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German Pages 128 [130] Year 2016
Der 14. Oktober 1066 war ein Schicksalstag der englischen Geschichte. In der Schlacht von Hastings besiegten die Truppen Herzog Wilhelms von der Normandie das Aufgebot der Angelsachsen unter König Harold Godwinson. Englands Eroberung durch die Normannen wurde in einer einzigartigen Bildquelle, dem Teppich von Bayeux, festgehalten, zudem existieren mehrere bedeutende Schriftquellen. Auf der Grundlage dieser Dokumente entwirft Dominik Waßenhoven seine kenntnisreiche Darstellung der dramatischen Ereignisse, erläutert Voraussetzungen und Hintergründe der Schlacht und zeigt schließlich die Folgen der Eroberung auf.
Dominik Waßenhoven lehrt am Historischen Institut der Universität zu Köln Mittelalterliche Geschichte.
Dominik Waßenhoven
1066 Englands Eroberung durch die Normannen
Verlag C.H.Beck
Mit 5 Abbildungen, 2 Stammtafeln und 2 Karten Abbildungen © akg, images Karten © Peter Palm
1. Auflage. 2016 © Verlag C.H.Beck oHG, München 2016 Umschlaggestaltung: Uwe Göbel, München Umschlagabbildung: Teppich von Bayeux, akg-images/De Agostini, Picture Library, AKG 2070202 ISBN Buch 978 3 406 698446 ISBN eBook 978 3 406 698453 Die gedruckte Ausgabe dieses Titels erhalten Sie im Buchhandel sowie versandkostenfrei auf unserer Website www.chbeck.de. Dort finden Sie auch unser gesamtes Programm und viele weitere Informationen.
Inhaltsverzeichnis
Einleitung 7 Angelsachsen, Norweger und Normannen Kontakte und Konflikte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Herrschaft und Erbe Knuts des Großen . . . . . . . . . . Angelsachsen und Normannen . . . . . . . . . . . . . . . . . Rebellion in Northumbria . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
15 15 22 30 38
Fünf Könige und drei Schlachten – die Eroberung Die Schlacht von Fulford . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Schlacht von Stamford Bridge . . . . . . . . . . . . . . Die Schlacht von Hastings . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Von Hastings nach London . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
42 48 51 53 63
Widerstand 70 Unruhen im Süden und Westen . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 Der Norden erhebt sich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 Rückzug ins Moor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 Edgar Ætheling und Malcolm Canmore . . . . . . . . . . 86 Legitimation und Interpretation 91 Wilhelms Legitimation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 Eduards Designationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 Harolds Usurpation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 Folgen der Eroberung Land und Leute . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Burgen und Kirchen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sprache und Identität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1066 – ein Epochenjahr? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
105 105 109 113 117
Glossar 121
Bibliographie 122 Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124
Personenregister 126
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Die normannische Eroberung Englands gilt schon seit langer Zeit als bedeutende Zäsur der englischen Geschichte. Sie «ist der große Wendepunkt in der Geschichte der englischen Nation.» So beginnt Edward Freeman den ersten Band seines monumentalen, fünfbändigen Werks zur normannischen Eroberung, der 1867 erschienen ist. Auch im 21. Jahrhundert gilt die normannische Eroberung als «eines der wichtigsten Ereignisse in der europäischen Geschichte» (Huscroft). Dass den Ereignissen von 1066 ein so hoher Stellenwert für die Geschichte Englands und darüber hinaus beigemessen wird, hat mehrere Gründe. Zunächst einmal markiert die normannische Eroberung das Ende des angelsächsischen Königtums und den Beginn der anglo- normannischen Herrschaftszeit. Herzog Wilhelm von der Normandie siegte in der Schlacht von Hastings (14.10.1066), der englische König Harold Godwinson wurde dabei getötet. In der Folge konnte Wilhelm den Königsthron für sich gewinnen. England hatte fortan nicht nur einen normannischen König, sondern auch einen fast ausnahmslos normannischen Adel, denn es gab einen nahezu vollständigen Austausch der Eliten. Das hatte Auswirkungen auf die Regierung und Verwaltung des englischen Königreichs sowie auf die wirtschaftlichen Gegebenheiten. Die neue Oberschicht brachte zudem ihre Sprache und andere Gewohnheiten mit und setzte dadurch einen kulturellen Wandel in Gang. Die Verbindung des normannischen Herzogtums mit dem englischen Königreich, die mit der Eroberung einherging, ließ die Beziehungen der britischen Insel zum Kontinent enger werden. Der englische König wurde als normannischer Herzog zugleich Lehnsmann des französischen Königs. Diese Verschränkung führte langfristig zu Auseinandersetzungen zwischen England und Frankreich und war letztlich eine der Ursachen für den so-
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Wandteppich von Bayeux, spätes 11. Jh.: Bau der normannischen Flotte
genannten Hundertjährigen Krieg (1337–1453). Die normannische Eroberung ist also nicht nur für die englische Geschichte, sondern auch für die europäische Geschichte des Mittelalters von epochaler Bedeutung. Daneben werden die Ereignisse von 1066 häufig mit dem Ende der Wikingerzeit in Verbindung gebracht, das zwar nicht in der normannischen Eroberung begründet liegt, sich aber daran ablesen lässt. Der Versuch des norwegischen Königs Harald des Harten, England zu erobern, der mit seiner Niederlage in der Schlacht von Stamford Bridge (25.9.1066) endete, gilt als das letzte größere Vorhaben der «Wikinger», das in die Tat umgesetzt wurde. Eine Besonderheit der normannischen Eroberung ist außerdem, dass sie schon bald in unterschiedlichen Medien aufge arbeitet wurde. Das bekannteste Beispiel dafür ist sicher der Teppich von Bayeux, der in einem eigens dafür eingerichteten Museum in Bayeux ausgestellt wird und seit 2007 zum Weltdokumentenerbe gehört (siehe auch die Abb. auf S. 43, 57, 59 und 96). Es handelt sich dabei eigentlich nicht um einen geknüpften oder gewebten Teppich, sondern um eine Stickerei, die auf einem Leinenstreifen angebracht wurde. Allein die Ausmaße des
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Teppichs von Bayeux sind beeindruckend: In seiner heutigen Form ist er fast 70 Meter lang und zwischen 45 und 54 Zentimeter hoch. Ursprünglich war er noch länger, das Ende ist aber beschädigt und unvollständig. Weder die genauen Umstände seiner Herstellung noch die Frage, welchem Zweck der Wandteppich diente, sind eindeutig geklärt. Die gängigste Interpretation ist, dass die D arstellungen aus dem Kloster Christ Church in Canterbury stammen und dort möglicherweise auch die Stickerei hergestellt wurde. Als wahrscheinlicher Auftraggeber gilt Odo, Bischof von Bayeux und Halbbruder von Wilhelm. Odo wurde nach der Eroberung Earl von Kent und hatte deshalb Verbindungen zum Kloster in Canterbury. Falls diese Vermutung zutrifft, muss der Teppich spätestens 1082 fertiggestellt worden sein, weil es in diesem Jahr zum Bruch zwischen Wilhelm und Odo kam. Ungeklärt ist auch, für welches Publikum der Wandteppich gedacht war und wo er aufgehängt wurde. Zunächst dachte man an eine Fertigstellung für die Weihe der Bischofskirche in Bayeux, die 1077 stattfand. Dort befand sich der Teppich de finitiv im Spätmittelalter und wurde auch jedes Jahr für eine Woche im Kirchenschiff aufgehängt. Das ist aber erst für 1476 bezeugt. Wo der Teppich in der Zwischenzeit war, ist nicht bekannt. Aufgrund der vielen Schlachtenszenen ging man später davon aus, dass normannische Adlige und Ritter das Zielpublikum waren und Odo den Wandteppich in seinen weltlichen Residenzen gezeigt haben könnte. Was aber zeigt der Teppich von Bayeux? Er berichtet über die Geschichte der normannischen Eroberung, beginnt mit Er eignissen im unmittelbaren Vorfeld, bildet die Vorbereitungen und die Überfahrt ab und stellt in einer Reihe von Szenen die Schlacht von Hastings dar. Einige Personen und Ereignisse werden durch Beischriften erläutert, aber es gibt auch gänzlich unverständliche Szenen. Durch Parallelen zu schriftlichen Quellen lassen sich viele Szenen auf dem Teppich von Bayeux bestimmten Ereignissen zuordnen. Allerdings ist der Interpretationsspielraum groß, und es ist nicht einmal klar, ob der Teppich die normannische Sichtweise wiedergibt, um die Eroberung zu legi-
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timieren, oder ob auch proenglische Elemente in die Darstellung aufgenommen wurden. Der Teppich von Bayeux prägt aufgrund seiner plastischen Darstellungsweise die Vorstellungen von den Ereignissen der normannischen Eroberung. Auch wenn über die Bekanntheit und Wirkung im Mittelalter keine Aussagen getroffen werden können, so ist doch klar, dass er spätestens im 20. Jahrhundert eine weite Verbreitung gefunden hat. Seine Darstellungen sind immer wieder aufgegriffen worden, sei es in Dokumentationen zur englischen Geschichte oder in Spielfilmen, und zwar sowohl als Abbild des Originals als auch in angepasster Form. Ein aktuelles Beispiel ist die erfolgreiche Fernsehserie «Game of Thrones». In der Folge «Der Geist von Harrenhal» (2012) spielen sich im Vorfeld einer Schlacht einige Szenen in Zelten ab. Im Hintergrund sind Wandteppiche zu sehen, die nach dem Muster des Teppichs von Bayeux gestaltet wurden. So wird dieses monumentale Bildzeugnis in ganz andere Zusammenhänge gebracht und transportiert dabei Vorstellungswelten aus dem Mittelalter. Das Spiel mit unterschiedlichen Medien gab es bereits im Mittelalter selbst. So besingt Balderich von Bourgueil in einem Gedicht, das er um 1100 verfasst und Adela, der Tochter Wilhelms des Eroberers, gewidmet hat, einen (fiktiven) Wandbehang, der die Ereignisse der Eroberung darstellt. Ob Balderich den Teppich von Bayeux kannte oder selbst gesehen hat, ist umstritten. Balderichs Gedicht ist nicht die einzige Schilderung der normannischen Eroberung in Versform. Schon wenige Jahre nach der Eroberung, vermutlich zwischen 1067 und 1070, entstand das «Lied von der Schlacht von Hastings» (Carmen de Hastingae Proelio). Der Autor ist vermutlich Guido, Bischof von Amiens. Sein Lied ist eine der ersten schriftlichen Quellen zur Schlacht von Hastings. Durch seinen literarischen Cha rakter und seine heldenepischen Züge ist es aber nicht immer glaubwürdig, beispielsweise bei der Darstellung von Harolds Tod (siehe S. 60). Ebenfalls in Versen verfasst ist die «Geschichte der Engländer» (Estoire des Engleis) von Geffrei Gaimar, einem Geistlichen, der dieses Werk zwischen März 1136 und April
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1137 für eine Frau aus dem mittleren Adel in Lincolnshire schrieb. Diese Chronik ist die älteste überlieferte Geschichtsschreibung in französischer Sprache – entstanden im anglo- normannischen England und geschrieben möglicherweise von einem Engländer, auch wenn Gaimars Herkunft nicht sicher ist. Generell lässt sich feststellen, dass es zur normannischen Eroberung viele schriftliche Quellen gibt, besonders im Vergleich zur angelsächsischen Zeit davor. Viele der Werke sind dabei aus einem spezifischen Blickwinkel geschrieben. Eine explizit normannische Sichtweise nehmen Wilhelm von Jumièges und Wilhelm von Poitiers ein. In beiden Fällen stehen die Legitimierung von Wilhelms Herrschaft und die Rechtfertigung der Eroberung im Mittelpunkt. Wilhelm von Jumièges war Mönch in der normannischen Abtei Jumièges, die rund 25 Kilometer westlich des Hauptortes Rouen liegt. Er schrieb seine «Taten der Herzöge der Normannen» (Gesta Normannorum ducum) bereits in den 1050 er Jahren und ergänzte sein Werk vermutlich 1069 oder 1070 um die Ereignisse der normannischen Eroberung. Wilhelm von Poitiers war ebenfalls Normanne und gehörte zur Kapelle Wilhelms des Eroberers, war also ein Geistlicher am Hof des Herzogs. Zwischen 1171 und 1177 schrieb er die «Taten Wilhelms, Herzog der Normannen und König der Engländer» (Gesta Guillelmi ducis Normannorum et regis Anglorum). Ergänzt wird diese normannische Sichtweise durch Ordericus Vitalis, der 1075 in England geboren wurde. Sein Vater war ein französischer Priester in Diensten des normannischen Earls von Shrewsbury, Roger de Montgomerie. Mit elf Jahren wurde Ordericus in das normannische Kloster Saint-Évroult aufgenommen, wo er bis zu seinem Tod blieb. In den ersten Jahren des 12. Jahrhunderts überarbeitete und erweiterte er die Gesta Normannorum ducum des Wilhelm von Jumièges und fügte einige Informationen hinzu, die in anderen Quellen nicht zu finden sind. Zur gleichen Zeit schrieb er bereits an einer Geschichte seines Klosters, die sich aber zu einer allgemeinen «Kirchengeschichte» (Historia ecclesiastica) ausweitete. Die Abschnitte aus diesem umfangreichen Werk, die sich mit der normannischen
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Eroberung befassen, schrieb Ordericus etwa zwischen 1114 und 1124. Er benutzte dabei auch die «Taten Wilhelms» von Wilhelm von Poitiers. Die angelsächsische Sichtweise hat sich ebenfalls in schrift lichen Quellen niedergeschlagen, allerdings nicht in derselben Ausführlichkeit. Noch während der letzten Monate der Herrschaft des angelsächsischen Königs Eduard, der später als Hei liger verehrt wurde und den Beinamen «der Bekenner» erhielt, verfasste ein unbekannter Autor eine Lebensbeschreibung König Eduards (Vita Ædwardi regis). Die Entstehungsbedingungen dieses Werks waren denkbar schwierig. Es wurde für Königin Edith, Eduards Frau, geschrieben und vermutlich auch von ihr in Auftrag gegeben. Ein Großteil des Werkes widmet sich Ediths Familie, also neben der Königin selbst ihrem Vater, dem Earl Godwin von Wessex, sowie ihren Brüdern Harold (dem späteren König) und Tostig. Der Autor begann sein Werk vermutlich 1065, unterbrach es dann aber angesichts der dramatischen Ereignisse des folgenden Jahres und nahm es vermutlich 1067 wieder auf. Möglicherweise suchte er die Gunst der Königin, die mittlerweile Witwe war und unter dem neuen König, Wilhelm dem Eroberer, zunächst eine unsichere Position hatte. In jedem Fall endet die Schilderung mit dem Tod Eduards und berichtet in einem zweiten Teil über sein religiöses Leben. Die normannische Eroberung selbst wird also nicht thematisiert. Ein wesentlich eindeutigerer, aber auch kürzerer Blick auf die Ereignisse aus englischer Sicht ist in der Angelsächsischen Chronik zu finden. Diese Annalen bieten für jedes Jahr kurze Texte, die wichtige Ereignisse zusammenfassen. Sie entstanden bereits in der Zeit Alfreds des Großen am Ende des 9. Jahrhunderts und wurden in verschiedenen Klöstern fortgeführt. Bis heute überdauert haben sieben Handschriften und ein Fragment, die mit den Buchstaben A–H bezeichnet werden. Da die einzelnen Handschriften sich teils deutlich voneinander unterscheiden, kann man auch von verschiedenen Versionen sprechen. Nicht alle Handschriften der Angelsächsischen Chronik berichten über die normannische Eroberung, da einige bereits vorher abbrechen. Zu den Ereignissen von 1066 gibt es Berichte in den
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Handschriften C, D und E. Handschrift C entstand wahrscheinlich seit den 1040 er Jahren im Kloster Abingdon und wird deshalb auch Abingdon-Chronik genannt. Sie bricht mitten im Eintrag zum Jahr 1066 ab, weil das letzte Blatt der Handschrift entfernt wurde oder verloren ging. Diese Version der Angelsächsischen Chronik steht der Familie von Godwin von Wessex ablehnend gegenüber. Ebenfalls seit den 1040 er Jahren wurde Handschrift D geschrieben, entweder in Worcester oder in York. Sie bietet viele Informationen zur Geschichte des nördlichen England. Die Worcester-Chronik wurde mit großer Wahrscheinlichkeit noch einmal überarbeitet und könnte im Haushalt von Ealdred, dem Bischof von Worcester (1046–1062) und Erzbischof von York (1061–1069), entstanden sein. Handschrift E wurde 1121 in Peterborough geschrieben und wird daher auch Peterborough-Chronik genannt. Sie geht auf eine Vorlage zurück, die in der zweiten Hälfte des 11. Jahrhunderts in Canterbury verfasst wurde. Auf der Basis der Angelsächsischen Chronik entstand zwischen 1095 und 1143 die «Chronik der Chroniken» (Chronicon ex chronicis), die dem Mönch Johannes von Worcester zugeschrieben wird. Den Großteil seines Textes schrieb er wohl in den 1120 er und frühen 1130 er Jahren. Die Chronik des Johannes von Worcester bietet die ausführlichste Version der englischen Sichtweise, wurde aber schon einige Jahrzehnte nach den Ereignissen aufgeschrieben und ist daher nur mit Vorsicht heranzuziehen. Eine weitere englische Sichtweise stammt von Eadmer, einem Mönch des Klosters Christ Church in Canterbury, der ein enger Vertrauter des Erzbischofs Anselm von Canterbury (1093–1109) war. Seine «Neue Geschichte» (Historia Novorum) stellt das Wirken Anselms ins Zentrum. Wann Eadmer die Historia Novorum schrieb, lässt sich nicht genau bestimmen. Der Entstehungszeitraum kann lediglich annäherungsweise auf die Jahre 1109–1124 eingegrenzt werden. Eadmer sieht die Einstellung Wilhelms des Eroberers und seine Taten gegenüber den Engländern kritisch. Er bietet zusätzliche Informationen zu manchen Aspekten, behandelt die Schlacht von Hastings und Wilhelms Eroberung aber nur recht knapp.
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Die 1120 er Jahre waren eine produktive Zeit der englischen Geschichtsschreibung. In diesem Jahrzehnt schrieb auch Heinrich von Huntingdon die erste Fassung seiner «Geschichte der Engländer» (Historia Anglorum). Heinrich, um 1088 geboren, hatte einen normannischen Vater und eine englische Mutter. Er schrieb ab 1123 auf Bitten von Bischof Alexander von Lincoln «eine Geschichte dieses Königreichs und des Ursprungs unseres Volkes», wie Heinrich selbst berichtet. Sein Werk richtete sich an ein breites Publikum, gerade auch an «die weniger Gebildeten», wie Heinrich schreibt. Die Historia Anglorum zeichnet sich durch eine einfache Sprache und einen dramaturgischen Aufbau aus und ist in zehn Bücher von ungefähr gleicher Länge gegliedert, die sich gut zum Vorlesen eigneten. Auch Wilhelm von Malmesbury war der Sohn eines Normannen und einer Engländerin. Als Kind kam er in das Kloster Malmesbury und interessierte sich dort schon früh für Bücher. Er ist in England weit herumgereist und war möglicherweise auch in der Normandie. Er schrieb zahlreiche Bücher, sowohl Lebensbeschreibungen von Heiligen als auch Geschichtsschreibung. Seine beiden umfangreichsten Werke sind die «Taten der englischen Bischöfe» (Gesta pontificum Anglorum) sowie die «Taten der englischen Könige» (Gesta regum Anglorum), die er spätestens 1126 fertigstellte. Darin versucht Wilhelm immer wieder, möglichst viele Quellen heranzuziehen und die unterschiedlichen, teils widersprüchlichen Überlieferungen in Einklang zu bringen. An einer Stelle warnt er seine Leser, dass er sich einer Sache nicht ganz sicher ist, «weil die Wahrheit der Ereignisse in der Schwebe hängt». Mit dieser Warnung im Hinterkopf sollen nun die Ereignisse, die zur normannischen Eroberung führten, die Eroberung selbst sowie ihre Folgen dargestellt werden.
Angelsachsen, Norweger und Normannen
Kontakte und Konflikte
Am 13. November 1002 flüchteten sich die Dänen, die in Oxford lebten, vor den Bewohnern der Stadt und des Umlands in die Kirche St. Frideswide. Sie brachen die Türen auf, um sich im Innern der Klosterkirche in Sicherheit zu bringen. Ihre Verfolger versuchten, sie aus der Kirche zu treiben, und als ihnen das nicht gelang, legten sie Feuer, so dass die ganze Kirche mit ihrer Ausstattung und ihren Büchern verbrannte – und mit ihnen alle Menschen, die dort Schutz gesucht hatten. Von diesen dramatischen Ereignissen berichtet eine Urkunde aus dem Jahr 1004. Sie hält die Privilegien fest, die der angelsächsische König Æthelred dem Kloster St. Frideswide im Zuge des Wiederaufbaus der Klosterkirche gewährte. Das Massaker an den Dänen war auf königliche Anweisung erfolgt, wie aus der Urkunde ebenfalls hervorgeht. Auch die Angelsächsische Chronik berichtet darüber und teilt lapidar mit: «Der König ordnete an, dass alle dänischen Männer, die in England waren, am Brictius-Tag getötet werden sollten.» Den Grund nennt die Chronik ebenfalls: eine Verschwörung gegen den König mit dem Ziel, ihn und alle seine Ratgeber zu töten und durch eine dänische Herrschaft zu ersetzen. Sollte das tatsächlich der Anlass gewesen sein, dann hätten Æthelred und seine Berater eine drastische, vielleicht sogar übertriebene Reaktion gezeigt. Es gibt zwar keine weiteren konkreten Berichte zu vergleichbaren Übergriffen an anderen Orten Englands, es lassen sich aber Hinweise in den Quellen finden, die darauf schließen lassen, dass die Vorgänge in Oxford kein Einzelfall waren. Das Massaker am Brictius- Tag hatte aber wahrscheinlich tieferliegende Ursachen, die in den Ereignissen der zwei vorangegangenen Jahrzehnte begründet liegen. Seit 980 sah sich England einer Reihe von Wikingereinfällen ausgesetzt. Zunächst
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waren es kleinere Gruppen, die einzelne Überfälle verübten und sich anschließend wieder zurückzogen. Dieses Muster änderte sich 991, als eine große Flotte mit mehr als 90 Schiffen in England landete, mehrere Orte an der Ostküste plünderte und sich schließlich in der Schlacht von Maldon gegen ein angelsächsisches Heer durchsetzte. Im Anschluss an die Niederlage waren die Angelsachsen bereit, 10 000 Pfund zu zahlen, damit die Wikinger nicht weiter plünderten und nach Hause zurückkehrten. Schon 994 aber kam das nächste größere Heer, das London angriff, die Südküste verheerte und schließlich auch ins Landes innere vordrang. Ab 997 gingen die Wikinger dazu über, sich an der englischen Küste Lager zu errichten und zu überwintern. Mit einer kurzen Unterbrechung im Jahr 1000, als sie sich in der Normandie aufhielten, blieben sie bis 1002 und plünderten ganze Landstriche. Der Autor der Angelsächsischen Chronik, der diesen Abschnitt kurz nach der dänischen Eroberung von 1016 verfasste, kommentiert im Nachhinein klagend: «Und immer war ihr nächster Raubzug schlimmer als der vorige.» Die Reaktion der Angelsachsen auf die Wikingereinfälle bestand im Wesentlichen aus zwei Elementen: Kampf und Tri butzahlungen. Die militärische Verteidigung wurde dadurch erschwert, dass dem König kein stehendes Heer mit professionellen Kämpfern zur Verfügung stand. Stattdessen wurde immer dann, wenn es nötig war, je nach Größe des Landbesitzes eine bestimmte Anzahl von Männern einberufen. Dazu wurden die Organisationseinheiten der Hundertschaften und Shires herangezogen. Es war also nicht immer der König, der zu den Waffen rief. Das taten im Verteidigungsfall auf regionaler Ebene auch der Ealdorman und später der Sheriff eines Shires. Die auf diese Weise zusammengestellten Truppen hießen Fyrd. In den meisten Fällen wurden nicht alle theoretisch zur Verfügung stehenden Männer benötigt, so dass im Ernstfall zunächst immer dieselben Männer rekrutiert wurden, die dann eine gewisse Erfahrung sammelten. Sie waren aber keine ausgebildeten, professionellen Kämpfer mit entsprechender Bewaffnung. Sie besaßen selten eine Rüstung, manche hatten immerhin Schilde oder Helme, und sie benutzten ihre Jagdwaffen, etwa Speere.
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Der Abwehrkampf wird in der Angelsächsischen Chronik oft negativ dargestellt. Der Chronist wirft dem König und seinen Beratern Untätigkeit und Ineffektivität vor, und wenn doch einmal eine ordentliche Gegenwehr organisiert werden konnte, sei sie durch Flucht oder Verrat zunichtegemacht worden. Der Beiname unræd (der Unberatene) für den König, gleichzeitig ein Wortspiel mit seinem Namen Æthelred (edler Rat), wurde ihm schon von Zeitgenossen gegeben. Die Nachwelt machte daraus den König, der nie bereit war, sich den Wikingern zu stellen: Æthelred the Unready. Durch die anhaltenden militärischen Misserfolge waren die Angelsachsen gezwungen, eine zweite Strategie zu verfolgen und den Dänen hohe Geldsummen zu bezahlen, damit sie die Plünderungen und Verwüstungen beendeten. Diese Tributzahlungen werden oft irrtümlich als «Danegeld» bezeichnet; dieser Begriff wurde aber erst unter Wilhelm dem Eroberer für eine Steuer verwendet. Die Höhe der Zahlungen stieg nach dem Zeugnis der Angelsächsischen Chronik fast kontinuierlich an: 10 000 Pfund (991), 16 000 Pfund (994), 24 000 Pfund (1002), 36 000 Pfund (1007), 48 000 Pfund (1012), 21 000 Pfund (1014), 72 000 Pfund zuzüglich weiterer 10 500 Pfund von den Einwohnern Londons (1018). Es ist nicht sicher, ob diese Zahlen stimmen, zumal sie sehr hoch erscheinen. Die Tribute von 1012 und 1014 würden mehr als die Hälfte aller Münzen des sogenannten «Late Small Cross»-Typs ausmachen, die in diesem Zeitraum ausgegeben wurden. Andererseits nennt ein Vertrag, den Æthelred 994 mit den Wikingern geschlossen hat, die Summe von 22 000 Pfund und liegt damit noch höher als die Angabe in der Angelsächsischen Chronik. Vermutlich wurden die vereinbarten Summen nicht nur in geprägten Münzen, sondern auch in ungemünztem Gold und Silber bezahlt. Das lassen auch einige Urkunden Æthelreds erkennen, in denen Landschenkungen im Tausch für Gold und Silber verzeichnet sind. Daneben wird auch berichtet, wie wertvolles Metall und andere Wertgegenstände aus Kirchen entfernt wurden und Geistliche Kirchenbesitz verkaufen mussten, um den von ihnen geforderten Anteil an den Zahlungen leisten zu können.
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Die Verhandlungen mit den Wikingern hatten aber nicht immer deren Abzug zum Ziel. Die Skandinavier, die 994 einen Vertrag mit Æthelred schlossen, verpflichteten sich, England gegen andere Gruppen von Wikingern zu verteidigen, und erhielten im Gegenzug neben der bereits genannten Zahlung auch Proviant. Es scheint nicht das einzige Mal gewesen zu sein, dass eine Gruppe von Wikingern als Söldner zum Schutz vor anderen Wikingern eingesetzt wurde. Zum Jahr 1001 berichtet Handschrift A der Angelsächsischen Chronik von Pallig, dem Schwager des dänischen Königs Sven Gabelbart, dass er sich mit einem Wikingerheer vereinte und damit Æthelred im Stich ließ, obwohl er ihm vorher Zusagen gemacht und von ihm sogar Landbesitz sowie Gold und Silber erhalten habe. Auch wenn der Inhalt von Palligs Versprechen nicht genannt wird, geht aus dem Zusammenhang hervor, dass es sich um militärische Dienste gehandelt haben muss. Diese wiederholte Untreue der Dänen könnte auch ein Faktor gewesen sein bei der Entscheidung, die zum Massaker vom Brictius-Tag führte. Die britischen Inseln sahen sich um die Jahrtausendwende nicht zum ersten Mal mit Wikingereinfällen konfrontiert. Bereits gegen Ende des 8. Jahrhunderts gab es Angriffe von dänischen und norwegischen Seefahrern. Der erste dokumentierte Fall ist die Plünderung des Klosters Lindisfarne, eines Inselklosters im Norden des Königreichs Northumbria. In der Folgezeit gab es immer wieder Überfälle auf kirchliche Einrichtungen, die keinen kriegerischen Schutz besaßen, dafür aber oft wohlhabend waren. Aber auch Dörfer und kleinere Ansiedlungen dürften den Angriffen ausgesetzt gewesen sein – über sie wird in den Quellen weniger berichtet, weil es die Mönche waren, die Texte schrieben. Es ist also nicht verwunderlich, wenn die Autoren der Annalen und Chroniken ihren eigenen Klöstern die größte Aufmerksamkeit schenkten. Bis zur Mitte des 9. Jahrhunderts gab es in England und auch auf dem Kontinent immer wieder sporadische Überfälle, deren Zahl und Intensität dann deutlich zunahm. Im Jahr 865 fiel in England das so genannte große Heer ein, dem es innerhalb weniger Jahre gelang, die Königreiche von Northumbria und
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Ostanglien sowie große Teile von Mercia zu erobern. Nur dem Königreich Wessex gelang es, den Vormarsch der Dänen zu stoppen. Bei der Abwehr des «großen Heeres» und der anschließenden Eroberung von Teilen Mercias tat sich König Alfred von Wessex hervor, der später «der Große» genannt wurde. Unter erheblichen Anstrengungen gelang es ihm in den 870 er und 880 er Jahren, den Einfluss der Dänen zurückzudrängen. Seine Söhne, die ihm als Könige nachfolgten, waren ähnlich erfolgreich, so dass sie allmählich fast das gesamte Gebiet der ehemaligen angelsächsischen Königreiche erobern konnten. In der Mitte des 10. Jahrhunderts hatte sich aus den vier Königreichen Wessex, Mercia, Ostanglien und Northumbria ein einziges angelsächsisches Königreich herausgebildet. Das «große Heer» hatte nicht nur Umwälzungen in den Herrschaftsstrukturen Englands zur Folge, sondern führte auch zu starken sozialen Veränderungen. Denn die Dänen siedelten in den von ihnen eroberten Gebieten, und sie blieben auch nach der angelsächsischen (Rück-)Eroberung im Land. Stark vereinfacht kann man feststellen, dass die meisten Skandinavier in Ostanglien, im nordöstlichen Teil von Mercia sowie im südlichen Northumbria siedelten. Trotz des seit dem 11. Jahrhundert verwendeten Namens «Danelag», der einen Bereich mit gesondertem, «dänischem» Recht bezeichnet, kann man von den Siedlern in diesem Raum aber nicht als «Dänen» oder «Skandinaviern» sprechen. Denn die kollektiven Identitäten dieser Gruppen waren nicht einfach gegeben oder bestimmten sich durch Herkunft, sondern es entstanden neue, anglo- skandi navische Identitäten, die den Bedürfnissen der Bewohner dieser Region entsprachen. Nicht alle von ihnen, und nicht einmal die Mehrheit, musste dazu skandinavische Wurzeln haben. Deshalb lassen sich weder anhand von Ortsnamen noch aufgrund von archäologischen Funden eindeutige Aussagen über das Ausmaß skandinavischer Besiedlung in England machen. Die schriftlichen Quellen, die ausnahmslos aus dem Herrschaftsgebiet von Wessex stammen, machen keine Aussagen zur politischen Struktur der anglo-skandinavischen Regionen im späten 9. und im 10. Jahrhundert. Und auch die Frage, wie genau sich der
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Kontakt und das Miteinander von siedelnden Skandinaviern und ansässigen Angelsachsen gestaltete, lässt sich nicht beantworten. Ist es also denkbar, dass Æthelred mit seinem Erlass im Jahr 1002 alle Dänen und ihre Nachkommen, die seit dem 9. Jahrhundert in England gesiedelt hatten, umbringen lassen wollte? Unabhängig von der Frage der eigenen Identitäten dieser Siedler gibt Æthelreds Urkunde selbst einen Hinweis. Es heißt dort, der König habe nach Beratung mit seinen führenden Männern beschlossen, «dass alle Dänen, die auf dieser Insel auftauchten und wie Unkraut mitten unter dem Weizen hervorschossen, zerstört werden sollten». Folglich richtete sich der Aufruf wohl gegen die erst kürzlich nach England gekommenen Dänen und nicht gegen die bereits seit mehreren Generationen dort lebenden Siedler. Dennoch war das Massaker am Brictius-Tag auch nach den Maßstäben der Zeit eine brutale Aktion. Die fixe Idee eines paranoiden Herrschers, der überall Verrat lauern sieht, war es allerdings nicht. Dagegen spricht allein schon die Tatsache, dass Æthelred den Beschluss gemeinsam mit den Großen des Reichs fasste. Außerdem hätte sich solch ein Vorgehen ohne Unterstützung in der Bevölkerung nicht durchsetzen lassen. Das Jahr 1002 erlebte noch ein weiteres wichtiges Ereignis, das für den Verlauf der nächsten Jahrzehnte entscheidende Bedeutung erlangen sollte: Bereits im Frühjar hatte Æthelred Emma geheiratet, die Schwester Herzog Richards II. von der Normandie. Die Tragweite dieser Verbindung, die Wilhelm der Eroberer 64 Jahre später für seinen Anspruch auf den englischen Thron nutzte, war zum Zeitpunkt der Eheschließung aber noch nicht abzusehen. Es ging Æthelred vor allem darum, mit dem normannischen Herzog einen Bündnispartner zu gewinnen, der auch dafür sorgen konnte, dass die Wikinger in der Normandie keinen sicheren Rückzugsort hatten – so wie es im Jahr 1000 der Fall gewesen war. Kurzfristig brachten die beiden neuen Strategien, die Æthelred und seine Berater 1002 einsetzten, keine entscheidenden Vorteile. Vielleicht war sogar das Gegenteil der Fall, denn der nächste Wikingereinfall, der von 1003 bis 1005 dauerte, wird
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sowohl mit Æthelreds neuer Frau als auch mit dem Massaker vom Brictius-Tag in Verbindung gebracht. Die Angelsächsische Chronik lastet die Erstürmung von Exeter einem Franzosen namens Hugo an, den Emma als Vogt eingesetzt habe. Nach Johannes von Worcester soll er für Devon zuständig gewesen sein. Angeführt wurde das dänische Heer von König Sven Gabelbart. In späteren Quellen wird behauptet, Sven habe Rache nehmen wollen für den Tod seiner Schwester Gunhild, die am Brictius-Tag ums Leben gekommen sei. Sven hatte aber bereits frühere Wikingerzüge geleitet, vielleicht schon 991, in jedem Fall aber 994 gemeinsam mit Olaf Tryggvason, der sich anschließend taufen ließ. Falls also Svens Schwester Gunhild am Brictius-Tag ums Leben kam, könnte Rache ein Motiv für Sven gewesen sein – es war aber zumindest nicht sein einziges. Weitere große Wikingerzüge, an denen Sven nicht selbst beteiligt war, folgten 1006–1007 und 1009–1012. Das (in den Worten der Angelsächsischen Chronik) «unermessliche feind liche Heer» von 1009 stand unter der Führung von Thorkell «dem Langen», einem Dänen, der unter Sven gedient hatte. Ende 1011 eroberten die Wikinger Canterbury und nahmen Erzbischof Ælfheah gefangen. Im April 1012 wurde in London eine Zahlung von 48 000 Pfund vereinbart. Einige Wikinger forderten zusätzlich 3000 Pfund Lösegeld für Ælfheah. Der Erzbischof aber untersagte, dass weiteres Geld für seine Freilassung floss, und wurde getötet. Angeblich seien die Dänen stark betrunken gewesen und hätten ihn zunächst mit Steinen, Knochen und Ochsenschädeln verprügelt, bevor ein Däne ihn mit einer Axt erschlug. Der Mord an Ælfheah war selbst für die mit Gewalt vertrauten Angelsachsen schockierend, und der Erzbischof wurde bald als Heiliger verehrt. Thietmar von Merseburg, der zwischen 1012 und 1018 eine Chronik verfasste, berichtet, dass Thorkell Geld geboten habe, um Ælfheahs Tod noch zu verhindern. In jedem Fall blieben 45 Schiffe unter der Führung von Thorkell als Söldner Æthelreds im Land, die restlichen Dänen kehrten in ihre Heimat zurück. Doch schon im nächsten Jahr kam Sven mit einer Flotte in die Themse, fuhr wenig später in den Norden und eroberte
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von Gainsborough aus in wenigen Monaten das gesamte Land. Schließlich ergab sich auch London, wo Æthelred und Thorkell lange Widerstand geleistet hatten. Æthelred floh im Dezember in die Normandie zu seinem Schwager, Herzog Richard II. Sven wurde von den Angelsachsen als König anerkannt, konnte seinen Erfolg aber nicht lange genießen, da er bereits am 3. Februar 1014 in Gainsborough starb. Sein Sohn Knut, der bei ihm war, wurde von den Eroberern zum König bestimmt, aber der angelsächsische Adel holte Æthelred aus seinem normannischen Exil zurück und setzte ihn erneut als König ein. Æthelred musste dabei schwören, gerechter zu herrschen als bisher. Er zog sofort in den Norden und konnte Knut und die Dänen, die in Lindsey Unterstützung erhalten hatten, vertreiben. Knut musste sich nach Dänemark zurückziehen, kam aber bereits im folgenden Jahr wieder nach England. Inzwischen hatte Edmund Eisenseite, Æthelreds Sohn, aus unbekannten Gründen gegen seinen Vater rebelliert und sich Unterstützung im Nordosten von Mercia sichern können. Knut heerte in Wessex, während Æthelred krank war. Edmund organisierte deshalb ein Heer und zog gegen Knut, konnte aber wegen der Illoyalität einiger Adliger keine Erfolge erzielen. Am 23. April 1016 starb Æthelred, die Angelsachsen bestimmten Edmund zu seinem Nachfolger. Obwohl er Knut noch einige Zeit Widerstand leisten konnte, musste er im Anschluss an eine vernichtende Niederlage in der Schlacht von Ashingdon die Teilung des Reiches a kzeptieren. Edmund wurde König in Wessex, Knut erhielt den Norden, also Mercia, Ostanglien und Northumbria. Diese Teilung hatte aber nur kurz Bestand, denn bereits am 30. November starb Edmund Eisenseite aus unbekannten Gründen. Knut wurde als König von ganz England anerkannt. Herrschaft und Erbe Knuts des Großen
Eine der ersten Maßnahmen, die Knut als König ergriff, war die Teilung seines Reichs in vier Verwaltungseinheiten, die jeweils einem Earl unterstanden: Wessex, Ostanglien, Mercia und Northumbria. Wessex blieb zunächst unter seiner eigenen Kon-
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trolle. Ostanglien gab er Thorkell dem Langen, der im Verlauf der Kämpfe von 1015 und 1016 wieder die Dänen unterstützt hatte. In Mercia bestätigte der König Eadric Streona, der dort bereits seit 1007 Ealdorman war. Northumbria unterstellte er Erik Ladejarl, einem mächtigen Fürsten aus dem Gebiet des heutigen Trondheim, der faktisch als Stellvertreter für Sven Gabelbart über Norwegen geherrscht hatte. Diese administrativen Maßnahmen hatten allerdings nicht lange Bestand. Noch im Jahr 1017 wurde Eadric, der während der Eroberung mehrmals die Seiten gewechselt hatte und von der Angelsächsischen Chronik als Inbegriff des Bösen dargestellt wird, des Verrats beschuldigt und getötet. Anschließend wurde Mercia in mehrere Earldoms geteilt. Eadric war nicht das einzige prominente Opfer aus dem englischen Adel. Die angelsächsische Chronik berichtet von drei weiteren hochrangigen Persönlichkeiten, die 1017 ihr Leben verloren, sowie von der Vertreibung und späteren Ermordung des letzten Sohns von Æthelred aus dessen erster Ehe, Eadwig. Auch die Söhne von Edmund Eisenseite, Eduard und Edmund, mussten das Land verlassen. Die Söhne aus Æthelreds zweiter Ehe, Eduard und Alfred, blieben in der Normandie und waren eine mögliche Bedrohung, die Knut unterband, indem er Emma heiratete, die Witwe Æthelreds. Diese Ehe diente aber wohl vor allem dazu, seine Legitimation als angelsächsischer König zu stärken. Außerdem war es nun offensichtlich nicht mehr nötig, Wessex unter seiner Kontrolle zu behalten, denn 1018 finden sich dort bereits zwei Earls. Einer von ihnen war Godwin, der ab etwa 1023 Earl von ganz Wessex wurde und außerdem einer der wichtigsten Berater des Königs. Knut gab ihm seine Schwägerin Gytha zur Frau; Gytha war die Schwester von Ulf, der mit Knuts Schwester Estrid verheiratet war. Wie man an der obersten Führungsschicht sehen kann, setzte Knut sowohl auf Vertraute, die aus Skandinavien mit ihm nach England gekommen waren, als auch auf Angelsachsen. Nimmt man die Thegns mit in den Blick, also königliche Gefolgsleute, die im Rang unterhalb der Earls angesiedelt waren, wird dieser Eindruck bestätigt. Allerdings übernahm Knut nicht einfach die
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Angelsachsen, die unter Æthelred und Edmund wichtige Positio nen innehatten, sondern setzte neue Leute ein. Eine Ausnahme war Leofric, der um 1023 Earl von Mercia wurde. Sein Vater war seit den 990 er Jahren Ealdorman von Hwicce im Südwesten Mercias und konnte seine Position bewahren, obwohl sein Sohn Northman zu den prominenten Opfern im Jahr 1017 gehörte. Am Ende von Knuts Herrschaft waren Leofric von Mercia und Godwin von Wessex die beiden wichtigsten Berater des Königs. Im zweiten Jahr nach der Eroberung, 1018, war Knuts Stellung sicher genug, um den Großteil der Flotte mit der enormen Summe von 82 500 Pfund auszubezahlen und aus dem Dienst zu entlassen. Der König behielt lediglich 40 Schiffe zur Verteidigung der Küsten. In demselben Jahr kam es in Oxford zu einer Übereinkunft zwischen Dänen und Engländern. Der Vertragstext wurde von Knuts wichtigstem angelsächsischen Berater seiner ersten Herrschaftsjahre verfasst, Erzbischof Wulfstan von York. Darin heißt es, alle hätten sich dazu verpflichtet, die Bestimmungen König Edgars einzuhalten. Gerade vor dem Hintergrund, dass Wulfstan auch für Æthelred Gesetzestexte verfasst hatte, ist es bemerkenswert, dass hier auf dessen Vater Edgar verwiesen wird. Damit stellte sich Knut nicht einfach allgemein in die Tradition angelsächsischer Könige und deren Gesetzgebung, sondern knüpfte explizit an die Zeit Edgars an – aus der Sicht des frühen 11. Jahrhunderts eine Zeit der Ruhe, des Friedens und der Ordnung. Diese Ordnung, so das implizite Versprechen, wollte Knut wiederherstellen. Dieser Ordnung mussten sich aber auch die angelsächsischen Großen unterwerfen. Es war vor allem die Befolgung von Gottes Gesetzen, die in diesem Zusammenhang betont wurde. Knut stellte sich damit explizit als christlicher König dar und galt als Wohltäter der Kirche. Das wird in verschiedenen Quellen hervorgehoben und lässt sich anhand großzügiger Schenkungen an Kirchen und Klöster bestätigen. Nach dem Tod seines Bruders Harald konnte Knut in den Jahren 1019–1020 die Herrschaft über Dänemark sichern, wo ab 1023 sein Schwager Ulf stellvertretend herrschte. Zurück in
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England, ließ Knut 1020 in Ashingdon, am Ort seines entscheidenden Schlachtenerfolgs gegen Edmund Eisenseite, eine Steinkirche errichten «für die Seelen der Männer, die dort gefallen sind», wie es in Handschrift F der Angelsächsischen Chronik heißt. 1023 erfolgte die Umbettung der Gebeine des Erzbischofs Ælfheah, der nach seiner Ermordung 1012 in der Londoner Paulskirche bestattet worden war, nach Canterbury. Beide Akte können als Versöhnungsgesten gedeutet werden. Die Trans lation Ælfheahs hatte ihren Grund aber vielleicht auch darin, dass der Kult eines von Wikingern getöteten Heiligen als Kristallisa tionspunkt für einen angelsächsischen Widerstand hätte dienen können. Die Bewohner Londons waren schließlich lange auf Seiten von Æthelred und Edmund Eisenseite geblieben, die Stadt hätte sich als Zentrum eines solchen Widerstands also gut geeignet. 1021 fiel Erik Ladejarl, der Earl von Northumbria, aus unbekannten Gründen bei König Knut in Ungnade und wurde verbannt. Zwei Jahre später kam es zur Versöhnung, aber danach wird über Erik nichts weiter berichtet. Wer in den folgenden zehn Jahren Earl von Northumbria war, ist nicht sicher. Der Süden Northumbrias, der sich vom Humber bis zum Tees erstreckte, war von vielen Skandinaviern besiedelt. Diese Region wird nach seinem zentralen Ort York, der gleichzeitig auch Sitz des Erzbischofs war, Yorkshire genannt. Der Norden hingegen, zwischen den Flüssen Tees und Tweed, der die Grenze zum Königreich Schottland bildete, war angelsächsisch geblieben. Nach der Eroberung des Königreichs Northumbria durch die Dänen im späten 9. Jahrhundert hatte es immer eigenständige Herrscher in dieser Region gegeben, die von Bamburgh aus regierten – teils als Ealdormen, teils als Sheriffs. Bis heute hat sich für diese Region die Bezeichnung Northumberland gehalten. Die Herren von Bamburgh waren gelegentlich auch Herrscher über ganz Northumbria; so auch ab 1006 Uhtred, der 1016 erschlagen wurde, als er sich auf dem Weg zu Knut befand, um sich ihm zu unterwerfen. Sein Bruder, Eadulf Cudel, war nach ihm Herrscher von Northumberland, wobei er mög licherweise Erik Ladejarl untergeordnet war. Erst 1033 gibt es
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wieder Nachrichten zu einem Earl von Yorkshire. In diesem Jahr bezeugte Siward, ein Däne, über dessen Herkunft nichts bekannt ist, eine Urkunde Knuts des Großen. Ob Siward Eriks direkter Nachfolger war oder in der Zwischenzeit Eadulf Cudel ganz Northumbria beherrschte, ist nicht bekannt. Auch wann Eadulf starb, ist unklar, ihm folgte jedenfalls Uhtreds Sohn Ealdred nach, der 1038 getötet wurde. Anschließend übernahm sein Halbbruder Eadulf die Herrschaft über Northumberland, wurde aber 1041 ermordet – vermutlich von Siward, der wenig später die Herrschaft über ganz Northumbria erlangte. Er sicherte seine Stellung in Northumberland ab, indem er Ealdreds Tochter Ælfflæd zur Frau nahm und damit in die Familie von Bamburgh einheiratete. Die Quellen sind nicht nur für Northumbria sehr dürftig, sondern für Knuts Königtum im Allgemeinen – besonders im Kontrast zur Herrschaftszeit Æthelreds. Die Angelsächsische Chronik berichtet nur in aller Kürze über die Geschehnisse. Selbst ein wichtiges Ereignis wie Knuts Romreise wird dort in nur einem Halbsatz abgehandelt und außerdem ins falsche Jahr datiert. Knut fuhr nämlich nicht 1031 nach Rom, wie die Angelsächsische Chronik behauptet, sondern 1027. Dort wohnte er der Kaiserkrönung des ostfränkisch-deutschen Königs Konrad II. bei und verhandelte mit Papst Johannes XIX. und König Rudolf III. von Burgund über die Sicherheit für Pilger auf ihrem Weg nach Rom und für angelsächsische Händler auf dem Kontinent. Nach seiner Rückkehr aus Rom wandte sich Knut Norwegen zu, dessen König Olaf Haraldsson in der Region um Trondheim unbeliebt war. Knut unterstützte den norwegischen Adel und kam 1028 mit einer Flotte nach Norwegen, so dass Olaf zu seinem Schwager Jaroslaw floh, dem Großfürsten der Kiewer Rus’. Knut wurde als norwegischer König anerkannt und setzte Håkon, den Sohn des northumbrischen Earls Erik, als Jarl – und damit als seinen Stellvertreter – ein. Nach einer Seefahrt von England nach Norwegen wurde Håkon bereits 1029 oder 1030 vermisst. Olaf Haraldsson ergriff die Chance, sein Reich zurückzuerobern, starb aber bei der Schlacht von Stiklestad und
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wurde wenig später als Märtyrer verehrt. Knut brach nun mit der üblichen Vorgehensweise, einen norwegischen Adligen als Stellvertreter zu bestimmen, und setzte stattdessen seinen Sohn Sven und dessen Mutter Ælfgifu als Herrscher über Norwegen ein. Diese Ælfgifu, die in den Quellen mit dem Zusatz «von Northampton» beschrieben wird, hatte Knut 1013 oder 1015 geheiratet, um die Unterstützung des angelsächsischen Adels in Mercia für die dänische Eroberung zu sichern. Ihre Regentschaft über Norwegen zeigt, dass Knut sie auch nach der Heirat mit Emma nicht verstieß. Sven und Ælfgifu waren in Norwegen aber sehr unbeliebt, so dass man Olafs Sohn Magnus aus seinem Exil in der Kiewer Rus’ holte und 1035 zum norwegischen König bestimmte. Sven und Ælfgifu verließen das Land. Knut der Große starb am 12. November 1035 in Shaftesbury. Um die Nachfolge stritten sich seine Söhne Hardeknut und Harald, der später den Beinamen «Hasenfuß» erhielt, was angeblich seiner Schnelligkeit bei der Jagd geschuldet war. Hardeknut wurde von seiner Mutter Emma unterstützt sowie von Earl Godwin von Wessex, war zum Zeitpunkt von Knuts Tod aber in Dänemark. Harald war ein weiterer Sohn von Ælfgifu von Northampton und erhielt Unterstützung von Leofric von Mercia. Ælfgifu selbst war spätestens 1036 in England, ihr Sohn Sven ist in diesem Jahr gestorben und hatte offensichtlich keinen Anteil am englischen Thronstreit. Ende 1035 wurde in Oxford vereinbart, dass Harald das Reich für sich und seinen Halbbruder regieren sollte. Eine endgültige Entscheidung wurde damit vertagt, weil Hardeknut sich weiterhin in Dänemark aufhielt, um dort seine Herrschaft gegen den norwegischen König Magnus durchzusetzen. Emma sollte in Winchester bleiben und Wessex gemeinsam mit Godwin für ihren Sohn verwalten. Es ist also durchaus möglich, dass eine Teilung des Reiches vorgesehen war, allerdings erschien Hardeknut nicht in England, so dass Harald immer mehr Unterstützung gewinnen konnte. 1036 wandte Emma sich an ihre beiden Söhne aus ihrer ersten Ehe mit König Æthelred, Eduard und Alfred, die in der Normandie im Exil lebten. Ob Eduard nach England kam, ist nicht eindeutig festzustellen. Alfred reiste in jedem Fall
Robert II. «Kurzhose» Hg. d. Norm. 1087–1106
Wilhelm II. «Rufus» Kg. v. Engl. 1087–1100
Wilhelm I. «d. Eroberer» Hg. d. Norm. 1035–1087 Kg. v. Engl. 1066–1087
illegitim
oo Æthelred II. Kg. v. Engl. 978–1016
Sven Alfivason Regent v. Norw. 1030–1035 † 1036
Harald «Hasenfuß» Kg. v. Engl. 1035–1040
oo Ælfgifu «v. Northampton» † 1040
Edgar Ætheling Kg. v. Engl. 1066 † nach 1125
Ralph v. Mantes Earl v. Hereford † 1057
oo Eustachius II. Gf. v. Boulogne 1049–1087
Sven Estridsen Kg. v. Dän. 1047–1076
Jarl Ulf oo Estrid † 1026
Sven «Gabelbart» Kg. v. Dän. 986–1014
Alfred Drogo oo Godgifu † 1036/1037 Gf. d. Vexin
Hardeknut Kg. v. Dän. 1035–1042 Kg. v. Engl. 1040–1042
oo Emma oo Knut «d. Große» † 1052 Kg. v. Engl. 1016–1035 Kg. v. Dän. 1019–1035 Kg. v. Norw. 1028–1035
Eduard Eduard «d. Exilant» «d. Bekenner» † 1057 Kg. v. Engl. 1041/1042–1066
Malcolm III. oo Margarete «Canmore» †1093 Kg. v. Schottl. 1058–1093
Odo Bf. v. Bayeux 1049–1090 Earl v. Kent
oo Herluin Edmund v. Conteville «Eisenseite» Kg. v. Engl. 1016
Heinrich I. Kg. v. Engl. 1100–1135 Hg. d. Norm. 1106–1135
Richard III. Robert I. oo Herleva Hg. d. Norm. Hg. d. Norm. 1026–1027 1027–1035
Ælfgifu
Edgar Kg. v. Engl. 957/959–975 ▷
Richard II. Hg. d. Norm. 996–1026
Richard I. Hg. d. Norm. 942–996
Herzöge der Normandie und Könige von England
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zu seiner Mutter, wurde aber unterwegs aufgegriffen, geblendet und zum Kloster Ely verbracht, wo er an den Folgen der Blendung starb. In den meisten Quellen wird Godwin von Wessex mit seinem Tod in Verbindung gebracht, und auch wenn einige Quellen das zu verschleiern versuchen, scheint er verantwortlich gewesen zu sein. Im folgenden Jahr wurde Harald als König ganz Englands anerkannt, Emma ging ins Exil nach Brügge. Dorthin kam auch ihr Sohn Hardeknut, nachdem er sich endlich als dänischer König durchgesetzt hatte. Er wollte mit einer Flotte nach England fahren, um seinen Thronanspruch mit kriegerischen Mitteln geltend zu machen, aber noch ehe er sein Vorhaben in die Tat umsetzen konnte, starb Harald Hasenfuß am 17. März 1040. Hardeknut landete wenig später in Sandwich und wurde angelsächsischer König. Als eine seiner ersten Aktionen ließ er angeblich Haralds Leiche wieder ausgraben und in die Sümpfe werfen. Hardeknuts kurze Herrschaft scheint bei den Angelsachsen unbeliebt gewesen zu sein, weil er hohe Steuern erhob. Möglicherweise spielte die Unpopularität eine Rolle bei der Entscheidung, seinen älteren Halbbruder Eduard 1041 nach England zu holen und an der Herrschaft zu beteiligen. Beim Besuch einer Hochzeit erlitt Hardeknut einen Schlaganfall und starb am 8. Juni 1042. In Dänemark konnte sich anschließend der norwegische König Magnus als Herrscher etablieren. Er setzte sich gegen Sven Estridsen durch, den Sohn von Ulf und Knuts Schwester Estrid, der ebenfalls Ansprüche auf den Thron stellte. Mitte der 1040 er Jahre kam noch ein dritter Thronanwärter hinzu, nämlich Magnus’ Onkel Harald, ein Halbbruder von Olaf dem Heiligen. Er hatte 1030 als Fünfzehnjähriger in der Schlacht von Stiklestad gekämpft und war nach der Niederlage zunächst nach Kiew gegangen. Von dort zog er weiter nach Byzanz, wo er in Diensten oströmischer Kaiser kämpfte. Nach dem Zeugnis der Königssagas, die im 13. Jahrhundert von isländischen Autoren geschrieben wurden, soll er dort eine führende Position innegehabt und an kriegerischen Auseinandersetzungen in Kleinasien, Sizilien und auf dem Balkan teilgenommen haben. Seine Anwesenheit in Konstantinopel wird von byzantinischen Quellen in jedem
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Fall bestätigt. Nach rund zehn Jahren kehrte Harald an den Hof des Großfürsten Jaroslaw von Kiew-Nowgorod zurück und heiratete dessen Tochter Elisabeth. 1045 war Harald in Schweden und scheint zunächst eine Allianz mit Sven Estridsen erwogen zu haben, einigte sich dann aber mit seinem Neffen Magnus, mit dem er sich ab 1046 die Herrschaft über Norwegen teilte. Nachdem Magnus 1047 gestorben war, war Harald alleiniger König Norwegens und übte dort eine strikte Herrschaft aus, die ihm seinen Beinamen «der Harte» einbrachte. Er erhob auch Anspruch auf Dänemark, wo sich nun aber Sven Estridsen durchsetzen konnte. Die beiden Könige trugen zahlreiche Konflikte aus und erkannten ihre Herrschaft erst 1064 gegenseitig an. Angelsachsen und Normannen
Eduard, der nach Hardeknuts Tod König von England wurde, hatte den Großteil seines bisherigen Lebens in der Normandie verbracht, wohin er nach der dänischen Eroberung durch Knut den Großen geflohen war. Zum Zeitpunkt seiner Flucht – vermutlich Ende 1016 – war er etwa elf Jahre alt. In der Normandie wurde er am Hof seines Onkels, Herzog Richards II., aufgenommen. Richard war seit 996 Herzog der Normandie, die zu Frankreich gehörte. Die Normannen unterschieden sich aufgrund ihrer Geschichte vom Rest der Franken, denn sie stammten von Wikingern ab, die sich zu Beginn des 10. Jahrhunderts zwischen Seine und Loire angesiedelt hatten. Bis zur Jahrtausendwende gelang es ihnen, ihren Machtbereich nach Westen auszudehnen und sich in die französische Adelsgesellschaft zu integrieren. Richard II., der mit dem französischen König Robert II. verbündet war, trieb die kirchliche Erneuerung voran und ließ mehrere Klöster reformieren. Vorbild hierfür war das Kloster Cluny in Burgund, ein Zentrum der monastischen Kultur im 10. und 11. Jahrhundert. Die Reformen hatten nicht nur Auswirkungen auf die Lebensweise der Mönche und die von ihnen praktizierte Liturgie, auf die in Cluny großer Wert gelegt wurde, sondern
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auch auf die intellektuelle Ausbildung der Geistlichen und die landwirtschaftliche Nutzung des Kirchenbesitzes. Auf den Tod Richards II. (1026) folgte eine Zeit der Instabilität. Sein Sohn und Nachfolger, Richard III., starb überraschend bereits 1027. Angeblich soll er von seinem jüngeren Bruder, Robert I., vergiftet worden sein. Robert hatte wenig Rückhalt im normannischen Adel und konnte sich nur mit Hilfe seines Onkels, des Erzbischofs Robert I. von Rouen, durchsetzen. Im Januar 1035 begab Robert sich auf eine Pilgerfahrt nach Jeru salem und ließ die Adligen schwören, seinen Sohn Wilhelm als Nachfolger anzuerkennen. Wilhelm war aus einer unehelichen Beziehung Roberts mit einer Gerberstochter hervorgegangen und wurde wegen dieser illegitimen Herkunft «der Bastard» genannt. Als Robert während der Pilgerfahrt starb, war der neue Herzog Wilhelm gerade einmal sieben oder acht Jahre alt. Der französische König Heinrich I. hatte zwar seine Zustimmung zu dieser Nachfolgeregelung gegeben, aber nachdem Erzbischof Robert 1037 gestorben war und Wilhelms Vormünder, Herzog Alain von der Bretagne und Graf Gilbert von Brionne, 1040 nacheinander ermordet wurden, spitzte sich die Lage für Wilhelm zu. Als Guido von Brionne, Sohn des Herzogs Reginald von Burgund und Enkel Richards II., Anspruch auf das normannische Herzogtum erhob, wandte Wilhelm sich an den französischen König Heinrich I., der mit einem Heer in die Normandie kam. Herzog Wilhelm, inzwischen etwa 19 Jahre alt, gelang in der Schlacht von Val-ès-Dunes im Jahr 1047 ein wichtiger Sieg. Anschließend stärkte er seine Stellung in der Region, indem er um 1050 Mathilde heiratete, die Tochter des Grafen Balduin V. von Flandern. Ein Bündnis mit dem Grafen Gottfried Martell von Anjou führte zum Bruch mit König Heinrich I., den Wilhelm aber in der Schlacht von Mortemer (1054) besiegen konnte. Darunter litt Heinrichs Autorität, dessen Einfluss weitgehend auf die Île-de-France, also die Region um Paris, beschränkt blieb. 1060 starben sowohl Gottfried von Anjou als auch Heinrich I., der nur einen minderjährigen Sohn, Phi lipp, hinterließ. Philipps Vormund und Regent von Frankreich war sein Onkel – Balduin von Flandern, Wilhelms Schwiegerva-
Estrid
oo
Hakon Tostig Geisel i. d. Normandie 1051–ca. 1064
Tostig Earl v. North umbria 1055–1065 † 1066 in Stamford Bridge
Eilaf Earl in Gloucester
Jarl Thorgils
Gyrth Earl v. Ostanglien 1057/59– 1066 † 1066 in Hastings
Gytha
Harold oo Ealdgyth Earl v. Ostanglien 1045–1051/53 Earl v. Wessex 1053–1066 Kg. v. Engl. 1066
Sweyn Earl i. d. südwestl. Midlands 1043–1046 u. 1050– 1051 † 1052 im Exil
Jarl Ulf † 1026
Sven Estridsen Asbjörn Beorn Kg. v. Dän. † ca. 1086 Earl i. d. östl. 1047–1076 Midlands 1045–1049
Knut «d. Große» Kg. v. Engl. 1014/1016–1035 Kg. v. Dän. 1019–1035 Kg. v. Norw. 1028–1035
Sven «Gabelbart» Kg. v. Dän. 986–1014 Kg. v. Engl. 1013–1014 Godwin Earl v. Wessex 1018/20–1053
Edwin Earl v. Mercia 1062/65– 1066 † 1071
Leofwine Edith oo Earl i. d. † 1075 südöstl. Midlands 1057/59– 1066 † 1066 in Hastings
oo
Verwandtschaft des Godwin von Wessex
Wulfnoth Geisel i. d. Normandie † 1088/94
Morkar Earl v. Northumbria 1065–1066 † nach 1087
Eduard «d. Bekenner» Kg. v. Engl. 1041/1042– 1066
Ælfgar Earl v. Ostanglien 1051/53– 1057 Earl v. Mercia 1057– 1062/1063
Leofric Earl v. Mercia ca. 1023–1057
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ter. Damit hatte der normannische Herzog in den 1060 er Jahren eine starke Stellung in der Region und musste keine Bedrohung von außen fürchten. Aus dieser Position heraus konnte er seinen Blick auf England richten, mit dessen kinderlosem König Eduard er weitläufig verwandt war. Eduard der Bekenner war von 1016 bis 1041 in der Normandie. Was er dort tat und wo er sich aufhielt, ist nicht bekannt. Aus einigen Urkunden Roberts I. und Wilhelms geht lediglich hervor, dass die Herzöge ihn unterstützten. Nach dem Tod seines Halbbruders Hardeknut wurde Eduard, der später den Bei namen «der Bekenner» erhielt, schnell als König von England anerkannt und an Ostern 1043 gekrönt. Wenig später entzog er seiner Mutter Emma allen Besitz und ließ ihr nur das Witwengut, auf dem sie in Winchester ihr Auskommen hatte. Die zeitgenössischen Quellen begründen diesen Schritt damit, dass Eduard nicht genug Unterstützung von Emma erhalten habe. Dieser Vorwurf scheint berechtigt zu sein, wenn man bedenkt, dass Eduard die Zeit, als Emma Königin von England war, im normannischen Exil verbrachte und Emma nach Knuts Tod unter großem Einsatz Hardeknut unterstützte. Emma wurde bereits im folgenden Jahr wieder am Hof Eduards empfangen, spielte bis zu ihrem Tod am 6. März 1052 aber keine bedeutende Rolle mehr. Am Beginn seiner Herrschaft stand Eduard vor einem Problem: Er war in England praktisch unbekannt. Er hatte innerhalb des anglo-dänischen Adels kein Netzwerk und darüber hinaus auch keinen persönlichen Landbesitz. Er musste sich deshalb zunächst die Unterstützung der wichtigsten Personen sichern, allen voran der drei mächtigen Earls Godwin von Wessex, Leofric von Mercia und Siward von Northumbria. Andererseits sah sich der Adel möglicherweise in seiner Stellung bedroht, denn Eduard hätte an das angelsächsische Königshaus seines Vaters anknüpfen und die unter Knut aufgestiegenen neuen Männer beiseitedrängen können. Außerdem lag es nicht fern, Rache zu üben für die Ermordung seines Bruders Alfred. Beide Seiten hatten also etwas zu verlieren, und so erklärt sich, dass Eduard dem Adel entgegenkam, indem er Posten und Land verteilte, um damit im Gegenzug als König bestätigt zu werden.
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Die Anerkennung Godwins von Wessex kostete Eduard anscheinend am meisten. Godwin selbst konnte seinen Einfluss bereich wahrscheinlich in dieser Zeit auf Kent ausdehnen. Sein ältester Sohn Sweyn wurde 1043 Earl der südwestlichen Midlands an der Grenze zu Süd-Wales. Hier wurde möglicherweise der Einflussbereich von Leofric von Mercia beschnitten. Spätestens 1045 erhielt Godwins zweitgeborener Sohn Harold Ostanglien, und Beorn, der Neffe von Godwins Frau Gytha, wurde Earl in den südöstlichen Midlands, also einem Gebiet nördlich der Themse bei London. Die Verbindung zwischen dem König und der Familie von Godwin von Wessex wurde im Januar 1045 weiter gestärkt, als Eduard Godwins Tochter Edith heiratete. Spätestens jetzt wurde deutlich, dass Eduard den Earl von Wessex und seine Familie bevorzugte. Die Machtverhältnisse im angelsächsischen Adel verschoben sich. In der zweiten Hälfte der 1040 er Jahre lassen sich einige Kon flikte zwischen König Eduard und Earl Godwin erkennen. 1046 wurde Sweyn Godwinson beschuldigt, die Äbtissin von Leominster, einem Kloster in Herefordshire, entführt zu haben, er musste daraufhin das Land verlassen. 1048 fragte der dänische König Sven Estridsen bei Eduard nach Unterstützung, um gegen Harald den Harten in Norwegen vorgehen zu können. Sven war der ältere Bruder von Beorn, also ebenfalls ein Neffe von Gytha, der Frau Godwins, der das Vorhaben deshalb unterstützte. Eduard weigerte sich aber, Sven zu helfen, was Godwin verärgert haben dürfte. 1049 versuchte Sweyn Godwinson, sein Earldom zurückzuerlangen, hinterging dabei allerdings Beorn und tötete ihn. Daraufhin musste Sweyn erneut ins Exil gehen. Beorns Earldom ging an Eduards Neffen Ralph, den Sohn von Eduards Schwester Godgifu aus ihrer ersten Ehe mit Drogo, Graf von Mantes und des Vexin. Darüber hinaus verhandelte Godwin zu dieser Zeit vermutlich mit Graf Balduin V. von Flandern über eine Heiratsverbindung, die 1051 zur Hochzeit seines Sohnes Tostig mit Balduins Halbschwester Judith führte. Eduard unterstützte 1049 jedoch Kaiser Heinrich III., der gegen Balduin von Flandern vorging. Alle diese Punkte mögen das Verhältnis des Königs zu Godwin belastet haben. Andererseits hatte Eduard
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Sweyn spätestens 1050 wieder als Earl eingesetzt, womit er Godwin und seine Familie vielleicht beschwichtigen wollte. Im folgenden Jahr kam es jedoch zu einer kritischen Situation und schließlich zum Bruch zwischen Eduard und Godwin. Es gab zwei Auslöser für diese Krise. Im Oktober 1050 war Erzbischof Eadsige von Canterbury gestorben. Die Mönche des Kathedralklosters von Canterbury wählten daraufhin Ælric, einen Verwandten von Godwin, zum Erzbischof und hatten den Earl von Wessex dazu gebracht, ihre Wahl zu unterstützen. Eduard ignorierte aber den lokalen Kandidaten und setzte seinen Vertrauten Robert von Jumièges, der seit 1044 Bischof von London war, als Erzbischof von Canterbury ein. Der zweite Auslöser war ein Besuch des Grafen Eustachius von Boulogne in Dover. Eustachius hatte Eduards Schwester Godgifu geheiratet und war daher Schwager des Königs. Er sollte in Dover möglicherweise das Kommando über eine neue Burg erhalten. In jedem Fall geriet er mit den Bürgern von Dover in einen Streit, bei dem es auf beiden Seiten zu Toten kam. Eduard beauftragte nun Godwin damit, die Stadtbewohner zu bestrafen, da Dover in seinem Earldom lag. Godwin weigerte sich jedoch und wurde von seinen Söhnen Sweyn und Harold unterstützt. Sie zogen ihre Truppen in Gloucestershire zusammen, während Eustachius sich in den Schutz des Königs nach Gloucester begeben hatte. Leofric und Siward eilten ebenfalls mit Truppen herbei, um den König zu unterstützen. Es kam jedoch zu keiner kriegerischen Auseinandersetzung, stattdessen wurde Godwin vor ein königliches Gericht in London geladen. Als Eduard ihm Geleitschutz für den Weg dorthin verweigerte, floh er außer Landes, und seine Söhne taten es ihm gleich. Godwin, Sweyn und Tostig begaben sich nach Flandern, Harold und Leofwine gingen nach Irland. Eduard schickte seine Frau Edith in ein Kloster. Die Position von Leofric wurde dagegen gestärkt. Er selbst kontrollierte nun wahrscheinlich auch Oxfordshire – ganz sicher lässt sich das aufgrund der spärlichen Quellen nicht sagen –, sein Sohn Ælfgar wurde Earl von Ostanglien. Aber noch bevor Eduard die Verwaltung seines Reichs neu ordnen konnte, kamen die Exilierten zurück. Godwin erreichte die Küste im Juni
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1052, konnte zunächst aber zurückgeschlagen werden. Erst als er sich mit Harold und seinen irischen Schiffen vereinigt hatte, konnten sie an der englischen Südküste landen und in Sussex und Kent Unterstützung erlangen. Sie zogen nach London, vor dessen Toren es zu einer Einigung mit Eduard kam. Godwin und seine Söhne erhielten alles zurück, was sie verloren hatten, und auch Edith wurde aus dem Kloster an den Königshof zurückgeholt und als Königin wiedereingesetzt. Nur Sweyn war nicht Teil dieser Vereinbarung, weil er sich auf eine Pilgerreise ins Heilige Land begeben hatte und auf dem Rückweg gestorben war. Robert von Jumièges und zwei weitere normannische Bischöfe, Wilhelm von London und Ulf von Dorchester, flohen aus England. In Handschrift C der Angelsächsischen Chronik heißt es, dass bei der Londoner Übereinkunft bestimmt wurde, «alle fränkischen Männer» zu verbannen, weil sie Unrecht begünstigt und schlechte Ratschläge gegeben hätten. Hatte Eduard eine normannische Fraktion am Hof gefördert, die den angelsächsischen Interessen schadete und deshalb eine Gegenreaktion heraufbeschwor? Diese Lesart ist aus dem Wissen um die normannische Eroberung von 1066 entstanden. Sie sieht die Normannen am Hof König Eduards als Vorboten und Vorläufer der angelsächsischen Niederlage. Mehrere Aspekte sprechen aber gegen das Aufeinandertreffen einer «normannischen» und einer «angelsächischen» Fraktion. Zunächst einmal wurden 1052 nicht alle «Franken» vertrieben. Die Londoner Übereinkunft sah nämlich vor, dass der König einige Franken, die ihm und dem Volk treu gewesen waren, nicht außer Landes schicken musste. Außerdem blieb Ralph von Mantes Earl in den südöstlichen Midlands, und Wilhelm, der Bischof von London, wurde wenig später zurückgeholt. Daneben waren nicht alle «Franken», die nach England gekommen waren, Normannen. Die Angelsächsische Chronik spricht zwar gelegentlich von Bretonen und Flamen, unterscheidet aber nicht zwischen «Franken» und «Normannen», was vermutlich an der Sprache liegt. Normannen und Franzosen sprachen Altfranzösisch, das sich von der kel tischen Sprache der Bretonen und dem germanischen Flämisch
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unterschied. Ergänzt um Lothringer, die aus der Grenzregion zwischen Altfranzösisch und Althochdeutsch kamen, und Altnordisch sprechende Dänen, entsteht das Bild eines vielsprachigen, kosmopolitischen Königshofs. Den weiteren Verlauf der 1050 er Jahre prägte die Rivalität zwischen den Familien von Godwin von Wessex und Leofric von Mercia. Nach Godwins Tod (1053) ging Wessex an seinen ältesten noch lebenden Sohn Harold, dessen bisheriges Earldom Ostanglien an Leofrics Sohn Ælfgar vergeben wurde. Dass verschiedene Fraktionen am Hof um Einfluss stritten, lässt sich an den Ereignissen des Jahres 1055 ablesen. Nach dem Tod von Siward wurde Tostig zum Earl von Northumbria erhoben und nicht Siwards Sohn Waltheof. Diese Entscheidung war ungewöhnlich, und zwar nicht in erster Linie, weil der Sohn eines Earls übergangen wurde, denn erblich waren die Earldoms nicht, sondern weil Tostig keine Verbindungen zu Northumbria hatte, wo es noch nie einen Earl ohne lokalen Rückhalt entweder in Yorkshire oder in Northumberland gegeben hatte. Ebenfalls im Jahr 1055 wurde Ælfgar verbannt. Die verschiedenen Versionen der Angelsächsischen Chronik geben dafür unterschiedliche Gründe an: Handschrift C behauptet, er sei unschuldig gewesen. In Handschrift D heißt es, Ælfgar habe sich kaum etwas zuschulden kommen lassen, während die in diesem Zeitraum für Godwins Familie Partei ergreifende Version E vermerkt, er sei des Verrats am König und am ganzen Land bezichtigt worden und habe das auch – unabsichtlich – zugegeben. Möglicherweise war er durch die Ernennung Tostigs zum Earl von Northumbria beunruhigt, weil sich dadurch die Machtbasis der Söhne Godwins vergrößerte. Mit walisischer und irisch- norwegischer Unterstützung gelang es Ælfgar jedoch, seine Wiedereinsetzung zu erzwingen. Er verbündete sich dabei mit Gruffydd ap Llywelyn, der es 1055 geschafft hatte, König von ganz Wales zu werden. Dieses Bündnis wurde durch die Hochzeit von Gruffydd mit Ælfgars Tochter Ealdgyth bekräftigt. In den folgenden Jahren wurden weitere Söhne Godwins zum Earl ernannt. 1057 starben Leofric von Mercia und Ralph von Mantes. In Mercia folgte Ælfgar seinem Vater nach. Die frei
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werdenden Earldoms in Ostanglien und in den südöstlichen Midlands vergab der König spätestens 1059 an Harolds Brüder Gyrth und Leofwine. Godwins Söhne hatten damit rund 80 % von England unter ihrer Kontrolle. Ælfgar, der sich gegen diese Machtverschiebung zur Wehr zu setzen versuchte, wurde 1058 ein weiteres Mal abgesetzt, konnte aber erneut mit der Unterstützung des walisischen Königs Gruffydd zurückkehren. Ælfgar starb um 1062, sein Sohn Edwin folgte ihm als Earl von Mercia nach und hatte das Earldom damit bereits in vierter Generation inne. Ælfgars Tod eröffnete vermutlich die Gelegenheit, gegen den walisischen König vorzugehen, der immer wieder in den Westen Englands eingefallen war. Der gemeinsame Feldzug von Harold und Tostig im Sommer 1063 war erfolgreich und führte dazu, dass Gruffydd ap Llywelyn wenig später getötet wurde. Eduards Einstellungswandel gegenüber der Familie von Godwin zwischen 1051 und 1059 lässt sich eigentlich nur dadurch erklären, dass er sich nicht in der Lage fühlte, den Söhnen Godwins Gegenwehr zu leisten. Dafür spricht auch, dass ab Mitte der 1050 er Jahre oft nicht der König, sondern Earl Harold als der Handelnde erscheint, während sich Eduard weitgehend aus den Regierungsgeschäften zurückzog. Die Lebensbeschreibung König Eduards zeichnet das Bild eines Herrschers, der seine Zeit und Energie hauptsächlich in die Vogeljagd und den Bau der Westminster Abbey steckte. Mitte der 1060 er Jahre war Harolds Position hingegen so mächtig, dass Johannes von Worcester ihn als «Unterkönig» (subregulus) bezeichnet. Rebellion in Northumbria
1065 kam es zu einer Rebellion in Northumbria. Im Bericht der Angelsächsischen Chronik brach dieser Aufstand plötzlich über Earl Tostig herein: Alle Thegns von Yorkshire – denen sich wohl auch die Thegns von Northumberland anschlossen – zogen nach York, wo sie sämtliche Hauskarle aus dem Gefolge von Tostig ermordeten, derer sie habhaft werden konnten, und anschließend den Besitz des Earls plünderten. Tostig selbst hielt
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sich zu dieser Zeit beim König in Britford auf. Aus anderen Quellen lässt sich allerdings eine Vorgeschichte rekonstruieren, die den Aufstand in Northumbria weniger überraschend erscheinen lässt. Johannes von Worcester nennt in seiner Chronik als Gründe für das Vorgehen gegen Tostigs Gefolge die Tode von drei Thegns aus Northumbria: Im Jahr 1063 soll Tostig befohlen haben, Gamel und Ulf zu ermorden, als sie sich unter seinem Geleitschutz und in seinen Räumlichkeiten in York aufgehalten haben. Im folgenden Jahr soll Königin Edith im Sinne ihres Bruders Tostig gehandelt haben, indem sie kurz nach Weihnachten Gospatric umbringen ließ. Bei diesem Gospatric dürfte es sich um den jüngsten Sohn von Earl Uhtred und damit das älteste Mitglied des Hauses Bamburgh gehandelt haben. Gamel und Ulf waren sehr wahrscheinlich seine Verbündeten, gemeinsam wären sie die geeigneten Anführer für einen Aufstand in Northumberland gewesen. Tostig scheint jedenfalls die Konkurrenz des Hauses Bamburgh gefürchtet zu haben und wählte die durchaus übliche Methode, einen möglichen Separatismus von Northumberland im Keim zu ersticken. Die Ermordung von Gospatric, dem Oberhaupt der Familie von Bamburgh, gab den Menschen in Northumberland sicherlich einen hinreichenden Grund, sich gegen Tostig aufzulehnen. Warum aber wandten sich auch die Thegns von Yorkshire gegen Tostig und verbündeten sich mit den Thegns von Northumberland, obwohl es ein solches gemeinsames Vorgehen bislang nie gegeben hatte? In der Vita König Eduards begründet der Verfasser die Revolte damit, dass Tostig mit aller Härte gegen Räuber auf den unsicheren Straßen Northumbrias vorgegangen sei. Die Adligen, die sich im Aufstand gegen Tostig wandten, hätten sich früher also selbst durch Straßenraub finanziert und sich somit dafür gerächt, dass sie dieser Tätigkeit nicht weiter nachgehen konnten. Damit zeichnet der Autor das positive Bild eines harten, aber gerechten Herrschers, den keinerlei Schuld an den Aufständen gegen ihn trifft. Da diese Quelle Tostig gegenüber generell sehr wohlwollend eingestellt ist, sollte man ihre Begründung skeptisch betrachten. Einen anderen Grund führt Handschrift C der Angelsächsischen Chronik an: Tostig habe
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zunächst Gott beraubt und schließlich allen, die weniger Macht hatten als er selbst, Land und Leben genommen. Er habe also nur seinen eigenen Vorteil im Sinn gehabt. Dieser Vorwurf, der auch in der Vita König Eduards wiedergegeben wird, scheint einen wahren Kern zu haben; zumindest behauptet Johannes von Worcester, Tostig habe ganz Northumbria mit hohen, un gerechtfertigten Abgaben belegt. Tatsächlich gibt es weitere Hinweise in den Quellen, die darauf hindeuten, dass Tostig in Northumbria höhere Steuern eintrieb als seine Vorgänger. Möglicherweise hatten die Northumbrier schon im 10. Jahrhundert als Gegenleistung für ihre Gefolgschaft von den angelsäch sischen Königen Steuererleichterungen erhalten, mussten also weniger Abgaben entrichten als die Menschen in Mercia oder Wessex. Für Tostig, der aus dem Süden stammte, wird dieser Unterschied offensichtlich gewesen sein. Der Grund, warum er höhere Abgaben forderte, ist aber wohl nicht in einer generellen Angleichung im Sinne einer Steuergerechtigkeit zu suchen, sondern dürfte praktischen Erwägungen geschuldet sein: Tostig brauchte ganz einfach mehr Geld, um sein Gefolge, das ihm in Northumbria die Herrschaft sicherte, bezahlen zu können. Außerdem sah er sich Angriffen aus Schottland gegenüber, die ebenfalls zu gesteigerten Ausgaben führten. Die hohen Steuerforderungen, gepaart mit der generellen Unbeliebtheit des aus dem Süden stammenden Earls, führten zu einer breiten Unterstützung der Rebellion, die mit der Ermordung von Tostigs Hauskarlen ihren spektakulären Anfang nahm. Angeblich wurden mehr als 200 Männer aus Tostigs Gefolge getötet. Nach diesem Anschlag in York versammelten sich die Aufständischen und ächteten Earl Tostig. Sie wählten stattdessen Morkar, den Bruder des Earls Edwin von Mercia, zu ihrem neuen Earl und zogen in den Süden, um ihre Entscheidung vom König absegnen zu lassen. Auf den ersten Blick scheint es ungewöhnlich, dass die Northumbrier keinen Mann aus dem Norden zum Earl wählten, sondern ein Mitglied der Familie, die seit Jahrzehnten ihren Schwerpunkt in Mercia besaß. Das dürfte an der ungewöhnlichen Vereinigung der Thegns von Northumberland und Yorkshire liegen. Es wäre unmöglich gewesen, einen
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Kandidaten aus einem der beiden Lager zum Earl zu bestimmen und weiterhin geeint gegenüber König Eduard aufzutreten. Waltheof, der Sohn von Siward, wäre in Northumberland nicht akzeptiert worden, während Osulf, der Repräsentant des Hauses Bamburgh, in Yorkshire keine Unterstützung gefunden hätte. Also einigte man sich auf einen Kompromisskandidaten, der keine Verbindungen zu einem der beiden Lager aufwies und darüber hinaus mit der Familie von Tostig nicht gerade im besten Einvernehmen stand: Morkar. Osulf erhielt dagegen die Herrschaft über Northumberland, während Waltheof wahrscheinlich Northampton und Huntingdon erhielt, also Shires, die bereits unter Siward und dann auch unter Tostig dem Earl von Northumbria unterstellt wurden, um eine bessere finanzielle Grundlage für ihn zu schaffen. Die Aufständischen zogen nach Northampton und vereinigten sich dort mit Morkars Bruder Edwin, der ein Heer aus Mercia, verstärkt durch walisische Hilfstruppen, anführte. Dort töteten sie Leute, steckten Häuser und Getreide in Brand, stahlen Vieh und nahmen Menschen gefangen, die sie später mit in den Norden führten. Diese Plünderungen und Verwüstungen in Northamptonshire sollten einerseits Tostig treffen, dienten andererseits aber auch dazu, Druck auf die Verhandlungen auszuüben, die zur gleichen Zeit aufgenommen wurden. Der König hatte Earl Harold gesandt mit dem Ziel, Tostig und die Aufständischen miteinander zu versöhnen. Das gelang jedoch nicht – am 28. Oktober erkannte der König Morkar als neuen Earl von Northumbria an. Harold erneuerte außerdem, wahrscheinlich im Namen König Eduards, die Gesetze von König Knut. Damit nahmen die «Nordleute», wie die miteinander Verbündeten an dieser Stelle in der Angelsächsischen Chronik (D und E) genannt werden, Bezug auf die Bestimmungen Knuts des Großen aus dem Jahr 1018, in denen der Friede zwischen Dänen und Engländern wiederhergestellt wurde. Auch damals wurden schon ältere Gesetze herangezogen, nämlich die König Edgars (959–975), der den Dänen von Mercia, Ostanglien und North umbria gewisse Eigenständigkeit im weltlichen Recht zuge standen hatte, während Æthelred von dieser Praxis abgewichen
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war. Indem nun also König Eduard 1065 den «Nordleuten» die Gesetze König Knuts garantierte, gestand er ihnen die Eigenständigkeit zu, die sie vorher besessen hatten und nun wieder einforderten – dazu könnte auch eine verminderte Steuerlast gehören. Wie sehr Harold sich in den Verhandlungen für seinen Bruder Tostig einsetzte, geht aus den Quellen nicht hervor. In der Vita König Eduards beschuldigt Tostig seinen Bruder, er habe die Rebellion im Norden angezettelt. Das legt den Schluss nahe, dass Harold seinen Bruder Tostig bereitwillig opferte, um ihn als Konkurrenten um den Königsthron auszuschalten. Es ist allerdings fraglich, ob Tostig überhaupt König werden wollte. Im Oktober 1065 jedenfalls schwächte seine Absetzung als Earl von Northumbria die Stellung Harolds und seiner Familie. Deshalb ist eher davon auszugehen, dass Harold sich tatsächlich für seinen Bruder einsetzte, damit aber erfolglos blieb aufgrund der Stärke der Allianz von Northumberland und Yorkshire, unterstützt von Lincolnshire, Nottinghamshire, Derbyshire und Mercia. Tostig sah sich gezwungen, das Land zu verlassen. Er ging noch im November mit seiner Frau Judith zu deren Halbbruder, Graf Balduin V. von Flandern, wo sie den Winter in Saint-Omer verbrachten.
Fünf Könige und drei Schlachten – die Eroberung Am Weihnachtsfest des Jahres 1065 wurde Eduard der Bekenner krank. Die Weihe der Kirche von Westminster, deren Bau er in den letzten Jahren seines Lebens viel Aufmerksamkeit geschenkt hatte, fand am 28. Dezember ohne den König statt. Nur wenige Tage später, am 5. Januar 1066, starb König Eduard, und bereits am nächsten Tag, im Anschluss an die Bestattung in der Westminster Abbey, wurde Harold Godwinson zu seinem Nachfolger geweiht. Bald darauf begab Harold sich nach Northumbria – die Angelsächsische Chronik berichtet, dass der
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Wandteppich von Bayeux, spätes 11. Jh.: Isti mirant[ur] stellam (Diese Männer bewundern den Stern)
König an Ostern aus York nach Westminster zurückkehrte. Was er im Norden tat, wird nicht erwähnt. Eine mögliche Erklärung bietet die Lebensbeschreibung des Bischofs Wulfstan von Wor cester, die Wilhelm von Malmesbury nach 1125 geschrieben hat. Als Vorlage diente ihm eine heute verlorene altenglische Vita, geschrieben von Coleman († 1113), einem Mönch aus Worcester, der Wulfstan persönlich kannte. Nur die North umbrier, heißt es dort, hielten es nicht für angemessen, Harold anzuerkennen. Harold sei daraufhin nach Northumbria gereist, begleitet von Bischof Wulfstan, durch dessen Vermittlung die Northumbrier letztlich Harolds Herrschaft zustimmen konnten. Problematisch an dieser Darstellung ist nicht, dass Wulfstans Rolle hier sehr stark betont wird, sondern eher, dass Harolds Reise mit dem Aufstand des Vorjahres in Verbindung gebracht wird, denn es heißt, Tostig habe die Northumbrier zur Rebellion inspiriert. Nimmt man dazu die Aussage Wilhelms von Malmesbury in seinen «Taten der englischen Könige», Harold sei 1065 in den Norden gereist, um den Aufstand in
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Northumbria beizulegen, wird seine Darstellung inkonsistent oder zumindest unklar. Angesichts dieser dürftigen Quellenlage muss offenbleiben, aus welchem Grund Harold kurz nach seinem Herrschaftsantritt in den Norden reiste. Ein Widerstand in Northumbria, dessen Earl Morkar ja immerhin Harolds Schwager war, ist nicht auszuschließen, aber auch nicht zu belegen. Wenige Tage nachdem Harold am 16. April das Osterfest in Westminster gefeiert hatte, sorgte eine Himmelserscheinung in ganz Europa für Aufsehen. Manche sprachen von einem «langhaarigen Stern», andere von einem «Kometen». Auch auf dem Teppich von Bayeux ist dieser Stern abgebildet, einige Männer deuten auf ihn und «bewundern» ihn, wie es in der Beischrift heißt. Es handelt sich um den Halley’schen Kometen, der in England vom 24. bis zum 30. April zu sehen war. Einige spätere Autoren deuten sein Erscheinen als schlechtes Omen für die Engländer, das muss jedoch nicht der Stimmung zur Zeit seines Auftretens entsprochen haben. Geffrei Gaimar schreibt dazu, dass kundige Astronomen anhand eines Kometen die Zukunft deuten könnten, in diesem Fall aber viele unterschiedliche Weissagungen gemacht worden seien und letztlich jeder seine eigenen Vermutungen angestellt habe. Wenig später setzte Tostig mit einer Flotte, die er den Winter über zusammengestellt hatte, aus Flandern über den Kanal und wandte sich zur Isle of Wight, wo er Geld und Verpflegung erpresste. Anschließend zog er plündernd an der Südküste entlang, bis er nach Sandwich kam. Als er hörte, dass sein Bruder, König Harold, dort eine Flotte zusammenziehen wollte, nahm Tostig einige Seeleute mit, die er angeworben hatte, und zog mit seiner Flotte, die aus 60 Schiffen bestanden haben soll, nordwärts. Er plünderte einige Orte in Lindsey am südlichen Ufer des Humber, doch schon bald zog ihm Edwin, Earl von Mercia, mit einem Heer entgegen und konnte ihn zurückdrängen. Auf der anderen Seite des Humber hinderte Morkar, Earl von North umbria, die Flotte daran zu landen. Die meisten Seeleute verließen Tostig daraufhin und zogen sich zurück. Gaimar berichtet, dass die Flamen aus Tostigs Flotte mit beutebeladenen Schiffen in ihre Heimat zurückkehrten. In der Angelsächsischen Chronik
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heißt es, die Seeleute wären desertiert. Der altenglische Begriff, der hier Verwendung findet (butsecarlas), deutet darauf hin, dass es sich um Seeleute gehandelt hat, die Tostig gegen Sold an der Südküste angeworben hatte. Tostig blieben gerade einmal zwölf kleine Schiffe, wobei einige Verluste sicherlich auch auf die kriegerischen Auseinandersetzungen zurückzuführen sind. Nach dieser Niederlage begab sich Tostig zum schottischen König, Malcolm III. Canmore, bei dem er sich den Sommer über aufhielt. Was bezweckte Tostig mit seinen Unternehmungen? Die Quellen machen dazu widersprüchliche Angaben. In der Estoire des Engleis berichtet Gaimar, dass Tostig sich in Thanet mit Copsi getroffen habe, der mit 17 Schiffen von den Orkney-Inseln in den Süden gekommen war. Copsi war als Thegn für Tostig in Northumbria tätig gewesen. Weil die Orkneys kurz zuvor unter die Herrschaft des norwegischen Königs Harald des Harten gekommen waren und es deshalb unwahrscheinlich ist, dass Copsi ohne dessen Zustimmung mit einer Flotte von den Inseln aufbrach, hat Frank Stenton die Möglichkeit erwogen, dass Tostig bereits bei der Planung seiner Rückkehr nach England mit Harald zusammengearbeitet hat, mit dem er später gemeinsam in Northumbria kämpfte. Das würde bedeuten, dass Tostigs Unternehmungen die Eroberung des gesamten Königreichs zum Ziel hatten. Ordericus Vitalis stellt die Sache anders dar. Er behauptet, Tostig sei während seines Exils in die Normandie gereist und habe Herzog Wilhelm angeboten, ihn bei der Eroberung Englands zu unterstützen. Er sei dann mit Wilhelms Erlaubnis vom Cotentin aus in See gestochen, habe England aber nie erreicht, da Harold die Küste zu gut verteidigt habe. Weil Tostig durch ungünstige Winde auch nicht mehr in die Normandie zurückfahren konnte, sei er schließlich in Norwegen gelandet, wo er sich entschieden habe, König Harald zu unterstützen, mit dem er England erobern wollte. Auch wenn der zweite Teil dieser Episode, in der Tostig durch Zufall in Norwegen landete, unglaubwürdig ist und durch andere Quellen, die seine Stationen in Süd- und Nordengland nennen, widerlegt wird, ist dennoch in Erwägung gezogen worden, ob Tostig während seines Exils Kon-
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takt zu Wilhelm hatte. Schließlich waren beide mit Frauen aus der flandrischen Grafenfamilie verheiratet – allerdings waren sie keine Schwestern, wie Ordericus Vitalis behauptet, vielmehr war Tostigs Frau Judith die Tante von Wilhelms Frau Mathilde. Glaubt man Ordericus’ Hinweis, dass Tostig Unterstützung beim normannischen Herzog suchte oder ihm seine Unterstützung anbot, wäre Tostigs Ziel auch in diesem Fall die Eroberung Englands. Viel wahrscheinlicher ist aber, dass sein Interesse sich nicht auf die Königswürde richtete, sondern auf Northumbria. Er wollte dort vermutlich wieder als Earl eingesetzt werden. In ähnlicher Weise hatte sein Vater Godwin gemeinsam mit Tostig und seinen Brüdern 1052 die Rückkehr aus dem Exil mit militärischen Mitteln erzwungen und erreicht, dass er wieder als Earl von Wessex eingesetzt wurde. Und auch Ælfgar, der zweimal als Earl von Mercia abgesetzt worden war, schaffte es beide Male, mit walisischer Unterstützung seine Stellung zurückzuerlangen. Tostig wollte also militärischen Druck ausüben, um dadurch in seine Position als Earl von Northumbria, die er im Vorjahr eingebüßt hatte, zurückzukommen. Warum aber wandte er sich dann zunächst der Südküste zu? Die Plünderungen in Süd england dienten wohl der Versorgung seiner Flotte und möglicherweise auch der Rekrutierung weiterer Seeleute. Wäre es ihm dagegen nur um die Plünderungen gegangen, hätte er nicht anschließend in den Humber fahren müssen. Wenn es andererseits sein Ziel war, das Königreich zu erobern, wäre es vermutlich sogar unklug gewesen, sich in den Norden zu begeben, da er dort nicht mit Unterstützung rechnen konnte. Vieles deutet also darauf hin, dass Tostig zunächst sein Earldom in Northumbria zurückerlangen wollte. Tostig hatte seine Plünderungen an der englischen Südküste abgebrochen, weil er gehört hatte, dass sein Bruder nach Sandwich eilte. Dort zog König Harold nun eine Flotte zusammen und hob ein Heer aus – größer als jemals zuvor, wie die Angelsächsische Chronik notiert. Harold wollte sich damit aber nicht gegen seinen Bruder wenden, sondern gegen eine mögliche Invasion aus dem Süden, denn er hatte Nachrichten erhalten, dass Herzog Wilhelm aus der Normandie übersetzen und das Land
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erobern wollte. Von Sandwich aus begab Harold sich mit seiner Flotte zur Isle of Wight, während die Landstreitkräfte entlang der Südküste verteilt wurden und an strategisch wichtigen Punkten Stellung bezogen. Auf der anderen Seite des Kanals bereitete Wilhelm unterdessen die Eroberung vor. Bereits kurz nach Eduards Tod hatte er eine Gesandtschaft nach Rom geschickt, um sich die Unterstützung von Papst Alexander II. zu sichern. Sowohl Wilhelm von Poitiers als auch Ordericus Vitalis berichten, dass der Papst dem normannischen Herzog ein Banner zukommen ließ, das seine Zustimmung signalisierte und gleichzeitig auch für Zuversicht im Kampf sorgen sollte. Die beiden Autoren beschreiben das päpstliche Banner allerdings unterschiedlich. Aus späteren Briefwechseln zwischen Wilhelm und Alexander II. sowie seinem Nachfolger Gregor VII. geht jedenfalls hervor, dass Wilhelm (moralische) päpstliche Unterstützung erhalten hatte. Um mit einem Heer den Ärmelkanal zu überqueren, brauchte Wilhelm natürlich auch eine große Zahl von Schiffen. Der Teppich von Bayeux zeigt, wie Bäume für den Schiffsbau gefällt werden (siehe Abb. S. 8). Die fertigen Schiffe werden zum Meer gezogen und mit Rüstungen und Waffen beladen. Auch wenn die Zahl von 3000 Schiffen, die Wilhelm von Jumièges nennt, übertrieben sein dürfte, so benötigte Wilhelm doch eine große Flotte, da er nicht nur Fußsoldaten, sondern auch Pferde für die Kavallerie mitnehmen wollte. Eine Schiffsliste, die wenige Jahre nach der Eroberung aufgeschrieben wurde, aber wahrscheinlich auf eine Vereinbarung zwischen dem Herzog und dem normannischen Adel kurz vor der Eroberung zurückgeht, führt auf, wer wie viele Schiffe und Ritter zur Verfügung stellen sollte. Neben weltlichen Adligen beteiligten sich auch normannische Bischöfe und Äbte daran, was für diese Zeit nicht ungewöhnlich ist, da auch Geistliche ihrem weltlichen Oberhaupt zu militärischen Leistungen verpflichtet waren. Die Liste verzeichnet insgesamt 776 Schiffe, wobei natürlich nicht sicher ist, ob auch wirklich alle Schiffe gestellt wurden. Aus dieser Liste kann man nicht direkt auf die Größe des Heeres schließen, da sich neben Normannen auch Söldner aus der Bretagne, Maine und dem franzö-
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sischen Kernland um Paris anschlossen, möglicherweise auch aus Aquitanien und dem Poitou. Vielleicht waren sogar süditalienische Normannen darunter. Wilhelm von Poitiers spricht von insgesamt 50 000 bewaffneten Kämpfern – moderne Schätzungen gehen dagegen meist von einer Truppenstärke von etwa 5000 bis 8000 Mann aus, manche rechnen mit bis zu 14 000 Mann. Seine Flotte stellte Wilhelm aus vorhandenen und neu gebauten Schiffen an der Mündung des Flusses Dives zusammen. Dort allerdings verhinderten Stürme und schlechtes Wetter einen Monat lang ein Auslaufen. Ein langer Aufenthalt eines so großen Heeres konnte zu logistischen Problemen führen. In diesem Fall jedoch, so berichtet Wilhelm von Poitiers, habe der Herzog für genügend Verpflegung gesorgt, so dass es zu keinen Plünderungen kam. Schließlich entschied Wilhelm aber, die Überfahrt zu wagen, obwohl die Bedingungen offensichtlich nach wie vor nicht günstig waren. Die Flotte wurde durch starke Winde nach Osten bis in die Grafschaft Ponthieu abgetrieben, einige Schiffe kenterten. Wilhelm versuchte, die Verluste zu verschleiern, indem er die Toten heimlich bestatten ließ. Dennoch verließen einige Männer die Flotte und traten – mit den Worten Wilhelms von Poitiers – eine «feige Flucht» an. Im Hafen von Saint-Valery in der Somme-Mündung musste Wilhelm seine Flotte erst einmal wieder sammeln. Währenddessen hatte Harold an der englischen Südküste vergeblich auf das Eintreffen der Normannen gewartet und stand nun ebenfalls vor logistischen Problemen. Die Vorräte waren aufgebraucht. Am 8. September löste Harold das Heer auf und schickte die Männer nach Hause. Er selbst zog ins Landesinnere. Auf dem Rückweg der Flotte nach London gingen viele Schiffe verloren – wahrscheinlich war auch hierfür das stürmische Wetter verantwortlich. Die Schlacht von Fulford
Inzwischen hatten sich Tostig und der norwegische König Harald der Harte verbündet mit dem Ziel, England zu erobern. Wann und wo sie ihr gemeinsames Vorgehen verabredeten, wird
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in den Quellen unterschiedlich dargestellt. Ordericus Vitalis behauptet, wie bereits erwähnt (auf S. 45), dass Tostig nach Norwegen gereist sei. In ähnlicher Weise berichten auch mehrere altnordische Königssagas, die allerdings erst zu Beginn des 13. Jahrhunderts geschrieben wurden, von einer Reise Tostigs zum dänischen König Sven Estridsen, der das Vorhaben aber nicht habe unterstützen wollen, und von dort weiter zum norwegischen König Harald. Diese Version der Geschehnisse ist allerdings sehr zweifelhaft, denn in zeitgenössischen Quellen taucht sie nicht auf. Vielmehr ist anzunehmen, dass sich Tostig und Harald der Harte in Schottland trafen oder dass Tostig Gesandte zu Harald nach Norwegen oder auf die Orkney-Inseln schickte. Hier könnte auch Tostigs Verbündeter Copsi eine Rolle gespielt haben. Der norwegische König scheint die Eroberung Englands jedenfalls unabhängig von Tostig geplant zu haben. Er fuhr zunächst auf die Orkney-Inseln, die seit 1064 von den Brüdern Paul und Erlend Thorfinsson beherrscht wurden. Die beiden Jarle schlossen sich Harald an und begleiteten ihn auf seinem Weg entlang der schottischen Küste südwärts. An der Mündung des Flusses Tyne trafen sie auf Tostig, dem sich neben den verbliebenen Flamen und Söldnern aus Südengland wohl auch einige Schotten angeschlossen hatten. Die vereinigte Flotte hatte nun eine beträchtliche Stärke erreicht; die Angaben in den Quellen reichen von 200 bis zu 500 Schiffen. Gemeinsam fuhren sie nach Süden in den Humber und landeten in Riccall, rund 15 Kilometer südlich von York. Harald und Tostig zogen mit einem Teil ihrer Männer über Land Richtung York. Vermutlich wollten sie mit der Einnahme der Stadt ganz Northumbria unterwerfen und als Basis für ein weiteres Vorgehen Richtung Süden nutzen. Das Vorrücken von Harald und Tostig bedrohte jedenfalls nicht nur den Norden, sondern das gesamte Königreich. Das lässt sich auch daran ablesen, dass man sofort eine Nachricht an Harold Godwinson schickte. Sobald der König von den Ereignissen Kenntnis nahm, stellte er schnell ein Heer zusammen und eilte in den Norden. Dort, im Norden, hoben Edwin und Morkar derweil ebenfalls ein Heer aus, warteten aber nicht auf Verstärkung aus dem
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Süden, sondern stellten sich Harald und Tostig in Fulford entgegen, gut drei Kilometer südlich von York. Es ist durchaus denkbar, dass die beiden Earls während der Fahrt der skandinavisch- englischen Flotte entlang der Küste von Northumbria, die möglicherweise mit kleineren Plünderungen einherging, ihre Vertei digung in York aufbauten. Dann stellt sich allerdings die Frage, warum sie ihre günstige Verteidigungsposition in York aufgaben, um dem Gegner einige Kilometer vor der befestigten Stadt entgegenzutreten. Und so geben einige Quellen auch Hinweise auf einen anderen Ablauf. Nach der Darstellung in Handschrift C der Angelsächsischen Chronik, die von Johannes von Worcester bestätigt wird, erfolgte die Ankunft der Flotte im Humber überraschend. Edwin und Morkar, so heißt es dort weiter, hätten «aus ihrem Earldom» eine Armee zusammengestellt, was eher auf Mercia verweisen dürfte, aus dem beide stammten. Falls diese Darstellung zutrifft, hatten sich die beiden Brüder zum Zeitpunkt von Haralds und Tostigs Ankunft im Humber möglicherweise in Mercia aufgehalten und dort in aller Eile ein Heer ausgehoben, mit dem sie nach York zogen und ihre Gegner noch vor der Stadt am Ouse abfingen. Aufgrund dieser Quellenlage wurde auch geschlussfolgert, dass die Bevölkerung von Northumbria den Eindringlingen keinen nennenswerten Widerstand geleistet habe. Möglicherweise unterstützten die Bewohner von Yorkshire, von denen viele Skandinavier waren oder skandinavische Wurzeln hatten, die Unternehmung des norwegischen Königs. Dabei muss man allerdings auch bedenken, dass die Bevölkerung von Yorkshire Tostig gegenüber zumindest zurückhaltend, wenn nicht gar feindlich eingestellt war. Sicher ist jedenfalls, dass es am 20. September 1066, einem Mittwoch, in Fulford zur Schlacht zwischen Edwin und Morkar auf der einen sowie Harald und Tostig auf der anderen Seite kam. Detaillierte Berichte der Kampfhandlungen liefern lediglich die wenig glaubwürdigen Königssagas. In den Quellen, die den Ereignissen zeitlich näher stehen, wird die Schlacht dagegen allenfalls kurz erwähnt, noch am ausführlichsten bei Johannes von Worcester. Die Truppen von Edwin und Morkar schlugen ihre Gegner zunächst zurück, aber schließlich gewann das Heer
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Haralds die Oberhand und entschied die Schlacht nach langem Kampf für sich. Mehr Engländer seien auf der Flucht im Fluss ertrunken, heißt es bei Johannes von Worcester, als bei der Schlacht gefallen waren – und auch da habe es schon nicht wenige Verluste gegeben. Die Ereignisse der folgenden Tage lassen sich aus den Quellen nicht eindeutig rekonstruieren. Die Angelsächsische Chronik (C) berichtet, dass Harald und Tostig nicht mit dem gesamten Heer in York einzogen, sondern nur mit so vielen Männern, wie sie für nötig erachteten. In der Stadt wurde nicht geplündert, sondern verhandelt, allerdings ohne Edwin und Morkar, die offensichtlich geflohen waren. Die Bewohner von York entschlossen sich, mit Harald und seinem Heer in den Süden zu ziehen, um das gesamte Königreich zu erobern. Nachdem Harald und Tostig von der Stadt Geiseln und Verpflegung gestellt bekommen hatten, begaben sie sich nach Stamford Bridge, rund 13 Kilometer östlich von York, wo eine Brücke den Derwent überspannte. Dorthin sollten weitere Geiseln aus dem gesamten Shire gebracht werden. Warum dieser Ort für die Übergabe der Geiseln gewählt wurde und nicht York selbst oder Riccall, wo die norwegischen Schiffe lagen, ist nicht bekannt. Vielleicht war die verkehrsgünstige Lage entscheidend, möglicherweise wollten Harald und Tostig aber auch dafür sorgen, dass genügend Nahrungsmittel zur Verfügung standen, denn sie nahmen einen Großteil ihres Heeres mit nach Stamford Bridge und ließen nur einige Männer bei den Schiffen zurück, wahrscheinlich unter der Führung von Haralds Sohn Olaf sowie den Orkney-Jarls Paul und Erlend. Die Schlacht von Stamford Bridge
König Harold erfuhr in London, dass Harald der Harte und Tostig mit einer Flotte in den Humber gefahren waren. Nach dem Zeugnis der Angelsächsischen Chronik (C) zog er so schnell wie möglich ein Heer zusammen und eilte Tag und Nacht nordwärts. Über die alte römische Straße, die von London nach York führte, erreichte er am 24. September Tadcaster am Fluss
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Wharfe, etwa 16 Kilometer südwestlich von York. Für diesen Gewaltmarsch über eine Länge von rund 350 Kilometern dürfte er nur etwa zehn Tage Zeit gehabt haben. In Tadcaster traf Harold auf lokale Truppen, die wohl auch über einige Schiffe verfügten. Sie hatten sich möglicherweise hierhin zurückgezogen, um vor der norwegischen Flotte Zuflucht zu suchen oder um ihr den Rückweg in den Humber abzuschneiden, falls sie weiter Richtung York fahren sollte. Denn der Wharfe mündet nach etwa 16 Kilometern in den Fluss Ouse, wenige Kilometer fluss abwärts von Riccall, wo die norwegischen Schiffe vor Anker lagen. Am nächsten Tag, am Montag, den 25. September, zog Harold mit seinem Heer durch York und weiter nach Stamford Bridge, wo er Harald den Harten und Tostig überraschen konnte. Das norwegisch-englische Heer hielt sich auf beiden Seiten des Flusses auf. Der Verlauf der Schlacht lässt sich nicht genau rekonstruieren, da die zeitgenössischen Quellen keine Details schildern und die ausführlichen Darstellungen in den norwegischen Königssagas ein heroisierendes, aber in vielen Details wie beispielsweise den örtlichen Begebenheiten nachweislich falsches Schlachtgeschehen wiedergeben. Mehrere englische Quellen des 12. Jahrhunderts berichten von einer heldenhaften Leistung eines einzelnen Norwegers, der die Holzbrücke über den Derwent lange allein verteidigt habe. Wie Heinrich von Huntingdon schildert, soll der Mann mit seiner Axt mehr als 40 Engländer getötet haben und sei erst durch einen Engländer gestoppt werden, der unter die Brücke schwamm und den Nor weger von dort mit einem Speer tötete. Auch wenn diese Geschichte legendenhaft ist, könnte sie einen wahren Kern bergen: Die Norweger konnten die Brücke wohl über längere Zeit mit wenigen Mann halten, was erklären würde, warum alle Quellen trotz des überraschenden Angriffs der Engländer von einer langen und harten Auseinandersetzung berichten. Denn während das englische Heer an der Brücke aufgehalten wurde, konnten sich die Truppen von Harald und Tostig am gegenüberliegenden Flussufer zum Kampf bereitmachen und formieren. Letztlich aber siegte das Heer von König Harold, wenn auch mit Verlus-
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ten. Sein Bruder Tostig fiel in der Schlacht, ebenso der norwegische König, Harald der Harte. Die Angelsächsische Chronik (D) berichtet, wie die Engländer die verbliebenen Norweger bis zu deren Schiffen verfolgten, die im etwa 25 Kilometer entfernten Riccall vor Anker lagen. Dort seien einige Norweger ertrunken, andere verbrannt – ein Hinweis darauf, dass Schiffe in Brand gesteckt worden sein könnten. Es würde außerdem die Darstellung Heinrichs von Huntingdon erklären, der davon berichtet, wie die Engländer ihre Gegner entweder mit ihren Waffen niederstreckten oder diejenigen, die sie aufgriffen, mit Feuer töteten. Harold hat sich nach seinem Sieg mit Haralds Sohn Olaf und dem Orkney-Jarl Paul Thorfinsson verständigt. Sie mussten ihm einen Eid leisten und, wie Johannes von Worcester ergänzt, Geiseln stellen, durften dann aber abziehen. Dazu genügten ihnen nach Aussage von Handschrift D der Angelsächsischen Chronik 24 Schiffe (Johannes von Worcester berichtet von 20 Schiffen) – eine Zahl, die bestätigt, dass es wohl nur wenige Überlebende gab. Nach norwegischer Überlieferung aus dem späten 12. Jahrhundert konnte Olaf den Leichnam seines Vaters Harald mitnehmen und in der Marienkirche in Nidaros (Trondheim) beisetzen lassen. Harolds entschlossenes Handeln und sein schneller Marsch aus dem Süden hatten ihm die Möglichkeit gegeben, seine Gegner zu überraschen, und ihm so den wohl entscheidenden Vorteil in der Schlacht von Stamford Bridge verschafft. Seinen Sieg konnte er allerdings nicht lange auskosten, denn schon bald erreichte ihn die Nachricht von der Landung Herzog Wilhelms an der englischen Südküste. Die Schlacht von Hastings
Während Harold im Norden Englands gegen Tostig und Harald kämpfte, befand Wilhelm sich nach wie vor in Saint-Valery an der Somme-Mündung. Wilhelm von Poitiers und Guido von Amiens berichten nahezu übereinstimmend, dass er weiterhin auf günstige Winde gewartet und sich deshalb mit Gebeten an
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den örtlichen Heiligen gewandt habe, dessen Gebeine in einer Prozession durch die Stadt getragen worden seien. Der Herzog habe gespannt zum Wetterhahn der Kirche geblickt, um zu sehen, in welche Richtung ihn der Wind drehte. Und tatsächlich – nach fünfzehn Tagen seien die Gebete erhört worden, und die Stürme hätten sich gelegt. Wäre es möglich, dass die Verzögerung gar nicht auf ungünstige Winde zurückzuführen ist, sondern eine kluge Taktik Wilhelms war? Es ist wahrscheinlich, dass Wilhelm von Harolds Verteidigung der Südküste wusste, und möglicherweise spekulierte er darauf, dass Harold sich irgendwann zurückziehen würde. Er könnte seine Flotte von Dives-sur-Mer nach Saint-Valery verlagert haben, um sie weiterhin verpflegen zu können – das setzt allerdings die Unterstützung des Grafen Guido von Ponthieu voraus. Andererseits wäre er ein großes Risiko eingegangen, wenn er bei guten Wetterbedingungen die Überfahrt bis in den späten September verschoben hätte. Es ist also wahrscheinlich, dass Wilhelm tatsächlich durch schlechtes Wetter an der Überfahrt gehindert wurde. Ende September überquerte der normannische Herzog mit seiner Flotte den Ärmelkanal, vermutlich in der Nacht vom 27. auf den 28. September. Am Morgen landeten die Schiffe in Pevensey, wo mit dem Bau einer Festung begonnen wurde, die aus Gräben, Erdwällen und Palisaden bestand. Anschließend zog Wilhelm sofort über Land nach Hastings weiter, das rund 18 Kilometer östlich lag, und errichtete dort ebenfalls ein befestigtes Lager. Es ist möglich, dass Wilhelm eine Landung in dieser Region geplant hatte und die Topographie der Küste sowie des Hinterlands kannte, denn in seinem Gefolge befand sich mindestens ein Mönch des Klosters Fécamp, das schon von Knut dem Großen und auch von Eduard dem Bekenner Besitzungen in Sussex verliehen bekommen hatte; der Mönch wird also ortskundig gewesen sein. Die schnelle Verlagerung der Truppen von Pevensey nach Hastings deutet aber darauf hin, dass er etwas weiter westlich landete als ursprünglich vorgesehen. Ganz reibungslos verlief die Überfahrt nicht. Einige Schiffe landeten bei Romney, rund 50 Kilometer östlich von Pevensey, wo die Normannen in Scharmützel mit englischen Truppen ge-
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rieten, mit Verlusten auf beiden Seiten. Die englische Südküste war also nicht gänzlich unbewacht, auch wenn Harold sich noch im Norden befand. Als er von Wilhelms Landung hörte, zog der englische König mit seinen Truppen sofort nach London und von dort weiter nach Hastings. Sein Marsch dürfte in etwa so schnell und kräfteraubend gewesen sein wie der, den er keine zwei Wochen zuvor in entgegengesetzter Richtung bewältigt hatte. Inzwischen plünderten und verwüsteten die Normannen das Umland von Hastings, um sich einerseits Verpflegung zu sichern, die damit gleichzeitig dem Gegner nicht mehr zur Verfügung stand, andererseits aber wohl auch, um die Engländer zu provozieren. Harold soll seinen Marsch noch beschleunigt haben, als er davon hörte. Er verfolgte offensichtlich denselben Plan, den er gegen Harald und Tostig erfolgreich angewendet hatte: einen Über raschungsangriff. So schildern es jedenfalls Wilhelm von Ju mièges, Wilhelm von Poitiers und Guido von Amiens. Auch die Berichte der Peterborough- Chronik sowie des Johannes von Worcester, dass Harold in den Kampf zog, bevor seine Armee vollständig versammelt war, lassen diese Schlussfolgerung zu. Anders stellt es hingegen die Worcester-Chronik dar: Nicht Harold sei ein Überraschungsangriff gelungen, sondern Wilhelm habe Harold überrascht, so dass der englische König sein Heer nicht in eine ordentliche Schlachtaufstellung bringen konnte. Die Absicht der englischen Autoren liegt trotz ihrer unterschiedlichen Darstellungen darin, Harolds Niederlage zu entschul digen, indem ihm eine ungünstige Ausgangsposition attestiert wird. Sowohl Wilhelm von Poitiers als auch Guido von Amiens berichten von ausführlichen Verhandlungen vor Beginn der Schlacht, durchgeführt von Gesandten, die hin- und hergeschickt wurden. Diese Schilderungen nutzen die beiden Autoren aber wohl, um vor dem eigentlichen Höhepunkt eine drama turgische Verzögerung einzubauen und gleichzeitig noch einmal die Rechtmäßigkeit von Wilhelms Vorgehen und seinen legitimen Anspruch auf den englischen Thron zu betonen (dazu ausführlich unten, S. 91). Es wird sicher Kundschafter gegeben
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aben, die die jeweiligen Truppenbewegungen der Gegner beh obachteten und meldeten, aber ein Gesandtenaustausch im unmittelbaren Vorfeld der Schlacht ist unwahrscheinlich. Die Darstellungen zum Aufeinandertreffen der beiden Heere und zum Verlauf der Schlacht unterscheiden sich teils erheblich. Das ist einerseits der Sichtweise geschuldet, die entweder für die Normannen oder für die Engländer Partei ergreift. So behaupten die meisten Quellen aus normannischer Sicht, dass die Engländer zahlenmäßig überlegen waren, wodurch der eigene Sieg noch bedeutender erscheint; die englischen Quellen berichten hingegen von einer numerischen Überlegenheit der Normannen und erklären so, dass die eigene Niederlage unvermeidlich war. Ein weiterer Grund für die unterschiedlichen Darstellungen ist, dass die Quellen verschiedenen Textgattungen angehören. Die Angelsächsische Chronik fasst das Geschehen, wie es für Annalen üblich ist, kursorisch zusammen, während Wilhelm von Poitiers in seinen Gesta Guillelmi das Geschick seines Protagonisten Wilhelm betonen will und deshalb beispielsweise auch eine Rede, die der Herzog vor der Schlacht an seine Kämpfer gerichtet haben soll, ausführlich wiedergibt. Das Lied von der Schlacht von Hastings ist dagegen stärker literarisch geprägt und bringt mehrere legendenhafte Episoden, mit denen das Schlachtgeschehen ausgeschmückt werden konnte. Diese Vorbemerkungen sollen verdeutlichen, dass keine exakte Rekonstruktion der Geschehnisse des 14. Oktober 1066 möglich ist, zumal die überlieferten Berichte nicht von Augenzeugen stammen. Wilhelm von Poitiers stellte fest: «Selbst der eloquenteste Autor, der diese Schlacht mit seinen eigenen Augen gesehen hätte, könnte kaum jedes Detail verfolgt haben.» Die überlieferten Berichte fußen sicher auf mündlichen Zeugnissen von Beteiligten, und die unterschiedlichen Darstellungen dürften zum Teil auch auf diese Tatsache zurückzuführen sein – jeder Augenzeuge hat eben nur einen Teil des Ganzen erlebt. Es gibt aber auch Gemeinsam keiten, die zumindest Hinweise auf den groben Verlauf der Schlacht erlauben, zumal die Autoren nicht einfach voneinander abgeschrieben haben. Zu diesen Gemeinsamkeiten gehört die Schlachtformation:
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Wandteppich von Bayeux, spätes 11. Jh.: Angelsächsischer Schildwall
Übereinstimmend berichten Guido von Amiens und Wilhelm von Poitiers, dass die Engländer aus den Wäldern kamen und auf einem Hügel Stellung bezogen. Eine exakte Lokalisierung ist nicht möglich, die Schlacht fand aber in jedem Fall rund zehn Kilometer nordwestlich von Hastings statt, in einer hüge ligen Landschaft. Die englischen Adligen stiegen von ihren Pferden ab, Harold platzierte seine Standarte auf dem Hügel, und die Engländer stellten sich in einer dichten Formation auf. Auf dem Teppich von Bayeux sieht man die Fußsoldaten dicht nebeneinanderstehen, ihre Schilde überdecken sich. Dieser Schildwall, ähnlich einer antiken Phalanx, war eine erprobte Taktik, die nicht nur der Verteidigung diente, sondern mit der auch eine kompakte, für den Gegner schwer zu überwindende Vorwärtsbewegung möglich war. Im normannischen Heer kämpften neben Fußsoldaten auch berittene Kämpfer, die in drei Flügeln angeordnet waren: in der Mitte Normannen mit Herzog Wilhelm, auf der rechten Seite Franzosen mit Robert von Beaumont, auf der linken Seite bretonische Reiter. Vor der Kavallerie befanden sich in vorderster Reihe Bogen- und Armbrustschüt-
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zen, dahinter Krieger mit Kettenhemden. Sowohl auf englischer wie auch auf normannischer Seite gab es neben professionellen und gut ausgerüsteten Kämpfern, die zu ihrer Verteidigung über Kettenhemden, Schilde und Helme verfügten und als Angriffswaffen Speere, Lanzen, Schwerter und Äxte benutzten, auch einfache Teilnehmer ohne jegliche Rüstung, die mit Bögen, Spießen, Keulen und Steinen kämpften. Der Verlauf der Schlacht wird, wie bereits angedeutet, unterschiedlich geschildert. Wilhelm von Poitiers berichtet, dass die Normannen die Initiative ergriffen und den Hügel hinauf gegen den englischen Schildwall vorgingen, an dem sie aber abprallten. Das führte dazu, dass sich die Fußsoldaten sowie bretonische Reiter und Hilfstruppen des linken Flügels zur Flucht wandten und dadurch die Gefahr bestand, dass sich die gesamte Schlachtlinie der Normannen auflöste. Wilhelm von Poitiers erklärt – oder entschuldigt – die Flucht damit, dass die Normannen glaubten, ihr Herzog sei gefallen. An dieser Stelle nutzt der Autor die Gelegenheit, Wilhelm als Helden zu zeichnen: Er habe sich den Engländern, die die Flüchtenden verfolgten, in den Weg gestellt und sie mit seinem Speer bedroht. Dann habe er seinen Helm gelüftet und geschrien: «Schaut mich an. Ich lebe.» Wer fliehe, werde dem Tod nicht entkommen. Die Normannen hätten daraufhin wieder Mut gefasst und sich erneut den Engländern zugewandt, die bei der Verfolgung ihre Schild wall-Formation aufgegeben hätten und dadurch besser zu bekämpfen gewesen seien. Als die Normannen bemerkt hätten, dass der Rückzug und der anschließende Vorstoß gegen die aus der Formation ausscherenden Engländer erfolgreich gewesen sei, hätten sie noch zwei weitere Male eine Flucht vorgetäuscht und so das gegnerische Heer dezimiert. Im Lied von der Schlacht von Hastings berichtet Guido von Amiens ebenfalls von einem Rückzug der Normannen, der aber bereits beim ersten Mal vorgetäuscht war. Einige Engländer nahmen die Verfolgung auf, woraufhin der linke und der rechte Flügel der Reiterei nach vorne stießen und sich gegen den Gegner wandten, der nun nicht mehr in dichter Formation stand. Allerdings kämpften die Engländer nach dieser Schilderung so
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Wandteppich von Bayeux, spätes 11. Jh.: [Hic] Harold rex interfectus est (Hier ist König Harold getötet worden)
leidenschaftlich weiter, dass sie die Normannen zurückdrängen konnten und damit aus einer vorgetäuschten Flucht eine echte wurde. Auch Guido von Amiens schildert, dass Herzog Wilhelm durch eine kurze Ansprache die Normannen zur Umkehr bewegen konnte und dass er seinen Helm lüftete – allerdings nicht, um das Gerücht seines Todes zu widerlegen, sondern aus Verärgerung. Die Szene, wie Wilhelm seinen Helm anhebt und sein Gesicht zeigt, ist übrigens auch auf dem Teppich von Bayeux abgebildet. Die Einzelheiten zu Wilhelms Verhalten gegenüber den fliehen den Normannen sind von den Autoren sicher ausgeschmückt worden. Dennoch lässt sich aus diesen Darstellungen, die von anderen Quellen gestützt werden, erkennen, dass es Rückzüge der Normannen gegeben hat – seien diese nun vorgetäuscht gewesen oder nicht –, die zu Lücken im englischen Schildwall führten. Die vorpreschenden Engländer konnten von den Normannen in der Folge einzeln angegriffen und effektiver bekämpft werden.
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Die Berichte stimmen aber auch darin überein, dass die erfolgreiche Taktik der Normannen nicht unmittelbar zu ihrem Sieg führte. Entscheidend dafür war unter anderem Harolds Tod, da der Fall des Anführers demoralisierend wirkte und als göttliches Zeichen gewertet werden konnte. Die Quellen berichten allerdings sehr unterschiedlich und gegensätzlich über den Tod des englischen Königs. Im Lied von der Schlacht von Hastings wird Harold von Herzog Wilhelm, Graf Eustachius von Boulogne und zwei weiteren Adligen, die meist mit Hugo von Ponthieu und Robert Gilfard identifiziert werden, brutal niedergestreckt: Wilhelm durchstach mit seiner Lanze Harolds Schild und Brust, Eustachius schlug ihm mit dem Schwert den Kopf ab, Hugo durchbohrte mit seinem Speer den Bauch, und Gilfard durchtrennte den Oberschenkel. Guido von Amiens ist der Einzige, der Harolds Mörder identifiziert, und da sich diese Schilderung ansonsten nirgends wiederfindet, ist sie wenig glaubwürdig. Mehr Beachtung verdient die Darstellung des Teppichs von Bayeux, auch wenn sie unterschiedlich gedeutet wurde. «Hier ist König Harold getötet worden», steht über einer Szene, die einen stehenden Kämpfer mit einem Pfeil in der erhobenen Hand zeigt, wobei dieser Pfeil im rechten Auge des Mannes zu stecken scheint, während rechts neben ihm ein Reiter mit seinem Schwert einen anderen Kämpfer niederschlägt, dessen Axt zu Boden fällt (siehe Abb. S. 59). Die Interpretation dieser Szene wirft Probleme auf, da nicht klar ist, welche der dargestellten Personen Harold sein soll: der von einem Pfeil getroffene oder der mit einem Schwerthieb getötete Mann – oder beide in einer sequentiellen Darstellung? Außerdem wurde diese Szene im 19. Jahrhundert restauriert, so dass die Person direkt unter dem Schriftzug «Harold» möglicherweise nicht von einem Pfeil getroffen wurde, sondern einen Speer in der Hand hält. Die Szene ist auch deshalb viel diskutiert worden, weil Harolds Tod von mehreren Autoren im 12. Jahrhundert mit einem Pfeil in Verbindung gebracht wird. Im Gedicht Adelae Comitissae, das Balderich von Bourgueil um 1100 der Tochter Wilhelms der Eroberers gewidmet hat, heißt es, Harold sei von einem tödlichen Pfeil durchbohrt worden. In ähnlicher Weise berichtet Wilhelm
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von Malmesbury, Harold sei durch einen Pfeilschuss in seinen Kopf getötet worden. Bei Heinrich von Huntingdon wird Harold durch einen Pfeil im Auge verwundet und anschließend durch Reiter getötet. Die Berichte stimmen also nicht gänzlich überein, am meisten gleichen sich die Todesszenen bei Heinrich von Huntingdon und dem Teppich von Bayeux, sofern dessen jetziger Zustand nicht verfälscht worden ist. Die häufig getroffene Aussage, Harold sei durch einen Pfeilschuss ins Auge getötet worden, wird durch die Quellen jedenfalls nicht eindeutig gestützt. Eine der frühesten schriftlichen Quellen zur Schlacht von Hastings, die Gesta Normannorum Ducum des Wilhelm von Jumièges, gibt zwar keine Hinweise auf die genaueren Todesumstände Harolds, enthält aber die überraschende Aussage, der englische König sei bereits bei der ersten Angriffswelle der Normannen getötet worden. Die Tatsache, dass die Schlacht noch Stunden andauerte und die Engländer in diesem Fall ohne einen Anführer gekämpft hätten, lässt diese Behauptung wenig plausibel erscheinen. Unkonkret bleiben auch die Ausführungen des sonst so detailreich berichtenden Wilhelm von Poitiers, der lediglich konstatiert, dass die Engländer am Ende des Tages wenig Hoffnung hatten, gegen das normannische Heer zu bestehen, weil der König und seine Brüder umgekommen seien. Dass er keinen Versuch unternimmt, die näheren Umstände zu beschreiben, ist aber dennoch vielsagend und lässt sich einleuchtend damit erklären, dass kein Augenzeuge von Harolds Tod die Schlacht überlebt hat und deshalb auch niemand über die genauen Umstände berichten konnte. Nachdem Harold und seine Brüder, Gyrth und Leofwine, gefallen waren, hatten die englischen Truppen keinen Anführer mehr und ergriffen bei Einbruch der Dämmerung die Flucht. Die Normannen nahmen die Verfolgung auf, wobei einige von ihnen bei einem Wall, der durch hohes Gras verborgen war, und mehreren Gräben stürzten, so dass eine Gruppe von Engländern sich noch einmal zur Wehr setzen konnte. Nach einer Tradition der Mönche des Klosters Battle, das Wilhelm wenige Jahre später an der Stelle bauen ließ, an der Harold gefallen sein soll,
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handelte es sich nur um einen Graben, der aufgrund der Ereignisse als Unglücksgraben, Malfosse, bezeichnet wurde. Dieser letzte Widerstand der Engländer – so er sich denn wie berichtet zugetragen hat – konnte ihre Niederlage aber nicht mehr verhindern. Die Normannen machten sich nun daran, die wertvollen Waffen und Rüstungen der englischen Gefallenen an sich zu nehmen und die eigenen Toten zu bestatten. Wilhelm von Poitiers berichtet, dass Harolds Leiche nur anhand bestimmter Körpermale identifiziert werden konnte. Das bestätigt auch die Chronik des Kanonikerstifts Waltham, das von Harold gegründet worden war. Nach dieser Chronik, die erst nach 1177 geschrieben wurde, aber auf ältere Traditionen zurückgreifen konnte, identifizierte Edith Schwanenhals, die langjährige Geliebte von Harold, mit der er mehrere Kinder hatte, den Leichnam des Königs anhand von Körpermalen. Harold sei dann von zwei Kanonikern des Stifts nach Waltham überführt und dort beigesetzt worden. Herzog Wilhelm soll dazu seine Erlaubnis erteilt und das Angebot einer Zahlung von zehn Mark Gold abgelehnt haben. Wilhelm von Poitiers und Guido von Amiens berichten hingegen, wie Harolds Mutter, Gytha, den Herzog bat, den Leichnam ihres Sohnes herauszugeben, den sie gegen Gold aufwiegen wollte. Wilhelm habe dieses ungebührliche Angebot aber abgelehnt und Harold von Wilhelm Malet, einem Vertrauten des gefallenen Königs, an der Küste bestatten lassen. Wilhelm von Malmesbury kombiniert diese beiden Traditionen miteinander zu einer dritten Variante: Wilhelm habe Harolds Mutter den Leichnam überlassen, habe die von ihr angebotene Zahlung aber abgelehnt; Gytha habe ihren Sohn dann in Waltham beisetzen lassen. Wo und unter welchen Umständen Harold bestattet wurde, lässt sich aufgrund der widersprüchlichen Quellenlage letztlich nicht mit Sicherheit sagen. Die Berichte zur Schlacht von Hastings stimmen im Wesent lichen darin überein, dass sie in den Morgenstunden begann – möglicherweise zur dritten Stunde, also gegen neun Uhr – und bis zum Abend andauerte – Sonnenuntergang war gegen 17 Uhr. Das ist ein ungewöhnlich langer Kampf, da Schlachten im Mit-
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telalter selten länger als zwei Stunden dauerten, auch wenn die Schlacht von Hastings nicht die einzige Ausnahme war. Die Länge der Schlacht deutet jedenfalls darauf hin, dass die Kräf teverhältnisse der beiden Heere ausgeglichen waren. Dass die Normannen das Schlachtfeld als Sieger verließen, dürfte mehreren Faktoren geschuldet sein. Neben den englischen Verlusten in der Schlacht von Stamford Bridge und dem schnellen Zug in den Süden unmittelbar vor der Auseinandersetzung dürfte auch das taktische Geschick Wilhelms eine Rolle gespielt haben, obwohl die normannischen Quellen hier übertreiben. Eine wichtige Rolle spielten die normannischen Rückzüge, unabhängig davon, ob sie von den Normannen als Taktik bewusst eingesetzt oder von der Stärke des englischen Heeres erzwungen wurden. Sie führten dazu, dass einige Engländer den kompakten Schildwall verließen, und eröffneten den Normannen und insbesondere der Kavallerie die Möglichkeit des Gegenangriffs. Von Hastings nach London
Nach der Schlacht suchte Wilhelm zunächst wieder sein Lager in Hastings auf, wo er rund zwei Wochen lang blieb. Wie die Worcester-Chronik berichtet, habe er dort auf die Unterwerfung der Engländer gewartet, es sei aber niemand gekommen – eine Bemerkung, die wohl die englische Standhaftigkeit betonen soll. Vermutlich wurde die Zeit zur Erholung und zur Planung des weiteren Vorgehens genutzt. Wilhelm ging nicht direkt nach London, wohin sich ein Großteil des englischen Adels zurückgezogen hatte, sondern wandte sich zunächst nach Dover. Auf dem Weg dorthin bestrafte er etwa auf halber Strecke in Romney diejenigen, die gegen die dort versehentlich gelandeten Normannen gekämpft hatten. Die Engländer, die sich in Dover verschanzt hatten, ergaben sich bei der Ankunft Wilhelms, was möglicherweise auch daran lag, dass er sein Heer unterwegs plündern und brandschatzen ließ. Johannes von Worcester berichtet davon, wie Wilhelm nicht nur Sussex und Kent verwüstete, sondern auch Hampshire, Middlesex und Hertfordshire. Diese allgemeinen Angaben von Plünderungen und Zerstörun-
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gen werden von Wilhelm von Poitiers bestätigt, der berichtet, dass die Soldaten aus Beutegier in Dover Brände legten – Wilhelm habe dafür Entschädigungszahlungen geleistet. In jedem Fall scheint er sich einige Tage in der Stadt aufgehalten und dort eine Festung errichtet zu haben. Unter den Soldaten brach die Ruhr aus, an der manche starben. Als die Südküste gesichert war, machte Wilhelm sich auf den Weg nach London. Schon kurz hinter Dover erreichte ihn eine Gesandtschaft aus Canterbury, das sich ihm ergab, Treue schwor und Geiseln stellte. Guido von Amiens, der behauptet, dass viele andere Städte sich ebenfalls unterwarfen und Wilhelm Geschenke machten, berichtet außerdem von einer Gesandtschaft, die Wilhelm nach Winchester schickte. Dort residierte Königin Edith, die Witwe Eduards des Bekenners, die die Stadt als Witwengut besaß, und Wilhelm soll ihr angeboten haben, ihren Besitz gegen die Zahlung einer Pacht und ein Treueversprechen behalten zu können. Es ist durchaus möglich, dass es zu diesem Zeitpunkt zu einer Einigung mit Edith kam, die bis zu ihrem Tod 1075 über ihren Besitz verfügen konnte. Nach gemeinsamen Beratungen, so berichtet Guido weiter, schickten die Stadtältesten von Winchester und die Königin Geschenke zu Wilhelm. Auch wenn Kent nun fest in der Hand des Eroberers war und dessen Hauptort Canterbury sich ihm unterworfen hatte, war Stigand, der Erzbischof dieser Stadt, nicht auf die Seite Wilhelms gewechselt. Er hielt sich in London auf, wo die führende Gruppe des englischen Adels um Erzbischof Ealdred von York den letzten Nachkommen aus dem alten westsächsischen Königshaus der Cerdikiden zum König machen wollte: Edgar Æthe ling, den Großneffen von Eduard dem Bekenner, der vermutlich 1057 mit seinem Vater, Eduard dem Exilanten, aus Ungarn nach England gekommen war. Als Enkel von Edmund Eisenseite stammte er in direkter männlicher Linie von einem König ab. Dass er zu Beginn des Jahres offensichtlich nicht ernsthaft als Kandidat für den Königsthron in Frage gekommen war, mag an seinem geringen Alter gelegen haben. Da Edgar von Wilhelm von Poitiers und Guido von Amiens als Junge (puer) bezeichnet wird und zudem 1125 noch lebte, dürfte er im Jahr 1066 nicht
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älter als 14 gewesen sein. Sein Alter, wie gering es nun auch gewesen sein mag, war aber sicher nicht der einzige Grund, warum Edgar nach Eduards Tod nicht zu dessen Nachfolger bestimmt wurde, denn im angelsächsischen England hatte es schon jüngere Könige gegeben. Edgar fehlte schlicht die Unterstützung – er hatte bis auf König Eduard keine Verwandten in England, die sich für ihn hätten aussprechen können, und Eduard hat ihn wohl auch nicht als seinen Nachfolger aufgebaut oder unmittelbar vor seinem Tod designiert (zur Designation Harolds an Eduards Totenbett siehe S. 100). Nun aber, angesichts der Bedrohung durch Wilhelm, schob man die Bedenken, die man zu Beginn des Jahres noch gehabt haben mochte, beiseite und bestimmte Edgar zum König. Er wurde unterstützt von Erzbischof Ealdred von York und wahrscheinlich auch von Erzbischof Stigand von Canterbury, außerdem von den Earls Edwin und Morkar. Gekrönt worden ist Edgar vermutlich nicht, er wurde aber zumindest von einem Teil der Engländer als König anerkannt. Diesen Schluss lässt jedenfalls die folgende Schilderung in der Angelsächsischen Chronik (Handschrift E) zu. Die Mönche aus Peterborough, die diese Handschrift um 1121 erstellt haben (siehe S. 84), fügten dem Eintrag für das Jahr 1066 eine Ergänzung an, in der sie den Tod ihres Abtes Leofric am 31. Oktober 1066 vermerken, nachdem er bei der Schlacht von Hastings verwundet worden war. Die Mitglieder des Konvents wählten daraufhin den Propst des Klosters, Brand, zum neuen Abt und schickten ihn zu Edgar Ætheling, weil sie dachten, dass er König werden würde. Später sei Wilhelm darüber sehr erbost gewesen, ließ sich aber gegen eine Zahlung von 40 Mark Gold versöhnen. Auch wenn Edgar nicht explizit König genannt wird, zeigt der Vorfall doch, dass er Anerkennung gefunden hatte, denn ansonsten hätten die Mönche von Peterborough ihn nicht um die Bestätigung ihrer Abtswahl gebeten. Während sich der Kreis um Edgar Ætheling auf eine kriegerische Auseinandersetzung vorbereitete, zog Wilhelm nach kurzer Krankheit weiter Richtung London. Seine Vorhut – Wilhelm von Poitiers spricht von 500 normannischen Rittern – kämpfte
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in Southwark, südlich von London, gegen englische Truppen, die einen Ausfall gewagt hatten, sich nun aber rasch in die befestigte Stadt zurückzogen. Die Normannen setzten daraufhin die Häuser südlich der Themse in Brand. Wilhelm sah aber von einer Belagerung Londons ab, weil ein solches Unterfangen wohl viel Zeit und Ressourcen gekostet hätte, ohne dass ein Erfolg sicher schien. Stattdessen zog er südlich an der Stadt vorbei entlang der Themse, die er bei Wallingford, knapp 80 Kilometer westlich von London, überquerte. Hier soll sich Stigand, der Erzbischof von Canterbury, Wilhelm unterworfen haben. Glaubt man diesem Bericht Wilhelms von Poitiers, so zog Wilhelm anschließend direkt nach London, wo man ihm die Krone angetragen habe. Die Angelsächsische Chronik (Handschrift D) erwähnt dagegen Wallingford und Stigand nicht. Stattdessen habe Wilhelm die gesamte Region verwüstet, bis er nach Berkhamsted gekommen sei. Dort, etwa 50 Kilometer nordwestlich von London, hätten sich Erzbischof Ealdred, Edgar Ætheling, Edwin und Morkar sowie die führenden Männer Londons «gezwungenermaßen» unterworfen. Johannes von Worcester ergänzt diese Liste noch um die Bischöfe Wulfstan von Wor cester und Walter von Hereford. Es ist durchaus möglich, dass die Aufgabe der Engländer in zwei oder mehr Etappen ablief und Stigand, der bereits mehrere Jahrzehnte zum Beraterkreis verschiedener Könige gehört hatte, sich als Erster entschied, Wilhelm anzuerkennen. Die unterschiedlichen Darstellungen ergänzen sich aber nicht einfach, denn Wilhelm von Poitiers behauptet, dass Edwin und Morkar sich erst nach Wilhelms Krönung bei einem Treffen in Barking dem neuen König unterworfen hätten. Möglicherweise hat Wilhelm von Poitiers schlicht Berkhamsted und Barking verwechselt. Die Angaben zu Edwin und Morkar variieren in den Quellen teils erheblich, und es ist nicht leicht, ihre Bewegungen und Aktionen nachzuvollziehen. Es ist nicht einmal sicher, ob sie bei der Schlacht von Hastings dabei waren. Meist wird davon ausgegangen, dass sie nach den Schlachten von Fulford und Stamford Bridge nicht mit in den Süden zogen, sondern zunächst im Norden blieben. Bei Johannes von Worcester heißt es, sie hätten
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sich mit ihren Männern von der Schlacht zurückgezogen – ob bereits vorher oder während des Kampfgeschehens, ist unklar. Als sie von Harolds Tod erfuhren, so Johannes weiter, seien sie nach London gekommen und hätten ihre Schwester Ealdgyth, die Witwe Harolds, nach Chester geschickt. Sie hätten dann zunächst Edgar Ætheling unterstützt, diese Unterstützung aber bald wieder aufgekündigt und seien mit ihren Truppen nach Hause zurückgekehrt. Diese Angaben lassen sich aber nur schwer damit in Einklang bringen, dass die beiden Earls sich wenig später in Berkhamsted Wilhelm unterworfen haben sollen, wie die Angelsächsische Chronik (D) und auch Johannes von Worcester selbst berichten. Eine Rückreise in den Norden ist also sehr unwahrscheinlich, da das Treffen in Berkhamsted – bei aller Unsicherheit der Chronologie zwischen der Schlacht von Hastings am 14. Oktober und Wilhelms Krönung am 25. Dezember – wohl Ende November oder Anfang Dezember stattgefunden haben dürfte. Johannes’ Darstellung soll wohl das Verhalten von Edwin und Morkar als Ursache für das Scheitern der englischen Bemühungen erscheinen lassen und deutet auf Kontroversen innerhalb der englischen Führungsschicht hin. Möglicherweise verfügte Edgar Ætheling nicht über genügend Erfahrung, um als entschlossener Anführer aufzutreten, auch in militärischer Hinsicht. Edwin und Morkar waren entweder nicht gewillt oder nicht imstande, sich mit voller Kraft für Edgar einzusetzen. Es ist nicht einmal sicher, ob Morkar zu diesem Zeitpunkt überhaupt noch Earl von Northumbria war, denn nach Geffrei Gaimar hatte Harold nach der Schlacht von Stamford Bridge Mærleswein, dem Sheriff von Lincolnshire, die Herrschaft über Yorkshire anvertraut. Aber selbst wenn Morkar den Titel des Earls noch innehatte, wird er faktisch wenig Möglichkeiten gehabt haben, die Leute aus Northumbria davon zu überzeugen, im Süden für einen angelsächsischen König zu kämpfen. Der Ort der Unterwerfung des angelsächsischen Adels liefert außerdem eine mögliche Erklärung für das Scheitern einer bewaffneten Auseinandersetzung mit dem normannischen Herzog. Berkhamsted befindet sich etwa 50 Kilometer nordwestlich
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von London, hier konnte Wilhelm die Verbindung zwischen der Stadt und Mercia kontrollieren. Edwin war also der Weg ab geschnitten, um weitere Unterstützung aus Mercia zu holen. Indem Wilhelm plündernd in einem Kreis um London zog, hat er die Stadt wohl nicht nur von ihrem Hinterland isoliert, sondern die englische Führungsschicht, die sich dorthin zurückgezogen hatte, auch demoralisiert. Bei der Unterwerfung des englischen Adels handelte es sich allerdings nicht um eine bedingungslose Kapitulation. Auch wenn die Quellen weitgehend dazu schweigen, ist von Verhandlungen im Vorfeld von Wilhelms Anerkennung auszugehen. Johannes von Worcester bezeichnet das Ergebnis dieser Verhandlungen als «Vertrag» oder «Bündnis» (foedus). Die Gegenseitigkeit der Übereinkunft lässt sich auch an der Angelsäch sischen Chronik (D) ablesen, denn die Engländer schworen Wilhelm zwar einen Eid und stellten Geiseln, aber im Gegenzug versprach Wilhelm, ein gnädiger König zu sein. Gleichzeitig stellt die Darstellung dieser Chronik, die sehr wahrscheinlich im Haushalt von Erzbischof Ealdred von York entstand, eine Rechtfertigung für dessen Sinneswandel dar: Er war letztlich durch Gottes Willen gezwungen, sich Wilhelm zu unterwerfen, und handelte dabei nicht im Alleingang, sondern gemeinsam mit dem übrigen angelsächsischen Adel. Wilhelm schickte nun Männer nach London voraus, um dort eine Festung zu errichten und seine Ankunft vorzubereiten. Offensichtlich unterstützten nach wie vor nicht alle Wilhelms bevorstehende Krönung, durch die er sich auch versprach, besser gegen diejenigen vorgehen zu können, die sich ihm entgegenstellten und die mit Beginn seiner Königsherrschaft als Rebellen gelten konnten. Aus einer Bußordnung, die von den normannischen Bischöfen 1067 festgelegt und vom päpstlichen Legaten Ermenfrid, Bischof von Sion, bestätigt wurde, geht hervor, dass der Zeitraum zwischen der Schlacht von Hastings und Wilhelms Krönung als Zeit des Bürgerkriegs (publicum bellum) gewertet wurde, in der die von den Normannen verübten Ver brechen weniger strikt gebüßt werden mussten als nach der Krönung. Es gab jedoch eine Ausnahme: Wer einen Engländer
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getötet hatte, der Wilhelm Widerstand leistete, musste auch nach der Krönung nur die milderen Bußauflagen erfüllen, die auch für die Kriegszeit galten. Anders ausgedrückt: Wer sich nach der Krönung dem König widersetzte, wurde von der Sicherheit, die Wilhelm den übrigen Engländern gewährte, ausgenommen. Die Krönung Wilhelms zum englischen König fand an Weihnachten 1066 statt, allerdings nicht in London, sondern in Westminster unmittelbar vor den Toren der Stadt, in der Kirche, die Eduard der Bekenner noch kurz vor seinem Tod hatte weihen lassen und in der sich auch sein Grab befand. Die Zeremonie wurde von Erzbischof Ealdred von York durchgeführt, der Wilhelm vor der Salbung und Krönung einen Eid schwören ließ, dass er so gut wie die besten Könige vor ihm herrschen wolle. Ein solches Versprechen war seit dem 10. Jahrhundert Teil der Krönungszeremonie, steht also in der Tradition angelsächsischer Königserhebungen. Allerdings betont die Angelsächsische Chronik (D) diesen Aspekt, weil ihr Autor zum Ausdruck bringen will, dass Wilhelm dieses Versprechen nicht gehalten habe. Direkt im Anschluss heißt es dort nämlich, dass er trotzdem sehr hohe Steuern erhoben habe – mit anderen Worten: dass er in den Augen der Engländer kein guter Herrscher war. Wilhelm von Poitiers berichtet von dramatischen Ereignissen während der Krönungszeremonie: Zunächst habe Ealdred die Anwesenden auf Altenglisch nach ihrer Zustimmung zu Wilhelms Krönung gefragt; dieselbe Frage habe anschließend Bischof Gottfried von Coutances auf Altfranzösisch gestellt. Alle hätten jubelnd zugestimmt, aber als die Wachen, die zur Sicherung außerhalb der Kirche aufgestellt waren, das laute Rufen in fremder Sprache gehört hätten, seien sie von Unruhen ausgegangen und hätten einige Häuser in Brand gesteckt. Ordericus Vitalis übernimmt diese Darstellung und ergänzt, dass viele aus der Kirche gelaufen seien, als sie die Flammen gesehen hätten. Nur die Bischöfe sowie einige Kleriker und Mönche seien geblieben, um die Krönungszeremonie zu vollenden. Wilhelm habe am ganzen Leib gezittert, als ihm die Krone aufs Haupt gesetzt wurde. Die Unruhen zeigen, dass die Krönung in einem Klima
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gegenseitigen Misstrauens vollzogen wurde. Ordericus behauptet gar, dass die Engländer aufgrund dieses Vorfalls den Normannen vorwarfen, sie betrogen zu haben, und nur darauf warteten, Rache zu nehmen. Das Jahr 1066 hatte in England also nicht weniger als fünf Könige gesehen, die zumindest zeitweise oder in Teilen des Landes Anerkennung gefunden hatten. Nicht einmal ein Jahr nach dem Tod von Eduard dem Bekenner und der Krönung von Harold Godwinson, drei Monate nach dem Tod des norwegischen Königs Harald und wenige Wochen nach der Erhebung von Edgar Ætheling war Wilhelm nun englischer König, aber die Eroberung des Königreichs war damit noch nicht abgeschlossen.
Widerstand
Unruhen im Süden und Westen
Nach seiner Krönung zum englischen König hielt Wilhelm sich noch einige Zeit in London und in unmittelbarer Nähe der Stadt auf. Wilhelm von Poitiers berichtet, Wilhelm sei nach Barking gezogen, wenige Kilometer östlich von London, während in der Stadt Befestigungsanlagen fertiggestellt wurden zur Verteidigung gegen die zahlreichen feindlich gesinnten Einwohner. Offenbar rechnete man mit Widerstand. Dennoch bereitete Wilhelm seine Rückkehr in die Normandie vor, ließ innerhalb der Stadtmauern von Winchester eine Burg errichten und stationierte dort seinen engen Vertrauten Wilhelm fitzOsbern. Seinem Halbbruder Odo, Bischof von Bayeux, übertrug er Dover und ganz Kent. Gemeinsam sollten sie während Wilhelms Abwesenheit als Statthalter für das englische Königreich fungieren. Wilhem schiffte sich im März 1067 in Pevensey ein und nahm einige angelsächsische Adlige mit. Dadurch sollte sichergestellt werden, dass sie während seiner Abwesenheit keine Aufstände anzetteln konnten. In den Quellen namentlich genannt werden
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Erzbischof Stigand von Canterbury, Abt Æthelnoth von Glastonbury, Edgar Ætheling, die Earls Edwin, Morkar und Waltheof sowie Æthelnoth, der offensichtlich ein Regierungsamt in Kent bekleidete. Das Osterfest am 8. April feierte Wilhelm in der Klosterkirche von Fécamp, wo neben der normannischen Elite auch einige französische Adlige um Graf Raoul von Crépy und Valois, den Stiefvater des französischen Königs Philipp I., anwesend waren und die langhaarigen Engländer neugierig beäugten. Wilhelm blieb den Sommer und Herbst über in der Normandie, nahm an der Weihe der Klosterkirche von Jumièges am 1. Juli teil und setzte nach dem Tod von Erzbischof Maurilius von Rouen den Bischof von Avranches, Johannes, als neuen Erzbischof ein. Inzwischen nutzte Eustachius von Boulogne, der mit Eduard dem Bekenner verschwägert war, die Abwesenheit von Wilhelm, um einen Angriff auf Dover zu wagen. Eines Nachts, vermutlich im Herbst 1067, kam er mit einem Schiff nach Dover und drang in die Stadt ein, hatte aber wohl nicht mit dem Widerstand der Burgbesatzung gerechnet. Er belagerte die Festung, scheint aber nur wenig oder gar keine lokale Unterstützung erhalten zu haben und musste schließlich fliehen. Das gelang ihm nur, weil er sich in Dover auskannte und mit einem schnellen Pferd zu einem abfahrbereiten Schiff eilte. Einer seiner Verwandten geriet jedoch in Gefangenschaft. Eustachius hatte eigentlich einen günstigen Zeitpunkt für seinen Angriff gewählt, denn sowohl Odo von Bayeux als auch Hugo von Montfort, der für die Burg in Dover verantwortlich war, hielten sich nördlich der Themse auf. Dort war Odo vermutlich damit beschäftigt, kleinere lokale Aufstände niederzuschlagen. Wilhelm von Poitiers schildert die Verwaltung des Reichs durch Odo und Wilhelm fitzOsbern in den schönsten Farben, um sie nicht mit den Unruhen in Verbindung zu bringen. Es liege eben in der Natur der Engländer, lieber aufzubegehren, als friedlich und ruhig zu bleiben. Ordericus Vitalis zeichnet hingegen ein ganz anderes Bild: Ihm zufolge hatten die beiden Statthalter die einheimische Bevölkerung unterdrückt und waren stolz und gewalttätig aufgetreten. Orderi-
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cus sieht die Unruhen in Dover als Folge des Verhaltens von Bischof Odo und Wilhelm fitzOsbern. Ob der Angriff auf Dover aber auf das Konto der Engländer geht, ist fraglich. Zwar behaupten die normannischen Autoren, dass Eustachius von den Bewohnern von Kent dazu veranlasst worden sei, aber die englischen Quellen berichten nicht über den Vorfall. Da Eustachius sich bereits wenig später wieder mit König Wilhelm versöhnt hatte, könnte Wilhelm von Poitiers versucht haben, ihn zu rehabilitieren, indem er seine Rolle herunterspielte und die Bewohner von Kent als eigentliche Verursacher darstellte. Aber auch Wilhelm von Jumièges, der noch vor der Versöhnung schrieb, berichtet, dass einige Engländer aus Kent Eustachius zu seiner Tat verführt hätten. Es muss also offenbleiben, ob Eustachius aus eigenem Antrieb handelte oder nicht, und auch die Gründe für sein Vorgehen bleiben unklar. Er beanspruchte möglicherweise Besitzungen, die ihm aus seiner Ehe mit Godgifu, der Schwester Eduards des Bekenners, zustanden. Es ist auch möglich, dass Eduard selbst eine Aufgabe für ihn in Dover vorgesehen hatte, wie Ereignisse von 1051 nahe legen. Damals war Eustachius mit den Bewohnern von Dover aneinandergeraten. Bei diesen Auseinandersetzungen, die auch zum Bruch zwischen König Eduard und Earl Godwin beitrugen (siehe S. 35), kamen mehrere Anhänger auf beiden Seiten ums Leben. Der Widerstand, der ihm 1051 entgegenschlug, lag möglicherweise darin begründet, dass Eduard ihn als Kommandanten einer Burg vorgesehen hatte, die in Dover gebaut werden sollte. Letztlich können über Eustachius’ Motive aber nur Mutmaßungen angestellt werden. Das Weihnachtsfest verbrachte König Wilhelm wieder in London. Er war am 6. Dezember aus der Normandie zurückgekehrt, nachdem er dort seinem Sohn Robert, der wegen seiner geringen Körpergröße «Kurzhose» genannt wurde, die Regierungsverantwortung übertragen hatte. Wenig später holte er auch seine Frau Mathilde nach England. Am Pfingstsonntag, dem 11. Mai 1068, wurde sie von Erzbischof Ealdred von York in Westminster gekrönt. Vermutlich kurz nach seiner Rückkehr aus der Normandie
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hatte Wilhelm eine hohe Steuer erhoben – Johannes von Worcester spricht gar von «untragbaren Abgaben». Im Westen des Landes gab es wenig später Unruhen, die als Reaktion auf die hohen Forderungen des neuen Königs gewertet werden können. Die ersten Auflehnungen hatte es dort, im Westen, aber schon vorher gegeben. Eadric der Wilde, einer der reichsten Thegns in Shropshire und Herefordshire, also im westlichen Mercia an der Grenze zu Wales, hatte im Sommer 1067 gemeinsam mit den walisischen Brüdern Bleddyn und Rhiwallon, den Herrschern von Gwynedd und Powys, die Garnison in Hereford attackiert und das Umland verwüstet. Eadric habe, so Johannes von Worcester, die Königsherrschaft Wilhelms nicht anerkannt, weshalb seine Ländereien immer wieder von den Burgherren von Hereford sowie von Richard fitzScrob verwüstet worden seien. Ordericus Vitalis berichtet dagegen, dass Eadric sich im Januar 1067 in Barking dem neuen König unterworfen habe. Wenn das zutrifft, könnte Eadric auf lokale Provokationen durch Richard fitzScrob und die Garnison von Hereford rea giert haben. König Wilhelm ging nach seiner Rückkehr im Dezember 1067 jedenfalls nicht gegen Eadric vor. Seine Un ternehmungen in Herefordshire sind daher wohl auch nicht als Aufstand gegen den König zu werten. Anders in Exeter: Auf eine formelle Anfrage zur Unter werfung machten die Stadtbewohner den unklugen Versuch zu verhandeln und wurden dabei möglicherweise durch die An wesenheit von Gytha, der Witwe von Godwin von Wessex und Mutter König Harolds, bestärkt. Wilhelm ließ sich aber auf keine Verhandlungen ein, sondern startete im Frühjahr 1068 eine Expedition nach Devon, um Exeter zu belagern. Die Stadt hielt 18 Tage lang stand, bevor sie kapitulierte. Wilhelm reagierte mit bemerkenswerter Milde, was vielleicht daran lag, dass Exeter zum Witwengut von Edith, der Witwe Eduards des Bekenners, gehörte. Sie hatte Wilhelm schon früh unterstützt und könnte vermittelnd eingeschritten sein. Anscheinend waren aber längst nicht alle in Exeter gegen die Anerkennung Wilhelms gewesen, denn es heißt, dass die Einwohner von ihren Thegns betrogen worden seien. Die Thegns waren denn auch,
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ebenso wie Gytha, bereits vor der Kapitulation aus der Stadt geflohen. Von Gytha ist bekannt, dass sie sich zunächst nach Flatholm begab, einer kleinen Insel im Bristolkanal. Von dort aus zog sie sich gemeinsam mit ihrer Tochter Gunhild und ihrer Enkelin Gytha, der Tochter von Harold Godwinson, vermutlich noch im selben Jahr nach Saint-Omer in Flandern zurück und ging schließlich an den Hof ihres Neffen Sven Estridsen nach Dänemark. Etwa zu der Zeit, als Gytha aus Exeter floh, kamen ihre Enkel aus Irland in den Südwesten Englands. Es handelte sich um drei illegitime Söhne aus der langjährigen Verbindung von Harold Godwinson mit Edith Schwanenhals: Godwin, Edmund und Magnus. Sie segelten mit der Unterstützung des irischen Königs Diarmait von Leinster in den Avon, der durch Bristol fließt, und attackierten die Stadt. Allerdings fanden sie keine lokale Unterstützung und wurden von den Bewohnern zurückgeschlagen. Daraufhin wandten sie sich nach Somerset, wurden dort aber von einer englischen Truppe unter der Führung von Eadnoth dem Staller zum Rückzug gezwungen, wobei Eadnoth sein Leben ließ. Diesem ersten Zug im Sommer 1068 ließen die Brüder noch einen weiteren im nächsten Jahr folgen. Im Juni 1069 landeten sie in der Mündung des Flusses Taw in Devon, wurden dort aber sehr bald von Brian, einem bretonischen Grafen, und Wilhelm de Vauville, dem Kommandeur von Exeter, zurückgeschlagen. Größere Gefahr scheint von den Expeditionen der Harold- Söhne nicht ausgegangen zu sein, es handelte sich eher um Raubzüge. Der Norden erhebt sich
Gefährlicher für die Herrschaft von Wilhelm dem Eroberer waren dagegen die Entwicklungen, die ab 1068 im Norden seines Königreichs zu beobachten sind. Um die Verhältnisse in North umbria besser einordnen zu können, ist zunächst ein Blick zurück zum Anfang des Jahres 1067 sinnvoll. Als Wilhelm sich kurz nach seiner Krönung in Barking östlich von London auf-
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hielt, unterwarfen sich ihm einige englische Große, darunter auch Copsi, der mit Tostig an der Schlacht von Stamford Bridge teilgenommen hatte. Wilhelm machte ihn zum Earl von North umberland, eine erstaunliche und verhängnisvolle Wahl, die kaum zu erklären ist. Denn Copsi war als Anhänger Tostigs mitverantwortlich an der Rebellion der Northumbrier von 1065. Außerdem kam er aus Yorkshire, und es fehlte ihm am Rückhalt für die Herrschaft über den nördlichen Teil von Northumbria. So verwundert es auch nicht, dass Osulf, der Repräsentant des Hauses Bamburgh, der 1065 von Morkar als Earl von Northumberland eingesetzt worden war, unverzüglich gegen ihn vorging. Als Copsi am 12. März, nur fünf Wochen nach seiner Ernennung zum Earl, in Newburn am Fluss Tyne bei einem Festmahl saß, wurde er von Osulf und seinen Leuten überrascht. Er flüchtete in eine nahe gelegene Kirche, die in Brand gesteckt wurde. Als er aus der Kirche rannte, schlug Osulf ihm den Kopf ab. Dieser Mord war kein antinormannischer Akt, sondern richtete sich gegen die Beherrschung Northumbrias aus dem Süden, die bereits unter den angelsächsischen Königen abgelehnt worden war. Copsi war der Repräsentant der königli chen Herrschaft aus dem Süden, er sollte für Wilhelm wahrscheinlich Steuern eintreiben. Seine Rückkehr nach Northumbria machte den führenden Männern dort deutlich, dass sie von Wilhelm keine bessere Herrschaft zu erwarten hatten als von seinen Vorgängern. Osulf konnte sich allerdings nicht lange behaupten, er wurde im Herbst 1067 von einem Straßenräuber ermordet. Wilhelm hatte daraufhin die Möglichkeit, einen neuen Earl zu ernennen, und setzte auf einen lokalen Mann. Er verkaufte Northumberland an Gospatric, der sowohl mit dem schottischen Königshaus als auch mit dem Haus Bamburgh verwandt war. Kurz nach der Krönung von Wilhelms Frau Mathilde an Pfingsten 1068, an der auch Edwin und Morkar teilgenommen hatten, verließen die beiden Brüder den Hof des Königs. Etwa zu derselben Zeit erhoben sich auch die Northumbrier, und zwar sowohl der gerade erst eingesetzte Gospatric als auch Mærleswein, der nach der Schlacht von Stamford Bridge für Yorkshire verantwortlich war und von Wilhelm in seinem Amt
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als Sheriff von Lincolnshire bestätigt wurde. Der Grund für die Erhebung von Northumbria ist unklar. Sowohl eine Steuererhebung im Frühjahr 1068 als auch eine von Wilhelm eingeforderte formale Unterwerfung könnten mögliche Auslöser gewesen sein. Eindeutig ist hingegen Wilhelms Reaktion: Er marschierte mit einem Heer in den Norden und baute unterwegs Burgen. Dabei dürfte es sich in der Mehrzahl um Turmhügelburgen mit Vorhof («motte- and- bailey castles») gehandelt haben. Dazu wurde ein künstlicher Erdhügel aufgeschüttet, auf dem ein hölzerner Turm errichtet wurde. Der Hügel war meist durch einen Graben geschützt, der Vorhof, in dem weitere Gebäude stehen konnten, durch Palisaden. Die Turmhügelburgen wurden meist am Orts- oder Stadtrand gebaut, um so das Umland überblicken zu können. Die erste dieser Festungen, in Warwick, richtete sich wohl vornehmlich gegen Edwin – mit Erfolg, denn er unterwarf sich Wilhelm wieder, ebenso wie Morkar. Die beiden Brüder hatten an den weiteren Entwicklungen im Norden keinen Anteil, auch wenn spätere Autoren wie Ordericus Vitalis das anders dar stellen. Eine zweite Burg ließ Wilhelm in Nottingham errichten, was die Bewohner von York in Panik versetzt zu haben scheint. Sie übersandten Wilhelm die Schlüssel der Stadt und stellten Geiseln. Gospatric und Mærleswein setzten sich inzwischen nach Schottland ab, ebenso wie Edgar Ætheling. Wilhelm konnte ohne Widerstand in York einziehen und errichtete auch dort eine Burg, die er unter die Verwaltung von Robert fitzRichard stellte. Außerdem setzte er Wilhelm Malet als Sheriff von Yorkshire ein und schickte Bischof Æthelwine von Durham nach Schottland zu Verhandlungen mit König Malcolm. Vermutlich sollte er dort gegen die Aufständischen vorgehen, die sich an den schottischen Königshof zurückgezogen hatten, aber Æthelwine konnte nichts Wesentliches bewirken. Wilhelm wandte sich nun wieder dem Süden zu und errichtete Burgen in Lincoln, Huntingdon und Cambridge. Er schätzte seine Position stark genug ein, um Söldner aus ihrem Dienst zu entlassen und einigen Normannen zu erlauben, in ihre Heimat zurückzukehren. Auch die Lage in Yorkshire schien ihm gesi-
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chert genug, um sich nun dem Gebiet nördlich des Flusses Tees zuzuwenden. Er ernannte den Normannen Robert de Comines zum Earl von Northumberland und schickte ihn mit großem Gefolge in den Norden. Im Dezember 1068 überquerte Earl Robert den Tees und ließ seine Männer plündern und morden. Die Bewohner von Durham verließen deshalb die Stadt und zogen sich ins Umland zurück. Als Robert im Januar 1069 Durham erreichte, wurde er ehrenvoll von Bischof Æthelwine empfangen, der ihn warnte, dass die Bewohner ihm eine Falle stellen wollten. Robert aber hörte nicht auf ihn und ließ auch hier seine Leute die Häuser plündern. In der Nacht brachen die Einwohner von Durham durch die Stadttore, überraschten die Normannen, töteten alle, die sie in ihre Gewalt bekommen konnten, und belagerten das Haus des Bischofs, wo Robert untergebracht war. Als sie es nicht erstürmen konnten, legten sie Feuer. Robert de Comines fand dasselbe Ende wie Copsi: Bei seiner Flucht aus dem brennenden Haus wurde er getötet. Im Anschluss an dieses Massaker scheint sich der Widerstand der Northumbrier von einer Abwehrhaltung gegenüber der Herrschaft aus dem Süden in eine allgemeine Revolte gegen die normannische Königsherrschaft gewandelt zu haben. Denn kurz nach der Ermordung Earl Roberts ergriffen einige Rebellen Robert fitzRichard außerhalb seiner Burg in York und töteten ihn. Wenig später kamen Gospatric, Mærleswein und Edgar Ætheling aus Schottland zurück und zogen mit einem Heer nach York. Ihnen schlossen sich Arnkell und die vier Söhne des Karli an. Arnkell wird als der mächtigste Thegn von Yorkshire bezeichnet, hatte aber auch in das Haus Bamburgh eingeheiratet. Karlis Söhne blickten auf eine lange Fehde mit dem Haus Bamburgh zurück. Ihr Großvater, Thorbrand, hatte 1016 Earl Uhtred von Bamburgh getötet und wurde 1024 selbst von Uhtreds Sohn Ealdred, dem Onkel von Gospatric, ermordet. Karli war dann 1038 für den Tod von Earl Ealdred verantwortlich. Die Präsenz von Karlis Söhnen gemeinsam mit Gospatric in einem Heer zeigt, dass angesichts der normannischen Herrschaft selbst erbitterte Fehden hintangestellt wurden, und verdeutlicht den Grad der Feindseligkeit gegenüber den Normannen.
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Wilhelm Malet zog sich mit den übrig gebliebenen Normannen in seine Burg zurück und schickte einen Hilferuf in den Süden zu König Wilhelm, der sofort aufbrach und in einem Eilmarsch York erreichte, wo er die Belagerer zurückschlagen und die Stadt wieder einnehmen konnte. Der König ließ eine zweite Burg innerhalb der Stadtmauern errichten, blieb aber nur eine Woche vor Ort und kehrte anschließend nach Winchester zurück. Als Kommandeur ernannte er Wilhelm fitzOsbern, einen seiner engsten Vertrauten, der das Osterfest am 12. April zwar gemeinsam mit König Wilhelm in Winchester verbrachte, anschließend aber wieder in den Norden zurückkehrte und dort einen erneuten Angriff der Rebellen zurückschlagen konnte. Die Aufständischen mussten sich zwar aus York zurückziehen, erhielten aber im Laufe des Sommers Unterstützung weiterer englischer Adliger. Der Hochrangigste unter ihnen war Earl Waltheof, Sohn von Earl Siward von Northumbria und über seine Mutter Enkel von Earl Ealdred von Bamburgh, damit also Cousin von Gospatric. Waltheof hatte 1065, als Morkar Earl von Northumbria wurde, Northamptonshire und Huntingdonshire sowie vielleicht auch die Shires Cambridge und Bedford erhalten und war in den Rang eines Earls erhoben worden. Nach der Eroberung durch die Normannen blieb er Earl, weshalb es verwunderlich ist, dass er sich 1069 dem Aufstand in Northumbria anschloss. Eventuell fühlte er sich durch die neu gebauten Burgen in Huntingdon und Cambridge in seiner Stellung als Earl bedroht. Daneben erscheint Siward Barn in den Reihen der Aufständischen, ein reicher Thegn mit viel Land besitz, verteilt auf sieben Shires mit Schwerpunkten in Nottinghamshire, Derbyshire und Warwickshire. Das Ausmaß der Revolte von 1069 lässt sich auch daran ablesen, dass die Rebellen den dänischen König Sven Estridsen um Unterstützung baten. Sven schickte eine Flotte, die aus 240 oder gar 300 Schiffen bestanden haben soll. Sie stand unter der Führung seines Bruders Asbjörn und zweier seiner Söhne, den späteren dänischen Königen Harald und Knut. Im Spätsommer landete die Flotte zunächst in Kent und zog von dort aus Richtung Norden, wobei von Plünderungen in Dover, Sandwich,
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Ipswich und Norwich berichtet wird. Vielleicht sollte wie bei der Unternehmung des norwegischen Königs Harald des Harten drei Jahre zuvor York eingenommen und Northumbria als Basis für eine Eroberung Englands gesichert werden. Sven war als Sohn von Estrid, der Schwester Knuts des Großen, ein Cousin von Hardeknut und von Edith, der Frau Eduards des Bekenners, der Sven nach dem Tod Hardeknuts versprochen haben soll, ihn zu seinem Nachfolger zu bestimmen. Es ist zwar sehr unwahrscheinlich, dass es dieses Versprechen tatsächlich gegeben hat, aber Adam von Bremen, der in den 1070 er Jahren eine Geschichte des Erzbistums Hamburg-Bremen verfasste und den dänischen König zwischen 1066 und 1069 besucht hatte, behauptet, dass Sven es ihm so geschildert habe. Ob Sven diesen Anspruch tatsächlich erhob, ist unklar. Falls er es tat, ging er allerdings kein persönliches Risiko ein, denn er war 1069 nicht selbst nach England gekommen, sondern hatte seinen Bruder und seine Söhne geschickt. Die dänische Flotte vereinigte sich Anfang September im Humber mit Mærleswein, Waltheof, Edgar Ætheling, Gospatric, Arnkell, den Söhnen von Karli und ihren Truppen. Gemeinsam zogen sie nach York, wo man aufgrund der Plünderungen durch die dänische Flotte an der englischen Ostküste bereits von der Ankunft eines großen Heeres unterrichtet war. Am Samstag, dem 19. September, setzten die Normannen deshalb einige Häuser in unmittelbarer Nähe der beiden Yorker Burgen in Brand, damit die Angreifer das Material nicht benutzen konnten, um die Burggräben aufzuschütten. Das Feuer griff allerdings auf weitere Häuser über und zerstörte fast die gesamte Stadt, darunter auch die erzbischöfliche Kathedrale. Am darauffolgenden Montag erreichte das dänisch-englische Heer die Stadt und erstürmte beide Burgen. Fast alle Normannen wurden getötet, nur Wilhelm Malet mit seiner Frau und zwei Kindern wurden geschont und als Gefangene auf die Schiffe geführt. Die Dänen hatten nun zwar York erobert, aber zu einem hohen Preis: Die Stadt war nahezu vollständig zerstört. Damit fehlte ihnen ein geeignetes Lager zur Überwinterung. Sie überquerten deshalb den Humber und suchten in der Isle of Axholme
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im Marschland von Lindsey Schutz. Doch Wilhelm hatte erneut schnell reagiert und erschien mit einem Heer in der Region. Er selbst eilte weiter in den Westen Mercias, wo Eadric der Wilde und Männer aus Chester mit Unterstützung des walisischen Königs Bleddyn von Gwynedd die Stadt Shrewsbury attackiert und niedergebrannt hatten. Nachdem sie die Burg nicht hatten einnehmen können, waren sie weiter nach Stafford gezogen, und dort wollte Wilhelm sich ihnen nun entgegenstellen. Deshalb hielt er sich nicht mit den Dänen auf, sondern überließ es seinem Halbbruder, Robert von Mortain, und Robert von Eu, sie zu vertreiben. Da die Normannen aber keine Schiffe zur Ver fügung hatten, gelang es den Dänen, über den Humber zu entkommen. Sie hielten sich nun wieder in Yorkshire auf und wandten sich mangels Alternativen nach York. Als der König die Aufständischen in Stafford zurückgetrieben hatte, zog er nach Nottingham und von dort weiter Richtung York. Er wurde aber drei Wochen lang am Fluss Aire aufgehalten, bis endlich eine Furt für das Heer gefunden wurde. Als Wilhelm York erreichte, hatten sich die Dänen auf den Humber geflüchtet, wohin der König sie nicht verfolgen konnte, weil er keine Schiffe hatte. Er schickte stattdessen Boten zu Asbjörn und bot ihm Geld an sowie die Erlaubnis, die Küste zu plündern, wenn er im Frühjahr das Land verlassen und mit der gesamten Flotte nach Dänemark zurückkehren würde. Da es nun bereits Winter war und die Dänen kein geeignetes Lager hatten, aber ebenso wenig in ihre Heimat fahren konnten, ließ Asbjörn sich auf das Geschäft ein. Die Dänen blieben den gesamten Winter über zwischen den Flüssen Ouse und Trent auf ihren Schiffen. In York ließ Wilhelm die beiden Burgen instand setzen und verwüstete das Umland. Die Zerstörung der Landschaft war eine übliche Form mittelalterlicher Kriegsführung und sollte verhindern, dass die Rebellen Nahrung und Schutz finden konnten. Diese Verheerungen unterbrach Wilhelm, um nach York zurückzukehren und sich dort am Weihnachstfest demonstrativ mit seiner Königskrone zu zeigen, die er eigens aus Winchester hatte holen lassen. Niemand sollte irgendeinen Zweifel daran haben, wer König der Engländer war. Nach den Feiertagen zog
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er wieder umher, um das Land weiter zu verwüsten. Die Schilderungen in den Quellen sind dabei teils drastisch. Ordericus Vitalis berichtet, Wilhelm habe angeordnet, alles Getreide und Vieh, alles Hab und Gut, darunter Pflüge und landwirtschaft liches Gerät, sowie Nahrung jedweder Art zusammenzutragen und zu verbrennen, damit die gesamte Region nördlich des Humber jeglicher Lebensgrundlage beraubt werde. Die Folge sei eine große Hungersnot gewesen, der zahlreiche Männer und Frauen zum Opfer gefallen seien. Ordericus kommentiert ungewöhnlich direkt, er habe in seiner Erzählung oft genug die Gelegenheit gehabt, Wilhelm zu rühmen, für diese schändlichen Taten aber könne er keine lobenden Worte finden. Nach Johannes von Worcester habe es aufgrund der Zerstörungen so großen Hunger gegeben, dass die Menschen Pferdefleisch, Hunde, Katzen und sogar Menschenfleisch gegessen hätten. Die Schilde rungen in der Angelsächsischen Chronik, die einige Jahrzehnte früher aufgeschrieben wurden, sind nüchterner. Handschrift E berichtet, Wilhelm habe ganz Yorkshire zerstört, in Handschrift D heißt es, er habe dieses Shire vollkommen verwüstet und verheert. Auch wenn sich die langfristigen Folgen – anders als es immer wieder zu lesen ist – nicht eindeutig aus dem 1086 aufgezeichneten Domesday Book ablesen lassen, so lässt sich von der Verheerung des Nordens immerhin sagen, dass sie auch nach zeitgenössischen Maßstäben ungewöhnlich drastisch ausfiel. Wilhelm zerstörte aber nicht nur Land und Ernte, sondern verjagte auch eine Gruppe von Rebellen aus ihrem Versteck, vermutlich in Holderness östlich von York. Von dort aus zog er in den Norden an den Fluss Tees, wo sich die Earls Waltheof und Gospatric unterwarfen. Waltheof war persönlich erschienen, während Gospatric Vertreter schickte. Erstaunlicherweise vergab Wilhelm beiden und setzte sie wieder in ihre Earldoms ein. Edgar Ætheling, Mærleswein und Siward Barn hatten sich dagegen nach Wearmouth zurückgezogen, an die Mündung des Flusses Wear, der durch Durham fließt. Obwohl Wilhelms Männer ihre Verwüstungen noch weiter nördlich bis an den Fluss Tyne fortsetzten und die Kirche von Jarrow niederbrannten,
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scheinen sie die Gruppe um Edgar übersehen zu haben. Bischof Æthelwine von Durham und seine Kleriker waren mit den Gebeinen des heiligen Cuthbert und allen beweglichen Kirchenschätzen nach Lindisfarne gezogen, einer Insel nördlich von Bamburgh, die bis zur Zerstörung des dortigen Klosters durch Wikinger im Jahr 793 die Ruhestätte des heiligen Cuthbert gewesen war. Ende Januar 1070 war Wilhelm wieder zurück in York und stattete die dortigen Burgen mit Schutztruppen aus. Er selbst zog nach Mercia, wo sich die Aufständischen um Eadric den Wilden inzwischen nach Chester begeben hatten. Die Überquerung der Penninen im Februar stellte sich als sehr schwierig heraus. Es war kalt, die Hügel waren tief verschneit. Ordericus Vitalis berichtet, einige Männer aus Anjou, der Bretagne und Maine hätten sich beschwert, der König eile von einer Gefahr zur nächsten und verlange unerträgliche Dienste von ihnen. Diese Aussagen dienten Ordericus natürlich dazu, die Dramatik der Ereignisse zu betonen. Sie zeigen aber auch, dass die Eroberer nicht als homogene, nur aus Normannen bestehende Gruppe anzusehen sind. Die Rebellen in Chester waren offensichtlich von der Ankunft Wilhelms so überrascht, dass sie ihren Aufstand ohne Gegenwehr beendeten. Eadric der Wilde versöhnte sich mit König Wilhelm, der in Chester und Stafford Burgen bauen und die umliegenden Shires im Norden Mercias in ähnlicher Weise verwüsten ließ wie zuvor Yorkshire. Rückzug ins Moor
Die Verheerung von Northumbria hatte zur Folge, dass der Widerstand im Norden gebrochen war und die Rebellen im Frühjahr nicht aus ihren Verstecken kamen, um den Kampf gegen die Herrschaft aus dem Süden erneut aufzunehmen. Die Dänen, die auf ihren Schiffen im Humber überwintert haben, scheinen dagegen noch in England geblieben zu sein. Nach der Angelsächsischen Chronik (Handschrift D) fuhr die Flotte vom Humber in die Themse und lag dort zwei Tage, bevor sie nach Dä nemark aufbrach. Johannes von Worcester berichtet lediglich,
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dass Asbjörn im Juni in seine Heimat zurückgekehrt, dort aber von seinem Bruder, König Sven, ins Exil geschickt worden sei, weil er sich vom englischen König habe bestechen lassen. Ob die Dänen unterwegs zur Themse die englische Ostküste plünderten, was sie in der Themse wollten und warum sie von dort aus nach nur zwei Tagen wieder aufbrachen, sagen die Quellen nicht. Handschrift E der Angelsächsischen Chronik beschreibt die Aktionen der dänischen Flotte deutlich detaillierter. Dort heißt es, der dänische König selbst sei in den Humber gekommen, und die Leute hätten erwartet, dass er nun England erobern werde. Anschließend könnte sich die Flotte aufgeteilt haben, jedenfalls sollen Asbjörn und Christian, Bischof von Århus, nach Ely gefahren sein, einer Insel im Marschland nördlich von Cambridge, auf der sich ein Kloster befand. Die Engländer aus der Gegend seien zu ihnen geströmt und hätten nun ebenfalls erwartet, dass sie das Land eroberten. Von Ely aus hätten die Dänen dann gemeinsam mit einem gewissen Hereward und seinen Männern das nahegelegene Kloster Peterborough geplündert. Dieses Ereignis wird auf den 2. Juni datiert. Anschließend seien die Könige Sven und Wilhelm zu einer Übereinkunft gekommen. Daraufhin hätten die Dänen Ely verlassen und die erbeuteten Schätze mitgenommen. Auf dem Rückweg nach Dänemark seien sie in einen schweren Sturm geraten und zum Teil bis nach Norwegen, Irland und Dänemark abgetrieben worden. Nur ein Teil der Kirchenschätze von Peterborough sei in Dänemark gelandet und dort in der Kirche einer nicht genannten Königsstadt untergebracht worden. Die Kirche sei eines Nachts wegen der Achtlosigkeit und Trunkenheit der Dänen niedergebrannt, so dass alle Schätze der Kirche von Peterborough verloren gegangen seien. Dieser Bericht ist aus verschiedenen Gründen unglaubwürdig. Dass Sven Estridsen nach England gekommen sei, berichtet keine andere zeitgenössische Quelle. Die Erwartung, er werde England erobern, passt außerdem nicht zur Situation von 1070, als die Flotte bereits mehrfach von Wilhelm zurückgeschlagen worden war und Northumbria sich nicht mehr als Basis für eine
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Invasion eignete. Anscheinend wurden in diesem Abschnitt die Ereignisse von 1069 und 1070 verschmolzen und Svens persönliche Anwesenheit irrtümlich angenommen. Ganz offensichtlich handelt es sich bei diesem langen Bericht über die Plünderung von Peterborough um einen später hinzugefügten Einschub, denn im Anschluss wird von der dänischen Flotte dasselbe vermerkt wie in Handschrift D der Angelsächsischen Chronik: «Im folgenden Sommer kam die Flotte aus dem Norden vom Humber in die Themse und lag dort zwei Tage und fuhr dann nach Dänemark.» Handschrift E wurde in Peterborough geschrieben, nachdem das Kloster 1116 durch einen Brand fast vollständig zerstört worden war. Die Mönche besorgten sich anschließend eine Handschrift der Angelsächsischen Chronik aus Canterbury und kopierten sie, vermutlich im Jahr 1121. Dabei fügten sie an insgesamt 20 Stellen Ergänzungen an, die vor allem die Geschichte ihres Klosters betreffen. Die Erzählung vom Sturm und dem Verlust der klösterlichen Schätze, die legendenhafte Züge aufweist, ist vor diesem Hintergrund zu verstehen. Die Mönche von Peterborough schrieben sie unter dem Eindruck der Zerstörung des Klosters von 1116, die ebenfalls zum Verlust der Kirchenschätze geführt hatte. Der Widerstand in Ely erscheint dagegen auch in den zeit genössischen Quellen, allerdings erst zum Jahr 1071. Edwin und Morkar wandten sich in diesem Jahr erneut vom König ab. Einen Grund nennt erst der in den 1120 er Jahren schreibende Johannes von Worcester: Wilhelm wollte die beiden Brüder gefangen nehmen. Das ist durchaus möglich, denn Edwins Machtzentrum lag in Cheshire und Shropshire, wo Wilhelm erst im Jahr zuvor die Rebellion um Eadric den Wilden niedergeschlagen hatte. Selbst wenn der König nicht direkt gegen Edwin und Morkar vorgehen wollte, hatten sie wegen der Verwüstung im Norden Mercias, die auch Edwins Besitzungen betraf, wenig Grund, ihr Vertrauen in Wilhelm zu setzen. Die Brüder irrten zunächst anscheinend ziellos durch Wälder und Moore. Edwin soll von seinen eigenen Leuten getötet worden sein. Johannes von Worcester behauptet, er habe sich gerade auf dem Weg zum schottischen König Malcolm befunden. Morkar hingegen zog
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sich auf die Insel Ely zurück, wo er nicht allein blieb. Dorthin kam auch Siward Barn, der nach dem northumbrischen Aufstand mit Edgar Ætheling zum schottischen König gegangen war. Er wurde von Bischof Æthelwine begleitet, der ebenfalls nach Schottland geflohen war, nachdem Wilhelm ihm 1070 das Bistum Durham entzogen hatte. In Ely versammelten sich also einige bedeutende Rebellen, und es dauerte nicht lange, bis Wilhelm gegen sie vorging. Er belagerte die Insel mit Schiffen von Osten her und baute von Westen her einen rund drei Kilometer langen Damm durch das Marschland. Die Aufständischen ergaben sich dem König, der sie gefangen nahm. Bischof Æthelwine wurde nach Abingdon geschickt, wo er im Winter starb. Siward Barn blieb bis 1087 in Gefangenschaft, als er mit einigen anderen Gefangenen von Wilhelm auf seinem Totenbett freigelassen wurde, ebenso wie Morkar, der allerdings nach Aussage von Ordericus Vitalis bis zu seinem Lebensende bei Roger de Beaumont in Gefangenschaft blieb. Von den Aufständischen in Ely konnte nur Hereward mit einigen Männern entkommen. Um diesen Hereward bildeten sich im Laufe der Zeit zahlreiche Legenden, die ihn als englischen Widerstandskämpfer heroisieren. Den Kern dieser Geschichten bildet seine Flucht aus Ely. Ein Aufständischer, der nicht von Wilhelm besiegt wurde, sondern durch sein mutiges Handeln entkommen konnte, bot ein gutes Motiv für eine Heldengeschichte aus englischer Sicht. In der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts finden sich schriftliche Fassungen solcher Legenden um Hereward. Die Gesta Herwardi, geschrieben von einem Mönch aus Ely, sind spätestens 1174, vielleicht aber schon bald nach 1109 verfasst worden. Auch bei Geffrei Gaimar, der zwischen 1136 und 1137 schrieb, findet sich ein ausführlicher Bericht zu Herewards Heldentaten. Als die Mönche von Peterborough um 1121 die Angelsäch sische Chronik (E) in der oben geschilderten Weise ergänzt haben, könnte es also bereits schriftlich fixierte Legenden um Hereward gegeben haben. Sicherlich wurden solche Geschichten schon früher mündlich verbreitet. Den Mönchen von Peterborough, das keine 50 Kilometer von Ely entfernt ist, dürften sie bekannt gewesen sein. Es ist daher denkbar, dass erst sie die
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Plünderung ihres Klosters im Jahr 1070, die auch in Handschrift D der Angelsächsischen Chronik bezeugt ist, mit dem heldenhaften Hereward in Verbindung gebracht haben. Ob auch Dänen an der Plünderung von Peterborough beteiligt waren, lässt sich nicht klären. Sie waren in jedem Fall 1070 nach Dänemark zurückgefahren. Mit der Aufgabe der Rebellen in Ely 1071 hatte Wilhelm seine Königsherrschaft nun gesichert. Eine Gefahr war aber noch nicht gebannt: Edgar Ætheling hielt sich weiterhin beim schottischen König Malcolm auf. Edgar Ætheling und Malcolm Canmore
Edgars Rolle beim Aufstand von Northumbria 1069 ist nicht ganz eindeutig. In der Angelsächsischen Chronik erscheint er zunächst als Anführer, der nach der Ermordung von Robert de Comines alle Northumbrier vereinigt habe. Nach dem Eintreffen der dänischen Flotte wird er aber nur noch als einer der wichtigen Männer genannt. Wilhelm von Jumièges behauptet, die Northumbrier hätten Edgar zu ihrem König bestimmt. Er nennt allerdings keine anderen handelnden Personen und kannte sich mit der Gesellschaft Nordenglands nicht gut aus. Außerdem ist es das erste Mal, dass er Edgar erwähnt, den er zudem nicht namentlich anführt, sondern nur als Jungen königlicher Abstammung bezeichnet. Er verliert auch kein Wort darüber, dass König Wilhelm Edgar Anfang 1067 mit in die Normandie führte. Hatte Wilhelm von Jumièges vielleicht von Edgars Königserhebung im Jahr 1066 gehört und sie falsch zugeordnet? Nach Ordericus Vitalis war Edgar Ætheling gar nicht am gemeinsamen Zug der Northumbrier und Dänen auf York beteiligt. Stattdessen habe er einen Plünderzug nach Lindsey unternommen, sei dort aber von der Garnison in Lincoln, die einen Ausfall gemacht habe, zurückgeschlagen worden. Es deutet also wenig darauf hin, dass Edgar Ætheling der Anführer des Aufstands in Northumbria war. Möglicherweise hatte er im Frühjahr 1069 eine führende Rolle – oder beanspruchte sie zumindest. Spätestens nachdem York nicht lange gehalten werden konnte, hatte er diese Führungsrolle aber verloren.
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Während der Verheerung des Nordens durch Wilhelm hielt Edgar sich gemeinsam mit seiner Mutter Agatha und seinen Schwestern Margarete und Christina sowie Mærleswein und Siward Barn in Wearmouth auf. Im Sommer 1070 reisten sie zum schottischen König Malcolm, der um diese Zeit Margarete heiratete. Diese Verbindung könnte ein Grund gewesen sein, warum Wilhelm 1072 mit einem Heer und einer Flotte nach Schottland aufbrach. Wilhelms Motive liegen aber im Dunkeln. Möglicherweise wollte er eine Strafexpedition durchführen, denn Malcolm hatte in den Jahren zuvor immer wieder englische Rebellen bei sich am Hof aufgenommen und möglicherweise auch unterstützt. Außerdem hatte er 1070 selbst einen Einfall nach Yorkshire gewagt, wobei er nicht durch Northumberland zog, sondern von Westen her kam, aus Cumberland. Ob Malcolm nur die instabile Lage in Northumbria nutzte, um zu plündern, ist fraglich. Es hätte jedenfalls bessere Momente gegeben als die Zeit nach der Verheerung des Nordens durch Wilhelm, um Beute zu machen. Vielleicht wollte Malcolm North umberland vom Rest Englands isolieren, um es in sein Königreich einzugliedern. Immerhin war Earl Gospatric sein Cousin und hatte sich während der northumbrischen Rebellion zeitweise am schottischen Königshof aufgehalten. Gospatric aber wandte sich gegen Malcolm und machte seinerseits einen Ausfall nach Cumberland. Dort konnte er die Beute an sich bringen, die Malcolm bereits zurückgeschickt hatte. Wenig später beendete der schottische König seinen Kriegszug. Als Wilhelm 1072 nach Schottland kam, zog Malcolm es vor, mit ihm zu verhandeln. In Abernethy schlossen die beiden Könige eine Übereinkunft. Malcolm huldigte Wilhelm und stellte ihm Geiseln, darunter wahrscheinlich auch seinen ältesten Sohn Duncan. Auf dem Rückweg von Schottland setzte Wilhelm Gos patric als Earl von Northumberland ab. Er beschuldigte ihn, an der Ermordung von Robert de Comines beteiligt gewesen zu sein und in York gegen die Normannen gekämpft zu haben, obwohl er ihm diese Vergehen vermutlich bei der Unterwerfung am Fluss Tees zwei Jahre zuvor vergeben hatte. Gospatric konnte nicht zum schottischen König fliehen, zum einen weil er sich
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1070 gegen ihn gewandt hatte, zum anderen wegen der Übereinkunft von Wilhelm und Malcolm. Sie sah wohl auch vor, dass es keine englischen Rebellen mehr am schottischen Königshof geben sollte. Das zeigt sich daran, dass Edgar Ætheling – immerhin Malcolms Schwager – Schottland verlassen musste. Er wandte sich nach Flandern, wo sich inzwischen auch Gospatric aufhielt. Dort war 1070 Graf Balduin VI., der freundschaftliche Verbindungen zur Normandie pflegte, gestorben. Er hinterließ einen unmündigen Sohn, Arnulf, dessen Mutter Richilde von Hennegau die Regentschaft übernehmen sollte. Dagegen wehrte sich jedoch Balduins jüngerer Bruder Robert, so dass Richilde Wilhelm fitzOsbern, den Earl von Hereford, um Hilfe bat – Balduin hatte ihn kurz vor seinem Tod gemeinsam mit dem französischen König Philipp zum Vormund seines Sohnes gemacht. Wilhelm fitzOsbern hoffte darauf, Richilde zu heiraten, und reiste nach Flandern, wurde aber in der Schlacht von Cassel im Februar 1071 getötet, ebenso wie Arnulf. Robert setzte sich schließlich als Graf von Flandern durch und war wegen des Eingreifens von Wilhelm fitzOsbern, einem der engsten Vertrauten von Wilhelm dem Eroberer, der Normandie gegenüber feindlich eingestellt. Der flandrische Hof bot sich nach diesen Ereignissen also als Rückzugsort für Edgar Ætheling und Gospatric an. Nach kurzer Zeit sind aber beide schon wieder in Schottland anzutreffen. Malcolm lud Gospatric ein und machte ihn zum Earl von Dunbar in Lothian. Wann er das tat, geht aus den Quellen nicht hervor. Bereits 1074 jedenfalls war Edgar Ætheling zurück in Schottland. Dort erhielt er einen Brief Philipps von Frankreich, der ihm die Burg Montreuil (nordöstlich der Normandie) anbot, damit er den Feinden des französischen Königs Schaden zufügen könnte. Edgar nahm das Angebot an, erlitt aber auf dem Weg Schiffbruch und gelangte nur mit Mühe zurück nach Schottland. Dort riet Malcolm ihm, sich mit König Wilhelm, der in der Normandie war, zu versöhnen. Edgar reiste durch England, setzte über den Ärmelkanal und wurde von Wilhelm ehrenvoll empfangen. Edgar blieb in den nächsten Jahren offensichtlich am normannischen Hof, wird aber erst wie-
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der 1086 erwähnt, als er Wilhelm seine Loyalität aufkündigte, weil er sich nicht gebührend behandelt fühlte. Eine Bedrohung für Wilhelms Herrschaft war er aber nicht mehr. Als Nachfolger von Gospatric hatte Wilhelm 1072 Waltheof eingesetzt. Obwohl er sich 1069 am Aufstand in Northumbria beteiligt hatte, blieb er in der Gunst des Königs und konnte sein Earldom in den östlichen Midlands behalten. Außerdem gab Wilhelm ihm seine Nichte Judith zur Frau. Dennoch beteiligte sich Waltheof am sogenannten Aufstand der drei Earls von 1075. Neben Waltheof waren daran die Earls Ralph von Ostang lien und Roger von Hereford, der Sohn von Wilhelm fitzOsbern, beteiligt. Die Gründe für diesen Aufstand eines Angelsachsen (Waltheof), eines Anglo- Bretonen (Ralph) und eines Normannen (Roger) sind rätselhaft und werden in den Quellen sehr unterschiedlich dargestellt. Johannes von Worcester zufolge habe König Wilhelm der Hochzeit von Rogers Schwester Emma mit Earl Ralph nicht zugestimmt. Dem widerspricht aber die Angelsächsische Chronik, in der es heißt, der König habe Ralph die Tochter von Wilhelm fitzOsbern zur Frau gegeben. Ordericus Vitalis führt eine lange Liste von Beschwerden über Wilhelms Herrschaftsstil als Grund an. Ob das tatsächlich die Motive der drei Earls wiedergibt, lässt sich aber nicht überprüfen. Der König hielt sich zu dieser Zeit in der Normandie auf. Er sah sich nicht genötigt, persönlich einzugreifen, sondern überließ diese Aufgabe seinem Stellvertreter im Königreich, Erzbischof Lanfranc von Canterbury. Lanfranc konnte verhindern, dass sich die Truppen der Earls vereinigten, so dass der Aufstand ohne Kampf beendet wurde. Ralph floh in die Bretagne und war damit außer Reichweite des Königs. Waltheof war in die Normandie zu Wilhelm gegangen, um sich ihm zu unter werfen. Kurz nachdem Wilhelm nach England zurückkehrte, konnte auch Roger gefasst werden, der sich dem König ebenfalls unterwarf. Beide Earls wurden als Verräter verurteilt, Roger als Normanne nach normannischem Recht zu lebenslanger Haft, Waltheof als Engländer nach englischem Recht zum Tode. Die Exekution wurde am 31. Mai 1076 vor den Toren von Winchester durchgeführt. Schon bald entstand ein Heiligenkult um
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Waltheof, der in Crowland begraben wurde. Das erschwert es, seine Beteiligung an der Verschwörung richtig einzuschätzen, da die Schuld Roger und Ralph zugeschrieben wird, um den nun als Heiligen verehrten Waltheof nicht beschuldigen zu müssen. In jedem Fall sind die Erhebungen der Jahre von 1067 bis 1071 nicht mit dem Aufstand der drei Earls vergleichbar. Es handelte sich um eine Verschwörung von drei Herrschaftsträgern, die ihren König – aus welchen Gründen auch immer – absetzen wollten. Im Unterschied dazu wandten sich die Aufstände bis 1071 gegen die normannische Herrschaft auf lokaler oder regionaler Basis. Dabei traten die Engländer nie geschlossen auf, es kam zu keiner landesweiten Rebellion. Lediglich der northumbrische Aufstand könnte zum Ziel gehabt haben, Edgar Ætheling als König einzusetzen und damit Wilhelm den Eroberer zu vertreiben. Es scheint aber keine Verbindung zu den gleichzeitigen Aufständen in Staffordshire und Cheshire gegeben zu haben. Wilhelms rasches und konsequentes Handeln trug dazu bei, dass die regionalen Erhebungen isoliert blieben und sich nicht zu einem reichsweiten Aufstand ausbilden konnten. Daneben gab es aber auch immer genügend englische Unterstützer von König Wilhelm. Eine weitere Gemeinsamkeit der Erhebungen ist die Unterstützung von außen. Die größten Erfolge erzielten die Aufständischen mit Hilfe der Könige von Schottland und Dänemark, aber auch die Herrscher von Wales waren an erfolgreichen Aktionen beteiligt, und die weniger effektiven Züge von Harolds Söhnen im Südwesten wurden vom irischen König unterstützt. «Herzog Wilhelm unterwarf alle Städte der Engländer an einem einzigen Tag», behauptet Wilhelm von Poitiers am Ende seines Berichts zur Schlacht von Hastings. Der Sieg in dieser Schlacht war zweifellos richtungsweisend, aber England wurde nicht an einem Tag erobert.
Legitimation und Interpretation
Die Aufstände, mit denen Wilhelm in den ersten Jahren seiner Herrschaft konfrontiert war, machen deutlich, dass er mindestens bis in die 1070 er Jahre hinein nicht von allen Engländern als König akzeptiert wurde. Die normannischen Autoren, die die ersten ausführlichen Darstellungen der Eroberung ver fassten, hatten also guten Grund, die Legitimität von Wilhelms Herrschaft zu betonen. Am deutlichsten macht das Wilhelm von Poitiers, der seine Gesta Guillelmi («Taten Wilhelms») zwischen 1171 und 1177 schrieb. Seine Argumentation besteht aus mehreren Elementen: Wilhelms Krönung und Salbung, seinem Sieg in der Schlacht, seiner Verwandtschaft mit der angelsäch sischen Königsfamilie und der Designation durch Eduard den Bekenner. Diese Argumentation, die sich in ähnlicher Weise auch bei Wilhelm von Jumièges und Guido von Amiens findet, ist teilweise als «normannische Propaganda» interpretiert worden. Stimmt das? Und falls ja: Was bedeutet das für die normannischen Darstellungen der Eroberung und den Umgang mit diesen Quellen? Wurde Wilhelm als legitimer englischer König angesehen, oder haben die Chronisten versucht, seine Legitimation durch ihre Argumente zu konstruieren? Wilhelms Legitimation
Ein wesentliches Element für die Legitimation mittelalterlicher Königsherrschaft war die Krönung im Rahmen einer liturgischen Zeremonie, bei der der König auch von einem Geistlichen, meist einem Erzbischof, mit heiligem Salböl eingerieben und dadurch geweiht wurde. Deshalb ist es nicht verwunderlich, dass auch Wilhelm von Poitiers die Krönung und Salbung Wilhelms als wichtig erachtete. Ihm zufolge haben die Bischöfe und der führende weltliche Adel im Anschluss an ihre Unter-
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Legitimation und Interpretation
werfung Wilhelm gebeten, die Krone anzunehmen. Dadurch und durch die Befragung der Engländer und Normannen während der Krönungszeremonie (siehe S. 69) wird die Zustimmung aller Untertanen zum Ausdruck gebracht. Wilhelm von Jumièges spricht in ähnlicher Weise davon, dass Wilhelm «von allen Großen der Normannen und Engländer zum König gewählt» wurde. Eine solche Königswahl ist die übliche Form der Zustimmung des geistlichen und weltlichen Adels, wie sie auch aus anderen mittelalterlichen Reichen bekannt ist. Der Zeitpunkt der Krönung war bewusst ausgewählt worden; wie im Mittelalter üblich fand die Zeremonie an einem hohen kirchlichen Feiertag statt, in diesem Fall Weihnachten. Die Königsweihe wurde von Erzbischof Ealdred von York durch geführt, obwohl die angelsächsischen Könige meist vom Erz bischof von Canterbury gesalbt wurden. Wilhelm von Poitiers hebt das besonders hervor und erklärt, dass Herzog Wilhelm sich geweigert habe, von Stigand, dem Erzbischof von Canterbury, gesalbt zu werden, weil dieser vom Papst exkommuniziert – also aus der Glaubensgemeinschaft ausgeschlossen – worden sei. Hätte er die Salbung durchgeführt, so hätte sie und damit auch die gesamte Krönungszeremonie angefochten werden können, ja sie wäre eher ein Fluch als eine Segnung gewesen, wie Eadmer von Canterbury es ausdrückte. Denn ein Exkommunizierter durfte an keinen liturgischen Handlungen teilnehmen, ganz zu schweigen davon, dass er sie selbst durchführte. Stigand fungierte seit 1052 als Erzbischof von Canterbury. Er wird zum ersten Mal 1020 als Priester der Kirche von Ashingdon erwähnt, die Knut der Große am Ort seines Siegs gegen Edmund Eisenseite errichtet hatte. 1043 wurde er Bischof von Elmham in Ostanglien, 1047 wechselte er auf den Bischofsstuhl von Winchester. Nachdem Robert von Jumièges 1052 das Land verlassen hatte, übernahm Stigand das Erzbistum von Canterbury, blieb aber gleichzeitig Bischof von Winchester. Dies war ein unkanonisches, also nicht den Regeln der Kirche entsprechendes Verhalten, ebenso wie die Übernahme des Erzbistums, obwohl Robert von Jumièges noch lebte und nominell weiter-
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hin Erzbischof von Canterbury war, das Bischofsamt also eigentlich nicht neu vergeben werden konnte. Erst 1058 erhielt Stigand von Papst Benedikt X. das Pallium – ein weißes, wollenes Band mit sechs schwarzen Kreuzen, das die erzbischöfliche Gewalt symbolisierte –, allerdings wurde Benedikt bereits im Januar des darauffolgenden Jahres abgesetzt und seine Amtshandlungen annuliert. Stigand hatte nun den Makel, dass er sein Pallium von einem Usurpator erhalten hatte. Ob er tatsächlich von den Päpsten Leo IX. (1049–1054), Viktor II. (1055– 1057), Stephan IX. (1057–1058), Nikolaus II. (1058–1061) und Alexander II. (1061–1073) exkommuniziert wurde, wie es nach seiner Absetzung heißt, ist allerdings fraglich. Er nahm jedenfalls 1062 an einem Konzil in Worcester teil, bei dem auch Legaten Nikolaus’ II. anwesend waren, und kann zu diesem Zeitpunkt demnach nicht exkommuniziert gewesen sein. Stigand hat nach 1058 zwar keine Bischöfe geweiht, aber er hat Äbte in ihr Amt eingeführt, agierte als Erzbischof und wurde in England auch als solcher angesehen. Das gilt auch für die Zeit nach der normannischen Eroberung, denn 1067 weihte er Remigius, den Kandidaten von Wilhelm dem Eroberer, zum Bischof von Dorchester und nahm außerdem am Hoftag Wilhelms an Pfingsten 1068 teil. Zwei Jahre später allerdings wurde Stigand auf einem Konzil, das an Ostern in Winchester abgehalten wurde, von päpstlichen Legaten abgesetzt und blieb bis zu seinem Tod im Jahr 1072 ebendort in Haft. Wilhelm von Poitiers hat also im Wissen um Stigands Absetzung geschrieben. Seine Einschätzung von Wilhelms Haltung gegenüber Stigand muss deshalb mit Vorsicht beurteilt werden. Die Gründe, warum Wilhelm von Ealdred und nicht von Stigand gekrönt und gesalbt wurde, sind letztlich nicht bekannt. Neben der Krönung war Wilhelms Sieg in der Schlacht eine weitere legitimatorische Komponente. Wilhelm von Poitiers spricht von dem «Recht der Eroberung». Er deutet Wilhelms Erfolg, wie andere Autoren auch, vor allem als göttliches Zeichen. In Verhandlungen vor der Schlacht soll der normannische Herzog Harold einen Zweikampf angeboten haben, der über ihre Auseinandersetzung entscheiden sollte, um so das Leben vieler
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Männer zu schonen. Harold lehnt dieses Angebot ab mit den Worten: «Möge der Herr heute zwischen mir und Wilhelm entscheiden, was gerecht ist.» Der dritte wichtige Baustein zu Wilhelms Legitimation ist seine Verwandtschaft zum Königshaus. Wilhelm von Poitiers beschreibt den normannischen Herzog als nah verwandt mit Eduard, da dessen Mutter Emma die Tante von Wilhelms Vater Robert war – sowie die Schwester von Herzog Richard II. und die Tochter von Herzog Richard I., wie er noch hinzufügt. Mit anderen Worten: Eduards Mutter war Wilhelms Großtante. Auch wenn man anderer Auffassung als Wilhelm von Poitiers sein kann, dass es sich dabei um nahe Verwandtschaft handelt, so war Wilhelm immerhin mit dem angelsächsischen Königshaus verwandt. Harold Godwinson hingegen konnte solch eine verwandtschaftliche Beziehung nicht aufweisen, da er lediglich mit Eduard verschwägert war, denn Harolds Schwester Edith war Eduards Frau. Man sollte aber bedenken, dass Verwandtschaft zur Königsfamilie ein Argument war, um Anspruch auf den englischen Königsthron zu erheben, es war jedoch nicht das einzige und auch nicht das entscheidende. So konnte sich Edgar Ætheling, der als Enkel von Edmund Eisenseite in direkter männlicher Linie von einem angelsächsischen König abstammte, trotz seiner näheren Verwandschaft zum Königshaus nicht gegen Wilhelm durchsetzen. Eduards Designationen
Ein weiteres Argument der normannischen Legitimationsstrategie war die Designation Wilhelms durch Eduard den Bekenner. Die Darstellungen, wann und wie der englische König den normannischen Herzog zu seinem Nachfolger bestimmt haben soll, weisen ein übereinstimmendes Grundgerüst auf, weichen in mancher Hinsicht aber voneinander ab. Es handelt sich um zwei einzelne Akte, die in beträchtlichem zeitlichen Abstand vollzogen wurden. Zunächst habe Eduard der Bekenner, wie sowohl Wilhelm von Jumièges als auch Wilhelm von Poitiers berichten, Erzbischof Robert von Jumièges zu Herzog Wilhelm
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geschickt, um ihn zum Erben des Königreichs zu bestimmen. Wilhelm von Poitiers betont dabei die Zustimmung des angelsächsischen Adels und nennt namentlich Erzbischof Stigand sowie die Earls Godwin, Leofric und Siward, die einen Eid geleistet haben sollen, dass sie Wilhelm nach Eduards Tod als König akzeptieren würden. Zur Absicherung der Vereinbarung stellte der englische König Wilhelm zwei Geiseln, einen Sohn und einen Enkel von Earl Godwin. Die Gesandtschaft wird nicht datiert, fand aber wahrscheinlich im Frühjahr oder Frühsommer 1051 statt. Robert, der erst 1051 zum Erzbischof von Canterbury bestimmt worden war, brach in der Fastenzeit nach Rom auf, um sein Pallium zu erhalten, und kehrte am 27. Juni wieder nach England zurück. Er könnte entweder auf dem Hinweg oder auch auf der Rückreise beim normannischen Herzog Station gemacht haben. In einer späteren englischen Quelle wird die Designation dagegen ganz anders interpretiert. Eadmer von Canterbury berichtet davon, dass Eduard noch während seines Exils in der Normandie Wilhelm die Nachfolge versprochen habe, sollte er selbst einmal König von England werden. Damit setzt er die Designation in einen informellen Kontext und verlegt sie gleichzeitig um einige Jahre in die Vergangenheit. Denn Eduard kehrte 1041 aus der Normandie nach England zurück, muss sein Versprechen also schon vorher gegeben haben. Wilhelm war zu diesem Zeitpunkt zwar normannischer Herzog, aber erst 13 oder 14 Jahre alt. Dieses Szenario ist daher nur schwer vorstellbar. In den zeitgenössischen englischen Quellen wird die Designation Wilhelms zum Nachfolger von Eduard nicht erwähnt. Allerdings ist in der Angelsächsischen Chronik (Handschrift D) am Ende des Eintrags für das Jahr 1051 von einer Reise Herzog Wilhelms nach England und einem Treffen mit König Eduard die Rede, ohne dass erwähnt wird, worüber die beiden verhandelt haben könnten. Leider lässt sich nicht feststellen, ob Wilhelm diese Reise durchgeführt hat, und falls ja, ob es dabei um Eduards Nachfolge ging. Nur eine Version der Angelsächsischen Chronik berichtet darüber, die normannischen Quellen hingegen nicht, aber daraus folgt nicht notwendigerweise, dass Wil-
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Wandteppich von Bayeux, spätes 11. Jh.: Ubi Harold sacramentum fecit Willelmo duci (Wo Harold dem Herzog Wilhelm einen Eid geleistet hat)
helms Fahrt nach England frei erfunden ist, zumal die Entstehung von Handschrift D der Angelsächsischen Chronik eng mit Erzbischof Ealdred von York verknüpft ist, der selbst an den Ereignissen beteiligt war. Die Nachfolgefrage thematisiert der Chronist an dieser Stelle jedenfalls nicht. Es ist aber durchaus nachvollziehbar, warum Eduard zu diesem Zeitpunkt seine Nachfolge regeln wollte und dafür Wilhelm ins Auge fasste. Der englische König war bereits über 45 Jahre alt, seine seit sechs Jahren bestehende Ehe mit Edith hatte keine Kinder hervorgebracht. Daneben konnte Eduard in der Krise von 1051 / 52, als Godwin von Wessex und seine Söhne im Exil waren, ein Verbündeter auf der anderen Seite des Ärmelkanals sehr nützlich sein. Eduard war der normannischen Herzogsfamilie außerdem dankbar für die Unterstützung, die er im Exil erhalten hatte. Aus einigen Urkunden der Herzöge Robert und Wilhelm geht hervor, dass man Eduard während seines Aufenthalts in der Normandie als einen verbannten König ansah. Das zeugt von der engen Verbindung zwischen Eduard und der Herzogsfamilie und lässt Eduards Überlegung, Wilhelm zu seinem Nachfolger zu wählen, plausibel erscheinen. Bei dem zweiten Akt der Designation handelte es sich um eine
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weitere Gesandtschaft, wie Wilhelm von Jumièges und Wilhelm von Poitiers übereinstimmend berichten, ohne sie zu datieren. Sie wurde angesichts des nahenden Todes von Eduard durch geführt, wie Wilhelm von Poitiers betont, und hat sehr wahrscheinlich im Frühsommer 1064 stattgefunden. Eduard schickte diesmal Harold Godwinson in die Normandie, um die früher getroffene Nachfolgeregelung zu bestätigen. Harold landete jedoch in Ponthieu, wo er von Graf Guido gefangen genommen und nur auf Druck Herzog Wilhelms freigelassen wurde. Guido brachte Harold daraufhin persönlich nach Eu an der Grenze zur Normandie, wo Wilhelm den englischen Earl in Empfang nahm und nach Rouen begleitete. Der Herzog lud zu einer Versammlung, die nach Wilhelm von Poitiers in Bonneville stattfand, während andere Quellen sie in Rouen (Ordericus Vitalis) oder Bayeux (Teppich von Bayeux) verorten. Dort schwor Harold Wilhelm Treue und leistete einen Eid, dass er Wilhelms Stell vertreter in England sein werde und nach Eduards Tod dafür sorgen wolle, dass Wilhelm die Nachfolge antreten könne. Auf dem Teppich von Bayeux steht Harold bei diesem Eid zwischen zwei Reliquienschreinen, die er mit seinen Händen berührt (siehe Abb. S. 96). Auch Wilhelm von Poitiers führt an, dass Harold seinen Eid auf Reliquien abgelegt habe. Im Lied von der Schlacht von Hastings behauptet Guido von Amiens, Harold habe bei der Gesandtschaft als Zeichen dafür, dass Eduard Wilhelm zu seinem Erben bestimmt habe, einen Ring und ein Schwert überreicht. Die symbolische Übergabe der beiden Krönungsinsignien wird aber in keiner anderen Quelle erwähnt. Im Anschluss an den Eid geht Wilhelm von Poitiers ausführlich auf einen Kriegszug von Wilhelm gegen den bretonischen Grafen Conan II. ein. Harold begleitete Wilhelm bei diesem Zug in die Bretagne, der auf dem Teppich von Bayeux ebenfalls ausführlich dargestellt wird, dort allerdings vor Harolds Eid platziert ist. Nach der bretonischen Kampagne schickte Wilhelm seinen englischen Gast wieder zurück, beladen mit Geschenken und begleitet von einer der beiden Geiseln: seinem Neffen. Eadmer von Canterbury berichtet ebenfalls von Harolds Reise, schreibt ihr aber eine gänzlich andere Motivation zu:
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arold fuhr aus eigenem Antrieb und wollte die Geiseln vom H normannischen Herzogshof zurück nach England holen. Diese Geiseln werden von Eadmer auch namentlich genannt: Bei Godwins Sohn soll es sich um Wulfnoth gehandelt haben, von dem aus anderen Quellen bekannt ist, dass Wilhelm der Eroberer ihn kurz vor seinem Tod aus der Haft entließ. Harolds Neffe soll Hakon gewesen sein, Sohn von Harolds Bruder Sweyn Godwinson. Eadmer liefert außerdem eine andere Erklärung, warum die Geiseln sich in der Normandie aufhielten. In der Darstellung der normannischen Geschichtsschreiber dienten sie der Sicherung der Nachfolgeregelung, die König Eduard und Herzog Wilhelm 1051 getroffen hatten und die vom englischen Adel unterstützt wurde – da Godwin als berüchtigter Verräter galt, sollte damit sichergestellt werden, dass er sein Versprechen hielt. Bei Eadmer hingegen werden die Geiseln bei der Rückkehr von Godwin nach England gestellt, also erst 1052, und zwar nicht Wilhelm, sondern Eduard, der sie zur sicheren Verwahrung in die Normandie schickte. Sie sollten also eine Absicherung für die Versöhnung zwischen dem englischen König und der Familie von Godwin sein, was nicht ganz plausibel ist, denn schließlich gehörten auch Wulfnoth und Hakon zu Godwins Familie und müssten damit in den Friedensschluss einbezogen gewesen sein. Harold war nach Eadmer also in die Normandie gefahren, um seinen Bruder Wulfnoth und seinen Neffen Hakon zu befreien. Vor seinem Aufbruch teilte er Eduard sein Vorhaben mit, und auch wenn der König nicht begeistert gewesen sein soll, stellte er sich Harold nicht in den Weg. In dieser Darstellung handelte Harold also in eigener Sache und nicht im Auftrag des Königs. Auf der Reise geriet das Schiff in schwere See und wurde an die Küste von Ponthieu getrieben, wo Harold in Gefangenschaft geriet. Er schaffte es, einen Boten zu Wilhelm zu senden, der den Grafen von Ponthieu mehrmals um Harolds Freilassung bat und schließlich mit Waffengewalt drohte, so dass Guido (den Eadmer nicht beim Namen nennt) Harold in die Normandie schickte. Als er am Hof des Herzogs angekommen war, erklärte Harold
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seine Absicht, woraufhin Wilhelm ihm ein Angebot unterbreitete: Sollte Harold ihn unterstützen, englischer König zu werden, so würde er ihm seinen Neffen direkt mitgeben und seinen Bruder später freilassen, sobald Wilhelm englischer König geworden sei. Außerdem sollte Harold eine Tochter Herzog Wilhelms zur Frau nehmen, während Harolds Schwester mit einem normannischen Adligen verheiratet werden sollte. Harold sah keinen anderen Ausweg und stimmte zu. Er musste auf Reliquien schwören, die Vereinbarung einzuhalten, und konnte anschließend mitsamt seinem Neffen Hakon nach England zurückkehren. In Eadmers Schilderung konnte Wilhelm seinen Anspruch auf den Thron also aus einer Designation durch Eduard in der Vergangenheit ableiten, die aber nicht erneuert wurde. Harold seinerseits leistete dem normannischen Herzog zwar einen Eid, tat dies aber unter Zwang und fühlte sich später nicht daran gebunden. Was lässt sich nun aus den unterschiedlichen Berichten zu Harolds Reise in die Normandie ableiten? Zum einen lassen die überlieferten Quellen es nicht zu, die Reise, ihren Anlass und ihr Ergebnis sicher zu rekonstruieren. Zum anderen ist aber mit großer Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass sie stattgefunden hat, denn sie spielt in der normannischen Argumentation eine so zentrale Rolle, dass die Autoren sie einem Publikum, das sich noch selbst an die Ereignisse erinnern konnte, wohl kaum präsentiert hätten, wenn sie frei erfunden wäre. Wenig glaubwürdig ist hingegen, dass Harold Wilhelm Eide geleistet hat, um Eduards Designation zu bekräftigen und sich selbst zu verpflichten, für Wilhelms Nachfolge zu sorgen. Das liegt zum einen in der starken Stellung Harolds in den letzten Jahren von Eduards Herrschaft begründet. Die Besitzungen von Harold und seinen Brüdern standen denen des Königs nur wenig nach, außerdem hatte Harold gerade einen erfolgreichen Feldzug gegen Wales geführt. Johannes von Worcester bezeichnet ihn daher als «Unterkönig». Es ist weder vorstellbar, dass er Eduards Wunsch, Wilhelm zum Nachfolger zu bestimmen, teilte, noch dass er sich angesichts der Machtverhältnisse von Eduard befehlen ließ, Wilhelm Treue zu schwören. Daneben ist aber auch nicht davon auszugehen, dass Eduard
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13 Jahre lang an seiner Entscheidung festhielt, Wilhelm zu seinem Nachfolger zu machen. Es gibt – ganz im Gegenteil – eindeutige Hinweise darauf, dass er seine Meinung im Laufe der Zeit änderte. Kurz nach dem Tod von Earl Godwin entschied der König, seinen Namensvetter Eduard, den Sohn seines Halbbruders Edmund Eisenseite, aus dem Exil zurückzuholen, in das er 1017 von Knut dem Großen getrieben worden war. Eduard der Bekenner hatte Erzbischof Ealdred 1054 auf den Kontinent gesandt, wo er sich etwa ein Jahr lang bei Kaiser Heinrich III. und bei Erzbischof Hermann II. von Köln aufhielt. Johannes von Worcester setzt Ealdreds Aufenthalt im Reich in Verbindung mit der Aufgabe, Eduard den Exilanten, der inzwischen in Ungarn lebte, nach England zu holen, damit er Eduard dem Bekenner als König nachfolgen konnte. Es scheint zwar Verzögerungen gegeben zu haben, aber 1057 kam Eduard der Exilant tatsächlich nach England, starb allerdings kurz nach seiner Ankunft, ohne seinem Onkel begegnet zu sein. Eduard der Bekenner hatte also versucht, mit seinem gleichnamigen Neffen den letzten lebenden Sohn eines angelsächsischen Königs zu seinem Nachfolger zu bestimmen. Ob der Sohn des Exilanten, Edgar Ætheling, mit seinem Vater nach England kam, ist nicht überliefert. Über seinen Verbleib ist bis 1066 nichts bekannt, es ist aber wahrscheinlich, dass er unter dem Schutz König Eduards aufwuchs. Ebenso deutlich ist aber auch, dass Eduard keine großen Anstrengungen unternahm, Edgar Ætheling zu seinem Nachfolger aufzubauen. Kurz vor seinem Tod änderte Eduard seine Meinung erneut und designierte Harold zu seinem Nachfolger. In der Vita Edwardi heißt es, Eduard habe auf seinem Totenbett die folgenden Worte an Harold gerichtet: «Ich übergebe diese Frau [Edith] und das gesamte Königreich in deinen Schutz.» Es ist nicht eindeutig, ob Harold selbst die Krone nehmen oder das Königreich schützen sollte, um dann einem anderen auf den Thron zu verhelfen. Hätte der Autor, der diese Worte sehr wahrscheinlich 1066 oder 1067, in jedem Fall aber nach der Schlacht von Hastings schrieb, zum Ausdruck bringen wollen, dass Eduard Harold zum König designierte, so hätte er sich jedenfalls klarer
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ausdrücken können. Diese Mehrdeutigkeit war möglicherweise beabsichtigt. Zieht man in Betracht, dass die Lebensbeschreibung Eduards für seine Frau Edith geschrieben wurde und sehr nah an ihrer Sicht der Ereignisse liegen dürfte, so scheint die Betonung hier weniger auf der Designation zu liegen als vielmehr auf Ediths Wohlergehen, wie aus dem zweiten Teil des Satzes hervorgeht, den Eduard an Harold gerichtet haben soll: «Diene ihr [Edith] und ehre sie mit treuer Ergebenheit als deine Herrin und Schwester, die sie ist, und beraube sie nicht, solange sie lebt, irgendeiner Ehre, die sie von mir erhalten hat.» Das ist möglicherweise als Appell an Wilhelm den Eroberer zu lesen, der nicht dadurch verärgert werden sollte, dass Harold als rechtmäßiger Nachfolger Eduards dargestellt wurde. Dass es eine Designation gegeben hat, scheint aber unzweifelhaft, denn nicht nur englische Quellen informieren darüber, sondern auch Wilhelm von Poitiers. In seinen Gesta Guillelmi berichtet er, wie Harold im Vorfeld der Schlacht von Hastings einen Mönch als Boten zu Wilhelm schickte, um ihm mitzuteilen, dass Eduard ihn, Harold, auf seinem Totenbett zum Nachfolger designiert habe. Wilhelm von Poitiers hält diese Designation nicht für rechtens, weil nach normannischer Tradition ein einmal verfügtes Testament nicht rückgängig gemacht werden konnte, nicht einmal am Totenbett, während nach angelsächsischem Recht die letzten Worte eines Sterbenden jede frühere Regelung hinfällig machen konnten. Damit konnten sich beide im Recht fühlen: Wilhelm war der Ansicht, dass die frühere Designation bindend war, während aus Harolds Sicht Eduards letzte Worte zählten. Interessanterweise bestreitet der normannische Herzog in der Erzählung Wilhelms von Poitiers nicht, dass Harold einen Anspruch auf den Thron besitze, er geht nur davon aus, dass sein Anspruch der bessere sei. In seiner Antwort lässt er Harold deshalb mitteilen: «Ich bin bereit, meinen Fall gegen ihn vor Gericht darzulegen, entweder nach normannischem Recht oder nach englischem, ganz wie es ihm gefällt.» Diese Worte des normannischen Herzogs wie auch die gesamte Szene der Verhandlung mittels Boten unmittelbar vor der Schlacht von Hastings sind zweifellos ein literarisches Konstrukt. Sie zei-
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gen aber, dass Harold tatsächlich von Eduard designiert wurde, da Wilhelm von Poitiers zwar die Rechtmäßigkeit von Harolds Anspruch abstreitet, nicht aber den Vorgang der Designation. Harolds Usurpation
Eduard der Bekenner hatte also schon 1051 Herzog Wilhelm als seinen Nachfolger auserkoren, später auf seinem Totenbett aber Earl Harold designiert. Beide konnten daraus ihren Thronanspruch ableiten. Die frühere Designation ist dagegen sehr wahrscheinlich nicht von Harold bestätigt worden. Er ist zwar in die Normandie gereist, vermutlich im Jahr 1064, hat Wilhelm dort aber wohl keine Eide bezüglich der Nachfolge im Königtum geleistet. Die Eide dienten den normannischen Autoren vor allem dazu, Harold nach Eduards Tod als Betrüger darzustellen. Wilhelm von Jumièges tut das nur an einer Stelle explizit: Unmittelbar nach Eduards Tod habe Harold die Herrschaft an sich gerissen und damit aus seinem Treueid einen Meineid gemacht. Guido von Amiens formuliert die Vorwürfe deutlicher: Harold habe den Vertrag mit Wilhelm missachtet und sich einfach genommen, was Wilhelm zugestanden hätte. Er wird als falscher, berüchtigter und meineidiger König bezeichnet. Wilhelm von Poitiers stellt Harolds Meineid in den Mittelpunkt der normannischen Legitimationsstrategie. Er geht zweimal ausführlich auf die Eide, ihr Zustandekommen und ihren Inhalt ein und kommt im Verlauf seiner Darstellung immer wieder darauf zu sprechen. Er bezeichnet Harold mehrmals als Tyrannen und bezichtigt ihn an zwei Stellen explizit des Eidbruchs: Nach Eduards Tod habe «dieser verrückte Engländer» die Wahl nicht abwarten können, stattdessen den Königsthron besetzt und damit seinen Eid gebrochen. Am Ende der Schlacht wendet sich der Autor dann direkt an Harold und bezichtigt ihn erneut, die Krone in wortbrüchiger Weise an sich gerissen zu haben. Eadmer von Canterbury stellt Harold nicht als eidbrüchig dar, sondern spricht von einer unproblematischen Nachfolge, die auf Eduards Vorschlag beruhte. Er fasst aber die normannische Sichtweise prägnant zusammen: Die Franzosen, die an der
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Schlacht von Hastings beteiligt waren, behaupteten bis zum heutigen Tag, so Eadmer, dass ihr Sieg auf das wundersame Eingreifen Gottes zurückgehe, der damit Harolds Eidbruch bestraft habe. Wenn dieser Eidbruch nun aber, wie gezeigt wurde, vermutlich keine substantielle Grundlage hat, lässt sich dann der Vorwurf der normannischen Autoren, Harold habe die Königskrone unrechtmäßig erlangt, überhaupt aufrechterhalten? Der angebliche Meineid ist zwar eines der wichtigsten Argumente für Harolds Usurpation, aber nicht das einzige. Wilhelm von Poitiers stellt die Nachfolge als reine Akklamation dar, unterstützt nur von wenigen Männern; eine Wahl habe nicht statt gefunden. Damit würde die Zustimmung des englischen Adels fehlen, allerdings steht diese Aussage im Widerspruch zur Angelsächsischen Chronik (Handschrift E), wo es heißt: «Earl Harold folgte im Königreich nach, wie der König es ihm gewährt hatte, und außerdem haben ihn die Männer dazu gewählt, und er wurde zum König gesalbt.» Designation – Wahl – Salbung: Diese drei Elemente stellt die Peterborough-Chronik, die stets für die Familie Godwins Partei ergreift, als Harolds Legitimation heraus. Die übrigen Handschriften der Angelsächsischen Chronik (C und D) sprechen ebenfalls von der Designation und der Salbung, nicht jedoch von der Wahl. Nun sind die annalis tischen Aufzeichnungen oft sehr knapp und geben häufig nicht alle Aspekte einer Königserhebung wieder. Außerdem ist eine Salbung des Königs ohne Zustimmung der Großen des Reiches nicht vorstellbar. Da aber fast der gesamte angelsächsische Adel zur Weihe der Westminster Abbey nach London gekommen war und Eduards Beisetzung nur wenige Tage später stattfand, ist davon auszugehen, dass auch bei der Erhebung Harolds zum König am selben Tag ein Großteil des weltlichen und geistlichen Adels zugegen war und seine Zustimmung gab. Die Designation wird, wie bereits erwähnt, auch von Wilhelm von Poitiers nicht geleugnet, sondern lediglich als minderwertig eingestuft gegenüber der früheren Nachfolgeregelung, die Herzog Wilhelm als Erben vorsah. Ähnlich verfährt der Archidiakon auch hinsichtlich der Salbung, die er nicht bestreitet.
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Er behauptet aber, dass Erzbischof Stigand sie durchgeführt habe, und stuft sie deshalb als «unheilige Salbung» ein, da der Erzbischof exkommuniziert gewesen sei. Ob das der Fall war, ist zwar nicht sicher, Stigands Position als Erzbischof war aber zumindest nicht ganz unstrittig, so dass eine Königsweihe durch ihn anfechtbar gewesen wäre. Es ist deshalb wahrscheinlich, dass Harold in diesem Fall nicht wie sonst üblich vom Erz bischof von Canterbury gesalbt wurde, sondern von dessen Amtskollegen aus York. Johannes von Worcester berichtet denn auch, dass Erzbischof Ealdred die Salbung durchgeführt hat, und da Ealdred vor seiner Zeit als Erzbischof das Bistum Worcester innehatte und Johannes über lokale Informationen verfügt haben dürfte, ist diese Information glaubwürdig. Sie wird außerdem von der Chronik der Erzbischöfe von York bestätigt, die von einem anonymen Autor aus dem 12. Jahrhundert stammt. Es ist also davon auszugehen, dass Ealdred von York Harold zum König gesalbt hat. Mit seiner Behauptung, Stigand habe die Salbung durchgeführt, die von Ordericus Vitalis übernommen wird, wollte Wilhelm von Poitiers die Illegitimität von Harolds Herrschaft unterstreichen, schließlich war Stigand zum Zeitpunkt, als Wilhelm schrieb, bereits abgesetzt. Es gibt darüber hinaus auch Hinweise aus den ersten Jahren von Wilhelms Herrschaft, die erkennen lassen, dass Harold als König angesehen wurde. In einer Urkunde Wilhelms für Eustachius von Boulogne aus dem Jahr 1067 wird Harold als «König» bezeichnet, und auch Wilhelm von Poitiers, der Harold jegliche Legitimierung abspricht, bezeichnet ihn doch gelegentlich als rex. In der Summe kann Harold demnach als rechtmäßiger König angesehen werden, die Usurpation ist als Konstrukt normannischer Autoren einzuschätzen. Diese Interpretation, die Harolds Königtum geradezu ausradiert und Wilhelms Herrschaft unmittelbar an Eduard den Bekenner anknüpfen lässt, muss aus der Zeit ihrer Entstehung verstanden werden. Zwischen 1068 und 1075 war der Widerstand gegen Wilhelms Herrschaft am größten, in dieser Zeit schrieben Wilhelm von Jumièges, Wilhelm von Poitiers und Guido von Amiens ihre Werke. Ihre Interpretation zielte möglicherweise
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auch auf Edgar Ætheling, der sich zeitweise in Flandern aufhielt und Verbindungen zum französischen König hatte. Er lebte ab 1074 am normannischen Hof und pflegte gute Beziehungen zu Wilhelms Sohn Robert Kurzhose. Edgar blieb durch seine Herkunft eine Bedrohung für den englischen König, was sich nicht zuletzt daran zeigt, dass er 1086 Wilhelms Hof verließ, weil ihm nicht genug Ehre entgegengebracht wurde. Die normannische Interpretation der Ereignisse von 1066 könnte ihm – und allen, die ihn unterstützen wollten – deutlich vor Augen geführt haben, wie König Wilhelm einen Usurpator behandelte. Sie legitimierte aber vor allem Wilhelms Königtum und sein striktes Vorgehen gegen alle, die seine Herrschaft nicht akzeptieren wollten. Am Ende von Wilhelms Herrschaft hat sich die Verleugnung von Harolds Königtum verfestigt. Im Domesday Book (siehe S. 106) ist der Bezugspunkt für die Besitzverhältnisse vor Wilhelms Herrschaft «der Tag, an dem König Eduard am Leben und tot war», meist abgekürzt zu «in der Zeit König Eduards» (tempore regis Eadwardi, T. R. E.). Die Änderungen in den Besitzverhältnissen, die Harold vorgenommen hatte, wurden 1086 also nicht berücksichtigt. Die Normannen ignorierten seine Herrschaft in ihren Aufzeichnungen, Harolds Königtum wurde geradezu ausgelöscht.
Folgen der Eroberung
Land und Leute
Das Weihnachtsfest des Jahres 1085 verbrachte Wilhelm der Eroberer in Gloucester und hielt dort Hof. Anschließend, so die Angelsächsische Chronik (E), machte er sich viele Gedanken und hatte intensive Diskussionen mit seinen Ratgebern über dieses Land – wie es bewohnt war oder mit welchen Menschen. Dann entsandte er seine Männer in jedes einzelne Shire Englands, um herauszufinden, wie viele Hun-
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Folgen der Eroberung
derte von Hufen es in dem Shire gab oder welchen Grundbesitz und welches Vieh der König in diesem Land besaß oder welche Abgaben ihm jährlich von diesem Shire zustanden. Er ließ auch notieren, wie viel Land seine Erzbischöfe besaßen und seine Bischöfe und Äbte und Earls und – obwohl ich es zu ausführlich berichte – was oder wie viel Land oder Vieh jeder Mann hatte, der Land besaß in England, und wie viel Geld es wert war. Er ließ es so gründlich prüfen, dass es nicht eine einzige Hufe gab, nicht ein Yard Land, nicht einmal (es ist beschämend, es zu sagen – obwohl es für ihn keine Schande gewesen zu sein scheint, es zu tun) einen Ochsen, eine Kuh, ein Schwein, die nicht berücksichtigt wurden, die nicht in seinem Bericht festgehalten wurden. Und anschließend wurden alle Berichte zu ihm gebracht.
Die Zusammenfassung dieser Berichte wurde später «Domesday Book» genannt – Buch des Jüngsten Gerichts –, weil die Aufzeichnungen über den Landbesitz in juristischen Streitfällen als letzte Instanz genutzt wurden. Die Zeitgenossen nannten es das «Buch von Winchester» oder die «Beschreibung von England» oder auch einfach nur das «Buch des Königs». Der Grund für eine so ausführliche Aufstellung, die mit viel Aufwand verbunden war, liegt in einer Krise desselben Jahres. Der dänische König Knut, Sohn von Sven Estridsen, war 1085 ein Bündnis mit seinem Schwager, Graf Robert von Flandern, eingegangen, um England zu erobern. Die Situation scheint sehr bedrohlich gewesen zu sein, denn der englische König brachte eine große Zahl von normannischen und bretonischen Kriegern nach England. Das Heer sei, wie die Angelsächsische Chronik (E) versichert, größer gewesen als jedes andere, das zuvor ins Land gekommen sei, und so hätten sich die Menschen in England gefragt, wie man ein solches Heer unterhalten könne. Wilhelm verteilte die Ritter und Fußsoldaten über sein ganzes Königreich, und jeder musste im Verhältnis zu seinem Landbesitz einen Teil des Heeres versorgen. Als die dänisch- flandrische Flotte ausblieb, weil es in Dänemark zu Streitigkeiten zwischen Knut und seinem Bruder Olaf gekommen war, entließ Wilhelm einige Söldner, behielt aber einen Teil im Land. Es ist daher möglich, dass Wilhelm wissen wollte, wie viel Geld der Krone
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von welchem Landgut zustand, um die Erhebung von Steuern effizienter gestalten zu können. Außerdem ist bei der Verteilung der Söldner über das ganze Land wahrscheinlich aufgefallen, wie ungenau die Kenntnisse zu den einzelnen Landgütern waren, was wohl zu der umfassenden Untersuchung angeregt hat. Die Beauftragten des Königs reisten durch das Land und hatten eine Liste mit Fragen dabei, von der eine Kopie in Ely überliefert ist. Sie fragten nach dem Namen des Ortes und seinem Besitzer, wie groß der Grundbesitz war und wie viele Leute dort wohnten und arbeiteten, sowohl Freie als auch Leibeigene. Es sollte herausgefunden werden, wie viele Wälder, Wiesen und Weiden es gab und wie viele Mühlen und Fischteiche vorhanden waren. Außerdem wurde der Gesamtwert des Grundbesitzes ermittelt. Das Ganze wurde nicht nur für den aktuellen Zustand zur Zeit der Befragung dokumentiert, sondern auch für die Zeit König Eduards – also vor der Eroberung von 1066 – und für den Zeitpunkt der Besitzübertragung durch König Wilhelm. Schließlich wurde auch notiert, ob das Land mehr Abgaben erwirtschaften könnte als derzeit. Um auszuschließen, dass falsche Angaben gemacht wurden, nahmen die Untersuchungs beauftragten dem Sheriff und den Grundbesitzern sowie den Priestern, Vögten und sechs Bewohnern eines jeden Bezirks Eide ab. Es wurde namentlich verzeichnet, wer einen Eid leistete – insgesamt finden sich im Domesday Book rund 60 000 Zeugenaussagen. Die Untersuchung konnte sehr schnell abgeschlossen werden, was darauf hindeutet, dass es sowohl auf der Ebene der Shires als auch bei den einzelnen Grundherren vermutlich Aufzeichnungen gegeben hat, die heute verloren sind. Außerdem dürften zumindest die bedeutendsten Grundherren ebenfalls von der Untersuchung profitiert haben, da ihr Besitz genau festgehalten wurde. Die Ergebnisse der Untersuchung wurden nach Shires sortiert aufgezeichnet. Ursprünglich war vermutlich nur ein Band als Endprodukt vorgesehen, es entstanden aber zwei Bände. Das kleine Domesday Book (benannt nach dem kleineren Format) umfasst nur die Shires Essex, Norfolk und Suffolk in Ostang lien. Es ist allerdings sehr ausführlich und stellte vermutlich eine
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Folgen der Eroberung
Vorstufe zum eigentlich vorgesehenen Abschlussbericht dar, wie er im großen Domesday Book für die übrigen Shires vorliegt. Allerdings wurde nicht ganz England erfasst: Northumberland fehlt ebenso wie London und Winchester. Insgesamt wurden aber mehr als 13 000 Orte in 34 Shires aufgeführt. Das Prinzip des Domesday Book wurde bereits im Frühmittelalter auf dem Kontinent angewendet, dort aber nur für den Besitz einzelner Klöster. Eine Aufstellung dieser Größenordnung findet sich im mittelalterlichen Europa ansonsten nicht. Moderne Historiker können aus den Angaben im Domesday Book Aussagen über wirtschaftliche Verhältnisse und soziale Beziehungen im England der Eroberungszeit ableiten. So bildet sich in der Sortierung des Domesday Book nach Shires ein Wandel in der Struktur des Reiches ab. Die Shires gewannen an Bedeutung auf Kosten der Earldoms. Earls waren oft nur noch für bestimmte Shires zuständig, nicht mehr für große Regionen; «Earl» wurde zunehmend zum Ehrentitel. Die Aufgaben der Earls übernahmen mehr und mehr die Sheriffs. Sie waren kö nigliche Verwalter, und ihr Handeln gab oft Anlass zu Klagen. Die Hierarchie des Königreichs war straffer geworden. An der Spitze stand der König, der über relativ wenige Vermittler Aufgaben und Dienste an seine Untergebenen weiterreichte. Da nicht nur der Zustand zum Zeitpunkt der Befragung erhoben wurde, sondern auch die Besitzverhältnisse vor der Eroberung, lässt sich am Domesday Book gut ablesen, wie stark sich der Adel gewandelt hatte. Die Hälfte des Landes war 1086 im Besitz weltlicher Adliger, die im Zuge der Eroberung ins Land gekommen waren. Englische Grundherren besaßen dagegen nur rund fünf Prozent des Landes. Vom restlichen Land hielt der König etwa ein Fünftel selbst, die Kirche rund ein Viertel. Der größte Teil des Landes gehörte zwanzig Jahre nach der Eroberung also neuen Herren. Die angelsächsischen Besitzer waren entweder gestorben oder enteignet worden. Man kann daher aus gutem Grund von einem Elitenaustausch sprechen. Das Domesday Book erlaubt zudem Aussagen über die Bevölkerungszahlen, auch wenn nicht das gesamte Land in den Aufzeichnungen erfasst wurde. Es ist errechnet worden, dass im
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England des 11. Jahrhunderts etwa zwei bis zweieinhalb Millionen Menschen lebten. Davon waren nur etwa 20 000– 25 000 Franci, also Normannen und andere Franzosen, die bei oder nach der Eroberung nach England gekommen waren. Nur rund 250 Normannen besetzten alle führenden Positionen. Die Eroberer konnten das Land also mit einer kleinen Elite beherrschen. Kann man deshalb «von einer Art kolonialer Fremdherrschaft der normannischen Eroberer über England» (Houben) sprechen? Die königliche Herrschaft war – wie im übrigen Europa auch – eine Reiseherrschaft, der König zog also mit seinem Hof im Reich umher. Grund dafür ist, dass der König in erster Linie über Menschen herrschte, nicht über Land. Um seine Herrschaft durchzusetzen, musste er daher Präsenz zeigen. Für ein zweigeteiltes Reich, wie Wilhelm es durch die normannische Eroberung geschaffen hatte, ergaben sich daher Probleme, allerdings sollte man den Ärmelkanal als trennende Wasserscheide nicht überbewerten. Zwischen Rouen und London dürfte die Kommunikation in der Regel nicht schwieriger oder langsamer gewesen sein als etwa zwischen London und York. Wilhelm hat sich dementsprechend immer wieder in beiden Teilen seines Herrschaftsraums aufgehalten, eine «normannische Kolonie» war England also nicht. War Wilhelms Königtum dann eine «Fremdherrschaft»? Burgen und Kirchen
Ein Indiz, das für eine normannische Fremdherrschaft spricht, ist der Bau von Burgen. Bereits kurz nach der Landung der Eroberungsflotte hatte Wilhelm damit begonnen, die ersten be festigten Lager zu errichten. Während diese aus Erdwällen und Holzpalisaden bestehenden Festungen eher der militärischen Eroberung dienten, indem sie eine Verteidigungsmöglichkeit für das Heer boten, hatten die ersten Burgen, die Wilhelm errichten ließ, einen anderen Charakter (siehe dazu auch oben, S. 76). Die Festungen in London, Dover, Exeter, York und an anderen Orten dienten vor allem dazu, den Widerstand in diesen Orten entweder zu brechen oder erst gar nicht aufkommen zu lassen.
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In den folgenden Jahren überzogen die Normannen England mit einem Netz von Burgen, die sowohl eine militärische Funktion als auch eine symbolische Wirkung hatten. Sie sollten die Engländer beeindrucken und ihnen deutlich sichtbar vor Augen führen, wer das Land beherrschte. Vor allem aber boten sie den neuen Herren Schutz im Verteidigungsfall. Dabei lässt sich ein deutlicher Unterschied zur angelsächsischen Zeit ausmachen, denn vor der Eroberung hat es in England praktisch keine Burgen gegeben. Die Verteidigung war gemeinschaftlich organisiert, man zog sich in befestigte Städte zurück und hatte dort gegebenenfalls einen Stützpunkt. Die neuen normannischen, bretonischen oder französischen Grundherren bauten dagegen Turmhügelburgen, die auf einem künstlich aufgeschütteten Erdhügel errichtet wurden und mit einer Vorburg versehen waren, oder Häuser mit ringförmigen Befestigungsanlagen in Form von Gräben, Umzäunungen oder Mauern, die als Zentrum ihres Grundbesitzes dienten. Im Verteidigungsfall boten sie ihnen und ihren Familien Schutz, nicht aber der Land- oder Dorfbevölkerung. Die Dimension des Burgenbaus lässt sich am Domesday Book ablesen, in dem rund 500 Turmhügelburgen verzeichnet sind. Die Eroberer bauten nicht nur Burgen, sondern waren auch beim Kirchenbau aktiv. Nahezu jede größere Kirche in England wurde umgebaut oder ganz ersetzt. Dabei bediente man sich des romanischen Stils, in dem in England bisher nur eine Kirche errichtet worden war: die Westminster Abbey, deren Bau auf die Initiative von Eduard dem Bekenner zurückging. Robert von Jumièges, den Eduard nach England geholt hatte, war entscheidend am Umbau der Kirche Notre Dame in Jumièges beteiligt und könnte die Umgestaltung der Westminster Abbey angestoßen haben. Sie war die einzige romanische Kirche in England vor der normannischen Eroberung. Nach 1066 gab es dann einen regelrechten Bauboom. Die normannischen Bischöfe und Äbte setzten die Ressourcen ihrer neuen Ämter ein, um größere und dem aktuellen Geschmack entsprechende Kirchen zu errichten. In den letzten drei Jahrzehnten des 11. Jahrhunderts wurden die Bischofskirchen von Canterbury, York, Bath, Durham, Lincoln, London, Norwich, Rochester, Salisbury, Winchester
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und Worcester im romanischen Stil umgebaut. Der architektonische Umbruch war so eng mit den Normannen verbunden, dass man die Romanik in England als «Norman Style» bezeichnete. Es gibt aber auch eine beträchtliche Zahl von einfachen Kirchen, die um- oder neu gebaut wurden. Diese Entwicklung wurde nicht durch die normannische Eroberung ausgelöst oder beschleunigt, sondern begann bereits in angelsächsischer Zeit und hat Parallelen im übrigen Europa. Der Bau von Pfarrkirchen trug zur Verbreitung und Durchdringung der kirchlichen Strukturen auf dem Land bei. Die Priester dieser Landkirchen waren ebenso wie die Mönche und sonstigen Kleriker fast ausnahmslos Engländer. In der breiten Masse der Geistlichkeit gab es also eine Kontinuität über die normannische Eroberung hinweg, ganz anders als auf der obersten Ebene der englischen Kirche, denn dort gab es zu Beginn der 1070 er Jahre einen personellen Umbruch. Papst Alexander II. schickte im Jahr 1070 Legaten nach England, die mehrere Synoden abhielten. Es wurde entschieden, sowohl Erzbischof Stigand (siehe S. 92) abzusetzen als auch seinen Bruder, Bischof Æthelmær von Elmham, sowie Bischof Æthelric von Selsey. Stigands Absetzung ist kirchenrechtlich abgesichert, die Gründe für Æthelmærs Verurteilung sind unbekannt, während der Papst die Begründung für die Absetzung von Æthelric später als unzureichend einschätzte. Gegen einen weiteren Bischof, Leofwine von Lichfield, waren Vorwürfe erhoben worden, er habe Frau und Kind, woraufhin er sich im Vorfeld der Synoden zu König Wilhelm begab, sein Amt niederlegte und sich in das Kloster Coventry zurückzog, in dem er ausgebildet worden war. Erzbischof Ealdred von York war außerdem im September 1069 gestorben. Bischof Æthelwine hatte sein Bistum Durham 1070 verlassen und sich im folgenden Jahr den Aufständischen in Ely angeschlossen. Dort wurde er gefangen genommen und in Abingdon inhaftiert, wo er im Winter 1071 / 1072 starb. Alle frei gewordenen Bischofssitze vergab Wilhelm an Normannen, ebenso die beiden Erzbistümer Canterbury und York. Der einzige englische Bischof, der die ge-
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samte Herrschaftszeit von Wilhelm im Amt blieb, war Wulfstan von Worcester. Erzbischof von Canterbury wurde der zwischen 1005 und 1010 geborene Lanfranc, einer der gelehrtesten Männer seiner Zeit. Er stammte aus Pavia in der Lombardei, verließ Italien aber zu einem unbekannten Zeitpunkt, arbeitete als Lehrer in Burgund und im Loiretal, bis er schließlich in die Normandie kam, wo er um 1039 Leiter der Kathedralschule von Avranches wurde. Etwa drei Jahre später wurde er Mönch und trat in das Kloster Bec ein. Ab 1045 war er dort Prior und leitete eine neu eingerichtete Schule, die bald einen hervorragenden Ruf weit über die Grenzen der Normandie hinaus genoss. 1063 gründete Herzog Wilhelm die Abtei Saint-Étienne in Caen und machte Lanfranc zum ersten Abt dieses Klosters. Als Erzbischof von Canterbury machte Lanfranc sich in drei Konzilien zwischen 1072 und 1076 daran, einige Reformen durchzusetzen, die seit der Mitte des Jahrhunderts von den Päpsten gefordert und zunehmend umgesetzt wurden. Dazu gehörte beispielsweise der Zölibat, der in der Praxis nur von den Geistlichen mit höheren Weihen beachtet wurde – allerdings nicht von allen. Nun wurde es den Priestern verboten zu heiraten, und die Bischöfe durften keine verheirateten Männer zu Priestern weihen. Ähnliche Vorschriften galten für Kanoniker, also Geistliche, die an einer Kirche in Gemeinschaft lebten, aber kein Mönchsgelübde abgelegt, sich also nicht von der Welt abgewandt hatten. Lanfranc zeigte sich dabei durchaus kompromissbereit, denn Priester, die bereits in einer Ehe lebten, wurden nicht von ihren Frauen getrennt. Ein weiteres Reformziel war die Beseitigung der Simonie. Dieser Begriff bezeichnet den Kauf von geistlichen Ämtern und den Vollzug liturgischer Handlungen, beispielsweise einer Priesterweihe, gegen Bezahlung. Die Reformen in der englischen Kirche wurden durch die normannische Eroberung und besonders durch die Aktivitäten von Erzbischof Lanfranc beschleunigt und haben ihr Vorbild in der Normandie, wo im 11. Jahrhundert bereits ähnliche Reformen umgesetzt worden waren. Die englischen Reformkonzilien der 1070 er Jahre greifen aber auch Tendenzen auf, die in der
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gesamten Kirche der lateinischen Christenheit dieser Zeit für wichtig erachtet wurden. Spätere Chronisten wie Wilhelm von Malmesbury beklagten den Zustand der angelsächsischen Kirche zur Zeit Eduards des Bekenners und sahen die Kirchenreform als ein Motiv Wilhelms für seine Eroberung, die sie damit rechtfertigten. Dass die angelsächsische Kirche in der Mitte des 11. Jahrhunderts in einem desolaten Zustand war und durch die Reformen unter der Herrschaft Wilhelms wieder aufblühen konnte, ist aber eine Überzeichnung, die so nicht haltbar ist. Sprache und Identität
Um die Mitte des 11. Jahrhunderts waren am angelsächsischen Königshof zahlreiche Sprachen zu hören. Neben Altenglisch wurde seit der Eroberung Knuts des Großen auch Altnordisch gesprochen, möglicherweise auch von den Söhnen Earl Godwins, die es von ihrer dänischen Mutter gelernt haben könnten. Eduard der Bekenner beherrschte mit Sicherheit Altfranzösisch, das auch von den Normannen am englischen Königshof verwendet wurde. Einzelne Unterhaltungen könnten auch auf Bretonisch und Flämisch sowie von Lothringern in westfränkischen Dialekten geführt worden sein. Die vorherrschende Sprache am Hof war aber das Altenglische, ebenso wie im gesamten Königreich – auch wenn sich im Nordosten durch die skandinavischen Einwanderer das Altnordische noch gehalten hatte und es im Westen walisische und kornische Muttersprachler gab. Als Schriftsprache diente neben Latein eine standardisierte Form des Altenglischen, in dem zahlreiche Texte überliefert sind – neben der Angelsächsischen Chronik auch Heiligenviten, literarische Werke und Urkunden des Königs. Nach der Eroberung wurde Altfranzösisch die vorherrschende Sprache am Königshof und im Adel, während die übrige Bevölkerung weiterhin Altenglisch sprach. Dadurch wurde Sprache auch zu einem Kennzeichen politischer, sozialer und kultureller Trennung. Die vorherrschende Schriftsprache war nun Latein, wodurch Altenglisch immer seltener verwendet wurde, auch wenn man es nicht sofort aufgab. Im Kloster Peterborough
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wurde die Angelsächsische Chronik (E) beispielsweise noch bis 1133 in standardisiertem Altenglisch fortgeführt und danach bis 1154 in einem lokalen Dialekt weitergeschrieben. Es ist aber falsch anzunehmen, dass Altenglisch als Schriftsprache ausstarb und sich das geschriebene Mittelenglisch im 13. Jahrhundert aus der Umgangssprache neu entwickelte. Denn es wurden das ganze 12. Jahrhundert hindurch altenglische Texte kopiert. Außerdem finden sich immer wieder Handschriften mit altenglischen Anmerkungen, die den lateinischen Text erläutern oder übersetzen. Solche Glossen sind nur dann möglich, wenn es noch Schreiber gab, die Altenglisch verstanden. Es ist auch nur dann sinnvoll, solche – teils sehr aufwendig gestalteten – Handschriften zu produzieren, wenn sie auch verwendet wurden. Das dürfte beispielsweise beim Eadwine-Psalter der Fall sein, der um 1160 in Canterbury entstand. Diese Handschrift mit den Psalmen aus dem Alten Testament enthält neben dem lateinischen Text Erläuterungen auf Altenglisch und Altfranzösisch und außerdem zahlreiche großformatige Illustrationen. Die Mönche, die diesen repräsentativen Kodex herstellten, müssen also Altenglisch beherrscht haben. Und sie werden den Aufwand für die Anmerkungen nicht betrieben haben, nur um das Altenglische zu konservieren. Altenglisch dürfte also auch als Schriftsprache zumindest gelegentlich benutzt worden sein, hielt sich aber vorwiegend als gesprochene Sprache. Bemerkenswert ist, dass der anglo-normannische Adel am Ende des 12. Jahrhunderts Englisch als Muttersprache benutzte. Dabei beeinflusste das Französische die englische Sprache und erweiterte vor allem dessen Wortschatz. Ein bekanntes Beispiel sind die unterschiedlichen Bezeichnungen für das lebendige Vieh und das zum Essen zubereitete Fleisch: cow und beef (von französisch bœuf) für Rind und Rindfleisch, sheep und mutton (von französisch mouton) für Schaf und Schaffleisch, pig und pork (von französisch porc) für Schwein und Schweinefleisch. Das spiegelt auch die sozialen Verhältnisse wider: Die englischen Produzenten kümmerten sich um das Vieh, die normannischen Konsumenten aßen das Fleisch. Die Anpassung der Normannen betrifft aber nicht nur die
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Sprache. Allgemein wird davon ausgegangen, dass rund 100– 150 Jahre nach der Eroberung die Integration der Normannen beziehungsweise die Angleichung von Normannen und Engländern abgeschlossen war. Eine normannische Identität war im England des 13. Jahrhunderts nicht mehr vorhanden. Es ist allerdings nicht einfach, diesen komplexen Prozess in seiner Gänze zu erfassen und angemessen zu beschreiben. Das liegt allein schon daran, dass man zu keiner Zeit von der normannischen oder englischen Identität sprechen kann. Man darf sich Identitäten nicht als konstante und eindeutig abgrenzbare Einheiten vorstellen. Ein kollektives Bewusstsein entsteht oder verstärkt sich meist in Abgrenzung zu einer andersartigen Gruppe. Im Anschluss an die Eroberung stehen sich deshalb norman nische und englische Identitäten recht eindeutig gegenüber. Im Verlauf des 12. Jahrhunderts führten Abgrenzungen gegenüber dem jüdischen, keltischen oder französischen anderen zu einer stärkeren Identifizierung mit dem eigenen «Englischen», und zwar quer durch alle Bevölkerungsschichten. Die deutlich größere Zahl von Engländern gegenüber Normannen war ein Grund dafür, dass ein englisches Kollektivbewusstsein erhalten blieb. Ein wichtiger Kristallisationspunkt für die englische Identität war die Heiligenverehrung. Die Beständigkeit von Kulten angelsächsischer Heiliger scheint für die Durchsetzung der englischen Identität gegenüber der normannischen eine größere Rolle gespielt zu haben als die Sprache. An Wilhelm von Malmesbury wird deutlich, dass eine einfache Kategorisierung in «Engländer» und «Normannen» schon in der Generation, die auf die Eroberung folgte, nicht möglich ist. Er betont, dass er Wilhelm den Eroberer nicht einseitig negativ oder positiv beschreiben wolle, wie das die Engländer und Normannen bisher getan hätten, sondern stattdessen einen Mittelweg gewählt habe. Er begründet das ausdrücklich damit, dass er sowohl englischer als auch normannischer Herkunft sei. Er scheint sich auf den ersten Blick aber mehr mit der englischen Seite zu identifizieren oder zu solidarisieren, denn er bezeichnet die Schlacht von Hastings als «Schicksalstag für England, eine unheilvolle Zerstörung unseres geliebten Landes», und beklagt,
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«dass England eine Wohnstätte von Ausländern und ein Betätigungsfeld für Herrscher fremder Herkunft» geworden sei. Andererseits übt Wilhelm aber scharfe Kritik an dem Lebenswandel der Engländer vor der Eroberung: «Gemeinsames Trinken war weit verbreitet, und in dieser Vorliebe machten die Engländer keinen Unterschied zwischen Tag und Nacht. […] Das Haar kurz, das Kinn rasiert, die Arme voll mit goldenen Armbändern, die Haut tätowiert mit farbigen Mustern, aßen sie, bis ihnen schlecht wurde, und tranken, bis sie sich übergeben mussten.» Wilhelm stellt die Engländer in einem drastisch negativen Licht dar, um zu verdeutlichen, dass die Eroberung aufgrund des unanständigen Lebenswandels der Engländer zu Recht erfolgt sei. In ähnlicher Weise beklagt Wilhelm auch die Zustände in der Kirche, die sich durch die Normannen entscheidend gewandelt hätten: «Das Niveau der Religion, überall in England am Boden, wurde durch die Ankunft der Normannen gehoben; du siehst überall Kirchen in Dörfern, in kleinen und großen Städten wachsen Klöster in einem neuen Architekturstil in die Höhe. Und mit der neuen Religionsausübung blüht unser Land.» Wilhelm sah sich in erster Linie als Mann der Kirche. Wilhelm von Malmesbury war, ebenso wie Ordericus Vitalis und Heinrich von Huntingdon, das Kind einer Mischehe. Für die allmähliche Verflechtung von Engländern und Normannen spielten solche Mischehen eine wichtige Rolle. In den 1170 er Jahren behauptet Richard fitzNigel, der Leiter des Schatzamtes (exchequer), dass sich die beiden Nationen durch gegenseitige Heiraten vermischt hätten, so dass man Normannen und Engländer kaum voneinander unterscheiden könne. Daneben spielte sich der gegenseitige kulturelle Austausch vor allem in der Kirche ab, während der Adel eher an kontinentaler Kultur festhielt. Erleichtert wurde die Verflechtung von Normannen und Engländern durch die kulturellen Gemeinsamkeiten, vor allem die christlich-lateinische Religion. Durch eine Vielzahl von Ideen, Bildern und Institutionen dachten die Nachkommen der Eroberer allmählich von sich selbst mehr und mehr als Engländer, wenn auch als Engländer mit normannischen Wurzeln. Die englische Identität hat also nicht einfach die normannische Erobe-
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rung überlebt und bestand ungeachtet der normannischen Fremdherrschaft fort, vielmehr ist sie mit normannischen Einflüssen und in Abgrenzung zu anderen Kulturen in einer neuen englischen Identität aufgegangen. 1066 – ein Epochenjahr?
Die normannische Eroberung hatte weitreichende Folgen, und zwar für England selbst, für das Verhältnis des englischen Königreichs zu den übrigen europäischen Reichen und auch für Europa insgesamt. Durch die normannische Eroberung entfernte England sich in politischer und kultureller Hinsicht von Skandinavien. Seit dem Beginn der Wikingereinfälle hatte es zwischen den britischen Inseln und dem Westen der skandinavischen Halbinsel einen intensiven gegenseitigen Austausch gegeben. Diese Verbindung brach zwar nicht unmittelbar nach der Eroberung, aber doch sehr bald ab. Die missglückte norwegische Invasion von Harald dem Harten markiert das Ende der «Wikingerzeit». Zwar gab es auch später noch Versuche, England von Skandinavien aus zu erobern, aber das letzte derartige Vorhaben konnte der dänische König Knut 1085 nicht in die Tat umsetzen. Gleichzeitig mit der Abkehr vom skandinavischen Raum gab es nun aus offensichtlichen Gründen eine Hinwendung zum Kontinent. Auch hier stellt 1066 keine absolute Trennlinie dar, es hat auch vorher vielfältige Kontakte besonders zum nordfranzösisch-flandrischen Raum gegeben. Aber die Beziehungen gerade zu Frankreich wurden nun intensiver und komplexer. Das liegt auch darin begründet, dass die Normandie ein Teil des französischen Königreichs war. Im 11. Jahrhundert hatte der normannische Herzog dabei oft sehr eigenständig agieren können, der Einfluss des Königs von Frankreich war weitgehend auf die Krondomäne um Paris begrenzt. Im 12. Jahrhundert konnten die französischen Könige ihren Einflussbereich dagegen ausweiten. Außerdem kam der englische König Heinrich II., der über seine Mutter Mathilde von den anglo- normannischen Königen abstammte, aus dem Anjou. Die Gra-
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fen von Anjou und die Herzöge der Normandie blickten auf eine lange Konkurrenz zurück. Heinrich II. erbte von seinem Vater die Grafschaft Anjou und war gleichzeitig Herzog der Normandie und Graf von Maine. 1152 heiratete er Eleonore, die Erbin des Herzogtums Aquitanien im Südwesten Frankreichs, deren Ehe mit dem französischen König kurz zuvor annuliert worden war. Als Heinrich II. schließlich 1154 König von England wurde, herrschte er zugleich auch über etwa zwei Drittel Frankreichs. Er war besonders in seiner Grafschaft Anjou verwurzelt und verstand sich in erster Linie als angevinischer Herrscher. Sein Sohn Richard Löwenherz, der ihm auf den Thron folgte, hatte seine Interessenschwerpunkte in Aquitanien, wo er aufgewachsen war. Johann Ohneland, Richards jüngerer Bruder, der 1199 englischer König wurde, bekam die kontinentalen Besitzungen vom französischen König, der sein Lehnsherr war, bestätigt. Zwei Jahre später allerdings strengte Philipp II. von Frankreich einen Prozess gegen Johann an und warf ihm vor, seine Lehnspflichten vernachlässigt zu haben. Die Normandie, die schon unter Heinrich II. nur noch eine von mehreren englischen Besitzungen auf dem Festland war und nicht mehr die wichtigste Rolle gespielt hatte, musste Johann Ohneland 1204 ebenso an den französischen König abtreten wie das Anjou und den nördlichen Teil des Poitou mit seinem Zentrum, der Stadt Poitiers. Nur Aquitanien und das südliche Poitou unterstanden Johann noch. Mit dem Verlust der Normandie endete auch die 1066 geschaffene anglo-normannische Verbindung. Das lag vor allem daran, dass Philipp II. von Frankreich alle normannischen Adligen, die in England waren, dazu zwang, in die Normandie zurückzukehren, wenn sie nicht ihre normannischen Besitzungen verlieren wollten. Johann verbot in Reaktion darauf dem englischen Adel jeglichen Landbesitz in der Normandie. Das Band zwischen England und der Normandie, das auch dadurch gefestigt worden war, dass es Adlige mit Landbesitz beiderseits des Ärmelkanals gab, war nun zerschnitten. In der Rückschau markiert das Jahr 1066 einen wichtigen Einschnitt oder Wendepunkt, der mehrere weitreichende Kon-
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sequenzen hatte, die es ohne die normannische Eroberung nicht gegeben hätte. Für die Zeitgenossen war 1066 mit Sicherheit ein turbulentes Jahr, aber es war nicht absehbar, welche Folgen sich aus den Ereignissen ergeben würden. Es war in den ersten Jahren nach 1066 nicht einmal klar, ob die normannische Eroberung von Dauer sein würde. Schon die Nachfolgeregelung Wilhelms des Eroberers hätte zu einer dauerhaften Trennung zwischen England und der Normandie führen können, denn sein ältester Sohn Robert Kurzhose wurde Herzog der Normandie, während der zweitgeborene Wilhelm den englischen Königsthron bestieg. Erst dem jüngsten Sohn, Heinrich I., gelang es nach dem Tod Wilhelms, die beiden Herrschaftsbereiche wieder zu vereinen, indem er in der Schlacht von Tinchebray (1106) seinen älteren Bruder Robert schlug und für den Rest seines Lebens in Haft nahm – Robert starb 1134. Es sind die langfristigen Folgen, die 1066 zum Epochenjahr machen. Das wird besonders deutlich im Kontrast zur dänischen Eroberung von 1016. Hätten Knuts Söhne die Herrschaft über England und Dänemark verstetigen können, dann wäre 1016 möglicherweise die wichtigere Zäsur geworden. Und wenn es Heinrich I. nicht gelungen wäre, seinem Bruder die Normandie zu entreißen, wäre die anglo-normannische Herrschaft eine relativ kurze Periode von gut zwanzig Jahren geblieben, vergleichbar mit der Herrschaftszeit Knuts des Großen. Diese Gedankenspiele verdeutlichen, dass die epochemachende Wirkung der normannischen Eroberung sich erst in langfristiger Perspektive zeigt. Für die meisten Menschen im England des späten 11. Jahrhunderts dürften die Kontinuitäten überwogen haben. Betrachtet man den Austausch der weltlichen und geistlichen Eliten, den Bau von Burgen und Kirchen oder den Sprachwandel, so entsteht der Eindruck, dass die normannische Eroberung erhebliche Auswirkungen auf die englische Gesellschaft hatte oder gar einen deutlichen Bruch markiert. Dieser Eindruck ist nicht falsch, aber er gibt nur einen Ausschnitt des Gesamtbildes wieder. Wendet man den Blick von den Eliten auf die unteren Bevölkerungsschichten, sind die Folgen der Eroberung weniger
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deutlich. Die Landbewohner sprachen weiterhin Altenglisch und gingen in ihre Kirche, wo der Gottesdienst in aller Regel von einem englischen Priester gefeiert wurde. Sie entrichteten ihre Abgaben dem Grundherrn – ob der nun Engländer oder Normanne, Flame oder Bretone war, ob er Ælfric, Sohn von Wihtgar, oder Richard fitzGilbert hieß, spielte für den Alltag der Menschen vermutlich eine untergeordnete Rolle. Unser Wissen von den Ereignissen der normannischen Eroberung sowie unsere Vorstellungen von 1066 und seinen Folgen werden durch die Texte und Bilder geprägt, die schon wenige Jahre nach den Ereignissen aufgeschrieben und von der nachfolgenden Generation umgedeutet wurden. In dieser Erinnerung, die bis heute wirkt, bleibt 1066 ein ungewöhnliches und einschneidendes Jahr.
Glossar
Erläutert werden vor allem Begriffe, die sich nur schwer ins Deutsche übersetzen lassen. – Folgende Abkürzungen werden verwendet: ae. = altenglisch, ags. = angelsächsisch, an. = altnordisch, Engl./engl. = England / englisch, Kg./kgl. = König/königlich, norm. = normannisch, Skand./skand. = Skandinavien / skandinavisch Ætheling (ae.) – männlicher Nachkomme eines ags. Kg.s, potentieller Thronfolger Ealdorman (ae.) – oberste Ebene des ags. Adels vor der Eroberung durch Knut den Großen, der die Ealdormen durch Earls ersetzte Earl (ae. eorl) – oberste Ebene des ags. Adels, vergleichbar mit den Herzögen des ostfränkisch-deutschen Reichs; das Amt umfasst Herrschaftsfunktionen wie Gerichtsbarkeit und Heerbann Earldom – Gebiet, über das ein Earl herrscht Fyrd (ae.) – bei Bedarf ausgehobenes Heer, das sich aus der zu militärischen Diensten verpflichteten Bevölkerung zusammensetzt Hauskarl (ae. húscarl; an. húskarl) – Gefolgsmann des Königs oder eines Adligen Hufe (ae. hide) – ags. Einheit zur Berechnung von steuerlichen Abgaben und militärischen Diensten; bezeichnet zunächst den Hof und das Land, das von einer Bauernfamilie bewirtschaftet wird und sie ernähren kann Hundertschaft (ae. hundred) – territoriale Verwaltungseinheit unterhalb der Shires Jarl (an.) – skand. Entsprechung des engl. Earls Sheriff (ae. scírgeréfa) – königlicher Verwalter eines Shire; zusammengesetzt aus den Wortbestandteilen scír = shire und geréfa = reeve (Vogt) Shire (ae. scír) – territoriale Verwaltungseinheit unterhalb der Earldoms, vergleichbar mit Grafschaften auf dem Kontinent Staller (an. stallari) – kgl. Amtsträger; der Begriff wurde unter Knut dem Großen in Engl. eingeführt und kam nach der norm. Eroberung allmählich außer Gebrauch Thegn (ae. þegn) – kgl. Gefolgsmann in Engl.; Ansehen und Wohlstand eines Thegns konnten sich erheblich voneinander unterscheiden
Bibliographie
Quellen Angelsächsische Chronik Alternative Bezeichnungen der Handschriften: Handschrift A = Winchester-Chronik (Parker-Chronik) Handschrift C = Abingdon-Chronik Handschrift D = Worcester-Chronik (York-Chronik) Handschrift E = Peterborough-Chronik Handschrift F = Canterbury-Chronik Übersetzungen ins moderne Englisch: The Anglo-Saxon Chronicle. A revised translation, übers. von Dorothy Whitelock, David C. Douglas und Susie I. Tucker, 2. Aufl., London 1965. Übersichtliche Darstellung der verschiedenen Handschriften in mehreren Spalten nebeneinander. The Anglo-Saxon Chronicles, übers. von Michael Swanton, London 1996. Editionen der einzelnen Handschriften: Saxon Chronicle. A collaborative edition, hg. von DaThe Anglo- vid N. Dumville und Simon Keynes, Cambridge 1983 ff. [Balderich von Bourgueil] Baudri of Bourgueil: «To Countess Adela», übers. von Monika Otter, in: The Journal of Medieval Latin 11 (2001), S. 60–141. The Brevis Relatio de Guillelmo nobilissimo comite Normannorum written by a monk of Battle Abbey, hg. und übers. von Elisabeth van Houts, in: Elisabeth van Houts: History and family traditions in England and the Continent, 1000–1200, Aldershot u. a. 1999. Brown, R. Allen: The Norman Conquest of England. Sources and documents, Woodbridge u. a. 1995. The Carmen de Hastingae proelio of Guy, bishop of Amiens, hg. und übers. von Frank Barlow, 2. Aufl., Oxford u. a. 1999. Domesday Book Hull Domesday Project, http://www.domesdaybook.net (abgerufen am 4.5.2016). Die Webseite bietet einen guten Überblick über das Domesday Book und seine Entstehung sowie eine ausführliche Bibliographie. Powell-Smith, Anna: Open Domesday. The first free online copy of Domesday Book. Domesday data created by John Palmer, http://opendomesday.org (abgerufen am 4.5.2016). Auf dieser Webseite werden die
Quellen
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Orte des Domesday Book mit interaktiven Karten und den Digitalisaten der Handschrift des Great Domesday Book verknüpft. Eadmer’s history of recent events in England. Historia novorum in Anglia, übers. von Geoffrey Bosanquet, London 1964. Geffrei Gaimar: Estoire des Engleis. History of the English, hg. und übers. von Ian Short, Oxford u. a. 2009. [Heinrich von Huntingdon] Henry, archdeacon of Huntingdon: Historia Anglorum. The history of the English people, hg. und übers. von Diana Greenway, Oxford u. a. 1996. [Johannes von Worcester] The chronicle of John of Worcester, Bd. 2: The annals from 450 to 1066, hg. von Reginald R. Darlington und Patrick McGurk, übers. von Jennifer Bray und Patrick McGurk, Oxford u. a. 1995; Bd. 3: The annals from 1067 to 1140 with the Gloucester inter polations and the continuations to 1141, hg. und übers. von Patrick McGurk, Oxford u. a. 1998. [Ordericus Vitalis] The ecclesiastical history of Orderic Vitalis, hg. und übers. von Marjorie Chibnall, 6 Bde., Oxford u. a. 1969–1980. Teppich von Bayeux Grape, Wolfgang: Der Teppich von Bayeux. Triumphdenkmal der Normannen, München 1994. Fortlaufende Abbildung des gesamten Teppichs mit Beischriften, Übersetzung und Erläuterungen. Wilson, David M.: Der Teppich von Bayeux, aus dem Engl. übers. von Wolfgang Proll, Berlin 1985. Großformatige, fortlaufende Abbildung des gesamten Teppichs; separat Erläuterungen und Beischriften mit Übersetzung. [Vita Edwardi] The life of King Edward who rests at Westminster, attributed to a monk of Saint-Bertin, hg. und übers. von Frank Barlow, 2. Aufl., Oxford u. a. 1992. The Waltham Chronicle. An account of the discovery of our holy cross at Montacute and its conveyance to Waltham, hg. und übers. von Leslie Watkiss und Marjorie Chibnall, Oxford u. a. 1994. [Wilhelm von Jumièges] The Gesta Normannorum Ducum of William of Jumièges, Orderic Vitalis, and Robert of Torigni, hg. und übers. von Elisabeth van Houts, 2 Bde., Oxford u. a. 1992–1995. Wilhelm von Malmesbury: Gesta Regvm Anglorvm. The history of the English kings, hg. und übers. von Roger A. B. Mynors, Rodney M. Thomson und Michael Winterbottom, 2 Bde., Oxford u. a. 1998–1999. Wilhelm von Poitiers: Gesta Gvillelmi, hg. und übers. von R. H. C. Davis und Marjorie Chibnall, Oxford u. a. 1998.
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Literatur: Einzelstudien Baxter, Stephen: Edward the Confessor and the succession question, in: Edward the Confessor. The man and the legend, hg. von Richard Mortimer, Woodbridge 2009, S. 77–118. Baxter, Stephen: MS C of the Anglo-Saxon Chronicle and the politics of mid-eleventh-century England, in: English Historical Review 122 (2007), S. 1189–1227. Garnett, George: Conquered England. Kingship, succession, and tenure, 1066–1166, Oxford 2007. Garnett, George: Coronation and propaganda. Some implications of the Norman claim to the throne of England in 1066, in: Transactions of the Royal Historical Society 36 (1986), S. 91–116. Hooper, Nicholas: Edgar the Ætheling. Anglo-Saxon prince, rebel and crusader, in: Anglo-Saxon England 14 (1985), S. 197–214. Jäschke, Kurt-Ulrich: Die normannische «Landnahme» auf den Britischen Inseln, in: Ausgewählte Probleme europäischer Landnahmen des Frühund Hochmittelalters. Methodische Grundlagendiskussion im Grenzbereich zwischen Archäologie und Geschichte, Bd. 2, hg. von Michael Müller-Wille und Reinhard Schneider, Sigmaringen 1994, S. 213–335. John, Eric: Edward the Confessor and the Norman succession, in: English Historical Review 94 (1979), S. 241–267. Keynes, Simon: Edward the Ætheling (c.1005–16), in: Edward the Confessor. The man and the legend, hg. von Richard Mortimer, Woodbridge 2009, S. 41–62. Keynes, Simon: The Æthelings in Normandy, in: Anglo-Norman Studies 13 (1991), S. 173–205. Licence, Tom: Robert of Jumièges, archbishop in exile (1052–5), in: Anglo- Saxon England 42 (2013), S. 311–329. Mortimer, Richard (Hg.): Edward the Confessor. The man and the legend, Woodbridge 2009. Stafford, Pauline: Archbishop Ealdred and the D Chronicle, in: Normandy and its Neighbours, 900–1250. Essays for David Bates, hg. von David Crouch und Kathleen Thompson, Turnhout 2011, S. 135–156. Stafford, Pauline: Edith, Edward’s wife and queen, in: Edward the Confessor. The man and the legend, hg. von Richard Mortimer, Woodbridge 2009, S. 119–138.
Personenregister Kursive Seitenzahlen verweisen auf Bildunterschriften.
Adam von Bremen 79 Adela, Tochter Wilhelms des Eroberers 10 Æfflæd, Frau Siwards 26 Ælfgar, Earl von Ostanglien 32, 35, 37 f., 46 Ælfgifu, Frau Æthelreds II. 28 Ælfgifu von Northampton, Frau Knuts des Großen 27 f. Ælfheah, Erzbischof von Canterbury 21, 25 Ælfric, Sohn von Wihtgar 120 Ælric, Mönch in Christ Church, Canterbury 35 Æthelmær, Bischof von Elmham 111 Æthelnoth, Abt von Glastonbury 71 Æthelnoth, Regierung Kent 71 Æthelred II., König von England 15, 17 f., 20–28, 41 Æthelric, Bischof von Selsey 111 Æthelwine, Bischof von Durham 76 f., 82, 85, 111 Agatha, Mutter Edgar Æthelings 87 Alain, Herzog der Bretagne 31 Alexander II., Papst 47, 93, 111 Alexander, Bischof von Lincoln 14 Alfred der Große, König von Wessex 12, 19 Alfred, Sohn Æthelreds, 23, 27 f., 33 Anselm, Erzbischof von Canterbury 13 Arnkell, Thegn von Yorkshire 77, 79 Arnulf von Flandern 88 Asbjörn, Bruder Sven Estridsens 32, 78, 80, 82 f. Balderich von Bourgueil 10, 60 Balduin V., Graf von Flandern 31, 34, 42 Balduin VI., Graf von Flandern 88 Benedikt X., Papst 93 Beorn, Earl der südöstlichen Midlands 32, 34 Bleddyn von Gwynedd und Powys 73, 80 Brand, Abt von Peterborough 65 Brian, bretonischer Graf 74 Christian, Bischof von Århus 83 Christina, Schwester Edgar Æthelings 87 Coleman, Mönch aus Worcester 43 Conan II., bretonischer Graf 97 Copsi, Earl von Northumberland 45, 49, 75, 77
Cuthbert, Heiliger 82 Diarmait, König von Leinster 74 Drogo, Graf von Mantes und des Vexin 28, 34 Duncan, Sohn Malcolms III. 87 Eadmer von Canterbury, Mönch 13, 92, 95, 97 ff., 102 f. Eadnoth der Staller 74 Eadric der Wilde, Thegn in Shropshire und Herefordshire 73, 80, 82, 84 Eadric Streona 23 Eadsige, Erzbischof von Canterbury 35 Eadulf, Earl von Northumberland 26 Eadulf Cudel, Earl von Northumberland 25 f. Eadwig, Sohn Æthelreds II. 23 Ealdgyth, Königin, Frau Harold Godwinsons 32, 37, 67 Ealdred, Bischof von Worcester und Erzbischof von York 13, 64 ff., 68 f., 72, 92 f., 96, 100, 104, 111 Ealdred, Earl von Northumberland, Sohn Uhtreds 26, 77 f. Edgar, König von England 24, 28, 41 Edgar Ætheling, König von England 28, 64–67, 70 f., 76 f., 79, 81, 85–88, 90, 94, 100, 105 Edith Schwanenhals 62, 74 Edith, Königin von England, Frau Eduards des Bekenners 12, 32, 34 ff., 39, 64, 73, 79, 94, 96, 100 f. Edmund Eisenseite, König von England 22–25, 28, 64, 92, 94, 100 Edmund, Sohn Edmund Eisenseites 23 Edmund, Sohn Harold Godwinsons 74 Eduard, Sohn Æthelreds 23, 27 Eduard der Bekenner, König von England 12, 28 ff., 32–36, 38–42, 47, 54, 64 f., 69–72, 79, 91, 94–105, 107, 110, 113 Eduard der Exilant, Sohn Edmund Eisenseites 23, 28, 64, 100 Edwin, Earl von Mercia 32, 38, 40 f., 44, 49 ff., 65–68, 71, 75 f., 84 Eilaf, Earl in Gloucester 32 Eleonore von Aquitanien 118
Personenregister Elisabeth, Tochter Jaroslaws von Nowgorod, Frau Haralds des Harten 30 Emma, Königin von England 20 f., 23, 27 ff., 33, 94 Emma, Schwester Rogers von Hereford 89 Erik Ladejarl, Earl von Northumberland 23, 25 f. Erlend Thorfinsson 49, 51 Ermenfrid, Bischof von Sion 68 Estrid, Schwester Knuts des Großen 23, 28 f., 32, 79 Eustachius II., Graf von Boulogne 28, 35, 60, 71 f., 104 Gamel, Hauskarl Tostigs 39 Geffrei Gaimar 10 f., 44 f., 67, 85 Gilbert, Graf von Brionne 31 Godgifu, Frau Drogos und Eustachius’ II., Schwester Eduards des Bekenners 28, 34 f., 72 Godwin, Earl von Wessex 12 f., 23 f., 27, 29, 32–38, 46, 72 f., 95 f., 98, 100 Godwin, Sohn Harold Godwinsons 74 Gospatric, Earl von Northumberland und Dunbar 75–79, 81, 87 Gospatric, Sohn Uhtreds 39 Gottfried Martell, Graf von Anjou 31 Gottfried, Bischof von Coutances 69 Gregor VII., Papst 47 Gruffydd ap Llywelyn, König von Wales 37 f. Guido, Bischof von Amiens 10, 53, 55, 57–60, 62, 64, 91, 97 f., 102, 104 Guido von Brionne 31 Guido, Graf von Ponthieu 54 Gunhild, Schwester Sven Gabelbarts 21 Gunhild, Tochter Godwins 74 Gyrth, Earl von Ostanglien 32, 38, 61 Gytha, Frau Godwins, Mutter Harolds 23, 32, 34, 62, 73 f. Gytha, Tochter Harold Godwinsons 74 Hakon, Sohn Sweyn Godwinsons, Geisel in der Normandie 32, 98 f. Håkon, Sohn Erik Ladejarls 26 Harald der Harte, König von Norwegen 8, 29 f., 34, 45, 48–53, 55, 70, 79, 117 Harald Hasenfuß, König von England 27 ff. Harald, Bruder Knuts des Großen 24 Harald, König von Dänemark, Sohn Sven Estridsens 78 Hardeknut, König von Dänemark und England 27–30, 33, 79 Harold Godwinson, König von England 7, 10, 12, 32, 34–38, 41–49, 51–55, 57, 59, 60 ff., 65, 67, 70, 73 f., 90, 93 f., 96, 97–105
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Heinrich I., König von England 28, 119 Heinrich I., König von Frankreich 31 Heinrich II., König von England, Herzog der Normandie 117 f. Heinrich III., Kaiser 34, 100 Heinrich von Huntingdon 14, 52 f., 61, 116 Hereward 83, 85 f. Herleva 28 Herluin von Conteville 28 Hermann II., Erzbischof von Köln 100 Hugo von Montfort 71 Hugo von Ponthieu 60 Hugo, Vogt 21 Jaroslaw, Großfürst von Kiew-Nowgorod 26, 30 Johann Ohneland, König von England 118 Johannes von Worcester 13, 21, 38 ff., 50 f., 53, 55, 63, 66 ff., 73, 81 f., 84, 89, 99 f., 104 Johannes XIX., Papst 26 Johannes, Bischof von Avranches, Erzbischof von Rouen 71 Judith, Frau Tostigs 34, 42, 46 Judith, Frau Waltheofs 89 Karli 77, 79 Knut der Große, König von England, Dänemark und Norwegen 22–30, 32 f., 41 f., 54, 79, 92, 100, 113, 119 Knut der Heilige, König von Dänemark 78, 106, 117 Konrad II., ostfränkischer König 26 Lanfranc, Erzbischof von Canterbury 89, 112 Leo IX., Papst 93 Leofric, Abt von Peterborough 65 Leofric, Earl von Mercia 24, 27, 32–35, 37, 95 Leofwine, Bischof von Lichfield 111 Leofwine, Earl in den südöstlichen Midlands 32, 35, 38, 61 Mærleswein, Earl von Yorkshire 67, 75 ff., 79, 81, 87 Magnus, König von Norwegen 27, 29 f. Magnus, Sohn Harold Godwinsons 74 Malcolm III. Canmore, König von Schottland 28, 45, 76, 84, 86 ff. Margarete, Königin von Schottland 28, 87 Mathilde, Königin von England 31, 46, 72, 75, 117 Maurilius, Erzbischof von Rouen 71 Morkar, Earl von Northumberland 32, 40 f., 44, 49 ff., 65 ff., 71, 75 f., 78, 84 f.
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Personenregister
Nikolaus II., Papst 93 Northman, Bruder Leofrics von Mercia 24 Odo, Bischof von Bayeux und Earl von Kent 9, 28, 70 ff. Olaf Haraldsson der Heilige, König von Norwegen 26 f. Olaf Kyrre, König von Norwegen, Sohn Haralds des Harten 51, 53 Olaf Tryggvason, König von Norwegen 21 Olaf, Bruder Knuts des Heiligen 106 Ordericus Vitalis 11 f., 45 ff., 49, 69 ff., 73, 76, 81 f., 85 f., 89, 97, 104, 116 Osulf, Earl von Northumberland 41, 75 Pallig 18 Paul Thorfinsson 49, 51, 53 Philipp I., König von Frankreich 31, 88 Philipp II., König von Frankreich 118 Ralph von Mantes, Earl von Hereford und den südöstlichen Midlands 28, 34, 36 f. Ralph, Earl von Ostanglien 89 f. Raoul, Graf von Crépy und Valois 71 Reginald, Herzog von Burgund 31 Remigius, Bischof von Dorchester 93 Rhiwallon von Gwynedd und Powys 73 Richard fitzGilbert 120 Richard fitzNigel 116 Richard fitzScrob 73 Richard I., Herzog der Normandie 28, 94 Richard II., Herzog der Normandie 20, 22, 28, 30 f., 94 Richard III., Herzog der Normandie 28, 31 Richard Löwenherz, König von England 118 Richilde von Hennegau 88 Robert de Comines, Earl von Northumberland 77, 86 f. Robert fitzRichard 76 f. Robert Gilfard 60 Robert I., Erzbischof von Rouen 31 Robert I., Herzog der Normandie 28, 31, 33, 94 Robert II. Kurzhose, Herzog der Normandie 28, 72, 105, 119 Robert II., König von Frankreich 30 Robert von Beaumont 57 Robert von Eu 80 Robert, Graf von Flandern 88, 106 Robert von Jumièges 35 f., 92, 94, 110 Robert von Mortain 80 Roger de Beaumont 85 Roger de Montgomerie 11 Roger von Hereford 89 f. Rudolf III., König von Burgund 26
Siward Barn, Thegn 78, 81, 85, 87 Siward, Earl von Northumbria 26, 33, 35, 37, 41, 78, 95 Stephan IX., Papst 93 Stigand, Erzbischof von Canterbury 64 ff., 71, 92 f., 95, 104, 111 Sven Estridsen, König von Dänemark 28 ff., 32, 34, 49, 83 f., 106 Sven Gabelbart, König von Dänemark 18, 21 ff., 28, 32, 74, 78 f. Sven Alfivason, König von Norwegen, Sohn Knuts des Großen 27 f. Sweyn Godwinson, Earl der südwestlichen Midlands 32, 34 ff., 98 Thietmar von Merseburg 21 Thorbrand 77 Thorgils, Jarl 32 Thorkell der Lange 21 ff. Tostig, Sohn Sweyns 32 Tostig, Earl von Northumberland 12, 32, 34 f., 37–46, 48–53, 55, 75 Uhtred, Earl von Bamburgh 25 f., 39, 77 Ulf, von Tostig ermordet 39 Ulf, Bischof von Dorchester 36 Ulf, Jarl, Schwager Knuts des Großen 23 f., 28 f., 32 Viktor II., Papst 93 Walter, Bischof von Hereford 66 Waltheof, Earl von Northampton und Huntingdon 37, 41, 71, 78 f., 81, 89 f. Wilhelm de Vauville 74 Wilhelm fitzOsbern 70 ff., 78, 88 f. Wilhelm I. der Eroberer, Herzog der Normandie, König von England 7, 9–13, 17, 20, 28, 31, 33, 45–48, 53–76, 78–107, 109, 111 ff., 115 f., 119 Wilhelm II. Rufus, König von England 28 Wilhelm Malet 62, 76 f., 79 Wilhelm von Jumièges 11, 47, 55, 61, 72, 86, 91 f., 94, 97, 102, 104 Wilhelm, Bischof von London 36 Wilhelm von Malmesbury 14, 43, 60 ff., 113, 115 f. Wilhelm von Poitiers 11 f., 47 f., 53, 55–58, 61 f., 64 ff., 69–72, 90–95, 97, 101 ff. Wihtgar 120 Wulfnoth, Sohn Godwins, Geisel in der Normandie 32, 98 Wulfstan, Bischof von Worcester 43, 66, 112 Wulfstan, Erzbischof von York 24
Englands Eroberung durch die Normannen Erzbischofssitz Bischofssitz bedeutendes Kloster sonstiger Ort Sumpfgebiete/ Marschland
SCHOTTLAND
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WESSEX
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Ärmelkanal 50
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100
150 km
BRETAGNE
Grenzen der normannischen Bistümer
Brest
Jersey
Dinan
Bayeux
Sées
MAINE
ANJOU
Avranches
Rennes
Dol
Avranches Mortain
Grandmesnil
Sées
Évreux
Rouen
Évreux
BLOIS
Saint-Evroult
Lisieux
Lisieux
Bonnevillesur-Touques
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Rouen Jumièges
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Fécamp Saint-Wandrille Divessur-Mer Bayeux Caen Val-ès Dunes
N O R M A N D I E Falaise
Coutances
Coutances
Mont-Saint-Michel
Guernsey
Loire
ÎLE-DEFRANCE
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Vexin
So mm e
PONTHIEU
40
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60 km
Seine
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FLANDERN Saint-Omer
Abbeville
Mantes
Sandwich
Boulogne
Dover
Saint-Valery-sur-Somme
Pevensey
Hastings
ENGLAND Bosham
Ärmelkanal
Wight
Winchester
Die Normandie und ihre Nachbarn 1066