Stiftung „Flucht, Vertreibung, Versöhnung“, wenngleich die polnischen Medien dazu übergegangen sind, den Fall Steinbach nicht mehr so hochzuspielen, wie dies jahrelang der Fall war.“22 Der Besuch von Frau Steinbach an ihrem Geburtsort vor einigen Wochen wurde durch die polnische Öffentlichkeit kaum wahrgenommen. Dem Kommentar von Reinhold Vetter kann man auch drei Jahre später ohne Weiteres zustimmen mit der Bemerkung, dass man auch auf deutscher Seite um die Schadensbegrenzung der letzten Jahre und um die Verbesserung der deutsch-polnischen Beziehungen sehr bemüht ist, worauf die in seinem Kommentar erwähnten Auftritte von Bundeskanzlerin Angela Merkel und dem Bundesaußenminister Guido Westerwelle beispielhaft hindeuten. Insbesondere das Jahr 2011 bot reichlich Gelegenheiten, um den Stand der deutsch-polnischen Beziehungen zu prüfen und diese zu verbessern. Ab dem 1. Mai 2011 galt für Arbeitnehmer aus den EU-Beitrittsländern, u. a. aus Polen, die volle Arbeitnehmer-Freizügigkeit. Bereits im Vorfeld bemühte sich Danuta Hübner, polnische EU-Abgeordnete und ehemalige EU-Kommissarin, in einem Vortrag bei der Schwarzkopf-Stiftung in Berlin die Ängste auf deutscher Seite vor der vermeintlichen Flut an polnischen Billigarbeitskräften zu entschärfen. Hübner machte die Zuhörer auf die Veränderungen auf dem polnischen Arbeitsmarkt und die äußerst erfolgreiche wirtschaftliche Entwicklung Polens aufmerksam und behauptete, polnische Arbeitnehmer, insbesondere die hochqualifizierten, würden nicht mehr um jeden Preis auswandern, sondern nur dann, wenn es sie persönlich entscheidend weiterbringe. Außerdem habe Polen selbst große Schwierigkeiten, Arbeiter für den Straßenbau oder die Baubranche zu finden. Dabei wies sie auf die vielen Großprojekte hin, die wegen der bevorstehenden Fußball-Europameisterschaft 2012 in Polen und der Ukraine realisiert würden. ___________ 22
Polen-Analysen Nr. 62 vom 01.12.2009, herausgegeben vom Deutschen PolenInstitut in Darmstadt, der Forschungsstelle Osteuropa in Bremen und der Deutschen Gesellschaft für Osteuropakunde, S. 5–6.
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Zu Beginn ihrer Rede sagte Hübner: „Die deutsch-polnischen Beziehungen waren noch nie in einer besseren Verfassung“ – so war auch ihr Bericht im Internetportal „EurActiv.de. Das Portal für europäische Nachrichten, Hintergründe und Kommunikation“ Anfang April 2011 überschrieben.23 Am 17. Juni 2011 hielt der polnische Staatspräsident Bronisław Komorowski die sog. „Berliner Rede“ an der Humboldt-Universität in Berlin anlässlich des 20. Jahrestages der Unterzeichnung des deutsch-polnischen Nachbarschaftsvertrages. „Die Welt“ berichtete über diese Rede einen Tag später unter dem vielsagenden Titel „Die trägen Freuden der Normalität“. In der Berichterstattung dieser Zeitung hieß es: „Wenn es noch eines Beweises bedurft hätte, dass erstens die deutsch-polnischen Beziehungen die Aufgeregtheiten vergangener Jahre hinter sich gelassen haben und dass zweitens die Europäische Union anscheinend ganz fest in sich ruht: Dann hat ihn Polens Staatspräsident Bronislaw Komorowski mit seiner Berliner Rede an der Humboldt-Universität überzeugend geliefert. […] Es gleicht einem Wunder, dass diese beiden Länder heute fast so etwas wie Freundschaft verbindet – wie zum Beispiel eine Allensbach-Studie soeben ergeben hat: Kaum noch etwas von dem wechselseitigen Hass, mindestens Misstrauen; in beiden Ländern denkt man positiv über den jeweiligen Nachbarn, die Polen deutlich positiver über die Deutschen als umgekehrt die Deutschen über die Polen. Komorowski hat im guten Sinne eine Sonntagsrede gehalten und noch einmal in Erinnerung gerufen, wie weit es das vereinte und vom Kommunismus befreite Europa gebracht hat. Die geschichtsträchtigen Querelen der Vergangenheit hat er verschwiegen: mangels Bedeutung, nicht weil er sie unter den Teppich kehren wollte. Polen steht heute politisch und wirtschaftlich gut da, seine politische Klasse ist stolz auf das Erreichte und meldet eine Art Führungsanspruch an. Bei Komorowski klang das nur ganz fein durch. Wie die Rede überhaupt recht diplomatisch ausfiel: Wohlwollend lobte der Staatspräsident den Euro, den sein Land freilich vorerst lieber nicht haben will. Bedenkt man, dass gerade mit dem Griechenland-Problem eine Schicksalsstunde der Europäischen Union schlagen könnte, dann hatte die Rede des polnischen Präsidenten etwas überaus Entspanntes. Die gegenwärtige Krise war nur wie ein Wetterleuchten am Horizont erkennbar. Beruhigend, dass in so aufregenden Zeiten so viel Normalität herrschen kann.“24 Diese positive Stimmung wurde durch eine gemeinsame Erklärung der deutschen und der polnischen Regierung zum 20. Jahrestag des deutsch-polnischen Nachbarschaftsvertrages bekräftigt, die während den 11. deutsch-polnischen Regierungskonsultationen in Warschau am 21. Juni 2011 beschlossen wurde. ___________ 23 http://www.euractiv.de/druck-version/artikel/hbner-die-deutsch-polnischen-bezieh ungen-waren-nie-besser-004603 (15.10.2012). 24 http://www.welt.de/print/die_welt/politik/article13436380/Die-traegen-Freudender-Normalitaet.html (19.07.2011).
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Dort hieß es u. a.: „In den 20 Jahren seit der Überwindung der Teilung Europas haben Deutschland und Polen so gute Beziehungen entwickelt wie nie zuvor. Zum ersten Mal in der Geschichte leben unsere Länder und Völker vereint in Frieden und Freiheit als gleichberechtigte Mitglieder der Europäischen Union und des Nordatlantischen Bündnisses. Uns verbinden tausend Jahre alte Bande der Kultur und der Zivilisation. Die schwierigen und leidvollen Kapitel in unserer gemeinsamen Geschichte bleiben für uns eine Mahnung für die Zukunft. Heute stützen sich die deutsch-polnischen Beziehungen auf die Grundsätze der Freundschaft sowie auf gemeinsame Werte und Interessen. Sie sind geprägt vom Gefühl der Mitverantwortung um die Zukunft des vereinten Europas.“ Zu den Grundlagen der deutsch-polnischen Verständigung wurde Folgendes gesagt: „Wir wollen das gegenseitige Vertrauen durch einen offenen Dialog auch über Fragen der Vergangenheit vertiefen. Wir sind entschlossen, den Versöhnungsprozess zwischen Deutschen und Polen fortzusetzen. Diesem Ziel dient insbesondere die Entwicklung des Jugendaustauschs sowie des akademischen und des wissenschaftlichen Austauschs. Das Deutsch-Polnische Jugendwerk, die Stiftung für Deutsch-Polnische Zusammenarbeit, die Europa-Universität Viadrina in Frankfurt an der Oder, die Deutsch-Polnische Wissenschaftsstiftung, die Stiftung für Deutsch-Polnische Aussöhnung und die Begegnungs- und Gedenkstätten sind wichtige Pfeiler der Verständigung, gerade für die jüngere Generation.“ Auch die bis dahin heikle Minderheitenfrage wurde angesprochen: „Wir sind der Auffassung, dass die polnisch-stämmigen deutschen Bürger und alle Personen, die sich in Deutschland zur polnischen Sprache, Kultur und Tradition bekennen, sowie die Angehörigen der deutschen Minderheit in Polen eine wichtige Rolle beim Aufbau der Verständigung zwischen den Gesellschaften spielen. Wir bekräftigen die Verpflichtung, diese Gruppen bei der Pflege ihrer kulturellen Identität und ihrer Muttersprache zu unterstützen, die sich sowohl aus dem Vertrag über gute Nachbarschaft und freundschaftliche Zusammenarbeit als auch aus den europäischen Standards ergeben. Beide Seiten werden konkrete strukturelle und finanzielle Maßnahmen zur Umsetzung der im Vertrag vereinbarten gleichen Rechte für die deutsche Minderheit in Polen und die polnisch-stämmigen deutschen Bürger ergreifen. In Zusammenarbeit mit allen Beteiligten werden wir die Vereinbarungen umsetzen, die im Rahmen der deutsch-polnischen Gespräche am Runden Tisch erarbeitet worden sind. Wir werden diesen Dialog fortsetzen.“25 Parallel zur gemeinsamen Erklärung der beiden Regierungen erschienen zwei gleichlautende Kommentare in der „Märkischen Oderzeitung“ und in der „Gazeta Wyborcza“, die neben der Würdigung der bisherigen deutschpolnischen Zusammenarbeit und des Versöhnungsprozesses auch die Zukunfts___________ 25 http://www.deutschland-polen.diplo.de/Vertretung/deutschland-polen/de/pr/Artikel/2011/110622-Erkl_C3_A4rung-Artikel.html?archive=2975728 (19.09.2012).
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perspektiven umrissen: „Die Zeit der bald beginnenden polnischen Präsidentschaft im Rat der EU wird eine weitere Verstärkung der europäischen Zusammenarbeit zwischen unseren Ländern einleiten. Insbesondere denken wir dabei an die Verhandlungen über den EU-Haushalt für die Jahre 2014-2020 und an den Pakt für Europäische Solidarität. Polen und Deutschland sind einer Meinung, wie das finanzielle Gleichgewicht wieder hergestellt werden kann. Wir sehen auch ein breites Tätigkeitsfeld für unsere Länder bei der Stärkung der Energiesicherheit. Der Aufbau einer echten europäischen Energiesicherheitspolitik würde bei der Lösung der Probleme der einzelnen Mitgliedsländer helfen.“26 Im Oktober 2011 fanden in Polen die Parlamentswahlen statt. Die Stimmung in Deutschland war diesmal ganz anders als im Jahre 2007, da der Wahlsieg der Regierungspartei Donald Tusk vorauszusehen war. Die Staatsministerin im Auswärtigen Amt und Koordinatorin für die deutsch-polnische zwischengesellschaftliche und grenznahe Zusammenarbeit, Cornelia Pieper, erklärte nach dem Wahlsieg der Bürgerplattform (Platforma Obywatelska): „Die Wahlen in Polen haben in beeindruckender Weise gezeigt, dass die Regierung von Ministerpräsident Tusk mit einem klaren politischen Kurs für mehr Europa, einer Politik des Wirtschaftsaufschwungs zum Wohle der Bürger und einer Konsolidierung des öffentlichen Haushalts punkten konnte. Als neuer EU-Mitgliedsstaat und als unser größter Nachbar im Osten zeigt Polen mit seiner EU-Ratspräsidentschaft derzeit, dass ein neuer Mitgliedsstaat es zum Vorzeigeland in der EU schaffen kann. Polen verzeichnet gemeinsam mit Deutschland das höchste Wirtschaftswachstum in der EU und will bis 2015 die Aufnahme in die Eurozone schaffen. Mit der Wahl in Polen wird das erste Mal seit der Wende von 1989 eine zweite Amtszeit einer polnischen Regierung möglich.“27 Die polnische EU-Ratspräsidentschaft hat Deutschland und Polen näher zusammen gerückt. Das bekräftigte Bundeskanzlerin Angela Merkel in ihrer Laudatio auf den polnischen Ministerpräsidenten Donald Tusk anlässlich der Verleihung des Walther-Rathenau-Preises am 31. Mai 2012. Sie würdigte den Beitrag der polnischen Präsidentschaft und Donald Tusk persönlich für die Verabschiedung des sogenannten Sixpack, um den europäischen Stabilitäts- und Wachstumspakt zu stärken. In Bezug auf die Rede von Tusk vor dem Europäischen Parlament erinnerte sie an das Motto der polnischen Ratspräsidentschaft „Mehr Europa in Europa“ und betonte, Europa brauche strukturelle Reformen, um die Ursachen der Krise anzugehen und eine Wiederholung einer solchen ___________ 26 http://www.deutschland-polen.diplo.de/Vertretung/deutschland-polen/de/__pr/Arti kel/2011/110621-Namensbeitrag.html?archive=2975728 (26.09.2012). 27
http://www.deutschland-polen.diplo.de/Vertretung/deutschland-polen/de/__pr/Arti kel/2011/ 111010-1.html?archive=2975728 (12.10.2012).
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Krise in Zukunft ausschließen zu können. Polen könne dabei ein Vorbild sein. Das Land hätte sich in den 90er Jahren tiefgreifenden Reformen unterzogen. Viele waren damals arbeitslos, noch mehr zweifelten an der Notwendigkeit der tiefen Einschnitte und die meisten hinterfragten damals deren Sinn. Aber damals hätte Polen die Fundamente seines wirtschaftlichen Aufschwungs gelegt. So konnte es sogar als einziges Land in der EU mit schwarzen Zahlen beim Wirtschaftswachstum durch die jüngste globale Wirtschaftskrise gehen. Zum Schluss sagte Angela Merkel: „Dass ein deutsches Institut den Preis verleiht und ich als Bundeskanzlerin die Rede dazu halte, zeigt: Unsere Länder sind einander sehr nahe gekommen. Dieser Weg war angesichts unserer oft allzu leidvollen gemeinsamen Geschichte keinesfalls vorgezeichnet. Ohne Vertrauen, aber auch ohne Weitsicht wäre dieser Weg des Miteinanders kaum denkbar gewesen.“28 Wenn man die Kommentare von Stephan Raabe vom Dezember 2007 und von Reinhold Vetter vom Dezember 2009 mit den Reden der deutschen und polnischen Politiker aus den letzten beiden Jahren vergleicht, muss man feststellen, dass sich die politische Atmosphäre wesentlich entspannt und verbessert hat und dass man sich beiderseits um eine gute Zusammenarbeit redlich bemüht. Die gleichen Probleme sind allerdings mehr oder weniger geblieben. Der Weg zu einer reibungslosen Zusammenarbeit in den Europafragen sowie zu einer musterhaften Nachbarschaft scheint doch noch lang zu sein. * * *
Abstract Albert S. Kotowski: Analysis of the German-Polish relationship in light of the Neighbourship Treaty. In: 20 years of German-Polish Neighbourship Treaty – Samples from realpolitik of continuing transnational understanding, ed. by Gilbert H. Gornig, Hans-Detlef Horn and Hans-Günther Parplies (Berlin 2013), pp. 17–38. The article provides a summary of the current German-Polish relations since the assumption of office by the Polish Prime Minister Donald Tusk in 2007. One major issue is the history of relations between both countries. However, the main objective of the author is to analyze and clarify in particular conflicts and controversies between Germany and Poland. A short retrospection on the history of German-Polish relations since the 18th century provides not only a ___________ 28 http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Rede/2012/05/2012-05-31-merkelrathenau-preis.html (28.10.2012).
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better understanding of the current Polish foreign policy. It contributes also to reduce current stereotypes on both sides.
Die deutsch-polnischen Beziehungen im europäischen Kontext Von Karol Sauerland Deutschland und Polen bezeichnet man in der Geschichtsschreibung als Mittelmächte. Das mag heute etwas antiquiert klingen, aber es ist so. Mittelmächte zeichnen sich dadurch aus, dass sie stark und schwach zugleich sind. Sie sind eben weder Großmächte noch kleine Staaten, denen es zwar gut gehen mag, deren Stimmen aber kaum von Gewicht sind. Deutschland war der Status einer Mittelmacht, seitdem es zu einem Zweiten Reich vereinigt worden war, schlecht bekommen. Es wollte immer wieder Großmacht werden. Die Folgen waren, wie man weiß, verheerend. Dass Polen einmal eine starke Mittelmacht war, hat man im Allgemeinen vergessen. Seine Grenzen reichten weit nach Osten und weit nach Süden. Es wurde weniger durch Kriege als durch Verträge groß. Der bekannteste Vertrag ist der zur Gründung der litauisch-polnischen Union. Vergessen ist, dass Polen auch eine kulturelle Macht bildete. Im 17. Jahrhundert war das Polnische bis weit nach Osten eine gängige Kultursprache. Zwar wurde Polen, nachdem es 1791 die erste europäische Verfassung auf friedlichem Wege beschlossen hatte, die aus dem sogenannten anarchischen Staat einen modernen gemacht hätte, durch den Einmarsch der zaristischen Truppen und mit Hilfe der Preußen und Österreicher 1795 als Staat durch die Dritte Teilung aufgelöst, doch es hörte nicht auf, zu existieren und ein Problem für die künftige europäische Geschichte zu werden. Immer wieder trennten sich die Geister an der sogenannten polnischen Frage. Rousseau, der sich lebhaft für die Frage interessierte – von ihm stammt bekanntlich ein Verfassungsentwurf nicht nur für Korsika, sondern auch für Polen –, hat einmal gesagt, wenn Polen von Russland einverleibt werden sollte, dann wird es sich den Magen daran verrenken. Er sollte Recht behalten. Polen war für Russland einfach zu westlich – wenn man in Russland vom Westen sprach, so dachte man keineswegs nur an Paris, sondern auch an Warschau, das ja „Klein-Paris“ genannt wurde. Der bekannte russische Anarchist Piotr A. Kropotkin, für den die gegenseitige friedliche Hilfe das A und O sowohl in der Natur wie auch in der menschlichen Gesellschaft war, wies einmal den großen dänischen Literaturkritiker Georg Brandes darauf hin, dass die Russen das Streiken von den Polen im russischen
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Teilgebiet gelernt hätten. Ohne Polen hätte es keine Revolution von 1905 gegeben, die das Zarenreich zutiefst erschütterte, es aber auch zu Reformen zwang, die leider durch den Ausbruch des Ersten Weltkriegs unterbrochen wurden. Im Jahr 1918 entstand Polen neu, und sogleich begann der Streit um die östlichen Gebiete. 1920 wurden nach dem blutigen sowjetisch-polnischen Krieg die Grenzen festgelegt (Katyn war dann die Rache für die Niederlage, die die Sowjets hinnehmen mussten). Polen erstreckte sich wiederum weit nach dem Osten und Süden, wenn auch nicht so weit wie vor den ersten Teilungen. Auf den Streit um die westlichen Gebiete, d. h. die Grenze zu Deutschland, sei hier nicht eingegangen. Zwischen 1920 und 1939 zeigte Polen den Ehrgeiz, wieder eine Mittelmacht zu werden. Dieser Ehrgeiz wird im Allgemeinen verdammt, wobei man unberücksichtigt lässt, dass Polen für den Osten attraktiv war, vor allem weil es ein Gegengewicht zu der bolschewistischen Herrschaft darstellte, deren Schrecken heute im Westen nach wie vor gern übersehen werden. Polen fühlte sich gleichzeitig so stark, dass es auf Hitlers antibolschewistischen Kurs nicht einging. Hitler hatte bekanntlich lange Zeit die Hoffnung, auf dieser Grundlage zu einem Antikomintern-Bündnis zu gelangen. Es kam am Ende zu einem deutsch-sowjetischen Bündnis. Als Mittelmacht war Polen selbstredend zu schwach, um sich gegen den Stalin-Hitler-Pakt wehren zu können, zumal er die ganze Welt überraschte. Er schien das Werk weniger Tage gewesen zu sein. Im Nachhinein ist er das Werk eines langen Zusammenwirkens seit Rapallo, wie Sebastian Haffner in seinem Buch „Der Teufelspakt. Die deutsch-russischen Beziehungen vom Ersten zum Zweiten Weltkrieg“ gezeigt hat. Die vierte Teilung im Jahre 1939 grub sich tief in das Bewusstsein der politisch wachen Polen ein. Von russischer Seite wurde sie ja auch nie zurückgenommen. Die östliche Grenze Polens veränderte sich seit dem sowjetischdeutschen Vertrag von 1939 im Wesen nicht. Die Konferenzen von Jalta und Potsdam schufen ein neues, nach Westen verschobenes Polen. Die Westmächte überließen es nach einem schwachen Widerstand den Klauen der Sowjetunion. Und wiederum trat das ein, was Rousseau dem Zarenreich vorausgesagt hatte. Der Brocken war zu groß. Polen mit seiner zutiefst westlichen Kultur ließ sich nicht in die Knie zwingen. Im Gegenteil, es trug wesentlich zum Zerfall dieses Imperiums bei. Die Sowjetunion marschierte in Polen nicht ein, weder 1956 noch 1980/81 im Solidarność-Jahr. Sie hatte stets Furcht vor den Folgen und dem Widerstand, nicht allerdings im Falle Ungarns und der Tschechoslowakei. Ich selber glaubte 1981 nicht daran, dass die Sowjets in Polen einmarschieren würden. Sie konnten sich das nach der Besetzung von Afghanistan einfach nicht leisten. Ich kam damals zu der Überzeugung, dass im Falle der Niederlage der Sowjetunion in
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Afghanistan das eintreten werde, was sich 1905 nach der Niederlage Russland im Krieg mit Japan ereignete. Die Sowjetunion werde zerfallen, denn zu viele Völker seien gegen Moskau eingestellt. Eine Niederlage außerhalb des Reichs interpretierten die unterdrückten Völker zu Recht als Zeichen der Schwäche der Zentrale. Es kam bereits vor dem Zerfall der Sowjetunion zu zahlreichen Protestaktionen sowohl in Georgien als auch in den baltischen Staaten. Im Jahr 1988 war ich zu einer Mitteleuropakonferenz in Westberlin eingeladen. Dort äußerte ich in der Diskussion die Meinung, dass Deutschland wiedervereinigt werde, wenn Polen die Souveränität erlangen sollte, da Russland ein geteiltes, d. h. ein schwaches Deutschland im Westen Polens nicht dulden könne. Polen würde einfach ein zu starker Staat werden. Die anwesenden Deutschen hielten mich für verrückt, die anwesenden Polen meinten, eine Wiedervereinigung Deutschlands sei etwas Furchtbares für ihr Land. Es kam aber so! Ich fand übrigens Ende der achtziger Jahre, dass es um 1990 zum Niedergang des Sowjetsystems kommen müsse. In Deutschland glaubte man nicht an eine Veränderung des Status quo. Es war eine seherische Leistung von Hans Magnus Enzensberger, dass er sein „Ach, Europa“ 1987 mit einer Art Utopie enden ließ, wonach die beiden Deutschlands im Jahre 2006 zwar weiterhin existierten, aber nur noch pro forma. In Berlin könne man sich frei hin und her bewegen. Die Mauer sei nur noch als Denkmal verblieben. Die wichtigsten Fragen seien mittlerweile Umweltfragen, die in ganz Europa das Leben der Bürger erschwerten. Der Mauerfall, der zwei Jahre nach dem Erscheinen des Buchs von Enzensberger erfolgte, überraschte mich verständlicherweise nicht besonders. Das Sowjetimperium war bereits zu brüchig geworden. Überrascht war ich allerdings über den Tag des Mauerfalls, nicht weil es der 9. November war, sondern weil an diesem Tag Helmut Kohl und Hans-Dietrich Genscher in Polen zum Staatsbesuch verweilten und die in der DDR stationierte Sowjetarmee nicht in Alarmbereitschaft versetzt wurde, – schließlich geschah dies an der Grenze zwischen NATO und Warschauer Pakt. Überrascht war ich auch über die Art, der Grenzöffnung, erklärte doch Schabowski am Ende einer Pressekonferenz, dass im Übrigen die Grenze offen sei, – alles von einem Zettel ablesend. Es war gerade die Zeit, in der ein neues Passgesetz für DDR-Bürger entworfen wurde. In solchen Fällen verhält sich die Bevölkerung erst einmal abwartend. Zwischen Gorbatschow und Bush Senior musste etwas vereinbart worden sein, nur in welcher Form fragte und frage ich mich. Überrascht war ich auch über die schwache Reaktion der polnischen Seite auf den Mauerfall. Kein Offizieller, kein ehemaliger Dissident begleitete Kohl und Genscher von Warschau nach Berlin, um dieses Ereignis im Namen Polens als ein historisches vor dem deutschen Publikum zu begrüßen.
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Die deutsch-polnischen Beziehungen sollten sich in der folgenden Zeit erst einmal trüben. Tadeusz Mazowiecki hatte sich von Margaret Thatcher überzeugen lassen, Skepsis der Wiedervereinigung gegenüber walten zu lassen. Angeblich sei bis dahin die polnische Opposition für die Schaffung eines Gesamtdeutschlands gewesen. Wahrscheinlich hatte sie aber in größeren Zeiträumen gedacht, vielleicht in denen von Enzensberger. Wiedervereinigung ja, aber in etwa zwanzig Jahren. Deutschland schaffte es, die Zurückhaltung seiner europäischen Partner zu überwinden, wohl vor allem dank der US-amerikanischen Unterstützung. Bei den Abschlussverhandlungen in Paris versuchte Polen die endgültige Unterzeichnung des 2 + 4 Vertrags zu blockieren, aber da ließ Genscher seine glänzenden persönlichen Beziehungen zum anwesenden Außenminister Krzysztof Skubiszewski spielen. Nach einigen Stunden war alles unter Dach und Fach. Das vereinigte Deutschland beschäftigte natürlich die Gemüter, nicht nur die polnischen, sondern auch die deutschen. Im Januar 1992 diskutierte ich als Moderator mit Arnulf Baring auf einem Podium in Warschau über dessen neuestes Buch „Deutschland, was nun?“ Ich bemängelte u. a., wie aus meinem Tagebuch hervorgeht, dass sich in Deutschland niemand die Frage stellte, warum es eigentlich zur Wiedervereinigung kommen konnte. Die Deutschen sehen nicht, dass die Sowjetunion die Entstehung von souveränen Nationalstaaten in Mittelosteuropa als Tatsache anerkannte, um zur alten Politik des GegeneinanderAusspielens zurückzukehren. Das Zarentum war damit ja so schlecht nicht gefahren. Eine Überraschung für Moskau war allerdings, dass sich die Ukraine vom alten Reich löste. Das schuf eine völlig neue Konstellation, nicht nur in Osteuropa, sondern in ganz Europa, was bis heute kaum thematisiert wird. Moskau hatte auch nicht mit einer fortschreitenden politischen Einigung der EU gerechnet, einschließlich der Einführung des Euro, der heute in Verruf zu geraten beginnt. Baring beschäftigte sich allerdings vor allem damit, was geschehen werde, wenn die Einheit Deutschlands misslinge. Unter den im Saal Anwesenden wurden alte Ängste artikuliert, dass ein starkes Deutschland eine Gefahr darstelle, wogegen ich das Argument der Mittelmacht ins Feld führte. Polen müsse sich seiner (neuen) Lage bewusst werden. Es befinde sich in einer völlig neuen geopolitischen Situation mit neuen Nachbarn. Es wäre daher gut, wenn ein Pendant zu Barings Deutschland, was nun? geschrieben würde: Polen, was nun? Die Idee gefiel den meisten, aber niemand verfasste dieses Buch, obwohl die Frage in den Medien immer wieder gestellt wurde. Damals kam die Idee auf, dass Polen in die NATO eintreten sollte. Als ich 1991 in einem politischen Warschauer Salon meinte, es wäre Zeit über einen Beitritt Polens in die NATO nachzudenken, da Russland wieder stark werden könnte, entgegnete mir ein Gesprächspartner, der später für kurze Zeit Verteidigungsminister werden sollte, dass sich die Deutschen dagegen aussprechen würden. Darauf antwortete ich, sie würden Polen unterstützen, wenn sich hier
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Kräfte fänden, die diesen Eintritt wirklich wollten. So kam es auch. Aber auf dem Weg in die NATO und später in die EU mussten allerlei innenpolitische Hürden genommen werden. Die Verbundenheit vieler Politiker mit der Sowjetunion und später mit der Russischen Föderation war noch groß. Man war sich kaum bewusst, dass die Zeit drängte, denn großrussisches Denken würde sich am Ende wieder durchsetzen, dessen war ich mir gewiss. Das damalige Verhalten der Russen in Georgien und Tschetschenien sprach dafür. Zu Beginn des neuen Jahrhunderts änderte sich die geopolitische Lage im Osten. Es begann mit dem Zweiten Tschetschenienkrieg. Russland zeigte mit dem Herrschaftsantritt Putins die Zähne. Die Orange-Revolution stärkte zwar die Hoffnung, dass sich die Ukraine in die Familie der demokratischen Staaten einreihen werde, aber die alten Strukturen erwiesen sich dort als stärker. Wer an allgemeinen demokratischen Strukturen in Europa interessiert ist, muss einfach jene Kräfte in der Ukraine unterstützen, die um den Erhalt und den Ausbau der Demokratie kämpfen. Im Prinzip ist ganz Ostmitteleuropa (wie auch Georgien) an einer Westbindung interessiert (der lange Weg nach dem Westen, um Heinrich August Winklers Buchtitel zu paraphrasieren, sollte nicht nur auf Deutschland bezogen werden), wobei sich die größten Erwartungen an Deutschland richten. Umso leidvoller werden solche Gesten wahrgenommen, wie sie sich Schröder Putin gegenüber leistete, der offensichtlich nie einen Gedanken daran verlor, dass Russland und Deutschland schon lange keine gemeinsamen Grenzen mehr haben. Das, was Deutschland und Polen trennt, ist die geographische Lage, die einen anderen Blick auf den Osten mit sich bringt, zumal die dortige Lage nach wie vor instabil ist und Polens Beziehungen zu Moskau keineswegs bereinigt sind. Daher sollte auch Mittel- und Osteuropa in Deutschland politisch seriöser behandelt werden, als dies bisher geschieht. Es ist erschütternd, dass Putin in Dresden fast einen Preis bekommen hätte. Der Weg, den man fand, den Preis auszusetzen, war ebenso beunruhigend. In Deutschland denkt man wenig und ungern über das Verhältnis zum Osten nach, insbesondere zu Russland, da man sich an die unrühmliche Okkupationszeit erinnert fühlt. Dies aber ist eine Vogel-Strauß-Politik, denn Nichtstun bedeutet immer eine Unterstützung der Starken, was in einem Raum wie Russland, in dem es kaum demokratische Traditionen gibt, sehr gefährlich ist. Das heutige Tusk-Polen übernahm die deutsche Haltung im Wesenlichen. Es tut so, als sei in den Beziehungen zu Russland alles in Ordnung. Das Beispiel hierfür ist die Haltung zur Flugzeugkatastrophe von Smolensk: die Flugschreiber sind bis heute noch nicht in Warschau, die Russen haben das Wrack zerstört und geben nicht einmal die übrig gebliebenen Teile zurück. Eine solche Politik schafft natürlich Spannungen in Polen. Die Zahl derjenigen, die erfahren wollen, wie es zu diesem Flugzeugunglück kam, nimmt verständlicherweise zu; immerhin
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gehörte ein großer Teil der Opfer (der Präsident, die drei Oberbefehlshaber der polnischen Armee [Marine, Infanterie, Luftwaffe], der Präsident der Polnischen Nationalbank, der Leiter der polnischen Gauck-Behörde, stellvertretende Parteivorsitzende etc.) der polnischen politischen Elite an. Heute ist es zu einem umgekehrten deutsch-polnischen Zusammengehen gekommen, bei dem der Blick nach dem Osten nicht mehr störend wirkt, d. h. jene polnischen Politiker und Publizisten, die in der westlichen Presse wahrgenommen werden, tun so, als gäbe es jenseits der EU-Grenze keine gravierenden Probleme mehr. Selbst die Wiederwahl Putins beunruhigte die herrschende öffentliche deutsche Meinung in nur geringem Maße. Man kann sich daher des Eindrucks nicht erwehren, dass die Demokratie keinen grundlegenden Wert mehr darstellt. Ein Erwachen wird es geben, wenn sich etwas Untragbares ereignen wird. Hoffentlich ist es dann nicht zu spät! Hätte der Vortrag nicht eigentlich heißen sollen: „Die derzeitigen deutschpolnischen Beziehungen im osteuropäischen (und nicht im europäischen) Kontext“? Aber solange die unsichere Lage in Osteuropa sich nicht in eine sichere verwandelt, solange bleibt auch die Lage in Europa unsicher. * * *
Abstract Karol Sauerland: The German-Polish relationships in European context. In: 20 years of German-Polish Neighbourship Treaty – Samples from realpolitik of continuing transnational understanding, ed. by Gilbert H. Gornig, Hans-Detlef Horn and Hans-Günther Parplies (Berlin 2013), pp. 39–44. Poland was formerly a medium power like Germany. This was of particular importance for Poland’s status in Eastern-Europe. With the Stalin-Hitler Pact, and through its consequences, Poland finally lost this position. It remains an important factor however, for the stabilisation or destabilisation of the new configuration of states in Eastern-Europe including Georgia. The German-Polish relationships should also be seen in this context.
Fortschritte und Hindernisse bei der Erforschung der gemeinsamen Geschichte von Deutschen und Polen Von Witold Stankowski
I. Einführung Der Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Polen über gute Nachbarschaft und freundschaftliche Zusammenarbeit vom 17. Juni 1991 ist in die Geschichte als sehr wichtiger Vertrag, als ein Versöhnungswerk, als ein Vertrag der deutsch-polnischen Verständigung eingegangen. Der Vertrag wurde aufgrund der sich schnell entwickelnden Ereignisse nach der Wiedervereinigung zwischen Polen und Deutschland abgeschlossen. Nach dessen Unterzeichnung begann man mit den angestrebten Versöhnungsarbeiten, die zur Verständigung führen sollten. Die deutsch-französische Aussöhnung hingegen hat einen ganz anderen Verlauf genommen. Nach dem Zweiten Weltkrieg reichten sich die beiden Nachbarn die Hand zur Versöhnung auf verschiedenen Konferenzen, Seminaren, Schüleraustauschen und Hochschulkooperationen. Das Ergebnis führte schließlich zum Élysée-Vertrag vom 22. Januar 1963, der die guten Beziehungen und die Freundschaft zwischen Deutschland und Frankreich institutionalisierte. Widmen wir uns nun den deutsch-polnischen Kontakten. Zuerst unterschrieb man den Grenzvertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Polen über die Bestätigung der zwischen ihnen bestehenden Grenze vom 14. November 1990, erst danach den Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Polen über gute Nachbarschaft und freundschaftliche Zusammenarbeit. Erst nach der Unterschrift unter beide Verträge arbeiteten Polen und Deutsche auf Konferenzen, Seminaren, Schüleraustauschen und Hochschulkooperationen an der Stärkung der Verständigung und Aussöhnung. Zweifellos nahmen an diesem Verständigungsprozess auch die Deutschen teil, die früher Polen bewohnten, die sog. deutschen Vertriebenen. Der Vertrag vom 17. Juli 1991 nimmt in der deutsch-polnischen Geschichte einen entscheidenden und bedeutsamen Rang ein. Nach der Katastrophe des Zweiten Weltkrieges, der Teilung der Welt in zwei Lager (Ost und West) regulierte er die Beziehungen zwischen Polen und Deutschland. Obwohl der Vertrag nach seiner Unterzeichnung wegen seiner angeblichen Asymmetrie nicht von allen politischen Gruppierungen in Polen und in Deutschland akzeptiert
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wurde, ist er ohne Zweifel als ein Meilenstein in den europäischen und deutschpolnischen Beziehungen anzusehen1. Die deutsch-polnischen Beziehungen wurden nach dem Zweiten Weltkrieg durch Weltmächtepolitik Frankreichs, der USA, des Vereinigten Königreichs und der Sowjetunion gekennzeichnet. Der Zweite Weltkrieg veränderte das Weltantlitz. Dieser auf globaler Ebene geführte Konflikt wurde vom nationalsozialistischen Deutschland ausgelöst und hatte wesentliche Konsequenzen für die Weltgemeinschaft. Er forderte bis 60 Millionen Menschenleben. Durch die neu gezogenen Grenzen kam es zu Millionen individueller Umwälzungen, verursacht durch Emigration, kriegsbedingte Flucht, Vertreibung und Aussiedlung ganzer Bevölkerungsgruppen. Von besonderem Interesse ist in diesem Zusammenhang die Charakterisierung der Konsequenzen des Zweiten Weltkrieges durch den polnischen Historikers Roman Wapiński: „… die Ereignisse des Zweiten Weltkriegs und der Besatzung zogen im Falle der polnischen Bevölkerung keine langfristigen Entwicklungsstörungen nach sich, solche die jeder Krieg zur Folge hat, sie verursachten vielmehr eine Katastrophe …“2. Zahlen zeugen von der globalen Reichweite des Zweiten Weltkrieges. Die neuesten Forschungsergebnisse zur Geschichte der nationalsozialistischen Konzentrationslager belegen, dass Nazideutschland insgesamt 10.005 Lager und Ghettos errichtete. Viele Konzentrationslager wurden nur für den Massenmord an den Juden bestimmt, in anderen Lagern wurden neben Juden auch Vertreter anderer Nationalitäten gefangen. Sehr viele Lager befanden sich innerhalb der Grenzen des heutigen polnischen Staates: zusammen 941 Konzentrationslager und 399 Ghettos. Wenn man alle Arten von Lagern in Betracht zieht, waren mehr als die Hälfte aller Lager, also 5800, in Polen. Im ehemaligen sog. Ostgalizien gab es 34 jüdische Ghettos, in Litauen 16. Insgesamt errichtete das „Dritte Reich“ 52 große Hauptkonzentrationslager mit 1202 Filialen (Außenlager). Trotz aller Forschungen verfügt man jedoch immer noch nicht über eine genaue Zahl aller Lager in Deutschland. Allein in Berlin waren es 645, in Hes-
___________ 1 Traktaty polsko-niemieckie z 14. 11. 1990 r. i 17.06.1991, wydawca: Ministerstwo Spraw Zagranicznych i Ministerstwo Spraw Wewnętrznych Republiki Federalnej Niemiec we współpracy z Ambasadą Rzeczypospolitej Polskiej w Kolonii. Die deutschpolnischen Verträge vom 14.11.1990 und 17.06.1991. Herausgeber: Auswärtiges Amt und Bundesministerium des Innern in Zusammenarbeit mit der Botschaft der Republik Polen. 2 R. Wapiński, Polska i małe ojczyzny Polaków. Z dziejów kształtowania się świadomości narodowej w XIX i XX wieku po wybuch II wojny światowej, Wrocław/ Warszawa/Kraków 1994, S. 395.
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sen 606. Die Anzahl der Lager und Ghettos in Weißrussland und in der Ukraine bleibt unbekannt3. Der Zweite Weltkrieg und der anschließende Kalte Krieg sowie der Eiserne Vorhang setzten nachfolgend die Integrationsprozesse in Bewegung. Westeuropa, einschließlich „Westdeutschland“, begann mit der Integration, um eine Gemeinschaft und neue Strukturen auf der Grundlage von Demokratie zu bilden. Zur gleichen Zeit war Polen ständig im Griff des Kommunismus. Die Teilung der Welt nach dem Zweiten Weltkrieg bestimmte die Außenpolitik zweier deutscher Staaten. Die Grundlage der Politik der Bundesrepublik Deutschland baute auf eine primäre Beziehung zu den USA, die Unterstützung der Organisation des Nordatlantikvertrags, die Integration Westeuropas und einer engen Zusammenarbeit mit Frankreich auf. Die Außenpolitik der Deutschen Demokratischen Republik basierte hingegen ausschließlich auf der Zusammenarbeit mit der Sowjetunion, auf Bemühungen, die eine Konfrontation mit der Bundesrepublik Deutschland und der breiteren westlichen Welt provozierten, und auf der Unterstützung von Ländern, die Interesse an einem Bündnis mit der Sowjetunion (Äthiopien, Angola, Kuba) zeigten. Bezüglich der deutsch-polnischen Beziehungen fehlt es immer noch an der Kenntnis ihrer immensen Bedeutung. Diese Bemerkung gilt sowohl für die Polen, als auch für Deutsche. Die Wahrnehmung der älteren Generation der Polen und Deutschen unterscheidet sich erheblich von der der jüngeren Generationen. Eine kurze Retrospektive scheint an dieser Stelle angemessen zu sein.
II. Böse und gute Deutsche Bis zur politischen Wende in den Jahren 1989/1990 gab es in Ostmitteleuropa die sogenannten „guten“ Deutschen, die aus der Deutschen Demokratischen ___________ 3 J. D. Goldhagen, Hitlers willige Vollstrecker. Ganz gewöhnliche Deutsche und der Holocaust, Berlin 1996, S. 204, 208, 608; G. Schwarz, Die nationalsozialistischen Lager, Frankfurt/Main 1990, S. 221. Literatur zum Thema Lager während des Zweiten Weltkrieges: G. Aly, „Endlösung“. Völkerverschiebung und der Mord an den europäischen Juden, Frankfurt/Main 1995; Anatomy of the Auschwitz, pod red. Y. Gutmana, M. Berenbauma, Bloomington 1994; R. Hilberg, Täter, Opfer, Zuschauer. Die Vernichtung der Juden 1933-1945, Frankfurt/Main 1992; Tegoż, Die Vernichtung der europäischen Juden, Frankfurt/Main 1997, t. I-III; Cz. Łuczak, Polityka ludnościowa i ekonomiczna hitlerowskich Niemiec w okupowanej Polsce, Poznań 1979; J. Marszałek, Obozy pracy w Generalnym Gubernatorstwie w latach 1939–1945, Lublin 1998; F. Pingel, Häftlinge unter SS-Herrschaft. Widerstand, Selbstbehauptung und Vernichtung im Konzentrationslager, Hamburg 1978; D. Pohl, Von der „Judenpolitik“ zum Judenmord. Der Distrikt Lublin des Generalgouvernements 1939–1944, Frankfurt/Main 1993; W. Sofsky, Die Ordnung des Terrors. Das Konzentrationslager, Frankfurt/Main 1993.
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Republik stammten. Die sogenannten „Trabideutschen“ (der Name geht auf den Namen des Autos Trabant zurück) besuchten Polen und die polnische Bevölkerung, die Polen umgekehrt die DDR. Viele polnische Arbeiter waren auf den größten Bauplätzen des Sozialismus beschäftigt. Der Staat der sogenannten guten Deutschen hatte die Grenze an der Oder und Neiße anerkannt. Problematisch sahen die Beziehungen der Polen mit der Bundesrepublik Deutschland aus. Die Normalisierung der Beziehungen in den 70er und 80er Jahren äußerte sich vor allem in den Kontakten zwischen den Menschen beider Nationen. Es gab aber politische Probleme4. Die polnischen Kommunisten nannten sehr oft die Deutschen aus der Bundesrepublik Revanchisten, „böse“ Deutsche. Die polnische Bevölkerung, die in den „wiedergewonnenen Gebieten“ einen neuen Sitz gefunden hatte, spürte immer die Angst, dass die Deutschen zurückkommen würden. Es war ein ständiges Element der kommunistischen Propaganda, sie bediente sich der deutschfeindlichen Erinnerungen aus der Kriegszeit.
III. Etwas Persönliches: Das erste Treffen mit den Deutschen Mein Vater besuchte in der Zwischenkriegszeit das Lehrerseminar in Wejherowo/Neustadt. Am Anfang war er als Lehrer in Mazury/Masuren tätig, zuerst in der Stadt Działdowo/Soldau, dann in einem Dorf weit von der Stadt entfernt, wo er zum Schuldirektor aufgestiegen war. Dort besuchten neben den polnischen Kindern auch deutsche Kinder die Schule. Im Jahre 1938 kam mein Vater wieder als Lehrer in die Kaschubei, wo er geboren wurde. In den Masuren und in der Kaschubei wohnten neben Polen auch Deutsche. In seinem Personalausweis stand in der Rubrik Beruf: „Arbeiter“. Dies hat ihm das Leben gerettet. Früher, am Anfang des Krieges, wurde er durch eine deutsche Familie informiert, dass ihn – weil er Lehrer ist – die Gestapo sucht. Am Anfang der 70er Jahre war mein Vater wieder Direktor einer Schule. Zu ihm kam eine Gruppe Deutscher aus der Bundesrepublik Deutschland zu Besuch. In dieser Gruppe war eine Frau, die bis zum Jahre 1945 in der Nähe der Schule wohnte, sie war eine Schülerin meines Vaters. Mein Vater und sie waren mit diesem Treffen sehr zufrieden. Viele Erinnerungen belebten das Gespräch. Die Frau lud uns im Jahre 1976 nach Deutschland ein. Wir erlebten damals einen Schock. Zum ersten Mal sahen wir, wie die Leute im Westen leben. Später wurden wir von einer deutschen Schülerin, die die Schule in der Nähe von Działdowo/Soldau besucht hatte, wo mein Vater unterrichtet hatte, nach Nürnberg eingeladen. Es war das Jahr 1980. ___________ 4 D. Bingen, Polityka Republiki bońskiej wobec Polski. Od Adenauera do Kohla 1949–1991, Kraków 1997.
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Unsere beiden Reisen im Jahre 1976 und 1980 waren Folge der Politik der Bundesrepublik Deutschland, der sogenannten Ostpolitik von Bundeskanzler Willy Brandt und Helmut Schmidt. Sie hatte die Entwicklung des polnischen Staates mit Hilfe deutscher Kredite zur Folge, was sich im Prinzip positiv auf gemeinsame Kontakte zwischen Polen und Deutschen auswirkte.
IV. Stand der Entwicklung der polnischen Wissenschaft über die Vertreibung der Deutschen Entscheidend für die Entwicklung der polnischen Wissenschaft über die Vertreibung der Deutschen ist das Jahr 1989/1990. Bis zu diesem Datum wurde das Thema „Vertreibung“ nicht ausreichend oder gar nicht bearbeitet. Eine Diskussion dieses Themas war in polnischen Historikerkreisen unmöglich. Politische Erwägungen waren hinderlich. Die polnische kommunistische Partei betrachtete das Problem als für die polnische Staatsräson gefährlich. Folge war eine Beschränkung wissenschaftlicher Forschungen, deren Ergebnisse wissenschaftliche Abhandlungen gewesen wären. Von den der Vertreibung gewidmeten Publikationen seien nur einige Titel erwähnt, die durch die Partei und die kommunistische Regierung genehmigt wurden. Historische Arbeiten wurden allesamt zensiert und waren somit ziemlich wenig aussagekräftig. Im Jahre 1959 schrieb Tadeusz Białecki ein Buch über die Aussiedlung/Vertreibung der deutschen Bevölkerung aus Westpommern (Przesiedlenie ludności niemieckiej z Pomorza Zachodniego po II wojnie światowej/Umsiedlung der deutschen Bevölkerung aus Westpommern nach dem zweiten Weltkrieg, Poznań /Posen 1959). Zehn Jahre später beschäftigte sich mit diesem Thema am Beispiel von Niederschlesien Bronisław Pasierb (Migracja ludności niemieckiej z Dolnego Śląska w latach 1944–1947 / Migration der deutschen Bevölkerung aus Niederschlesien in den Jahren 1944– 1947), Wrocław/Breslau 1969). Der polnische Außenminister nach der Wende, der Jurist und Historiker Krzysztof Skubiszewski, stellte allgemein die Aussiedlungen/Vertreibungen aus Mittelosteuropa (aus Österreich, Tschechoslowakei, Polen, Ungarn) dar (Wysiedlenie Niemców po II wojnie swiatowej / Aussiedlung der Deutschen nach dem Zweiten Weltkrieg, Warszawa / Warschau 1968). Mit dem Thema Aussiedlung/Vertreibung der Deutschen beschäftigte sich auch Stefan Banasiak (Przesiedlenie Niemców z Polski w latach 1945– 1950 / Umsiedlung der Deutschen aus Polen in den Jahren 1945–1950, £ódz 1968). Sein Buch wurde jedoch nur in sehr geringer Auflage von 250 Exemplaren herausgegeben und war nur zum dienstlichen Gebrauch bestimmt. Außerdem gab es ein paar Artikel, die das Problem sehr allgemein beschrieben. Diese Übersicht über die wissenschaftliche Literatur deutet darauf hin, dass nicht nur die Herausgabe von Büchern, sondern auch Forschungen zu diesem Thema durch Zensur begrenzt waren. Diese oben erwähnten Publikationen behandeln daher das Thema nicht erschöpfend.
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Die wissenschaftliche Aufarbeitung der Problematik der Aussiedlung/Vertreibung der Deutschen in den Jahren 1945 bis 1950 ermöglichte die politische Wende um die Jahre 1989/1990 in den ostmitteleuropäischen Ländern. Dank des Zugangs zu fast allen Archivalien in polnischen Urkundensammlungen erblickten nach der Wende 1989/1990 viele zu dieser Zeit unbekannte Dokumente das Licht der Welt. Aufgrund dieser Dokumente schrieb man immer häufiger wissenschaftliche Aufsätze, Presseartikel sowie Bücher. Das Problem des Schicksals der Aussiedlung/Vertreibung der Deutschen in den Jahren 1945–1950 wurde auch zum Thema vieler Magister- und Doktorarbeiten. Meine Doktorarbeit (Wysiedlenie ludności niemieckiej z Pomorza Gdańskiego w latach 1945–1950 / Aussiedlung der deutschen Bevölkerung aus Pommerellen in den Jahren 1945–1950, Bydgoszcz/Bromberg 1995), die an der Pädagogischen Hochschule in Bydgoszcz/Bromberg verteidigt wurde, umfasst nicht nur die Zahlen der deutschen Umsiedler, sondern auch soziologische Aspekte, wie etwa das Leben in der neuen Wirklichkeit, Aufenthalt in den Lagern und Gefängnissen. Edmund Nowak veröffentlichte sehr früh, nämlich im Jahre 1991, seine Arbeit über die Geschichte des Arbeitslagers in Łambinowice / Lamsdorf. In diesem Lager wurden neben Deutschen auch Polen und Vertreter anderer Nationen gefangen gehalten. Es ist eine Pionierarbeit, die einen großen Beitrag zur Geschichte der Lager für Deutsche leistet (Cień Łambinowic. Próba rekonstrukcji dziejów obozu pracy w Łambinowicach 1945–1946/Schatten von Lamsdorf. Rekonstruktionsprobe der Geschichte des Arbeitslagers in Lamsdorf 1945-1946, Opole/Oppeln 1991). Wissenschaftliche Forschungen über die deutsche Bevölkerung in den Jahren 1945 bis 1950 im Gebiet von Ober- und Niederschlesien, Westpommern, Ermland und Masuren (Ostpreußen) betreiben Historiker in den Hochschulund Universitätsstädten, in wissenschaftlichen Einrichtungen in Olsztyn/ Allenstein, Wrocław/Breslau, Gdańsk/Danzig, Zielona Góra/Grünberg, Poznań/ Posen, Słupsk/Stolp, Szczecin/Stettin und Warszawa/Warschau.
V. Diskussion in Polen über die Vertreibung der Deutschen Für die junge Generation der Polen war das Thema Vertreibung der Deutschen neu. Viele hatten häufig zufällig etwas über die Vertreibung der Deutschen aus Polen erfahren. Die neuen Lehrbücher geben allerdings mehr Auskünfte. Im Fernsehen gibt es Sendungen über die Situation der Minderheiten in Polen nach dem Zweiten Weltkrieg. Die polnische Bevölkerung, die die sogenannten wiedergewonnenen Gebiete, d. h. Pommern, das ehemalige Ostpreußen, Niederschlesien, Oberschlesien, bewohnt, ist an diesem Thema mehr interessiert als andere Polen. Die Geschichte zeigt, dass in diesen Gebieten deutsche Bevölkerung wohnte. Die kommunistische polnische Regierung vertrat hingegen die These vom ange-
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wurzelten Polentum in diesen Gebieten, auf dem kaum Spuren deutscher Kultur zu finden seien. Im Lichte des Rapports mit dem Titel: „Problem der Vertreibung im Bewusstsein der polnischen Bevölkerung“ des Zentrums der Meinungsforschung aus dem Jahre 1996 wurde die Frage gestellt, was die Polen über die Vertreibung der Deutschen aus den wiedergewonnenen Gebieten wissen; fast die Hälfte (47 %) der Befragten antwortete, dass sie davon nichts gehört hätten. Die Vertreibung der Deutschen im Bewusstsein der polnischen Bevölkerung (in Prozenten) Haben Sie etwas über die Vertreibung der Deutschen Wohnort
Wiedergewonnene
aus den „Wiedergewonnenen Gebieten“ nach dem Zweiten Weltkrieg gehört? Ja
Nein
64
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Gebiete Woiwodschaften Kattowitz und Oppeln Reste des Landes
Quelle: Problem „wypędzenia“ w świadomości społecznej Polaków. Raport z badań (Das Problem „der Vertreibung“ im Bewußtsein der Polen. Berichterstattung von der Forschungen), Warszawa/Warschau 1996, S. 11.
Ihre Unkenntnis über die Vertreibung der Deutschen gestanden vor allem (59 %) die jungen Leute bis zum 24. Lebensjahr ein. Viele Teile der polnischen Bevölkerung sahen die Vertreibung der Deutschen als Strafe für den Zweiten Weltkrieg an. Diese Meinung vertraten vor allem ungebildete, unqualifizierte Menschen. Die besser Ausgebildeten waren anderer Ansicht. Die Quelle des Wissens über die Vertreibung der Deutschen sind unterschiedlicher Natur: 6 % der Befragten waren Zeitzeugen, hatten es persönlich erlebt, was mit den Deutschen geschah, 36 % hatten davon von anderen gehört, 33 % nannten als Quelle ihres Wissens Bücher und Presse, 25 % den Film, 22 % die Schule. Die Initiative, mehr ans Licht zu bringen, kam von der Seite der Historiker der polnischen Robert Schuman-Stiftung, die im Jahre 1991 von Persönlichkeiten gegründet wurde, die mit den politischen und wirtschaftlichen Veränderungen der Jahre 1989 bis 1990 verbunden waren (Tadeusz Mazowiecki – der damalige Ministerpräsident und Piotr Nowina-Konopka – Staatsminister). Unter dem Titel „Komplex der Vertreibung“ wurden von polnischen und deutschen Historikern Studien über das Problem der Vertreibung der Deutschen aus Polen eingeleitet. Der Vorläufer dieser Idee war der heute vergessene und schon verstorbene Arthur Hajnicz. Arthur Hajnicz kam aus den östlichen Grenzgebieten, also den ehemaligen Gebieten Polens. Er selbst überlebte die
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Qualen der Vertreibung der Polen aus den Ostgebieten, den Verlust der Heimat und so wusste er genau, was Deportation und Vertreibung bedeuten. Dank der finanziellen Unterstützung der Stiftung für deutsch-polnische Zusammenarbeit wurde ein polnisch-deutsches Team berufen, das die Geschichte der Deutschen in Polen nach 1945 erforschte. Die polnische Seite wurde von Professor Vladimir Borodziej vertreten, die deutsche von Professor Hans Lemberg. Diesem Team gehörte auch ich an. Das Ergebnis dieser Zusammenarbeit sind vier Bände mit Bearbeitungen der Dokumente, die das Schicksal der Deutschen in Polen nach 1945 verbildlichen. Die meisten dieser Dokumente stammen aus polnischen Archiven und waren bisher unbekannt. Neben den Vorzügen dieser vier Bände muss auch auf eine Schwäche der Studie hingewiesen werden. Man findet dort keine Bezüge auf die im Bayreuther Lastenausgleichsarchiv aufbewahrte so genannte Ost-Dokumentation. Ich wies wiederholt darauf hin, dass der Vorwurf subjektiver Beziehungen, subjektiver Berichte nicht auf das Auslassen dieser Quelle gestützt werden dürfe. Das polnisch-deutsche Team stand vor vielen Problemen, einschließlich der Berechnung der oft überhöhten oder unvollständigen Verluste als Folge der Vertreibung der Deutschen. Man muss jedoch betonen, dass nicht alle deutschen Todesfälle und Verluste durch die Nachkriegsverwaltung ermittelt wurden, manchmal wurden sie absichtlich unterdrückt. Dies geht aus einem aufgefundenen Dokument hervor, das das Lager Zimne Wody/Kaltwasser bei Bydgoszcz /Bromberg: „... nach reiflicher Überlegung ist das Standesamt zu der Überzeugung gelangt, dass die Registrierung – mit Angabe der Todesursachen usw. – einer so großen Anzahl von Personen, die in verhältnismäßig kurzer Zeit im hiesigen Arbeitslager Kaltwasser umgekommen sind, ein negatives Licht auf die Verhältnisse, die in polnischen Lagern nach der Befreiung vom faschistischen Joch herrschten, werfen könnte. Man weiß nicht, wie sich die internationalen Beziehungen in Zukunft gestalten werden: Es könnten eventuell Fälle eintreten, dass irgendwelche internationalen Kommissionen wie die Liga zur Verteidigung der Menschenrechte und ähnliche die Verhältnisse untersuchen wollen und entsprechende Erklärungen fordern werden. Darüber hinaus wäre es für das Prestige des polnischen Staates nicht zweckmäßig, den Tod von Deutschen zu registrieren, die hier auf polnischem Boden keine Existenzberechtigung hatten und die durch ihre feindliche Einstellung gegenüber Polen dem polnischen Volk viel Unrecht angetan und viele Morde an Polen verübt hatten, wobei sie deren Spuren so verwischt hatten, dass heute tausende Familien mit ermordeten Polen nicht wissen, wo sich diese Opfer befinden. Wenn wir dagegen entsprechende Eintragungen über den Tod von Deutschen in die Totenregister vornähmen, dann würden wir es den deutschen Familien erleichtern festzustellen, dass eine bestimmte Person auf diese oder jene Weise in Polen ums Leben gekommen war. Gemäß ihrer bekannten Taktik würden die Deutschen diese Umstände bald ausnutzen und ein Geschrei machen, dass Polen ihre Familien ermordet hätten. An dem denkwürdigen Sonntag, an dem viele Deutsche
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aus Bromberg flüchteten und auf dem Weg nach Berlin umkamen, hätten diese auch auf diese Art und Weise umkommen können. Geht es doch hier lediglich um das deutsche Element, das nach der Einnahme der Stadt Bromberg im Arbeitslager untergebracht wurde ...“ (Archiwum Akt Nowych w Warszawie/Archiv der Neuen Akten, Zespół Ministerstwo Administracji Publicznej/Bestand Ministerium für Öffentliche Verwaltung/, Sign. 764. Das Schreiben des Standesamtes Bydgoszcz/Bromberg vom 4. Dezember 1945 an das Wojewodschaftsamt Pommerellen). Dieses Dokument belegt, dass wir, polnische und deutsche Historiker, nicht imstande sind, hundertprozentig feststellen, wie viele Deutsche in Polen in den Lagern umgekommen sind. Als Ergebnis meiner siebenjährigen Studien erschien im Jahre 2002 ein Buch: Obozy i inne miejsca odosobnienia dla niemieckiej ludności cywilnej w Polsce w latach 1945-1950/Lager und andere Isolationsplätze für die deutsche Zivilbevölkerung in Polen in den Jahren 1945-1950, Bydgoszcz/Bromberg 2002). Diese komplementäre Aufarbeitung ist den Isolationsplätzen und den Lagern für die deutsche Zivilbevölkerung in Polen gewidmet. Obwohl das Buch die einzige Publikation ist, die von dem Thema handelt, wurde es bedauerlicherweise nicht ins Deutsche übersetzt. Das Buch wurde von einem Professorenkreis rezensiert und bezieht sich auf ein Thema, das in der Geschichtsschreibung weder von Polen noch von Deutschen behandelt wurde. Ich habe dieses Problem auf der Grundlage von Archiv-Nachforschungen in 28 Archiven in Polen und in Deutschland dargestellt, deutsche Quellen habe ich berücksichtigt, darunter die sehr wichtige Ost-Dokumentation. Das Buch handelt von etwa 1035 Isolationsplätzen verschiedener Größe in Polen, diese Zahl ist also fast identisch mit der Zahl von 1200 Plätzen, die von der deutschen Seite angegeben wurde. Diese Publikation trug dazu bei, dass viele durch das Schicksal getrennte deutsch-polnische Familien ihre Wurzeln wiederfinden konnten, was mich mit Stolz erfüllt.
VI. Lager in Potulice/Potulitz In den 90er Jahren des 20. Jahrhunderts wurde über die Gedenkstätte, das Lager in Potulice/Potulitz/Lebrechtsdorf in Pomorze Gdańskie/Pommerellen in der Nähe von Nakła/Nakel diskutiert. Das zentrale Arbeitslager Potulice wurde noch während des Zweiten Weltkrieges, in der ersten Hälfte 1945, errichtet. Die Ortschaft Potulice/Potulitz/Lebrechtsdorf liegt zwischen Nakło nad Notecią/Nakel und Bydgoszcz/Bromberg und wurde Ende Januar 1945 befreit. An der Lagerinfrastruktur zeigten sowohl sowjetische Truppen als auch polnische Sicherheitsbehörden Interesse. In den Jahren 1941 bis 1945 wurde in Poltulice ein Lager für die „Umsiedlung“ der vertriebenen Polen errichtet. Als die Nationalsozialisten ihre Umsiedlungshandlungen eingestellt hatten, wurde das Lager als Lagerplatz benutzt, auf dem die Polen gefangen gehalten wurden. Sie wurden zu verschiedenen Zwangsarbeiten verpflichtet. In diesem Lager wa-
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ren Familien, Kinder, Erwachsene, ältere Menschen untergebracht. Die Lagerbedingungen waren mit denen anderer Lager des „Dritten Reiches“ vergleichbar. Das Lager Potulice stand nach der Befreiung aus den hitlerischen Händen unter sowjetischem Kommando, dann übertrug man es dem polnischen Ministerium für Öffentliche Sicherheit in Warschau. Das Lager Potulice gehörte zu den größten derartigen Plätzen auf polnischem Gebiet. Die großflächige Anlage konnte eine sehr große Anzahl von Gefangenen und vor allem von internierten Deutschen aufnehmen. Die Kapazität des Lagers ging jährlich in die Tausende Gefangene. Zu den anderen größeren Lagern gehörten auch die Zentralen Arbeitslager Jaworzno, Krzesimów, Leszno-Gronowo/Lissa, Łambinowice/ Lamsdorf, Świętochłowice/Schwientochlowitz und Warszawa/Warschau. Das Lager Potulitz wurde in „Zentrales Arbeitslager Potulice“ umbenannt. In den Jahren 1945 bis 1946 wurden hier 19.722 Personen registriert. Das Lager war bis zum Jahr 1949 in Betrieb. Danach wurde in den Räumen des Lagers eine Justizvollzugsanstalt untergebracht, die bis heute existiert. Eine unbestimmte Zahl von Inhaftierten bildeten die gemischt deutschpolnischen Familien. Ein gutes Beispiel ist die Familie von Luiza Pawlikowska. Luiza Pawlikowska wurde im Zentralen Arbeitslager Potulice eingesperrt. Als der Interministerielle Ausschuss (Komisja Międzyministerial- na) das Lager mit dem Ziel besuchte, das Polentum oder Deutschtum der Inhaftierten zu verifizieren, konnte die Verhörte die Frage, ob sie Polin oder Deutsche sei, nicht beantworten. Ihre Mutter war Deutsche und ihr Vater Pole, der während der Okkupation in die dritte DVL Gruppe aufgenommen wurde. Luize Pawlikowski konnte das Lager in Potulice verlassen und nach Deutschland ausreisen. Dies machte sie aber wegen ihrer derzeit im Bydgoszcz/Bromberger Waisenhaus sitzenden Geschwister nicht. Sie hat sich entschieden, bei ihren Brüdern zu bleiben. Luizes Mutter starb im Lager Potulitz. Die Lagergeschichte während des Zweiten Weltkrieges und die Häftlingstragödie waren bisher einem breiteren Publikum unbekannt. Die meisten Konzentrations-, Vernichtung- und Arbeitslager wurden Gegenstand wissenschaftlicher Bearbeitungen. Das Lager in Potulice war jedoch ein Tabu-Thema. Die polnischen Nachkriegsbehörden übergingen geschickt mit Stillschweigen die Geschichte des Lagers. Seine Nachkriegsgeschichte und somit auch die Errichtung und Funktion der Justizvollzugsanstalten sollten nicht bekannt werden. Sie wollten auf diese Weise die Lagernachkriegsgeschichte verheimlichen, die mit dem Funktionieren des Lagers für die Deutschen und mit dem Dasein der Justizvollzugsanstalt verbunden war. Darauf zurückzuführen ist, dass die ehemaligen Gefangenen über keinen Erinnerungsort und kein Museum verfügen, die der Lagergeschichte gewidmet sind. Das Gefängnis wurde hermetisch abgeriegelt und damit unzugänglich. Es entstand eine wahre Verschwörung des Schweigens um die Geschichte des Lagers. Das Schweigen beendete erst der junge Wissenschaftler Włodzimierz Jastrzębski, der 1967 sein Buch über das Lager in Potulice in der Zeit des Zwei-
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ten Weltkrieges herausgab. Diese Veröffentlichung brach das bisherige Tabu. Allerdings wurden die Potulicer Häftlinge von den Veteranenverbänden der Volksrepublik Polen nicht akzeptiert. Sie fühlten sich wie Häftlinge zweiter Klasse, die im Vergleich mit anderen Gefangenen angeblich weniger gelitten und durchlebt hätten. Die Tragödie der Häftlinge wurde durch diese Marginalisierung noch zusätzlich vertieft. Erst in den 80er Jahren des 20. Jahrhunderts angesichts der systemischen Veränderungen in Polen zur Wendezeit 1989–1990 begann man über das Potulitzer Lager offener zu sprechen. Lidia Kubacka, geborene Żyła, war eine ehemalige Haftinsassin in Potulice. Sie organisierte viele Veranstaltungen und Tagungen zur Geschichte der Potulicer Lager während des Zweiten Weltkrieges. Dank ihres Einsatzes fand am 22.und 23. September 1987 die erste wissenschaftliche Konferenz über das Potulitzer Lager in Stettin statt. Die polnischen Häftlinge, sowohl diejenigen, die zum Verband der Kämpfer für Freiheit und Demokratie (Związek Bojowników o Wolność i Demokrację) gehörten, als auch die außerhalb des Verbandes, begannen sich in Kreisen und kleinen Gruppen von ehemaligen Häftlingen Potulices zu organisieren. Solche Zirkel entstanden in Bydgoszcz (Bromberg), Gdańsk (Danzig), Olsztyn (Allenstein) und Szczecin (Stettin). Die Tatsache, dass das Lager von vielen, unter anderen staatlichen, Institutionen außer Acht gelassen wurde, ist ein eindeutiger Beweis dafür, dass die polnischen Häftlinge in Vergessenheit geraten waren. Erst 1991 traf das Amt für Kriegsveteranen und Repressionsopfer die Entscheidung, das Lager in Potulice und das Außenlager in Smukała/Smukal und Toruń/Thorn zu den Lagern zu zählen, deren Gefangene identisch mit den KZ-Häftlingen behandelt wurden. In der Diskussion über das Lager in Potulice wurde die Glaubwürdigkeit des Autors Włodzmierz Jastrzębski, der eine Monografie über das Lager publizierte, bezweifelt. Ohne Włodzimierz Jastrzebski und seine Veröffentlichung wären allerdings über das Lager in Potulice wahrscheinlich keine Publikationen erschienen. Seine Veröffentlichung basierte auf dem vorhandenden Quellenmaterial und ist bisher die einzige Monografie über das Lager während des Krieges. Wie jede Veröffentlichung kann sie durch neue Quellen ergänzt, bestätigt oder widerlegt werden. Man muss jedoch zur Kenntnis nehmen, dass jede Monografie eines großen wissenschaftlichen und finanziellen Aufwands auf Seiten des Verfassers bedarf. Damit könnte allerdings das Wissen über das Lager während des Krieges erweitert werden. So untersuchten in einem von Professor Włodzimierz Jastrzębski geleiteten Magisterseminar junge Menschen, künftige Adepten der Geschichte, die Kriegsgeschichte des Potulitzer Lagers und schrieben darüber ein Handbuch. Im Zusammenhang mit der Diskussion über das Lager Potulice während des Zweiten Weltkrieges tauchte ein weiteres Problem die Geschichte des Lagers nach dem Zweiten Weltkrieg betreffend auf. So stellten die deutschen Nach-
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kriegsgefangenen Forderungen. Die Nachkriegsgeschichte des Lagers war in der Bundesrepublik Deutschland bekannt, vor allem unter Deutschen, die aus Polen kamen. Dies war dank der Forschungen des aus Bydgoszcz/Bromberg stammenden Hugo Rasmus möglich, der ein Buch unter dem Titel „Schattenjahre in Potulitz. Schicksal in polnischen Internierungslagern. Eine Dokumentation“, Münster/Westf. 1995 verfasste. In Polen war das Lager tabu. Zu Beginn der 90er Jahre wurde das Thema „Lager in Potulice“ wieder behandelt, was ich persönlich als ,Kollision des Gedächtnisses‘ bezeichne. Die Erinnerung an das Lager während des Zweiten Weltkrieges überschneidet sich mit der nach dem Krieg. Die Geschichte des Lagers in der Zeit des Zweiten Weltkrieges wurde in der Bundesrepublik Deutschland verschwiegen, die Nachkriegsgeschichte dagegen exponiert erörtert. In Polen wurde die Geschichte des Lagers während des Krieges parteigesteuert marginalisiert und die Nachkriegsgeschichte des Lagers so gut wie ausgeblendet. Zwischen ehemaligen polnischen und deutschen Potulitzer Gefangenen bestand das Problem des Zusammenlebens. Die deutschen Gefangenen, die von Gustav Bekker repräsentiert wurden, stießen zunächst auf mangelnde Akzeptanz seitens der polnischen Häftlinge des Potulice Lagers. Ihnen wurde es verwehrt, an gemeinsamen polnischen Jahresgedenkfeiern zum Gedenken an die Opfer des Lagers teilzunehmen. Das änderte sich, als die Deutschen immer wieder erklärten, dass sie die Geschichte nicht relativieren wollten. Die deutschen Gefangenen wiederholten regelmäßig, dass sie sich der Verantwortung für den Beginn des Zweiten Weltkrieges bewusst wären. Die Überwindung der Barriere zwischen den beiden Gesellschaften ist ein langwieriger Prozess, der immer noch im Gange ist. Die Verankerung der Nachkriegsgeschichte des Lagers durch die deutschen Gefangenen erfuhr aber Einwände durch polnische Häftlinge. Es sei noch betont, dass trotz der Streitigkeiten und Diskussionen die Beseitigung des historischen Bewusstseins bei den Deutschen und bei den Polen sowie die Beseitigung der Kenntnis des Lagers während des Krieges und nach dem Krieg nicht möglich ist. Und wenn ein gemeinsames Gedächtnis nicht in Frage kommt, möge es das Gedächtnis bleiben, das auf gegenseitigem Respekt basiert. Das Problem des Andenkens an das Lager Potulice muss auf dem geschichtlichen Bewusstsein der Polen und Deutschen aufbauen. Wenn es die gemeinsame Geschichte nicht sein kann, kann es wenigstens ein gemeinsames Bewusstsein sein. Der schon erwähnte Gustav Bekker wurde im Jahre 1936 in Wiktoryn/ Ostkujawien geboren, wo er mit seiner Familie bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges lebte. Mit seiner Mutter war er im Potulicer Lager interniert worden und blieb dort zwischen den Jahren 1946–1948 inhaftiert. Von da aus kam er in die Sowjetische Besatzungszone in Deutschland. Er studierte Medizin an der Universität Göttingen und an der Freien Universität in Berlin. Er ist ausge-
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bildeter Arzt, Doktor der Medizin, Gründer der „Initiativgruppe Zentrales Arbeitslager Potulice e. V.“ und setzt sich für deutsch-polnische Versöhnung ein. In Potulice bemüht er sich zusammen mit Stanisław Gapiński um die deutschpolnische Versöhnung einer deutsch-polnischen Gefangenen-Gruppe des Lagers. Sie haben zusammen zum ersten Mal nach polnischem Maßstab eine deutsch-polnische Versöhnung in Nieszawa nad Wisłą/Nessau an der Weichsel durchgeführt (August 2004). Dies ist gleichsam ein Denkmal der polnischen und deutschen Opfer, ein Denkmal des Zweiten Weltkrieges. Für seinen Beitrag zur deutsch-polnischen Vereinbarung wurden ihm polnische und deutsche Medaillen verliehen. Das Problem des Andenkens an das Potulitzer Lager wurde von Dr. Gustav Bekker und mir in einem Buch dargestellt: Wspólna czy podzielona pamięć. Obóz Potulitz/Lebrechtsdorf/Potulice w latach II wojny światowej i jego powojenne losy” Bydgoszcz 2007 / Gemeinsame oder geteilte Erinnerung? Das Lager Potulitz/Lebrechtsdorf/Potulice im Zweiten Weltkrieg und danach 1941– 1945 / 1945–1949 (Bydgoszcz 2007).
VII. Witold Pilecki Die Kenntnisse der Deutschen und Polen voneinander enthält trotz der sich ständig entwickelnden Forschungen Lücken. Dies belegt etwa das Schicksal von Witold Pilecki (1901–1948). Witold Pilecki war ein großer Bürger der Zweiten Polnischen Republik, ein polnischer Armee-Offizier, ein Teilnehmer der September-Kampagne von 1939, ein Gefangener des KZ in Auschwitz, ein Soldat der Heimatarmee (Armia Krajowa), ein Teilnehmer am Warschauer Aufstand von 1944, ein Kriegsgefangener, der von den Staatsbeamten des Sicherheitsdienstes im Nachkriegspolen getötet wurde, ein Held der beiden Nazi- und Sowjettotalitarismen. An dieser Stelle ist es angemessen, seine Biographie näher zu bringen. Witold Pilecki wurde am 13. Mai 1901 in Ołoniec/Olonez im nördlichen Teil des Imperiums des zaristischen Russland geboren. Die Familie Pilecki stammt aber aus Nowogródczyzna. Wegen der Beteiligung am Januaraufstand von 1863 wurde das ganze Vermögen der Familie beschlagnahmt. Auf der Suche nach Lebensmitteln gelangten sie nach Olonez in Karelien in der Nähe der Grenze zu Finnland. Witold war eines von fünf Kindern von Julian und Ludwika Pilecka. Aus Angst vor der Russifizierung vereinbarte die Familie Pileccy, dass die Kinder mit der Mutter nach Wilna im heutigen Litauen ziehen, wo Witold Pilecki seine Handelsschule abschloss und der geheimen PfadfinderGruppe beitrat. Als junger Mann schloss er sich der polnischen militärischen Organisation an. Im Jahre 1918 kämpfte er in den polnischen Selbstverteidigungseinheiten in Wilna und für die Befreiung von der deutschen Besatzung und schließlich verteidigte er die Stadt vom Bolschewismus.
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Im Jahre 1919 trat Witold Pilecki in die Kavallerie-Einheit Wilnaer Selbstverteidigungseinheiten ein, die zu einer selbstständigen Formation wurde. Aus dieser Zeit datiert sein kavallerisches, ulanisches Heldengedicht. Nach der Demobilisierung begann er das Joachim Lelewel Gymnasium in Wilna zu besuchen. Er war in der 8. Wilner Pfadfinder Gruppe aktiv. Die Zeit des Friedens dauerte nicht lange. Angesichts der sowjetischen Bedrohung schloss sich Pilecki wieder der Armee an. Er kämpfte bei der Verteidigung unter anderem von Grodno/Hrodno. Seine Kavallerieeinheit bewährte sich in der historischen Schlacht an der Weichsel und auch in Płock/Plock und Mława/Mielau. In den Zeiten des Zweiten Polnischen Republik begann Witold Pilecki, der fließend Französisch, Russisch und Deutsch sprach, das Studium an der Stephan-Bathory-Universität in Vilnius. Die schlechte finanzielle Lage zwang ihn aber zum Abbruch des Studiums. Dann nahm er auf verschiedenen Gebieten die Arbeit auf, etwa als Gerichtssekretär. Nach der Übernahme des elterlichen Guts in Sukurczach beschäftigte er sich mit dessen Verwaltung und Modernisierung. Das Militär konnte er aber nicht aus dem Gedächtnis löschen. Von besonderem Interesse war für ihn die Kavallerie. Jedes Jahr nahm er an den von der Kavallerie-Ausbildungsschule in Graudenz (Centrum Wyszkolenia Kawalerii w Grudziądzu) geführten Reserveübungen teil. 1926 wurde er im Rang eines Kavallerie-Fähnrichs demobilisiert. Witold Pilecki engagierte sich sehr für soziale Angelegenheiten, er war Chef der Freiwilligen Feuerwehr und gründete einen landwirtschaftlichen Kreis. In seiner Freizeit malte er und schrieb Gedichte. 1937 wurde ihm für Zivilverdienste das Silberne Verdienstkreuz der Republik Polen verliehen. Am 7. April 1931 heiratete er Maria Ostrowska. 1932 wurde sein Sohn Andrzej geboren, 1933 seine Tochter Zofia. Kurz vor dem Ausbruch des Zweiten Weltkrieges wurde er zur Kavallerie-Kolonne der 19. Infanterie-Division eingezogen. Während der September-Kampagne führte er als Leutnant u. a. den Schwadron der Kavallerie Ulanen aus Lida. Im Oktober 1939 kam er nach Warschau herüber, wo er sich mit seinem Kommandanten Jan Włodarkiewicz traf. Die beiden Männer gründeten angesichts der Hitlerokkupation eine der ersten konspirativen Organisationen in Polen, die „Geheime Polnische Armee“ (Tajna Armia Polska), die später in die Heimatarmee (Armia Krajowa) integriert wurde. Im besetzten Warschau versteckte sich Witold Pilecki unter dem falschen Namen Tomasz Serafiński. Angesichts des Nazi Terrors, der Besatzungsmacht, der Razzien von Polen und der Deportation in die Lager, insbesondere in das Konzentrationslager Auschwitz, erregte Witold Pilecki im Sommer 1940 nach Absprache mit seinen Vorgesetzten mit dem Plan Aufsehen, freiwillig ins KZ Auschwitz geschmuggelt zu werden. Im KZ Auschwitz wollte er ein Konspirationsnetz schaffen, die unterirdischen Verbindungen zwischen den polnischen Insassen des Lagers und dem polnischen Untergrundstaat knüpfen und die inneren, geheimen Informationen über das Lager und dort verübte Gräueltaten sammeln. Die freiwillige
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Missionsanmeldung in der Hölle des Konzentrationslagers Auschwitz war ungewöhnlich, ein Beispiel für eine einmalige Heldentat. Pilecki sieht seine Tat in der Kategorie der Soldatenpflichten. Er lässt sich während der Razzien in Żoliborz am 19. September 1940 ergreifen. Nach Auschwitz kam er in der Nacht von 21. auf 22. September 1940 unter dem falschen Namen Tomasz Serafiński. Es wurde ihm die zugewiesene Häftlingsnummer 4859 tätowiert. Im Konzentrationslager Auschwitz hatte Witold Pilecki mit dem Tod, einer unermesslichen menschlichen Tragödie, der Verfolgung, der Folter und mit dem Hunger zu tun. Trotz alledem schickte er im Oktober 1940 den ersten Bericht aus dem Lager, der aus dem besetzten Polen nach London gekommen war. Im Lager organisierte er das Konspirationsnest „Union militärischer Organisation” (Związek Organizacji Wojskowej), das regulär die Berichte an die Polnische Heimatarmee schickte. Dank dieser Berichte, die an die polnische Exil-Regierung geschickt wurden und ins Deutsche, Englische und Französische übersetzt wurden, sollte die Welt Auskunft über Gräueltaten der Nazis und ihrer Politik gegenüber den eroberten Staaten und Nationen bekommen. Witold Pilecki wollte als Augenzeuge die Wahrheit über Auschwitz weitergeben. Deswegen entschied er sich zur Flucht aus dem Lager vom 26. auf 27. April 1943. Er war in Auschwitz 945 Tage und Nächte. Im Lager schlug man seine Zähne aus und brach ihn das Brustbein – das war der Preis des Heldentums. Als er wieder im besetzten Warschau war, legte er in Sorge und Angst um ehemalige Lagerinsassen der Heimatarmee einen Plan zum bewaffneten Einsatz der Gefangenenbefreiung vor. Der Plan wurde nicht akzeptiert. Für seine Heldentat stieg er aber zum Hauptmann der Kavallerie auf. Pilecki war im besetzten Warschau in der Konspiration sehr aktiv. Während des Warschauer Aufstands kämpfte er in der Chrobry-II-Gruppe. Er war auch der Führer des „Witold Redoute“. Nach dem Zusammenbruch des Aufstands in den Lagern in Ozarow und Lamsdorf befand er sich in einem Offizierslager in Murnau, wo er den Rest des Krieges verbrachte. Aus dem Offizierslager reiste er nach Italien und schloss sich dem Zweiten Polnischen Corpus an. Nach Gesprächen mit General Wladyslaw Anders beschloss er nach Polen zurückzukehren. Er hatte die Aufgabe, ein Konspirationsnest zu bilden mit der Hauptaufgabe, verschiedene Informationen über die Situation in Polen zu sammeln. Am 8. Dezember 1945 kam Witold Pilecki wieder nach Warschau zurück. Dank seiner organisatorischen Fähigkeiten baute er ein Netz von Mitarbeitern auf. Er sammelte und übermittelte Informationen über die Nötigung der Polen, über Tätigkeiten der sowjetischen Terror-Operationen des Innenministeriums und über die polnischen Behörden der öffentlichen Sicherheit.
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Pilecki setzte seine Tätigkeit ohne Rücksicht auf die Androhung von Verhaftung fort. Er wurde am 8. Mai 1947 von Beamten des polnischen Sicherheitsdienstes verhaftet und grausamen Verhören unterzogen. Vom Ausmaß der Folter zeugen die zu seiner Frau während des Besuchs im Gefängnis gesprochenen Worte: „Auschwitz war eine Kleinigkeit.“ Es fand ein Schauprozess statt, bei dem Witold Pilecki zum Tode verurteilt wurde. Das Urteil wurde am 25. Mai 1948 vollstreckt. Bis heute ist nicht bekannt, wo der Leichnam beigesetzt wurde. In Polen der Nachkriegszeit hatten die Kommunisten absichtlich versucht, den guten Namen, die Ehre und Anerkennung von Witold Pilecki zu tilgen. Erst nach dem Zusammenbruch des kommunistischen Systems in den Ländern Mittel- und Osteuropa, darunter in Polen, begann man die Erinnerung an diesen heldenhaften Rittmeister wiederherzustellen. Im Jahre 1990 wurde die rechtswidrige Verurteilung von 1948 aufgehoben. Im Jahre 1995 wurde ihm als „einzigen bekannten freiwilligen Gefangenen im deutschen Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau“ der Orden Polnia Restituta verliehen und im Jahre 2006 der Orden des Weißen Adlers. Rittmeister Witold Pilecki wurde zum Symbol der polnischen und europäischen Opfer beider totalitären Regime: des Nationalsozialismus und der sowjetischen und kommunistischen Gesetzlosigkeit. Er verkörperte dazu die prächtigsten Tugenden der Zweiten Polnischen Republik wie Liebe zum Vaterland, Gerechtigkeit, Ehre und Achtung der Menschenrechte. Seinem Lebensmotto: „Gott, Ehre, Vaterland“ war er bis zum Ende seines Lebens treu5.
VIII. Die Notwendigkeit weiterer wissenschaftlicher Forschungstätigkeiten. Herausforderungen Die Minderheitenforschungen nahmen nach dem Sturz des Kommunismus in Polen und in Mittel- und Osteuropa eine rasche Entwicklung. Besonders in den Grenzregionen, nämlich im deutsch-polnischen Pomorze Zachodnie/Pommern, Śląsk/Schlesien, Mazury/Masuren richtete man die Aufmerksamkeit auf den historischen Aspekt des Schicksals deutscher Minderheiten, woraus viele neue Publikationen und Veröffentlichungen resultierten6. ___________ 5 Wolni i zniewoleni. Rtm. Witold Pilecki i inni więźniowie KL Auschwitz wobec nowej rzeczywistości powojennej, Pod red. W. Stankowskiego, Oświęcim 2010 (Publikacja nr 10 Państwowej Wyższej Szkoły Zawodowej im. rtm. Witolda Pileckiego w Oświęcimiu). 6 P. Madajczyk, Przyłączenie Śląska opolskiego do Polski 1945–1948, Warszawa 1996; tegoż, Niemcy polscy 1944–1989, Warszawa 2001; D. Matelski, Mniejszość niemiecka w Wielkopolsce w latach 1919-1939, Wydawnictwo Naukowe UAM Poznań 1997.
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Der Geschichte der Deutschen in Polen ist das Buch mit dem Titel gewidmet: Die Deutschen in Polen im zwanzigsten Jahrhundert von Professor Dariusz Matelski von der Adam Mickiewicz Universität in Poznań/Posen. Als äußerst erwähnenswert gilt hier eine bedeutende Veröffentlichung von Professor Albert Kotowski von der Universität in Bydgoszcz. Professor Kotowski und Professor Przemyslaw Hauserm, Historiker aus Posen, beschäftigen sich seit Jahren mit den Fragen der nationalen Politik gegenüber der deutschen Minderheit in der Zwischenkriegszeit. Das Schicksal der Deutschen in Pommern/Pommerellen während des Zweiten Weltkrieges und nach dem Krieg betrifft ein von mir veröffentlichtes Buch mit dem Titel: Deutsche in Pommerellen und Kujavien 1944/1945–1950. Flucht, Alltagsleben, Aussiedlung/Niemcy na Pomorzu Gdańskim i Kujawach w latach 1944/45–1950. Ucieczka, życie codzienne, wysiedlenie (Bydgoszcz 2000). Besonders große Verdienste in der deutschen Minderheitsforschung erwarb das West-Institut in Posen. Zu danken hat man ferner Professor Włodzimierz Jastrzębski. Dank seiner Bemühungen wurden die Untersuchungen und Diskussionen zum Thema: Ereignisse in Bydgoszcz vom 3. September1939 eingeleitet7. Von großer Bedeutung ist es, die Geschichte der Minderheiten nicht nur aus historischer Perspektive zu untersuchen, sondern ihre derzeitige Identität näher zu bringen. Es geht hier nicht nur um die deutsche Minderheit, sondern auch um andere Minderheiten. Allerdings sind leider viele bedeutende polnische Historiker, die auf diesem Gebiet arbeiten, nicht in Deutschland bekannt. Daher gibt es auch keinen vollständigen Informationsfluss trotz moderner Kommunikationsmittel. An dieser Stelle sei Professor Zygmunt Woźniczka von der Schlesischen Universität erwähnt, wahrscheinlich einer der erfolgreichsten Forscher der schlesischen Geschichte. Er forscht über die Geschichte Schlesiens. Kürzlich veröffentlichte er ein Buch mit dem Titel: Repression in Oberschlesien nach 1945. Er gab eine sehr große Anzahl von interessanten Veröffentlichungen heraus, besonders über die Zeiten des Zweiten Weltkriegs.8 An der Schlesischen Universität ist auch Professor Ryszard Kaczmarek tätig, der ein Buch über Polen in der Wehrmacht herausgab. Derzeit, an der Wende des zwanzigsten zum einundzwanzigsten Jahrhundert, ist die Forschung über die Identitäten der Minderheiten von großem Belang. Vor kurzer Zeit wurden auch interessante Publikationen über das bisher unerforschte Problem der Jüdischen Spuren in der Kaschubei verlegt. Dieses Problem war bisher im Allgemeinen unbekannt. Inte___________ 7
W. Jastrzębski, Mniejszość niemiecka w Polsce we wrześniu 1939 roku/Die deutsche Minderheit in Polen im September 1939, Wydawnictwo Adam Marszałek Toruń 2010. 8 Z. Woźniczka, Represje na Górnym Śląsku po 1945 roku, Wydawnictwo Śląsk Katowice 2010.
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ressant sind zwei Publikationen: Jüdische Spuren in der Kaschubei und Meine Wahren Erlebnisse (2005). Auch junge Forscher wie etwa Frau Edyta Zyla beschäftigen sich mit der deutschen Minderheitsproblematik. Meine Forschungsarbeiten konzentrieren sich auf das Gebiet des Teschner Schlesiens. Viele Nationen wie Deutsche, Polen und Tschechen, ferner Protestanten, Juden und Katholiken prägten im gemeinsamen Zusammenleben diese historische Region. Die Gestalt des Redakteurs Jakob Reichmann erregte mein besonderes Interesse. Ich finde es bedauerlich, dass solche Persönlichkeiten in Vergessenheit geraten. Als Bewohner des Teschner Gebietes fühle ich mich verpflichtet, die Erinnerung an das Leben und die Verdienste derartiger Menschen zu bewahren. Jakob Reichmann lebte Anfang des 20. Jahrhunderts in Teschen, war ein deutscher Jude, welchem neun lokale Zeitungen gehörten: Aus dem Zeitschriftenverzeichnis Pilchs9 und Gröschels10 geht hervor, dass er unter anderem folgende Zeitungen herausgab: „Teschner Kreisblatt“, „Neue Schlesische Zeitung“, „Abendblatt. Neue Schlesische Zeitung“, „Kleine Morgenpost. Neue Schlesische Zeitung“, „Schlesisches Tagblatt“ und „Teschner Zeitung“. Die Zeitungen zu Reichmanns Zeiten ermöglichten es, in einer polykonfessionellen, multinationalen, mehrsprachigen Gesellschaft, wie sie in Teschen damals bestand, die eigene Identität und das Ichbewusstsein beizubehalten. Reichmanns „Teschner Zeitung“ erschien in den Jahren 1896 bis 1934. Wie auch die Zeitung selbst, wurde der verantwortliche Redakteur und Herausgeber von gegenwärtigen Wissenschaftlern und Historikern vergessen. Nicht viel konnte man über sein Leben erfahren. Die Äußerungen in den Texten Reichmanns wiesen eine propolnische Haltung auf. Es zeigten sich aber manchmal Widersprüche, was aus der Veränderung der politischen Situation resultierte, gleichzeitig aber vermuten lässt, der Autor hätte keine feste Überzeugung. Im Grunde war er ein Gegner von gewaltigen Umwandlungen, ein lokaler Patriot, der an die wirtschaftliche Stabilität und eine gleichmäßige Entwicklung der Region glaubte. Darüber hinaus gestaltete er sein Bild in eigenen Texten, indem er ein eloquentes, hilfsbereites, jederzeit einen Rat wissendes Alter Ego kreierte. Ein durchaus andersartiges Bild, nämlich das eines gewandten Opportunisten, erscheint, wenn man die Beurteilung Reichmanns in den anderen Zeitschriften („Silesia“, „Gwiazdka Cieszyńska“) in Betracht zieht; es handelt sich grundsätzlich um diejenigen Blätter, die der „Teschner Zeitung“ und ihrem Redakteur feindlich gegenüber standen waren. Das einzige, was man feststellen kann, ist, dass Reichmann in der Stadt eine sehr aktive Person war. Abgesehen ___________ 9 Vgl. Andrzej Pilch, Czasopiśmiennictwo na Śląsku Cieszyńskim w latach 1848– 1920 In: Studia i materiały z dziejów Śląska, Kazimierz Popiołek, Band 3, S.486–492. 10 Bernhard Gröschel, Die Presse Oberschlesiens von den Anfängen bis zum Jahre 1945. Dokumentation und Striktorbeschreibung. Berlin 1993, S. 300–313.
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von seinen Arbeiten als Redakteur erteilte er auch im Einigungsamt Ratschläge, wie man richtig Vermittlungsverträge schließt.11 Aus dem Buch von Franciszek Pasz geht hervor, dass Reichmann in den Jahren 1920 bis 1939 Kommissionsmitglied der Gemeindekammer der Stadt Teschen war.12 Als orthodoxer Jude war er Vorsitzender des örtlichen Talmud-ThoraVereins. Reichmann scheute keineswegs davor zurück, seine Meinung zu heiklen Themen zu äußern und den Lesern die eigenen Ansichten als die richtigen aufzudrängen. Man kann jedoch die Gründe seiner Wirkung nicht verstehen. Es stehen praktisch keine objektiven Informationsquellen über das Leben und Wirken Reichmanns zur Verfügung, was jegliche Beurteilung verhindert. Man weiß nicht einmal, wann er geboren und gestorben ist. Anhand des „Adressenbuch der Stadt Teschen“13 kann man jedoch feststellen, dass der Firmenbesitzer von „Zeitungs-Verschleiß“ Jakob Reichmann an verschiedenen Plätzen wohnte und oft seinen Redaktionssitz wechselte. Zum ersten Mal wurde seine Firma im Jahre 1902 erwähnt. Der Verfasser – so viel steht fest – sei Sollizitator14 von Beruf. Im Allgemeinen fehlt es auf dem Gebiet des Teschner Schlesiens an Publikationen und Veröffentlichungen über das Leben der deutschen Bevölkerung, über Kontakte zwischen Deutschen, Polen und Tschechen, über die Einstellung der Deutschen zur neuen politischen Situation nach dem Untergang der Donaumonarchie und nach der Entstehung der souveränen slawischen Staaten. Man muss aber konstatieren, dass Teschen zu Beginn des 20. Jahrhunderts und Teschen hundert Jahre später im Grunde ganz verschiedene Städte sind. Das heutige Teschen, sein tschechischer und sein polnischer Teil ist eine nationalisierte Stadt, Multikulturalität existiert hier nicht mehr. Deswegen ist es so wichtig, die gemeinsame längst vergessene deutsch-polnische Vergangenheit und das Beieinanderleben der beiden Nationen in Teschen zu untersuchen. Sehr interessant sind die Forschungen von Aleksandra Kmak-Pamirska. Als Doktorandin der Jagiellonen Universität wurde sie Autorin einer sehr wichtigen Publikation unter dem Titel; „Religion im Dritten Reich“15. Zurzeit untersucht sie die Wahrnehmung des Danziger Bischofs Carl Maria Splett in der polnischen und deutschen Gesellschaft. ___________ 11
„Dziennik Cieszyński“ 24.11.1929, Jahrgang 24, Nr 107, S. 3. Franciszek Pasz, Żydzi i my w Cieszynie, Cieszyn 1995, S. 40. 13 Adressen-Buch der Stadt Teschen: 1874, 1877, 1886, 1894, 1898, 1900, 1902, 1905, 1906, 1908, 1909, 1911, 1913, 1914, 1926, 1931. 14 Nach: Duden Fremdwörterbuch: Sollizitator (österreichisch, veraltet): Gehilfe eines Rechtsanwalts. 15 A. Kmak-Pamirska, Religia w czasach Trzeciej Rzeszy/Religion in der Zeit des Dritten Reiches, Wydawnictwo Adam Marszałek Toruń 2010. 12
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Nach wie vor ist der Assimilationsprozess der deutschen Vertriebenen in der deutschen Nachkriegsgesellschaft im Bewusstsein der Polen wenig präsent. Die Mehrheit ist der Ansicht, dass die Ostdeutschen von ihren Landsleuten im Landinneren mit offenen Armen aufgenommen worden seien. Es ist sehr wichtig, die Forschungen über den deutsch-polnischen Nachlass der Städte und Regionen fortzusetzen und bestimmte Personen vorzustellen, die die deutsch-polnische Aussöhnung beeinflussten, wie etwa Hugo Rasmus aus Marburg an der Lahn und viele andere aus der sogenannten Heimat der deutschen Vertriebenen. Die Bindung an ihre Heimat hat zu vielen Städtepartnerschaften geführt, was bisher in der Literatur nicht ausreichend gewürdigt wurde. Wie ich schon erwähnte, fehlt es weiterhin in den deutsch-polnischen Beziehungen und Forschungen an einem besseren Verständnis füreinander. Diese Bemerkung gilt sowohl für Polen als auch für Deutsche. Die Wahrnehmung der älteren Generation der Polen und Deutschen unterscheidet sich erheblich von der der jüngeren Generationen. Jedoch sind die letzten Umfragen befriedigend. Eine CBOS Umfrage für die „Rzeczpospolita“-Zeitung ergab, dass jeder fünfte Pole der Meinung ist, keinen Feind zu haben. Der Artikel wurde unter dem Titel: „Wir haben keine Angst (mehr) vor den Deutschen“ veröffentlicht. Das Bild der Deutschen in der polnischen Gesellschaft veränderte sich aber um das Jahr 1990. Noch im Jahre 1990 sahen 88 % der Polen eine mögliche Bedrohung von der deutschen Seite, im Jahre 2006 waren es nur noch 23 % und im Jahre 2010 ist die Zahl auf 14 % gesunken. Ich vertrete die Meinung, dass in den deutsch-polnischen Beziehungen die Offenheit und der wahre Sachverhalt von großer Wichtigkeit sind. Genauso wie am Anfang der 90er Jahre des zwanzigsten Jahrhunderts Jan Józef Lipski, ein Publizist, der sich um den polnisch-deutschen Dialog sehr bemühte, ständig wiederholte: „Wir müssen uns alles sagen“16. * * *
___________ 16 J. J. Lipski, Powiedzieć sobie wszystko.... Eseje o sąsiedztwie polsko-niemieckim. Teksty wybrał i wstępem opatrzył Georg Ziegler/ Essays zur deutsch-polnischen Nachbarschaft. Herausgegeben und mit einem Vorwort versehen von Georg Ziegler, Wydawnictwo Polsko-Niemieckie/Deutsch-Polnischer Verlag Warszawa 1996.
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Abstract Witold Stankowski: Progress and barriers in the study of the common history of the Poles and the Germans. In: 20 years of German-Polish Neighbourship Treaty – Samples from realpolitik of continuing transnational understanding, ed. by Gilbert H. Gornig, Hans-Detlef Horn and Hans-Günther Parplies (Berlin 2013), pp. 45–65. Article presents historical conditions and difficulties along with challenges which the Polish-German reconciliation agreement will have to face. The authors emphasize that until now, there was always a lack in the Polish-German relations, of a better mutual understanding. The current state of Polish knowledge, about expulsions of Germans from Poland has been described with great detail. The article contains a detailed biography, as well as a description of the most groundbreaking and important publications on the fate of the Germans in Poland after 1945. Possible research issues and the current level of State knowledge are mentioned in the text. The end of the article contains a very clear expression of the need for intensive further research, and all the main challenges researchers will be forced to face nowadays.
Rechtswissenschaftliche Betrachtung der aus dem Nachbarschaftsvertrag erwachsenen Regelungen zum Minderheitenrecht und zur Pflege des kulturellen Erbes Von Gilbert H. Gornig
I. Inhalt des deutsch-polnischen Nachbarschaftsvertrags 1. Abschluss Der deutsch-polnische Nachbarschaftsvertrag (amtlich: Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Polen über gute Nachbarschaft und freundschaftliche Zusammenarbeit, polnisch: Traktat między Rzeczpospolitą Polską a Republiką Federalną Niemiec o dobrym sąsiedztwie i przyjaznej współpracy z 17.06.1991 r.) wurde am 17. Juni 1991 in Bonn von Bundeskanzler Helmut Kohl, dem deutschen Außenminister Hans Dietrich Genscher sowie dem Ministerpräsidenten Jan Krzysztof Bielecki und dem Außenminister Krzysztof Skubiszewski unterzeichnet. Er ergänzt den im Herbst 1990 ausgehandelten deutsch-polnischen Grenzvertrag, der eine der Vorbedingungen seitens der Alliierten für die deutsche Wiedervereinigung war. Beide Verträge wurden Ende 1991 von den Parlamenten ratifiziert und traten am 16. Januar 1992 in Kraft.
2. Inhalt a) Verpflichtung der Beachtung allgemeiner völkerrechtlicher Prinzipien Die Vertragsparteien bekennen sich bei der Gestaltung ihrer Beziehungen und in Fragen des Friedens, der Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa und in der Welt insbesondere zum obersten Ziel ihrer Politik, den Frieden zu wahren und zu festigen und jede Art von Krieg zuverlässig zu verhindern.1 Sie bekräftigen das Recht aller Völker und Staaten, ihr Schicksal frei und ohne äußere Einmischung zu bestimmen und ihre politische, wirtschaftliche, soziale und kulturelle Entwicklung nach eigenen Wünschen zu gestalten.2 Sie stellen den ___________ 1 2
Art. 2 Abs. 1 Deutsch-polnischer Nachbarschaftsvertrag. Art. 2 Abs. 2 Deutsch-polnischer Nachbarschaftsvertrag.
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Menschen mit seiner Würde und mit seinen Rechten, die Sorge für das Überleben der Menschheit und die Erhaltung der natürlichen Umwelt in den Mittelpunkt ihrer Politik.3 Sie verurteilen klar und unmissverständlich Totalitarismus, Rassenhass und Hass zwischen Volksgruppen, Antisemitismus, Fremdenhass und Diskriminierung irgendeines Menschen sowie die Verfolgung aus religiösen und ideologischen Gründen.4 Sie betrachten Minderheiten und gleichgestellte Gruppen als natürliche Brücken zwischen dem deutschen und dem polnischen Volk und sind zuversichtlich, dass diese Minderheiten und Gruppen einen wertvollen Beitrag zum Leben ihrer Gesellschaften leisten.5 Sie bekräftigen die unmittelbare Geltung der allgemeinen Regeln des Völkerrechts im innerstaatlichen Recht und in den internationalen Beziehungen und sind entschlossen, ihre vertraglichen Verpflichtungen gewissenhaft zu erfüllen.6 Die Vertragsparteien bekräftigen, dass sie sich der Drohung mit oder Anwendung von Gewalt enthalten werden, die gegen die territoriale Integrität oder die politische Unabhängigkeit der jeweils anderen Vertragspartei gerichtet oder auf irgendeine andere Art und Weise mit den Zielen und Prinzipien der Charta der Vereinten Nationen oder mit der Schlussakte von Helsinki unvereinbar ist.7 b) Minderheitenschutz Art. 20 des Nachbarschaftsvertrages widmet sich den Minderheiten: Die Angehörigen der deutschen Minderheit in der Republik Polen, das heißt Personen polnischer Staatsangehörigkeit, die deutscher Abstammung sind oder die sich zur deutschen Sprache, Kultur oder Tradition bekennen, sowie Personen deutscher Staatsangehörigkeit in der Bundesrepublik Deutschland, die polnischer Abstammung sind oder die sich zur polnischen Sprache, Kultur oder Tradition bekennen, haben das Recht, einzeln oder in Gemeinschaft mit anderen Mitgliedern ihrer Gruppe ihre ethnische, kulturelle, sprachliche und religiöse Identität frei zum Ausdruck zu bringen, zu bewahren und weiterzuentwickeln, frei von jeglichen Versuchen, gegen ihren Willen assimiliert zu werden. Sie haben das Recht, ihre Menschenrechte und Grundfreiheiten ohne jegliche Diskriminierung und in voller Gleichheit vor dem Gesetz voll und wirksam auszuüben.8 ___________ 3
Art. 2 Abs. 3 Deutsch-polnischer Nachbarschaftsvertrag. Art. 2 Abs. 4 Deutsch-polnischer Nachbarschaftsvertrag. 5 Art. 2 Abs. 5 Deutsch-polnischer Nachbarschaftsvertrag. 6 Art. 2 Abs. 6 Deutsch-polnischer Nachbarschaftsvertrag. 7 Art. 5 Abs. 1 Deutsch-polnischer Nachbarschaftsvertrag. 8 Art. 20 Abs. 1 Deutsch-polnischer Nachbarschaftsvertrag. Nach Absatz 2 verwirklichen die Vertragsparteien die Rechte und Verpflichtungen des internationalen Standards für Minderheiten, insbesondere gemäß der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen vom 10.12.1948, der Europäischen Konvention vom 04.11.1950 4
Die aus dem Nachbarschaftsvertrag erwachsenen Regelungen
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Die Vertragsparteien erklären, dass die in Art. 20 Abs. 1 genannten Personen insbesondere das Recht haben, einzeln oder in Gemeinschaft mit anderen Mitgliedern ihrer Gruppe –
sich privat und in der Öffentlichkeit ihrer Muttersprache frei zu bedienen, in ihr Informationen zu verbreiten und auszutauschen und dazu Zugang zu haben,
–
ihre eigenen Bildungs-, Kultur- und Religionseinrichtungen, -organisationen oder -vereinigungen zu gründen und zu unterhalten, die um freiwillige Beiträge finanzieller und anderer Art sowie öffentliche Unterstützung im Einklang mit den nationalen Rechtsvorschriften ersuchen können und gleichberechtigten Zugang zu Medien ihrer Region haben,
–
sich zu ihrer Religion zu bekennen und diese auszuüben, einschließlich des Erwerbs und Besitzes sowie der Verwendung religiösen Materials, und den Religionsunterricht in ihrer Muttersprache abzuhalten,
–
untereinander ungehinderte Kontakte innerhalb des Landes sowie Kontakte über Grenzen hinweg mit Bürgern anderer Staaten herzustellen und zu pflegen, mit denen sie eine gemeinsame ethnische und nationale Herkunft, ein gemeinsames kulturelles Erbe oder religiöses Bekenntnis teilen,
–
ihre Vor- und Familiennamen in der Form der Muttersprache zu führen,
–
Organisationen und Vereinigungen in ihrem Land einzurichten und zu unterhalten und in internationalen nichtstaatlichen Organisationen mitzuwirken,
–
sich wie jedermann wirksamer Rechtsmittel zur Verwirklichung ihrer Rechte im Einklang mit den nationalen Rechtsvorschriften zu bedienen.9
Die Vertragsparteien bekräftigen, dass die Zugehörigkeit zu den in Absatz 1 genannten Gruppen Angelegenheit der persönlichen Entscheidung eines Menschen ist, die für ihn keinen Nachteil mit sich bringen darf10. Die Vertragspar___________ zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten, des Internationalen Übereinkommens vom 07.03.1966 zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung, des Internationalen Pakts vom 16.12.1966 über bürgerliche und politische Rechte, der Schlussakte von Helsinki vom 01.08.1975, des Dokuments des Kopenhagener Treffens über menschliche Dimension der KSZE vom 29.06.1990 sowie der Charta von Paris für ein neues Europa vom 21.11.1990. 9 Art. 20 Abs. 3 Deutsch-polnischer Nachbarschaftsvertrag. 10 Art. 20 Abs. 4 Deutsch-polnischer Nachbarschaftsvertrag.
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teien werden gemäß Art. 21 Abs. 1 die ethnische, kulturelle, sprachliche und religiöse Identität der in Art. 20 Abs. 1 genannten Gruppen auf ihrem Hoheitsgebiet schützen und Bedingungen für die Förderung dieser Identität schaffen. Sie erkennen die besondere Bedeutung einer verstärkten konstruktiven Zusammenarbeit in diesem Bereich an. Diese soll das friedliche Zusammenleben und die gute Nachbarschaft des deutschen und des polnischen Volkes verstärken und zur Verständigung und Versöhnung zwischen ihnen beitragen.11 Die Vertragspartner werden insbesondere im Rahmen der geltenden Gesetze –
einander Förderungsmaßnahmen zugunsten der Angehörigen der in Art. 20 Absatz 1 genannten Gruppen oder ihrer Organisationen ermöglichen und erleichtern,
–
sich bemühen, den Angehörigen der in Artikel 20 Absatz 1 genannten Gruppen, ungeachtet der Notwendigkeit, die offizielle Sprache des betreffenden Staates zu erlernen, in Einklang mit den anwendbaren nationalen Rechtsvorschriften entsprechende Möglichkeiten für den Unterricht ihrer Muttersprache oder in ihrer Muttersprache in öffentlichen Bildungseinrichtungen sowie, wo immer dies möglich und notwendig ist, für deren Gebrauch bei Behörden zu gewährleisten,
–
im Zusammenhang mit dem Unterricht von Geschichte und Kultur in Bildungseinrichtungen die Geschichte und Kultur der in Artikel 20 Absatz 1 genannten Gruppen berücksichtigen,
–
das Recht der Angehörigen der in Artikel 20 Absatz 1 genannten Gruppen achten, wirksam an öffentlichen Angelegenheiten teilzunehmen, einschließlich der Mitwirkung in Angelegenheiten betreffend den Schutz und die Förderung ihrer Identität,
–
diesbezüglich die notwendigen Maßnahmen ergreifen, und zwar nach entsprechenden Konsultationen im Einklang mit den Entscheidungsverfahren des jeweiligen Staates, wobei diese Konsultationen Kontakte mit Organisationen oder Vereinigungen der in Artikel 20 Absatz 1 genannten Gruppen einschließen.12
Da in Art. 20 Abs. 3 von „öffentlicher Unterstützung“, also staatlicher Hilfe für polnische Kultur- und Bildungsarbeit und Pflege der Muttersprache in Deutschland im Vertrag die Rede ist, verpflichtete sich Warschau umgekehrt dazu, mit den Deutschen in Polen genauso zu verfahren.
___________ 11 12
Art. 21 Abs. 1 Deutsch-polnischer Nachbarschaftsvertrag. Art. 21 Abs. 2 Deutsch-polnischer Nachbarschaftsvertrag.
Die aus dem Nachbarschaftsvertrag erwachsenen Regelungen
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c) Kultur Neben den Bestimmungen der Art. 23 über den Kulturaustausch, Art. 24 über die Errichtung und die Tätigkeit von Kulturinstituten und Art. 25 über den umfassenden Zugang zur Sprache und Kultur des anderen Landes widmet sich besonders Art. 28 der Kultur: Die Vertragsparteien werden bei der Erhaltung und Pflege des europäischen kulturellen Erbes zusammenarbeiten. Sie werden sich für die Denkmalpflege einsetzen.13 Die Vertragsparteien werden sich der auf ihrem Gebiet befindlichen Orte und Kulturgüter, die von geschichtlichen Ereignissen sowie kulturellen und wissenschaftlichen Leistungen und Traditionen der anderen Seite zeugen, besonders annehmen und zu ihnen freien und ungehinderten Zugang gewährleisten beziehungsweise sich für einen solchen Zugang einsetzen, soweit dieser nicht in staatlicher Zuständigkeit geregelt werden kann. Die genannten Orte und Kulturgüter stehen unter dem Schutz der Gesetze der jeweiligen Vertragsparteien. Die Vertragsparteien werden gemeinsame Initiativen in diesem Bereich im Geiste der Verständigung und der Versöhnung verwirklichen.14 Im gleichen Geiste sind die Vertragsparteien bestrebt, die Probleme in Zusammenhang mit Kulturgütern und Archivalien, beginnend mit Einzelfällen zu lösen.15
II. Minderheitenschutz und Kultur 1. Minderheitenschutz a) Polen in Deutschland aa) Einwanderung im 19. und in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts In der Zeit der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert wanderten viele „preußische Polen“ in das westfälische Industriegebiet. Auch wenn der Anteil der „Ruhrpolen“ die Fünf-Prozent-Marke nie überschritt, gab es in einzelnen Regionen wesentlich höhere Bevölkerungsanteile. Im Jahr 1912 betrug beispielsweise der Anteil der polnischen Bevölkerung in Habinghorst (Landkreis Dortmund) 53,2 Prozent, in Sodingen 44 Prozent. Als Folge der Zuwanderung aus den ostdeutschen Provinzen wurde die Stadt Bottrop im Ruhrgebiet aufgrund ___________ 13 14 15
Art. 28 Abs. 1 Deutsch-polnischer Nachbarschaftsvertrag. Art. 28 Abs. 2 Deutsch-polnischer Nachbarschaftsvertrag. Art. 28 Abs. 3 Deutsch-polnischer Nachbarschaftsvertrag.
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der vielen polnischen Zuwanderer auch als Klein-Warschau bezeichnet.16 Wanne trug den inoffiziellen Titel „polnische Hauptstadt Westfalens“, DuisburgHamborn hieß im Volksmund „Polen am Rhein“ und Bochum war die Heimat der polnischen Arbeiterbank, einer einflussreichen polnischen Gewerkschaft und einer polnischen Arbeiterzeitung sowie das Zentrum der Intelligenz der sogenannten Ruhrpolen.17 Viele Polen wanderten nach dem Ersten Weltkrieg weiter nach Westen in die Kohlereviere Belgiens und Frankreichs oder zurück nach Oberschlesien in den nun wieder entstandenen polnischen Staat. Andere passten sich an und verdeutschten ihren Namen, um nicht mehr als Polen aufzufallen. Gleichwohl gibt es noch viele polnische Namen in den Telefonbüchern der Städte des Ruhrgebiets und den Fußballfreunden sind immer noch aus der Zeit der 50er Jahre die Namen Erich Juskowiak und Horst Szymaniak bekannt, die für die deutsche Nationalmannschaft spielten. Als Ernst Kuzorra von Schalke 04 starb, wurde ein „deutsches“ Fußballidol und nicht ein Nachfahre polnischer Immigranten zu Grabe getragen.18 Die meisten der heute noch mit polnischen Namen ausgestatteten Familien haben keine Beziehung zu Polen, entweder, weil sie sich nie als Polen, sondern als Oberschlesier fühlten, oder als Deutsche in Oberschlesien lebten, aber einen polnischen Namen trugen, oder weil durch das lange Leben in Deutschland über Generationen hinweg die Beziehung zur Heimat der Vorvorfahren verloren gegangen ist. Es gab allerdings zunächst erhebliche Vorbehalte gegen die Neuankömmlinge aus Polen. So wurde ihr kulturelles Leben überwacht und die polnische Sprache verdrängt. Der Staat misstraute den Polen wie Staatsfeinden. Im Jahr 1909 wurde eine ausschließlich mit der Polenüberwachung beauftragte Polizeidienststelle in Bochum errichtet. Da die Polen mit niedrigeren Löhnen als die Deutschen zufrieden waren, wurden sie auf dem Arbeitsmarkt als unliebsame Konkurrenz gesehen.19 bb) Einwanderung in der Zeit des Umbruchs Etwa 300.000 Polen wanderten nach 1981, als in Warschau die Demokratiebewegung zerschlagen wurde, in die Bundesrepublik Deutschland ein und wurden nach und nach eingebürgert. Bis 1989 kamen etwa 1,3 Millionen Aussiedler in die Bundesrepublik Deutschland. Manche bekannten sich tatsächlich zum Deutschtum, doch für viele waren deutsche Vorfahren ein willkommener Vor___________ 16
Dertinger, Natalie, Als Bottrop noch Klein-Warschau hieß, in: Die Welt-Online vom 05.05.1997. 17 So Burger, Reiner, Viva Polonia, in: FAZ vom 04.06.2011, Nr. 129, S. 3. 18 So Dertinger, Natalie, Als Bottrop noch Klein-Warschau hieß, in: Die Welt-Online vom 05.05.1997. 19 So Dertinger, Natalie, Als Bottrop noch Klein-Warschau hieß, in: Die Welt-Online vom 05.05.1997.
Die aus dem Nachbarschaftsvertrag erwachsenen Regelungen
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wand und der einzige Weg, um den Ostblock legal zu verlassen. Nach dem Untergang des Kommunismus 1990 machten sich wieder Hunderttausende auf den Weg nach Deutschland.20 Seit dem Jahr 1996 stellten die Polen die meisten Zuwanderer in Deutschland. In den letzten Jahren belief sich die Zahl der zugewanderten Polen meist auf 100.000 bis 150.000. Der bisherige Rekord wurde im Jahr 2006 erreicht, als 163.643 Polen nach Deutschland einreisten. Im Jahr 2009 registrierten die Behörden 122.797 polnische Zuwanderer. Der Anteil der Polen an allen Zuwanderern betrug damit 30 Prozent. Polen sind nach den Türken schon heute die größte Zuwanderergruppe. Und mit 11.000 Studierenden sind die Polen an deutschen Hochschulen eine der größten Ausländergruppen. Viele von ihnen werden bleiben.21 Die Bundesagentur für Arbeit rechnet mit einer jährlichen Nettozuwanderung von rund 140.000 Osteuropäern; fast alle Forschungsinstitute bewegen sich innerhalb eines Korridors zwischen 100.000 und 200.000 im Jahr. Häufig wird dabei auch schlicht die Schwarzarbeit legalisiert.22 Im vergangenen Jahr arbeiteten schon 425.000 Bürger aus den acht neuen EU-Staaten, darunter 365.000 Polen, in Deutschland, schätzte das Statistische Bundesamt. Insgesamt beläuft sich die Zahl der Polen in Deutschland auf 419.000 Personen.23 Bisher hat es neun von zehn zugewanderten Polen nach Westdeutschland gezogen, da die neuen Bundesländer wegen der geringeren Löhne nur als Durchgangsregion betrachtet werden.24 ___________ 20 So http://www.welt.de/politik/deutschland/article13316448/Berliner-will-Parteifuer-Polen-in-Deutschland-gruenden.html. (01.05.2011). 21 So http://www.welt.de/politik/deutschland/article13316448/Berliner-will-Parteifuer-Polen-in-Deutschland-gruenden.html. (01.05.2011). 22 FAZ vom 29.04.2011, S. 15. 23 FAZ vom 29.04.2011, S. 15. 24 Es besteht die Befürchtung, so der Präsident des Ifo-Instituts, Hans-Werner Sinn, dass einige Zuwanderer das Sozialsystem der Bundesrepublik Deutschland weiter belasten werden. Diese Ansicht äußerte auch Thomas Straubhaar, Chef des Hamburgischen Weltwirtschaftsinstituts, FAZ vom 29.04.2011, S. 15. Das Bundesarbeitsministerium äußerte jedoch die Ansicht, dass nicht die Gefahr einer nennenswerten Mehrbelastung der sozialen Sicherungssysteme bestehe, vielmehr werde sich die volle Arbeitnehmerfreizügigkeit positiv auf die Finanzierung der Sozialsysteme auswirken, wenn Osteuropäer Beiträge in die Arbeitslosenversicherung und die Rentenkasse zahlen. Für Nichterwerbstätige ergebe sich kein Anspruch auf Sozialleistungen. Wer nach Deutschland kommt, ohne Arbeit zu finden, erhält erst nach fünf Jahren Sozialleistungen nach der Gesetzeslage. Allerdings wird nicht bestritten, dass unkontrollierte Zuwanderungen seit dem Anwerbestopp der Gastarbeiter von 1973 die Sozialsysteme erheblich belasten, von 1971 bis 2000 sei die Zahl der Ausländer von 3 Millionen auf 7,5 Millionen gestiegen, die Zahl der erwerbstätigen Ausländer stagniere aber bei 2 Millionen, so der Migrationsforscher Stephan Luft, FAZ vom 29.04.2011, S. 15. Ein Großteil der Zuwanderung erfolgt seit dem Anwerbestopp über die Familienzusammenführung oder ungeregelt zu
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cc) Organisierung der Polen in Deutschland Der 20. Jahrestag der Unterzeichnung des deutsch-polnischen Freundschaftsvertrages veranlasste Menschen in Deutschland, Personen, die „polnische Wurzeln“ haben, zusammenzuführen. Maßgebend tätig ist hier der Konvent der polnischen Organisationen in Deutschland, zu dem sich der Bund der Polen 1998 mit vier anderen Dachorganisationen der Polonier zusammenschloss.25 Gefördert werden soll vor allem die Muttersprache und die Kulturpflege, aber natürlich hat man auch den Hintergedanken, als Gruppe finanzielle Förderungen durch den deutschen Staat zu erfahren. Würden nämlich die polnisch-stämmigen Menschen in Deutschland vergleichbar wie die Deutschen in Polen finanziert, müssten sie mehrere Millionen für die institutionelle Förderung bekommen. Hinzu kämen weitere zweistellige Millionenbeträge für das Schulwesen. Auch erwartet man sicher eine Unterstützung durch die Europäische Union.26 b) Deutsche in Polen Bis zum Jahr 1990/1991 wurde die Existenz der deutschsprachigen Minderheit vom polnischen Staat geleugnet. Wegen des Verbots der deutschen Sprache und Kultur und der Diskriminierung Deutschstämmiger spielte alles Deutsche im öffentlichen Leben keine Rolle mehr. Deutschstämmige der Nachkriegsgenerationen sprachen in der Regel nicht mehr Deutsch als Muttersprache. Der Wiederaufbau der öffentlichen Tätigkeit der deutschen Minderheit nach der Wende war deswegen schwierig und wurde zu großen Teilen von Angehörigen der älteren Generation in die Hand genommen. Erst nach Abschluss des deutsch-polnischen Nachbarschaftsvertrages vom 17. Juni 1991 erhielt die Deutsche Minderheit volle Rechte nach KSZE-Standard sowie eine Vertretung im polnischen Parlament (Sejm). Laut Volkszählung aus dem Jahre 2002 bekennen sich 152.897 Einwohner Polens zur deutschen Volkszugehörigkeit. Dies entspricht einem Bevölke___________ Lasten der Sozialsysteme. Zur Zeit sind 15 % der Ausländer aktuell arbeitslos gemeldet, die Quote ist mehr als doppelt so hoch wie die der Deutschen mit 7,3 %. Von den 300.000 Einwohnern des Berliner Bezirks Neukölln haben 39 % einen Migrationshintergrund. Ihre Arbeitslosenquote liegt bei 30 %. Bei einem Jahresetat von 707 Millionen Euro zahlt Neukölln mehr als 500 Millionen Euro für Sozialleistungen. 25 Der Konvent der polnischen Organisationen in Deutschland wurde im Jahr 1998 gegründet und ist der Zusammenschluss von vier Dachorganisationen polnischer Vereine in Deutschland, nämlich: Bund der Polen „Zgoda“ in der Bundesrepublik Deutschland e.V.; Bundesverband Polnischer Rat in Deutschland e.V.; Christliches Zentrum zur Förderung der polnischen Sprache, Kultur und Tradition in Deutschland e.V.; Polnischer Kongress in Deutschland e. V. 26 So http://www.welt.de/politik/deutschland/article13316448/Berliner-will-Parteifuer-Polen-in-Deutschland-gruenden.html. (01.05.2011).
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rungsanteil von 0,38 %. Die meisten Deutschen leben in der oberschlesischen Woiwodschaft Oppeln, wo sie mit 106.855 Menschen 10,033 % der Bevölkerung ausmachen. In den übrigen Woiwodschaften liegt der Anteil der deutschen Bevölkerung zwischen 0,005 % und 0,672 %. Obwohl in Oberschlesien überwiegend Polen, Deutsche und Tschechen leben, gibt es heute wieder eine Gruppe von Oberschlesiern, die sich ausschließlich als (Ober-)Schlesier bezeichnen, was auch bei der letzten Volkszählung von 2002 zur Geltung kam. Dies ist auf die historisch stark ausgeprägte eigene Identität der Oberschlesier, den eigenen Dialekt, aber auch auf die Sanktionen durch den polnischen Staat von 1945 bis 1989 an der Bevölkerung Oberschlesiens zurückzuführen.27 Die Deutsche Botschaft in Warschau hingegen geht von rund 300.000 Bürgern deutscher Nationalität aus. Sie leben vor allem in den Woiwodschaften Oppeln und Ermland-Masuren. Darüber hinaus gebe es Deutsche in Pommern, Ostbrandenburg, Niederschlesien, Oberschlesien, Danzig, Posen, Bromberg, Thorn und Lodsch.28 Deutsche leben heute also vor allem in den Gebieten, die früher Teil des Deutschen Reiches waren. Bei der Deutschen Minderheit in Polen handelt es sich somit mehrheitlich um alteingesessene Personen, die bei statistischen Erhebungen angeben, „Deutsche“ zu sein. Das „Schlesische Wochenblatt“, die auflagestärkste Zeitung in Polen, die sich überwiegend an deutschstämmige Personen richtet, schätzt die Zahl der Deutschen allein im Oppelner Land auf ca. 200.000 Personen.29 Laut der Volkszählung in Polen von 2002 gebrauchen 204.573 Menschen in ihrem Privatleben die deutsche Sprache, davon sind 100.767 polnischer, 91.934 deutscher und 11.872 anderer Nationalität.30 Gemäß dem polnischen Minderheitengesetz von 200531 können Gemeinden ab einem Minderheitenanteil von mindestens 20 % offiziell als zweisprachig anerkannt werden und Deutsch als sog. Hilfssprache einführen. Dabei werden die Ergebnisse der polnischen Volkszählung von 2002 herangezogen, wonach 28 Gemeinden diesen Anteil von Deutschen an der Gesamtbevölkerung erreichen.32 ___________ 27
Vgl. Liste bei: http://de.wikipedia.org/wiki/Deutsche_Minderheit_in_Polen#cite _note-24. 28 http://www.warschau.diplo.de/Vertretung/warschau/de/06/02Bilaterales/Minder heit__s__D.html. 29 Wochenblatt. Zeitung der Deutschen in Polen, 2011. http://www.wochenblatt.pl/in dex.php?option=com_content&view=article&id=12&Itemid=2. 30 http://www.stat.gov.pl/cps/rde/xbcr/gus/PUBL_nsp2002_tabl9.xls. 31 Gesetz über die nationalen und ethnischen Minderheiten und über die Regionalsprache vom 06.01.2005, Dz. U. Nr. 17, Pos. 141. 32 Dies sind: Biała/Zülz, Bierawa/Birawa, Chrząstowice/Chronstau, Cisek/Czissek, Dobrodzień/Guttentag, Dobrzeń Wielki/Groß Döbern, Głogówek/Oberglogau, Kolono-
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Bis 2005 haben etwa 288.000 Bürger in Polen, insbesondere in Oberschlesien und Masuren, die Bestätigung erhalten, von Geburt an die deutsche Staatsbürgerschaft zu besitzen. Die deutsche Staatsbürgerschaft wird auf Antrag vom Bundesverwaltungsamt33 festgestellt. c) Begriff der Minderheit aa) Allgemein Die Bestimmungen in Art. 20 und 21 des Nachbarschaftsvertrages betreffen Minderheiten und es stellt sich die Frage, ob es sich bei den Polen in Deutschland und den Deutschen in Polen überhaupt um Minderheiten handelt. Da dieser Begriff weder im deutsch-polnischen Nachbarschaftsvertrag noch sonst im Völkervertragsrecht definiert ist, ist der in der Lehre vertretene Minderheitenbegriff entscheidend (Art. 38 Abs. 1 lit. d IGH-Statut). Nur dann, wenn es in Deutschland eine polnische und in Polen eine deutsche Minderheit gibt, spielen im bilateralen Verhältnis die den Minderheitenschutz betreffenden Regeln eine Rolle. Nur wenn eine Minderheit vorliegt, kann Minderheitenschutz eingefordert werden. bb) Definition Die verschiedenen nationalen Rechtsordnungen können den Begriff der Minderheit34 jeweils unterschiedlich bestimmen: Das Verständnis vom Vorliegen einer Minderheit ist von den gesellschaftlichen Prägungen eines Staates ___________ wskie/Colonnowska, Komprachcice/Comprachtschütz, Krzanowice/Kranowitz, Lasowice Wielkie/Groß Lassowitz, Leśnica/Leschnitz, Łubniany/Lugnian, Murow/Rosenberg O.S., Pawłowiczki/Pawlowitzke, Polska Cerekiew/Groß Neukirch, Popielów/ Poppelau, Prószków/Proskau, Radłów/Radlau, Reńska Wieś/Reinschdorf, Strzeleczki/ Klein Strehlitz, Tarnów Opolski/Tarnau, Turawa, Ujazd/Ujest, Walce/Walzen sowie Zębowice/Zembowitz. Bis auf Kranowitz, das der Woiwodschaft Schlesien angehört, liegen alle Gemeinden in der Woiwodschaft Oppeln. Siehe: Lista gmin wpisanych na podstawie art. 10 ustawy z dnia 6 stycznia 2005 r. o mniejszościach narodowych i etnicznych oraz o języku regionalnym (Dz. U. Nr 17, poz. 141, z późn. zm.) do Urzędowego Rejestru Gmin, w których jest używany język pomocniczy. 33 Das Bundesverwaltungsamt entscheidet über Staatsangehörigkeitsangelegenheiten von Deutschen im Ausland. 34 Vgl. zum Minderheitenbegriff: Gornig, Gilbert, Die Definition des Minderheitenbegriffs aus historisch-völkerrechtlicher Sicht, in: Blumenwitz, Dieter/Gornig, Gilbert/Murswiek, Dietrich (Hrsg.), Ein Jahrhundert Minderheiten- und Volksgruppenschutz. Staats- und völkerrechtliche Abhandlungen der Studiengruppe für Politik und Völkerrecht, Band 19, 2001, S. 19; ders., Der Begriff der Minderheit im Völkerrecht, in: IFLA. Informationsdienst für Lastenausgleich, BVFG und anderes Kriegsfolgenrecht, Vermögensrückgabe und Entschädigung nach dem Einigungsvertrag 2000, Heft 6, S. 61 ff.
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und von den spezifischen innerstaatlichen Wertvorstellungen abhängig.35 Der Minderheitenbegriff des Völkerrechts kann sich aber davon unabhängig entwickeln. Eine Minderheit stellt eine Gruppe dar, die nummerisch kleiner ist als der Rest der Bevölkerung des Staates. Dieses Begriffsmerkmal ergibt sich aus dem Wortsinn, da „Minorität“ ein „Weniger“ im Verhältnis zu einer „Majorität“, also einer Mehrheit der Bevölkerung, darstellt. Somit werden von vornherein bestimmte Gruppen nicht vom Begriff der Minderheit erfasst.36 Wenn in einem Staat mehrere Volksgruppen existieren, ändert dies nichts an diesem Befund, da alle in dem Staatsgebiet ansässigen Volksgruppen zusammen das Staatsvolk bilden und somit die nummerische Inferiorität einer Gruppe sich in ihrem Verhältnis zu allen anderen zusammen bestimmt.37 Da mit den Normen des völkerrechtlichen Minderheitenschutzes Volksgruppen und nicht sonstige Minderheiten wie Homosexuelle, Behinderte, Obdachlose, Kinder oder Senioren gemeint sind, böte sich als besserer Ausdruck der Begriff des Volksgruppenschutzes an, zumal auch Volksgruppen, die eine Mehrheit im Staate darstellen, von einer Minderheit unterdrückt werden können und daher schutzbedürftig sein können. Eine wichtige Definition des Begriffes der Minderheit stammt von Francesco Capotorti. Er bezog sich allerdings hauptsächlich auf den Minderheitenbegriff des Art. 27 IPbpR. Seine Begriffsbestimmung fand aber großen Zuspruch. Capotorti38 trifft eine Unterscheidung zwischen objektiven (1) und subjektiven (2) Komponenten des Minderheitenbegriffs, die auch hier beibehalten werden soll, allerdings mit wesentlichen Ergänzungen.
___________ 35
Im Sprachgebrauch gibt es einen sehr weiten Minderheitenbegriff: Homosexuelle, Obdachlose, Alkoholiker, Behinderte, unter Umständen auch Männer oder Frauen, Kinder oder Senioren, können als Minderheiten angesehen werden. Das Völkerrecht hat bislang diese Gruppen nicht unter den Minderheitenbegriff subsumiert. 36 Dieses Merkmal darf allerdings nicht zu Missverständnissen bei der Wahl der Vergleichsgruppen führen: Festgehalten werden muss, dass der nummerische Vergleich mit der gesamten restlichen Bevölkerung des betreffenden Staatsgebietes vorgenommen werden muss und nicht mit einer anderen Gruppe der Bevölkerung. So ist es bei der Bestimmung der nummerischen Inferiorität nicht zulässig, einen zahlenmäßigen Vergleich der einen Minderheit mit der anderen Minderheit, also etwa der Friesen mit den Dänen, anzustellen. 37 Die Gesamtheit des Staatsvolkes sind somit alle Staatsangehörigen des Staates einschließlich der Angehörigen der Gruppe, die den Minderheitenstatus beansprucht. Es spielt keine Rolle, ob das Staatsvolk ansonsten eine homogene Gruppe bildet oder sich heterogen aus mehreren Gruppen zusammensetzt. 38 Vgl. Capotorti, Francesco, Minorities, in: EPIL III (1997), S. 410 f.; ders., Die Rechte der Angehörigen von Minderheiten, in: Vereinte Nationen 1980, S. 113 ff. (118 Anm. 30).
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(1) Objektive Unterscheidungsmerkmale einer Minderheit im völkerrechtlichen Sinne Objektive Unterscheidungskriterien einer als „Minderheit“ zu bestimmenden Personengruppe sind neben der nummerischen Inferiorität − − − −
individuelle objektive Merkmale (a), die machtmäßige Unterlegenheit (b), die Staatsangehörigkeit des Wohnsitzstaates (c), Stabilität (d).
Nach einem weiteren Kriterium muss die Entstehung der Minderheit auf einen territorialbezogenen Akt des Völkerrechts (e) zurückzuführen sein. Diese objektiven Kriterien müssen kumulativ vorliegen.39 (a) Individuelle objektive Unterscheidungsmerkmale (aa) Allgemein Als erste Voraussetzung für eine spezielle Behandlung einer Bevölkerungsgruppe müssen ihr Merkmale anhaften, die sie vom Rest der Bevölkerung unterscheidet. Traditionell hatten im Völkerrecht Mitglieder einer Gruppe, die den Minderheitenstatus anstrebten, vor allem religiöse, sprachliche oder ethnische Eigenschaften aufzuweisen, durch die sie sich vom Rest der Bevölkerung abgrenzten40. Diese Abgrenzungskriterien werden mittlerweile als Unterscheidungsmerkmale einer Minderheit allgemein akzeptiert, ohne dass diese Aufzählung ein für allemal abschließend sein muss. Die Unterschiedlichkeit muss nicht alle Lebensbereiche erfassen.41 Es reicht vielmehr aus, dass sich die Minderheit in einem Aspekt von der Mehrheit unterscheidet. Diese Unterscheidbarkeit in einem Lebensbereich stellt dann das wesentliche Kriterium der Minderheit dar. (bb) Religiöses Unterscheidungsmerkmal Zu einer religiösen Minderheit gehören diejenigen Personen, die sich wegen ihres religiösen Bekenntnisses von der Mehrheit unterscheiden, wobei theistische, nicht-theistische und atheistische Überzeugungen eine Rolle spielen kön-
___________ 39 Despeux, Gilles, Die Anwendung des völkerrechtliche Minderheitenrechts in Frankreich, 1999, S. 63. 40 Capotorti (Anm. 38), in: EPIL III (1997), S. 410 f. 41 Vgl. Despeux (Anm. 39), S. 52.
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nen.42 Eine religiöse Minderheit sind weder die Polen in Deutschland noch Deutsche in Polen, da beide Völker mehrheitlich christlichen Glaubens sind. (cc) Sprachliches Unterscheidungsmerkmal Eine sprachliche Minderheit ist dadurch gekennzeichnet, dass sie sich in der Öffentlichkeit sowie im privaten Gebrauch einer Sprache bedient, die nicht von der Mehrheit der Bevölkerung gesprochen wird und damit in der Regel auch nicht die Nationalsprache ist.43 Insoweit könnten die Deutschen in Polen eine Minderheit sein, wenn sie als Muttersprache Deutsch sprechen; in der Regel sprechen sie allerdings Polnisch. Die vor einem Jahrhundert oder früher nach Deutschland eingewanderten Polen sind integriert und sprechen nicht mehr die polnische Sprache. Wenn eine vor kurzem eingewanderte polnische Familie zu Hause des besseren Verständnisses wegen Polnisch spricht, wird sie damit noch nicht zu einer Minderheit. (dd) Ethnisches Unterscheidungsmerkmal Unterscheidungsmerkmale wie Abstammung, Geschichte und Kultur, aber auch Rasse, Kasten- und Stammeszugehörigkeit bestimmen das Unterscheidungsmerkmal der ethnischen, also volksmäßigen oder volkseigentümlichen, Herkunft.44 Meist sind die sich ethnisch abhebenden Bevölkerungsteile in Folge lange zurückliegender Wanderbewegungen entstanden.45 Der Begriff „ethnisch“ hat daher vor allem historische und kulturelle Bezüge.46 Auch die religiöse und sprachliche Minderheit könnte unter die ethnische subsumiert werden, bedeutet doch ethnisch „volkseigentümlich“. Insoweit unterscheiden sich Deutsche und Polen.
___________ 42 Vgl. Blumenwitz, Dieter, Minderheiten- und Volksgruppenrecht. Aktuelle Entwicklung, 1992, S. 29; Ermacora, Felix, Der Minderheitenschutz im Rahmen der Vereinten Nationen, 1988, S. 45. 43 Blumenwitz (Anm. 42), S. 29; Ermacora (Anm. 42), S. 46. – Nach Ermacora (Anm. 42), S. 45 ff., kann als sprachliche Minderheit im Sinne des Rechts der Vereinten Nationen „eine Gruppe angesehen werden, deren Angehörige sich schriftlich und/oder mündlich, offensichtlich oder privat einer Sprache bedienen, die sich von der in einem bestimmten Gebiet gebrauchten Sprache unterscheidet, und die nicht als Nationalsprache angesehen wird; Ziel dieser Gruppe ist die Aufrechterhaltung und Pflege dieser Sprache“. 44 Blumenwitz (Anm. 42), S. 30. 45 Steiner, Ludwig, Die Entwicklung des Minderheitenschutzes im Rahmen des Europarates, in: Blumenwitz, Dieter/Gornig, Gilbert (Hrsg.), Minderheiten- und Volksgruppenrechte in Theorie und Praxis. Staats- und völkerrechtliche Abhandlungen der Studiengruppe für Politik und Völkerrecht, Bd. 12 (1993), S. 29 ff. (31). 46 Capotorti (Anm. 38), in: EPIL III, S. 410 (415).
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(ee) Weitere Minderheitenarten Die rassische Minderheit stellt eine Unterkategorie der ethnischen Minderheit dar. Die Definition der Rasse ist zwar enger gefasst als die der Ethnie, jedoch in dieser enthalten, so dass eine rassische Minderheit zwangsläufig eine ethnische ist. Auch die kulturelle Minderheit, deren spezifische Besonderheit eine von der Mehrheit unterschiedliche Kultur ist, ist ebenfalls nur eine Untergruppe, entweder der Kategorie der sprachlichen oder der ethnischen Minderheit.47 (b) Die machtmäßige Unterlegenheit der Minderheit Ferner darf sich die als Minderheit zu qualifizierende Personengruppe nicht in einer dominierenden Rolle befinden, da sie in diesem Falle nicht besonders schutzwürdig wäre.48 Unter den Begriff einer Minderheit fallen also nicht diejenigen Volksgruppen, die trotz ihrer zahlenmäßigen Unterlegenheit die Macht im Staate ausüben.49 ___________ 47 Der Begriff der nationalen Minderheit wird heute als Synonym für ethnische Minderheit verwendet. Unter dem Begriff der nationalen Minderheit wird aber auch eine Gruppe verstanden, die in einem anderen Staat das Staatsvolk stellt (vgl. Blumenwitz [Anm. 42], S. 29 f.; Klebes, Heinrich, Rahmenübereinkommen des Europarats zum Schutz nationaler Minderheiten, in: EuGRZ 1995, S. 262 ff. [263]. Ermacora [Anm. 42], S. 46) definiert die nationale Minderheit als Menschengruppe, „die neben den bereits für eine ethnische Minderheit genannten Merkmalen den Willen besitzt, als Gruppe jene Rechte wahrzunehmen, die eine Teilnahme am politischen Entscheidungsprozess entweder eines bestimmten Gebiets oder sogar auf nationaler Ebene ermöglichen, ohne dadurch anderen Ethnien in diesem Staat gleichgestellt zu sein“. In diesem Fall liegt ebenfalls nur eine Untergruppe einer religiösen, sprachlichen oder ethnischen Minderheit vor, wenn sich das dortige Staatsvolk aufgrund religiöser, sprachlicher oder ethnischer Aspekte von dem Mehrheitsvolk des Wohnsitzstaates der Minderheit unterscheidet. Liegt eine solche Unterscheidung nicht vor, handelt es sich um keine Minderheit. Aus diesem Grund können beispielsweise die Österreicher in Deutschland niemals eine Minderheit darstellen. Das Europäische Rahmenübereinkommen, das ständig den Begriff der nationalen Minderheit verwendet, definiert ihn nicht. So Klebes (Anm. 47), EuGRZ 1995, S. 263. 48 Capotorti begründet dies damit, dass die dominante Minorität gegenüber der nicht dominanten Majorität keiner Gefahr der Unterdrückung ausgesetzt sei und damit keinen internationalen Schutz beanspruchen müsse. Capotorti (Anm. 38), in: EPIL III, S. 410 (411). 49 Damit war die weiße Bevölkerung im Südafrika der Apartheid wegen ihrer staatstragenden Funktion trotz ihrer zahlenmäßigen Unterlegenheit keine Minderheit, der ein besonderer Schutz hätte zukommen müssen. Die unterdrückte Mehrheit der farbigen Bevölkerung konnte sich auf das Selbstbestimmungsrecht berufen, nicht jedoch auf den Minderheitenschutz. An diesem Beispiel wird ersichtlich, dass der objektiven Voraussetzung der fehlenden Regierungsgewalt der Minderheit wesentliche Bedeutung zukommt.
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(c) Die Staatsangehörigkeit als ungeschriebenes objektives Begriffsmerkmal Die Frage, ob eine auf einem bestimmten Gebiet lebende Volksgruppe die Staatsangehörigkeit des Wohnsitzstaates haben muss, ist immer wieder kontrovers diskutiert worden50. Teilweise wird vertreten, gerade aus dem Wortlaut des Artikel 27 IPbpR51 müsse abgeleitet werden, dass der dort vorgesehene Schutz der Minderheiten auch den Schutz fremder Staatsangehöriger im Inland umfasse.52 So gehören nach dieser Auffassung zu den Minderheiten nicht nur Personen, die die Staatsangehörigkeit ihres Wohnsitzstaates haben, sondern auch ausländische Staatsangehörige, vor allem ausländische Arbeitnehmer, die sich aus welchem Grund auch immer im Staatsgebiet aufhalten53. Dafür würde die Interpretation des Art. 27 IPbpR im Gegensatz zu Art. 25 IPbpR sprechen. Die in Art. 25 IPbpR garantierten Rechte stünden ausdrücklich nur den Staatsbürgern des jeweiligen Mitgliedstaates zu, während sich diese Einschränkung in Art. 27 IPbpR nicht finde.54 Auch ließe sich der Regelung des Art. 2 IPbpR, wonach die im Pakt anerkannten Rechte allen im Gebiet des Vertragsstaats befindlichen und seiner Herrschaftsgewalt unterstehenden Personen ohne Unterschied zu gewährleisten seien, entnehmen, dass der Pakt grundsätzlich alle im Staatsgebiet lebenden ___________ 50
Zayas, Alfred-Maurice de, Minderheitenschutz und Volksgruppenrecht aus der Sicht der Vereinten Nationen, in: Blumenwitz, Dieter/Mangoldt, Hans v. (Hrsg.), Fortentwicklung des Minderheitenschutzes und der Volksgruppenrechte in Europa. Staatsund völkerrechtliche Abhandlungen der Studiengruppe für Politik und Völkerrecht, Bd. 11 (1992), S. 135 (136). 51 Artikel 27 IPbpR statuiert: „In Staaten mit ethnischen, religiösen oder sprachlichen Minderheiten darf Angehörigen solcher Minderheiten nicht das Recht vorenthalten werden, gemeinsam mit anderen Angehörigen ihrer Gruppe ihr eigenes kulturelles Leben zu pflegen, ihre eigene Religion zu bekennen und auszuüben oder sich ihrer eigenen Sprache zu bedienen.“ Text: UNTS, Bd. 999, S. 171 ff.; BGBl. 1973 II, S. 1534 ff. 52 Vgl. dazu auch Hailbronner, Kay, in: Vitzthum, Wolfgang Graf (Hrsg.), Völkerrecht, 1997, Rdnr. 289, der aber keine Stellung bezieht. 53 Menschenrechtskommission, Observation générale 23 (Article 27) HRI/GEN/Rev. 1, 44 vom 29.07.1994: „L’article 27 confère des droits aux personnes appartenant aux minorités qui ,existent‘ dans L’Etat partie. Etant donné la nature et la portée des droits énoncés dans cet article, il n’est pas justifié de determiner le degré de permanence que suppose le terme ,exister‘. Il s’agit simplement du fait que les individus appartenant à ces minorités ne doivent pas être privés du droit d’avoir, en commun avec les autres membres de leur groupe, leur propre vie culturelle, de pratiquer leur religion et de parler leur langue. De même que ces individus ne doivent pas nécessairement être des nationaux ou des ressortissants, il ne doivent pas non plus nécessairement être des résidents permanents. Ainsi, les travailleur migrants ou même les personnes de passage dans un Etat partie qui constituent pareilles minorités ont le droit de ne pas être privés de l’exercise de ces droits.“ 54 Vgl. Nowak, Manfred, UNO-Pakt über bürgerliche und politische Rechte und Fakultativprotokoll, CCPR-Kommentar, 1989, Art. 27 IPbpR, Rdnr. 16, der in dem in Artikel 27 IPbpR statuierten Minderheitenschutz sogar schon ein Menschenrecht sieht.
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Personen ohne Rücksicht auf die Staatsangehörigkeit erfasse.55 Auch die Entstehungsgeschichte könne dahingehend gedeutet werden, Fremden den Minderheitenstatus einzuräumen, da die Staatsangehörigkeit bewusst nicht als Voraussetzung für die Zugehörigkeit zu einer Minderheit aufgenommen wurde. Damals wurde allerdings noch das Ziel der Verwirklichung einer multikulturellen Gesellschaft vertreten.56 Ob Art. 27 IPbpR aber wirklich so zu interpretieren ist, ist zweifelhaft, zeigen doch die Stellungnahmen der Staatenvertreter auf den Entwurf-Sitzungen, dass Art. 27 IPbpR nur diejenigen Personen erfassen sollte, die auch die Staatsangehörigkeit des Aufenthaltsstaates besitzen. In der Ausschusssitzung wurde die Problematik der Begrifflichkeit erkannt und vorgeschlagen, die Ausdrücke „persons“ durch „citizens“ zu ersetzen.57 Gegen die Einbeziehung der Fremden sprechen ferner die zahlreichen weiteren im Rahmen der UNO erarbeiteten Definitionen zum Begriff der Minderheit, die alle die Staatsangehörigkeit der Mitglieder der Gruppe voraussetzen, ohne dass dieses Merkmal Gegenstand der Kritik gewesen wäre. Zudem widerspricht eine derart extensive Interpretation des Begriffs der Minderheit dem traditionellen Verständnis.58 Eine weite Auslegung führte schließlich zu einer nahezu völligen Zurückdrängung des dann überflüssigen völkerrechtlichen Fremdenrechts, aber auch zur Bedeutungslosigkeit des Minderheitenschutzes. Kaum ein Staat der Welt könnte nämlich die Anforderungen an einen effektiven Minderheitenschutz erfüllen, bedenkt man, dass allein in Deutschland Angehörige von über dreihundert Minderheiten, in der hessischen Kleinstadt Stadtallendorf zum Beispiel über 60 Minderheiten, leben, die dann diese den Minderheiten zustehende besondere Förderung beanspruchen könnten. Es ist auch verständlich, dass der Staat Fremde nicht besser behandeln möchte – und das gerade fordert ein effektiver Minderheitenschutz – als seine eigenen Staatsangehörigen. Deshalb ist Art. 27 IPbpR restriktiv auszulegen, so dass sich der Minderheitenschutz nur auf diejenigen Personen bezieht, die tatsächlich die Staatsangehörigkeit des Staates besitzen, dessen Schutz sie verlangen.59 ___________ 55
Nowak (Anm. 54), Art. 27 IPbpR, Rdnr. 16. Franke, Dietrich/Hofmann, Rainer, Nationale Minderheiten – ein Thema für das Grundgesetz?, in: EuGRZ 1992, S. 401 ff. (402). 57 So der Vorschlag des indischen Delegierten. Seitens der irakischen Delegation wurde jedoch betont, dass aus ihrer Sicht der Begriff „persons“ als „citizens“ zu interpretieren sei; vgl. Nowak (Anm. 54), Art. 27 IPbpR, Rdnr. 16. 58 Nowak (Anm. 54), Art. 27 IPbpR, Rdnr. 16. 59 So auch de Zayas (Anm. 50), in: Blumenwitz/von Mangoldt, Staats- und völkerrechtliche Abhandlungen der Studiengruppe für Politik und Völkerrecht, Bd. 11, S. 136, welcher die Implementierung der Minderheitenschutzvorschriften weder auf Flüchtlinge und die Gastarbeiter noch auf soziale Minderheiten anwenden will. 56
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Außerhalb der Interpretation des Art. 27 IPbpR hat sich die Diskussion um den Begriff des Minderheitenschutzes infolgedessen dahingehend entwickelt, dass die Staatsangehörigkeit ein wesentliches Kriterium für die Eigenschaft als Angehöriger einer Minderheit darstellt. Dies verdeutlicht auch der deutschpolnische Nachbarschaftsvertrag, denn es heißt dort in Art. 20 Abs. 1 Satz 1: „Die Angehörigen der deutschen Minderheit in der Republik Polen, das heißt Personen polnischer Staatsangehörigkeit, die …“. Die Notwendigkeit des Besitzes der Staatsangehörigkeit des Wohnsitzstaates geht auch aus den verschiedenen Dokumenten hervor, die sich auf europäischer Ebene mit der Materie des Minderheitenschutzes befassen. So dokumentiert die Empfehlung 1177/1992 des Europarats60, dass die Garantie des Schutzes bestimmter kultureller, sprachlicher oder religiöser Eigenschaften an die Staatsbürgerschaft geknüpft wird.61 Auch das Rahmenübereinkommen vom 1. Februar 199562 setzt die Staatsangehörigkeit als Begriffsmerkmal voraus. Auch wenn dies nicht im Text des Übereinkommens zum Ausdruck kommt, kann doch aus dem Kontext der Regelungen und in Anbetracht des Art. 4 des Rahmenübereinkommens der Schluss gezogen werden, dass das Rahmenübereinkommen nur auf die Minderheitenangehörigen anzuwenden ist, welche auch die Staatsangehörigkeit des Vertragsstaates besitzen.63 Die Bundesrepublik Deutschland hat jedenfalls bei der Ratifikation des Rahmenübereinkommens zum Schutze der nationalen Minderheiten den Vorbehalt angebracht, dass die Bestimmungen des Übereinkommen nur auf die in Deutschland traditionell lebenden Minderheiten der Dänen, Friesen, Sorben, Sinti und Roma64 Anwendung finden. Diese Erklärung ___________ 60 In ihrer Empfehlung 1177 (1992) wird die Dringlichkeit der Arbeiten an rechtlich verbindlichen Minderheitenschutzinstrumenten (z. B. eine europäische Konvention oder ein Zusatzprotokoll zur EMRK) besonders hervorgehoben. Gleichzeitig wird darin das Ministerkomitee des Europarats aufgefordert, eine Deklaration mit den Grundprinzipien über die Rechte von Minderheiten anzunehmen, welche bei der Prüfung von Beitritten neuer Staaten zum Europarat zur Anwendung kommen sollte. Vgl. Bericht des Verfassungsausschusses über die Regierungsvorlage (889 der Beilagen): Rahmenübereinkommen zum Schutz nationaler Minderheiten, http://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG /XX/I/I_01067/fnameorig_139958.html. 61 „[...] 4. Innerhalb dieser gemeinsamen Staatsbürgerschaft können die Bürger, die mit anderen bestimmte kulturelle, sprachliche oder vor allem religiöse Eigenschaften gemeinsam haben, jedoch den Wunsch haben, dass sie anerkannt werden und ihnen die Möglichkeit garantiert wird, diese Eigenschaften zum Ausdruck zu bringen. [...]“; BTDrucks. 12/3018 v. 08.07.1992; Blumenwitz (Anm. 42), S. 170 f. 62 BGBl. 1997 II, S. 1408 ff.; Sartorius II, Nr. 120. Vgl. Bericht des Verfassungsausschusses über die Regierungsvorlage (889 der Beilagen): Rahmenübereinkommen zum Schutz nationaler Minderheiten, http://www.parlament.gv.at/ PAKT/VHG/XX /I/I_ 01067/fnameorig_139958.html. 63 BT-Drucks. 13/6912, S. 30 f. 64 Bei den Dänen handelt es sich um eine nationale Minderheit, bei den Friesen um eine Volksgruppe und bei den Sorben, den Sinti und Roma um ein Volk.
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wurde im Hinblick auf die vielen Millionen Gastarbeiter, Asylbewerber und Flüchtlinge in Deutschland abgegeben. Demnach kann trotz der teilweise strittigen Betrachtungsweise der seit dem Zweiten Weltkrieg entwickelten Merkmale des Minderheitenbegriffs als weiteres Kriterium das Vorliegen der Staatsangehörigkeit des Aufenthaltsstaates gefordert werden.65 Dies gilt sowohl für den Begriff der Minderheit im Sinne des Art. 27 IPbpR als auch für die im sonstigen Völkerrecht notwendige Definition der Minderheit.66 Wird Angehörigen einer Gruppe in völkerrechtswidriger Weise67 die Staatsangehörigkeit entzogen, steht der Gruppe nach wie vor der völkerrechtliche Minderheitenstatus zu. Deutsche in Polen haben in der Regel die polnische Staatsangehörigkeit, nicht jedoch die im Rahmen der Freizügigkeit nach Deutschland eingereisten Polen. (d) Das Merkmal der Stabilität Die bislang abgeschlossenen universellen und regionalen Abkommen beziehen sich auf Minderheiten, die seit unvordenklichen Zeiten auf dem Staatsgebiet der Vertragsstaaten leben oder aufgrund völkerrechtlich relevanter Vorgänge mit ihrem Siedlungsgebiet einem bestimmten Staat zugewiesen wurden. Es ist daher fraglich, ob später zugezogene Ausländer und deren Nachkommen ___________ 65 Die Definition des Begriffs der Minderheit der fünften Sitzungsperiode der Unterkommission für die Verhinderung von Diskriminierung und für den Schutz von Minderheiten verlangte zwar nicht die Staatsangehörigkeit der Mitglieder, die Minderheiten sollten jedoch ihrem Wohnsitzstaat gegenüber Loyalität aufbringen. Vgl. UN Doc. E/CN.4/Sub. 2/149: „... iii) les minorités doivent faire preuve de loyalisme à l´égard de L’Etat dont elles font parties.“ Commission des droits de l’Homme. Sous-commission pour l’abolition des mesures discriminatoires et pour la protection des minorités. Rapport sur la cinquième session, 1952. 66 Allerdings muss die Minderheit nicht ausschließlich aus Staatsangehörigen bestehen, so dass es unschädlich ist, wenn sich Nichtstaatsangehörige der Minderheit anschließen. Aus diesem Grund kann auch eine Gruppe vom Minderheitenschutz profitieren, obwohl manche ihrer Angehörigen die Staatsangehörigkeit des Wohnsitzstaates ablehnen oder ihnen die Staatsangehörigkeit vom Wohnsitzstaat vorenthalten wird. Diejenigen, die nicht die Staatsangehörigkeit des Wohnsitzstaates haben, sind als Individuen dem völkerrechtlichen Fremdenrecht gemäß zu behandeln. Eine Ausnahme vom Erfordernis der Staatsangehörigkeit wird man beispielsweise dann annehmen können, wenn Angehörige einer – faktischen – Minderheit trotz ihrer Anträge in willkürlicher Weise nicht eingebürgert werden. 67 Nach Art. 15 der − rechtlich unverbindlichen − Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte vom 10.12.1948 (Resolution 217 III der Generalversammlung der Vereinten Nationen, Text: Sartorius II, Nr. 19) sind willkürliche Entziehungen der Staatsangehörigkeit unzulässig. Art. 9 der UN-Konvention über die Verminderung der Staatenlosigkeit vom 30.08.1961 (Text: BGBl. 1977 II, S. 598 ff.) verbietet die Entziehung der Staatsangehörigkeit aus rassischen, religiösen oder politischen Gründen.
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durch nachträgliche Einbürgerung in den Genuss der bestehenden Minderheitenschutzbestimmungen kommen könnten. Das Merkmal einer gewissen Stabilität der Gruppe verhindert, dass eine sich nur vorübergehend im Lande aufhaltende Volksgruppe mit Unterstützung des Völkerrechts den Status als Minderheit beanspruchen kann.68 Gerade bei einem starken Zustrom von Gastarbeitern, Asylanten und Flüchtlingen in ein Land dürfte es bei mangelnder Assimilierungsbereitschaft der Gruppen zu einer rasanten Vermehrung von Minderheitengruppen kommen, deren Schutz der Staat nicht mehr bewerkstelligen könnte, was im Übrigen auch zu Lasten der autochthonen Gruppen ginge.69 Das Kriterium der Stabilität war auch Gegenstand der Verhandlungen zu Art. 27 IPbpR. Entgegen der deutschen Übersetzung gehen beide Originaltexte von Minderheiten aus, die bereits auf dem Staatsgebiet der Signatarstaaten leben.70 Das Europäische Rahmenübereinkommen führt nicht das Kriterium der Stabilität auf. Dennoch gab es während der Entstehungsgeschichte des Minderhei___________ 68
Es sei aber darauf hingewiesen, dass von der Menschenrechtskommission eine Erklärung bekannt ist, wonach es nicht gerechtfertigt sei, Anforderungen an eine bestimmte Aufenthaltsdauer im Inland zu stellen (Menschenrechtskommission, Observation générale 23 (Article 27) HRI/GEN/Rev. 1, 44 vom 29.07.1994). Der authentische Wortlaut des Art. 27 IPbpR legt jedoch die Interpretation nahe, dass Gruppen, die sich religiös, sprachlich oder ethnisch von der Majorität abgrenzen, zumindest eine gewisse historische Stabilität aufweisen (Nowak [Anm. 54], Art. 27 IPbpR, Rdnr. 20). Mit einem Aufenthalt als Gastarbeiter, Asylbewerber oder Bürgerkriegsflüchtling genügt man also nicht dem Stabilitätserfordernis, welches Art. 27 IPbpR an den Status als Minderheit knüpft. Da Gastarbeiter, Asylbewerber oder Bürgerkriegsflüchtlinge in der Regel nicht die Staatsangehörigkeit des Gastlandes besitzen, kommt eine Anwendung der in Artikel 27 IPbpR statuierten Rechte aber schon aus diesem Grund für sie nicht in Betracht. Staatsbürger, die neben ihrer ursprünglichen Staatsangehörigkeit auch die Staatsangehörigkeit des Aufenthaltsstaates angenommen haben, werden gerade wegen dieser doppelten Staatsangehörigkeit und der damit existierenden engen Verbindung zum Herkunftsland oftmals keine derartige Stabilität als Minderheit aufweisen, welche sie in den Genuss des Schutzes von Art. 27 IPbpR bringt. 69 So haben sich durch den erhöhten Zuzug von Gastarbeitern nach Mitteleuropa aus Ländern wie Italien oder der Türkei regional starke Einwanderungsgruppen herausgebildet, die – gefördert durch natürliche Sprachbarrieren – die eigene Kultur in ihrem Umfeld aufrechterhalten und teilweise auch weiterentwickelt haben. Es ist nicht verwunderlich, dass Stabilität als Voraussetzung der Anerkennung als Minderheit gerade von den Ländern mit Nachdruck gefordert wurde, die sich nach dem Zweiten Weltkrieg einem gewaltigen Zustrom von Immigranten gegenübergestellt sahen. Sie hegten die Befürchtungen, dass durch eine zu schnelle Anerkennung von Minderheiten die nationale Einheit ihres Staates gefährdet werden könnte. So stellte das Einwanderungsland Chile bei den Ausarbeitungen zur Menschenrechtspakt den Antrag, das Merkmal der Stabilität als weitere Voraussetzung für das Vorliegen einer Minderheit aufzunehmen. 70 So heißt es im englischen Text: „In those states in which [...] minorities exist, [...]“, und in der französischen Ausgabe: „Dans les Etats où il existe des minorités [...]“.
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tenschutzes in der Nachkriegszeit immer wieder Bestrebungen, eine derartige Anforderung an den Status als Minderheit zu stellen. Ansätze dafür enthält auch der Vorschlag seitens der österreichischen Regierung an den Ministerrat der KSZE von 1991: So sollte die Definition des Begriffs Volksgruppe als teilweises Synonym des Begriffs der Minderheit das Erfordernis der traditionellen Beheimatung („traditional residence“) enthalten. Nach der Praxis Österreichs ist dieses Kriterium der traditionellen Beheimatung dann erfüllt, wenn die Gruppe seit mindestens drei Generationen im Staatsgebiet angesiedelt ist.71 Eine derartige zeitliche Dimension fand allerdings weder in die Definition des Begriffs Volksgruppe noch in die Definition des Begriffs Minderheit Aufnahme. Bei der Hinterlegung der Ratifikationsurkunde des Europäischen Rahmenübereinkommens zum Schutz von Minderheiten oblag es dem Signatarstaat, hinsichtlich des Stabilitätserfordernisses Vorbehalte zu äußern. Die Bundesrepublik Deutschland ist dieser Möglichkeit nachgekommen, als sie bei der Ratifikation den Vorbehalt äußerte, dass das Rahmenübereinkommen nur für diejenigen Minderheiten in der Bundesrepublik Deutschland Anwendung finden soll, die sich traditionell auf dem Staatsgebiet aufhalten. Da hierbei auch die in den Schutzbereich einbezogenen Gruppen expressis verbis bezeichnet worden sind, ist dieser Vorbehalt auch nicht dynamisch, das heißt, das Rahmenübereinkommen wird sich nicht nach Zeitablauf von mehreren Jahrzehnten auf permanent im Bundesgebiet lebende, nicht assimilierte Gruppen erstrecken. Eine Erweiterung des Anwendungsbereichs des Europäischen Rahmenübereinkommens zum Schutz nationaler Minderheiten könnte nur durch eine Abänderung oder Streichung des hinterlegten Vorbehalts erreicht werden. Wollte die Bundesrepublik Deutschland irgendwann eine Änderung vornehmen, müsste sie Regeln zur Lösung der Frage aufstellen, ab welchem Zeitpunkt eine Gruppe traditionell auf ihrem Hoheitsgebiet beheimatet sein muss, um Willkür und Ungleichbehandlung auszuschließen. Ob hinsichtlich der Wanderbewegungen der Arbeitnehmer in den letzten Jahrzehnten ein Zeitraum von drei Generationen, so wie es die österreichische Praxis vorsieht, ausreicht, ist allerdings fraglich. Nach der in den letzten Jahrzehnten entstandenen fortschreitenden Erleichterung der Niederlassung in anderen Staaten im Rahmen der Vereinbarungen auf dem Gebiet der Europäischen Union darf die Grenze der traditionellen Beheimatung nicht zu niedrig gesetzt werden, da bei nicht restriktiver Handhabung der Bestimmung nach kürzester Zeit eine zu große Zahl von Gruppen in den Genuss der Minderheitenrechte kommen würde mit der Folge, dass effektiver Minderheitenschutz nicht mehr zu leisten wäre. Aber auch die Erleichterung des grenzüberschreitenden Verkehrs aus nichteuropäischen Staaten muss dazu ___________ 71 Steiner (Anm. 45), in: Blumenwitz/Gornig, Staats- und völkerrechtliche Abhandlungen der Studiengruppe für Politik und Völkerrecht, Bd. 12 (1993), S. 29 ff. (35).
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führen, eine restriktive Handhabung des Begriffes der traditionellen Beheimatung sicherzustellen.72 Die polnischen Arbeiter in Deutschland stellen somit nach diesem Kriterium keine Minderheit dar, wohl aber die Deutschen in Polen, da sie bereits seit 800 Jahren etwa in Schlesien, Hinterpommern und Ostpreußen beheimatet sind. (e) Schicksalsgemeinschaft aufgrund territorialbezogener völkerrechtlicher Akte Ausgehend von dem Gedanken, dass es nicht Aufgabe der Staatengemeinschaft sein kann, aufgrund freiwilligen Entschlusses in ein Staatsgebiet immigrierte Personen unter einen besonderen, gegenüber der einheimischen Bevölkerung teilweise sogar hervorgehobenen Schutz zu stellen, muss noch ein weiteres Kriterium zur Bestimmung einer Minderheit hinzukommen, nämlich ein ganz spezieller völkerrechtlicher Akt, der die Gruppe zur Schicksalsgemeinschaft gemacht hat, die es zu schützen gilt. Deshalb ist es sinnvoll, nur solche Personengruppen zu schützen, die aufgrund völkerrechtlich relevanter Vorgänge zu einer Minorität geworden sind. Dazu gehören Staatsgründungen eines Mehrheitsvolkes unter Einbeziehung des Siedlungsgebiets einer oder mehrerer sich davon unterscheidender Volksgruppen. Als völkerrechtlich relevante Vorgänge kommen ferner Grenzverschiebungen durch Zession, Sezession, Annexion, Dismembration oder Fusion in Betracht,73 schließlich Zwangsumsiedlungen, Flucht und Vertreibung. Wesentlicher Aspekt bei dieser Betrachtung ist, dass nur solche Gruppen als Minderheiten anzusehen sind, die entgegen oder ohne ihren Willen in ein bestimmtes Staatsgebiet gelangt sind, sei es dass das fremde Staatsgebiet zu ihrem Siedlungsgebiet gekommen ist, sei es, dass sie unfreiwillig in ein fremdes Staatsgebiet ausgesiedelt wurden. Sind sie dagegen freiwillig umgesiedelt, muss ihnen nicht der Schutz der Staatengemeinschaft zuteil werden. Auch des___________ 72 Auch auf der Tagung des Europarats 1992 gab es diesbezüglich keine Einigung: So vertraten die skandinavischen Delegierten die Ansicht, dass unter den Begriff der Minderheit auch Flüchtlinge fallen sollten; die türkische Delegation war – wohl geleitet vom Bestreben, die Stellung ihrer Landsleute im Ausland zu verbessern – sogar der Auffassung, auch Wanderarbeiter sollten unter den Begriff der Minderheit fallen. Im Entwurf des Zusatzprotokolls wurde dann jedoch bei der Formulierung des Begriffes der nationalen Minderheit die Aufrechterhaltung einer langjährigen, festen und dauerhaften Verbindung zu dem Aufenthaltsstaat vorausgesetzt; vgl. Steiner (Anm. 45), in: Blumenwitz/Gornig, Staats- und völkerrechtliche Abhandlungen der Studiengruppe für Politik und Völkerrecht, Bd. 12, S. 36 f. 73 Dass Grenzverschiebungen aufgrund bewaffneter Konflikte heute völkerrechtswidrig sind, kann hier dahingestellt bleiben. Vielmehr müssen auch diejenigen Gruppen in der Definition Berücksichtigung finden, die zu einem Zeitpunkt, als die Annexion noch nicht völkerrechtswidrig war, in ein anderes Staatsgebiet gelangten.
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wegen fallen Wanderarbeitnehmer nicht unter die Definition der Minderheit im völkerrechtlichen Sinne, auch dann nicht wenn sie ein stabiles Gruppenbewusstsein entwickeln. Es bleibt allerdings den Staaten unbenommen, faktische Minderheiten als solche anzuerkennen, ihnen im innerstaatlichen Recht Minderheitenschutz zukommen zu lassen und sie auch völkerrechtlich dem Minderheitenschutz zu unterstellen. Dies wird insbesondere dann zu begrüßen sein, wenn vor Jahrhunderten eine Bevölkerungsgruppe eingewandert ist und sich als Volksgruppe seit jener Zeit behauptet. (f) Weitere objektive Kriterien Weitere objektive Kriterien werden in der völkerrechtlichen Literatur nicht gefordert. Die geografische Ausbreitung einer Minderheit auf dem nationalen Gebiet, ihr Ursprung und historisches Zusammenwachsen, die wirtschaftliche Lage der Minderheit oder die soziale Zusammensetzung ihrer Mitglieder sind daher Faktoren, die für die Minderheitendefinition keine Rolle spielen. Häufig wird die Frage aufgeworfen, wie viele Personen eine Gruppe zählen müsse, um ihr den Status einer Minderheit zubilligen zu können, ob also die Gruppe aus einer Mindestzahl von Angehörigen bestehen muss. Eigentlich genügt das Vorhandensein von zwei Personen, um eine Minderheit zu billigen. Aber diese Frage stellt sich eigentlich nicht, da eine Gruppe von zwei Personen in der Regel nicht die weiteren Voraussetzungen erfüllen wird: Sprache, Rasse, Kultur und Religion sind Merkmale, die gewöhnlich nicht nur auf zwei Personen zutreffen. Auch wird diese Gruppe nicht die geforderte Stabilität aufweisen. (2) Das Erfordernis subjektiver Kriterien Die Beurteilung der Eigenschaft als Minderheit kann sich nicht nur auf das Vorliegen von objektiven Kriterien beschränken, damit würde man der Eigenschaft, Zugehöriger einer Minderheit zu sein, nicht gerecht werden. Welche Bedeutung sollten denn auch die objektiven Merkmale haben, wenn sich niemand zur Gruppe bekennt! Demnach muss neben dem Vorliegen der objektiven Voraussetzungen jedenfalls noch mindestens eine weitere subjektive Komponente hinzukommen. (a) Zugehörigkeitsgefühl Zur Feststellung der Minderheiteneigenschaft bedarf es des persönlichen Bekenntnisses des Einzelnen hinsichtlich seiner Zugehörigkeit zu einer Minderheit. Dieses Identitätsgefühl ist auf der individuellen Ebene angesiedelt. Es beruht auf einem psychologischen Prozess, nach dem sich ein Mensch mit anderen Menschen aufgrund des einen oder anderen Merkmals verbunden fühlt.
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Das Zugehörigkeitsgefühl geht schon aus Ziffer 32.1 der Kopenhagener Dokumente vom 29. Juni 199074 hervor und wurde auch durch die Rechtsprechung des StIGH hinsichtlich der Minderheiten in Oberschlesien (Minderheitenschulen) bestätigt.75 Die Entscheidung, ob eine einzelne Person einer Minderheit angehört, obliegt also ihrer Entscheidungsgewalt und hängt damit allein von ihrem – subjektiven – Bekenntnis ab. Der Staat darf keiner Person eine Minderheitenzugehörigkeit aufdrängen, auch wenn diese Person die objektiven Kriterien erfüllt. Umgekehrt darf der Staat eine Person, die die objektiven Kriterien erfüllt, auch nicht davon abhalten, sich zur Minderheit zu bekennen.76 Ein Zugehörigkeitsgefühl lässt sich bei den Deutschen in Polen nachweisen, nicht jedoch bei den Polen in Deutschland. Wäre es vorhanden, müsste man sich nun im Kreise polnischer Auslandsvereinigungen nicht bemühen, ein solches zu schaffen. (b) Solidaritätsgefühl Neben dem Zugehörigkeitsgefühl muss auch der Wille vorhanden sein, diese Identität zu bewahren, zu schützen und zu fördern. Diese subjektive Komponente mag auch als Solidaritätsgefühl bezeichnet werden, da neben dem gemeinsamen Willen der Mitglieder, einer sich nach objektiven Kriterien unterscheidenden Gruppe anzugehören, auch der Wille vorhanden sein muss, ihre ___________ 74
Text: Schweisfurth, Theodor/Oellers-Frahm, Karin (Hrsg.), KSZE. Dokumente der KSZE, 1993, Nr. 14. 75 Studnitz, Ernst-Jörg von, Politische Vertretung von Minderheiten- und Volksgruppenrechten auf verschiedenen staatlichen und zwischenstaatlichen Ebenen, in: Blumenwitz, Dieter/Gornig, Gilbert (Hrsg.), Minderheiten und Volksgruppenrechte in Theorie und Praxis. Staats- und völkerrechtliche Abhandlungen der Studiengruppe für Politik und Völkerrecht, Bd. 12 (1993), S. 17 ff. (17); Pauls, Christian, Bestreben innerhalb der KSZE zur Verbesserung des Minderheitenschutzes, in: Blumenwitz, Dieter/Mangoldt, Hans von (Hrsg.), Fortentwicklung des Minderheitenschutzes und der Volksgruppenrechte in Europa. Staats- und völkerrechtliche Abhandlungen der Studiengruppe für Politik und Völkerrecht, Bd. 11 (1992), S. 67 ff. (67). 76 Wegen des Erfordernisses des subjektiven Identifikationsmerkmals können einzelne Personen, die innerhalb des Gruppengefüges leben, jedoch nicht als Angehörige der Minderheit angesehen werden wollen, sich der Behandlung als Angehörige einer Minderheit entziehen. Dies kann zur Folge haben, dass sich eine Minderheit im Laufe der Zeit derart der Kultur und Tradition des Aufenthaltsstaates annähert, dass ihre Charakteristika gänzlich verschwinden und sich die Minderheit auflöst. Diesem subjektiven Merkmal kommt damit gerade in Anbetracht häufig automatisch erfolgender Assimilationsprozesse erhebliche Bedeutung zu. Es kommt vor, dass eine Gruppe ihre traditionelle Identität im Laufe der Zeit verliert, sich subjektiv davon löst und sich der Mehrheit annähert, sich jedoch aufgrund objektiver Kriterien, wie Sprache und Hautfarbe, weiterhin von der Majorität unterscheidet. In derartigen Fällen würde ein Festhalten an den objektiven Kriterien eine Tradition am Leben erhalten, die von der Gruppe nicht mehr gepflegt wird und nicht mehr gepflegt werden will. Ein von der Minderheit angestrebter Assimilationsprozess würde damit verhindert.
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unterschiedlichen Charakteristiken, sei es hinsichtlich der Abstammung, Sprache oder Religion, zu bewahren und einer Assimilation entgegenzusteuern.77 Das Solidaritätsgefühl folgt nicht zwingend aus dem Zugehörigkeitsgefühl, da bei Vorliegen des Zugehörigkeitsgefühls nicht unbedingt der Wille zur Traditionspflege vorhanden sein muss, das Solidaritätsgefühl setzt aber das Zugehörigkeitsgefühl voraus. Ausarbeitungen des Europarats haben auf dieses subjektive Kriterium wesentliches Gewicht gelegt. So wurde beispielsweise im Entwurf des Zusatzprotokolls zur EMRK eines Expertenkomitees als weiteres Merkmal einer nationalen Minderheit verlangt, dass die Gruppe von Personen von dem Wunsch beseelt sein müsse, die für ihre Identität charakteristischen Merkmale, insbesondere ihre Kultur, ihre Traditionen, ihre Religion oder ihre Sprache, zu erhalten.78 Während das Zugehörigkeitsgefühl sowohl individuell als auch kollektiv ist, ist das Solidaritätsgefühl ausschließlich auf der kollektiven Ebene angesiedelt. Dass einzelne Angehörige sich nicht mit dem Rest der Minderheit solidarisieren, ist für die Existenz der Minderheit nicht relevant, da es nur auf das prinzipielle Vorhandensein einer gemeinsamen Solidarität ankommt. Die gemeinsame Solidarität setzt also nicht die Summe der Zugehörigkeitsgefühle jedes Angehörigen der Gruppe voraus. Es handelt sich um ein Gefühl, das die gesamte Gemeinschaft betrifft, selbst wenn es nur auf individueller Ebene gespürt werden kann.79 Ein solches Solidaritätsgefühl ist bei den in Deutschland arbeitenden Polen nicht erkennbar, wohl aber bei den seit Generationen östlich von Oder und Görlitzer Neiße lebenden Deutschen. cc) Bewertung (1) Polen keine Minderheit in Deutschland Die Deutschen in Polen gelten – wie gezeigt – als nationale Minderheit, die Polen in Deutschland nicht. Das bringt auch richtig Art. 20 Abs. 1 Satz 1 des deutsch-polnischen Nachbarschaftsvertrags zum Ausdruck, spricht er doch von „Angehörigen der deutschen Minderheit in der Republik Polen, … sowie Personen deutscher Staatsangehörigkeit in der Bundesrepublik Deutschland, die polnischer Abstammung sind“. ___________ 77
Capotorti (Anm. 38), in: EPIL III, S. 410 (411). Steiner (Anm. 45), in: Blumenwitz/Gornig, Staats- und völkerrechtliche Abhandlungen der Studiengruppe für Politik und Völkerrecht, Bd. 12, S. 37. 79 Despeux (Anm. 39), S. 70. 78
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Wenn der Vorsitzende des Verbands der Polen in Deutschland, Marek Wojcicki, kritisiert, dass die Gruppe der polnisch-stämmigen Bundesbürger nur einige Hunderttausend Euro bekämen, die viel kleinere Gruppe der Deutschen in Polen, laut Volkszählung 150.000 Menschen, hingegen aus Warschau „Zuschüsse von 25 Millionen Euro im Jahr“ erhalte80, so bestreitet das die Bundesregierung nicht, kann dies allerdings mit dem dargelegten Statusunterschied rechtfertigen. Auch wenn die Polen in Deutschland keine Minderheit im Sinne des Völkerrechts darstellen, hat die Bundesrepublik Deutschland die Verpflichtungen des deutsch-polnischen Nachbarschaftsvertrags zu respektieren, die einem Minderheitenschutzsystem sehr nahe kommen, betrachtet man die in den Art. 20 und 21 des deutsch-polnischen Nachbarschaftsvertrages verankerten Verpflichtungen. (2) Schutz der deutschen Minderheit in Polen In Polen werden die Menschenrechte und Grundfreiheiten seit der Wende respektiert.81 Im Oktober des Jahres 2000 ratifizierte Polen das Zusatzprotokoll Nr. 6 über die Abschaffung der Todesstrafe zur Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten82 und im November 2000 das Rahmenübereinkommen des Europarates über den Schutz der nationalen Minderheiten, das im April 2001 in Kraft trat. Somit hat Polen die meisten wichtigen internationalen Rechtsinstrumente zur Gewährleistung der Menschenrechte ratifiziert. Das Land hat einen guten Ruf, was die in internationalen Übereinkommen und in der Verfassung verankerte gesetzliche Wahrung der Menschenrechte und den Schutz von Minderheiten angeht. Die Verwaltungsinfrastrukturen für die Behandlung von Minderheitenfragen sind inzwischen gut ausgebaut. Auf der Zentralebene gibt es einen Interministeriellen Stab für nationale Minderheiten, an dem die Ministerien für Inneres, Justiz, Auswärtiges, Bildung sowie Beschäftigung und Soziales beteiligt sind. Dieser Stab hat den Auftrag, die Minderheitensituation laufend zu beobachten, politische Leitlinien zu erarbeiten, Maßnahmen zu koordinieren und gegen die ___________ 80 Vgl. http://www.welt.de/politik/deutschland/article13316448/Berliner-will-Parteifuer-Polen-in-Deutschland-gruenden.html. (01.05.2011). 81 Vgl. schon die Darstellung 1996: Gornig, Gilbert, Zentralismus und Entfaltung der Minderheiten- und Volksgruppenrechte, in: Blumenwitz, Dieter/Gornig, Gilbert (Hrsg.), Der Schutz von Minderheiten- und Volksgruppenrechten durch die Europäische Union. Staats- und völkerrechtliche Abhandlungen der Studiengruppe für Politik und Völkerrecht, Band 15, 1996, S. 69 ff. 82 Protokoll Nr. 6 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, über die Abschaffung der Todesstrafe in der Fassung des Protokolls Nr. 11 Straßburg, 28.06.1983; http://conventions.coe.int/treaty/ger/treaties/html/114.htm.
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Verletzung von Minderheitenrechten präventiv vorzugehen.83 Das Referat für nationale Minderheiten bei der Staatsbürgerschaftsabteilung des Ministeriums für Inneres und Verwaltung unterstützt den Interministeriellen Stab, hält zugleich Kontakt mit den lokalen Behörden und den Minderheitengruppen und prüft etwaige Beschwerden. Unabhängig von diesen Regierungsstellen wurde beim Bürgerbeauftragten ein spezielles Referat für den Schutz der Rechte von Ausländern und nationalen Minderheiten eingerichtet. Da bisher erst weniger als 1% der an den Bürgerbeauftragten gerichteten Beschwerden sich auf die Minderheitenrechte bezogen, besteht die Hoffnung, dass das spezielle Referat nunmehr eine eindeutigere Anlaufstelle bietet.84 Das Wahlkomitee der deutschen Minderheit (Komitet Wyborczy Mniejszość Niemiecka) ist als politische Organisation einer nationalen Minderheit von der Fünf-Prozent-Hürde befreit und seit 1991 mit mindestens einem Abgeordneten im polnischen Parlament vertreten. Bei der letzten Kommunalwahl 2010 wurden 23 Bürgermeister und Gemeindevorsteher von der deutschen Liste gewählt.85 Außerdem verfügt die deutsche Minderheit in den Kreistagen von Groß Strehlitz, Oppeln und Rosenberg über die Mehrheit der Mandate. Im Sejmik der Woiwodschaft Oppeln ist die deutsche Minderheit mit sechs Sitzen zweitstärkste Kraft und seit 1998 an der Regierung beteiligt.86 Zweisprachige Ortsschilder dürfen in Gemeinden erst aufgestellt werden, wenn die deutschen Ortsbezeichnungen bzw. Straßennamen gemäß der Verordnung über zweisprachige Orts- und Lagebezeichnungen (Dwujęzyczne nazewnictwo geograficzne) offiziell genehmigt worden sind. Der Gemeinderat muss der Einführung der deutschen Bezeichnungen zustimmen, ferner müssen die Genehmigungen des Woiwoden sowie des polnischen Innenministeriums (MSWiA) gegeben sein.87 ___________ 83
Vgl. Bericht http://www.fifoost.org/polen/pl_beitritt_de/node14.php. Vgl. Bericht http://www.fifoost.org/polen/pl_beitritt_de/node14.php. 85 Vgl. Wochenblatt. Zeitung der Deutschen in Polen, 2011. http://www.wochenblatt. pl/index.php?option=com_content&view=article&id=237:am-besten-seit-20-jahren& catid=1:wochenblatt. 86 Vgl. http://wybory2010.pkw.gov.pl/geo/pl/000000.html. 87 Zweisprachige Ortsschilder wurden in folgenden Gemeinden aufgestellt: Radłów/Radlau, Cisek/Czissek, Leśnica/Leschnitz, Tarnów Opolski/Tarnau, Chrząstowice/Chronstau, Izbicko/Stubendorf, Dobrodzień/Guttentag, Jemielnica/Himmelwitz, Kolonowskie/Colonnowska, Krzanowice/Kranowitz, Ujazd/Ujest, Biała/Zülz, Zębowice/Zembowitz, Strzeleczki/Klein Strehlitz, Comprachtschütz/Komprachcice, Groß Döbern/Dobrzeń Wielki, Oberglogau/Głogówek sowie Łubowice/Lubowitz, einem Ortsteil von Rudnik. Vgl. Lista gmin wpisanych na podstawie art. 12 ustawy z dnia 6 stycznia 2005 r. o mniejszościach narodowych i etnicznych oraz o języku regionalnym (Dz. U. Nr 17, poz. 141, z późn. zm.) do Rejestru gmin, na których obszarze używane są nazwy w języku mniejszości. 84
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Bemängelt werden unter anderem zu wenig Deutschunterricht an den Schulen, mangelnder Objektivismus im Geschichtsunterricht, der erschwerte Zugang zu Massenmedien, die ungünstigen Ausstrahlungszeiten der Sendungen, die unklare Finanzierung der Minderheitensendungen durch das Innenministerium, das Fehlen von Minderheitenmedien in weiteren Teilen Polens, der Zugang zu Sendungen nur in wenigen Teilen der gegebenen Woiwodschaft, ein beschränkter Gebrauch der Minderheitensprache in Behörden, Probleme mit dem Gebrauch von Namen und Vornamen in der Minderheitensprache.88
2. Kultur a) Allgemein Zwischen Deutschland und Polen existiert ein reger und intensiver Kulturaustausch. Er konnte durch zahlreiche Kulturbegegnungen während des deutsch-polnischen Jahres 2005/2006 noch intensiviert werden.89 Von den vielen Aspekten der kulturellen Beziehungen sei hier jedoch der der Rückgabe von Kulturgütern herausgegriffen, da es insoweit zwischen Deutschland und Polen noch zahlreiche ungelöste Probleme gibt. In diesem Fall wird die Rechtslage ___________ 88 Dies wurde vorgetragen anlässlich eines Besuches von Delegierten des Europarates beim Verband der deutschen Sozial-Kulturellen Gesellschaften in Polen am 04.12.2008. Die Delegation zählte drei Personen bestehend aus Georgi Meladze, Francesco Palermo und Krzysztof Zyman. Die Delegation kam mit der Absicht, nach der Umsetzung der Rahmenkonvention zum Schutz nationaler Minderheiten durch Polen zu fragen. Zu den Teilnehmern dieses Treffens gehörten unter anderem Henryk Kroll, der Vorsitzende vom VdG, Rafał Bartek, Vertreter der deutschen Minderheit bei der Gemeinsamen Kommission der Regierung Polens und der nationalen Minderheiten, Norbert Rasch, Vorsitzender der Sozial-Kulturellen Gesellschaft der Deutschen – Bezirk Oppeln und Marcin Lippa, Vorsitzender der Sozial-Kulturellen Gesellschaft der Deutschen – Bezirk Schlesien. Herr Rafał Bartek übergab an die Delegation eine Liste mit Mängeln seitens des polnischen Staates, die er zusammen mit Norbert Rasch und dem Abgeordneten Ryszard Galla ausgearbeitet hatte und die die Umsetzung einiger Artikel der Rahmenkonvention betreffen. Vgl. http://www.vdg.pl/de/index.php?option=com content& task=view&id=260&Itemid=1. Vgl. weitere Kritikpunkte in: http://de.wiki pedia.org/ wiki/Deutsche_Minderheit_in_Polen#cite_note-24. 89 Der Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien förderte in Deutschland in Zusammenarbeit mit den Ländern und Kommunen deutsch-polnische Kunst- und Kulturprojekte. Grundlage war der Deutsch-Polnische Vertrag vom 17.06.1991 über gute Nachbarschaft und freundschaftliche Zusammenarbeit. Insgesamt standen dafür 300.000 Euro im Jahr zur Verfügung. Mit dem Deutsch-Polnischen Jahr 2005/2006 hatte sich der bereits zuvor schon lebendige Kulturaustausch zwischen Deutschland und Polen noch einmal intensiviert. Die Initiative der Regierungen in Berlin und Warschau führte Deutsche und Polen in über 2.000 Veranstaltungen und Projekten aus den verschiedensten Bereichen zusammen, davon profitierte auch die Danziger Naturforschende Gesellschaft. Vgl. http://www.bundesregierung.de/Webs/Breg/DE/Bundesregierung/ Beauftrag terfuerKulturundMedien/Europa/KulturbegegnungenPolen/kulturbegegnungen-polen. html.
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noch dadurch kompliziert, dass Polen die territoriale Souveränität über die Gebiete beansprucht, aus denen die deutsche Bevölkerung vertrieben wurde und fraglich ist, ob die Kunstwerke zum Volk oder zum Territorium gehören.90 Es gibt ein weiteres Problem: Viele Schätze wurden aus Danzig entwendet. Nach Ansicht der polnischen Regierung gehörten sie Polen, da sie nach Kriegsende von Russland konfisziert wurden, als Danzig ihrer Ansicht nach bereits zu Polen gehörte. Das stößt in Deutschland auf Widerspruch, die völkerrechtliche Situation sei zu dieser Zeit nicht geklärt gewesen.91 Zudem hätten mobile Werte in den ehemals deutschen Gebieten weiter Deutschland und den Deutschen gehört.92 Erst am 6. Dezember 199893 drängte daher Polens Staatspräsident Kwasniewski auf eine Rückgabe der in Polen lagernden Bestände der früheren preußischen Staatsbibliothek an Deutschland. Polen hatte allerdings die Berliner Bibliothek nicht geraubt. Vielmehr waren Kulturgüter nach Schlesien ausgelagert worden und durch die Grenzverschiebung in polnischen Besitz gelangt. Zur guten Nachbarschaft gehört natürlich, dass Kriegsbeute zurückgegeben wird. So befinden sich immer noch Kulturgüter, die eindeutig der deutschen Volksgruppe oder dem deutschen Volke zuzurechnen sind, im Besitz der Republik Polen. Gegenstand des Streits sind deutsche Kulturgüter, die im Krieg zum Schutz vor alliierten Bomben beispielsweise von Berlin nach Krakau gebracht wurden und seither dort liegen. Dazu gehören Bestände der Preußischen Staatsbibliothek, Bilder, Nachlässe von Goethe, Handschriften und nicht zuletzt das Lied der Deutschen in der Handschrift von Hoffmann von Fallersleben.94 Insbesondere die im Zweiten Weltkrieg nach Krakau ausgelagerten Berliner und Preußischen Autographen sind noch nicht zurückgegeben worden. Darunter sind unter anderem Autographen von Mozart (die Quartette für König Friedrich Wilhelm II.) und von Ludwig von Beethoven das Original der Neunten Symphonie, König Friedrich Wilhelm III. gewidmet, nicht zurückgegeben wor-
___________ 90 Vgl. hierzu Rusu, Ioana, Kulturgüterzugehörigkeit im Falle von Vertreibung und Bevölkerungsaustausch, in: Gornig, Gilbert/Horn, Hans-Detlef/Murswiek, Dietrich (Hrsg.), Kulturgüterschutz – internationale und nationale Aspekte. Staats- und völkerrechtliche Abhandlungen der Studiengruppe für Politik und Völkerrecht, Band 24, 2007, S. 93 ff. 91 Vgl. dazu ausführlich: Gornig, Gilbert, Das rechtliche Schicksal der Danziger Kulturgüter seit 1939/45 am Beispiel der Naturforschenden Gesellschaft zu Danzig. Ein Rechtsgutachten, 1999, passim. 92 http://www.tagesspiegel.de/weltspiegel/polen-fordert-beutekunst-von-russlandzurueck/1620464.html. (23.10.2009). 93 FAZ vom 07.12.1998, S. 2. 94 http://www.faz.net/artikel/C31325/streit-um-beutekunst-goethe-in-krakau-3012 1272.html.
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den.95 Es handelt sich hierbei nur um Beispiele nicht zurückgegebener Kulturgüter. Die Bundesregierung fordert, Polen müsse diese „Beutekunst“, wie der Unterhändler Eitel sie nennt, zurückgeben, weil die Haager Landkriegsordnung von 1907 die Wegnahme von Kulturgütern verbiete. Außerdem sehe der deutsch-polnische Nachbarschaftsvertrag von 1991 Verhandlungen in dieser Sache vor.96 Nach Warschauer Lesart hat hingegen Polen im Zweiten Weltkrieg anders als die deutsche Besatzungsmacht nie „Beute“ gemacht und nichts „geraubt“. Warschau verweist darauf, dass als Folge des Zweiten Weltkriegs die deutschen Ostgebiete nach dem Potsdamer Abkommen mitsamt aller Kulturgüter – Kirchen, Altäre, Schlösser – an Polen gefallen seien.97 Schon am 8. März 194698 seien sie, wie aller deutsche Besitz, durch ein Dekret zu polnischem Staatseigentum erklärt worden. Es handele sich daher rechtlich gesehen, um Eigentum des polnischen Staates. Der Eindruck, dass Polen etwas „geraubt“ habe, sei falsch.99 In der Pressemeldung des polnischen Außenministerium vom 7. August 2007 erklärte der Pressesprecher des Außenministerium, Robert Szaniawski, im Namen der Außenministerin Anna Fotyga, dass es im Zusammenhang mit den wachsenden offenen Fragen nach dem Verbleib der deutschen Kulturgüter in Polen nun eine Regelung gebe: „Sämtliche deutsche Kulturhinterlassenschaften, welche sich nach 1945 im Zusammenhang mit dem 2. Weltkriegs auf polnischem Boden befunden haben, sind auf Grund angemessener Rechtsakte polnisches Eigentum geworden. Sie bilden staatliches Eigentum und zählen zu den Objekten, von denen der Staat vorher schon Eigentümer ___________ 95
Vgl. den Widmungsbrief Beethovens an den König 1826, der lautet: „Eure Majestät! Es macht ein großes Glück meines Lebens aus, dass E. W. Majestät mir gnädigst erlaubt haben, aller höchst Ihnen gegenwärtiges Werk untertänigst zu eigen zu dürfen. E. W. Majestät sind nicht bloß Vater allerhöchst Ihrer Untertanen, sondern auch Beschützer der Künste und Wissenschaften: Und wieviel mehr muss mich also Ihre allergnädigste Erlaubnis erfreuen, da sich selbst so glücklich bin, mich als Bürger von Bonn, unter Ihre Untertanen zu zählen. Ich bitte E. W. Majestät M., dieses Werk als ein geringes Zeichen der hohen Verehrung allergnädigst anzunehmen, wie es sich allerhöchst Ihren Tugenden zolle. – E. W. Majestät untertänigst gehorsamster L. V. B.“ 96 http://www.faz.net/artikel/C31325/streit-um-beutekunst-goethe-in-krakau-3012 1272.html. (19.07.2011). 97 http://www.faz.net/artikel/C31325/streit-um-beutekunst-goethe-in-krakau-3012 1272.html. (19.07.2011). 98 Dekret über das verlassene und ehemals deutsche Vermögen vom 08.03.1946, Dz. U. Nr. 13, Pos. 87. Vgl. dazu Szczeponek, Aldona, Enteignung der Deutschen durch Polen nach dem Zweiten Weltkrieg aus polnischer und völkerrechtlicher Sicht, in: Gornig, Gilbert/Horn, Hans-Detlef/Murswiek, Dietrich (Hrsg.), Eigentumsrecht und Enteignungsunrecht. Analysen und Beiträge zur Vergangenheitsbewältigung, Teil 1. Staatsund völkerrechtliche Abhandlungen der Studiengruppe für Politik und Völkerrecht, Band 25/1, 2008, S. 187 ff. 99 http://www.faz.net/artikel/C31325/streit-um-beutekunst-goethe-in-krakau-3012 1272.html. (19.07.2011).
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wurde. Diese Anordnung hat endgültigen Charakter. Jeglicher Anspruch dritter auf diese Kulturgüter ist gänzlich grundlos und kann nicht berücksichtigt werden“.100 Weiter heißt es im Text: „Der Versuch des Formulierens solcher Ansprüche auf die Beutekunst muss schon Verwunderung und Erstaunen hervorrufen angesichts der ungeheuren Verluste, welche die deutsche Besatzungsmacht dem polnischen Kulturerbe zugefügt hatte. Die öffentliche Meinung in Polen gedenkt fortwährend der uns durch die Nazi ausgeraubten und verbrannten Bibliotheken und Archive, deren Verluste man niemals wieder ersetzen kann. Die Anmeldung irgendwelcher Ansprüche, die deutsche Kultur betreffend, muss von Polen hingenommen werden wie eine „Lust“ zum Ausradieren des Unterschiedes zwischen Täter und Opfer.“101 An anderer Stelle heißt es, es sei zu bedenken, dass die bloße gegenseitige Restitution von Kulturgütern für Polen ein sehr ungleiches Geschäft wäre. Während nämlich Polen die zurückgelassenen deutschen Schätze gerettet habe, seien die verlorenen Güter Polens von der deutschen Besatzung im Krieg sehr oft gezielt vernichtet worden. So seien etwa 80 Prozent der Warschauer Nationalbibliothek oder die KrasinskiBibliothek absichtlicher Zerstörung zum Opfer gefallen. Wenn man sich nun auf gegenseitige Restitution einigte, werde Polen möglicherweise fast nichts zurückerhalten, Deutschland aber viel.102 Man möchte daher die verbliebenen deutschen Güter als eine Art „Sachentschädigung“ behalten.103 Am 7. August 2007 wurde immerhin angekündigt, dass Gespräche über die Rückgabe der Beutekunst in angemessener Atmosphäre und unter Berücksichtigung der Anforderungen der polnischen Staatsraison abgehalten werden können.104 Unklar ist, ob dieses Angebot heute noch gilt.
___________ 100 http://polskaweb.eu/polen-erklaert-deutsche-beutekunst-zu-polnischem-eigentum. html. (07.08.2007). 101 http://polskaweb.eu/polen-erklaert-deutsche-beutekunst-zu-polnischem-eigentum. html. (07.08.2007). 102 Nach frühen polnischen Angaben wurden etwa 20 Millionen Bücher und 35.000 andere Kulturgüter zerstört oder sind vermisst. Exakt 34.362 Objekte, hierunter aber nur wenige Bücher, habe Polen bereits durch die Amerikaner kurz nach dem Kriege zurückerhalten. Hierbei soll es sich aber um Kunst gehandelt haben, welche nicht polnischen Ursprungs war, sondern aus Museen der ehemaligen deutschen Ostgebiete stammten, welche heute zu Polen gehören. http://www.politikforen.net/showt hread.php?82615Polen-will-geraubte-deutsche-Kunstwerke-als-polnische-Beutekunst (06.09.2009). 103 http://www.faz.net/artikel/C31325/streit-um-beutekunst-goethe-in-krakau-3012 1272.html. (19.07.2011). 104 http://polskaweb.eu/polen-erklaert-deutsche-beutekunst-zu-polnischem-eigentum. html. (07.08.2007). Vgl. auch http://www.politikforen.net/showthread.php? 82615Polen-will-geraubte-deutsche-Kunstwerke-als-polnische-Beutekunst (06.09.2009.).
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b) Rückgabe von in Kriegszeiten verbrachtem Kulturgut aa) Haager Landkriegsordnung Die Anwendbarkeit der Haager Landkriegsordnung von 1899/1907 wird wegen des vollständigen Siegs über Deutschland 1945 bestritten. Die Alliierten fühlten sich nicht als Besatzungsmächte, sondern übernahmen die vollständige Regierungsgewalt und übten Befugnisse aus, die weit über das hinausgingen, was einer Besatzungsmacht zusteht. Unter anderem organisierten sie Deutschland neu und setzten ihre Reparations- und Restitutionsansprüche durch. In diesem Zusammenhang ist auch die Mitnahme der Beutekunst zu sehen. Auch die nationalsozialistischen Angeklagten der Nürnberger Prozesse beriefen sich auf die Nichtanwendbarkeit der Haager Landkriegsordnung. Sie wollten sich dem Regime von 1907 aufgrund der Besonderheiten des Zweiten Weltkriegs nicht unterwerfen. Dennoch wurden die Regeln der Haager Landkriegsordnung vom Nürnberger Militärgerichtshof – und damit auch von den sowjetischen Richtern – ausdrücklich als im Zweiten Weltkrieg geltendes Recht den Urteilen zugrunde gelegt.105 Das Urteil gegen die Hauptkriegsverbrecher nimmt sogar speziell auf Art. 56 HLKO Bezug und demonstriert an dieser Bestimmung die Geltung der Normen der Haager Landkriegsordnung für Besiegte und für Sieger auch als Völkergewohnheitsrecht. Die Völkerrechtswissenschaft verfügt damit über ein unverdächtiges Zeugnis bezüglich der Geltung des Art. 56 HLKO in der Mitte des letzten Jahrhunderts. Es handelt sich also bei der Haager Landkriegsordnung nicht nur um Völkervertragsrecht, das lediglich die Vertragspartner bindet, sondern um Völkergewohnheitsrecht. Die Siegermächte konnten also die Fesseln der Haager Landkriegsordnung genauso wenig abschütteln wie Deutschland. Das in Art. 56 der Haager Landkriegsordnung ausgesprochene Verbot der einseitigen Wegnahme von Kulturgütern während und nach kriegerischen Auseinandersetzungen ist also auch in Anbetracht der Aggressionen und der großen Zahl der Opfer des Zweiten Weltkriegs anzuwenden.106
___________ 105 Der Prozess gegen die Hauptkriegsverbrecher vor dem Internationalen Militärgerichtshof Nürnberg, 14. Nov. 1945 bis 1. Okt. 1946, Bd. 1, 1947, S. 241 f., 267 ff. 106 Auch die Russländische Föderation als „Fortsetzerstaat“ der Sowjetunion ist damit grundsätzlich aufgrund des Art. 56 HLKO zur Rückgabe der Beutekunst verpflichtet. Vgl. Lukasuk, Igor Ivanovic, Rußland als Rechtsnachfolger in völkerrechtliche Verträge der UdSSR, in: Osteuropa-Recht 1993, S. 235 ff. (240).
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bb) Rechtfertigungsgründe (1) Bedingungslose Kapitulation Die bedingungslose Kapitulation kann nicht als Rechtfertigungsgrund für die Wegnahme deutschen Kulturguts herangezogen werden. Die bedingungslose Kapitulation ist lediglich eine Vereinbarung darüber, dass die Streitkräfte ihre Kampfhandlungen beenden. Sie enthält keine Aussagen bezüglich des Kulturgutes. Solche hätten allenfalls in einem Friedensvertrag mit Deutschland enthalten sein können. Der Art. 56 der Haager Landkriegsordnung setzt damit dem Sieger eine Grenze, unabhängig davon, ob die Kapitulation eine bedingungslose war oder nicht. Gerade für den Zweck der Besetzung hat das Völkerrecht in jahrzehntelanger Anstrengung bewusst Schranken für den jeweiligen Sieger gesetzt, die von diesem zu beachten sind. (2) Kunstwerke Eigentum Polens Denkbar ist das Argument, die Kunstwerke seien unterdessen Eigentum des Staates Polen geworden, in dem sie sich befinden, so dass eine Rückforderung durch die deutschen Eigentümer nicht mehr möglich sei. Diese Argumentation wird mit innerstaatlichen Rechtsakten wie mit dem polnischen Gesetz vom 8. März 1946 untermauert. Allerdings ging selbst die sowjetische TrophäenKommission davon aus, dass die Kunstwerke offiziell nicht für den dauerhaften Verbleib in der Sowjetunion vorgesehen waren. Darauf weist die Argumentation mit der notwendigen Rettungsaufbewahrung und Restaurierung von Kunstwerken hin, die sich in Dokumenten der Sowjetunion findet. Wenn also polnische Gesetze einen fiktiven Eigentumsübergang zugrunde legen, so steht diese Rechtslage nicht in Übereinstimmung mit den historischen Tatsachen und schon gar nicht mit den völkerrechtlichen Vorgaben, die eine Enteignung fremder Vermögensgegenstände nur unter engen Voraussetzungen zulassen, nämlich dass die Enteignung im Allgemeininteresse liegt, nicht diskriminiert und eine Entschädigung prompt, effektiv und adäquat gezahlt wird.107
___________ 107
Vgl. dazu Gornig, Gilbert, Eigentum und Enteignung im Völkerrecht unter besonderer Berücksichtigung von Vertreibungen, in: Schriftenreihe Geschichte, Gegenwart und Zukunft der altösterreichischen deutschen Minderheiten in den Ländern der ehemaligen Donaumonarchie, Band 6, hrsg. vom Felix Ermacora Institut, Wien 2010; ders., Eigentum und Enteignung im Völkerrecht unter besonderer Berücksichtigung von Vertriebenen, in: Gornig, Gilbert/Horn, Hans-Detlef/Murswiek, Dietrich (Hrsg.), Eigentumsrecht und Enteignungsunrecht. Analysen und Beiträge zur Vergangenheitsbewältigung, Teil 1, Staats- und völkerrechtliche Abhandlungen der Studiengruppe für Politik und Völkerrecht, Band 25/1, 2008, S. 19 ff.
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(3) Kompensation (a) Zurückbehaltungsrecht Die Siegermächte hatten aber ihrerseits Anspruch auf Restitution, d. h. auf Rückgabe der von Deutschland aus ihren Ländern abtransportierten Gegenständen und die Beseitigung von Kriegsschäden durch die Wiederherstellung des früheren Zustands. Weiterhin wird man Polen Ersatz für seine im Krieg zerstörten und verloren gegangenen Kulturgüter zugestehen müssen. Die Nationalsozialisten nahmen nämlich aus den von ihnen okkupierten Territorien die Kunstwerke mit und brachten sie nach Deutschland.108 Vor allem die Aktivitäten des „Einsatzstabes Rosenberg“ und die SS-Organisation „Ahnenerbe“ kennzeichnen das Vorgehen der deutschen Sondereinheiten in Osteuropa. Die Nürnberger Kriegsverbrecherprozesse schildern das Vorgehen der entsprechenden Einsatzgruppen in aller Deutlichkeit.109 Hitler wollte – im Übrigen wie Stalin – ein gigantisches Beutemuseum in Linz errichten. Hinzu kommt, dass in vielen Staaten Kulturgüter auch durch die Kriegsereignisse zerstört wurden. Soweit also in Deutschland noch Kulturgüter vorhanden sein sollten, die Polen gehören, könnte der polnische Staat sie mit vollem Recht zurückfordern und notfalls Deutschland gehörende Kulturgüter so lange zurückbehalten, bis sie zurückgegeben werden. Schon in der Londoner Erklärung vom 5. Januar 1943110, die sich gegen Verschleppung und Erwerb von Kulturgut aus besetzten Gebieten richtete, behielten sich die Alliierten allerdings vor, alle Transaktionen von Kulturgütern im Herrschaftsbereich der Achsenmächte für nichtig zu erklären. Infolgedessen organisierte der Alliierte Kontrollrat die Sammlung und Restitution der Kunstwerke, die von den deutschen Sondereinheiten nach Deutschland gebracht worden waren. Auf diese Weise wurden über tausend Depots der Nationalsozialisten aufgelöst, in denen die geraubten Kunstschätze versteckt waren. Sie wurden in vier zentralen Sammelpunkten der West-Alliierten zusammengetragen und in ihre Herkunftsländer zurücktransportiert.111 So wurden viele Hunderttausende ___________ 108 Vgl. Eichwede, Wolfgang/Hartung, Ulrike, Sowjetische Kulturgutverluste im Zweiten Weltkrieg. Zahlen, Odysseen und Rätsel, in: Osteuropa 1998, S. 225 ff. 109 Der Prozeß gegen die Hauptkriegsverbrecher vor dem Internationalen Militärgerichtshof Nürnberg, 14. Nov. 1945 bis 1. Okt. 1946, Bd. 1, 1947, S. 59 ff., 267 ff. 110 Text: Fiedler, Wilfried (Hrsg.), Internationaler Kulturgüterschutz und deutsche Frage, 1991, S. 282 f. 111 Vgl. hierzu Kurtz, M. J., Nazi-Contraband. American Policy of the Return of European Treasures, 1945-1955, 1958, S. 163; Engstler, Ludwig, Die territoriale Bindung von Kulturgütern im Rahmen des Völkerrechts, 1964, S. 149 f.; Fiedler, Wilfried, Kulturgüter als Kriegsbeute? Rechtliche Probleme der Rückführung deutscher Kulturgüter aus Rußland, 1995, S. 7.
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von Kunstwerken in die Sowjetunion zurückbefördert, ohne dass ihre Rückgabe nochmals mühsam verhandelt werden musste. Es befinden sich daher zurzeit keine nennenswerten polnischen Kunstwerke mehr in Deutschland. Allerdings ist unklar, ob die von den Deutschen geplünderten bzw. weggenommenen Kunstwerke auch wieder an ihren Herkunftsort zurückgebracht wurden. Es ist nicht auszuschließen, dass geraubte polnische Kulturgüter in die Sowjetunion gebracht wurden. Diese Ungewissheiten müssten in völkerrechtlichen Verträgen zwischen Polen und Russland ausgehandelt werden. (b) „Restitution in kind“ Bezüglich zerstörter und verschollener Kulturgüter, die sich nicht neu herstellen lassen, wird im Völkerrecht eine besondere Form der Ersatzleistung diskutiert, nämlich die „restitution in kind“, also das Hergeben eines gleichartigen und gleichwertigen Stückes aus dem Fundus der eigenen Kunstgegenstände. Das Völkerrecht lehnt aber den Gedanken der „restitution in kind“ im Zusammenhang mit Kulturgütern ab. Von den Hauptsiegermächten befürwortete allein Frankreich die Verwendung von deutschen Kulturgütern generell zu Reparationszwecken und ein weitgehendes restitution-in-kind-Programm.112 Daneben haben einige kleinere europäische Staaten nach Kriegsende eine weitgehende restitution in kind-Lösung angestrebt. Die Praxis des Alliierten Kontrollrats hat eine solche generelle „restitution in kind“ aber nie gedeckt. Vielmehr sprachen sich insbesondere die USA und das Vereinigte Königreich ausdrücklich dagegen aus. So erkannten auch die Vereinigten Staaten nach 1945, dass Hitlers Verbrechen nicht durch eine Konfiszierung deutscher Kulturgüter und Kunstwerke kompensiert werden könne.113 Es sei nicht ersichtlich, warum etwa deutsche Kulturgüter aus den vergangenen Jahrhunderten geeignet sein sollten, polnische Kriegsverluste in angemessener Weise auszugleichen. Der Verlust an eigener kultureller Identität kann also nicht dadurch ausgeglichen werden, dass die Kulturgüter eines anderen Staates oder eines fremden Volkes die aufgetretenen Verluste auffangen.114 Aus diesem Grund fehlt auch die Idee der Kompensation im Wortlaut des Art. 16 des ___________ 112 Vgl. auch Turner, Stefan, Das internationale Kulturgüterrecht und die Zerstreuung des deutschen Kulturbesitzes nach dem Zweiten Weltkrieg, in: Fiedler, Wilfried (Hrsg.), Internationaler Kulturgüterschutz und deutsche Frage, 1991, S. 109 ff. (123). 113 Vgl. Turner (Anm. 112), in: Fiedler, S. 119 ff. So nahmen auch amerikanische Kunstschutzoffiziere am 07.11.1945 von Wiesbaden aus gegen den Abtransport deutscher Kulturgüter in die USA Stellung. 114 So auch Fiedler, Wilfried, Vom territorialen zum humanitären Kulturgüterschutz. Zur Entwicklung des Kulturgüterschutzes nach kriegerischen Konflikten, in: Fechner, Frank/Oppermann, Thomas/Prott, Lyndel V. (Hrsg.), Prinzipien des Kulturgüterschutzes. Ansätze im deutschen, europäischen und internationalen Recht, 1996, S. 170.
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Nachbarschaftsvertrags von 1990. Zwischen Restitution und Kompensation besteht also ein Widerspruch.115 c) Resümee Polen ist somit völkerrechtlich verpflichtet, die aus Deutschland abtransportierten Kulturgüter zurückzugeben, auch in Anbetracht der großen Schuld, die Deutschland im Zweiten Weltkrieg auf sich geladen hat. Es geht im Übrigen aber in diesem Streit nicht nur um ein deutsch-polnisches Problem, sondern um die Frage, ob eine Entwicklung des Völkerrechts, die eindeutig zum Ausdruck bringt, dass Kriegsbeuterecht der Vergangenheit angehören müsse und die Verwertung von Kriegsbeute im Sinne einer eigennützigen Kultur- und Museumspolitik humanitären Gedanken widerspreche, um hundert Jahre zurückgeworfen wird. Deshalb haben auch andere Staaten ein Interesse daran, dass Deutschland von Polen und anderen Staaten die Beutekunst zurückerhält.116 Polen selbst fordert von Russland die Rückgabe der Beutekunst!117 Mit einer Herausgabe würde der Tatsache Rechnung getragen, dass das internationale Recht seit Beginn des letzten Jahrhunderts das Kulturgut eines Staates in besonderer Weise schützt, weil es die historische Leistung eines Volkes und eines Staates repräsentiert und die Identität eines Volkes historisch symbolisiert. Leider hat Polen die im Nachbarschaftsvertrag verabredeten Gespräche 2005 abgebrochen und nicht wieder aufgenommen.118
III. Schluss Deutschland und Polen verbindet heute eine gute Nachbarschaft. Die Generationen, die nicht mehr den Krieg erlebt haben, werden diese Nachbarschaft zu einer tiefen Freundschaft ausbauen. In den letzten zwanzig Jahren wurden bereits große Fortschritte erzielt. Polen hat in seinen Gesetzen einen vorbildlichen ___________ 115
Fiedler (Anm. 111), S. 28. Erfreulich ist insoweit eine Grundsatzentscheidung des Londoner High Court vom November 1998, in der die Verjährung von Kunstdiebstählen während und nach dem Zweiten Weltkrieg zurückgewiesen wurde, FAZ vom 04.11.1998, auch vom 11.09.1998. 117 Die sogenannten „Trophäenkommissionen“ der Sowjetarmee durchkämmten noch nach dem Ende des Krieges polnische Museen. Während die DDR rund die Hälfte der Kunstwerke zurückbekam, zeigte sich Moskau gegenüber Warschau wenig großzügig. Zwar konnten in zähen Verhandlungen vor allem während der 50er Jahre viele Stücke zurückgeholt werden, doch vieles gilt noch heute als verschollen. Im Jahr 1996 beschloss die russische Duma ein Gesetz, das die Beutekunst zum Eigentum Russlands erklärte. Vgl. Der Tagesspiegel vom 23.10.2009. http://www.tagesspiegel.de/weltspiegel/polen-fordert-beutekunst-von-russland-zurueck/1620464.html. 118 http://www.faz.net/artikel/C31325/streit-um-beutekunst-goethe-in-krakau-3012 1272.html. (19.07.2011). 116
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Minderheitenschutz verankert. Deutschland erwartet aber noch die Rückgabe einiger als Folge des Krieges von Polen erbeuteter Kunstgegenstände. Schmerzhaft muss aber der Reisende in Polen immer wieder erfahren, dass in den Stadtführern der einst zu Deutschland gehörenden Städte häufig die deutsche Vergangenheit der Gebiete ausgeblendet wird. Es ist dann nur von den Einwohnern Wroclaws die Rede, obwohl es solche vor 1945 nicht gab. Schließlich sei an Danzig erinnert: Da nach dem Inkrafttreten des Zwei-PlusVertrages mit einem Friedensvertrag nicht mehr zu rechnen ist, die Bundesrepublik Deutschland ihre Zuständigkeit für die annektierte Freie Stadt Danzig verneint, obwohl sie den Danzigern neben deren eigener Staatsangehörigkeit auch die deutsche Staatsangehörigkeit verliehen hat, ist bisher eine völkerrechtliche Lösung für die Danziger ausgeblieben.119 Zur guten Nachbarschaft gehört auch, dass man sich endlich der Probleme der Danziger annimmt. Diese Kritik gilt beiden Seiten: der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Polen. * * *
Abstract Gilbert H. Gornig: Jurisprudential examination of the rules on minority rights and care for cultural heritage, which grew out of the Neighbourship Treaty. In: 20 years of German-Polish Neighbourship Treaty – Samples from realpolitik of continuing transnational understanding, ed. by Gilbert H. Gornig, Hans-Detlef Horn and Hans-Günther Parplies (Berlin 2013), pp. 67–103. Today, Germany and Poland have good relations. The generations which did not experience the war will develop this good relationship into a deep friendship. Much progress has already been made in the last twenty years. Poland has anchored a commendable protection of minorities in its laws. Germany however, still anticipates the return of some works of art which were captured by Poland as a consequence of the war. The traveller in Poland must painfully discover time and time again, that in the guides to the cities which once belonged to Germany, the German past of the area has been omitted. German history is then only a topic of conversation for the inhabitants of Wroclaw, although it did not exist before 1945 (Wroclaw was formerly named Breslau and was a part of Germany). Finally Danzig should be remembered: Since a peace treaty is not to be expected after the Two-Plus Treaty comes into effect, the Federal Republic of Germany rejects its responsibility for the annexed free city of Danzig. Although Germany awarded the inhabitants of Danzig German citizenship alongside their ___________ 119
Böttcher, Hans Viktor, Leserbrief FAZ vom 04.05.2011, S. 15.
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own citizenship, until now a solution for the inhabitants of Danzig under international law has not been found. In the interests of good relations the problems of Danzig should finally be embraced. This critique applies to both sides: the Federal State of Germany and the Republic of Poland.
Zur aktuellen Situation der deutschen Volksgruppe in Polen Von Bernard Gaida Um die gegenwärtige Lage und die Erwartungen der deutschen Volksgruppe in Polen zu verstehen, muss man deren Schicksal betrachten und einige wichtige Aspekte berücksichtigen. Diese Vorgehensweise führt direkt zu den Folgen des Zweiten Weltkrieges. Unabhängig davon, welche Schicksale uns, die deutsche Volksgruppe in Polen, oder unsere Vorfahren widerfuhren, ist es eine Tatsache, dass wir unsere Heimat nicht wechselten und nicht die Grenze überschritten – vielmehr überschritt die Grenze uns. Wir dürfen nicht vergessen, dass der westliche und nördliche Teil des heutigen Polen bis 1945 deutsch war. Der fürchterliche Krieg, der leider von den Deutschen veranlasst wurde, hatte zur Folge, dass nach der Flucht vor der Front, der Vertreibung vor der Potsdamer Konferenz und schließlich den Vertreibungen und Aussiedlungen nach der Potsdamer Konferenz einige der mehreren Millionen Bewohner Ostpreußens, Pommerns, Ostbrandenburgs und Schlesiens blieben. Während der ganzen Nachkriegszeit siedelten dann ununterbrochen Personen mit deutscher Abstammung nach Deutschland um – bis heute.
I. Das Leben der Deutschen in Polen unter kommunistischer Herrschaft Die Gesellschaft in Polen wurde in den Jahren 1945 bis 1989 einer besonderen Assimilierungspolitik unterzogen, die in der Aussiedlung derjenigen zum Ausdruck kam, die als Deutsche anerkannt wurden, ferner in dem strengen Verbot, die deutsche Sprache zu erlernen oder in der Öffentlichkeit wie auch zu Hause zu gebrauchen. Diejenigen, die gegen das Verbot verstießen, wurden bestraft oder in besondere Lager gesperrt – es gab nach dem Krieg ca. 206 solcher Lager in Polen. Weiterhin erfolgten amtliche und unter Zwang durchgeführte Änderungen der deutschen Vor- und Nachnamen, die Zerstörung der deutschen Inschriften auf Schildern, Grabsteinen und Alltagsgeräten, die Zerstörung von deutschen Büchern und Denkmälern, das Verbot von deutscher Unterhaltungsmusik und klassischer Musik – nicht jeder weiß, dass einige Jahre nach dem Krieg zum Beispiel Richard Wagner verboten wurde. Dieser Vernichtungsprozess der materiellen Spuren deutscher Vergangenheit dauerte bis in die siebziger Jahre und darüber hinaus an. Die deutsche Gesellschaft im polnischen Staat,
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der durch den Eisernen Vorhang vom demokratischen Europa abgesondert war, lebte von ihrer eigenen kulturellen Identität komplett getrennt. Das eigene Zuhause war der einzige Ort, an dem man die Sprach- und Kulturidentität aufbauen und erhalten konnte, jedoch im ständigen Bewusstsein der drohenden Repressalien. Die Assimilierungspolitik forderte die Ausrottung der deutschen Sprache in den Gesellschaftsbereichen, in denen sie traditionell gesprochen wurde. Von einer nationalen Minderheit konnte damals selbstverständlich noch nicht die Rede sein, somit auch nicht von einer Minderheitensprache. Die deutsche Sprache wurde in den Schulen auch nicht als Fremdsprache angeboten. Von 1945 bis 1989 gab es in ganz Schlesien nur eine einzige Oberschule, nämlich in Kattowitz, in der man die deutsche Sprache erlernen konnte. Trotz des Gefühls der sozialen Ausgrenzung bemühten sich die in Polen lebenden Deutschen, auf konfliktfreie Weise am Leben der eigenen Umgebung teilzuhaben. Unserer Vorfahren Fleiß, die Toleranz gegenüber Ankömmlingen sowie die von unseren Familien stets verkörperte christliche Lebensart waren es, die dem weit propagierten Vorurteil gegenüber den Deutschen positiv entgegenwirkten. Alle deutschen Familien bauten durch ihr Leben und Zusammenleben mit den polnischen Nachbarn, durch ihre Haltung, ihre Hilfsbereitschaft und ihre täglichen Gespräche eine große Zahl von Brücken zwischen Deutschen und Polen. Auch und besonders in den Zeiten, in denen es noch keine offiziellen deutsch-polnischen Beziehungen gab, errichteten die nationalen Minderheiten im täglichen Leben Verständigungsbrücken, obwohl die Politik dem widersprach. Der Brief der polnischen an die deutschen Bischöfe mit dem Satz „Wir vergeben und bitten um Vergebung“ war für uns Deutsche ein Meilenstein. Für diese Worte sind wir bis heute der katholischen Kirche dankbar, denn trotz der Propagandawelle der Staatskritik wurden sie für viele polnische Bürger zum Durchbruch, weil sie die deutsch-polnischen Verhältnisse zum allerersten Mal nach dem Kriege neben der politischen auch auf die Ebene des moralischen Denkens stellten. Für uns war es ein Zeichen für die Möglichkeit, unsere Geschichtserinnerung in die Gesellschaft einzubringen, obwohl dies bis heute mehr ein Postulat geblieben ist. Nur kurz sei die Lage der Deutschen dargestellt, in der sie über zwei Generationen in Polen zu leben hatten. Die kommunistische Zeit war für alle Menschen in Polen, nicht nur für die deutsche Minderheit, eine harte Zeit, eine Zeit der Unterdrückung, ohne Demokratie, ohne Meinungsfreiheit und ohne Vereinsfreiheit, mit einer nationalisierten Wirtschaft. Mit dieser Vergangenheit unterscheidet sich die deutsche Minderheit grundsätzlich von anderen in Europa lebenden Minderheiten. Nicht zu vergleichen ist die deutsche Minderheit in Polen mit der deutschen Minderheit in Dänemark, obwohl dies oftmals geschieht, denn diese lebte nach dem Krieg in einem demokratischen Staat. Um unsere Situation zu verstehen, muss man die Jahre 1945/1989 betrachten. Es gibt viele Bereiche, in denen die Geschichte Spuren hinterließ.
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II. Das Leben der Deutschen in Polen nach der Wende Die Zeit nach 1989 wurde für die Deutschen in Polen revolutionär. Es kam zu einer Veränderung, von der unsere Großväter nur träumen konnten. Es wurde möglich, als bekennender Deutscher in einem Polen zu leben, in dem die demokratische Ordnung Europas nach dem Krieg gewährleistet wird. Die bereits erwähnten jahrelang erbauten Brücken zwischen den Deutschen und Nachbarn erlitten eine leichte Erschütterung, als sich die bekannten deutschen Wurzeln in die Zugehörigkeit zu den Strukturen der deutschen Minderheit umformten. Die Brücken hielten jedoch stand. In den Gemeinden kam es zu keinen Unruhen. Wenn bei den Kommunalwahlen überwiegend Deutsche in die Gemeinderäte gewählt wurden oder in mehreren Pfarreien deutsche Heilige Messen und Gottesdienste eingeführt wurden, so war die menschliche Seite dieser Änderungen die wichtigere. Ich kann mich noch daran erinnern, dass bei der ersten deutschen Maiandacht nach dem Krieg die Kirche meiner Gemeinde in Guttentag überfüllt war und den Männern sogar Tränen in den Augen standen. Ich erwähne dies, weil die Bemühungen um die Einführung deutscher Gottesdienste gerade in der Zeit, in der man von dem polnischen Primas in Deutschland hörte, dies sei nicht nötig, da es keine deutsche Minderheit gebe, einen enormen Beitrag zum Bau der Verständigungsbrücken leistete. Das verlieh der deutschen Minderheit einen christlichen Charakter und stärkte uns durch die Autorität der Kirche, baute aber auch das Bewusstsein der Einheit im Glauben auf, der uns ja gänzlich mit unseren polnischen Mitbürgern zu einer Gemeinschaft verbindet. Dank der Anstrengungen vieler Menschen, Verbände und Kommunalpolitiker aus der deutschen Minderheit konnte eine große Anzahl von Partnerschaften der Woiwodschaften, Kreise, aber auch der Schulen und Vereine mit deutschen Partnern entstehen, und dies trotz der vielen Bedenken, besonders gleich nach der Wende, und zwar nicht nur von der polnischen Seite. Sehr oft mussten wir zuerst den Widerstand der deutschen Politiker brechen, da diese der Meinung waren, deutsche Gemeinden sollten eine Partnerschaft mit einer polnischen Gemeinde und nicht mit der deutschen Minderheit vereinbaren, da das als politisch unkorrekt angesehen werden könnte. Das Bewusstsein, dass wir als Deutsche ein Stolperstein auf dem Weg zu einer Partnerschaft mit einer deutschen Gemeinde seien, war für uns eine überraschende Erfahrung, aber sie war da. Zum Glück entstanden sehr viele solcher Partnerschaften und wurden zu einem festen Schlussstein in der entstehenden Verständigung zwischen den Nationen. Hierdurch und durch viele andere Tätigkeiten gewann die deutsche Volksgruppe großen Einfluss auf die regionale Entwicklung und die Europäisierung Polens. Polenweit verfügen die Strukturen der Volksgruppe über ca. 500 Begegnungsstätten verschiedener Art. Wir Deutsche sind heute in allen Regionen Polens, die bis 1945 innerhalb der Grenzen Deutschlands gelegen waren, vertreten. Natürlich leben die meisten Deutschen in Oberschlesien, wo im Oppelner Bezirk 320 und in dem Kattowitzer Bezirk 120 Begegnungsstätten
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existieren. Die restlichen sind auf Niederschlesien, Pommern und Ostpreußen verteilt. Die nächstgrößere Siedlung der Deutschen liegt in Ostpreußen und zählt ca. 25 Vereine. Eine nationale Minderheit zu definieren, ist immer äußerst schwierig, besonders dann, wenn es um Zahlen und Identitäten geht. Die Zahlen sind unterschiedlich und abhängig von der Quelle sowie den bei der Erfassung angewandten Kriterien. Es ist dabei wichtig zu erwähnen, dass jede Zahl mit potenziellen Fehlern belastet ist. Wenn wir über die Anzahl der zahlenden Mitglieder der deutschen Volksgruppe sprechen, dann sind es ca. 80.000 Menschen. Ca. 150.000 Personen haben die deutsche Nationalität in der Volkszählung des Jahres 2002 deklariert. Gleichzeitig aber haben ca. 800.000 Bürger Polens keine Nationalität angegeben. Wir selber schätzen die deutsche Volksgruppe auf ca. 300.000 Menschen. Die oben genannten Tatsachen deuten bereits auf enorme Unterschiede in den Befindlichkeiten der Volksgruppe in den einzelnen Regionen hin. So ist die deutsche Gemeinschaft in der Oppelner Region mit ihren 320 Begegnungsstätten und ca. 45.000 zahlenden Mitgliedern unter völlig anderen Bedingungen tätig als die Gruppen in Pommern oder Niederschlesien, wo ein einzelner Verein, wie in Hirschberg, 80 Mitglieder umfasst. Obwohl in Ostpreußen ca. 16.000 bis 20.000 Deutsche leben, sind sie doch in 25 Vereinen unterschiedlicher Größe organisiert, wobei die jeweiligen Gruppen sehr zersplittert sind. Es ist zweifellos ein Unterschied, ob ein paar Hundert Menschen aus einem einzigen Dorf kommen oder aus dem ganzen Kreis, doch versuchen alle diese Gruppen, sich kulturell und gemeinschaftlich zu betätigen. Die Rechte von Minderheiten werden von internationalen Gesetzen oder Konventionen geregelt. In dem deutsch-polnischen Fall bilden beidseitige Verträge die gesetzliche Basis der deutschen Minderheit. Vor 20 Jahren wurde der deutsch-polnische Nachbarschaftsvertrag unterschrieben, dem im November 1990 ein Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Polen über die Bestätigung der zwischen ihnen bestehenden Grenzen vorangegangen war. Der Vertrag befasst sich in einigen Artikeln mit dem Problem der deutschen Minderheit in Polen und der deutschen Staatsbürger mit polnischer Herkunft. Um die Bedeutung des Dokuments richtig zu verstehen, möchte ich nur auf die Präambel verweisen. Dort steht, dass der Vertrag entstanden ist, um die leidvollen Kapitel der Vergangenheit abzuschließen und um an die guten Traditionen und das freundschaftliche Zusammenleben in der jahrhundertelangen Geschichte Deutschlands und Polens anzuknüpfen. Die wichtigen Passagen in der Präambel verpflichten zur gewissenhaften Vertragsumsetzung. Denn wie man weiß, ist es leichter, eine Deklaration zu verfassen, als diese umzusetzen. Wir stellen auch fest, dass man recht leicht gesetzliche Regelungen aufstellt, es aber viel schwieriger ist, den Geist der Regeln im alltäglichen Leben umzusetzen. Hinsichtlich der Umsetzung der Verträge in Bezug auf die Rechte der deutschen Minderheit sei vor allem darauf hingewiesen, dass es einen Unterschied zwischen dem rechtlichen Status der
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deutschen Minderheit in Polen und der Wirklichkeit gibt. Artikel 21 des Nachbarschaftsvertrages setzt voraus, dass die Vertragsparteien die ethnische, kulturelle, sprachliche und religiöse Identität der in Artikel 20 Absatz 1 genannten Gruppe auf ihrem Hoheitsgebiet schützen und die Bedingungen für die Förderung dieser Identität schaffen werden. Sie erkennen die besondere Bedeutung einer verstärkten konstruktiven Zusammenarbeit in diesem Bereich an. Diese soll das friedliche Zusammenleben und die gute Nachbarschaft des deutschen und des polnischen Volkes verstärken und zur Verständigung und Versöhnung zwischen ihnen beitragen. Bevor aber Polen in die EU eintrat, verlangte die EU bei der Erweiterung von allen neuen Mitgliedern die volle Akzeptanz des juristischen Erbes, insbesondere im Bereich der Menschenrechte und der damit verbundenen Rechte der nationalen Minderheiten. Diese Prinzipien umfassen das Rahmenübereinkommen zum Schutz nationaler Minderheiten, das von allen Mitgliedern unterzeichnet wurde. Leider ist das, was man über die Bestimmungen weiß, vielfach nur das Diskriminierungsverbot. So groß wie Europa auch ist, man findet immer noch Länder, wo alles andere vergessen wird und selbst der Begriff Diskriminierung tendenziell beschränkt wird. Kurz gesagt verpflichtete sich Polen mit der Ratifizierung der Konvention im Jahr 2000 nicht nur zur allgemeinen Nicht-Diskriminierung und Förderung der Gleichheit, sondern auch zur Bewahrung der Bedingungen für die Entwicklung der Kultur, Sprache und Traditionen, zum freien Zugang zu den Medien und deren Nutzung durch die Minderheit, zur Ermöglichung der Ausbildung in der Minderheitensprache und zum Verbot einer erzwungenen Assimilierung. Erst vor zwei Jahren ratifizierte Polen die Europäische Charta der Regionaloder Minderheitensprachen. Im Februar 2011 besuchte uns ein Expertenausschuss des Europarats, um den Stand der Dinge zu prüfen. Das freute uns, da Polen mit der Ratifizierung der Charta eine viel weitergehende Philosophie aufgreift, als diese in der bisherigen Minderheitengesetzgebung steckt. Kurz gesagt hat Polen die deutsche Sprache als Kulturgut angenommen. Mit der Charta verpflichtete sich Polen, für die Anerkennung des Deutschen als Ausdruck des kulturellen Reichtums und für die Respektierung des Verbreitungsgebiets der deutschen Sprache einzutreten. Das Besondere dabei ist, dass Polen es als Pflicht akzeptiert, entschlossen bei der Förderung des Deutschen vorzugehen, um es so zu schützen. Polen verpflichtet sich, jede ungerechtfertigte Unterscheidung, jedes Ausschlusskriterium oder jede Einschränkung zu beseitigen, die den Gebrauch der deutschen Sprache betrifft und hierauf ausgerichtet ist. Es verpflichtete sich, besondere Maßnahmen zugunsten des Deutschen zu ergreifen, welche die Gleichstellung der Sprachen der Deutschen und der Sprachen der übrigen Bevölkerung fördern solle. Unterricht sowie Pflege von Geschichte und Kultur, die in der deutschen Sprache ihren Ausdruck finden, wurde ebenfalls versprochen. Die Philosophie der Charta muss aber erst noch verinnerlicht werden. Es gibt viele Politiker und Wissenschaftler in Polen, die genau dies betonen. Die Philosophie wird vielfach immer noch nicht richtig verstanden. Die meisten Pflichten stehen noch als Aufgabe vor Polen. Hinsichtlich
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der deutschen Sprache hat Polen in den Gebieten, in denen Deutsch gesprochen wird, unter Berücksichtigung der jeweiligen Situation der deutschen Sprache seine Politik, Gesetzgebung und Praxis auszurichten. Seither wurden in Polen viele Rechte der nationalen Minderheiten in nationalen Gesetzen des Staates geregelt, so die Angelegenheiten der Vermittlung der Minderheitssprache, der zweisprachigen Ortsnamensschilder und der Minderheitensprache als einer Hilfssprache im administrativen Bereich. Jedenfalls bietet nach jahrelangen Bemühungen das Gesetz den Minderheiten viele Möglichkeiten. Ein Beispiel für den Einfluss der Nachkriegsgeschichte auf den jetzigen Zustand ist unsere schwierige sprachliche Situation, die durch den konkreten Verlust des deutschsprachigen Schulunterrichts und die Zerstörung der deutschsprachigen Bibliotheken, die drohenden Repressalien und spätere gesellschaftliche Ausgrenzung wegen der Kenntnis und Verwendung der deutschen Sprache verursacht wurde. Der Mangel an deutschsprachigen kulturellen Überlieferungen bewirkte den Verlust der deutschen Identität. Nur die Ältesten besuchten noch eine deutsche Schule. Letztendlich entsprechen bestimmte gesetzliche Lösungen trotz der theoretisch korrekten Voraussetzungen nicht dem Tatbestand. So heißt es im Gesetz, Kindergärten, Schulen und öffentliche Einrichtungen ermöglichten den Schülern der nationalen und ethnischen Minderheiten, ihre nationale und ethnische Identität durch das Erlernen der Minderheitssprache und die Aneignung der eigenen Geschichte und Kultur zu erhalten und zu stärken. Bedauerlicherweise bezieht sich unsere Realität mehr auf die Wiederaufnahme der deutschen Sprache in unserem Alltag, der dreistündige Unterricht des Deutschen als Minderheitensprache ist nicht ausreichend. Für diese Möglichkeit sind wir, besonders direkt nach der Wende, sehr dankbar gewesen, aber man darf nicht vergessen, dass die Unterrichtsmethode wie auch die Zahl der Unterrichtsstunden nicht ausreichend ist und auch dann nicht ausreichend wäre, wenn die Realität der Voraussetzung entspräche, dass die Kinder mit umgangssprachlichen Kenntnissen in die Schule kämen. Ohne die Gründe und Einzelheiten zu analysieren, sei zudem hervorgehoben, dass es keine deutschen Kindergärten und Grundschulen in den Siedlungsgebieten der deutschen Minderheit gibt. Dank der gesetzlichen Regelungen ist der deutschen Volksgruppe der Zugang zu den Medien garantiert. Trotz der gesetzlichen Regelungen in diesem Bereich ist der Zugang zu den Medien in Polen tatsächlich aber nach wie vor sehr beschränkt. Alle Minderheiten in Polen, und das sind mehrere – vergleichbar mit der deutschen Minderheit sind noch die Ukrainer, Weißrussen, Litauer –, bringen stets das Gleiche vor, nämlich dass die Beschränkungen immer noch zu groß sind. Die Programme und Berichte für und über die deutsche Minderheit in den Radio- und Fernsehprogrammen sind sehr kurz – 10 Minuten, 15 Minuten, 20 Minuten. Und leider sind es ausschließlich regionale Sendungen. Allein schon die Tatsache, dass die Minderheitenproblematik auf die regionalen Medien beschränkt ist, empfinden wir als grundsätzlich falsch. Wenn eine grö-
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ßere Akzeptanz für die Minderheit in der polnischen Bevölkerung erreicht werden soll, muss diese Thematik auch in den landesweiten Medien zu finden sein. Nur auf diese Weise kann die Bildungsaufgabe der Minderheit erfüllt und die Tatsache der Existenz von Minderheiten als Bereicherung für die Mehrheit verstanden werden. Die sprachliche Situation und die Folgen des Sprachverbots (Angst, Verlernen, fehlende schulische Kenntnisse, schrumpfende Gesellschaft durch Auswanderungen) haben zu einer schwierigen sprachlichen Lage in deutschstämmigen Familien geführt, d. h. es fehlt an Deutsch als Familiensprache, Muttersprache, Alltagssprache. Leider ging es bei der Assimilierungspolitik vor der Wende sehr oft darum, die deutsche Bevölkerung so zu betrachten, dass man dem Vorurteil gerecht wurde, das lautete:, „Wie die Welt eine Welt ist, wird der Deutsche dem Polen nie ein Bruder sein“. Die Bevölkerung fügte sich der Assimilierung und erhob dagegen keinen Protest. Mit Verständnis und Einwilligung sollte man die kollektive Verantwortung für die Vergangenheit auf die eigenen noch unschuldigen Schultern nehmen und akzeptieren. Man lebt noch immer im Schatten der damaligen Situation. Um dies zu verstehen, möchte ich ein Beispiel geben: Als mein Bruder knapp ein halbes Jahr vor dem Schulbeginn begann Polnisch zu lernen und mit einem deutlich deutschen Akzent in die Schule kam, wurde er von einer der Lehrerinnen gerufen „Du Hitlerjunge“. Es waren bereits fast 20 Jahre seit dem Krieg vergangen. Im Jahre 1990 wurde ich zum Vorsitzenden des Gemeinderates meiner Stadt Guttentag gewählt. Im Archiv fanden wir damals einen Ordner, der voll war von Strafmandaten für das Deutschsprechen, auch zu Hause. Es gab recht saftige Geldstrafen, die, wie mir der damalige polnische Bürgermeister erklärte, die Betroffenen vor der Deportation ins Zwangsarbeitslager geschützt hatten. Natürlich erforderte die Polonisierung einen Ausschluss der deutschen Sprache aus dem alltäglichen Gebrauch in den Gebieten, in denen die Bevölkerung verblieben war, die traditionell die deutsche Sprache benutzte. Nicht nur in der Schule war die Sprache verboten, sondern auch privat. Noch in den siebziger Jahren, hieran kann ich mich noch gut erinnern, versuchte der Direktor eines Kulturhauses in Guttentag einen Deutschkurs einzurichten. Er stieß auf großes Interesse der Bewohner. Darauf organisierte er einen Deutschlehrer, hing Plakate mit der Bekanntmachung aus und bekam auf einmal Besuch von den Herren der Geheimpolizei, die ihm mit dem Verlust seiner Stelle drohten, falls er den langjährigen Polonisierungsaufwand untergraben wolle. Der Kampf gegen die Sprache hatte einen enormen Einfluss auf die Identitätsproblematik der deutschen Volksgruppe. Aber nicht nur für die Sprache selbst gilt es sich heute einzusetzen: Den Geschichtsunterricht gaben wir jüngst im Rahmen des sog. Runden Tisches – diese Gruppe hat sich in verschiedenen Konstellationen mehrmals in der Zeit zwischen Februar 2010 und 2011 getroffen – als sehr großes Problem an. Der Unterricht wird in Polen zentral koordiniert, was dazu führt, dass die Schulbücher in ganz Polen einheitlich sein müs-
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sen. Es gibt zwar rechtlich die Möglichkeit, dass Minderheiten in ihrem Siedlungsgebiet für ihre Gruppe einen ergänzenden Geschichtsunterricht anbieten, aber dies ist unseres Erachtens nicht die Lösung des Problems. Es ist nämlich wichtig, dass nicht nur die Kinder und Jugendlichen der Minderheit mehr über die Geschichte ihres Vaterlandes wie auch ihrer Heimat erfahren. Es sollen ebenso die Kinder der Mehrheitsbevölkerung dies tun können, denn nur dann ist ein wirklicher Versöhnungsprozess bei der gleichzeitigen Stärkung der Identität der Minderheit möglich. Leider wurde eine solche Lösung in der Bildungspolitik bislang nicht berücksichtigt. Ein Problem bilden auch die polnischen Schulbücher zum Geschichtsunterricht, in denen, wie aus unseren Internet-Untersuchungen hervorgeht, nach wie vor manche Mythen über die Deutschen und ihre Geschichte zu finden sind, vor allem beispielsweise über die Volksabstimmung von 1921 und den Zugehörigkeitsstatus der Regionen zum Deutschen Reich, wobei für Schlesien meist das Wort „Teilungsgebiet“ zu finden ist. Schlesien darf nicht in dieser Weise bezeichnet werden. Wenn die deutsche Geschichte der Region, in der man aufwächst, im Unterricht fehlt, kann dies zu einer weiteren ungewollten Assimilierung führen. Es sei betont, dass vor der Wende die Politik gegenüber der deutschen Minderheit, auch in der Bildung, durch die Mehrheit selbst beeinflusst wurde. Die Folgen müssen wir alle bekämpfen. Ich bitte darum, uns als deutsche Minderheit nicht abstrakt zu nehmen. Wir sind Teil der Gesellschaft und genau so von der Mehrheit zu betrachten, mit einer Geschichte, die bereichert. Die Akzeptanz einer deutschen Erinnerungskultur ist in der polnischen Bevölkerung immer noch sehr niedrig. Beispiele dafür sind Äußerungen vieler Politiker sowie die Intensität der Diskussion in jeglichen Internet-Foren bei Ereignissen, die mit dem Wiederaufbau eines deutschen Denkmals zu tun haben oder mit der Enthüllung einer Tafel, die den deutschen Opfern eines Krieges gewidmet ist. Man kann beobachten, dass sich die polnischen Regierungsvertreter bei solchen Ereignissen eher zurückhalten oder aber sie von der Minderheit ein Kompromissverhalten fordern, das mit dem gesetzlichen Stand der Dinge nichts zu tun hat. Die Denkmalfrage in unseren Gebieten ist rechtlich nicht geregelt. Als Beispiel sei eine Einweihung von Tafeln in Krascheow genannt: Auf Denkmälern, aber auch auf Grabsteinen für die deutschen Soldaten des Zweiten Weltkriegs darf man das Wort „Gefallene“ nicht verwenden. Deswegen muss man z.B. schreiben „die von der Front nicht zurückgekehrt sind“. Man versucht, verschiedene andere Formulierungen zu suchen. Vergleichbares gilt für Denkmäler der deutschen Architektur: Bei der Renovierung von solchen Denkmälern gibt es immer wieder Schwierigkeiten, wenn derjenige, der die Renovierung vornimmt, auf die deutsche Geschichte des Ortes hinweisen möchte. Hervorgehoben sei, dass diese Probleme nichts mit der Minderheit zu tun haben, denn es gibt immer wieder Fälle, und Gott sei Dank immer mehr Fälle, in denen Menschen der Mehrheitsbevölkerung die wahre Geschichte eines Ortes oder eines Gebäudes dokumentieren möchten. So gab es etwa Probleme bei der Renovierung eines Mietshauses in Kamien Pomorski, als über dem Eingang die Inschrift „Gott mit
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uns“ freigelegt wurde, oder auch bei der Wiederherstellung eines Denkmals aus dem Ersten Weltkrieg in Breslau auf Initiative der jetzigen polnischen Einwohner. Ich möchte betonen, dass unseres Erachtens nicht die gesetzlichen Rahmenbedingungen das größte Hindernis beim friedlichen Zusammenleben oder der guten Nachbarschaft des deutschen und polnischen Volkes sind, sondern die Umsetzung der Gesetze. Im Hinblick auf die schwierige deutsch-polnische Geschichte ist es außerordentlich wichtig, dass die polnische Mehrheit die Rechte der deutschen Minderheit akzeptiert, und dazu bedarf es eines verstärkten Engagements in vielen Bereichen, wobei der deutschen Sprache als Identitätsträger und der Schule als Identitätsstifter besondere Bedeutung zukommt. Man sollte hier nochmals den Gesetzgeber zitieren und unterstreichen, dass das wahre Ziel des Minderheitensystems der Erhalt und die Entwicklung der nationalen Identität ist und der Sprachunterricht einen Bestandteil davon bildet. Ein besonderes Thema ist die Qualität des Unterrichts. Denn immer mehr Stimmen weisen darauf hin, dass die verbreitet praktizierte Methode des Deutschunterrichts auf Polnisch zur Folge hat, dass neben den guten theoretischen Sprachkenntnissen es an der Kommunikationsfähigkeit fehlt. Die Fachleute wissen, was ich sagen will. Dies ist nicht nur die Sache des Deutschunterrichts, genauso verhält es sich z. B. beim Englischunterricht in den polnischen Schulen. Auch der rapide Wandel in der Welt übt seinen Einfluss auf die Identität der Deutschen in Polen aus. Die Soziologen stellen komplexe Identitäten fest, die vorher nicht bekannt waren. Mischehen, gesellschaftliche Änderungen, neuartige Identitäten (schlesische, europäische, deutsch-schlesische, deutsch-polnische, deutsch-schlesisch-polnische usw.) kommen immer mehr vor. Sehr oft haben sie mit der Sprachkenntnis nichts zu tun. Trotz der erwähnten Schwierigkeiten – dass wir nur diese drei zusätzlichen Unterrichtsstunden pro Woche haben – erlebten wir z. B. in diesem Jahr, dass es anlässlich der deutschen Kinowoche in Oppeln ein paar Hundert Jugendliche die Filme in der deutschen Originalversion schauten und fließend die Sprache beherrschten, gleichzeitig aber viele von ihnen sich so wie in Deutschland als Europäer bekannten. Die Kompliziertheit der Identitätsproblematik präsentiert in Europa am deutlichsten die deutschsprachige Gemeinschaft in Belgien, wo die Sprache keine deutsche Volkszugehörigkeit bewahrt. Wir wissen alle, dass wir, wenn wir zur deutschsprachigen Gemeinschaft nach Belgien fahren, dort nur deutschsprachige Belgier treffen und nicht etwa Deutsche. Erlauben Sie mir zu erwähnen, dass auch die deutschen Vertriebenen ein großes Problem bei der Vermittlung ihrer Identität haben. Vor der Wende erhielten wir nicht immer klare Signale aus Deutschland. Das erwähnte ich bereits am Beispiel der Partnerschaften. Wir hatten dann natürlich immer das Gefühl, dass wir auch in Deutschland aus der Erinnerung verdrängt werden. Die
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neuerliche Diskussion zur Polonia in Deutschland zeigte jüngst, dass auf der einen Seite viele Spätaussiedler sich immer noch nicht als Deutsche in Deutschland integrieren. Aber auf der anderen Seite führt man Zahlen an: 1,5 bis 2 Millionen Polen beweisen, dass in Deutschland ein geringes Bedürfnis besteht, die Spätaussiedler als Deutsche zu betrachten. Das ist mit ein Grund, warum sich viele unserer Landsleute paradoxerweise in Deutschland entwurzeln – in Deutschland! Dies sage ich Ihnen, da Sie sich aus den Medien – die deutschen Medien leider inbegriffen – kein richtiges Bild über diese Rundtisch-Gespräche machen konnten, weil die Berichte sich nur den Belangen der Polonia in Deutschland widmeten. Bedauerlicherweise beschäftigten die Positionen und Postulate der deutschen Minderheit die Journalisten nicht besonders. Die grundsätzliche Charakteristik der Lage der deutschen Minderheit kann wie folgt beschrieben werden: Auf der einen Seite wird die gesetzliche Lage, werden die Rechte der nationalen Minderheiten in Polen auf relativ hohem europäischem Level bewahrt, auf der anderen Seite stößt die deutsche Minderheit sehr oft auf niedrige gesellschaftliche Akzeptanz. Beispiele dafür aus jüngster Zeit: In Oppeln wurde ein Reisender, der die unprofessionelle Bedienung am Bahnhof kritisierte und sie mit der anderen Art der Behandlung der Reisenden in Deutschland verglich, vor dem Bahnhof heftig geschlagen. Das polnische Internet wird auf Hass-Sprache überwacht und festgestellt, dass am häufigsten Juden, Russen und Deutsche angegriffen werden. Die zweisprachigen Ortsschilder werden ständig zerstört, ohne jegliches Eingreifen der Behörden, die die Regierung im Land vertreten. Als ich auf meinem privaten Grundstück ein zweisprachiges Straßenschild aufstellte, wurde ich medial angegriffen, obwohl die oben erwähnte Charta der Sprachen dergleichen absolut garantiert. Ich bekam allerdings keinerlei Schwierigkeiten von Seiten der Behörden, lediglich die Medien reagierten laut und breit. Die Kaczyński-Aussage über die „getarnte deutsche Option“ kann man nur als eine klare Missachtung der deutschen Nationalität betrachten. Seine Worte seien hier zitiert: „Diese Art des Schlesierseins behandeln wir als eine getarnte deutsche Option.“ Gegen diese Formulierung und den Verfasser haben wir Anzeige erstattet mit der Begründung, dass „aus dieser Aussage hervorgeht, dass Deutsche minderwertige Bürger der Republik Polen sind und das Deutschsein einen guten Mitbürger disqualifiziert.“ Leider wurde die Anzeige von der Staatsanwaltschaft nicht weiter bearbeitet. Unsere Anzeige– ich wollte damit auch zeigen, dass die Zeiten sich änderten – wurde im Internet diskutiert und über 60 % der Internetbesucher – also die Mehrheit – gaben uns in diesem Prozess recht. Das Leben von nationalen Minderheiten hat viele Ähnlichkeiten – unabhängig von Land und Nationalität. Ein Beispiel: Die deutsche Minderheit in Dänemark spricht zu Hause ebenfalls kein Deutsch; sie sprechen Süddänisch oder Plattdänisch. Die Mehrheit akzeptiert normalerweise in vielen Ländern der Welt die nationalen Minderheiten nicht. Blicken wir etwa auf die polnische Minderheit in Litauen. Die mehrheitliche Kultur ist die Kultur der Straßen, der
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Medien, der Schulen, des Amtes, der Kirche usw., deswegen hat sie so große Auswirkungen, was man nicht vergessen darf. Aber die aktuelle Lage der Minderheit sollte man auch im Lichte des sog. Runden Tisches sehen. Nicht zu vergessen ist, dass diese Gruppe zahlreiche Dokumente verfasste und beide gesellschaftliche Seiten eine Reihe von Postulaten vorbrachten. Auch die deutsche Minderheit formulierte ihre Erwartungen und im Grunde waren diese auf Bildung und gesellschaftliche Akzeptanz gerichtet. Wir sind dem Deutschen Bundestag sehr dankbar für diese Worte über die deutsche Minderheit und den muttersprachlichen Unterricht. Aber es ist auch wichtig zu betonen, dass man in der Erklärung über weitere für uns wichtige Punkte sprach. Vielleicht kann man das wie folgt betrachten: Es ist einiges Negatives mit der deutschen Geschichte verbunden, aber es ist gleichwohl sehr wichtig, dass die polnische Seite Maßnahmen ergreift, um die undemokratischen Praktiken der Volksrepublik Polen in den kommunistischen Zeiten gegenüber polnischen Bürgern und Staatenlosen deutscher Herkunft wissenschaftlich aufzuarbeiten und diese Ergebnisse zu veröffentlichen. Und es ist wichtig, dass die zuständigen staatlichen Stellen die vorhandene Bildungsstrategie für die deutsche Minderheit in Polen überprüfen und vertiefen. Unter Vertiefung verstehen wir die absolute Verbesserung der Qualität des Sprachunterrichts für die deutsche Minderheit. Aber es blieben auch Punkte offen, zu denen die beiden Regierungsseiten klar sagten, dass sie weiter bearbeitet würden: Das ist die Fortbildung der Lehrer im Bereich des Deutschunterrichts und die Vorbereitung der Lehrer auf den bilingualen Unterricht, d. h. auf den Unterricht aller Fächer in deutscher Sprache, nicht nur den Deutschunterricht, die vertiefte Vermittlung von Geschichte und Geografie der Regionen in Deutschland, die Gründung zweisprachiger Bildungseinrichtungen in den Regionen, die von der deutschen Minderheit in Polen bewohnt werden, die Aufnahme von Initiativen mit dem Ziel, eine größere gesellschaftliche Akzeptanz für die deutsche Minderheit in Polen zu erreichen, und die Unterstützung der Bestrebungen der deutschen Minderheit, einen eigenen Rundfunksender zu gründen und zu finanzieren. Über 20 Millionen Euro Fördermittel wurden bereits versprochen, wobei allerdings nicht mehr als 40 % wirklich für den Deutschunterricht verwendet werden. Das formulierte zwar nicht der polnische Rechnungshof so, aber wir als deutsche Minderheit. Die Behörden sprachen sich jedenfalls dafür aus, diese Aspekte gründlich zu überprüfen. Hier ist Gelegenheit zu folgender Bemerkung: Alles in der Welt dreht sich heute um die Finanzen. Unsere Freunde in Dänemark – das ist eine für uns wichtige befreundete Gruppe – zählen rund 5.000 bis 20.000 Mitglieder. Demgegenüber umfassen wir als deutsche Minderheit ca. 300.000 Menschen. Die Gruppe in Dänemark wird jährlich mit 38 Millionen Euro unterstützt, mit Geldern aus Deutschland, Dänemark und Schleswig-Holstein. Das ist grob gerechnet 76mal mehr pro Kopf als die deutschen Minderheitsangehörigen in Polen erhalten. Und deswegen noch einmal die Bitte, uns nicht mit der deutschen Minderheit in Dänemark zu vergleichen. Das ist sehr wichtig, alles andere wäre unehrlich.
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III. Resümee Ich wollte mit meinen Ausführungen verdeutlichen, dass Bildung und die Änderung und Verbesserung des Bildungssystems Hauptziele der deutschen Minderheit sind. Wir werden diese Ziele allein nicht verwirklichen können. So wird man heute, wenn man eine zweisprachige Schule aufbauen will, natürlich den Mangel an Lehrern bzw. Fachlehrern zu berücksichtigen haben. Mit dieser Schwierigkeit war die Schule von Raschau, die einzige zweisprachige Schule, von Anfang an konfrontiert. Können Sie sich die Probleme vorstellen, wenn demnächst 20 Schulen Mathematiker oder Physiker suchen, die ihre Fächer auf Deutsch unterrichten sollen? Ferner wollen wir ein Institut der deutschen Minderheit gründen, auch wenn es später anders genannt wird. Ein Rundfunksender ist für uns sehr wichtig. In der Region Oberschlesien wäre dies möglich. Zudem hoffen wir auf die Vermittlung deutscher Kultur und Sprache für Erwachsene und außerschulisch. Und natürlich werden wir nachhaltig nach moralischer Unterstützung aus Deutschland streben. Aber es sind bereits Verbesserungen spürbar, zum Beispiel durch die Unterstützung des niedersächsischen Ministerpräsidenten David McAllister und der Bundeskanzlerin Angela Merkel, ferner durch den Beschluss des Bundestages und den Besuch von Ministerpräsident Kurt Beck aus Rheinland-Pfalz im September 2011. Dies alles ist für uns sehr wichtig. Ich glaube, dass unsere deutsche Volksgruppe in Polen und der Bund der Vertriebenen mit allen Landsmannschaften in der neuen Epoche Möglichkeiten für eine vertiefte weitere Zusammenarbeit finden werden. Als ich hörte, dass für die deutschen Staatsbürger Polen das zweitbeliebte Auswanderungsland nach den USA ist – so ist es im Internet zu recherchieren –, sagte ich: „Wir brauchen Euch, Eure Kinder und Enkel bei uns! Polen gehört zur Europäischen Union, die Wirtschaft ist frei, wir leben in einer Demokratie, alle Möglichkeiten stehen offen. Das Leben als Deutscher in Schlesien oder in Masuren muss wieder lebenswert sein. Und das soll nicht nur für uns gelten. Für Euch auch.“ * * *
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Abstract Bernard Gaida: About the current situation of the German minority in Poland. In: 20 years of German-Polish Neighbourship Treaty – Samples from realpolitik of continuing transnational understanding, ed. by Gilbert H. Gornig, Hans-Detlef Horn and Hans-Günther Parplies (Berlin 2013), pp.105–119. To understand the current situation and expectations of the German minority in Poland one has to understand the way in which they were going through history and show a few specific aspects. One certainly has to start from World War II. Irrespective of the history of our ancestors it is important to say, that we did not change our homeland, we did not cross the border – the border crossed us. We cannot forget that the western and northern parts of Poland were German territory up to 1945. The community of Poland was the subject of a specific policy of assimilation during the period between 1945 and 1989. That policy showed itself to drive out the German population as well as forbid the teaching German language in schools, using it in public and at home. Through this the German language was stamped out of the areas of society in which it was traditionally spoken. A national minority could not be spoken at that time, nor as of a minority language. The German language was also not offered in Schools as a foreign language. Despite feeling socially ostracised, the Germans living in Poland endearaved to live in a conflict free way and to have a part in their surroundings. All the German families „built bridges“ between the Germans and Poles through their lives alongside Polish neighbours, through their attitude, helpfulness and their daily talks. This history differentiates the German minority from the other minorities that are living in Europe. The period after 1989 was revolutionary for the Germans in Poland. A change took place which our grandfathers could only dream of. It was possible to live officially as a German in Poland but at the same time the political shape of Europe remained like it was after the war. The aforementioned longstanding bridges between the Germans and their neighbours were slightly destabilised when the recognised German roots were reformed into becoming membership of the German minority. Nevertheless the bridges did not collapse. Thanks to the efforts of many people, organizations and local politicians from the German minority it was possible to generate a great number of partnerships for provinces, districts but also schools and organizations. Those events took place particularly after the fall of communism and not only on the Polish side. Through this and many others activities the German minority won a large influence on the Europeanization of Poland. Polandwide there are approximately 500 meeting places of various types of the German minority. We are present in every region of Poland that was a part of the German territory up to 1945. Naturally the most Germans live in Upper
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Silesia. 320 meeting places are found in the Opole Province and 120 in the Kattowitzer Province. The others are found in Lower Silesia, Pomerania and East Prussia – in these regions there are up to 25 organizations. Around 150.000 people declared themselves as Germans in the census of 2002. The laws of the Germans in Poland are a consequence of international laws and conventions. In the case of Germany and Poland treaties on both sides create the legal basis fpr the German minority. In November 1990 the GermanPolish Treaty of Good Neighbourhood was signed and ended the Chapter of the past. Instead it was an opening of a period in which both sides try to refer to good traditions and friendly living with one another – this was seen further back in Polish-German history. Since 2005 and the official minority law in Poland we have had the right to place bilingual name signs in communities, in which more than 20% population are of German descent. We are also allowed to use the German language as a support language when contacting the authorities. At the moment 25 communities are officially bilingual. In 2009 Poland also ratified the European Charta of Minority and Regional Languages. This document is a declaration of the Republic of Poland that the German language, as an official minority language is to be protected. Poland promised to develop this language and to establish schools in which German is the main teaching language. Schools for the German minority are a main goal for us at the moment. This goal has also been a topic of discussion at the Polish-German Round Table since 2010. One could think, that thanks to the laws in Poland, that give a good starting point for minority matters, the Germans already have everything that they could possibly need. Nevertheless it has to be mentioned, that there is a main difference between the legal situation of the Germans in Poland and the reality. Ultimately, certain legal solutions, despite the theoretical outcome, are not consistent with reality. The laws give for example the opportunity to teach the minority language, history and culture in nursery schools, schools and public institutions as a way to preserve and strengthen the national and ethnic identity. In reality the three hours a week of German lessons are not sufficient, because the students do not come to school already having a developed German language ability, as was intended. This is the result of the fact that their parents, as the generation that grew up in the period in which it was not allowed to teach or speak German, do not speak German fluently. As a result there are still no schools or nursery schools that offer German as the main language in Poland. Thanks to the minority law the German minority does have guaranteed access to the Media. Nevertheless the actual access to the media is very limited. Only short reports or programs (max. 20 min.) are to be seen on Polish television and this only includes regional media.
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On one hand the legal position and rights of the national minorities in Poland are preserved at a high level in Europe. On the other hand the minorities very often come up against low levels of social acceptance. The true position of the German minority in Poland should be seen in light of the so called Round Table.
Sprach- und Identitätsproblematik der deutschen Volksgruppe in der Republik Polen Von Tobias Norbert Körfer
I. Einleitung Nach einer ausführlichen Lektüre von Zeitungsberichten, die im Juni 2011 erschienen sind, beschleicht einen das Gefühl, es könne möglicherweise doch keine solche durch eine strukturelle und systematische Benachteiligung hervorgerufene Identitäts- und Sprachenproblematik der deutschen Volksgruppe in der Republik Polen geben. Die einzigen, die Schaden an der aktuellen Lage nehmen würden, wäre die behauptete „polnischen Minderheit“ in der Bundesrepublik Deutschland. In Pressemitteilungen z. B. des Deutschen Bundestages und der CDU/CSU-Bundestagsfraktion werden die Fortschritte in den letzten 20 Jahren überschwänglich gelobt. Einem Artikel des Europe-Online-Magazins war zu entnehmen, der Plan sei nach zwei Dekaden übererfüllt worden. Der Tagesspiegel schreibt vom Erreichen aller Ziele, die bei der Unterzeichnung im Vordergrund standen. Selbst die FAZ kratzte in verschiedenen Artikeln, wenn überhaupt, nur an der Oberfläche der Problematik. Angesichts dessen kommen wir scheinbar nicht umhin, selbstkritisch zu fragen, was die AGMO e.V. die letzten 30 Jahre, davon 20 unter der aufgehenden Sonne vertraglich reglementierter deutsch-polnischer Freundschaft, überhaupt bemängelt hat? Laufen wir seit Jahrzehnten einem Trugbild hinterher, fallen wir gleichsam auf eine sprachenpolitische Fata Morgana herein? Oder woher rührt die unterschiedliche Wahrnehmung? Möglicherweise ist es eine Frage des Standpunktes von Außenstehenden, Nahestehenden und der Binnenperspektive. Sie alle kennen sicherlich den Umstand, dass man tagsüber bei scheinender Sonne von außen nicht in einen geschlossenen Raum hineinblicken kann und daher nur Mutmaßungen über das darin Befindliche möglich sind. Dieses physikalische Phänomen der sog. „Optischen Abschirmung“ kann in Form des „Venezianischen Spiegels“ auch künstlich erzeugt werden. Man muss dann schon ganz nah an das Fenster, respektive an die Spiegelscheibe herantreten, um in den anderen Raum blicken zu können. Eventuell erklärt sich dadurch analog die unterschiedliche Beurteilung der Lage. Bundestag, Parteien und Presse stehen in unserem Beispiel draußen auf der Straße vor einem Fenster und lassen sich allzu bereitwillig von der hell
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strahlenden Sonne vertraglich reglementierter deutsch-polnischer Freundschaft blenden, wobei sie das Spiegelbild des für sie politisch Wünschenswerten in dem besagten Fenster als das wahrnehmen, was sich in diesem Raum befindet. Die AGMO e.V. hingegen wagt den Schritt an das Fenster und den Blick durch das selbe. Unsere jahrzehntelangen engen Kontakte zur deutschen Volksgruppe ermöglichen es uns jedoch auch von drinnen nach draußen zu blicken und dadurch einen klaren Blick auf die Gegebenheiten, auf das, was sich auf der Straße abspielt, zu erlangen. Die Sprach- und Identitätsproblematik der deutschen Volksgruppe ist eng mit der Frage nach der Möglichkeit des Erwerbs der deutschen Sprache als Muttersprache verbunden und es ist davon auszugehen, dass dies mit der schulischen, speziell jedoch mit der familiären Vermittlung der deutschen Muttersprache in Vergangenheit und Gegenwart zu tun hat. Mangelnde und unzureichende bzw. erschwerte schulische Möglichkeiten zum Erwerb der deutschen Muttersprache sind hierbei von der institutionellen Absicherung der deutschen Volksgruppe in der Republik Polen als Körperschaft zu unterscheiden. Und so kommt es zu der paradoxen Situation, dass ungeachtet der vorhandenen Anstrengungen, die Frage des Erwerbs der deutschen Muttersprache einer Klärung zuzuführen, festzustellen ist, wie bezüglich des Deutschunterrichts durch die Bemühungen der DFK-Ortsgruppen, aber auch durch die Dachverbände der deutschen Vereinigungen inzwischen das Mögliche erreicht wurde. Bei der Beantwortung der wirklich entscheidenden Fragen scheint aber ein gewisser Stillstand eingetreten zu sein. Unschwer ist dies an den Ergebnissen der Regierungskonsultationen anlässlich des 20. Jahrestages des deutsch-polnischen Nachbarschaftsvertrages abzulesen. Daher möchte ich meinen Vortrag unter die Vorgabe der These stellen, dass die deutsche Volksgruppe in der Republik Polen als eine institutionell zwar umfassend abgesicherte nationale Minderheit bezeichnet werden darf, diese Absicherung – weder durch den deutsch-polnischen Nachbarschaftsvertrag noch durch andere internationale Abkommen – jedoch nicht dazu beiträgt, die Sprach- und Identitätsproblematik zu entschärfen und einer zufriedenstellenden Lösung zuzuführen.
II. Genese der heutigen muttersprachlichen Situation Als Beispiel mögen die Kinder herangezogen werden, die heute zwischen vier und zehn Jahre alt sind, d. h. die Ur-Enkel derjenigen Deutschen, die in der ersten Hälfte der 1940er Jahre noch eine deutsche Volksschule besuchen konnten. Da die Eltern, d. h. die Enkelgeneration, oftmals zu Hause nicht Deutsch sprechen durften, hätten diese Kinder die deutsche Sprache allenfalls in Kindergärten und in Grundschulen sowie im Bereich der DFK-Vereinshäuser erlernen können.
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Als Beantwortung der Frage, warum die deutschen Eltern der obigen Kinder, in der Regel Jahrgang 1975 bis 1980, also heute zwischen 32 und 37 Jahre alt, die deutsche Sprache nicht beherrschen, muss deutlich darauf hingewiesen werden, dass sich die Deutschen, die heute in den Bezirken Oppeln und Schlesien sowie in den nördlichen Bezirken der heutigen Republik Polen leben, nach 1945 über Jahrzehnte nicht zum Deutschtum bekennen durften. Der Gebrauch der deutschen Sprache war in der damaligen Volksrepublik Polen bis 1989 für Deutsche strikt verboten. Erst nach der politischen Wende (1989/1990) durften sich deutsche Vereinigungen registrieren lassen, nachdem sich zuvor Deutsche jahrelang heimlich im Untergrund getroffen hatten. Inzwischen traf es also die Ur-Enkel-Generation, die zwischen vier und zehn Jahre alt ist, und die ebenfalls bis heute keine Chance hatte, deutsche Kindergärten und deutsche Grundschulen besuchen zu können. Nach so vielen Jahren der negativen sprachlichen Entwicklung muss die Frage gestattet sein, ob in unserer unmittelbaren Nachbarschaft mit unseren eigenen Landsleuten innerhalb der Europäischen Union mit offenen Grenzen weiter so verfahren werden darf? Worin liegen die Gründe für die heutige schulische Situation für die Deutschen? Warum gibt es bis heute keinen Kindergarten und keine Grundschule für die Kinder der deutschen Volksgruppe in der Republik Polen?
III. Die AGMO-Studie Um das Recht auf muttersprachliche Unterweisung in Kindergärten, Vorschulklassen und Grundschulen einzufordern, musste zunächst eine Bestandsaufnahme über den Zustand des Deutschunterrichts in den Gemeinden innerhalb der deutschen Wohngebiete erstellt werden. Neben der Kenntnis der durchaus vorhandenen gesetzlichen Grundlagen in der Republik Polen müssen die Fakten auf dem Gebiet der Bildung, d. h. der muttersprachlichen Unterweisung bekannt sein, damit eine Änderung mit Nachdruck angemahnt werden kann. Deshalb führte die AGMO e.V. bis Frühjahr 2007 eine Befragung der deutschen Vereinigungen durch, an der sich ein erheblicher Teil der Kreis- und Ortsgruppen beteiligte. Mit Hilfe der Studie sollte u. a. untersucht werden, inwieweit sich der muttersprachliche Deutschunterricht in den Kindergärten und Grundschulen nach Abschluss des deutschpolnischen Vertrages vom 17. Juni 1991 entwickelte. Angaben zu weiterführenden Schulen wie Gymnasien und Lyzeen wurden bei dieser Studie nicht erfasst und auch nicht erbeten, da für die Bindungen an die Muttersprache und Kultur die ersten zehn Lebensjahre von entscheidender Bedeutung sind. In der Studie wird nach Angaben von ca. 200 deutschen Vereinigungen in Schlesien, Pommern, Ost- und Westpreußen, die in die Darstellung eingeflossen sind, festgestellt, dass es bis heute keine deutschen Kindergärten und Grundschulen gibt, obwohl die Wege für den muttersprachlichen Deutschunter-
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richt und die Unterweisung in der Muttersprache durch Gesetze und Verordnungen seit Jahren grundsätzlich geebnet worden sind.
IV. Rechtliche Lage. Konsequenzen für das weitere Vorgehen Der jahrzehntelange Assimilierungsdruck mit erheblichen Auswirkungen auf das Verhalten der Deutschen im öffentlichen und privaten Raum kann bis in unsere Zeit hinein weithin sichtbare Wirkung entfalten. Es kann nicht geleugnet werden, dass sich die grundsätzliche formalrechtliche Situation der Deutschen im Vergleich zu der Lage von vor 1989 in der kommunistischen Volksrepublik Polen in der heutigen Republik Polen verbessert hat. Wichtige Grundlagen für den Minderheitenstatus der deutschen Volksgruppe sind unter anderem der deutsch-polnische Vertrag über gute Nachbarschaft und freundschaftliche Zusammenarbeit vom 17. Juni 1991 und das zum 1. Mai 2005 in Kraft getretene polnische Minderheitengesetz. Besonders hervorgehoben zu werden verdient, dass der Vertrag vom 17. Juni 1991 gemäß Artikel 20 Absatz 3 vorsieht, „eigene Bildungseinrichtungen zu gründen und zu unterhalten“ sowie gemäß Artikel 21 Absatz 2 Möglichkeiten für den Unterricht der Muttersprache oder Unterricht in der Muttersprache in öffentlichen Bildungseinrichtungen (Schulen) zu gewährleisten. Deutschunterricht gemäß Artikel 21 wurde durch die Verordnungen des polnischen Bildungsministeriums vom 24. März 1992 und vom 3. Dezember 2002 ermöglicht. Diesen ministeriellen Erlassen zufolge gibt es folgende Deutschunterrichtsmodelle für Schulen, also auch für Grundschulen: – – –
Minderheitenschulen mit Deutsch als Unterrichtssprache, d. h. alle Fächer werden in Deutsch unterrichtet, außer Polnisch, Geschichte und Geographie bzw. Gesellschaftskunde in Grundschulen. Zweisprachige Schulen, in denen die Fächer gleichzeitig in zwei gleichberechtigten Unterrichtssprachen unterrichtet werden, in Polnisch und Deutsch. Deutsch als zusätzlicher Sprachunterricht. Dies bedeutet, dass alle Fächer in polnischer Sprache unterrichtet werden. Die Kinder haben allenfalls nur ca. drei Stunden Deutsch als Unterrichtsfach.
Das hört sich zunächst einmal gut an. Die gelebte rechtliche tatsächliche Lage und Situation in der Republik Polen weicht davon aber deutlich ab.
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V. Tatsächliche Lage – die deutsche Volksgruppe zwischen Recht und Wirklichkeit Im Großen und Ganzen setzt sich dieser Eindruck nicht nur fort, sondern verstärkt sich bei genauerer Betrachtung. Allein in den Woiwodschaften Oppeln und Schlesien, die in etwa das historische Oberschlesien umfassen, gibt es offiziellen Angaben zufolge 40.000 deutsche Schüler bzw. Schüler deutscher Abstammung. Aber deutsche Kindergärten und deutsche Grundschulen sind nicht vorhanden und werden derzeit weder von der gewählten Vertretung der deutschen Volksgruppe noch von der deutschen sowie polnischen Regierung eindeutig angestrebt. Das mangelnde Interesse wurde einmal mehr an dem zehnmonatigen Ringen um die einzige bilinguale Grundschule im Bezirk Schlesien in Ratibor-Studen deutlich. In der Woiwodschaft Schlesien gibt es nach offiziellen Angaben rund 10.000 deutsche Schüler. Die dortige Grundschule in Studen sieht sich seit ihrer Gründung permanenter Behinderung durch die polnische Stadtverwaltung ausgesetzt. Im Januar des Jahres 2010 sollte der Betrieb als bilinguale Grundschule von einem auf den anderen Tag eingestellt werden. Dank der – aufgrund einer massiven Informationskampagne der AGMO e.V. – losgetretenen Protestwelle konnte der Schulbetrieb für das gerade begonnene Schuljahr gesichert werden. Es muss sich die Bundesregierung an dieser Stelle fragen lassen, ob sie der ihr vom Grundgesetz aufgegebenen und höchstrichterlich durch Karlsruhe mehrfach bestätigten Schutz- und Obhutspflicht für die Deutschen östlich von Oder und Neiße wirklich gerecht geworden ist. Zu einem Skandal weitet sich die Tatsache der systematischen Benachteiligung aus, wenn wir eine Studie des polnischen Sprachwissenschaftlers und Historikers Tomasz Kamusella aus dem Jahr 2005 zu Rate ziehen. Demnach haben selbst verhältnismäßig kleine Minderheiten in der Republik Polen, wie Litauer, Ukrainer, Weißrussen und Slowaken eigene Schulen mit Unterricht in ihrer Muttersprache. Absurd mutet es da schon an, dass die polnische Minderheit in Litauen (ca. 200.000, darunter 18.000 Schüler) auf 97 Schulen mit Polnisch als Unterrichtssprache verweisen kann. Kamusella zufolge müsste es demnach inzwischen allein in Oberschlesien, gemessen an den Zahlen der polnischen Volkszählung im Jahre 2002, deren Ergebnisse bezüglich der Zahl der Deutschen mit Fug und Recht angezweifelt werden dürfen, mindestens 157 Schulen mit Deutsch als Unterrichtssprache geben. Wie bereits erwähnt, mangelt es in der Praxis erheblich an der Umsetzung der gegebenen Möglichkeiten. Nach wie vor fehlen flächendeckende deutsche Kindergärten und Grundschulen vollständig, und bilinguale Schulen und Kindergärten mit vorbereitenden Vorschulklassen (sogenannte „Nullklassen“) sind wortwörtlich an einer Hand abzählbar.
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Die finanzielle Ausstattung dieser lediglich bilingualen Einrichtungen durch den polnischen Staat und die Verwaltung sind nicht ausreichend bzw. oftmals katastrophal. Eine von der polnischen Seite oft und gerne vorgebrachte Argumentation läuft darauf hinaus, dass „die polnische Regierung an die Gemeinden, in denen Eltern den Willen bekundeten, ihre Kinder am Deutschunterricht als Sprache der Minderheit teilnehmen zu lassen, einen Bildungszuschuss von aktuell ca. 90 Millionen Zloty im Jahr auszahlt. Dieser Betrag wird direkt an die Gemeinden als Träger der Schulen in Form eines Zuschusses ausbezahlt, und die Gemeinden bestimmen gänzlich unabhängig über die Verwendung der Mittel. Damit besteht kein Anspruch darauf, dass diese Mittel ausschließlich für die Förderung von Deutsch als Sprache der Minderheit bestimmt werden. Angesichts der großen finanziellen Probleme der Gemeinden werden die Mittel für unterschiedliche andere Zwecke eingesetzt. Es lässt sich nicht feststellen, wie viel von diesen Mitteln tatsächlich den Kindern der deutschen Minderheit zu Gute kommt. Es wird geschätzt, dass es sogar unter 40 % sind.“ Die mangelnde Effizienz bisher praktizierter Modelle bestätigen auch die Aussagen eines nicht zur Organisation der deutschen Volksgruppe gehörenden Experten, des Leiters der germanistischen Abteilung am Oppelner Fremdsprachenlehrerkolleg, Martin Cichon. Cichon sagte in einem im Magazin „Oberschlesien“ im Januar 2011 erschienenen Interview, dass 2010 30.000 deutsche Schüler im Bezirk Oppeln Deutsch als Muttersprache erlernt hätten. Gaida wird in der FAZ jüngst mit einer Zahl von etwa 28.000 Schülern in der gesamten Republik Polen wiedergegeben. Aber wie dem auch sei. Im gleichen Jahr hätten 9.000 Schüler im Bezirk Oppeln ein polnisches Abitur abgelegt. Von diesen 9.000 hätten jedoch lediglich 94 (!) Schüler mit der Abiturprüfung zusammen die sogenannte „C 1-Prüfung“ des Deutschen Sprachdiploms (DSD) abgelegt, deren Bestehen zu einem Studium an einer bundesdeutschen Hochschule berechtigt. Doch sind damit noch lange keine muttersprachlichen Fähigkeiten in der deutschen Sprache verbunden. Der zuständige PStS Bergner hat richtig erkannt, dass das polnische Minderheitengesetzt davon ausgeht, dass die Kinder in einem Alter von drei bis vier Jahren, spätestens jedoch mit sechs Jahren in der Grundschule aus ihrem familiären Umfeld heraus mit soliden muttersprachlichen Grundkenntnissen den muttersprachlichen Deutschunterricht besuchen. Wie oben erläutert, können die Familien diese Vorleistung aufgrund der auch heute noch subtil vorhandenen sprachlichen Unterdrückung nicht erbringen. So wie die AGMO e.V. die Lage einschätzt, ist sehr wohl davon auszugehen, dass dieser Zusammenhang den entscheidenden Kreisen in der polnischen und bundesdeutschen Politik sehr wohl bewusst ist. Aber wieso sollten Polen deutscher als die deutsche Bundesregierung sein?
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Obwohl es seitens der AGMO e.V. zahlreiche Informationsinitiativen an die Bundeskanzlerin, Minister sowie Abgeordnete gegeben hat – unter anderem wurden in den letzten drei Jahren die zuständigen Stellen von der AGMO e.V. vor jeder Runde der halbjährlich stattfindenden deutsch-polnischen Regierungskonsultationen angeschrieben und aufgefordert, diesen aus menschenrechtlicher Sicht her höchst bedenklichen Umstand zu thematisieren –, sind in der Frage der flächendeckenden Einführung deutscher Kindergärten und Grundschulen nur bescheidene Ergebnisse vorzuweisen. Im Spätsommer 2009 wurden zunächst einige sog. Samstagsschulen im Bezirk Oppeln eingerichtet, um deutschen Kindern mit der deutschen Sprache zugleich einmal wöchentlich auf spielerische Weise deutsche Identität zu vermitteln. Einmal wöchentlich! Dieses Programm wurde 2010 und 2011 fortgesetzt und sogar noch ausgebaut. Mittlerweile bestehen über 50 sogenannte Samstagsschulen. Dies ist ein grundsätzlich zu begrüßender erster Schritt, doch kann und darf dieser nur eine Etappe auf dem Weg zur flächendeckenden Einrichtung deutscher Kindergärten und Grundschulen darstellen. Im Juli 2009 hatte der Beauftragte der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten, PStS Christoph Bergner, der AGMO e.V. mitgeteilt: „Der Erhalt der deutschen Sprachbindung unter den Deutschen Minderheiten im Osten bedarf verstärkter Anstrengungen. Dabei wird eine Vermittlung des Deutschen als Fremdsprache im Rahmen des Schulwesens den kulturellen Bedürfnissen der deutschen Minderheit nur unzureichend gerecht. Es geht nicht nur um Deutschkenntnisse als Verständigungsmedium, sondern um deutsche Sprachbindung als wichtigste identitätsstiftende Grundlage.“ Diese Antworten aus der bundesdeutschen Politik lassen darauf schließen, dass die Informationsarbeit der AGMO e.V. nicht ganz umsonst gewesen zu sein scheint. Mancherorts sind Anzeichen für einen Bewusstseinswandel erkennbar. Doch ist Briefpapier oftmals sehr geduldig. Desto erfreulicher ist es, wenn Bernard Gaida, der Präsident des VdG zu den Schlesiertreffen nach Hannover fährt und dort die Forderungen der deutschen Volksgruppe vor politischen Vertretern der Bundesrepublik ausspricht.
VI. Zweisprachigkeit – ein zweischneidiges Schlagwort In der Regel wird in amtlichen Stellungnahmen derzeit nur von einem unzulänglichen oder, bei optimistischen Erklärungen, von flächendeckendem Deutschunterricht gesprochen, was jedoch zu einer Verschleierung des Problems führt. Flächendeckender Deutschunterricht kann auch bedeuten, dass an jeder Schule in Oberschlesien zwei Stunden zusätzlicher muttersprachlicher Deutschunterricht pro Woche gehalten wird. Ob das allerdings ausreichend zur Festigung der von Staatssekretär Bergner angesprochenen Identität sein kann, darf angezweifelt werden.
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Die Unzulänglichkeit des bisher praktizierten Modells weniger Wochenstunden muttersprachlichen Deutschunterrichts wurde zwar erkannt, doch anstatt den 20. Jahrestag des deutsch-polnischen Nachbarschaftsvertrags zu nutzen und einen klaren Schnitt zu machen und deutsche Kindergärten und Grundschulen anzustreben, verfällt man regierungsamtlich auf das ebenfalls nur unzureichende Konzept des bilingualen Unterrichts. Die mangelnde Effektivität staatlicher wie auch bilingualer Schulbildung überhaupt bekannte recht offenherzig ein Vertreter der polnischen Regierung auf einer Konferenz über Bilingualität im polnischen Schulwesen in Stubendorf in Oberschlesien vom 3. bis 4. Dezember 2010. Dobiesław Rzemienniewski, der Leiter der Abteilung für nationale und ethnische Minderheiten im polnischen Innenministerium, gestand ein, dass sogenannte „bilinguale Schulen“ in der Praxis nicht funktionierten, weil der systemimmanente Druck und die Prägung durch die polnische Mehrheitsgesellschaft und ihrer Kultur bewusst und unbewusst einen wirklich zweisprachigen Unterricht sowohl von Seiten der Lehrer, aber vor allem auch der Kinder unmöglich machten. Daher fordert die AGMO e.V. auch die flächendeckende Einführung deutscher Kindergärten und Grundschulen in Oberschlesien in der Trägerschaft der Organisationen der deutschen Volksgruppe. Denn wie sagte der Vertreter des polnischen Innenministeriums bei dieser Gelegenheit: Es sei entscheidend, dass die Kinder nationaler Minderheiten in einem „Schulnetzwerk“ (die AGMO e.V. interpretiert dies als die lange geforderten flächendeckenden deutschen Kindergärten und Grundschulen) die Minderheitensprache als Muttersprache erlernen könnten. Dass der Bedarf dafür vorhanden ist, zeigen nicht nur die Aussagen des ehemaligen deutschen Sejm-Abgeordneten Erhard Bastek aus Beuthen in der „Oberschlesischen Stimme“ im März dieses Jahres: „Doch wie sieht die Lage nach 20 Jahren ihrer Anerkennung durch den Staat aus? Sehr unerfreulich, würde ich sagen. Es ist ja so, als ob es diese Jahre überhaupt nicht gegeben hätte! Denn gibt es für die deutsche Minderheit heute auch nur eine einzige deutsche Grundschule oder einen deutschen Kindergarten? Nicht das Mindeste davon gibt es.“ Vielmehr äußert sich der Bedarf in jedem einzelnen Projekt, welches von der AGMO e.V. gefördert wird. Beispielhaft seien hier die mittlerweile zum siebten Mal durchgeführten Frühlingsliederwettbewerbe in Plawnowitz, Kreis Gleiwitz, zu nennen, bei denen Hunderte von Grundschulkindern zusammenkommen und ihre Fertigkeiten im deutschsprachigen Gesang unter Beweis stellen.
VII. Petition der AGMO e.V. Angesichts dieser gravierenden Missstände hatte sich die AGMO e.V. im November 2008 an verschiedene Politiker gewandt und wiederholt auf das Fehlen deutscher Kindergärten und Grundschulen hingewiesen. Das Schreiben,
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welches dem Bundestagspräsidenten Norbert Lammert zuging, leitete dieser kraft seines Amtes an den Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages weiter, ohne dass dies seitens der AGMO e.V. beabsichtigt worden wäre. Von November 2008 bis Februar 2011 lief nun das Petitionsverfahren. Im Februar 2011 erreichte uns ein Schreiben der Vorsitzenden des Petitionsausschusses, der Bundestagsabgeordneten der Linkspartei, Kersten Steinke, in dessen Anlage sich die ablehnende Beschlussempfehlung des Petitionsausschuss befand, welcher der Deutsche Bundestag einstimmig zugestimmt hatte. Also auch mit den Stimmen der CDU und CSU! Ich zitiere: „Die Petenten, eine Vereinigung zur Unterstützung von Deutschen im heutigen Polen, erwarten von der Bundesregierung, dass diese ihren „Obhutspflichten“ – so heißt es in der Petition – gegenüber den im heutigen Polen lebenden Deutschen nachkomme und sich intensiv für die Einhaltung von deren Volksgruppen- und Minderheitenrechten einsetze.“ Weiter heißt es: „Die Einrichtung deutscher Kindergärten und Schulen ausschließlich für die deutsche Minderheit zu befürworten, kann nach Auffassung des Petitionsausschusses kein Anliegen von Seiten der Bundesrepublik Deutschland sein. Ein solches Ansinnen wäre ausschließlich von der deutschen Minderheit in Polen selbst zu artikulieren. Dergleichen ist nicht bekannt und ebenso wenig Bitten um Hilfestellung oder Unterstützung von deutscher Seite – Regierung oder Parlament – bei der Vorbereitung oder Durchführung eines derartigen Anliegens von Seiten der Vertreter der deutschen Minderheit. Daher gibt es auch keine Veranlassung, ein derartiges Thema in die deutsch-polnischen Regierungskonsultationen aufzunehmen. Der Petitionsausschuss sieht keine Veranlassung, die Petition zu befürworten und empfiehlt daher das Petitionsverfahren abzuschließen, da dem Anliegen nicht entsprochen werden konnte.“ Die AGMO e.V. hat sich diese Vorlage natürlich nicht entgehen lassen und eine weitere RundschreibenAktion initiiert. Völlig unbeabsichtigt wurde aus dem Rundbrief vom November 2008 ein Petitionsverfahren gemacht, welches sich über 26 Monate hinzog. Die lange Dauer jedoch hatte auch ihr Gutes. Denn so konnte zeitlich passend in der Endphase der sogenannten „Rundtischgespräche“ und kurz vor dem 20. Jahrestag der Unterzeichnung des deutsch-polnischen Nachbarschaftsvertrages ein deutliches Zeichen gesetzt und den interessierten Zeitgenossen deutlich vor Augen geführt werden, wie überaus „diskret“ die Bundesregierung, die grundgesetzlich verbriefte Schutz- und Obhutspflicht für die Deutschen östlich von Oder und Neiße „wahrnimmt“. Und das alles, obgleich die Bundeskanzlerin in ihrer Rede bei der Aussiedlerkonferenz am 4. September 2008 in Berlin sagte: „Die Existenz deutscher Volksgruppen in Osteuropa ist Teil der europäischen Siedlungsgeschichte.“ Aus der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses und aufgrund der Tatsache, dass die demokratisch gewählte Vertretung des deutschen Volkes es einstimmig abgelehnt hatte, die Vorenthaltung von grundlegenden kulturellen
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Menschenrechten für die eigenen Landsleute als Menschenrechtsverletzung und damit als „petitionswürdig“ anzusehen, wuchs für die AGMO e.V. die Erkenntnis, dass, wenn jetzt die Spitzenvertreter der deutschen Volksgruppe in der Republik Polen sich nicht vernehmlich zu Wort meldeten, die unsäglichen Annahmen über mangelndes Interesse der Deutschen in der Republik Polen an deutschen Kindergärten und Grundschulen tatsächlich zutreffen. So etwas hätte so ziemlich das Ende jeder bisherigen Argumentation bedeutet und letztendlich auch langfristig das Ende der deutschen Volksgruppe. Daher haben wir uns in einem Schreiben an den Präsidenten des Dachverbandes der deutschen Organisationen in der Republik Polen, dem Verband der deutschen sozialkulturellen Gesellschaften in Polen (VdG) gewandt und ihn, Bernard Gaida, um schriftliche Intervention gebeten. Gaida wandte sich daraufhin in einem in jeder Hinsicht bemerkenswerten Brief an Bundestagspräsidenten Lammert. In diesem Schreiben legte der VdGPräsident nicht nur dar, wie es wirklich bei den Rundtischgesprächen ablief, dass nämlich deutliche Forderungen der Vertreter der deutschen Volksgruppe in Sitzungsprotokollen stark verfälscht wiedergegeben und dass die Vertreter der Polonia deutlich bevorzugt behandelt wurden, sondern vor allem, dass bereits bei der ersten Sitzung des Runden Tischs am 10. Februar 2010 von der deutschen Volksgruppe ein Forderungskatalog vorgelegt wurde, in dem tatsächlich deutsche Kindergärten und Schulen für die deutsche Volksgruppe gefordert wurden. Es stellt sich mithin die Frage, weshalb der Petitionsausschuss, ein Jahr nachdem diese Forderungen schriftlich vorgelegt wurden, erklärt, derartige Forderungen seien nicht bekannt. Und weshalb antworten das Bundeskanzleramt und der zuständige Staatssekretär Bergner, der bei jeder der Gesprächsrunden anwesend war, dass derartige Forderungen nicht bekannt seien?
VIII. Erfolge und Erwartungen – der deutsch-polnische Nachbarschaftsvertrag und die deutsche Volksgruppe Gemeinhin erklären bundesdeutsche regierungsamtliche Stellen, wie das Bundeskanzleramtes, das Auswärtige Amt, die Botschaft der Bundesrepublik Deutschland und der im Bundesinnenministerium angesiedelte Parlamentarische Staatssekretärs Bergner MdB, der für die Belange deutscher Volksgruppen und Aussiedler zuständig ist, dass über 30.000 deutsche Kinder in Oberschlesien Deutsch als Muttersprache an weit über 170 staatlichen Schulen erlernen würden. Abgesehen von wenigen staatlichen Schulen in Oberschlesien, die einen bilingualen Zweig haben bzw. den gesamten Unterricht bilingual bestreiten, ist das doch ein mehr als bescheidenes Ergebnis nach 20 Jahren Geltung des deutsch-polnischen Nachbarschaftsvertrages. Um einer Lösung der, auch dank der verschiedenen Rundschreiben und permanenten Nachfragen der AGMO e.V. nicht zu ignorierenden, Problematik
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näher zu kommen, begannen im Februar 2010 im Hinblick auf den 20. Jahrestag des Abschlusses des deutsch-polnischen Nachbarschaftsvertrages die sogenannten „Rundtischgespräche“. Bei diesen waren Vertreter der deutschen Bundesregierung, der polnischen Regierung, der deutschen Volksgruppe und der polnisch-sprachigen Bevölkerungsgruppe in der Bundesrepublik Deutschland zugegen. Während der letzten 18 Monate drang außer den immer wieder auf verschiedenen Kanälen laut vorgetragenen polnischen Forderungen über den Inhalt der Rundtischgespräche lediglich Formelhaftes nach außen. Konkrete Hinweise und Angaben zu den besprochenen Thematiken waren – besonders von deutscher Seite – auch auf Nachfrage hin nicht zu erhalten. Auch die Beschlüsse des Deutschen Bundestages vom 10. Juni 2011 zum 20. Jahrestag der Unterzeichnung des deutsch-polnischen Nachbarschaftsvertrages fallen nicht wesentlich konkreter aus. Es bleibt bei den hinreichend bekannten Absichtserklärungen und beschönigenden Redewendungen. Anders wären, wie es die FAZ am 26. Mai 2011 formulierte, die Reaktionen auf diesen Resolutionsentwurf des Deutschen Bundestages auch nicht zu erklären: „Warschau erfreut über Berlin“. Ähnlich verhält es sich bei der sogenannten „Warschauer Erklärung“ vom 12. Juni 2011, deren Text ein vorläufiges Zwischenergebnis der Rundtischgespräche darstellen soll. Gleiches gilt für das am 21. Juni 2011 von den Regierungschefs beider Staaten unterzeichnete „Programm der Zusammenarbeit anlässlich des 20. Jahrestages“. Wie unnachgiebig man polnischerseits dabei vorzugehen pflegte, zeigt die Aussage des Vertreters der Kanzlei des polnischen Premiers Donald Tusk auf dem XV. deutsch-polnischen Forum am 14. April 2011 in Berlin. Unter Bezugnahme auf die vorgebliche Benachteiligung der polnisch-sprachigen Bevölkerungsgruppe in der Bundesrepublik Deutschland, äußerte Miszczak: „Zuerst die Symmetrie und erst dann die Wünsche der deutschen Minderheit.“ Menschenrechte als Verhandlungsmasse. Im Europa des 21. Jahrhunderts sollte dies nach unserem Dafürhalten kein prägender Stil politischer Verhandlungen mehr sein. Fast alle Forderungen der polnisch-sprachigen Bevölkerungsgruppe in der Bundesrepublik Deutschland wurden erfüllt. Die Beschlüsse hinsichtlich der deutschen Volksgruppe jedoch beschränken sich auf den museal-kulturellen Bereich und Absichtserklärungen hinsichtlich der Untersuchung von Voraussetzungen zur bilingualen Schulbildung und das, obwohl präzise Forderungen der deutschen Volksgruppe über die Einrichtungen „deutscher Kindergärten und Schulen“ schriftlich vorgelegt wurden. Zu dieser schlechterdings existenziellen Frage unserer Landsleute im heutigen Polen findet sich in der Bundestagsentschließung vom 10. Juni ein einziger Satz: ‚Eine Verbesserung des muttersprachlichen Unterrichts ist anzustreben‘. „Wahrlich sehr wenig für die uns gebotene einvernehmende ‚Regierungsschau‘ in letzter Zeit“, bemerkte Peter Großpietsch von den Glatzer Grafschaftern, der
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stellvertretende Vorsitzende der LM Schlesien (Grafschafter Bote, Nr. 7/8, 2011). Man kann die letzten 20 Jahre des deutsch-polnischen Nachbarschaftsvertrags als eine Erfolgsgeschichte beschreiben. Erfolge wurden erzielt – in schmerzfreien Zonen – wie dem Deutsch-Polnischen Jugendwerk, dem Austausch von Wissenschaftlern oder der wirtschaftlichen Zusammenarbeit. Der deutsch-polnische Nachbarschaftsvertrag ist so gesehen in der Tat ein Erfolg, jedoch nicht für die deutsche Volksgruppe in der Republik Polen. Noch weniger waren es die Rundtischgespräche, wie es der Vorsitzende der LdO, Klaus Plasczek in einer Pressemitteilung jüngst prägnant formulierte.
IX. Schlussbetrachtung Vielleicht waren die Erwartungen zu groß. Unberechtigt waren und sind sie aus menschlichen und menschenrechtlichen Erwägungen heraus jedoch nicht, besonders wenn man in die Präambel des deutsch-polnischen Nachbarschaftsvertrages blickt. Denn ohne eine gründliche Unterweisung in der Muttersprache von Anfang an werden die Kinder der deutschen Volksgruppe keine Möglichkeiten bekommen, Träger der eigenen kulturellen und nationalen Identität zu werden. Es sei noch ein Zitat des Erzbischofs Nossol angeführt, der in einer seiner Schriften die Bedeutung der Muttersprache klar herausstellte: „Aus soziologischer Sicht ist es zweifellos berechtigt, der Sprache eine zentrale Rolle für die Bildung ethnischer Gemeinschaften zuzuschreiben. Sprache ist das wesentliche Medium für soziale Interaktion und soziale Beziehungen.“ Soziale Interaktion und Beziehungen sollten aber doch von frühester Kindheit erlernt werden? Genau aus dieser Erkenntnis her rührt die große Bedeutung der flächendeckenden Einführung deutscher Kindergärten und Grundschulen für den weiteren sicheren Fortbestand der deutschen Volksgruppe in der Republik Polen. Daher ist die eingangs formulierte These, dass die deutsche Volksgruppe in der Republik Polen als eine institutionell zwar umfassend abgesicherte nationale Minderheit bezeichnet werden darf, als bestätigt anzusehen. Diese Absicherung trägt jedoch nicht dazu bei, die Sprach- und Identitätsproblematik zu entschärfen. und einer zufriedenstellenden Lösung zuzuführen. Erfüllt haben sich die Erwartungen die deutsche Volksgruppe betreffend also bisher noch nicht. * * *
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Abstract Tobias Norbert Körfer: Language and identity problems of the German minority group in the Republic of Poland. In: 20 years of German-Polish Neighbourship Treaty – Samples from realpolitik of continuing transnational understanding, ed. by Gilbert H. Gornig, Hans-Detlef Horn and Hans-Günther Parplies (Berlin 2013), pp.121–133. The question of (re-) acquisition of German as a mother tongue is the focus of an in-depth analysis of “language and identity issues of the German minority in Poland”. The German minority is protected extensively and institutionally, but this does not “clarify the language and identity issue”. Government arrangements do not reach the roots of the German minority in Upper Silesia. Therefore, in this regard expectations have not been met by the treaty. The Polish and the German government often show disinterest towards the real needs of the German minority in the Republic of Poland. Also, on the part of elected representatives of the Germans in the Republic of Poland, more initiative should be shown on many occasions in order to solve the really pressing problems. Beside that there are several examples to demonstrate that a structural disadvantage of the Germans in the Republic of Poland still exists. An early change in the actions of the governments and in the politics of the “Association of the German social-cultural Societies in Poland” (VdG) is urgent, should the dramatic decline in language and cultural bond of Germans east of the Oder and Neisse be brought to an end. Up to the present day there is a complete lack of German kindergartens and primary schools in the Republic of Poland, although these have been able to exist for 20 years. Based on contractual commitments of the Polish state, the Federal Republic of Germany must, in cooperation with the local representatives of the German minority, quickly found a comprehensive range of native German schools and kindergartens in sponsorship of the German minority. However, this is not the aim of the two governments, and their successes are only extended to “pain-free zones”. The development of bilingual education and the establishment of the so-called “Saturday schools”, of which there are now over 50, are good but still “inadequate concepts”. The expectations of the German-Polish neighborhood treaty have not been met with regard to the Germans in the Republic of Poland.
Pflege von ehemaligen deutschen Kulturgütern und Denkmälern in Polen als Bestandteile des gemeinsamen europäischen Kulturerbes Von Peter Schabe
I. Erhaltung der Denkmäler als gemeinsame Aufgabe Die Erhaltung der Denkmäler ist im 1991 abgeschlossenen DeutschPolnischen Nachbarschaftsvertrag in Artikel 28 als gemeinsame Aufgabe benannt. Der erwünschte deutsch-polnische Austausch auf dem Fachgebiet der Denkmalpflege findet seine Entsprechung in Gestalt regelmäßig stattfindender Konferenzen und Tagungen wie Antikon. Diese seit vielen Jahren existierende Veranstaltung ist auf die Erforschung und Erhaltung von Baudenkmälern im ländlichen Raum orientiert und richtet sich an Denkmalpfleger, Architekten, Restauratoren, freiwillige Helfer und interessierte Bürger beider Länder. Sie findet alternierend in Deutschland und Polen statt und wird vom Landesamt für Denkmalpflege in Mecklenburg-Vorpommern und dem WoiwodschaftsDenkmalamt in Szczecin ausgerichtet. Als weiteres wirkungsvolles Gemeinschaftsprojekt ist der Arbeitskreis deutscher und polnischer Kunsthistoriker zu nennen, der seit 1995 besteht und der jedes Jahr abwechselnd in Deutschland und Polen eine Fachkonferenz abhält. Sein Anliegen ist die Kooperation, Vorstellung neuester Forschungsergebnisse sowie Nachwuchsförderung im Themenbereich des gemeinsamen Kulturerbes von Deutschen und Polen. Sicherlich wäre, neben den vorgestellten beiden Initiativen, ein regelmäßiger Fachaustausch deutscher und polnischer Denkmalämter wünschenswert, sei es auf staatlicher oder kommunaler Ebene. Auch ein kontinuierlicher Erfahrungsaustausch zwischen polnischen und deutschen Architekten, Bauhandwerkern und Restauratoren hätte etwas für sich. Sinn und Zweck solcher Begegnungen sollte die Verfolgung internationaler Leistungsstandards in der Denkmalpflege sein. Der Zusammenbruch des politischen Systems in den osteuropäischen Ländern, verbunden mit dem Fall des Eisernen Vorhangs und die darauf folgende Abwanderung vieler Menschen, um im westlichen Ausland besser bezahlte Arbeitsplätze zu ergattern, hat auch in Polen Spuren hinterlassen. Aus Sicht der DPS ist heute vor allem in ländlichen Gegenden ein Mangel an für Arbeiten an Baudenkmälern geeigneten Fachbetrieben zu verzeichnen. In kommunistischen Zeiten gab es wenigstens die staatlichen Restaurierungswerkstätten PKZ (Pracownie Konserwacji Zabytków), die mit ihrer guten Ausführungsqualität
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international für Aufsehen und Anerkennung sorgten und die dem in den frühen 1970er Jahren in Deutschland trotz des Wirtschaftswunders darnieder liegenden traditionellen Restaurierungshandwerk gegen Devisen wieder auf die Beine halfen. Aus Sicht der DPS, die seit nunmehr vier Jahren in Polen die Instandsetzung von Denkmälern mit deutscher Vergangenheit an ausgewählten Beispielen unterstützt, geht allerdings mit dem erfreulich starken wirtschaftlichen Wachstum im Nachbarland eine Entwicklung einher, die zu Qualitätsverlusten bei Erhaltungsmaßnahmen am baukulturellen Erbe führt. Einmal ist es ein neues Kirchendach, das nicht fachgerecht neu gedeckt wurde, ein anderes Mal eine Deckenrestaurierung, durchgeführt mit nicht mehr zeitgemäßen Konservierungsmaterialien und -methoden, oder eine nicht zimmermannsgerechte Dachstuhlreparatur, die häufig fehlende Ausführungsplanung sowie die fehlende restauratorische Voruntersuchung und Zielstellung, die den Mangel bilden. Schnell ist die geschädigte originale Denkmalsubstanz beseitigt und durch neue rekonstruierte Elemente ersetzt. Fortbildungszentren für Handwerk und Denkmalpflege, in denen wie in Frankreich oder Deutschland alte handwerkliche Fähigkeiten wieder erlernt werden können, um Baudenkmäler als anschauliche Zeugnisse der Geschichte in der gebotenen Qualität und mit der notwendigen Sensibilität zu erhalten, sind in Polen noch nicht existent. Aber es ist zu konstatieren, dass in Polen exponierter wertvoller originaler Denkmalbestand, wie die eindrucksvolle Altstadt von Krakau, in außerordentlich hoher bauhandwerklicher und restauratorischer Qualität saniert worden ist und weiterhin saniert wird. Auf solche Orte scheint sich die durchaus vorhandene ausgezeichnete Fachkompetenz zu konzentrieren, während die Wertschätzung für den Denkmalbestand auf dem Land geringer ausfällt. Zum Verlust alter Handwerks- und Restaurierungstechniken kommt erschwerend hinzu, dass in Polen zur Bewahrung des Denkmalbestands von der öffentlichen Hand viel zu geringe Mittel bereitgestellt werden. Von dieser Situation, die durch den Regierungssparkurs in Zeiten der globalen Wirtschaftskrise kaum eine Verbesserung erfahren kann, ist nicht zuletzt das baukulturelle Erbe mit deutscher Vergangenheit betroffen. EU-Fördermittel stehen bekanntlich umfangreich in Polen zur Verfügung. Zur Sanierung von Baudenkmälern mit deutscher Provenienz in privater Hand, wie etwa jüngst für die zum Hotel umfunktionierte Vorburg in Heilsberg (Lidzbark Warminski), werden sie allerdings noch zu selten bereitgestellt. Dadurch, dass sich Polen weiterhin eine Unterbezahlung seiner Denkmalbehörden leistet, sind Denkmalpflege und Denkmalschutz zudem wesentlich geschwächt. In mancher Hinsicht war die Ausgangssituation in Polen und Ostdeutschland nach dem Niedergang des Kommunismus vergleichbar. Die volkseigenen Baukombinate waren auf Betonneubau spezialisiert und Komfortraumwohnungen wurden gegenüber Altbauten bevorzugt, so dass letztere unsaniert blieben und alte Handwerkstechniken immer mehr in Vergessenheit gerieten.
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Die neuen Bundesländer konnten dann jedoch ab 1990 von den umfangreichen Mitteltransfers aus Westdeutschland und der Übertragung dort etablierter Förderprogramme profitieren, wie der Städtebauförderung. Sie erhielten sogar ein speziell auf den Sanierungsbedarf der Städte mit überkommenen historischen Stadtkernen zugeschnittenes Bundessonderprogramm zum städtebaulichen Denkmalschutz, das aufgrund seines durchschlagenden Erfolges inzwischen auf die westlichen Bundesländer übertragen wurde. In Polen wurden hingegen, wohl mit Rücksicht auf die intendierte Stärkung der Regionalverwaltungen, bislang keine solchen oder ähnlichen nationalen Programme aufgelegt. Jedoch ist ein großer Unterschied zwischen der städtebaulichen Situation 1990 in der ehemaligen DDR und Polen festzuhalten: In der DDR waren noch viele historische Altstädte in ihrer Substanz unversehrt, wenn auch vernachlässigt. Hier war die Schaffung neuer vom Sozialismus vorgegebener Architektur am Rande der historischen Zentren, die aus ideologischen Gründen sich selbst überlassen wurden, bevorzugt worden. Zur fehlenden Akzeptanz des baukulturellen Erbes gesellte sich die finanzielle Schwäche des politischen Systems. Es fehlten auch die Geldmittel für aufwendige Restaurierungen. Wieder einmal bewahrheitete sich der geflügelte Ausspruch „Armut ist die beste Denkmalpflege“. So konnten in den östlichen Bundesländern nach der politischen Wende 1989 rund 150 historische Stadtzentren gerettet werden, darunter Stralsund, Wismar und Quedlinburg, die heute Welterbe-Stätten sind, oder Görlitz mit allein 4.000 eingetragenen Baudenkmälern. In Polen waren hingegen viele Altstädte nahezu völlig vom Krieg zerstört worden, ihr Wiederaufbau setzte wie in Westdeutschland erst mit der Nachkriegszeit ein. Anders als in Deutschland, wo es nach dem Krieg wie in der DDR Probleme mit der Vergangenheitsbewältigung und dem eigenen Geschichtsbild gab und infolgedessen noch teilzerstörte Substanz, die erhaltbar gewesen wäre, abgerissen und durch moderne Architektur ersetzt wurde, besann man sich in Polen auf die eigene Geschichte. Auf der Suche nach der kulturellen Identität wurden große bedeutende Altstädte, die im Krieg vernichtet worden waren, großflächig wiederhergestellt wie in Danzig, Breslau und Warschau. An dieser Stelle sei eine Bemerkung zu der bisweilen unterschiedlichen Auffassung von Denkmalpflege in Polen und Deutschland angeführt. Die polnische Denkmalpflege scheint eher geneigt zu sein, verloren gegangene Denkmalsubstanz vollständig wiederherzustellen, um ein stimmiges historisiertes Gesamterscheinungsbild zu erzielen, wie das Königliche Schloss in Warschau dokumentiert. Ein nachgebildetes Berliner Schloss mit nur an drei Seiten wiederhergestellter historischer Fassade und neu gestalteten Innenräumen wäre in Polen so nicht denkbar. Hingegen findet die auch in der deutschen Denkmalpflege etablierte „kritische Rekonstruktion“, bei der z. B. die Wunden durch Kriegszerstörung gezeigt und überkommene Architektur- und Dekorationsfragmente im Detail erhalten werden (z. B. Neues Museum saniert von Architekt David Chipperfield und St. Elisabethkirche von Karl-Friedrich Schinkel, beide in Berlin oder St. Marienkirche in Frankfurt/Oder) wenig Anhänger.
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II. Rahmenbedingungen zur Pflege von ehemaligen deutschen Kulturgütern und Denkmälern in Polen Es werden nun die Rahmenbedingungen zur „Pflege von ehemaligen deutschen Kulturgütern und Denkmälern in Polen“ betrachtet und es wird erörtert, was es bei der praktischen Umsetzung von Maßnahmen an denkmalgeschützter Bausubstanz konkret zu berücksichtigen gilt. Vorweg sei angemerkt, dass es auch in Deutschland bei der Denkmalpflege und dem Denkmalschutz zahlreiche Probleme gibt. Eine Erschwernis für das deutsche Verständnis stellt die andersartige Bauorganisation in Polen dar. Die DPS hat die Erfahrung gemacht, dass es in Polen nahezu keine Architekten gibt, die auf die Instandsetzung von Baudenkmälern spezialisiert sind und je nach Beauftragung alle Leistungsphasen planerisch betreuen können. Stattdessen sind Planung, Ausführung und Bauleitung von vornherein in verschiedenen Händen, was die Transparenz des Bauablaufs für deutsche Investoren und Partner verklären kann, zumal sich dadurch für sie die Sprachbarriere potenzieren wird. Aus DPS-Sicht wird bei Teilmaßnahmen häufig versucht, nicht zuletzt aus Kostengründen die Hinzuziehung externer Planer und Gutachter zu umgehen. Ferner werden Leistungen zumeist nicht gewerkeweise, sondern als Paket an eine Baufirma vergeben, die ein Kostenangebot abgegeben hat. Die DPS hat bei ihr angetragenen Instandsetzungsprojekten im ländlichen Raum feststellen können, dass oft keine Ausschreibung, auch nicht beschränkt, wie bei finanziell überschaubaren Maßnahmen an denkmalgeschützten Gebäuden in Deutschland üblich, respektive kein Wettbewerb stattfindet. Der beauftragte Baubetrieb erfüllt die Funktion eines Generalunternehmens in Deutschland. Hierzulande hat sich etabliert, Maßnahmen an denkmalgeschützter Bausubstanz in privater Hand und ohne hohe öffentliche Fördermittel, die mehrere Gewerke betreffen, auf Basis eines beschränkten Wettbewerbs an denkmalerfahrene Einzelfirmen zu vergeben, mit denen man in ausreichender Zahl gesegnet ist. Oft helfen die Denkmalbehörden dem Eigentümer mit Referenzlisten geeigneter Firmen, um ein gutes Instandsetzungsergebnis zu erreichen. Es muss aber gleichwohl klar sein, dass es über Ländergrenzen hinweg keine Eins-zu-eins Entsprechung geben kann und die nationalen Besonderheiten zu berücksichtigen und zu respektieren sind. Da das bürgerschaftliche respektive ehrenamtliche Engagement zur Erhaltung des baukulturellen Erbes in Polen noch immer in den Anfängen steckt, bedarf es hier zur Rettung erhaltenswerter Denkmäler mit deutscher Vergangenheit weiterhin deutscher Unterstützung. Oft sind es Fördervereine, Initiativen und einzeln auftretende Privatpersonen, die die Erhaltung eines bestimmten Denkmals mit Spenden unterstützen und dazu in direkten Kontakt mit dem Pfarrer einer Kirchengemeinde oder einer Stadt- bzw. Gemeindeverwaltung treten. In solchen Fällen findet deutsch-polnische Verständigung an der Basis statt
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und damit die Überwindung und Beseitigung von Vorurteilen, was nicht hoch genug bewertet werden kann. Spendenanlass ist zumeist die biografische Verbindung des Zuwenders zu einem bestimmten Ort und Objekt. Infolge der in Polen im ländlichen Raum geschilderten Denkmalpraxis kann es vorkommen, dass zweckgebundene Spenden aus Deutschland für Maßnahmen Verwendung finden, die nach europäischen Denkmalstandards nicht ausreichend denkmalgerecht ausgeführt werden. Deshalb ist hier, ungeachtet der positiven Aspekte der Völkerverständigung, aus denkmalpflegerischer Sicht Achtsamkeit geboten. Was das private Engagement für den Denkmalschutz betrifft, so sind die in Polen kaum vorhandenen steuerlichen Anreize nicht dazu dienlich, die Verhältnisse zu verändern. Während in Deutschland Spenden zur Bewahrung von Baudenkmälern bei der Einkommenssteuer mit 20 Prozent abzugsfähig sind, kann der polnische Bürger bei der jährlichen Einkommenssteuer gerade einmal 1 Prozent für den Denkmalerhalt bestimmen. Auch gibt es in Polen keine indirekte Denkmalförderung, bei der der Denkmaleigentümer wie in Deutschland bei nachweislich fachgerechter Ausführung bis zu 100 Prozent des denkmalpflegerischen Mehraufwands in einem Zeitraum von zwölf Jahren steuerlich absetzen kann. Eine staatliche polenweite Lotterie für den Denkmalschutz wäre sehr hilfreich, ist jedoch weiterhin nicht in Sicht. Eine weitere Belastung für ehemals deutsche Baudenkmäler in Polen ist die mancherorts immer noch vorhandene Distanz der Einwohner zu jenem Erbe. In Anbetracht des Bevölkerungsaustauschs, der nach 1945 stattgefunden hat, ist dies nicht verwunderlich. Leider wird das kulturtouristische Potenzial jener baulichen Zeugnisse noch immer verkannt. Jedoch ist ein Bewusstseinswandel im Gange und die positive Entwicklung schreitet von Jahr zu Jahr voran. Um durch die vorgenannten Verhältnisse in der polnischen Denkmalpflege nicht zu sehr aufgerieben zu werden, hat sich die DPS seit Gründung drei denkmalerfahrene Experten zur Seite gestellt, die in den Regionen, in denen sich die Stiftung vor allem engagieren möchte (Niederschlesien, Schlesien, Ermland, Masuren und Pommern), als deren Regionalbeauftragte auftreten. Sie achten darauf, dass von der DPS geförderte Instandsetzungsprojekte internationale Denkmalstandards erfüllen. Das organisatorische und fachtechnische Knowhow, das die DPS in Polen erwirbt, wird zusehends mehr von Spendern in Anspruch genommen, darunter von anderen Stiftungen. Sie vertrauen der DPS ihre Zuwendungen an, damit diese sie so effektiv wie möglich für die zu fördernde Maßnahme verwendet. Die gemeinnützige private rechtsfähige DPS ist berechtigt, Zuwendungsbestätigungen für Spenden aus Deutschland zur Erhaltung der von ihr geförderten polnischen Denkmalprojekte, wie Schloss Steinort bei Wegorzewo, auszuhändigen. Dieses Herrenhaus, das bis 1944 Eigentum und Wohnsitz der Familie von Lehndorff war, wurde Ende 2009 an die polnische Schwesterstiftung der DPS, die Polsko-Niemiecka Fundacja Ochrony Zabytków in Warschau (PNF),
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übertragen. Beide Stiftungen versuchen seitdem, das akut vom Verfall betroffene Schloss zu retten und einer neuen Nutzung als Museum, Internationale Jugendbauhütte und Europäisches Fortbildungszentrum für Handwerk und Denkmalpflege zuzuführen. Dies ist eine große Aufgabe, für die neben öffentlichen Fördermitteln Spenden benötigt werden. Schloss Steinort ist das einzige noch weitgehend authentisch erhalten gebliebene Herrenhaus im ehemaligen Ostpreußen, das es als bauliches Zeugnis für die nachwachsenden Generationen zu erhalten gilt. Die DPS finanziert sich und die von ihr unterstützten Instandsetzungsmaßnahmen derzeit vor allem durch Spenden und projektbezogene Mittel des Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien, für den sie als Maßnahme-Träger verantwortlich zeichnet. * * *
Abstract Peter Schabe: Conservation of former German monuments and cultural assets in Poland as a part of common European cultural heritage. In: 20 years of German-Polish Neighbourship Treaty – Samples from realpolitik of continuing transnational understanding, ed. by Gilbert H. Gornig, Hans-Detlef Horn and Hans-Günther Parplies (Berlin 2013), pp. 135–141. The Polish-German neighbourhood-treaty, which was concluded in 1991, named the conservation of historical monuments in Article 8 as a common task. The desirable German-Polish exchange in the field of historic preservation has its equivalent in the form of regularly scheduled conferences like ANTIKON and the joint project working group of German and Polish art historian. In some places in Poland there still appears to be a fear of contact and consequently problems with identifying with historical buildings with a German history. In the current situation, where the total number of existing historical monuments in Poland could be better, more than a few of these objects are in acute danger. A lack of suitable builders as a result of migration into financially lucrative foreign countries, not enough public funds for cultural heritage protection, underpaid governmental monument conservators, a lack of trained conservation architects due to the education system, general contractors with sub-firms instead of the individual allocation of trades to assure quality, and tax incentives for volunteers which are too low, are some of the main problems. The creation of training centres for skilled crafts, trades and historical preservation, where old, artisan skills which are threatened to be lost could be learned, would be desirable.
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For the salvation of preservation worthy monuments which are linked to the German past further German support is needed. On the latter point, the German-Polish Foundation is committed to cultural preservation and the protection of sites of historic interest. Within this task they will lead the way professionally and as specialists of conservation of particularly preservation worthy evidence of the cultural heritage of the German history in Poland, by taking on their main project – the rescue of Castle Steinort/Sztynort on the Masurian lake.
Die Wahrnehmung des Danziger Bischofs Carl Maria Splett durch die deutsche und die polnische Gesellschaft Von Aleksandra Kmak-Pamirska Die politischen und gesellschaftlichen Gegebenheiten spielen eine wichtige Rolle im Leben des Menschen, besonders wenn man eine Entscheidung treffen muss. Traumatische Erlebnisse können sich so stark auf das menschliche Bewusstsein auswirken, dass der Mensch die Fähigkeit des vernünftigen und logischen Denkens verliert. Vor allem Kriege prägen unser Gedächtnis und hinterlassen Spuren in unserer Psyche. Deswegen haben die Personen, die wichtige Posten einnehmen, sehr schwierige Aufgaben auszuführen. Die von ihnen getroffene Entscheidung scheint im gegebenen Augenblick die richtige und zutreffende zu sein, trotzdem können ihre negativen Folgen Jahre später auftauchen. Kann jedoch die schwierige Kriegszeit ihre Taten rechtfertigen? Die Antwort auf diese Frage ist nicht einfach.
I. Das Leben und Wirken von Bischof Carl Maria Splett Das Problem der Verantwortung für die während des Zweiten Weltkrieges getroffenen Entscheidungen betrifft Bischof Carl Maria Splett direkt. Wer war Bischof Splett? Carl Maria Splett war der Danziger Bischof während des Zweiten Weltkrieges und Apostolischer Administrator der Diözese von Kulm. Er wurde am 17. Januar 1898 in Zoppot geboren. Er studierte von 1917 bis 1921 im Priesterseminar in Pelplin. Am 10. Juli 1921 empfing er die Priesterweihe von dem kulmischen Bischof Augustian Rosentreter. Danach setzte er sein Studium in Rom fort, wo er 1923 den Doktortitel im kanonischen Recht erwarb. Die Ernennung zum Danziger Bischof erfolgte am 13. Juni 1938. Die Inthronisation und Konsekration fand am 24. August 1938 statt. Die Ernennung zum Apostolischen Administrator der Diözese von Kulm bekam er im November desselben Jahres. Er trat sein Amt im Dezember 1939 an. Die Ernennung zum Danziger Bischof war ein sehr kontroverses Ereignis. Der erste Kandidat, der von dem ehemaligen Danziger Bischof Edward O’Rourke und dem Apostolischen Nuntius vorgeschlagen wurde, war Franz Sawicki – er wurde jedoch aus politischen Gründen abgelehnt. Diese Ernennung wurde in politischen, kirchlichen und gesellschaftlichen Kreisen unterschiedlich bewertet. Warum? Viele
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glaubten, dass Carl Maria Splett seinen Posten nur dank der Unterstützung des Statthalters von Danzig (Westpreußen) Albert Forster bekam (u. a. Peter Raina, Wojciech Borowski, Józef Sikora). Vom 28. Januar bis zum 1. Februar 1946 fand der Prozess gegen Bischof Splett vor der Sonderstrafkammer Danzig (entspricht dem Sonderstrafgerichtshof in Danzig) statt. Als Danziger Bischof und Administrator der Diözese von Kulm wurde er wegen antipolnischen Handelns zum Schaden des polnischen Staates, katholischen Klerus und der Zivilbevölkerung angeklagt und zu acht Jahren Haft verurteilt. Ferner wurden ihm die öffentlichen Rechte und die bürgerlichen Ehrenrechte für die Dauer von fünf Jahren aberkannt. Schließlich wurde sein gesamter Besitz konfisziert. Warum wurde Bischof Splett angeklagt und warum wurde er vor die Sonderstrafkammer Danzig gestellt? Der Hauptgrund waren die von ihm verabschiedeten antipolnischen Anordnungen, unter anderem: das Verbot der Benutzung der polnischen Sprache während der Sakramente, besonders während der Beichte und während der Predigten und der Gesänge; der Befehl der Entfernung aller Gegenstände und Embleme mit polnischen Aufschriften; er erlaubte nicht, polnische Priester auf ihre ehemaligen Arbeitsplätze nach ihrer Rückkehr aus Konzentrationslagern zu übernehmen. Der Bischof entschuldigte sich während des Prozesses, dass er sich unter dem Druck von Gestapo und nazistischer Macht befand. Sein Ziel sei es gewesen, polnische Priester und Gemeinden zu verteidigen. Es sei betont, dass die Priester trotz des Verbots die Beichte auf Polnisch abgenommen haben und Bischof Splett sich dessen bewusst war. Übrigens nahm er auch selbst die Beichte auf Polnisch ab. Der Bischof wurde zu acht Jahren Freiheitsstrafe verurteilt. Nach Verbüßung eines Teils seiner Haftstrafe verbrachte er viele Jahre in Einzelhaft. Von 1953 bis 1954 lebte er im Dominikaner Kloster in Borek Stary, danach ab 1954 im Kloster von Dukla. Im Jahr 1956 ging er in die Bundesrepublik Deutschland, wo er unter anderem als Seelsorger bei den Danziger Katholiken beschäftigt war. Im Jahr 1957 besuchte er Papst Pius XII. und berichtete ihm von der Situation der katholischen Kirche in Polen und von seinem isolierten Leben; er nahm am Vatikanischen Konzil teil. Er verstarb in der Nacht vom 4./5. März 1964 in Düsseldorf1. ___________ 1 Die biographische Notiz wurde auf der Basis von Archivmaterialien vorbereitet: Archiwum Archidiecezji Gdańskiej, Archiwum Diecezjalne w Pelplinie, Archiwum Gwiazdy Morza w Sopocie, Archiwum Instytutu Pamięci Narodowej Komisji Ścigania Zbrodni przeciwko Narodowi Polskiemu w Krakowie. Überdies auf der Basis von den Bischof C. M. Splett betreffenden Publikationen u.a.: Bogdanowicz, S., Karol Maria Antoni Splett, biskup gdański czasu wojny, więzień specjalny PRL, Drukarnia Wydawnicza „Stella Maris“, Gdańsk 1996; Bolduan, T., Biskup Carl Maria Splett – od mitów ku prawdzie, „Studia Pelplińskie“ 1989, S. 79–95; Raina, P., Karol Maria Splett biskup gdański na ławie oskarżonych, Wydawnictwo Książka Polska, Warszawa 1994; Samerski, S., Priester im annektieren Polen, die Seelsorge deutscher Geistlicher in den
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II. Die Wahrnehmung durch die polnische und die deutsche Gesellschaft Die Wahrnehmung des Danziger Bischofs Splett durch die polnische und die deutsche Gesellschaft ist unterschiedlich. Die Wissenschaftler und die öffentliche Meinung in Polen und Deutschland sind in zwei entgegengesetzte Gruppen eingeteilt: die einen glauben, dass der Bischof von Danzig freigesprochen und posthum rehabilitiert werden sollte (unter anderem der Priester Stanisław Bogdanowicz2, Stefan Samerski3, Gerhard Erb4, Helmut Juros5), während die anderen die Auffassung vertreten, dass das Urteil gerecht war, da der Bischof selbst ein antipolnischer Nationalist gewesen sei (unter anderem Peter Raina6, Wojciech Borowski7, Józef Sikora8, Alojzy Męclewski9). Wichtig ist, dass einseitige (propagandistische) Artikel und Publikationen die polnische Meinung der Gesellschaft vor 1989 beeinflussten. Eine Analyse der Berichte über den Prozess zeigt, dass die Journalisten durch negative Bezeichnungen vor dem Namen des Angeklagten, wie zum Beispiel „Polakenfresser“, „Nazi“, „Chauvinist“, ihm eine antipolnische Haltung unterstellten. Wie aus dem Vorstehenden hervorgeht, ist es nicht verwunderlich, dass die polnische Gesellschaft 1946 Bischof Splett einseitig beurteilte. Er wurde mit dem deutschen Volk identifiziert, das heißt, man unterstellte damit, er sei Nazi und antipolnisch eingestellt gewesen. Man billigte ihm keine Rechtfertigungsgründe zu. Eine kritische Analyse der Artikel der polnischen Presse, wie z. B. „Danziger Vorposten“10, „Demokratyczny Przegląd Prawniczy“11, ___________ an das Deutsche Reich angeschlossenen polnischen Gebieten 1939–1945, Kulturstiftung der deutschen Vertriebenen, Bonn 1997; Samerski, S./Bräuel, U., Ein Bischof vor Gericht: der Prozess gegen den Danziger Bischof Carl Maria Splett 1946, Fibre, 2005; Samerski, S., Schuld und Sühne?: Bischof Carl Maria Splett in Krieg und Gefangenschaft, Bonn: Kulturstiftung der deutschen Vertriebenen, 2000. 2 Bogdanowicz, S., op.cit.. 3 Samerski, S., Schuld, op. cit.; Samerski, S., Ein Bischof, op.cit.; Samerski, S., Priester, op. cit. 4 Erb, G., Carl Maria Splett. Bischof von Danzig in schwerer Zeit, Verlag Villi Willczek, Düsseldorf 2006. 5 Juros, H., Rewizja i rehabilitacja, „Tygodnik Powszechny“, Nr. 33 vom 13.08. 2000, S. 8. 6 Raina, P., op. cit. 7 Borowski, W., Obowiązek niemieckiego biskupa, duchowieństwo niemieckie i okupacja Polski 1939-1945, Zachodnia Agencja Prasowa, Warszawa 1966. 8 Sikora, J. Tak mówi historia: z dziejów antypolskiej polityki Watykanu, Iskry, Warszawa 1954; Sikora, J., Biskup Carl Maria Splett, Warszawa 1951. 9 Męclewski, A., Pelplińska Jesień, Wydawnictwo Morskie, Gdańsk 1971. 10 Der Bischofswechsel in Danzig, Danziger Vorposten vom 24. Juni 1938, S. 9. 11 Biskup – Polakożerca na ławie oskarżonych, „Demokratyczny Przegląd Prawniczy“, Nr. 2, Dezember 1945, S. 45.
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„Dziennik Bałtycki“12, „Dziennik Ludowy“13, „Gazeta Gdańska“14, „Gazeta Ludowa“15, „Głos Ludu“16, „Głos Wybrzeża“17, „Kurier Codzienny“18, „Robotnik“19, „Rzeczpospolita“20, „Życie Warszawy“21, verdeutlicht, dass diese Antipathie und Herabwürdigung das antipolnische Bild des Danziger Bischofs in der polnischen Gesellschaft verstärkten. Die folgenden Jahre brachten keinen Wechsel mit sich. Die polnische Publizistik zeichnete weiter ein meist einseitiges Bild von Bischof Splett. Entsprechende Artikel kann man in den Zeitschriften wie „Litery“22, „Wieczór Wybrzeża“23 oder „Rzeczpospolita“24 lesen. Her___________ 12 Aby germanizować łamał nawet prawo kanoniczne, „Dziennik Bałtycki“ Nr. 32, vom 02.02.1946, S. 3; Administrator Apostolski wykonywał zarządzenia gestapo, Dalszy ciąg sprawozdania z I – szego dnia procesu biskupa Spletta, „Dziennik Bałtycki“ Nr. 29, vom 30.01.1946, S. 3; Biskup Splett popełniał bezprawie ręka w rękę z gestapo, „Dziennik Bałtycki“ Nr. 32, vom 02.02.1946, S.1; Cień 400 zamordowanych księży na Sali sądowej, „Dziennik Bałtycki“ Nr. 31 vom 01.02.1946, S. 1; Karol Maria Splett skazany na 8 lat więzienia, „Dziennik Bałtycki“ Nr. 33, vom 03.02.1946, S.1. 13 Zbrodnia, „Dziennik Ludowy“ vom 17.01.1946. 14 Obchód rocznicy urodzin Hitlera w Gdańsku, „Gazeta Gdańska“ Nr. 92 vom 21.04.1938, S. 7; Oficjalna wizyta pożegnalna ks. Biskupa O’Rourkego i wizyta powitalna nowego Biskupa Gdańskiego, „Gazeta Gdańska“ Nr. 144, vom 15.06.1938, S. 11; Ojciec św. przyjął rezygnację biskupa gdańskiego ks. O’Rourke, „Gazeta Gdańska“ Nr. 135, vom 14.06.1938, S. 1; Zmiana na stanowisku ks. Biskupa gdańskiego była dla Gdańska niespodzianką, „Gazeta Gdańska“ Nr. 136, vom 15,16.06.1938, S. 11. 15 Proces b. biskupa Spletta, „Gazeta Ludowa“ vom 01.02.1946; Przed procesem biskupa Spletta pięć podstawowych zarzutów, „Gazeta Ludowa“ vom 14.01.1946; Biskup Splett skazany na 8 lat więzienia, „Gazeta Ludowa“ vom 02.02.1946. 16 Casus: Biskup gdański Wolna Rzeczpospolita nie może tolerować antypolskich akcji duchowieństwa, „Głos Ludu“ vom 1.08.1945; Proces biskupa – hitlerowca Splett na ławie oskarżonych w Sądzie Specjalnym w Gdańsku, „Głos Ludu“ vom 20.01.1946; Wybielanie biskupa Hitlerowca przez świadków obrony w procesie gdańskim, „Głos Ludu“ vom 1946 Nr. 31. 17 Proces Agenta „Narodu Panów“ biskupa Spletta, „Głos Wybrzeża“ vom 27.01.1946, S. 2. 18 Biskup gdański stanie przed sądem za antypolską działalność, „Kurier Codzienny“ vom 2.09.1945; Dysponent i wykonawca nakazów hitleryzmu biskup gdański Splett aresztowany wraz ze wspólnikami, „Kurier Codzienny“ vom 22.08.1945. 19 Biskup Splett – wrogiem Polaków – 8 lat więzienia i pozbawienia praw obywatelskich, „Robotnik“ vom 02.02.1946, S. 2. 20 Kim jest Karol Maria Splett b. biskup gdańska, „Rzeczpospolita“ vom 21.11.1945; Przed procesem biskupa Spletta, „Rzeczpospolita“ vom 13.01.1946. 21 Aresztowanie biskupa Spletta, „Życie Warszawy“ vom 22.09.1945; Biskup Splett jest zbrodniarzem – z punktu widzenia prawa kanonicznego – stwierdził w swej ekspertyzie biegły prof. Wilamowski, „Życie Warszawy“ vom 3 lutego 1946, Biskup z łaski Foerstera postawił sobie za cel zgermanizować Pomorze. Drugi dzień procesu biskupa Spletta w Gdańsku, „Życie Warszawy“ vom 30.01.1946; Pierwsza konferencja biskupów polskich, „Życie Warszawy“ vom 10.07.1945. 22 Majewski, S., Pastorał i swastyka albo wiara, nadzieja i ... nienawiść, „Litery“ Nr. 4 (1962), S. 12-15.
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abwürdigende Worte in den Artikeln kennzeichneten den antideutschen Charakter der Publikationen. Sie verursachten auch das Desinteresse für die Person von Carl Maria Splett. Wichtig ist, dass die Leute das, was sie gelesen haben, noch nach vielen Jahren für richtig halten. Der propagandistische Charakter der Publikationen über Bischof Splett verfehlte seine Wirkung beim Leser nicht und prägte die Wahrnehmung des Bischofs Splett durch die polnische Gesellschaft. Ähnliche Aussagen enthalten polnische Publikationen, wie das Buch von Wojciech Borowski mit dem Titel: Obowiązek niemieckiego biskupa25, das Buch von Józef Sikora mit dem Titel: Biskup Carl Maria Splett26 sowie das Buch von Alojzy Męclewski mit dem Titel: Pelplińska jesień27. Es gibt auch Artikel in der polnischen Publizistik aus der Zeit vor 1989, die positive Seiten von Bischof Splett schildern. Sie rechtfertigen Spletts Handlungen in der Kriegszeit mit der Notstandsituation. Eine solche Aussage enthält der Artikel von Ernest Kleinert aus dem Jahr 1976 mit dem Titel: Antypolskie zarządzenia biskupa gdańskiego Karola Spletta w świetle prawa karnego publicznego i kanonicznego28. In dem Artikel betont der Verfasser, dass die Kriegszeit einen erheblichen Einfluss auf die Entscheidungen des Bischofs hatte. Eine wichtige Stimme in der Diskussion über den Danziger Geistlichen sind die Abhandlungen von Tadeusz Bolduan29, Kordian Gulczyński30 und Agnieszka Dąbrowska31. Ihre Publikationen sind objektiv und berücksichtigen die negativen äußeren Faktoren und ihren Einfluss auf die Psyche des Bischofs. Manche Menschen sind der Auffassung, dass die deutschen Publikationen über Bischof Splett objektiver als die polnischen angelegt seien. Eine positive Seite von Bischof Splett schildern zum Beispiel der Artikel von Manfred Clauss mit dem Titel: Der Danziger Bischof Carl Maria Splett als Apostolischer Administrator des Bistums Kulm32 und die Artikel, die in der Zeitschrift ___________ 23 Krzycki, A., Carl Maria Splett przed polskim sądem, „Wieczór Wybrzeża“ Nr. 130, vom 03.06.1966. 24 Przed procesem biskupa Spletta, „Rzeczpospolita“ vom 13.01.1946. 25 Borowski, W., op. cit. 26 Sikora, J., op. cit. 27 Męclewski, A., op. cit. 28 Kleinert, E., Antypolskie zarządzenia biskupa gdańskiego Karola Spletta w świetle prawa karnego publicznego i kanonicznego, „Miesięcznik Diecezjalny Gdański“ (1976), S. 81–96. 29 Bolduan, T., op. cit. 30 Gulczyński, K., Biskup Karol Maria Splett administrator apostolski diecezji chełmińskiej 1939–1945, Lublin 1990 /mps/ WSDP. 31 Dąbrowska, A., Prawno-kanoniczna działalność biskupa C.M. Spletta na terenie diecezji gdańskiej i chełmińskiej w latach 1939–1945, Warszawa 1989, /mps/ UKSW. 32 Clauss, M., Der Danziger Bischof Carl Maria Splett als Apostolischer Administrator des Bistums Kulm, in: Zeitschrift für die Geschichte und Altertumskunde Ermlands, 1978, S. 129–144.
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„Unser Danzig“ veröffentlicht wurden. Einen ähnlichen Tenor hat das Buch von Franz Josef Wothe mit dem Titel: Carl Maria Splett Bischof von Danzig. Leben und Dokumente33. Wothe beschrieb die Zeit der Macht von Splett und die Dilemmas, vor denen der Bischof während seiner Aufgabenwahrnehmung stand. Bischof Splett hatte nach Wothes Meinung mehrere positive Seiten; er verteidigt den Danziger Priester gegen die ihm gemachten Vorwürfe. Nach 1989 gab es viele Stimmen in Zeitschriften und Publikationen, die Zweifel an der Richtigkeit des Urteils hatten, etwa in den Zeitschriften „Tygodnik Powszechny“34, „Polityka“35 und „Więź“36. Auch die Autoren der meisten Publikationen äußerten Zweifel an der Richtigkeit des Urteils, sie sprachen sich für eine Rehabilitierung des Bischofs und die Revision des kommunistischen Urteils aus. Einen solchen Standpunkt präsentieren unter anderem: Stanisław Bogdanowicz in der Monografie Karol Maria Antoni Splett, biskup gdański czasu wojny, więzień specjalny PRL37, Tadeusz Bolduan in einem Artikel in Studia Pelplińskie mit dem Titel Biskup Carl Maria Splett – od mitów ku prawdzie38, Helmut Juros im Artikel in der „Tygodnik Powszechny“ mit dem Titel Rewizja i rehabilitacja39 und Stefan Samerski im Buch Schuld und Sühne?: Bischof Carl Maria Splett in Krieg und Gefangenschaft40. Samerskis Studie basiert auf umfangreichem archivalischem Material. Er schildert den Bischof Splett in der Kriegszeit. Während der Analyse prüft Samerski auch positive und negative Aspekte der Taten des Danziger Geistlichen. Er versucht Antworten auf folgende Fragen zu geben: Konnte sich Bischof Splett anders verhalten? Konnte er die Verfolgung der polnischen Bürger verhindern, hätte er sich anders verhalten können? Hätte die Seelsorge in anderen Situationen standhafter sein können? Viele Wissenschaftler und Menschen behaupten, dass C. M. Splett das Opfer zweier totalitärer Systeme war. Wichtig ist, dass es nach 1989 viele Publizisten und Wissenschaftler gab, die – wie Peter Raina in seinem Buch mit dem Titel: Karol Maria Splett biskup gdański na ławie oskarżonych41 und in zahlreichen Artikeln – die Auffassung vertraten, dass das Urteil gerecht und der Bischof ein antipolnischer Nationalist ___________ 33
Wothe, F. J., Carl Maria Splett, Bischof von Danzig. Leben und Dokumente, 1965. Iwicki, Z., Czy wróci na miejsce ojczyste, „Tygodnik Powszechny“, Nr. 33 vom 13.08.2000, S. 8. 35 Socha, R., Więzień w mitrze, „Polityka“ Nr. 19 (2349) 2002, S. 67-69. 36 Lipski, T., Biskup (?) Bischof (?) Episcopus C.M. Splett, „Więź“ Nr. 1 (1992), S. 117–121. 37 Bogdanowicz, S., op. cit. 38 Bolduan, T., op. cit. 39 Juros, H., op. cit. 40 Samerski, S., op. cit. 41 Raina, P., op. cit. 34
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gewesen sei. Sie sehen keine Entschuldigung für Taten des Danziger Geistlichen, sie lehnen auch die Möglichkeit der Rehabilitierung des Bischofs ab. Ihrer Meinung nach hätte der Bischof als Geistlicher nicht aufgrund der nationalen Herkunft diskriminieren dürfen. Er hätte seine Gemeinde schützen und ein vorbildliches Leben führen müssen. In der Analyse der Meinungen über Bischof Splett ist es wichtig, die Frage der Rehabilitierung des Bischofs und der Revision des Urteils aus der Sicht polnischer und deutscher Bewertungen zu beurteilen. Am 18. Oktober 1990 und am 25. März 1995 sammelte Prälat Johannes Bieler, Aufsichtsbeamter der Danziger Katholiken in Deutschland, weitere Materialien und stellte in der Präsidentenkanzlei in Polen den Antrag auf „außerordentliche“ Revision des Strafprozesses und der Strafe. Seine Bemühungen waren jedoch erfolglos. Die Argumente des Justizministeriums stützten sich auf die Tatsache, dass die Materialien keine Anhaltspunkte für die Erhebung der Revision ergaben42. Mit der Frage der Anerkennung des Urteils beschäftigten sich ebenfalls Wissenschaftler. Priester Stanisław Bogdanowicz, Priester Helmut Juros und Dieter Schenk43 finden, dass der Prozess einem mustergültigen kommunistischen Prozess gleicht. Anderer Ansicht sind Peter Raina oder Witold Kulesza. Kulesza betont, dass der Prozess den Grundsätzen des Rechtsstaats entsprechend durchgeführt wurde44. Im Jahr 2000 erfolgte in der „Tygodnik Powszechny“ eine Diskussion. Sie betraf die Rehabilitation des Bischofs von Danzig, die Revision des Urteils und die Überführung seiner sterblichen Überreste nach Oliva. Es ist bemerkenswert, wie viele Auseinandersetzungen diese Diskussion in der polnischen Gesellschaft auslöste. Die Leute konnten ihre Meinung gegenüber der Redaktion darstellen und Kommentare abgeben. Diesen Beiträgen kann man entnehmen, dass sowohl in der Gesellschaft als auch in der Wissenschaft die Ansichten geteilt waren. Es gab Kommentare, in denen keine Rechtfertigung seines Vorgehens zum Ausdruck kam und Kommentare, in denen seine Entscheidungen verteidigt wurden. Vertreter dieser Ansicht rechtfertigten sein Handeln mit der Kriegszeit und gingen davon aus, dass man den Verstorbenen in Ruhe lassen soll.
___________ 42
Bogdanowicz, S., Karol, op. cit., S. 312-113. Schenk, D., Zmuszony do posłuchu ..., „Tygodnik Powszechny“ Nr. 46 vom 18.11.2001. 44 Kulesza, W., ... ale jednak winien, „Tygodnik Powszechny“ Nr. 46 vom 18.11.2001. 43
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III. Resümee Um Bischof Carl Maria Splett gibt es bis heute viele Kontroversen. Die Frage steht im Raum: Wer war Bischof Splett? War er ein Nazi oder das Opfer des Totalitarismus? Die Diskussion dauert an, unterschiedliche Meinungen werden nach wie vor geäußert. Die Menschen fragen, ob eine Revision gegen das Urteil eingelegt und ob der Bischof rehabilitiert werden soll? Dieter Schenk sagte, dass sich Splett dem mörderischen Druck der Nationalsozialisten beugte, er aber kein Kollaborateur war. Das ist richtig, denn neben der Bewertung von Splett darf man die Kriegszeit, die Konzentrationslager, die Ausrottung der Menschen, aber vor allem auch die Aktion gegen die Katholische Kirche nicht vergessen. Priester Kordian Gulczyński fragt, ob Splett – hätte er kein Verbot gegen die polnische Sprache und die Leute veröffentlicht – den polnischen Gemeinden und Priestern hätte helfen können? Bischof Splett war Opfer der nationalsozialistischen Regierung. Der Geistliche soll zwar über den Nationalitätsaufteilungen stehen, im nationalsozialistischen Staat war aber die Religion der staatlichen Regierung unterstellt. Zum Beispiel konnte Splett nicht ohne parteiliche Zusage Priester ernennen. Die Taten von Bischof Splett sind nach moralischen und ethischen Kategorien zu bewerten. Wenn man die ethisch gerechtfertigte Tat als eine gute Tat definiert, stellt sich die Frage, ob etwa das Verbot der Beichte in der polnischen Sprache eine gute Tat war. Aus dem Blickwinkel der polnischen Gemeinde gab es zwar Schwierigkeiten mit der Religionsausübung, dennoch ermöglichte Splett die Seelsorge. Aus der Perspektive der polnischen Geistlichen hat das Verbot ihr Leben geschützt (besonders das Leben jener sechs Priester, die am 24. Mai 1940 verhaftet wurden). Die Haltung des Bischofs Splett während des Zweiten Weltkrieges ist schwierig zu bewerten. Alles hängt davon ab, unter welchen Gesichtspunkten man das Leben von Bischof Splett prüft. Aber können Personen, die nicht in der Kriegszeit gelebt haben, überhaupt eine angemessene Beurteilung abgeben? Können sie tatsächlich feststellen, welche Tat, welche Entscheidung in jener Zeit ethisch und moralisch besser war? * * *
Abstract Aleksandra Kmak-Pamirska: The perception of the Bishop of Gdansk Carl Maria Splett through the German and Polish society. In: 20 years of GermanPolish Neighbourship Treaty – Samples from realpolitik of continuing transnational understanding, ed. by Gilbert H. Gornig, Hans-Detlef Horn and HansGünther Parplies (Berlin 2013), pp.143–151. Bishop Carl Maria Splett is a person, who stirs up much controversy today. People will ask themselves: who was bishop Splett? Was he a Nazi or the vic-
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tim of totalitarianism? The debate continues, conflicting opinions remain. The attitudes of Bishop Splett during the Second World War are very difficult to assess. It all depends on the point of view one takes to examine Bishop Splett. It must be stressed, that the researchers and the opinion of the public in Poland and in Germany are divided in two opposing groups. One side believes, that the Bishop of Gdańsk acquitted and should be posthumously rehabilitated, while others share the view that the judgment was deserved and hold the bishop accountable for an anti-Polish crime. In this short article, we are shown the changes in the perception of the bishop of Gdańsk C.M. Splett. It is important that before 1989 in Poland, opinions of the bishop Splett were very one-sided and negative. After 1989, it can be noted, that the attitude of authors in publications about the bishop are more positive. In Germany, the opinions about Splett were and are positive, but in the 60s and 70s, they were more apologetic than now. To summarize, today there is a more homogeneous perception of the Bishop of Gdańsk Carl Maria Splett in Poland and in Germany than in the years before 1989.
Die Autoren / The Authors Bernard Gaida Persönliche Angaben / Personal Data: Bernard Gaida, geboren 1958 in Guttentag (Dobrodzień), beendete im Jahr 1982 das Studium der Fakultät Holztechnik an der Hochschule für Landwirtschaft in Posen und das Studium an der päpstlichen theologischen Fakultät in Posen. Teilnehmer von Studentenbewegungen im sog. Solidaritätsuntergrund. Im Jahr 1980 stellvertretender Vorsitzender des ersten unabhängigen Studentenausschusses der Fakultät Holztechnik an der Hochschule für Landwirtschaft. Bernard Gaida ist Unternehmer. Infolge der ersten demokratischen Kommunalwahlen wurde er zum Vorsitzenden des Stadtrates in Guttentag gewählt. Diese Funktion übte er in den Jahren 1990-1998 aus. In den Jahren 1998-2002 wurde er Vorsitzender des Kreistags Olesno. In den Jahren 20022006 war er stellvertretender Vorsitzender im Sejmik der Oppelner Woiwodschaft. Im Rahmen der Selbstverwaltungstätigkeit vertritt Bernard Gaida die deutsche Minderheit und setzt sich für die Aussöhnung und die deutsch-polnische Zusammenarbeit ein. Er widmete sich der Vereinbarung einer Partnerschaft zwischen Dobrodzień und Haan, dem Kreis Olesno und dem Landkreis Kaiserslautern wie auch zwischen dem Kreis Rosenberg und Iwano-Frankijsk. Außerdem wirkte er im Rahmen der vierseitigen Partnerschaft der Woiwodschaft Oppeln mit Rheinland-Pfalz, Burgund und dem Komitat Fejer mit. Zudem nimmt er aktiv Teil bei der Erstellung der Strategie der Woiwodschaft Oppeln und leitete die Gruppe, welche sich der Förderung der Multikulturalität der Region widmete. Er ist langjähriges Mitglied des Gemeinschaftsrates der Königin-Karola Pflege- und Krankenanstalt in Dobrodzień. Seit der Anerkennung einer deutschen Minderheit ist er ihr Mitglied. Seit 2008 ist er Vizevorsitzender der Sozial-Kulturellen Gesellschaft der Deutschen im Oppelner Schlesien und seit 2009 Vorsitzender des Verbandes der deutschen sozial-kulturellen Gesellschaften in Polen und stellvertretender Vorsitzender des Deutschen Freundschaftskreises Ortsgruppe Dobrodzień. Außerhalb der internen Tätigkeit zu Gunsten der deutschen Minderheit leitete er die Delegation während der deutsch-polnischen Gespräche im Rahmen des sog. „Runden Tisches“. Zudem vertritt Bernard Gaida die deutsche Volksgruppe in Polen als Mitglied der Föderalistischen Union Europäischer Volksgruppen und wirkt in der internationalen Arbeitsgruppe beim Europäischen Parlament der FUEN. Er ist Mitglied des Kuratoriums des Oberschlesischen Eichendorff-Kultur- und Begegnungszentrums in Łubowice und Initiator und Mitveranstalter der Gesamtpolni-
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Die Autoren / The Authors
schen Treffen von Künstlergruppen der nationalen und ethnischen Minderheiten „Źródło 2011“. Ausgezeichnet u. a. mit dem Preis für Verdienste für die Gemeinde Dobrodzień, Selbstverwaltungsauszeichnung des Marschall der Woiwodschaft Oppeln, und dem Silbernen Verdienstkreuz des Präsidenten der Republik Polen. Bernard Gaida (born in 1958 in Guttentag (Dobrodzień) ended his studies in both the faculty of wood engineering at the College for Agriculture in Posen, and also his studies in the papal theology faculty in Posen in 1982. He was a participant of the student movement in the so called Solidarity Underground. In 1980 he was deputy Chairman of the first independent student committee of the wood engineering faculty at the College for Agriculture. Bernard Gaida is a business man. Owing to the first democratic local government elections he became the Chairman of the City Council in Guttentag. He exercised this function from 1990-1998. In 1998-2002 he was voted as the Chairman of the County Council in Olesno. In the years 2002-2006 he was deputy chairman in Sejmik in the Opole province. Within the boundaries of his self-governing activities, Bernard Gaida represented the German minority and supported the reconciliation and collaboration of Germany and Poland. Firstly he stood for the ending of the partnership between Dobrodzień and Haan, the district of Olesno and the administrative district of Kaiserslautern, as well as between the district of Rosenberd and Iwano-Frankijsk. In addition he worked within the setting of the four-sided partnership of the Opole province with Rheinland-Pfalz, Burgund and the Komitat Fejer. Furthermore he took an active part in drawing up the strategy of the Opole province and led the group in the development of the strategy to promote multiculturalism in the region. Long standing member of the community council of the Queen Karola Care Home and Hospital in Dobrodzień. Member of the German Minority since the official recognition. Vice Chairman of the Social-Cultural Society of the Germans in the Opole area of Silesia since 2008 and Chairman of the Association of German social-cultural Societies in Poland since 2009 and Deputy Chairman of the Dobrozień local branch of the German Frienshipcircle. In addition to the internal occupation in favour of the German Minority he led the Delegation during the German-Polish discussions about the so called “Round Tables”. Moreover Bernard Gaida represented the German ethnic minority in Poland as a member of the Federal Union of European Ethnic Minorities and worked in the international team at the European Parliament of the FUEN. Member of the Council of Trustees of the Eichendorff cultural and meeting centre in Upper-Silesia. Initiator and co-organiser of the general Polish meeting of artist groups from the national and ethnic minorities “Źródlo 2011”. Honoured, among others, with the award for his services to the Dobrodzień community, award for self-administration given by the Marshall of Opole province, and the silver service cross (highest decoration awarded for military or other service) by the President of the Republic of Poland.
Die Autoren / The Authors
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Professor Dr. Dr. h. c. mult. Gilbert H. Gornig Persönliche Angaben / Personal Data: Gilbert H. Gornig (geb. 1950): Studium der Rechtswissenschaften und Politischen Wissenschaften in Regensburg und Würzburg; 1984 Promotion zum doctor iuris utriusque in Würzburg; 1986 Habilitation; Lehrstuhlvertretungen in Mainz, Bayreuth und Göttingen; 1989 Direktor des Instituts für Völkerrecht an der Universität Göttingen und 1994-1995 Dekan; seit 1995 Inhaber des Lehrstuhls für öffentliches Recht, Völkerrecht und Europarecht an der Philipps-Universität Marburg und Geschäftsführender Direktor des Instituts für öffentliches Recht. Er war Dekan von 2006 bis 2012. Von 1996 bis 2004 war er zudem Richter am Hessischen Verwaltungsgerichtshof in Kassel. Er ist Präsident der Danziger Naturforschenden Gesellschaft und der Marburger Juristischen Gesellschaft. Gilbert Gornig, (born 1950): Studies in Law and Political Sciences in Regensburg and Wuerzburg; became a Doctor of Law (iuris utriusque) in Wuerzburg in 1984; habilitation 1986; lecturer in Mainz, Bayreuth and Goettingen; 1989 Director of the Institute of Public International Law at the University of Goettingen, Dean of the Faculty 1994/95; since 1995 Professor for public law, public international and European law at the Philipps University of Marburg, at the same time being the Executive Director of the Institute of Public Law. He was Dean 2006 up to 2012. Between 1996 and 2004 also Judge at the Higher Administrative Court of Hessen in Kassel. He is President of the Danziger Naturforschende Gesellschaft and the Marburger Juristische Gesellschaft.
Forschungsschwerpunkte / Research interests: Staatsrecht, Völkerrecht, Europarecht, Verwaltungsrecht. Constitutional Law, International and European Law, Administrative Law.
Auswahlbibliographie / Selected Publications: Hongkong. Von der britischen Kronkolonie zur chinesischen Sonderverwaltungszone. Eine historische und rechtliche Betrachtung unter Mitarbeit von Zhang Zhao-qun, 1998; Das rechtliche Schicksal der Danziger Kulturgüter seit 1939-45 am Beispiel der Naturforschenden Gesellschaft zu Danzig. Ein Rechtsgutachten, 1999; Territoriale Entwicklung und Untergangs Preußens. Eine historisch-völkerrechtliche Untersuchung, 2000; Seeabgrenzungsrecht in der Ostsee. Eine Darstellung des völkerrechtlichen Seeabgrenzungsrechts unter besonderer Berücksichtigung der Ostseestaaten, 2002; Völkerrecht und Völkermord. Definition – Nachweis – Konsequenzen am Beispiel der Sudetendeutschen, in: Schriftenreihe Geschichte, Gegenwart und Zukunft der altösterreichischen deutschen Minderheiten in den Ländern der ehemaligen Donaumonarchie, hrsg. vom Felix Ermacora Institut, 2002 (Nachdruck 2003); Der unabhängige Allfinanz-
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Die Autoren / The Authors
Vertrieb. Unter Berücksichtigung hierarchischer Vertriebssysteme, in: Schriftenreihe der Forschungsstelle für Finanzdienstleistungsrecht der Philipps-Universität Marburg, herausgegeben von Gilbert Gornig, 2004 (zusammen mit Frank Reinhardt/Dieter Meurer/Norbert Klatt); Право Европйского Союза. Европейские Сообщества. Правовоя защита в Сообществах. Ответственность государств-участников, Москва, СанктПетербург, Нижний Новгород, Воронеж, Ростов-на-Дону, Екатеринбург, Самара, Новосибирск, Киев, Харьков, Минск (Recht der Europäischen Union. Europäische Gemeinschaft. Rechtsschutz in der Gemeinschaft. Verantwortung der Mitgliedstaaten), (zusammen mit Oxana Vitvitskaja) (russisch); Fälle zum Polizei- und Ordnungsrecht. JuS-Schriftenreihe. Fälle mit Lösungen, 3. Auflage, 2006 (zusammen mit Ralf Jahn); Der völkerrechtliche Status Deutschlands zwischen 1945 und 1990. Auch ein Beitrag zu Problemen der Staatensukzession, in: Schriftenreihe der Marburger Gelehrten Gesellschaft, Bd. 27, 2007; Dreptul Uniunii Europene. Lehrbuch des Europarechts unter besonderer Berücksichtigung Rumäniens (in rumänischer Sprache) (zusammen mit Ioana Eleonora Rusu), 3. Auflage, 2009; Eigentum und Enteignung im Völkerrecht unter besonderer Berücksichtigung von Vertreibungen, in: Schriftenreihe Geschichte, Gegenwart und Zukunft der altösterreichischen deutschen Minderheiten in den Ländern der ehemaligen Donaumonarchie, Band 6, hrsg. vom Felix Ermacora Institut, Wien 2010; Drept poliţienesc român şi german (Rumänisches und deutsches Polizeirecht) (in rumänischer Sprache), 2012 (zusammen mit Monica Vlad). Weitere 250 Publikationen.
Kontaktadresse / Contact address: Philipps-Universität Marburg Fachbereich Rechtswissenschaften Institut für öffentliches Recht, Abteilung Völkerrecht Savigny-Haus Universitätsstr. 6 D-35032 Marburg / Deutschland Tel.: + 49 (0) 64 21 - 28 231 27 / -2 31 33 Fax: + 49 (0) 64 21 - 28 238 53 E-Mail: [email protected]
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M. A. Aleksandra Kmak-Pamirska Persönliche Angaben / Personal Data: Aleksandra Kmak-Pamirska (geb. 1983): 2002–2007 Studium der Religionsgeschichte, M.A., Schwerpunkt: Religionswissenschaft (Jagiellonen-Universität, Krakau), 2005–
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2007 Studium: Europa Studien M.A. Schwerpunkt: Internationale Bewegung und Europäische Union, Europäische Grants und Projekte, Geschichte der Europäischen Integration, (Jagiellonen-Universität, Krakau), 2007 – 2008 Studium: Management und Leadership, Schwerpunkt: Gewinnung und Verwaltung von EU-Fördermitteln (Wirtschaftsuniversität Krakau), seit 2008 Promotionsverfahren, Dissertationsthema: Bischof Carl Maria Splett im historischen Gedächtnis (Jagiellonen-Universität, Krakau), seit 2011 Promotionsstudium: Europäische Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts (TU Chemnitz), seit 2011 Stipendiatin des KAAD (Katholischer Akademischer AusländerDienst, Bonn). Aleksandra Kmak-Pamirska (born 1983): 2002 – 2007 studied religious history, M.A., main focus: religious studies (Jagiellonen University, Krakau). 2005 – 2007 studied European Studies M.A., main focus: International Movement and the European Union, European Grants and Projects, History of European Integration, (Jagiellonen University, Krakau). 2007 – 2008 studied Management and Leadership, main focus: Obtaining and Management of EU-Aid (University of Economics, Krakau). Since 2008 working towards a Doctorate, Dissertation topic: Bischof Carl Maria Splett as an historical memorial (Jagiellonen University, Krakau). Since 2011 scholarship holder with the KAAD (Catholic Academic Service for Foreigners, Bonn).
Auswahlbibliographie / Selected Publications: Przewodnik po prawach Schengen, Małopolskie Regionalne Centrum Informacji Europejskiej, Kraków 2007; W labiryncie funduszy europejskich, maj/czerwiec Eurofirma, Białystok 2008; Program Operacyjny Innowacyjna Gospodarka w latach 2007–2013, marzec/kwiecień Eurofirma, Białystok 2008; Europa w okowach nazizmu. Postawa związków religijnych w Niemczech pod rządami narodowych socjalistów, „Form Europejskie“, Kraków 2009; Religia w czasach Trzeciej Rzeszy, Wydawnictwo Adam Marszałek, Toruń 2010; Jozef Maria Hoene Wroński, [w]: Leksykon europeistyki, Hrsg. W. Stankowskiego PWN, Warszawa 2011; Książę Jerzy Adam Czartoryski, [w]: Leksykon europeistyki, Hrsg. W. Stankowskiego PWN, Warszawa 2011; Pierre Dubois, [w]: Leksykon europeistyki, Hrsg. W. Stankowskiego PWN, Warszawa 2011; Wojciech Bogumił Jastrzębowski, [w]: Leksykon europeistyki, Hrsg. W. Stankowskiego PWN, Warszawa 2011; Umysł zniewolony – rola języka totalitarnego w kreacji iluzorycznej rzeczywistości, Oświęcim 2011;Kontrowersje wokół postaci biskupa gdańskiego Carla Marii Spletta a pojednanie polsko-niemieckie, Wydawnictwo UŁ, 2011; Kościół w służbie państwa? Postawa kościoła ewangelickiego wobec władz narodowo-socjalistycznych w Trzeciej Rzeszy, Res Politicae T. IV, Częstochowa 2011; Die Wahrnehmung des Danziger Bischofs Carl Maria Splett durch die deutsche und die polnische Gesellschaft, Kulturstiftung der deutschen Vertriebenen, 2011/2012; Elementy „religijne“ w ideologii i obrzędach narodowosocjalistycznych Trzeciej Rzeszy, Studia nad faszyzmem i zbrodniami hitlerowskimi, Wrocław 2012.
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Die Autoren / The Authors
Kontaktadresse / Contact Address: E-Mail: [email protected]
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Tobias Norbert Körfer Persönliche Angaben / Personal Data: Tobias Norbert Körfer, geboren Juni 1979 in Aachen; Familie mütterlicherseits aus Oberschlesien; dem Abitur 1999 folgte Wehrdienst als Fallschirmjäger; Studium der Rechtswissenschaft und schließlich der Geschichte an der Universität Köln; Vorsitzender der AGMO e.V. in Bonn; Leiter der Breslauer Sammlung zu Köln; Mitglied des geschäftsführenden Landesvorstands der OMV (Ost- und Mitteldeutsche Vereinigung) der CDU NRW; Redakteur der „Deutschen Umschau“ (Bund der Vertriebenen in NRW und Hessen); Veröffentlichung diverser Artikel in Preußischer Allgemeiner Zeitung (PAZ), „Schlesien Nachrichten“, „Wochenblatt.pl“ (Zeitung der Deutschen in der Republik Polen), Magazin „Oberschlesien“ und „Schlesien Heute“, in der „Deutschen Umschau“; Referent mehrerer historischer und minderheitenpolitischer Fachtagungen in Schlesien und Deutschland. Tobias Norbert Körfer, born June 1979 in Aachen, family on the mother’s side from Upper Silesia, graduated from high school in 1999, followed by military service as a paratrooper; initially studied law and after that history at the University of Cologne, Chairman of AGMO e.V. in Bonn, director of the Breslauer Sammlung of Cologne; Member of the Executive Board of the OMV (Eastern and Central German Association) of the CDU NRW; editor of the “Deutsche Umschau” (Federation of German expellees in NRW and Hessen, BdV), several articles in the Preussische Allgemeine Zeitung (PAZ), “Schlesische Nachrichten”, “Wochenblatt.pl” (newspaper for Germans in the Republic of Poland), Magazine “Oberschlesien” and “Schlesien Heute” and in the “Deutsche Umschau”, Speaker at several historical and minority-political conferences in Silesia and Germany.
Auswahlbibliographie / Selected Publications: Zum Mysterium und Martyrium Preußens, Eckartschrift Band 208 (2012); Die Patenschaft der Universität Köln über die Universität Breslau, in: Schlesische Gelehrtenrepublik Band 5 (2012); Die Geschichte der Traditionspflege der Universität zu Breslau durch die Universität zu Köln seit 1951, Gedenkbuch des 200jährigen Jubiläums der staatlichen Universität zu Breslau Band 4 – Universität Breslau in der europäischen Kultur des 19. und 20. Jahrhunderts, Breslau 2013; Viel Lärm um „nichts“? / Wiele
Die Autoren / The Authors
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hałasu o „nic“? – Die deutsche Volksgruppe in Polen zu Beginn des Jahrs 2012, in: Eichendorff-Konversatorium Band 74 (2012); noch nicht veröffentlicht: Dissertation „Entwicklungen – Oberschlesien und der Kulturkampf – Gesellschaft, Nationalstaatsgedanke und die katholische Kirche im 19. Jahrhundert im Regierungsbezirk Oppeln“ (voraussichtlich 2013).
Kontaktadresse / Contact Address: AGMO e.V. - Gesellschaft zur Unterstützung der Deutschen in Schlesien, Ostbrandenburg, Pommern, Ost- und Westpreußen Breite Straße 25 53111 Bonn Tel.: (+)49 - (0)228 - 636 859 Fax.: (+)49 - (0)228 - 690 420 www.agmo.de E-Mail: [email protected]
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Professor Dr. hab. Albert S. Kotowski Persönliche Angaben / Personal Data: Albert S. Kotowski (geb. 1949), Studium der Geschichte in Thorn, 1981 Promotion in Posen, 1996 Habilitation in Freiburg im Breisgau; seit 2003 apl. Professor für Osteuropäische Geschichte an der Universität Bonn, seit 2007 ordentlicher Professor am Institut für Geschichte und Internationale Beziehungen der Universität in Bromberg. Albert S. Kotowski‚ (born 1949), studied History in Torun, 1981 Doctor of Human Sciences in Poznan, 1996 Habilitation in Freiburg/Breisgau; since 2003 Professor for Easteuropean History at the University of Bonn, since 2007 full Professor for Modern History and International Relations at the University of Bydgoszcz.
Auswahlbibliographie / Selected Publications: Polens Politik gegenüber seiner deutschen Minderheit 1918-1939; Otto Harrassowitz Verlag, Wiesbaden 1998; Hitlers Bewegung im Urteil der polnischen Nationaldemokratie. Otto Harrassowitz Verlag Wiesbaden 2000; Schimanski, Kuzorra und andere. Polnische Einwanderer im Ruhrgebiet zwischen der Reichsgründung und dem Zweiten Weltkrieg, hrsg. von Dittmar Dahlmann, Albert S. Kotowski und Zbigniew Karpus, Klartext Verlag Essen 2005; „Schlagen gut ein und leisten Befriedigendes“. Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter in Bonn 1940–1945, hrsg. von Dittmar Dahlmann, Albert Kotowski, Norbert Schlossmacher und Joachim Scholtyseck, Bonn 2006; Zwischen
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Die Autoren / The Authors
Staatsräson und Vaterlandsliebe: Die Polnische Fraktion im Deutschen Reichstag 18701918. [Beiträge zur Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien, Bd. 150], Droste Verlag Düsseldorf 2007; Bydgoszcz: miasto wielu kultur i narodowości. Pod redakcją Katarzyny Grysińskiej, Włodzimierza Jastrzębskiego i Alberta S. Kotowskiego, Bydgoszcz 2009; Zwangsarbeiterforschung in Deutschland. Das Beispiel Bonn im Vergleich und im Kontext neuerer Untersuchungen, hrsg. von Dittmar Dahlmann, Albert S. Kotowski, Norbert Schlossmacher, Joachim Scholtyseck, Essen 2009; Bydgoszcz: współczesne oblicze miasta. Pod redakcją Alberta S. Kotowskiego i Sławomira Sadowskiego, Bydgoszcz 2012.
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Hans-Günther Parplies Vorsitzender der Kulturstiftung der deutschen Vertriebenen.
Kontaktadresse / Contact Address: Kaiserstraße 113 53113 Bonn Tel.: (+)49 - (0)228 - 91512-0 Fax.: (+)49 - (0)228 - 91512-29 www.kulturstiftung-der-deutschen-vertriebenen.de E-Mail: [email protected]
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Professor Dr. Karol Sauerland Persönliche Angaben / Personal Data: Karol Sauerland studierte Philosophie, Mathematik und Germanistik in Berlin (Humboldt-Universität) und vor allem in Warschau; Professor für deutsche Literaturwissenschaft und Ästhetik an den Universitäten in Warschau (über zwanzig Jahre Leiter der literaturwissenschaftliche Abteilung) und Thorn (dort von 1979 bis 2005 Lehrstuhlleiter); Gastprofessuren in Zürich (ETH), Mainz, Frankfurt am Main (Fritz Bauer Institut), Berlin (FU), Amiens, Hamburg, Franz Rosenzweig Professur in Kassel (2008), Ústí nad Labem (Tschechien, 2010); Częstochowa 2011/12. Fellow am Wissenschaftskolleg zu Berlin 1994. 1993-2003 Mitglied der Internationalen Jury für den „Europäischen Buchpreis“, gestiftet vom Deutschen Börsenverein, dem Land Sachsen und der Stadt Leipzig, 1994–2003 Mitglied des Beirats des Hannah-
Die Autoren / The Authors
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Arendt-Preises für politisches Denken in Bremen, seit 2007 erneut. Seit 1996 Mitglied des Rates der Adamus-Stiftung Götz Hübner für interkulturelle Studien am griechischdeutschen und polnisch-deutschen Beispiel, seit 2004 Vorsitzender. 1992-2000 Vorsitzender der Philosophischen Gesellschaft in Warschau. 1995 Förderpreis für deutsche Sprache und Literatur in Mittel- und Osteuropa der Alexander von Humboldt-Stiftung. Karol Sauerland studied Philosophy, Maths and German Studies mainly in Warsaw but also in Berlin (Humboldt University); Professor for German literature studies and Aesthetics at the University in Warsaw (over twenty years as Head of the Literature Studies Department) and at the University in Thorn (there he was Chairperson from 1979 until 2005); guest professor in Zurich (ETH), Mainz, Frankfurt am Main (Fritz Bauer Institute), Berlin (FU), Amiens, Hamburg, Franz Rosenzweig Professur in Kassel (2008), Ústínad Labem (Czech Republic, 2010); Częstochowa 2011/12. Fellow at the science college in Berlin 1994. 1993-2003 Member of the International Judging Panel for the “European Book Prize”, sponsered by the German Börsenverein (Stock Market Union), the state of Saxony and the city of Leipzig. 1994–2003 Member of the board of advisors for the Hannah-Arendt Award for political thinking in Bremen, renewed in 2007. Since 1996 member of the board of the Adamus-Stiftung Götz Hüber for intercultural studies along the Greek-German and Polish-German lines, and Chairman since 2004. 1992-2000 Chairman of the Philosophical Association in Warsaw. 1995 Sponsorship Prize from the Alexander von Humboldt-Stiftung for German language and literature in Mid and Eastern Europe.
Auswahlbibliographie / Selected Publications: Diltheys Erlebnisbegriff. Entstehung, Glanzzeit und Verkümmerung eines literaturhistorischen Begriffs, Berlin/New York 1972; Einführung in die Ästhetik Adornos, Berlin, New York 1979; Od Diltheya do Adorna. Studia z estetyki niemieckiej, Warschau 1986 (über Dilthey, den jungen Lukács, Wittgenstein, Łempicki, Bloch, Musil, Benjamin, die Expressionismusdebatte, Adorno etc.), Warszawa 1986; Dreißig Silberlinge. Denunziation in Gegenwart und Geschichte, Berlin 2000; Polen und Juden zwischen 1939 und 1968. Jedwabne und die Folgen, Berlin 2004; Literatur- und Kulturtransfer als Politikum am Beispiel Volkspolens, Frankfurt am Main/Berlin/Bern/Bruxelles/New York/Oxford/Wien 2006; Dreissig Silberlinge. Das Phänomen der Denunziation, Frankfurt am Main 2012. Herausgegeben u.a.: Heidelberg im Schnittpunkt intellektueller Kreise. Zur Topographie „geistiger Geselligkeit“ eines „Weltdorfes“: 1850–1950 (zusammen mit Hubert Treiber), Polen – Deutschland. Wechselbeziehungen in Sprache, Kultur und Gesellschaft, Bonn 1999; Bd. 2, Bonn 2001, Bd. 3, Bonn 2004, Literatur und Theologie. Schreibprozesse zwischen biblischer Überlieferung und geschichtlicher Erfahrung (zusammen mit Ulrich Wergin), Würzburg 2005; Bilder des Ostens in der deutschen Literatur (zusammen mit Ulrich Wergin, unter Mitarbeit von Daniel Eschkötter), Würzburg
Die Autoren / The Authors
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2009; Alfred Döblin – Judentum und Katholizismus, Berlin 2010; Osteuropa und der Holocaust, Frankfurt am Main 2012 (zusammen mit M.Brumlik); Über 250 Artikel, Abhandlungen und Rezensionen zur Literatur- und Philosophiegeschichte zwischen dem 18. Jahrhundert und der Gegenwart sowie zu Fragen der deutsch-polnischen Beziehungen in mehreren Sprachen in Zeitschriften und Sammelbänden. Artikel in der NZZ, der Süddeutschen, FAZ und anderswo zu Gegenwartsfragen. Aktives Mitglied der Solidarność seit Oktober 1980, Ende der achtziger Jahre im Untergrund Mitherausgeber der unregelmäßig erscheinenden Zeitschrift Europa.
Kontaktadresse / Contact Address: www.sauerland.pl
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Peter Schabe Persönliche Angaben / Personal Data: Peter Schabe: 1978-1984 Magisterstudium Mittlere und Neue Kunstgeschichte, Klassische Archäologie und Kunstpädagogik. 1994 in Frankfurt/Main promoviert, 1990– 1991 Volontariat im Landesamt für Denkmalpflege Hessen. Seit 1991 bei der Deutschen Stiftung Denkmalschutz (DSD) und seit 2007 Leiter der Geschäftsstelle der DeutschPolnischen Stiftung Kulturpflege und Denkmalschutz, Görlitz. Peter Schabe: 1978-1984 Master Studies of Medial and Modern Art History, Classical Archaeology and Art Education. 1994 in Frankfurt / Main, PhD, 1990 - 1991 internship at the State Office of Monuments Hessen. Since 1991 in the German Foundation for Monument Protection (DSD) and since 2007 Head of the office of the Polish-German Foundation Culture Care and Monument Protection, Görlitz.
Auswahlbibliographie / Selected Publications: Hessisches Staatstheater Wiesbaden. München und Zürich 1988 (23 S.); Felix Genzmer. Architekt des Späthistorismus in Wiesbaden. Frühe Schaffensjahre und Stadtbaumeisterzeit 1881-1903. Wiesbaden 1997 (363 S.); Solmsschlößchen in Wiesbaden – Gestern und heute. Wiesbaden 1996 (95 S.); Aufsätze: Umnutzung von Baudenkmalen, in: Bundesministerium für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau und Deutsche Stiftung Denkmalschutz (Hrsg.). Alte Städte – Neue Chancen. Bonn 1996, S. 255 ff.; Die
Die Autoren / The Authors
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Anfänge des Schulbauwesens im 19. Jahrhundert, in: Oberlausitzsche Gesellschaft der Wissenschaften e.V. (Hrsg.), Neues Lausitzisches Magazin, Beiheft 6: Carl August Schramm. Görlitz 2008; Das baukulturelle Erbe authentisch bewahren. Die Vielfalt der Ausbildungsberufe und Arbeitsfelder im Denkmalschutz muss erhalten bleiben!, in Olav Zimmermann und Theodor Geißler (Hrsg.), Arbeitsmarkt und Kultur: Vom Nischenmarkt zur Boombranche. Berlin 2012, S. 236 ff. Baukulturelles Erbe mit deutscher Vergangenheit in Polen bewahren und mit Denkmalpflege deutsch-polnische Beziehungen stärken, in: Paul Zalewski, Joanna Drejer (Hrsg.), Deutsch-polnisches Kulturerbe und die Zivilgesellschaft im heutigen Polen, Slubice 2011, S. 311 ff.; Kostbare spätgotische Wandmalereien in der Pfarrkirche St. Peter und Paul in Marienfelde /Marianka freigelegt, in: Deutscher Ostdienst Nr. 6/2012, S. 25 f. Sonstiges: Idee und Betreuung: Deutsch-Polnische Stiftung Kulturpflege und Denkmalschutz (Hrsg.), Denkmalgerechte Revitalisierung funktionslos gewordener Schlossbauten am Beispiel des Projekts Schloss Sztynort/Steinort in Polen: Tagungsdokumentation Görlitz, 17.-18.11.2011. Görlitz 2012 (131 S.).
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Professor Dr. Witold Stankowski Persönliche Angaben / Personal Data: Witold Stankowski (geb.1966), Historiker, Politikwissenschaftler, Professor am Institut für Europäische Studien der Jagiellonen-Universität, Leiter des Forschungsinstituts der europäischen Geschichte, Professor und Rektor der Staatlichen Fachhochschule Capt. Witold Pilecki in Oświęcim. Befasst sich mit der Geschichte Europas, der Europäischen Union und Nachkriegs-Deutschland. Scholar vieler Stiftungen: u.a. Stiftung für die polnische Wissenschaft, Deutscher Akademischer Austauschdienst, Alexander von Humboldt-Stiftung, Deutscher Bundestag. Wurde mit dem Silbernen Verdienstkreuz („Srebrny Krzyż Załugi“) für seine Bemühungen um deutsch-polnische Aussöhnung ausgezeichnet. Autor und Co-Autor zahlreicher Bücher und wissenschaftlicher Arbeiten, darunter Biographie von Simon Wiesenthal (Szymon Wiesenthal Biografie, Wydawnictwo Książka i Wiedza 2009), Capt. Witold Pilecki. Gewinner der vierten Ausgabe Beste Historical Buch des Jahres 2011. Sein Buch: Nie umrę śmiercią naturalną… Janina Lech harcerka, poetka, ofiara hitlerowskiego bezprawia oraz jej rodzina. Zapomniani włocławscy bohaterowie war das beste populärwissenschaftliche Buch über die polnische Geschichte im 20. Jahrhundert.
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Die Autoren / The Authors
Witold Stankowski, historian, political scientist, professor at the Institute of European Studies of the Jagiellonian University, head of the Department of European History at this university, professor and rector of the Witold Pilecki High Vocational School in Oświęcim. His work is focused on the history of Europe, the European Union and post-war Germany. Scholar of many foundations: the Foundation for Polish Science, Deutscher Akademischer Austauschdienst, Alexander von Humboldt-Stiftung, the German Parliament. He was awarded the Silver Cross of Merit for his efforts concerning the PolishGerman reconciliation. The author and co-author of dozens of books and scientific papers, including biography of Simon Wiesenthal (Wiesenthal. Biography, Publishing Książka i Wiedza 2009), Capt. Witold Pilecki. Winner of the fourth Best Historical Book of the Year award in 2011. His book: Nie umrę śmiercią naturalną…. Janina Lech harcerka, poetka, ofiara hitlerowskiego bezprawia oraz jej rodzina. Zapomniani włocławscy bohaterowie was acknowledged to be the best book on the history of Poland in the twentieth century in that year.
Auswahlbibliographie / Selected Publications: I. Eser, W. Stankowski, Wojewodschaften Pommerellen und Danzig (Westpreußen), [w:]Unsere Heimat is uns ein fremdes Land geworden. Die Deutschen östlich von Oder und Neiße 1945-1950. Dokumente aus polnischen Archiven, Hrsg. W. Borodziej, H. Lemberg, Marburg 2004, Bd. 4, S. 3-354; Gemeinsame Lagerschicksale Polen und Deutsche unter totalitären Staatsysteme...aus der Sicht eines polnischen Historikers, [w:] Damit Europa blühe...Licht auf die Schatten der Vergangenheit, hrsg. von Dierk Schäfer, Bad Boll 2004; Życie codzienne ludności niemieckiej, [w:] Historia Bydgoszczy, Pod red. M. Biskupa, Bydgoszcz 2004, t.II, cz. 2, s. 439-467; Die Vertriebenenproblematik in Polen im Hinblick auf die Grenzen nach dem Zweiten Weltkrieg, [w:] Grenzen. Gesellschaftliche Konstitutionen und Transfigurationen, hrsg. von Hans Hecker, Essen 2006; Polityka Związku Radzieckiego i polskich władz wobec Pomorza Gdańskiego w pierwszych latach po II wojnie światowej, [w:] Zakończenie wojny na Górnym Śląsku, Praca zbiorowa pod redakcją Zygmunta Woźniczki, Muzeum Śląskie, Katowice 2006; Obóz w Potulicach w świadomości historycznej Polaków i Niemców, [w:] Wspólna czy podzielona pamięć? Obóz Potulitz/Lebrechtsdorf/Potulice w latach 1941-1945 i jego powojenne losy 1945-1949, Praca zbiorowa pod red. G. Bekkera, W. Stankowskiego, Bydgoszcz 2007; Szymon Wiesenthal Biografia, Książka i Wiedza 2009; Nie umrę śmiercią naturalną… Janina Lech harcerka, poetka, ofiara hitlerowskiego bezprawia oraz jej rodzina. Zapomnieni włocławscy bohaterowie. Włocławek 2010.
Die Autoren / The Authors
Kontaktadresse / Contact Address: Prof.dr hab. Witold Stankowski Instytut Europeistyki Uniwersytetu Jagiellońskiego ul. Jodłowa 13 30-252 Kraków Polska E-Mail: [email protected]
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Personenregister / List of Names Banasiak, Stefan, Publizist 49 Baring, Arnulf, Publizist 42 Bartoszewski, Władysław, polnischer Außenminister 17, 20, 23, 24 Bastek, Erhard, Sejm-Abgeordneter 128 Beck, Kurt, Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz 116 Bekker, Gustav, Gründer der Initiativgruppe zentrales Arbeitslager Potulice e. V. 56 f. Bender, Nikolaus, Chefredakteur des ZDF 31
Capotorti, Francesco, UNOSonderberichterstatter 77 Chrobry, Bolesław, Herzog 20 Cichon, Martin, Leiter der germanistischen Abteilung am Oppelner Fremdsprachenlehrerkolleg 126
Demjaniuk, Ivan, „fremdvölkischer Hilfswilliger“ 31
Enzensberger, Hans Magnus, Schriftsteller 41, 42
Bergner, Christoph, Beauftragter der Bundesregierung für Aussiedlerfragen 127, 130
Forster, Albert, Stadthalter von Danzig 143
Białecki, Tadeusz, polnischer Historiker 49
Fotyga, Anna, polnische Außenministerin 25, 95
Bielecki, Jan Krzysztof, polnischer Ministerpräsident 67 Bieler, Johannes, Aufsichtsbeamter der Danziger Katholiken 149 Bismarck, Otto von, Reichskanzler 21, 22, 29 Borodziej, Vladimir, Professor 52 Brand, Willy, Bundeskanzler 22, 49
Gaida, Bernard, Präsident Verband deutsche sozialkulturelle Gesellschaften in Polen 130 Gapiński, Stanisław 57 Genscher, Hans-Dietrich, Bundesaußenminister und FDP-Politiker 41, 42
Brandes, Georg, Literaturkritiker 39
Giertych, Roman, stellvertretender polnischer Ministerpräsident 9
Bülow, Bernhard von, Reichskanzler 22
Gorbatschow, Michael, Staatspräsident der UdSSR 41
Bush, George Senior, Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika 41
Großpietsch, Peter, stellvertretender Vorsitzender der Landsmannschaft Schlesien 132
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Personenregister / List of Names
Gulczyński, Kordian, Priester 150
Haffner, Sebastian, deutscher Publizist und Historiker 40
Lammert, Norbert, Bundestagspräsident und CDU-Politiker 129, 130 Lemberg, Hans, deutscher Historiker 52
Hajnicz, Arthur, Zeitzeuge 52
Lipski, Jan Józef, polnischer Literat, Publizist und Dissident 21, 65
Hauser, Przemyslaw, Publizist 61
Lutter, Marcus, Jurist 20
Herzog, Roman, Bundespräsident 30 Hitler, Adolf, Reichskanzler 40, 99
Matelski, Dariusz, Publizist 61
Hübner, Danuta, polnische EUAbgeordnete und ehemalige EUKommissarin 33, 34
Mazowiecki, Tadeusz, polnischer Ministerpräsident 20, 24, 41, 52
Jastrzębski, Włodzimierz, Wissenschaftler 55, 61 Jordan, Wilhelm, Schriftsteller und Politiker 21
McAllister, David, niedersächsischer Ministerpräsident und CDUPolitiker 116 Merkel, Angela, Bundeskanzlerin 17, 19, 24, 28, 29, 30, 33, 36, 116, 127, 129 Miszczak, Mariusz, Vertreter der Kanzlei des polnischen Premierministers 18, 19, 20, 131
Kaczyński, Gebrüder 17, 18, 25, 26 Kaczyński, Jarosław, polnischer Ministerpräsident 17, 18, 19, 20, 30 Kaczyński, Lech, polnischer Staatspräsident 19, 25 Kamusella, Tomasz, Sprachwissenschaftler 125
Nossol, Alfons, Erzbischof 132 Novak, Edmund, Politologe und Historiker 50 Nowina-Konopka, Piotr, Staatsminister 52
Katharina II., Zarin 28, 29 Kmak-Pamirska, Alexandra 64 Kohl, Helmut, Bundeskanzler 20, 24, 41, 67 Komorowski, Bronisław, polnischer Staatspräsident 34
O’Rourke, Edward, Bischof 143 Oda von Meißen, Herzogin und Königin von Polen 20 Otto III., Kaiser 20
Kotowski, Albert, Professor 61
Pasierb, Bronisław, Professor 49
Kropotkin, Piotr A., Anarchist 39
Pasz, Franciszek, Autor 63
Kubacka, Lidia, Zeitzeugin 55
Pieper, Cornelia, Staatsministerin im Auswärtigen Amt 36
Kwasniewski, Aleksander, Staatspräsident, polnischer Staatspräsident 94
Pilecki, Witold, Zeitzeuge 57 ff.
Personenregister / List of Names Plasczek, Klaus, Vorsitzender der LdO 132 Polenz, Ruprecht, CDU-Bundestagsabgeordneter 17 Potulice/Potulitz/Lebrechtsdorf, Arbeitslager 53 ff. Putin, Vladimir, russischer Staatspräsident und Ministerpräsident 43, 44
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Stalin, sowjetischer Diktator 99 Steinbach, Erika, Präsidentin des Bundes der Vertriebenen 18, 27, 33 Steinke, Kersten, Bundestagsabgeordnete der Linkspartei 129 Steinmeier, Frank-Walter, Außenminister, SPD-Politiker 32 Szaniawski, Robert, Pressesprecher des polnischen Außenministeriums 95
Raabe, Stefan 18, 19, 30, 37 Rasmus, Hugo, Publizist 56, 64 Reichmann, Jakob, Publizist 62 ff. Richeza, Königin 20
Thatcher, Margaret, britische Premierministerin 41 Tusk, Donald, polnischer Ministerpräsident 17,18, 24, 30, 32, 36, 131
Rosentreter, Augustian, Bischof 143 Rousseau, Jacques, Philosoph 39, 40
Sawicki, Franz, deutsch-polnischer Theologieprofessor 143 Schabowski, Günter, DDR-Politiker 41 Schmidt, Helmut, Bundeskanzler 49
Vetter, Reinhold, Korrespondent des Handelsblatts 32, 33, 37 Voltaire, Philosoph 29 Wałęsa, Lech, Arbeiterführer und Staatspräsident 33
Schröder, Gerhard 28, 43
Wapiński, Roman, polnischer Historiker 46
Schwan, Gesine, Politikwissenschaftlerin 17,18
Westerwelle Guido, Außenminister und FDP-Politiker 33
Sikorski, Radosław, Außenminister 30, 32
Winkler, Heinrich August, Publizist 43
Skubiszewski, Krzysztof. Polnischer Außenminister 42, 49 Sobieski, Johann, König 20
Woźniczka, Zygmunt, Professor 62 Zernack, Klaus, Historiker 23, 24
Sophie Auguste Friederike von AnhaltZerbst-Dornburg, Prinzessin 29
Ziemer, Klaus, Direktor des deutschen historischen Instituts in Warschau 29
Splett, Carl Maria, Bischof 64, 143 ff.
Zyla, Edyta, Forscherin 62
Sachregister / Index Ahnenerbe, SS-Organisation 99
Dritte Teilung Polens 39
Aktion Sühnezeichen 23 Aussiedler aus Polen 72
Einsatzstab Rosenberg 99
Aussiedlung 49
Élysée-Vertrag vom 22. Januar 1963 45
Beutekunst 95
Entschädigungsansprüche 18
Beutekunst, Kompensation 99 f.
Europäische Charta der Regional- oder Minderheitensprachen 109
Beutekunst, Rechtfertigungsgründe 98 ff.
Europa-Universität Viadrina 35
Bürgerplattform 26 Gaspipeline 30 Danzig und Kulturgüterrückgabe 94 Denkmalpflege 135 ff., 136 f. Deutsche als Minderheit in Polen 91 ff. Deutsche in Polen 74 ff. deutsche Kindergärten und Grundschulen 128 ff. Deutsch-polnische Schulbuchkommission 23 Deutsch-polnische Wissenschaftsstiftung 35
Geheime polnische Armee 58 f. Gemeinsame Erklärung der deutschen und polnischen Regierung zum 20. Jahrestag des deutsch-polnischen Nachbarschaftsvertrags 34 Ghetto-Aufstand 1943 30, 31 Grenzvertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Polen über die Bestätigung der zwischen ihnen bestehenden Grenze vom 14. November 1990 45
Deutsch-polnischer Grenzvertrag 67 Deutsch-polnischer Nachbarschaftsvertrag 34, 67 ff., 90 ff., 108, 122, 124, 130 ff., 135 Deutsch-polnisches Jugendwerk 35
Hitler-Stalin-Pakt 40
Identität 113 f.
Deutschunterricht in Polen 93, 122 ff., 125 ff.
Jalta, Konferenz von 40
diplomatische Beziehungen 22
Jamal-Pipeline 26, 27
172
Sachregister / Index
Katyn 40
NATO 42
Kompensation 101
Niederschlesien 51
Kriegsbeute 94 ff. Kulturaustausch 71, 93 ff.
Oberschlesien 51, 72
Kulturgüter, deutsche 18
Oberschlesier 75
Kulturgüter, Rückgabe von 93 ff.
Oder-Neiße-Grenze 22, 48
Kulturgüterschutz 71
Orange-Revolution 43
liberale Bürgerplattform 17 litauisch-polnische Union 39 Londoner Erklärung vom 5. Januar 1943 99
Organisierung der Polen in Deutschland 74 Ortsschilder, zweisprachige 114 Österreich 39 östliche Grenze Polens 40 Ostpolitik 49
Minderheit als Schicksalsgemeinschaft 87 f. Minderheit und machtmäßige Unterlegenheit 80 ff. Minderheit und Solidaritätsgefühl 89 f. Minderheit und Staatsangehörigkeit 81 ff.
Ostpreußen 51 Ostsee-Pipeline 26, 27 Pax Christi 23 Polen, keine Minderheit in Deutschland 90 polnisches Minderheitengesetz 75
Minderheit und Zugehörigkeitsgefühl 88 f.
Potsdam, Konferenz von 40
Minderheit, Begriff 76 ff.
Potulice/Potulitz/Lebrechtsdorf, Arbeitslager 53 ff.
Minderheit, deutsche 68 ff. Minderheit, deutsche Minderheit in Polen 105 ff.
Preußen 39 Preußische Staatsbibliothek 94
Minderheit, Unterscheidungsmerkmale 77 ff.
Preußische Treuhand 18
Minderheitenforschungen betreffend die deutsche Minderheit in Polen 59
Rahmenübereinkommen zum Schutz nationaler Minderheiten 83, 85, 86
Minderheitenschutz 67 ff.
Restitution der Kunstwerke 96, 99
Minderheitenschutz, Polen in Deutschland 71 ff.
restitution in kind 100
Minderheitensendungen 93
Restitutionsansprüche von Deutschen 30
Minderheitensprache 110, 122
Robert Schuman Stiftung 51
Sachregister / Index Ruhrpolen 72
Ukraine 43
Rundfunk in Minderheitensprache 110 f.
Unverletzlichkeit der bestehenden Grenzen 22
173
Rundtischgespräche 131 russische Treuhand 28
Verbot der deutschen Sprache 105 ff.
Russland 39, 42 ff.
Vertreibung 27, 28, 49 ff., 105 Vertriebene 23, 45
Sowjetunion 40
Volksgruppenschutz 77
Spätaussiedler 114 Splett, Literatur über 145 ff. Sprach- und Identitätsproblematik 122 Staatsangehörigkeit von Angehörigen einer Minderheit 81 ff. Stiftung „Flucht, Vertreibung, Versöhnung“ 33
Wahlkomitee der deutschen Minderheit 92 Warschauer Aufstand 1944 30, 31 Warschauer Erklärung vom 12. Juni 2011 131 wiedergewonnenen Gebiete 48, 51
Stiftung für deutsch-polnische Aussöhnung und Begegnungs- und Gedenkstätten 35
Wiedervereinigung Deutschlands 23, 41, 42, 67
Stiftung für deutsch-polnische Zusammenarbeit 35, 52
Zensur 50
Stiftung „Polnisch-Deutsche Aussöhnung“ 19
Zentrum gegen Vertreibungen 27, 30 Zimne Wody/Kaltwasser, Lager 52 Zwei-plus-Vier-Vertrag 42
Tübinger Memorandum 23
zweisprachige Ortsschilder 92, 110
Staats- und völkerrechtlichen Abhandlungen der Studiengruppe für Politik und Völkerrecht Die Staats- und völkerrechtlichen Abhandlungen der Studiengruppe für Politik und Völkerrecht sind bis einschließlich Band 19 im Verlag Wissenschaft und Politik, Köln, erschienen. Mit dem Band 20 ist die Reihe in den Verlag Duncker & Humblot, Berlin, überführt worden. Band 28: 20 Jahre deutsch-polnischer Nachbarschaftsvertrag. Realpolitische Stichproben aus einer fortschreitenden Völkerverständigung. Hrsg. von Gilbert H. Gornig, Hans-Detlef Horn und Hans-Günther Parplies. 2013. Band 27: Das Selbstbestimmungsrecht der Völker – Eine Problemschau. Hrsg. von Gilbert H. Gornig, Hans-Detlef Horn und Dietrich Murswiek. 2013. Band 26: Verfassung – Völkerrecht – Kulturgüterschutz. Festschrift für Wilfried Fiedler zum 70. Geburtstag. Hrsg. von Michaela Wittinger, Rudolf Wendt und Georg Ress. 2012. Band 25 Teil 3: Eigentumsrecht und Enteignungsunrecht. Analysen und Beiträge zur Vergangenheitsbewältigung – Teil 3. Hrsg. von Gilbert H. Gornig, HansDetlef Horn und Dietrich Murswiek. 2012. Band 25 Teil 2: Eigentumsrecht und Enteignungsunrecht. Analysen und Beiträge zur Vergangenheitsbewältigung – Teil 2. Hrsg. von Gilbert H. Gornig, HansDetlef Horn und Dietrich Murswiek. 2009. Band 25 Teil 1: Eigentumsrecht und Enteignungsunrecht. Analysen und Beiträge zur Vergangenheitsbewältigung – Teil 1. Hrsg. von Gilbert H. Gornig, HansDetlef Horn und Dietrich Murswiek. 2008. Band 24: Kulturgüterschutz – internationale und nationale Aspekte. Hrsg. von Gilbert H. Gornig, Hans-Detlef Horn und Dietrich Murswiek. 2007.
Band 23: Das Recht auf die Heimat. Hrsg. von Gilbert H. Gornig und Dietrich Murswiek. 2006. Band 22: Die Europäische Union als Wertegemeinschaft. Hrsg. von Dieter Blumenwitz, Gilbert H. Gornig und Dietrich Murswiek. 2005. Band 21: Minderheitenschutz und Menschenrechte. Aktuelle Probleme insbesondere im deutsch-polnischen Verhältnis. Hrsg. von Dieter Blumenwitz, Gilbert H. Gornig und Dietrich Murswiek. 2005. Band 20: Minderheitenschutz und Demokratie. Hrsg. von Dieter Blumenwitz, Gilbert H. Gornig und Dietrich Murswiek. 2004. Band 19: Ein Jahrhundert Minderheiten- und Volksgruppenschutz. Hrsg. von Dieter Blumenwitz, Gilbert H. Gornig und Dietrich Murswiek. 2001. Band 18: Fortschritte im Beitrittsprozeß der Staaten Ostmittel-, Ost- und Südosteuropas zur Europäischen Union. Hrsg. von Dieter Blumenwitz, Gilbert H. Gornig und Dietrich Murswiek. 1999. Band 17: Rechtsanspruch und Rechtswirklichkeit des europäischen Minderheitenschutzes. Hrsg. von Dieter Blumenwitz, Gilbert H. Gornig und Dietrich Murswiek. 1998. Band 16: Der Beitritt der Staaten Ostmitteleuropas zur Europäischen Union und die Rechte der deut¬schen Volksgruppen und Minderheiten sowie der Vertriebenen. Hrsg. von Dieter Blumenwitz, Gilbert H. Gornig und Dietrich Murswiek. 1997. Band 15: Der Schutz von Minderheiten- und Volksgruppenrechten durch die Europäische Union. Hrsg. von Dieter Blumenwitz und Gilbert H. Gornig. 1996.
Band 14: Rechtliche und politische Perspektiven deutscher Minderheiten und Volksgruppen. Hrsg. von Dieter Blumenwitz und Gilbert H. Gornig. 1995. Band 13: Aktuelle rechtliche und praktische Fragen des Volksgruppen- und Minderheitenschutzrechts. Hrsg. von Dieter Blumenwitz und Dietrich Murswiek. 1994. Band 12: Minderheiten- und Volksgruppenrechte in Theorie und Praxis. Hrsg. von Dieter Blumenwitz und Gilbert Gornig. 1993. Band 11: Fortentwicklung des Minderheitenschutzes und der Volksgruppenrechte in Europa. Hrsg. von Dieter Blumenwitz und Hans von Mangoldt. 1992. Band 10: Neubestätigung und Weiterentwicklung von Menschenrechten und Volksgruppenrechten in Mitteleuropa. Hrsg. von Dieter Blumenwitz und Hans von Mangoldt. 1991. Band 9: Menschenrechtsverpflichtungen und ihre Verwirklichung im Alltag. Auswirkungen für die Deutschen. Hrsg. von Dieter Blumenwitz und Hans von Mangoldt. 1990. Band 8: 40 Jahre Bundesrepublik Deutschland. Verantwortung für Deutschland. Hrsg. von Dieter Blumenwitz und Gottfried Zieger. 1989. Band 7: Die deutsche Frage im Spiegel der Parteien. Hrsg. von Dieter Blumenwitz und Gottfried Zieger. 1989. Band 6: Das deutsche Volk und seine staatliche Gestalt. Hrsg. von Dieter Blumenwitz und Gottfried Zieger. 1988.
Band 5: Menschenrechte und wirtschaftliche Gegenleistungen. Aspekte ihrer völkerrechtlichen Verknüpfungen. Hrsg. von Dieter Blumenwitz und Gottfried Zieger. 1987. Band 4: Die Überwindung der europäischen Teilung und die deutsche Frage. Hrsg. von Dieter Blumenwitz und Boris Meissner. 1986. Band 3: Staatliche und nationale Einheit Deutschlands – ihre Effektivität. Hrsg. von Dieter Blumenwitz und Boris Meissner. 1984. Band 2: Das Selbstbestimmungsrecht der Völker und die deutsche Frage. Hrsg. von Dieter Blumenwitz und Boris Meissner. 1984. Band 1: Staatliche Kontinuität unter besonderer Berücksichtigung der Rechtslage Deutschlands. Hrsg. von Boris Meissner und Gottfried Zieger. 1983.
Forschungsergebnisse der Studiengruppe für Politik und Völkerrecht Die „Forschungsergebnisse der Studiengruppe für Politik und Völkerrecht“ sind zuletzt im Verlag Wissenschaft und Politik, Köln, erschienen. Zuvor wurden sie vom Verlag Gebr. Mann, Berlin, aufgelegt. Band 32: Dieter Blumenwitz: Positionen der katholischen Kirche zum Schutz von Minderheiten und Volksgruppen in einer internationalen Friedensordnung. 2000. Band 31: Gilbert H. Gornig: Territoriale Entwicklung und Untergang Preußens. 2000. Band 30: Michael Silagi: Vertreibung und Staatsangehörigkeit. 1999. Band 29: Dietrich Murswiek: Das Wiedervereinigungsgebot des Grundgesetzes und die Grenzen der Verfassungsänderung. Zur Frage nach der Verfassungswidrigkeit der wiedervereinigungsbedingten Grundgesetzänderungen. 1999. Band 28: Wilfried Fiedler: Deportation, Vertreibung, „ethnische Säuberung“. 1999. Band 27: Dieter Blumenwitz: Interessenausgleich zwischen Deutschland und den östlichen Nachbarstaaten. 1998. Band 26: Otto Luchterhandt: Nationale Minderheiten und Loyalität. 1997. Band 25: Dietrich Murswiek: Peaceful change – ein Völkerrechtsprinzip? 1998. Band 24: Dieter Blumenwitz: Internationale Schutzmechanismen zur Durchsetzung von Minderheiten- und Volksgruppenrechten. 1997.
Band 23: Hans Victor Böttcher: Die Freie Stadt Danzig. 1995. Band 22: Gilbert-Hanno Gornig: Das nördliche Ostpreußen gestern und heute. 1995. Band 21: Boris Meissner: Die Sowjetunion und Deutschland von Jalta bis zur Wiedervereinigung. 1995. Band 20: Dieter Blumenwitz: Volksgruppen und Minderheiten. 1995. Band 19: Rainer Hofmann: Minderheitenschutz in Europa. 1995. Band 18: Wolfgang Seiffert: Die Verträge zwischen Deutschland und seinen östlichen Nachbarn. 1994. Band 17: Christian Hillgruber; Matthias Jestaedt: Die europäische Menschenrechtskonvention und der Schutz nationaler Minderheiten. 1993. Band 16: Siegrid Krülle: Die Konfiskation deutschen Vermögens durch Polen. – 1, 1993. Band 15: Dieter Blumenwitz: Minderheiten- und Volksgruppenrecht. 1992. Band 14: Mechthild Steffens; Alexander Uschakow: Die deutsche Frage in der juristischen und politikwissenschaftlichen Literatur des Auslandes seit 1980. 1993. Band 13: Dieter Blumenwitz: Das Offenhalten der Vermögensfrage in den deutschpolnischen Beziehungen. 1992. Band 12: Eckart Klein: Diplomatischer Schutz im Hinblick auf Konfiskationen deutschen Vermögens durch Polen. 1992.
Band 11: Gilbert-Hanno Gornig: Staatennachfolge und die Einigung Deutschlands (Bd. 2). 1992. Band 10: Dieter Blumenwitz: Staatennachfolge und die Einigung Deutschlands (Bd. 1). 1992. Band 9: Dietrich Murswiek: Die Vereinigung Deutschlands. 1992. Band 8: Otto Kimminich: Deutschland und Europa. 1992. Band 7: Wilfried Fiedler: Internationaler Kulturgüterschutz und deutsche Frage. 1991. Band 6: Otto Kimminich: Die Menschenrechte in der Friedensregelung nach dem Zweiten Weltkrieg. 1990. Band 5: Gottfried Zieger: Vier-Mächte-Verantwortung für Deutschland als Ganzes als Grundlage der staatlichen Einheit Deutschlands und Basis seiner Reorganisation. 1990. Band 4: Eckart Klein: Das Selbstbestimmungsrecht der Völker und die deutsche Frage. 1990. Band 3: Dieter Blumenwitz: Die Überwindung der deutschen Teilung und die Vier Mächte. 1990. Band 2: Mechthild Steffens: Der Beitritt der DDR zu multilateralen Verträgen und seine Auswirkungen auf die innerdeutschen Beziehungen und den Status Gesamtdeutschlands. 1989. Band 1: Mechthild Steffens: Die deutsche Frage in der juristischen Literatur des Auslandes seit 1970. 1989.