Diplomatie und Pergament: Karriere und Selbstbild des gelehrten Juristen Giovan Francesco Capodilista. Dissertationsschrift 9783161569524, 9783161569531, 3161569520

Kristina Odenweller veranschaulicht in diesem Band die diplomatische Karriere des aus Padua stammenden gelehrten Juriste

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German Pages 393 [404] Year 2019

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Table of contents :
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Titel
Vorwort
Inhaltsverzeichnis
I. Einleitung
Diplomatie: Giovan Francesco Capodilista als venezianischer und päpstlicher Gesandter
Pergament: Familiengeschichte und Selbstdarstellung im Capodilista-Kodex
II. Diplomatie. Ein gelehrter Jurist aus Padua im Dienst Venedigs und des Papstes: Die diplomatische Karriere Giovan Francesco Capodilistas
II.1. Vor 1433: Vom gelehrten Juristen zum Diplomaten
II.1.1. Universität und Stadt. Die Situation Paduas im Spätmittelalter
II.1.2. Zwischen Padovano und Lagune: Die Frühphase der diplomatischen Karriere Capodilistas von 1405 bis 1433
II.2. Die Vertretung Venedigs auf dem Basler Konzil von 1433 bis 1435
II.2.1. Schwerpunkte der venezianischen Politik auf dem Basler Konzil
Das Verhältnis Venedigs zu Kaiser Sigismund bis September 1433
Papst Eugen IV. und das Basler Konzil: Die Position Venedigs in der Auseinandersetzung
II.2.2. Giovan Francesco Capodilista als Gesandter Venedigs auf dem Basler Konzil von 1433 bis 1435
Die zweite Phase: Bündnisverhandlungen zwischen Sigismund und der Republik bis zur Abreise des Kaisers im Mai 1434
Die Causa Aquileia vor dem Basler Konzil: Die dritte Phase der Gesandtschaft bis zur Abreise im Dezember 1435
Zwischenfazit: Die Repräsentation der Republik Venedig auf dem Basler Konzil
II.3. Für Venedig nach Florenz, für den Papst nach Ungarn: Diplomatische Aufträge Capodilistas 1436 bis 1437
II.3.1. Die Rolle Capodilistas als juristischer Berater Venedigs in Florenz 1436 bis August 1437
II.3.2. Von Florenz nach Ungarn 1437: Der doppelte Gesandte am Kaiserhof
II.4. Im Auftrag Eugens IV. auf den Reichsversammlungen in Nürnberg 1438 und Mainz 1439
II.4.1. Die Politik der Kurfürsten zwischen Papst und Konzil
II.4.2. Die Gesandten Eugens IV. auf den Reichsversammlungen von Nürnberg 1438 und Mainz 1439 und der Traktat Super diversis questionibus
Die päpstlichen Gesandten auf der Reichsversammlung in Nürnberg 1438
Der Traktat Super diversis questionibus von 1439
Die Reichsversammlung in Mainz 1439
II.5. Der letzte Auftrag für Eugen IV.: Die Verhandlungen mit Karl VII. in Bourges 1440
II.5.1. Das Verhältnis der französischen Krone zum Basler Konzil
II.5.2. Die Gesandtschaft Eugens IV. auf der Synode von Bourges 1440
II.6. Die Rückkehr nach Padua: Letzte Jahre von 1442 bis 1453
II.7. Ein Diplomat und Jurist. Capodilistas Karriere und sein OEuvre
II.8. Zusammenfassende Bemerkungen: Ein gelehrter Jurist aus Padua als Diplomat
III. Pergament. Giovan Francesco Capodilista und sein Selbstbild im Capodilista-Kodex
III.1. Die Handschrift B.P. 954 der Biblioteca Civica di Padova: Der Capodilista-Kodex
III.1.1. Die Illuminationen des Capodilista-Kodex
III.1.2. Listen, Urkunden, Biographien: die Texte des Capodilista-Kodex
III.1.3. Zum Verhältnis von Text- und Bildebene
III.1.4. Ein Libro di famiglia oder eine Sammlung von Viri illustres? Zur Gattungsproblematik vor dem Hintergrund der stadtchronistischen Tradition Paduas
III.1.5. Transformation und Rezeption. Spätere Abschriften des Capodilista-Kodex
Die Abschrift B in der Biblioteca Nazionale Marciana
Ein Familienbuch für den Polarforscher: Die Wilczek-Abschrift
III.2. Der Kodex im Kontext. Die Chronik des Giovanni da Nono (B.P.1239/XXIX) und der Wappenbrief der Cortivo
III.2.1. Die Chronik des Giovanni da Nono aus dem Besitz Giovan Francesco Capodilistas
III.2.2. Vom Kodex zur Urkunde: Das Adelsprivileg für Manfredo del Cortivo
III.3. „Hoc loco et tempore“. Spuren des Basler Konzils im Capodilista-Kodex
III.4. Neue Zugänge zur Untersuchung des Capodilista-Kodex. Zur Netzwerkperspektive und dem Konzept des Einschreibens
III.4.1. Von der Netzwerkanalyse zur Netzwerkperspektive
III.4.2. Bewusste Konstruktion sozialer Wirklichkeit durch Formen des Einschreibens
III.5. Narrative Strategien in den Texten und Bildern des Capodilista-Kodex
III.5.1. Die Uhr und der Teuker. Zur Kodierung sozialer Kontakte in den Bildelementen des Uhrenwappens
III.5.2. „Apellandi omnia infrascripta falsa“: Erzählstrategien in der Quellenliste
Zur Fiktionalität der Annalen des d’Alessio und ihrer Funktion
Das Netzwerk in der Liste. Zur Bedeutung der Quellenliste und ihrer narrativen Strategien
III.5.3. Strategien zur Konstruktion von sozialen Kontakten und Gruppen in weiteren Text- und Bildelementen
III.6. Der Verfasser in seinem Werk: Formen autobiographischen Erzählens im Capodilista-Kodex
III.7. Zusammenfassende Bemerkungen: Erzählstrategien in Text und Bild im Capodilista-Kodex
IV. Diplomatie und Pergament. Zu Karriere und Selbstbild des gelehrten Juristen Giovan Francesco Capodilista
IV.1. Diplomatie: Zur Karriere des gelehrten Juristen Giovan Francesco Capodilista
IV.2. Pergament: Familiengeschichte und Selbstbild Giovan Francesco Capodilistas im Capodilista-Kodex
V. Edition des Briefes Giovan Francesco Capodilistas an das Consiglio dei Dieci vom 30. Juli 1421 aus dem Archivio di Stato di Venezia
V.1. Vorbemerkungen zur Edition
V.2. Text nach ASVe, Consiglio dei Dieci, Misti, Registri, reg. 10, fol. 36v
VI. Quellen und Literatur
VI.1. Ungedruckte Quellen
VI.2. Gedruckte Quellen
VI.3. Forschungsliteratur
VII. Bildanhang
Ortsregister
Register vormoderner Personen
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 9783161569524, 9783161569531, 3161569520

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Spätmittelalter, Humanismus, Reformation Studies in the Late Middle Ages, Humanism and the Reformation herausgegeben von Volker Leppin (Tübingen) in Verbindung mit Amy Nelson Burnett (Lincoln, NE), Johannes Helmrath (Berlin) Matthias Pohlig (Münster), Eva Schlotheuber (Düsseldorf)

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Kristina Odenweller

Diplomatie und Pergament Karriere und Selbstbild des gelehrten Juristen Giovan Francesco Capodilista

Mohr Siebeck

Kristina Odenweller, geboren 1986; Studium der mittelalterlichen Geschichte, Germanistik und Rechtswissenschaft an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg i. Br.; 2015 Promotion in Mittelalterlicher Geschichte.

ISBN  978-3-16-156952-4 / eISBN  978-3-16-156953-1 DOI 10.1628/978-3-16-156953-1 ISSN  1865-2840 / eISSN  2569-4391 (Spätmittelalter, Humanismus, Reformation) Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen National­bib­ liographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2019  Mohr Siebeck Tübingen. www.mohrsiebeck.com Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für die Verbreitung, Vervielfältigung, Übersetzung und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Sys­temen. Das Buch wurde von Gulde Druck in Tübingen aus der Times New Roman gesetzt, auf alterungsbeständiges Werk­druck­­papier gedruckt und von der Großbuchbinderei Spinner in Ottersweier gebunden. Printed in Germany.

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Wintersemester 2014/15 von der Philosophischen Fakultät der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg im Breisgau als Promotionsschrift angenommen und im Juli 2015 verteidigt. Mein erster Dank gilt Prof. Dr. Birgit Studt (Feiburg), die in ihrem ersten Proseminar in Freiburg im Wintersemester 2005/06 mein Interesse für mittelalterliche und vor allem päpstliche Diplomatie geweckt und diese Arbeit schließlich durch einen Hinweis auf die Abbildung eines venezianischen Diplomaten in einer Handschrift in Padua angeregt hat. Ihrer Betreuung und Unterstützung während der letzten Jahre gilt mein herzlicher Dank. Auch PD Dr. Jörg Schwarz (München), der auch nach seiner Zeit in Freiburg als Zweitgutachter fungierte, möchte ich für sein Gutachten danken. Ein besonderer Dank gilt Prof. Dr. Henrike Manuwald (Göttingen), als deren wissenschaftliche Mitarbeiterin im Projekt „Got is selve recht: Rechtskonzeptionen in mittelhochdeutscher Literatur zum Prozess Jesu“ ich von 2010 bis 2012 tätig war. Sie hat es während meiner gesamten Zeit als ihre Mitarbeiterin und darüber hinaus stets verstanden, gekonnt zu fordern und vor allem zu fördern, wovon ich bis heute auf zahlreiche Arten profitiere. Für die Aufnahme in die Reihe „Spätmittelalter, Humanismus, Reformation“ und ihr Interesse an meinem Projekt danke ich den Gutachtern Prof. Dr. Eva Schlotheuber und Prof. Dr. Johannes Helmrath sowie dem Herausgeber Prof. Dr. Volker Leppin. Diese Arbeit wäre nicht entstanden ohne die finanzielle Unterstützung durch Stipendien, die mir zahlreiche Archivreisen ermöglicht haben. Danken möchte ich dabei dem Deutschen Historischen Institut Rom und dem Deutschen Studienzentrum Venedig, die mir 2012 großzügige Auslandsstipendien gewährt haben, ohne die meine Archivrecherchen in Italien nicht möglich gewesen wären. Von 2012 bis 2014 war ich wissenschaftliche Mitarbeiterin am DFG Graduiertenkolleg 1288 „Freunde, Gönner, Getreue“, was mir wichtige Inspirationen gegeben und mir ermöglicht hat, die Arbeit in Freiburg abzuschließen. Ein Teil der Finanzierung des Drucks wurde durch den von der Monika-Glettler-Stiftung vergebenen Monika-Glettler-Preis ermöglicht, für den ich mich nicht zuletzt bei Prof. Dr. Monika Glettler herzlich bedanken möchte. Während der Abfassung der Dissertation hatte ich das Vergnügen, meine Arbeit auf vielen Tagungen, Oberseminaren und in Kolloquien vorstellen zu dürfen. Danken möchte ich dafür allen Lehrstuhlinhaberinnen und Mitarbeiterinnen, die mich eingeladen und interessiert mit mir diskutiert haben. Danken möchte ich auch Prof. Dr. Robert Gramsch-Stehfest (Osnabrück), der mich in sein Kolloquium eingeladen und sehr hilfsbereit zum Thema Netzwerkanalyse beraten hat.

VI

Vorwort

Aber auch ideelle Unterstützung habe ich während der Abfassung dieser Arbeit von vielen Seiten erhalten. Ein besonderer Dank gilt Thomas Izbicki, der mich auf die Handschrift 157 des Corpus Christi College (Cambridge) aufmerksam gemacht und mir seine Aufzeichnungen dazu freundlicherweise zur Verfügung gestellt hat. Diesen Kontakt hat Michiel Delcaluwé vermittelt - dafür, und dass er in der Anfangsphase meiner Arbeit gerne meine Fragen zum Basler Konzil beantwortet hat, sei ihm gedankt. Er war es auch, der mich an Jessika Nowak (Frankfurt/Basel) vermittelt hat, die sich seitdem tatkräftig darum gekümmert hat, Probleme zu lösen oder jemanden zu finden, der sie lösen kann. Dank gilt auch Thomas Neumann (Münster), der mir seine kirchenrechtliche Expertise zur Verfügung gestellt hat. Eine besondere Rolle während der Abfassung dieser Arbeit hat Sharon Adams (Köln) gespielt, die im Graduiertenkolleg DFG 1288 und danach so manches Problem mit leichter Hand und gutem Rat gelöst hat. Gedankt sei auch meinen zahlreichen Mitstreiterinnen und Mitstreitern - Historikerinnen und Historikern jeglicher Disziplin - die mich über die Jahre begleitet haben. Dabei seien zunächst die Freiburger genannt, die nicht nur als Probeleserinnen im Fachgespräch geholfen, sondern wo immer nötig zahlreiche gute Worte und reichlich Kaffee bereit gehalten haben: Catharina Kellermann, Katharina Jeckel, Jan Issinger und Franziska Schaudeck. In Rom war Christian Wiesner (Linz) mit seiner Sachkenntnis zum Vatikanischen Archiv und sämtlichen (!) Kirchen Roms eine stetige Hilfe. Für zahllose schöne italienische Abende, nicht nur in Rom, möchte ich auch Carlo Mertens (Dresden) danken. In Venedig und darüber hinaus war mir Irene Lehmann (Berlin/Erlangen) stets eine gute Gesprächspartnerin. In Köln möchte ich Prof. Dr. Sabine von Heusinger und den Mitarbeiterinnen des Historischen Seminars, allen voran Ursula Gießmann, danken, die mir als „Probekomission“ zur Verfügung standen und zahlreiche gute Hinweise hatten. Der Kölner Zeit verdanke ich auch die Bekanntschaft von Nina Gallion (Kiel), der ich für weit mehr als nur mediävistische Fachkenntnis danken darf. Leider erst in Frankfurt habe ich die Bekanntschaft von Giuseppe Cusa (Frankfurt/Aachen) gemacht, der mir nicht nur großzügig sein ungedrucktes Manuskript zur Verfügung gestellt, sondern Teile dieser Arbeit mit großer Sorgfalt durchgesehen und mir zahllose hilfreiche Hinweise, Digitalisate und Literaturhinweise gegeben hat. Und zuletzt: Meiner Friedrichsthaler Sippe, allen voran meinen Eltern, sei für die vielen Jahre geduldiger und liebevolle Unterstützung in jeglicher Form aufs herzlichste gedankt. Der größte Dank gilt aber Kai Werner, der unverschuldet in den letzten Jahren zu einem Italienspezialisten geworden ist und ohne Klage für einen zweiten, wenn auch toten, Juristen in unserem Haushalt Platz gemacht hat. Gewidmet sei dieses Buch Helmuth Josef Odenweller (1927–2010) und Karolina „Lili“ Odenweller (1930–2018), denen ich es gerne noch überreicht hätte. Frankfurt am Main, im Frühjahr 2019

Kristina Odenweller

Inhaltsverzeichnis I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 Diplomatie: Giovan Francesco Capodilista als venezianischer und päpstlicher Gesandter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 Pergament: Familiengeschichte und Selbstdarstellung im Capodilista-Kodex . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8

II. Diplomatie. Ein gelehrter Jurist aus Padua im Dienst Venedigs und des Papstes: Die diplomatische Karriere Giovan Francesco Capodilistas . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 II.1. Vor 1433: Vom gelehrten Juristen zum Diplomaten . . . . . . . 15 II.1.1. Universität und Stadt. Die Situation Paduas im Spätmittelalter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 II.1.2. Zwischen Padovano und Lagune: Die Frühphase der ­diplomatischen Karriere Capodilistas von 1405 bis 1433 . 23 II.2. Die Vertretung Venedigs auf dem Basler Konzil von 1433 bis 1435 37 II.2.1. Schwerpunkte der venezianischen Politik auf dem Basler Konzil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 Das Verhältnis Venedigs zu Kaiser Sigismund bis September 1433 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 Papst Eugen IV. und das Basler Konzil: Die Position Venedigs in der Auseinandersetzung . . . . 48 II.2.2. Giovan Francesco Capodilista als Gesandter Venedigs auf dem Basler Konzil von 1433 bis 1435 . . . . . . . . 51 Die zweite Phase: Bündnisverhandlungen zwischen Sigismund und der Republik bis zur Abreise des Kaisers im Mai 1434 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 Die Causa Aquileia vor dem Basler Konzil: Die dritte Phase der Gesandtschaft bis zur Abreise im Dezember 1435 . . 85 Zwischenfazit: Die Repräsentation der Republik Venedig auf dem Basler Konzil . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 II.3. Für Venedig nach Florenz, für den Papst nach Ungarn: Diplomatische Aufträge Capodilistas 1436 bis 1437 . . . . . . . 105

VIII

II.4.

II.5.

II.6. II.7. II.8.

Inhaltsverzeichnis

II.3.1. Die Rolle Capodilistas als juristischer Berater Venedigs in Florenz 1436 bis August 1437 . . . . . . . . . . . . . 108 II.3.2. Von Florenz nach Ungarn 1437: Der doppelte Gesandte am Kaiserhof . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 Im Auftrag Eugens IV. auf den Reichsversammlungen in Nürnberg 1438 und Mainz 1439 . . . . . . . . . . . . . . . 127 II.4.1. Die Politik der Kurfürsten zwischen Papst und Konzil . . 127 II.4.2. Die Gesandten Eugens IV. auf den Reichsversammlungen von Nürnberg 1438 und Mainz 1439 und der Traktat Super diversis questionibus . . . . . . . . . . . . . . . 132 Die päpstlichen Gesandten auf der Reichsversammlung in Nürnberg 1438 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 Der Traktat Super diversis questionibus von 1439 . . . . 139 Die Reichsversammlung in Mainz 1439 . . . . . . . . . 144 Der letzte Auftrag für Eugen IV.: Die Verhandlungen mit Karl VII. in Bourges 1440 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 II.5.1. Das Verhältnis der französischen Krone zum Basler Konzil 151 II.5.2. Die Gesandtschaft Eugens IV. auf der Synode von Bourges 1440 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 Die Rückkehr nach Padua: Letzte Jahre von 1442 bis 1453 . . . 165 Ein Diplomat und Jurist. Capodilistas Karriere und sein Œuvre . 173 Zusammenfassende Bemerkungen: Ein gelehrter Jurist aus Padua als Diplomat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175

III. Pergament. Giovan Francesco Capodilista und sein Selbstbild im Capodilista-Kodex . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 III.1. Die Handschrift B.P. 954 der Biblioteca Civica di Padova: Der Capodilista-Kodex . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 III.1.1. Die Illuminationen des Capodilista-Kodex . . . . . . . . 181 III.1.2. Listen, Urkunden, Biographien: die Texte des Capodilista-Kodex . . . . . . . . . . . . . 194 III.1.3. Zum Verhältnis von Text- und Bildebene . . . . . . . . 197 III.1.4. Ein Libro di famiglia oder eine Sammlung von Viri illustres? Zur Gattungsproblematik vor dem Hintergrund der stadtchronistischen Tradition Paduas . . 201 III.1.5. Transformation und Rezeption. Spätere Abschriften des Capodilista-Kodex . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 Die Abschrift B in der Biblioteca Nazionale Marciana . . 213 Ein Familienbuch für den Polarforscher: Die Wilczek-Abschrift . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217

Inhaltsverzeichnis

IX

III.2. Der Kodex im Kontext. Die Chronik des Giovanni da Nono (B.P.1239/XXIX) und der Wappenbrief der Cortivo . . . . . . . 221 III.2.1. Die Chronik des Giovanni da Nono aus dem Besitz Giovan Francesco Capodilistas . . . . . . . . . . . . . 221 III.2.2. Vom Kodex zur Urkunde: Das Adelsprivileg für Manfredo del Cortivo . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230 III.3. „Hoc loco et tempore“. Spuren des Basler Konzils im Capodilista-Kodex . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237 III.4. Neue Zugänge zur Untersuchung des Capodilista-Kodex. Zur Netzwerkperspektive und dem Konzept des Einschreibens . 241 III.4.1. Von der Netzwerkanalyse zur Netzwerkperspektive . . . 241 III.4.2. Bewusste Konstruktion sozialer Wirklichkeit durch Formen des Einschreibens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 III.5. Narrative Strategien in den Texten und Bildern des Capodilista-Kodex . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255 III.5.1. Die Uhr und der Teuker. Zur Kodierung sozialer Kontakte in den Bildelementen des Uhrenwappens . . . . . . . . 255 III.5.2. „Apellandi omnia infrascripta falsa“: Erzählstrategien in der Quellenliste . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 270 Zur Fiktionalität der Annalen des d’Alessio und ihrer Funktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275 Das Netzwerk in der Liste. Zur Bedeutung der Quellenliste und ihrer narrativen Strategien . . . . . . . . . . . . . . 286 III.5.3. Strategien zur Konstruktion von sozialen Kontakten und Gruppen in weiteren Text- und Bildelementen . . . . 298 III.6. Der Verfasser in seinem Werk: Formen autobiographischen Erzählens im Capodilista-Kodex . . . . . . . . . . . . . . . . 311 III.7. Zusammenfassende Bemerkungen: Erzählstrategien in Text und Bild im Capodilista-Kodex . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 319

IV. Diplomatie und Pergament. Zu Karriere und Selbstbild des gelehrten Juristen Giovan Francesco Capodilista . . . . . 321 IV.1. Diplomatie: Zur Karriere des gelehrten Juristen Giovan Francesco Capodilista . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 323 IV.2. Pergament: Familiengeschichte und Selbstbild Giovan Francesco Capodilistas im Capodilista-Kodex . . . . . . . . . . . . . . . 335

X

Inhaltsverzeichnis

V. Edition des Briefes Giovan Francesco Capodilistas an das Consiglio dei Dieci vom 30. Juli 1421 aus dem Archivio di Stato di Venezia . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 345 V.1. Vorbemerkungen zur Edition . . . . . . . . . . . . . . . . . . 347 V.2. Text nach ASVe, Consiglio dei Dieci, Misti, Registri, reg.  10, fol.  36v . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 349

VI. Quellen und Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 351 VI.1. Ungedruckte Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 351 VI.2. Gedruckte Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 355 VI.3. Forschungsliteratur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 357

VII. Bildanhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 375 Ortsregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 387 Register vormoderner Personen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 389

I. Einleitung Et sic poterit quisque faciliter de veritate informari, concedimus autem omnibus licenciam apellandi omnia infrascripta falsa in uno solo falsitate comperta. Giovan Francesco Capodilista, B.P. 954, fol.  4v

Hinter der Signatur B.P. 954 in der Biblioteca Civica di Padova verbirgt sich eine äußerlich zunächst unscheinbar wirkende Handschrift in einem Einband aus dem 19. Jahrhundert.1 Nach ihrem Verfasser Giovan Francesco Capodilista auch als Capodilista-Kodex bezeichnet, wird sie seit 1856 in der Sammlung der Biblioteca Civica aufbewahrt. Die nur 38 Pergamentblätter umfassende Handschrift ist zwar in einem guten Erhaltungszustand, aber erst auf den zweiten Blick als eines der bemerkenswertesten Objekte der Sammlung zu erkennen. Vor allem die aufwändige Bildausstattung des Kodex fällt mit ihren ungewöhnlichen Motiven auf. Die Handschrift enthält nicht weniger als 31 Illuminationen, die jeweils eine ganze Seite in Anspruch nehmen. Davon sind 26 Blätter mit großformatigen Reiterportraits geschmückt, auf denen Männer in militärischer, klerikaler oder prunkvoller Kleidung in gestrecktem Galopp oder gemächlichem Trab über die Seite zu reiten scheinen. Drei ganzseitige farbige Wappendarstellungen und eine außergewöhnliche Gruppendarstellung, in der gelehrte Männer in einer Arkadenstruktur miteinander ins Gespräch vertieft zu sein scheinen, ergänzen den ersten prächtigen Eindruck. Viele der Darstellungen sind mit Blattgold verziert, und die Kleider der dargestellten Männer mit ihren eleganten Stoffen und Pelz vermitteln ein eindrucksvolles Bild prachtvoller Inszenierung und farbenfroher Lebendigkeit.2 1  Siehe das Faksimile De viris illustribus Familiae Transelgardorum, Forzatè et Capitis Listae, ed. v. Mirella Blason-Berton, 2 Bde (Faksimile und Textband), Rom 1972. 2  Die Ausstattung des Capodilista-Kodex hat bis heute das meiste Interesse, meist von kunst­ historischer Seite, geweckt. Eine Auswahl an Publikationen soll eine erste Orientierung bieten. Franco, Tiziana, Giovan Francesco Capodilista, De viris illustribus familiae Transelgardorum, Forzatè et Capitis Listae, in: Giovanna Baldissin Molli (Hg.), La Miniatura a Padova dal ­Medioevo al Settecento, Modena 1999, 219–221, weiter Franco, Tiziana, Gli avi in miniatura. Il Codice Capodilista, in: Mensile de Franco Maria Ricci 19 (2000), 107–128. Weiter das Vorwort zur Faksimileausgabe, Salmi¸ Mario, Introduzione, in: De viris illustribus Familiae Transelgardorum, Forzatè et Capitis Listae, ed. v. Mirella Blason-Berton, Bd. 1, Rom 1972, 11–35.

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I. Einleitung

Die Texte des Kodex entsprechen inhaltlich zunächst den durch die Bilder geweckten Erwartungen. Der Kodex erzählt in einer Mischung verschiedenster Gattungselemente die Geschichte der Familie Capodilista mit ihren beiden angesippten Zweigen der Transelgardi und Forzatè, vertreten durch die in der Reiterreihe und der Gelehrtendarstellung ins Bild gesetzten männlichen Familienmitglieder. Dokumente zur Familiengeschichte, Herkunftslegenden und Listen mit Familienangehörigen und Besitzungen runden die Erzählung ab. Oft werden diese sorgfältig strukturierten Text­ elemente aber wieder unterbrochen, sei es durch autobiographische Kommentare des Verfassers oder ungewöhnliche Einschübe, wie beispielsweise eine Liste aller zur Abfassung der Handschrift genutzten Quellen. Auffällig im Kontrast zu der Aus­ gestaltung der Handschrift ist auch die Ausführung des Textes. Geschrieben in einer kursiven semigotica italiana bricht das flüchtige Textbild nachhaltig mit der repräsentativen Prachtentfaltung der Bilder.3 Ausstreichungen, Korrekturen, nachträgliche Interlinearkommentare und eingeschobene Passagen entwerfen eher das Bild eines Konzepts als das eines sorgfältig ausgeführten Prachtbandes. Geschuldet ist dieser Umstand vermutlich zumindest teilweise der Tatsache, dass es sich bei der Schrift um die des Verfassers handelt. Der Capodilista-Kodex gilt als Autograph, geschrieben von dem als venezianischer Diplomat auf das Basler Konzil entsandten Juristen ­Giovan Francesco Capodilista.4 Der Verfasser ist damit ganz konkret auch durch seine Hand in seinem Kodex präsent. Aber er tritt bei weitem nicht nur derart verschlüsselt vor den Leser. Unmittelbar auf den ersten Blättern des Kodex berichtet er, in der ersten Person Singular, über sich selbst: „Millessimo quadrigentessimo [sic!] tricessimo quinto die iovis decimo septimo februarii in civitate Bascilee [sic!] […].“5 So beginnt der Text des Kodex, mit einem Bericht über Ereignisse am Donnerstag den 17. Februar 1435 in der Stadt Basel. Im Anschluss an diese Datierung berichtet der Verfasser, dem Leser weiter als „Ich“ gegenübertretend, dass er einen Mann namens Antonio Bruges an diesem Tag zum Notar und Richter ernannt habe. Er nennt die Namen der anwesenden Zeugen, und vermerkt, dass diese Amtshandlung das erste Mal gewesen sei, dass er Gebrauch von einem neuen Amt gemacht habe: „Et fuit primus in quo usus fui dignitate comita­ tus.“6 Gemeint ist damit das Amt des Hofpfalzgrafen, das Capodilista im April 1434 von Kaiser Sigismund von Luxemburg verliehen worden war. Diese Ehrung spielt im Capodilista-Kodex immer wieder eine bedeutende Rolle sowohl in den Texten als auch in den Bildern, und kann als einer der äußeren Anlässe zur Entstehung der 3 Vgl.

Cenetti, Giorgio, Lineamenti di Storia della Scrittura Latina, Bologna 1954, 264. Auch Steinmann, Martin, Die humanistische Schrift und die Anfänge des Humanismus in Basel, in: ADipl 22 (1976), 375–437, hier bes. 385 f. Steinmann identifiziert die Schrift des Capodilista-Kodex eindeutig als semigotica italiana. 4  Zur Frage nach der Authentizität des Kodex als Autograph vgl. Blason-Berton, De Viris Illustribus, Bd. 1 (wie Anm.  1), 45 f. 5  B.P. 954, fol.  1v. 6 Ebd.

I. Einleitung

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Handschrift gelten. Dabei bleibt der Hinweis auf die Amtserhebung nicht die einzige Information zu Giovan Francesco Capodilista, die der Leser im Kodex erhält. Die über seinem Reiterportrait auf Blatt 32v festgehaltene Kurzbiographie stellt ihn als gelehrten Juristen und Diplomaten vor, der im Dienste der Republik Venedig auf dem Konzil von Basel zwischen den Konzilsvätern und Papst Eugen IV. vermitteln sollte. Dort habe er das Amt des Hofpfalzgrafen von Sigismund als Dank für seinen Einsatz erhalten, und dazu noch weitere politische Ehrungen, die er teilweise im Text beschreibt, teilweise dem Leser auf den Bildern vor Augen führen lässt. Neben seinen diplomatischen Tätigkeiten berichtet Capodilista in seiner Kurzbiographie noch von seinen Erfolgen als Lehrender an der juristischen Universität in Padua. Dort habe er nicht weniger als 33 Jahre lang Recht gelehrt, zunächst ziviles, später kanonisches Recht. Stolz zählt er die Namen seiner prominenten Konkurrenten und Kollegen auf. Zwischen diesen beiden Eckpfeilern aus gelehrtem Recht und Diplomatie entfaltet Capodilista selbst seine Biographie. Sie bestimmen maßgeblich seine Selbstdefini­ tion und beschreiben gleichzeitig die für seine Karriere entscheidenden Tätigkeiten. Diplomatie: Giovan Francesco Capodilista als venezianischer und päpstlicher Gesandter Wie umfangreich Capodilistas diplomatische Karriere7 tatsächlich war, ist dem Ca­ po­dilista-­Kodex nicht zu entnehmen. Als Diplomat der zweiten Reihe ohne nennenswerte humanistische Neigungen hat sein Lebenslauf bis jetzt in der Forschung kaum Interesse gefunden.8 Zudem gehörte er zu der nur sehr kleinen Gruppe der Diploma7  Der Begriff „Diplomatie“ soll hier im spezifischen Bezug auf die im Spätmittelalter weit­ entwickelte venezianische und päpstliche Diplomatie anstelle des insbesondere in Bezug auf das römisch-deutsche Reich vielfach genutzten Begriffs des „Boten- und Gesandtenwesens“ verwendet werden, zumal er gerade für die Aufgaben der päpstlichen Legaten schon länger im gängigem Gebrauch ist. Zur Diskussion siehe Zey, Claudia/Märtl, Claudia, Aus der Frühzeit europäischer Diplomatie? Einleitung, in: Dies./Dies. (Hg.), Aus der Frühzeit europäischer ­Diplomatie. Zum geistlichen und weltlichen Gesandtschaftswesen vom 12. bis zum 15. Jahrhundert, Zürich 2008, 9–21. Zur Forschungsentwicklung siehe weiter Schwinges, Rainer C./ Wriedt, Klaus, Gesandtschafts- und Botenwesen im spätmittelalterlichen Europa – eine Einführung, in: Ders./Ders. (Hg.) Gesandtschafts- und Botenwesen im spätmittelalterlichen Eu­ ropa, Ostfildern 2013 (VuF 40), 9–14, zur Literatur zum päpstlichen Gesandtschaftswesen und zur Einführung Maleczek, Werner, Die päpstlichen Legaten im 14. und 15. Jahrhundert, in: Rainer C. Schwinges/Klaus Wriedt (Hg.), Gesandtschafts- und Botenwesen im spätmittelalterlichen Europa, Ostfildern 2013 (VuF 40), 33–86. 8  Zur Biographie Giovan Francescos gibt es wenig Literatur. Siehe Tocci, Mirella: Art. Giovan Francesco Capodilista, in: DBI, Band  18 (1975), 638–640, hier 638. Weiter die Anmerkungen bei Blason-Berton, De Viris Illustribus, Bd. 1 (wie Anm.  1), 40 und die biographische Kurzfassung bei Belloni, Annalisa, Professori giuristi a Padova nel secolo XV. Profili bio-bib­ liografici e cattedre, Frankfurt am Main 1986 (Studien zur europäischen Rechtsgeschichte 28), 42. Bei allen aufgezählten Titeln handelt es sich nur um kurze biographische Skizzen mit teilweise größeren Lücke und Fehlern.

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ten im Dienst der Republik, die nicht aus Venedig selbst kamen und daher in den seit dem Aufschwung der Diplomatieforschung in den 1980er Jahren zahlreich entstandenen Studien zur Diplomatie und Außenpolitik9 der Lagunenrepublik oft nicht beachtet wurden.10 Dabei ist die diplomatische Karriere Capodilistas, mit der hier alle seine Reisen im Auftrag eines weltlichen oder geistlichen Machthabers mit einem oder mehreren konkreten Zielen und einer spezifischen Beauftragung umfasst werden sollen, in ihrer Gesamtheit betrachtet wesentlich länger gewesen als der ausschließlich auf Ereignisse bis 1436 rekurrierende Capodilista-Kodex es vermuten lässt. Sie baute vor allem auf Capodilistas Erfahrungen als gelehrter Jurist und Leh9  Der für das Mittelalter umstrittene Begriff der „Außenpolitik“ soll in der gesamten Arbeit als Umschreibung der Beziehungen und Handlungen eines Machträgers, Staates oder staaten­ ähnlichen verfassten Gebildes zu und in Reaktion auf andere Machtträger umschreiben. Dabei wurde die Kritik Ottners berücksichtigt, dass der Begriff weit gefasst ist und deshalb einer vorherigen Definition bedarf. Die Anwendung des alternativ vorgeschlagenen Begriffs „außenpolitisches Handeln“ allein erscheint hier aber nicht treffend. Siehe Ottner, Christine, Einleitung, in: Sonja Dünnebeil/Dies. (Hg.), Aussenpolitisches Handeln im ausgehenden Mittelalter: Akteure und Ziele, Wien 2007, 9–20, hier 11. Grundsätzliche Überlegungen zur Frage nach der Anwendbarkeit des stark durch frühneuzeitliche und gegenwärtige Staatsvorstellungen geprägten Begriffs, spezifisch auf das deutsch-römische Reich bezogen siehe Wefers, Sabine, Das Primat der Außenpolitik. Das politische System des Reichs im 15. Jahrhundert, Berlin 2013 (Historische Forschungen 99), 12 f. Jüngst zum Konzept der Nation und der Bedeutung der Internationalität für die Außenpolitik und Diplomatie im Spätmittelalter Kintzinger, Martin: Internationalität ohne Nation? Das Konzept einer europäischen Diplomatie im Spätmittelalter, in: Gabriele Annas/Jessika Nowak (Hg.), Et l’homme dans tout cela? Von Menschen, Mächten und Motiven. FS für Heribert Müller zum 70. Geburtstag, Stuttgart 2017 (Frankfurter Historische Abhandlungen 48), 321–332. Reitmeier kommt zu dem Entschluss, „Außenpolitik“ vor allem als bilaterale Beziehungen zwischen Monarchen bzw. Machtträgern zu definieren. Siehe Reitmeier, Arnd, Außenpolitik im Spätmittelalter. Die diplomatischen Beziehungen zwischen dem Reich und England 1377–1422, Paderborn 1999 (Veröffentlichungen des DHI London 45), 24. 10  Obwohl die Diplomatie Venedigs seit dem Aufschwung der Diplomatieforschung in den 1980er Jahren besonderes Interesse auf sich gezogen hat, und es zahlreiche Einzelstudien zu ihren Funktionen und Strukturen gibt, fehlen Untersuchungen zur Rolle der Herkunft bei der Wahl der Diplomaten und zur Position nicht-venezianischer Diplomaten. Grundsätzlich ging die Forschung aber davon aus, dass nur Venezianer als Diplomaten für die Republik tätig werden konnten. Siehe bspw. Lazzarini, Isabella, Communication and Conflict. Italian Diplomacy in the Early Renaissance 1350–1520, Oxford 2015 (Oxford Studies in Medieval Euro­ pean History), 131, dort auch Hinweise zur bisher erschienenen Literatur. Differenzierter wertet Knapton die Rolle von Bewohnern der Terraferma in der venezianischen Diplomatie. Vgl. Knapton, Michael, Venice and the Terraferma, in: Andrea Gamberini/Isabella Lazzarini (Hg.), The Italian Renaissance State, Cambridge 2012, 132–155, 142 und 154. Als Forschungsüberblick siehe Neumann, Christian Alexander, Venedig und Aragon im Spätmittelalter (1280– 1410). Eine Verflechtungsgeschichte, Paderborn 2017 (Mittelmeerstudien 15), zum Forschungs­ überblick zur venezianischen Diplomatie 49–61, hier 49 f. und insbesondere zur italienischen Forschung Frigo, Daniela, Introduction, in: Dies. (Hg.), Politics and Diplomacy in Early Modern Italy. The Structure of Diplomatic Practice, 1450–1800, Cambridge 2000 (Cambridge Studies in Italian History and Culture), 1–24.

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render an der juristischen Universität Padua auf, und war damit viel stärker auf die Ausbildung und das Wissen Capodilistas zentriert als auf die eigentlich im Hintergrund zu vermutenden Patronagestrukturen. Als Gesandter wurde er jeweils bei Bedarf mit individuellen Instruktionen auf spezifische Missionen geschickt, die oft ­juristisches Spezialwissen erforderten. Über die Jahre seiner Tätigkeit als Diplomat entfaltete Capodilista so eine bemerkenswerte Reiseaktivität. Viele seiner Aufträge führten ihn weit über Italien hinaus und hielten ihn länger von seiner Heimatstadt Padua fern, so dass er am Ende seines Lebens nicht nur in Basel und auf Reisen in zentralen Gebieten des Heiligen Römischen Reiches gewesen war, sondern auch 1437 Aufträge am Hof Kaiser Sigismunds in Budapest sowie 1440 in Frankreich absolviert hatte. Dazu kam eine längere Zeitspanne, die er als Beobachter für Venedig in Florenz an der dort residierenden päpstlichen Kurie verbrachte. Kürzere Aufträge führten ihn in zahlreiche andere italienische Städte. Er führte Verhandlungen, teilweise als einziger von seinem Auftraggeber umfangreich bevollmächtigter Diplomat, mit weltlichen Machtträgern wie dem deutsch-römischen Kaiser Sigismund, König Karl VII. von Frankreich, den Kurfürsten des Reiches, italienischen Machthabern und vor politischen und geistlichen Versammlungen wie dem Basler Konzil. Dabei agierte er nicht nur für die Republik Venedig, sondern wechselte 1437 in den Dienst Papst Eugens IV., dessen Position im Konflikt mit dem Basler Konzil er in den näch­ sten Jahren auf zahlreichen Foren vertrat. Der Ursprung dieser Karriere ist dabei in dem regen Austausch städtischer Gesandter in den oberitalienischen Städten zu suchen, besonders zwischen dem seit 1405 zur venezianischen Terraferma gehörenden Padua und der über die kleine Stadt herrschenden Republik. Die Aushandlung dieser neuen politischen Situation rief ­einen regen Austausch an Gesandtschaften zwischen beiden Städten hervor, und Capodilista gehörte zu den dafür eingesetzten Männern. Seine ersten diplomatischen Erfahrungen sammelte er in diesem genau abgesteckten politischen Rahmen, bevor er ab 1421 für Venedig selbst diplomatische Funktionen übernahm und seine Reisen ihn über die Grenzen des venezianischen Herrschaftsraumes zu führen begannen. Alle diese bemerkenswerten Reisen und Begegnungen finden aber kaum Niederschlag im Capodilista-Kodex. Und auch ein für Capodilistas Karriere zentraler Moment wird nicht erwähnt: seine im Sommer 1419 erfolgte Verurteilung wegen Verrats durch das Consiglio dei Dieci in Venedig.11 Dieser Prozess und das daraus resultierende Exil aus Padua wurden zum Katalysator für seine diplomatische Karriere. Welche Konsequenzen die Verurteilung für Capodilistas Karriere hatte, bleibt gemeinsam mit der Rekonstruktion seiner Reisetätigkeit als Gesandter einer der zentralen Punkte des ersten Teiles dieser Arbeit. Ziel ist es, die Biographie Giovan Francescos nicht nur zu rekonstruieren, sondern auch die hinter seiner diplomatischen Karriere stehenden politischen Entwicklungen und kommunikativen Mechanismen zu erken11  Die

Verhandlung fand am 30. August 1419 in Venedig statt. Siehe ASVe, Consiglio dei dieci, Deliberazioni, Miste, Registri, reg.  10, fol.  15v.

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nen. Letztendlich gilt es zu erklären, warum ein aus einer besetzten Stadt stammender und wegen Verrats an der Republik verurteilter Jurist nur wenige Jahre später als Diplomat in einer für Venedig wichtigen und komplexen Situation auf die zur Bühne der internationalen Politik gewordene Basler Kirchenversammlung geschickt wurde.12 Gleichzeitig wird damit die Rolle der venezianischen Gesandtschaft auf dem Basler Konzil aufgearbeitet, die bisher von der Forschung nur am Rande beachtet wurde,13 obwohl die über lange Zeit dünne Literaturbasis auch zur Rolle von Diplomaten auf dem Konzil sich langsam auszuweiten beginnt.14 Weiter ist zu erörtern, inwiefern die Vertretung Venedigs auf dem Basler Konzil weiteren Einfluss auf Capodilistas Karriere nahm, und warum er letztendlich in den Diensten Papst Eugens IV. tätig wurde. Die vielfältigen politischen Kontexte, in denen Capodilista sich abhängig von seinem aktuellen Auftrag und Arbeitgeber bewegte, erfordern dabei für jede Phase seiner Biographie zunächst die knappe Aufarbeitung der jeweiligen historischen Situation. Nur so werden Konnexe und Brüche innerhalb der Problemkomplexe sichtbar, die Giovan Francesco vor Ort navigieren musste. Besonders intensiv aufzuarbeiten, auch auf Grund des umfangreich vorhandenen Quellenmaterials, ist Capodilistas Aufenthalt in Basel von Oktober 1433 bis Dezember 1435. Grundlegend dafür ist vor allem die engmaschige Korrespondenz, die Venedig mit ihren Gesandten bei wichtigen Missionen führte, und die heute in den Senatsprotokollen der Republik im Archivio di Stato di Venezia überliefert ist.15 Dabei sind in der Regel nur die 12  Obwohl die Position Capodilistas als Jurist dabei Teil der Untersuchung wird, soll keine spezifische Juristenbiographie entstehen, wie sie beispielsweise von Daniels und Woelki für auf dem Basler Konzil tätige Juristen vorgelegt wurde. Daniels, Tobias, Diplomatie, politische Rede und juristische Praxis im 15. Jahrhundert. Der gelehrte Rat Johannes Hofmann von Lieser, Göttingen 2013 (Schriften zur politischen Kommunikation 11), ähnlich Woelki, Thomas, Lodo­vico Pontano (ca. 1409–1439): eine Juristenkarriere an Universität, Fürstenhof, Kurie und Konzil, Leiden 2011 (Education and Society in the Middle Ages and Renaissance 38) und jüngst die umfangreiche Studie zu dem nicht mit dem Basler Konzil verbundenen italienischen Juristen Giovanni da Imola siehe Padovani, Andrea, Dall’alba al crepuscolo del commento. Giovanni da Imola (1375 ca.- 1436) e la giurisprudenza del suo tempo, Frankfurt am Main 2017 (Studien zur Europäischen Rechtsgeschichte 303). 13  Die neusten Bemerkungen stammen aus der für das Basler Konzil nach wie vor grund­ legenden Arbeit von Helmrath, Johannes, Das Basler Konzil 1431–1449. Forschungsstand und Probleme, Köln/Wien 1987, zu Venedig siehe 257–260. Ausführlicher, aber immer noch lücken­haft Niero, Antonio, L’azione veneziana al Concilio di Basilea (1431–1436), in: Ders. (Hg.), Venezia e i Concili, Venedig 1962, 3–46. 14  Siehe beispielsaweise die jüngst erschienene Überblicksdarstellung Decaluwé, Michiel/ Izbicki, Thomas M./Christianson, Gerald (Hg.), Companion to the Council of Basel, Leiden/ Boston 2017 (Brill’s Companions to the Christian Tradition) mit Aufsätzen zum Verhältnis von unterschiedlichen Mächten zum Konzil. Etwas besser aufgearbeitet war die Rolle englischer Diplomaten auf dem Konzil, Literatur dazu siehe weiter unten, Kapitel  2. 15 In Teilen sind diese Protokolle auch in den Reichstagsakten ediert, wobei vor allem Band  10: Unter Kaiser Sigismund. Vierte Abteilung 1431–1433, Gotha 1906, und Band  11: Unter Kaiser Sigismund. Fünfte Abteilung 1433–1435, Göttingen 1898, von Bedeutung sind

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­ issive kopial erhalten, die von Venedig aus verschickt wurden, während die Antm wortschreiben der Gesandten, die responsive, in der Regel verloren sind.16 Häufig in den Senatsprotokollen erhalten sind die Instruktionen und Beglaubigungsschreiben für die Gesandten, die oft ausführliche Informationen zum Ziel der Gesandtschaft enthielten und daher wichtige Quellen darstellen. Für keine von Giovan Francesco Capodilistas Aufträgen für Venedig sind die Abschlussberichte erhalten, die relazio­ ni, in denen die Gesandten Rechenschaft über ihre Aktivitäten ablegen mussten.17 Die venezianische Überlieferung wird ergänzt durch Berichte von Konzilsteilnehmern in Basel wie die Konzilschronik des Juan Alfonso di Segovia und das Tagebuch des Sekretärs der venezianischen Gesandtschaft Andrea Gatari.18 In diese Zeit fällt auch die Abfassung des Capodilista-Kodex, so dass die Ereignisse in Basel auch für die Analyse des Kodex von Bedeutung sind. Wesentlich sporadischer sind die Quellenbestände zu Capodilistas Aktivitäten im Auftrag Eugens IV., von denen oftmals nur die Kopien der Beauftragungsschreiben in den Registern sowie die päpstlichen Ausgabenbücher im Archivio Segreto Vaticano übrig geblieben sind. Gerade die Begegnungen auf den Foren der Diplomatie und Politik, wie sie beispielsweise die Reichsversammlungen von Nürnberg 1438 und Mainz 1439 darstellten, erlaubt aber oft interessante Außenperspektiven auf die Aktivitäten Capodilistas aus der Korrespondenz anderer Gesandte, wie sie sich in Editionen wie den Reichstagsakten finden. Einzigartig als Schriftstück aus Giovan Francescos eigener Feder ist der im Februar 1439 in Nürnberg verfasste Traktat Super diversis questionibus, der in einer Handschrift im Corpus Christi College in Cambridge (UK) überliefert ist. In ihm befasste Capodilista sich mit der Frage nach der päpstlichen Autorität über das Konzil, und ermöglicht so Einblicke in die kirchenpolitische Argumentation aus der Perspektive eines gelehrten Juristen.19 Bedingt durch diese durch offizielles Schriftgut geprägte Quellenbasis wird der Schwerpunkt der Untersuchung vor allem auf der öffentlich performativen Seite der diplomatischen Karriere Capodilistas liegen, und inoffizielle (zitiert als RTA). Zur Entwicklung des Schriftverkehrs zwischen den Diplomaten Venedigs und dem Senat siehe Lazzarini, Communication and Conflict (wie Anm.  10), 51–57. 16 Vgl. Lazzarini, Communication and Conflict (wie Anm.  10), 52. 17  Zur Entwicklung dieses Berichts vgl. ebd., 55. 18  Beide Texte liegen in Editionen vor: Die Konzilschronik des Segovia als Johannis di ­Segovia, Historia Gestorum Generalis Synodi Basiliensis, in: Monumenta conciliorum gene­ ralium seculi decimi quinti. Concilium Basiliense. Scriptores. Bde. 2–3, Wien 1886 (zitiert als Segovia), Gataris Tagebuch als Band in der Reihe Concilium Basiliense. Studien und Quellen zur Geschichte des Concils von Basel. Herausgegeben mit Unterstützung der Historischen und Antiquarischen Gesellschaft von Basel, hier Band  5: Das Tagebuch des Andrea Gatari, Basel 1904 (zitiert als Tagebuch des Andrea Gatari). Als Überblick zur Konzilschronik des Segovia siehe Mann, Jesse D., Histories of the Councils, in: Michiel Decaluwé/Thomas M. Izbicki/ Gerald Christianson (Hg.), Companion to the Council of Basel, Leiden/Boston 2017 (Brill’s Companions to the Christian Tradition) 50–72, besonders 61–71. 19  Corpus Christi College, ms. 157 und weiter unten, Kapitel  2. Ich danke Thomas Izbicki, der mich auf die Existenz des Traktats hingewiesen hat.

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oder informelle Entwicklungen nur dann einen Niederschlag finden können, wenn sie in den Anweisungen oder Berichten sichtbar werden.20 Pergament: Familiengeschichte und Selbstdarstellung im Capodilista-Kodex Die Handschrift selbst rückt im zweiten Teil der Arbeit in den Blickpunkt. Dabei sollen Textelemente und bildliche Ausstattung im Kontrast zu den bisherigen, hauptsächlich auf die Bildausstattung konzentrierten Forschungsbemühungen als gleichwertig betrachtet werden. Die Analyse kann sich so auf beide Ebenen der Handschrift erstrecken und Verbindungen und Ähnlichkeiten, aber auch Unterschiede zwischen beiden Elementen herausarbeiten. Notwendigerweise muss diesen Überlegungen zunächst eine Beschreibung der Handschrift selbst, eine Analyse der Entstehung und Struktur sowohl der Texte als auch der Bilder, sowie eine Untersuchung der Rezep­ tion vorangestellt werden. In einem gesonderten Abschnitt wird dabei die Verankerung des Capodilista-Kodex in der reichen historiographischen Tradition Paduas ­anhand einer Analyse der Chronik des Giovanni da Nono aus dem Besitz Giovan Francescos näher betrachtet.21 Der Betrachtungshorizont bleibt dabei auf die Stadt Padua und ihre spezifische historiographische Produktion beschränkt, deren Einfluss auf den Capodilista-Kodex aufgezeigt werden soll. Analysiert werden soll dabei, wie unterschiedliche literarische Genres, wie die in Padua verbreiteten Werke der De ­Viris Illustribus-Tradition und die italienischen Libri di famiglia im Capodilista-Kodex miteinander verbunden und zu einem neuen Konzept verarbeitet wurden. Notwendigerweise wird dabei die nördlich der Alpen verbreitete Tradition der Haus- und Familienbücher weitestgehend außer Acht gelassen, um den Betrachtungsrahmen nicht zu sprengen und den Charakter des Capodilista-Kodex als spezifisches Werk Paduaner Prägung zu betonen.22 Gleichzeitig soll auch die intermediale Fortwirkung des 20  Zum Verhältnis von offiziellen und inoffiziellen Handlungen in diplomatischen Beziehungen siehe Neumann, Venedig und Aragon (wie Anm.  10), 53. 21  Die Handschrift der Chronik des Giovanni da Nono aus dem Besitz Giovan Francesco Capodilistas wird heute in der Biblioteca Civica di Padova unter der Signatur B.P.1239/XXIX aufbewahrt. Ein umfangreicher Überblick über die historiographische Tradition in der Region um Padua und Padua mit intensiver Rezeption der vor allem italienischsprachigen Literatur findet sich bei Cusa, Giuseppe, Die Geschichtsschreibung in der Mark Verona-Treviso während des politischen Wandels von der Kommune zur Signorie (spätes 12. bis frühes 15. Jahrhundert), Diss. masch., Frankfurt am Main 2018 (im Druck, Seitenzahlen nach Manuskript zitiert). Für die Überlassung seines ungedruckten Manuskripts und zahlreiche hilfreiche Hinweise danke ich Giuseppe Cusa sehr. 22  Für eine Betrachtung in einem den italienischen Fokus dieses Projekts übersteigenden Rahmen kämen u. a. Werke wie die Georg von Ehingens „Reise nach Ritterschaft“ in Frage, die einige Jahrzehnte nach der Abfassung des Capodilista-Kodex nördlich der Alpen ähnliche ­ritterliche Idealvorstellungen in genealogischen Kontexten erarbeiten. Georg von Ehingens’ Werk „Reise nach der Ritterschaft“ berichtet von seiner Erhebung zum Ritter und zwei anschließenden Reisen verknüpft mit familiengeschichtlichen Ausführungen, und wurde Ende des 15. Jahrhunderts verfasst. Zum Einstieg siehe Schmidt, Susanna, Georg von Ehingen ‚Reise

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Kodex analysiert werden, wie sie sich in dem 1435 in Basel entstandenen Adels­ privileg des Manfredo del Cortivo spiegelt.23 Überlegungen zur Bedeutung des Basler Konzils als Entstehungsort des Kodex schließen sich unmittelbar an die Analyse des dort entstandenen Adelsprivilegs Cortivos an. Schwerpunkt ist die ausführliche Analyse der narrativen Strategien in den Texten und Bildern des Kodex. Vorher sind allerdings Überlegungen zu den Grundlagen ­einer solchen Untersuchung notwendig. Sie basieren auf der Annahme, dass Capo­ dilista die Handschrift in Basel nicht nur zur reinen Repräsentation seiner Familien­ geschichte in Auftrag gab. Vielmehr werden darüber hinausgehende Konzepte und Ziele des Verfassers vermutet und an den im Kodex enthaltenen Elementen geprüft. Grundlage dieser Annahme ist die hohe Dichte an bewussten Handlungen Capodilistas bei der Entstehung des Capodilista-Kodex, die in der Handschrift deutlich werden. Dabei werden nicht nur die Handlungsspielräume ausgelotet, über die er als Verfasser und Konzepteur des Kodex verfügte, sondern auch seine konkreten Strategien und Ziele definiert, soweit sie in der Handschrift erkennbar werden. Der Kodex wird so als ein eng mit der Person Capodilistas verbundenes Werk aufgefasst, in dem seine Vorstellungen über seine eigene gesellschaftliche Position und die seiner Familie deutlich werden. Für die Durchführung eines Vergleiches der narrativen Strate­ gien auf Bild- und Textebene des Kodex werden exemplarisch zwei Elemente ausgewählt, die nach den vorher festgelegten Prämissen betrachtet werden. Dabei handelt es sich auf der Bildebene um das besonders auffällige sogenannte Uhrenwappen, das dem Kodex auf Blatt 2r vorangestellt und als das älteste Wappen der Familie ausgewiesen ist (Abb. 1). Auf der Ebene des Textes soll die Quellenliste als Grundlage der Untersuchung genutzt werden, bevor anschließend der Blickwinkel auf den gesamten Kodex ausgeweitet wird. Nimmt man den Kodex als Medium Capodilistas an, das ihn gezielt in bestimmten Gruppenzusammenhängen verortet, liegt die Benennung dieser Gruppenzusammenhänge als Netzwerk nah. Die rasante Karriere des Begriffes des Netzwerks und der Netzwerkanalyse in der historischen Forschung der letzten Jahrzehnte lassen die Nutzung dieses vielversprechenden, aber nicht einfach anzuwendenden Paradigmas ertragreich erscheinen. Die spezifische Gestalt des Capodilista-Kodex und vor allem der mangelnde Quellenbefund zur Person Giovan Francesco lassen dieses Verfahren aber nicht gewinnbringend erscheinen. Hinterfragt werden muss deswegen auch, inwiefern sich die Strukturen und Paradigmen der Netzwerkanalyse tatsächlich als Zugang zu den spezifischen Fragestellungen mediävistischer Arbeiten eignen. Als Alternativzugriff wird letztendlich eine für die Arbeit am Capodilista-Kodex entwickelte, von der Netzwerkanalyse geprägte neue Form der Netzwerkperspektive an den nach der Ritterschaft‘: Stil und Darstellungsmuster einer Ritterbiographie am Übergang vom späten Mittelalter zur frühen Neuzeit, Diss. masch., Bonn 1997. 23  Die Urkunde ist heute in der Biblioteca Civica in Padua zu finden unter der Signatur B.P. 1641/VII.

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­ odex herangetragen, die Capodilistas Strategien zur Verortung seiner Person und K ­seiner Familie in besonders definierten Gruppenkontexten sichtbar machen soll. Als zweiter Zugang neben der Netzwerkperspektive soll die Vorstellung des Einschreibens genutzt werden. Dieses Konzept, das unter anderem den Schriften von Gabrielle Spiegel entlehnt wurde, umfasst Annahmen zur Konstruktion sozialer und damit auch historischer Wirklichkeit durch Textproduktion.24 Attraktiv wird die ­Anwendung dieses Konzepts auf den Capodilista-Kodex durch die hohe Dichte an symbolhaften Zeichen und narrativen Strategien im Kodex, die auf eine besondere Handlungsmacht, „agency“, Capodilistas bei dessen Entstehung hinweisen. Erörtert wird, inwiefern Giovan Francesco bei der Abfassung des Kodex bewusst Text und Bild zur Konstruktion textimmanenter historischer Wirklichkeit nutzt, welche Wechselwirkun­gen zur Außenwelt der Handschrift dabei entstehen konnten, und welche Aussagen über seine Selbsteinordnung in gesellschaftliche Kontexte sich ­dadurch ergeben. Diplomatie und Pergament – zwischen diesen beiden Polen bewegte sich Capodilistas Karriere nicht nur im Moment der Entstehung des Capodilista-Kodex. Dieser doppelte Zugriff soll auch einen doppelten Ertrag erbringen. In einem ersten Schritt wird mit der Rekonstruktion der diplomatischen Karriere Giovan Francescos erschlossen, warum und unter welchen Voraussetzungen ein aus dem erst wenige Jahrzehnte vorher mühsam unterworfenen Padua stammender Jurist als verantwortlicher Diplomat für die einflussreiche Republik Venedig auf das Basler Konzil gelangen konnte. Gleichzeitig wird die Politik Venedigs auf dem Konzil von Basel weiter ausführlich erarbeitet und zusammenfassend dargestellt. Aber auch darüber hinaus werden am Beispiel Capodilistas Tendenzen der Diplomatie sichtbar, die Entwicklungsstrukturen besonders in der Auseinandersetzung verschiedener Machtträger mit dem Basler Konzil zeigen und querschnittartig Einblicke in Brennpunkte der Diplomatie in der Zeit von 1433 bis 1442 ermöglichen. Die Untersuchung des Capodilista-Kodex überprüft die tatsächlichen Funktionen des Kodex gegen die Erwartungshaltung des Lesers. Sichtbar werden dabei Erzählstrategien und Handlungsspielräume des Verfassers, aber auch Methoden zu Möglichkeiten des familienhistoriographischen und autobiographischen Schreibens zwischen bewusster Fiktionalität und mit Wahrheitsanspruch formulierter Narration. Aufgezeigt wird so nicht nur, wie die Familiengeschichte der Capodilista in Blattgold und Farbenpracht erzählt wird, sondern auch welche Strukturen diesem Konzept zu Grunde liegen, und welche Rolle Giovan Francesco Capodilista als gelehrter Jurist und erfolgreicher Diplomat selbst darin spielte. Dabei wird eine bemerkenswerte Karriere eines Juristen in der Diplomatie

24  Spiegel konstruiert in ihren Schriften das Konzept der Inscription, an das die hier genutzte Vorstellung des Einschreibens angelehnt ist. Siehe Spiegel, Gabrielle, The Past as Text. The Theory and Practice of Medieval Historiography, Baltimore/London 1997, besonders 25–27, ausführliche Verweise in Kapitel  3.

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der frühen Renaissance25 sichtbar, die ihn einmal quer durch Europa führte, und in seinem Kodex weit in die Vergangenheit seiner Familie zurück ausstrahlte.

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Zur Verwendung des Begriffs Renaissance in seiner Ausprägung zwischen den Theorien von Jakob Burkhardt und Hans Baron und der Anbindung an die Diplomatiegeschichte siehe Margolis, Oren J., After Baron, back to Burckhardt?, in: Nicholas Scott Baker/Brian Jeffrey Maxon (Hg.), After Civic Humanism: Learning and Politics in Renaissance Italy, Toronto 2015, 31–47.

II. Diplomatie. Ein gelehrter Jurist aus Padua im Dienst Venedigs und des Papstes: Die diplomatische Karriere Giovan Francesco Capodilistas

II.1. Vor 1433: Vom gelehrten Juristen zum Diplomaten Giovan Francesco Capodilista wurde vermutlich in den Jahren um 1380 als Sohn von Francesco Capodilista in Padua geboren.1 Seine Mutter Giacoma stammte aus der im Wollhandel reich gewordenen Familie der Capodivacca.2 Nach einem der verschiedenen überlieferten Stammbäume hatte Giovan Francesco zwei Schwestern, Sara und Beatrice, und wahrscheinlich einen Bruder namens Annibale oder Gabriele.3 Das genaue Geburtsdatum Giovan Francescos bleibt, genau wie seine Jugendjahre, im Dunkeln. Etwas mehr ist über seinen familiären Hintergrund bekannt, denn seine Familie gehörte zur etablierten Oberschicht Paduas. Die Capodilista waren eine in verschiedene Zweige aufgespaltene große Familie, die spätestens ab der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts in Padua nachweisbar ist.4 Möglicherweise hatten einzelne Familienvertreter sich allerdings schon früher in Padua niedergelassen: Eine Notiz von 1157 vermerkt die Geldschuld eines Paganinus de Capite Lucere, wobei in der Marginale auf die Familie Capodilista hingewiesen wird.5 Die Capodilista waren seit Beginn des 15. Jahrhunderts mit der im Mannesstamm ausgestorben Familie Forzatè verbunden und zudem an die bereits ausgestorbene Familie der Transelgardi angesippt. Die Forzatè waren eine der ältesten und promi1 

Zur Biographie Giovan Francescos siehe Tocci, Mirella, Art. Giovan Francesco Capodilista. DBI 18 (1975), 638–640. Weiter die Anmerkungen Blason-Bertons in der Edition De viris illustribus Familiae Transelgardorum, Forzatè et Capitis Listae, ed. v. Mirella Blason-Berton. 2 Bde (Faksimile und Textband). Rom 1972, 40 und die biographische Kurzfassung bei Bel­ loni, Annalisa: Professori giuristi a Padova nel secolo XV. Profili bio-bibliografici e cattedre, Frankfurt am Main 1986 (Studien zur europäischen Rechtsgeschichte 28), 42. 2  Monumenti della Università di Padova (1318–1405), ed. v. Andrea Gloria, Band  1. Padua 1888, 212. Weiter vgl. Polizzi, Carlo, Nuovi documenti e ricerche sul cenacolo preumanistico padovani, in: Italia Medioevale e Umanistica 28 (1985), 137–187, hier 178. 3  Der Name des Bruders Giovan Francescos ist unklar, weil verschiedene Stammbäume unterschiedliche Namen verzeichnen. Die Tavola Genealogica der Biblioteca Civica di Padova vermerkt den Namen des Bruders als Annibale, während der Stammbaum der Abschrift B des Capodilista-Kodex aus Venedig den Namen Gabriele verzeichnet. Vgl. Tavola Genealogica della Famiglia Capodilista in B.P. 2158, fol.  81r und Biblioteca Nazionale Marciana, Cod. Marc.Lat. X 348/VII (=3260), fol.  219. 4  Hyde bezeichnet die Capodilista Ende des 13. Jahrhunderts als „rich and rising“. Hyde, John Kenneth, Padua in the Age of Dante, Manchester 1966, 72. 5  Codice Diplomatico Padovano. Dall’ Anno 1101 alla Pace di Constanze. Parte 2, ed. v. Andrea Gloria, Venedig 1881 (Monumenti storici 6), 18, Nr.  674, Eintrag zum 20.1.1157.

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II. Diplomatie. Ein gelehrter Jurist aus Padua im Dienst Venedigs und des Papstes

nentesten Familien Paduas, die durch Eheschließungen mit den Carrara verbunden gewesen waren.6 Nachweise zur Ansippung der Capodilista an die Forzatè finden sich bereits zu Beginn des 14. Jahrhunderts.7 Schriftlichen Niederschlag fanden diese Ansippungen auch in der im Capodilista-Kodex überlieferten Herkunftserzählung der Familie. Allerdings war die Position der Familie Capodilista in Padua nicht ­immer unangefochten, und der Vater Giovan Francescos, Francesco Capodilista, war durch die Spielschulden seines älteren Bruders Caroto finanziell immer wieder in Schwierigkeiten geraten.8 Allerdings gelang es ihm, die Finanzen seiner eigenen Kernfamilie wieder zu konsolidieren und besonders den umfangreichen Grundbesitz zu bewahren. Der Name Capodilista ist in zahlreichen, teilweise dialektal beeinflussten oder lati­ nisierten Variationen in Padua belegt, unter anderem als Cha de Chavi, Cavi di Lista, de Capiteliste, Caodelissa, Caodelista, Caodelisa und Cavedelista.9 Die Familie war umfangreich, und so sind ein halbes Jahrhundert später, von 1442 bis 1507, nicht weniger als 23 Haushalte mit dem Namen oder einer Namensvariation von Capodilista in Padua nachweisbar.10 Leitnamen für den Zweig Giovan Francescos waren unter anderem Francesco, Gabriele, Giovanni, Frederico und in den Generationen nach Giovan Francesco Capodilista auch Sigismondo. Als Familienwappen ist spätestens ab dem 15. Jahrhundert der rote steigende Hirsch in goldenen oder gelben Schild, oft mit einer Rose im Maul, nachweisbar. Er ist bis heute in Padua am ehemaligen Palazzo Capodilista zu sehen und auch nach der Verbindung der Familie Capodilista mit den venezianischen Patriziern Emo noch im Familienwappen erhalten.11 Die verschiedenen Zweige der Familie Capodilista lebten in Padua im 15. Jahrhundert in unterschiedlichen Stadtteilen. Am 24. Juni 1423 verzeichnet ein Beschluss Giovan Francesco beispielsweise als Vertreter des Stadtbezirkes Ponte Altinate, gemeinsam mit Pietro Scrovegni, Giovanni Sulimani und Frederico Capodilista.12 Bei letzterem handelte es sich vermutlich um einen Cousin Capodilistas. Allerdings waren zu diesem Zeitpunkt gleich zwei seiner männlichen Cousins mit diesem Namen 6  Siehe Kohl, Benjamin, Government and Society in Renaissance Padua, in: JMRS 2 (1972), 204–221, hier 209. 7  Siehe die Chronik De Generatione des Giovanni da Nono, die zu Beginn des 14. Jahrhunderts entstand, ausführlich dazu Kapitel  3. Für eine frühe Notiz zur Verbindung der Capodilista und der Transelgardi siehe die Chronik des da Nono in B.P 1239/XXIX, fol.  12v. 8  Forin Martellozzo, Elda, Conti palatini e lauree conferite per privilegio. L’Esempio Padovano del. Sec XV, in: Annali di storia delle università italiane 3 (1999), 79–119, hier 83. 9  Die Varianten sind in den Besitzverzeichnissen der Stadt zur Steuererhebung nachweisbar. Siehe ASP, Estimo dell’Anno 1418, Band  57. 10  Ebd. Der Band enthält auch das Besitzverzeichnis des ältesten Sohnes Giovan Francescos, Francesco Capodilista, von 1456 auf fol.  133r. 11  Ein Beispiel dafür ist auf einem späteren Familienstammbaum in B.P. 2158, fol.  2r zu sehen. Die Nachfahren der Familie Emo-Capodilista tragen den steigenden Hirsch als Teil eines Allianzwappens bis heute. 12  ASP, Atti dei Consiglio, fol.  479v.

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in Padua ansässig.13 Der Wohnort Giovan Francescos in Padua wechselte mehrmals, und erst ab 1433 ist er als Bewohner und zeitweilig auch Repräsentant des Stadtteils Torricelle belegt, in dem auch der Palazzo Capodilista heute steht.14 Das erste sichere Datum der Biographie Giovan Francescos ist der Beginn seines Studiums im zivilen Recht an der Universität Padua 1398.15 Warum Giovan Francesco ausgerechnet Jurist wurde, kann nur vermutet werden. Eine Tradition scheint es in seiner Familie nicht gegeben zu haben. Die Listen des Doktorenkollegiums für Juristen an der Universität Padua führen im Jahr 1382 nur einen nicht unmittelbar mit Giovan Francesco verwandten Petrus di Caroti Caputlistae an.16 Das Studium Giovan Francescos endete mit der Promotion zum Doktor des Zivilrechts am 2. Oktober 1401. Seine Prüfer waren der berühmte Kanonist und spätere Kardinal Francesco Zabarella und die Professoren Bartolomeo Saliceto, Pietro Alvarotti und Mazzoconte Mezziconti.17 Direkt im Anschluss an diese Prüfung wurde Capodilista Mitglied des Collegio dei giudici und trat als Rechtsberater auf. Nach kurzer Zeit allerdings führte er seine Studien an der Universität fort, wurde am 18. September 1403 im kanonischen Recht promoviert und konnte danach den Titel des Doktor iuris utriusque führen. Bei dieser zweiten Prüfung waren seine Prüfer Giovanni Ubaldini, Enrico Alano und erneut Francesco Zabarella.18 Direkt im Anschluss daran begann Capodilista, kanonisches Recht an der Universität in Padua zu unterrichten. Nachweise über seine Teilnahme an Promotionen und Lizentiatsprüfungen finden sich ab Herbst 1403 für fast alle folgenden Jahre.19

II.1.1. Universität und Stadt. Die Situation Paduas im Spätmittelalter Obwohl die Biographie Giovan Francesco Capodilistas ihn vor allem als venezianischen und päpstlichen Diplomaten positioniert, war die Verbindung zu seiner Heimat­ stadt Padua und der dortigen Universität eine ungebrochene Konstante, die vor allem im Capodilista-Kodex deutlich wird. Gerade in der Zeit vor seiner ersten Reise nach 13 

Capodilistas Vater Francesco hatte zwei Brüder, Rolando Capodilista und Carlotto Capodilista, die beide jeweils einen ihrer Söhne Frederico nannten. Dazu kam noch der einzige Sohn des von Rolando abstammenden Frederico Capodilista, der Giovan Frederico Capodilista hieß und häufig im Verwaltungsschriftgut Paduas auftaucht. Siehe B.P. 2158, fol.  81. 14  Zur Wahl Capodilistas als Repräsentant für Torricelle ins Consiglio der Stadt 1433 siehe ASP, Atti del Consiglio, vol.  4, fol.  101r. 15  Belloni, Professori giuristi (wie Anm.  1), 254. 16  Monumenti della Università di Padova (wie Anm.  2), 69–76. 17  Tocci, Giovan Francesco Capodilista (wie Anm.  1), 638, siehe auch Monumenti della Università di Padova (wie Anm.  2), 212. 18  Monumenti della Università di Padova (wie Anm.  2), 212. 19  Für ein Verzeichnis der Lizentiatsprüfungen und Promotionen siehe die Acta Graduum academicorum gymnasii patavini ab anno 1406 ad annum 1450. Bd. 2: 1435–1450, ed. v. Caspare Zonta und Johannes Brotto, Padua 1970 (Fonti per la storia dell’ università di Padova 5).

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Venedig erlebte Capodilista in Padua aber massive politische Umbrüche, die sowohl die Existenz der Universität kurzeitig gefährdeten als auch das politische Klima Paduas vollständig veränderten und seine eigene Karriere nachhaltig beeinflussten. Als eines der ältesten und prestigeträchtigsten Bildungszentren Italiens zog die Universität20 in Padua zahlreiche Studenten aus Gebieten jenseits der Alpen an und die dort vertretene Lehre formte einen nicht geringen Anteil der später auf der Bühne der Kirchenpolitik agierenden Persönlichkeiten.21 Gegründet bereits um 1222 von einer aus Bologna nach Padua abgewanderten Gruppe aus Studenten und Professoren entwickelte die Universität sich zu einem Zentrum des italienischen Frühhumanismus.22 Die politisch schwierige Situation unter dem gewaltsamen Regime von Ezzelino III. da Romano, der Padua 1227 unterwarf,23 und vorteilhafte Angebote aus an20  Der Begriff „Universität“ soll hier in der Definition von Kristller genutzt werden, der eine Universität als öffentlich anerkannte Anstalt mit dem Zweck der Erteilung eines spezialisierten höheren Unterrichts versteht. Vgl. Kristeller, Paul Oskar, Die italienischen Universitäten der Renaissance, Krefeld 1953, 9. 21  Die Literatur zur Geschichte der Universität Padua ist umfassend und kann hier nur in Ansätzen verzeichnet werden. Ausgelassen wird auch die gut erforschte Geschichte zur Entwicklung der italienischen Universität überhaupt und ihrer Rolle in der Renaissance. Als umfangreichste Darstellung zur Geschichte der Universität Padua und in ihrer Informationsdichte unübertroffen bleibt das Oeuvre Andrea Glorias. Besonders zu nennen sind hier die Monumenti della Università di Padova (wie Anm.  2), ein ausführliches mehrbändiges Sammelwerk mit zahlreichen Quellen zu Geschichte der Universität. Einen guten Überblick bietet weiterhin der Band Piovan, Francesco/Sitran Rea, Luciana (Hg.), Studenti, Università, Città nella Storia Padovana. Atti del Convegno Padova, 6–8 febbraio 1998, Triest 2001. Exemplarisch vor allem für die Zeit von 1405 an, mit gutem Überblick über die italienische Literatur und einem kleinen Quellenhang siehe Gallo, Donato, Università e Signoria a Padova dal XIV al XV secolo, Triest 1998. Für die Rolle der Universität im paduanischen Frühhumanismus siehe Hyde, ­Padua in the Age of Dante. Zur Gründung weiterhin Grendler, Paul F., The Universities of the Italian Renaissance, Baltimore/London 2002, besonders Kapitel  1. Aus deutscher Perspektive interessant ist die Rolle der in Padua vertretenen Studenten aus den Gebieten nördlich der Alpen, siehe dazu bietet Bauer, Melanie, Die Universität Padua und ihre fränkischen Besucher im 15. Jahrhundert, Nürnberg 2012. Für einzelne Persönlichkeiten, die in Padua studierten oder lehrten siehe die entsprechenden Abschnitte in dieser Arbeit. 22  Zur frühen Entwicklung der Universität Padua siehe Bortolami, Sante, Studenti e Città nel primo secolo dello Studio Padovano, in: Francesco Piovan/Luciana Sitran Rea (Hg.), Studenti, Università, Città nella Storia Padovana. Atti del Convegno Padova, 6–8 febbraio 1998, Triest 2001, 3–27. Weiter auch Gallo, Università e Signoria (wie Anm.  21), 15 f. und Rossetti, Lucia, Die Universität Padua. Ein geschichtlicher Querschnitt, Triest 1985. 23 Ausführlich zur Herrschaft Ezzelinos der zweibändige Sammelband Cracco, Giorgio (Hg.), Nuovi Studi Ezzeliniani. 2 Bde., Rom 1992 (Nuovi Studi Storici 21). Darin zu Padua besonders Bortolami, Sante, ‚Honor Civitatis‘. Società comunale ed esperienze di Governo Signorile nella Padova Ezzeliniana, Bd. 1, 161–239. Zur Entwicklung der Kommune Padua und der Herrschaft Ezzelinos siehe u. a. Hyde, Padua in the Age of Dante (wie Anm.  4), 1–26. Kibre spricht von einem Regime geprägt durch „cruelty, torture and death“. Siehe Kibre, ­ earl, Scholarly Privileges in the Middle Ages. The Rights, Privileges, and Immunities, of P Scholars and Universities at Bologna, Padua, Paris, and Oxford, London 1961, 54–84, 55.

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deren Städten ließen die Zahlen an Professoren und Studenten nur kurze Zeit nach der Gründung wieder kontinuierlich schrumpfen.24 Erst nach der Vertreibung Ezze­ lino III. da Romanos stabilisierte sich die Situation, und erste Statuten für die junge Universität wurden zwischen 1260 und 1271 ausgearbeitet. Päpstliche Anerkennung erhielt sie 1264.25 Die Bezahlung der Professoren wurde von der Kommune übernommen und Studenten erhielten zahlreiche Privilegien, unter anderem den Genuss des Bürgerrechts bei gleichzeitiger Suspendierung der bürgerlichen Pflichten und vor allem der damit verknüpften Steuern.26 Die Aufsicht über die Universität wurde dem Bischof von Padua zugewiesen, der die Rolle des Universitätskanzlers übernahm.27 Insgesamt waren die Mitglieder der Universität damit stärker der Kommune Padua und ihrer Rechtsordnung unterworfen als es in vielen anderen Universitätsstädten üblich war. Durch die Zuwanderung von Studenten wuchs die Universität in den folgenden Jahren beständig weiter und prägte zunehmend den intellektuellen Charakter der Stadt. Der Schwerpunkt des Unterrichts lag auf der juristischen und rhetorischen Ausbildung, aber auch Philosophie sowie Medizin wurden gelehrt.28 Nennenswert, und für die weite Verbreitung der Stadtchronistik in Padua symptomatisch, ist die offizielle Verlesung und Authentifizierung der Chronik des als Rhetorikpro­ fessor tätigen Rolandino an der Universität 1262.29 Studenten kamen aus England, 24  Kibre, Scholarly Privileges (wie Anm.  23), 55. Grendler vermutet, dass die Universität Padua während der Regierung Ezzelinos geschlossen worden sein könnte. Grendler, Universities (wie Anm.  21), 21. 25  Die ältesten erhaltenen Statuten datieren auf 1331. Für noch ältere Dokumente sind nur Hinweise, aber keine Inhalte überliefert. Vgl. Rosetti, Universität (wie Anm.  22), 9. Ausführlich über das Verhältnis der Statuten Bolognas und deren Verhältnis zu Padua und den Statuten der Juristenkollegien siehe Bernardinello, Silvius, Un nuovo statuto (1402) del Collegio canonicsta bolognese e i primi statui del Collegio dei giuristi padovani, in: Quarderni per la Storia dell’Università di Padova 24 (1991), 1–29. 26  Kibre, Scholarly Privileges (wie Anm.  23), 56. Weiter Grendler, Universities (wie Anm.  21), 22. 27  Eine Liste mit den Namen aller Bischöfe Paduas, die das Amt des Kanzlers ausübten, siehe Monumenti della Università di Padova (wie Anm.  2), 63. 28  Die Universität Padua bestand zu Beginn aus fünf getrennten Korporationen: zwei für die Lehre des Rechts, eine für die Artes und Medizin, sowie zwei Kollegien für Doktoren des Rechts und der Medizin. Vgl. Kohl, Benjamin G., Padua under the Carrara, 1318–1405, Baltimore 1998, 32. Grendler nennt die Konzentration auf juristische und medizinische Lehre als ty­pisch für eine italienische Renaissanceuniversität. Siehe Grendler, Universities (wie Anm.  21), 4. 29  Bortolami, Studenti e Città (wie Anm.  22), 10. Die Chronik des Rolandino fungierte für Capodilista als Quellenwerk für die Erstellung seiner Handschrift und war eines der wichtigsten Werke der Stadtchronistik Paduas. Sie berichtet über die Herrschaft Ezzelino da Romanos und betont vor allem den ungerechten und brutalen Ausdruck der Machtausübung. Vgl. Hyde, Padua in the Age of Dante (wie Anm.  4), 288. Zur Biographie Rolandinos vgl. Berrigan, J­ oseph, A Tale of Two Cities: Verona and Padua in the Late Middle Ages, in: Charles M. Rosenberg (Hg.), Art and Politics in Late Medieval and Early Renaissance Italy, Notre Dame/London 1990, 67–80, hier 71 f.

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Spanien und Ungarn, aber auch aus anderen italienischen Gebieten und Städten. Durch die internationale Herkunft der Studenten entstand mit der Zeit ein nicht immer konfliktfreies Klima, das Padua neben dem wissenschaftlichen Prestige auch eine Reputation als florierende Stadt mit allen Facetten des Begriffs eintrug.30 Die Entwicklung der Universität blieb über die Jahrhunderte eng mit dem politischen Klima und der Entwicklung der Stadt verknüpft.31 Nach dem Ende der Herrschaft Ezzelino III. da Romanos wurde die kommunale Herrschaft wieder etabliert und eine langanhaltende Phase der Stabilität und des Wachstums begann. Eine wichtige politische und vor allem ökonomische Rolle spielten die Gilden.32 Die bedeutendste Gruppierung war das seit 1270 bestehende Collegio dei Guidici di Palazzo, das für seine Mitglieder zu einem wichtigen Vernetzungsort innerhalb der Stadt wurde.33 Die Zeit der kommunalen Regierung in Padua war durch einen stabilen Frieden gekennzeichnet und führte zu einer Ausdehnung des Herrschaftsgebiets, des Padova­ no, um die Stadt in die Campanea und darüber hinaus.34 Zahlreiche in Padua etablierte Familien, darunter auch die Capodilista, besaßen umfangreiche Güter im Padova­ no und nutzten die landwirtschaftlichen Produkte zur Selbstversorgung.35 In diesem prosperierenden städtischen Klima blühte auch die Universität weiter auf. Bemerkenswert ist auch die Fülle von stadtchronistischer Produktion innerhalb dieser Zeit durch Chronisten wie den 1315 zum poetus laureatus gekrönten Albertino Mussato oder den Notar Giovanni da Nono.36 Erste Anzeichen für ein sich verschlechterndes politisches Klima zeigten sich aber bald nach dem Beginn des 14. Jahrhunderts, nachdem eine Revolte des Padua unterworfenen Vicenza einen Konflikt mit Cangrande della Scala von Verona auslöste, der zu innerstädtischen Unruhen führte.37 Aus diesen Auseinandersetzungen gingen die Carrara als dominierende Familie her30  Bortolami verweist auf eine Liste von 1300, in der Padua als „specchio del mondo e suo splendore“ gleich nach Paris als eine der Städte gelte, in der alle interessanten Dinge der Welt zu bestaunen seien. Bortolamo, Studenti e Città (wie Anm.  22), 23. 31  Zusammenfassend zur Entstehung Paduas und der Stadtentwicklung vgl. Kohl, Padua under the Carrara (wie Anm.  28), bes. Kapitel  1. 32 Vgl. Kohl, Padua under the Carrara (wie Anm.  28), 27. 33 Vgl. Kohl, Padua under the Carrara (wie Anm.  28), 28. 34  Vgl. Hyde, Padua in the Age of Dante (wie Anm.  4), 2, und Kohl, Padua under the Carrara (wie Anm.  28), 9 f. 35  Siehe ebd., 16. Zum Güterbesitz der Capodilista siehe die Aufschlüsslung des Besitzverzeichnisses des Capodilista-Kodex weiter unten. 36  Diese Namen sind nur wenige Beispiele für ein viel umfangreicheres Interesse an Chronistik innerhalb Paduas, das zur Entstehung zahlreicher Werke und Sammlungen führte. Für weitere Beispiele siehe Bortolami, Sante, Famiglia e Parentela nei secoli XII–XIII: Due Esempi di „Memoria lunga“ dal Veneto, in: Maria Chiara Billanovich (Hg.), Viridarium Floridum. Studi di Storia Veneta offerti dagli Allievi a Paolo Sambin, Padua 1984 (Medioevo e Umanesi­mo 54), 117–157. 37  Zusammenfassend zur politischen Situation in Padua ab dem Beginn des 14. Jahrhunderts siehe auch Kohl, Government and Society (wie Anm.  6), 204–221. Zur Rolle Veronas vgl. Berrigan, A Tale of Two Cities (wie Anm.  29), 67–80.

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vor, die mit Unterstützung verschiedener Machthaber Padua für viele Jahrzehnte regieren sollten: zunächst ab 1314 als Vikare für Friedrich den Schönen von Habsburg, ab 1327 als Lehnsnehmer der della Scala und ab 1337 als Vikare Venedigs.38 Trotz immer wieder aufbrechender interner und externer Konflikte gelang es den Carrara, eine mit Unterbrechungen bis 1405 andauernde Herrschaft zu etablieren. Die Universität in Padua war bereits 1318 unter den Schutz der Carrara gestellt worden und erhielt konstante Förderung durch das Herrscherhaus.39 Daneben trat die Protektion der Bischöfe von Padua als Kanzler der Universität.40 Besonders die juristische Fakultät und die daran angeschlossenen Kollegien blieben prestigeträchtige Institutionen, deren Mitglieder auch häufig für diplomatische Aufgaben herangezogen wurden.41 Die Lehre des zivilen Rechts lag in dieser Zeit meist in Händen von aus Padua selbst stammenden Professoren, während der Unterricht im kanonischen Recht von auswärtigen Gelehrten, sowohl aus anderen Regionen Italiens als auch aus deutschsprachigen Gebieten kommend, getragen wurde.42 Aus der Förderung der Universität durch die Carrara entwickelte sich schließlich auch ein intellektuelles Klima, das Gelehrte wie Francesco Petrarca und Pier Paolo Vergerio anzog.43 Durch die Patronage der Carrara lebte so auch der Ruf Paduas als intellektuelles Zentrum Oberitaliens wieder auf, den die Stadt zur Zeit der Kommune durch Gelehrte wie Albertino Mussato gehabt hatte.44 Vor allem in den letzten Jahren der Carrara-Regierung vor dem Fall Paduas 1405 entwickelte sich der Hof, und besonders die mit Humanisten wie Giovanni Conversini, Pier Paolo Vergerio und Sicco Polenton besetzte Kanzlei der Carrara zu einem weiteren intellektuellen Mittelpunkt.45 Spezifisch für das geistige Klima der Stadt Padua war aber vor allem die seit Beginn der Kommune bestehende hohe Frequenz literarischer Produktion, die sich in einem breiten Interesse an Stadtchronistik und der damit verknüpften Familienhistoriographie, auch jenseits des Hofs, äußerte.46 38 

Kohl, Padua under the Carrara (wie Anm.  28), 53–68. Kohl, Padua under the Carrara (wie Anm.  28), 34 40 Rosetti, Universität (wie Anm.  22), 10. 41  Kohl, Padua under the Carrara (wie Anm.  28), 32. 42  Ebd., 34. 43  Als Beispiel sollen für die juristische Fakultät Baldo degli Ubaldi und Francesco Zabarella, für die anderen Fakultäten Marsiglio di Padova und Pier Paolo Vergerio genügen. Weitaus ausführlichere Listen finden sich bei Rosetti, Universität (wie Anm.  22), 19–22. Zur Patronage der Carrara vgl. Plant, Margaret, Patronage in the Circle of the Carrara Family, Padua, 1337– 1405, in: Francis Kent/Patricia Simons/ John Eade (Hg.), Patronage, Art, and Society in the Renaissance Italy, Canberra/Oxford 1987, 177–199. 44  Beeinflusst durch die besondere Verbindung zwischen der intellektuellen Bewegung ­dieses Prähumanismus spricht besonders Hyde von einem bürgerlichen Humanismus („civic humanism“) in Padua, dessen Ende er mit dem Untergang der kommunalen Strukturen in ­Padua verknüpft. Vgl. Hyde, Padua in the Age of Dante (wie Anm.  4), 283. 45  Kohl, Padua under the Carrara (wie Anm.  28), 296. 46  Siehe dazu auch weiter unten. 39 

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1405 endete die Herrschaft der Carrara mit der Eroberung Paduas durch Venedig. Nach langwierigen Auseinandersetzungen47 entzündete der Konflikt sich an der Einnahme des unter Mailänder Herrschaft stehenden Veronas durch Truppen der Carrara und die im Exil lebenden della Scala zu Beginn des Jahres 1404.48 Als Reaktion besetzte Venedig einige Grenzstädte, darunter Vicenza und Bassano an der Brenta, und eroberte schließlich Verona.49 Daraufhin entwickelte sich ein Krieg, der im November 1405 mit der endgültigen Niederlage der Carrara und Gefangenahme Francesco Novellos endete.50 Er wurde mit seinen Söhnen nach Venedig gebracht und aufgrund der niemals erloschenen Stellung der Carrara als Vikare Venedigs als Hochverräter hingerichtet.51 Padua war damit endgültig unter venezianische Kontrolle gefallen und wurde als eine der größten Städte dem langsam anwachsenden Terraferma-Besitz der Republik einverleibt.52 Für die Universität in Padua begann mit diesem radikalen politischen Wandel nach einer kurzen Phase der Unsicherheit eine Glanzzeit.53 Schon kurz nach 1405 wurde sie unter den besonderen Schutz Venedigs gestellt. Nur zwei Jahre später erließ die Republik für sämtliche Bewohner ihrer Herrschaftsgebiete ein Verbot der akademischen Abwanderung, so dass Padua eine Art gelehrtes Monopol für einen großen Bereich Norditaliens erhielt.54 Die Finanzierung der Lehre wurde zum Großteil von Venedig übernommen, maßgeblich zur Förderung der universitären Reputation durch die Einstellung berühmten Lehrpersonals.55 Weiterhin bestehen blieb der Einfluss der Bischöfe von Padua als Kanzler der Universität, die wie der ab 1428 amtierende Bischof Pietro Donato auch oft als Mäzene auftraten.56 Für Stadt und Universität Padua lässt sich damit für die Wende vom 14. zum 15. Jahrhundert und die ersten Jahrzehnte danach ein politisch turbulentes, aber trotz aller inneren 47  Durch seine Bündnispolitik sah Francesco Novello da Carrara sich 1397 bis 1398 und 1401 bis 1403 zu kriegerischen Auseinandersetzungen mit Mailand gezwungen. Siehe Kohl, Padua under the Carrara (wie Anm.  28), 265. 48  Kohl, Padua under the Carrara (wie Anm.  28), 329. 49  Zusammenfassend zur venezianischen Ausdehnung nach 1350 siehe Knapton, Michael, Venice and the Terraferma, in: Andrea Gamberini/Isabella Lazzarini (Hg.), The Italian Renaissance State, Cambridge 2012, 132–155, hier 133. 50  Kohl, Padua under the Carrara (wie Anm.  28), 334. 51  Kohl zitiert den Bericht Andrea Gataris über die Hinrichtung Francesco Novellos, der sehr bildhaft die chaotischen und unwürdigen Umstände der Hinrichtung vermittelt. Kohl, Padua under the Carrara (wie Anm.  28), 335. 52  Knapton, Venice and the Terraferma (wie Anm.  49), 151. 53  Ausführlich zur Entwicklung der Universität Padua nach 1405 siehe Bauer, Die Universität Padua (wie Anm.  21), 44 f. 54  Gallo, Università e Signoria (wie Anm.  21), 50. Allerdings ist fraglich, ob Venedig die Verletzung dieses Privilegs überhaupt ahndete. Grendler, Universities (wie Anm.  21), 22. 55  Ein Auflistung berühmter Lehrer und Schüler der Universität im 15. Jahrhundert bei ­Rosetti, Die Universität Padua (wie Anm.  22), 21 f. 56  Zur Patronage Donatos vgl. Holgate, Ian, Paduan Culture in Venetian care, The Patronage of Bishop Pietro Donato (Padua 1428–47), in: Renaissance Studies 16 (2002), 1–23.

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und äußeren Auseinandersetzungen intellektuell reiches Klima konstatieren, das ­Giovan Francescos Ausbildung und spätere Karriere nachhaltig prägte.

II.1.2. Zwischen Padovano und Lagune: Die Frühphase der diplomatischen Karriere Capodilistas von 1405 bis 1433 Das Ende der Herrschaft der Carrara markierte den Beginn der diplomatischen Karriere Capodilistas. Seine erste nachweisbare Aufgabe führte ihn zu Beginn des Jahres 1405 nach Venedig. Am 30. Januar 1405 wurde dort eine Gesandtschaft der Paduaner Bürgerschaft vorstellig, die dem Dogen Michele Steno ihre zukünftige Treue ver­ sicherte und die ersten Entwürfe für einen Unterwerfungsvertrag vorlegte.57 Vermutlicher Kopf der Gesandtschaft war der angesehene Jurist Prosdocimo Conti.58 Auch die anderen Mitglieder waren bis auf eine Ausnahme als promovierte Juristen oder zumindest als rechtskundig gekennzeichnet.59 Aufgabe der Gesandtschaft war die erste Aushandlung der Bedingungen, die am 30. Januar 1406 in dem als Bolla d’Oro bezeichneten Unterwerfungsvertrag zwischen Venedig und Padua bestätigt wurden.60 Die Instruktionen der Gesandtschaft sind nicht überliefert.61 Auf diese erste Gesandtschaft des Jahres 1405 folgten unzählige weitere. Bedingungen für die Weiterführung der Universität und der Status der Stadt Padua unter venezianischer Herrschaft mussten immer wieder von neuem ausgehandelt und an die sich verändernde Situation angepasst werden. Dementsprechend entstand ein reger diplomatischer Austausch zwischen Padua und Venedig.62 Dabei wurden oft Juristen als Gesandte eingesetzt, deren Hauptaufgabe die Aushandlung von Vertragsklauseln mit Venedig war. Auch die Anpassung des Stadtrechts von Padua, das in seiner neuen Form 1420 in Kraft trat, verstärkte diese Entwicklung.63 Capodilista trat nach seiner ersten Reise nach 57 

Schreiben des Dogen Michele Steno, ASP, Ducale, vol.  2, fol.  11r. Contis Biographie jüngst Tjarks, Sven Ufe, Das „venezianische“ Stadtrecht Paduas von 1420. Zugleich eine Untersuchung zum statuaren Zivilprozess im 15. Jahrhundert, Berlin 2013 (Schriftenreihe des deutschen Studienzentrums in Venedig 7), hier 92–94. 59  Weitere Mitglieder der Gesandtschaft waren Rambaldi de Capitevace, Guido Francesco de Zenariis, Giovanni Sulimano und Francesco Cavcale. Nur der letztgenannte wird nicht deutlich als Jurist vermerkt. ASP, Ducale, vol.  2, fol.  11r 60  Tjarks, Stadtrecht (wie Anm.  58), 65. 61  Vermutlich entsprachen sie aber den Argumenten, die der Kanonist Francesco Zabarella in einem Traktat festhielt. Erhalten ist der Text in einer späteren Abschrift in ASP, Ducale, vol.  2, fol.  6v. 62  Die Häufigkeit, mit der Gesandtschaften aus unterworfenen Städten und Territorien nach Venedig kamen, wertet Knapton als Hinweis auf die teilweise sehr problematische und stän­dig in Frage gestellte Kontrolle, die Venedig tatsächlich über ihre Terraferma-Gebiete hatte. ­Knapton, Venice and the Terraferma (wie Anm.  49), 150. 63  Siehe ausführlich zu den Verhandlungen Tjarks, Stadtrecht (wie Anm.  58), besonders Kapitel IV. 58  Zu

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Venedig 1405 nicht mehr als Mitglied dieser Gesandtschaften in Erscheinung. Stattdessen ist für ihn eine rege Lehr- und Prüfungstätigkeit an der Universität nachweisbar. Bis 1419 wird er in den Graduierungsakten in über 120 Fällen als Prüfer bei ­Lizentiats- und Doktoratsprüfungen genannt. Im städtischen Leben Paduas ist Capodilista nur 1413 als Träger eines Heiligenabzeichens bei der Weihnachtsprozession zu finden, wie der Humanist Sicco Polenton in einem Brief bemerkt.64 Dazu wird er im August 1417 in einer Zeugenliste genannt.65 Erst ab Sommer 1419 erscheint Capodilista wieder häufiger in den Quellen. Die Graduierungsakten verzeichnen ihn noch im Mai 1419 als Prüfer bei einer Doktoratsprüfung im Fach Zivilrecht.66 Im August erreichte Venedig dann eine Anzeige des Bischofs von Padua, Pietro Marcello, und des angesehenen Juristen und Professoren Prosdocimo Conti.67 Sie meldeten dem Consiglio dei Dieci Aussagen Capodilistas, die als „inhonestos verba“ bezeichnet wurden und sich gegen die venezianische Regierung wendeten. Nähere Informationen zu den tatsächlichen Äußerungen Capodilistas, ihrem Inhalt und ihrer Verbreitung sind in den Akten der Untersuchung nicht zu finden. Auch der erste Beschluss des Consiglio dei Dieci enthält keine Beschreibungen. Es wird lediglich die Anzeige aus Padua festgehalten, nach der Capodilista die Ehre der Republik Venedig verletzt habe und eine genaue Untersuchung der Vorwürfe nötig sei. Einstimmig wird der Beginn einer Untersuchung beschlossen und Capodilista nach Venedig einbestellt. Kurz danach wird in einem anderen Schriftstück nochmal die hohe Bedeutung der Untersuchung betont.68 Am 30. August 1419 fand in Venedig die Verhandlung statt, wobei aus dem Protokoll nicht hervorgeht, ob Capodilista selbst anwesend war.69 Zunächst erfolgte die Wahl der Capi für den anbrechenden Monat September, die den Rat jeweils repräsentierten und den Vorsitz führten. Anschließend begann die Verhandlung. Eine Marginale vermerkt die drei Capi Roberto Morosini, Bartolomeo Storlato und den späteren Dogen Francesco Foscari als Vorsitzende.70 Die Abstimmungsergebnisse unter den einzelnen Abschnitten des Protokolls lassen von einer Gesamtanzahl von 15 Personen ausgehen, die an 64  Brief Sicco Polentons an Niccolò Niccoli vom 28. Oktober 1414, in: La Catina, le Ora­ zio­­ni e le epistole di Sicco Polenton, ed. v. Arnaldo Segarizzi, Bergamo 1901, 77. 65  ASP, Deputati e Cancellaria, vol.  1, Parte A, fol.  9r. 66  Acta Graduum (wie Anm.  19), Nr.  516. 67  Die Unterlagen der Untersuchung des Consiglio dei dieci in ASVe, Consiglio dei dieci, Deliberazioni, Miste, Registri, reg.  10, fol.  14v. Conti war eine einflussreiche Persönlichkeit in Padua, und seine Familie gehörte seit langem zur städtischen Elite. Contis Karriere als Jurist war von bemerkenswertem Erfolg, und er lehrte viele Jahre als Professor an der Universität in Padua. Zur Geschichte der Conti siehe Kohl, Benjamin G., The Paduan Elite under Francesco Novello da Carrara (1390–1405). A selected prosopography, in: Quellen in Forschungen aus italienischen Archiven und Bibliotheken 77 (1997), 206–258, hier 216. 68  ASVe, Consiglio dei dieci, Deliberazioni, Miste, Registri, reg.  10, fol.  15v. 69  Ebd., fol.  16r–16v. 70  Zur Person des Dogen Francesco Foscari siehe Romano, Dennis, The Likeness of Venice. A Life of Doge Francesco Foscari 1373–1457, New Haven/London 2007.

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den Verhandlungen beteiligt gewesen sein müssen. Das Protokoll verzeichnet das erste Ergebnis der Verhandlungen: „Iste dominus Johannes Franciscus confinetur pro cumque annos in insula nostra Crete“.71 Bis zur Ausführung des Urteils wurde Capodilista befohlen Venedig nicht zu verlassen und sich nicht ohne explizite Erlaubnis nach Padua zu begeben. Bei Nichtbeachtung dieser Vorschrift drohte die Konfiszierung seines gesamten Besitzes. In weiteren Schritten verhandelten die Mitglieder des Consiglio dann über den genauen Ort und die Dauer des Exils.72 Nach jedem Vorschlag erfolgte eine Abstimmung über die Annahme oder Ablehnung der diskutierten Maßnahme, so dass der ursprüngliche Entschluss im Endeffekt stark modifiziert wurde. Im ersten dieser Schritte wurde die Festlegung der Verbannungsstrafe auf zehn Jahre gefordert.73 Mit sechs Stimmen dafür und neun dagegen wurde dieser Antrag aber abgelehnt. Der nächste Antrag forderte, Capodilista zu einem dauerhaften Aufenthalt in Venedig zu verurteilen, wurde aber mit vier zu sechs Stimmen abgelehnt. Ein dritter Antrag schließlich umfasste wieder leicht gewandelte Bestimmungen: Nach ihnen durfte Capodilista Padua und das Padovano nicht mehr betreten, sich aber an jedem Ort innerhalb der venezianischen Gebiete aufhalten, exklusive der Besitzungen in Dalmatien. Der Zugriff Capodilistas auf sein Vermögen und seinen Besitz wurde untersagt. Dieser Vorschlag fand keine Gegenstimmen, allerdings auch nur zwei Zustimmungen. Eine letztendliche Einigung wurde unter diesem Protokoll nicht verzeichnet. Aus einem späteren Beschluss des Consiglio ist aber zu entnehmen, dass der Rat sich im August für die Annahme des zweiten genannten Vorschlages entschied: Capodilista dürfte Venedig vorerst ohne Erlaubnis nicht mehr verlassen.74 Zum Schluss wurde eine Übermittlung der Ergebnisse an nicht näher genannte Mitglieder der Familien Zabarella und Forzatè beschlossen. Damit schlossen die Verhandlungen mit einer letzten Abstimmung, bei der 13 Anwesende für einen Beschluss der Vorschläge stimmen und zwei Enthaltungen verzeichnet wurden. Capodilista war damit vom 30. August 1419 an für eine nicht näher bestimmte Zeit zum Exil aus Padua und zur Residenz in Venedig verurteilt. Unklar bleibt, wie mit seiner Stelle an der Universität verfahren wurde.75 Die Bedeutung des Urteils sollte dabei nicht überbewertet werden. Das Exil als politisches Machtinstrument war in Italien weit 71  ASVe,

Consiglio dei dieci, Deliberazioni, Miste, Registri, reg.  10, fol.  16r. zur Rolle des politischen Exils in Italien vgl. Shaw, Christine, The Politics of Exile in Renaissance Italy, Cambridge 2000. 73  ASVe, Consiglio dei dieci, Deliberazioni, Miste, Registri, reg.  10, fol.  16v. 74  Bestimmungen vom 10. Juli 1420, ASVe, Consiglio dei dieci, Deliberazioni, Miste, Registri, reg.  10, fol.  28v. 75  Üblicherweise wurde die Stelle eines zum Exil verurteilten Juristen in Padua entweder vertreten oder erneut ausgeschrieben. Vgl. dazu den Umgang Venedigs mit dem Professor für Recht Paolo Dotti, der 1439 wegen seiner vermutlichen Beteiligung an der Verschwörung der Scrovegni von Venedig schuldig gesprochen wurde und ins Exil nach Kreta geschickt wurde. Seine Stelle in Padua wurde neu besetzt. Zur Verschwörung vgl. Segarizzi, Arnaldo, Contributo alle Storia delle Congiure Padovane, in: Nuovo Archivio Veneto 31 (1916), 48–78. 72  Allgemein

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verbreitet und wurde auch in Venedig vor allem zur Kontrolle oder Ruhigstellung von politischen Gegnern genutzt. Nicht nur offener Widerstand oder Ablehnung der Regierung, sondern bereits die Weitergabe von politisch relevanten Informationen über die Arbeit und Entscheidungen venezianischer Regierungsorgane wurden als Gründe zur Exilierung gewertet.76 Das Urteil in diesem Falle weist deutlich darauf hin, dass Venedig die Anschuldigungen aus Padua zwar als reaktionsbedürftig ansah, aber ­keine tatsächliche Gefährdung annahm. Der erzwungene Aufenthalt Capodilistas in Venedig entfernte ihn allerdings von der Universität, und machte ihn gleichzeitig für die Republik leichter kontrollierbar.77 Die tatsächlichen Vorkommnisse, die zu der Anzeige durch Prosdocimo Conti geführt haben, sind nicht mehr rekonstruierbar. Einen interessanten Standpunkt zu den Abläufen aus dem Umfeld Capodilistas dokumentiert aber einer der wenigen noch erhaltenen Briefe an Giovan Francesco. Das Schreiben aus Padua stammt von Sicco Polenton, dem Humanisten und ehemaligen Kanzleischreiber der Carrara, und datiert auf einen Zeitraum zwischen November und Dezember 1419.78 Der Brief Polentons war als Trostbrief vor allem dazu gedacht, Capodilista dazu zu animieren, sein Schicksal nach der Verurteilung gleichmütig anzunehmen. Polenton leitet seine Ausführungen damit ein, dass er Neuigkeiten über das Urteil aus Venedig gehört habe. Als Gewährsmann nennt Polenton Jacobo Alvarotis, den er als „affinis tuus“ bezeichnet.79 Im Verlauf des Schreibens wird schnell deutlich, dass für Polenton Capodilistas Unschuld in der nicht näher bezeichneten Anklagesache eindeutig war. Das offenbart nach den tröstenden Hinweisen ein deutlicher Satz: „Habemus clarissima exempla et antiqua et nova quibus commonefacti sumus omni plena esse invidia“. Gehässigkeit oder Missgunst vermutet Polenton als treibende Kraft hinter Capodilistas Verurteilung. Aber er erhofft das Beste: „fata volentem ducunt, nolentem trahunt“. Er rät deshalb, an „fortitudo, prudentia“ und „virtus“ festzuhalten und ist sich sicher, dass Capodilista wieder rehabilitiert und sogar noch mehr Ehre dazugewinnen werde. ­Polentons Brief bleibt die einzige Quelle aus der Perspektive eines Dritten über die Ereignisse um die Verurteilung Capodilistas. Seine Ansichten über die Rechtmäßigkeit der Anklage, maßgeblich gefärbt durch eine zu vermutende freundschaftliche 76 

Shaw, Politics of Exile (wie Anm.  72), 32. Siehe im Vergleich dazu die Verurteilung des Sohnes Capodilistas, Francesco Capodilista, der 1440 nach seiner Beteiligung an der Verschwörung der Scrovegni 1439 ins Exil nach Florenz geschickt wurde. Siehe für das Urteil im Februar 1440 ASVe, Consiglio dei Dieci, Deliberazioni, Misti, Regstri, reg.  12, fol.  55v. 78  Die ungenaue Datierung beruht auf einer doppelten Nennung: Der Briefkopf nennt den 24. November 1419 als Datum der Niederlegung des Briefes, die Signatur Polentons ein Datum im Dezember. Edition in La Catina (wie Anm.  64), 100. Zur Person Sicco Polentons liegt noch keine Biographie vor. Einige Anmerkungen finden sich in der Einführung Ullmans bei Sicconis Polentoni Scriptorum Illustrium Latinae Lingue, ed. v. Berthold Ullman, Rom 1928. 79  Der latinisiert als Iacobus Alvarottus bezeichnete Jurist war ebenfalls als Lehrender an der Juristenuniversität in Padua tätig. Siehe Belloni, Annalisa, Neue Erkenntnisse über den Rechtsunterricht in Padua im fünfzehnten Jahrhundert, in: Ius Commune 8 (1985), 1–12, hier 7. 77 

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Be­ziehung zu Capodilista, verdeutlichen sich in seinem Schreiben. Interessant sind die von Polenton als Humanisten zu erwartenden Anspielungen auf „exempla antiqua“, die aber nicht näher ausgeführt werden. In einem späteren Brief an den Vene­ zianer Jacopo Badoer berichtete Polenton wieder über das Schicksal Capodilistas und vermerkte das jüngst abgemilderte Urteil sowie seinen Rat an den Verbannten „atque horter animi boni sit“.80 Welche Konsequenzen die Verurteilung für Capodilista nach sich zog, und wie er auf diese radikale Unterbrechung seiner Karriere als Jurist reagierte, kann nicht mehr nachvollzogen werden. Sicher ist aber, dass Capodilista nur für ein Jahr in Venedig blieb. Am 8. Juli 1420 wurde Roberto Morosini beauftragt, als Verwalter Venedigs in das gerade eroberte Friaul zu reisen. Er sollte dort vor allem in Auseinandersetzung mit den lokalen Gewohnheiten für die Neuordnung der Verwaltung nach venezianischem Muster sorgen.81 Zwei Tage später, am 10. Juli 1420, beantragte er bei den Dieci die Genehmigung, Capodilista als juristischen Berater mitnehmen zu können. 82 Der Rat bewilligte diesen Antrag mit der Bemerkung „sumus certissimi que faciet honore nostrom [sic!] et suum“.83 Die Abstimmung dazu ergab 14 positive Stimmen, eine Ablehnung und eine Enthaltung. Warum Roberto Morosini gezielt Capodilista als Rechtsberater auswählte, ist nicht mehr nachvollziehbar. Morosini war aber während der Verhandlungen um Capodilistas Strafe im Sommer 1419 als einer der drei Capi anwesend. Dementsprechend war er mit den Vorwürfen und Gründen der Verurteilung vertraut und hatte die Entscheidung der Zehn als Beobachter verfolgt.84 Es liegt nahe, Capodilistas Rechtsexpertise als Grundlage für seine Reise ins Friaul anzunehmen. Möglicherweise spielt aber auf einer anderen Ebene noch ein Kontaktnetzwerk eine entscheidende Rolle, das in den wenigen vorhandenen Quellen nicht mehr erkennbar ist. Vermutlich verließ Capodilista Venedig mit Morosini und erreichte mit ihm gemeinsam am 19. Juli 1420 Udine, das gerade erst seit wenigen Wochen nach langen militärischen Auseinandersetzungen von Venedig in Besitz genommen worden war.85 Capodilista wird in den Quellen als der „vicarius“ Morosinis bezeichnet, aber wie lange er in Udine blieb und welche Tätigkeiten er dort genau ausübte, ist nicht mehr nachvollziehbar.86 Noch im gleichen Jahr wird aber die Zu80 

Epistole de Sicco Polenton (wie Anm.  64), 103. Senato, Deliberazioni, Secreti, Registri, reg.  7, fol.  168v. 82  ASVe, Consiglio di dieci, Deliberazioni, Miste, Registri, reg.  10, fol.  28v. Die latinisierte Version des Namens Morosini lautet in den Quellen Mauroceno. Zur Politik Venedigs im Friaul siehe u. a. Varanini, Gian Maria, Veneza e l’entroterra (1300 circa – 1420), in: Girolamo ­Arnaldo/Giorgio Cracco/Alberto Tenenti (Hg.), Storia di Venezia dalle Origini alla Caduta ­delle Serenissima. III: La Formazione dello Stato Patrizio, Roma 1997, 159–236. 83  ASVe, Consiglio di dieci, Deliberazioni, Miste, Registri, reg.  10, fol.  28v. 84  ASVe, Consiglio dei dieci, Deliberazioni, Miste, Registri, reg.  10, fol.  16r. 85  Zur Auseinandersetzung zwischen Venedig, Kaiser Sigismund und dem Patriarchen von Aquileia Ludwig von Teck um den Besitz des Friauls siehe weiter unten. 86  I libri commemoriali della Republica di Venezia. Regesti: Tomo 4, ed. v. Riccardo Pre81  ASVe,

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friedenheit Venedigs mit der Regierung des Statthalters Roberto Morosini und dem Einsatz Capodilistas vermerkt. Dabei werden beide Namen in einem Zusammenhang genannt, ohne das von Capodilistas kompromittierter Position als Verurteilter die Rede ist oder sein Aufgabenbereich näher definiert wird.87 Länger als zwei Jahre kann sein Aufenthalt in Friaul nicht angedauert haben, denn im akademischen Jahr 1422/23 wird er wieder als Lehrender an der Universität Padua geführt.88 Vermutlich kehrte Capodilista sogar schon vorher nach Padua zurück. Im Sommer 1421 verhandelte das Consiglio dei Dieci über eine mögliche Rehabilitation. Die Akten des Consiglio verzeichnen dabei unter dem Datum des 30. Juli ein bemerkenswertes Dokument: einen Brief Capodilistas mit der Bitte um die Aufhebung der Restriktionen Venedigs und letztendlich der Rehabilitation.89 Es ist der einzige von Capodilista erhaltene Brief. Alle anderen von ihm bekannten Aufzeichnungen sind in den Kontext des Capodilista-Kodex, seiner Amtsausübung als Hofpfalzgraf ab 1435 oder seiner Tätigkeit als Lehrender in Padua einzuordnen. Dazu ist der Brief nicht in Latein, sondern in der Volkssprache verfasst. Generell war die Abfassung von volkssprachigen Petitionen an venezianische Räte nicht unüblich.90 Allerdings stammten diese Schreiben meist von nicht in der lateinischen Sprache geschulten Absendern, und wurden gelegentlich in den Protokollen übersetzt. Im Umkehrschluss wurden spätestens ab Ende des 14. Jahrhunderts gewohnheitsmäßig viele Verlautbarungen der Republik selbst aus ihrem ursprünglichen Latein übersetzt.91 Auf diese Art ent­ wickelte sich im venezianischen Dialekt ein breites Vokabular an Fachbegriffen, das Möglichkeiten zur Übertragung von Texten auch mit juristischer oder kaufmännischer Terminologie eröffnete. Mit dem Beginn des 15. Jahrhunderts etablierte das Venezianische sich immer mehr auch in den großen städtischen Organen wie dem Senat, dem Maggior Consiglio und dem Consiglio dei Dieci, die ihre als „parte“ bezeichneten Entscheidungen zunehmend direkt in der Volkssprache bekanntmachten.92 In den Akten des Consiglio di Dieci finden sich entsprechend häufig Einschübe in venezianischem Dialekt. Warum allerdings Capodilista ausgerechnet die Volkssprache wählte bleibt letztlich unklar. Angesichts seiner Ausbildung als gelehrter Jurist fällt mangelnde Sprachkompetenz als kritischer Punkt aus. Es erscheint sogar delli, Venedig 1896 (Monumenti storici publicati dalla R. Deputazione Veneta di Storia Patria. Serie Prima: Documenti 8), 38, Nr.  89. 87  Ebd., 38, Nr.  90. 88  Der Gehaltsrotulus der Professoren Paduas für das Jahr 1422/23 ist ediert bei Grendler, Universities (wie Anm.  21), 24. 89  ASVe, Consiglio dei dieci, Deliberazioni, Miste, Registri, reg.  10, fol.  36v. Der vollständige Text in venezianischem Dialekt ist weiter unten als Kapitel  5 abgedruckt. 90  Zur Stellung der Volkssprache in den venezianischen Kanzleien siehe Tomasin, Lorenzo, Il volgare nella cancelleria veneziana fra tre et quattorcento, in: Medioevo Letterario d’Italia 4 (2007), 69–89, besonders 75. 91  Tomasin, Il volgare nella cancelleria veneziana, 77. 92  Ebd., 78.

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eher bemerkenswert, dass ein in elegantem Latein geschulter Jurist einen Bittbrief an ein hohes venezianisches Gerichtsorgan ausgerechnet im regionalen Dialekt verfasste. Sicherlich war die Ausfertigung des Schreibens wohl kalkuliert, und sollte mög­ licherweise die entscheidenden Capi besonders milde stimmen. Vor allem aber fügt die Wahl der Sprache sich nahtlos in Capodilistas Argumentation ein, die ihn als ­venezianischen Bürger darstellt, der sich eben entsprechend auch dem städtischen Dialekt bedient. Der Ton des Schreibens ist zunächst noch gezielt unterwürfig gehalten. Nur wenige Worte, „pochè parole“, wolle Capodilista an Venedig richten. Nachdem Venedig einige „senestre enformacio“ über ihn erhalten habe, sei nun genug Zeit vergangen, in der man seinen Lebenswandel in Venedig und im Friaul habe prüfen können. Dabei habe man sicherlich sein gutes Verhalten bemerkt, und das er keine Gefahr für die Republik darstelle: „no confirdrando aliun pericolo“. Damit bitte er darum „che altra volta la vostra signoria fexe zudisio de mi segondo quele enformacion che so dade“. Es sollte also noch einmal über ihn gerichtet werden, diesmal aber basierend auf Capodilistas tatsächlich demonstriertem Verhalten und nicht auf den Denunziationen anderer. Dieses neue Urteil werde von Venedigs Gerechtigkeit zeugen, denn der Richter könne aus keinen anderen Gründen urteilen als aus den ihm vorliegenden Informationen: „chel zudexe no po altra mete zudgare salvo per le cose che ge ven produte davanti“. Er bittet um die Aufhebung des Urteils und das Ende des Exils, denn eine Heimkehr sei ihm wichtiger als eine Wiederherstellung seiner Ehre: „me sia resa la mia prima liberta piu per mio honore“. Weiter plädiert Capodilista an die „gratia“ und „misericordia de la vostra signoria“ und bezeichnet sich selbst als „proprio venecian“. Zuletzt erwähnt er die stets gute Behandlung, die er während seines erzwungenen Aufenthalts von den „gentilhomini“ Venedigs erfahren hätte, und schließt mit einer Anrufung Gottes und des venezianischen Stadtpatrons Markus Evangelista, bevor er sich der Gnade Venedigs empfiehlt. Bemerkenswert ist der Grundton des Briefes, der Venedig zwar nur implizit, aber doch deutlich ein Falschurteil unterstellt. Geschickt positioniert Capodilista den in der Denunziation bestehenden Beweis der Verhandlung gegen die neuen Beweise, die Venedig vorliegen: sein eigenes Verhalten, das er in den vergangenen Monaten sowohl in Venedig als auch im Dienste Venedigs im Friaul demonstriert hat. Sein Plädoyer an die Gerechtigkeit des Urteils zeugt von einer einfachen Schlussfolgerung: sein als Beweis angeführtes unbescholtenes Verhalten sei so eindeutig, dass ein vom Freispruch abweichendes Urteil die Ratsmitglieder dem Vorwurf der Ungerechtigkeit aussetzen würde. Der Brief mahnt sie zum richtigen Handeln und nimmt die Interpretation der Beweise vorweg. Weder Schuldbewusstsein noch Reue sind im Brief erkennbar, auch nicht als bloßer Topos. Capodilista behandelt seine Unschuld als erwiesen, und plädiert nur mit den üblichen Floskeln an die Gnade und das Erbarmen Venedigs. Aus dem Brief spricht so ein bemerkenswertes Selbstbewusstsein Capodilistas gegenüber dem Rat der Zehn, den er geradezu belehrend anspricht. Letztendlich brachte dieses Vorgehen ihm den gewünschten Erfolg ein. Das genaue

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Datum seiner vollständigen Rehabilitation durch Venedig bleibt unsicher, und am 2. August 1421 registriert eine Liste aus der Kanzlei Paduas ihn noch als abwesend.93 Spätestens zum Beginn des akademischen Jahres 1422/23, der in der Mitte des Oktobers 1422 lag, musste Capodilista aber nach Padua zurückgekehrt sein. Der Rotulus der Professoren für dieses Jahr verzeichnet ihn auf seiner Lehrstelle für kanonisches Recht, wo er die Nachmittagsvorlesung über die Dekretalen für ein Gehalt von 200 Dukaten (Fl.) übernahm.94 Diese Rückkehr an die von Venedig kontrollierte Universität erweist implizit die erfolgte Rehabilitation. Nach seiner Rückkehr nach Padua trat Capodilista dann immer wieder als Mitglied von Gesandtschaften in Erscheinung. So war er Teil der Gesandtschaft, die Francesco Foscari nach seiner Wahl zum Dogen am 15. April 1423 gratulierte. Die Gesandten wurden am 17. April gewählt und hatten die Aufgabe, die Glückwünsche Paduas ­sowie die Loyalitätsversicherung der Stadt gegenüber dem neuen Dogen zu über­ bringen.95 Die Gesandtschaft war aus repräsentativen Mitgliedern unterschiedlicher städtischer Schichten zusammengesetzt: zwei als „milites“ bezeichnete Männer, zwei Gelehrte, zwei „nobiles“ und zwei „honesti mercatores“.96 Unter den Gesandten waren in Padua angesehene Familien wie die Scrovegni, die da Lione und die Zabarella vertreten. Capodilista repräsentierte als Jurist die Gruppe der Gelehrten. Dieser Reise nach Venedig folgten in den nächsten Jahren eine Reihe weiterer Gesandtschaften in die Lagunenstadt. Noch 1423 war Capodilista im Juni wieder dort.97 Mehrfach reiste Capodilista dann 1425 nach Venedig, zunächst nach einem Beschluss vom 19. April, das zweite Mal nach einem Beschluss vom 12. Mai.98 Ein nächstes Anschreiben vom 25. Juni des gleichen Jahres an die „Capitani“ Venedigs in Padua vermerkte Capodilista erneut als wohl dauerhaften Gesandten Paduas in Venedig, weshalb ein Ersatz für seine Vorlesungen bestellt werden musste.99 Capodilista war offenbar allein als Vertreter der Universität nach Venedig geschickt worden. Verhandelt wurde die Neuwahl des Rektors der Juristenfakultät, deren Bedingungen, Ablauf sowie Privilegien und Aufgaben des Gewählten. Anfang Juli wurde Capodilista in einem weiteren Schreiben erneut als Gesandter Paduas in Venedig angesprochen.100 Der Brief stammte von den Abgeordneten der Deputati ad utilia, einem aus vier Mitgliedern bestehenden Verwaltungsorgan der Stadt, das als Vermittlungsinstanz zwischen dem Podestà 93  ASP,

Deputati e Cancellaria, vol.  2, Parte A, fol.  17v. Universities (wie Anm.  21), 24. Bei der mit Fl. abgekürzten Währung handelt es sich wahrscheinlich um florenus aureus, Florentiner Golddukaten. Gemeint sein könnte aber auch die venezianische Golddukate, die ebenfalls verbreitet war. Um diese Unsicherheit zu verdeutlichen soll bei allen Währungsangaben die Abkürzung beigegeben werden. 95  ASP, Ducali, vol.  4, fol.  28r. 96  ASP, Atti dei Consiglio, vol.  47, fol.  479r. 97  Wahl vom 23. Juni 1423 in ASP, Ducali, vol.  4, fol.  28v. 98  ASP, Atti dei Consiglio, vol.  47, fol.  478r. 99  ASP, Nunzie e Ambasciatori, vol.  249, fol.  6r (Quelle unpaginiert, Zählung KO). 100  Schreiben vom 6. Juli 1425 in ASP, Deputati e Cancellaria, vol.  2, Parte F, fol.  34r. 94 Grendler,

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und der Stadtbevölkerung stand.101 Darin informieren die Abgeordnten ihn kurz in Erweiterung seiner bisherigen Instruktionen, und ermahnte ihn zum vorsichtigen Vorgehen. Dazu wurde er daran erinnert, in Rücksprache mit den Deputati ad utilia zu treten und bei Bedarf neue Anweisungen oder Unterstützung anfordern. Einen Tag später, am 7. Juli, erhielt er erneut ein längeres Schreiben aus Padua, wieder von den Deputati ad utilia.102 Der Auftrag Capodilistas war wieder die Vertretung der Universität Padua gegenüber Venedig, konzentriert auf Bauvorhaben und, wie bereits im Juni, die Person des Rektors. Die hohe Dichte an Briefen und Instruktionsschreiben weist deutlich darauf hin, dass sein Handlungsspielraum als Gesandter denkbar gering und er unmittelbar an Anweisungen aus Padua gebunden war. Im August war Capodilista wieder in Padua und fungierte am 15. August 1425 als Zeuge bei der Ernennung des Gesandten Paolo Dotti103 zur Verhandlung über Besitzrechte an Dörfern im Gebiet um Padua in Venedig.104 Wenige Wochen später reiste Capodilista selbst wieder als Gesandter nach Venedig, diesmal in Begleitung seines Kollegen und ehemaligen Denunzianten Prosdocimo Conti. Die Bevollmächtigung der Gesandten datiert auf den 28. August.105 Gegenstand des Auftrags war erneut die Bestätigung der Besitzungen der Bürger Paduas nach dem Anfang August bereits diskutierten Statut. Conti und Capodilista führten also im Grunde die Aufgabe Paolo Dottis weiter. Möglicherweise hatte Venedig sich nur bedingt einsichtig gezeigt, was die Absendung von zwei Gesandten nötig gemacht hatte. Die Gesandten Paduas waren nach ihrer Rückkehr aufgefordert, Bericht von ihrer Reise und den Ergebnissen ihrer Arbeit im Consiglio zu erstatten. Einen solchen Vortrag absolvierte Capodilista nach seiner Rückkehr von einer Reise nach Venedig am 6. September.106 Das Protokoll referiert nicht die Ziele der Gesandtschaft, nennt aber die Antwort Venedigs, die allerdings nur in der Sendung eines Gegengesandten zur Weiterführung der Verhandlungen bestand. Die letzte Gesandtschaft des Jahres 1425 übernahm Capodilista am 13. Oktober gemeinsam mit fünf anderen gelehrten Juristen, darunter auch wieder 101  Die zwölf Deputati ad utilia wurden ursprünglich zu Beginn jedes Jahr gewählt, und versahen ihren Dienst jeweils zu viert für vier Monate. Nach der Machtübernahme durch Venedig entfiel die Wahl, und die eingesetzten Abgeordneten entwickelten sich zu einem allgemeinen Verwaltungsgremium. Zur Entwicklung siehe ausführlich Tjarks, Stadtrecht (wie Anm.  58), 30, auch Kohl, Government (wie Anm.  6), 217. 102  ASP, Nunzie e Ambasciatori, vol.  248, fol.  8v (Quelle unpaginiert, Zählung KO). 103  Zur Person Paolo Dottis und seiner späteren Rolle in der Verschwörung der Scrovengi von 1439 siehe weiter unten Kapitel  3. 104  ASP, Nunzie e Ambasciatori, vol.  248, fol.  9v (Quelle unpaginiert, Zählung KO). In dieser Ernennung wird die Praxis deutlich, nur einen einzelnen Gesandten und ggf. einen Vertreter im Krankheitsfalle für eine bestimmte Aufgabe auszuwählen. Ungewöhnlich an der Ernennung Paolo Dottis ist die Notiz des Schreibers Sicco Polenton, der mit seinem Namen zeichnet. 105  ASP, Nunzie e Ambasciatori, vol.  248, fol.  10v (Quelle unpaginiert, Zählung KO). Weite­ re Unterlagen zu dieser Gesandtschaft und die Bevollmächtigung der Gesandtschaft auch in ASP, Atti dei Consiglio, vol.  47, fol.  468r. 106  ASP, Ducale, vol.  4, fol.  41v.

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Prosdocimo Conti.107 Die Beglaubigungsschreiben der Gesandten an Venedig wurden am 16. Oktober ausgestellt.108 Nicht alle Jahre sind so gut dokumentiert wie das Jahr 1425, in dem insgesamt fünf Reisen Capodilistas im Auftrag Paduas nach Venedig nachweisbar sind. Die Aufträge bewegten sich dabei immer im Bereich der Innenpolitik Paduas, soweit sie durch den Status Venedigs als besitzende Macht bestimmt war. Häufig war Capodilista als Teil einer größeren Gruppe von Gesandten unterwegs, führte aber auch gelegentlich Aufträge als einzelner Gesandter aus. Nimmt man die repräsentative Gruppe an Gesandten heraus, die Padua nach der Wahl Francesco Foscaris zum Dogen in Venedig ­vertrat, zeichnet sich ein deutliches Schema ab. Fast alle Gesandten Paduas waren Ju­risten und mit der Universität Padua als Lehrende verbunden. Da viele der zu verhandelnden Punkte zwischen Venedig und Padua juristische Aspekte oder Belange der Juristenuniversität betrafen, erscheint diese Wahl naheliegend. Sie bezeugt aber auch den hohen Stellenwert der gelehrten Juristen und Professoren innerhalb der städtischen Elite Paduas. Zudem gehörte es zu den Pflichten der an der Universität Beschäftigten, sich für die Belange der Stadt einzusetzen und insbesondere diplomatische Aufträge zu übernehmen. Neben der Auswahl der Gesandten nach ihrer ju­ ristischen Ausbildung wird an diesen Gesandtschaften Capodilistas für Padua auch deutlich, dass die städtischen Gesandten in diesem Kontext stark an ihre Instruktionen gebunden waren und nur wenig Handlungsspielraum besaßen. Nach den vielen Gesandtschaften im kleineren Rahmen erhielt Capodilista seinen ersten größeren Auftrag 1428, als er von Venedig zu Friedensgesprächen zwischen Mailand und der Allianz aus Venedig und Florenz nach Ferrara geschickt wurde. Der dort beizulegende Konflikt schwelte schon seit Jahren, aber erst 1425 hatten Venedig und Florenz sich zu einer Allianz zusammengeschlossen, nachdem Venedig schwere militärische Niederlagen gegen Visconti hatte hinnehmen müssen.109 Der Krieg von 1426 brachte Venedig nach langer Belagerung den Besitz von Brescia ein und führte nach Mediation durch den von Papst Martin V. entsandten Kardinal Niccolò Alber­ gati am 30. Dezember 1426 zum Frieden von Venedig. Aber schon im Frühjahr und Sommer 1427 kam es wieder zu schweren militärischen Auseinandersetzungen, die für Venedig mit einem Sieg endeten. Erneute Gespräche unter der Leitung von Kardinal Albergati fanden ab September 1427 in Ferrara statt. Für Venedig stellte der Frieden von Ferrara einen Gewinn besonders auf territorialer Ebene dar, denn die Republik konnte ihre Grenzen in Richtung Mailand erheblich ausdehnen, und gewann neben Brescia auch Bergamo. Die venezianische Terraferma erreichte damit

107  ASP,

Nunzie e Ambasciatori, vol.  248, fol.  11r (Quelle unpaginiert, Zählung KO). Nunzie e Ambasciatori, vol.  248, fol.  11v. 109  Romano, The Likeness of Venice (wie Anm.  70), 67. Ausführlicher Mallett, Michael E., La conquesta della Terraferma, in: Alberto Tenento/Ugo Tucci (Hg.), Storia di Venezia, IV: Il Rinascimento politica e cultura, Rom 1996, 181–244, hier 189–197. 108  ASP,

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einen neuen Höhepunkt in ihrer Ausdehnung, mit einer nur 60 km von Mailand selbst entfernt verlaufenden Grenze.110 Die Friedensverhandlungen in Ferrara liefen über mehrere Monate hinweg. Capodilista wurde erst kurz vor Abschluss der Verhandlungen in den ersten Wochen des April 1428 von Venedig nach Ferrara geschickt, um gemeinsam mit Prosdocimo Conti den Friedensvertrag juristisch zu prüfen. In einem Schreiben vom 13. April werden die bereits in Ferrara anwesenden venezianischen Gesandten von der baldigen Ankunft der beiden Juristen in Kenntnis gesetzt und die Notwendigkeit der Begutachtung des Vertrags deutlich betont.111 Die Wahl Prosdocimo Contis und Capodilistas als abgeordnete Juristen erscheint angesichts der singulären Stellung der ­Juristenuniversität Padua und der Erfahrung beider Beteiligten in diplomatischen Aufgaben nachvollziehbar. Ihr tatsächlicher Einflussbereich ist schwer einzuschätzen, aber wenige Tage später, am 19. April, wurde der Friedensvertrag finalisiert und am 10. Mai in Venedig offiziell verkündet.112 Sowohl Prodoscimo Conti als auch Giovan Francesco Capodilista werden in der Zeugenliste genannt.113 Für Capodilista war dieser Auftrag Venedigs das endgültige Zeichen seiner vollständigen Rehabilitation. In Ferrara wurde er erstmals als offizieller juristischer Berater der Republik eingesetzt und damit in der Rolle tätig, die er fünf Jahre später auch in Basel übernehmen sollte. Obwohl seine Aufgabe in Ferrara nur klein war, bildet sie einen der frühen Grundsteine seiner späteren Karriere und seine erste Erfahrung im Bereich der Außenpolitik eines einflussreichen Machtträgers. Für das Jahr 1429 verzeichnen die Graduierungsakten der Universität Padua ab August wieder Capodilistas akademische Tätigkeit.114 Erst im Sommer 1430 taucht er bei Verhandlungen in Venedig über die Umstrukturierung des Consiglio del Commune als einer von zwei Gesandten wieder auf.115 Nur wenige Tage später kehrten die Gesandten nach Padua zurück und berichteten am 11. Juli 1430 vor dem Consiglio del Commune, dem Podestà Paolo Correr, und dem Capitano Andrea Morosini.116 Die Lehrtätigkeit Capodilistas im Jahr 1430 spiegelt sich in einer Auflistung des vene­zianischen Senats, die alle Professoren an der juristischen Universität Paduas erfasst, die für das kommende akademische Jahr beschäftigt werden sollten.117 Capo110 

Romano, The Likeness of Venice (wie Anm.  70), 72. Senato, Deliberazioni, Secreti, Registri, reg.  10, fol.  146v. 112  ASVe, Senato, Deliberazioni, Misti, Registri, reg.  56, fol.  186v. 113  I libri commemoriali della Republica di Venezia (wie Anm.  86), 125–126, Nr.  15. 114  Lizentiatsprüfung am 6. August 1429, vgl. Acta Graduum (wie Anm.  19), Nr.  725. 115  ASP, Ducale, vol.  2, fol.  124r. In den Atti del Consiglio wird die gleiche Gesandtschaft aufgeführt, allerdings mit der Nennung von Capodilistas ältestem Sohn Francesco Capodilista. Da alle anderen diese Gesandtschaft betreffenden Papiere Giovan Francesco nennen ist davon auszugehen, dass tatsächlich der Vater und nicht der Sohn gemeint ist. Vgl. ASP, Atti del Consiglio, vol.  47, fol.  451r. 116  ASP, Ducale, vol.  4, fol.  58v. 117  ASVe, Senato, Deliberazioni, Misti, Registri, reg.  58, fol.  7v. 111  ASVe,

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dilista ist unter dem Abschnitt „In Ius Civila – Ad lectura Iuris Civibus“ gelistet, ­direkt unter Paolo da Castro. Sein Verdienst ist mit 300 Dukaten (Fl.) angegeben. Damit verdiente Capodilista zwar genauso viel wie sein Konkurrent Prosdocimo Conti, aber immer noch deutlich weniger als der mit 800 Dukaten (Fl.) ausgesprochen gut bezahlte Jurist Paolo da Castro. Weitere Bestimmungen Venedigs legten fest, dass Capodilista die Morgenvorlesung übernehmen sollte und Paolo da Castro nachmittags unterrichtete.118 In den folgenden Jahren trat Capodilista dann immer mehr in der Stadtpolitik Paduas auf. Für die Jahre 1430 bis 1433 ist seine Wahl ins Consiglio der Stadt belegt.119 Dazu wurde Capodilista 1431 als Mitglied der Deputati ad ­utilia120 verzeichnet und im Februar 1432 als einer der Provisori del Commune.121 Im Februar 1432 fungierte er als juristischer Ratgeber Paduas und wurde dafür auch finanziell entschädigt.122 Ab Januar 1433 war Capodilista als Mitglied für den Stadtteil Torricelle im Consiglio tätig, nachdem er noch 1423 als Bewohner des Borgo Altinate geführt wurde.123 Im Frühjahr 1433 führten neue Verhandlungen zwischen Venedig, Florenz und Mailand Capodilista erneut gemeinsam mit Prosdocimo Conti als juristische Berater der Republik nach Ferrara.124 Am 26. April wurden dort die vorherigen Friedens­ bestimmungen von 1428 verifiziert und bestätigt. Als Vertreter für Venedig wird ­Fantino Michele genannt, der als Prokurator von S. Marco in Erscheinung tritt. Capodilista wird ist der Zeugenliste des Beschlusses verzeichnet, gemeinsam mit einer Vielzahl anderer Juristen und weiterer Beteiligter. Anfang Mai war Capodilista dann wieder in Padua Teilnehmer an einer öffentlichen Doktoratsprüfung.125 Aber auch im Interesse seiner Familie war Capodilista jenseits der Grenzen Paduas aktiv. Am 23. Juni 1433 erscheint er erstmals in einem Besitzverzeichnis des Klosters S. Michele di Murano.126 Dokumentiert wird ein Tausch von Gütern Capodilistas mit dem Ka118  ASVe,

Senato, Deliberazioni, Misti, Registri, reg.  58, fol.  8r. Für 1430 am 29.12.1430, siehe ASP, Atti del Consilglio, vol.  4, fol.  35v. Für Februar 1432 siehe ASP, Atti del Consilglio, vol.  4, fol.  52r. 120  ASP, Ducale, vol.  2, fol.  85r. 121  ASP, Atti del Consiglio, vol.  47, fol.  501r. 122  Ebd., fol.  508r. 123  ASP, Atti del Consiglio, vol.  4, fol.  101r. 124  I libri commemoriali della Republica di Venezia (wie Anm.  86) 183, Nr.  183. 125  Acta Graduum (wie Anm.  19), Nr.  934. 126  BAV, Vat. Lat. 13678, fol.  12r. Teilweise, aber in abweichender Form gedruckt in ­ nnales Camaldulenses Ordinis Sancti Benedicti. Complectens res gestas ab anno Christi A M.CCCC.XXXI. ad annum M.D.XV, ed. v. Anselmo Costadoni und Giovanni Benedetto Mittarelli. Venedig 1762, Appendix, 17f, Quellenstück Nr.  VIII. Der Konvent S. Michele di Murano wird in der Quelle auf Torcello verortet, ist aber heute identisch mit S. Michele in Isola. Zur Geschichte des interessanten Konvents ist wenig Literatur vorhanden, wobei existierende Studien sich häufig auf die Errichtung der Hauptkirche ab 1468 beschränken. Howard, Deborah, San Michele in Isola: Re-Reading the Genesis of the Venetian Renaissance, in: Jean Guillaume (Hg)., L’Invention de la Renaissance. La Réception des formes „à l’antique“ au début de la 119 

II.1. Vor 1433: Vom gelehrten Juristen zum Diplomaten

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maldulenserkonvet, der sich vor allem auf die Einkünfte des Klosters aus der Ortschaft Mandria im Padovano und Besitzungen nahe der Albaner Berge bezieht.127 Aus dem Capodilista-Kodex sind Besitzungen der Familie Capodilista in Mandria zu erschließen, die vermutlich mit solchen des Klosters getauscht wurden. Konkret ging es dabei um die Kirche S. Maria di Mandria, die von den Kamaldulensern übernommen worden war und Landbesitz zur Verbesserung der Einkünfte benötigte. Zusätzlich scheinen die Kamaldulenser noch eine Geldsumme als Stiftung erhalten zu haben. Besitzungen der Familie Capodilista in Mandria sind noch im Estimo zur Er­ fassung des Besitzes von Giovan Franecsco von 1444128 und später im Besitz von Francesco Capodilista, dem ältesten Sohn Giovan Francescos, nachweisbar.129 In der Funktion als Rechtsberater und Zeuge bei den Versammlungen der Brüder des Kamaldulenserordens tritt Capodilista über die Jahre hinweg immer wieder auf, und wird während seiner Abwesenheit teilweise von seinem ältesten Sohn Francesco vertreten.130 Dabei werden in den folgenden Jahren nur die Bestimmungen von der ersten Niederschrift des Dokuments 1433 immer wieder erneuert und in ihrer Gültigkeit bestätigt. Als beglaubigender Notar zeichnete Franciscus de Venetiis, als Ort der ­Abfassung wird das Kloster in Murano genannt.131 In den Aufzeichnungen des Kamaldulenserkonvents tritt Capodilista erstmals außerhalb eines unmittelbar padua­ nischen Kontextes auf, etabliert in seiner Verbindung als Geschäftspartner und im geringen Umfang auch Stifter der Klostergemeinschaft von S. Michele. Diese Verbindung zum Kloster stellt den einzigen Nachweis einer Verbindung Capodilistas mit kirchlichen Institutionen dar. Die Gemeinschaft der Kamaldulenser war bekannt für ihr humanistisches Interesse und ihre Tätigkeit als Sammler von Büchern und aktuellen Texten, ein Interesse, das Capodilista nachweislich teilte.132 Die Reise nach Ferrara im Frühjahr 1433 war Capodilistas letzter diplomatischer Auftrag, bevor er im September des gleichen Jahres als Gesandter Venedigs von ­Padua aus nach Basel aufbrach. Neben den hier erschlossenen Reisen verzeichnet der Capodilista-Kodex im Abschnitt der Kurzbiographie, die Capodilista über sich selbst verfasste, noch drei weitere, teilweise diplomatische Reisen vor 1433: Eine geographisch nicht näher bezeichnete Reise zu Papst Martin V., eine nach Cremona, und einen Besuch in Avignon.133 Für die beiden ersten Aufträge sind in den Akten der Renaissance, Paris 2003, 27–42. Weiter der Katalog von Brusegan, Marcello (Hg.), San Michele in Isola – Isola della Conoscenza. Ottocento anni di storia e cultura camaldolesi nella laguna di Venezia, Turin 2012. 127  BAV, Vat. Lat. 13678, fol.  12r. 128  ASP, Estimo dell’ Anno 1418, vol.  378, fol.  171v. Der Estimo erfasste das Besitzvolumen der Bewohner Paduas zu Erhebung der Steuerlast 129  ASP, Estimo dell’Anno 1418, vol.  57, fol.  136r. Zur Besitzliste siehe B.P. 954, fol.  4r. 130  So verzeichnet das Dokument es für den Februar 1438. BAV, Vat. Lat. 13678, fol.  17r. 131  BAV, Vat. Lat. 13678, fol.  14v. 132  Vgl. Howard, San Michele in Isola (wie Anm.  126), 31. 133  BP 954, fol.  32r.

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II. Diplomatie. Ein gelehrter Jurist aus Padua im Dienst Venedigs und des Papstes

Republik Venedig keine Nachweise zu finden, und auch die Aufzeichnung in Padua geben keinen Aufschluss über die tatsächliche Durchführung und den Anlass der ­Reise. Falls sie tatsächlich stattgefunden haben, sind sie vermutlich für die Jahre zwischen 1427 und 1432 einzuordnen. Ein Zusammentreffen mit Papst Martin V. könnte am Rande der Friedensverhandlungen in Ferrara 1428 möglich gewesen sein, bleibt aber letztendlich nicht belegbar. Ebenfalls nicht nachweisbar ist die Reise nach Avignon, die aufgrund des nachweislichen Bewegungsschemas Capodilistas bis 1430 auch unwahrscheinlich bleibt.134 Die Karriere Capodilistas war bis 1433 vor allem durch zwei Schwerpunkte geprägt: seine Lehre an der Universität und erste diplomatische Aktivitäten für die venezianisch regierte Stadt Padua. Vor allem die vielen kleinen Gesandtschaften als Beauftragter Paduas nach Venedig verhalfen ihm zu ersten Verhandlungserfahrungen, wenn sie auch durch einen nur minimalen Handlungsspielraum Capodilistas als Gesandter geprägt waren. Die Verurteilung durch das Consiglio dei Dieci 1419 stellt sich dabei nicht als das zu erwartende Hindernis seiner Karriere heraus, sondern gerade im Gegenteil als Sprungbrett für seine ersten Aufgaben im Auftrag Venedigs außerhalb des engen regionalen Umfelds zwischen Padovano und Lagune. Nachdem Capodilista sich an der Seite Roberto Morosinis offensichtlich im Friaul zur Zufriedenheit Venedigs bewährt hatte und seine Rehabilitation bewilligt wurde, war die Reise nach Ferrara 1428 der nächste Schritt in seiner diplomatischen Karriere. Mit all diesen kleineren Aufträgen empfahl Capodilista sich für den Auftrag zur Reise nach Basel, wo insbesondere seine Kenntnisse der politischen Gegebenheiten im Friaul gekoppelt an seine juristische Erfahrung für Venedig nützlich wurden.

134  Die Reise nach Avignon dokumentiert Capodilista in der Kurzbiographie seines Verwandten Gabriele Capodilista, den er als Kardinal vorstellt und dessen Wappen er bereits in Rom gesehen habe. Die Reise nach Avignon wird etwas später vermerkt, und Capodilista beschreibt, das er dort zahlreiche Nachkommen der Capodilista getroffen habe und auch das ­Familienwappen an der Kathedrale der Stadt gesehen hätte. BP 954, fol.  26r. Ausführlich zu diesem Abschnitt und der Intention Capodilistas für die Aufzählung einer solchen wahrscheinlich fiktiven Reise siehe Kapitel  3.

II.2. Die Vertretung Venedigs auf dem Basler Konzil von 1433 bis 1435 In der Zeit vor 1433 hatte Capodilista während seiner Aufträge für Venedig wichtiges Wissen zur politischen Situation der Republik und Erfahrung in der Lösung diplomatischer Auseinandersetzungen gesammelt. Seine erste Aufgabe als umfangreich bevollmächtigter und verantwortlicher Gesandte wurde dann die Reise auf das Basler Konzil, die ihn an einen Brennpunkt der internationalen Politik führte. Während der Verhandlungen in Basel wurde er erstmals mit einer vielschichtigen und komplexen Auseinandersetzung konfrontiert, und verhandelte mit den bedeutendsten Akteuren der politischen Landschaft: nicht nur den hohen kirchlichen Würdenträgern der Basler Kirchenversammlung und den päpstlichen Repräsentanten, sondern auch weltlichen Großen wie Kaiser Sigismund.

II.2.1. Schwerpunkte der venezianischen Politik auf dem Basler Konzil In der Frühphase des Basler Konzils war die Republik Venedig dort nicht durch eigenständige Diplomaten vertreten. Das änderte sich erst mit der zunehmenden Funktion des Konzils als Bühne für internationale Politik und Begegnungsort jenseits seiner kirchenpolitischen Funktion. Venedig war seit Beginn des 15. Jahrhunderts durch seine Machtausdehnung auf der Terraferma zu einer der bedeutendsten politischen Mächte Italiens geworden. Die Verwaltung und dauerhafte Sicherung der dazugewonnenen Gebiete stellte die Handelsstadt zunächst vor eine bürokratische Herausforderung, die erst langsam mit der Einführung eines Verwaltungssystems der Regierung besetzter Städte durch ausgewählte venezianische Stellvertreter gelöst wurde.135 Daneben war die Republik in ihren Expansionsbestrebungen in zahlreiche Konflikte mit den unterschiedlichsten Besitzansprüchen anderer einflussreicher Mächte geraten. Es war vornehmlich Aufgabe der Diplomaten, die Verhandlungen mit involvierten Konfliktpartnern zu führen und so neben den bewaffnet ausgetragenen Konflikten

135  Zu dieser Entwicklung siehe u. a. Law, John E., The Venetian Mainland State in the fifteenth century, in, Dersl. (Hg.), Venice and the Veneto in the Early Renaissance, Aldershot 2000, 153–174 (Teil  I).

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II. Diplomatie. Ein gelehrter Jurist aus Padua im Dienst Venedigs und des Papstes

weitere Begegnungsräume zu schaffen.136 Mit der Etablierung und dem Wachstum des Konzils von Basel entstand ein neues Forum für solche Begegnungen, das schnell an Einfluss gewann und für Venedig von höchster politischer Bedeutung wurde. Die dort ausgetragenen Konflikte waren dabei häufig vor allem eine Frage der Relokalisierung bereits begonnener politischer Auseinandersetzungen.137 Maßgeblicher diplomatischer Partner Venedigs in Basel war Kaiser Sigismund, mit dem unter anderem langjährige Territorialstreitigkeiten zu lösen waren, während gleichzeitig gemeinsame Parteinahme zugunsten Papst Eugens IV. die Politik beider bestimmte. Daneben sah Venedig sich dem juristischen Feldzug des Patriarchen von Aquileia, Ludwig von Teck, gegenüber. Zuletzt war die Politik der Republik maßgeblich von ihrem Verhältnis zu Papst Eugen IV. bestimmt. Das Verhältnis Venedigs zu Kaiser Sigismund bis September 1433 Im Jahr 1433 war der wichtigste Konflikt- und Verhandlungspartner Venedigs Kaiser Sigismund, vor allem in seiner Rolle als König von Ungarn.138 Langwierige Auseinandersetzungen entstanden im Verlauf der langen Regierungszeit Sigismunds vornehmlich aufgrund territorialer Konflikte. Insbesondere die Vorherrschaft in Dalmatien wurde immer wieder zum Streitpunkt. Die Kontrolle der dalmatischen Küste und der Handelsrouten der adriatischen See waren für Venedig als Handelsstadt von höchster Bedeutung. Die Ausdehnung und Behauptung der venezianischen Herrschaft über diese Gebiete war deswegen ein konstanter Bestandteil der venezianischen Politik.139 Nachdem Venedig 1381 im Frieden von Turin sämtliche Ansprüche auf das ungarische Dalmatien verloren hatte, waren die Bestrebungen der Republik zunächst auf 136  Wakounig sieht den Einsatz von Diplomaten als hauptsächlichen Strategievorteil Venedigs, dem sie unterstellt „vor allem mit der Macht der Feder“ Konflikte zu führen. Traditionell gilt die venezianische Diplomatie als sehr früh weit entwickelt und geschickt eingesetzt. Bezieht man allerdings auch die zahlreichen militärischen Operationen Venedigs im Zeitraum der ersten Jahrzehnte des 15. Jahrhunderts in die Betrachtung mit ein, muss die Aussage des hauptsächlichen Einsatzes der Diplomatie zur Erlangung außenpolitischer Ziele wohl mit Vorsicht gesehen werden. Vgl. Wakounig, Marija, Dalmatien und Friaul. Die Auseinandersetzung zwischen Sigismund von Luxemburg und der Republik Venedig um die Vorherrschaft im adriatischen Raum, Wien 1990 (Dissertationen der Universität 212), 8. 137  Siehe dazu auch Wefers, Sabine, Das Primat der Außenpolitik. Das politische System des Reichs im 15. Jahrhundert, Berlin 2013 (Historische Forschungen 99), 98. 138  Leider gibt es vor allem ältere Literatur zu diesen Themenbereichen. Zur Italienpolitik Sigismunds für diesen Zeitabschnitt ausführlich siehe Schiff, Otto, König Sigismunds italienische Politik bis zur Romfahrt (1410–1431), Frankfurt am Main 1909 (Frankfurter Historische Forschungen 1). Daran knüpft an Spors, Bruno, Die Beziehungen Kaiser Sigismunds zu Venedig in den Jahren 1433–1437, Kiel 1905. 139  Krekić, Bariša, Venezia e l’Adriatico, in: Girolamo Arnaldi/Giorgio Gracco/Alberto ­Teneti (Hg.), Storia di Venezia, III: La Formazione dello Stato Patrizio, Roma 1997, 51–85, hier 51. Eine Karte mit einer Übersicht über die venezianischen Handelsrouten findet sich bei Chambers, David Sanderson, Imperial Age of Venice 1380–1580, London 1970, 40–41.

II.2. Die Vertretung Venedigs auf dem Basler Konzil von 1433 bis 1435

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den Rückgewinn der Regionen gerichtet. In Ungarn selbst formierten sich in den folgenden Jahren unterschiedliche Fraktionen, die auf der einen Seite den 1387 zum ungarischen König gekrönten Sigismund von Luxemburg, auf der anderen Seite den zum Gegenkönig erhobenen König von Neapel Ladislaus von Anjou-Durazzo sahen.140 Letzterem gelang schließlich die Besetzung eines Großteils der dalmatischen Küstenstädte. Venedig näherte sich daraufhin Ladislaus von Anjou-Durazzo an, und 1405 kam es zum Abschluss eines Bündnisvertrages.141 Dennoch verhielt Venedig sich in den Auseinandersetzungen zwischen Sigismund und Ladislaus vorsichtig neutral, und lehnte Angebote Sigismunds zur Gründung einer Liga ab.142 Nachdem Ladislaus’ Machtbereich durch den Abfall wichtiger Verbündeter 1408 merklich in Auflösung begriffen war, nahm Venedig wieder Verhandlungen mit ihm um eine Übereignung seiner dalmatischen Küstenstädte auf. Die Gespräche zogen sich über Monate hinweg, und je nach aktueller Lage schwankten Preise und Ansprüche auf die zu übergebenden Städte.143 Im Mai 1409 kam es dann zunächst zum Abschluss eines Vorvertrags, im Juli zum endgültigen Vertrag.144 Für 100.000 Dukaten (Fl.) erhielt Venedig darin Rechte an den dalmatischen Städten, darunter Zadar, Vrana, Novigrad und die kroatische Insel Pago145. Mit der Ausnahme von Ragusa, das weiterhin der ungarischen Krone unterstand, übernahm Venedig damit zumindest formal wieder die Vorherrschaft im dalmatischen Raum der Adriaküste, die bis 1797 bestehen bleiben sollte. Zunächst musste Venedig diese von Ladislaus erworbenen Ansprüche aber gegen Sigismund durchsetzen, der das Recht des Gegenkönigs zum Verkauf von Gebieten der ungarischen Krone nicht anerkannte. Ausgleichsverhandlungen mit dem inzwischen zum römischen König gewählten Sigismund an der Kurie des römischen Papstes

140  Ladislaus von Anjou-Durazzo war der Sohn Karls von Anjou-Neapel, der als Cousin des verstorbenen Ludwig I. von Anjou nach dessen Tod 1385 den ungarischen Thron übernehmen wollte, aber nach kurzer Zeit ermordet wurde. Siehe Wakouing, Marija, Die Auseinander­ setzung zwischen der Serenissima und dem ungarischen und römischen König Sigismund von Luxemburg, in: Bericht über den 18. österreichischen Historikertag, Wien 1991 (Veröffentlichungen des Verbandes Österreichischer Geschichtsvereine 27), 195–204, hier 195. 141  Dazu gehörte die Verpflichtung Venedigs, den Feinden Neapels für bis zu fünf Jahre die Nutzung ihrer Häfen zu untersagen. Krekić, Venezia e l’Adriatico (wie Anm.  139), 76. 142  Wakouing beschreibt die venezianische Politik nicht als Neutralität, sondern als pragmatischen Umgang mit zwei gekrönten ungarischen Königen: Sigismund sei vor allem bei offi­ ziellen politischen Akten angesprochen worden, während Ladislaus vor allem im Hinblick auf die Rückgewinnung Dalmatiens für Venedig nützlich gewesen sei. Vgl. Wakounig, Auseinandersetzung (wie Anm.  140), 196. 143  So wurde beispielsweise der Preis für Trogir, Sebenico und Nona von Ladislaus erheblich gesenkt, nachdem die dortige Bevölkerung rebelliert hatte. Vgl. Krekić, Venezia e l’Adria­tico (wie Anm.  139), 80. 144  Ebd., 81. 145  Heute Pag in Kroatien.

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II. Diplomatie. Ein gelehrter Jurist aus Padua im Dienst Venedigs und des Papstes

J­ ohannes XXIII. in Bologna scheiterten im Februar 1411.146 Daraufhin ließ Sigismund ungarische Truppen ins Friaul einmarschieren. Damit bedrohte er die Seemacht Venedig nicht nur aus einer neuen Richtung, sondern verknüpfte den Streit um Dalmatien auch mit der ebenfalls seit langem schwelenden Auseinandersetzung um die Vorherrschaft im Friaul.147 Die hohe geopolitische Bedeutung der Region als Schwelle zwischen Italien und den nördlichen Reichsgebieten spiegelt sich deutlich in der Auseinandersetzung.148 Ursprünglich gehörte das Friaul zum Regnum Italicum und war als Sitz des Patriarchen von Aquileia von hoher spiritueller Bedeutung gewesen.149 Nach längerer Sedisvakanz nach dem Tod des Patriarchen Antonio Panciera 1411 war im Juli 1412 der aus dem schwäbischen Haus von Teck kommende Ludwig von Teck zum Patriarchen gewählt worden.150 Ludwig kandidierte zum dritten Mal für das Amt des Patriarchen, das über die Jahre hinweg zum Spielball der umgebenden Mächte geworden war. Sowohl Venedig und Ungarn als auch die unterschiedlichen Vertreter des Papsttums konkurrierten um die Besetzung des Patriarchenstuhls mit einem ihrer Politik verpflichteten Kandidaten.151 Auch die Carrara von Padua zeigten zu Beginn des 15. Jahrhunderts Interesse, und hofften durch die Unterstützung eines ungarischen Kandidaten Hilfe in ihrer Bedrohung durch Venedig zu gewinnen. Dazu herrschte zwischen den Städten Udine, Cividale und den mit ihnen verbundenen Feudalherren ein an die Besetzung des Patriarchenstuhles geknüpfter Kleinkrieg.152 Die Einsetzung Ludwig von Tecks ging unter anderem auf das Betreiben Friedrichs von Ortenburg zurück, der seit 1401 Reichsvikar war und als Schutzherr des Friaul bezeichnet wurde.153 Die Ortenburger waren bereits seit Ende des 14. Jahrhunderts mit den Teck verwandtschaftlich verbunden.154 Damit war letztendlich ein Klient der Partei Sigismunds auf dem Patriarchenstuhl etabliert worden, der allerdings in die Auseinandersetzungen mit Venedig wenig eigene politische Macht einbrachte. Seine 146  Wakounig, Auseinandersetzung (wie Anm.  140), 197. Ausführlich zu den Verhandlungen und dem Engagement Johannes XIII. siehe Schiff, König Sigismund (wie Anm.  138), 6. 147  Zusammenfassend zur Situation des Friauls unter venezianischer Herrschaft siehe Law, John E., Venice and the Problem of Sovereignity in the Patria of Friuli, 1421, in: Dersl. (Hg.), Venice and the Veneto in the Early Renaissance, Aldershot 200, 135–147 (Teil  VI). 148  Schiff bezeichnet das Friaul als „Pfortenland“. Vgl. Schiff, König Sigismund (wie Anm.  138), 5. 149 Vgl. Law, Venice and the Problem of Sovereignty (wie Anm.  137), 136. 150 Zu den Verwandtschaftsverhältnissen Ludwig von Tecks siehe Domenig, Christian, ­Ludwig von Teck und der Niedergang der weltlichen Herrschaft des Patriarchs von Aquileia, in: Anja Thaller/Johannes Gießauf/Günther Bernhard (Hg.), Nulla historia sine fontibus. Festschrift für Reinhard Härtel zum 65. Geburtstag, Graz 2010 (Schriftenreihe des Instituts für Geschichte 18), 150–158. Zum Ablauf der Wahl und der Vorgeschichte ebenfalls sehr ausführlich Wakounig, Dalmatien und Friaul (wie Anm.  136), 86 f. 151  Domenig, Ludwig von Teck (wie Anm.  150), 152. 152  Schiff, König Sigismund (wie Anm.  138), 7. 153  Domenig, Ludwig von Teck (wie Anm.  150), 153. 154  Ebd., 150.

II.2. Die Vertretung Venedigs auf dem Basler Konzil von 1433 bis 1435

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Ansprüche auf Aquileia und die dazugehörigen Gebiete im Friaul sollten aber noch über Jahrzehnte hinweg diplomatische Auseinandersetzungen zwischen Sigismund und Venedig nach sich ziehen, die dann zu einem hauptsächlichen Arbeitsgebiet der venezianischen Gesandtschaft auf dem Basler Konzil wurden. Der Einmarsch des ungarischen Heeres ins Friaul wurde nach der Einnahme von fast allen Städten 1412 gestoppt und das Heer nach Ungarn zurückbeordert.155 Sigismund selbst zog im Dezember 1412 in Cividale ein.156 Gespräche in Triest, Aquileia und Latisana führten schließlich zur Unterzeichnung eines fünfjährigen Waffenstillstands im April 1413.157 Dabei wurde eine Beibehaltung des gegenwärtigen Besitzstandes vereinbart, bis ein in der Zukunft durch den Papst zu vermittelnder Friedensschluss zu einer endgültigen Zuweisung der Gebiete führen würde. Die zwei Wochen später aufgenommenen förmlichen Friedensverhandlungen scheiterten zunächst.158 Für Venedig bedeutete der Waffenstillstand de facto die Anerkennung ihrer dalma­ tischen Gebiete, vor allem des Kaufes der Stadt Zadar 1409. Die angestrebte Vermittlung durch den römischen Papst Johannes XXIII. wurde durch dessen Vertreibung aus Rom im Juni 1413 verzögert.159 Weitere Friedensverhandlungen in den Jahren 1414, organisiert während der Treffen zur Vorbereitung des Konstanzer Konzils in Lodi und Cremona, scheiterten schnell. Venedig, Neapel und der aus den Erbfolgewirren in Mailand siegreich hervorgegangene Fillipo Maria Visconti arrangierten sich daraufhin zu einem Verteidigungsbündnis, das aber nach dem Tod Ladislaus’ von Anjou-Durazzo obsolet wurde.160 Der Konflikt mit Venedig wurde allerdings auch durch den Waffenstillstand nicht völlig beigelegt. 1415 unterstützte die Republik vertragswidrig die Invasion eines türkisch-bosnischen Heeres in Gebiete des Friaul, und gewann Johanna von Neapel und erneut Fillipo Maria Visconti für die Gründung einer Allianz gegen Sigismund. In diese Zeit fiel auch eine Serie von erfolg­ losen Giftanschlägen, die vermutlich von der Republik gegen Sigismund in Auftrag gegeben wurden.161 Auch Sigismund agierte jenseits des offenen militärischen Kon155 Ausführlich zum Kriegsverlauf siehe Schiff, König Sigismund (wie Anm.  138), 11 f. Weiter Wakounig, Dalmatien und Friaul (wie Anm.  136), 107. 156 Vgl. Schiff, König Sigismund (wie Anm.  138), 22. 157  Die Vertreter der Republik bei den Verhandlungen 1412 waren Thomas Mocenigo, der spätere Doge, und Antonio Contareno. Ihre Bevollmächtigung durch den venezianischen Senat ist gedruckt in den MHSM, Vol.  12, Buch 7, Jahr 1412–1420, 1, Nr.  1. 158  Wakounig, Dalmatien und Friaul (wie Anm.  150), 109. 159  Schiff, König Sigismund (wie Anm.  138), 32. 160  Wakounig, Dalmatien und Friaul (wie Anm.  150), 115. Schiff erklärt stattdessen, dass die Liga nur zwischen Venedig und Mailand bestanden habe. Ladislaus sei lediglich über seine Verbindung zu den Visconti Bestandteil und vielleicht sogar treibende Kraft hinter dem Bündnis gewesen. Siehe Schiff, König Sigismund (wie Anm.  138), 52. 161 Vgl. Stefánik, Martin, Die Beschlüsse des venezianischen Consiglio dei Dieci zu den Attentatsversuchen auf Sigismund aus den Jahren 1413–1420, in: Karel Hrzua/Alexandra Kaar (Hg.), Kaiser Sigismund (1368–1437). Zur Herrschaftspraxis eines europäischen Monarchen, Wien 2012, 161–173. Von Stromer vermutet hinter den Giftanschlägen die Rache der Venezia­

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II. Diplomatie. Ein gelehrter Jurist aus Padua im Dienst Venedigs und des Papstes

flikts und hatte 1412 bereits Handelssperren gegen Venedig verhängt.162 Um die von ihrem Handel abhängige Republik zu zermürben, forderte er 1417 die Reichsstädte auf, ihren Handel mit Venedig abzubrechen und unterstützte statt dessen die Konkurrenzstadt Genua163 bei der Ausdehnung ihrer Handelswege.164 Inmitten dieses Konflikts bestätigte Papst Martin V. auf dem Konstanzer Konzil 1418 Ludwig von Teck als Patriarchen von Aquileia.165 Nur wenige Monate später eroberte Venedig die ersten Städte im Friaul, woraufhin Sigismund die Handelsspeere weiter auszudehnen versuchte. Von 1419 bis 1422 eroberte Venedig in Abwesenheit Ludwig von Tecks und begünstigt durch den Tod des Reichsvikars Friederich von Ortenburg fast alle Städte des Friaul.166 Ludwig von Teck hielt sich nach dem Verlust Aquileias zunächst nördlich der Alpen bei Hermann von Cilli, dem Schwiegervater Sigismunds, auf.167 Nachdem sich das Basler Konzil als Verhandlungsort und Gerichtsinstanz auch in poli­ tischen Fragen etabliert hatte, verlegte Teck seinen Wirkungsort nach Basel. Dort schloss er sich der konziliaren Partei an und begann 1434 einen juristischen Feldzug zur Wiedererlangungen seiner verlorenen Gebiete. Die Rückgewinnung seines Machtbereichs im Friaul beschäftigte ihn und das Basler Konzil die nächsten Jahre, und Ludwig von Tecks Politik blieb konstant anti-venezianisch. Mit der Übernahme des Friaul war der Konflikt zwischen Sigismund und Venedig wieder aufgebrochen. Vor allem durch die Aufrechterhaltung der Handelssperre versuchte Sigismund weiterhin die Republik in ihrer ökonomischen Ausdehnung zu treffen. Ein wichtiger Schritt gegen Venedig gelang 1426 mit der Allianz zwischen Sigismund und Fillipo Maria Visconti, der nach dem Ende des Bündnisses mit Venedig von 1422 neue Partner suchte.168 Zudem hatten Venedig und Florenz 1425 einen gener für die von Sigismund gegen sie verhängten Handelssperren, die dem venezianischen Handel zeitweise größte Schäden zufügten. Vgl. Von Stromer, Wolfgang, Landmacht gegen Seemacht. Kaiser Sigismund Kontinentalsperre gegen Venedig 1412–1433, in: ZHF 22 (1995), 145–189, hier 158. 162  Vgl. Heimpel, Hermann, Zur Handelspolitik Kaiser Sigismunds, in: VSWG 30 (1930), 145–156. Weiterhin von Stromer, Landmacht gegen Seemacht (wie Anm.  161), 145–189. 163  1422 fiel Genua nach Auseinandersetzungen an Mailand. Die Handelssperre Sigismunds gegen Venedig und die zunehmende Förderung des Handels mit Genua fiel damit auch in das Interesse Mailands. Vgl. Schiff, König Sigismund (wie Anm.  138), 88 f. 164  Domenig spricht bei der Auseinandersetzung zwischen Sigismund und Venedig auch von einem Wirtschaftskrieg. Vgl. Domenig, Ludwig von Teck (wie Anm.  150), 154. Weiter Wakounig, Dalmatien und Friaul (wie Anm.  150), 121. Allgemein zur Politik der Handelssperre und Wirtschaftskriegen in Früh- und Spätmittelalter siehe Stantchiv, Stefan, The medieval origins of embargo as a policy tool, in: History of political thought 33 (2012), 373–399. 165  Wakounig, Dalmatien und Friaul (wie Anm.  150), 122. 166  Beinhoff, Gisela, Die Italiener am Hof Kaiser Sigismunds (1410–1437), Frankfurt am Main 1995 (EHS 620), 195. 167  Domenig, Ludwig von Teck (wie Anm.  150), 153. 168  Bereits 1415 hatte Visconti Sigismund im Gegenzug für die Anerkennung seines Herzogtitels einen Treueeid geleistet. Die vollständige Investitur erhielt er aber nicht. Vgl. Schiff, König Sigismund (wie Anm.  138), 64.

II.2. Die Vertretung Venedigs auf dem Basler Konzil von 1433 bis 1435

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gen Mailand gerichteten Vertrag geschlossen.169 Kriegerische Auseinandersetzungen zwischen Venedig und Mailand 1426 und erste Gebietsgewinne der Republik vertieften die Feindseligkeit.170 Die Verhandlungen 1426 in Venedig endeten für Fillipo Maria Visconti mit Gebietsverlusten um die Stadt Brescia.171 Die tatsächliche Übergabe des Gebiets verweigerte er jedoch, was zum erneuten Ausbruch kriegerischer Handlungen führte. Das große Interesse Venedigs an einer Niederlage Mailands zeichnete sich deutlich in den Bemühungen der Republik ab, die Allianz zwischen Sigismund und Fillipo Maria Visconti zu unterminieren. Dabei nutzten sie den Wunsch Sigismunds nach einem baldigen Zug nach Rom zur Kaiserkrönung aus und forderten mit einer Gesandtschaft 1427 nicht nur die Beendigung des Bündnisses mit Mailand, sondern auch eine Bestätigung ihrer Eroberungen in Dalmatien und dem Friaul. Als Gegenleistung versprach Venedig dem König freien Durchzug durch ihre Gebiete sowie Unterstützung im Krieg gegen die Hussiten und das Osmanische Reich.172 Im September 1428 wurde nach langen Verhandlungen nur ein Waffenstillstand erreicht, der aber immerhin für Venedig eine teilweise Aufhebung der Handelssperre gegen die Zahlung von 80.000 Dukaten (Fl.) brachte.173 Weitere Verhandlungen vom Februar 1429 in Florenz zwischen dem venezianischen Diplomaten Marco Dandolo und dem königlichen Kanzler Kaspar Schlick blieben ergebnislos.174 Sigismund war unterdessen durch die sich nach einem kurzen Waffenstillstand wieder verschärfende Konfliktsituation in Böhmen abgelenkt. Der Beginn des Jahres 1431 brachte mit dem Tod Papst Martins V. und der Wahl Eugens IV. zu seinem Nachfolger einen Wechsel an der Spitze der römischen Kirche. Gleichzeitig trat mit der Eröff169 

Ebd., 93.

170  Ausführlich

vor allem zu den Auseinandersetzungen zwischen Venedig und Mailand in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts siehe Law, John E., Un confronto fra due stati „rinascimentali“: Venezia e il dominio sforzesco, in: Dersl. (Hg.), Venice and the Veneto in the Early Renaissance, Aldershot 2000, 397–413 (Teil  II). 171  Schiff, König Sigismund (wie Anm.  138), 104. 172  Beinhoff, Die Italiener am Hof Sigismunds (wie Anm.  166), 196. 173  Siehe die Erlaubnis für die Städte Konstanz, Augsburg und Ulm zur Wiederaufnahme des Handels mit Venedig am 21. April 1429, gedruckt in RI, XI. 2, Nr.  7239, 7240 und 7241. Schon lange vorher hatten bereits Nürnberg und Breslau Ausnahmegenehmigungen erhalten, Nürnberg 1420 und Breslau 1421. Vgl. Schiff, König Sigismund (wie Anm.  138), 79 und 123. 174  Beinhoff, Die Italiener am Hof Sigismunds (wie Anm.  166), 197. Die Verhandlungen zwischen Schlick und Dandolo wurden wohl schriftlich geführt. Gleiches begegnet nochmals in späteren Verhandlungen, vermerkt z. B. bei RTA 10, Nr.  182 (27.6.1431), 314. Schiff spricht dagegen von persönlichen Verhandlungen, nennt aber nicht die Namen der betreffenden Gesandten. Er führt dafür den genauen Inhalt der Verhandlungen auf, der neben einer Verlängerung des Waffenstillstandes vom September 1428 auch eine Sperrung der Dardanellen gegen die Türken, Verhandlungen über die Versorgung ungarischer Truppen von einem venezianischen Stützpunkt in Tessaloniki und die Bereitstellung einer bewaffneten venezianischen Flotte für die Donau beinhaltet hätten. Einen Schriftwechsel zwischen Schlick und Dandolo vermerkt Schiff erst für die Zeit nach den Florentiner Verhandlungen. Siehe Schiff, König Sigismund (wie Anm.  138), 128.

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II. Diplomatie. Ein gelehrter Jurist aus Padua im Dienst Venedigs und des Papstes

nung des Basler Konzils ein neuer politischer Faktor auf den Plan. Erst in diesem Jahr wurden auch wieder Kontakte zwischen Sigismund und Venedig aufgenommen, nachdem Sigismund militärische Versuche zur Rückgewinnung der verlorenen Rechte der ungarischen Krone angekündigt hatte und sich weitere Verhandlungen zu einem Bündnisschluss mit Mailand abzeichneten.175 Im September 1431 zog Sigismund von Nürnberg nach Süden und erreichte Ende November Mailand.176 Wenige Tage später wurde er dort mit der Eisernen Krone der Lombardei gekrönt. Erste erfolglose Verhandlungen mit Venedig fanden 1432 in Reggio statt.177 Nach langen Auseinandersetzungen, während der Sigismund sich bereits in Parma, Lucca178 und schließlich lange in Siena179 aufhielt und weiter mit Florenz und dem Papst verhandelte, kam durch die Vermittlung Eugens IV. am 4. Juni 1433 ein weiterer Waffenstillstand zustande.180 Erst in diesem Vertrag wurde die endgültige Aufgabe der Handelssperre beschlossen.181 Dem vorausgegangen war ein Bruch zwischen Sigismund und Fillipo Maria Visconti, der zu einem Friedenschluss zwischen Mailand, Florenz und Venedig im April 1433 geführt hatte.182 Am 31. Mai 1433 wurde Sigismund schließlich von Papst Eugen IV. in Rom zum Kaiser gekrönt.183 Dabei hatte die sich 175  Siehe das Schreiben Sigismunds an Ulrich von Cilli mit der Ankündigung eines Lombardeizuges vom 17. Juni 1431 in Nürnberg, gedruckt in RTA 10, Nr.  181 (17.6.1431), 313. Der venezianische Rat reagierte zehn Tage später mit der Bereitschaftserklärung zu erneuten Verhandlungen, gedruckt in RTA 10, Nr.  182 (27.6.1431), 314. 176  Schiff, König Sigismund (wie Anm.  138), 149, zum Einzug in Mailand Hoensch, Jörg K., Itinerar König und Kaiser Sigismunds von Luxemburg 1368–1437, Warendorf 1995 (Studien zu den Luxemburgern und ihrer Zeit, 6), 376. 177  Vgl. die Beglaubigung der Gesandten Sigismunds vom 25. März 1432, vermerkt in RTA 10, Nr.  188 (25.3.1432), 326. Instruktionen der venezianischen Gesandten gedruckt in RTA 10, Nr.  189 (31.3.1432), 326 f. Zum Ablauf der Verhandlungen siehe Hoensch, Jörg K., Kaiser Sigismund. Herrscher an der Schwelle zur Neuzeit (1368–1437) München 1996, 380 f. 178  Sigismund zog am 31. Mai 1432 in Lucca ein und reiste am 21. Juli nach Siena weiter. Zum Einzug in Lucca und Siena sowie insgesamt zum Zeremoniell des Einzuges siehe Favreau-­ Lilie, Marie-Luise, Vom Kriegsgeschrei zur Tanzmusik. Anmerkungen zu den Italienzügen des späten Mittelalters, in: Benjamin Kedar/ Jonathan Riley-Smith/Rudolf Hiestand (Hg.), Montjoie. Studies in Crusade History in Honour of Hans Eberhard Mayer, Aldershot 1997, 213–233. 179 In Siena wartete Sigismund erfolglos auf die weitere Unterstützung Viscontis. Siehe ­ efers, Sabine, Das politische System Kaiser Sigismunds, Stuttgart 1989 (Veröffentlichungen W des Instituts für Europäische Geschichte Mainz, 138), 197. 180  RTA 10, 720 f. Dieser Waffenstillstand wurde 1437 in Eger nach Verhandlungen zwischen Venedig, vertreten durch Marco Dandolo, und Sigismund auf weitere Zeit verlängert. Der Text ist gedruckt in RTA 12, Nr.  114 (29.7.1437), 185. 181  Obwohl Sigismund einigen Städten den Handel mit Venedig bereits 1428 wieder erlaubt hatte förderte er nach wie vor Unternehmungen zur Schädigung des venezianischen Handels. Vgl. die Aufforderung an alle Reichsuntertanen zur Unterstützung der Schädiger des venezianischen Handels, zusammengefasst in RTA 10, Nr.  191 (1.7.1432), 328 f. 182  Dabei handelt es sich um den zweiten Frieden von Ferrara. Hoensch, Kaiser Sigismund (wie Anm.  177), 387 und 394. 183  Vgl. den Bericht Sigismunds an Bischof Johann von Chur beim Basler Konzil, gedruckt in

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für Eugen IV. zunehmend verschlechternde Situation in seiner Konkurrenz zum Basler Konzil sicherlich eine große Rolle in der Beschleunigung der Verhandlungen gespielt.184 Nach der Krönung kam es wieder zu Verhandlungen, zum Abschluss eines Waffenstillstandes Anfang Juni, und schließlich Anfang Juli zu weiteren Gesprächen. Federführend war der venezianische Gesandte Andrea Donato, der Schwiegersohn des Dogen Francesco Foscari.185 Ziel dieser Verhandlungen im Juli 1433 war der Abschluss eines auf den Waffenstillstand folgenden Bündnisses. In den Instruktionen für Donato wies Venedig aber nachdrücklich darauf hin, dass ein solches Bündnis nicht vor Ende des Basler Konzils geschlossen werden sollte.186 Dazu wurde Donato instruiert, den Kaiser zum baldigen Aufbruch nach Basel drängen, „citius sit possibile“,187 damit er dort als Protektor des Papsttums agieren könnte. Einen breiten Rahmen nahmen in den In­ struktionen Venedigs die Geldforderungen ein, die Sigismund und Eugen IV. an ­Venedig gestellt hatten. Dabei wurden Sigismund 10.000 Dukaten (Fl.) zugunsten Eugens IV. bewilligt, während Venedig die weiter geforderten 20.000 Dukaten (Fl.) nicht zu zahlen bereit war. Noch bevor Donato mit den Glückwünschen Venedigs zur Krönung beauftragt wurde, betont der Senat nochmals die hohe Bedeutung einer ­zügigen Reise Sigismunds nach Basel, „quanto celerius sit possibile“.188 Im Vordergrund stand dabei sicherlich auch das Interesse Venedigs, eine möglichst schnelle Abreise Sigismunds aus den italienischen Gebieten zu gewährleisten, um durch eine größere räumliche Entfernung Eingriffe Sigismunds in die italienische Territorial­ politik zu erschweren.189 Der Hinweis auf eine mögliche Absetzung Eugens IV. durch die Basler Kirchenväter wirkte dabei besonders, denn dem gerade frisch gekrönten Kaiser musste viel daran gelegen sein, die Legitimation seiner Krönung durch einen rechtmäßige Papst nicht in Frage stellen zu lassen.190 RTA 11, Nr.  1 (2.6.1433), 30 f. Zum Ablauf der Krönung siehe u. a. Hoensch, Kaiser Sigisimund (wie Anm.  177), 395 f. 184  Vgl. Wefers, Das politische System (wie Anm.  179), 198. 185  Die Instruktionen Donatos liegen gedruckt vor in RTA 11, Nr.  67 (30.6./1.7.1433), 130. Dort ist in Anm.  2 auch vermerkt, dass Donato erst kurze Zeit vor Erteilung des neuen Auftrages aus Rom zurückgekehrt sei, und den Auftrag zunächst abgelehnt habe. Erst am 5. Juli habe er die Wahl als Gesandter angenommen und sei abgereist. Zur Rückkehr Donatos vgl. Niero, Antonio, L’azione veneziana al Concilio di Basilea (1431–1436), in: Ders. (Hg.), Venezia e i Concili, Venedig 1962, 3–46, hier 9. 186  RTA 11, Nr.  67 (30.6./1.7.1433), 131. Spors sieht den Grund für diese Geheimhaltung vor allem darin, dass beide Parteien einander zuarbeiten können sollten, ohne das Außenstehende – gemeint ist wohl hier Mailand – über ihre Zusammenarbeit informiert waren. Vgl. Spors, Beziehungen (wie Anm.  138), 23. 187  RTA 11, Nr.  67 (30.6./1.7.1433), 131. 188  RTA 11, Nr.  67 (30.6./1.7.1433), 134. 189  Vgl. Wefers, Das politische System (wie Anm.  179), 197. 190  Hoensch listet noch weitere Gründe auf, die eine Anwesenheit Sigismunds in Basel unvermeidbar erscheinen ließen, u. a. die an die Anwesenheit des Kaiser geknüpfte Verhandlungs-

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Am 13. August verließ Sigismund Rom in Richtung Basel, und traf, verzögert durch einen Überfall, am 25. August in Perugia ein.191 In der Zeit zwischen der Abreise Sigismunds und seiner Ankunft in Perugia erhielt Andrea Donato, der immer noch als Gesandter der Republik Verhandlungen führte, neue Instruktionen.192 Donato muss sich zu diesem Zeitpunkt oder kurz vorher in Florenz aufgehalten haben, und war wahrscheinlich in die Verhandlungen zwischen Sigismund und den Florentinern als Vertreter Venedigs involviert.193 Seine Aufgaben waren im Wesentlichen identisch mit den Instruktionen aus seinen letzten Verhandlungen mit Sigismund im Juli. Immer noch drängte Venedig zur schnellen Rückreise Sigismunds, oberflächlich begründet mit dem Wunsch, die Absetzung Eugens IV. und den Eintritt eines neuen Schismas zu verhindern. Bereits einige Tage vorher hatte Venedig Donato eine Kopie des Konzilsdekrets vom 13. Juli 1433 übermittelt.194 Deutlich ist die Hoffnung der Republik erkennbar, durch ein Bündnis mit Sigismund eine Niederlage Mailands ­herbeizuführen.195 Weiter wurde Donato in einem beigelegten Schreiben über die Forderungen Mailänder Gesandter in Venedig informiert und zur strengsten Geheimhaltung des Bündnisses zwischen Venedig und Sigismund angehalten, auch vor den Florentinern und allen in Florenz anwesenden Gesandten. Sigismund reiste von Perugia aus über Rimini und Ravenna nach Ferrara, wo er am 9. September eintraf. Dort sollte ein Treffen von Gesandten aus verschiedenen italienischen Städten, darunter Venedig und Florenz, und päpstlichen Vertretern stattfinden. Ziel war der Abschluss eines Bündnisses gegen Mailand. Bereits am 1. September 1433 akkreditierte Venedig Andrea Mocenigo als Kopf der Gesandtschaft, der auch der Humanist und erfahrene Diplomat Francesco Barbaro angehörte. Barbaro war beauftragt, in Ferrara eine Gratulationsrede auf Sigismunds Kaiserkrönung zu halten.196 Weiter sollte die Gesandtschaft Sigismund erneut zur schnellen Abreise nach Basel anhalten und vor allem auf Fragen zum Abschluss eines möglichen Defensivbündnisses ausweichend reagieren. Wie Andrea Donato vor ihnen wurden auch sie zur Geheimhaltung der Verhandlungen und sämtlicher Ergebnisse angewiesen.197 bereitschaft der Hussiten. Interessanterweise wurde Donato nicht zur Nutzung dieses Arguments angehalten, sondern soll sich ganz auf die Unterstützung Eugens IV. konzentrieren. Tatsächlich hatte aber gerade die Hussitenfrage Sigismund bereits 1432 beinahe zur Abreise nach Basel bewogen. Zu Anwesenheit Sigismunds siehe Hoensch, Kaiser Sigismund (wie Anm.  177), 382 ff. 191 Hoensch, Kaiser Sigismund (wie Anm.  177), 405. 192  Gedruckt in RTA 11, Nr.  68 (17.8.1433), 134 f. 193  Die Instruktionen der Republik verzeichnen den Eingang eines Schreiben Donatos, das auf den 12. August in Florenz datiert wurde. Vgl. RTA 11, Nr.  68 (17.8.1433), 134. 194  Siehe Ebd., Anm.  3. 195 Ebd. 196  Gedruckt in RTA 11, Nr.  70 (1.9.1433), 137 ff. Eine vollständige Liste aller Gesandten ist gedruckt in Ebd., Anm.  1. 197  RTA 11, Nr.  70 (1.9.1433), 139.

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Knapp zwei Wochen später erhielt Mocenigo erneut aktualisierte Instruktionen.198 Die Gesandten hatten den Inhalt der Beratungen in drei Briefen vom 10. und 11. September nach Venedig übermittelt und um Handlungsanweisungen gebeten. Die Antwort umfasste vor allem die Versicherung der Zugehörigkeit Venedigs zur Partei Eugens IV. in der Auseinandersetzung in Basel, Zustimmung zu den Konzilsplänen Sigismunds und erste Überlegungen für ein gemeinsames Vorgehen auf dem Konzil. Zu diesem Zweck sollte dem Kaiser mit Andrea Donato ein ihm bereits bekannter Gesandter Venedigs zur Seite gestellt werden. Vertröstet werden musste Sigismund allerdings weiter in seinem Wunsch auf ein festes Bündnis mit Venedig bis zu einem Zeitpunkt nach dem Ende des Konzils. Deutlich wird in diesen Instruktionen die geplante Zusammenarbeit zwischen dem Kaiser und der Republik gegen Mailand, aber auch die beständige Vorsicht der Republik, die eine dauerhafte Bindung in einem Bündnis immer noch ablehnte. Erkennbar wird auch, dass Sigismund die Venezianer über sein geplantes Vorgehen, oder zumindest eine Version davon, informiert hatte. Knapp zwei Wochen später, am 28. September 1433, stellte Venedig dann wie angekündigt die Instruktionen für Andrea Donato aus, der von Giovan Francesco Capodilista nach Basel begleitet werden sollte. Sigismund reiste unterdessen in Begleitung der Gesandtschaft unter Andrea Mocenigo am 19. September aus Ferrara ab und erreichte kurze Zeit später Mantua. Dort bestätigte er Gianfrancesco Gonzagas Titel – wozu die Venezianer bereits in ihren Instruktionen vom 1. September an Mocenigo Glückwünsche überbracht hatten199 – und erlaubte die Einrichtung einer Universität nach dem Vorbild Bolognas.200 Am 29. September verließ Sigismund Mantua und erreichte am 2. Oktober Trient. Von dort aus wurde die Gesandtschaft unter Andrea Mocenigo nach Venedig zurückbeordert, und die einen Tag vorher in Venedig akkreditierte Gesandtschaft unter Andrea Donato und Giovan Francesco Capodilista übernahm die Begleitung und Beratung Sigismunds. In der venezianischen Politik gegenüber Sigismund ist 1433 vor allem der Wandel von einer offenen Feindschaft, geprägt durch territoriale Auseinandersetzungen, zu einer vorsichtigen Kooperation gegen den gemeinsamen Gegner Mailand erkennbar. Obwohl den Verhandlungen über zehn Jahre der hartnäckigen Auseinandersetzung um den Besitz der dalmatischen Gebiete und der zähe Krieg um das Friaul vorher­ gingen, war keiner der beiden potentiellen Konfliktherde Bestandteil des politischen Gesprächs der Verhandlungspartner in der Zeit nach der Etablierung des Basler Konzils und der Kaiserkrönung. Die vorsichtige Ausklammerung der venezianischen Territorialansprüche auf eigentlich der ungarischen Krone zugehörige Gebiete bestätigte implizit die Besitzverhältnisse und den politischen Status quo. Einem formalen Bündnis standen diese Auseinandersetzungen aber nach wie vor im Wege, und die Verhandlungen nach 1430 führten regelmäßig, und von Seiten der Republik gezielt 198 

Gedruckt in RTA 11, Nr.  71 (14.9.1433), 140. Siehe RTA 11, Nr.  70 (1.9.1433), 137 f. 200  Hoensch, Kaiser Sigismund (wie Anm.  177), 405. 199 

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forciert, nur zu einer Verlängerung des Waffenstillstandes. Gleichzeitig unterstützte Venedig aber die Annäherung Sigismunds an Papst Eugen IV., vor allem aus zweierlei Gründen. Zunächst garantierte die Kaiserkrönung Sigismunds den Schutz der Position Eugens IV. gegenüber dem Konzil, denn eine Anzweifelung der Legitimität des Papstes hätte auch die Rechtmäßigkeit des politischen Status Sigismunds in Frage gestellt. Gleichzeitig gewann Venedig mit ihrem Einsatz für Eugen IV. den Papst als Verbündeten gegen das zeitweise durch Mailand dominierte Basler Konzil.201 Es ist dabei bezeichnend, dass sämtliche Versuche Sigismunds zum Abschluss eines formellen Bündnisses mit Venedig in der Zeit nach der Kaiserkrönung immer wieder mit dem Hinweis auf die vorherige Notwendigkeit zum Abschluss des Konzils abgelehnt wurden. Erst die unerwartete Langlebigkeit der Basler Versammlung ließ die Verhandlungen wieder aufleben. Das ständige Bedürfnis des Kaisers nach finanzieller Unterstützung ließ die Annäherung an die finanzstarke Handelsrepublik weiterhin attraktiv erscheinen.202 Der Bruch zwischen Sigismund und dem Mailand der Visconti ermöglichte schließlich endgültig den Wechsel des Kaisers auf die Seite der Liga zwischen Florenz und Venedig. Papst Eugen IV. und das Basler Konzil: Die Position Venedigs in der Auseinandersetzung Das Verhältnis Venedigs zum Basler Konzil war weitgehend bestimmt durch den Rahmen der säkularen Politik, in den das Konzil eingebettet war und der es ein Forum bot.203 Die in Basel verhandelte politische Tagesordnung spannt sich für die Republik zwischen den Eckpunkten der Auseinandersetzung mit dem Mailand der Visconti und dem Versuch zur Erhaltung der gewonnenen Gebiete in Dalmatien und dem Friaul auf. Daran geknüpft war das Verhältnis Venedigs zu dem im März 1431 als Eugen IV. zum Papst gewählten und ursprünglich aus Venedig stammenden ­Gabriele Condulmer.204

201 

Vgl. dazu Wefers, Das politische System (wie Anm.  179), 199. Siehe beispielsweise die Verhandlungen um die Gewährung finanzieller Unterstützung im September 1433 und die Instruktionen Venedigs in RTA 11, Nr.  67 (30.6./1.7.1433), 134. Wefers bezeichnet Sigismund als „mittel- aber nicht machtlos.“ Wefers, Das politische System (wie Anm.  179), 200. 203  Am ausführlichsten zur Politik Venedigs auf dem Basler Konzil nach wie vor der Bericht von Niero, L’azione veneziana (wie Anm.  185), 3–46. Kurz zusammengefasst sind die Ausführungen bei Helmrath, Johannes, Das Basler Konzil 1431–1449. Forschungsstand und Probleme, Köln/Wien 1987, 257 f. 204  Die umfangreichste, aber auch tendenziöse Biographie zu Eugen IV. ist immer noch Gill, Joseph, Eugen IV. Pope of the Christian Union, Westminster 1961. Eine kurze Überblicks­ biographie zur Herkunft und Familie Eugens IV. findet sich bei Girgensohn, Dieter, Kirche, Politik und adlige Regierung in der Republik Venedig zu Beginn des 15. Jahrhunderts, 1 Bd., Göttingen 1996 (VMPIG 118), 190 f. 202 

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Die Politik Venedigs gegenüber dem Basler Konzil war von Anfang an durch Zurückhaltung geprägt, vermutlich unter anderem wegen der aktiven Rolle Sigismunds als Protektor des Konzils, mit dem Venedig 1431 noch in Streit lag. Sowohl der erst kurz vor der Eröffnung des Konzils neugewählte Papst Eugen IV. als auch die Basler Konzilsväter bemühten sich zu diesem Zeitpunkt um die Gunst der Republik. Bereits im März 1432 erschienen Botschafter des noch schwach besuchten Konzils in Venedig und forderten die Teilnahme des venezianischen Klerus an der Kirchenversammlung, wurden von Venedig aber abgewiesen.205 Zeitgleich bemühte sich Papst Eugen IV. mit beschränktem Erfolg als Mediator zwischen Mailand, Sigismund und Venedig aufzutreten. Dass Venedig sich letztendlich auf der Seite des Papstes positionierte, war allein schon durch die Unterstützung des Konzils durch mit der Republik verfeindete Parteien unumgänglich.206 Bis 1433 verhielt Venedig sich aber neutral, und war auf dem Konzil auch nicht als weltliche Macht vertreten. Mit der Etablierung des Konzils als Forum auch der weltlichen Politik und in Konkurrenz zur Kurie wuchs aber schließlich für Venedig die Notwendigkeit, dort durch eigene Gesandte diplomatisch vertreten zu sein. Erst im Mai 1433 wurde mit Andrea da Montecchio, dem Erzbischof des nördlich von Venedig am Meer gelegenen Caorle, der erste bedeutende Geistliche aus dem Herrschaftsbereich der Republik in Basel inkorpo­ riert.207 Im Juni des gleichen Jahres ersuchte eine Gesandtschaft der Basler Konzilsväter den Dogen um Vermittlung bei Eugen IV.208 Die Zahl der Venezianer in Basel stieg erst mit der Rückkehr des frisch gekrönten Kaisers über die Alpen und seinem Einzug in Basel sprunghaft an. Spätestens durch die Anwesenheit des Kaisers und dem sich immer weiter zuspitzenden kirchlichen Autoritätenkonflikt war Basel als politischer Ort bedeutsam geworden. Dabei nutzten die Gegner Venedigs, allen voran der Herzog von Mailand und der vertriebene Patriarch von Aquileia, das Konzil als Möglichkeit zur Durchsetzung ihrer eigenen Ziele. Visconti besetzte im Namen des Konzils Gebiete des päpstlichen Staates,209 während Ludwig von Teck Basel als ­Appellationsforum zum Wiedergewinn des an Venedig verlorenen Friaul zu nutzen versuchte. Für Venedig ergab gerade sich aus der Auseinandersetzung mit Ludwig von Teck die Notwendigkeit, in Basel nicht nur über nicht-inkorporierte weltliche Gesandte vertreten zu sein. Im Januar 1434 forderte der Senat dementsprechend den Klerus der 205 

Niero, L’azione veneziana (wie Anm.  185), 7. Helmrath, Das Basler Konzil (wie Anm.  203), 257. 207  Niero, L’azione veneziana (wie Anm.  185), 10. 208  Niero, L’azione veneziana (wie Anm.  185), 11. 209  Die Haltung Mailands zum Basler Konzil war vor allem durch politisches Kalkül geprägt: Während Visconti zunächst an einer konziliaristischen Position festhielt, wechselte er zu Beginn der 1440er Jahre nach entgegenkommenden Angeboten Eugen IV. wieder in die Obödienz des Papstes über. Vgl. Stieber, Joachim W., Pope Eugenius IV., the Council of Basle and the Secular and Ecclesiastical Authorities in the Empire. The Conflict over Supreme Authority and Power in the Church, Leiden 1978 (SHCT 13), 62. 206 

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venezianisch regierten Gebiete unter Androhung empfindlicher Strafen auf, sich zügig nach Basel zu begeben und in der Kirchenversammlung ein pro-venezianisches Gegengewicht zu den Bemühungen Fillipo Maria Viscontis und Ludwig von Tecks herzustellen.210 Dabei kontrollierte Venedig das Verhalten der Geistlichen aus ihren Machtgebieten soweit möglich. In Basel angelangt, durften die venezianischen Teilnehmer des Konzils nicht ohne Rücksprache mit den vor Ort anwesenden Gesandten der Republik wieder abreisen. Einige erhielten zudem für ihre Ausgaben finanzielle Unterstützung.211 Schnell stieg die Zahl der in Basel anwesenden venezianischen ­Kleriker sprunghaft an. Unabhängig davon wurde im Dezember 1433 Pietro Donato, der seit 1428 als Bischof von Padua amtierte, zusammen mit Giovanni Berardi, dem Erzbischof von Tarent, und dem Venezianer Ludovico Barbo, Abt von S. Giustina in Padua, unter der Führung des Kardinals Guiliano Cesarini von Eugen IV. zum Vorsitz des Konzils berufen. Auseinandersetzungen mit dem Konzil verhinderten ihre Einsetzung aber bis weit in das Jahr 1434 hinein.212 Mit den Verhandlungen um den Besitz­ anspruch Venedigs über das Friaul etablierte Basel sich in den Augen Venedigs vor allem als ernstzunehmendes rechtliches Forum. Ein Großteil der Aktivität der venezianischen Gesandtschaft konzentrierte sich dementsprechend ab Frühjahr 1434 auf diesen Prozess. Daneben fanden Verhandlungen mit dem in Basel anwesenden Sigismund statt, mit dem immer noch kein formaler Friedensvertrag abgeschlossen worden war. Sie wurden durch die Abreise des Kaisers unterbrochen. Gleichzeitig versuchten die Venezianer vermittelnd zwischen dem Konzil und Eugen IV. zu wirken. Damit stellt sich die politische Situation zu Beginn der Gesandtschaftsreise Capodilistas nach Basel als ein Gewirr aus Allianzen und Feindschaften dar. Auf der einen Seite wirkte Kaiser Sigismund als Protektor des Basler Konzils, auf dem sein ehemaliger Verbündeter Fillipo Maria Visconti und der um die Restitution seiner Gebiete ringende Ludwig von Teck Einfluss zu gewinnen versuchten. Die Verbindung zwischen Sigismund und Venedig bedurfte beständig einer vorsichtigen diplomatischen Balance zwischen dem Nötigen und dem politisch Möglichen. Auf der anderen Seite war Papst Eugen IV. in der kirchenpolitischen Auseinandersetzung auf die Unterstützung durch weltliche Mächte angewiesen, zeigte sich aber gegenüber dem Konzil wenig entgegenkommend und unflexibel. Er benötigte die Unterstützung Venedigs, musste aber gleichzeitig die Ansprüche der Kirche auf die venezianisch besetzten Gebiete des Friaul vertreten, die bereits Papst Martin V. nicht hatte geltend machen können.213 Auf 210 

Niero, L’azione veneziana (wie Anm.  185), 25. Niero, L’azione veneziana (wie Anm.  185), 27. 212  Die Debatte um die päpstlichen Vorsitzenden war eine der heftigsten Auseinandersetzungen in der Anfangszeit des Konzils und währte von der Ernennung der ersten Vorsitzenden im März 1433 bis weit in das Jahr 1434 hinein. Ausführlich zum Verlauf und zu den verschiedenen von Eugen IV. ernannten Vorsitzenden vgl. Decaluwé, Michiel, A Successful Defeat. Eugene IV’s Struggle with the Council of Basel for Ultimate Authority in the Church, 1431–1449, Rom 2009 (Institut Historique Belge de Rome Bibliothèque 59), 152 f. 213  Verhandlungen zwischen Venedig und Martin V. hatten bereits 1421 stattgefunden. Die 211 

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dieser Grundlage aus komplexen Beziehungen, die einer ständigen Rückversicherung und Verhandlung bedurften, entfaltete sich der Auftrag der venezianischen Gesandtschaft in Basel ab Oktober 1433.

II.2.2. Giovan Francesco Capodilista als Gesandter Venedigs auf dem Basler Konzil von 1433 bis 1435 Die Gesandtschaftsreise Capodilistas auf das Basler Konzil im Auftrag Venedigs lässt sich in drei von unterschiedlichen Aufgabenschwerpunkten geprägte Phasen unterteilen. Die erste Phase begann mit dem Einzug der venezianischen Gesandten im Gefolge Kaiser Sigismunds in Basel und endete mit dem Erlass der Bulle Dudum Sacrum II sowie deren Akzeptanz durch das Konzil im Februar 1434. Dieser Abschnitt war maßgeblich durch den Einsatz der Gesandtschaft für eine Verständigung zwischen Konzil und Papst im Einvernehmen mit Sigismund geprägt. Die zweite Phase der Gesandtschaft war durch die Bündnisverhandlungen der Venezianer mit Sigismund bestimmt. Sie verlief teilweise parallel zur ersten Phase und endete mit der Abreise Sigismunds aus Basel im Mai 1434 und dem damit einhergehenden vorläufigen Abbruch der Verhandlungen. Danach begann die dritte Phase mit dem juristischen Prozess um die Ansprüche von Ludwig von Teck, dem Patriarchen von Aquileia, der das Basler Konzil als Gerichtsorgan für seine Zwecke zu nutzen wusste. Diese Zeit war vor allem durch die zeitweise Aufspaltung der Gesandtschaft geprägt, denn Andrea Donato verließ Basel auf Anordnung aus Venedig und reiste Sigismund zur Weiterführung der Verhandlung nach. Er kehrte allerdings noch vor dem Ende des Prozesses gegen Ludwig von Teck wieder zurück. Diese letzte Phase endete im November 1435 mit der Abreise der Gesandten aus Basel und dem damit vorerst einhergehenden Ende der diplomatischen Präsenz der Republik auf dem Konzil. Vermittlung zwischen Papst und Konzil: Die erste Phase der Gesandtschaft Am 28. September 1433 akkreditierte der venezianische Senat Andrea Donato und Giovan Francesco Capodilista als Botschafter zu Kaiser Sigismund.214 Donato war bereits am 3. September zum Gesandten gewählt worden. In einem Senatsbeschluss vom gleichen Tag wurde dann Capodilista nach Aushandlung der später in den In­ struktionen festgehaltenen Bestimmungen und Vergütungen zum Gesandten bestimmt.215 Am 24. September drängte der Senat die Gesandten zur schnellen Ab­ Ergebnisse sind unklar, sind aber vermutlich mit Zugeständnissen Martins V. zum Erhalt des Status quo zu beschreiben.Vgl. Law, Venice and the Problem of Sovereignty (wie Anm.  137), 138 und 140 f. 214  ASVe, Senato, Deliberazioni, Secreti, Secreti Registri, reg.  13, fol.  9v. Eine gekürzte Fassung liegt gedruckt vor in RTA 11, Nr.  72 (28.9.1433), 143. 215  Und nicht wie in RTA 11, Nr.  72 (28.9.1433), 143, Anm.  1 erst in der Zeit bis zum

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reise,216 aber erst vier Tage später wurden die offiziellen Instruktionen der Gesandtschaft ausgestellt. Dieses im Namen des Dogen Francesco Foscari ausgestellte ausführliche Schriftstück schlüsselte die Aufgaben der Gesandten auf, und versorgte sie mit exakten Handlungsanweisungen. Die Instruktionen umfassten dementsprechend zahlreiche Einzelpunkte sowie genaue Aufträge und eine Auflistung zur Ausstattung der Gesandten und ihrer jeweiligen Familiaren. Zunächst wurden Donato und Capodilista erneut zur schnellen Abreise gedrängt. In Trient sollten sie Sigismund treffen, und den Kaiser zu einer guten Zusammenarbeit im Sinne Papst Eugens IV. zur Vermeidung eines möglichen Schismas bewegen. Zur Sicherstellung der schnellen Weiterreise Sigismunds sollten die Gesandten ihm 3000 Dukaten (Fl.) in Aussicht stellen und sein Reisetempo wenn nötig selbst beschleunigen.217 Danach wurden zwei einzelne Personen betreffende Punkte angesprochen: zunächst das Verhalten des als Kardinal von Bologna bezeichneten Antonio Correr,218 dann die Aufgaben des nicht namentlich genannten Abts von S. Giustina in Padua, Ludovico Barbo.219 Barbo war von Eugen IV. mit anderen Mitgliedern der päpstlichen Gesandtschaft unter der Führung des Erzbischofs von Tarent, Giovanni Berardi, auch Tagliacozzo genannt, zum Vorsitzenden des Basler Konzils berufen worden und sah sich im Mittelpunkt einer heftigen Auseinandersetzung zwischen Konzil und Papst. Der Senat informierte die Gesandten über dessen Zustimmung zu dieser Ernennung eines Venezianers in eine wichtige Position und über diesbezüglich mit Eugen IV. 24. September. Vgl. dazu die Bestimmung des Senats in ASVe, Senato, Deliberazioni, Secreti, Secreti Registri, reg.  13, fol.  1v, die in denen sowohl die Gründe für die Wahl Donatos und die Sendung eines Gesandten nach Basel dargelegt werden, als auch die Wahl Capodilistas und die Festsetzung der Bedingungen ausgehandelt wird. 216  ASVe, Senato, Deliberazioni, Secreti, Secreti Registri, reg.  13, fol.  7v. 217  ASVe, Senato, Deliberazioni, Secreti, Secreti Registri, reg.  13, fol.  9v. 218  Antonio Correr stammte aus einer alten venezianischen Familie und war seit 1407 Bischof von Bologna. Kurze Zeit darauf wurde er zum Kardinal von S. Pietro in Vincoli ernannt. Correr hatte bei der Wahl Eugens IV. gegen den Ausschluss des umstrittenen Kardinals Domenico Capranica aus dem Konklave gestimmt und war anschließend als konzilsnah in Ungnade gefallen. Tatsächlich verließ Correr bald die Kurie und zog nach Basel, wo er im April 1433 ankam und sich aktiv an der Konzilsarbeit beteiligte. Im Verlauf des Sommers 1433 nahm seine Einstellung zum Konzil zunehmend antikuriale Züge an. Venedig stellte ihm daraufhin ein Ultimatum, das ihn verpflichtete bis zum 11. September 1433 an die Kurie zurückzukehren und sich Eugen IV. zu unterwerfen. Andernfalls sollten seine venezianischen Besitzungen vom Staat eingezogen werden. Donato war speziell dazu beauftragt in dieser Sache zu vermitteln und eine Beilegung könnte am 25. November erreicht worden zu sein. Correr verließ Basel erst im September 1434 und scheint Wiederaufnahme an der Kurie gefunden zu haben, denn im darauffolgenden Jahr wurden ihm wieder ertragreiche Pfründe verliehen. Zu Corrers Biographie ausführlich vgl. Uginet, François-Charles, Art. Antonio Correr. DBI 29 (1983), 458–490. Weiterhin zur Biographie Corrers siehe Girgensohn, Kirche, Politik und adlige Regierung (wie Anm.  203), Bd. 1, 179. 219  Ludovico Barbo war seit 1408 Abt von S. Giustina di Padova. Ausführlich vgl. Pratesi, Alessandro, Art. Ludovico Barbo. DBI 6 (1964), 244–248.

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geführte Korrespondenz. Das Verhältnis zwischen Sigismund und Fillipo Maria Visconti nahm ebenfalls weiten Raum ein, und die Gesandten wurden beauftragt, den Kaiser vor dessen Boshaftigkeit und Feindschaft zu warnen.220 Venedig befürchtete eine baldige Versöhnung zwischen den ehemaligen Bündnispartnern und versorgte Donato und Capodilista mit Argumenten gegen eine solche Annäherung. Vor allem der Hinweis auf eine mögliche Liga mit Florenz und dem Papst sollte dabei gezielt eingesetzt werden. Donato wurde noch einmal an seine erfolgreichen Verhandlungen mit Sigismund im Juli 1433 und die damalige Leitlinie erinnert. Das wichtigste Argument der Instruktionen war dabei der Hinweis auf die Sigismund und Venedig verbindende Aufgabe zur Erhaltung und Sicherung der Stellung Papst Eugens IV. als alleiniges Haupt der Christenheit. Auf dem Konzil sollten die Gesandten sich mit ihren Beglaubigungsschreiben präsentieren, wozu sie genaue Verhaltensregeln erhielten. Sie wurden angehalten, die Hoffnung Venedigs auf eine erfolgreiche Arbeit des Konzils zur Eindämmung der herrschenden Ketzerei und zur Wiedervereinigung aller Glieder der Kirche zum Ausdruck zu bringen. Missfallen habe Venedig aber an der Auseinandersetzung mit dem römischen Papsttum221, und man fürchte „scisma“ und „scandalum“.222 Direkt angespielt wurde damit auf die Ergebnisse der 12. Session des Konzils vom 13. Juli 1433, in der ein Gerichtsprozess gegen Eugen IV. mit der Möglichkeit zur Absetzung des Papstes und die Aufforderung zur Rücknahme sämtlicher gegen das Konzil gerichteten Bullen innerhalb von 60 Tagen beschlossen worden war.223 Die Gesandten sollten die Hoffnung Venedigs auf eine einvernehmliche Lösung des Problems betonen. Sollte diese Zuversicht aber enttäuscht werden, so sei man bereit, in Zusammenarbeit mit Sigismund alles nötige zur Verhinderung eines Schismas zu tun.224 Weiter sollten die Gesandten darauf hinweisen, dass diese Zusammenarbeit nicht nur der Sicherung der kirchlichen Einheit sondern auch dem Schutz gegen die Türken diene. Hier sollte vor allem die Rolle Venedigs im Widerstand gegen die immer wieder über östliche Gebiete wie Bosnien eindringenden Türken betont werden: Die Republik halte bereits unter größtem finanziellem und personalem Aufwand die Meere sicher, und nur gemeinsam könnten auch andere Gebiete geschützt werden.225 Dieses Argument, das Venedig als Verteidigerin der Christentums positioniert, wird immer wieder zitiert und wurde zum festen Bestandteil der venezianischen Selbstdarstellung in Basel. Neben solchen hilfreichen Argumenten enthielt die Instruktion auch konkrete Handlungsanweisungen für die Gesandten. In Basel angelangt, sollten sie sich zunächst mit den Vertretern Eugens IV. beraten und ihre Beglaubigungsschreiben dem 220  ASVe,

Deliberazioni, Secreti, Secreti Registri, reg.  13, fol.  10v. Deliberazioni, Secreti, Secreti Registri, reg.  13, fol.  10r. 222  ASVe, Deliberazioni, Secreti, Secreti Registri, reg.  13, fol.  10r. 223  Ausführlich siehe Decaluwé, A successful defeat (wie Anm.  212), 140 f. Zum Bezug der Instruktionen auf diese Session vgl. RTA 11, Nr.  72 (28.9.1433), 145, Anm.  4. 224  ASVe, Deliberazioni, Secreti, Secreti Registri, reg.  13, fol.  10r. 225  ASVe, Deliberazioni, Secreti, Secreti Registri, reg.  13, fol.  10r. 221  ASVe,

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Protektor des Konzils, Herzog Wilhelm von Bayern, übergeben. Grundsätzlich wurden sie angehalten, mit allen anderen Gesandten und Prälaten am Konzil zu sprechen, um so auch informell die Ausrichtung des Konzils zu Gunsten Eugens IV. zu beeinflussen. Besondere Ehre sollten Donato und Capodilista Niccolò Albergati,226 dem Kardinal von S. Croce, erweisen, über dessen Willen zur Vermittlung zwischen Konzil und Papst man in Venedig gut informiert sei. Ihn sollten die Gesandten bald nach ihrer Ankunft besuchen und ihm eine Kopie ihrer Beglaubigungsschreiben aushändigen. Genauso zügig sollten sie auch den bereits zu Beginn der Instruktionen genannten Kardinal Antonio Correr aufsuchen. Während ihr Besuch bei Albergati allerdings vor allem der Ehrerbietung diente, wurden Donato und Capodilista für ihr Treffen mit Antonio Correr, dem Kardinal von S. Pietro in Vincoli, mit anderen Aufgaben betraut: Der ohne Erlaubnis Eugens IV. nach Basel gereiste und sich langsam konziliaren Positionen annähernde Correr sollte unmissverständlich darauf hingewiesen werden, dass bei einem Wechsel auf die Seite des Konzils alle Besitzungen Corrers in Reichweite Venedigs eingezogen und beschlagnahmt würden.227 Aber vor allem sollte Correr sich gründlich das drohende Schisma und den damit anstehenden Ruin der Christenheit vor Augen führen, und auch die Umtriebe des Visconti bedenken, der nur deshalb gegen Eugen IV. vorgehe, weil dieser Venezianer sei.228 Die konziliaren Umtriebe Kardinal Corrers waren Venedig und Papst Eugen IV. ein besonderer Dorn im Auge, nicht zuletzt deshalb, weil Correr einer einflussreichen venezianischen Familie entstammte, und zudem ein Cousin Eugens IV. war.229 An diese Anweisungen anschließend waren weitere Aufträge aufgeführt, die unabhängig von den Ereignissen des Konzils zu erledigen waren. Unter anderem sollten die Gesandten Herzog Friedrich von Österreich in Innsbruck aufsuchen und mit ihm über die auf seinem Gebiet in der Nähe von Bruch ausgeraubte Gruppe venezianischer Kaufleute unter der Führung Antonio Contarenos sprechen. Dabei wurden ausführlich die geraubten Waren aufgezählt, unter anderem Gewürze und Güter wie Myrre und Aloe. Neben den ihrer Waren verlustig gegangenen Kaufleuten spielte noch ein weiterer Fall eine gewichtige Rolle, der den venezianischen Senat schon seit über zehn Jahren beschäftigte. Gesucht wurde der aus Nürnberg stammenden Hermann Reck230, der ursprünglich als Beauftragter der Stadt Nürnberg an Handelsbeziehun226 

Zur Rolle und Person Albergatis siehe ausführlich Decaluwé, Michiel, Albergati’s Diplomacy. Communication of friendship between Pope Eugene IV. and the Council of Basel, in: RHE 208 (2008), 85–118. 227  Correr war 1432 unter dem Vorwand einer Kur ohne beim Papst um Erlaubnis anzu­fragen aus Rom abgereist, und hatte sich in Bologna erfolgreich einer Verhaftung entzogen. In Basel angelangt wurde er durch das Konzil inkorporiert, und wirkte aktiv an der Entwicklung des Konzils und gegen die Position Eugens IV. Siehe Uginet, Antonio Correr (wie Anm.  218), 489. 228  ASVe, Deliberazioni, Secreti, Secreti Registri, reg.  13, fol.  10v. 229  Uginet, Antonio Correr (wie Anm.  218), 458. 230  Hermann Reck war Bürger der Stadt Nürnberg und über längere Zeiträume am Handelsverkehr zwischen beiden Städten beteiligt: 1421 empfahl die Stadt Nürnberg ihn als ihren Be-

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gen zwischen beiden Städten beteiligt war, und in Venedig größere Schuldensummen angehäuft hatte. Donato und Capodilista sollten sich bei Sigismund und Ludwig von Bayern für eine Rückführung Recks nach Venedig einsetzen, oder zumindest seine Schulden in Höhe von 27.000 Dukaten (Fl.) eintreiben. Ausgestattet waren die Gesandten mit dem hilfreichen Hinweis, das Reck auf dem Gebiet des Markgrafen von Brandenburg bequem und finanziell abgesichert lebe.231 Schließlich enthielten die Instruktionen die Bestimmungen des Senats für die Ausstattung und Bezahlung der Gesandten. Andrea Donato erhielt für die ersten vier Monate der Reise 200 und danach 40 Dukaten (Fl.) im Monat. Er durfte vier als „domicellos“ bezeichnete Begleiter mit sich führen, darunter ein bereits am 27. September gesondert bewilligter Übersetzer namens Antonius de Bernardo.232 Daneben gehörten zu seinem Tross noch zwei „ragatios“ als Gehilfen. Capodilista erhielt für die gesamte Reise zwar nur 100 Dukaten (Fl.), konnte aber weiterhin die Einkünfte aus seiner Stelle an der Universität Padua beziehen. Als Begleitung führte er drei „domicellos“ und drei „ragatios“ mit sich. Weiterhin zur Gesandtschaft gehörten ein Notar mit einem Schüler, ein als „expensator“ bezeichneten Kämmerer, ein Seneschall, ein Koch und ein Marschall mit zwei Saumtieren. Dazu erhielten die Gesandten pro Tag für jedes mitgeführte Pferd einen halben Dukaten.233 auftragten, der Salpeter in Venedig kaufen sollte. Von 1431 ist ein Urteil Sigismunds in einer Streitigkeit zwischen Reck und dem Augsburger Hans Endorffer belegt, die auf der genannten Geldangelegenheit in Venedig beruhte und auf einen längeren Aufenthalt Recks in Venedig hindeutet. Zudem hatte Reck auch venezianische Gläubiger und war ohne Erlaubnis aus Venedig geflüchtet, weshalb auch der venezianische Senat in die Verhandlungen eingeschaltet war. Die Stadt Nürnberg sprach ihm vor 1434 das Bürgerrecht ab. Zu Vorgängen um Hermann Reck vor 1421 siehe weiter unten. Zu den Quellenstücken zu Reck siehe Simonsfeld, Henry, Der Fondaco dei Tedeschi in Venedig und die deutsch-venetianischen Handelsbeziehungen. Bd. 1: Urkunden von 1225–1653, Stuttgart 1887, hier Stücke Nr.  327, 369, 370, 387 und 407. Jüngst dazu Pfotenhauer, Bettina, Nürnberg und Venedig im Austausch. Menschen, Güter und Wissen an der Wende vom Mittelalter zur Neuzeit Regensburg 2016 (Studi 14), 124 f. 231  ASVe, Deliberazioni, Secreti, Secreti Registri, reg.  13, fol.  11r. Die causa Hermann Reck hatte die Serenissima schon Jahre zuvor beschäftigt: Spuren dazu finden sich bereits 1418. Dort wird Reck als Neffe von Wilhelm Rummel aus Nürnberg identifiziert. ASVe, Deliberazioni, Secreti, Secreti Registri, vol.  7, fol.  31r. 232  Die RTA geben für den Übersetzer noch einen weiteren Namen an und erklären seine Anwesenheit als „zur Hilfeleistung bei Schadenersatz.“ Der Senatserlass vom 27. September 1433 enthält nichts davon und spricht nur von einem Übersetzer: „sit necessent hic unum interpretem qui sciat linguam theotinicam [sic!]“. ASVe, Senato, Deliberazioni Misti, Registri, reg.  59, fol.  4v. 233  In der Regel durfte ein venezianischer Gesandter nicht mehr als vier Diener, einen Notar mit dessen Schüler oder Diener und zwei Diener für die Betreuung der Pferde mit sich führen. Gewöhnlich gehörte auch der mit der finanziellen Verwaltung beauftragte „expensator“ zu einer Gesandtschaft. Die Wahl von zwei Gesandten entspricht der venezianischen Gewohnheit, nach der zu Verhandlungen mit einem König mehr als der übliche einzelne Diplomat geschickt wurden. Zur venezianischen Gesetzgebung vgl. Queller, Donald, Early venetian legislation on Ambassadors, Genf 1966, 20.

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Damit bestand die Gesandtschaft aus mindestens 15 Personen.234 Namentlich bekannt sind sie aus dem Tagebuch des Seneschalls, Andrea de Galeazzo di Gatari aus Padua.235 Gataris Beschreibung umfasst die gesamte Zeit der Gesandtschaftsreise von 1433 bis 1435 und ist eine der wichtigsten Quellen für die Reise nach Basel und die Aufgaben der Gesandtschaft.236 Neben dem Capodilista-Codex sind die in der Volkssprache verfassten und nur in einer einzigen Handschrift überlieferten Aufzeichnungen Gataris die einzige erhalte Quelle jenseits des offiziellen Schriftverkehrs, die von einem Mitglied der Gesandtschaft selbst stammt.237 Andrea Gatari war in Padua als Sohn des Notars und in Diensten der Carrara als Diplomat tätigten Galeazzo Gatari geboren worden.238 Die Gatari stammten ursprünglich aus Bologna, waren aber nach ihrer Übersiedlung nach Padua aktiv am städtischen Leben beteiligt. Auch die literarische Tätigkeit lag in der Familie verwurzelt: Galeazzo Gatari hatte mit der Ab­ fassung einer Chronik der Familie Carrara ab 1372 ein für die Stadtgeschichte grundlegendes historiographisches Werk geschaffen, das von den Söhnen Andrea und Bartolomeo ergänzt wurde. Gataris Teilnahme an der Gesandtschaft nach Basel war vermutlich einer vorherigen Bekanntschaft mit Capodilista geschuldet. Nachweislich stand auch Andreas Bruder Bartolomeo in Kontakt mit Capodilista und versorgte ihn zumindest gelegentlich auf dem Konzil mit Informationen aus Padua. Die als Tagebuch bezeichneten Aufzeichnungen Andrea Gataris beschreiben die Reise und die Aufgaben der Gesandten aus einem anderen Blickwinkel als der offizielle Schriftverkehr mit Venedig. Sein Interesse galt weniger der politischen Tagesordnung oder den diplomatischen Aufgaben der Gesandten als mehr dem gesellschaftlichen Umfeld in Basel. Er verzeichnete die prachtvollen Einzüge einzelner geistlicher und weltlicher 234  Helmrath vermutet eine Gesamtzahl von ungefähr 150 Personen. Dabei berechnet er allerdings auch die Begleiter der Gesandtschaft ein, die die Diplomaten von ihrem Aufbruch aus Padua bis zur Begegnung mit Sigismund in Triest und stellenweise noch darüber hinaus begleiteten. Sie waren aber nicht offiziell von der Republik Venedig akkreditiert und reisten nicht bis nach Basel. Vgl. Helmrath, Johannes, 11 ottobre 1433. Gli ambasciatori veneziani entrarono nel duomo di Basilea. Venezia, Italia e il concilio di Basilea, in: Uwe Israel (Hg.), Venezia. I giorni della storia, Rom 2011, 91–21, hier 104. 235 In Concilium Basiliense. Studien und Quellen zur Geschichte des Concils von Basel. Herausgegeben mit Unterstützung der Historischen und Antiquarischen Gesellschaft von Basel, hier Band  5: Das Tagebuch des Andrea Gatari, Basel 1904 (zitiert als Tagebuch des Andrea Gatari). Eine teilweise Übersetzung ins Deutsche von Rudolf Wackernagel liegt aus dem Jahre 1885 vor. Wackernagel, Rudolf, Andrea Gattaro von Padua, Tagebuch der Venetianischen Gesandten beim Konzil zu Basel. (1433–1435), in: Basler Jahrbuch 1885, 1–58. 236  Zur Geschichte des Textes, der Überlieferungssituation und der Edition vgl. das Vorwort Coggiolas in Tagebuch des Andrea Gatari (wie Anm.  235), XXXIII–LXXVI, besonders XXXIIIf. 237  Die Edition Coggiolas basiert auf der Handschrift der Biblioteca Marciana in Venedig, BNM, Cod. Marc. Lat. 188, classe XIV. 238  Zur Biographie Andra Gataris vgl. Lazzarini, Isabella, Art. Andrea Gatari. DBI 52 (1999), 538–539. Anmerkungen auch im Vorwort Coggiolas in Tagebuch des Andrea Gatari (wie Anm.  235), XXXVIIIf.

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Würdenträger, die Zeremonien und Gottesdienste der Konzilsväter, aber auch Turniere, Bankette und andere kleinere Ereignisse des sozialen Lebens in Basel. Zu Beginn seines Berichts zählt Gatari die Teilnehmer der Gesandtschaft des „generoso et nobel chavalir misier Andrea Donato da Viniesia“ und des „famoso doctor de leze misier Zuane Framcescho di Cavi de Lista da Padoa“ einzeln auf.239 Als „canceliero“ nennt er „Zuan Imperiij da Veniexsia“240, als „Donzeli“ Francesco Veniero, den bereits bekannten als Übersetzer fungierenden Antonio de Bernardo, beide aus Venedig, und Rolando dal Cortivo241 als „scolaro in decretal“. Sich selbst nennt ­Gatari als Seneschall, als Kämmerer einen „Zuan de Magança todesco“, also einen vermutlich aus Mainz stammenden Johann. Er bleibt nicht der einzige in der Gesandt­ schaft: als „Famey“ sind neben einem „Maron da Milan, Bartholomio de Furlam, Bernardo de Schiavania“ und „Zuan de Pizenim“ auch ein „Zuan todesco“, ein ­„Mihile todesco“ und ein „Rigo todesco“ aufgeführt.242 Damit sind von 15 Teilnehmern der Gesandtschaft vier als ursprünglich aus dem Gebiet des deutsch-römischen Reiches stammend gekennzeichnet, während der offizielle Übersetzer der Diplomaten Venezianer war. Obwohl die Gesandtschaft mit nur zwei bevollmächtigten Diplomaten und kleinem Gefolge eher von geringem Umfang zu sein scheint – die mit Sigismund aus Rom abreisende Gesandtschaft umfasste immerhin 12 hochranginge Diplomaten und Humanisten – ist die Wahl der federführenden Gesandten keineswegs zufällig. Mit Andrea Donato als Schwiegersohn des Dogen hatte Venedig nicht nur einen hochrangigen Bürger der Stadt, sondern auch einen erfahrenen Diplomaten gewählt, der Sigismund bereits vertraut und von ihm im Rahmen der Verhandlungen während der Kaiserkrönung 1433 zum Ritter geschlagen worden war.243 Daneben hatte Donato für seine Vermittlung im Rahmen der Krönung Sigismunds und den daran anschließenden Verhandlungen mit Venedig die Ernennung zum Hofpfalzgrafen erhalten und war seit Juli 1433 als Berater Sigismunds mit einem jährlichen Gehalt von 600 Du239 

Tagebuch des Andrea Gatari (wie Anm.  235), 377 f. Giovanni Imperii aus Venedig, im März 1439 als Notar und Sekretär des Dogen erwähnt. Vgl. die Anmerkungen von Coggiola, in Tagebuch des Andrea Gatari (wie Anm.  235), 429, Anm.  3. 241  Ausführlich zur Person und Beziehung Rolandos dal Cortivo zu Capodilista siehe Kapitel  3. 242  Die große Anzahl der als aus deutschsprachigen Gebieten stammenden Familiaren Capodilistas überrascht an dieser Stelle, ist aber ein dauerhaftes Phänomen: ein als „Michaele filio S Bernardi de patavia civitate allemanee [sic!]“ bezeichneter Familiare Capodilistas findet sich noch Jahre später als Zeuge in einem Notariatsinstrument vom Juni 1444. Er wird gemeinsam mit einem weiteren „Guillio“ genannten, ebenfalls aus dem Gebiet des Heiligen Römischen Reiches stammend. ASP, Archivio Notariale, 536 (Notaio Mazzato Lorenzo 1448–1457), fol.  393r. 243 Zum Ritterschlag Andrea Donatos und seinen Besonderheiten siehe auch Böninger, ­ orenz, Die Ritterwürde in Mittelitalien zwischen Mittelalter und Früher Neuzeit. Mit einem L Quellenanhang: Päpstliche Ritterernennungen 1417–1464, Berlin 1995, 104. 240 

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katen (Fl.) ausgezeichnet worden.244 Auch nach seiner Rückkehr nach Venedig war Donato dafür zuständig, die Beziehung zwischen Venedig und Sigismund durch Briefe aufrecht zu erhalten.245 Capodilista als Jurist und Mitglied der Universität Padua war nicht nur wegen seines juristischen und rhetorischen Sachverstandes gewählt worden, sondern vor allem wegen seiner direkten Kenntnis der Verhältnisse im Friaul. Die Bedeutung Basels als Verhandlungsort für Venedig wird in der Wahl dieser beiden Gesandten deutlich. Gleichzeitig ist auch ersichtlich, dass die Republik bereits die zu erwartenden politischen Problemfelder erkannt hatte und ihre Vertreter dementsprechend wählte. Die Wahl eines bekannten Venezianers mit entsprechender gesellschaftlicher Stellung und des fachlich versierten und in die zu erwartenden Auseinandersetzungen eingearbeiteten Capodilista spricht deutlich dafür. In seinem Tagebuch berichtet Andrea Gatari, dass die Gesandtschaft am letzten Tag des Septembers 1433 Padua in Richtung Basel verlassen habe.246 Ausführlich beschreibt er den Auszug aus Padua. Die Gesandten wurden von Antonio Borromeo, einem Abkömmling der aus Florenz verbannten reichen Bankiersfamilie der Borromei, begleitet.247 Der Zug bestand laut Gatari aus nicht weniger als 20 Pferden und weiteren Bürgern der Stadt, die auch namentlich genannt werden, darunter der entfernt mit den gestürzten Carrara verwandte Obizzo Papafava.248 Ebenfalls genannt werden in dieser Aufzählung der Sohn Capodilistas, Francesco Capodilista, und sein Schwiegersohn, der Jurist Checco da Lion.249 Die Gesellschaft begleitete die Gesandten teilweise nur ein kleines Stück, teilweise bis zu ihrer ersten Station in Bassano250 und darüber hinaus. Am 1. Oktober erreichte die Gesandtschaft Trient, immer noch in Begleitung von Antonio Borromeo. Sigismund war zu diesem Zeitpunkt noch nicht in Trient eingetroffen, so dass die Gesandten am 2. Oktober einen Ausflug 244 

Tagebuch des Andrea Gatari (wie Anm.  235), XLVIII. Niero charakterisiert Donato als „il più autorevole portavice della Repubblica“. Niero, L’azione veneziana (wie Anm.  185), 13. Das Niero Andrea Donato als Doktor beider Rechte bezeichnet basiert allerdings auf einer Verwechslung mit Capodilista, dem er die Titel versehentlich aberkennt. 245 Vgl. den Beschluss des Senats vom 1. September 1433, in dem Donato aufgefordert wird, ein Schreiben an Sigismund zu verfassen. ASVe, Senato, Deliberazioni, Secreti, Secreti Registri, reg.  13, fol.  1v. 246  Tagebuch des Andrea Gatari (wie Anm.  235), 378. 247  Die Borromeo waren aus Florenz exiliert worden und hatten in Padua ihre neue Haupt­ residenz begründet. Als Bankiers sowohl der Visconti als auch der Carrara vor 1405 kontrollierten sie ein weitreichendes Netzwerk mit Filialen bis nach London und Barcelona. Antonio Borromeo übernahm ab Ende 1436 einen Teil der Bankgeschäfte. Siehe Jacks, Philip/Caferro, William, The Spinelli of Florence. Fortunes of a Renaissance Merchant Family, University Park 2001, 45. 248  Ausführlich zu allen Teilnehmern des Zugs mit Anmerkungen zu ihren biographischen Entwicklungen vgl. den Kommentar von Coggiola im Tagebuch des Andrea Gatari (wie Anm.  235), 430. 249 Tagebuch des Andrea Gatari (wie Anm.  235), 378. 250  Heute Bassano del Grappa in der Provinz Vicenza.

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zu einigen Burgen in der Umgebung unternehmen konnten, wovon Gatari ausführlich Bericht erstattet. Sie kamen aber rechtzeitig zum Einzug Sigismunds nach Trient zurück und konnten als Teil der Prozession an der Einholung des Kaisers teilnehmen. Dort trafen sie auch auf die von Francesco Barbaro angeführte venezianische Gesandtschaft, die mit Sigismund gemeinsam von Ferrara aus nach Trient gereist war, obwohl von den ursprünglich 12 Gesandten nur noch sieben übrig waren.251 Nach der prachtvollen Einholung des Kaisers erhielten Donato und Capodilista die erste Ge­ legenheit zum Gespräch mit Sigismund. Für Donato, der bereits die langen Verhandlungen in Rom im Umfeld der Krönung Sigismunds geführt hatte, war es nur ein ­erneutes Zusammentreffen mit dem Kaiser. Für Capodilista hingegen war es wahrscheinlich die erste Begegnung mit Sigismund überhaupt, der noch eine lange Reihe weiterer Verhandlungen bis zum Tod des Kaisers 1437 folgen sollten. Am nächsten Tag, dem 3. Oktober 1433, wurden die Gesandten und ihr Begleiter Antonio Borromeo zu Sigismund geladen. Gatari beschreibt ihre Repräsentation vor allem durch ihre Kleiderwahl: Die offiziellen Gesandten der Republik Donato und Capodilista mit ihren Familiaren seien ganz in grün gekleidet aufgetreten, während Borromeo mit seinen Familiaren in Weiß erschienen sei. Auch die prächtige Kleidung Sigismunds beschreibt Gatari. Das Gespräch habe bis zur dritten Stunde gedauert. Den Inhalt oder den Verlauf der Gespräche schildert Gatari nicht. Statt dessen erzählt er eine kurze Anekdote: Capodilista habe einen seiner wohl auch tatsächlich mit ihm verwandten Familiaren, den als „studente in leze [sic!]“ bezeichneten Lionelo da Lion, dem anwesenden Kanzler Kaspar Schlick vorgestellt.252 Im Gespräch habe Schlick Lionelo da Lion angekündigt, er wolle ihn zum „chavaliere“ schlagen lassen. Der Student habe dieses Ansinnen von sich gewiesen und erst nach „molte parole“ habe Capodilista ihn angewiesen, zu tun was der Kanzler von ihm wolle.253 Letztendlich erhielten an diesem Tag auch jene Gesandten den Ritterschlag, die ­Sigismund bereits seit einiger Zeit auf seiner Reise durch Italien begleiteten: Francesco Barbaro, Giovanni Contareno und Antonio Veniero, dazu Antonio Borromeo und der protestierende Lionelo da Lion. Interessant ist diese Episode vor allem durch Gataris Darstellung, denn er vermittelt das Gespräch teilweise durch direkte Zitate. Das Capodilista Lionelo da Lion dem Kanzler vorstellen konnte, war für Gatari bemerkenswert, auch im Licht der Tatsache, dass Capodilista offensichtlich für seine Verwandten und Familiaren sorgte, den begehrten Ritterschlag selbst aber zu diesem Zeitpunkt noch nicht erhalten hatte. Am nächsten Tag reiste der Kaiser und in seinem Tross die venezianischen Gesandten nach Norden ab. Antonio Borromeo und seine 251  Coggiola beschreibt die Gründe für die immer kleiner werdende Anzahl der Gesandten, darunter vor allem die Erteilung anderer Aufträge in der Nähe, oder eine verfrühte Heimkehr aus Krankheitsgründen. Vgl. Tagebuch des Andrea Gatari (wie Anm.  235), 430. 252  Die genaue Verbindung Lionelo da Lions zu Capodilista ist unklar. Es könnte sich aber möglicherweise sogar um einen Enkel Capodilistas gehandelt haben, dessen Tochter Polissena mit Checco da Lion verheiratet war. Siehe B.P. 954, fol.  6r. 253  Tagebuch des Andrea Gatari (wie Anm.  235), 379.

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Familiaren, darunter auch der nun ritterliche da Lion, kehrten nach Padua zurück.254 Sigismund und sein Gefolge reisten in mehreren schnellen Tagesetappen über San Michele all’Adige, Salurn, Meran und Zürich bis nach Rheinfelden unmittelbar vor Basel. Die letzte Etappe vor Basel verbrachten sie als Gäste des Bischofs von ­Kon­stanz auf der Burg Klingnau, wo sie am 10. Oktober ankamen. Sie hatten diese Wegstrecke sowohl zu Pferd als auch per Schiff zurückgelegt, wobei Sigismund einen Teil des Weges in einem Wagen reiste, was Gatari auf seine Müdigkeit zurückführte. Tatsächlich war Sigismund zum Zeitpunkt der Reise vermutlich durch eine Krankheit geschwächt.255 Generell finden die Strapazen der Reise in Gataris Bericht keine besondere Erwähnung. Stattdessen beschreibt er die Schönheit der umliegenden Landschaft und die gelegentliche Kargheit der Unterkünfte. Gatari betont auch, dass die Gesandten während der Reise in der Nähe des Kaisers blieben und sogar auf dem gleichen Schiff wie Sigismund gefahren seien.256 Am 11. Oktober zog Sigismund in Basel ein.257 Genau an diesem Tag lief auch das Ultimatum ab, das die Konzilsväter Eugen IV. nach mehreren Verhandlungen und Verschiebungen eingeräumt hatten, um die Auflösung des Konzils zurückzunehmen. Dieses Ultimatum war der Grund für die außergewöhnlich schnelle Reise Sigismunds, wie auch in der ersten Rückmeldung Donatos und Capodilistas an den Senat vom 12. Oktober 1433 nochmals betont wird.258 Auch die Basler Konzilsväter hatten von der bevorstehenden Ankunft Sigismunds erfahren und ihm Johannes von Ragusa als Gesandten entgegengeschickt, der ihm von übergroßer Eile abraten sollte.259 In ihrem Bericht an den Senat nach dem Einzug in Basel vermuteten Donato und Capodilista hinter dieser vermeintlich entgegenkommenden Geste allerdings eine Verschwörung des Konzils, um eine termingerechte Ankunft Sigismunds zu verhindern.260 Der Kaiser selbst hatte aber seinerseits den Bischof von Chur als Boten nach Basel geschickt und um eine weitere Verhandlung der Frist gebeten. Sigismund erreichte Basel um die Mittagszeit261 254 

Tagebuch des Andrea Gatari (wie Anm.  235), 379. Hoensch spricht von einer schweren Gichterkrankung und bemerkt die ausgewöhnliche Ausdauer Sigismunds auf dieser schnellen Route. Vgl. Hoensch, Kaiser Sigismund (wie Anm.  177), 405. 256  Tagebuch des Andrea Gatari (wie Anm.  235), 381. 257  Ausführlich zum Einzug Sigismunds vgl. Schenk, Gerrit Jasper, Von den Socken. Ein Beitrag zur Kulturgeschichte der Politik am Beispiel des Einzugs König Sigismunds zum Konzil in Basel 1433, in: Karel Hruza/Alexandra Kaar (Hg)., Kaiser Sigismund (1368–1437). Zur Herrschaftspraxis eines europäischen Monarchen, Wien 2012 (Forschungen zur Kaiser- und Papstgeschichte des Mittelalters 31), 385–409. Besonders zur Rolle der Venezianer und die Bedeutung des Datums für die venezianische Geschichte siehe Helmrath, 11 ottobre 1433 (wie Anm.  234), 91–121. 258  RTA 11, Nr.  43 (12.10.1433), 81. 259  Schenk, Einzug König Sigismunds (wie Anm.  257), 387. 260  RTA 11, Nr.  43 (12.10.1433), 81, vgl. auch Schenk, Einzug König Sigismunds (wie Anm.  257), 387. 261  Die Ankunftszeit Sigismunds wird kontrovers diskutiert: Gatari gab als Ankunft die 20. 255 

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und überraschte die Konzilsväter, die im Münster gerade über eine Verlängerung der Frist diskutierten, während in der Stadt selbst das Fest der Kirchweihe begangen wurde. Sigismund erreichte Basel in einer dramatisch inszenierten Ankunft per Schiff, begleitet von einem kleinen Gefolge, zu dem auch die venezianischen Gesandten gehörten.262 Wie unerwartet das Eintreffen des Kaisers in Basel tatsächlich war, zeigte sich im Fehlen eines geordneten Empfangs nach den üblichen Regeln des Herrscheradvents. Die im Münster tagenden Konzilsväter erfuhren erst durch die auch von Gatari erwähnten Trompeter des Kaisers von dessen Ankunft.263 An der Schiffsanlegestelle begrüßte der von Sigismund bestellte Protektor des Konzils, Herzog Wilhelm von Bayern, den Kaiser. Etwas mehr Zeit gewannen die Konzilsväter durch die Bitte Sigismunds nach neuen Schuhen und Socken, die sein Reiseschuhwerk ersetzen sollten.264 Anschließend begleitete eine eilig zusammengestellte Prozession aus Konzilsvätern und Bürgern der Stadt den Kaiser unter einem goldenen Baldachin zum Münster, begleitet von dem Ruf „Benedictus qui venit in nomine domini“.265 In dem Bericht Donatos und Capodilistas über ihrer Ankunft in Basel an den venezianischen Senat berichten sie, dass nur die pro-päpstlichen Konzilsväter sich dem Gesang angeschlossen hätten.266 Im Münster angekommen, formulierte Sigismund vor den Konzilsvätern sein Bemühen um die Bewahrung des Friedens in der Kirche, und bezog laut dem Bericht Donatos und Capodilistas auch die venezianischen Gesandten in seine Ausführungen mit ein.267 Der Kaiser erbat einen weiteren Aufschub für das Ultimatum Eugens IV., schließlich sogar über 8 Tage hinweg, was die Konzilsväter nach einer turbulenten Abstimmung gewährten. Inwiefern diese Verlängerung allerdings tatsächlich das Ergebnis der schnellen Reise Sigismunds und seines Auftretens im Basler Münster war, oder nicht bereits schon vorher von den Konzilsvätern auch im Schriftverkehr mit Stunde am Abend an. Siehe Tagebuch des Andrea Gatari (wie Anm.  235), 382. Anders dagegen Schenk, Einzug König Sigismunds (wie Anm.  257), 388. 262  Vermerkt in den Protokollen des Konzils: „Eadem die domninica XI octobris circa horam primam post meridiem intravit dominus imperator civitatem Basiliensem quasi clandestine […]“. Concilium Basiliense. Studien und Quellen zur Geschichte des Concils von Basel. Herausgegeben mit Unterstützung des Historischen und Antiquarischen Gesellschaft von Basel, Band  2: Die Protokolle des Concils 1431–1433. Aus dem Manuale des Notars Bruneti und einer römischen Handschrift, Basel 1897 (=C.B. II), 501. 263  Tagebuch des Andrea Gatari (wie Anm.  235), 382. 264  Schenk interpretiert die Bitte Sigismunds um Schuhe und neue Socken als eine diplomatische Meisterleistung, die den Konzilsvätern und Stadtoberen die Möglichkeit zur schnellen Organisation eines ehrenvollen Einzugs gewährte, gleichzeitig aber den dramatisch inszenierten Aspekt der überraschenden Ankunft nicht unterlief. Vgl. Schenk, Einzug Kaiser Sigismunds (wie Anm.  257), 402. 265  Ps 118, 26 sowie Mc 11,1–10 beim Einzug Jesu in Jerusalem, als Begrüßungsgesang beim Einzug des Kaisers häufig benutzt. 266  „Et cum admiracione eciam facti sunt valde territi illi, qui sunt contra dominum nostrum papam. Alii vero, qui sunt pro eo, clamabant alta voce: ‚benedictus qui venit in nomine domini‘.“ RTA 11, Nr.  43 (12.10.1433), 81. 267  Ebd., 82.

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Eugen IV. geplant war, bleibt fraglich.268 Unklar ist auch, ob die venezianischen Gesandten während der Abstimmung im Münster bleiben konnten. In ihrem Bericht vermerken Donato und Capodilista zwar, sie hätten sich während der ganzen Zeit im Münster „ad pedes“ Sigismunds befunden und wären von Sigismund besonders mit den Worten „Ego volo consiliarios meos mecum; isti ambasiatores Venetorum sunt m ­ ei consiliarii“ ausgezeichnet worden.269 Nach den Regeln des Konzils hätten die nicht-­ inkorporierten Gesandten aber zur Abstimmung das Münster verlassen müssen.270 Erst nach dem Auftritt Sigismunds vor dem Konzil im Basler Münster, bei dem er das Ziel seines Gewaltmarsches nach Basel erreicht zu haben schien, wurden die Ankömmlinge in ihre Unterkunft geführt. Sie waren genauso wie Kaiser Sigismund selbst im Ordenshaus der Johanniter untergebracht, das Gatari wohlwollend als anständig beheizt bezeichnete.271 In ihrem Bericht an den Senat vom nächsten Tag dokumentierten Donato und Capodilista vor allem ihre Sicht auf die politische Situation in Basel und die Ereignisse im Münster. Sie betonten die gute Verbindung zu Sigismund, der sie während der Reise beständig durch seine Aufmerksamkeit geehrt hätte und um ihren Rat bitten würde. Weiter verzeichnen sie ein Treffen mit den päpstlichen Gesandten und ein persönliches Gespräch mit Albergati, der sich aufgrund seiner zurückhaltenden Position zum Konzil nicht habe inkorporieren lassen. Zuletzt vermerken sie die Beobachtung, dass in Basel zur Zeit ihrer Ankunft dreitausend Menschen vor Ort gewesen seien und es seit dem Einzug des Kaisers beständig mehr würden. Obwohl sie erst seit einen Tag in Basel waren, hatten die Gesandten bereits mit den päpstlichen Gesandten gesprochen und erfahren, dass der Bischof von Cerva zwei päpstliche Bullen – Cum vos ad petentum und Dudum scarum I – von Eugen IV. mit sich führen würde.272 Sigismund wurden diese beiden Bullen erst am nächsten Tag vorgelegt. Vorher konnten die venezianischen Gesandten sich in der Generalkongregation dem ge­ samten Konzil offiziell vorstellen und ihre Beglaubigungsschreiben vorlegen.273 Zunächst wurde eine Messe gehalten.274 Anschließend wurden die Gesandten in der Kirche in eine als „pergolo“ beschriebene Vorrichtung in der Mitte des Raumes ge­ 268  Vgl. die kritischen Ausführungen bei Schenk, Einzug Kaiser Sigismunds (wie Anm.  257), 392 f. Gottschalk wertet es als eine der größten Leistungen Sigismunds auf dem Konzil, dass die Abstimmung über den letztendlichen Umgang mit Eugen IV. überhaupt bis zu seiner Ankunft verzögert wurde. Vgl. Gottschalk, August, Kaiser Sigismund als Vermittler zwischen Papst und Konzil 1431–34, Leipzig 1911, 113. 269  RTA 11, Nr.  43 (12.10.1433), 82. 270  Vgl. Johannis di Segovia, Historia Gestorum Generalis Synodi Basilensis, in: Monumenta conciliorum generalium seculi decimi quinti. Concilium Basiliense. Scriptores. Band  2–3, Wien 1886, Liber VI, Caput VI, 466. Zu der Praxis der Inkorporation und den damit verbundenen Rechten und Pflichten auf dem Konzil vgl. Helmrath, Das Basler Konzil (wie Anm.  203), 23 f. 271  Tagebuch des Andrea Gatari (wie Anm.  235), 383. 272  Siehe Postscriptum zur Bericht vom 12. Oktober, RTA 11, Nr.  43 (12.10.1433), 83. 273  Segovia (wie Anm.  270), Liber VI, Caput VII, 466 274  Tagebuch des Andrea Gatari (wie Anm.  235), 383.

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beten. Dort ergriff Capodilista nach dem Abnehmen seiner Kapuze das Wort und präsentierte eine Rede, die Gatari in Ausschnitten wiedergibt.275 Er übermittelt nur den Beginn der Rede, in der Capodilista die Geschichte der Kirche als geprägt von Schwierigkeiten darstellt, die es zu überwinden galt, die aber die Kirche nicht grundlegend zerstörten konnten, sondern immer nur vor neue Aufgaben stellten. Die Aufgaben des Konzils sieht er in dieser Tradition.276 Anschließend betonte Capodilista die Rolle Venedigs in der Verteidigung der Christenheit und der Kirche, vor allem gegenüber islamischen Völkern.277 Die Republik kämpfe dabei schon seit Jahrhunderten vor allem unter Einsatz ihrer Seemacht gemeinsam mit den Ritterorden gegen die Heiden. Nun sei aber ein Frieden geschlossen und man könne sich anderen Aufgaben zuwenden, um weiterhin für die Kirche tätig zu sein. Gemeinsam mit Eugen IV. und dem Kaiser wolle die Republik für die Einheit der Kirche arbeiten. Zuletzt versicherte Capodilista noch den Präsidenten des Konzils die „bona affeccione et zelo“ des Dogen und betonte nochmals die große Bedeutung einer Einheit von Papst und Konzil. Diese Rede Capodilistas, über deren tatsächliche Länge nichts überliefert ist, bewegte sich im üblichen Rahmen der für öffentliche Auftritte verfassten Vorträge und scheint keinen großen Nachhall gehabt zu haben. Auch in der Konzils­ chronik Segovias findet sich außer einer kurzen Charakterisierung der Rede als elegant und einer Zusammenfassung kein weiterer Kommentar.278 Gatari notierte nichts zur Wirkung der Worte Capodilistas, die vermutlich nur dem Zweck der Einführung der Gesandten auf dem Konzil und der Versicherung ihrer Position dienten. Ein in Basel anwesender Beobachter aus dem Kloster Cluny, Johannes von Montoison, verzeichnete die Rede Capodilistas in einem Bericht an seinen Abt vom 20. Oktober 1433.279 Der interessiert beobachtende Mönch bezeichnet die Rede als „ornatissime“ und vermerkte auch den Rang Capodilistas als Doktor beider Rechte. Er bemerkte neben einigen rhetorischen Schleifen auch einen Inhaltspunkt der Rede, der weder bei Gatari noch bei Segovia erwähnt wurde. Dabei handelt es sich um die Bitte Venedigs an das Konzil um einen weiteren Aufschub der Verhandlung gegen Eugen IV., und zwar um nicht weniger als drei Monate.280 In dieser Zwischenzeit, so die Rede weiter, erhoffe Venedig sich eine Aussöhnung zwischen Konzil und Papst, so dass letztendlich ein Prozess unnötig wäre. Nachdem in der Generalkongregation die Reden abgehalten worden waren, forderte Sigismund die Bildung einer Kongregation zur Führung der Verhandlungen. Zu275  „Et misier Zuan Francesco se trasse el capuzo et cominciò a dire l’infrascrito sermone“. Tagebuch des Andrea Gatari (wie Anm.  235), 383. 276 Ebd., 384. 277 Dieser Abschnitt der Rede fehlt bei Gatari und ist nur bei Segovia kurz zusammen­ gefasst. Vgl. Segovia (wie Anm.  270), Liber VI, Caput VI, 467. 278  Segovia (wie Anm.  270), Liber VI, Caput VI, 466. Ähnlich in den Protokollen des Konzils. Vgl. C.B. II (wie Anm.  262), 503. 279  Gedruckt in RTA 11, Nr.  49 (20.10.1433), 94 f. 280  RTA 11, Nr.  49 (20.10.1433), 95.

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nächst war vor allem die Präsentation der beiden päpstlichen Bullen Cum vos ad ­petentum und Dudum scarum I wichtiges Element der Tagesordnung. Zur Bildung dieses Ausschusses wählte das Konzil aus jeder Deputation eine bestimmte Anzahl Delegierter aus,281 wobei die genaue Mitgliederzahl unklar bleibt.282 Verhandelt wurde nachmittags in der Unterkunft Sigismunds im Ordenshaus der Johanniter. Anwesend waren neben den gewählten Konzilsteilnehmern auch noch einige weltliche Gesandte, nämlich die Vertreter Englands, Burgunds und Savoyens, die päpstlichen Legaten angeführt von dem Paduaner Juristen und Erzbischof Bartolomeo Zabarella und die venezianischen Gesandten Donato und Capodilista.283 Im Verlauf der Gespräche kam es zu vor allem aufgrund der nur sehr zurückhaltenden Kooperation der päpstlichen Gesandten zu kleineren Auseinandersetzungen. Nach dem Bericht Segovias präsentierten die Gesandten nur die Kopien der ersten Bulle Cum vos ad petendum, und erst nach den Protesten der anwesenden Konzilsteilnehmer zeigten sie die Originale und dann im Verlauf der Gespräche auch die zweite Bulle Dudum sacrum I.284 Die Originale beider Schriftstücke nahmen sie aber sofort wieder an sich. Im Bericht Donatos und Capodilistas nach Venedig verändert diese Erzählung sich insofern, als dass die Bullen von Sigismund „manu propria“ an die Konzilsteilnehmer übergeben worden seien.285 Den Inhalt der Bullen fasste der Bericht kurz zusammen: Die eine enthalte die Bestätigung des Konzils, die andere einen Straf­ erlass. Die kurz darauf entbrennende Kontroverse über den Wortlaut von Dudum sacrum I wurde von den Gesandten offensichtlich nicht antizipiert. Die Konzilsväter reagierten auf die Vorlage der Bullen zunächst mit der Bitte um Bedenkzeit. Erst in einer späteren Debatte sollten die Wirkungen der Schriftstücke dargelegt werden. Zuletzt rief der päpstliche Legat Zabarella die anwesenden Konzilsväter noch dazu auf, mehr auf den Sinn der Schriftstücke als auf die Worte zu achten. Angesichts der Kontroverse um Dudum sacrum I, die genau an zwei Wortänderungen eskalierte, war das eine streitbare Aussage.286

281  Das Basler Konzil war im Gegensatz zu dem nach Nationen aufgeteilten Konzil von Konstanz in Deputationen mit unterschiedlichen Fachkompetenzen aufgegliedert. Dieses höchst umstrittene System sollte die Bildung von starken vor allem auf Landesherkunft basierenden Gruppierungen umgehen und indirekt auch hierarchische Strukturen auflösen. Angelehnt an das System der Universität mit vier Fakultäten bildeten sich bereits im Februar 1432 vier Deputationen: deputatio fidei, deputation pacis, deputation pro reformatorio und die deputatio pro communibus. Siehe ausführlich Helmrath, Das Basler Konzil (wie Anm.  203), 23. 282  Die Angaben variieren zwischen 8 und 12 Teilnehmer. Donato und Capodilista selbst sprechen allerdings in ihrem Schreiben an Venedig vom nächsten Tag von nicht weniger als 40 Teilnehmern. Vgl. RTA 11, Nr.  45 (14.10.1433), 86. 283  Vgl. RTA 11, Nr.  45 (14.10.1433), 87. 284  RTA 11, Nr.  44 (13.10.1433), 84. 285  RTA 11, Nr.  45 (14.10.1433), 87. 286  Zur Debatte um Dudum sacrum vgl. Decaluwé, A successsful defeat (wie Anm.  212), 143 f. Zur Aussage der päpstlichen Legaten vgl. RTA 11, Nr.  44 (13.10.1433), 85.

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Am nächsten Tag meldeten Donato und Capodilista die Ergebnisse der Verhandlungen nach Venedig. In diesem Schreiben berichteten sie auch, dass sie den in ihren Instruktionen stehenden Besuch bei dem etwas zu konzilsbegeisterten venezianischen Kardinal Antonio Correr am Tag der Abfassung des Schreibens absolviert hätten. Das Gespräch sei ergebnislos geblieben, aber sie übermittelten immerhin das Versprechen Sigismunds, selbst noch einmal mit Correr zu sprechen. Außerdem hatte Sigismund die Venezianer von einer sich anbahnenden und gegen Venedig gerichteten Liga zwischen Mailand, Burgund und Savoyen in Kenntnis gesetzt, habe aber auch versichert, die Verhandlungen unterbinden zu können.287 Zuletzt leiteten sie noch einige aktuelle politische Nachrichten weiter, unter anderem das falsche Gerücht vom Tod des Hussitenführers Prokop und die Ankunft neuer Gesandten aus Mailand. Zuletzt vermerkten Donato und Capodilista noch die enormen Kosten ihres Aufenthalts in der teuren Stadt Basel.288 Bereits in den ersten Tagen ihres Aufenthalts in Basel kristallisierte sich eine klare personale Zuordnung der Aufgaben Donatos und Capodilistas heraus. Obwohl sie auch zur Verhandlung des weiteren Vorgehens zwischen Sigismund und Venedig nach Basel geschickt worden waren, diente gerade die erste Zeit ihres Aufenthalts vor allem zur Verteidigung der Position Eugens IV. gegenüber den Konzilsvätern. Maßgeblich für den Ablauf der Kirchenversammlung und die am Konzilsort ausgetragenen Streitigkeiten war das Medium der Rede.289 Geprägt von einer auf Kommunikation zwischen Gruppen begründeten Geschäftsordnung, entwickelte sich Basel zu einem Ablauf von Predigen, Programmreden und Gegenreden. Gerade juristische Auseinandersetzungen wurden oft durch regelrechte Rededuelle in Form der Disputatio ausgefochten. Reden von in Basel anwesenden und meist aus dem italienischen Raum stammenden Humanisten erlangten teilweise über Briefzirkel über die Grenzen der Konzilsstadt hinaus Verbreitung und hinterließen nachhaltigen Eindruck. Der besondere Stellenwert der im Geiste der ciceronischen Rhetorik bewerteten Fähigkeit zur geistreichen und effektvollen öffentlichen Rede gewährte dabei begabten Rhetorikern nicht nur humanistischer Prägung Aufstiegschancen, ob als Redner in politischen Auseinandersetzungen oder als Prediger zu hohen Festtagen.290 Am Konzil anwesende Diplomaten mussten sich in diesem 287  Sigismund wird in dem Bericht wörtlich zitiert: „isti tractant facere ligam contra vos et consequenter contra me, sed non dubitetis: ego interrumpam omnia“. RTA 11, Nr.  45 (14.10.­ 1433), 87. 288  RTA 11, Nr.  45 (14.10.1433), 88. 289  Zur Rolle der Rede auf dem Basler Konzil und dem Stellenwert besonders humanistischer Rhetorik siehe Helmrath, Johannes, Diffusion des Humanismus und Antikenrezeption auf den Konzilien von Konstanz, Basel und Ferrara/Florenz, in: Ludger Greman (Hg.), Die Präsenz der Antike im Übergang vom Mittelalter zur Frühen Neuzeit. Bericht über Kolloquien der Kommission zur Erforschung der Kultur des Spätmittelalters 1999 bis 2002, Göttingen 2004 (AAWG 263), 9–54. 290  Ein Beispiel dafür wäre die Weihnachtspredigt des Bischofs von Lodi, Gherardo Landria­ ni. Helmrath, Diffusion des Humanismus (wie Anm.  289), 33

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Geiste oft in regelrechten Rededuellen rhetorisch beweisen und durchsetzen. Es war Aufgabe der venezianischen Diplomaten, ihre jeweiligen Verhandlungspartner in diesen Foren zu vertreten, aber auch für Venedig selbst als Redner aufzutreten oder bei Auseinandersetzungen als Beobachter zu fungieren. Diese Rolle war klar Capodilista zugedacht, der wie schon bei seiner ersten Rede im Basler Münster regelmäßig als Sprecher auftrat. Eine dieser Zusammenkünfte fand am 16. Oktober über die vorgelegten päpstlichen Bullen Cum vos ad petendum und Dudum Scarum I statt. Dabei debattierten der Präsident des Konzils und ursprünglich als päpstlicher Legat bevollmächtigte Kardinal Guiliano Cesarini und der aktuell Eugen IV. vertretende Legat Bartolomeo Zabarella über die Rechtmäßigkeit der Bullen und die generelle Frage nach der Autorität des Papstes über ein rechtmäßiges Konzil.291 Eine besondere Note erhielt die Auseinandersetzung durch die Tatsache, dass sowohl Cesarini als auch Zabarella zeitgleich in Padua Recht studiert und an der Universität als Juristen gelehrt hatten, genauso wie der ebenfalls anwesende Capodilista, der nach dem für die päpstliche Seite unerfreulichen Ende der Disputatio eine kurze Ansprache im Auftrag Sigismunds hielt.292 Dabei betonte Capodilista, er habe die Rede nicht aus Gründen der Disputatio, sondern zur Herstellung von Frieden und Einheit ergriffen, ein Bestreben, das für die ganze Republik Venedig wichtig sei.293 Weiter versuchte Capodilista die Gegner ­Eugens IV. zu besänftigten und plädierte für ein Verständnis der päpstlichen Position und die Abkehr von einem starren Beharren auf die buchstabengetreue Interpretation: „non est facienda magna vis in verbis, sed potius mens sincera et devotio sanctissimi domini nostri amplectenda est“.294 Danach warnte er vor einer überstürzten Erneuerung des Dekrets Haec Sancta295. Zuletzt besänftigte er die Konzilsvertreter mit der Versicherung des guten Willens aller Beteiligten, die gemeinsam auf eine Erhaltung des Friedens in der Kirche hinarbeiten wollten und sonst keine anderen Intentionen hätten. Die Vermittlung zwischen Papst und Konzil beschäftigte Sigismund und die venezianischen Gesandten in den nächsten Wochen intensiv. Nachdem der durch Sigismunds plötzliches Erscheinen in Basel ausgelöste zeitliche Aufschub für Eugen IV. abgelaufen war, bemühte der Kaiser sich um eine Einstellung der Verhandlung oder zumindest um eine erneute Verlängerung der Frist. Gatari berichtet von Verhandlungen am 17. Oktober, die sehr zu Sigismunds Missfallen verlaufen seien und keine Ein ausführlicher Bericht über diese Disputatio ist bei Segovia verzeichnet. Siehe Sego(wie Anm.  270), Liber VI, Caput XVIff., 494 f. 292  Decaluwé charakterisiert die Ansprache Zabarellas als nur wenig gelungen, während er Cesarinis Antwortrede für rhetorisch geschickt befindet. Ausführlich besprochen wird letztere Rede bei Decaluwé, A successful defeat (wie Anm.  212), 144. 293  Die kurze Ansprache ist ediert in RTA 11, NR. 47 (16.10.1433), 91 f. 294  RTA 11, NR. 47 (16.10.1433), 92. 295  Capodilista nennt das auf dem Konstanzer Konzil erlassene Dekret zwar nicht beim Namen, verweist aber deutlich darauf. Ebd. 291 

via

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Ergebnisse gebracht hätten.296 Das Konzil akzeptierte die von der päpstlichen Legation unter Zabarella überbrachten Bullen nicht und verlangte unter anderem eine vollständige Anerkennung der Versammlung sowie die offizielle Rücknahme der ohnehin umstrittenen Bulle Deus novit.297 Im Verlauf der weiteren Verhandlungen kristallisierte sich zunehmend die Position Sigismunds heraus, nach der ohne Eingeständnisse Eugens IV. die Situation nicht lösbar blieb. Verhandlungen über die nötigen Konzessionen des Papstes und die Wünsche des Konzils wurden zunehmend konkreter. Während weiterer Verhandlungen, die entweder am 25. oder am 26. Oktober im Dominikanerkloster stattfanden, wurden erneut die Vorstellungen des Konzils besprochen. Das verlief aber nicht ohne Schwierigkeiten, da die konziliaren Vertreter sich zwar als diskussionsinteressiert, nicht aber als zur Entscheidung befugt prä­ sentierten.298 Sigismund verlangte eine Sicherheit des Konzils für die Position des Papstes, die ihm nicht gewährt wurde. Auch diesmal sprach Capodilista kurz für die Partei des Papstes im Auftrag des Kaisers. Am nächsten Tag übernahm er diese Rolle erneut in Verhandlungen über die geforderte Sicherheitsgarantie für Eugen IV. vor der Deputatio pro reformatorio. In dieser Rede konfrontierte er die anwesenden Konzilsteilnehmer mit der Drohung, schriftliche Beweise über den Plan einer Absetzung Eugens IV. durch das Konzil vorlegen zu können.299 Erst bei der nächsten Sitzung in der Deputatio fidei kam diese Drohung wieder zur Sprache und provozierte eine Auseinandersetzung zwischen Capodilista und dem Kardinal Juan de Cervantes. Sie endete mit dem Einlenken Capodilistas und dem Vorschlag, dem Papst als Ausgleich für Dudum Sacrum I für eine neue Bulle eine spezifische Ergebenheitsformel anzutragen.300 Weitere Verhandlungen ergänzten diesen Wortlaut noch um eine Formel aus dem Dekret Sancta ecclesia vom Juli 1433 und sahen vor, dass nur die anwesenden Kardinäle und nicht das ganze Konzil das Schriftstück unterzeichnen sollten.301 Dieser geschickte Plan, der beide Parteien vermutlich befriedigt und vor einem Gesichtsverlust bewahrt hätte, scheiterte letztendlich am Unwillen Sigismunds. Am gleichen Tag, dem 26. Oktober 1433, beschloss der venezianische Senat zur Unterstützung der Bemühungen des Kaisers und der Gesandten in Basel von Venedig aus Hermolao Donato zu Eugen IV. zu schicken, um den Papst zu einer milderen Position gegenüber Basel zu bewegen.302 Gleichzeitig entstanden in Basel erste Überlegun296 

Tagebuch des Andrea Gatari (wie Anm.  235), 385. Vorentwurf der Bedingungen vom 18. Oktober 1433, gedruckt in RTA 11, Nr.  48 (18.10.­ 1433), 93 f. 298  Segovia gibt als Datum den 25. Oktober an, Gatari in seinem Tagebuch den 26. Oktober. Vgl. Segovia wie gedruckt in den RTA 11, Nr.  50 (25.10.1433), 98 und Tagebuch des Andrea Gatari (wie Anm.  235), 385. 299  RTA 11, Nr.  50 (25.10.1433), 101, nach Segovia (wie Anm.  270), Liber VI, Caput XXI, 502. 300  RTA 11, Nr.  50 (25.10.1433), 102. 301  RTA 11, Nr.  52 (2.11.1433), 103, Anm.  2. 302  ASVe, Senato, Deliberazioni, Secreti, Registri, reg.  13, fol.  15r. 297 

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gen, einen der beiden venezianischen Gesandten nach Rom zu schicken, um den Druck auf Eugen IV. zu verstärken.303 Der Beginn des neuen Monats brachte langsame Bewegung in die Verhandlungen zwischen Sigismund und den Konzilsvätern. Die am 4. November ablaufende Frist wurde vom Konzil erneut bis zum 7. November verlängert, um mehr Raum für die langwierigen Gespräche zu schaffen. Eine Abstimmung ergab die Absicht, den Plan Capodilistas in die Tat umzusetzen und Eugen IV. statt einer Garantie für das Konzil die Ergebenheitsformel zuzugestehen. In weiteren Sitzungen wurden die Forderungen des Konzils erarbeitet. Bei erneuten Gesprächen zwischen Sigismund und den Konzilskardinälen am 5. und 6. November warfen die venezianischen Gesandten, vertreten durch Capodilista, dem Kaiser dann vor, er habe sich nicht genügend für die Belange Eugens IV. eingesetzt und von den drei Forderungen des Papstes an das Konzil keine unterstützt,304 das Konzil selbst aber in seinem Handeln bestärkt. Sigismund wies diese Vorwürfe von sich, und es entwickelte sich eine Diskussion um den exakten Wortlaut der Ergebenheitsformel, mit dem die Venezianer nicht einverstanden waren. Nach der Schlichtung der Auseinandersetzung wurde in der Kongregation eine erneute Verlängerung der Frist um 90 Tage beschlossen. Offiziell verkündet wurde dieser Entschluss mit einer Messe am 7. November. Gatari berichtet, dass Sigismund an der Feierlichkeit in besonders kostbarem Ornat teilgenommen habe, und das die venezianischen Gesandten während der Messe an seiner Seite gestanden hätten. Sowohl die päpstlichen Legaten als auch zahlreiche venezianische Konzilsteilnehmer blieben der öffentlichen Bekanntmachung aus Protest über den Inhalt der Formulierung fern.305 Die päpstliche Partei reichte erst später eine schriftliche Darlegung ihres Protests ein. Am gleichen Tag vermeldete Sigismund selbst die Entwicklungen an Eugen IV.306 Es ist Sigismunds erstes Schreiben an den Papst seit seiner Ankunft in Basel, und so beschreibt er zunächst die Reise und die Mühen der seitdem für Eugen IV. unternommenen Arbeit auf dem Konzil, obwohl er wisse, dass jegliche Informationen bereits nach Rom durch die Vermittlung der päpstlichen Legaten und der venezianischen Gesandten gedrungen wären, „qui nostram operam experti sunt“.307 Er vermerkt die am Konzil durch die zwei offiziellen und die zumindest als offiziell interpretierte Bulle Deus novit entstandene Unruhe und betont mehrfach die in die Beruhigung der Anwesenden geflossene Mühe. Zuletzt kündigt er Eugen IV. die Ankunft Andrea Donatos an, der sämtliche Geschehnisse nochmals genau dar­ legen werde. 303 

Decaluwé, A successful defeat (wie Anm.  212), 146. Die Forderungen Eugens IV. an das Konzil waren der Widerruf der gegen ihn erlassenen Dekrete, die vollständige Zulassung der päpstlichen Präsidenten und die nach Capodilistas ­eigenem Vorschlag ausgehebelte Erteilung einer Garantierklärung. Vgl. RTA 11, Nr.  53 (5./6.11.1433), 105, Anm.  5, auch bei Segovia (wie Anm.  270), Liber VI, Caput XXIV, 507 f. 305  RTA 11, Nr.  53 (5./6.11.1433), 107, Anm.  3. 306  Gedruckt in RTA 11, Nr.  54 (7.11.1433), 107. 307 Ebd. 304 

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Andrea Donato verließ Basel, wie von Sigismund angekündigt, am nächsten Tag in Richtung Rom. Gatari verzeichnet seine Abreise und vermerkte, dass Capodilista allein in Basel zurückblieb.308 Vermutlich hatte Donato für seine Reise weder einen offiziellen Auftrag noch eine Genehmigung Venedigs erhalten. In den Anweisungen des Senats für die Gesandten in Basel vom 9. November 1433 wurde Donatos neue Aufgabe jedenfalls nicht erwähnt.309 Offensichtlich hatte der Senat, der sich auf die Briefe der Gesandten vom 13. und 27. Oktober bezog, davon noch keine Kenntnis, obwohl Donato Basel bereits am 8. November verlassen hatte.310 Überhaupt berührten die neuen Anweisungen zunächst nicht die Abläufe der Verhandlungen zwischen Kaiser und Konzil zugunsten Eugens IV., sondern verhandelten vor allem einen politisch für Venedig selbst interessanten Punkt. Damit wird deutlich, das neben den in der Konzilschronik festgehaltenen kirchenpolitischen Gesprächen und Auseinandersetzungen auch Verhandlungen zwischen den venezianischen Gesandten und Sigismund zu anderen Themen der politischen Tagesordnung stattgefunden haben müssen. Konkret bezogen die Anweisungen des Senats sich auf den immer noch ausstehenden Friedensvertrag zwischen Sigismund und der Republik. Venedig hatte seit der Kaiserkrönung Sigismunds und dem Abschluss eines vorläufigen Waffenstillstandes die Verhandlung eines tatsächlichen Vertrages immer wieder auf einen unbestimmten Zeitpunkt nach dem Ende des Konzils verschoben. Aus dem Schreiben Venedigs wird das Drängen Sigismunds auf zügigeres Handeln deutlich. Die Gesandten wurden angewiesen, Sigismund die Ernsthaftigkeit des Bestrebens der Republik zum Abschluss eines Friedens zu versichern.311 Die Bedingungen der Republik zu einem solchen Abschluss machten ihn allerdings unwahrscheinlich: Er sollte gegen eine Bestätigung derjenigen Besitzungen der ungarischen Krone erfolgen, die bereits in venezianischen Händen waren, also konkret der in den kriegerischen Auseinandersetzungen der letzten Jahrzehnte gewonnen Städte und Häfen Dalmatiens.312 Die Gegenleistung Venedigs sollte in der Bereitstellung einer Summe von bis zu 60.000 Dukaten (Fl.) bestehen. Das Geld sollte in zwei Raten nach jeweils sechs Monaten bereitgestellt werden, wobei eine Verlängerung des Zeitraumes immer möglich sein sollte.313 Der Senat betonte die der Republik durch die Auseinandersetzungen bereits entstandenen massiven Ausgaben und formulierte nochmals klar die Aufgabe der Gesandten, die Sigismund beruhigen und für die venezianischen Ziele gewinnen sollten.314 Für den Fall, dass Sigismund nicht zum Abschluss eines Friedens, sondern nur 308 

Tagebuch des Andrea Gatari (wie Anm.  235), 387. Senato, Deliberazioni, Secreti, Registri, reg.  13, fol.  19r, gedruckt in RTA 11, Nr.  74 (9.11.1433), 150 f. 310  Siehe Tagebuch des Andrea Gatari (wie Anm.  235), LIV. 311  ASVe, Senato, Deliberazioni, Secreti, Registri, reg.  13, fol.  19r. 312  „[…] confirmatione seu concessione de terras et locis Imperii que in manibus nostris sint […].“ASVe, Senato, Deliberazioni, Secreti, Registri, reg.  13, fol.  19r. 313 Ebd. 314  ASVe, Senato, Deliberazioni, Secreti, Registri, reg.  13, fol.  19r. 309  ASVe,

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für die von Venedig favorisierte Verhandlung eines Bündnisvertrages zu gewinnen wäre, erhielten die Gesandten anschließend genaue Anweisungen. Ein solcher Vertrag sollte für die Dauer von 15, mindestens aber von zehn Jahren abgeschlossen werden. Die Bedingungen Venedigs dazu waren wieder dieselben wie zum Abschluss eines Friedens und bestanden vornehmlich in der Bestätigung der dalmatischen Besitzungen durch Sigismund. Im Falle des Scheiterns der Verhandlungen wurde den Gesandten eine Summe von 5000 Dukaten (Fl.) zur Verfügung gestellt, mit der Sigismund am Abschluss eines Vertrages mit Mailand gehindert werden sollte. Auf ähn­ lichem Wege sollten der Kanzler Kaspar Schlick und der im Gefolge Sigismunds in Basel lebende Brunoro della Scala für die venezianischen Belange interessiert werden.315 In einem Nachtrag analysierte der Senat dann nochmals die Situation in Basel und schärfte seinen Gesandten erneut die hohe Bedeutung ihrer Mission ein. Besonders die unsichere Stellung Eugens IV. wurde betont und die scharfen Angriffe seiner Gegner auf dem Konzil gewürdigt. Dazu wurde den Gesandten für sämtliche Verhandlung äußerste Geheimhaltung aufgetragen, vor allem, da das Konzil von Gefolgsmännern der Visconti bestimmt sei und man verhindern müsse, dass alles nach Mailand dringen würde. Noch hoffe man in Venedig auf eine schnelle Abwicklung des Konzils und eine erfolgreiche Sicherung der Position Eugen IV.316 Deutlich wird in diesem Schreiben wieder, wie untrennbar die weltliche und die kirchliche Politik für die Venezianer miteinander verknüpft waren. Dabei bleibt allerdings die Beilegung der Auseinandersetzung innerhalb der Kirche immer der Verwirklichung säkularer politischer Ziele untergeordnet. Die Ordnung innerhalb der Kirche war weniger spirituell erwünscht denn als Machtgewicht innerhalb einer politischen Struktur einkalkuliert, deren Ungleichgewicht zu Ungunsten Venedigs es zu verhindern galt. Schon am 17. November erreichte Andrea Donato auf seinem Weg nach Rom Venedig, wo sein Auftrag zur Reise nach Rom spätestens am 20. November bestätigt wurde.317 Die Instruktionen Donatos vom 21. November318 legten seine Reiseroute via Florenz fest, wo er Neuigkeiten aus Basel verkünden und zum Widerstand gegen Mailand aufrufen sollte. Von dort reiste er weiter nach Rom, um als Vermittler für die Anerkennung des Konzils und um Zugeständnisse von Seiten Eugens IV. zu werben. Vermutlich am gleichen Tag, an dem Donatos Instruktionen erlassen wurden, verfasste Eugen IV. ein Antwortschreiben an Venedig, nachdem ihm von dort Berichte aus Basel übermittelt worden waren. Der Papst bestätigte die von Venedig vertretene Vermittlungslinie mit dem Konzil und befürwortet das Engagement Sigismunds. Über Donatos anstehende Reise nach Rom war Eugen IV. vermutlich noch nicht informiert.319 Im Tagebuch Andrea Gataris finden sich nach der Abreise Donatos weni315  ASVe,

Senato, Deliberazioni, Secreti, Registri, reg.  13, fol.  19v. Senato, Deliberazioni, Secreti, Registri, reg.  13, fol.  20r. 317 Schreiben vom 20. November 1433, ASVe, Senato, Deliberazioni, Misti, Registri, reg.  59, fol.  16r. 318  RTA 11, Nr.  59 (21.11.1433), 117 ff. 319  RTA 11, Nr.  58 (20.11.1433), 116. 316  ASVe,

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ger Berichte über die kirchenpolitischen Ereignisse in Basel. Lediglich die Ankunft zweier weltlicher Großer, Herzog Friedrichs IV. von Tirol und des späteren römischen Königs Albrecht von Österreich, waren ihm eine Erwähnung wert, wobei vor allem die Ausstattung des Gefolges für Gatari notierenswert schien.320 Der in Basel zurückgebliebene Capodilista erhielt währenddessen neue Instruktionen, die am 25. November in Venedig verfasst wurden.321 Gerichtet waren sie auch an den Bischof von Padua Pietro Donato, der nach Andrea Donatos Abreise einen Teil der Aufgaben der reduzierten Gesandtschaft übernehmen sollte. Der Senat meldete zunächst die wohlbehaltene Ankunft Andrea Donatos in Venedig und dessen Weiter­ reise nach Rom. Konkret instruiert wurde Capodilista dann zur Überbringung der dem Schreiben beigefügten Briefe an die Kardinäle Albergati, Cesarini, Cervantes und den allzu konzilsinteressierten Antonio Correr. Für die Verhandlungen mit Sigismund erhielt Capodilista ein finanzielles Argument von zunächst 2000 Dukaten (Fl.), das über die Basler Filiale der Medici-Bank verfügbar gemacht wurde.322 Gleichzeitig wurde ihm darüber hinaus noch zusätzliche finanzielle Mittel zur Unterstützung seiner Worte versprochen. Zuletzt kündigte Venedig die Wahl eines weiteren Gesandten an, um die Gesandtschaft in Basel wieder auf zwei Diplomaten aufzustocken. Sigismund hatte inzwischen in weiteren geheimen Verhandlungen mit den Konzilskardinälen eine Einigung erreicht, die je nach Reaktion des Papstes sowohl mit ­Eugen IV. als auch ohne ihn wirksam werden sollte und zur Befriedung der Kirche zumindest in ihrer Verbindung mit Sigismund als Kaiser diente. Für den Papst wurde damit der Handlungsspielraum immer enger, wenn er Sigismund als mächtigen Verbündeten nicht verlieren wollte.323 Ungeachtet dessen warnte Eugen IV. noch am 1. Dezember in einem Schreiben die Venezianer vor der List der Basler Konzilsteilnehmer und mahnte sowohl die Gesandten als auch Sigismund zur Vorsicht.324 Unterdessen war Andrea Donato in Rom angelangt und vermittelte dem Papst die Stimmung in Basel. Offensichtlich waren seine Bemühungen zur Besänftigung Eugens IV. und zur Umstellung der starren päpstlichen Politik auf eine eher der „flessibilità veneziana“325 zugeneigten Haltung von Erfolg gekrönt. Ein Einfall Mailänder Trup320  Am

10. bzw. 12. November 1433. Tagebuch des Andrea Gatari (wie Anm.  235), 387. Senato, Deliberazioni, Secreti, Registri, reg.  13, fol.  25r. 322  Die Medici unterhielten als eines der ersten großen italienischen Bankiershäuser Ver­ bindungen nach Basel, wo sie ab Ende des Jahres 1433 auch eine zunächst nur provisorische Filiale unterhielten, die bis 1442 in Betrieb war. Siehe Jacks /Caferro, The Spinelli of Florence (wie Anm.  247), 42. 323  Decaluwé beschreibt noch drastischer die Wahlmöglichkeiten Eugen IV. zu diesem Zeitpunkt als zwischen der Preisgabe der ultimativen Autorität des Papstes und der Herbeiführung eines neuen Schismas, in dem er als amtierender Papst beinahe ohne Verbündete agieren müsste. Vgl. Decaluwé, A successful defeat (wie Anm.  212), 147. 324  RTA 11, Nr.  60 (1.12.1433), 121. 325  Den Begriff prägt Niero als Charakterisierung der venezianischen Haltung gegenüber dem Konzil. Vgl. Niero, L’azione veneziana (wie Anm.  185), 19. 321  ASVe,

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pen im Namen des Konzils326 in päpstliche Gebiete zu Beginn des Dezember 1433 mag zur Beschleunigung der Entwicklung beigetragen haben. Am 15. Dezember übermittelte Eugen IV. an Sigismund und die Konzilsväter seine Annahme des vom Konzil ausgearbeiteten Textes in Form der Bulle Dudum Sacrum II.327 Am gleichen Tag erhielt auch der Doge Francesco Foscari Mitteilung von dieser Entwicklung und die Ankündigung von Donatos Rückkehr nach Venedig. Mit dem Erlass von Dudum Sacrum II und der Rücknahme der Bullen Inscruta­ bilis, In arcano und der wohl nie tatsächlich autorisierten Pseudobulle Deus novit erkannte Eugen IV. förmlich das Basler Konzil als von Beginn an gültig eröffnete allgemeine Kirchenversammlung an.328 Bis die Nachricht von der Ausfertigung der Bulle Dudum Sacrum II und deren Text sich zu den jeweiligen Parteien verbreitete, vergingen allerdings noch einige Wochen. Währenddessen wurde in Basel über die Möglichkeit der Aburteilung des Papstes wegen Simonie und die sich nach dem kanonischen Recht daraus ergebende Möglichkeit zu seiner Absetzung diskutiert.329 Am gleichen Tag wurden in Venedig neue Instruktionen für Capodilista und den seit der Abreise Andrea Donatos für die Gesandtschaft rekrutierten Bischof von Padua, Pietro Donato, verfasst.330 In Bezugnahme auf ein nicht erhaltenes Schreiben Capodilistas vom 29. November lobte der Senat zunächst den Einsatz Sigismunds für die Einheit zwischen Konzil und Papst. Mit dem Schreiben Capodilistas musste auch ein Bericht über das vor dem Konzil diskutierte Handelsverbot mit muslimischen Partnern nach Venedig gelangt sein, wogegen der Senat nun mit scharfen Worten Einspruch erhob. Wie man es von einer Handelsstadt mit engen Kontakten auch in die muslimische Welt hinein erwartet, wurde ein Handelsverbot scharf abgelehnt. Weiter erhielten die Gesandten Nachricht von der Wahl Frederico Contarenos zum Nachfolger Andrea Donatos in Basel und, dem Brief Venedigs beigelegt, ein Schreiben über die Lage am Hof Eugens IV. Zufrieden vermerkte der Senat dazu noch, dass Donato in Rom nun Eugen IV. vom gegen das Papsttum gerichteten Einsatz Mailands auf dem Konzil überzeugt habe. Am selben Tag verfasste der Senat noch ein weiteres 326  Gegen den Willen Sigismunds und den ausdrücklichen Protest des Bischofs von Padua Pietro Donato. Vgl. Niero, L’azione veneziana (wie Anm.  185), 21. 327  Siehe das Schreiben an Sigismund in Concilium Basiliense. Studien und Quellen zur Geschichte des Concils von Basel. Herausgegeben mit Unterstützung des Historischen und Antiquarischen Gesellschaft von Basel. Band  1: Studien und Dokumente zur Geschichte der Jahre 1431–1437, Basel 1896, 324 (= C.B. I), wortgleich in RTA 11, Nr.  61 (15.12.1433), 122. Weiter das Schreiben an die Konzilsväter in C.B. I., 326. 328  Schatz bezeichnet Dudum Sacrum II als die fast vollständige Kapitulation Eugen IV. vor dem Basler Konzil. Vgl. Schatz, Klaus, Allgemein Konzilien – Brennpunkte der Kirchen­ geschichte, Paderborn 1997, 152. 329  Protokoll vom 18. Dezember 1433, C.B. II. (wie Anm.  262), 539. 330  RTA 11, Nr.  78 (18.12.1433), 156. Dort sind die beiden Briefe vom 18. Dezember vertauscht – in den Originalen steht der hier nachgedruckte Brief zuerst. ASVe, Senato, Deliberazioni, Secreti, Registri, reg.  13, fol.  31v. Die hier gewählte Reihenfolge entspricht der Reihenfolge in den originalen Regesten.

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Schreiben mit Bezug auf einen verlorenen Brief vom 12. Dezember, allerdings mit sehr ähnlichem Inhalt zum vorherigen Schreiben.331 In ihm kündigte der Senat zunächst erneut die baldige Ankunft des bereits am 16. Dezember gewählten Frederico Contareno an. Er sollte speziell für die Verhandlungen mit Sigismund über den Abschluss eines Friedensvertrages akkreditiert werden und sie an Donatos Stelle weiterführen. Hier wird wieder ersichtlich, dass offensichtlich innerhalb der Gesandtschaft eine genaue Aufteilung der Aufgaben herrschte, und vornehmlich Andrea Donato für den Kontakt zu Sigismund zuständig gewesen war. Weitere Neuigkeiten aus Venedig umfassten die Situation nach dem Einfall Mailänder Truppen unter Francesco Sforza in die päpstlichen Gebiete, den Abfall des Militärkommandanten Luisio di San ­Severino und seinen Wechsel zur Seite Viscontis, und zuletzt die Versorgung des kaiserlichen Gesandten Baptiste Cigala mit 1000 Dukaten (Fl.) durch Venedig. Zuletzt wurden Capodilista und Pietro Donato noch aufgefordert, bei Sigismund darauf zu drängen, dass er sich für eine Änderung des Abstimmungssystems des Konzils von Deputationen hin zu Nationen einsetzte, eine ungewöhnliche und aussichtslose Einmischung der sonst zurückhaltenden Republik in die innere Struktur des Konzils. Offensichtlich war die Bulle Dudum sacrum II zum Zeitpunkt der Expedition der Schreiben nach Basel noch nicht in Venedig eingetroffen. Auch fünf Tage später wusste man in Basel noch nichts von ihr, wie aus einem wenig optimistischen Schreiben Sigismunds an Eugen IV. vom 20. Dezember 1433 deutlich wird.332 Darin beklagt Sigismund die Schwierigkeit gegenüber dem Konzil die Bullen vom September zu verteidigen und mahnt zur Akzeptanz des vom Konzil vorgeschlagenen Texts, was in Dudum Sacrum II schon längst geschehen war. Auch versprach er, sich für den von Mailänder Truppen bedrängten Eugen IV. einzusetzen und Briefe an den Herzog von Mailand und den Condottiere Niccolò Piccinino zu senden, deren Abschrift er beilegte.333 Einen ähnlichen Brief verfasste Sigismund einen Tag später an den venezianischen Dogen Francesco Foscari, dem er auch die an Piccinino gesendet Schreiben beilegte.334 Dort bezeichnete Sigismund Visconti als Feind der Kirche und hoffte auf eine schnelle Beilegung des Kirchenstreits als den einzigen Weg zur Bewahrung des Papsttums, wozu Andrea Donato in Rom beitragen sollte. Zuletzt verkündete der Kaiser noch das vom Konzil beschlossene Handelsverbot zwischen christlichen Staaten und muslimischen Handelspartnern, eine für Venedig ausgesprochen ungünstige Nachricht. Während die politische Situation sich zumindest für die von Dudum Sacrum II nichts ahnenden Beteiligten zunehmend verkomplizierte, bereite man in Basel die Feier des Weihnachtsfests vor. Gatari berichtete aber nicht nur von der prachtvollen Weihnachtsfeier, an der Sigismund in kaiserlichem Ornat teilnahm und während der zwei Messen gelesen wurden, wobei der Kaiser an der zweiten Feier in 331  ASVe,

Senato, Deliberazioni, Secreti, Registri, reg.  13, fol.  32r. Beide Schreiben stehen tatsächlich unmittelbar hintereinander. 332  RTA 11, Nr.  62 (20.12.1433), 124. 333  Diese Briefe sind ebenfalls gedruckt in RTA 11, Nr.  80 (21.12.1433), 160 f. 334  RTA 11, Nr.  63 (21.12.1433), 124.

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gewöhnlicher Festkleidung teilnahm und das Weihnachtsevangelium vorlas.335 Genauso interessant war für Gatari das Turnier, das am 18. Dezember mit einer Wappenschau begann und in zwei Etappen am 20. und 30. Dezember ausgetragen wurde.336 Er berichtet ausführlich von den prachtvoll geschmückten Pferden der insgesamt 24 Turnierteilnehmer und deren repräsentativer Turnierkleidung. Ähnliche Begeisterung ist der Beschreibung des auf das Turnier folgenden Tanzes anzumerken, „dove la comunità avia fato andare molte donne e damisele molto“.337 Über den Jahreswechsel 1433 auf 1434 in Basel notierte Gatari vermutlich nichts, wobei an dieser Stelle wohl einige Blätter des Berichts verloren gegangen sind. Danach folgt eine Beschreibung der Stadt Basel, ihrer Architektur und besonders ihrer Kirchen im Stil eines Städtelobs. Entsprechend den Gewohnheiten des Genres ist diese Beschreibung stark stilisiert und enthält nur wenige Hinweise zum Alltag in der Konzilsstadt. So beschreibt Gatari zum Beispiel die vor den Kirchen lagernden und um Almosen ­flehenden Bettler oder vermerkt, alle Einwohner Basels seien „todeschi“.338 Die spezifische Situation in der Stadt zur Zeit des Konzils und die durch die Kirchenversammlung angelockten Menschenmassen finden aber keine Erwähnung. Der Jahreswechsel brachte keine Pause in die diplomatischen Aufgaben der Venezianer in Basel. Schon am 2. Januar 1434 kündigte die Republik Pietro Donato und Capodilista die Rückkehr von Andrea Donato an, der gemeinsam mit Frederico Contareno nach Basel reiten sollte.339 Contareno wurde speziell dazu bevollmächtigt, gemeinsam mit Andrea Donato die Verhandlungen mit Sigismund über den Abschluss eines Friedensvertrages weiterzuführen. Weitere Instruktionen erteilte Venedig Contareno und Donato am 7. und 16. Januar 1434.340 Sie umfassten hauptsächlich Anweisungen zur Verhandlung mit Sigismund, deren Inhalt, Zeitpunkt und die möglichen Zugeständnisse Venedigs, die hauptsächlich finanzieller Art waren. Sie entsprachen weitgehend den ursprünglichen Instruktionen vom September 1433, die Andrea Donato und Capodilista vor ihrer ersten Reise erhalten hatten. Nicht fehlen dürften auch die üblichen Geschenke an Kaspar Schlick und Brunoro della Scala, sowie die nach wie vor ausstehende Auslieferung des Nürnbergers Hermann Reck an die Republik Venedig. Contareno und Donato reisten derweil in kleinen Etappen getrennt nach Norden, bis sie in Konstanz aufeinandertrafen.341 Diese mit Absicht verzögerte Reise erklärte sich aus der erwarteten Ankunft der päpstlichen Gesandten, die mit den neuen Bullen Eugens IV. ebenfalls auf dem Weg nach Basel waren und deren Eintreffen mit der Ankunft Donatos und Contarenos zusammenfallen sollte.342 Eine 335 

C.B. II (wie Anm.  262), 541. Tagebuch des Andrea Gatari (wie Anm.  235), 388. 337  Tagebuch des Andrea Gatari (wie Anm.  235), 389. 338  Tagebuch des Andrea Gatari (wie Anm.  235), 389. 339  ASVe, Senato, Deliberazioni, Secreti, Registri, reg.  13, fol.  36r. 340  RTA 11, Nr.  183 (7./16.1.1434), 339. 341  Tagebuch des Andrea Gatari (wie Anm.  235), LVII. 342  Tagebuch des Andrea Gatari (wie Anm.  235), LVII. 336 

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Woche später, am 22. Januar, beschloss Venedig weitere Instruktionen an die komplette Gesandtschaft, die den bereits abgereisten Gesandten Donato und Contareno hinterhergeschickt wurden. Darin erhielten sie Anweisungen für die Verhandlungen mit Sigismund zu einem gezielt gegen Mailand gerichteten Bündnis, aber keine Vollmacht zum Abschluss eines Vertrages ohne vorherige Rücksprache mit Venedig, selbst für den Fall nicht, dass es zu einer Annäherung zwischen Sigismund und Visconti kommen sollte.343 Eugen IV. wurde währenddessen weiterhin von den Einfällen der Mailänder Truppen bedrängt. In mehreren Briefen an Sigismund bat er um Unterstützung und betonte, dass er dem Konzil in allen geforderten Punkten entgegen­ gekommen sei.344 Die Bulle Dudum Sacrum II war aber zu diesem Zeitpunkt immer noch nicht in Basel eingetroffen, obwohl erste Gerüchte über ein Einlenken Eugens IV. sich zu verbreiten begannen.345 Am 29. Januar 1434 erreichten Andrea Donato und Frederico Contareno dann ­Basel. Gatari beschreibt ihren Einzug ausführlich.346 Der erste Begrüßungszug habe unter anderem aus dem Bischof Pietro Donato, dem Abt des Klosters S. Giustina di Padova, Ludovico Barbo, und Capodilista selbst bestanden. Die Gruppe sei den Ankommenden bis weit vor der Stadt entgegengeritten. Unmittelbar vor der Stadt selbst seien sie dann von einem noch größeren Zug begrüßt worden, angeführt vom Herzog von Bayern, Brunoro della Scala, dem Kanzler Kaspar Schlick und anderen Personen aus der Umgebung des Kaisers. Die Einholung der Gesandten wurde von Glocken­ geläut begleitet. Direkt am nächsten Tag wurde die nun wieder vollständige venezianische Gesandtschaft zu Sigismund bestellt, und Andrea Donato legte einen ausführlichen Bericht über seine Reise zu Eugen IV. vor. Als Lohn für seine Bemühungen erhielt er von Sigismund prächtige Kleider und eine Banderole. Die offizielle päpstliche Gesandtschaft, angeführt von Giovanni Berardi347, dem Erzbischof von Tarent, erreichte Basel am nächsten Tag. Gatari beschreibt ihren prachtvollen Empfang, der mit nicht weniger als 904 Reitern erfolgt sei.348 Die Rückkehr Donatos nach Basel wurde wenige Tage später, am 4. Februar 1434 mit einer Messfeier begangen, nach deren Ende Donato den versammelten Konzilsvätern seine Beglaubigungsschreiben vorlegte und anschließend eine kurze Ansprache hielt, wie Gatari besonders vermerkt 343 

RTA 11, Nr.  184 (22.1.1434), 344. 4. Januar 1434 und am 16. Januar 1434. Siehe RTA 11, Nr.  84 (4.1.1434), 164 und RTA 11, Nr.  86 (16.1.1434), 167. 345  Segovia (wie Anm.  270), Liber VI, Caput XLVIII, 561. 346  Tagebuch des Andrea Gatari (wie Anm.  235), 391. 347  Giovanni Berardi war auch als Giovanni di Tagliacozzo bekannt und entfernt mit der römischen Patrizierfamilie der Orsini verwandt. Berardi war seit 1421 Erzbischof von Tarent und bereits 1432 in Basel Gesandter Eugens IV. gewesen, wo er sich vor allem durch seine konzilskritische Haltung ausgezeichnet hatte. Vgl. Stieber, Eugen IV. and the Council (wie Anm.  209), 15 und 21. Zur Biographie Berardis Walter, Ingeborg, Art. Giovanni Berardi. DBI 8 (1966), 758–759. 348  Tagebuch des Andrea Gatari (wie Anm.  235), 392. 344  Am

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„per vulgarre“.349 Er berichtete vor allem von seiner Reise nach Rom und den damit verbundenen Gefahren, den erfolgreichen Verhandlungen mit Eugen IV. und seiner Rückkehr nach Basel. Daraufhin dankten die Konzilsväter ihm und Capodilista für den Einsatz der Republik Venedig in der Vermittlung des Kirchenstreites, und zum Abschluss der Feierlichkeiten führte eine Prozession durch die Stadt Basel. Noch eindrucksvoller wurde am nächsten Tag die offizielle Verkündung und Annahme der Bulle Dudum Sacrum II begangen.350 Gatari beschreibt die während der Messe anwesenden Konzilsteilnehmer und den daran anschließenden Vorgang der Verkündung, woraufhin die Menge mit „Placet“ geantwortet hätte und man das „Te Deum“ gesungen habe.351 Im Mittelpunkt von Gataris Bericht steht aber der sich daran anschließende Ritterschlag Capodilistas durch Sigismund.352 Er erhielt ein Paar ­Sporen von Matthäus Schlick, dem Bruder Kaspar Schlicks, und von Herzog Stefan von Bayern ein Schwert. Sigismund legte ihm ein als „veste imperiale“ bezeichnetes Kleidungsstück um. Weiter erhielt Capodilista ein weißes Band mit ­Orden, das er Samstags zu Ehren der Heiligen Jungfrau zur Messe tragen durfte und „la croceta con la serpe“.353 Gemeint ist damit der ungarische Drachenorden.354 Das wei349  Ebd., 393. Auch Segovia vermerkt die Nutzung der Volkssprache, wobei er spezifiziert, dass Donato venezianischen Dialekt sprach: „Post hec Andreas Donato, ex Venetis oratorum alter, in vulgari proposuit dominacionem Venetorum […]“. Segovia (wie Anm.  270), Liber VI, Caput XLIX, 562. Nach Haye diente die Betonung, dass eine bestimmte Person kein Latein sprechen konnte, auch gezielt der Abwertung von dessen Position. Während Segovia als Konzilsanhänger den venezianischen Gesandten durchaus kritisch gegenüber gestanden haben könnte, weist die Erwähnung bei dem der Gesandtschaft angehörigen Gatari darauf hin, dass Andrea Donato tatsächlich im italienisch-venezianischen Dialekt gesprochen haben könnte und es sich nicht nur um eine Diffamierung handelt. Siehe Haye, Thomas, Die lateinische Sprache als Medium mündlicher Diplomatie, in: Rainer C. Schwinges/Klaus Wriedt (Hg.), Gesandtschafts- und Botenwesen im spätmittelalterlichen Europa, Ostfildern 2013 (VuF 40), 15–32, hier 17. Grundsätzlich war aber die Verwendung der italienischen Sprache in einer zunehmend neutralen Ausprägung in der Kommunikation zwischen italienschen Mächten zunehmend üblich. Vgl. Lazzarini, Isabella, Communication and Conflict. Italian Diplomacy in the Early Renaissance 1350–1520, Oxford 2015 (Oxford Studies in Medieval European History), 242. 350  Ausführlich mit Wortlaut der Bulle Dudum Sacrum II bei Segovia (wie Anm.  270), Liber VI, Caput L, 564 f. 351  Zum Ablauf einer solchen „sessio generalis“ siehe Dendorfer, Jürgen, Inszenierung von Entscheidungsfindung auf den Konzilien des 15. Jahrhunderts. Zum Zeremoniell der sessio generalis auf dem Basler Konzil, in: Jörg Pletzer/Gerald Schwedler/Paul Töbelmann (Hg.), Politische Versammlungen und ihre Rituale. Repräsentationsformen und Entscheidungsprozesse des Reichs und der Kirche im späten Mittelalter, Ostfildern 2009, 37–53, hier 37. 352  Böninger, Die Ritterwürde in Mittelitalien (wie Anm.  243), 105 und 111. Nach Böninger erhielt Capodilista bereits mit dem Ritterschlag die Möglichkeit zur Ernennung von Doktoren, Richter und Notaren und die Fähigkeit zur Legitimation unehelicher Kinder, die eigentlich der erst im April erfolgten Ernennung zum Hofpfalzgrafen zugeordnet sind. 353  Tagebuch des Andrea Gatari (wie Anm.  235), 394. 354  Der Drachenorden, auch Orden der Gesellschaft des Drachen, war eine von Sigismund 1408 gegründete ritterliche Gesellschaft, die vornehmlich der Festigung des Thronanspruches

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ße Band mit dem daran angebrachten Drachen ist auch deutlich auf dem Reiterporträt Capodilistas im Capodilista-Codex zu erkennen (Abb. 5).355 Der dargestellte Drache hängt von einem an der Schärpe festgesteckten Kreuz, eine seltenere Form des ­Ordens, der sonst nur aus dem Drachen an sich bestand.356 Gleichzeitig erhielt er von Sigismund den auf der Schärpe ebenfalls zu erkennenden aragonesischen Kannen­ orden.357 Neben den materiellen Kennzeichen seiner neuen Würde erhielt Capodilista an diesem Tag auch noch die Devise Sigismunds verliehen. Das an diesem Tag auch Andrea Donato für seinen Einsatz zur Vermittlung zwischen Konzil und Papst von Sigismund geehrt wurde, wird von Gatari nicht erwähnt. Tatsächlich erhielt der bereits 1433 in Rom für seine Vermittlung zwischen König und Papst zum Ritter ernannte Donato eine umfangreiche Bestätigung seiner Privilegien.358 Die zweite Phase: Bündnisverhandlungen zwischen Sigismund und der Republik bis zur Abreise des Kaisers im Mai 1434 In Venedig wurden die Publikation der Bulle Dudum Sacrum II auf dem Konzil wie zu erwarten begrüßt. Am 19. Februar 1434 vermeldete die Serenissima ihren Gesandten in Basel, sie hätten Informationen über die positive Aufnahme der päpstlichen Bulle erhalten.359 Dennoch wurden die Gesandten angewiesen, weiter zugunsten des Papstes auf das Konzil einzuwirken. Vor allem sollten sie einen neuen Plan der Republik vertreten, nach dem das Konzil am geschicktesten durch die Abwanderung der Kardinäle geschwächt werden sollte. Venedig bot dabei Unterstützung für die Reise von Basel nach Rom an. Weiter erhielten die Gesandten Anweisungen zum Umgang mit dem Herzog von Mailand und Ludwig von Teck, dem Patriarchen von Aquileia. Der Frieden zwischen Papst und Konzil schien nur von überraschend kurzer D ­ auer. Gleichzeitig mit dem Erlass von Dudum Sacrum II hatte Eugen IV. neue Präsidenten zum Vorsitz über das Konzil bestellt: die vier Kardinäle Guiliano Cesarini, Pierre de Foix, Niccolò Albergati und Angelotto de Foschi, von denen allerdings nicht alle nach Basel reisen konnten. Die fehlenden Kardinäle sollten durch die päpstlichen des Luxemburgers diente und als Gegengesellschaft zum St. Georgsorden fungierte. Beide Orden trugen ähnliche Abzeichen, zumal der Drache des Drachenordens häufig mit einem Georgs­ kreuz verbunden wurde. Zur Geschichte des Drachenordens siehe Boulton, D’Arcy, The Knights of the Crown. The Monarchical Orders of Knighthood in Later Medieval Europe 1325–1520, Woodbridge 1987, 349 f. 355  B.P. 954, fol.  32r. 356  Boulton, The Knights of the Crown (wie Anm.  354), 355. 357  Zur Entwicklung des erst seit Beginn des 15. Jahrhunderts bestehenden Kannenordens des Hauses Aragon und der Praxis der Verleihung des Ordens durch Sigismund siehe siehe Boulton, The Knights of the Crown (wie Anm.  354), 332. 358  Vgl. die Anmerkungen Coggiolas im Tagebuch des Andrea Gatari (wie Anm.  235), 436. 359  ASVe, Senato, Deliberazioni, Secreti, Registri, reg.  13, fol.  47r. Bei diesen Informationen handelt es sich wohl um einen Brief um 6. Februar aus Basel. Vgl. auch die Zusammenfassung des Schreibens in RTA 11, Nr.  183 (1/16. Januar 1434), 343, Anm.  1.

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Repräsentanten in Basel ersetzt werden, namentlich den Kopf der bereits anwesenden Delegation, den Erzbischof von Tarent, Giovanni Berardi.360 Wie kaum anders zu erwarten, entwickelte sich über die Frage nach der Zulassung dieser päpstlich ernannten Präsidenten ein erneuter Konflikt, der aber diesmal auch das Konzil in verschiedene Lager spaltete. Dementsprechend entstand viel Redepotential im rhetorisch ambitionierten Basel und die Auseinandersetzungen und Debatten zogen sich bis weit in den Mai 1434 hinein. Sigismund übernahm dabei wieder die Position ­eines Vermittlers, favorisierte aber als Entgegenkommen des Konzils für Dudum Sacrum II die Annahme der päpstlichen Präsidenten.361 In Gesprächen um den 4. März erreichte der Kaiser nach langen Verhandlungen, in denen die Venezianer erneut die Rolle der Sprecher übernahmen, einen Kompromiss zwischen dem Konzil und den päpstlichen Gesandten. Er sah einen Eid vor, der die päpstlichen Gesandten in das Konzil inkorporierte und ihre Handlungsspielräume eingrenzte, was am 26. April 1434 in einer feierlichen Generalsession umgesetzt wurde.362 Dass spätestens seit der Ankunft von Andrea Donato und Frederico Contareno im Hintergrund des Konzilsgeschehens die Verhandlungen zwischen den venezianischen Gesandten und Sigismund intensiv weitergeführt wurden, zeigt ein Schreiben Venedigs vom 8. März, in dem Contareno und seine Gefährten vor einem übereilten Vertragsschluss dringend gewarnt werden.363 Als Hauptargument wurden wieder die Kosten des Krieges aufgeführt, der zum Gewinn der umstrittenen Territorien nötig war. Vor allem sollten keine Zugeständnisse an Land und Städten gemacht werden, insbesondere nicht gegenüber Brunoro della Scala. Als Lockmittel stand den Gesandten Geld zur Verfügung, im Falle della Scalas beispielsweise die Aussicht auf eine jährliche Zahlung von 1000 Dukaten (Fl.).364 Zuletzt wurden sie noch gemahnt, sich im Zweifelsfall genau an den Wortlaut ihrer Instruktionen zu halten. Vergleicht man die vorherigen Anweisungen Venedigs in der Vermittlung zwischen dem Konzil und Eugen IV. mit den Instruktionen für die Verhandlungen mit Sigismund, wird der wesentlich stärker eingeschränkte Handlungsspielraum der Gesandten in letzterer Frage deutlich. Immer wieder ermahnt die Republik ihre Gesandten, sich möglichst genau an ihre Anweisungen zu halten und im Zweifel wörtlich den ausführlichen Instruk­ tionen zu folgen.

360  Segovia (wie Anm.  270), Liber VII, Caput XIII, 604f, ausführlich Decaluwé, A successful defeat (wie Anm.  212), 152 f. 361 Decaluwé, A successful defeat (wie Anm.  212), 162. 362  Für die Verhandlungen und die verschiedenen Meinungslager in Basel vgl. Decaluwé, A successful defeat (wie Anm.  212), 160 f. Zum Text des Dekrets siehe Conciliorum Oeconomi­ corum Decreta. Band  2: Konzilien des Mittelalters. Vom ersten Laterankonzil (1123) bis zum fünften Laterankonzil (1512–1517), ed. v. Josef Wohlmuth, Paderborn 32000, 476. 363  RTA 11, Nr.  185 (8.3.1434), 346 f. 364  RTA 11, Nr.  185 (8.3.1434), 348.

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Die intensiven Verhandlungen machten schnell erste Fortschritte. Ab Mitte März 1434365 bis zum Beginn des Aprils entstand ein erster Vorentwurf über einen Bündnisvertrag zwischen Sigismund und Venedig, zunächst in Basel entworfen und dann in Venedig revidiert.366 Streitpunkte waren unter anderem die Anzahl der von Sigismund und Venedig zur Verfügung gestellten Truppen und die Dauer des Bündnisses auf Basis des 1433 geschlossenen Waffenstillstandes. Auch die mögliche Beteiligung von Florenz wurde debattiert. Selbst die Rückgabe der von Mailand besetzten päpstlichen Gebiete an Eugen IV. war Bestandteil des Vertragsentwurfs.367 Vorsichtig ausgespart wurde die Frage nach den dalmatischen Gebieten, deren Preisgabe den Gesandten in ihren Instruktionen immer wieder aufs schärfste verboten wurde. Stattdessen wurde eine Belehnung Venedigs mit „omnibus terris et locis, quas et que tenet de imperio“ gefordert, was sich auf Gebiete in Oberitalien bezog.368 Venedig beschränkte sich dabei auf den Bereich östlich der Adda, besonders aber auf die Städte Lodi und Trezzo in unmittelbarer Nähe zu Mailand.369 Obwohl diesem revidierten Vertragsentwurf noch einige weitere folgten, kam es im Frühjahr 1434 zu keinem Vertragsabschluss. Gatari erwähnte in dieser Zeit keine der Verhandlungen, beschrieb aber in gewohnter Weise das Kommen und Gehen in Basel. Auch ein im März abgehaltenes Turnier faszinierte ihn, sowohl durch die aufwändige Pracht der Reiter als auch durch die an die Wettbewerbe anschließenden Festlichkeiten mit Tanz und geschmückten Damen.370 Neben diesem Ereignis notierte Gatari die Einzüge besonders repräsentativer Gesandtschaften in Basel, beispielsweise die Ankunft der Gesandten des Königs von Frankreich, die Basel am 4. März 1434 mit nicht weniger als hundert Pferden erreicht hätten.371 Besondere Aufmerksamkeit erhält bei Gatari dann Anfang März eine Begegnung der Venezianer mit dem englischen Gesandten. Dieser habe Nardo geheißen und sei nicht weniger als 100 Jahre alt gewesen. Laut Gatari hielt er sich schon einige Zeit in Basel auf, bevor er am 7. März nach der Messe mit den venezianischen Gesandten in der Sakristei der Kirche zurückblieb und nach einer kurzen Ansprache erst Donato und dann Capodilista ein „collane“ verlieh.372 Daraufhin versicherten beide Gesandten ihm ihre Ergebenheit gegenüber seinem König und dankten dann Sigismund, dessen tatsächliche An- oder Abwesenheit aus Gataris wenig geordneter Er365  Die mit den revidierten Bündnisartikeln verfassten Instruktionen für die Gesandten beziehen sich auf ein Schreiben vom 15. März 1434. Vgl. ASVe, Senato, Deliberazioni, Secreti, Registri, reg.  13, fol.  60v, gedruckt in RTA 11, Nr.  186 (2.4.1434), 349. 366 Die venezianische Redaktion des Bündnisvertrages in ASVe, Senato, Deliberazioni, Secreti, Registri, reg.  13, fol.  61rf., gedruckt in RTA 11, Nr.  187 (2.4.1434), 350 f. 367  Vgl. RTA 11, Nr.  187 (2.4.1434), 351. 368  Vgl. ebd., 352, Anm.  7. 369  Zusammenfassend zur venezianischen Politik im Frühjahr 1434 vgl. u. a. Romano, The Likeness of Venice (wie Anm.  70), 124. 370  Tagebuch des Andrea Gatari (wie Anm.  235), 394 f. 371  Tagebuch des Andrea Gatari (wie Anm.  235), 395. 372  Tagebuch des Andrea Gatari (wie Anm.  235), 395.

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zählung nicht deutlich wird. Um welche Form der Auszeichnung es sich bei dem verliehenen „collane“ handelt ist dagegen schnell aufgeschlüsselt: auf seinem Portrait im Capodilista-Kodex trägt Giovan Francesco das Collar of Esses, auch als ­Lancastrian Collar bekannt (Abb. 5).373 Die Identifizierung des genannten Gesandten Nardo bereitet allerdings Schwierigkeiten, da die englische Gesandtschaft in Basel im März 1434 stark geschrumpft und politisch unbedeutend war. Erst Ende Mai 1434 wurde eine neue Gesandtschaft für Basel akkreditiert.374 Die vorherigen Diplomaten waren bereits im Dezember 1432 nach Basel geschickt worden, erreichten die Stadt aber erst im Februar 1433.375 Sie bestand neben dem Bischof Thomas von Worcester und dem Prior von Norwich noch aus dem Magister Thomas Brouns und dem Erz­ diakon Wilton.376 In Basel erfuhren die Diplomaten durch ihre dem Konzil wenig entgegenkommende Politik zunächst hauptsächlich Ablehnung: Die Gesandtschaft verweigerte den Inkorporationseid und kritisierte heftig sowohl das Konzilsystem als auch den in ihren Augen zu entgegenkommenden Umgang des Konzils mit den Gesandten der Hussiten, unter denen sich auch ein Anhänger Wycliffs befand.377 Nachdem im August 1433 mit dem Tod des Bischofs von Worcester der Anführer der Gesandten überraschend starb, verlor die Gesandtschaft zunehmend an politischem Profil. Zudem löste der Tod des Bischofs einen Streit um die Besetzung seines Bistums mit einem geeigneten Nachfolger zwischen Eugen IV. und dem englischen ­König Henry VI. aus. Keines der Mitglieder der englischen Gesandtschaft zu diesem Zeitpunkt trägt den von Gatari als Nardo angegebenen Namen. Auch ist von keinem der Gesandten ein außergewöhnlich hohes Alter überliefert. Als möglicher Kandidat für eine Zuordnung käme aber der Bischof von Lodi in Frage, Gerardo Landriani. Der aus Mailand stammende juristisch gebildete Humanist war 1432 als Gesandter des Konzils mehrfach bei Henry VI. gewesen und hatte in England gute Aufnahme gefunden.378 Auch sein Name könnte in der Abwandlung 373  B.P. 954, fol.  32r. Zur Bedeutung des Collar of Esses als ein Loyalitätssymbol der Familie Lancaster siehe Fletcher, Doris, The Lancastrian Collar of Esses: Its Origins and Transformations down the Centuries, in: James Gillespie (Hg.), The Age of Richard II, Stroud 1997, 191–204. 374  Zur Rolle Englands auf dem Basler Konzil gib es wenig Literatur, deswegen nach wie vor Zellfelder, Anton: England und das Basler Konzil. Mit einem Urkundenanhang, Berlin 1913 (Historische Studien 113). Als kurzen Überblick mit einer guten Zusammenfassung der Literatur Helmrath, Das Basler Konzil (wie Anm.  203), 227 ff. Das Eintreffen der neuen englischen Gesandtschaft und deren feierlichen Einzug am Konzil berichtet Segovia am 25. August 1434. Dabei werden auch die Gesandten Venedigs als anwesend vermerkt. Siehe Segovia (wie Anm.  270), Liber VIII, Caput XXVIII, 726. 375  Zellfelder, England und das Basler Konzil (wie Anm.  374), 62 f. 376  Zellfelder bezeichnet die Gesandtschaft als „dürftig“. Ebd., 62. 377  Peter Payne, ein in Oxford studierter Engländer. Vgl. Zellfelder, England und das Basler Konzil (wie Anm.  374), 67 f. 378  Zur Gesandtschaft Landrianis nach England siehe Zellfelder, England und das Basler Konzil (wie Anm.  374), 51.

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durch Gataris venezianischen Dialekt zu der Person des Nardo passen. Allerdings war Landriani schon seit Oktober 1433 wieder in Basel und blieb nur bis Mai 1434 dort. Das Gatari ihn als Gesandten des englischen Königs aufgefasst haben könnte bleibt unwahrscheinlich, denn von einem Auftrag Landrianis durch Henry VI. ist nichts bekannt. Auch die Verballhornung ausgerechnet des Namens eines italienischen Landsmanns ist nicht naheliegend. Genausowenig passt das von Gatari betonte außergewöhnlich hohe Alter zu Landriani, der in den letzten Jahren des 14. Jahrhunderts geboren wurde und damit etwa so alt wie Capodilista selbst gewesen sein musste. Die Identität des englischen Gesandten Nardo bleibt damit vorerst ungeklärt. Möglicherweise handelt es sich um einen Sondergesandten des englischen Königs, dessen Anwesenheit in Basel sonst keinen Niederschlag in den Quellen gefunden hat. Auch ob er, wie Gatari schrieb, nur die zwei an die venezianischen Gesandten übergebenen Collar of Esses verlieh, muss ungeklärt bleiben. Die Abrechnungen des englischen Königshauses verzeichnen für den 14. April 1434 aber eine Zahlungsaufforderung an den Keeper of the King’s jewels, der mindestens 6 goldene und 24 silberne Ketten sowie weitere aus Bronze geliefert hatte, die an den Kaiser geschickt wurden, um sie unter den Einwohnern der Stadt Basel und anderen Rittern und Edelleuten nach dem Urteil des Kaisers zu verteilen.379 Mit Sicherheit stammte Capodilistas Collar of Esses aus diesem Bestand. Für die Verleihung der Kette durch einen nicht der ursprünglichen Gesandtschaft angehörigen Sonderbotschafter und möglicher­ weise den in der Rechnung als Adressaten vermerkten Sigismund selbst spricht auch, dass die Auszahlungsanordnung vom April 1434 stammt, aber auf eine bereits geschehene Transaktion hinweist. Damit ist es unwahrscheinlich, dass die Ketten erst von der im Mai 1434 abgehenden englischen Gesandtschaft nach Basel gebracht wurden. Leider erwähnt Gatari nicht, aus welchem Material das Collar of Esses Capodilistas gefertigt wurde. Auf dem Reiterportrait im Capodilista-Codex ist es aber mit Blattgold verziert dargestellt, was auf eine Ausführung der auf ein Band aufgebrachten S in Gold hinweist. Möglicherweise hatte Capodilista keine durchgehende Kette erhalten, sondern ein Halsband aus Leder oder Seide, auf dem die metallenen Buchstaben angebracht wurden. Diese Form war eine verbreitete Ausführung des Collar zur Zeit Henrys VI., die besonders über Rüstungen getragen wurde.380 Der gut erkennbare Ring am Ende der Kette diente der Anbringung eines Anhängers, beispielsweise eines Familienabzeichens oder eines religiösen Symbols. Bildliche Darstellungen des Collar of Esses vor der Mitte des 15. Jahrhunderts sind ausgesprochen selten. Lediglich einige Grabdenkmäler dokumentieren den Gebrauch der Kette im englischen Adel. Damit handelt es sich bei der Darstellung Capodilistas mit dem 379  Issues of the Exchequer, being a collection of payments made out of His Majesty’s revenue from King Henry III. to King Henry VI inclusive, ed. v. Frederick Devon, London 1837, 424. Für zahlreiche Hinweise zu den Collar of Esses danke ich Dr. Sharon Adams (Edinburgh/ Freiburg). 380  Zu den unterschiedlichen Ausführungen des Collar vgl. Fletcher, The Lancastrian Collar of Esses (wie Anm.  373), 194 f.

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Collar im Capodilista-Codex möglicherweise um eine der frühsten bildlichen Darstellungen der Kette in einem nicht-englischen Kontext überhaupt. Erst einige Jahre später verbreite sich das Collar of Esses weiter, vor allem nachdem 1436 die Gon­zaga von Mantua mit der Kette ausgezeichnet wurden und zusätzlich die Erlaubnis erhielten, weitere 50 Ketten unter ihren Gefolgsleuten zu verteilen.381 Es entwickelte sich zur Auszeichnung für Adlige, erfolgreiche Diplomaten und durch herausragende Taten besonders im militärischen Kontext hervorgetretene Personen. Das weitere Schicksal des Collar Capodilistas ist nicht bekannt, und auch über die Kette, die Andrea Donato erhalten hatte, gibt es keine Aufzeichnungen. Neben solchen bemerkenswerten Ereignissen notierte Gatari für den März und April 1434 vor allem eine Anzahl an Einzügen verschiedener Gesandter und hoch­ rangiger Geistlicher, darunter der Bischöfe von Trier, Passau, Metz und Freising. Daneben vermerkte er den Tod der Kardinäle von S. Eustachio und Alexandria. Die Verhandlungen um die Akzeptanz der päpstlichen Präsidenten vor dem Konzil tauchen immer wieder am Rand seiner Notizen auf, besonders Ende März, als Capodilista als Vertreter der päpstlichen Partei an Diskussionen in den einzelnen Deputa­ tionen als Redner in Erscheinung trat.382 Auch den Vertrag zwischen Eugen IV. und Francesco Sforza als päpstlichen Condottiere Anfang April vermerkte Gatari und ­zitierte das an die venezianische Gesandtschaft vermittelte Dokument als eines der wenigen innerhalb seines Berichts wörtlich.383 Diese spezifisch militärische Unterstützung war für Eugen IV. dringend nötig, denn am 25. März hatte er vor den vor­ rückenden Truppen Viscontis bereits die Mark Ancona aufgeben müssen.384 Bemerkenswerterweise enthält Gataris Bericht keine Notizen über die am 6. April 1434385 stattgefundenen Ernennung Capodilistas zum Hofpfalzgraf durch Sigismund. Der neue Rang Capodilistas erlaubte ihm die Legitimation von unehelich geborenen Kindern, die Verleihung des Doktorgrades und die Ernennung von Notaren. Das Amt des lateranensischen Pfalzgrafen war eine von Sigismund häufig und mit Vorliebe an Italiener verliehene Würde.386 Capodilista erhielt die häufigste Form des sogenannten „kleinen Palatinats“, eine Form des Amtes, die nicht vererbbar war. Als Grund für die Auszeichnung wird in den Urkunden ausdrücklich der Einsatz der Gesandten für die Vermittlung zwischen Konzil und Papst angegeben. Grundsätzlich stellte die Verleihung von Titeln wie dem Palatinat aber auch immer die Möglichkeit für den Herrscher dar, den auf diese Weise Ausgezeichneten weiter an sich zu binden. Im Falle Venedigs war dieser Mechanismus vor allem für die anstehenden Bündnisverhandlungen sicherlich nicht ohne Bedeutung, zumal Andrea Donato das Palatinat bereits nach den 381 Fletcher,

The Lancastrian Collar of Esses (wie Anm.  373), 200. Tagebuch des Andrea Gatari (wie Anm.  235), 398. 383 Vgl. Tagebuch des Andrea Gatari (wie Anm.  235), 399. 384  Hoensch, Kaiser Sigismund (wie Anm.  177), 413. 385  RI XI, Nr.  10218. 386  Zur Bedeutung des Amts des Hofpfalzgrafen bei Sigismund und seiner häufigen Verleihung an Italiener siehe Beinhoff, Die Italiener am Hof Kaiser Sigismunds (wie Anm.  166), 20 f. 382 

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Verhandlungen in Rom 1433 erhalten hatte. Dass Capodilista die ihm verliehene Würde mehrfach nutzte, beweisen Notizen zur Ernennung von zwei Notaren 1435 in Basel auf den ersten Seiten des Capodilista-Kodex. Dazu kommen spätere Notariats­ protokolle aus der Zeit nach Capodilistas Rückkehr nach Padua ab 1442.387 Das der Capodilista-­Kodex unmittelbar mit der Ernennung von Antonio Bruges zum Notar am 17. Februar 1435 beginnt, verdeutlich den hohen Stellenwert des Palatinats für Capodilista. Umso mehr erstaunt es, dass es im Tagebuch Gataris nicht erwähnt wird. Erst von der offiziellen Verkündung der Akzeptanz der päpstlichen Präsidenten Ende April 1434 durch das Konzil in der XVII. Generalsession berichtet Gatari wieder, wenn auch unter dem falschen Datum.388 Dafür beschreibt er, wie so oft vom rituell festgelegten Ablauf der Sitzungen fasziniert, Sigismunds Ornat und den Ablauf der Zeremonie, der ähnlich wie die Annahme der päpstlichen Bulle Dudum Sacrum II konstruiert war. Kurz danach übergeht Gatari allerdings ein Ereignis, das die Politik der Venezianer in Basel grundlegend veränderte: Die Abreise Sigismunds am 13. Mai 1434.389 Warum genau Sigismund das Konzil nach nur siebenmonatigem Aufenthalt „fluchtartig“390 verließ, ist nach wie vor nicht gesichert. Zu vermuten bleibt die Enttäuschung des Kaisers über die zunehmende Abwendung der Konzilsväter von seiner vermittelnden Politik und der nach wie vor antipäpstlichen Linie eines Großteils der Basler Kleriker. Die intensiv betriebene Vermittlung zwischen Konzil und Papst war seit Sigismunds Ankunft in Basel im Oktober 1433 ein grundlegendes Element seiner Konzilspolitik. Im Gegensatz zum Konstanzer Konzil fällt aber das geringere Gewicht auf, das seine Stimme auf der Kirchenversammlung besaß. Zwar erreichte Sigismund bei fast allen Verhandlungen letztendlich sein gewünschtes Ziel, aber immer nur nach wochenlangen Verhandlungen und Konzessionen zugunsten der Konzilsväter. Neben der Konzilspolitik hatte Sigismund aber in Basel noch eine Vielzahl weiterer politischer Schauplätze abgearbeitet: eine Reichsversammlung391, die erst zum 30. November 1433 und dann erfolgreicher nochmals zum 6. Januar 1434 nach Basel einberufen wurde, die Verhandlungen mit den Hussiten, und zahlreiche andere außenpolitische Angelegenheiten beschäftigten den Kai387 

B.P. 954, fol.  1v. Zur späteren Nutzung der Privilegien durch Capodilista siehe Forin Martellozzo, Conti palatini (wie Anm.  8), 79–119. 388  Gatari nennt den 23. April statt dem 26. April. Tagebuch des Andrea Gatari (wie Anm.  235), 400. 389  Hoensch datiert die Abreise Sigismunds auf den 13. Mai. Hoensch, Kaiser Sigismund (wie Anm.  177), 629. Niero hingegen spricht vom 14. Mai 1434. Niero, L’azione veneziana (wie Anm.  185), 29. 390  So Helmrath, Das Basler Konzil (wie Anm.  203), 288. 391  Da sich der Begriff des „Reichstages“ erst ab dem Ende des 15. Jahrhunderts durchsetzen sollte, wird hier der offenere Begriff der Reichsversammlung für die politischen Tagsatzungen des Reiches gewählt. Zur Begriffsgenese siehe Annas, Gabriele, Hoftag – Gemeiner Tag – Reichstag. Studien zur strukturellen Entwicklung deutscher Reichsversammlungen des späten Mittelalters (1349–1471). Band  1, Göttingen 2004 (Schriftenreihe der historischen Kommis­ sion bei der Bayrischen Akademie der Wissenschaften 68), 123 f.

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ser während seiner Zeit in Basel.392 Dazu waren trotz reichhaltiger Geldgeschenke unterschiedlicher Herkunft, darunter größere Summen Venedigs, die Kassen des Kaisers so stark geleert, dass er bei der Abreise aus Basel unter anderem seine Krone verpfänden musste.393 Die Geldnot des Kaisers war in Venedig bekannt, und in fast allen Schreiben an die Gesandten in Basel berücksichtigt gewesen. Auch die Begleiter Sigismunds, allen voran der Kanzler Kaspar Schlick und Brunoro della Scala, waren von Venedig häufig mit Geldsummen zur Zusammenarbeit angeregt worden. Zu spät aber erfuhr man diesmal von der Abreise des Kaisers: der Bericht der Gesandten vom 6. Mai traf zu spät im Senat ein, und erst am 17. Mai informierte die Republik den Papst darüber, dass sie Sigismund weitere finanzielle Mittel zum Verbleib in Basel zur Verfügung stellen könnte.394 Zu diesem Zeitpunkt war der Kaiser aber längst abgereist und befand sich in schon in Baden.395 Neue Instruktionen für die veränderte Situation erhielten die Gesandten in Basel erst mit einem Schreiben vom 21. Mai.396 Darin bekamen sie neue Detailanweisungen für die Bündnisverhandlungen mit Sigismund, unter anderen in Bezug auf die zu versprechenden Truppen und die genauen Gebiete, die Venedig unter allen Umständen im Falle ihrer Eroberung als Territorium erhalten wollte. Zuletzt wurde Andrea Donato befohlen, Sigismund nachzureisen und nach Möglichkeit die Verhandlungen weiterzuführen. Zunächst sollte er dem Kaiser bis nach Baden, wenn es nötig wäre aber auch nach Ulm folgen. Nur für den Fall, dass Sigismunds nach Ungarn reiste, wurde Donato zur Rückkehr nach Basel instruiert. Die Kommunikation mit Venedig musste dabei von Donato unter allen Umständen aufrechterhalten und die Republik stets über alle Vorgänge gründlich informiert werden. Auffällig ist an dieser Stelle die alleinige Nennung Donatos in den Anweisungen aus Venedig. Der eigentlich für die Unterhandlungen nach Basel geschickte Frederico Contareno wurde nicht erwähnt.397 Stattdessen nahmen die Verhandlungen mit dem Patriarchen von Aquileia, Ludwig von Teck, einen großen Raum ein, die gerade vor dem Konzil begannen und vor allem Capodilista als Jurist der Gesandtschaft beschäftigten.

392 

Zu Sigismunds Arbeitsbelastung in Basel und den zahlreichen politischen Konflikten siehe ausführlich Hoensch, Kaiser Sigismund (wie Anm.  177), 408 ff. 393  Vgl. ebd., 427. 394  Siehe RTA 11, Nr.  192 (21.5.1434), 359, Anm.  1. 395  Zum Itinerar Sigismunds für die Zeit bis Ende 1434 vgl. Hoensch, Kaiser Sigismund (wie Anm.  177), 629. 396  ASVe, Senato, Deliberazioni, Secreti, Registri, reg.  13, fol.  72r., gedruckt in RTA 11, Nr.  192 (21.5.1434), 357 ff. 397  In einer erneuten offiziellen Bevollmächtigung der Gesandten zu Verhandlungen mit ­Sigismund vom Januar 1435 wird Contareno allerdings wieder an erster Stelle genannt. Siehe ASVe, Senato, Deliberazioni, Secreti, Registri, reg.  13, fol.  135r.

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Die Causa Aquileia vor dem Basler Konzil: Die dritte Phase der Gesandtschaft bis zur Abreise im Dezember 1435 Erste Vorverhandlungen in der Causa Aquileia hatte es schon im Dezember 1433 gegeben.398 Das Konzil hatte sich seit seiner Etablierung zunehmend als Schieds­ instanz für rechtliche Streitigkeiten definiert, und entwickelte in seiner ausgeprägten Bürokratie eine der päpstlichen Sacra Romana Rota ähnliche judikative Struktur.399 Daneben strebte das Konzil auch eine legislative Funktion an, wie sie den großen Konzilien in den ersten Jahrhunderten der kirchlichen Entwicklung zu Eigen gewesen war und auch in Konstanz eine wichtige Rolle gespielt hatte.400 Zunächst fungierte das Konzil vor allem als Appellationsinstanz, sowohl in Bezug auf die bischöfliche Gerichtsbarkeit als auch um Urteile der päpstlichen Rota anzufechten. Urteile, mit Ausnahme von solchen in Glaubensfragen, wurde von drei ausgewählten Bischöfen gefällt, und der Jurisdiktionsbereich des Gerichts erstreckte sich auf alle inkorporierten Mitglieder des Konzils.401 Daneben entstanden noch andere Gerichtsinstanzen für spezifische Glaubensfälle. Hochrangige Verfahren, insbesondere die causae maio­res, in denen Bischöfe und andere höhere geistliche Würdenträger als Ankläger oder Beklagte auftraten, wurden in der Generalkongregation oder den vier Konzilsdeputationen verhandelt und danach wenn nötig an die Richter der Konzilsrota abgegeben.402 Im Laufe seiner Existenz entwickelte das Konzil sich dann zunehmend als Gerichtsinstanz mit ausgedehntem Einzugsbereich, der sich mit dem Herkunfts­ bereich der Konzilsteilnehmer weitestgehend deckte.403 Jeder Prozess konnte über 398 

Sudmann, Stefan, Das Basler Konzil. Synodale Praxis zwischen Routine und Revolu­ tion, Frankfurt am Main 2005 (Tradtion, Reform, Innovation 8), 150. 399  Siehe als Überblick über die Struktur der Rota die Einleitung bei Gilomen, Hans-Jörg, Die Rotamanualien des Basler Konzils. Verzeichnis der in den Handschriften der Basler Universitätsbibliothek behandelten Rechtsfälle, Tübingen 1998, XVf. Zur Bezeichnung Sacra Romana Rota, die ab dem 15. Jahrhundert üblich wurde, siehe Dolezalek, Gero, Rechtsprechung der Sacra Romana Rota – unter besonderer Berücksichtigung der Rotamanualien des Basler Konzils, in: Martin Bertram (Hg.), Stagnation oder Fortbildung? Aspekte des allgemeinen Kirchenrechts im 14. und 15. Jahrhundert, Tübingen 2005, 133–157, hier 134. 400  Rosenblieh, Èmilie, Lawyers and Legal Proceedings in the Council, in: Michiel Decaluwé/­ Thomas M. Izbicki/Gerald Christianson (Hg.), Companion to the Council of Basel, Leiden/ Boston 2017 (Brill’s Companions to the Christian Tradition), 229–253, hier 230, und Meuthen, Erich, Rota und Rotamanuale des Basler Konzils. Mit Notizen über den Rotanotar Johannes Wydenroyd aus Köln, in: Erwin Gatz (Hg.), Römische Kurie. Kirchliche Finanzen. Vatikanisches Archiv. Studien zu Ehren von Hermann Hobwerg. Erster Teil. Rom 1979, 473–518, hier 473. 401  Nach dem Beschluss der 5. Generalsession am 9. August 1432, Ne inter nos, entstand damit eine spezifische Gerichtsbarkeit in direkter Konkurrenz zur päpstlichen Rechtshoheit. Siehe Rosenblieh, Lawyers and Legal Proceedings (wie Anm.  400), 233. Zur Jurisdiktion auch immer noch Lazarus, Paul, Das Basler Konzil. Seine Berufung und Leitung, seine Gliederung und seine Behördenorganisation, Berlin 1912 (Historische Studien 100), 273. 402  Meuthen, Rota und Rotamanualien (wie Anm.  400), 479. 403  Rosenblieh, Lawyers and Legal Proceedings (wie Anm.  400), 233.

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drei Instanzen geführt und durch Appellationen verzögert werden, was zu teilweise zu sehr langen Verhandlungen und stark verzögerten Urteilen führte.404 Auch in den Gerichtsverhandlungen und Prozessen zeigte sich aber die grundlegende Tendenz des Konzils, zunächst eher die Vermittlung zwischen den Parteien mit dem Ziel der concordia anzustreben, als auf eine tatsächliche Rechtsprechung im Sinne der Schaffung von iustitia hinzuarbeiten.405 Auch in der Streitigkeit zwischen Ludwig von Teck und Venedig sollten die eingesetzten Richter lange dieser zentralen Leitidee folgen. Als causa maior wurde der Prozess von der gesamten Konzilkongregation entschieden, nachdem er über mehrere Instanzen hinweg vor verschiedenen Organen disputiert worden war. Offiziell begann der Prozess gegen Venedig vor dem Basler Konzil am 20. April 1434 mit einer Anzeige des Generalvikars von Mainz als Prokurator406 Ludwig von Tecks.407 Daraufhin wurde ein Ausschuss gebildet, der sich mit den Vorwürfen befassen sollte, bestehend aus dem Erzbischof von Tours, Philippe de Coëtquis, und drei Bischöfen: dem Bischof von Digne Pierre de Versailles, dem Bischof von Genf François de Metz, und dem Bischof von Konstanz Friedrich III. von Zollern.408 Die Verteidigung Venedigs übernahmen neben Capodilista als Vertreter der Republik als Prokuratoren die in den rechtlichen Verfahren des Konzils erfahrenen Juristen Gasparo da Perugia, Simone della Valle und Simone da Teramo.409 Zumindest für Simone della Valle kann eine Verbindung zu Venedig angenommen werden, denn er war ursprünglich Prokurator für den aus Venedig stammenden Kardinal Antonio Correr gewesen, und seit 1432 auf dem Konzil.410 Nachdem die Anklage durch den Vertreter Ludwig von Tecks hervorgebracht worden war, beantragte Gasparo de Perugia zunächst eine Vertagung der Sitzung getreu den Anweisungen der Republik mit dem 404 

Gilomen, Rotamanualien (wie Anm.  399), XVII. 11 ottobre 1433 (wie Anm.  234), 116. 406  Zur Rolle der Prokuratoren an der Basler Konzilsrota siehe Dolezalek, Rechtsprechung (wie Anm.  399), 147. 407  Dazu siehe u. a. Helmrath, 11 ottobre 1433 (wie Anm.  234), 115. Ebenfalls ausführlich Law, John E., Venetian Rule in the Patria del Friuli in the early fifteenth century: problems of justification, in: Dersl. (Hg.), Venice and the Veneto in the Early Renaissance. Aldershot 2000, 1–22 (Teil  VII), hier 8. Auch Sudmann, Das Basler Konzil (wie Anm.  398), 149 f. und Niero, L’azione veneziana (wie Anm.  185), 28. Leider taucht der Prozess zwischen Ludwig von Teck und Venedig nicht in den von Gilomen edierten Rotamanualien auf, vgl. Gilomen, Rotamanualien (wie Anm.  399). 408 Helmrath, 11 ottobre 1433 (wie Anm.  234), 115. 409  Segovia (wie Anm.  270), Liber VIII, Caput XXX, 732. Ausführlich bei Law, Venetian rule (wie Anm.  407), 7. Alle drei Juristen waren bereits länger am Basler Konzil tätig und vertraten eine Vielzahl an Klienten, wie zum Beispiel im März 1434 das Königreich Polen. Siehe Concilium Basiliense. Studien und Quellen zur Geschichte des Concils von Basel. Herausgegeben mit Unterstützung des Historischen und Antiquarischen Gesellschaft von Basel. Band  3: Die Protokolle des Concils von 1434 und 1435. Aus dem Manuale des Notars Bruneti und einer römischen Handschrift, Basel 1900 (=C.B. III), 39. 410 Siehe Uginet, Antonio Correr (wie Anm.  218), 489. 405 Helmrath,

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Hinweis auf das fehlende Mandat der Gesandtschaft zur Durchführung eines solchen Prozesses. Die Venezianer erhielten daraufhin eine Frist von 30 Tagen, um eine entsprechende Bevollmächtigung der Republik einzuholen.411 Am 27. April akzeptierten sie diese Fristsetzung.412 Gatari erwähnt den Prozess um das Friaul nur in Verbindung mit diesem Datum, allerdings nicht in Bezug auf die Fristsetzung, sondern als Ausgangsdatum der Verhandlungen.413 Dementsprechend wurde am 28. Mai von den Vertretern Ludwig von Tecks in der Generalversammlung des Konzils der Beginn der Verhandlungen eingefordert. Getreu ihrer Taktik der Verschiebung widersprach Gasparo da Perugia im Namen der Gesandten zunächst mit dem Argument, das die Frist von 30 Tagen noch nicht abgelaufen sei, dann mit dem Einwand, das die Frist viel zu kurz für die Einholung der Bevollmächtigung gewesen sei, denn genauso lange benötigte man mindestens für die Reise von Venedig nach Basel. Warum das Konzil diese Argumente gelten ließ ist unklar, denn einerseits waren seit der Akzeptanz der Frist durch die Venezianer am 27. April exakt 30 Tage vergangen, und andererseits hatten die Gesandten auf ihrer letzten Reise nach Basel kaum zehn Tage für die Strecke benötigt. Dennoch erhielten sie gegen den Willen Ludwig von Tecks eine Fristverlängerung um weitere acht Tage. Zwei Tage vor diesem Termin hatte es Gespräche im Haus des Kardinals Albergati zwischen den venezianischen Gesandten und den päpstlichen Gesandten und Konzilspräsidenten, dem Erzbischof von Tarent Giovanni Berardi, und dem Abt von S. Giustina di Padova, Ludovico Barbo, gegeben. Ob diese Gespräche mit dem Umgang des Konzils mit den Venezianern in der Causa Aquileia in Verbindung standen, muss allerdings ungeklärt bleiben.414 Am 7. Juni ernannte das Konzil dann vier Kardinäle, die als Kommission mit den Venezianern verhandeln sollten. Als zeitlicher Rahmen wurde wieder die Frist von einem Monat angesetzt, in deren Verlauf der Sachverhalt geklärt werden sollte. Weitere Verschleppungsmaßnahmen der Venezianer wurde mit der Androhung einer Strafe entgegengewirkt, sollte der Prozess nicht innerhalb dieses Zeitraumes abzuwickeln sein. Wenige Tage später instruierte Venedig die Gesandten erneut die Verhandlung so weit wie möglich hinauszuzögern.415 Hektische Kommunikation zwischen Venedig und Basel in den folgenden Wochen zeigte die sich immer wieder ändernden Argumente Venedigs gegen den Anspruch Ludwig von Tecks: Zunächst betonte man die verstockte Haltung Ludwig von Tecks, die großen Ausgaben Venedigs beim Erwerb des Friaul und bemühte immer wieder das Argument, das auch Ludwig von Tecks Untertanen selbst die Herrschaft Venedigs 411 

Segovia (wie Anm.  270), Liber VIII, Caput XXX, 733. Law, Venetian rule (wie Anm.  407), 8. 413  Tagebuch des Andrea Gatari (wie Anm.  235), 401. 414  Niero vermutet diese Gespräche als Ursache für den weiteren Prozessverlauf. Vgl. Niero, L’azione veneziana (wie Anm.  185), 29 f. 415  Law, Venetian Rule (wie Anm.  407), 8. Zum Schreiben Venedigs vom 10. Juni 1434 siehe ASVe, Senato, Deliberazioni, Secreti, Registri, reg.  13, fol.  79r. 412 

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vor der des Patriarchen vorzögen.416 Am 23. Juli schlug das Konzil während einer erneuten Sitzung vor, Kardinal Niccolò Albergati als Verhandlungsträger nach Venedig zu schicken, was die venezianischen Gesandten heftig ablehnten.417 Die Verzögerungstaktik der Venezianer erwies sich zunächst als erfolgreich, und so kam es erst am 30. Juli zu öffentlichen Verhandlungen. Seit der Fristsetzung vom 27. April waren damit statt der geforderten 30 Tage drei Monate vergangen. Die Verhandlungen wurden zunächst von Gasparo da Perugia eröffnet, der die bereits vorgebrachten Argumente Venedigs zusammenfasste und vortrug.418 Die hauptsächliche Verteidigung der Republik übernahm bei dieser wichtigen Gelegenheit aber Capodilista selbst. In seiner unter anderem in der Konzilschronik Segovias gut dokumentierten Rede nutzte er dabei einen ungewöhnlichen Argumentationsweg.419 Zunächst rechtfertigte Capodilista die offensichtliche und auch von Venedig anerkannte Okkupation des Friaul.420 So basiere der Erwerb des Friaul durch Venedig auf einer Lizenz Papst Martins V., nachdem Ludwig von Teck während der ersten Eroberungen in den 1420er Jahren auf die Aufforderung zu vermittelnden Gesprächen in Venedig mit dem extra für diesen Zweck abgeordneten Kardinallegaten nicht eingegangen sei.421 Weiterhin hätte Ludwig von Teck Venedig nicht weniger als viermal angegriffen, weshalb die Republik sich auf ihr im Naturrecht verankertes Selbstverteidigungsrecht berufen wolle.422 Danach entwickelte er ein ungewöhnliches Argument: Wenn einem gewalttätigen Ehemann seine Ehefrau fortlaufe, könne dieser sie nicht zurückverlangen, solange er keine Garantie über ihre zukünftige Sicherheit geben könne.423 416 

30.

417 

Law, Venetian Rule (wie Anm.  407), 8, auch Niero, L’azione veneziana (wie Anm.  185),

Segovia (wie Anm.  270), Liber VIII, Caput XXX, 734. geschildet bei Segovia (wie Anm.  270), Liber VIII, Caput XXXI, 734 f. in der Zusammenfassung sehr knapp auch bei C.B. III. (wie Anm.  409), 163. 419  Siehe die Bemerkungen bei Niero, L’azione veneziana (wie Anm.  185), 30f; Helmrath, 11 ottobre 1433 (wie Anm.  234), 115 f. 420  „[…] qui inter cetera dixit, quod sciebant se non esse legitimos possessores terre […]“. C.B. III. (wie Anm.  409), 163. 421  Segovia (wie Anm.  270), Liber VIII, Caput XXXI, 735. 422 Helmrath sieht in diesem Argumentationsweg die ersten Anzeichen für die Diskussion einer Theorie des präventiven Angriffskrieges. Allerdings führt Capodilista das Argument nicht weiter aus, so dass nicht klar ist, ob hinter seinem Einwand eine komplexe Theorie steht. Vgl. Helmrath, 11 ottobre 1433 (wie Anm.  234), 116. 423  Ungewöhnlich für Capodilista ist die fehlende Herkunftsangabe dieser Vorschrift. Helmrath definiert sie als dem römischen Recht entnommen, siehe Helmrath, 11 ottobre 1433 (wie Anm.  234), 116. Capodilista selbst verweist in seiner Rede mehrfach auf das ius naturale und nennt keine weiteren Rechtsquellen. Da im römischen Recht die Ehescheidung ein gängiger zivilrechtlicher Vorgang war, bei dem vor allem die anschließende Verteilung der Mitgift und des Eigentums der Eheleute rechtliche Probleme aufwarfen, scheint eine klassisch-römische Herkunft der Vorschrift unwahrscheinlich. Auch der Corpus Iuris Canonici weist keine derartige Vorschrift auf, obwohl die heutige Vorschrift can. 1153, die eine Rückkehr einer vor Gewalt geflohnen Ehefrau regeln, daran erinnert. Möglicherweise entstammt das Diktum einer an den 418  Ausführlich

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Dazu setzte Capodilista die Position des Friauls unter venezianischer Herrschaft analog. Ludwig von Teck habe sich als Patriarch gleich einem Tyrannen verhalten und das Friaul sei dementsprechend wie die entflohene Ehefrau zu behandeln. Nicht weniger als 42 crimina hätte Teck gegenüber dem Friaul und seinen Bürgern verübt, die sich dann in den Schutz Venedigs begeben hätten. Zuletzt kritisierte er noch das Konzil als Forum der Entscheidung und betonte das Missfallen der Venezianer darüber, vor einem solchen Plenum ihre Politik rechtfertigen zu müssen: Komplexe Probleme könnten nicht dadurch gelöst werden, dass alle im Raum ihr Placet laut ausriefen.424 Zudem seien einige Nationen, darunter vor allem die deutsche Nation, offen parteiisch und als neutrale Richter nicht geeignet. Die Antwort des Patriarchen folgte unmittelbar auf diese Rede.425 Im Kern seiner Erwiderungsrede entkräftete er das Argument der Venezianer, nachdem er die Vermittlungsversuche Papst Martins V. ignoriert habe. Tatsächlich habe er sehr wohl Interesse an einer Vermittlung gehabt, aber für die Reise nach Venedig, wohin sich der beauftragte Kardinallegat begeben habe, keinen Geleitbrief erhalten. Daraufhin wurde unter viel Lärm der Zuhörenden ein Ultimatum beschlossen, nachdem innerhalb von acht Tagen zwischen den Parteien ein Beschluss der concordia entstehen müsse – andernfalls würde das Konzil für iustitia sorgen. Mit den von Capodilista kritisierten lauten Placet-Rufen stimmte das Plenum dieser Entscheidung zu.426 Nachdem das Ultimatum von acht Tagen verstrichen war, sprach am 6. August Francesco di Bossis als Vertreter Ludwig von Tecks vor dem Konzil vor und forderte den Erlass einer Sentenz gegen Venedig.427 Dem widersprach der für Venedig anwesende Capodilista heftig und verwies auf die Ludwig von Teck vorgeworfenen crimina. Aus diesem Vorwurf entwickelte sich eine Diskussion: Der Patriarch selbst ergriff das Wort und widersprach den Vorwürfen. Anschließend verbreitete er den Vorschlag, die Aufsicht über das Friaul in die Hände des Konzils zu legen und damit zunächst oberitalienischen Universitäten verbreiteten Kommentartradition. Der Rückgriff auf das ius naturale sollte wahrscheinlich die argumentative Absicherung der Klausel zur Rückkehr der Ehefrau und die weitere Argumentation gewährleisten. Trotz der umstrittenen Natur des ius naturale herrschte weitgehende Einigkeit über die Überlegenheit des ius naturale vor gängigen positivistischen Rechtsordnungen. Allerdings erläuterte Capodilista sein Argument nicht weiter, weshalb davon auszugehen ist, dass er in seiner Argumentation einer vorherrschenden und seinen Zuhörern bekannten Tradition folgte. Vgl. zur Rolle und Entwicklung des ius naturale u. a. Pennington, Kenneth, The Prince and the Law, 1200–1600. Sovereignty and Rights in the Western Legal Tradition, Berkeley 1993, besonders 119–164. 424  Das einstimme Ausrufen des Placet durch die Versammelten gehörte in der Basler Geschäftsordnung fest in den Ablauf der sessio generalis, und war eine Neuerung im Vergleich zu den vorherigen Konzilien. Vgl. Dendorfer, Inszenierung von Entscheidungsfindung (wie Anm.  351), 46. 425  Segovia (wie Anm.  270), Liber VIII, Caput XXXII, 736. 426  Ebd., 736. 427  Segovia (wie Anm.  270), Liber VIII, Caput XXXII, 736, weiter C.B. III. (wie Anm.  409), 167 f.

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eine neutrale Macht als Zwischenhändler einzuschalten. Dazu erklärte Ludwig von Teck sich bereit, für die ihm vorgeworfenen crimina vor dem Konzil gerichtet zu werden, falls die Vorwürfe der Venezianer sich als stichhaltig erweisen sollten.428 Dabei wurde er von Capodilista unterbrochen, der aber nur auf sein Mandat verwies. Letztendlich kam die Versammlung zu keinem bleibenden Entschluss. Erst am näch­ sten Tag wurde eine erneute Frist von wenigen Tagen gesetzt, innerhalb der zwischen den Parteien eine Vermittlung erfolgt sein sollte. Andernfalls wollte das Konzil dem Vorschlag Ludwig von Tecks folgen und selbst die Hoheit über die umstrittenen Gebiete übernehmen. Mit der Vermittlung beauftragt wurden die beiden Juristen Petrus Corserius und Johannes Pringencius.429 In der Generalkongregation am 13. August wurden die Verhandlungen weitergeführt. Darin erwiderte Francesco de Bossis die kreative Attacke Capodilistas vom 30. Juli mit einem mindestens genauso einfalls­ reichen Argument. Ausgearbeitet worden war ein Konzept, nach dem Venedig die Gebiete des Friaul für weitere sechs Jahre zu nutzen gestattet wäre, wofür sie aber an den Patriarchen einen jährlichen Zins von 6000 Dukaten (Fl.) zu zahlen hätten. Allerdings konnten nur zwei der insgesamt vier Deputationen für diesen Vorschlag gewonnen werden, der ohnehin von den Venezianern deutlich abgelehnt wurde.430 In einer erneuten Rede legte Capodilista die Gründe der Venezianer dar, denen Francesco de Bossis widersprach. Unter anderem wurde darüber gestritten, wessen Unterschrift eine Übernahme des Gebiets durch das Konzil legitimieren konnte, also wer eigentlich rechtmäßiger Besitzer des Friaul war. Wie bereits in den vorherigen Sitzungen kam es zu keinem Ergebnis, und es wurde eine erneute Frist von 26 Tagen vereinbart, in der die venezianischen Gesandten unter anderem Rücksprache mit der Republik über das Leihkonzept halten sollten.431 Obwohl am 18. August nochmals von einer Frist von bis zu 22 Tagen die Rede war, überzeugte Ludwig von Teck das Konzil am 25. August von einer Fristverkürzung, und es wurden nur weitere sechs Tage Bedenkzeit eingeräumt, gegen die der venezianische Jurist Simone della Valle am nächsten Tag erfolglos Protest einlegte.432 Aus Venedig erhielten die Gesandten bereits am 20. August die Anweisung ihre Verzögerungstaktik weiterhin aufrecht zu erhalten.433 Elegant argumentierte der Senat, dass die Basler Venedig sämtliche Rechte am Friaul absprechen wollten, gleichzeitig aber von Venedig forderten, förmlich alle Rechte aufzugeben. Das schuf eine schwierige Situation, denn wie konnte die Republik Rechte aufgeben, die sie ohnehin nicht besitzen sollte? Für den Fall, dass sich keine zufriedenstellende Lösung ab428 

C.B. III. (wie Anm.  409), 168. Sudmann bezeichnet den einen als Vertreter des Grafen von Armagnac und den zweiten als Gesandten des bretonischen Grafen. Sudmann, Das Basler Konzil (wie Anm.  398), 150. 430  C.B. III. (wie Anm.  409), 172, auch Helmrath, 11 ottobre 1433 (wie Anm.  234), 116. 431  Niero, L’azione veneziana (wie Anm.  185), 32. 432  C.B. III. (wie Anm.  409), 188, auch Niero, L’azione veneziana (wie Anm.  185), 32. Zur Frist vom 18. August siehe C.B. III. (wie Anm.  409), 178, zum 25. August ebd., 187. 433  ASVe, Senato, Deliberazioni, Secreti, Registri, reg.  13, fol.  98v. 429 

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zeichnen sollte, wurden die Juristen beauftragt, die Phase zur „Pacht“ des Friaul von sechs auf mindestens acht, besser noch zehn Jahre zu verlängern und nicht mehr als 5.500 Dukaten (Fl.) Zins zuzugestehen. Auch sollten unter keinen Umständen Gebiete davon betroffen sein, die in jedem Fall ursprünglich zu Venedig gehörten, womit vor allem Istrien gemeint war. Allgemein aber sollte jede Konzession vermieden werden und nur im Falle einer tatsächlich drohenden Sentenz Zugeständnisse gemacht werden. An das Schreiben angeschlossen waren Capitula, die für die Verhandlungen um das Friaul den rechtlichen Rahmen absteckten. Hier wird wieder die Praxis deutlich, Gesandte mit ausgesprochen detaillierten Instruktionen und Handlungsvorlagen zu versorgen, die dann mit nur geringen, im Anschreiben genau vermerkten Möglichkeiten zur Abweichung auszuführen waren.434 Im Fall der Verhandlungen mit Ludwig von Teck waren diese Anweisungen in Form eines genau formulierten, ausführlichen Vertragsformulars gehalten, in das nach Abschluss der Verhandlungen nur noch genauere Details, wie beispielsweise der zu entrichtende Zins für die Gebiete und die Dauer des Vertrages, an mit Punkten gekennzeichneten Stellen eingefügt werden mussten. Beide Faktoren waren letztendlich Gegenstand längerer Auseinandersetzungen, die immer wieder neue Zahlen hervorbrachten, aber zu keinem abschließenden Ergebnis führten.435 Ein Ende der Verhandlungen war für Venedig dementsprechend nicht abzusehen, und so war schon Mitte August die Berufung eines Vertreters für die Stelle Capodilistas an der Universität Padua beschlossen worden.436 Gleichzeitig verschlechterte die militärische Situation der Republik im Konflikt mit Mailand sich zunehmend. Am 6. September wurden in der Generalversammlung in Basel die Neuigkeit bekannt, dass Fillipo Maria Visconti am 28. August in der Schlacht von Castelbolognese die Venezianer besiegt hatte.437 Gatari beschreibt die Ankunft des Boten in Basel: Er habe zwei Briefe bei sich geführt, einen von Fillipo Maria Visconti selbst und den zweiten von Niccolò Picinino, seinem Heerführer. Noch auf dem Pferde sitzend verlas der Bote die in den Briefen enthaltenen Neuigkeiten und übergab dann die Schreiben an die Konzilsväter.438 Für Venedig war vor allem der Verlust von nicht weniger als sechs wichtigen Heerführern von politischer 434  ASVe,

Senato, Deliberazioni, Secreti, Registri, reg.  13, fol.  99r enthält die Abschrift der an Capodilista gesandten Leitlinien in Form eines Schreibens an Ludwig von Teck. 435  Für den 27. August vermerkt der Senat die eingegangene Nachricht über die Forderung nach einer Mietdauer von sieben Jahren. ASVe, Senato, Deliberazioni, Secreti, Registri, reg.  13, fol.  101r. Die Antwort darauf wird allerdings erst am 17. September erteilt. Siehe ebd., fol.  109v. 436  Beschluss vom 17. August 1434 in ASVe, Senato, Deliberazioni, Misti, Registri, reg.  58, fol.  227v. Als Vertreter wurde Antonio da Partovecchio ausgewählt. Siehe auch Belloni, Professori giuristi (wie Anm.  1), 256. Die Lehrstelle war aber wohl schon vorher vertreten worden. Siehe Woelki, Thomas, Lodovico Pontano (ca. 1409–1439): eine Juristenkarriere an Universität, Fürstenhof, Kurie und Konzil, Leiden 2011 (Education and Society in the Middle Ages and Renaissance 38), 145 f. 437  Niero, L’azione veneziana (wie Anm.  185), 33. 438  Tagebuch des Andrea Gatari (wie Anm.  235), 405.

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Bedeutung. Für Papst Eugen IV., der bereits Anfang Juni aus Rom hatte fliehen müssen und sich in Florenz aufhielt, war die Rückgewinnung seines Territoriums in weite Ferne gerückt.439 Nach diesem militärischen Desaster sah Venedig sich zunehmend in die Enge gedrängt. Noch mit einem Schreiben vom 17. September gab die Republik zu, das Friaul möglicherweise abgeben zu müssen.440 Allerdings forderte sie im Gegenzug die Rückzahlung sämtlicher seit der Eroberung durch Venedig angefallener Kosten und die Garantie, dass durch die Wiedereinsetzung Ludwig von Tecks keine Gefahr für die Grenzen des venezianischen Kerngebiets entstehen würde. Gleichzeitig sollte der Patriarch für sämtliche mögliche Komplikationen bei der Rückführung des Gebietes haftbar sein. Damit scheint ein Argument auf, das Capodilista in Basel bereits in seiner Rede vom 30. Juli genutzt hatte, nämlich die analoge Anwendung der Forderung nach Sicherheiten für die Rückkehr der geflohenen Ehefrau zu ihrem gewalttätigen Ehemann. Die von Venedig erstmals erwähnten Zugeständnisse gegenüber Ludwig von Teck sollten allerdings erst dann umgesetzt werden, wenn wirklich alle juristischen Mittel erschöpft und auch die Taktik der ständigen Einsprüche und Verschleppung nicht mehr greifen könnte. Sämtliche venezianische Zugeständnisse kamen aber scheinbar zu spät. Bereits am 18. September hatte Ludwig von Teck erneut den Erlass einer Sentenz durch das Konzil gefordert und einige Tage später die Erfüllung seiner Forderung durch das Konzil erwirkt.441 Mit einer Mehrheit von 153 Stimmen sprach das Konzil sich zugunsten Ludwig von Teck aus. Am 29. September erging die Sentenz mit der Aufforderung an Venedig, innerhalb von 34 Tagen das Friaul an Ludwig von Teck zu übereignen oder der Exkommunikation zu verfallen. Gatari berichtet, wie die Familiaren des Patriarchen bewaffnet mit Schwertern und Stöcken an das Basler Münster gezogen seien, dort den Text des Urteils angeschlagen und die Türen anschließend bewacht hätten, damit niemand die Ausfertigung entfernen konnte. Den lateinischen Text des Konzilserlasses kopierte Gatari vollständig in sein Tagebuch als erste längere Passage zur Auseinandersetzung zwischen Venedig und Ludwig von Teck überhaupt.442 Erst ab diesem Moment nimmt die Auseinandersetzung mit Aquileia einen zunehmend größeren Raum bei Gatari ein. So vermerkte er am 8. Oktober die Rede Simone della Valles vor dem Konzil, mit der er Berufung gegen das Urteil einlegte und eine Verlängerung der Frist zu erwirken versuchte.443 Allerdings erreichten die Venezianer damit nichts, wie Gatari knapp anmerkt: „Ultimamente niente fo concluso“. Der nächste Versuch zur Abmilderung der Sentenz am 15. Oktober verlief ähn439 Siehe Diener, Hermann/Schwarz, Brigide, Das Itinerar Eugens IV. (1431–1447), in: QFIAB 82 (2002), 193–230, hier 225. 440  ASVe, Senato, Deliberazioni, Secreti, Registri, reg.  13, fol.  109v. 441  C.B. III. (wie Anm.  409), 207. 442  Tagebuch des andrea gatari (wie Anm.  235), 409. 443  Die Berufung gegen Urteile der Konzilsrota musste innerhalb von 10 Tagen nach Ergehen der Sentenz erfolgen. Vgl. Lazarus, Das Basler Konzil (wie Anm.  401), 285.

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lich erfolglos.444 Die Venezianer, wobei unklar ist, wer in diesem Fall der Wortführer war, versuchten den Ausschluss Istriens von den Bestimmungen zu erreichen, da Venedig diese Region bereits seit langer Zeit und ex titulo beherrsche.445 Eine wirkliche Veränderung des Zustandes erwirkten sie damit allerdings nicht, aber sie nahmen mit dieser Intervention die vermutlich noch nicht in Basel eingetroffenen ­Anweisungen aus Venedig vom 13. Oktober vorweg.446 Mit diesen Anweisungen reagier­te Venedig auf gleich zwei Schreiben der Gesandten vom 28. und 29. September, die den Text der Sentenz an die Republik übermittelt hatten. Dieser Brief ist eines der wenigen Schriftstücke, das nicht nur das Abfassungsdatum der empfangenen Schriftstücke enthält, sondern auch das Datum, an dem sie in Venedig eintrafen. Für die Briefe vom 28. und 29. September ist das der 7. Oktober. Damit kann eine Reisedauer der Briefe von nur wenig mehr als einer Woche festgehalten werden, beinahe die gleiche Zeit, die dann für die Abfassung einer Antwort benötigt wurde. Die Antwort Venedigs vom 13. Oktober enthielt unter anderem eine ausführliche Darlegung der juristischen Möglichkeiten der Gesandten, die von nichtgenannten Rechtsexperten ausgearbeitet worden war.447 Daneben erhielten die Gesandten die Anweisung, nach Möglichkeit nicht für eine Änderung der Sentenz einzutreten, um nicht noch weitere Maßnahmen gegen die Republik auszulösen. Venedig plante nicht, sich den Bestimmungen des Konzils zu beugen, und kündigte an, den Besitz des Friauls im Notfall auch mit kriegerischen Mitteln zu verteidigen. Allerdings sollten die Gesandten weiter in Basel bleiben und vorsichtig auf eine Lockerung der Bestimmungen hinarbeiten. Erst wenn das Konzil zu einer nicht mehr wandelbaren Sentenz gelange oder die persönliche Sicherheit der Gesandten in Gefahr gerate, sollten sie abreisen und nur eine kleine Gruppe zur Repräsentation der Republik in Basel zurücklassen. In jedem Fall aber wurden die Gesandten dazu angewiesen, die Vertreter weltlicher Fürsten in Basel aufzusuchen und mit den bereits verwendeten Argumenten die Republik gegen Ludwig von Teck zu verteidigen. Daneben sollten sie besonders auf die anwesenden Kardinäle einwirken, die noch Einfluss auf die Durchführung der Konzilsanordnung haben könnten. Um ihren Worten Nachdruck zu verleihen, erhielten sie wie üblich Geldbeträge zwischen 300 und 5000 Dukaten (Fl.) zur freien Verfügung. Gleichzeitig machte die Republik deutlich, dass die Reputation und die Autorität des Konzils in ihren Augen dauerhaften Schaden erlitten hätten. Eine weitere Fassung der Sentenz wurde von Ludwig von Teck nach vorhergehenden Beschwerden448 am 17. Oktober erwirkt, und erneut unter dem gleichen Verfah444 

Tagebuch des andrea gatari (wie Anm.  235), 409. C.B. III. (wie Anm.  409), 220. 446  ASVe, Senato, Deliberazioni, Secreti, Registri, reg.  13, fol.  115v. Law, Venetian rule (wie Anm.  407), 11. 447  ASVe, Senato, Deliberazioni, Secreti, Registri, reg.  13, fol.  115v. 448  So beschwerte Ludwig von Teck sich bereits am 2. Oktober und verlangte eine erneute Ausfertigung durch die Kanzlei des Konzils. C.B. III. (wie Anm.  409), 218. 445 

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ren am Basler Münster angebracht.449 Am gleichen Tag wurden in Venedig Briefe an die Kardinäle Niccolò Albergati und Juan de Cervantes verfasst, die eine Ausführung des Beschlusses verhindern sollten und in ihrer Argumentation klassische Beispiele für venezianische Diplomatie enthielten.450 Die Schreiben umfassten zunächst eine Liste mit Namen von Unterstützern der venezianischen Seite in der Auseinander­ setzung, darunter unter anderem Papst Eugen IV. und Amadeus von Savoyen. Weiter wurden die Kardinäle auf die besondere Rolle Venedigs in den Gebieten des Friaul und östlich davon hingewiesen, in denen die Republik seit langem den Status der Christenheit verteidige und absichere. Als letztes Argument für die venezianische Sache deutete das Schreiben noch an, dass neben einer Restitution des Friaul doch auch eine Restitution der päpstlichen Gebiete an Eugen IV. durch den Herzog von Mailand erfolgen sollte. Die Gesandten in Basel erhielten erst Ende November Kenntnis von diesem Schreiben, als erneuten Instruktionen Kopien beigefügt wurden.451 Die ersten Novemberwochen waren nach den Aufzeichnungen Gataris aber zunächst durch andere politische Ereignisse geprägt. Vor allem die Wiedereinnahme Roms durch päpstliche und venezianische Truppen, von der die Basler am 15. November in Kenntnis gesetzt wurden, gab der Politik der Venezianer Auftrieb.452 Obwohl die Sentenz des Konzils zu diesem Zeitpunkt bereits zweimal mit klaren Fristen erlassen und öffentlich bekannt gemacht worden war, ergaben sich für Venedig vorerst keine Konsequenzen daraus. Am 20. November forderte Ludwig von Teck nochmals die zügige Bearbeitung des Falls.453 Bei Gatari ist die Antwort der Venezianer in Ausführung der von Venedig am 6. November erteilten Instruktionen454 vermerkt: Capodilista habe eine Ansprache gehalten und die bisherige Handlungslosigkeit der Republik entschuldigt.455 Die Instruktionen enthielten detaillierte Anweisungen zur dieser Rede und verdeutlichen durch den damit stark eingeschränkten Handlungsspielraum der Gesandten die besondere Bedeutung der Situation für Venedig.456 Die nach den Vorgaben gehaltene Rede brachte aber erneut keinen wirklichen Fortschritt in den Verhandlungen. Daraufhin griffen die weiteren Instruktionen aus Venedig, die im Falle der Unveränderlichkeit der Konzilsentscheidung hauptsächlich die Prozessverschleppung durch immer weitere Appellationen vorschrieben. Erstaunlich ist, dass diese Taktik Erfolge zeigte und zumindest die Durchführung der angekündigten Strafen gegen Venedig vorerst verhinderte. Die Konzilsväter reagier449 

Tagebuch des Andrea Gatari (wie Anm.  235), 411. Senato, Deliberazioni, Secreti, Registri, reg.  13, fol.  116r. 451  Schreiben des Senats vom 22. November 1434, das die Gesandten nebenbei auch noch über neue politische Entwicklungen und Allianzen innerhalb Italiens informiert. ASVe, Senato, Deliberazioni, Secreti, Registri, reg.  13, fol.  123v. 452  Tagebuch des Andrea Gatari (wie Anm.  235), 411. 453  C.B. III. (wie Anm.  409), 257. 454  ASVe, Senato, Deliberazioni, Secreti, Registri, reg.  13, fol.  120r. 455  Tagebuch des Andrea Gatari (wie Anm.  235), 412. 456  ASVe, Senato, Deliberazioni, Secreti, Registri, reg.  13, fol.  120v. 450  ASVe,

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ten auf die erneute Auseinandersetzung nach immer gleichem Muster nicht mit nennenswerten kleineren Aktionen. Ob die Akzeptanz der beständigen Aufschiebungsversuche in einer schwer zu kontrollierenden Diskussionskultur des Konzils lag, oder ob es sich hierbei um Bemühungen der Konzilsväter handelte, den Bruch mit Venedig über Details zu verhindern, muss unklar bleiben.457 Auch die letzte Forderung Ludwig von Tecks nach Vollstreckung der Strafe gegen Venedig am 10. Dezember 1434 blieb jedenfalls ohne Erfolg.458 Andrea Gatari verzeichnet für die restlichen Monate des Jahres 1434 keine weiteren besonderen Vorkommnisse in Basel. Insgesamt waren die Monate nach der Abreise Sigismund für die Venezianer ausschließlich von intensiven Bemühungen um die Aufrechterhaltung des venezianischen Gebietsanspruches geprägt. Auffallend bleibt dabei die Redundanz der Abläufe, die aus immer gleichen Disputationen mit immer ähnlich bleibenden Argumenten bestanden. Trotz der verhängten Sentenz ist die Reaktion des Konzils ein gutes Beispiel für den Erfolg der venezianischen Verschleppungstaktik, für die das Konzil bereits aus seiner inneren Struktur heraus ausgesprochen anfällig war. Mit dem Jahreswechsel zum Jahr 1435 änderte sich an diesem Schema zunächst nichts. Bereits am 3. Januar erhielten die Gesandten neue Anweisungen aus Venedig, die aber hauptsächlich Informationen über das weitere Schicksal des Kardinals Antonio Correr enthielten.459 Er war Ende September 1434 wie aufgefordert aus Basel abgereist und schließlich in Padua angelangt.460 Die weiteren Verhandlungen in Basel über das Friaul begannen dann nur wenige Tage später am 7. Januar 1435. Erneut wurden sechs Vertreter gewählt, die über eine Vermittlung beraten sollten.461 Weiter wurde über den endgültigen Termin zum Ablauf der Fristen abgestimmt. Ernster wurde es für die Venezianer wieder eine Woche später. Am 14. Januar forderten die für den Fall abgeordneten Deputierten nach einer Diskussion zunächst in den Deputationen und anschließend vor der Generalversammlung die Durchsetzung von iustitia, allerdings auch wieder mit einer Frist von 15 Tagen.462 Dieses Muster setzte sich in den nächsten Monaten fort. Für die Monate Februar bis März scheint es zu keinen neuen Entwicklungen in der Causa Aquileia gekommen zu sein, und auch die Kommunikation zwischen den Gesandten und Venedig versiegte kurzzeitig.463 Erst am 457 

Letztere Position vertritt Niero, L’azione veneziana (wie Anm.  185), 35. C.B. III. (wie Anm.  409), 270. 459  ASVe, Senato, Deliberazioni, Secreti, Registri, reg.  13, fol.  132. 460  Gatari berichtet von seiner Abreise am 20. September. Siehe Tagebuch des Andrea ­Gatari (wie Anm.  235), 406. 461  Ebd., 412. Gatari beschreibt auch für den 27. Januar eine Ansprache der Gesandten im Basler Münster, woraufhin Venedig eine erneute Frist von 15 Tagen eingeräumt worden sei. Vermutlich meinte Gatari damit aber die Ereignisse des 15. Januar. In den Protokollen des 27. Januar ist keine Ansprache der Venezianer verzeichnet. Vgl. den Kommentar von Coggiola in Tagebuch des Andrea Gatari (wie Anm.  235), 440, Nr.  86. 462  C.B. III. (wie Anm.  409), 287. 463  Auch die venezianische Überlieferung verzeichnet für diese Monate keine Kommunikation zwischen dem Senat und den Gesandten in Basel. Stattdessen scheint der Abschluss des 458 

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20. März nahm die Auseinandersetzung zwischen Ludwig von Teck und Venedig eine neue Wendung. An diesem Tag, so berichtete Andrea Gatari, erschien Sidro da Milano als Prokurator Ludwig von Tecks in der Unterkunft der Gesandten. Dort habe er verkündet, dass eine Revolte in Padua stattgefunden habe, und die Stadt unter der Herrschaft des Marsiglio Papafava da Carrara sei.464 Tatsächlich war die Verschwörung aber von den Venezianern frühzeitig entdeckt und noch vor ihrer eigentlichen Durchführung niedergeschlagen worden.465 Das der Bote aus Mailand stammte war allerdings möglicherweise kein Zufall, war die Verschwörung Marsiglios doch durch die direkte Unterstützung Fillipo Maria Viscontis getragen worden.466 Nach der Niederschlagung des Aufstandes gingen die Venezianer mit aller Härte gegen mögliche Rebellen vor, und Marsiglio Papafava da Carrara wurde nach Venedig gebracht und gemeinsam mit anderen Beteiligten hingerichtet.467 In Basel wurden diese Neuigkeiten geschickt instrumentalisiert: Die Nachricht und die Art ihrer Überbringung waren darauf angelegt, Verwirrung bei den venezianischen Gesandten zu stiften. Im Tagebuch Gataris, in dem die Worte des Boten zitiert werden, wird auch tatsächlich vermerkt, die Nachricht habe Capodilista in „gran pensieri“ gestürzt.468 Es verwundert nicht, das Capodilista zur Klärung des Sachverhalts einen seiner Familiaren, Zuan todesco, nach Padua schickte. Dieser kehrte am 29. April zurück nach Basel und überbrachte einen Brief vom Bruder Andrea Gataris, Bartolomeo.469 Daraus erfuhr Capodilista von der bereits erfolgten Niederschlagung des Aufstandes, und die Arbeit der Gesandten wurde durch die politischen Unruhen in Padua nicht weiter beeinflusst. Bis zum Sommer ruhten anschließend die Verhandlungen um das Friaul, trotz der bereits längst verstrichenen Frist. Erst im Juni wurde am ersten Tag des Monats eine Sitzung für den folgenden Tag zur weiteren Diskussion angesetzt.470 Am 2. Juni471 wurden aber lediglich weitere Beratungen beschlossen. Dafür erhob am nächsten Tag einer der venezianischen Juristen, Simone della Valle, Anklage gegen Mailand auf lange hinausgezögerten Vertrages zwischen Venedig und Sigismund die venezianische Außenpolitik weitgehend bestimmt zu haben. 464  Tagebuch des Andrea Gatari (wie Anm.  235), 413 f. 465  Zur Verschwörung vgl. Segarizzi, Congiure Padovane (wie Anm.  75), 57 f. und Romano, The Likeness of Venice (wie Anm.  70), 128 f. Weiter Ausführlich zur Verschwörung Marsiglios vgl. weiter unten Kapitel  3. 466  Cognasso, Francesco, Storia di Milano. IV: Il Ducato Visconteo e la Repubblica Ambrosiana. (1392–1450), Milano 1955 (Storia di Milano 6), 310. 467  Offensichtlich fürchtete Venedig, dass Unruhen in Padua sich weiter ausdehnen könnten. Siehe Romano, The Likeness of Venice (wie Anm.  70), 129. 468  Tagebbuch des Andrea Gatari (wie Anm.  235), 414. 469  Tagebuch des Andrea Gatari (wie Anm.  235), 414; Segarizzi, Conguire Padovane (wie Anm.  75), 51. 470  C.B. III. (wie Anm.  409), 402. 471  Gatari nennt den 4. Juni als Datum. Vgl. Tagebuch des Andrea Gatari (wie Anm.  235), 414. Die Konzilsprotokolle verzeichnen für diesen Tag aber eine Pause der Sitzungen. Siehe C.B. III. (wie Anm.  409), 409.

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der Basis des Verdachts, dass Fillipo Maria Visconti den Papst zu töten beabsichtige.472 Vermutlich war diese Auseinandersetzung nach Provokationen zwischen dem Gesandten Isidoro di Rosate und Simone della Valle entstanden, und die Anzeige nicht mehr als ein Racheakt für abschätzige Bemerkungen Rosates zur venezianischen Außenpolitik.473 Die leichtfertige Anzeige mit eigentlich schwerwiegenden Vorwürfen verdeutlicht aber die Meinung, die Simone delle Valle von den Konzils­ vätern als Schiedsrichter gehabt zu haben scheint. Für Capodilista brachte der Juni eine weitere Ehrung nach seiner Ernennung zum Hofpfalzgraf: am 7. Juni verlieh Sigismund ihm in Tyrnau das Recht, in jeder Reichsstadt, in der er sich aufhielt, die Rechte eines Stadtbürgers für sich in Anspruch nehmen zu dürfen, ein Privileg das Capodilista Jahre später während eines Winters in Nürnberg möglicherweise nutzen konnte.474 Genau einen Monat später, zu Beginn des Juli, fand vor der Deputation pro communibus der nächste Schlagabtausch zwischen den Juristen Ludwig von Tecks und den Venezianern statt.475 Statt durch aufeinander folgende Reden spielte sich diese Auseinandersetzung in einem Dialog zwischen Capodilista und Francesco di Bossis ab. Sie warfen sich gegenseitig hauptsächlich formale Fehler vor, produzierten belastende Schriftstücke, und debattierten wieder über den rechtmäßigen Status des Friaul. Ein Ergebnis erzielten diese Auseinandersetzungen wie zu erwarten nicht, wobei seit Beginn des Jahres auch keine weitere Debatte über eine Venedig zu setzende Frist in Gang gekommen war. Dies geschah erst zwei Wochen später, am­ 15. Juli in einer allgemeinen Diskussion verschiedener Deputationen über den zukünftigen Status des Friaul. Die Sitzung blieb ohne Ergebnis, aber eine Abstimmung am 26. Juli brachte immerhin eine erneute Fristsetzung als Ergebnis hervor. Venedig wurde aufgefordert, innerhalb von 36 Tagen die Gebiete des Patriarchen an das Konzil übergeben.476 Diese Frist wurde zwei Tage später bis zum September verlängert.477 Einen weiteren Tag später beschlossen drei der vier Deputationen weiter für den Frieden zwischen dem Patariarchen und Venedig aktiv zu blieben und Verhandlungen zu führen. Gleichzeitig sollte ein Gesandter des Konzils nach Venedig selbst geschickt werden und die dortige Haltung zu den Beschlüssen des Konzils erkunden, während die venezianischen Gesandten in Basel weiterhin ihre Argumente vorzubereiten und dem Konzil vorzulegen hätten.478 Als Gesandter wurde Giovanni d’Angiò ausgewählt, der mit der bis dahin deutlichsten Forderung des Konzils nach Venedig geschickt wurde: Entweder sollte die Republik das Friaul an das Konzil übergeben, 472 

C.B. III. (wie Anm.  409), 405. Dazu mit abweichender Datierung Niero, L’azione veneziana (wie Anm.  185), 36. Wird die Anzeige tatsächlich als bloßer Racheakt gewertet, offenbart sich della Valles Haltung gegenüber dem Jurisdiktionsapparat des Konzils darin deutlich. 474  RI XI, Nr.  11112. 475  C.B. III. (wie Anm.  409), 424. 476  C.B. III. (wie Anm.  409), 455. 477 Ebd., 457. 478  C.B. III. (wie Anm.  409), 460. 473 

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II. Diplomatie. Ein gelehrter Jurist aus Padua im Dienst Venedigs und des Papstes

oder direkt an Ludwig von Teck.479 Weitere Verhandlungen fanden wie geplant im September statt, nachdem das Konzil in dieser Sache im August über das Lesen einer Messe für den Frieden in Italien nicht hinausgekommen war.480 Stattdessen befasste man sich mit den neuen Entwicklungen in der Griechenunion, die der Mitte August von seiner Mission nach Konstantinopel wieder über Venedig zurückgekehrte Giovanni d’Angiò übermittelte.481 Aus Venedig erhielten Capodilista und Donato derweil Mitte August nur knappe Anweisungen.482 In Bezugnahme auf Schreiben, die am 29. Juli in Basel ausgefertigt worden waren, unterrichtete die Republik Capodilista nur über Neuigkeiten aus der Universität Padua. Konkret wurde die Besetzung einer Lehrstelle mit Angelo de Perusia vermeldet. Dazu belobigte die Republik Capodilista für sein juristisches Vorgehen in Basel. Alle Gesandten wurden dazu angehalten, weiterhin der eingeschlagenen Linie zu folgen und für die Sache Venedigs in Basel zu werben. Nachdem die Frist des Konzils erneut abgelaufen war, erschienen die Venezianer am 17. September vor der Deputation, um Widerspruch gegen das Verfahren des Konzils einzulegen. Zunächst beklagten sie die viel zu kurz angesetzte Frist, die zudem nicht öffentlich bekannt gemacht worden sei. Daneben bemängelten sie „viva voce“ die Forderung zur schriftlichen Ausfertigung aller Argumente gegen Ludwig von Teck und zahlreiche weitere Formfehler.483 Am 22. September wurde Ludwig von Teck aufgefordert, sich am nächsten Tag selbst zu äußern.484 An dem dazu angesetzten Termin wurde aber mit seiner Zustimmung nur beschlossen, zur Vermeidung weiterer Auseinandersetzungen auf die erneute Rückkehr des Konzilsgesandten Giovanni d’Angiò aus Venedig zu warten.485 Noch vorher erhielten Donato und Capodilista weitere Schreiben aus ­Venedig, die sie erneut zum Festhalten am bereits beschlossenen Kurs anhielten.486 Am 14. Oktober konnten dann die Briefe des vermutlich einige Tage vorher zurückgekehrten Gesandten d’Angiò in der Versammlung verlesen werden.487 Ihr Inhalt war denkbar deutlich: Venedig hatte nicht vor, sich den Ansprüchen des Konzils zu beugen

479 

Niero, L’azione veneziana (wie Anm.  185), 37. „missa solemnis pro pace Italie“ wurde am 22. August gelesen. C.B. III. (wie Anm.  409), 477. 481  Berichte über die Ankunft des Gesandten in Venedig erreichten Basel am 19. August. Ausführlich beschäftigte das Konzil sich mit den Briefen des Gesandten am 26. August. C.B. III. (wie Anm.  409), 474 und 481. 482  ASVe, Senato, Deliberazioni, Secreti, Secreti Registri, reg.  13, fol.  175r. Wann Andrea Donato nach Basel zurückkehrte ist unklar. 483  C.B. III. (wie Anm.  409), 519. 484 Ebd. (wie Anm.  409), 521. 485 Ebd. (wie Anm.  409), 523. 486  Schreiben aus Venedig an die Gesandten in Basel vom 19. September 1435. Siehe ASVe, Senato, Deliberazioni, Secreti, Secreti Registri, reg.  13, fol.  181r. 487  Gatari nennt den 11. Oktober als Datum der Rückkehr d’Angiòs. Tagebuch des Andrea Gatari (wie Anm.  235), 421. 480 Die

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und das Friaul unter irgendwelchen Umständen aufzugeben.488 Daraufhin verlangte Ludwig von Teck am 22. Oktober eine erneute Bearbeitung des Falls, worauf die Venezianer sich aber erst drei Tage später einließen.489 Am 25. Oktober reichte Capodilista zunächst schriftlich eine Aufführung aller Argumente und Prozessmängel ein, und verteidigte am gleichen Tag nachmittags mündlich seine Ausführungen.490 Gatari vermerkte bei diesem Zusammentreffen vor allem den Aufwand an mitgebrachten Büchern und Schriftstücken: „et fe portar di molti libri di leze et de decrettale“.491 Anschließend zitiert Gatari knapp den Anfang von Capodilistas Rede. In 32 Punkten legte Capodilista nochmals die Argumente Venedigs zur Rechtmäßigkeit des Erwerbs des Friaul dar. Nach Gatari habe diese ausführliche Rede den ganzen Tag gedauert, zweigeteilt in die erste Ansprache vor einer kleineren Gruppe und danach eine längere Rede vor der Generalversammlung des Konzils. Im Tagebuch Gataris wird auch die Reaktion der Konzilsväter dokumentiert, die unter großem Gemurmel den Argumenten Capodilistas zugestimmt hätten. Der Vertreter Ludwig von Tecks, Francesco da Bossis, forderte im Anschluss daran nochmals das Konzil auf, Venedig zur Rechenschaft zu ziehen. Mit dem Verzeichnis dieser Ansprache enden die Aufzeichnungen Gataris, und als letzten Satz vermerkt er noch das Ende der Disputation: „Et ogniuno se levò suso, et aquistassi in quel dì misier Zuan Francesco uno grande honore.“492 Am gleichen Tag wurden in Venedig Anweisungen an die Gesandten verfasst, die sie über den genauen Inhalt der Gespräche mit d’Angiò und die Einbindung Sigismunds in die Verhandlungen informierten und ihnen genaue Anweisungen für eine mög­ licherweise bald notwendige Abreise aus Basel erteilten.493 Den Forderungen von Tecks wurde schließlich am 18. November in der General­ session genüge getan. Vor den anwesenden Konzilsvätern und den venezianischen Gesandten wurde die Anweisung zur Ausfertigung einer endgültigen Sentenz gegen Venedig, adressiert an den Dogen Francesco Foscari, verlesen.494 Dennoch forderten vereinzelte Stimmen noch letzte Versuche zur Vermittlung.495 Nach über einem Jahr der immer wieder erneuerten Vermittlungsversuche und der beständig erfolgreichen Verschleppungstaktiken der Venezianer war die Geduld der Konzilsväter aber nun am Ende. Für Basler Verhältnisse erstaunlich zügig wurde die Gründung einer Kom488 

Niero, L’azione veneziana (wie Anm.  185), 37. Die Gesandten waren in der Sitzung vom 22. Oktober nicht präsent und ließen sich auch durch den nach ihnen geschickten Boten nicht zur Anwesenheit überzeugen. C.B. III. (wie Anm.  409), 547 und 549 f. 490  C.B. III. (wie Anm.  409), 550. Zur Verteidigungsrede Capodilistas siehe Niero, L’azione veneziana (wie Anm.  185), 38. 491  Tagebuch des Andrea Gatari (wie Anm.  235), 422. 492  Tagebuch des Andrea Gatari (wie Anm.  235), 422. 493  ASVe, Senato, Deliberazioni, Secreti, Secreti Registri, reg.  13, fol.  186v. 494  C.B. III. (wie Anm.  409), 569 f. und 673, siehe auch Sudmann, Das Basler Konzil, (wie Anm.  398), 151 und Niero, L’azione veneziana (wie Anm.  185), 38. 495  Die Protokolle vermerken die Wortmeldung des Erzbischofs von Tarent, Giovanni Berardi, der sich für weitere Vermittlungsversuche aussprach. C.B. III. (wie Anm.  409), 575. 489 

100 II. Diplomatie. Ein gelehrter Jurist aus Padua im Dienst Venedigs und des Papstes mission zur Ausarbeitung der Sentenz vorangetrieben und nach ersten Anträgen noch Ende November bildete sich die Gruppe am 2. Dezember.496 Am 17. Dezember wurde der Text der Sentenz formal vor dem Konzil präsentiert und die venezianische Gesandtschaft einberufen, um der Verlesung und Inkraftsetzung beizuwohnen. Die förmliche Sentenz gegen die Republik Venedig in der Person des Dogen Francesco Foscari wurde dann am 22. Dezember um zehn Uhr morgens vor dem versammelten Konzil vorgelesen, gesiegelt und an die Türen der Kirche angeschlagen.497 Im Protokoll des Konzils wird neben den Zeugen auch die Anwesenheit Ludwig von Tecks vermerkt. Nicht erwähnt werden aber die venezianischen Gesandten oder ihre Juristen, obwohl Gasparo da Perugia und Simone da Teramo noch wenige Tage vorher in einer anderen rechtlichen Sache gegen Mailand am Konzil tätig gewesen waren.498 Ludwig von Teck ergriff unmittelbar die Gelegenheit und zeigte die venezianischen Gesandten wegen ihrer Abwesenheit vor dem Konzil an.499 Vermutlich waren sie aber zu diesem Zeitpunkt bereits nicht mehr in Basel anwesend. Das letzte Anschreiben des Senats an die Gesandtschaft datiert bereits auf den 22. November und enthielt die Anordnung zur Abreise.500 Die Republik zeigte sich über den Ausgang der Verhandlungen enttäuscht und betonte nochmals ihren ursprünglichen Willen zur nun gescheiterten Vermittlung. Vor der Abreise sollte Capodilista, der als einziger Gesandter in dem Schreiben genannt wurde, sich noch von den Legaten Eugens IV. verabschieden und sie gemäß den Instruktionen vom guten Willen und der Enttäuschung der Republik über den Ausgang der Verhandlungen überzeugen.501 Die Gesandtschaft scheint Basel nach dem Entschluss des Konzils spätestens zu Beginn des Dezembers verlassen zu haben.502 Bereits am 18. Dezember, einen Tag nach der förmlichen Publikation der Sentenz gegen Venedig auf dem Konzil, wurde Capodilista in Padua als Prüfer während einer Lizensiatsprüfung registriert.503 Geht man von einer durchschnittlichen Reisedauer von einer Woche bis zehn Tagen aus, wie sie aus den Daten der Korrespondenz zwischen Venedig und den Gesandten deutlich wird, muss er Basel also vermutlich kurz nachdem die auf den 22. November datierte Aufforderung zur Abreise aus Venedig eingetroffen war verlassen haben.504 Damit war er 496  Am

28. November stellte Ludwig von Teck den ersten Antrag. C.B.III., 581, zum 2. Dezember siehe ebd., 584. 497  C.B. III. (wie Anm.  409), 602. 498  Am 16. Dezember. Siehe C.B. III. (wie Anm.  409), 594. 499  Niero, L’azione veneziana (wie Anm.  185), 39. 500  ASVe, Senato, Deliberazioni, Secreti, Secreti Registri, reg.  13, fol.  188v. 501  ASVe, Senato, Deliberazioni, Secreti, Secreti Registri, reg.  13, fol.  189r. 502  Tagebuch des Andrea Gatari (wie Anm.  235), LXXIII. Im August 1436 vermerkte ­Segovia wieder die Anwesenheit der für Venedig tätigen Juristen Gasparo da Perugia und ­Simone delle Valles in Basel. Siehe Segovia (wie Anm.  270), Liber X, Caput XVII, 905. Niero vermutet die Abreise der Gesandten erst Ende Dezember, wußte aber nichts von Capodilistas Anwesenheit in Padua vor dem 18.12.1435. Niero, L’azione veneziana (wie Anm.  185), 39. 503  Acta Graduum (wie Anm.  19), Nr.  1083. 504  ASVe, Senato, Deliberazioni, Secreti, Secreti Registri, reg.  13, fol.  188v.

II.2. Die Vertretung Venedigs auf dem Basler Konzil von 1433 bis 1435

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schon vor der formellen Verkündung der Sentenz gegen Venedig nicht mehr auf dem Konzil. Insgesamt war Capodilista damit seit seiner Ankunft auf dem Konzil am 11. Oktober 1433 für mehr als zwei Jahre im Dienste Venedigs durchgängig in Basel gewesen. Nichts weist darauf hin, dass er die Konzilsstadt in diesem Zeitraum für längere Zeit verlassen hat. Zwischenfazit: Die Repräsentation der Republik Venedig auf dem Basler Konzil Mit seiner Rückkehr nach Padua endete Capodilistas erste große diplomatische Reise, die kaum als erfolgreich eingestuft werden kann. Letztendlich gelang es den vene­ zianischen Gesandten in Basel nur selten die politischen Ziele Venedigs gegenüber dem Basler Konzil und den weltlichen Großen durchzusetzen. Von drei expliziten Aufträgen – der Vermittlung zwischen Eugen IV. und dem Konzil, der Schaffung eines neuen Bündnisses zwischen Sigismund und Venedig und zuletzt der Verteidigung der Republik gegen die Ansprüche des Patriarchen von Aquileia – konnten die Gesandten zunächst nur einen erfüllen. Die Vermittlung zwischen Eugen IV. und dem Konzil gelang vor allem durch das Zusammenspiel der venezianischen Gesandtschaft und dem vor allem durch seine Kaiserkrönung an die Position des Papstes gebundenen Sigismund. Weniger erfolgreich waren Capodilistas Bemühungen, zusammen mit einer Gruppe von Juristen den Prozess Ludwig von Tecks zu gewinnen oder doch wenigestens zu untergraben. Gefördert durch die Tendenz des Konzils zur Zögerlichkeit beim Fällen und Umsetzen endgültiger Entschlüsse gelang den Vertretern Venedigs in Basel aber immerhin die Prozessverschleppung.505 Die Verhandlungen mit Sigismund führte zuletzt Andrea Donato weiter, der dem Kaiser nach seiner Abreise aus Basel quer durch das Reichsgebiet folgte. Zu einem tatsächlichen Bündnis zwischen Sigismund und den Venezianern kam es in einem ersten Schritt aber erst am 31. August 1435 in Tyrnau, wobei die Verhandlungen von einer anderen venezianischen Gesandtschaft geführt wurden, der aber unter anderem wieder Andrea Donato angehörte.506 Deutlich wird an der diplomatischen Strategie der Republik in Basel, dass Venedig nach einer anfänglichen Geringschätzung das Konzil im Verlauf des Jahres 1433 als Forum internationaler Politik auch jenseits der Kirchenfrage ernst zu nehmen begann. Eng verknüpft war diese Entwicklung mit der Tatsache, dass Filippo Maria Visconti die Kirchenversammlung als nützliches Instrument seiner Politik erkannt hatte. Für Venedig spielte die Konzilsstadt dann vor allem eine wichtige Rolle als Begegnungsort, wie die langwierigen Verhandlungen mit Kaiser Sigismund um den Abschluss eines Friedensvertrags deutlich zeigen. Letztendlich waren die Entscheidungen des Konzils selbst auch nur von bedingter Reichweite und Venedig beugte sich nach 1435 weder dem über die Stadt verhängtem Interdikt, noch akzep505  Siehe die Ausführungen Sudmanns zur Verschleppung der Fälle auf dem Basler Konzil in Sudmann, Das Basler Konzil (wie Anm.  398), 383 f. 506  Spors, Beziehungen (wie Anm.  138), 44. Der Text des Bündnisses liegt gedruckt vor in RTA 11, Nr.  316 (31.8.1435), 588 f.

102 II. Diplomatie. Ein gelehrter Jurist aus Padua im Dienst Venedigs und des Papstes tierte die Republik einige Jahre später die Suspension Eugens IV. Stattdessen wich man auf andere politische Foren aus und mit der aktiven Vermittlung in der Frage der Kirchenunion mit den Griechen gelang es der Republik, ihr politisches Gewicht trotz der Basler Niederlagen weiterhin zu vermehren.507 Obwohl Capodilista auf dem Konzil auf den ersten Blick nur wenig erreichte, diente die Zeit in Basel als Fundament für seine weitere Karriere als venezianischer und kurialer Diplomat in den Jahren nach 1436. Besonders der Kontakt zu Sigismund zahlte sich auf späteren diplomatischen Reisen für Capodilista aus. Daneben bewies er in Basel seine rhetorischen Fähigkeiten und Verhandlungskompetenz, sowie Loyalität zu seinem Auftraggeber Venedig. Durch die umfangreichen Quellenbestände zu den Prozessen des Basler Konzils, den dortigen Gesprächen, Disputationen und dem diplomatischem Verkehr bleiben die Jahre von 1433 bis 1435 die am besten dokumentierte Zeit im Leben Capodilistas. Keine seiner späteren Missionen kann so genau verfolgt werden, bis hin zu den überlieferten Reden und den genauen Beschreibungen Gataris zur gesellschaftlichen Situation und dem Leben in der Konzilsstadt. Dabei entsteht, getragen von diesem umfassenden Quellenkorpus, das Bild eines rhetorisch bewanderten und geschickten Diplomaten, der allerdings kaum Möglichkeiten zur eigenen Profilierung findet und eingebunden in die engen Handlungsvorgaben seines Auftraggebers wenig Spielraum für freie Handlung hat. Nur ein einziges Mal scheint die vielleicht Venedig gegenüber nicht immer unkritische Haltung Capodilistas durch, als im Frühjahr 1435 die Nachricht von der Rebellion Marsiglio Papafava di Carraras in Padua nach Basel gelangte. An der Art der Übermittlung dieser Nachricht und der geschickten Manipulation des Inhalts, die eine gescheiterte Rebellion als erfolgreich erscheinen ließen, wird die politische Nutzbarkeit von Nachrichten deutlich. Es überrascht daher nicht, das Capodilista einen Familiaren nach Padua sendete, der verlässliche Neuigkeiten über den politischen Status quo nach Basel übermitteln sollte. Die starke Dominanz der Paduaner innerhalb der venezianischen Gesandtschaft lässt darauf schließen, dass die Situation im Frühjahr 1435 durchaus nicht unkritisch war. Auch im Capodilista-Kodex ist die Verbundenheit Capodilistas mit seiner Heimatstadt Padua deutlich. Klare Anzeichen für Zweifel an der Position Venedigs gibt es aber keine, und sämtliche Vermutungen über seine Handlungsoptionen bei einem Abfall Paduas aus der venezianischen Herrschaft müssen Spekulationen bleiben. Damit entspricht Capodilista dem typischen Bild eines streng nach seinen Instruktionen handelnden und seinem Auftraggeber gegenüber loyalen Diplomaten. Capodilistas juristische Ausbildung und Erfahrung erwies sich dabei für Venedig als ausgesprochen nützlich, und sein Verhandlungsgeschick, seine in Basel aufge­ bauten Kontakte und sein dort gewonnenes Verständnis für die aktuellen Konflikte 507  Gleichzeitig

versuchte Venedig bereits zu Beginn des Jahres 1436 durch weitere Gesandtschaften zum Basler Konzil das Urteil der Konzilsväter ungültig erklären zu lassen. Vollständig zog Venedig sich erst 1437 nach dem Beginn des Konzils von Ferrara/Florenz aus Basel zurück. Zum Vorgehen Venedigs in Basel ab 1436 siehe Niero, L’azione veneziana (wie Anm.  185), 41–46.

II.2. Die Vertretung Venedigs auf dem Basler Konzil von 1433 bis 1435

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empfahlen ihn für weitere politische Aufgaben. Es ist also kaum überraschend, dass Capodilista nach seiner Rückkehr nach Padua im Dezember 1435 nur für wenige Monate von der diplomatischen Bühne verschwand, und sein Wissen über die Entwicklung der Causa Aquileia ihn noch über Monate hinweg im Dienst Venedigs beschäftigte.

II.3. Für Venedig nach Florenz, für den Papst nach Ungarn: Diplomatische Aufträge Capodilistas 1436 bis 1437 Zwischen Capodilistas Rückkehr aus Basel und seinem nächsten Auftrag für Venedig lag nur ein knappes Jahr, in dem er seine Lehrtätigkeit an der Universität in Padua wieder aufnahm. Bereits im März 1436 reiste er für Venedig nach Florenz und führte zunächst seine Aufgaben vom Basler Konzil in kaum veränderter Form weiter: er sollte die Durchsetzung der Beschlüsse des Konzils aus dem Prozess gegen Ludwig von Teck verhindern und die weitere Unterstützung Eugens IV. gewinnen. Venedig hatte bereits unmittelbar nach der Sentenz des Konzils im Dezember 1435 Initiative gegen das Urteil ergriffen und ihre Bemühungen an die Kurie Eugens IV. in Florenz relokalisiert. Capodilista blieb dort für länger als ein Jahr und übernahm Funktionen, die an spätere Formen der ständigen Gesandtschaften erinnern. Erst im August 1437 erhielt er eine neue Aufgabe, als Eugen IV. ihn als päpstlichen Gesandten zu Verhandlungen an den Hof Kaiser Sigismunds schickte. Die politische Situation, auf die Capodilista in Florenz und später Ungarn traf, spannte sich zwischen verschiedenen Eckpunkten weltlicher und kirchlicher Konflikte auf. Nach wie vor nahm Kaiser Sigismund eine vermittelnde Position zwischen Eugen IV. und dem Basler Konzil ein. Ein Hauptpunkt in der tagespolitischen Diskussion war dabei seit 1435 das anstehende Unionskonzil mit den Griechen, das nach dem Willen des Papstes in einer italienischen Stadt, nach den Vorstellungen des Basler Konzils in einer nördlich gelegenen Stadt auf dem Gebiet des römisch-deutschen Reiches oder Frankreichs veranstaltet werden sollte.508 Die Wahl der Konzilsväter fiel letztendlich auf Avignon, nicht zuletzt wegen des starken Einflusses der französischen Konzilsnation.509 Diese Auseinandersetzung, die letztendlich zur Spaltung des Konzils und der Abreise der für einen italienischen Ort stimmenden Minorität führte, wurde nochmals durch die Ausrufung des Konzils von Ferrara durch Eugen IV. am 18. September 1439 verschärft. Sigismund blieb dabei in einer vermittelnden Posi­ tion. Allgemein hatte das Verhältnis zwischen Kaiser und Konzil sich zunehmend 508  Zu Kriterien bei der Auswahl von Konzilsorten siehe Helmrath, Johannes, Locus con­ cilii. Die Ortswahl für Generalkonzilien vom IV. Lateranum bis Trient. Mit einem Votum des Johannes de Segovia, in: Remigius Bäumer/Evangelos Chrysos (Hg.), Synodus. Beiträge zur Konzilien- und allgemeinen Kirchengeschichte. FS für Walter Brandmüller, Paderbon 1997, 594–661, zum Ort des Unionskonzils bes. 626–644. 509  Ebd., 631.

106 II. Diplomatie. Ein gelehrter Jurist aus Padua im Dienst Venedigs und des Papstes weiter gelockert, besonders nach dem vom Konzil im Sommer 1436 beschlossenen Griechenablass, der zu Auseinandersetzungen über die Zuständigkeit im Reich führte.510 Mit diesen und weiteren Maßnahmen war das Konzil als direkte Konkurrenz­ instanz gegenüber dem Kaiser aufgetreten, ein Autoritätskonflikt, der allerdings auf weite Sicht gesehen zugunsten Sigismunds entschieden werden konnte.511 Neben diesen Fragen wurde in Florenz im Frühjahr 1436 aber auch die seit langem schwelenden politischen Auseinandersetzungen zwischen Mailand und Venedig verhandelt. Die dauerhafte Feindseligkeit zwischen dem Mailänder Herzog Visconti und der Republik Venedig war nach dem Aufstand Genuas gegen die Mailänder Herrschaft im Dezember 1435 in eine neue Phase getreten.512 Die verbündeten Städte Venedig und Florenz waren von den Genuesern um Hilfe angerufen worden, und Eugen IV. war dem Konflikt ebenfalls beigetreten. Das Bündnis zwischen der venezianisch-florentinischen Liga und Genua wurde im Mai 1436 auf zehn Jahre festgelegt.513 Der bereits August 1435 geschlossene Bündnisvertrag zwischen Sigismund und Venedig sah neben anderen Vereinbarungen einen persönlichen Eingriff des Kaisers auf Seiten der Republik vor, sollte es zu dem im Vertrag explizit vorgesehenen Krieg ­zwischen Venedig und Mailand kommen.514 Nachdem Verhandlungen an der Kurie ­Eugens IV. in Bologna515 gescheitert waren, wurden erste militärische Konflikte im Februar 1437 ausgetragen.516 Auf der Reichsversammlung zu Eger im Juli, zu der Sigismund den erprobten venezianischen Gesandten Marco Dandolo517 zur Besprechung des Bündnisfalls lud, ergriff der Kaiser zunächst die im Vertrag von 1435 festgehaltenen Maßnahmen. Der Krieg mit Mailand bildetete einen eigenen Tagungsordnungspunkt auf der Reichsversammlung, aber Sigismund schickte keine militä­ rische Unterstützung.518 Bereits im Sommer war eine militärische Niederlage der 510 

Vgl. Wefers, Das politische System (wie Anm.  179), 215. Diese Entscheidung zeichnete sich schon in den Auseinandersetzungen um das Interdikt gegen Venedig 1435 ab. Vgl. Wefers, Das politische System (wie Anm.  179), 216. 512 Zur politischen Situation und den genauen Umständen des Aufstands in Genua vgl. ­ ognasso, Storia di Milano (wie Anm.  466), 315 f. C 513  Am 29. Mai 1436. Vgl. ebd., 318. 514 Vgl. die Zusammenfassung des Vertrags bei Romano, The Likeness of Venice (wie Anm.  70), 125. 515 Eugen IV. residierte seit April 1436 in Bologna. Vgl. Diener /Schwarz, Das Itinerar ­Eugen IV. (wie Anm.  439), 226. 516  Vgl. Spors, Beziehungen (wie Anm.  138), 50. 517  Marco Dandolo war einer der profiliertesten venezianischen Gesandten mit Erfahrung in komplexen diplomatischen Angelegenheiten. Unter anderem hatte er 1428–30 als Abgesandter Venedigs das Friaul regiert, 1434–35 als Podestà der immer wieder rebellierenden Stadt Padua vorgestanden und schon mehrfach Gesandtschaften zu Sigismund angeführt, am längsten 1427, als er ein volles Jahr in Ungarn war Vgl. Gullino, Guiseppe, Art. Marco Dandolo. DBI 32 (1986), 485–487. Siehe dazu die Bemerkungen in der Biographie eines namensgleichen Marco Dandolo bei Girgensohn, Kirche, Politik und adlige Regierung (wie Anm.  203), Bd. 2, 734 f. 518  Vgl. Wefers, Das politische System (wie Anm.  179), 220. 511 

II.3. Für Venedig nach Florenz, für den Papst nach Ungarn

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Republik abzusehen,519 und die nun von einigen Seiten angestrebten Versuche zur Friedensvermittlung wurden nach Zustimmung Sigismunds im August 1437 aufgenommen.520 Allerdings war der Ort der Friedensverhandlung Gegenstand längerer Auseinandersetzungen. Während Sigismund die Verhandlungen räumlich strikt an sich binden wollte, bevorzugten die Streitpartien einen Ort auf italienischem Boden. Die Verhandlungen über die Ortswahl wurden zunächst ausschließlich über Gesandte geführt: von Sigismund aus in Venedig durch den ursprünglich venezianischen Gesandten Marco Dandolo und den Bischof von Zengg, Johannes de Dominis,521 und am Hof des Kaisers durch Capodilista, der zwar als päpstlicher Vertreter vor Ort war, aber auch eine Vollmacht zur Verhandlungsführung für die Venezianer erhalten hatte. Diese Gespräche an beiden Orten führten allerdings nicht zu einem greifbaren Ergebnis. Als Sigismund am 9. Dezember 1437 starb, konnten die Verhandlungen erfolgreich nach Italien verlegt werden, wo sie unter Aufsicht Eugens IV. weitergeführt wurden. Zu einem abschließenden Ergebnis kam es aber erst vier Jahre später am 20. November 1441. Neben diesen politischen Verhandlungspunkten gestaltete sich das Verhältnis zwischen der Republik und Sigismund weitgehend positiv. Eine neue Dimension erhielt es, nachdem Sigismund am 20. Juli522 und dann formell am 16. August 1437523 in einer prunkvollen Zeremonie Venedig, vertreten durch Marco Dandolo, offiziell mit ihrem Terraferma-Besitz belieh. Dandolo selbst wurde anschließend, wie viele venezianische Gesandte vor ihm, von Sigismund zum Ritter ernannt. Mit dieser Zere­ monie begab sich Venedig erstmals in ein deutliches Abhängigkeitsverhältnis zum römisch-deutschen Kaiser, nachdem der offizielle Anspruch die Republik über lange Zeit hinweg als dem Kaiser und auch dem Papst gleichgestellt veranschlagt hatte. Gleichzeitig sicherte die Republik so aber dauerhaft ihren noch von unterschied­ lichen Konflikten bedrohten Terraferma-Besitz.524 Allerdings war die Republik auch nur mit diesen Festlandgebieten offiziell in die Vasalität zum Heiligen Römischen Reich getreten, während die Lagunenstadt selbst weiterhin unabhängig war. Dass die Unterwerfung des Dogen als Reichsvikar des Kaisers tatsächlich zumindest für die venezianische Partei als zeremonieller Akt der Annäherung und Sicherung ohne po519  Ausführlich zum genauen Kriegsverlauf vgl. Cognasso, Storia di Milano (wie Anm.  466), 320 f. 520  Vgl. Spors, Beziehungen (wie Anm.  138), 50. 521  Zengg, heute Senj in Kroatien. Johannes de Dominis ist bereits früher in der Umgebung Sigismunds anzutreffen, unter anderem als Zeuge bei Beurkundungen. Vgl. im Sommer 1435, RI XI, Bd.1, Nr.  163. An anderen Orten wird Johannes de Dominis als Bischof von Großwardein geführt. Siehe von Engel, Johann Christian, Geschichte des ungarischen Reiches. Bd. 3, Wien 1834, 81. 522  RI, XI, Nr.  11883. 523  Zu den Vorverhandlungen und genauen Bestimmungen vgl. die Ausführungen Kaiser Sigismunds an den Dogen Foscari RTA 12, Nr.  113 (20.7.1437), 181. 524  Vgl. dazu und auch zur Zeremonie in Prag ausführlich Romano, The Likeness of Venice (wie Anm.  70), 125 f.

108 II. Diplomatie. Ein gelehrter Jurist aus Padua im Dienst Venedigs und des Papstes litische Konsequenz gesehen wurde, geht deutlich aus einem Schreiben vom November 1437 hervor, in dem der Doge Francesco Foscari den auch für die Republik arbeitenden päpstlichen Gesandten Capodilista in Eger aufforderte, den Kanzler Kaspar Schlick, und wenn nötig auch Kaiser Sigismund selbst, zur Rückkehr zum alten Urkundenformular vor der Zeremonie im August aufzufordern.525 Gleichzeitig wurde die Verlängerung des 1435 auf zehn Jahre ausgelegten Waffenstillstands zwischen Sigismund und Venedig beschlossen.526 Die Beziehung zwischen Sigismund und Venedig stellt sich also kurz vor dem Tod des Kaisers zunächst als entspannt und durch verschiedene politische Instrumente abgesichert dar. Unterschwellige Krisen, wie die Handlungslosigkeit des Kaisers im Mailand-Konflikt trotz des 1435 abgeschlossenen Vertrages, und die offene Kritik des Dogen an ranganzeigenden Formalitäten wiesen aber auf weiterhin bestehende Konflikte hin.527

II.3.1. Die Rolle Capodilistas als juristischer Berater Venedigs in Florenz 1436 bis August 1437 Seit Beginn des Februar 1436528 war Capodilista als Gesandter Venedigs am Hof Eugens IV. in Florenz. Zwischen seiner Rückkehr nach Padua im Dezember 1435 und dem Aufbruch nach Florenz Ende Februar 1436 lagen für Capodilista nur wenige Monate, in denen er seine akademische Tätigkeit an der Universität Padua529 und sein Engagement530 im Consiglio wieder aufgenommen hatte. Die Aufgaben der venezia525 

RTA 12, Nr.  131 (26.11.1437), 207. Laut Anm.  1 wurde diese Aufforderung nach der Königswahl Albrechts zum Nachfolger Sigismund mit konkretem Bezug auf den Auftrag Capodilistas wiederholt. 526  RTA 12, Nr.  114 (29. Juli 1437), 184. Die Ratifizierung des Beschlusses erfolgte erst im November 1437 durch den Dogen Francesco Foscari. Vgl. RTA 12, Nr.  127 (1.11.1437), 202. 527  Spors spricht dagegen von einem an die Person Sigismunds selbst geknüpften nahen politischen Verhältnis. Vgl. Spors, Beziehungen (wie Anm.  138), 61. Diese positive Entwicklung zwischen dem Kaiser und der Republik war erst in den späteren Jahren der 1430er aufgekommen, nachdem die Auseinandersetzungen um Dalmatien in Venedig bereits in den Jahren von 1413 bis 1420 mehrfach zur Planung von Mordanschlägen durch Gift auf Sigismund geführt hatten. Vgl. Stefánik, Beschlüsse (wie Anm.  161), 161–173.Von Stromer vermutet hinter den Giftanschlägen die Rache der Venezianer für die von Sigismund gegen sie verhängten Handelssperren, die dem venezianischen Handel zeitweise größte Schäden zufügten. Vgl. von Stromer, Landmacht gegen Seemacht (wie Anm.  161), 158. 528  Siehe ein nicht abgesendetes Instruktionsschreiben aus Venedig vom 21. Februar 1436 mit Bezug auf Briefe Capodilistas vom 14. Februar desselben Jahres. ASVe, Senato, Deliberazioni, Secreti, Registri, reg.  13, fol.  202r. 529  Die Akten der Universität belegen die Anwesenheit Capodilistas während einer Lizen­ siatsprüfung am 22. Januar 1436. Während einer Prüfung nur zwei Tage später am 24. Januar 1436 wird er bereits wieder als „absentis“ vermerkt. Vgl. Acta Graduum (wie Anm.  19), Nr.  1084 und Nr.  1087. 530  ASP, Atti del Consiglio, vol.  4, fol.  285r, Januar 1436.

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nischen Gesandten in Florenz sind in den Instruktionen vom 21. Februar 1436 fest­ gehalten. Sie bestanden vor allem darin, eine Gegensentenz Eugens IV. zu dem durch das Basler Konzil erlassenen Interdikt gegen Venedig vom Dezember 1435 zu erwirken.531 Die für diese Aufgabe ausgewählten Gesandten waren der Humanist Francesco Barbaro, Hermolao Donato und Capodilista.532 Alle drei Diplomaten hatten bereits in anderen Aufträgen für Venedig Erfahrungen gesammelt, Francesco Barbaro unter anderem als Teil der Gesandtschaft, die Sigismund 1433 bis Trient geleitet hatte. Venedig forderte in Florenz vor allem eine Neubeurteilung und Revision des Basler Urteils in der Auseinandersetzung mit Ludwig von Teck. Die Gesandten wurden zur größtmöglichen Umsicht angewiesen und sollten vor allem Eugen IV. ehrvoll gegenübertreten. Gleichzeitig wurden sie instruiert, den Papst an die Bemühungen der Republik in Basel zu erinnern, wo Venedig sich stets für ihn eingesetzt habe. Indessen sei der Republik auf dem Konzil eine große Ungerechtigkeit erfahren, der viele widersprechen wollten, und nur deshalb wage die Republik es, Eugen IV. um eine Revision der Sentenz anzurufen. Capodilista war vor allem aufgrund seiner juristischen Kompetenz und Erfahrung Teil der Gesandtschaft, wie aus einem Schreiben aus Venedig vom 25. Februar 1436 deutlich wird, in dem ihm die Abfassung sämtlicher vertraglichen Vereinbarungen aufgetragen wurde.533 Barbaro, und wahrscheinlich auch Donato, waren zusätzlich mit anderen Aufgaben betraut, unter anderem mit den Verhandlungen zwischen Genua und der Liga aus Florenz und Venedig zum Abschluss eines gegen Mailand gerichteten Bündnisses.534 Die exakte Dauer von Capodilistas Aufenthalt an der Kurie in Florenz und die Ergebnisse seiner Arbeit in Bezug auf die Streitfrage um das Friaul bleiben unklar.535 Die Kommunikation zwischen Venedig und Florenz konzentrierte sich hauptsächlich auf die Verhandlungen mit Genua, die mehrere Monate in Anspruch nahmen und von Hermolao Donato geführt wurden. Nur gelegentlich wird Capodilista in den Instruktionen aus Venedig erwähnt, und dementsprechend wenig ist über seine Aufgaben zu erfahren. Mit Sicherheit war er am 15. März 1436 in Flo531 

Zum Interdikt vgl. Helmrath, Basler Konzil (wie Anm.  203), 259. Wahrscheinlich dürfte die Exkommunikation von den generell auf der Seite Eugen IV. stehenden Venezianern nicht anerkannt worden sein. Helmrath vermutet allerdings, dass zusätzlich zum Interdikt auch noch eine Handelssperre verhängt worden sein könnte, die dem Handelsstaat Venedig unangenehm gewesen sein dürfte. Vgl. ebd. Die Handelssperre als Machtmittel Sigismunds gegen Venedig war allerdings keineswegs ein neues Mittel, und vor allem in den Auseinandersetzungen um Dalmatien ab 1413 bereits erprobt worden. Vgl. Hempel, Handelspolitik (wie Anm.  162), 145– 156. Weiterhin von Stromer, Landmacht gegen Seemacht (wie Anm.  161), 145–189. 532 Für alle Zitate des Abschnitts siehe ASVe, Senato, Deliberazioni, Secreti, Registri, reg.  13, fol.  202r. 533  ASVe, Senato, Deliberazioni, Secreti, Registri, reg.  13, fol.  207r. 534  ASVe, Senato, Deliberazioni, Secreti, Registri, reg.  13, fol.  203r. 535  Zur politischen Strategie Venedigs 1436 siehe Niero, L’azione veneziana (wie Anm.  185), 42–46.

110 II. Diplomatie. Ein gelehrter Jurist aus Padua im Dienst Venedigs und des Papstes renz.536 Ein weiteres Schreiben aus Venedig mit Neuigkeiten aus Basel vom 10. April nennt ihm ebenfalls noch als Teil der Gesandtschaft.537 Dieses Schreiben bezog sich wieder auf die Causa Aquileia und berichtete, das die Präsidenten des Basler Konzils an Venedig die Anfrage Ludwig von Tecks nach einer neuen kirchlichen Position weitergemeldet hätten. Venedig instruierte Hemolao Donato und Capodilista, sich an Eugen IV. zu wenden und die Durchsetzung dieses Vorhabens zu gewährleisten, um Ludwig von Teck als politischen Gegner loszuwerden. Deutlich wird, das Capodilista nach wie vor als Fachmann für die Auseinandersetzung zwischen Venedig und Ludwig von Teck galt, und auch in dieser Funktion in Florenz tätig war. Durch seine lange Anwesenheit vor Ort war sein Status aber nun eher in Nähe eines residierenden Gesandten gerückt.538 Er war wohl vor allem mit dem Führen von Vorverhandlungen beauftragt, was daran deutlich wird, dass bei Vertragsabschlüssen immer ein spezifisch für den Abschluss bevollmächtiger venezianischer Gesandter auftrat. Vermutlich verbrachte Capodilista auch den Sommer und Herbst 1436 noch in Florenz: die Akten der Universität Padua verzeichnen ihn für den Mai 1436 als abwesend.539 Anschreiben aus Venedig dokumentieren seine Tätigkeit als Jurist in Verhandlungen zwischen Venedig und Eugen IV., aber auch zwischen Venedig, Florenz und Genua im Mai und vermutlich Juni.540 Der Vertrag zwischen dem gegen Mailand rebellie536  I libri commemoriali della Republica di Venezia (wie Anm.  86), 203, Nr.  4. Dort wird Capodilista als „procuratore della Signoria veneta“ bezeichnet. Unklar bleibt, ob es sich dabei tatsächlich um einen Quellenbegriff oder eine spätere Zuschreibung handelt. Der Prokurator war eine spezifische Form des dauerhaften Gesandten, der oft umfangreich bevollmächtigt war und sowohl Verhandlungen führen als auch Verträge abschließen konnte. Siehe Queller, Donald, The Office of Ambassador in the Middle Ages, Princton 1967, 26. Zur Kritik an Queller insgesamt siehe Fubini, Riccardo, Diplomacy and Government in the Italian City-States of the Fifteenth Century (Florence and Venice), in: Daniela Frigo (Hg.), Politics and Diplomcay in Early Modern Italy. The Structure of Diplomatic Practice, 1450–1800, Cambridge 2000 (Cambridge Studies in Italian History and Culture), 25–48, hier 32 f. 537  ASVe, Senato, Deliberazioni, Secreti, Registri, reg.  13, fol.  222v. Das Anschreiben dokumentiert die weitere Kommunikation zwischen der Republik Venedig und Basel. Genannt wird hier vor allem der Briefverkehr zwischen den Konzilspräsidenten und Venedig. 538  Der Übergang von der ausschließlichen Sendung einzelner Gesandten für Spezialaufträge hin zur Etablierung permanenter Diplomaten an bestimmten Orten vollzog sich im Machtsystem der italienischen Städte seit den ersten Jahrzehnten des 15. Jahrhunderts, wobei Venedig, Florenz und Mailand als Vorreiter gelten. Als erster ständiger Gesandter galt lange Nicodemo Tranchedini, der 1440 bis 1460 als Vertreter Francesco Sforzas in Florenz war. Es liegt nahe, Capodilistas langen Aufenthalt in Florenz in dieser Entwicklungslinie zu sehen. Vgl. Mallett, Michael, Ambassadors and their audiences in Renaissance Italy, in: Renaissance Studies 8 (1994), 229–243, hier 231 und Fubini, der ständige Gesandte bereits vor dem 15. Jahrhunder identifiziert. Siehe Fubini, Diplomacy and Government (wie Anm.  536), 29 f. 539  Eine bedauerliche Überlieferungslücke für die Jahre 1437 bis 1438 lässt danach keine Rückschlüsse mehr zu. Vgl. Acta Graduum (wie Anm.  19), Nr.  1118. 540  Anschreiben an Hermolao Donato vom 7. Mai 1436 und ein weiteres undatiertes Schriftstück, vermutlich dem Juni zuzuweisen, dokumentieren Capodilistas Anwesenheit. Siehe ASVe, Senato, Deliberazioni, Secreti, Registri, reg.  13, fol.  203r und fol.  234v.

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renden Genua und den Bündnispartnern Florenz und Venedig wurde schließlich am 29. Mai 1436 geschlossen und dann stetig erweitert und umgearbeitet.541 Als am 20. Juni 1436 Andrea Mauroceno als neuer Botschafter Venedigs in Florenz instruiert wurde, erhielt er die ausdrückliche Anweisung, sich mit Capodilista zu verständigen und sich von ihm in die Gegebenheiten vor Ort einweisen zu lassen.542 Erst ungefähr einen Monat später, am 25. Juli, bekam auch Capodilista weitere Anweisungen aus Venedig.543 Im Fokus waren dabei Verhandlungen mit Erasmo da Narni, dem Gattamelata genannten Condottiere Venedigs.544 Die letzte Erwähnung von Capodilistas Tätigkeit findet sich in einem Anschreiben, wieder an Hermolao Donato, vom 14. Au­ gust, in dem ein Hinweis auf die für Capodilista beigelegten Schreiben enthalten war.545 Ob Capodilista danach Florenz verließ oder weiter vor Ort blieb ist unklar. Erst im März 1437 begegnet Capodilista wieder am Hof Eugens IV. In einem Schreiben an Hermolao Donato in Florenz über Entwicklungen in der Causa Aquileia berichtete Venedig neue Informationen von Eugen IV, die von Capodilista an die Republik weitergegeben worden waren.546 Das er sich zu diesem Zeitpunkt in der Nähe Eugens IV. aufgehalten und wohl Zugang zu vertraulichen Informationen hatte, geht aus der Anweisung der Republik an Hermolao Donato hervor: er sollte gemeinsam mit Capodilista arbeiten und mit ihm auf den Papst einwirken, damit der Streitfall zugunsten der Serenissima entschieden werde. Als Kontaktperson nach Basel wird Giovanni Berardi, der Erzbischof von Tarent, genannt. Zuletzt wies die Signoria Donato auf die Möglichkeit der Konzilsverlegung aus Basel fort hin, was die Lösung des Streitfalls zugunsten Venedigs erheblich erschweren könnte.547 Der letzte Hinweis des Briefes hielt Donato nochmals zu gemeinsamen und sorgfältigem Handeln an.548 Ein ähnliches Schreiben wurde am 2. März 1437 an Capodilista ausgefertigt. Es nahm neben der Anweisung zur guten Zusammenarbeit mit Hermolao Donato Bezug auf einen Bericht Capodilistas vom 26. Februar über die Personen der deputierten Richter im Streitfall mit Ludwig von Teck.549 Der sonstige Inhalt entspricht spiegelbildlich dem Schreiben an Hermolao Donato, mit dem gleichen Hinweis auf die zu befürchtende mögliche Verlegung des Konzils zur Erleichterung der Verhand541 

Vgl. Cognasso, Storia di Milano (wie Anm.  466), 318. Senato, Deliberazioni, Secreti, Registri, reg.  13, ab fol.  244r, hier fol.  245v. 543  Ebd., fol.  253v. 544  Gattamelata war seit 1434 in den Diensten Venedigs, nachdem er vorher die päpstlichen Streitkräfte geführt hatte. Im Februar 1436 war sein Vertrag erneuert worden, wobei er zu seiner üblichen Bezahlung noch den Besitz der Ortschaft Valmareno erhielt. Gleichzeitig reduzierte er seine Tätigkeit für die Republik, die als Ersatz Gianfrancesco Gonzaga von Mantua in den Dienst nahm. Zur Biographie siehe Ippolito, Antonio Menniti, Art. Erasmo da Narni, detto Il Gattamelata. DBI 43 (1993), 46–52. 545  ASVe, Senato, Deliberazioni, Secreti, Registri, reg.  13, fol.  257r. 546  ASVe, Collegio, Secreti, Reg. 1436–1438, fol.  35v. 547  ASVe, Collegio, Secreti, Reg. 1436–1438, fol.  35v. 548  Ebd., fol.  36r. 549  ASVe, Collegio, Secreti, Reg. 1436–1438, fol.  36v. 542  ASVe,

112 II. Diplomatie. Ein gelehrter Jurist aus Padua im Dienst Venedigs und des Papstes lungen der Griechenunion und der Anordnung zur gemeinsamen Arbeit beider Gesandter zur baldigen Beilegung der Causa Aquileia. Offensichtlich verliefen die Verhandlungen über den Streitfall mit Ludwig von Teck anschließend zur Zufriedenheit der Venezianer. Das nächste Schreiben an Capodilista vom 16. März 1437550 befasste sich bereits mit einem weiteren politischen Problem der Serenissima. In einem kurzen Brief informierte die Signoria ihre Gesandten über die aktuelle Situation der kriegerischen Auseinandersetzung mit Mailand und die Fortschritte ihres Condottiere Gianfrancesco Gonzaga, seit 1433 Markgraf von Mantua. Gonzaga hatte mit seinen Truppen die Adda bei Medolago mit Hilfe von Brücken überschritten und benötigte nun Geleitbriefe zur Durchquerung päpstlicher Gebiete, um die Capodilista bei Eugen IV. bitten sollte.551 Das Schreiben führte die weiteren Pläne Venedigs nicht aus und drängte stattdessen die Gesandten nur zur schnellen Ausführung der Anweisung. Ausführlichere Informationen erhielt Capodilista erst wenige Tage später in einem langen Schreiben vom 20. März 1437552, in dem ihm die Ereignisse der zu Ungunsten der venezianischen Truppen verlaufenen Begegnung ausführlich mitgeteilt wurden. Daraus geht auch hervor, dass die Mahnung zur Eile des vorhergegangenen Schreibens durchaus von Capodilista ernst­ genommen wurde. Seine Rückantwort auf die knappe Aufforderung vom 16. März muss bereits am 19. März in Venedig eingegangen sein.553 Das neue Schreiben berichtet in einer dramatischen Schilderung von den Kämpfem um die Flussüberquerung und weist danach in dringlichem Tonfall auf die Notwendigkeit der Geleitbriefe für Gonzaga hin, die dieser offensichtlich trotz des Engagement Capodilistas noch nicht erhalten hatte. Für einen erneuten Versuch wurde Capodilista nun angewiesen, den Papst an die Ergebenheit und die beständige Dienstbarkeit Venedigs zu erinnern. Gleichzeitig erhielt er neue Nachrichten über die Bemühungen des Basler Konzils zu den Verhandlungen mit den Griechen, die er bei Bedarf als Gegenleistung an Eugen IV. weitergeben konnte.554 Das Phänomen der Weitergabe von Nachrichten durch die Beigabe von kopierten Mitteilungen, die Venedig von Kontakten an wichtigen politischen Brennpunkten erhalten hatte, erscheint regelmäßig in der Korrespondenz der Serenissima mit ihrem Gesandten. Damit wurde nicht nur die Neuigkeit an sich, beziehungsweise der Inhalt des Briefes vermittelt, sondern über die materielle Gestalt des Schreibens auch die Autorität und Glaubwürdigkeit der übermittelten Nachricht gesteigert. Die so vermittelte Neuigkeit konnte von den Gesandten als Druckmittel in Verhandlungen eingesetzt werden und getrennt von ihrem Schriftverkehr gleichsam als Originalschriftstück übergeben werden. In der Archivüberlieferung sind diese 550  ASVe,

Collegio, Secreti, Reg. 1436–1438, fol.  42v. Vgl. Romano, The Likeness of Venice (wie Anm.  70), 133. 552  ASVe, Collegio, Secreti, Reg. 1436–1438, fol.  49v bis 50v. 553  „Suscepimus litteras vostras datas xviiii […]“ ASVe, Collegio, Secreti, Reg. 1436–1438, fol.  49v. 554  ASVe, Collegio, Secreti, Reg. 1436–1438, fol.  50r. 551 

II.3. Für Venedig nach Florenz, für den Papst nach Ungarn

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Schriftstücke nur in den seltensten Fällen erhalten, häufig aber durch textimmanente Hinweise zu rekonstruieren. Das nächste Schreiben an Capodilista ist undatiert, bezog sich aber direkt auf einen Brief vom 20. März 1437 und steht in räumlich unmittelbarer Nähe zu diesem in der Überlieferung. Eine zeitlich enge Abfolge beider Briefe, vermutlich sogar innerhalb weniger Tage oder am selben Tag, ist deshalb zu vermuten.555 Vermittelt wurden wieder Nachrichten aus Basel, die dem Schreiben als Kopien zur Kenntnisnahme Eugens IV. beigelegt waren. Danach erwähnte Venedig ihre Sorgen um die neuen Vorstöße Alfons’ von Aragon, der in einem langwierigen Thronstreit mit René d’Anjou um das Königreich Neapel lag. Venedig fürchte sowohl um die Sicherheit seiner Galeeren als auch seiner Kaufleute auf den von den militärischen Aktionen Alfons’ betroffenen Gebieten.556 Zur Beruhigung der Lage werde man einen Gesandten losschicken, der Verhandlungen zur Gewährleistung der Freiheit venezianischer Kaufleute führen sollte. Capodilista sollte bei Eugen IV. für Verständnis für den Alleingang Venedigs in dieser auch für den Papst wichtigen politischen Situation werben. Venedig zeigte sich aber zuversichtlich, dass sie bei Eugen IV. Verständnis für ihr Handeln erwarten konnte.557 Bereits kurze Zeit später hatte sich das politische Blatt wieder gewendet, und die Venezianer waren erneut mit dem Krieg gegen Mailand beschäftigt. Als Reaktion auf päpstliche Bemühungen um einen baldigen Friedenschluss erhielt Capodilista am 9. April 1437558 neue Handlungsanweisungen. Sie bezogen sich vor allem darauf, ein friedensstiftendes Eingreifen Eugens IV. in die Auseinandersetzung zu verhindern. Dazu wurde Capodilista das Argument an die Hand gegeben, dass die venezianischen Aktionen nur in Absprache mit dem Verbündeten Sigismund geschehen könnten, und ohne dessen Zustimmung ein Friedenschluss nicht möglich sei.559 Gleichzeitig verbaten die Venezianer sich jegliches Eingreifen in ihre Verhandlungen und wiesen Capodilista explizit darauf hin, dass er selbst sich nicht von Eugen IV. für eine solche Mission beauftragen lassen dürfe. Der zweite Teil des Anschreibens vertiefte diesen Aspekt noch einmal und dankte Capodilista für seine Umsicht und die ausführliche Schilderung der Friedensbemühungen Eugens.560 Einen ähnlichen Brief erhielt auch Hermolao Donato, der ebenfalls als Gesandter bei Eugen IV. war. Seine Anweisungen umfassten die gleichen Aufgaben mit dem expliziten Befehl, sich nicht von Eugen IV. als Friedensbotschafter nach Venedig senden zu lassen. Die im Mai 1437 zu Eugen IV. geschickten Sondergesandten der Republik, 555  ASVe, 556 Ebd.

557  ASVe,

Collegio, Secreti, Reg. 1436–1438, fol.  50r.

Collegio, Secreti, Reg. 1436–1438, fol.  50v. Senato Deliberazioni, Secreti, Secreti Registri, reg.  14, fol.  29r. Dieses Schreiben ist in den Reichstagsakten ediert: RTA 12, Nr.  104 (9.4.1437), 167. 559  „[…] nos sumus in liga cum serenissimo domino imperatore Romanorum, cuius vigore non possumus venire ad pacem nec aliquid praticare cum duce Mediolano absque consensu sue serenitatis […].“ RTA 12, Nr.  104 (9.4.1437), 167. 560  RTA 12, Nr.  104 (9.4.1437), 167. 558  ASVe,

114 II. Diplomatie. Ein gelehrter Jurist aus Padua im Dienst Venedigs und des Papstes Frederico Contareno und Andrea Mocenigo, wurden ebenfalls angewiesen, eine Einmischung des Papstes in die Friedensverhandlungen abzuwenden und vor allem einen Vertragsschluss zu vermeiden, woran sie auch Capodilista explizit erinnern sollten.561 Schon wenige Tage später wandte Venedig sich wieder an Capodilista, diesmal allerdings wegen einer kleineren Auseinandersetzung mit Eugen IV., in der es nicht um größere politische Ziele, sondern lediglich um die Frage des Geleitschutzes für einen als „cardinalis placentini“ bezeichneten kirchlichen Würdenträger. Damit war vermutlich der versierte päpstliche Diplomat Branda da Castilgione gemeint, der ­Bischof von Piacenza und später Kardinal von San Clemente war.562 Die im Juli 1437 von Venedig an Capodilista gerichteten Schreiben563 befassten sich mit kleineren ­politischen Problemen bezüglich der von den Auseinandersetzungen mit Mailand ­betroffenen Gebiete in der Lombardei. Beschrieben wurde auch ausführlich der Kontakt zu einem Gesandten Eugens IV., der mit den Venezianern Verhandlungen ein­ gehen sollte. Es handelte sich bei dem genannten „episcopus Tragueren“564 um den Bischof Tommaso von Trogir, der in der Florentiner Kirchenpolitik eine bekannte Persönlichkeit war.565 Damit sind die Aufgaben Capodilistas bei Eugen IV. im Dienste der Republik ­Venedig deutlich umrissen. Auffällig ist dabei, dass Capodilista sich ähnlich einem Dauergesandten über einen Zeitraum von über einem Jahr vermutlich ohne längere Unterbrechungen am Hof Eugens IV. aufhielt. Sein Aufgabenfeld lässt sich in zwei Ebenen gliedern: die kontinuierliche Einwirkung auf den Papst zugunsten der venezianischen Republik und die jeweils ad hoc der aktuellen Situation angepasste Verhandlungsführung nach Anweisungen Venedigs. Darüber hinaus schickte Venedig je nach Situation und Bedarf noch weitere Gesandte nach Florenz, die mit Sonderaufgaben betraut und umfangreich bevollmächtigt waren. Bei Vertragsabschlüssen traten diese Gesandten federführend auf, während Capodilista, vermutlich entsprechend seiner geringeren Bevollmächtigung, nur an zweiter Stelle erwähnt wurde.566 Die Instruktionen der Sondergesandten enthielten aber immer die Anweisung, Kontakt zu Capodilista zu suchen, der vermutlich als Fachmann für die Situation an der Kurie die Neuankömmlinge über Entwicklungen im Hintergrund und empfehlenswerte 561  Schreiben vom 23. Mai 1437. ASVe, Senato, Deliberazioni, Secreti, Secreti Registri, reg.  14, fol.  35r. 562  Ausführlich zu Castigliones diplomatischer Karriere vgl. Studt, Birgit, Papst Martin V. (1417–1431) und die Kirchenreform in Deutschland. Köln 2004 (Beihefte zu Regesta Imperii 23), besonders 479 f. 563 Am 2. Juli 1437 in zwei Versionen, ASVe, Collegio, Secreti, Registri 1436–1438, fol.  218v und 212v sowie am 13. Juli 1437 ebd., fol.  126r. 564  ASVe, Collegio, Secreti, Registri 1436–1438, fol.  118r. 565 Trogir, auf Italienisch Trau genannt, liegt im heutigen Kroatien einige Kilometer vor Split. 566  So beispielsweise beim Vertragsschluss am 15. März 1436. I libri commemoriali della Republica di Venezia (wie Anm.  86), 203, Nr.  4.

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Verhaltensweisen informieren konnte. Den venezianischen Gewohnheiten bei der Auswahl von Diplomaten entsprechend, stammten diese Sondergesandten allesamt aus angesehenen venezianischen Familien.567 Ein Hinweis auf die Rolle Capodilistas findet sich in den Schreiben der Republik vom März 1437, die sich um die Verhandlungen der Causa Aquileia drehen. Dort ist mehrfach von einer Komission zur Beilegung des Streites die Rede,568 in deren Umfeld Capodilista sich bewegen sollte.569 Nachdem Capodilista sich bereits in Basel als federführender Jurist in einem zähen Rechtsstreit bewiesen hatte, übernahm er in Florenz wahrscheinlich ähnliche Aufgaben. Deutlich wird hier wieder, dass die Wahl Capodilistas zum Gesandten eindeutig auf seiner juristischen Ausbildung und seiner Erfahrung in dem aktuell verhandelten Fall beruht. Als permanenter Gesandter in Florenz war er dabei gleichzeitig auch Anlaufstelle für sämtliche ankommende Gesandte der Republik, die für individuelle Aufträge akkreditiert wurden und von Capodilistas Hintergrundwissen und Erfahrung in den florentinischen Gegebenheiten profitieren.570 In welchen Kreisen Capodilista selbst in Florenz verkehrte, welche Kontakte er pflegte oder welche Maßnahmen er genau zur Durchführung seiner Aufträge ergriff, ist nicht in Erfahrung zu bringen: Der Schriftverkehr mit Venedig wirft nur vereinzelte Schlaglichter auf seine Tätigkeit in der Zeit bis zum August 1437.

II.3.2. Von Florenz nach Ungarn 1437: Der doppelte Gesandte am Kaiserhof Am 11. August registrierte der venezianische Senat das Ansuchen Eugens IV., Giovan Francesco Capodilista als Gesandten der Kurie bei Kaiser Sigismund einzu­ setzen. Vermerkt wurde auch unmittelbar die von der Republik an den Papst erteilte Zustimmung sowie die Abfassung eines Schreibens, das Capodilista selbst davon in Kenntnis setzen sollte.571 Ein solcher Brief ist für den 12. August im Collegio re567 

Lazzarini geht grundsätzlich davon aus, dass es keine Ausnahmen von dieser Regel gab und grundsätzlich alle venezianischen Diplomaten dieser Schicht entstammten. Dies trifft eindeutig nicht auf Capodilista zu, der von ihrer Studie aber nicht erfasst wurde. Siehe Lazzarini, Communication and Conflict (wie Anm.  349), 131. 568  ASVe, Collegio, Secreti, Reg. 1436–1438, fol.  35v. 569  Ebd., fol.  36r. 570  Diese Veränderung seiner Stellung spiegelt sich auch in den Libri commemorali, in denen Capodilista nicht mehr als Gesandter, sondern als „procurator“ bezeichnet wird. An anderen Stellen ist diese Bezeichnung aber nicht zu finden, so dass fraglich bleibt, ob sich hier tatsächlich ein veränderter rechtlicher Status spiegelt. I libri commemoriali della Republica di Venezia (wie Anm.  86), 203, Nr.  4. Zur Rolle und Entwicklung der permanenten Gesandten siehe Neumann, Christian Alexander, Venedig und Aragon im Spätmittelalter (1280–1410). Eine Verflechtungsgeschichte, Paderborn 2017 (Mittelmeerstudien 15), 57. 571  ASVe, Senato Deliberazioni Misti, Registri reg.  60, fo., 31v.

116 II. Diplomatie. Ein gelehrter Jurist aus Padua im Dienst Venedigs und des Papstes gistriert.572 In diesen Schreiben wurde ein weiteres Mal mit Rückblick auf die Auf­ gaben Capodilistas an der Kurie Eugens IV. vor allem sein Auftrag zur Klärung des Streitfalls mit Ludwig von Teck betont. Vermutlich noch bis in die ersten Wochen des Septembers 1437 blieb Capodilista an der Kurie in Florenz. Zwei Schreiben Venedigs erreichten ihn in dieser Zeit dort, datiert auf den 13. und 14. August.573 In ihnen informierte Venedig Capodilista mit wenigen Zeilen kurz über neue Erkenntnisse zur politischen Situation in Basel. Die päpstlichen Geleitbriefe für Capodilista wurden schließlich am 13. September ausgestellt. Wenige Tage zuvor, am 6. September, hatte er eine Auszahlung von 200 Dukaten (Fl.)574 für seine Reisekosten bekommen,575 und gemeinsam mit den Geleitbriefen erhielt Capodilista dann nochmals 400 Dukaten (Fl.).576 Wie lange genau Capodilistas Reise selbst dauerte, bleibt genau wie seine Reiseroute unsicher. Sein erstes Ziel war vermutlich Prag, wo Sigismund sich seit August aufhielt und wohin für Ende September 1437 ein Landtag einberufen war.577 Die nächste Zahlung in Höhe von 400 Dukaten (Fl.) zur Deckung seiner Reisekosten erhielt Capodilista jedenfalls Ende September aus der päpstlichen Kammer.578 Die Aufgaben Capodilistas teilten sich gemäß seiner Doppelfunktion als Gesandter Eugens IV. und Beauftragter der Republik Venedigs in zwei Bereiche auf. Über seinen Auftrag für Eugen IV. ist nur wenig überliefert. Zunächst sollte Capodilista wohl für das am 18. September 1437 nach Ferrara einberufene Unionskonzil werben und als Ansprechperson für den Kaiser dienen. Sigismund war von Eugen IV. als Schiedsrichter in der Auseinandersetzung zwischen ihm und dem Basler Konzil, besonders in Sachen des Absetzungsprozesses, berufen worden. Nach seinen ersten Misserfolgen 1434 nahm der Kaiser sich dieser Aufgabe erneut an, und erreichte im Oktober 1437 ein erstes Einlenken beider kirchlichen Streitparteien. Wie viel Einsatz Sigismund dabei zeigte, wird in einem Schreiben an Gesandte des Basler Konzils am 6. November 1437 aus Prag ersichtlich.579 Offensichtlich schwebte Sigismund in Anlehnung an seine ersten Vermittlungserfolge aus der Zeit 1433/34 eine Verhandlung in seiner eigenen Gegenwart vor. Wenige Wochen später, am 21. November580, informierte er die Konzilsväter über einen angesetzten Termin zur Begegnung ihres Gesandten mit einem hier nicht spezifisch genannten päpstlichen Botschafter, bei dem 572  ASVe,

Collegio, Secreti, Registri 1436–1438, fol.  141r. Ebd., fol.  143v. 574  Bei der mit Fl. abgkürzten Währung handelt es sich wahrscheinlich um florenus aureus, Florentiner Golddukaten. Gemeint sein könnte auch die venezianische Golddukate, die ebenfalls verbreitet war. 575  RTA 12, Nr.  125 (8.10.1437), 200, Anm.  4. 576 Ebd. 577  Hoensch, Itinerar (wie Anm.  176), 121. Zum Landtag von 1437 vgl. Hoensch, Kaiser Sigismund (wie Anm.  177), 451. 578  ASV, Camera Apostolica, Introitus et Exitus, vol.  402, fol.  71r. 579  RTA 12, Nr.  158 (6.11.1437), 254. 580  RTA 12, Nr.  159 (21.11.1437), 258. 573 

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es sich um Capodilista gehandelt haben muss. Zu diesem Zeitpunkt befand der Kaiser sich bereits in Telč in Mähren, nachdem er aufgrund der schwelenden Konflikte in Böhmen zur Sicherheit seines Gefolges die Übersiedlung seines Hofes nach Ungarn eingeleitet hatte.581 Einige Einblicke in das Leben eines Gesandten, und auch eine kurze Notiz über Capodilistas Wirkung auf Sigismund, enthält der Reisebericht des Bischofs Georg von Vich, der als Basler Gesandter zu Sigismund reiste.582 Er beschrieb vor allem sehr anschaulich, wie beschwerlich die Reisetätigkeit zu dieser Zeit gewesen sein muss und beklagte die Mühsamkeit und Gefahren des Weges. Endlich beim Kaiser in Telč angekommen, bemerkte er die gesteigerte Bequemlichkeit, aber auch den schlechten Gesundheitszustand Sigismunds. Vich vermeldete auch die Anwesenheit eines päpstlichen Gesandten, der beständig vor Ort sei.583 Verhandlungen habe es vor allem über die anstehende Eröffnung des Konzils in Ferrara gegeben. Insgesamt scheint Vich bei Sigismund auf wenig Entgegenkommen gestoßen zu sein, und in seinem einige Monate später in Basel vor dem Konzil abgelegten Rechenschafts­ bericht betont er deutlich, wie störend die ständige Anwesenheit des hier explizit genannten päpstlichen Gesandten Capodilista und dessen Einfluss auf Sigismund gewirkt hätten.584 Bei Sigismund scheint Capodilista also vor allem der Aufgabe nachgekommen zu sein, den Kaiser in seinem Festhalten an der Obödienz Eugens IV. weiter zu bestärken. Gleichzeitig sollte er Sigismund in seiner Rolle als Friedens­ vermittler unterstützen. Ob Eugen angesichts des sich stetig verschlechternden Gesundheitszustands Sigismunds damit eine geschickte Verschleppungstaktik gegenüber dem Konzil erprobte, ist nicht nachweisbar, aber naheliegend. Sigismunds Versuche, die Verhandlungen zwischen Papst und Konzil zur Vermeidung eines erneuten Schismas an sich zu ziehen, mussten notgedrungen die Entwicklung der Ereignisse verzögern. Auch wenn ein positives Ergebnis dieser Taktik wenig wahrscheinlich war, bedeutete sie für Eugen IV. zumindest einen dringend notwendigen Zeitgewinn. In jedem Fall gehörten Verschleppungstaktiken zum festen Repertoire der venezia­ nischen Diplomatie, wie auch Capodilistas Rolle in den Verhandlungen um einen Friedensschluss mit Mailand 1437 demonstrierte. Kurz nach der Abreise Capodilistas in Richtung Norden war der beim Kaiser residierende venezianische Gesandte Marco Dandolo nach Venedig geschickt worden, um im Auftrag des Kaisers die Verhandlungen über eine baldige Beilegung des kriegerischen Konflikts mit Mailand in seiner Heimatstadt zu führen. Dieser Plan Sigismunds war Venedig am 24. September 1437 durch einen Brief mitgeteilt worden. In einer späteren Antwort an Dandolo selbst vom 7. Oktober gestattete der Senat ihm die Reise, und informierte ihn gleichzeitig über die Abreise des kaiserlichen Gesand581 

Hoensch, Kaiser Sigismund (wie Anm.  177), 452. Brief vom 25. November 1437 an das Basler Konzil, RTA 12, Nr.  160 (25.11.1437), 259. 583  RTA 12, Nr.  160 (25.11.1437), 260. 584  Eine knappe Zusammenfassung des Berichts in RTA 12, Nr.  161 (28.3.1438), 263 f. 582 

118 II. Diplomatie. Ein gelehrter Jurist aus Padua im Dienst Venedigs und des Papstes ten Johannes de Imperiis, der in Venedig gewesen war. Dandolo wurde auch darüber informiert, dass Capodilista als Gesandter Eugens IV. abgereist, und mit der Vertretung der venezianischen Interessen betraut worden war.585 Einen Tag später erhielt der bereits bezeichnete Johannes de Imperiis Nachricht über die Abreise Capodilistas. Gleichzeitig wurde de Imperiis darüber informiert, dass er sich mit Fragen an den in der Situation bestens unterrichteten Capodilista wenden sollte.586 Einen Tag später erhielt Capodilista ein Schreiben des Rats, in dem er offiziell anstelle des abgereisten Marco Dandolo mit dessen Aufgaben bei Sigismund betraut wurde.587 Zunächst wurde dem als „bonus et fidelissimus civis noster“ angesprochenen Capodilista die Rückkehr Dandolos erläutert und die Ereignisse der letzten Monate dargelegt, besonders der Akt der Belehnung Venedigs. Danach wurde ihm die von Dandolo zu übernehmende Aufgabe übertragen, die maßgeblich in der Beeinflussung der Haltung Sigismunds in den Friedensverhandlungen mit Mailand bestand. Auch wurde Capodilista mit den neusten Informationen von der Kurie in Bologna versorgt, wo nach seiner Abreise ein Gesandter aus Mailand erscheint sei, der Venedig mangelnden Willen zum Friedensschluss vorgeworfen habe.588 Gegen diese Anschuldigungen wurde der Hinweis auf den Vertrag zwischen Venedig und Sigismund angeführt, diesmal aber erweitert um eine Erinnerung an die Vertragsbestimmungen, die einen Alleingang beim Friedensschluss für Venedig ermöglichen, falls Sigismund seine vertraglichen Pflichten nicht erfülle. Obwohl das Schreiben an Capodilista es nicht ausdrücklich erwähnte, war dieser Fall faktisch eingetreten, denn Sigismund hatte nach dem Beginn der kriegerischen Auseinandersetzungen zwar alle formellen Punkte des Vertrags erfüllt, aber keine Hilfstruppen geschickt. Zuletzt erinnert die Serenissima ihren Gesandten noch an die grundlegend positive Beziehung zu Sigismund, die auch weiterhin aufrechterhalten werden sollte. Damit war Capodilista, der als „orator apostolicum“ bezeichnet wird, deutlich eine Doppelrolle zugeordnet. Offiziell von Eugen IV. und auf Rechnung der Kurie589 zu Sigismund geschickt, vertrat er dort auch venezianische Interessen und damit zwei unterschiedliche Auftraggeber mit nicht immer deckungsgleichen Zielen. Obwohl ihm von der Seite Venedigs aus mit dem als Gesandten der Republik bevollmächtigten Notar Johannes de Imperii noch ein venezianischer Gesandter zur Seite stand, dessen Instruktionen ihm auch ohne 585 

Eine Zusammenfassung dieses Schreibens findet sich in RTA 12, Nr.  125 (8.10.1437), 200, Anm.  3. Wahrscheinlich handelt es sich bei dem Genannten um Giovanni Imperiis, der bereits 1433 als Schreiber die Gesandtschaft nach Basel begleitete und um 1439 als Sekretär des Dogen erwähnt wird. Vgl. die Anmerkungen von Coggiola, in Tagebuch des Andrea ­Gatari (wie Anm.  235), 429, Anm.  3. 586  RTA 12, Nr.  125 (8.10.1437), 200. 587  ASVe, Collegio, Secreti, Registri 1436–1438, fol.  188r, gedruckt in RTA 12, Nr.  126 (9.10.1437), 201 f. 588  ASVe, Collegio, Secreti, Registri 1436–1438, fol.  188v, gedruckt in RTA 12, Nr.  126 (9.10.1437). 589  ASV, Camera Apostolica, Introitus et Exitus, vol.  402, fol.  71r.

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Capodilista deutliche Handlungsspielräume zugestanden, ist diese Doppelverwendung eines einzelnen Gesandten für zwei politische Richtungen bemerkenswert. Üblicher war es dagegen, dass der Gesandte eines Auftragsgebers von seinem ursprünglichen Zielort mit der Aufgabe der Verhandlungsführung an seinen Herkunftsort zurückgeschickt wurde, wie es beispielsweise bei Marco Dandolo praktiziert wurde. Bei Capodilista handelte es sich aber von Anbeginn an um einen für die Republik Venedig ressourcenschonenden Doppelauftrag. Gleichzeitig bemühte Eugen IV. sich, Capodilista durch Gefälligkeiten auch an sich zu binden. Im Oktober 1437 wurde der vermutlich jüngste Sohn Capodilistas, Rafaele, von Eugen IV. erst zum päpstlichen Pronotar und anschließend zum Prior des Benediktinerklosters S. Sofie in Padua ­ernannt.590 Die Verbindung der Familie zu diesem Konvent ist auch im Capodilista-­ Kodex nachweisbar, und die Ernennung Rafaeles zum Prior musste einen hohen Prestige­zuwachs erbringen, ganz zu schweigen von der erfolgreichen Versorgung eines jüngeren Sohnes durch die Kirche. Die Instruktionen Venedigs für die Reise Capodilistas an den Hof Sigismunds sind nicht überliefert, und seine Aufgaben nur analog aus den Instruktionen Marco Dandolos zu erschließen, dessen Platz er einnehmen sollte. Diese sind einem Schreiben zu entnehmen, dass Venedig am 28. September 1437 an Dandolo sandte591, also kurz vor dessen Rückreise und schon nachdem die Abreise Capodilistas zu Sigismund festgelegt war. Zusammengefasst bestand das Ziel der venezianischen Politik darin, die Verhandlungen mit Mailand nach Möglichkeit auf italienischen Boden in ihren eigenen politischen Einflussbereich zu ziehen. Sollte der Kaiser dem nicht zustimmen, so sollten zumindest die ersten Verhandlungen auf italienischen Boden stattfinden, und nur der zeremonielle Abschluss am kaiserlichen Hof stattfinden. Dandolo sollte in diesem Sinne vor allem mit Sigismund verhandeln, sich aber „in secreto“592 an die Person Kaspar Schlicks wenden, der als Reichskanzler großen Einfluss auf die Ereignisse hatte. Sollten Worte in diesem Fall nichts erreichen, so stand dem Gesandten eine Summe von bis zu 200 Dukaten (Fl.) zur Verfügung, um seine Argumente attraktiver erscheinen zu lassen. Daneben wurden noch Streitigkeiten zwischen Vene­dig und dem Herzog Amadeus von Savoyen erwähnt, nachdem dieser und sein als Herzog von Piemont amtierender Sohn, sich auf die Seite Mailands positioniert hatten.593 Da zwischen ihm und Sigismund eine lehnsrechtliche Verbindung bestand, hätte er sich gemäß des Bündnisvertrags zwischen dem Kaiser und Venedig nicht auf der Seite Mailands an den kriegerischen Auseinandersetzungen beteiligen dürfen.594 590  ASV,

Reg. Lat 356, fol.  133v. und 134v. RTA 12, Nr.  124 (28.9.1437), 196 f. 592  RTA 12, Nr.  124 (28.9.1437), 199. 593  Vgl. RTA 12, Nr.  124 (28.9.1437), 199, Anm.  5. 594  Vgl. Spors, Beziehungen (wie Anm.  138), 55. Vgl. zu dieser bereits seit längerer Zeit andauernden Auseinandersetzungen auch bspw. das Schreiben Amadeus von Savoyen an Sigismund mit der Beteuerung auf eine baldige Klärung der Situation vom 7. September 1437. RTA 12, Nr.  121 (7.9.1437), 194 und folgende Stücke, bes. Nr.  122. 591 

120 II. Diplomatie. Ein gelehrter Jurist aus Padua im Dienst Venedigs und des Papstes Dass die Grenzen zwischen den Interessen Venedigs und den Interessen Eugens IV. manchmal durchaus durchlässig waren, zeigte ein Schreiben des Senats vom 10. Oktober.595 Darin wurde Capodilista von Venedig angesprochen, aber in einer die Interessen Eugens IV. betreffenden Angelegenheit: Er sollte bei Sigismund für die Akzeptanz der Konzilsverlegung nach Ferrara werben. Daneben wurde er aber auch daran erinnert, die Beziehung zu Kaspar Schlick weiterhin zu pflegen und nach Möglichkeit Einfluss auf den Kanzler zugunsten Venedigs zu nehmen. Die politische Situation veränderte sich zuerst nur langsam. Zunächst bestätigte Venedig am 1. November 1437 den im Juli in Eger nach Verhandlungen mit Marco Dandolo verlängerten Waffenstillstand mit Sigismund.596 Genau zwei Wochen später, am 14. November, beschloss die Serenissima in einer Besprechung der Forderungen des als kaiserlichen Gesandten reisenden Bischofs von Zengg Johannes de Dominis, weiterhin an ihrem politischen Kurs festzuhalten.597 Im Gespräch war dabei auch ein Beitritt Eugens IV. zur Liga zwischen Sigismund, Florenz und Venedig gegen Mailand. Ebenfalls wurde die Auseinandersetzung mit Aquileia erwähnt, die für Venedig keineswegs an Aktualität verloren hatte. Der Friedensschluss mit Mailand nahm insgesamt einen großen Raum in den Bestimmungen ein: Sigismund wünschte nach wie vor den Friedensschluss in seinem politischen Einflussgebiet, während Venedig diese Situation diesmal mit dem Argument der weiten Entfernung Ungarns als unmöglich von sich wies.598 Zu diesem Zweck wurde in einem geheimen Beschluss der hier nur als venezianischer Gesandte angesprochene Capodilista erneut angewiesen, auf einen Friedensschluss in Venedig hinzuwirken.599 Ebenso sollte er ermöglichen, dass Sigismund die im Bündnisvertrag versprochenen Hilfstruppen wenigstens für die Monate Mai bis August zur Verfügung stelle. Capodilista wurde von diesen Vorgängen in einem kurze Zeit später, am 18. November 1437 verfassten Schreiben informiert.600 Obwohl die zu den obigen Bestimmungen erfolgte Abstimmung nicht den ganzen Text befürwortete und besonders die Bestimmungen, nach denen Sigismund in den Monaten Mai bis August Truppen senden sollte, ausgeklammert wurden, sind alle Punkte des Textes im Schreiben an Capodilista enthalten.601 Vermutlich erreichte dieses Schreiben Capodilista bereits in Telč, wohin Sigismund mit Stationen in Benešov und Vlašim gereist war.602 595 

RTA 12, Nr.  156 (10.10.1437), 251. RTA 12, Nr.  127 (1.11.1437), 202. 597  RTA 12, Nr.  128 (14.11.1437), 203. 598  RTA 12, Nr.  128 (14.11.1437), 204. 599  Ebd., 204. 600  ASVe, Collegio, Secreti, Registri 1436–1438, fol.  219r, gedruckt in gekürzter Fassung in RTA 12, Nr.  128 (18.11.1437), 205. 601  Vgl. besonders ASVe, Collegio, Secreti, Registri 1436–1438, fol.  220r. 602  Es gibt keinen Grund anzunehmen, dass Capodilista sich nicht im Gefolge Sigismunds befunden haben könnte. Zu den Aufenthaltsorten Sigismunds vgl. Hoensch, Itinerar (wie Anm.  176), 121 f. 596 

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Ähnlichen Inhalts war auch ein Schreiben vom 25. November 1437.603 Erneut war es die Ortswahl für die anstehenden Friedensverhandlungen, die den venezianischen Senat beschäftigte. In einem Hinweis auf die vorigen Anweisungen wurde Capodilista angehalten, vorsichtig zu handeln und vor allem zurückhaltend und umsichtig mit den Informationen aus Venedig umzugehen.604 Weiter wurde ihm aus Venedig berichtet, dass der kaiserliche Pronotar Marquard Brisacher im Auftrag Kaspar Schlicks die Summe von 20.000 Dukaten (Fl.) für die erfolgte Einsetzung Venedigs in das Amt des Reichsvikars gefordert habe. Nicht ohne kritischen Unterton berichtete der Rat weiter, man habe sich zu einer freiwilligen Zahlung von 10.000 Dukaten (Fl.) entschlossen, ohne eine Zahlungsverpflichtung zu akzeptieren. Darum müsse Capodilista sich selbst aber nicht kümmern, da der Doge in diesem Sinne an Kaspar Schlick schreiben würde.605 Offensichtlich fühlte Venedig sich von Sigismund zu oft an die neue Position als Reichsvikar erinnert, die naturgemäß in der Rangordnung der Person des Kaisers unterworfen war. Deutlicher wurde das in einem weiteren Schreiben an Capodilista, das einen Tag später verfasst wurde. Darin beschwerte Venedig sich über die neue Anrede, die sowohl in den litteris credentialis des Bischofs von Zengg Johannes de Dominis als auch in anderen Schreiben Sigismunds benutzt worden war, und fordert vom Kaiser die Rückkehr zur Anredeform, wie sie vor der Belehnungszeremonie im Sommer 1437 üblich war.606 Um sicherzugehen, dass die gewünschte Anredeform auch tatsächlich verstanden und eingehalten wurde, ist dem Anschreiben eine Liste mit Beispielen beigefügt, an die sich die Kanzlei zukünftig zu halten habe. Die tatsächlich zunehmend schwieriger werdende politische Situation Venedigs spiegeln diese Mitteilungen aber nicht. Die im September 1437 gestarteten Angriffe Mailands erwies sich als außerordentlich erfolgreich, und Venedig verlor zunehmend an Boden und Handlungsspielraum.607 In dieser Situation versuchte Venedig schließlich Ende November 1437 zunehmend zu einem schnellen Friedensvertrag mit Mailand zu gelangen. Capodilista wurde zu diesem Zweck Ende November aufgefordert, bei Sigismund das Einverständnis zum Frieden schnellstmöglich zu erwirken.608 Als Lockmittel erhielt er die Erlaubnis, den Kaiser von seiner vertraglichen Verpflichtung zur Sendung militärischer Truppen zu entbinden und Kaspar Schlick mit 2000 Dukaten (Fl.) zur Mitarbeit zu überzeugen.609 Damit reagierte Venedig auf einen Bericht Capodilistas vom 9. November 1437, in dem er Schwierigkeiten bei den Verhandlun603  ASVe, Collegio, Secreti, Registri 1436–1438, fol.  225r, gedruckt in RTA 12, Nr.  130 (25.11.1437), 206 f. 604  ASVe, Collegio, Secreti, Registri 1436–1438, fol.  225r. 605  Das Schreiben ist ebenfalls in den RTA gedruckt: RTA 12, Nr.  132 (26.11.1437), 208. 606  ASVe, Collegio, Secreti, Registri 1436–1438, fol.  225v, gedruckt in RTA 12, Nr.  131 (25.11.1437), 207. 607  Romano, The Likeness of Venice (wie Anm.  70), 133. 608  Schreiben vom 30. November 1437. Siehe ASVe, Senato Deliberazioni Misti, Registri reg.  60, fol.  75r, gedruckt in RTA 12, Nr.  133 (30.11.1437), 208 f. 609  Ebd., fol.  75r.

122 II. Diplomatie. Ein gelehrter Jurist aus Padua im Dienst Venedigs und des Papstes gen mit Sigismund mitgeteilt hatte. Der Tonfall der Instruktionen aus Venedig macht deutlich, wie wichtig die Unterstützung Sigismunds entweder bei Friedensverhandlungen oder bei weiteren militärischen Operationen für Venedig geworden war. Aber für die Ausführung dieser detaillierten Aufträge blieb Capodilista nicht mehr viel Zeit. Anfang Dezember war die Nachricht vom lebensbedrohlichen Zustand Sigismunds bereits nach Venedig durchgedrungen. Mit hoher Wahrscheinlichkeit war es ein Schreiben Capodilistas vom letzten Tag des Novembers gewesen, das den Rat in der ersten Woche des Dezembers erreichte.610 Venedig erteilte Capodilista daraufhin flexible Instruktionen, die er je nach Sachlage wählen konnte. Im Fall, dass sich der Gesundheitszustand Sigismunds wieder verbesserte, sollte er nach seinen ursprüng­ lichen Instruktionen weiter verfahren. Falls der Kaiser aber in ernstlicher Lebensgefahr sei, sollten die Verhandlungen nur noch verzögert werden. Zugeständnisse sollte Capodilista dabei nur machen, sofern sie für Venedig keine wirklichen Kosten nach sich ziehen würden. Falls Capodilista auf diese Weise sogar sein ursprüngliches Ziel erreichen würde, würde man mit seiner Leistung zufrieden sein. Von beinahe gleicher Bedeutung wie der sich verschlechternde Gesundheitszustand Sigismunds war die Nachricht vom Tod Brunoro della Scalas. Für Venedig war damit die Gelegenheit gekommen, nach langen Auseinandersetzungen mit den della Scala deren Städte Vicenza und Verona endgültig unter venezianische Vorherrschaft zu bringen. In der Verleihung des Reichsvikariats waren beide Städte deutlich ausgenommen gewesen, und nach Bruneros Tod sah die Serenissima nun die Chance, diese Situation abzuändern.611 Um diese formale Anerkennung möglichst bald zu erhalten, wurde Capodilista ein finanzieller Spielraum eingeräumt, um Kaspar Schlick von der Notwendigkeit der Investitur zu überzeugen. Statt der bereits versprochenen 10.000 Dukaten (Fl.) für das Reichsvikariat, die Venedig offensichtlich trotz des im November abgegebenen Versprechens noch nicht gezahlt hatte, sollte Capodilista nun 13.000 Dukaten (Fl.) bieten. Falls Schlick und Sigismund dem zustimmten, sollte noch in näherer Zukunft eine neue Investiturzeremonie stattfinden, ähnlich der Zeremonie im Sommer 1437, in der Marco Dandolo als Stellvertreter des Dogen feierlich das Reichsvikariat übertragen bekommen hatte. In dieser neuen Zeremonie sollte Capodilista die Rolle Dandolos übernehmen und den Dogen Francesco Foscari vertreten.612 Am Schluss des Briefes wurde Capodilista dann noch deutlich ermahnt, er möge sich nicht in die Reichspolitik einmischen und vor allem bei der Designation oder Wahl eines Nachfolgers für Sigismund keinesfalls Partei ergreifen. Dieser direkte Befehl war offensichtlich so wichtig, dass der als nächster venezianischer Gesand610  Darauf bezieht sich jedenfalls der Senat in seinem Beschluss vom 9. Dezember 1437. Siehe ASVe, Senato Deliberazioni Misti, Registri reg.  60, fol.  79v, gedruckt in RTA 12, Nr.  134 (9.12.1437), 210. Das bestätigt sich in einem Schreiben an Marco Dandolo vom 12. Dezember 1437. Siehe RTA 12, Nr.  134 (9.12.1437), 211, Anm.  1. Wie alle Berichte Capodilistas an die venezianischen Staatsorgane ist auch dieser vermutlich nicht erhalten. 611  ASVe, Senato Deliberazioni Misti, Registri reg.  60, fol.  79v. 612  Ebd., fol.  80r.

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te bei Eugen IV. designierte Marco Dandolo am 12. Dezember die Aufgabe erhielt, Eugen IV. zur Weitergabe des gleichen Befehls an Capodilista anzuhalten.613 Obwohl Sigismund an dem gleichen Tag starb, an dem die Anweisungen an Capodilista in Venedig beschlossen wurden, bestätigte Venedig am 20. Dezember 1437 offiziell den von Dandolo geleisteten Lehnseid und die Pflicht zur jährlichen Zahlung eines Zinses an Sigismund.614 Die Nachricht vom Tod des Kaisers am 9. Dezember in Znaim erreichte Venedig vermutlich vergleichsweise spät: Die Chronik des Sanduo verzeichnet ihr Eintreffen am 22. Dezember.615 Die nächsten Anweisungen an Capodilista sind auf den 30. Dezember datiert, und beziehen sich offiziell auf die Informationsschreiben Capodilistas aus Wien vom 18. Dezember 1437.616 Direkt im Anschluss an dieses Schreiben hatte Venedig von Capodilista am 22. Dezember noch einmal die Nachricht vom Tod Sigismunds und Neuigkeiten über die anstehende Krönung Albrechts II. am 29. Dezember erhalten.617 Erwähnt wurde weiter die allererste Benachrichtigung vom Tod Sigismunds, die Capodilista wahrscheinlich unmittelbar nach dem 9. Dezember an Venedig übermittelt hatte. Unklar ist, ob die Information über den Tod des Kaisers tatsächlich erstmals mit Capodilistas Nachricht nach Venedig gelang, oder ob die Neuigkeit sich bereits auf anderen Wegen verbreitet hatte. Die neuen Instruktionen wiesen Capodilista in den Umgang mit dem neugewählten König Albrecht II. ein. Zunächst war es Aufgabe des Gesandten, die elegant formulierten Beileidsbekundungen des Dogen stellvertretend für die Republik zu überbringen. Gelobt wurden die guten Eigenschaften Sigismunds als herausragende Herrschertugenden und die Aufrechterhaltung des Gebetsgedenkens an ihn versichert. In einem zweiten Schritt sollte Capodilista dann dem neuen König zu seiner Wahl gratulieren und die gute Zusammenarbeit mit Venedig garantieren. Dazu versprach Venedig die immer noch ausstehenden 10.000 Dukaten (Fl.) Zins für die erhaltenen Privilegien zu zahlen. Der Plan zur Erlangung der offiziellen Belehnung mit Vicenza und Verona wurde anscheinend mit dem Tod Sigismunds als unrealistisch fallen gelassen und nicht mehr erwähnt. Um sich weiterhin der Freundschaft Kaspar Schlicks zu versichern, stellte man ihm persönlich 1000 Dukaten (Fl.) und dem Verhandlungspartner Marquard Brisacher 200 Dukaten (Fl.) zur Verfügung, nachdem es mit letzterem zwei Tage vorher bereits unergiebige Verhandlungen, wohl in Venedig, gegeben hatte.618 Wie lange Capodilista nach dem Tod Sigismunds noch am Hof blieb ist un613  Das Schreiben an Dandolo findet sich in ASVe, Senato Deliberazioni Misti, Registri reg.  60, fol.  80r. Kurze Auszüge liegen gedruckt vor in RTA 12, Nr.  134 (9.12.1437), 211, Anm.  1. 614  RTA 12, Nr.  135 (20.12.1437), 211. 615  Manin Sanudo Il Giovane, Le Vite dei Dogi 1423–1474. Bd. 1: 1423–1435, ed. v. Angela Caracciolo Aricò, Venedig 1999, 149. 616  ASVe, Senato Deliberazioni Misti, Registri reg.  60, fol.  85v, gedruckt in RTA 12, Nr.  136 (30.12.1437), 214. 617  Sanudo, Le Vite (wie Anm.  615), 150. 618  Der entsprechende Ratsbeschluss stammte vom 20. Dezember. Siehe RTA 12, Nr.  136 (30.12.1437), 214, Anm.  1 und 2.

124 II. Diplomatie. Ein gelehrter Jurist aus Padua im Dienst Venedigs und des Papstes sicher. Die Konzilschronik des Segovia erwähnt ihn im Januar 1438 als Orator Eugens IV. in einer Disputation auf dem Konzil von Ferrara, wobei nicht deutlich wird, ob er tatsächlich vor Ort war.619 Erst im Juli 1438 ist er wieder greifbar, wenn er immer noch in den Diensten Eugens IV. eine Zahlung von 400 Dukaten (Fl.) für seine Ausgaben in den Monaten Mai und Juni 1438 erhielt.620 Weitere Zahlungen erhielt er am gleichen Tag für seine Ausgaben im Juli 1438 und bereits als Vorschuss für den kommenden September.621 Da er zu Beginn des Monats Oktober 1438 erneut als Gesandter Eugens IV. aus dessen unmittelbarer Umgebung eine Reise antrat, bleibt zu vermuten, dass Capodilista sich nach der Umsiedlung der Kurie nach Bologna im Januar 1438622 zumindest zeitweise dort aufhielt. Vorher hatte er, vermutlich unmittelbar nach seiner Rückkehr, in Venedig vor dem Senat einen nicht erhaltenen Bericht über die Ereignisse am Hof des Kaisers in den Wochen vor seinem Tod sowie über die Ergebnisse seiner Reise gehalten: ein solcher wird kurz in den Instruktionen vom 26. Mai 1438 für die nach Norden abgehenden Gesandten Justiniano und Francesco Bono erwähnt.623 Insgesamt waren beide Aufträge Capodilistas, seine Aufgabe für Eugen IV. und sein Auftrag für Venedig, nur bedingt durchführbar. Zunächst waren die äußeren Bedingungen nicht einfach: der zunehmend schlechte Gesundheitszustand Sigismunds sowie seine hohe Reisefrequenz erschwerten den Zugang zum Kaiser. Dennoch schien Capodilista der häufige Kontakt zu Sigismund möglich gewesen zu sein, was der Konzilsgesandte Georg von Vich vor Augen führt, wenn er sich über die ständige Präsenz Capodilistas in der Nähe des Kaiers beschwerte. Dabei war es sicherlich nicht von Nachteil, das Capodilista bereits bei seiner Reise nach Basel oft Verhandlungen mit Sigismund geführt hatte, dem Kaiser also persönlich als Ansprechpartner in der Sache Venedigs bekannt war.624 Dazu war es praktisch, das Capodilista als Ansprechpartner für zwei unterschiedliche Konflikte diente und sowohl für die Vermittlung mit Eugen IV. gegenüber dem Basler Konzil als auch für die Organisation des Friedensschlusses zwischen Mailand und Venedig zuständig war. Ein schluss­ endliches Ergebnis brachte allerdings keiner dieser Vermittlungsversuche. Am ergiebigsten war Capodilistas Einsatz für Eugen IV., auch wenn dieser in der diplomati619  Segovia (wie Anm.  270), Liber XIII, Caput II, 7. Gleiches gilt für einen späteren Eintrag, in dem der Inhalt eines Briefes an Capodilista rezitiert wird, der sich aber noch auf die Gesandtschaft zu Sigismund bezieht. Ebd., Liber XIII, Caput IIII, 12. 620  ASV, Camera Apostolica, Introitus et Exitus, vol.  402, fol.  106r. 621  Ebd., fol.  109v. 622  Von Januar 1438 bis Januar 1439 residierte Eugen IV. in Bologna. Vgl. Diener/Schwarz, Itinerar Eugen IV. (wie Anm.  439), 226. 623  ASVe, Senato, Deliberazioni, Secreti, Registri, reg.  14, fol.  110v. 624  Hoensch betont die häufige Anwesenheit Capodilistas bei Sigismund, und das der Gesandte sogar noch kurz vor Lebensende des Kaisers Zugang zu ihm gehabt hätte. Die medizinischen Kenntnisse, die Hoensch Capodilista allerdings zuspricht, sind wohl auf die Erwähnung seines juristischen Doktortitels zurückzuführen. Vgl. Hoensch, Kaiser Sigismund (wie Anm.  177), 461, Anm.  48.

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schen Korrespondenz am wenigstens sichtbar wird. Ursprünglich hatte Sigismund Eger als Ort des Unionskonzils vorgeschlagen und sogar angeboten, die Kosten für den Transport der Griechen zu übernehmen – eine Rolle, die schließlich an seiner Stelle die Venezianer übernahmen und zur Demonstration ihrer politischen Unab­ hängigkeit nutzen.625 Dennoch ergriff der Kaiser bereitwillig die Möglichkeit zur Vermittlung zwischen Eugen IV. und dem Basler Konzil und bewirkte letztendlich mit der Aufschiebung des Absetzungsprozesses einen wichtigen Zeitgewinn für den Papst. Für Venedig entwickelte sich die Situation weniger erfolgreich. Ganz im Geiste der Schiedsrichtertätigkeit bemühte Sigismund sich auch hier die Friedens­ verhandlungen zwischen Venedig und Mailand an seine Person zu ziehen. Dazu war Venedig durch den Bündnisvertrag an einem Alleingang gegenüber Mailand gehindert. Überzeugungsversuche zur Revidierung dieser Klausel, mit denen Capodilista immer wieder beauftragt wurde, fruchteten wenig. Nur der Tod Sigismunds brachte letztendlich die Handlungsfreiheit für Venedig. Dabei blieb das Verhältnis zwischen Kaiser und Republik überraschend positiv, obwohl Venedig trotz des geleisteten Lehenseides wenig Willen zur Unterwerfung zeigte und im Protest gegen Untergebenheitsformeln und Zinszahlungen deutlichen Anspruch auf seine gewohnte Souveränität zeigten. Aufgrund der dünnen Quellenlage ist über die Aufgabe Capodilistas während seiner Reise nach Ungarn bis zum Tod des Kaisers 1437 wenig in Erfahrung zu bringen. Lediglich die Korrespondenz von Seiten Venedigs, die Anweisungen und Beschlüsse der Republik, sind erhalten. Völlig im Dunkeln liegen die Instruktionen von Seiten Eugens IV, dessen diplomatischer Schriftverkehr nicht überliefert ist. Genauso ist nichts über die Reise selbst und Capodilistas längeren Aufenthalt am Hofe Kaiser Sigismunds zu erfahren. Auffallend bleibt, das Capodilista die Ausführung der In­ struktionen sowohl aus Venedig als auch von Eugen IV. weitgehend alleine übernahm.626 Möglich war diese verantwortungsvolle Position vor allem durch Capodilistas in Basel gesammelte Erfahrung und den damit einhergehenden Statusgewinn als Diplomat. Das bestätigen auch die Instruktionen Venedigs, die zwar gewohnt spezifisch blieben, aber im Gegensatz zu den in Basel üblichen Anweisungen mehr Handlungsspielraum boten. Besonders deutlich wird das in der Situation des nahen Tods Sigismunds, in der Venedig Capodilista zwei völlig unterschiedliche Instruktionen ausstellte und darauf vertraute, dass er den für seinen Auftraggeber erfolgreichsten Weg wählen würde. Offensichtlich hatte Capodilista sich in den Augen Venedigs seit seiner Zeit in Basel als effektiv agierender Diplomat bewährt, so dass ihm und seinen Fähigkeiten mehr Vertrauen entgegengebracht wurde. Das auch Eugen IV. 625 

Hoensch, Kaiser Sigismund (wie Anm.  177), 453. Zur Rolle der Venezianer bei der Ankunft der Griechen im Westen im Februar 1438 und dem Aufwand Venedigs siehe Romano, The Likeness of Venice (wie Anm.  70), 135 f. 626  Venedig hatte allerdings zeitweise mit Giovanni Imperii einen weiteren Gesandten zumindest in der Nähe Kaiser Sigismunds.

126 II. Diplomatie. Ein gelehrter Jurist aus Padua im Dienst Venedigs und des Papstes sich mit seinen Leistungen zufrieden zeigte, ist deutlich an der nachfolgenden Beauftragung erkennbar, die Capodilista nur kurz nach seiner Rückkehr wieder in Richtung Norden in die Gebiete des römisch-deutschen Reiches führte.

II.4. Im Auftrag Eugens IV. auf den Reichsversammlungen in Nürnberg 1438 und Mainz 1439 Nur halbes Jahr nach seiner Rückkehr aus Ungarn führte die zweite Reise im Auftrag Eugens IV. Giovan Francesco Capodilista 1438 erneut für über ein Jahr ins römisch-­ deutsche Reich. Als Mitglied einer mit prominenten päpstlichen Diplomaten besetzten Gesandtschaft wurde er auf den Reichsversammlungen627 in Nürnberg und Mainz auf einem für ihn neuen politischen Forum für Eugen IV. tätig. Im Fokus beider Versammlungen standen nicht nur die Auseinandersetzungen um die Kirchenpolitik der Kurfürsten sondern auch reichsinterne Politik und die unterschiedlichsten In­ teressenskonflikte. Dabei etablierten die Kurfürsten in der Neutralitätserklärung und spä­ter in der Mainzer Akzeptation auch ihre eigene Position gegenüber Papst und Konzil.

II.4.1. Die Politik der Kurfürsten zwischen Papst und Konzil Die Position der Kurfürsten gegenüber dem Basler Konzil war bis zur Neutralitäts­ erklärung 1438 zurückhaltend.628 Eine klare Stellungnahme für oder gegen das Konzil war in den ersten Jahren nach dessen Etablierung trotz intensiver Werbung durch 627  Da sich der Begriff des „Reichstages“ erst ab dem Ende des 15. Jahrhunderts durchsetzen sollte, wird hier der weitere Begriff der Reichsversammlung für die politischen Tagsatzungen des Reiches gewählt. Zur Begriffsgenese siehe Annas, Hoftag – Gemeiner Tag – Reichstag (wie Anm.  391), 123 f. 628  Wie zu vielen Themenkomplexen liegt auch zu diesem kaum neuere Forschung vor. Einen Überblick mit Literaturhinweisen bietet Helmrath, Johannes, The Empire and the Council, in: Michiel Decaluwé/Thomas M. Izbicki/Gerald Christianson (Hg.), Companion to the Council of Basel, Leiden/Boston 2017 (Brill’s Companions to the Christian Tradition), 410–442. Zur allgemeinen Entwicklung des Konziliarismus im Reich und der Politik der Fürsten gegenüber vorhergehenden Konzilien deswegen immer noch Angermeier, Heinz, Das Reich und der Konziliarismus, in: HZ 192 (1961), 529–583. Zur besonderen Rolle der Kurfürsten vgl. aus der älteren Literatur Pückert, Wilhelm, Die kurfürstliche Neutralität während des Basler Konzils. Ein Beitrag zur deutschen Geschichte von 1438–1448, Leipzig 1858; Weber, Gertrud, Die selbständige Vermittlungspolitik der Kurfürsten im Konflikt zwischen Papst und Konzil 1437– 38, Berlin 1915 (HS 127). Zur neuren Forschung Sudmann, Stefan, Das Basler Konzil im Konflikt mit Rom und Reich, in: Nikolaus Staubach (Hg.), Rom und das Reich vor der Reformation, Frankfurt am Main 2004 (Tradition, Reform, Innovation 7), 53–70. Ausführlich die

128 II. Diplomatie. Ein gelehrter Jurist aus Padua im Dienst Venedigs und des Papstes die Basler Konzilsväter nicht erfolgt.629 In den folgenden Jahren war keine einheit­ liche Kirchenpolitik der Kurfürsten erkennbar,630 auch wenn zahlreiche Reichsversammlungen631 und ein reger diplomatischen Verkehr zwischen Kurfürsten, Konzil und Papst Gelegenheit zur Meinungsbildung boten.632 Dennoch kann die Haltung der Kurfürsten über weite Strecken des Konflikts zwischen Papst und Basler Konzil als weitgehend neutral gewertet werden, dominiert von einer vorsichtigen Diplomatie der Balance zwischen den Ansprüchen des Konzils und denen Eugens IV. Die Konzilsteilnahme von vielen aus dem Reich stammenden Klerikern weist jedoch auf eine unterschwellig vorhandene Sympathie gegenüber den Reformforderungen des Konzils hin.633 Darüber hinaus war die Politik der Kurfürsten durch Vermittlungsversuche zwischen Papst und Konzil geprägt,634 die sich vor allem im Streit um die Auf­ lösung des Konzils 1432 zeigten und in der Tradition der Bemühungen Sigismunds während des Konstanzer Konzils standen.635 Gemeinsames Ziel des Kaisers als auch der Kurfürsten waren in diesen Jahren zunächst die Durchsetzung von Reformen und die Vermeidung eines neuen Schismas.636 grundlegende Darstellung von Stieber, Pope Eugenius IV., the Council (wie Anm.  209), für die folgenden Abschnitte besonders 132 ff. Zur sonstigen älteren Literatur und Bewertung vgl. Helmrath, Basler Konzil (wie Anm.  203), 273. 629  Vgl. die ungedruckt gebliebene Arbeit von Stütz, Michael, Die Neutralitätserklärung der deutschen Kurfürsten von 1438, Diss. masch., Mainz 1975, 16. 630  Ähnliches gilt auch für die Zeit vor dem Konstanzer Konzil, in dessen Verlauf sich erste Leitlinien für eine gemeinsame Kirchenpolitik der Kurfürsten entwickelten. Als Ausgangspunkt gilt das Bündnis der vier rheinischen Kurfürsten in Boppard 1417. Vgl. Angermeier, Das Reich und der Konziliarismus (wie Anm.  628), 555 f. 631  Zur hohen Dichte der Reichsversammlungen während des Basler Konzils, besonders in den Jahren 1438/9 und mit ausführlichen Literaturhinweisen vgl. Helmrath, Johannes, „Geistlich und werntlich“ Zur Beziehung von Konzilien und Reichsversammlungen im 15. Jahrhundert, in: Peter Moraw (Hg.), Deutscher Königshof, Hoftag und Reichtstag im späteren Mittelalter, Stuttgart 2002 (VuF, 48), 477–517. 632  Angermeier sieht das Jahr 1432 als Beginn der Epoche, in der das Kurfürstenkolleg als eigenständige politische Körperschaft angesehen worden wäre, die selbstständige Diplomatie auch auf internationaler Ebene geführt habe. Vgl. Angermeier, Das Reich und der Konziliarismus (wie Anm.  628), 564. 633 Vgl. Stütz, Neutralitätserklärung (wie Anm.  629), 26. 634  Siehe dazu ausführlich Weber, Vermittlungspolitik (wie Anm.  628), 17 f. 635 Vgl. Angermeier, Das Reich und der Konziliarismus (wie Anm.  628), 547. Zu Vermittlungsversuchen der Kurfürsten 1432 und deren Gesandtschaft nach Rom, die zwischen Papst und Konzil vermitteln sollte und bis März 1433 in Italien war, vgl. Stütz, Neutralitätserklärung (wie Anm.  629), 33 ff. 636  Diese Übereinstimmung steht im Gegensatz zu den Auseinandersetzungen der Jahre von 1416 bis 1430, in denen Sigismund sich weitgehend aus dem Reich zurückgezogen hatte und in unterschiedliche Auseinandersetzungen mit den Kurfürsten verwickelt worden war. Die Kurfürsten übernahmen dabei vermehrt neue Aufgaben in der Reichsverwaltung, und erlangten so neue Kompetenzen und Machtansprüche. Vgl. Angermeier, Das Reich und der Konziliarismus (wie Anm.  628), 561 und 564. Vgl. auch Helmrath, Basler Konzil (wie Anm.  203), 284.

II.4. Im Auftrag Eugens IV. auf den Reichsversammlungen

129

Eine bedeutende Veränderung der Situation ergab sich 1437 durch die Aufspaltung des Konzils in eine gemäßigtere Fraktion und eine konziliar ausgerichtete Gruppe. Zunächst versuchten beide Gruppierungen sich den Kurfürsten anzunähern und sie für ihre Vorschläge zu gewinnen.637 Erstmals sind dabei auf dem Kurfürstentag 1437 Stellungnahmen der Kurfürsten zu finden, die in Nuancen von der Politik Sigismunds abwichen.638 Die Rolle des Initiativgebers begann sich dann zunehmend vom Kaiser auf das Kurfürstenkollegium zu verlagern.639 Von einem eigenmächtigen Handeln oder eine einheitlichen Meinung innerhalb des Kurfürstenkollegs kann allerdings nicht gesprochen werden.640 Erst nach dem Tod Sigismunds am 9. Dezember 1437 veränderte sich die politische Situation entscheidend. Sowohl das Konzil als auch der Papst waren an die Vermittlerrolle des Kaisers gebunden gewesen und sahen sich durch seinen Tod von Versprechungen zur Mäßigung im Konflikt gelöst.641 Für Papst Eugen IV. eröffneten sich mit der Ankunft der Griechen in Italien und der Aufnahme der Verhandlungen um die Kirchenunion neue Handlungsoptionen.642 Gleichzeitig trieb das Konzil in ­Basel den Prozess zur Absetzung des Papstes weiter voran und suspendierten ihn fast gleichzeitig mit der Eröffnung des Konzils zu Ferrara. Als Antwort erklärte Eugen IV. zu Beginn des Februars 1438 das Basler Konzil für aufgelöst.643 Diese Entwicklungen zogen eine über zwei Jahre andauernde Kette von Reichsversammlungen nach sich, in deren Verlauf sich ein Teil des Konflikts zwischen Konzil und Papst langsam von Basel auf die jeweiligen Versammlungen zu verlagern begann.644 Die Kurfürsten waren 1438 aber zunächst mit der Wahl eines neuen Königs beschäftigt.645 Überraschend erklärten sie jedoch am 17. März 1438 ihre Neutralität in der 637 Vgl.

Stütz, Neutralitätserklärung (wie Anm.  629), 65. Bereits zur Zeit des ersten Schismas ab 1378 war die Politik von Kurfürsten und Kaiser keineswegs durchgängig übereinstimmend. Beispiele für ein Auseinanderdriften sind der ­Weseler Bund von 1379, die Absetzung Wenzels, bei der die Kirchenfrage als einer der Gründe angeführt wurde, und zuletzt der Obödienzwechsel der Erzbischöfe von Mainz und Köln zum Konzil von Pisa und dem dort gewählten Papst. Siehe dazu Angermeier, Das Reich und der Konziliarismus (wie Anm.  628), 555. 639 Vgl. Stütz, Neutralitätserklärung (wie Anm.  629), 71. 640 Vgl. Stütz, Neutralitätserklärung (wie Anm.  629), 86. 641  Decaluwé erklärt den besonderen Einfluss Kaiser Sigismunds nicht nur mit seiner Machtposition als römisch-deutscher Kaiser, sondern vor allem mit seiner Vermittlerrolle während des Konzils zu Konstanz, das er als treibende Kraft initiierte und dessen erfolgreiche Beendigung des Schismas zu großen Teilen ihm zugeschrieben wurde. Vgl. Decaluwé, A successful defeat (wie Anm.  212), 281 f. 642 Vgl. die Mitteilung Eugens IV. über die bevorstehende Ankunft der Griechen an die deutschen Fürsten. RTA 12, Nr.  196 (10.12.1437), 318. 643  Die Suspension wurde am 24. Januar 1438 ausgesprochen, nachdem am 10. Januar 1438 das Konzil von Ferrara offiziell begonnen hatte. Die Auflösungserklärung des Basler Konzils erging in Ferrara am 15. Februar 1438. Vgl. Stieber, Eugen IV. and the Council (wie Anm.  209), 132. 644  Helmrath, Geistlich und werntlich (wie Anm.  631), 506. 645  Der neu gewählte König sollte laut dem von ihm zu unterzeichnedem Regierungspro638 

130 II. Diplomatie. Ein gelehrter Jurist aus Padua im Dienst Venedigs und des Papstes Auseinandersetzung zwischen Konzil und Papst.646 Um diese zu sichern sollte die Regelung des kirchlichen Lebens im Reich zunächst von den Kurfürsten selbst übernommen und erst nach der Wahl neue Verhandlungen aufgenommen werden.647 Diese Entwicklung schien vornehmlich eine Reaktion auf die komplexe Lage gewesen zu sein, in der die Kurfürsten sich befanden.648 Beide kirchliche Streitparteien stellten unverein­ bare Forderungen, und jede Entscheidung hätte für die Kurfürsten und ihre Territorien eine Vielzahl geistlicher Strafen nach sich gezogen.649 Zudem hatten die Erfahrungen des Konstanzer Konzils, in dessen Verlauf die Kurfürsten allen drei regierenden Päpsten die Obödienz entzogen und eine Neutralität etablierten, den möglichen Erfolg dieses Weges bereits bewiesen.650 Auch die Neutralitätspolitik Frankreichs 1407 mit der Erklärung zu den gallikanischen Freiheiten könnte als Vorbild gedient haben.651 Dazu konnten die Kurfürsten an ihre bereits 1432/33 etablierte Politik anknüpfen. Dennoch kann in der Neutralitätserklärung kein durchdachtes Programm gesehen werden, sondern eher eine Reaktion auf die Ereignisse, die eine rasche Entscheidung forderten. Die zeitlich begrenzt konzipierte Neutralität war vor allem eine Maßnahme, um Zeit für ausführlichere Beratungen und die Entwicklung eines gemeinsamen Programms zu gewinnen.652 Dass die Neutralität anschließend über zehn Jahre hinweg die Kirchenpolitik der Kurfürsten bestimmen sollte, war zu diesem Zeitpunkt nicht zu erwarten.653 Einen Tag gramm auch an kirchenpolitische Leitlinien der Kurfürsten gebunden werden. Zum Inhalt des Programmes und den Bestimmungen zur Kirchenpolitik vgl. Angermeier, Das Reich und der Konziliarismus (wie Anm.  628), 567. 646  RTA 13, Nr.  130 (17.3.1438), 216 f. In einem weiteren Schriftstück vom gleichen Tag erklärten die Kurfürsten alle seit dem 18. Februar 1438 ergangenen Strafen und Drohungen beider kirchlicher Streitparteien für nichtig. RTA 13, Nr.  131 (17.3.1438), 219. Angermeier sieht in diesem Schritt den „Höhepunkt der kurfürstlichen Politik und Macht“. Angermeier, Das Reich und der Konziliarimus (wie Anm.  628), 569. 647  RTA 13, Nr.  130 (17.3.1438), 218. Zu den gelehrten Räten, die hinter der Formulierung und Ausfertigung der Neutralitätserklärung standen vgl. Stieber, Eugen IV. and the Council (wie Anm.  209), 140 f. 648 Vgl. Pückert, Kurfürstliche Neutralität (wie Anm.  628), 67 f., auch bei Hürten, Heinz, Die Mainzer Akzeptation von 1439, in: Archiv für mittelrheinische Kirchengeschichte 11 (1961), 42–75, hier 48, ähnlich Weber, Vermittlungspolitik (wie Anm.  628), 94. 649 Vgl. Stütz, Neutralitätserklärung (wie Anm.  628), 136. 650  Im Verlauf des Schismas ab 1378 war keine einheitliche Kirchenpolitik der Kurfürsten mit dem römischen König zu beobachten gewesen. Vielmehr hatten die Auseinandersetzungen zwischen Königen und Kurfürsten zu einem ständigen Obödienzwechsel und gespaltenen Verhältnissen im Reich gesorgt. Vgl. Angermeier, Das Reich und der Konziliarismus (wie Anm.  628), 543 und 547. 651 Vgl. Angermeier, Das Reich und der Konziliarismus (wie Anm.  628), 539. 652  Stütz, Neutralitätserklärung (wie Anm.  628), 139. 653  Helmrath sieht die Neutralitätserklärung von 1438 und die spätere Mainzer Akzeptation als eine der wenigen kirchenpolitischen Entscheidungen der Kurfürsten vor dem Augsburger Religionsfrieden, die in geschlossener Einheit erfolgte. Vgl. Helmrath, Geistlich und werntlich (wie Anm.  631), 507.

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nach der Erklärung wählten die Kurfürsten schließlich Herzog Albrecht von Österreich zum neuen König.654 Albrecht bestätigte die Position der Kurfürsten und auch die Kirchenprovinzen stimmten dem Vorgehen zu.655 Damit hatten die Kurfürsten die führende Rolle in einem Konflikt übernommen, der vorher stark durch die Initiative des Kaisers beeinflusst worden war. Die folgenden Monate waren vor allem durch eine intensive diplomatische Tätigkeit der Kurfürsten geprägt. Verhandlungen in Basel führten zu ­einer Ablehnung der geplanten Vermittlungstätigkeit durch das Konzil.656 Auf der Reichsversammlung in Nürnberg im Juli 1438, der ersten Albrechts II., forderte eine Gesandtschaft des Konzils die Aufhebung der Neutralitätserklärung. Stattdessen wurde die Neutralität um weitere vier Monate verlängert.657 Die Mainzer Reichsversammlung von 1439 schließlich brachte mit der Mainzer Akzeptation658 eine vorrübergehende Klärung der Konfliktsituation für die Kurfürsten.659 Das Dokument umfasste hauptsächlich eine Annahme von insgesamt 26 teilweise leicht veränderten Beschlüssen des Basler Konzils,660 wobei der Schwerpunkt deutlich auf den Reformdekreten lag,661 und das Dekret zur Suspension Eugens IV. vom 24. Januar 1438 explizit ausgeschlossen wurde.662 Es war deutlich an der französischen Pragmatischen Sanktion orientiert, die am 30. Juni 1438 in Bourges verabschiedet worden war.663 Anschließende Vermittlungs­ versuche der Kurfürsten zwischen Papst und Konzil waren danach nicht erfolgreich, und nach wenigen Zugeständnissen der Konzilspartei einigte man sich auf die Fort­ setzung der Diskussion auf einer Reichsversammlung am 1. November 1439.664

654 

Zu den Umständen der Wahl vgl. Pückert, Kurfürstliche Neutralität (wie Anm.  628), 63. Nicht alle Machtträger im Reich folgten der Entscheidung. Unter den weltlichen Fürsten bekannten sich z. B. Markgraf Wilhelm von Hochberg und Pfalzgraf Stephan von Simmern und Zweibrücken zu Papst Eugen IV., während die Bürger der Stadt Basel und Herzog Ernst von Bayern das Konzil unterstützten. Auch die Universitäten schloßen sich mehrteilig dem Basler Konzil an. Siehe Stütz, Neutralitätserklärung (wie Anm.  629), 157 f. Ausführlich zur Rolle der Universitäten vgl. Stieber, Eugen IV. and the Council (wie Anm.  209), 73 f. 656 Vgl. Stütz, Neutralitätserklärung (wie Anm.  629), 131 f. 657  RTA 13, Nr.  290 (18.7.1438), 532. 658  Zur Mainzer Akzeptation siehe Hürten, Mainzer Akzeptation (wie Anm.  648), 42–75. Zur Entstehung und den Verhandlungen während der Reichsversammlung sowie den Beteiligten siehe Stieber, Eugenius IV. and the Council (wie Anm.  209), 157 f. 659  Unterzeichnet wurde die Akzeptation nicht nur von den Kurfürsten sondern auch von einem geistlich-weltlichen Kreis: Neben Albrecht II. und den Kurfürsten gehörten zu den Unterzeichnern auch die Erzbischöfe von Magdeburg, Bremen und Salzburg. Helmrath, Geistlich und werntlich (wie Anm.  631), 509. 660 Vgl. Stieber, Eugenius IV. and the Council (wie Anm.  209), 163. 661  Vgl. zum Inhalt der Akzeptation ausführlich Hürten, Mainzer Akzeptation (wie Anm.  648), 59 f. 662 Vgl. Helmrath, The Empire and the Council (wie Anm.  628), 430. 663  Im Gegensetz zur Pragmatischen Sanktion von Bourges wurde die Mainzer Akzeptation aber nicht als Gesetz verkündet. Vgl. ebd. 664  Stieber, Eugenius IV. and the Council (wie Anm.  209), 197. 655 

132 II. Diplomatie. Ein gelehrter Jurist aus Padua im Dienst Venedigs und des Papstes In Basel wurde der Prozess gegen Eugen IV. derweil weitergeführt, und am 25. Juni 1439 mit der Absetzung Eugens IV. abgeschlossen.665 Nur kurze Zeit später wurde am 6. Juli 1438 in Florenz das Dekret Laetentur Caeli zur Union mit der griechischen Kirche verkündet. Die Kurfürsten reagierten auf die Nachricht von der Absetzung Eugen IV. im August 1439 mit der Ansetzung einer weiteren Reichsversammlung, die mit einer Erneuerung der Neutralität endete.666 Weitere Beratungen im November 1439 wurden durch den Tod Albrecht II. am 27. Oktober 1439 nicht umgesetzt. Kurz darauf wählte das Konzil am 5. November in Basel Amadeus von Savoyen als Gegenpapst Felix V., und wenige Tage später erneuerten die Kurfürsten am 11. November 1439 die Neutralitätserklärung.667

II.4.2. Die Gesandten Eugens IV. auf den Reichsversammlungen von Nürnberg 1438 und Mainz 1439 und der Traktat Super diversis questionibus Das hohe politische Gewicht der Entscheidung der Kurfürsten und des römischen Königs war sowohl Eugen IV. als auch den Basler Konzilsvätern bewusst. Die Reichsversammlungen, auf denen diese Entscheidungen verhandelt wurden, ent­ wickelten sich dementsprechend schnell zu einem Brennpunkt der Diplomatie.668 Der Situation angemessen wurden die dort tätigen Diplomaten von beiden Seiten mit besonderem Hinblick auf ihren Rang, ihre rhetorischen Fähigkeiten und ihre diplomatische Expertise ausgewählt. Die päpstlichen Gesandten auf der Reichsversammlung in Nürnberg 1438 Dementsprechend hochranging besetzt war die im September 1438 in Ferrara akkreditierte päpstliche Gesandtschaft.669 Geführt wurde die Gruppe von dem umfassend 665  Zu den juristischen Vorgehensweisen des Basler Konzils gegen Eugen IV. vgl. besonders Stieber, Eugen IV. and the Council (wie Anm.  209), 44 f. 666  RTA 14, Nr.  187 (14.8.1439), 331. 667  RTA 14, Nr.  215 (11.11.1439), 418. Wie auch bei den vorherigen Einigungen standen nicht alle weltlichen und geistlichen Fürsten geschlossen hinter dieser Erklärung, die dennoch nach außen hin als einstimmig proklamiert wurde. Vgl. Stütz, Neutralitätserklärung (wie Anm.  629), 201. 668  Boockmann beschreibt diesen Prozess als ein Ineinanderfließen von Konzil und Reichsversammlung. Siehe Boockmann, Hartmut, Reichstag und Konzil im 15. Jahrhundert, in: Erich Meuthen (Hg.), Reichstage und Kirche. Kolloquium der historischen Kommission bei der bayerischen Akademie der Wissenschaften. München, 9. März 1990, Göttingen 1991 (Schriftenreihe der Historische Kommission 42), 15–24, hier 23. 669 Vgl. Wolff, Helmut, Päpstliche Legaten auf Reichstagen des 15. Jahrhundert, in: Erich Meuthen (Hg.), Reichstage und Kirche. Kolloquium der historischen Kommission bei der baye­ rischen Akademie der Wissenschaften. München, 9. März 1990, Göttingen 1991 (Schriften­ reihe der Historische Kommission, 42), 25–40, hier 31.

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als legatus de latere bevollmächtigten Kardinal Niccolò Albergati670, der seit der Eröffnung des Konzils von Ferrara als Präsident der Versammlung gewirkt hatte. Albergati, seit 1426 Kardinal von S. Croce in Gerusalemme, war einer der erfahrensten Diplomaten im Dienst Eugens IV. und hatte sowohl auf dem Basler Konzil als auch auf dem Kongress von Arras 1435 mehrfach den päpstlichen Primat verteidigt.671 Weitere Mitglieder der Gesandtschaft waren laut dem am 15. September in Ferrara ausgestellten Beglaubigungsschreiben Giovanni Berardi, Erzbischof von Tarent und ehemaliger Präsident des Basler Konzils,672 der Bischof von Digne Pierre de Versailles,673 Antonio d’Urbino,674 Nikolaus von Kues675, der gelehrte Dominikaner Juan de 670  Albergati wird in der von den Gesandten selbst in Nürnberg entworfenen Erklärung als „legatus de latere cum plena potestate atque mandato“ bezeichnet. RTA 13, Nr.  392, (November 1438), 827. Zum Umfang der Bevollmächtigung des Legaten „cum plena poteste“ siehe siehe Studt, Kirchenreform in Deutschland (wie Anm.  562), 431–474. Jüngst dazu auch Untergehrer, Wolfgang, Die päpstlichen nuntii und legati im Reich (1447–1484). Zu Personal und Organisation des kurialen Gesandtenwesenes, Diss. masch., München 2012, 160 f. 671  Der ursprünglich aus Bologna stammende Karthäuser Niccolò Albergati war in unterschiedlichsten Aufgabengebieten bereits von Martin V. als Diplomat eingesetzt worden. So vermittelte er 1428 beim Friedenskongress zwischen Mailand und Venedig, eine politische Zusammenkunft, bei der Capodilista für die Republik Venedig anwesend war. Er war bis 1436 auf dem Basler Konzil, bis er 1438 als päpstlicher Präsident das Konzil von Ferrara eröffnete. Vgl. zu seiner Politik in Basel Decaluwé, Michiel, Albergati’s Diplomacy. Communication of friendship between Pope Eugene IV. and the Council of Basel, in: RHE 208 (2008), 85–118. Zu seiner vorherigen diplomatischen Karriere und vor allem seiner Leistung auf dem Kongress in Arras 1435 siehe Dickinson, Joycelyne Gledhill, The Congress of Arras 1435. A study in medieval diplomacy, New York 1972, 778 f. 672  In den Quellen wird Giovanni Berardi, der Erzbischof von Tarent, auch als Giovanni di Tagliacozzo geführt. Vgl. Walter, Giovanni Berardi (wie Anm.  347), 758–759. 673  Pierre de Versailles war bereits mehrfach in Diensten Eugens IV. als Gesandter im Einsatz gewesen, unter anderem wenige Monate vor seiner Reise ins Römische Reich in Frankreich bei Karl VII., wohin er auch 1440 gemeinsam mit Capodilista ein weiteres Mal reiste. Er hatte auf dem Basler Konzil 1434 als Mitglied des Schiedsgerichts über den Prozess Ludwig von Tecks gegen Venedig entschieden, und war Capodilista daher bereits bekannt. Vgl. die Auszahlungsanordnung der päpstlichen Kammer für Pierre de Versailles, Bischof von Digne, am 28. Juli 1438 in Ferrara: Acta Camerae Apostolicae et Civitatum Venetiarum, Ferrariae, Florentiae, Ianuae de Concilio Florentino, ed. v. Gregorius Hofmann, Rom 1950 (Concilium Florentinum. Documenta et Scriptores 3/1), 37, Nr.  42. 674  Binder nennt Antonio d’Urbino als ein Mitglied der Gesandtschaft. Er wird aber von Thomas von Courcelles, dem Gesandten des Basler Konzils, in seinem Bericht nicht erwähnt. Vgl. Binder, Karl, Wesen und Eigenschaften der Kirche bei Kardinal Juan de Torquemada O.P., Innsbruck 1955, 22. Im Vergleich dazu RTA 13, Nr.  395, 832, wo d’Urbino nicht erwähnt wird. 675  Meuthen ewähnt Nikolaus von Kues als auf der Reichsversammlung anwesend, hält ihn aber für nicht offiziell beauftragt, wobei unklar ist, ob er sich auf die Versammlung ab September 1438 bezieht, oder auf vorher stattgefundene Treffen in Nürnberg. Vgl. Meuthen, Erich, Nikolaus von Kues. 1401–1464. Skizze einer Biographie, Münster 61982, 68. Zum Wortlaut der Beauftragung mit Nennung des Nikolaus von Kues siehe auch Acta Cusana. Quellen zur Le-

134 II. Diplomatie. Ein gelehrter Jurist aus Padua im Dienst Venedigs und des Papstes Torquemada sowie Giovan Francesco Capodilista.676 Für Capodilista war diese Reise der erste Auftrag, den er als Mitglied einer umfangreichen und nach päpstlichem Zeremoniell reisenden Gesandtschaft ausführte. Seine vorherigen Aufträge für Venedig und auch die Reise nach Ungarn waren von ihm als einem der hauptverantwortlichen Gesandten ausgeführt worden, wobei er für die Reise nach Ungarn keine Fakultäten von Eugen IV. erhielt, sondern nur referierende Aufgaben übernahm. 1438 war er erstmals der einzige Laie in einer von hochrangingen Geistlichen geführten Gruppe von Gesandten, welcher er nur im Status eines Orator ohne besondere Befugnisse angehörte.677 Über den genauen Umfang der Legation, das mitgeführte Gepäck und die dazugehörigen Familiaren der Gesandten geben die Instruktionen und Geleitbriefe keine Auskunft. Wahrscheinlich war aber der 1439 im Gefolge Capodilistas nachweisbare Jurist Rolando del Cortivo bereits bei der Abreise der Gesandten aus Ferrara dabei.678 Der Bestätigungsbrief Eugens IV. für Capodilista datiert auf den 15. September 1438.679 Wenige Tage später verzeichnete die päpstliche Kammer eine Zahlungsanweisung an die Gesandten. Albergati erhielt bereits am 17. September eine Auszahlung, die übrigen am 24. September. Nach ihrem Stand wurden die Gesandten mit unterschiedlichen Mitteln ausgestattet: Berardi erhielt 280 Dukaten (Fl.), Capodilista und die anderen Gesandten 180 Dukaten (Fl.) und Juan de Torquemada 100 Dukaten (Fl.).680 Mit dieser Konstellation hatte Eugen IV. nicht nur in Konzilsangelegenheiten erfahrene, sondern auch theologisch und juristisch versierte Gesandte ausgewählt. Besondere Nennung verdienen Nikolaus von Kues und Juan de Torquemada, die beide sowohl schlagkräftige Redner als auch gelehrte Theologen waren und Konzils­ erfahrung aufwiesen. Obwohl Kues erst im Rahmen der Debatte um das Unions­ konzil mit den Griechen 1437 von der Seite des Basler Konzils ins päpstliche Lager übergewechselt war, zählte der in Heidelberg und Padua ausgebildete Jurist zu den

bensgeschichte des Nikolaus von Kues. Band  1/2. Lieferung 2: 17. Mai 1437–31. Dezember 1450, Hamburg 1983, 240, Nr.  368. Zu Nikolaus von Kues, seinen Wirken und Werk besteht ausufernde Forschung, die hier nicht aufgezählt werden kann. Knapp zur Einführung Nikolaus von Kues und seiner Zeit auf den Reichstagen siehe Brösch, Marco/Euler, Walter Andreas/ Geissler Alexandra/Ranff, Viki (Hg.), Handbuch Nikolaus von Kues. Leben und Werk, Darmstadt 2014, 52–59. 676  RTA 13, Nr.  386 (15.9.1438), 781. Die gleichen Namen nennt auch Izbicki, Thomas, The Ecclesiology of Cardinal Johannes de Turrcremata. Diss. masch., Ithaca 1973, 36. 677  Zum Titel eines päpstlichen „orators“ und seinen Implikationen siehe Untergehrer, Die päpstlichen „nuntii“ und „legati“ (wie Anm.  270), 173. 678  Nennung Rolando del Cortivos zusammen mit Tommaso de Aquila siehe RTA 14, Nr.  51 (25.3.1439), 102 679  ASV, Reg. Vat. 375, fol.  21v. 680  ASV, Introitus et Exitus, vol.  402, fol.  149r und 149v. Zu den üblichen Zahlungen und der generellen Abrechnung der Kosten siehe Untergehrer, Die päpstlichen „nuntii“ und „legati“ im Reich (wie Anm.  270), 230 f.

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erfolgreichsten Vertretern der päpstlichen Superiorität.681 In den Jahren von 1432 bis 1437 hatte er pro-konziliar gewirkt und mit seinem Traktat De Concordantia catho­ lica eine wichtige Streitschrift für die Autorität des Konzils verfasst.682 Mit dem gleichen Eifer setzte er sich nach seinem Wechsel zu Eugen IV. für die Seite des Papstes ein. Gemeinsam mit Kues hatte auch der Spanier Juan der Torquemada683 Basel den ­Rücken gekehrt.684 Der aus Valladolid stammende Dominikaner hatte bereits am Konstanzer Konzil teilgenommen und war von dort aus zu theologischen Studien nach Paris aufgebrochen, die er 1425 abschloss. Bereits 1432 wurde Torquemada als Vertreter der spanischen Krone durch das Konzil in Basel inkorporiert. Nach seinem Wechsel zu Eugen IV. übernahm er leitende Funktionen in den Unionsgesprächen mit den Griechen in Ferrara.685 Torquemadas theologische Schriften hatten bereits in ­Basel in der Auseinandersetzung mit den Hussiten breite Resonanz gefunden.686 Mit dem diplomatisch versierten und angesehenen Kardinal Albergati verfügte die Gesandtschaft zudem über einen prominenten Anführer, der außer diplomatischer Erfahrung durch seine hohe Stellung als Kardinal auch das nötige gesellschaftliche Prestige mit sich brachte. Eine besondere Beziehung zum Basler Konzil hatte auch der Erzbischof von Tarent Giovanni Berardi, der dem Konzil als päpstlicher Präsident bis zu den Auseinandersetzungen um die Verlegenung des Konzils nach Italien 1437 vorgesessen hatte. Im Verlauf der Spaltung des Konzils hatte Berardi das offi­ 681 Vgl.

die Bemerkungen bei Watanabe, Morimichi, Authority and Consent in Church ­ overn­ment: Panormitanus, Aeneas Silvius, Cusanus, in: Journal of the History of Ideas 33 G (1972), 217–236, hier 221. 682  Vgl. u. a. Sigmund, Paul E., Nicholas of Cusa and Medieval Political Thought, Cambridge 1963. 683  Für die Biographie Torquemadas siehe Stockmann, Jules, Joannis de Turrecremata O.P. vitam eiusque doctrinam de corpore christi mystico, Freiburg/Schweiz 1951; Heredia, Beltrán, Colección de documentos inéditos para illustrar la vida del Cardenal Juan de Torquemada, in: AFP 7 (1937), 210–245; Dersl., Noticias y documentos para la biografia del Cardenal Juan de Torquemada, in: AFP 30 (1960), 53–148. Die umfassensten Arbeiten zu Torquemadas Wirken stammen zurzeit von Izbicki, von denen hier nur auf eine Auswahl hingewiesen werden kann: Izbicki, The Ecclesiology (wie Anm.  676); Dersl., Notes on the manuscript library of Cardinal Johannes de Turrecremata, in: Scriptorum 35 (1981), 306–311, sowie Dersl., Juan de Torquema­ da: A Disputation on the Authority of Pope and Council, Oxford 1988 (Domenican Sources 4). 684  Die Auseinanderestzung um die Durchführung des Unionskonzils führten zur Abreise einiger führender Köpfe des Basler Konzils, darunter auch die Konzilspräsidenten Cesarini und Albergati. Vgl. Binder, Wesen und Eigenschaften der Kirche (Anm.  674), 21. 685  Nach seiner Abreise aus Basel 1437 war Torquemada zunächst am Sitz der Kurie in Bologna und reiste am 27. Januar 1438 gemeinsam mit Eugen IV. nach Ferrara zur Eröffnung des neuen Konzils. Vgl. Izbicki, The Ecclesiology (wie Anm.  676), 33 f. und Binder, Wesen und Eigenschaften der Kirche (Anm.  674), 21. Zu seinem Wirken auf dem Konzil von Ferara/Florenz vgl. die Einführung von Candal bei Iohannes de Torquemada, Apparatus super Decretum Florentinum Uniones Graecorum, ed. v. Emmanuel Candal, Rom 1942 (Concilium Florentinum. Documenta et Scriptores 2/1), 23 f. 686  Izbicki, The Ecclesiology (wie Anm.  676), 35 f.

136 II. Diplomatie. Ein gelehrter Jurist aus Padua im Dienst Venedigs und des Papstes zielle Konzilssiegel an sich gebracht und den Minoritätenbeschluss zur Befürwortung der Verlegung ohne Auftrag gesiegelt. Seiner anschließenden Festnahme hatte er sich durch Flucht nach Italien entziehen können; der Prozess gegen ihn war seitdem in Basel anhängig.687 Die Gesandten verließen Ferrara Mitte September 1438. Albergati wurde von Eugen IV. als legatus de latere mit umfangreichen Machtbefugnissen ausgestattet, um die Verhandlungen auf der Reichsversammlung möglichst erfolgreich zu leiten und wenn notwendig selbst Entscheidung treffen zu können. Seine Befugnisse entsprachen dem für einen Legaten de latere üblichen Rahmen, waren aber für die konkrete politische Situation seiner Aufgabe entsprechend zugeschnitten: so erhielt er zum Beispiel die Möglichkeit der Absolution von als Häretikern verdammten Personen und die Fähigkeit der Übertragung von Benefizien.688 Neben Albergati erhielt auch Berardi besondere Befugnisse. Er sollte in Verhandlungen zwischen Albrecht II. und dem König von Polen, Ladislaus, als Schiedsrichter fungieren.689 Bei der Eröffnung der Reichsversammlung Mitte Oktober – die Gesandten Albrechts waren am 19. Oktober 1438 bereits in der Stadt690 – war die päpstliche Gesandtschaft bereits in Nürnberg anwesend.691 Vermutlich hatten sie die Stadt am 16. Oktober erreicht.692 Wenig später, am 24. Oktober, traf dort auch die Gesandtschaft des Basler Konzils ein, zu der Thomas von Courcelles, Juan de Segovia, Johannes de Ragusa, Johannes Pansar und der Capodilista gut bekannte Patriarch von Aquileia, Ludwig von Teck, im Rang eines Legatus de latere gehörten.693 Die erste Rede der päpstlichen Gesandtschaft präsentierte Nikolaus von Kues, vermutlich noch vor dem Eintreffen der Konzils­ gesandten.694 Erst später wurde die Gegenrede von Courcelles gehalten. Eine Erwi687 Walter,

Giovanni Berardi (wie Anm.  347), 759. RTA 13, Nr.  386 (15.9.1438), 781, Anm.  3. Zur Ausstattung von Legaten und Funktionen des Legatenwesens mit Beispielen für die rechtliche Beauftratung eines Legaten siehe Studt, Kirchenreform in Deutschland (wie Anm.  562), 431–474. 689  Walter, Giovanni Berardi (wie Anm.  347), 759. 690  Vgl. die Nachricht nichtgenannter Gesandter über ihre Ankunft in Nürnberg am 19. Oktober 1438, wo sie die Gesandten des römischen Königs bereits im Rathaus antrafen. RTA 13, Nr.  399 (19.10.1438), 838. 691  Der Bericht der Konzilslegaten Thomas von Courcelles, aufgenommen in die Chronik des Segovia berichtet davon: „[…] sicut pro parte pape in loco legati et oratores erant ad inicio diete constituti […].“ RTA 13, Nr.  395, 832. Die Gesandten des Basler Konzils trafen erst am 24. Oktober ein. 692  So im Bericht Kaspar Schlicks, Kanzler Albrecht II. an Karl VII. von Frankreich. RTA 13, Nr.  443 (10.1438), 899. 693  Vgl. RTA 13, Nr.  395 (1./2.12.1438), 833, weiter Wolff, Päpstliche Legaten auf den Reichstagen (wie Anm.  669), 31. 694  Acta Cusana, I/2 (wie Anm.  275), Nr.  375, 244, mit weiterne Quellenhinweisen. Außerdem in einem Schreiben der Stadt Nürnberg an die Stadt Köln erwähnt, dass zunächst die päpstlichen Gesandten ihre Rede gehalten hätten. RTA 13, Nr.  406 (12.11.1438), 850. Courcelles fasst den Inhalt der Rede knapp zusammen. RTA 13, Nr.  395 (1./2.12.1438), 833. Hofmann spricht davon, dass Kues die Rede vor dem Eintreffen der Konzilsabgeordneten gehalten hatte. 688 

II.4. Im Auftrag Eugens IV. auf den Reichsversammlungen

137

derung der päpstlichen Gesandten wurde nicht erlaubt.695 Insgesamt entwickelte sich die Situation schnell zu einem politischen Patt, in dem keine Lösung zu finden war und nur ein langwieriger, ergebnisloser Austausch von Argumenten in Form der vor der Versammlung gehaltenen Reden stattfand. Problematisch war vor allem die Situation des neu einberufenden Konzils von Ferrara, das die Basler Konzilsväter nicht als rechtmäßig anerkannten und das Eugen IV. nicht aufzugeben bereit war. Die anwesenden weltlichen Gesandten und Fürsten ­vertraten gemäß der bereits vorher beschlossenen politischen Linie der Kurfürsten offensiv die Forderung nach der Einberufung eines dritten Konzils zur Vermittlung. Die Basler lehnten diesen Vorschlag erst grundsätzlich, dann mit einem Hinweis auf ihre nur eingeschränkten Handlungsvollmachten ab. Die päpstliche Gesandtschaft erklärte dagegen zunächst ihre Zustimmung zu einem dritten Konzil und präsentierte ihre umfangreicheren Vollmachten, forderte aber vor der endgültigen Zustimmung die Obödienzerklärung Albrechts II. für Eugen IV.696 In diesen Rahmen gehörte auch ein Entwurf der päpstlichen Gesandtschaft, den die anwesenden Gesandten des römischen Königs und der Kurfürsten unterzeichnen sollten, und der die vollständige Erfüllung aller Pflichten Eugens IV. gegenüber diesen Parteien bestätigt hätte.697 Angestrebte Beratungen über den Ort des dritten Konzils kamen zu keinem Abschluss.698 Die Verhandlungen zwischen den Gesandtschaften beider kirchlicher Parteien und den Gesandten der Fürsten, die nach den ersten beiden Reden der Gesandtschaften vor einer besonderen Kommission, bestehend unter anderem aus dem Erzbischof Balduin von Bremen und dem Bischof Ludwig von Passau stattfanden, waren offensichtlich innerhalb kurzer Zeit ohne Ergebnis abgeschlossen. So meldete schon am 4. November Adam Riff, der Gesandte der Stadt Straßburg, das ergebnislose Ende

Vgl. Hofmann, Giorgio, Due discorsi del legato pontificio Giovanni da Torquemada O.P. nella dieta di Norimberga (autunno 1438) e nel congresso di Magonza (primavera 1439), in: Dersl. (Hg.), Papato, conciliarismo, patriarcato (1438–1439). Teologi e deliberazioni del concilio di Firenze, Rom 1940 (Miscellanea Historia Pontificiae), 9–30. Binder erwähnt eine weitere Rede, die von Torquemada in Nürnberg hätte gehalten werden sollen, aber aufgrund der Auseinandersetzung mit den Gesandten des Basler Konzils – Binder spricht negativ wertend von „Quertreiberei“ – nicht zur Ausführung kam. Vgl. Binder, Wesen und Eigenschaften der Kirche (Anm.  674), 22. Siehe dazu weiterhin die Ausführungen bei Hofmann, Due discorsi (wie Anm.  694). 695  Hofmann, Due discorsi (wie Anm.  694), 13. 696 Ebd., 14. Vgl. auch die Äußerungen des Straßburger Gesandten Adam Riffs in seinem Schreiben an die Stadt Straßburg vom 10. November 1438, der die alleinige Schuld für das Scheitern der Verhandlungen bei den fehlenden Vollmachten der Basler Gesandten sieht. RTA 13, Nr.  405 (10.11.1438), 846. 697  RTA 13, Nr.  392 (11.1438), 826 f. 698 Vgl. das Schreiben des Altmmannmeister Adam Riff von Straßburg an Altammann­ meister Albrecht Schalck, in dem er ausführlich von der Suche nach einer dritten Stadt für ein weiteres Konzil berichtete, die aber zu keinem Ergebniss kam. RTA 13, Nr.  403 (4. 11.1438), 842.

138 II. Diplomatie. Ein gelehrter Jurist aus Padua im Dienst Venedigs und des Papstes der Verhandlungen.699 Weitere Beratungen sollten erst auf einer neuen Reichsversammlung wieder aufgenommen werden, die auf den März 1439 nach Frankfurt angesetzt wurde.700 Die Beratungen der Reichsversammlung verliefen allerdings nicht nur wegen der nicht zu vereinigenden Positionen der Gesandten, sondern auch aufgrund der geringen Teilnehmerzahl ergebnislos.701 Unter anderem erschienen weder die Kurfürsten noch Albrecht II. in Mainz, letzterer aufgrund der kriegerischen Auseinandersetzungen in Schlesien. Die anwesenden Fürsten und Vertreter erneuerten aber die beschlossene Neutralität ein weiteres Mal und beauftragten eine Gesandtschaft nach Basel, die entsprechend ihrer politischen Linie für die Einrichtung eines neutralen dritten Konzils plädieren sollte.702 Die Reichsversammlung wurde mit dem Hinweis auf die nächste angesetzte Versammlung in Frankfurt 1439 geschlossen. Für beide kirchlichen Streitparteien waren die keine drei Wochen andauernden Verhandlungen auf einen strikten Austausch von Argumenten in Reden reduziert und letztendlich völlig ergebnislos gewesen. Die meisten Gesandten reisten wieder aus Nürnberg ab, und auch die päpstliche Gesandtschaft löste sich auf.703 Erzbischof Berardi, Juan de Torquemada und Giovan Francesco Capodilista blieben aber den Winter in Nürnberg, wahrscheinlich auf Anweisung Eugens IV.704 Giovanni Berardi übernahm anstelle des abgereisten Kardinals Albergati die offizielle Leitung der Gesantschaft. Zu Beginn des Jahres 1437 wurde er dann in Abwesenheit vor dem Basler Konzil zum Verlust seiner kirchlichen Ämter und Titel verurteilt. Ähnlich wie das über Venedig verhängte Interdikt scheint aber auch dieses Urteil kaum Auswirkungen gehabt zu haben.705

699 

RTA 13, Nr.  403 (4. 11.1438), 842. Siehe das Schreiben an den Herzog Friedrich von Sachsen zur Situation in Nürnberg, das noch vor der Präsentation der beiden kirchlichen Gesandtschaften die Ergebnislosigkeit der Zusammenkunft feststellt: RTA 13, Nr.  398 (18.11.1438), 836. 701  Izbicki konstatiert knapp, dass die Reise der Gesandten ein Fehlschlag gewesen sei. I­ zbicki, The Ecclesiology (wie Anm.  676), 35. Eine Auflistung aller weltlichen und geistlichen Teilnehmer findet sich bei Hofmann, Due discorsi (wie Anm.  694), 12. 702 Die Gesandtschaft sollte am 30. November 1438 in Basel eintreffen. Vgl. RTA 13, Nr.  398 (18.11.1438), 837. 703  Nikolaus von Kues ist beispielsweise schon am 1. Dezember 1438 in Münstermaifeld nachgewiesen. Acta Cusana, I/2 (wie Anm.  275), Nr.  377, 247. Allerdings ist für den 16. Dezember wieder eine Auszahlung durch die Bank der Medici an Kues in Nürnberg belegt. Acta Cusana, I/2 (wie Anm.  275), Nr.  382, 250. 704  Zur Abreise Albergatis vgl. Izbicki, The Ecclesiology (wie Anm.  676), 36. Hofmann sieht in der Überwinterung der Gesandten in Nürnberg den Beweis dafür, dass ihre Bemühungen auf der Reichsversammlung doch nicht ganz gescheitert seien. Hofmann, Due discorsi (wie Anm.  694), 15. 705  Walter, Giovanni Berardi (wie Anm.  347), 759. 700 

II.4. Im Auftrag Eugens IV. auf den Reichsversammlungen

139

Der Traktat „Super diversis questionibus“ von 1439 Über Capodilistas Aktivitäten und soziale Kontakte während des in Nürnberg verbrachten Winters 1438/39 gibt es keine Quellen. Zu vermuten bleibt nur, dass Capodilista wahrscheinlich das ihm 1435 von Sigismund verliehene Recht nutzen konnte, das ihm für jede Reichsstadt für die Zeit seines Aufenthaltes volles Bürgerrecht gewährte.706 Nur eine in unikaler Überlieferung vorliegende Schrift weist darauf hin, dass Capodilista während seines diplomatisch untätig verbrachten Winters weiterhin an der Argumentation der päpstlichen Gesandtschaft arbeitete. Das Ergebnis war der im Februar 1439 verfasste Traktat Super diversis questionibus seu ambiguitatibus inter sanctissimum dominum nostrum Eugenium IV et concilium basiliensis, der heute in einer einzigen Abschrift vorliegt und im Corpus Christi College in Cambridge (UK) aufbewahrt wird.707 Als Bestandteil einer kleinformatigen Sammelhandschrift umfasst der Traktat insgesamt 55 Blätter. Er ist gemeinsam mit weiteren Schriften zur päpstlichen Autorität überliefert, unter anderem mit einer Responsio ad quosdam erro­res Basiliensium von Juan de Torquemada. Im Text entwickelt Capodilista eine Argumentationsstrategie zur Stärkung der päpstlichen Superiorität gegenüber dem Basler Konzil. Fundament dieser Superiorität ist nach seiner Argumentationsführung das generell in den Auseinandersetzungen mit Basel von der päpstlichen Partei häufig ins Feld geführte Jesuswort aus dem Matthäusevangelium Tu es Petrus (Mt 16,18), auf dem die Autorität des Papstes als Nachfolger Petrus und Oberhaupt der katholischen Kirche traditionell gründete.708 Zur Legitimation Eugens IV. wird seine rechtmäßige Stellung als Nachfolger Martins V. betont, dessen Wahl auf dem Konstanzer Konzil direkt zu Beginn des Traktats rekapituliert wird.709 Im Weiteren behandelt Capodilista vor allem die klassische Frage nach der Autorität des Konzils, und ob diese grundsätzlich über der des Papstes stehen könne, was er entsprechend seiner Zugehörigkeit zur päpstlichen Partei verneint. Zunächst zieht er dafür historische Argumente heran und attestiert dem Papst eine seit dem römischen Kaiser Konstantin verfestigte Superiorität nicht nur über dem weltlichen Kaisertum, sondern auch über Konzilien oder Universitäten.710 Diese Ar706 

Verleihung vom 7.6.1435, in RI XI, Nr.  111112. Corpus Christi College, ms. 157, hier fol.  55r. Der Text ist bis heute nicht ediert. Für den Hinweis auf diese Handschrift möchte ich Thomas Izbicki danken. 708  Grundsätzlich zur Entwicklung des Primatsgedankens basierend auf dem Petruswort siehe Harder, Clara, Pseudoisidor und das Papsttum. Funktion und Bedeutung des apostolischen Stuhls in den pseudoisidorischen Fälschungen, Köln 2014 (Papsttum im mittelalterlichen Europa 2), 21 f. Für den Primatsgedanken speziell im Umfeld des Konzils siehe die Überlegungen bei Prügl, Thomas, Modelle konziliarer Kontroverstheologie. Johannes von Ragusa und Johannes von Torquemada, in: Heribert Müller/Johannes Helmrath (Hg.), Die Konzilien von Pisa (1409), Konstanz (1414–1418) und Basel (1431–1449). Institutionen und Personen, Sigmaringen 2007 (VuF 67), 257–287. 709  Corpus Christi College, ms. 157, fol.  55r. 710  Corpus Christi College, ms. 157, fol.  58r. 707 

140 II. Diplomatie. Ein gelehrter Jurist aus Padua im Dienst Venedigs und des Papstes gumentation geht in der Weiterführung in eine Widerlegung der Häresievorwürfe über, die von den Basler Konzilsvätern als Grundlage des Absetzungsverfahrens gegen Eugen IV. 1438 genutzt wurden. Zunächst leitet Capodilista die Autorität eines Konzils aus dem Konvokationsrecht des Papstes ab, der auch den Ort bestimmen konnte.711 Diese Entwicklung führt Capodilista bis auf die Zeit von Papst Hadrian I. zurück. Darauf fußend konstituiert er die Nichtjudizierbarkeit des Papstes und festigt dieses Argument über die Heranziehung einiger kirchenhistorischer Beispiele. Als erstes wählt er den berühmten Konflikt um Papst Symmachus, den er zum Präzedenzfall für die Frage erhebt, ob, und wenn ja von wem, über einen Papst gerichtliche Urteile möglich sind. Nach dem Tod des Papstes Anastasius II. im November 498 war es zu einer Doppelwahl und gleichzeitiger Krönung zweier Päpste gekommen: der Diakon Symmachus wurde in der Lateranbasilika, der Archipresbyter Laurentius von S. Prassede in der Kirche S. Maria Maggiore zum neuen Papst gewählt und gekrönt.712 Beide Kleriker vertraten in den aktuellen theologischen und machtpolitischen Auseinandersetzungen zwischen Rom und Byzanz unterschiedliche Positionen.713 Dazu kamen innerstädtische Konflikte in Rom, die zur Eskalation der Krise führten. In der anschließenden Auseinandersetzung übernahm König Theoderich die Rolle des Richters und sprach das Amt Symmachus zu. 501 kam es dann, vordergründig wegen eines Streites um den Ostertermin, zur Anklage durch Anhänger des Laurentius vor Theoderich, in deren Verlauf Symmachus auch weitere Verfehlungen wie Verschwendung des Kirchengutes und unerlaubter Umgang mit Frauen vorgeworfen wurden.714 Trotz mehrerer Synoden in Rom wurde aber zunächst keine Einigung erreicht. Der als Schiedsrichter angerufene Theoderich verweigerte mit einem Hinweis auf seine Nichtzuständigkeit Hilfe und in Rom brachen zunächst, trotz der Rehabilitierung des Symmachus 501, bürgerkriegsähnliche Zustände zwischen den verfeindeten Lagern aus.715 Erst 506, nachdem Laurentius jegliche Unterstützung verloren hatte, beruhigte die Situation sich und Symmachus konnte sich in Rom dauerhaft etablieren. Die sogenannten Symmachianischen Fälschungen716, die auf diesem Konflikt basieren, setzen sich aus einer Reihe von Dokumenten zusammen, nach denen die Immunität des Papstes ­gegenüber jeglicher irdischer Gerichtsbarkeit besteht. Zu dem Dokumentenkorpus gehörten unter anderen die sogenannten Akten des Konzils von Sinuessa, die Capo711 

Corpus Christi College, ms. 157, fol.  60r. Wirbelauer, Eberhard, Zwei Päpste in Rom. Der Konflikt zwischen Laurentius und Symmachus (498–514). Studien und Texte, München 1993, 10. 713  Zum kirchen- und machtpolitischen Hintergrund der Auseinandersetzung, der im Konzil von Chalkedon 451 und der späteren Revidierung der dortigen Beschlüssen und theologischen Auseinandersetzungen um das Henotikon Kaiser Zenos vom Herbst 482 fundiert, sowie dem innerstädtischen politischen Fundament der Krise vgl. die Ausführungen ebd, 44 ff. 714  Ebd., 18. 715  Wirbelauer, Zwei Päpste in Rom (wie Anm.  712), 34. 716  Zur Diskussion des Begriffs der Fälschung vgl. ebd., 99 f. 712 

II.4. Im Auftrag Eugens IV. auf den Reichsversammlungen

141

dilista explizit zitiert, und die Constitutio Silvestri.717 Das Textkorpus der Sym­ machianischen Fälschungen war bereits seit dem 6. Jahrhundert bekannt und weit verbreitet.718 Capodilista beruft sich unter anderem auf den damit etablierten Grundsatz der päpstlichen Immunität um den Prozess gegen Eugen IV. durch das Basler Konzil für nichtig zu erklären. Ein weiterer Pfeiler der Argumentation Capodilistas gegen einen möglichen Prozess gegen den Papst durch das Konzil ist der Artikel Dist. XXI/c.vi des Decretrum Gratiani Inferiores maioribus nec benedicere, nec maledicere possunt.719 An diese Grundlage knüpft er die Ereignisse um Papst Marcellinus an, der im Rahmen der Christenverfolgung unter Diocletian wegen heidnischer Bilderverehrung abgedankt habe.720 Wie bereits in vorherigen Textabschnitten greift Capodilista auch hier auf die in den Symmachianischen Fälschungen enthaltenen angeblichen Akten des Konzils von Sinuessa zurück, in denen die Marcellinus-Episode tradiert wird. Zur Unter­ mauerung der päpstlichen Immunität vor jeglicher Gerichtsbarkeit zitiert Capodilista dabei die Antwort auf die Bitte des Papstes um ein Urteil über sich selbst: „dum ei sepissime omnes dixerant tuo ore te iudica“.721 Den gleichen Gedanken breitet Capodilista erneut im nächsten Abschnitt unter der Rubrik Maiores a minoribus iudicari non possint722 aus. Dabei greift er mit den Capitula Angliramni723 auf ein anderes 717 

Vgl. Zimmermann, Harald, Papstabsetzungen des Mittelalters, Graz 1968, 159 f. Ebd., 8. 719  Corpus Iuris Canonici. Editio Lipsiensis secunda post Aemilii Luodouici Richteri curas ad librorum manu scriptorum et editionis Romanae fidem recognouit et adnotatione critica instruxit Aemilius Friedberg. 2. Bände. Leipzig 1879–1881, ND Graz 1959. Pars Prior: Decretum Magistri Gratiani. Capodilista gibt den Satz als „Inferiores maioribus non benedicere nec maledicere posse sic dicens“ wieder. Corpus Christi College, ms. 157, fol.  64r. 720  von Döllinger charakterisiert die Erzählung um die Bilderverehrung durch Marcellinus als lange Zeit grundlegende Legende zur Untermauerung der päpstlichen Immunität, die während der Auseinandersetzung zwischen Symmachus und Laurentius entstanden sei. Vgl. von Döllinger, Johann Joseph Ignazius, Die Papst-Fabeln des Mittelalters. Ein Beitrag zur Kirchengeschichte, München 1863, 48 f. Die Marcellinus-Episode wird in einigen Fällen in Traktaten der Zeit zum Primat des Papstes rezipiert, vor allem zur Untermauerung der Immunität des Papstes gegenüber dem Konzil. Vgl. dazu Horst, Ulrich, Autorität und Immunität des Papstes. Raphael de Pornassio OP und Julianus Tallada OP in der Auseinandersetzung mit dem Basler Konziliarismus, Paderborn 1991 (Münchner Universitätsschriften 36), 44 f. 721  Corpus Christi College, ms. 157, fol.  64r, in ähnlichem Zusammenhang auch auf 61v. Der gleiche Vorgang wird dann auch der Abdankung Gregors VI. bei der Synode von Sutri unter Heinrich III. 1045 zugeschrieben. Ob die legendäre Abdankung, die vor allem von Bonizo, dem Bischof von Sutri in seinem Liber ad amicum dargelegt wird, überhaupt stattgefunden hat muss strittig bleiben. Vgl. zu den Vorgängen in Sutri u.a RI III, Nr.  324, weiterhin Wolter, Heinz, Die Synoden im Reichsgebiet und in Reichsitalien von 916–1056, Paderborn 1988, 387 f. Zum Liber ad amicum des Bonizo und einer Gegenüberstellung der Texte zur Abdankung Gregors VI. mit dem vermittelten Text zu Marcellinus vgl. Monumenta Greogriana. Band  2, ed. v. Phillip Jaffé, Berlin 1865 (Bibliotheca Rerum Germanicum 2), 577ff, Textvergleich 599. 722  Corpus Christi College, ms. 157, fol.  64v. 723  Die Capitula sind nach Angliramno benannt, einem Bendiktinerabt, der ab 768 Erbischof 718 

142 II. Diplomatie. Ein gelehrter Jurist aus Padua im Dienst Venedigs und des Papstes Textkorpus zurück. Die Capitula Angliramni waren Bestandteil der pseudoisidorischen Fälschungen724 und gehörten damit zu einer der meistrezipierten Textsammlungen der Kirchenrechtsgeschichte.725 Es handelte sich bei den Capitula Angliramni um eine Sammlung verschiedener Kanones und Dekrete unterschiedlicher römischer Bischöfe und Kaiser, die angeblich am Ende des 7. Jahrhunderts unter Papst Hadrian zusammgenstellt und an Bischof Angliram von Metz addressiert wurde.726 Die 71 teilweise sehr kurzen Artikel des Rechtstextes entstanden vermutlich im 9. Jahrhundert und beinhalten vor allem prozessrechtliche Reglungen zum Bischofsprozess.727 Diese Prozessregeln dienten allerdings weniger der Ordnung des Prozesses als vielmehr der Erschwerung einer Anklage überhaupt. Folgte der Ablauf der Anklage genau den Vorschriften der Capitula Angliramni, wurde eine korrekte Durchführung im Prinzip unmöglich.728 So konnte beispielsweise nur ein Bischof überhaupt einen Bischof anklagen, und auch dann nur, wenn er selbst über jeden Zweifel erhaben war.729 Die Capitula Angliramni unterstreichen damit eindeutig die Immunität des bischöf­ lichen Amtes: „Neque praesul summus a quoquam iudicabitur, quia dicente domino non est discipulus super magistrum“.730 Sie betonen auch die hohe Bedeutung der Provinzialsynoden und des Konzils, das als von der Autorität des Papstes abhängig betrachtet wird und dementsprechend nur von diesem einberufen werden kann.731 von Metz war. Vgl. Vacca, Salvatore, Prima sedes a nemine iudicatur. Genesi e sviluppo stori­ co dell’assiamo fino al Decreto Graziano, Rom 1993, 100. 724  Generell griffen die Pseudoisidorischen Fälschungen die Machtbasis der Synoden an und untermauerten die Macht des Papstes über jegliche Kirchenversammlung, besonders über die Konzilien, die sich nur aus Autorität des Papstes überhaupt legitimieren können. Sieben spricht in diesem Zusammenhang von einem „Ende der synodalen Autonomie“. Siehe Sieben, ­Hermann Josef, Die Konzilsidee des lateinischen Mittelalters (847–1378), Paderborn 1984 (Konzilien­ geschichte), 211. Für die Entstehung des Textcorpus, der Person des Verfassers und dem politischen Kontext siehe Zechiel-Eckes, Klaus, Auf Pseudoisidors Spuren. Oder: Versuch, einen dichten Schleier zu lüften, in: Wilfried Hartmann/Gerhard Schmitz (Hg.), Fortschritt durch Fälschung? Ursprung, Gestalt und Wirkung. Beiträge zum gleichnamigen Symposium an der Universität Tübingen 27. bis 28. Juli 2001, Hannover 2002 (Studien und Texte 31), 1–28. Umfassend weiter Harder, Pseudoisidor und das Papsttum (wie Anm.  708). 725  Vgl. die Einführung und Textedition bei Schon, Karl-Georg, Die Capitula Angilramni. Eine prozessrechtliche Fälschung Pseudoisidors, Hannover 2006 (MGH: Studien und Texte 39). 726  Harder, Pseudoisidor und das Papsttum (wie Anm.  708), 68. 727 Die Capitula sind erstmals im Libellus des Hinkmar von Laon zu finden, der im Sommer 896 entstand. Vgl. Ebd., 70. 728  Schon spricht daher von einer „Prozeßverhinderungsordnung“. Schon, Capitula Angli­ ramnis, 9. 729  Artikel 15 und 18. Vgl. ebd., 122 und 125. 730  Artikel 51d, ebd., 151. Die Vorschrift zitiert dabei das Matthäuswort „Non est discipulus super magistrum nec servus super dominum“ (Mat. 10,24). Nach Vacca entstammt die Regelung aus den Constitutum Silvestri, das ebenfalls Bestandteil der Symmachianischen Fälschung war. Vgl. Vacca, Prima sedes a nemine iudicatur (wie Anm.  723), 100. 731  Artikel 2a, vgl. ebd., 96.

II.4. Im Auftrag Eugens IV. auf den Reichsversammlungen

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Für seine Argumentation nutzt Capodilista genau diese Bestimmungen und deutet sie auf die Person des Papstes um: so zitiert er die Rubrik des Traktats Artikel 18 der Capitula Angliramni: „quoniam, sicut maiores a minoribus non diiudicantur, ita nec criminari possunt.“732 Weitere Beispiele untermauern die von Capodilista verteidigte These der Immunität des Papstes vor jeglicher Form von weltlicher Gerichtsbarkeit weiter: So diskutiert er unter Hinzuziehung des Decretum Gratiani die Fähigkeit des Konzils zur Absetzung eines der Häresie verfallenen und uneinsichtigen (incorrigibilis) Papstes und lehnt sie mit der Prämisse „primam sede nemo iudicat“ ab.733 Diese bereits seit dem 6. Jahrhundert bekannte Sentenz zur Nichtjudizierbarkeit eines rechtmäßigen Papstes entstammte ursprünglich ebenfalls den Symmachianischen Fälschungen und gelangte von dort ins Decretum Gratiani.734 Im weiteren Verlauf des Textes diskutiert Capodilista die Argumente der Basler Konzilsväter gegen Eugen IV. und entkräftet sie in der Reihenfolge, in der sie im Prozess des Konzils vorgebracht wurden. Dabei greift er vornehmlich die Autorität des Konzils über den Papst an, und bezweifelt grundsätzlich die Jurisdiktionsgewalt der Basler Konzilsväter. Erneut argumentiert er dabei mit historischen Beispielen und bezieht sich wieder auf das Jesuswort „Tu es Petrus“ als Grundlage päpstlicher Autorität. Auch die Zweifel der Basler über die Rechtmäßigkeit der Verlegung des Konzils nach Ferrara entkräftet er und weist den rechtmäßigen Charakter der Versammlung in Italien nach.735 Zuletzt nennt Capodilista noch den römisch-deutschen Kaiser und die auf der Reichsversammlung anwesenden Fürsten als Adressaten des Traktats.736 Das Kolophon nennt Nürnberg als Ort der Abfassung der Schrift, „in opido norinbergensi dum legationis officiio pro sede apostolica fingere“, und als Datum den 10. Februar 1439.737 Die Argumentation Capodilistas mit Ereignissen der Papstgeschichte fügt sich nahtlos in die Entwicklungen der Zeit ein, in der historische Argumente in anti- oder prokonziliaren Traktaten eine zunehmend bedeutende Rolle einnahmen.738 Das Beispiel des Konfliktes um Symmachus, die drauf rekurrierenden Symmachianischen Fälschungen und die Selbstabsetzung des Papstes Marcellinus gehörten zum geläufigen Repertoire der Diskussion um kirchliche Autorität, und wurden von konziliarer 732 

Vacca, Prima sedes a nemine iudicatur (wie Anm.  723), 125. Corpus Iuris Canonici (wie Anm.  719), Decreti Secunda Parts, Causa IX, Q. III, c. X: „Prima sedis nullius iudicio subiaceat“, heute Can. 1405, „Prima sedis a nemine iudicatur“. Corpus Christi College, ms. 157, 62v. Zur Bedeutung und Entwicklung der Vorschrift, vgl. Vacca, Prima sedes a nemine iudicatur (wie Anm.  723), 249 f., besonders 252 f. Vgl. weiterhin Schatz, Klaus, Der päpstliche Primat. Seine Geschichte von den Ursprüngen bis zur Gegenwart, Würzburg 1990, 95 f. 734  Zimmermann, Papstabsetzungen (wie Anm.  717), 8. 735  Corpus Christi College, ms. 157, fol.  92r. 736  Ebd., fol.  107r. 737  Ebd., fol.  107v. 738  Zu dieser Entwicklungen und den daraus resultierenden Veränderungen der Theologie vgl. Horst, Autorität und Immunität (wie Anm.  720), 109. 733 

144 II. Diplomatie. Ein gelehrter Jurist aus Padua im Dienst Venedigs und des Papstes und papsttreuer Seite bereits vor der Zeit des Konstanzer Konzils verwendet.739 Die stringente Führung der Argumentation, die intensive und teilweise wortlautnahe ­Zitation von Rechtstexten sowie der klar strukturierte Aufbau des Traktats lassen Capodilistas Ausbildung und langjährige Erfahrung als Jurist deutlich erkennen. Gleichzeitig ist seine Argumentation in der Wahl der Exempel nicht überraschend, und greift auf allgemein verbreitetes Gedankengut zurück, das gut angeordnet dem Leser präsentiert wird. Die Rezeptionsgeschichte des Traktats liegt völlig im Dunkeln. Die Tatsache der unikalen Überlieferung spricht allerdings dafür, dass der Text kaum Verbreitung gefunden hat. Es existieren auch keine Hinweise eine sonstige Nutzung der Schrift als Grundlage einer Rede, wie sie beispielsweise auf der nächsten Reichsversammlung in Mainz hätte erfolgen können. Interessant ist aber die Parallele zu ei­nem Traktat, das Juan de Torquemada ebenfalls im Winter 1438 in Nürnberg verfasste, und das als Vorläufer zu seinem späteren Hauptwerk Summa de Ecclesia gilt.740 Dieser Text, der vermutlich als Rede gehalten werden sollte, erwähnt in den ersten Passagen eine anstehende Rede Capodilistas, der die gleichen Themen und Konfliktpunkte wie Torquemadas Schrift von juristischer Seite beleuchten sollte.741 Ob es sich bei dem Traktat Super diversis questionibus um eine Ausarbeitung dieser Rede, eine schriftliche Niederlegung der Argumentation Capodilistas im Voraus oder doch um einen eigenständigen und zur weiteren Verbreitung konzipierten Text handelt, muss fraglich bleiben. Bemerkenswert bleibt der Traktat vor allem als einziger überlieferter Text Capodilistas, der weder aus seiner Tätigkeit als Lehrender an der Universität Padua noch aus seinem historiographischen Interesse heraus entstand. Damit schließt Super diversis questionibus eine Lücke im ohnehin spärlichen Œuvre Capodilistas. Gleichzeitig eröffnet der Text Einblicke in die Argumentationslinie der päpstlichen Gesandtschaft in der Vorbereitungsphase der Reichsversammlung im Frühjahr 1439, die ansonsten nur in den teilweise überlieferten Reden zugänglich ist. Die Reichsversammlung in Mainz 1439 Anfang März 1439 wurde die Verlegung der Reichsversammlung von Frankfurt nach Mainz bekannt, vermutlich wegen der Pestgefährdung der Stadt Frankfurt.742 Trotz der Verlegung war die Reichsversammlung gut besucht und zog neben zahlreichen Vertretern von Fürsten auch Gesandtschaften aus Frankreich, Portugal und Mailand an. Die drei noch in Nürnberg überwinternden päpstlichen Gesandten Berardi, Tor739  Zum

Beispiel in den Schriften des Pariser Universitätskanzlers Gerson, der in einem prokonziliaren Traktat von 1409 genau diese Argumente für die Absetzbarkeit des Papstes nutzte. Siehe Zimmermann, Papstabsetzungen (wie Anm.  717), 226. 740  Izbicki, The Ecclesiology (wie Anm.  676), 36, auch Hofmann, Due discorsi (wie Anm.  694), 15. 741  Hofmann, Due discorsi (wie Anm.  694), 16. 742  Siehe den Briefwechsel der Stadt Frankfurt wegen der Verlegung der Reichsversammlung. RTA 14, Nr.  43, (3.–9.3.1439), 92 f.

II.4. Im Auftrag Eugens IV. auf den Reichsversammlungen

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quemada und Capodilista konnten aber zunächst nicht nach Mainz aufbrechen.743 Ihre Weiterreise wurde vor allem durch fehlende Geleitbriefe verzögert, wie sie in einem Schreiben an den Erzbischof Dietrich von Mainz mit der Bitte um Geleit vom 12. März 1439 beklagten.744 Die Antwort mit den erbetenen Briefen ist auf den 18. März datiert.745 Dennoch waren die päpstlichen Legaten bei der Eröffnung der Reichsversammlung am 21. März noch nicht in Mainz angekommen. Segovia berichtet von der Vorlage einer Schrift mit den Forderungen Eugens IV. und einer öffent­ lichen Diskussion noch vor ihrem Eintreffen. Die tatsächliche Ankunft der Gesandten wird entweder auf den 14. oder 16. April 1439 datiert.746 Kurz vorher war Nikolaus von Kues eingetroffen, der ebenfalls wieder Mitglied der Gesandtschaft war.747 Die von Segovia beschriebenen Dokumente wurden von zwei päpstlichen Oratores, Tommaso de Aquileia und Rolando del Cortivo,748 an die Reichsversammlung übermittelt.749 In ihnen forderte Eugen IV. die Kurfürsten zum klaren Bekenntnis zu seiner Obödienz auf und hielt sie dazu an, durch politischen Druck das Basler Konzil von weiteren Schritten gegen ihn abzuhalten.750 743  Wolff verzeichnet die Reichsversammlung in Mainz 1439 nicht in seiner Aufzählung der Reichsversammlungen, an denen päpstliche Legaten teilgenommen hätten. Siehe Wolff, Päpstliche Legaten auf Reichstagen (wie Anm.  669), 32. 744  RTA 14, Nr.  45 (12.3.1439), 94. 745  RTA 14, Nr.  46 (18.3.1439), 94. 746  Die frühe Datierung zitiert RTA 14, Nr.  49 (25.3.1439) als Entstehungsdatum zur Vorlage der Forderung Eugen IV. an die Gesandten des Römischen Reiches. Der Domherr Albrecht Schenk, der als Vertreter des Herzogs von Sachsen auf der Reichsversammlung war, berichtete in seinem Schreiben an einige sächsische Räte von den Verhandlungen mit den päpstlichen Gesandten und deren Einzug am 16. April. Vgl. RTA 14, Nr.  76 (28.4.1439), 153. Dem folgt auch Stieber, Eugenius IV. and the Council (wie Anm.  209), 178. Der Bericht, der den Basler Konzilsvätern vorgelegt wurde, datierte die Ankunft in Mainz dagegen auf den 14. April. Vgl. Anm.  3 in RTA 14, Nr.  76 (28.4.1439), 153. Auch Walter datiert das Eintreffen der Gesandten auf den 14. April. Walter, Giovanni Berardi (wie Anm.  347), 759 747 Nach Segovia, in RTA 14, Nr.  73 (5.3.1439), 142, vgl. weiterhin Mansi 31b (wie Anm.  748), Liber XIII, Capitulum XXI, 238. Nikolaus von Kues wird auch im Bericht des Domherren Schenk erwähnt, der von „meister Nyclaus de Cusa prepositus in Confluencia, der was vor hier“ schreibt. RTA 14, Nr.  76 (28.4.1439), 153. Sigmund beschreibt Kues als inoffi­ ziellen Gesandten Eugen IV., weshalb er zunächst nicht vor der Reichsversammlung angehört worden wäre. Möglicherweise bezieht Sigmund sich dabei auf die Tatsache, dass von Kues nicht Mitglied der noch in Nürnberg auf die Geleitbriefe wartenden Gesandtschaft war. Vgl. Sigmund, Nicholas of Cusa (wie Anm.  682), 234. 748  Segovia bezeichnet Cortivo als Orlando di Cortimo. Gemeint ist der Familiare Capodilistas. Hier wird er erstmals als „doctor iuris utriusque“ bezeichnet. Zur Nennung Rolando del Cortivos zusammen mit Tommaso de Aquileia siehe RTA 14, Nr.  51 (25.3.1439), 102. 749  Text bei Sacrorum conciliorum nova et amplissima collectio. Band  31b. 1431–1445. ­Paris 1901, Nachdruck Graz 1961, ed. v. Giovanni Domenico Mansi, Liber XIIII, Caput XXII, 241 f. 750  „[…] quod in Basliae omnes processus suspenderentur et nil novi attemptaretur contra sanctitatem domini nostri vel aliquem de suis.“ RTA 14, Nr.  51 (25.3.1439), 103.

146 II. Diplomatie. Ein gelehrter Jurist aus Padua im Dienst Venedigs und des Papstes In den gleichen Zeitraum fällt die Entstehung eines der wenigen erhaltenen Briefe einer Privatperson an Capodilista. Das am 4. April 1439 verfasste Schriftstück stammt von Piero da Monte, der als päpstlicher Nuntius in England unterwegs war.751 Der gebürtige Venezianer und als Humanist bekannte da Monte war als Absolvent der juristischen Universität Padua ein ehemaliger Student Capodilistas und Protegé ­Prosdocimo Contis.752 Er hatte seine ersten akademischen Titel in Montpellier erworben und war danach zum Studium des kanonischen Rechts nach Padua gewechselt. Seit Herbst 1433 war er als venezianischer Prälat dem Basler Konzil inkorporiert und hatte in den Auseinandersetzungen zwischen Venedig und dem Patriarchen von Aquileia Ludwig von Teck entsprechend der Anweisungen der Republik und seiner eigenen pro-päpstlichen Orientierung die Partei der Venezianer unterstützt. In dieser Zeit muss sich auch die Bekanntschaft zwischen Capodilista und da Monte weiter verfestigt haben. Nach seiner Rückkehr vom Konzil wurde er zum päpstlichen Pronotar ernannt und war ab 1435 im Dienst Eugens IV. unter anderem in England als Kollektor unterwegs. Zusätzlich sollte er die Zustimmung der politischen Elite für die Position Eugens IV. gewinnen und festigen. In England verfasste da Monte auch den Brief, den er im April 1439 an Capodilista richtete. Der Inhalt des deutlich von der humanistischen Briefkultur beeinflussten Schreibens ist schnell umrissen. Anscheinend war da Monte mit seiner Aufgabe in England nicht mehr zufrieden und beklagte sich darüber, dass man ihn in Rom ganz vergessen habe. Er habe daher den Papst um die Erlaubnis zur Rückkehr angefragt und bitte nun Capodilista, sich auch in dieser Sache für ihn zu verwenden. Unsicher ist, ob da Monte den nur kopial überlieferten Brief abschickte. Der Brief gibt darüber keine Auskunft und es gibt keine Informationen darüber, ob Capodilista ihn wirklich erhalten hatte. Da Monte führte eine weitreichende Korrespondenz mit zahlreichen italienischen Humanisten und sammelte seine Briefe sorgfältig.753 Interessant ist der Brief vor allem deshalb, weil die Bitte da Montes Capodilista in einer sonst wenig greifbaren Position zeigt: Als offensichtlich einflussreichen Adressat von Bitten um Unterstützung und als Gönner, dessen soziale Position ihm den Einsatz für Klienten erlaubte. Ob er sich tatsächlich für da Monte verwendete muss allerdings ungeklärt bleiben. In jedem Fall blieb da Monte noch bis 1440 in England in den Diensten Eugens IV., bevor er nach Italien zurückkehrte. 1442 war er als Legat in Frankreich, und erhielt im gleichen Jahr den Titel als Bischof von Brescia.754

751 

Für den Brief Piero da Montes BAV, Vat. Lat. 2694, Edition in stark gekürzter Form bei Haller, Johannes, Piero da Monte. Ein Gelehrter und päpstlicher Beamter des 15. Jahrhunderts. Regensburg 1941, 93, Nr.  88. An gleicher Stelle finden sich auch biographische Hinweise zum Leben da Montes. Ausführlicher siehe das Biogramm bei King, Margaret, Venetian Humanism in an Age of Patrician Dominance, Princton 1986, 405 f. 752  Haller, Piero da Monte (wie Anm.  751), 14. 753  King, Venetian Humanism (wie Anm.  751), 406. 754  Ebd., 405.

II.4. Im Auftrag Eugens IV. auf den Reichsversammlungen

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Unterdessen veränderte sich die politische Situation in der Auseinandersetzung zwischen Eugen IV. und dem Basler Konzil merklich, wenn auch Informationen darüber erst mit zeitlicher Verzögerung über die Alpen gelangten. So kam erst lange nach der Ankunft der päpstlichen Gesandten die förmliche Nachricht von der offiziell wegen Pestgefahr unternommenen Verlegung des Konzils von Ferrara nach Florenz in Nürnberg an, obwohl die Schreiben Eugens IV. bereits im Februar 1439 ausgefertigt worden waren und ursprünglich von den Gesandten selbst überbracht hätten werden sollen.755 Über andere Nachrichtenwege war die Verlegung auf der Reichsversammlung aber bereits bekannt geworden.756 Dort erwies sich unterdessen die verspätete Ankunft der offiziellen Gesandtschaft als politisch nachteilig: In den Zeitraum ihrer Abwesenheit fiel mit der Verabschiedung der Mainzer Akzeptation am 26. März 1439757 die wichtigste politische Entscheidung der Reichsversammlung, die auch die schon anwesenden päpstlichen Oratoren und die bereits eingetroffenen Gesandten des Basler Konzils nicht verhindern konnten. Ob die bereits vor Ort anwesenden Vertreter Eugens IV. an den anschließenden Verhandlungen vom 28. März bis 3. April um die Verlegung des Konzils an einen dritten Konzilsort beteiligt waren ist un­sicher, aber unwahrscheinlich. Segovia benennt sie in seinem Bericht nicht als an­wesend.758 Eine Audienz, die Nikolaus von Kues vor den anwesenden weltlichen und geistlichen Fürsten759 einforderte, nachdem die Basler Legation760 bereits am 12. April vor der

755  Berardi, der Bischof von Tarent, war als Führer der in Nürnberg festsitzenden Gesandtschaft als Überbringer der Schreiben ausgewählt worden. Die Schreiben erreichten die Reichsversammlung wohl aber erst Mitte April 1439, und damit womöglich sogar erst nach der Abreise der Gesandten nach Florenz. RTA 14, Nr.  28 (1.2.1439), 71 und Anm.  3. 756  So möglicherweise über ein Schreiben der Basler an König Albrecht Mitte Februar 1439, in dem die Konzilsväter sich über die Verlegung beschwerten und den König zur Unterstützung gegen Eugen IV. aufriefen. RTA 14, Nr.  32 (20.2.1439), 74. 757  RTA 14, Nr.  56 (26.3.1439), 109. 758  RTA 14, Nr.  75 (11.4.1439), 147. 759  Nach Hofmann waren in Nürnberg die Repräsentanten des Königs, Gesandte der Bischöfe von Mainz, Köln und Trier, sowie Vertreter für die weltlichen Kurfürsten anwesend. Dazu kamen Diplomaten der französischen Krone, für Kastilien und den Herzog von Mailand. Vgl. Hofmann, Due discorsi (wie Anm.  694), 22. 760  Neben der in Nürnberg eingetroffenen Gesandtschaft sollte noch eine zweite Gruppe der Basler Konzilsväter vor Ort sein, zu der mit Ludovico Pontano ein angesehener Jurist gehörte. Diese Gruppe war bereits einige Zeit mit Stationen unter anderem an der Universität Köln unterwegs gewesen, und einer der radikaleren Maßnahmen Eugen IV. zum Opfer gefallen. Bereits seit einiger Zeit rief dieser die Fürsten und Großen des Reiches dazu auf, Konzilsvätern und Reisenden nach Basel gezielt die Unterstützung und das Geleit zu entziehen. Die Gruppe der Basler war auf dem Gebiet des Pfalzgrafen Stefan von der Pfalz-Simmern-Zweibrücken überfallen und verhaftet worden. Obwohl sie wenige Tage später wieder freikamen, mussten sie den Verlust ihrer Besitztümer und eine ruppige Behandlung hinnehmen. Federführend bei der Planung des Überfalls war unter anderem Heinrich Maßheim aus Homburg gewesen, der als orator Eugens IV. auf dem Gebiet des Heiligen Römischen Reiches prokuriale Propaganda betrieb

148 II. Diplomatie. Ein gelehrter Jurist aus Padua im Dienst Venedigs und des Papstes Versammlung sprechen konnte, fand nicht statt.761 Allerdings erhielten auch die Konzilsgesandten nicht immer die Möglichkeit zu den von ihnen gewünschten öffent­ lichen Auftritten.762 Ob die päpstlichen Gesandten dennoch nach dem Eintreffen der gesamten Gesandtschaft zu einer Audienz vorgelassen wurden oder vor der Versammlung ihre vorbereiteten Reden präsentieren konnten, ist nicht klar festzustellen.763 Der Vertreter des Herzogs von Sachsen, der Mainzer Domherr Albrecht Schenk, beschrieb die Bemühungen der päpstlichen Gesandten als fruchtlos, woran sie allerdings durch ihre verzögerte Anreise selbst schuld gewesen seien: „unde die haben die sache also verzogen und sein doch ane endes hinweg geschiden.“764 Schenk vermerkte ebenfalls, dass die Gesandten um eine „offenliche audiencia“ gebeten hätten, die Räte des Königs und der Fürsten sich aber nach Beratung dagegen entschlossen und das auch ordnungsgemäß erteilt hätten. Die darauf folgenden Proteste der Gesandten seien ebenfalls in korrekter rechtlicher Form geschehen, hätten aber keine Wirkung gezeigt. Weiter beschreibt er die Auseinandersetzungen zwischen den anwesenden Fürsten und den päpstlichen Gesandten, die, nachdem ein Einlenken der Fürsten den Forderungen Eugens IV. gemäß nicht abzusehen war, wenig diplomatisches Ent­ gegenkommen zeigten: „unde ward nit geredet mer mit in uß keinen sachen, wann sie wolten von nicht mehr horen […]. Sie wolten aber nit thun noch sagen noch von der richtung horen, es were dann, das man in die genante declaration gethan hete.“ Auf diesen Verhandlungsstillstand konnte nur noch die enttäuschte Abreise der Gesandtschaft erfolgen, die Schenk für den 25. April 1439 vermerkt. Versöhnlich fügt er aber noch hinzu, dass die päpstlichen Gesandten immerhin gegangen wären mit dem „solichen willen, sie wolten allen iren fleiß thun bei unserem heiligen vater deme bobist, das soliche sache zu fride keme“.765 In einem Schreiben an Schenks Auftraggeber, den Herzog Friedrich von Sachsen, vom gleichen Tag bestätigen die Gesandte ihre Rückreise.766 Capodilista und Giovanni Berardi blieben vermutlich noch länger im Reich. Im Mai 1439 traten sie auf dem Basler Konzil in einer Disputation als Redner

und als Familiare Nikolaus’ von Kues im April 1439 in Nürnberg war. Vgl. Woelki, Lodovico Pontano (wie Anm.  436), 480f . 761  Binder, Wesen und Eigenschaft der Kirche (Anm.  674), 23. Segovia beschreibt noch eine weitere Präsentation der Basler Legation und verzeichnet auch die Teilnehmer der Gesandtschaft, die neben ihm und Thomas von Courcelles noch weitere sechs Teilnehmer umfasste. RTA 14, Nr.  73 (5.3.1439), 142. 762  So zum Beispiel Mitte März, als die Gesandten sich gegen die Rhetorik des Cusanus öffentlich zur Wehr setzen wollten, aber von den Erzbischöfen von Mainz und Köln auf die noch ausstehende päpstliche Gesandtschaft hingewiesen wurden, deren Eintreffen abzuwarten sei. Vgl. RTA 14, Nr.  73 (5.3.1439), 142 f. 763  Hofmann lässt die Frage danach offen, während Binder sie klar verneint. Vgl. hofmann, Due discorsi (wie Anm.  694), 22 und Binder, Wesen und Eigenschaft der Kirche (Anm.  674), 23. 764  Diese und die ganze folgende Passage siehe RTA 14, Nr.  76 (28.4.1439), 153 f. 765  RTA 14, Nr.  76 (28.4.1439), 154. 766  RTA 14, Nr.  67 (25.4.1439), 133.

II.4. Im Auftrag Eugens IV. auf den Reichsversammlungen

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auf und griffen die Legitimation des Konzils an.767 Es ist unklar, wie lange sie auf dem Konzil blieben, und wohin Capodilista von dort aus reiste. Giovanni Berardi führte im Anschluss einen weiteren Auftrag in Budapest aus.768 Für Juan de Torquemada ist die direkte Rückreise an die mittlerweile in Florenz residierende päpstliche Kurie769 und das dort tagende Konzil nachweisbar.770 Für die päpstliche Gesandtschaft war der Aufenthalt in Mainz kurz und ergebnislos. Im Gegenteil: Die Verabschiedung der Mainzer Akzeptation kann von den päpstlichen Diplomaten kaum positiv gewertet worden sein. Die in Mainz vertretenen weltlichen und geistlichen Fürsten waren durch ihre wenn auch nicht völlig politisch geschlossene, so doch vorerst entschlossen demonstrierte Neutralität zunächst für diplomatische Versuche nicht mehr erreichbar. Dazu muss die Situation, wie aus dem Bericht des Domherren Albrecht Schenk erkennbar wird, keineswegs entspannt gewesen sein. Die deutlich lesbare Enttäuschung der päpstlichen Gesandten über die Entscheidung der anwesenden Fürsten und die Ablehnung der letzten Gesprächs­ angebote sprechen für sich. Das Urteil Albrechts Schenk über die Gesandten bleibt dabei verhalten und tendiert ins Negative. Nicht zuletzt eröffnet er sein Schreiben an die sächsischen Räte mit dem Hinweis auf das verspätete Eintreffen der Gesandten, das ihnen offensichtlich nachteilig angerechnet wurde, obwohl sie für die ausbleibenden Geleitbriefe keine Verantwortung trugen. Ob die späten Geleitbriefe eine gezielte Unterminierung ihrer politischen Position darstellten oder einfach nur durch Zu­ fälle nicht termingerecht eintrafen, ist nicht zu bestimmen. Die kommenden Monate nach der wenig erfolgreichen Reise verbrachte Capodilista in den Diensten Eugens IV. vermutlich in Florenz. Provisionszahlungen der Kurie spätestens ab dem 22. Juni 1439771 bis zum September weisen darauf hin, dass der Papst Capodilista weiterhin an sich binden wollte und ihn möglicherweise im Kontext des Unionskonzils von Florenz beschäftigte.772 Erst mit reichlicher Verspätung erhielt Capodilista allerdings seine Ausgaben für die Reisen ins Reich erstattet: die letzte Auszahlung dafür datiert auf den 16. September 1439.773 Unmittelbar von Florenz aus brach dann im Oktober 1439 die Gesandtschaft nach Bourges auf, der nicht nur Capodilista, sondern auch sein bereits bewährter Reisepartner Juan de Torquemada angehörten. In der Karriere Capodilistas nimmt die Legation zu den Reichsversammlungen nach Nürnberg und Mainz einen besonderen Platz ein. Es ist der erste Auftrag, den 767 

Segovia (wie Anm.  270), Liber XIIII, Caput XXXVIIII, 280. Seine Abreise nach Budapest ist auf den 20. Juni datiert. Walter, Giovanni Berardi (wie Anm.  347), 759. 769  Der Theologe ist dort am 20. Juni 1434 als Teilnehmer einer Diskussion greifbar. Vgl. Heredia, Noticias y documentos (wie Anm.  683), 77. 770  Für Torquemada vgl. Binder, Wesen und Eigenschaften der Kirche (Anm.  674), 24. 771  ASR, Camerali I, Mand. Cam. 828, fol.  216r. 772  Vgl. die Gehaltszahlungen an Capodilista aus der päpstlichen Kammer für die Monate von Juni bis September 1439: ASV, Introitus et Exitus, fol.  100r, 102r und 110r. 773  ASV, Introitus et Exitus 404, fol.  110r. 768 

150 II. Diplomatie. Ein gelehrter Jurist aus Padua im Dienst Venedigs und des Papstes Capodilista als Mitglied einer umfangreicheren Gesandtschaft unternahm. Abweichend von seinen vorherigen Aufträgen war er außerdem nicht spezifisch als Jurist im Kontext eines gerichtlichen Verfahrens wie auf dem Basler Konzil, oder eines Vertragsabschlusses wie bei seiner Reise an den Hof Kaiser Sigismunds 1437 beauftragt. Dennoch macht der Glücksfall des überlieferten Traktats Super diversis questionibus aus der Zeit der Überwinterung der Gesandten in Nürnberg im Winter 1438/39 deutlich, dass Capodilistas juristische Ausbildung und Erfahrung für die Argumentation der Gesandten zumindest theoretisch genutzt wurde. Bemerkenswert bleibt die völlig Erfolglosigkeit der Gesandtschaft, die besonders auf der Reichsversammlung in Mainz im Frühjahr 1439 deutlich wird. Papst Eugen IV. schien diese geringe Erfolgsaussicht bereits einkalkuliert zu haben: es ist auffällig, dass die päpstlichen Ge­ sandten in Mainz nicht wie vorher in Nürnberg durch einen umfangreich bevollmächtigten Legaten de latere ergänzt wurden, und die Rolle des führenden Gesandten stattdessen von dem Erzbischof Giovanni Berardi übernommen wurde. Von der ursprünglichen Gesandtschaft kehrte nur Nikolaus von Kues wieder zurück, der im März 1439 wieder mit den in Nürnberg gebliebenen Gesandten Berardi, Torquemada und Capodilista zusammentraf. Trotz der Erfolglosigkeit der Legation scheint Papst Eugen IV. nicht von den Leistungen seiner Vertreter enttäuscht gewesen zu sein und nur wenige Monate später setzte er Capodilista und Torquemada erneut als Gesandten für die Reise nach Bourges ein.

II.5. Der letzte Auftrag für Eugen IV.: Die Verhandlungen mit Karl VII. in Bourges 1440 Nach seiner Rückkehr aus dem römisch-deutschen Reich blieb Capodilista nur kurze Zeit ohne diplomatische Aufgabe, und nur wenige Monate später brach er erneut als Mitglied einer Gesandtschaft Papst Eugens IV. in Richtung Norden auf. Ähnlich wie bereits bei der vorherigen Reise waren die Gesandten auch diesmal beauftragt für die Anerkennung Eugens IV. als rechtmäßiger römischer Papst in Konkurrenz zum Basler Konzil zu werben. Adressat dieser Werbung war diesmal der französische König Karl VII. und der französische Klerus. Wieder präsentierte sich die Situation für die päpstlichen Gesandten als politisch hochkomplex, was auch maßgeblich an der zwiespältigen Haltung Frankreichs zum Basler Konzil lag.

II.5.1. Das Verhältnis der französischen Krone zum Basler Konzil Durch seine mehrheitlich französische Teilnehmerschaft galt das Basler Konzil lange als französisch dominierte Versammlung auf dem Boden des römisch-deutschen Reiches.774 Gleichzeitig war die politische Situation Frankreichs zur Zeit des Konzils durch die Ereignisse des Hundertjährigen Krieges und die daraus resultierende poli774  Müller, Heribert, Die Franzosen, Frankreich und das Basler Konzil (1431–1449). Bd. 1, Paderborn 1990 (Konziliengeschichte, Reihe B), 9. Als Zusammenfassung auch Müller, Heribert, France and the Council, in: Michiel Decaluwé/Thomas M. Izbicki/Gerald Christianson (Hg.), Companion to the Council of Basel, Leiden/Boston 2017 (Brill’s Companions to the Christian Tradition), 377–409. Für weitere Literatur siehe Stieber, Eugenius IV. and the Council (wie Anm.  209), 64 f., Helmrath, Das Basler Konzil (wie Anm.  203), 202 f. Der ausführliche Urkundenanhang bei Nöldeke ist hilfreich, wurde aber leider nie gedruckt. Nöldeke, Erdmann Johannes, Der Kampf Papst Eugen IV. gegen das Basler Konzil. Seine Bemühungen um Gewinnung Frankreichs in den Jahren 1438–1444 mit einem Urkundenanhang, Diss. masch., ­Tübingen 1957. Zur älteren Forschung siehe Wittram, Reinhard, Die französische Politik auf dem Basler Konzil während der Zeit seiner Blüte, Riga 1927; Valois, Noël, Histoire de la Pragmatique Sanction de Bourges sous Charles VII, Paris 1906 (Archives de l’Histoire reli­ gieuse de la France) und Ders., Le Pape et le Concile (1418–1450), Paris 1909 (La Crise Religieuse du XV° Siècle 2). Zur Kritik an Valois wegen dessen tedenziöser Selbstpositionierung siehe Müller, France and the Council (wie Anm.  774), 391, Fn.  36. Weiter zu Frankreich H ­ aller, Johannes, Die pragmatische Sanktion von Bourges, in: Dersl. (Hg.), Abhandlungen zur Geschichte des Mittelalters, Stuttgart 1944, 393–438.

152 II. Diplomatie. Ein gelehrter Jurist aus Padua im Dienst Venedigs und des Papstes tische Spaltung geprägt, was sich auch auf die französische Konzilsnation übertrug.775 Dazu waren die Interessen der französischen Krone, vor allem mit Blick auf die Thronfolge in Neapel, unmittelbar an die Person Eugens IV. geknüpft, so dass Karl VII. eine Balancepolitik zwischen Kurie und Konzil führte.776 Neben dem Versuch, Neapel für René d’Anjou zu gewinnen und so unter französischen Einfluss zu bringen, war für die französische Krone vor allem die Erinnerung an die Zeit des Papsttums in Avignon, und der Versuch zur Wiedergewinnung der gallikanischen Freiheiten leitend.777 Dazu wurden bereits vor Eröffnung des Basler Konzils Verhandlungen mit der Kurie um eine mögliche Verlängerung und Abänderung des 1426 geschlossenen und für Frankreich nachteiligen Konkordats von Genazzano geführt, das praktisch einer Aufhebung der gallikanischen Freiheiten778 gleichgekommen war.779 Die französische Delegation kam im Mai 1433 in Basel an.780 Zunächst arbeiteten sie vor allem mit dem Herzog von Mailand zusammen und führten so zu einer Verschärfung des Konflikts zwischen dem Konzil und Eugen IV.781 Grundsätzlich war die Mehrheit des französischen Klerus konzilsanhängig.782 Dies trifft auch auf die französischen Gesandten in Basel zu, wie auch Giovan Francesco Capodilista in einem Bericht an Venedig vom 12. Oktober 1433 feststellte.783 Die französischen Teilnehmer des Konzils waren meist Mitglieder der Universität von Paris und stellten damit nicht nur die stärkste, sondern auch die am besten ausgebildete Nation in 775 

Helmrath bezeichnet die von Klerikern unterschiedlicher Parteizugehörigkeit beschickte gallikanische Nation als Pulverfass. Vgl. Helmrath, Basler Konzil (wie Anm.  203), 205. 776  Vgl. ebd., 208. Zur kirchenpolitischen Ausrichtung Frankreichs vor dem Konzilsbeginn vgl. Wittram, Die französische Politik auf dem Basler Konzil (wie Anm.  774), 5 f. 777  René d’Anjou war der Herzog von Bar und Lothringen, und ein Verwandter Karls VII. Siehe Wittram, Die französische Politik auf dem Basler Konzil (wie Anm.  774), 206. 778  Knapp definiert umfassen die gallikanischen Freiheiten Rechte des französischen Klerus, die jeder König seit dem 9. Jh. bei seiner Amtseinführung zu schützen beeiden musste. Im Verlauf der Jahrhunderte hatte sich diese Schutzfunktion erweitert, so dass der König nicht nur die Freiheiten selbst anerkennen, sondern auch ihren Schutz gegenüber Dritten, vor allem dem jeweiligen Papst, zusichern musste. Vgl. Stieber, Eugenius IV. and the Council (wie Anm.  209), 66. 779  Vgl. ebd., 5f und 11. Zur Bewertung des Konkordats und seine politische Bedeutung beim Versuch Frankreichs zur Erwerbung des Königreichs Neapel vgl. die Bewertung bei ­ aller, Die pragmatische Sanktion von Bourges (wie Anm.  774), 402 f. H 780  Die „große“ französische Gesandtschaft, bestehend aus 21 Mitgliedern, wurde am 22. Mai 1433 inkorporiert und ergänzte die bereits in Basel vor Ort arbeitenden Prälaten, darunter den Erzbischof Amédée de Talaru von Lyon als königlicher Gesandter. Dennoch markiert erst das Eintreffen dieser offiziellen Deputation den Beginn der französischen Konzilsarbeit und der französischen Überzahl. Vgl. Wittram, Die französische Politik auf dem Basler Konzil (wie Anm.  774), 34. 781 Vgl. Helmrath, Basler Konzil (wie Anm.  203), 209, auch bei Wittram, Die französische Politik auf dem Basler Konzil (wie Anm.  774), 11, ausführlich 38. 782 Vgl. Müller, Die Franzosen und das Basler Konzil (wie Anm.  774), 812. 783  RTA 11, Nr.  43 (12.10.1433), 82.

II.5. Der letzte Auftrag für Eugen IV.: Die Verhandlungen mit Karl VII.

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­Basel.784 Dementsprechend vertraten sie auch das an der Pariser Universität gelehrte, pro-konziliare Gedankengut auf hohem theologischem Niveau.785 Erst mit der Aussicht auf eine Einflussnahme Frankreichs auf die Besetzung des Throns in Neapel nach dem Tod der Königin Johanna II. von Anjou-Durazzo änderte sich die französische Konzilspolitik, denn Neapel war als Lehen Eugens IV. vom Papst abhängig.786 Dennoch agierten die Franzosen in Basel weiterhin in der Hoffnung auf ein Wiedererstarken des französischen Einflusses auf das Papsttum. Dies wird deutlich in ihrer Forderung nach mehr französischen Kardinälen im Zuge der Reform des Kardinalkollegs 1434.787 Nach dem Kongress von Arras 1435, der mit dem Wechsel Phillips des Guten von Burgund auf die französische Seite die Stellung Frankreichs im Konflikt mit England stärkte,788 intensivierte sich das diplomatische Engagement Frankreichs mit der Kurie.789 Diese Schritte brachten dabei soweit Erfolg, dass Eugen IV. die Belehnungsurkunde über Neapel für René d’Anjou tatsächlich ausstellte, sie dann aber im Februar 1436 zunächst in die Hände Cosimo de Medicis als Treuhänder gab, der sie seinen Anweisungen gemäß nicht an Frankreich weiterleitete.790 In den Abstimmungen von 1436 und 1437 zur Verlegung des Konzils an einen dritten Ort stimmten die Franzosen für Avignon und konnten sich in Einheit mit der deutschen Nation auch durchsetzen. Damit war die zeitweise Annäherung an Eugen IV. wieder ins Stocken geraten, und deutlich papstkritische Tendenzen inner784 

Müller, Die Franzosen und das Basler Konzil (wie Anm.  774), 813. Müller attestiert den französischen Teilnehmern „Nähe zum universitären Milieu, intellektuelle Regsamkeit und reformatorischen Impetus […].“ Müller, Die Franzosen und das Basler Konzil (wie Anm.  774), 814. Ausführlich zur Rolle der Pariser Universität in der Entwicklung der konziliaren Bewegung vgl. Black, Anthony, The Universities and the Council of Basel: Collegium and Concilium, in: Jozef Ijswijn/Jaques Paquet (Hg.), The Universities in the Late Middle Ages, Leiden 1978 (ML 6), 511–523, hier 511 f. Auch allgemein zur Position der Universitäten siehe Miethke, Jürgen, L’università e il concilio di Basilea, in: Christianesimo della Storia 32 (2011), 1–41. 786  Helmrath, Basler Konzil (wie Anm.  203), 210. Ausführlich zur neapolitanischen Frage auch Nöldeke, Kampf Eugen IV (wie Anm.  774), 8 f. 787  Wittram bezeichnet Kaiser Sigismund im Verbund mit den venezianischen Gesandten Andrea Donato und Giovan Francesco Capodilista als stärkste Gegner dieses Versuches, denen es gelang, die Konzilspräsidenten auf ihre Seite zu ziehen. Vgl. Wittram, Die französische Politik auf dem Basler Konzil (wie Anm.  774), 61. 788  Zur Rolle und Zusammensetzung der Basler Gesandtschaft auf dem Kongress von Arras und der Bedeutung der causa pacis für das Konzil vgl. Müller, Die Franzosen und das Basler Konzil (wie Anm.  774), 817f, auch Müller, The Council and France (wie Anm.  774), 381. 789 Vgl. Müller, Die Franzosen und das Basler Konzil (wie Anm.  774), 809. 790  René von Anjou erhielt die Urkunde erst 1442, zu einem Zeitpunkt, zu dem er die Aussicht auf die Inbesitznahme des Königreichs Neapel längst aufgegeben hatte und als Gast an der Kurie in Florenz war. Vgl. mit Edition der entsprechenden Urkunden Haller, Johannes, Die Belehnung Renés von Anjou mit dem Königreich Neapel (1436), in: QFIAB 4 (1901), 184– 207, hier 200. Siehe weiter Helmrath, Das Basler Konzil (wie Anm.  203), 210, auch Wittram, Die französische Politik auf dem Basler Konzil (wie Anm.  774), 69. 785 

154 II. Diplomatie. Ein gelehrter Jurist aus Padua im Dienst Venedigs und des Papstes halb der französischen Konzilsnation in den Vordergrund getreten.791 Dennoch präsentierte sich die Natio Gallicana weiterhin als geschlossener und damit einfluss­ reicher Verbund.792 Die folgenden Jahre bis zum Abschluss der Pragmatischen Sanktion von Bourges waren durch zwei politische Prämissen Frankreichs geprägt: der Versuch zur Übertragung der Basler Reformdekrete auf Frankreich und gleichzeitig die weitere Annäherung an Eugen IV., ohne sich gleichzeitig vom Konzil abzuwenden.793 Wie wichtig die Beibehaltung dieser Balance für die französische Krone war lässt sich auch daran ermessen, dass allzu konzilsbegeisterte Gesandte in Basel bei Bedarf durch Sondergesandte wieder auf den vorgesehenen Kurs gebracht oder auch schnell und diskret ausgewechselt wurden.794 Mit dem Abschluss der Pragmatischen Sanktion auf der Synode von Bourges am 7. Juli 1438 wurden schließlich viele Reformdekrete des Konzils für Frankreich ­akzeptiert.795 Umgesetzt wurden vor allem jene Dekrete, an deren Zustandekommen die gallikanische Nation in Basel maßgeblich mitgewirkt hatte.796 Gleichzeitig wurde die Abschaffung der nach Rom zu zahlenden Annaten beschlossen.797 Letztendlich bestätigte der französische Klerus mit der Akzeptanz der Basler Dekrete dessen Anerkennung als einzig legitimes Konzil, verweigerte aber gleichzeitig die Zustimmung zur Absetzung Eugens IV.798 Oberflächlich blieb Frankreich weiterhin in der Obödienz Eugens IV., war aber durch die Annahme der Basler Dekrete dem Einfluss Roms weitgehend entzogen.799 Letztendlich diente die Pragmatische Sanktion vor allem der Wiedereinführung der gallikanischen Freiheiten im Kontext der nach dem Kongress von Arras 1435 und der Wiedereroberung von Paris einsetzenden Konsolidierung des französischen Staates.800 Die Bestimmungen verstärkten die Machtposition 791  Bekannt geworden ist die These Hallers, die auch von seinem Schüler Wittram ver­ treten wurde, von einer doppelbödigen Politik Frankreichs während der Verhandlungen zur Bestimmung eines neuen Konzilsorts. Die französische Gesandtschaft habe dabei gegenüber Eugen IV. offiziell Florenz als Konzilsort vertreten, in Geheimverhandlungen auf dem Konzil aber stets für Avignon votiert. Müller erklärt diese These zu einer Fiktion, die vor allem in Hallers eigenen Kurienerfahrungen um 1900 verwurzelt sei. Vgl. Müller, Die Franzosen und das Basler Konzil (wie Anm.  774), 822. 792  Müller, Die Franzosen und das Basler Konzil (wie Anm.  774), 820. 793  Helmrath, Das Basler Konzil (wie Anm.  203), 211. 794  Als Beispiel dafür gelten unter anderem die Missionen des Simon Charles, der die allzu konzilseifrigen Gesandten in Basel wieder auf eine gemäßigtere Taktik einschwören sollte. Vgl. Müller, Die Franzosen und das Basler Konzil (wie Anm.  774), 809. 795  Die Teilnehmer der Synode bestanden aus dem gallikanischen Klerus, die eine entsprechende Forderung zur Akzeptanz der Dekrete an den französischen König richteten, der daraufhin die Pragmatische Sanktion zum Gesetzesstatus erhob. Vgl. Stieber, Eugenius IV. and the Council (wie Anm.  209), 66. 796  Helmrath, Das Basler Konzil (wie Anm.  203), 212. 797 Vgl. Nöldeke, Der Kampf Eugens IV. (wie Anm.  774), 12. 798  Stieber, Eugenius IV. and the Council (wie Anm.  209), 65. 799 Vgl. Nöldeke, Der Kampf Eugens IV. (wie Anm.  774), 17. 800 Vgl. Müller, Die Franzosen und das Basler Konzil (wie Anm.  774), 826.

II.5. Der letzte Auftrag für Eugen IV.: Die Verhandlungen mit Karl VII.

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der Krone innerhalb der Kirche auf französischem Boden, und deuteten dabei den Autonomiegedanken der Basler Dekrete zugunsten des französischen Königs um.801 Eine einheitliche Umsetzung der Beschlüsse der Sanktion kann allerdings für die Folgezeit nicht festgestellt werden.802 Nach dem Beschluss der Pragmatischen Sanktion tendierte die französische Politik zur Distanz gegenüber dem Konzil.803 Zeit­ weise entstand eine gemeinsame Position Frankreichs mit den Kurfürsten des römischen Reiches, die vor allem durch Vermittlungsversuche geprägt war und auf die Einberufung eines dritten, neutralen Konzilsorts hinwirkte.804 Nach der Absetzung Eugens IV. verließen die französischen Gesandten auf Befehl Karls VII. das Konzil im Sommer 1439.805 Damit wird deutlich, dass die französische Krone trotz der Zugeständnisse gegenüber dem Konzil und dem Taktieren zwischen Papst und Konzil in den vorangegangenen Jahren die Position Eugens IV. für grundsätzlich unangreifbar hielt, auch in Abweichung von der teilweise radikal konziliar denkenden und agierenden französischen Konzilsnation.806 Gleichzeitig entstanden Bewegungen innerhalb verschiedener Regionen Frankreichs, die ihre Obödienz zu einer der beiden Seiten erklärten, so beispielsweise im Languedoc, wo auf den États des Languedoc im April 1439 die Obödienz gegenüber Eugen IV. erklärt wurde.807 Nach der Wahl Felix’ V. wurde die Aufforderung aus Basel zu Obödienzerklärung gegenüber dem neuen Papst aus Frankreich zurückgewiesen. Die päpstliche Gesandtschaft traf damit im Sommer 1440 auf ein politisch flexibles Klima, in dem der französische König sich als grundsätzlich an der Zusammenarbeit mit dem römischen Papst Eugen IV. interessiert positioniert hatte, insofern die kirchenpolitischen Interessen der französischen Krone, die hauptsächlich in einer möglichst umfassenden Kontrolle über die Kirche auf französischem Boden bestand, positiv bedient wurden.808

801 

Vgl. ebd., 827. Haller, Die pragmatische Sanktion (wie Anm.  774), 408, weiterhin 426 f. 803  Decaluwé bezeichnet die Pragmatische Sanktion als „virtual kiss of death for the Council of Basel in France.“ Decaluwé, A successful defeat (wie Anm.  212), 332. 804 Vgl. Nöldeke, Der Kampf Eugens IV. (wie Anm.  774), 20 f. 805 Vgl. Helmrath, Das Basler Konzil (wie Anm.  203), 214. 806 Vgl. Müller, Die Franzosen und das Basler Konzil (wie Anm.  774), 824 ff. Nöldeke bezeichnet die französische Diplomatie, besonders im Jahr 1439, radikal als „Doppelspiel“ und verurteilt die unklare Position der französischen Krone. Siehe Nöldeke, Der Kampf Eugens IV. (wie Anm.  774), 42. 807  Nöldeke, Der Kampf Eugens IV. (wie Anm.  774), 44. 808  Müller, France and the Council (wie Anm.  774), 377. 802 Vgl.

156 II. Diplomatie. Ein gelehrter Jurist aus Padua im Dienst Venedigs und des Papstes

II.5.2. Die Gesandtschaft Eugens IV. auf der Synode von Bourges 1440 Die Synode von Bourges war ursprünglich auf den 15. Oktober 1439 angesetzt, wurde aber wegen der andauernden Tagung der États généraux in Orléans erst auf den 20. November809 und schließlich auf den August 1440 verschoben.810 Der französische König Karl VII. selbst erreichte Bourges sogar erst am 28. August 1440. Beide kirchliche Parteien waren in Bourges durch Gesandte vertreten. Die Gesandtschaft des Basler Konzils bestand aus sieben Delegierten, angeführt von den prominenten und erfahrenen Gesandten Thomas de Courcelles und Juan de Segovia, die beide bereits auf den Reichsversammlungen von Nürnberg und Mainz 1438 und 1439 ­gewesen waren. Sie erreichten Bourges am 25. Februar 1440. Die Gesandtschaft ­Eugens IV. setzte sich ebenfalls aus erfahrenen Diplomaten zusammen und bezeugt damit die Bedeutung, die der Synode in Bourges zugewiesen wurde. Angeführt wurde die Gesandtschaft von Bartolomeo Zabarella811, dem Bischof von Spalato812 und späteren Erzbischof von Florenz als legatus de latere mit umfangreichen Vollmachten, und Juan de Torquemada, der bereits auf den Reichsversammlungen in Mainz und Nürnberg als Diplomat tätig gewesen war. Auch Zabarella war in der Durch­ führung schwieriger Aufträge erfahren: bereits 1433 war er als päpstlicher Gesandter nach Basel gereist.813 Seine Bemühungen für eine Akzeptanz Eugens IV. durch das Basler Konzil waren allerdings nicht erfolgreich gewesen. Daneben war mit Pierre de Versailles, dem Bischof von Meaux, ein französischer Gesandter abgeordnet, der be809  Für

die Ereignisgeschichte nach wie vor brauchbar Beaucourt, Gaston du Fresne de, Histoire de Charles VII. Bd. 3: Le Rèveil du Roi 1435–1444, Paris 1885, 371. 810  Nöldeke, Der Kampf Eugens IV. (wie Anm.  774), 48. 811  Als Neffe von Francesco Zabarella, dem berühmten Kanonisten und Konzilsvater von Konstanz, stammte Bartolomeo aus Padua und hatte an der dortigen Universität zunächst studiert und später bis zu seiner Berufung nach Rom durch Martin V. kanonisches Recht gelehrt. Für das Semester 1422/23 wird er als Dozent der Clementiae-Vorlesung geführt, und erhielt im Jahr 40 Florin Gehaltszahlung. 1428 wurde er zum Bischof von Spalato ernannt und1440 auf der Reise nach Frankreich zum Erzbischof von Florenz, einer Position mit nicht geringem Einfluss auf die kirchliche Politik. Er starb vermutlich im August 1445 auf einer Reise nach Rom, wobei das genaue Datum unbekannt bleibt. Vgl. Grendler, Universities (wie Anm.  21), 24. Zu Zabarellas Biographie siehe Belloni, Professori guiristi (wie Anm.  1), 323. Zu den Umständen seines Todes vgl.die Anmerkungen bei Peterson, David, An Episcopal Election in Quattroecento Florence, in: James Ross Sweeny(Stanley Chodorow (Hg.), Popes, Teachers and Canon Law in the Middle Ages, Ithaca/London 1989, 300–325, hier 300, Anm.  1. Als Überblick immer noch lesenswert Vedova, Giuseppe, Biografia degli Scrittori Padovani. Bd. 2, Padua 1836, 424 f. 812  Ursprünglich war die Forschung uneinig, ob Zabarella Bischof von Spalato, dem heutigen Split in Kroatien, oder Spoleto war. Vgl. die Anmerkungen bei Valois, Le Pape et le Concile (wie Anm.  774), 255. 813  Decaluwé beurteilt Zabarellas diplomatische Arbeit in Basel wenig positiv. Vgl. D ­ ecaluwé, A successful defeat (wie Anm.  212), 144.

II.5. Der letzte Auftrag für Eugen IV.: Die Verhandlungen mit Karl VII.

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reits als Unterhändler für Eugen IV. in Konstantinopel Verhandlungen geführt hatte und 1438 beim Beschluss der Pragmatischen Sanktion in Bourges gewesen war.814 Als vierter Teilnehmer der Legation ist Giovan Francesco Capodilista aufgeführt. Sein Beglaubigungsschreiben wurde am 20. Oktober 1439815 in Florenz ausgestellt.816 Ziel der Legation war laut der Beglaubigung die weitere Beförderung eines Friedensschlusses zwischen Frankreich und England, daneben die Ausführung unterschied­ licher schwieriger Geschäfte.817 Die personelle Zusammensetzung sowohl der päpstlichen Gesandtschaft als auch der Gesandtschaft des Konzils ergab ein Wiedertreffen alter Bekannter, denn alle Gesandten waren sich auf unterschiedlichen politischen Foren bereits begegnet – größtenteils zuletzt nur ein Jahr vorher auf den Reichsversammlungen in Nürnberg und Mainz. Das genaue Datum der Ankunft der päpstlichen Legaten in Bourges ist unsicher. Vermutlich befanden sich die Gesandten im Dominikanerkloster in Angers, als Juan de Torquemada am 18. Dezember 1439 zum Kardinal von S. Sisto818 und Bartolomeo Zabarella zum Erzbischof von Florenz ernannt wurden.819 Möglicherweise fanden in Angers bereits erste Vorverhandlungen der Gesandten mit Karl VII. statt.820 Neben Karl VII. waren dort auch auch François und Pierre, die Söhne des Herzogs der Bretagne821, 814 Vgl.

Nöldeke, Der Kampf Eugens IV. (wie Anm.  774), 50. A. A. Arm. I–XVIII, Nr.  1273, fol.  171v–172r. (20. Oktober 1439, Florenz), gedruckt in den Annales Ecclesiastici ab anno 1198. Band  28, ed. v. Cesare Baronius/Odorico Raynaldus/Giovanni Domenico Lucca Mansi 1752, 1439, §  39. 816  Bartolomeo Zabarella war bereits am 14. Oktober 1439 als legatus de latere beglaubigt und mit umfangreichen Vollmachten ausgestattet worden. ASV, Reg.Vat. 365, fol.  203r–203v. Die Urkunde liegt in gedruckter Form vor bei Vetera Monumenta Slavorum Meridionalium. Historiam Illustrantia, Bd 1: 1198–1549, ed v. Augustin Theiner, ND Osnabrück 1968. 817  Das Papsttum spielte bereits seit dem Pontifikat Martin V. eine aktive Rolle bei der Friedensvermittlung zwischen Frankreich und England, unter Eugen IV. besonders beim Kongress von Arras 1435. Vgl. die Ausführungen bei Dickinson, The Congress of Arras (wie Anm.  671), 78. Nöldeke vermutet hinter den Bestrebungen zur Friedensvermittlung vor allem Bestrebungen zur Herbeiführung eines möglichen Obödienzversprechens Karls VII. gegenüber Eugen IV. Vgl. Nöldeke, Der Kampf Eugens IV. (wie Anm.  774), 50. 818  ASV, Arm. XXXI, vol.  52, fol.  48r., das Original zu dieser späteren Abschrift in ASV, Reg.Vat. 366, fol.  340v. Ein weiteres Dokument, undatiert, liegt im Druck vor in Ann. Ecc. (wie Anm.  815), 1439, §  41. 819  Davon geht Binder aus. Vgl. Binder, Wesen und Eigenschaften der Kirche (Anm.  674), 25 820  Pocquet spricht von November 1439 als Zeitpunkt der Verhandlungen. Pocquet du Haut-Jusse, Barthélemy-Amédée, Les Papes et les Ducs de Bretagne. Essai sur les Rapports du Saint-Siège avec un État. Bd. 2, Paris 1928, 572. Von einem Zusammentreffen im Dezember spricht dagegen Beaucourt. Vgl. Beaucourt, Le Rèveil du Roi (wie Anm.  809), 146 f. und 371. Geographisch erscheint es unwahrscheinlich, dass die von Süden anreisenden Gesandten zunächst im 350 km nördlich von Bourges liegenden Angers gewesen sein sollen. 821  Über die besondere politische Stellung der Bretagne als kurzer Überblick vgl. Jones, Michael, Crown and Provinces in the 14th century, in: David Potter (Hg.), France in the Late Middle Ages, Oxford 2002, 76–80. 815  ASV,

158 II. Diplomatie. Ein gelehrter Jurist aus Padua im Dienst Venedigs und des Papstes Jean V. de Montfort.822 Sie waren in den Instruktionen der Gesandten ebenfalls offi­ ziell als Ansprechpartner genannt.823 Spätestens beim Eintreffen der Basler Gesandtschaft in Bourges am 25. Februar 1440 waren die päpstlichen Gesandten aber ebenfalls dort angekommen. Da Karl VII. jedoch bis zum Sommer 1440 nicht in Bourges eintraf und ohne den König als Vorsitzenden der Synode keine politischen Entscheidungen getroffen werden konnten, stellte sich der Aufenthalt in Bourges zunächst als lange Wartezeit dar. Wie die Gesandten diese Zeit verbrachten, ist nicht zu klären. Als Nachweis ihres Aufenthalts überhaupt sind lediglich die Abrechnungen der päpst­ lichen Kammer überliefert, in denen die Erstattung ihrer Kosten für die erste Jahreshälfte 1440 über die Bank der Borromei-Spinelli verzeichnet ist. In der Regel mussten die Gesandten aber ihre beträchtlichen Ausgaben zunächst selbst tragen und wurden erst nachträglich von der Kurie dafür entschädigt.824 Auch das Eintreffen und die kurze Anwesenheit des Erzbischofs von Reims und französischen Kanzlers Regnault de Chartres825 am 19. April ermöglichte keine Eröffnung der Verhandlungen.826 Erst im August konnte die Synode schließlich zusammentreten.827 Am 3. August legten die päpstlichen Gesandten dem Bischof Martin von Clermont als Vertreter des französischen Kanzlers ein Schreiben mit sechs Petitionen vor, deren Inhalt Segovia in seiner Konzilschronik referiert: Sie forderten den Eintritt Karls VII. in die Obödienz Eugens IV., eine besondere Rolle bei den Audienzen und Versammlungen der Synode für sich selbst, die Aufhebung der Pragmatischen Sanktion und die Auflösung des Basler Konzils. Weiter verlangten sie, selbst die französischen Vertreter für die von König Friedrich III. angekündigte Reichsversammlung in Mainz 1441 bestimmen zu können.828 Die Reaktion des Bischofs von Clermont auf diese umfangreichen und prinzipiell unerfüllbaren Forderungen ist nicht überliefert. Allerdings erhielten die päpstlichen Gesandten das Recht, auf der ersten Versammlung nach der Ankunft Karls VII. in Bourges zu sprechen. Dies geschah in der öffentlichen Versammlung am 28. August 1440. Zunächst trug Pierre de Versailles die Forderungen der Gesandten auf Französisch vor. An zweiter Stelle 822 Vgl. Pocquet, Les Papes et les Ducs de Bretagne (wie Anm.  820), 572. Jean V. wird auch als Johann VI. gezählt. 823  Die Instruktionen für Bartolomeo Zabarella erwähnten ausdrücklich sowohl die Sendung an Karl VII. als auch Jean V. Siehe ASV, Reg.Vat. 365, fol.  203r. 824 Auszahlungen für die Monate April bis November 1440, abgewickelt von Tomaso di Lionardo Spinelli, der zu diesem Zeitpunkt an der Kurie Eugens IV. in Florenz residierte. Siehe ASV, Camera Apostolica, Introitus et Exitus, vol.  406, fol.  83r, 86r, 88r, 90r, 96r und 103r. 825  Zur Person Regnault de Chatres vgl. die biographischen Anmerkungen bei Müller, Die Franzosen und das Basler Konzil (wie Anm.  774), 369 ff. 826  Segovia (wie Anm.  270), Liber XVI, Caput XXXII, 504. 827  Beaucourt, Le Rèveil du Roi (wie Anm.  809), 372. 828  Segovia (wie Anm.  270), Liber XVI, Caput XXXIII, 506. Nöldeke hält die ersten vier Punkte für politisch erklärbar, definiert aber insgesamt die Petition dramatisch als „einen Akt völliger Verblendung oder eine Verzweiflungstat.“. Nöldeke, Der Kampf Eugen IV. (wie Anm.  774), 53.

II.5. Der letzte Auftrag für Eugen IV.: Die Verhandlungen mit Karl VII.

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sprach Giovan Francesco Capodilista, der die Rede des Pierre de Versailles ins Lateinische übersetzte.829 Die Reden selbst sind nicht überliefert, eine Zusammenfassung gibt wieder die Chronik des Juan de Segovia.830 Der Inhalt bestand erwartungsgemäß aus einer Verteidigung Eugens IV. gegen die Angriffe des Konzils, zentriert um die Warnung an Karl VII., nicht durch Akzeptanz der Basler Häresie selbst zum Häretiker zu werden. Die Gegenrede des Basler Abgesandten Thomas de Courcelles am nächsten Tag war von gemäßigterem Inhalt und stellte die Bitte an den König um die Obödienznahme zugunsten des Baseler Konzils in den Vordergrund. Auf die Reden beider Gesandtschaften sollte eine Antwort Karls VII. folgen, die auf den 2. September 1440 angsetzt wurde und dem König so noch Zeit geben sollte, um sich mit dem französischen Klerus zu beraten. Zwischen den öffentlichen Reden beider Parteien und dieser Verkündigung scheinen keine weiteren offiziellen Gespräche stattgefunden zu haben. In der Antwort831 an die anwesenden Gesandten, verfasst von seinem Beichtvater und Vertrauten Gérard Machet,832 brachte Karl VII. Zweifel an der Legitimität der Absetzung Eugens IV. durch das Basler Konzil zum Ausdruck, und damit verbunden an der Rechtmäßigkeit der Wahl Felix’ V. Darauf folgte seine Erklärung der Obö­ dienz zu Eugen IV., die allerdings nur als Erneuerung deklariert wurde, da sich Frankreich nie von Eugen entfernt habe. Erst die Einberufung eines neuen Konzils der allgemeinen Kirche auf französischem Boden zur Prüfung der Vorgänge in Basel könnte die französische Meinung ändern.833 Damit erneuerte Karl VII. erneut ausdrücklich die politische Position, die sich bereits 1439 in der Pragmatischen Sanktion herauskristallisiert hatte. Die Verkündung dieser Erklärung gegenüber den päpst­ lichen Gesandten wurde von Jean d’Etampes übernommen,834 dem königlichen Rat 829  Segovia (wie Anm.  270), Liber XVI, Caput XXXIII, 507, auch. Valois, Le Pape et le Concile (wie Anm.  774), 230. 830  Segovia (wie Anm.  270), Liber XVI, Caput XXXIII, 507. 831  Der Herold und Chronist Gilles de Bouvier fasste die Ereignisse in Bourges ins seiner Chronik des Königs Karl VII. knapp zusammen und erklärt die Obödienznahme zu Eugen IV: „Et la pratiqua le Roy avecques iceulx prelaz et clercs du fait du debat de l’Eglise d’entre le pappe Eugenne et du duc de Savoye, lequel se nommoit pappe Felix; et par la deliberacion d’iceulx prelaz et clercs, en la presence des embassadeurs des deux pappes dessusdiz, se desclara le Roy, pour lui et pour tous ceulx de son royaume, vray obeissant au pappe Eugenne, lequel avoit esté esleu a pappe après la morte du pappe Martin par deliberacion des embassadeurs de tous les roys chrestiens et autres notables clecrs et prelaz, lesquieulx estoient en court de Rome pour l’eure que ledit pappe fut crée.“ Gilles Le Bouvier dit le Héraut Berry, Les Chroniques du Roi Charles VII, ed. v. Henri Courteault und Léonce Celier, Paris 1971, 228 f. 832  Müller, Die Franzosen und das Basler Konzil (wie Anm.  774), 361. Vgl. auch seine Anmerkungen zur Feindschaft zwischen Gérard Machet und Eugen IV., die noch von Nöldeke angenommen wurde. 833  Eine Zusammenfassung des Textes findet sich bei Beaucourt, Le Rèveil du Roi (wie Anm.  809), 372 f. 834  Jean d’Etampes hatte 1440 die Aufsicht über die Finanzen des Königreichs Frankreich übernommen. Bereits vorher war er mehrfach als Gesandter tätig geworden, unter anderen in

160 II. Diplomatie. Ein gelehrter Jurist aus Padua im Dienst Venedigs und des Papstes und Thesaurar von Poitiers.835 Gleichzeitig wurden die Gesandten beauftragt, Eugen IV. zur Milde gegenüber den französischen Konzilsteilnehmern und besonders gegenüber dem Konzilspapst Felix V. zu ermahnen. Die Erklärung war eine eindeutige Ablehnung des Basler Konzils, dessen Autorität besonders durch die verweigerte Anerkennung Felix’ V. in Frage gestellt wurde. Allerdings behielt sich Karl VII. gegenüber Eugen IV. deutliche Freiheiten vor: So wurde das Konzil von Florenz in der Erklärung nicht erwähnt und stattdessen auf ein nicht weiter definiertes, noch einzuberufendes Generalkonzil verwiesen.836 Die Erklärung Karls VII. wurde am gleichen Tag offiziell verkündet und die Obödienz zu Eugen IV. für die franzsöischen Untertanen verbindlich gemacht. Eine einheitliche Durchsetzung dieser Erklärung war allerdings nicht zu erwarten. So distanzierten sich besonders die Mitglieder der Universitäten von Paris, die als Theoretiker des Konzils in der Mehrzahl Anhänger Basels waren, deutlich von der Position des Königs.837 Grundsätzlich war die Gültigkeit der Erklärung auf ein Jahr beschränkt, nach dessen Ablauf ein allgemeines Generalkonzil einberufen werden sollte.838 In einem an diese Verkündung anschließenden Beschluss bestätigte Karl VII. die Pragmatische Sanktion als gültiges Gesetz.839 Gemäß deren Bestimmungen erließ er einen Zehnten als allgemeine Klerussteuer, um die durch die andauernden krieger­ ischen Konflikte stark belasteten französischen Staatsfinanzen zumindest kurzfristig zu sanieren.840 Die Entscheidung Karls VII. zugunsten der Obödienz Eugens IV. dürfte sich unter anderem über die immer noch hohe Bedeutung des Königreichs Neapels für das Haus Anjou erklären. Die Position René von Anjous im Ringen um Neapel hatte sich während der Synode von Bourges zunehmend verschlechtert, und Doppelmissionen sowohl für Karl VII. als auch für Eugen IV. Vgl. die biographischen Anmerkungen bei Müller, Die Franzosen und das Basler Konzil (wie Anm.  774), 449. Nöldeke bezeichnet ihn als Anhänger Eugen IV., dem Müller aber widerspricht. 835  Laut Nöldeke verkündete der Bischof von Clermont die Antwort des Königs gegenüber den Basler Gesandten. Vgl. Nöldeke, Der Kampf Eugens IV. (wie Anm.  774), 58. Müller hingegen erwähnt, dass Jean d’Etamps die Beschlüsse sowohl den päpstlichen als auch den Konzilsgesandten verkündet hätte. Müller, Die Franzosen und das Basler Konzil (wie Anm.  774), 454. 836  Nöldeke, Der Kampf Eugens IV. (wie Anm.  774), 59. 837  Beaucourt, Le Rèveil du Roi (wie Anm.  809), 375, auch bei Haller, Die Belehnung Renés von Anjou (wie Anm.  790), 205. 838  Nöldeke edierte die entsprechende Passage: „cui [Eugenius] supplicabat, ut infra annum congregaret generale concilium in Galliis, in loco apto pro tollendo divisionem ecclesie.“ ­ öldeke, Der Kampf Eugens IV. (wie Anm.  774), 60. N 839  Der Beschluss wurde vom Parlament am 29. Dezember 1440 registriert. Vgl. Nöldeke, Der Kampf Eugens IV. (wie Anm.  774), 61. 840  Bereits 1439 hatte Karl VII. versucht umfangreichere Rechte zur Besteuerung zu erlangen, die hauptsächlich zur Finanzierung eines stehenden Heeres genutzten werden sollte. Bereits am 8. September 1440 erhob der Klerus Protest gegen diese Besteuerung. Vgl dazu und zur Situation der französischen Staatsfinanzen im Überblick Wolfe, Martin, The Fiscal System of Renaissance France, New Haven/London 1972, 34 f.

II.5. Der letzte Auftrag für Eugen IV.: Die Verhandlungen mit Karl VII.

161

Eugen IV. war sich der Bedeutung Neapels als Druckmittel auf Frankreich bewusst. Erstaunlicherweise scheint es aber, als habe er diesen Faktor im 1440 nicht nutzen wollen: Bereits am 3. September und damit bevor die Erklärung Karls VII. vom 2. September in seinen Empfängerhorizont gelangt sein konnte, versicherte er gemeinsam mit Francesco Sforza René von Anjou seine militärische Unterstützung im Konflikt mit Aragon.841 Von Karl VII. forderte er im Gegenzug dafür die Aufhebung der Pragmatischen Sanktion und benutzt die Situation in Neapel in späteren Forderungen als Druckmittel auf Karl VII.842 In Bourges forderten die päpstlichen Gesandten gemäß der päpstlichen Linie am 8. September die Abschaffung der Pragmatischen Sanktion.843 Erwartungsgemäß blieb diese Forderung ohne Erfolg. Dennoch stellten die Verhandlungen in Bourges für die päpstlichen Gesandten in erster Linie einen Erfolg dar,844 den sie allerdings nicht gebührend zelebrieren konnten: Die für den 4. September 1440 angesetzte Prozession als demonstrative Feier der Entscheidung Karls VII. wurde ihnen aus Rücksichtnahme auf die noch in der Stadt anwesenden Gesandten des Basler Konzils ­untersagt.845 Unmittelbar nach Abschluss der Verhandlungen verließ die päpstliche Gesandtschaft dann ohne Feier die Stadt, in der sie über ein halbes Jahr auf die ­Ankunft Karls VII. hatten warten müssen. Der Erzbischof von Florenz, Bartolomeo Zabarella, erhielt am 30. September 1440 eine besondere Gratifikation Eugens IV. für den Erfolg in Bourges.846 Ob die Gesandten gemeinsam zurück nach Italien reisten ist nicht überliefert. Kardinal Juan de Torquemada erreichte Florenz jedenfalls am 24. November 1440.847 Für das ganze Jahr 1441 sind für Capodilista noch Unterhaltszahlungen der Kurie belegt. Wo genau er sich in diesem Zeitraum aufgehalten hat, kann aber nicht mit endgültiger Sicherheit bestimmt werden. Möglicherweise kehrte 841  So hält es jedenfalls ein anonymer Schreiber im Diaria Neapolitana fest: „alli 3 di Spetembre del 1440 il papa e il conte Francesco mandaro a dire a Re Renato che stasse di buon animo, che loro mandariano ajuto […]“ Diaria Neapolitana ab anno MCCLXVI usque ad annum MCCCCLXXVIII, italica rudi lingua conscripta, auctore anonymo, nunc primum efferuntur in lucem ex manuscripto codice nobilis viri Francisci Vallettae iurisconsulti, in: RIS, Bd. 21, Mailand 1732, 1031–1138. 1121. 842  Vgl. auch Beaucourt, Le Rèveil du Roi (wie Anm.  809), 375., weiterhin als Beispiel für die Verwendung Neapels als Druckmittel durch Eugen IV. Ann. Ecc. (wie Anm.  815), 1440, §  5. 843  Ann. Ecc. (wie Anm.  815), 1440, §  4. 844  Die undatierte Antwort Eugen IV. auf die Erklärung in Bourges ist zeigt deutlich seine Erleichterung: „Magnum gaudium suscepimus in Domino ex literis tuis, quas nobis praesentavit venerabilis frater noster archiepiscopus Cretensis, orator noster, videmus enim, quod semper credidimus et opere experti sumus, tuam sinceram devotionem et perfectam affectionem circa statum et honorem nostrum et sedis Apostolicae conservandum.“ Ann. Ecc. (wie Anm.  815), 1440, §  3. 845  Segovia (wie Anm.  270), Liber XVI, Caput XXXIV, 510. Vgl. Nöldeke, Kampf Eugens IV. (wie Anm.  774), 65. 846  Nöldeke, Kampf Eugen IV. (wie Anm.  774), 65. 847  ASV, Arm. XXXI, vol.  52, fol.  49r verzeichnet die Ankunft Torquemadas in Florenz auf diesen Tag. Es ist nicht vermerkt, ob er allein oder in Begleitung reiste.

162 II. Diplomatie. Ein gelehrter Jurist aus Padua im Dienst Venedigs und des Papstes er schon mit Torquemada im November 1440 nach Florenz zurück und blieb dann am Ort des laufenden Unionskonzils. Einem anderen Hinweis nach könnte er sich im Jahr 1441 noch als Beobachter in Basel aufgehalten haben.848 Dabei bleibt aber ­unklar, welche Aufgaben er dort übernommen haben könnte. In jedem Fall kehrte er mit dem Jahreswechsel 1441/1442 zurück nach Padua. Mit Sicherheit ist er dort ab Januar 1442 wieder zu belegen.849 Im Mai 1442 erhielt er schließlich die restlichen Auszahlungen für seine diplomatischen Aufgaben von der päpstlichen Kammer, die ihm seine Reisekosten für den Zeitraum von September 1441 bis Januar 1442 rückerstatteten.850 Insgesamt war der Erfolg der päpstlichen Gesandten in Frankreich 1440 weniger ihren tatsächlichen Bemühungen als vielmehr der politischen Situation geschuldet, die eine Erklärung zugunsten der Obödienz Eugens IV. für Karl VII. vorteilhaft machte. Für Capodilista war diese letzte Reise aber die einzige seiner Karriere, in der die der Gesandtschaft ursprünglich aufgetragenen Aufgaben tatsächlich erfüllt werden konnten. Dieser Erfolg stellte für Capodilista sicherlich einen befriedigenden Abschluss seiner Karriere als Gesandter dar, wenn er ihn auch nicht mit einer Prozession begehen konnte. Deutlich sichtbar wird an der Legationsreise nach Frankreich in Verbindung mit der Legation zu den Reichsversammlungen in Mainz und Nürnberg im Jahr zuvor aber, dass sich auf dem diplomatischen Parkett regelrechte Gruppen gebildet hatten, die immer wieder aufeinandertrafen. Sowohl in Mainz und Nürnberg als auch in Bourges waren die päpstlichen Delegierten und die Konzilsgesandten in ähnlichen, teilweise fast personalidentischen Konstellationen anwesend. Daraus lässt sich eine gewisse Tendenz zur Professionalisierung ablesen. Einzelne Personen wurden nicht nur aufgrund ihres Rangs, sondern auch basierend auf vorhergehenden Erfahrungen und ihrer Expertise in bestimmten politischen Fragen als Gesandte ausgewählt und letztendlich immer wieder eingesetzt, so dass eine gewisse lockere Form der diplomatischen Spezialisierung eintrat. Bemerkenswert ist, dass diese Entwicklung nicht nur für die päpstlichen Gesandten gilt, sondern auch für jene des Konzils.851 In der Karriere Capodilistas ist diese Tendenz gleich mehrfach deutlich. Ge848 

Die Annales Camaldulenses verzeichnen die Verhandlungen zwischen den Mönchen von S. Michele in Murano mit Capodilista am 3. Oktober 1442 als geschehen, nachdem Capodilista vom Basler Konzil zurückgekehrt sei, wo er sich als Vertreter Venedigs aufgehalten habe. Die Auszahlungen aus der päpstlichen Kammer weisen aber nicht darauf hin, dass Capodilista tatsächlich im Auftrag Venedigs dort war, zumal keine Instruktionen aus Venedig bekannt sind. Vermutlich sind in der Aufzeichnung sein Auftrag für Venedig von 1433 bis 1435 und ein möglicher Aufenthalt in Basel 1441 vermischt worden. Siehe Annales Camaldulenses (wie Anm.  126), 86 f. 849  ASP, Atti del Consiglio, vol.  5, fol.  45r. 850  ASV, Camera Apostolica, Introitus et Exitus, vol.  408, fol.  72v. 851  Die zunehmende Professionalisierung der Außenpolitik sowie die Spezialisierung der Gesandten ist für fast alle ebenen der Diplomatie im 15. Jahrhundert zu verzeichnen. Insbesondere zu dieser Entwicklung im Bereich der städtischen Außenpolitik siehe Jörg, Christian/Jucker, Michael, Städtische Gesandte – städtische Außenpolitik. Zur Einführung, in: Christian

II.5. Der letzte Auftrag für Eugen IV.: Die Verhandlungen mit Karl VII.

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nau wie seine Erfahrungen im Friaul 1421 ihn für die juristische Vertretung Venedigs im Prozess gegen Ludwig von Teck in Basel empfahlen, setzte Eugen IV. ihn 1440 in Frankreich vermutlich vor allem ein, nachdem Capodilista auf den Reichsversammlungen im römisch-deutschen Reich 1438 und 1439 bereits rhetorisches und diplomatisches Geschick für die Sache des Papstes bewiesen hatte.

Jörg/Michael Jucker (Hg.), Spezialisierung und Professionalisierung. Träger und Foren städtischer Außenpolitik während des späten Mittelalters und der frühen Neuzeit, Wiesbaden 2010 (Trierer Beiträge 1), 11–30.

II.6. Die Rückkehr nach Padua: Letzte Jahre von 1442 bis 1453 Mit seiner Rückkehr nach Padua zu Beginn des Jahres 1442 endete Capodilistas letzte diplomatische Mission über die Grenzen Italiens hinaus. Vermutlich von Florenz aus reiste er zurück in seine Heimatstadt Padua, und nahm neben seiner Lehrtätigkeit an der Universität auch seine Beteiligung am politischen Leben der Stadt wieder auf. Im Vergleich zu seinen Aktivitäten vor seiner Abreise zum Basler Konzil im September 1433 war seine gesellschaftliche Präsenz nach seiner Rückkehr 1442 aber erheblich intensiver, aufgespannt zwischen den beiden Polen der universitären Lehre und städtischer Politik. Sein nun deutlich gestiegenes gesellschaftliches Ansehen zeigt sich in Capodilistas Mitwirkung in verschiedenen innerstädtischen Organen wie dem Consiglio del Comune oder verschiedenen kleineren Ausschüssen, aber auch in der Nutzung seiner in Basel erworbenen Privilegien als Hofpfalzgraf. Für die meisten Jahre nach seiner Rückkehr nach Padua ist Capodilista als aktives Mitglied des Consiglio del Comune verzeichnet.852 Daneben übernahm er immer wieder Aufgaben in anderen Bereichen der Verwaltung Paduas unter der Herrschaft Venedigs. So war er 1442 Mitglied eines Ausschusses zur Verwaltung des Landbesitzes der Stadt,853 im darauffolgenden Jahr 1443 Mitglied der Deputati ad utilia,854 und ab Januar 1444 einer der Beteiligten im Ausschuss zur Reform des Augustiner­ eremitenklosters in Monteortone bei Abano Terme.855 Besonders die Umarbeitung der Kirchenverfassung von Monteortone zog sich über einige Zeit und war erst im März 1445 abgeschlossen.856 Als Abgeordneter der Deputati ad utilia war Capodilista 1443 unter anderem auch mit der Beauftragung eines neuen Reliquars in der Basilika del Santo betraut, das von einem Goldschmied namens Bartolomeo da Bologna angefertigt wurde.857 Nur wenig später, im Janauar 1444, war Capodilista als Schiedsrichter in einer Prozesssache der Stadt Padua gegen den Glockengießer und Uhren852  ASP, Atti

del Consiglio, vol.  5, fol.  45r. del Consiglio, vol.  5, fol.  49r. 854  ASP, Atti del Consiglio, vol.  5, fol.  97v. Die Deputati ad utilia waren Abgeordnete aus Paduaner Familien, die direkt mit dem von Venedig eingesetzten Podestà zusammenarbeiten und vermitteln sollten. Siehe Kohl, Government (wie Anm.  6), 217. 855  ASP, Atti del Consiglio, vol.  5, fol.  139r. Zur Aufzeichnung der geänderten Statuen fol.  139v. Die offizielle Anerkennung der Statuten erfolgte am 27. Januar 1444. ASP, Atti del Consiglio, vol.  5, fol.  141r. 856  Erneuter Bericht über die Sachlage in Monteortone vom 19. März 1445. Ebd., fol.  221r. 857  Nicht zu verwechseln mit dem gleichnamigen Komponisten. Siehe das Dokument zum 853  ASP, Atti

166 II. Diplomatie. Ein gelehrter Jurist aus Padua im Dienst Venedigs und des Papstes baumeister Giovanni dalle Caldiere tätig. Dalle Caldiere stand in einem Rechtsstreit mit diversen städtischen Organen Paduas, nachdem einige von ihm gegossene Glocken von zweifelhafter Qualität waren und die Stadt nicht für sie bezahlen wollte.858 Gleichzeitig setzte Capodilista seine mit der Ernennung zum Hofpfalzgraf 1434 erworbenen Privilegien aktiv ein.859 Bis zum Jahr 1452 ernannte er immer wieder Notare und Richter, legitimierte unehelich geborene Kinder und führte Promotionen außerhalb des von den Kollegien der Universität vorgeschriebenen zeremoniellen Rahmens durch. Die meisten dieser Akte fanden in Capodilistas Privathaus statt, wurden gemeinsam mit dem Notar Mazzato Lorenzo ausgeführt und von diesem beglaubigt.860 Als erster Akt ist die Ernennung des aus Polen stammenden Jacob Zeglar zum Doktor der Medizin belegt.861 Die Verleihung von akademischen Graden bot für den Hofpfalzgrafen einen zusätzlichen Verdienst und ersparte dem Kandidaten gleichzeitig die wesentlich aufwändigere Finanzierung der öffentlichen Zeremonie, bei der vor allem viele kostspielige Geschenke für die Prüfer übergeben werden mussten.862 Häufig bestand zwischen den Kandidaten und dem verleihenden Hof­ pfalzgraf eine besondere Beziehung, die sich teilweise einem Patronageverhältnis annähern konnte.863 Für Capodilista sind solche Patronagebeziehungen allerdings aufgrund der dünnen Quellenlage nicht nachweisbar. Im Oktober 1442 ist Capodilista erstmals seit seiner Rückkehr wieder bei den Kamaldulensern von S. Michele di Murano nachweisbar, wo er erneut die bereits 1433 vertraglich festgehaltenen Besitzverhältnisse des Klosters bestätigte.864 Es ist das letzte Mal, dass Capodilista in Zusammenhang mit dem Konvent von S. Michele di Murano in Erscheinung trat, denn noch im selben Jahr verkaufte der Konvent große Teile seiner Besitzungen in der Nähe Paduas und Trevisos, um mit dem Geld in den venezianischen Bankenmarkt zu investieren.865 7. August 1443, in: Satori, Antonio, Documenti per la Storia dell’Arte a Padova, ed. v. Clemente Fillarini. Vicenza 1976 (Fonti e Studi per la storia del Santo a Padova 3), 276. 858  Billanovich, Maria Chiara, La Vicenda dell’Orologio di Piazza dei Signori a Padova: Committenti, Esecutori, Modalità di Costruzione, in: Archivio Veneto 132 (1989), 39–63, hier 45. 859  Zur Bedeutung des Hofpfalzgrafenamtes in Padua mit besonderer Beachtung der Nutzung der damit verbundenen Privilegien durch Capodilista siehe Forin Martellozzo, Conti palatini (wie Anm.  8), 79–119. 860  Festgehalten sind die Notariatsakte in ASP, Archivio Notariale, vol.  536. 861  Forin Martellozzo verzeichnet auch noch eine weitere Verleihung, nämlich die des Doktorgrades im zivilen Recht an Noè Acerbi am 5.10.1450. Forin Martellozzo, Conti palatini (wie Anm.  8), 83 und 92. 862  Grendler stellt fest, dass mindestens acht Nachfahren Giovan Francescos von seinem durch Sigismund verliehen und eigentlich nicht erblichen Recht Gebrauch machten. Vgl. Grendler, Universities (wie Anm.  21), 185. Zum günstigeren Preis der Doktoratsverleihung durch die Hofpfalzgrafen siehe Forin Martellozzo, Conti palatini (wie Anm.  8), 107. 863  Forin Martellozzo, Conti palatini (wie Anm.  8), 107. 864  BAV, Vat. Lat. 13678, fol.  18v. 865  Fossa, Ugo, Storia di San Michele di Murano dalle origine alla fine del XI secolo, in:

II.6. Die Rückkehr nach Padua: Letzte Jahre von 1442 bis 1453

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Bemerkenswert ist die fortgesetzte personelle Kontinuität in der Umgebung Capodilistas, die teilweise von der Zeit des Aufenthalts Capodilistas auf dem Basler Konzil 1433 bis 1435 bis hin zu seinen letzten Lebensjahren konstant blieb. Als Beispiel dafür kann die Anwesenheit des bereits von Gatari in seinem Diario genannten ­Johannes de Alemania gelten, der vermutlich identisch mit einem gleichnamigen als Zeuge fungierenden Johannes in einem notariellen Vermerk vom Dezember 1444 ist.866 Nach 1446 reduzierten sich Capodilistas Aktivitäten in Padua auf die Aufrechterhaltung seiner Verpflichtungen bei Prüfungen der Universität und die Ausübung seiner Privilegien als Hofpfalzgraf. Dass er aber nach wie vor einen herausragenden Ruf als Jurist genoss, beweist seine Berufung als Berater für den venezianischen Humanisten und Diplomaten Francesco Barbaro im November 1447.867 Bereits im März 1436 waren Francesco Barbaro und Capodilista gemeinsam als venezianische Diplomaten am Hof Eugens IV. in Florenz tätig gewesen, und auch in dieser Mission hatte Capodilista als juristischer Berater der Gesandtschaft fungiert. Welche Aufgaben Capodilista 1447 für Barbaro übernahm ist aber nicht mehr nachzuvollziehen. In diese Zeit fällt auch eine gravierende Pestepidemie, die in Padua zahlreiche Todesopfer forderte und vielleicht mitverantwortlich für die ansonsten festzustellende Einschränkung der Tätigkeiten Capodilistas war.868 Die letzte nachweisbare Dokto­ ratsprüfung nahm er am 7. April 1451 ab.869 Diese Prüfung ist gleichzeitig auch der letzte Zeitpunkt, an dem Capodilista nachweislich noch am Leben war. Das genaue Datum seines Todes bleibt nicht bestimmbar. Als terminus ante quem ist lediglich der 8. August 1452 festzuhalten, an dem Giovan Francesco in den Akten des Notars Cane de Alviso als verstorben aufgeführt wird.870 Vermutet man ein Geburtsdatum Capodilistas zwischen 1380 und 1390, muss er bei seinem Tod über sechzig Jahre alt gewesen ein. Ein Testament ist nicht überliefert. Erhalten geblieben ist aber die als oratio memo­ rii bezeichnete Grabrede für Capodilista, die von dem Paduaner Juristen Montorio Mascarelli verfasst wurde.871 Sie ist in einer Sammelhandschrift in Venedig gemeinMarcello Brusegan (Hg.), San Michele in Isola – Isola della Conoscenza. Ottocento anni di Storia e Cultura camaldolesi nella Laguna di Venezia, Turin 2012, 39–53, hier 44. 866  Notariatsakt vom 7. Dezember 1444 in ASP, Archivio Notriale, vol.  536, fol.  447v. 867  Ein Brief Francesco Barbaros an Giovanni Battista dal Legname drückt den Dank Barbaros aus, das Legname ihm Capodilista als Rechtsberater empfohlen und eine Zusammenarbeit ermöglicht habe. Die genauen Umstände dieser Zusammenarbeit sind allerdings nicht erwähnt. Siehe Brief Nr.  265 in Francesco Barbaro. Epistolaio II. La raccolata canonica delle „Epistole“, ed. v. Claudia Griggio, Florenz 1999, 538. 868  Collodo, Silvana, Note per lo Studio della Popolazione e della società di Padova nel Quattrocento, in: Maria Chiara Billanovich (Hg.), Viridarium Floridum. Studi di Storia Venetta offerti dagli Allievi a Paolo Sambin, Padua 1984 (Medioevo e Umanesimo 54), 159–189. 869  Acta Graduum (wie Anm.  19), Nr.  19. 870  ASP, Archivio Notariale, vol.  962, fol.  53r. 871  Zur Biographie Mascarellis ist abgesehen von seinem Studium im zivilen Recht, das er 1433 in Padua abschloss, wenig bekannt. Siehe Sottili, Agostino, Studenti tedeschi e umanesi­ mo italiano nell’Università di Padova durante il Quattrocento. I: Pietro del Monte nella società

168 II. Diplomatie. Ein gelehrter Jurist aus Padua im Dienst Venedigs und des Papstes sam mit vermischten Texten überliefert, darunter auch verschiedene Werke von Poggio Barciolini.872 Die Grabrede Mascarellis umfasst neben den üblichen ­Topoi über die Tugendhaftigkeit des Verstorbenen auch eine Nacherzählung der Familiengeschichte der Capodilista. Sie ist nach den Ausführungen Giovan Francescos im Capodilista-­ Kodex gestaltet, der mit hoher Wahrscheinlichkeit für die Grabrede als Quelle fungierte. Entsprechend den Gattungskonventionen wird die Herkunft des Verstorbenen betont, und seine Taten zur Instruktion der Zuhörer und Nachnamen ausführlich dargelgt.873 Die Rede Mascarellis dient damit nicht nur als Quelle zur Familiengeschichte der Capodilista und Beleg für die Rolle des Capodilista-Kodex bei deren Verschriftlichung. Sie verdeutlicht auch, wie die Zeitgenossen die Karriere Capodilistas wahrnahmen, und welche ihrer Aspekte ihnen erinnerungswürdig und lobenswert erschienen. Die Rede ist in vier Teile unterteilt. Sie beginnt mit einer knappen hinführenden Einleitung und Ausführungen über Capodilistas Herkunft, referiert anschließend seinen Lebenslauf und endet mit abschließenden tröstenden Worten. Der Text beginnt mit Bemerkungen über die Natur des Lebens und religiös geprägten Ausführungen zur Rolle der Memoria und christlichen Vorstellungen zum ewigen Leben. Dabei lobt Mascarelli Capodilistas Tugenden und gleich zu Beginn sein Lebenswerk.874 Auch seine Herkunft aus einer alten und ehrwürdigen Familie wird betont und explizit auf eine 800 Jahre andauernde Familiengeschichte hingewiesen. Ausführlicher führt Mascarelli diesen Aspekt im Mittelteil der Rede aus, in dem er die Familiengeschichte wiedergibt, und auf die breiten literarischen Spuren der Familie hinweist.875 Er berichtet von der Verwurzelung der Capodilista in der Familie der Transelgardi, von der Entstehung der Familienwappen und fasst die Herkunftslegende der Familie zusammen, wie sie auch im Capodilista-Kodex ausführlich beschrieben wird. Mit den ruhmreichen Taten seiner Vorfahren wird dann Capodilistas eigene Karriere verglichen.876 Auch die Tugendhaftigkeit der weiteren männlichen Familienmitglieder, der Söhne Francesco und Gabriele sowie die seines Neffen Frederico und seiner Nachkommen Giovan Frederico, Bartolomeo, Pietro und Antonio wird von Mascarelli betont. Anschließend referiert Mascarelli die Biographie Capodilistas. Es wird berichtet, das Capodilista vor seinem Studium des Rechts eine grundlegende Ausbildung in den accademica padovana (1430–1433), Padua 1971, 52 f. Ob die Rede von Mascarelli tatsächlich gehalten wurde ist nicht mehr festzustellen. Für die Tradition zur lediglich schriftlichen Zirkulation von Grabreden besonders in Florenz siehe McManamon, John, Continuity and Change in the Ideals of Humanism: The Evidence from Florentine Funeral Oratory, in: Marcel Tetel (Hg.), Life and Death in Fifteenth-Century Florence, Durham/London 1989, 68–87. Allgemein zur besonderen Rhetorik und Konzeption von Begräbnisreden im 15. Jh. siehe Dersl., Funeral Oratory and the Cultural Ideals of Italian Humanism, Chapel Hill/London 1989. 872  BNM, Cod. Marc. Lat. 264 X/V (=4296), fol.  71r –74r. 873  McManamon, Continuity and Change (wie Anm.  871), 72. 874  BNM, Cod. Marc. Lat. 264 X/V (=4296), fol.  71r. 875  Ebd., fol.  71v. 876  BNM, Cod. Marc. Lat. 264 X/V (=4296), fol.  72r.

II.6. Die Rückkehr nach Padua: Letzte Jahre von 1442 bis 1453

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artes liberales – genannt werden Grammatik, Poetik und „istoricos oratoris“ – genoss.877 Daran schließt eine Beschreibung des Studiums Capodilistas und ein Lob auf seine akademische Tätigkeit in Padua, verbunden mit einer Aufzählung seiner be­ sonders bekannten Kollegen. Schließlich beschreibt Mascarelli Capodilistas diplomatische Reisen. Zuerst nennt er kurz eine nicht nachweisbare Reise zu Papst Martin V., den er irrtümlich als „Martinus quartus“ bezeichnet.878 Als zweites wendet er sich den Reisen Capodilistas nach 1433 zu. Ausführlich beschreibt er die positive Beziehung zwischen Kaiser Sigismund und Capodilista, die schließlich zu Capodilistas Ernennung zum Hofpfalzgrafen geführt habe.879 Immer wieder betont Mascarelli die als „amor“ bezeichnete Zuneigung des Kaisers zu Capodilista. Auf ausdrückliche Bitten Sigismunds sei Capodilista dann auch wieder zu ihm geschickt worden, wobei hier die Reise nach Ungarn 1437 gemeint ist. Es folgt eine Beschreibung des Todes Sigismunds und Capodilistas prominenter Rolle als Zepterträger bei der Beerdigung des Kaisers.880 Weiter erwähnt Mascarelli die Amtseinführung des neuen Königs, Capodilistas Rückkehr nach Florenz und seine neue Aufgabe im Auftrag Papst ­Eugens IV. Ausführlich stellt er die Reisen Capodilistas 1439 nach Mainz und Nürnberg, allerdings ohne Nennung der Städte, und seine Aktivität auf dem Unionskonzil in Florenz sowie die Reise zum Klerikertag in Bourges 1440 dar. Dazwischen vermerkt Mascarelli noch eine Reise Capodilistas auf das Basler Konzil anlässlich der Absetzung Eugens IV., die er wegen einer Krankheit der anderen delegierten Gesandten allein habe ausführen müssen. Diese letztgenannte Reise ist außerhalb der Grabrede nicht sicher nachweisbar. Abschließend führt Mascarellis noch aus, dass Capodilista als Dank für seine Bemühungen und herausragenden Leistungen für Eugen IV. die Ernennung seines Sohnes Rafaele Capodilista zum apostolischen Pronotar und anschließend zum Prior des Benediktinerklosters S. Sofia in Padua erhalten habe.881 Er rühmt daraufhin die Bescheidenheit Capodilistas, der keine Auszeichnung für sich selbst verlangt, sondern nur das Fortkommen seines Sohnes im Auge gehabt habe. Anschließend setzt Mascarelli die Lebensbeschreibung fort und preist die adlige Gesinnung Capodilistas. Schließlich entschuldigt der Redner sich für die nur wenigen Bemerkungen zu den Tugenden Capodilistas, verweist aber darauf, das alle diese Dinge und die „fama“ Capodilistas ohnehin allgemein und weiter über die Stadt hinaus überall bekannt seien.882 Die Rede schließt mit einer Anrufung Christi.883 877  878 

IV.

BNM, Cod. Marc. Lat. 264 X/V (=4296), fol.  72v. Ebd. Gemeint ist natürlich Martin V. und nicht der im 13. Jahrhundert regierende Martin

879  Ebd. Tatsächlich wurde Capodilista aber nur das nicht vererbbare „kleine“ Palatinat verliehen. 880  BNM, Cod. Marc. Lat. 264 X/V (=4296), fol.  72v. 881  BNM, Cod. Marc. Lat. 264 X/V (=4296), fol.  73v. Die Ernennung erfolgte im Oktober 1437. ASV, Reg. Lat. 356, fol.  133v. 882  BNM, Cod. Marc. Lat. 264 X/V (=4296), fol.  73v. 883  Ebd., fol.  74r.

170 II. Diplomatie. Ein gelehrter Jurist aus Padua im Dienst Venedigs und des Papstes Die Begräbnisrede zeigt auf anschauliche Weise die Schwerpunkte im Leben Capodilistas, indem die Ausführungen aus dem gesamten Lebenslauf das hinausdestillierten, was für die Zeitgenossen am bemerkenswertesten und erinnerungs­würdigsten erschien. Deutlich erkennbar ist dabei die besondere Präsenz der Fami­liengeschichte der Capodilista und deren Anknüpfung an den Lebenslauf Giovan Francescos. Der Hinweis Mascarellis auf die nicht weiter erwähnten persönlichen Tugenden und lobenswerten Charaktereigenschaften Capodilistas rundet das Bild ab und deutet an, das die Tugenden des Verstorbenen vor allem in seinen Handlungen sichtbar werden. Die Nacherzählung des familiären Herkunftsmythos in der Begräbnisrede, die deutlich dem Textkorpus des Capodilista-Kodex entnommen ist, weist auf Giovan Francescos intensives Interesse an der Familiengeschichte hin und zielt als Element in der Rekapitulation und damit auch Bewertung von Giovan Francescos eigenen Tätigkeiten auf eine Einordnung des Verstorbenen in den familiären Kontext. Auffallend ist auch, dass die Rede keine längeren Ausführungen zu Capodilistas Tätigkeit als Lehrender an der Universität Padua enthält. Zwar erwähnt Mascarelli in der Beschreibung des Lebenslaufs Capodilistas durchaus seine Lehrtätigkeit und verwendet häufig den Titel „iurisconsultus“ für Giovan Francesco. Die Würdigung der diplomatischen Tätigkeit Capodilistas nimmt aber einen weitaus größeren Rahmen ein und rückt die Rolle Giovan Francescos als venezianischer und päpstlicher Diplomat deutlich in den Vordergrund. Begraben wurde Giovan Francesco Capodilista vermutlich in der Basilica del Santo Antonio in der Kapelle S. Prosdocimo.884 Das Grab ist heute nach Umbauarbeiten der Kirche nicht mehr zu sehen, und auch die Kapelle des S. Prosdocimo ist nicht mehr zu erkennen. In den Kreuzgängen der Basilika finden sich noch vereinzelt Reste verschiedener Gräber, die unter anderem auch das Wappen der Capodilista zeigen, aber nicht einzelnen Personen zuzuordnen sind. Vermutlich handelte es sich bei der Grablege um ein Familiengrab, in dem auch andere Mitglieder der Capodilista beigesetzt wurden.885 Die Wahl der Basilika des Stadtheiligen, die als Hauptkirche Paduas galt, weist eindrücklich auf die hohe soziale Stellung der Familie innerhalb der städtischen Gemeinschaft und die zur Verfügung stehenden finanziellen Mittel hin. Die Grabrede Mascarellis und Capodilistas letzte Jahre in Padua verdeutlichen, dass die Karriere eines Stadtbürgers außerhalb des städtischen Rahmens grundlegend für die Etablierung und Erweiterung seiner gesellschaftlichen Stellung und seines sozialen Prestiges innerhalb der Stadt wirken konnten. Gerade die in solchen Mis­ sionen erworbenen Ehrungen trugen erheblich zur Konsolidierung des gesellschaft­ lichen Prestiges bei, wie Capodilistas intensive Nutzung seiner Privilegien als Hof­ pfalzgraf zeigt. Ob die in der Begräbnisrede zitierte „fama“ Capodilistas in der Stadt und darüber hinaus nur bloßer Topos war, ist allerdings nicht mehr zu belegen.886 Die 884 

Blason-Berton, De Viris Illustribus (wie Anm.  1), 44. Blason-Berton, De Viris Illustribus (wie Anm.  1), 44. 886  „[…] famas esse iam celebram in toto orbe terarum [sic!].“ BNM, Cod. Marc. Lat. 264 X/V (=4296), fol.  73v. 885 

II.6. Die Rückkehr nach Padua: Letzte Jahre von 1442 bis 1453

171

Grablege in der wichtigsten Basilika der Stadt an zentraler und prestigeträchtiger Stelle demonstriert aber die Verortung Giovan Francesco Capodilistas als Mitglied der städtischen Gemeinschaft und seinen gehobenen Status als Mitglied einer reichen und angesehenen Familie. Weitergeführt wurde Giovan Francescos Karriere als Jurist und Diplomat von seinem ältesten Sohn Francesco, der ebenfalls in Padua ziviles Recht studiert hatte und 1430 zum Richter ernannt wurde. Er ist in Padua in zahlreichen Versammlungen und Komitees nachweisbar, unter anderen im Consiglio.887 Vor 1439 begann er ziviles Recht an der Universität Padua zu lehren, musste seinen Lehrstuhl aber wegen seiner Verwicklung in die Scrovegni-Verschwörung aufgeben und wurden zu Beginn des Jahres 1440 nach Florenz verbannt, wo er vermutlich für die Bank des Antonio ­Borromeo tätig wurde. Nur ein Jahr später kehrte er aus Florenz zurück und nahm seine Lehrtätigkeit wieder auf. Als Diplomat vertrat er mehrfach die Stadt Padua in Venedig, übernahm vermutlich auch Aufgaben für Venedig selbst und hielt 1457 die Rede zur Begrüßung des neuen Dogen Pasquale Malipiero. Er starb im März 1460 in Padua. Die Parallelen seiner Biographie zu der seines Vaters sind auffällig, und haben in Verbindung mit der Namensähnlichkeit in der Vergangenheit häufig zu Verwechslungen beider geführt.888 Sein Bruder, Gabriele Capodilista, gelangte zu eher literarischem Ruhm durch seine Aufzeichnungen, die er während einer Pilgarreise ins Heilige Land 1458 anfertigte.889 Er verbrachte seine Jugend in den Diensten des Patriarchen von Aquileia, Ludovico Scarampi Mezzarota, und wurde vor allem für seine ausgedehnte Reisetätigkeit und luxeriöse Lebensführung bekannt.890 Auch im weiteren Umkreis der Familie finden sich ähnliche Karrieren, so beispielsweise die des Juristen Antonio Capodilistas, eines Großneffen Giovan Francescos. Antonio Capodilista kam als Familiare des Kardinals Ludovico da Treviso nach Rom, wo er als Rechts­berater des Kardinals fungierte und später an der Kurie tätig war, bevor er als Kanoniker mit Pfründen versorgt nach Padua zurückkehrte.891 Das Karrieremuster Giovan Francescos scheint sich also zunächst als Maßstab in der Familie etabliert zu haben. Sicher bildete seine Karriere aber die Grundlage für die nach schwierigen Jahren in der Generation seines Vaters wiedererlangte gesellschaftliche Anerkennung und den Reichtum der Familie Capodilista, der sich bis weit ins 19. Jahrhundert hin887 

Trenti, Luigi, Art. Francesco Capodilista. DBI 18 (1975), 633–634. So wurde zum Beispiel John Free lange für einen Student Giovan Francescos gehalten. Free war allerdings erst nach 1450 in Padua an der Universität, und studierte dementsprechend wahrscheinlich bei Francesco Capodilista. Siehe Blason-Berton, De Viris Illustribus (wie Anm.  1), 44, Fn.  28. 889  Baldini, Ugo, Art. Gabriele Capodlista. DBI 18 (1975), 635–638. Der Reisebericht liegt gedruckt vor bei Momigliana, Anna Laura, Viaggio in Terrasanta: 1480. Con l’Itinerario di Gabriele Capodilista, Milano 1966. 890  Baldini, Gabriele Capodilista (wie Anm.  889), 635. 891 Siehe Partner, Peter, The Pope’s Men. The Papal Civil Service in the Renaissance, Oxford 1990, 188. 888 

172 II. Diplomatie. Ein gelehrter Jurist aus Padua im Dienst Venedigs und des Papstes ein hielt.892 Einen unmittelbareren Niederschlag fand Capodilistas diplomatische Karriere, und besonders seine häufigen Mission zu Kaiser Sigismund in den Generationen nach seinem Tod, in denen der Name Sigismondo als neuer Leitname der Familie neben die bereits vorher etablierten Namen tritt.893

892  Partner beschreibt die Capodilista beispielsweise als „rich and powerful“, und erwähnt vor allem die besonders luxuriösen Landhäuser der Familie. Siehe ebd., 79. 893  Vgl. den Stammbaum in B.P. 2158, fol.  81r.

II.7. Ein Diplomat und Jurist. Capodilistas Karriere und sein Œuvre Von Padua über Venedig in die Gebiete des römisch-deutschen Reiches jenseits der Alpen, von Florenz nach Ungarn, Frankreich und schließlich wieder nach Padua zurück – die Karriere Capodilistas umfasste einen bemerkenswert weiten geographischen Bereich. Letztendlich blieb er dabei aber immer fest im Kontext seiner Heimatstadt Padua verankert, wie auch der in Basel verfasste Capodilista-Kodex eindrücklich beweist. Vor einer abschließenden Bewertung des Karrierewegs Capodilistas soll aber zunächst sein Œuvre kurz betrachtet werden. Als Hauptwerk kann ohne Zweifel der neben dem Autograph B.P. 954 in einer späteren Abschrift und einer neuzeitlichen Kopie überlieferte Capodilista-Codex gelten. Neben diesem umfassenden Werk ist wenig von ihm bekannt. Kopial erhalten ist nur der Brief an das Consiglio dei Dieci anlässlich seiner Bitte um Rehabilitation 1421.894 Den einzigen schriftlichen Niederschlag seiner diplomatischen Karriere bildet der in einer Abschrift überlieferte Traktat Super diversibus questionibus, heute in der Handschrift ms. 157 in der Bibliothek des Corpus Christi College in Cambridge (UK). Der Traktat entstand unmittelbar als Ergebnis der diplomatischen Tätigkeit Capodilistas für Eugen IV. im Februar 1439 in Nürnberg und führt die pro-päpstliche Argumentation der Gesandtschaft aus juristischer Perspektive aus.895 Er ordnet sich damit in die allgemein hohe schriftliche Produktion in der Kirchendebatte zwischen Papst Eugen IV. und dem Basler Konzil ein, und entspricht auch im Aufbau und historischer Argumentation den Gewohnheiten des Genres. Der Traktat ist nur singulär überliefert, und scheint kaum oder gar nicht rezipiert worden zu sein. Erstaunlich bleibt, dass trotz Capodilistas langer Lehrzeit in Padua nur wenige ­juristische Schriften von ihm überliefert sind, worunter keine größeren Werke mit rechtlicher Thematik wie Kommentare oder Traktate sind. Erhalten sind vor allem Consilia, traktatähnliche kurze Erörterungen bestimmter Rechtsprobleme, die über diverse Bibliotheken Italiens verteilt sind.896 Oft wurden diese Schriften auch als 894  ASVe, Consiglio dei dieci, Deliberazioni, Miste, Registri, reg.  10, fol.  36v. Zur Edition des Textes siehe den Anhang. 895  Corpus Christi College, ms. 157. 896  Eine Auflistung aller bekannten juristischen Schriften mit Aufbewahrungsorten und Signaturen bei Belloni, Professori giuristi (wie Anm.  1), 258. Zur Rolle der Consilia als Quellen­ gattung besonders in Italien vgl. Baumgärtner, Ingrid, Consilia – Quellen zur Familie in Krise und Kontinuität, in: Peter Johannes Schuler (Hg.), Die Familie als sozialer und historischer

174 II. Diplomatie. Ein gelehrter Jurist aus Padua im Dienst Venedigs und des Papstes Gutachten zu den bereits ergangenen Urteilen oder Ausarbeitungen anderer Juristen in Auftrag gegeben.897 Daneben gibt es Mitschriften des Studenten Iacopo Zeno zu einer Vorlesung Capodilistas und eine Abhandlung über einen Abschnitt des Codex Iuris Civilis. Abschließend lässt sich damit für Capodilista eine erstaunlich geringe schriftliche Produktion konstatieren, zu der allerdings auch so komplexe Werke wie der vielschichtige und nur nach langer Vorarbeit entstandene Capodilista-Kodex gehören. Dabei muss allerdings vor allem für die Jahre seiner diplomatischen Tätigkeit von einer großen Verlustquote ausgegangen werden. Zahlreiche Papiere werden die umfangreichen Reisen nicht überstanden haben, oder sind in späteren Jahren verloren gegangen. Dazu zählt vor allem sämtliches Schriftgut, das während seiner Gesandtschaftsreisen als Teil der offiziellen Korrespondenz mit dem jeweiligen Auftraggeber entstanden sein muss, sowie die nach jeder Reise zu absolvierenden Abschluss­ berichte. Diese Briefe und Berichte sind gelegentlich aus den darauf reagierenden Schreiben des jeweiligen Auftraggebers rekonstruierbar, soweit sich diese, wie im Falle Venedigs, erhalten haben. Da diese Möglichkeit für alle anderen Typen der Textproduktion nicht besteht, kann der ursprüngliche Umfang des Œuvres Giovan Francesco Capodilistas nicht endgültig bestimmt werden.

Verband. Untersuchungen zum Spätmittelalter und zur Frühen Neuzeit, Sigmaringen 1987, 43–66. 897 Grendler, Universities (wie Anm.  21), 436.

II.8. Zusammenfassende Bemerkungen: Ein gelehrter Jurist aus Padua als Diplomat Die diplomatische Karriere Capodilistas in den Diensten der Republik Venedig und Papst Eugens IV. ist in vielerlei Hinsicht bemerkenswert. Sie ist in sämtlichen Phasen untrennbar mit dem Basler Konzil verbunden, das als politisches Großereignis zu allen Zeiten seines langen Bestehens einen hohen kommunikativen Aufwand sowohl für weltliche als auch für geistliche Mächte mit sich brachte, der hauptsächlich von Diplomaten getragen wurde. Die geographische Reichweite der Reisen Capodilistas im Dienste verschiedener Auftraggeber spiegelt dabei in Ansätzen auch das Einflussgebiet des Konzils: von Florenz bis Frankreich, die nördlicheren Reichsgebiete und Ungarn. Auch die scheinbar nicht unmittelbar mit der Politik aus Basel befassten Aufträge Capodilistas waren letztendlich doch daran geknüpft, wie beispielsweise die Reise nach Ungarn kurz vor dem Tod Sigismunds 1437 zeigt, bei der Capodilista venezianische Politik mit seinem päpstlichen Auftrag zur Werbung für das Konzil in Ferrera verknüpfte. Auffällig ist dabei, dass während Capodilistas Karriere kaum ein anderer venezianischer Diplomat aus Padua in seinem Umfeld nachweisbar ist, obwohl die gut besetzte und renommierte Universität mit ihrer starken juristischen ­Ausrichtung ein breites Reservoir an hervorragend ausgebildeten Männern geboten hätte. Das zeigt sich auch daran, dass im Umfeld besonders des Basler Konzils, aber auch in den Diensten Papst Eugens IV. zahlreiche in Padua ausgebildete Juristen auftraten. Nennenswert wären dabei beispielsweise der Erzbischof von Florenz ­Bartolomeo Zabarella, aber auch der Kardinal Guiliano Cesarini und nicht zuletzt Nikolaus von Kues waren Absolventen und teilweise ehemaliges Lehrpersonal der Universität Padua.898 Alle drei standen aber als Kleriker in den Diensten Eugens IV. bzw. des Konzils, und waren nicht in der städtischen Hierarchie emporgestiegen. Für Capodilistas Lebenszeit und sein politisches Umfeld kann vorerst kein vergleich­ bares Beispiel eines Paduaners in den Diensten Venedigs gefunden werden.899 898 

Eine Untersuchung der tatsächlichen Anzahl der Absolventen der Universität Padua besonders im Umfeld des Basler Konzils und der römischen Kurie steht zu diesem Zeitpunkt noch aus, würde aber aufgrund der nur angedeuteten und weit umfangreicheren Häufung an Personen nennenswerte Ergebnisse erwarten lassen. 899  Dabei sind allerdings noch bei weitem nicht alle Akteure in den Diensten der Republik Venedig untersucht. Interessant wäre zum Beispiel ein näherer Blick auf die Karriere des als Johannes de Imperiis bezeichneten Diplomaten, der zunächst als Familiare Capodilistas auf dem Basler Konzil auffällt und 1437 als venezianischer Diplomat bei Kaiser Sigismund in Er-

176 II. Diplomatie. Ein gelehrter Jurist aus Padua im Dienst Venedigs und des Papstes Der Erfolg Capodilistas lässt sich dabei auf einen grundlegenden Faktor zurückführen, der andere begünstigende Umstände mit sich brachte. Er basierte zunächst auf seiner Ausbildung zum gelehrten Juristen und der mit seiner langen Lehrtätigkeit verbundenen Festigung seiner rhetorischen Fähigkeiten und seines Verhandlungsgeschicks. Damit war er ein geeigneter Kandidat für diplomatische Aufgaben, insbesondere, wenn diese auf die juristische Vertretung des jeweiligen Auftraggebers hinausliefen.900 Für Venedig stand dabei 1433–35 der Konflikt mit dem Patriarchen Ludwig von Teck im Vordergrund, für Papst Eugen IV. nach 1437 die Vermittlung und Verteidigung der päpstlichen Autorität auf den Reichsversammlungen in Nürnberg und Mainz und auf dem Klerikertag in Bourges. Bereits Capodilistas erste Reise im Auftrag Venedigs außerhalb des venezianischen Herrschaftsgebietes nach Ferrara 1428 war untrennbar mit seiner Kenntnis und Erfahrung als gelehrter Jurist verknüpft. Zur juristischen Ausbildung an den italienischen Universitäten des Spät­ mittelalters gehörte auch die Einübung einer sicheren und eleganten Rhetorik, wie sie auf den großen weltlichen und kirchenpolitischen Versammlungen von besonderer Wichtigkeit war.901 Capodilista selbst war aber kein Humanist und vertrat auch nicht das Ideal der ciceronischen Rhetorik, sondern war in seiner Redegewandtheit stark in der noch kaum humanistisch orientierten Jurisprudenz verhaftet.902 Grundsätzlich qualifizierte diese Rhetorik neben ihrer umfassenden Ausbildung Juristen aber besonders als Gesandte, und ihre Verwendung in diplomatischen Missionen war während der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts nicht nur in Italien zunehmend verbreitet.903 Auf den großen politischen Foren wie den Kirchenversammlungen und Reichsversammlungen, aber auch auf kleineren Verhandlungstreffen zur Ausarbeitung von multilateralen Verträgen war die Anwesenheit von gebildeten Juristen im Zuge allgemeiner Tendezen zur Verrechtlichung der Diplomatie notwendig geworden. Die starke rhetorische Komponente der juristischen Ausbildung entsprach den besonderen Anforderungen der auf gelungener und überzeugender Rede basierenden diploma­ tischen Welt. Alle Missionen Capodilistas erforderten hohen kommunikativen Aufwand und sein persönlicher Erfolg, abgekoppelt vom tatsächlichen Gelingen seines eigentlich Auftrags, weist durchaus auf seine rhetorische Begabung und ein gewisses scheinung tritt. Es liegt nahe, ihn aufgrund seiner Zugehörigkeit zu Capodilista als Paduaner zu identifizieren. 900  Zur Verbindung von Diplomatie und Recht, insbesondere Naturrecht, siehe Neumann, Venedig und Aragon (wie Anm.  570), 54. 901  Siehe dazu Helmrath, Diffusion des Humanismus (wie Anm.  289), 134–138. 902  Grendler bezeichnet die italienischen Universitäten des 15. Jahrhunderts als „verbal arenas“, in denen Beredsamkeit und oratorisches Geschick hoch gewertet und gefördert wurden. Grendler, Universities (wie Anm.  21), 152; dazu auch Helmrath, Johannes, Der europäische Humanismus und die Funktion der Rhetorik, in: Dersl. (Hg.), Wege des Humanismus. Studien zu Praxis und Diffusion der Antikeleidenschaft im 15. Jahrhundert. Ausgewählte Aufsätze. Band  1. Tübingen 2013 (SMHR 72), 159–188, hier 175. 903 Vgl. Neumann, Venedig und Aragon (wie Anm.  570), 58.

II.8. Zusammenfassende Bemerkungen: Ein gelehrter Jurist aus Padua als Diplomat 177

diplomatisches Talent hin. Die wenigen überlieferten Schriftstücke und die teilweise erhaltenen Reden deuten dabei gleichzeitig auf ein gewisses kreatives Potential Capodilistas und seine Fähigkeit zur geschickten Argumentationsführung hin. Als knappes Beispiel sei dafür nur das Schreiben Capodilistas an das Consiglio dei Dieci von 1421 angeführt, in dem er seine Rehabilitation mit einer spitzfindigen Argumentation über die Tugenden des gerechten Richters einforderte und Venedig implizit unterstellte, bei der ersten Verurteilung 1419 diesem herrscherlichen Idealbild nicht entsprochen zu haben. Ähnliche Zugänge finden sich in einigen Reden Capodilistas, und auch der Traktat Super diversis questionibus von 1439 weist neben einer hohen Dichte an Zitaten und historischen Beispielen solche Züge auf. Als Ausgangspunkt der gesamten diplomatischen Karriere Capodilistas kann dabei ein Ereignis identifiziert werden, dass sich eigentlich zunächst nicht unmittelbar als solches erschließt: Capodilistas Verurteilung 1419. Sein Exil aus Padua zwang Capodilista seinen Wohnsitz nach Venedig zu verlegen, und dort musste es ihm gelungen sein, den Kontakt zu Roberto Morosini zu knüpfen, der ihn 1421 als dessen Stellvertreter ins Friaul führte. Das ausgerechnet diese gerade erst von der Republik gegen zahlreiche Widerstände eroberte Region zu einem der Kernpunkte der venezianischen Politik der nächsten Dekade werden würde, war zu diesem Zeitpunkt keineswegs ersichtlich. Die während dieses Auftrags gewonnenen Einblicke in die Probleme des Friaul machten Capodilista aber in den Augen Venedigs zu einem Fachmann für die Auseinandersetzung mit dem vertriebenen Patriarchen von Aquileia, die zum Brennpunkt im Konflikt der Republik mit dem Konzil selbst wurde. Die nächsten Erfahrungen sammelte Capodilista in der juristischen Vertretung Venedigs bei Friedensverhandlungen in Ferrara 1428. Spätestens ab diesem Zeitpunkt schien er sich auf dem diplomatischen Parkett bewährt zu haben, so dass seine Beauftragung zur Reise nach Basel 1433 an der Seite des erfahrenen und etablierten Diplomaten Andrea Donato erklärbar wird. Wie bei vielen anderen Zeitgenossen wurde auch für Capodilista damit das eigentlich negative Exil zum Sprungbrett für seine spätere Karriere. Der Fall Capodilistas verdeutlicht dabei auch, wie Juristen ohne adlige Herkunft oder eine lange Verwurzelung innerhalb der sie entsendenden politischen Schicht durch ihre Ausbildung und Selbstplatzierung Aufstiegschancen erhielten.904 Dieser Aufstieg manifestierte sich für Capodilista 1434 im Ritterschlag und der Ernennung zum Hofpfalzgrafen. Erworben wurden diese Ehren über persönliche Leistungen und Kontakte. Das diese Lesart allerdings für Capodilista selbst nicht unbedingt positiv konnotiert war, beweist der in Basel entstandene Capodilista-Kodex, in dessen Struktur die durch Sigismund erfolgte Ernennung in den familienhistorischen Kontext eingegliedert und als eine reine Bestätigung längst erworbener Ehre legitimiert wird. 904 

Zum Aufstieg der juristischen Funktionselite im Gesandtendienst auch im Reich gerade in der Zeit nach dem Basler Konzil siehe Gramsch, Robert, Karrieresprungbrett oder Karrierebremse? Deutsche Kleriker auf dem Basler Konzil, in: Heribert Müller (Hg.), Das Ende des konziliaren Zeitalters (1440–1450). Versuch einer Bilanz. München 2012 (Schriften des Historischen Kollegs 86), 133–149, hier 148.

178 II. Diplomatie. Ein gelehrter Jurist aus Padua im Dienst Venedigs und des Papstes Dass Capodilistas Karriere ihm aber sehr wohl ein vorher nicht erreichtes Maß an sozialer Anerkennung innerhalb des städtischen Rahmens seiner Heimatstadt einbrachte, lässt sich an der intensiven Beteiligung Capodilistas an der innerstädtischen Politik nach seiner Rückkehr nach Padua 1442 feststellen. Sie erhöht sich drastisch im Vergleich zu der Zeit vor seiner ersten Abreise nach Basel 1433, in der er im inner­ städtischen Rahmen Paduas kaum als gesellschaftlicher Exponent in Erscheinung trat und seine Rolle weitestgehend auf den universitären Kontext beschränkt blieb. Möglicherweise hatte die lange Tätigkeit an zentralen Knotenpunkten großer politischer Ereignisse auch sein Interesse an politischer Beteiligung und Aktivität geweckt. Deutlich wird auch das Bedürfnis, gehobenen sozialen Stand über Beteiligung am städtischen Geschehen zu demonstrieren und zu untermauern. Dabei spielte es wahrscheinlich auch eine Rolle, dass die Familie Capodilista trotz ihrer langen Verwurzelung in Padua in der Generation von Capodilistas Vater schwere Schäden ihres gesellschaftlichen Prestiges hatte hinnehmen müssen, nachdem Spielschulden der Familie maßgebliche finanzielle Verluste zugeführt hatten. Der Aufstieg innerhalb Paduas begann für die Familie erst wieder nach Giovan Francescos Abreise nach Basel, und seine gesellschaftliche Präsenz nach seiner Rückkehr spricht dafür, dass sein Erfolg auch die Stellung seiner Familie wieder konsolidieren konnte. Letztendlich basierte Giovan Francesco Capodilistas diplomatische Karriere also auf einer Vielzahl von ineinander verschränkten Faktoren. Neben seiner Ausbildung und seiner rhetorischen und diplomatischen Fähigkeit spielte dabei sicherlich auch seine Herkunft und damit verknüpft seine soziale Verflechtung eine tragende Rolle. Die Universität Padua als prestigeträchtige Universität muss ein idealer Ort zur Entwicklung und Pflege von Kontakten gewesen sein. Bedenkt man die hohe Dichte von Absolventen, die zur Zeit Capodilistas in tragenden politischen Rollen tätig waren und immer wieder auf seinen diplomatischen Reisen begegnen, kann Capodilistas eigene Herkunft und Erfahrung als Lehrender in Padua nur vorteilhaft für die Erfüllung seiner Aufgaben gewesen sein. Personen wie der Kardinal Giuliano Cesarini, der Erzbischof von Florenz Bartolomeo Zabarella und der gelehrte Theologe Nikolaus von Kues hatten alle in Padua studiert und spielten für Capodilista als Kontaktpersonen, Verhandlungspartner und Mitgesandte entscheidende Rollen. Letztendlich nachweisbar bleibt dieses Netzwerk aber nur in Ansätzen, und kann deshalb nur als ein Faktor unter vielen für die Entfaltung von Capodilistas Karriere gewertet werden. Interessant bleibt Capodilistas Rolle als gelehrter Jurist im diplomatischen Dienst sowohl der Republik Venedigs, die selten Gesandte wählte, die nicht aus der Lagunenstadt selbst stammten, und des um Anerkennung ringenden Papstes Eugen IV. Seine auf Ausbildung, persönlicher Fähigkeit und besonderem Wissen basierende Karriere, die ihn einmal quer durch das Europa der frühen Renaissance führte, kann damit als eindrucksvolles Beispiel für die Aufstiegsmöglichkeiten für Juristen in diplomatischen Diensten gelten. Damit bleibt sie letztendlich eine bemerkenswerte Erfolgsgeschichte – auch wenn Capodilistas diplomatische Missionen selbst für seine Auftraggeber nur in den seltensten Fällen tatsächlich politische Erfolge waren.

III. Pergament. Giovan Francesco Capodilista und sein Selbstbild im Capodilista-Kodex

III.1. Die Handschrift B.P. 954 der Biblioteca Civica di Padova: Der Capodilista-Kodex Seit 1856 wird der Capodilista-Kodex unter der Signatur B.P. 954 in der Biblioteca Civica di Padova aufbewahrt. Eine weitere, spätere Sammelhandschrift in der Biblioteca Nazionale Marciana in Venedig überliefert den Text von B.P. 954.1 Die ab 1434 in Basel angefertigte Paduaner Handschrift wird als Autograph des Verfassers Giovan Francesco Capodilista eingestuft.2 In ihren Texten und dem Bildprogramm manifestiert sich auf mehreren Ebenen das Interesse Capodilistas an der Geschichte der Stadt Padua und seiner Familie, aber auch seine soziale Selbsteinordnung in bestimmte gesellschaftliche Gruppierungen. Als Einblick in die Konstruktion und den Inhalt der Handschrift werden hier zunächst die Ausstattung, die Struktur und die Überlieferung des Kodex näher dargelegt. Seit 1972 liegt ein Faksimile der Handschrift vor, das in zwei Bänden sowohl den Text in Transkription und italienischer Übersetzung als auch einen Abdruck der Handschrift enthält.3 Allerdings entspricht die farbige Ausführung des Faksimilebandes nicht bei allen Bildern exakt den tatsächlichen Farben der Handschrift. Auch die Größe der Seiten im Faksimile ist nicht dem eigentlichen Format von 29x21cm angepasst. Kleinere Elemente wie Blattgoldverzierungen, die Beschneidung der Seiten sowie Löcher im Pergament sind nicht erkennbar. Damit bietet das Faksimile zwar einen ersten Einblick in die Ausstattung und Gestaltung des Capodilista-Kodex, bildet die Handschrift aber nicht originalgetreu ab.

III.1.1. Die Illuminationen des Capodilista-Kodex Das herausragende Merkmal des Capodilista-Kodex ist zunächst das farbig aus­ geführte Bildprogramm.4 Die ganzseitigen Illuminationen stellen sowohl Wappen als auch einzelne namentlich gekennzeichnete Personen dar, letztere sowohl in Einzel­ 1 

Die zweite Abschrift liegt unter der Signatur Cod. Marc. Lat. X 348 (=3260) in der Biblio­ teca Nazionale Marciana in Venedig. Ausführlich zu dieser Abschrift und ihrer Differenz zu B.P. 954 siehe weiter unten. 2  Zur Frage nach der Authentizität des Kodex als Autograph vgl. Blason-Berton in der Einleitung in Band  1 zu De viris illustribus Familiae Transelgardorum, Forzatè et Capitis Listae, ed. v. Mirella Blason-Berton. 2. Bände (Faksimile und Textband). Rom 1972, 45 f. 3  De viris illustribus (wie Anm.  2). 4  Die Bildausstattung des Capodilista-Kodex hat bis heute das meiste Interesse erfahren,

182 III. Pergament. Giovan Francesco Capodilista und sein Selbstbild im Capodilista-Kodex darstellungen als auch in einer Gruppenkonstellation. Insgesamt beinhaltet das Werk drei großformatige Wappendarstellungen, 26 Einzelportraits von Männern zu Pferd sowie zwei ganzseitige Gruppendarstellungen, die in einer arkadenähnlichen Gebäudestruktur pro Blatt jeweils 12 Personen zeigen. Der Maler der Illustrationen ist nach wie vor unbekannt, stammte aber vermutlich aus den deutschen Gebieten des deutsch-römischen Reiches oder dem nördlichen Raum Oberitaliens.5 Vielleicht handelte es sich dabei um einen der vielen Künstler, die nach einer Ausbildung in Padua wieder in ihre Heimatgebiete nördlich der Alpen zurückkehrten.6 Mit Sicherheit arbeitete der Maler in Basel nicht nur einmal für Capodilista, denn auch der farbig ausgeführte Wappenbrief, den Capodilista im Juli 1435 in der Konzilsstadt für Manfredo del Cortivo ausstellte, wurde von ihm gestaltet.7 Darin wird der Familie del Cortivo ein Wappen mit der gleichen Helmzier verliehen, die auch im Capodilista-Kodex auf einer Darstellung des angeblich ältesten Familienwappens zu sehen ist meist von kunsthistorischer Seite. Franco, Tiziana, Giovan Francesco Capodilista: De viris i­llustribus familiae Transelgardorum, Forzatè et Capitis Listae, in: Giovanna Baldissin Molli (Hg.), La Miniatura a Padova dal Medioevo al Settecento, Modena 1999, 219–221. Siehe weiter Franco, Tiziana, Gli avi in miniatura. Il Codice Capodilista, in: Mensile de Franco Maria Ricci 19 (2000), 107–128. Auch das Vorwort zur Faksimileausgabe, Salmi¸ Mario, Introduzione, in: De viris illustribus Familiae Transelgardorum, Forzatè et Capitis Listae, ed. v. Mirella Blason-Berton, Bd. 1, Rom 1972, 11–35. 5  Durch das kunsthistorische Interesse, das B.P. 954 bis jetzt auf sich gezogen hat, gibt es nicht wenige Spekulationen über den Maler der Miniaturen. Gegen eine Herkunft des Malers aus dem italienischen Raum spricht sich D’Ancona anhand der Bildkomposition und Darstellungsweise aus. Vgl. D’Ancona, Paolo, La miniature italienne du Xe au XVIe siècle, Paris/ Brüssel 1925, 61. Auch Salmi setzt sich mit der Frage nach der Herkunft des Malers auseinander und verortet ihn im heutigen Österreich, was aber seit der Arbeit von Roland/Zacij als widerlegt zu gelten hat. Vgl. Salmi, Introduzione (wie Anm.  4), 25. Weiter Roland, Martin/ Zajic, Andreas, Illuminierte Urkunden des Mittelalters in Europa, in: Archiv für Diplomatik, Schriftgeschichte, Siegel- und Wappenkunde 59 (2013), 241–432, hier 376. Canova vermutet hinter den Darstellungen des Capodilista-Kodex denselben Maler, der auch das Missale des Bischofs Pietro Donato in Basel illustrierte. Vgl. Canova Mariani, Giordana, Miniatura e ­pittura in età tardogotica (1400–1440), in: Mauro Lucco (Hg.), La pittura nel Veneto. Il Quattro­ cento. Bd. 1, Mailand 1989, 193–222, hier 217 f. Zum Missale des Bischofs Pietro Donato siehe Alexander, Jonathan, Missale des Bischofs Donato von Padua. Vat. Lat. 8700, in: Joachim M. Plotzek (Hg.), Biblioteca Apostolica Vaticana. Liturgie und Andacht im Mittelalter. München 1992, 318–319. Allgemein scheint die Beschäftigung von Künstlern, die entweder den Gebieten nördlich der Alpen entstammten oder dort ihre Ausbildung erhalten hatten, ein Marken­ zeichen der humanistisch gebildeten und interessierten Kreise Paduas gewesen zu sein. Vgl. Holgate, Ian, Paduan culture in Venetian care: The Patronage of Bishop Pietro Donato (Padua 1428–47), in: Renaissance Studies 16 (2002), 1–23, hier 17. 6 Vgl. Salmi, Introduzione (wie Anm.  4), 25. 7  Siehe Mantovani, Gilda, Privilegium nobilitatis rilasciato da Giovanni Francesco Capodi­ lista a Manfredo da Cortivo, in: Enrico Castelnuovo (Hg.), Il Gotico nelle Alpi. Katalog, Trient 2002, 540–543. Das Privileg ist heute in der Biblioteca Civica di Padova unter Signatur B.P. 1641/VII zu finden. Zur Urkunde siehe weiter unten.

III.1. Die Handschrift B.P. 954 der Biblioteca Civica di Padova

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(Abb. 9 und Abb. 1).8 Über die Herkunft des Malers erklärt sich das visuelle Profil des Capodilista-Kodex, das von den üblichen Formen der sich in Padua im 15. Jahrhundert entwickelnden Buchmalerei abweicht.9 Besonders die Darstellungen der Pferde sind in ihrer teilweise stark von der Realität abweichenden Proportionierung deutliche Zeichen dafür.10 Weiter entsprechen die Ausführung der Ritterrüstungen und die generelle Bildkompositionen eher Darstellungsformen aus den Gebieten nördlich der Alpen.11 Ob es sich bei dem Maler allerdings wie bereits vermutet um den in den Diensten des Erzbischofs Pietro Donato von Padua stehenden Künstler des Missale Pontificale handelt, das 1436 vermutlich in Basel entstand, ist unsicher.12 Mit Sicherheit aber ist der Capodilista-Kodex in seiner ungewöhnlichen Formen­ sprache ein klarer Beweis für den intensiven Kulturaustausch, der das Basler Konzil zu einer Schnittstelle unterschiedlicher Künstler und Kunstauffassungen machte.13 Alle Miniaturen des Kodex sind farbig ausgeführt, wobei einige davon, darunter das Reiterportrait Giovan Francesco Capodilistas, zusätzlich mit Blattgold verziert sind (Abb. 5). Die Darstellungen nehmen jeweils eine ganze Seite ein, die Gruppendarstellung der Gelehrten eine Doppelseite. Sie sind immer mit einem erläuternden Text in unterschiedlicher Länge versehen. Bei einigen Personendarstellungen ist der gesamte freie Raum der Seite von Text bedeckt, während bei den Wappen und der Gelehrtendarstellung nur Beischriften beigegeben sind, die das Dargestellte beschreiben und einordnen. Die Schriftbänder der Gruppendarstellung enthalten ausschließlich die Namen und knappe biographische Informationen zu den dargestellten Personen. Betrachtet man die ganzseitigen Personendarstellungen im Vergleich zu dem sie begleitenden und erläuternden Text, fällt eine starke Selbstständigkeit beider Komponenten auf. Text und Bild stehen zwar miteinander im Bezug, verweisen aber nicht direkt aufeinander. So enthält der Text beispielsweise keine direkten Hinweise auf die Bilder. Die Bilder wiederum setzen den Informationsgehalt des Textes in Teilen um, stellen zum Beispiel einen als jung und schön beschriebenen Mann in eleganter höfischer Tracht dar, begleitet von deutlichen visuellen Standesmerkmalen, wie einen Jagdfalken auf dem Arm (Abb. 4). Gleichzeitig transportieren die Darstellungen an manchen Stellen ein visuelles Plus, das die einzelne Person zusätzlich markiert. So trägt ein Familienmitglied, Enrico Forzatè, das Ordenszeichen der Bruderschaft von 8 

B.P. 954, fol.  2r. Für die Charakteristiken der sich im Verlauf des 15. Jahrhunderts unter dem Einfluss des Humanismus herausbildenden Paduaner Buchmalerei siehe Alexander, Jonathan, Italian Renaissance Illuminations, London 1977, 18. 10  Franco, De viris illustribus (wie Anm.  4), 221. 11  Franco vergleicht die Rüstungen der dargestellten Reiter mit den in Altarbildern in Basel gezeigten Rüstungen unterschiedlicher Heiliger, besonders im Fall eines Altarbildes von Konrad Witz, das um 1434 entstand. Franco, Gli avi in miniatura (wie Anm.  4), 120. 12  Zum Missale des Bischofs Pietro Donato siehe Alexander, Missale des Bischofs Donato von Padua (wie Anm.  5), 318 f. 13 Ebd. 9 

184 III. Pergament. Giovan Francesco Capodilista und sein Selbstbild im Capodilista-Kodex San Antonio um den Hals: Ein Tau und eine kleine Glocke sind deutlich erkennbar (Abb. 4).14 Im dazugehörigen Text wird diese Information nicht erwähnt. Text und Bild bilden so eine Parallelstruktur. Beide Elemente transportieren Informationen über die Familiengeschichte, und können sowohl gesondert als auch gemeinsam rezipiert werden.15 Insgesamt folgt die Ausstattung des Kodex sichtlich einem einheitlichen Konzept. Am deutlichsten wird die teilweise schablonenhaft wirkende Einheitlichkeit der Darstellungen im Vergleich der Reiterbilder. Die Darstellung der entweder auf einem Pferd oder als Geistliche auf einem Maultier sitzenden Reiter folgt einem einheit­ lichen Typus und birgt wenig Individualität. Besonders die Pferde lassen sich auf drei Standardtypen zurückführen, die jeweils nur in farbiger Gestaltung und kleineren Details voneinander abweichen. Die Reiter sind vor allem über die ihrer gesellschaftlichen Stellung entsprechende Kleidung gekennzeichnet.16 Ausgezeichnet sind einzelne Personen weiter über bestimmte Insignien, wie die bereits genannte Ordenskette, Merkmale einer bestimmten gesellschaftlichen Position, wie beispielsweise Kopfbedeckungen, oder besondere Gegenstände. Völlig stereotyp ist die Darstellung der Gesichter, die teilweise geradezu nachlässig und ohne Sorgfalt ausgeführt wurden. Das wird besonders im Portrait Giovan Francescos selbst deutlich, bei dem das Gesicht kaum erkennbar ist und verwischt erscheint (Abb. 5).17 Individualität konstituiert sich im Capodilista-Kodex ausschließlich über in ihrer Zeichenhaftigkeit besondere soziale Positionen vermittelnde Insignien und Kleidung sowie über heraldische Symbolik.18 Besonders die Darstellungsform der Kleidung in der Reiterreihe weist auf sozial etablierte Kleiderordnungen hin und macht über diese als visuelles Kommunikationsmittel auf den ersten Blick Rang und Würde des Dargestellten greifbar.19 14 Vgl.

Salmi, Introduzione (wie Anm.  4), 20. zu den Verbindungen zwischen Text und Bild siehe weiter unten. 16  Zur Zeichenhaftigkeit von Kleidung insgesamt und ihrer Lesbarkeit als Symbole in einem bestimmten System zur Rückversicherung individueller und Gruppenidentitäten siehe von Hülsen-Esch, Andrea, Gelehrte im Bild. Repräsentation, Darstellung und Wahrnehmung einer sozialen Gruppe im Mittelalter, Göttingen 2006 (VMPIG 201). Weiter Dinges, Martin, Von der „Lesbarkeit der Welt“ zum universalen Wandel durch individuelle Strategien. Die soziale Funktion der Kleidung in der höfischen Gesellschaft, in: Saec. 44 (1993), 90–112. Mit stärkerem Bezug auf das Spätmittelalter auch Jaritz, Gerhard, Kleidung und Prestige-Konkurrenz. Unterschiedliche Identitäten in der städtischen Gesellschaft unter Normierungszwängen, in: Saec. 44 (1993), 8–31. 17  Die Beschädigung des Bildes ist zu punktuell, um auf einen späteren Schaden zurückzugehen. Sie scheint also schon während des Entstehungsprozesses entstanden zu sein. 18  Dabei ist besonders das gebesserte Wappen Giovan Francescos mitgedacht, dass seine Person als Individuum sowohl in den Familienverband eingliedert als auch aus ihm heraushebt und besonders betont. 19  Zu Kleidung als Mittel der visuellen Kommunikation, fokussiert auf das 16. Jahrhundert mit übertragbaren Überlegungen siehe Rublack, Ulrike, Dressing Up. Cultural Identity in Renaissance Europe, Oxford 2010. Für das 15. und 16. Jahrhundert, allerdings mit Blick auf die Kleidung bei Hofe und geographisch stark eingeschränkt, siehe Frieling, Kirsten, Sehen und 15  Ausführlich

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Deutlich erkennbar wird diese Kodierung der sozialen Position durch Bild­elemente an der Darstellung Giovan Francesco Capodilistas auf fol.  32r (Abb. 5). Dieses Portrait ist das am aufwändigsten ausgeführte und weist eine besondere Häufung individualisierender Merkmale auf. Als letztes Bild der Reiterreihe und Verfasserdarstellung zeichnet es sich auf den ersten Blick erkennbar durch eine besondere Pracht aus, vor allem durch die umfangreiche Verwendung von Blattgold. Sowohl Teile des Wappens als auch Zierelemente auf der Schabracke des Pferdes und einzelne Details der Kleidung Capodilistas sind großzügig mit Gold dekoriert. Als Wappen begegnet erstmals das durch die Wappenbesserung Kaiser Sigismunds auf dem Basler Konzil entstandene neue Wappen der Familie Capodilista, das als viergeteilter Schild zusätzlich zu dem auf der Schabracke des Pferdes zu sehenden Hirschwappen in der oberen rechten Bildecke dargestellt wird. Damit kann als terminus post quem für den Beginn der Ausführung der Illustrationen des Kodex der 5. April 1434 gelten, an dem Giovan Francesco von Kaiser Sigismund in Basel das neue Wappen verliehen wurde. Als erster in der Reihe seiner Familienmitglieder führt Giovan Francesco im viergeteilten Schild zusätzlich auch das Wappen der Stadt Padua, das rote Kreuz auf weißem Grund, an prominenter Stelle heraldisch rechts oben und links unten. Daneben zeigt das neue Wappen heraldisch links oben sowie rechts unten einen blauen, rot bekrallten Löwen mit Pelzmantel im goldenen Schild, darüber im Schildhaupt den doppelköpfigen Adler Sigismunds. Die Figur Capodilistas ist zu Pferd dargestellt, scheinbar im Moment eines langsamen, würdevollen Ritts. Er trägt einen mit floralen Mustern verzierten, vielleicht aus Brokat oder Damast gefertigten rosaroten Mantel, der mit Feh verbrämt ist.20 Genutzt wurde für diese kostspielige Ausfütterung das auch als „pancie“ bezeichnete untere weiße Bauchfell des Eichhörnchens.21 Das einem Umhang ähnliche faltenreiche Kleidungsstück reicht bis zu den Füßen, und ist in der Taille mit einem schmalen, mit Blattgold verzierten Gürtel zusammengehalten. Sowohl am Halsausschnitt als auch an den weiten Ärmeln erkennt man ein dunkel­ blaues Untergewand mit hellerem floralem Muster. Die schwarzen Schuhe Capodilistas laufen spitz zu und sind deutlich länger als seine Füße, wie das herabhängende Ende der Schuhspitze zeigt. Dazu trägt er goldene Sporen des gleichen Typus, der auch auf der Schabracke zu sehen ist. Bedenkt man die hohe Bedeutung von Handschuhen im Alltag der juristischen Universität Padua, ist es auffällig, dass Capodilisgesehen werden. Kleidung an Fürstenhöfen an der Schwelle vom Mittelalter zur Neuzeit (c.1450–1530), Ostfildern 2013 (Mittelalter-Forschungen 41). 20  Franco bezeichnet den Stoff der Pallanda als Brokat. Es könnte aber auch gewebter Samt sein. Franco, Gli avi in miniatura (wie Anm.  4), 116. Über die Schwierigkeit der Zuordnung von abgebildeten Kleidungsstücken zu zeitgenössischen Kleiderformen und Stoffarten siehe die Ausführungen bei Frick, Carole Collier, Dressing Renaissance Florence. Families, Fortunes and Fine Clothing, Baltimore/London 2002, hier 149. Zu den Eigenschaften bestimmter Stoffe und ihrer Verwendung mit Bezug auf Samt und Brokat siehe ausführlich Frieling, Sehen und gesehen werden (wie Anm.  19), 44–49. 21  Frick, Dressing Renaissance Florence (wie Anm.  20), 168.

186 III. Pergament. Giovan Francesco Capodilista und sein Selbstbild im Capodilista-Kodex ta nicht mit solchen dargestellt wird.22 Dafür ist an seiner linken Hand am Ringfinger ein kleiner Ring zu erkennen, der als einziges reines Schmuckelement gelten kann. Im Gegensatz zu anderen Elementen des Bildes ist der Ring jedoch nicht mit Blattgold hervorgehoben. Zu Giovan Francescos Kleidung gehört weiter ein hohes Birett, ausgeführt in der gleichen roten Farbe wie der Mantel, und ebenfalls mit Feh verbrämt.23 ­Sowohl die Art der Kopfbedeckung als auch ihre Farbe sind Hinweise auf seine juristische Ausbildung und seinen Stand als gelehrter Doktor beider Rechte, denn der Kleiderordnung der Universität Padua entsprechend war Rot als Farbe für Juristen vorgesehen.24 Gleichzeitig war die Farbe auch als Symbol für die herrschende gesellschaft­liche Schicht in italienischen Städten und allgemein als Farbe der gelehrten Juristen anerkannt.25 Auch der Schnitt und die bis zu den Füßen reichende Länge des Gewandes passen zu den Kleidervorschriften, die vor allem für an der Universität unterrichtende Gelehrte galten.26 Die Vereinheitlichung der Gelehrtenkleidung, deren Aus­sehen häufig genau in den Statuten der Universitäten festgehalten wurde, diente in erster Linie zur internen und externen Repräsentation und damit

22  Die Statuten zu juristischen Prüfungen in Padua sahen vor, dass jeder Student den anwesenden Prüfern ein Paar hochwertige Handschuhe aus feinem Ziegenleder oder Seide schenken musste. von Hülsen-Esch, Gelehrte im Bild (wie Anm.  16), 93. 23 Die einzigen Bemerkungen zur Kleidung Capodilistas in Quellentexten stammen aus dem Tagebuch Andrea Gataris zur Reise der venezianischen Gesandtschaft nach Basel. Dort erwähnt er die Kleidung der Gesandten bei ihrer ersten Begegnung mit Sigismund noch auf italienischem Boden am 3. Oktober 1433, bei der die gesamte venezianische Gesandtschaft grüne Kleider getragen habe. Später beschreibt Gatari die erste öffentliche Rede Capodilistas vor den Konzilsvätern, bei der er unter einen Baldachin im Mittelschiff des zum Versammlungsort gewordenen Basler Münsters tritt und seine Kapuze abnimmt: „Et misier Zuan Francesco se trasse el capuzo et cominciò a dire l’infrascrito sermone.“ Die Kapuze war als Kopfbedeckung ebenfalls fester Bestandteil der Kleiderordnung für Gelehrte und neben dem feier­ licheren Birett als Kopfbedeckung für den Alltag in Benutzung. Zur Kapuze siehe von Hülsen-Esch, Gelehrte im Bild (wie Anm.  16), 124 f. Zu Capodilistas Kapuze siehe tagebuch des andrea gatari, in Concilium Basiliense. Studien und Quellen zur Geschichte des Concils von Basel. Herausgegeben mit Unterstützung des Historischen und Antiquarischen Gesellschaft von Basel. Band  5: Das Tagebuch des Andrea Gatari. Basel 1904, 383, zu den grünen Kleidern 379. 24  Dazu Scott, Magaret/Zsombor, Jékely, Giovanni Francesco Capodilista. De Viris Il­ lustribus familiae Transelgardorum, Forzatè et Capitis Listae (Capodilista-Kodex), in: Imre Takács (Hg.), Sigismundus. Rex et Imperator. Kunst und Kultur zur Zeit Sigismunds von Luxemburg 1387–1437, Mainz 2006, 345. Zur Bedeutung von Kleidung und Darstellung von Gelehrten ausführlich siehe von Hülsen-Esch, Gelehrte im Bild (wie Anm.  16), 71, zum Bedeutungsumfang der Farbe Rot 99. 25  Zur Farbe Rot als „Amtsfarbe“ für italienische Juristen siehe von Hülsen-Esch, Gelehrte im Bild (wie Anm.  16), 101 f. In anderen Teilen Europas galt rot als Repräsentationsfarbe der Oberschicht, so im österreichischen Raum. Jaritz, Kleidung und Prestige-Konkurrenz (wie Anm.  16), 27. 26 Vgl. von Hülsen-Esch, Gelehrte im Bild (wie Anm.  16), 72.

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auch zur Rückver­sicherung der eigenen Gruppenidentität.27 Genau diese Funktion erfüllt die Kleidung auch in den Darstellungen innerhalb des Capodilista-Kodex.28 Zusätzlich zu der sozialen Rang anzeigenden Kleidung markieren die auf einem weißen Band aufgebrachten Orden und Auszeichnungen Capodilistas gesellschaft­ lichen Erfolg. Das über seine Schultern drapierte Band zeigt sowohl den ungarischen Drachenorden als auch den aragonesischen Kannenorden.29 Beide waren Capodilista von Kaiser Sigismund auf dem Basler Konzil verliehen worden. Oberhalb des Bandes ist das Collar of Esses zu sehen, eine Auszeichnung des Hauses Lancaster, die hier in einem schwarzen Band mit darauf aufgebrachten goldenen S-Buchstaben besteht, das mit einer runden Schließe dekoriert ist. Der prachtvolle Eindruck wird durch die ornamental reiche Ausstattung des Pferdes verstärkt. Vor allem die mit ­einem Sporenmuster bedeckte und ebenfalls teilweise vergoldete leuchtend blaue, innen rot abgefütterte Schabracke unterscheidet sich deutlich von der ansonsten schlichten Gestaltung der anderen Pferdedarstellungen. Gleichzeitig wird in der Farbgebung der Schabracke die Fellfarbe des im Wappen dargestellten Löwen wiederholt. Ersichtlich wird, wie der gezielte Einsatz von bestimmten im Bild verarbeiteten ästhetischen Signalen und konkreten Bildelementen wie der Kleidung als Hinweis auf den Rang der dargestellten Person fungiert. Giovan Francesco kann so allein durch sein Reiterportrait von dem in die sozialen Codes von Kleiderordnungen, Heraldik und politischen Auszeichnungen eingeführten Beobachter als politisch und diplomatisch erfolgreicher Absolvent und Lehrender einer juristischen Universität identifiziert werden. Aussagen über seine finanzielle Situation und seine räumliche Herkunft sind in der Kleidung, den Wappen und der Ausstattung in Blattgold kodiert. Die intensiven Farben der aufwändig verzierten roten Pallanda, das tiefe Blau der Schabracke und die Wahl des teureren pancio-Fehs weisen auf einen gehobenen wirtschaftlichen Status hin. Zusätzlich sticht das Bild Capodilistas in seiner Pracht und dichter Häufung individualisierender Merkmale aus der Reihe der ansonsten schlichter gestalteten Reiter hervor und betont seine besondere Rolle als Auftraggeber der Handschrift. 27 Vgl. von

Hülsen-Esch, Andrea, Kleider machen Leute. Zur Gruppenrepräsentation von Gelehrten im Spätmittelalter, in: Otto Gerhard Oexle/Andrea von Hülsen-Esch (Hg.), Die Repräsentation der Gruppen. Texte – Bilder – Objekte, Göttingen 1998 (Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts 141), 225 –257, hier 239. 28  Rublack argumentiert für die identitätsstiftende Wirkung von Kleidung in Darstellungen, die sowohl die einzelne Identität des Dargestellten als auch gruppenbasierte Identitäten rückversicherte und in das Bewusstsein des Betrachters rief. Die Nutzung von Kleidung zur Darstellung bestimmter Sachverhalte bezeichnet sie als „symbolic practise“ und betont auch die Wechselwirkung zwischen der Abbildung und Realität mit der Entstehung von Realität durch die Nutzung von Kleidung. Vgl. Rublack, Dressing Up (wie Anm.  19), 259 f. 29  Zum erst zu Beginn des 15. Jahrhunderts gegründeten Kannenorden und dem gleichzeitig gegründeten Drachenorden Sigismunds siehe Boulton, D’Arcy, The Knights of the Crown. The Monarchical Orders of Knighthood in Later Medieval Europe 1325–1520, Woodbridge 1987, 330 f. und 349.

188 III. Pergament. Giovan Francesco Capodilista und sein Selbstbild im Capodilista-Kodex Neben die Personendarstellungen in Einzelportraits tritt die Gruppendarstellung der Gelehrten der Familie Capodilista in einer arkadenähnlichen Gebäudestruktur (Abb. 6 und 7).30 Abgebildet sind auf jeder der beiden Seiten sechs mal zwei Personen mit jeweils kurzen Bildunterschriften, die mit Nennung des Namens und der akademischen Leistungen kurze Informationen über die jeweilige Person vermitteln. Die Platzierung der oftmals über die vorgesehenen Freiräume hinauswachsenden Bei­ schriften weist darauf hin, dass dieser Teil des Kodex zunächst illustriert und dann die dazugehörigen Textteile beigefügt wurden. Die Darstellungsweise vermittelt eine besondere Dynamik, denn die abgebildeten Personen befinden sich offenbar miteinander im Gespräch, wenden sich auch über die Säulen hinweg einander zu und gestikulieren. Häufig wird eine eindeutig als Sprechgestik zu verstehende Hand­bewegung verwendet, bei der die vom Körper weggestreckten Arme dem Gegenüber entgegengehalten werden.31 Nicht wenige Männer tragen Bücher und verweisen darin auf bestimmte Passagen, wie um ihr Argument zu untermauern. Einige Gelehrte wenden dem Betrachter dabei den Rücken zu, und einer hält dabei sein Buch so, dass das angedeutete, wenn auch nicht lesbare Incipit der Seite über seine Schulter erkennbar wird. Wie auch in den Einzeldarstellungen dient in der Gruppendarstellung die Kleidung als Markierung für den jeweiligen sozialen Rang und die akademische Ausbildung. Alle dargestellten Männer tragen die typische Gelehrtentracht. Dazu gehört das lange Obergewand in rot, blau, gelb, grün oder schwarz, sowie eine Kopf­bedeckung. Ärmel und Säume sind bei einzelnen Personen mit Pelz verbrämt. Die Ausführung der Kopfbedeckungen variiert, die meisten tragen aber ein Birett oder eine Kapuze, gelegentlich auch nur eine Leinenhaube. Damit entspricht die Abbildung den Kleidervorschriften, wie sie in vielen italienischen Universitäten mit leichten Unterschieden galten. Sowohl auf dem Gruppenbild als auch in den Einzeldarstellungen erlaubt die Kleidung also eine einwandfreie Identifikation des Trägers als Teil einer bestimmten Gruppe und weist den mit den Kleiderordnungen der Universitäten vertrauten Betrachter unmittelbar auf den Status der dargestellten Personen hin. Gleichzeitig erlaubt die Gruppendarstellung aber nicht die Zuordnung der einzelnen Gelehrten zu bestimmten Fakultäten, denn die gewählten Farben entsprechen nicht der üblichen Kleiderordnung. Deutlich wird diese Abweichung im Vergleich der Darstellung Giovan Francesco Capodilistas in der Gruppendarstellung mit seinem Reiterportrait. In der Einzeldarstellung auf Blatt 32r trägt Giovan Francesco gemäß der Kleiderordnung der Universität Padua eine rosafarbene mit Feh verbrämte Pallanda (Abb. 5). In der Gruppendarstellung ist er hingegen in einem gelben Mantel mit einem blauen Birett dargestellt (Abb. 7, rechte Seite, mittlere Reihe). Lediglich die Fehverbrämung ist bei 30  von Hülsen-Esch charakterisiert die Architektur als die einer Loggia. Vgl. von Hülsen-­ Esch, Gelehrte im Bild (wie Anm.  16), 274. 31  Diese Geste des ausgestreckten Armes gilt als Ausdruck eines Gesprächs. Sie vermittelt, dass einer der Gesprächspartner etwas „besitzt“, das er zu Gehör bringen und dem anderen vortragen möchte. Siehe Bäuml, Betty/Bäuml, Hans, A Dictionary of Gestures, Metuchen 1975, 3.

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beiden Kleidungsstücken gleich. Damit gliedert Capodilista sich in der Gelehrten­ darstellung in die Gruppe seiner gelehrten Verwandten ein, während er in der Reiterreihe durch die Pracht seiner Kleidung und die Blattgoldverzierung besonders hervorstricht. Noch deutlicher wird diese Einordnung Capodilistas in den Gruppenkontext seiner Familienangehörigen in der Gelehrtendarstellung dadurch, dass in die Reihe nach ihm noch seine Söhne und die Kinder seines Bruders aufgenommen sind. Das dritte Bildelement im Kodex sind die drei Wappendarstellungen. Sie nehmen jeweils den Raum einer ganzen Seite ein, sind wie alle anderen Abbildungen im ­Kodex farbig ausgeführt und jeweils durch eine Beischrift kommentiert. Es handelt sich dabei um die drei Wappen der Familie Capodilista. Die Darstellung des ersten, als ältestes bezeichnete und dem Zweig der Transelgardi zugeordneten Wappens, das hier als Uhrenwappen bezeichnet werden soll, eröffnet das Werk (Abb. 1). Unmittelbar darauf folgt das zweite Wappen der Familie, und schließlich, als letzte Bildseite, das neue von Kaiser Sigismund an Giovan Francesco verliehene Wappen (Abb. 2 und Abb. 8). Diese Bildseite hebt sich zusätzlich von den anderen Darstellungen ab, denn sie zeigt neben dem Familienwappen auch noch dasjenige Kaiser Sigismunds und die der Städte Venedig und Padua. Grundsätzlich sind die heraldischen Elemente des Kodex immer sorgfältig ausgeführt, sowohl in den ganzseitigen Illuminationen als auch in den Reiterdarstellungen. Zweifelsohne wird in diesen zahlreichen Figura­ tionen und der akkuraten Ausführung ein besonderes heraldisches Interesse Capodilistas erkennbar.32 Wappendarstellungen bilden die erste und die letzte Bildseite des Kodex, zwischen denen die Familiengeschichte entfaltet wird. Der heraldischen Symbolik kommt so innerhalb des Kodex die Funktion eines roten Fadens zu, der alle ins Bild gesetzten Elemente miteinander verknüpft. Sie konstituiert und offenbart das Unveränderliche des familiären Kontexts über die Jahrhunderte und Generationen hinweg. Gleichzeitig hebt der Wandel der Wappen, von der ersten Darstellung des ältesten Uhrenwappens bis hin zu dem durch Sigismund gebesserten Wappen Giovan Francescos, auch die Entwicklung und den Prestigegewinn der Familie hervor und markiert so eindrucksvoll das gesammelte soziale Kapital des genealogischen Verbands. Daneben kommt beispielsweise dem Uhrenwappen in seiner vielschichtigen Symbolik noch eine weitere identitätsstiftende Funktion zu, die den Betrachter in Bildformeln verklausuliert auf den Herkunftsort Padua verweist, ohne das Wappen der Stadt selbst ins Bild setzen zu müssen. Gleichzeitig ist das Wappen der Stadt Padua in fast allen Personendarstellungen integriert, und wird in der Darstellung ­Giovan Francescos endgültig mit dem Wappen der Capodilista verknüpft. Auffällig ist dagegen das weitgehende Fehlen des Wappens der Republik Venedig, das nur an einer einzigen Stelle neben dem Paduas ausgeführt wird.33 32  Auch die von Capodilista genutzte Chronik Giovanni da Nonos weist in ihren Randkommentaren und zahlreichen von seiner Hand eingefügten Wappenzeichnungen deutlich auf ein Interesse Capodilistas an Heraldik hin. Siehe B.P. 1239/XXIX, auch weiter unten. 33  B.P. 954, fol.  36r.

190 III. Pergament. Giovan Francesco Capodilista und sein Selbstbild im Capodilista-Kodex Neben diesen großformatigen Illuminationen enthält der Kodex nur noch eine kleinere, in den Fließtext eingefügte Zeichnung, nämlich auf Blatt 37r ein als Federzeichnung ausgeführtes Tragekreuz mit einer daran befestigten Fahne.34 Dazu kommt eine farbig ausgeführte Initiale. Die ein großes „C“ darstellende Initiale ist in ihrer Ausführung mit „bianchi girari“ (Weißranken) und Blattgold im Buchstabenkörper als einziges Bildelement des Kodex eindeutig der norditalienischen Buch­ malerei zuzuordnen.35 Sie entstand genau wie die Zeichnung des Tragekreuzes vermutlich erst gemeinsam mit dem Textbestand der Handschrift und ist deswegen nicht dem Buchmaler der Bildseiten zuzuordnen. Die gemeinsame Betrachtung von Bild und Text erlaubt eine präzisere Datierung des Kodex. Die im Kodex angeführte Invocatio, die den hauptsächlichen Textbestand eröffnet, nennt das Jahr 1434. Dazu passt die als terminus post quem festgelegte von Sigismund verliehene Wappenbesserung am 5. April 1434. Vermutlich entstand ab diesem Moment der hauptsächliche Textbestand des Kodex. Die Verwendung einer einheitlichen Tinte deutet darauf hin, dass die Texte mehr oder weniger in einem Zug entstanden. Spätere Einschübe, die auf wohl ursprünglich leeren Blättern dem Haupttext vorgelagert sind, enthalten Datierungen, die bis zum September 1435 reichen. Struktur und Zusammenspiel von Bild und Text lassen erkennen, dass die Texte erst nach der Anfertigung der Bilder und der Bindung der Blätter entstanden. Neben das Bildprogramm des Kodex tritt eine Vielzahl unterschiedlicher Textsorten, die teilweise den Bildern zugeordnet, teilweise eigenständig sind. Die Texte sind alle von der gleichen Hand, unter Nutzung derselben bräunlichen Tinte ausgeführt. Einzelne Textpassagen sind mit farbigen Capitulazeichen hervorgehoben, und einige Seiten enthalten Rubrizierungen und Unterstreichungen. Dabei ist der Kontrast zwischen den sorgfältig ausgeführten Miniaturen und dem Schriftbild auffallend. Capodilista nutzte eine als semigotica italiana oder Semitextualis bezeichnete Kanzlei­ schrift, die eng mit Petrarca verknüpft wurde und die in italienischen Humanisten­ kreisen nicht zuletzt aufgrund ihrer guten Lesbarkeit und bequemer Anwendbarkeit weit verbreitet war.36 Gleichzeitig bot sie als durch nur wenige feste Regeln bestimm34 

Die Fahne könnte das Wappen der Stadt Padua, ein rotes Kreuz auf weißem Grund, darstellen. Die Zeichnung ist aber nicht farbig. Da sie mit der gleichen Tinte ausgeführt wurde wie der Text, ist davon auszugehen, dass Capodilista selbst sie während des Schreibprozesses eingefügt hat. Die dazugehörige Textpassage bezieht sich auf eine päpstliche Urkunde für Pietro Capodilista, der als Diplomat ins Heilige Land geschickt worden sei. 35  Alexander, Italian Renaissance Illuminations (wie Anm.  9), 12. 36  Vgl. Cenetti, Giorgio, Lineamenti di Storia della Scrittura Latina, Bologna 1954, 264. Auch Steinmann, Martin, Die humanistische Schrift und die Anfänge des Humanismus in Basel, in: Archiv für Diplomatik 22 (1976), 375–437, hier bes. 385 f. Steinmann identifiziert die Schrift des Capodilista-Kodex eindeutig als semigotica italiana. Derolez lehnt den von Cenetti geprägten Begriff der semigotica italiana ab und bezeichnet die Schrift als Semitex­ tualis. Derolez, Albert, The Palaeography of Gothic Manuscript Books. From the Twelfth to the Early Sixteenth Century, Cambridge 2010 (Cambridge Studies in Palaeography and Codicology 9), 118.

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te Schriftart einigen Raum zur freien Gestaltung durch den Schreiber.37 Die Schrift markiert den Kodex bereits rein visuell als von einem Italiener geschaffenes Werk und setzt ihn damit von der Umgebung seines Entstehungsortes Basel ab. Sie steht weiter in Kontrast zur Bildtypologie, die nicht auf einen italienischen Maler hinweist. Gleichzeitig war die semigotica italiana besonders auf dem Basler Konzil als bevorzugte Schriftart der italienischen Konzilsbesucher zu größerer Bekanntheit gelangt.38 Nicht nur die Schriftart, auch die Ausführung der Textpassagen bildet einen Widerspruch zu der aufwändigen Illumination. Während die Bildseiten größtenteils sorgfältig ausgearbeitet sind und in ihrer Farbigkeit und Ausstattung einen re­präsentativen Anspruch demonstrieren, erfüllt das Schriftbild diesen nicht. Es wirkt vielmehr flüchtig und konzeptartig. Einige Seiten sind sauber geschrieben, andere hingegen durch Interlinearkommentare, Randglossierungen, Einschübe, Auskratzungen und Durchstreichungen gekennzeichnet. Dementsprechend wirken die Textseiten wie Auszüge aus einem Konzeptbuch oder persönliche Notizen, während die Bild­seiten den ursprünglich repräsentativen Charakter des Werkes belegen. Die Pergamentqualität weist in ihrer stellenweise schlechten Verarbeitung ebenfalls in die Richtung einer Konzepthandschrift. Die Blätter sind größtenteils ungleichmäßig beschnitten, vereinzelt weist das Pergament nicht genähte Löcher auf.39 Ungewöhnlich ist auch die Bindung des Kodex. Regelmäßig ist die verso-Seite einer Bildseite nicht beschrieben. Gelegentlich war allerdings auf den Bildseiten der für den Text zur Verfügung stehende Raum nicht ausreichend, so dass auch die gegenüberliegende, eigentlich leere Seite dafür genutzt wurde. Allerdings ist diese Seite dann nur zur Hälfte entlang einer vertikalen Teilungslinie beschrieben. In einem Fall wurde eine Seite falsch eingebunden, so dass die Blätter 34v und 35r sich als leere Doppelseite gegenüberstehen. Umgekehrt sind auf den Blättern 8v und 9r zwei Reiterdarstellungen nebeneinander zu sehen. Grundsätzlich kann demnach davon ausgegangen werden, dass im Capodilista-Kodex entgegen der üblichen Praxis zunächst die Illustrationen erstellt wurden, bevor der Kodex zusammengebunden und die Textpassagen eingefügt wurden. Die beim Binden entstandenen Fehler wurden später nicht mehr korrigiert. Der Versuch, eine Vorlage für die im Capodilista-Kodex erkennbare Bildstruktur zu identifizieren, muss erfolglos bleiben. Zu stark unterscheiden sich die gewählten Formen der Bilddarstellung von anderen illustrierten Handschriften aus dem südeuropäischen Raum, besonders von jenen aus dem Genre des Familienbuches. In der Wahl des Reitermotivs wurde Capodilista sicherlich von der im 15. Jahrhundert weitverbreiteten Form des Reiterstandbildes geprägt, die sich in Padua zunächst vor allem im Kontext der Grabarchitektur entwickelte.40 Generell galt das Reiterstandbild als die eindrucksvollste Möglichkeit zur Darstellung einer Einzelperson, war aber in 37 

Cenetti, Lineamenti di Storia della Scrittura Latina (wie Anm.  36), 264. Steinmann, Die humanistische Schrift (wie Anm.  36), 385. 39  So weist beispielsweise fol.  17r. im unteren Bereich ein Loch auf. Die unsaubere Beschneidung der Blätter ist im Faksimile von Blason-Berton nicht erkennbar. 40  Zum Reiterstandbild siehe besonders Beuing, Raphael, Reiterstandbilder der Frührenais38 

192 III. Pergament. Giovan Francesco Capodilista und sein Selbstbild im Capodilista-Kodex den Republiken Oberitaliens in der Regel nur den Heerführern vorbehalten.41 Ein bekanntes Beispiel dafür ist das Standbild des 1443 gestorbenen venezianischen Heerführers Gattamelata, das zehn Jahre nach seinem Tod von Donatello ausgeführt wurde und bis heute auf der Piazza del Santo in Padua steht.42 Grabmäler mit Reiterstandbildern waren aber in Padua schon zu Zeiten der kommunalen Herrschaft und der Carrara-Regierung vorhanden, auch wenn die Carrara für ihre Memorialbilder andere Darstellungsformen wählten.43 Gräber mit Reiterdarstellungen fanden sich dann ab der Mitte des 15. Jahrhunderts in Padua in vielen Kirchen, wie beispiels­ weise das Grabmal des 1381 gestorbenen Ilario Sanguinacci.44 Geschaffen wurden diese Standbilder nicht nur zur Darstellung des Verstorbenen zur Unterstützung seiner Memoria, sondern auch zur Legitimation der noch lebenden und nachkommenden Familienmitglieder, die sich auf die glanzvollen Leistungen des so hervorgehobenen Ahnen berufen konnten.45 Gleichzeitig entwickelte sich die Reiterdarstellung zu einem Element der „kommunalen Ikonographie“46 in Norditalien und wurde zur ehrenden Abbildung einzelner Personen genutzt, wobei das Pferd der Erhöhung des Dargestellten und der Monumentalisierung diente. Auch für die reale Repräsentation sind diese Vorstellungen greifbar. So gab es zunächst ein Privileg, das es nur dem Podestà erlaubte, sich sitzend auf einem Pferd zu zeigen.47 Der Reiter demonstrierte damit politische und militärische Macht. In diesen Zusammenhang sind auch die Reiterbilder des Capodilista-Kodex einzuordnen, die vor allem auf die politische Bedeutung und, in Anknüpfung an die im Herkommen der Capodilista erzählten ritterlichen Erfolge, auf die militärische Durchsetzungsfähigkeit der Familie hinweisen sollen.48 Sie spiegeln damit auch die seit dem 14. Jahrhundert vorherrschende militärisch geprägte Reprä-

sance. Monument und Memoria Münster 2010 (Symbolische Kommunikation und gesellschaftliche Wertesysteme 26). 41  Ebd., 225. Zur Darstellung von Condottieri in Bildern und Statuen siehe Starn, Randolph, Reinventing Heroes in Renaissance Italy, in: Journal of Interdisciplinary History 17 (1986), 67–84, hier 80 f. 42 Dazu Starn, Reinventing Heroes (wie Anm.  41), 81. 43  Beuing, Reiterstandbilder (wie Anm.  40), 33. Starn argumentiert, dass auch die Darstellung des Gattamelata eigentlich ein Cenotaph sei und so vor allem Funktionen der Memoria erfülle. Siehe Starn, Reinventing Heroes (wie Anm.  41), 83. 44  Die Dekoration des Grabes in der Eremitani-Kirche ist heute zerstört. Franco, De viris Illustribus (wie Anm.  4), 219. 45  Ebd., 220. 46  Beuing, Reiterstandbilder (wie Anm.  40), 33. 47  Beuing, Reiterstandbilder (wie Anm.  40), 39. 48  Beuing weist darauf hin, dass Reiterstandbilder beispielsweise nicht für die Darstellung von als gelehrt konnotierten Personen gewählt wurden. Vergleicht man diese Aussage mit der Gelehrtendarstellung innerhalb der Arkaden ist dem auch für die ikonographische Sprache des Capodilista-Kodex zuzustimmen. Beuing, Reiterstandbilder (wie Anm.  40), 240.

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sentation der herrschenden Schichten in Padua wieder.49 Obwohl bereits mit Beginn der Carrara-Regierung in Padua berittene Regimente aus Bürgern abgeschafft wurden, entwickelte sich das Idealbild des reitenden Kriegers weiter, und wurde neben den Standbildern auch in anderen Medien umgesetzt. So zeigen die bis 1384 ent­ standenen Fresken im Oratorio di S. Giorgio beispielsweise Heilige, allen voran St. Georg, als berittene Kämpfer, deren Darstellungsformen stark an die Reiterbilder aus dem Capodilista-Kodex erinnern.50 Gleichzeitig war das in der Region um Venedig seit Petrarca verbreitete Ideal des ritterlichen Humanisten fördernd für die Popularität der Ikonographie des Reiters als Nobilitätssymbol.51 Dazu ist ein besonderes Interesse an höfisch-ritterlicher Literatur, vor allem aus dem französischen Sprachraum, für Padua nachweisbar.52 In Basel selbst erlebte Capodilista dann während seiner Zeit als venezianischer Gesandter nicht weniger als drei aufwändig inszenierte Turniere, aus denen sich Bildvorlagen jeglicher Art und Demonstrationen ritterlichen Verhaltens unmittelbar ergaben.53 All diese ikonographischen Formen und die damit verbundenen sozialen Implikationen von gesellschaftlichem Erfolg können als An­ regungen für die im Capodilista-Kodex genutzten Bildmotive gewertet werden. Eine bestimmte Vorlage für die ungewöhnliche Bildsprache des Capodilista-Kodex kann dabei nicht festgehalten werden. Vielmehr beeinflusste eine Vielzahl kursierender Motive die Ausstattung des Kodex. Die Bedeutung des Reiters als Symbol für sozialen Rang ist aber deutlich. Eine interessante Parallele zwischen der ikonographischen Sprache des Capodilista-Kodex und der weiteren Familiegeschichte ist schließlich ein um 1466 nachweisbares, von Annibale Capodilista in Auftrag gegebenes großes Holzpferd im Besitz der Familie.54 49 Kohl, Benjamin, Government and Society in Renaissance Padua, in: JMRS 2 (1972), 204–221, hier 210. Zur Rolle des Rittertums in den Kommunen und auch in Padua siehe auch Böninger, Lorenz, Die Ritterwürde in Mittelitalien zwischen Mittelalter und Früher Neuzeit. Mit einem Quellenanhang: Päpstliche Ritterernennungen 1417–1464, Berlin 1995, 40. 50  Kohl, Government und Society in Renaissance Padua (wie Anm.  49), 210. Zu den Fresken siehe Baggio, Luca, Altichiero da Zevio nell’Oratorio di San Giorgio. Il restauro degli affreschi. Padua 1999. 51  Folena spricht von einem „umanismo cavalleresco“, der sich vor allem in Venedig etablierte. Damit ging nicht nur eine Beschäftigung mit den Bildtypen der Ritterlichkeit einher, sondern auch eine Blütezeit für die Verbreitung höfisch orientierter Literatur, vor allem aus dem französischen Bereich. Siehe Folena, Gianfranco, La cultura volgare e l’Umanismo Cavalleresco nel Veneto, in: Vittore Branca (Hg.), Umanesimo Europeo e Umanesimo Veneziano, Vene­ dig 1963, 141–158. 52  Vgl. die Werke in der Bibliothek des Benvenuto de’ Lanzarotti, die nach einer Liste von 1402 erschlossen wurden, und die Bibliothek des Piero da Leon, erschlossen nach einer Liste von 1445. Vermutlich handelt es sich dabei um Bibliotheken, deren Kenntnis Capodilista selbst in der Quellenliste des Capodilista-Kodex bezeugt. Siehe Folena, L’Umanismo Cavalleresco (wie Anm.  51), 153. 53  Turniere gab es in Basel im Dezember 1433, im März 1434 und im Januar 1435. Siehe die Berichte Andrea Gataris in Tagebuch des Andrea Gatari (wie Anm.  23), 388, 394 und 413. 54  Das Holzpferd wurde anlässlich einer Feierlichkeit in Auftrag gegeben und brachte dem

194 III. Pergament. Giovan Francesco Capodilista und sein Selbstbild im Capodilista-Kodex Bei der Handschrift B.P. 954 handelt es sich also um ein Werk mit gegensätzlichen Charaktereigenschaften. Auf der einen Seite besticht es durch eine repräsentative Bildausstattung und die stellenweise kostbare Ausführung mit Blattgold. Dem entgegen steht der konzepthafte Charakter der Schrift, der nicht regelmäßige Seitenaufbau mit Ausstreichungen und Korrekturen, die schlechte Qualität des Pergaments und die stellenweise ungeordnet wirkende Gesamtstruktur. Auch in Anbetracht der kompakten Entstehungszeit der Handschrift ist dieser uneinheitliche Charakter bemerkenswert. Er weist aber auch auf die besondere Beteiligung des Verfassers Capodilista bei der Entstehung des Kodex hin, und lässt ihn auffällig in den Vordergrund treten. Sichtbar wird das nicht nur in den als Autograph einzustufenden Texten, sondern auch in den Anmerkungen zu den Illustrationen und der Wahl der Bildmotive, die in ihrer Bildsprache vermutlich auf Vorgaben Capodilistas zurückgehen. In einem weiteren Schritt lässt sich dieser Befund auf die Konzeption und den Inhalt der Texte ausdehnen.

III.1.2. Listen, Urkunden, Biographien: die Texte des Capodilista-Kodex Inhaltlich dient die chronologisch erzählte Familiengeschichte der Familie Capodilista, Transelgardi und der Forzatè als grundlegende Struktur des Kodex. Daran angelagert sind autobiographische Notizen zur Situation Capodilistas zum Zeitpunkt der Abfassung und seiner Biographie. Außerdem versammelt das Werk Abschriften historischer Dokumente aus dem Familienarchiv. Der Kodex beginnt ohne Einführung mit einem Bericht über Capodilistas erste Amtshandlung als Hofpfalzgraf am 17. Februar 1435 in Basel (Blatt 1v). Berichtet wird von der Ernennung eines Antonio Bruges zum Notar. Angeschlossen an die Beschreibung des Ereignisses folgt eine Liste der anwesenden Zeugen. Daran knüpft eine Erzählung von Capodilistas nächster Amtshandlung am 19. Juli 1435, in deren Rahmen er den Adelsstand des Paduaners Manfredo del Cortivo bestätigte und den Cortivo ein neues Wappen verlieh.55 Manfredo del Cortivo wurde dabei von seinem Sohn, Rolando del Cortivo, vertreten, der als Familiare Capodilistas auf dem Basler Konzil war. Schließlich werden weitere Ernennungen dokumentiert, sowohl in Basel als auch in einem Nachtrag von derselben Hand solche nach Capodilistas Rückkehr nach Padua. Diesen Aufzeichnungen unmittelbar gegenüber steht das als ältestes Wappen der Familie bezeichnete Uhrenwappen (Blatt 2r), es folgt eine weitere Wappendarstellung mit dem Hirschwappen der Capodilista (Blatt 3r).56 Erst auf Blatt 4r, Palazzo Capodilista den Beinamen del Cavallo ein. Es ist nicht identisch mit dem großen Holzpferd, das heute noch in Padua im Palazzo della Ragione steht. Beuing, Reiterstandbilder (wie Anm.  40), 202. 55  Zum Wappenbrief der del Cortivo siehe unten. 56  Ausführlich dazu siehe weiter unten.

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nach den zwei Bildseiten mit den beiden älteren Familienwappen, beginnt mit der Invocatio und der Datierung des Kodex der Hauptteil, so dass die ersten Textpassagen wie ein Einschub wirken. Sie sind auch später datiert als die Invocatio, die das Jahr 1434 nennt. Capodilista beginnt sein Werk mit einer Beschreibung zur Entstehung der Handschrift und einer ersten knappen Liste einiger von ihm gesammelten Quellen. Als Einschub innerhalb dieser Aufzählung zitiert er eine Liste, die den Landbesitz der seit langem ansässigen Familien in Padua und der Region aufführt. Danach kehrt Capodilista wieder zur Auflistung seiner Quellen zurück und zählt in einer ausführlichen, über zwei Blätter umfassenden Liste alle von ihm für die Ab­ fassung des Kodex eingesehenen Dokumente und Texte auf, die er jeweils kurz charakterisiert und als deren Besitzer er Mitglieder der städtischen Oberschicht Paduas nennt (Blatt 4v–5r). Im hinführenden Text zu dieser Quellenliste erwähnt er auch seine Motivation zur Abfassung des Codex: zur Belehrung der Kinder und zukünftigen Nachkommen der Familie über die edlen Taten ihrer Vorfahren, um sie so zu eigenen Leistungen anzuregen und die Ehre der Familie zu mehren sowie zur Memoria der Verstorbenen. An die Quellenliste schließt sich eine Namensliste aller in den Dokumenten genannter Familienmitglieder an (Blatt 5v–6r), auf die dann die 26 Einzelbiographien mit den Reiterportraits folgen (Blatt 7r–32r). Die den Bildern zugeordneten Texte unterscheiden sich vor allem in ihrer Länge, wobei grundsätzlich die Biographien umso länger sind, je weiter die Lebenszeit der vorgestellten Person in der Vergangenheit liegt. Grund dafür ist die Erzählung des familiären Herkommens, die besonders in den ersten Biographien einen weiten Raum einnimmt. Nach dem letzten Reiterportrait, das Capodilista selbst zeigt und einige Eckdaten seiner Biographie nennt, folgt die Kopie eines Privilegs Karls des Großen für die Familie Capodilista und spätere Bestätigungen des Privilegs durch die Könige Friedrich I. und II. (Blatt 32v).57 Daran schließen sich die Bildseiten mit den Gelehrtendarstellungen an (Blatt 33r und 34r). Eine Beschreibung des neuen großen Siegels, das Giovan Francesco Capodilista nach der Ernennung zum Hofpfalzgraf durch Kaiser Sigismund zu führen berechtigt war, und eine Abschrift eines Privilegs von Guglielmo da Casale, dem General des Minoritenordens, für Capodilista folgen (Blatt 35v). Im Anschluss an das danach abgebildete neue Wappen der Familie (Blatt 36r) wird abermals die bereits mehrfach in Einzelbiographien erläuterte Herkunftsgeschichte der Familie erzählt, diesmal als Abschrift aus der den Annalen des d’Alessio zugehörigen Chronik des Giacomo Ardenghi gekennzeichnet (36v). Der letzte Textabschnitt enthält eine Übersetzung einer Legationsurkunde für Pietro Capodilista dei Transelgardi, versehen mit der Federzeichnung des Tragekreuzes (Blatt 37r–37v). An sie schließen sich fünf Zeugenbeglaubigungen an, die Echtheit und Glaubwürdigkeit der Übersetzung der Urkunde aus dem Aramäischen bestätigen, alle von der Hand Capodilistas (Blatt 38r). Die Beglaubigung des Übersetzers, Giorgio di San Nicola dell’Armenia, 57 

Die Urkunde Karls des Großen ist in den Regsta Imperii verzeichnet, allerdings im Nachgang als „Fälschung der plumpesten Art“ gekennzeichnet. Siehe RI I, Nr.  501.

196 III. Pergament. Giovan Francesco Capodilista und sein Selbstbild im Capodilista-Kodex ist auf 1433 datiert. Auf dem letzten Blatt sind Notizen, teilweise von späteren Händen, eingefügt, die sich auf die Stadtgeschichte Paduas beziehen, den Bau eines ­Palazzos dokumentieren und schließlich vermerken, dass der Capodilista-Kodex aus 38 Blättern und einem Stammbaum bestehe. Der Stammbaum ist heute verloren und es ist nicht mehr erkennbar, ob er ursprünglich in die Handschrift eingebunden wurde oder als loses Blatt beilag. Dieser kurze Überblick verdeutlicht die große inhaltliche Bandbreite der im Kodex gesammelten Texte. Diese Zusammenstellung aus zusammenhängendem, auf die Familie fokussiertem historiographisch-chronistisch ausgerichtetem Text und anderen Versatzstücken wirkt auf den ersten Blick ungeordnet. Die ständig wechselnden Formate – Kurzbiographien, Listen, Quellenverzeichnisse, autobiographische Notizen, Abschriften – scheinen auf kein einheitliches Konzept hinzudeuten. Betrachtet man aber die reine Abfolge der Textstücke in Verbindung mit den Bildteilen, eröffnet sich der Blick auf ein tiefer liegendes Muster. Lässt man den allerersten Teil des Kodex, der persönliche Notizen zu Capodilistas aktueller Tätigkeit enthält und nachträglich angehängt ist,58 sowie die letzten Notizen von teilweise jüngeren Händen außer Acht, zeigt sich eine sich dreimal wiederholende Struktur. Auf jede Darstellung der Familie, sei es durch die Einzelportraits mit biographischen Erläuterungen, die Gruppendarstellung der Gelehrten oder den Textauszug mit der Herkunftsgeschichte der Familie aus der den Annalen des d’Alessio zugehörigen Chronik des Giacomo Ardenghi, folgt eine Urkunde. Sieht man diese Urkunden als Markierungen für einen neuen Abschnitt, erhält man folgendes Bild: Auf die Einzelpersonendarstellungen folgt eine Urkunde Karls des Großen, auf die Gruppendarstellung eine Urkunde des Generalministers des Franziskanerordens für Giovan Francesco Capodilista und auf den Auszug aus der Chronik des Ardenghi eine Urkunde für Pietro Capodilista dei Transelgardi. Die jeweils den Urkunden vorhergehenden Darstellungen der Familie vermitteln drei verschiedene Sichtweisen auf die Leistungen der Familienangehörigen. Die Einzelportraits dokumentieren Leistungen auf militärischer, politischer und diplomatischer Ebene. Die Gruppendarstellungen dokumentieren die Zugehörigkeit der Familie zur Gruppe der Gelehrten. Der dritte Abschnitt dokumentiert in schrift­ licher Form den Ruhm der Familie aus der Außenperspektive des Chronisten. Die Urkunden bestätigen jeweils die geschilderte Leistung. Die erste Urkunde, die auf Karl den Großen zurückgeführt wird, beglaubigt die wichtigsten Verdienste der Familie im gesellschaftlichen politischen Rahmen. Die Urkunde des Generalministers, in der die Familie in die Gebetsbruderschaft des Franziskanerordens aufgenommen wird, bestätigt ihre Position im akademischen und intellektuellen Milieu, vertreten durch eine Einzelperson, Giovan Francesco selbst. Die letzte Urkunde folgt auf die Herkunftserzählung, in der sich drei Brüder in einer militärischen Aktion Ruhm und 58 Die Tatsache, dass diese autobiographischen Notizen vor der auf Blatt 4r platzierten I­nvocatio stehen, die traditionell an den Anfang eines Libro di famiglia gehört, lässt diesen Einschnitt sinnvoll erscheinen.

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Ehre erwerben. In ihr wird der Gelehrte Pietro Capodilista dei Transelgardi als päpstlicher Legat in Jerusalem bestätigt. In diesem letzten Abschnitt verbinden sich mit der Hekunftsgeschichte und der Legationsurkunde alle Ebenen, auf denen die Familie Macht und Ansehen erworben hat: Durch militärische und diplomatische Erfolge und durch akademische und intellektuelle Leistungen. Obwohl also die Konzeption des Capodilista-Kodex auf den ersten Blick wenig strukturiert erscheint, manifestiert sich in ihr ein grundlegender Anspruch: Die Darstellung des Ruhmes und der Ehre der Familie Capodilista auf verschiedenen Ebenen. Gesellschaftliche und akademische Erfolge werden durch Urkunden und Aus­ züge aus Chroniken bestätigt und bewertet, und bringen dem Werk so eine Glaub­ würdigkeit jenseits der eigenen Aussage des Verfassers ein. So entsteht ein breites und zunächst stimmiges Bild einer Familie, deren Bedeutung auf persönlichem Verdienst, intellektueller Fähigkeit und politischer Aktivität basiert. Auf der äußerlichen Ebene bricht sich dieses Bild aber schnell in der konzepthaften Ausführung der Schrift, den zahlreichen Kommentaren, Unterstreichungen und Randbemerkungen. Auch die Einschübe auf den ersten Seiten und am Ende der Handschrift lassen darauf schließen, dass Capodilista zwar eine ausgefeilte Struktur für sein Werk erdacht hatte, diese aber während der Ausführung immer wieder revidierte und neu umformte. Dass der Kodex in der ursprünglichen Anlage aber als repräsentatives Werk konzipiert war, wird durch Ausstattung und Struktur deutlich. Fraglich bleibt, ob die Ausführung der Texte als Hinweis auf einen rein familiären Adressatenkreis gelesen werden muss, oder ob sich im Bruch zwischen Bild und Text ein Wandel der Verfasser­ intention findet.59 Letztendlich führt dieser Widerspruch zwischen Bild und Text aber dazu, dass Giovan Francesco Capodilista selbst als Verfasser des Werkes immer wieder deutlich in den Vordergrund tritt, und in den unbeabsichtigten Lücken und Widersprüchen auf der Textebene und in der Struktur des Kodex seine Handlungsinten­ tionen und Verfassermotivation sichtbar werden.

III.1.3. Zum Verhältnis von Text- und Bildebene Die Struktur des Kodex sowie die Erwartungen des modernen Lesers lassen auf den ersten Blick den Schluss zu, dass die Textelemente und Bildausstattung der Handschrift in einem engen Verhältnis zueinander stehen müssten. Zu sehr erinnert die Ausstattung, vor allem die von Text umgebenen ganzseitigen Reiterdarstellungen, an das Format des modernen Bilderbuches. Umso bemerkenswerter ist es, dass zwi59  Franco argumentiert anhand des Schriftbildes und der Ausführung durch Capodilista selbst dahingehend, dass der Capodilista-Kodex nie zur Repräsentation jenseits des familiären Rahmens konzipiert gewesen sei. Die Rezeption des Bildprogramms durch Michele Savonarola in den 1440ern und die Wanderung von Bildmotiven in andere Medien, wie sie das Uhrenwappen im Wappenbrief der Cortivo unternahm, widersprechen diesem Konzept allerdings. Franco, Gli avi in miniatura (wie Anm.  4), 109, zum Wappenbrief siehe weiter unten.

198 III. Pergament. Giovan Francesco Capodilista und sein Selbstbild im Capodilista-Kodex schen beiden Elementen fast keine Verknüpfungen bestehen, sieht man von den zu den Bildern gehörigen Beischriften ab.60 Weder verweist der Text an irgendeiner Stelle explizit oder implizit auf die Bilder, noch sind Elemente der schriftlichen Beschreibung auf den ersten Blick in den Bildern erkennbar. Das fällt besonders bei den drei ganzseitigen Wappendarstellungen auf den Blättern 2r, 3r und 36r auf (Abb. 1, 2 und 8). Die ersten beiden Wappen werden von Texten zur aktuellen Situation Capodilistas und der Auffindung der Annalen des d’Alessio begleitet. Weder referiert der Text an diesen Stellen Familiengeschichte, noch sind den Wappenseiten bestimmte Textpassagen zugeordnet. Auch das letzte Wappen steht am Ende des Kodex ohne Zuordnung zu einer bestimmten Textpassage. Erklärt werden die Darstellungen jeweils nur über die knappen Beischriften. Allerdings ist davon auszugehen, dass die ersten beiden Wappen ursprünglich als eine Art Titelblatt konzipiert waren, und ohne dazugehörigen Text vor allem besitzanzeigende Funktionen übernehmen sollten. Die Textpassagen zur Amtsausübung Capodilistas auf Blatt 1r wurden erst nachträglich eingefügt. Auch in der Reiterreihe sind die nur geringen Berührungspunkte zwischen den Kurzbiographien und den Darstellungen auffällig. Die 26 Portraits sind jeweils räumlich unmittelbar Textpassagen zugeordnet, die den verbleibenden Raum der Seite füllen und in einem Fall sogar überschreiten.61 Dabei sind die Bilder in Ansätzen an den Inhalt der jeweiligen Biographie angepasst. Grundlegende Elemente, wie die Darstellung eines Klerikers passend zur Biographie eines Geistlichen, die Darstellung des Wappens und weitere Charakteristika entsprechen teilweise den im Text erwähnten Besonderheiten der einzelnen Familienmitglieder. So führen die drei legendarischen Brüder der Herkunftserzählung der Familie, Giovanni, Transelgardo und Carlotto sowie der über eine spätere Urkunde zusätzlich präsente Pietro Capodilista (Abb. 3), das bereits auf Blatt 2r als älteres Wappen der Familie eingeführte heraldische Symbol der grünen Wellen im weißen Schild. Andere Darstellungen weisen auf das Alter der Dargestellten oder ihre Persönlichkeit hin. So wird der mit nur 22 Jahren verstorbene Federico auf Blatt 11r als junger Mann in höfischer Kleidung abgebildet, der einen Jagdvogel mit sich führt, wie Enrico Forzaté auf Blatt 18r (Abb. 4). Ähnliches gilt für „Pisanus Capud Liste, miles et corpore ceteris ea etate ut dicitur formosior“, der in prunkvollen, pelzverbrämten Gewändern mit einem bemerkenswerten, breitkrempigen Hut und mit Blattgoldelementen elegant verzierten nachtblauen Stiefeln dargestellt wird.62 Andere Familienmitglieder tragen Rüstun60  Als

Beischrift sind kurze Bezeichnungen, Namensnennungen oder erklärende Hinweise definiert, die einem Bild zugeordnet sind. Sie stehen in einem engen Verhältnis zur jeweiligen Darstellung, und werden im Falle des Capodilista-Kodex nicht dem Textkorpus zugerechnet. Jacobi, Christine, Buchmalerei. Ihre Terminologie in der Kunstgeschichte, Berlin 1991, 33. 61  Die Biographie Giovannis dei Transelgardi zieht sich über die für sie vorgesehene Seite noch auf die verso-Seite des vorherigen Blattes, die sonst gewöhnlich frei bleibt. Siehe B.P. 954, fol.  7r. 62  B.P. 954, fol.  27.

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gen, wenn sie aus bewaffneten Konflikten ruhmreich hervorgegangen waren, oder in Anspielung auf ihren Bildungsgrad akademische Kleidung.63 Gleichzeitig transportieren die Bilder aber auch Informationen, die nicht im Text erwähnt werden, oder weichen von den Beschreibungen ab. So trägt Enrico Forzatè dei Transelgardi in seinem Portrait das Tau mit einer Glocke um den Hals, das auch als das Ordenskreuz des Antoniterordens galt (Abb. 4).64 Ob tatsächlich eine Affi­ liation Enrico Forzatès mit dem Antoniterorden gemeint ist, oder ob es sich nur um einen Hinweis auf den allerdings nicht mit dem gleichnamigen Orden in Verbindung stehenden Heiligen Antonius von Padua handelt, ist durch die fehlende Textreferenz unklar. Die Kurzbiographie Enricos stellt ihn als Krieger vor, der zu den Bürgern Paduas gehörte, die gegen Ezzelino III. da Romano gekämpft hätten. Er sei auch zum Grafen von Conio, einem Ort bei Rubano, ernannt worden. Eine Nähe zu einem ­religiösen Orden wird nicht erwähnt. Allerdings passt auch Enrico Forzatè dei Transelgardis Kleidung nicht zum Text, denn obwohl er als Ritter und Krieger eingeführt wird, trägt er höfisch anmutende Kleidung und einen Jagdvogel auf dem Arm. Ähnliches gilt für das Reiterportrait Giovan Francescos. Während der Text zwar Auskunft über seine Tätigkeit als Lehrender an der juristischen Universität in Padua gibt und seine diplomatische Tätigkeit für Venedig auf dem Basler Konzil nur am Rande vermerkt, sind die Spuren seines Erfolgs auf der politischen Bühne in seinem Portrait deutlich zu erkennen. Vor allem die abgebildeten ritterlichen Ordensabzeichen weisen deutlich darauf hin, werden aber im Text nicht erwähnt. Für beide Darstellungen gilt also, dass sie ein visuelles Plus beinhalten: sie zeigen mehr und andere Informationen als der ihnen zugeordnete Text. Die Gelehrtendarstellung über zwei Blätter hinweg ist, wie die Wappendarstellungen, eines der Bildelemente, die keine Anbindung zu Textpassagen aufweisen (Abb. 6 und 7).65 Im Gegensatz zu den Wappen ist diese Gruppendarstellung aber lose mit dem Text verknüpft. In den Passagen unmittelbar vor der Quellenliste, die auch Capodilistas Kommentare zur Entstehung und Verfassermotivation bieten, kündigt Giovan Francesco an, zunächst die Ritter und anschließend die Gelehrten der Familie vorzustellen. Die Gruppendarstellung erfüllt den zweiten Teil dieser Ankündigung. Im Gegensatz zu den Reiterportraits enthält sie aber nur Beischriften mit kurzen Erklärungen zu den dargestellten Personen. Für alle untersuchten Bildelemente sind Anknüpfungspunkte zwischen Text und Bild also nur in geringem Ausmaß festzustellen. Das ist insofern erstaunlich, als dass die Konzeption des Kodex eigentlich deutlich mehr Zusammenhänge vermuten ließe. Damit kann die Bildausstattung nicht als Illustration des Textes gewertet, sondern

63 Siehe

z. B. den als Diplomaten vorgestellten Vazone dei Transelgardi, der elegant in Mantel und Barett dargestellt wird, oder den als Ritter eingeführten Tedusio dei Transelgardi, der in Rüstung abgebildet wird. B.P. 954, fol.  15r und 14r. 64  B.P. 954, fol.  18r. 65  B.P. 954, fol.  33r und 34r.

200 III. Pergament. Giovan Francesco Capodilista und sein Selbstbild im Capodilista-Kodex muss als eigenständiges narratives Medium betrachtet werden.66 Dabei entsteht allerdings kein sich über mehrere Bildseiten hinweg entfaltender Erzählstrang. Vielmehr entwickelt jede Darstellung, vor allem außerhalb der Reiterreihe, bis zu einem gewissen Grad ein eigenes Narrativ, das vom kundigen Leser aufgeschlüsselt und so sichtbar gemacht werden kann. Als Beispiel dafür kann die vielschichtige Funktion des den Kodex auf Blatt 2r eröffnenden ältesten Familienwappens gelten, das in seinen unterschiedlichen Bedeutungsschichten weit über die schlichte Darstellung eines ­heraldischen Symbols hinausgeht und weiter unten ausgedeutet werden soll.67 Teilweise werden diese Narrative durch den Text unterstützt, vorbereitet und weiterentwickelt. Stellenweise, wie im Falle des Uhrenwappens, stehen sie aber auch losgelöst von ihrer textuellen Umgebung. Während der Text einige der Bilder in ihrer Ausführung letztendlich doch beeinflusst, greifen die Bilder umgekehrt selbst nicht in die Textebene ein. Sie beeinflussen lediglich als gliedernde Elemente innerhalb des Kodex die Struktur, die jedoch durch nachträglich eingefügte Texteinträge, wie die eröffnenden zeitgenössischen Bemerkungen auf Blatt 1r, wieder aufgebrochen wird. Die Bedeutung der Bildelemente für den Kodex ist gleichwertig mit jener der Textpassagen zu werten, wie eine nähere Analyse beider Elemente zeigen wird. Dass beide Elemente von Capodilista bewusst konzipiert wurden, zeigen ungewöhnliche Details in der Bildsprache, die auf eine direkte Beeinflussung hinweisen. Der hohe Gehalt an lesbaren Informationen innerhalb der Bilder, wie ihn beispielsweise das Uhrenwappen auf Blatt 2r aufweist, und die hohe Dichte an spezifischen Zeichen innerhalb der Reiterreihe verdeutlichen dies. Dazu gehören Details wie die ritterlichen Ordensabzeichen im Portrait Capodilistas oder seine an die Kleiderordnung der Universität Padua angepasste Ausstattung. Ohne eine hohe Einflussnahme Capodilistas bei der Entstehung der Bilder wäre diese Vielschichtigkeit der in den Bildern erkennbaren Informationen nicht zu erreichen gewesen. Die Bilder sind so Träger von Informationen und Teil eines eigenen intrinsischen Zeichensystems, das der Leser aufzuschlüsseln aufgefordert wird. Dabei verweisen sie gleichzeitig wieder über sich hinaus, unter anderem auf andere externe Zeichensysteme wie Kleiderordnungen, heraldische oder politische Symbole.68 Sie setzen damit ein höheres Maß an Leserengagement voraus als der Text des Kodex und verlangen einen insbesondere über Padua und die Geschichte der Stadt informierten „visuell literaten“69 Leser. Besonders deutlich wird das bei den Wappendarstellungen, die neben den inhärent der Heraldik zukommenden Systemen noch auf andere, kontextspezifische Wissensbe66  Als

„Illustration“ wird die textbezogene Ausstattung einer Handschrift definiert. Siehe Jacobi, Buchmalerei (wie Anm.  60), 18. 67  Zur Aufschlüsslung der narrativen Schichten im Uhrenwappen siehe weiter unten. 68  Über die Relevanz von Bildern als lesbare Zeichensysteme und die Bedeutung des in Bildern verschlüsselten Informationsgehalts vgl. die Überlegungen bei Manuwald, Henrike, Medialer Dialog: Die ‚Große Bilderhandschrift‘ des Willehalm Wolframs von Eschenbach und ihre Kontexte, Tübingen/Basel 2008 (Bibliotheca Germanica 52), hier 28 f. 69 Manuwald, Medialer Dialog (wie Anm.  68), 33.

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stände hinweisen. Der hohe Grad der Eigenständigkeit von Bild und Text fordert daher dazu auf, beide Systeme sowohl in Verbindung miteinander als auch getrennt voneinander zu untersuchen. Gerade die nur in geringem Umfang vorhandenen Verknüpfungen zwischen Bild und Text verdeutlichen, dass beide Elemente narrative Strategien Capodilistas zur Übermittlung eines jeweils spezifischen Inhalts darstellen. Auch der unterschiedliche Informationsgehalt beider Elemente ist ein deutliches Zeichen für die jeweilige Eigenständigkeit. Die folgende Analyse wird daher beide Elemente als gleichwertig betrachten und nebeneinanderstellen.

III.1.4. Ein Libro di famiglia oder eine Sammlung von Viri illustres? Zur Gattungsproblematik vor dem Hintergrund der stadtchronistischen Tradition Paduas Die komplexe Struktur des Capodilista-Kodex erschwert durch die Vielfalt der verwendeten Textformen und Inhalte die Einordnung des Werkes in eine bestimmte Gattung. Er erscheint vielmehr als Mischwerk, das Züge verschiedener Genres in sich vereint. Zunächst ist der Capodilista-Kodex vor allem der Gruppe der Libri di famiglia70 zuzuordnen. Dieses Genre entstand wie die sich im Spätmittelalter nördlich der Alpen verbreitenden Familienbücher in unterschiedlichen Kontexten,71 wobei die Libri di famiglia sich in vielen italieinischen Städten insbesondere in der Toskana als Modelle städtischer Familiengeschichtsschreibung aus der als pragmatische Schriftlichkeit72 verstandenen Textproduktion des Handels entwickelten. Den im Handesl70 Die Terminologie dieser Literaturgattung ist vielfältig. Benutzte Bezeichnungen sind n­ eben Libro di famiglia auch Ricordanze, Ricordi domestici, Diari, Memorie di famiglia, ­Cronache familiari oder schlicht Cronache. Zur Entwicklung der Begrifflichkeit siehe Irace, Erminia, La memoria formalizzata: dai libri di famiglia alle prove di nobiltà per gli Ordini cavallereschi, in: Claudia Bastia/Maria Bolognani (Hg.), La Memoria e la Città. Scritture storiche tra Medioevo ed Età Moderna, Bologna 1995, 73–103. Umfangreich ist die Forschungsliteratur, die in den letzten Jahrzehnten zu den Ricordanze und Libri di famiglia entstand, vor allem zu der Überlieferung in Florenz. Stellvertretend mit einem aktuellen Forschungsüberblick siehe dazu Ciapelli, Giovanni, Memory, Family and Self. Tuscan Family Books and Other European Egodocuments (14th-18th century), Leiden/Boston 2014 (Egodocuments and History Series 6). 71  Zur Terminologie und Gattungsbeschreibung der Haus- und Familienbücher vgl. Studt, Birgit, Haus- und Familienbücher, in: Josef Pauser (Hg.), Quellenkunde der Habsburgermonarchie (16.–18. Jahrhundert), Wien/München 2004 (MIÖG 44), 753–766. Zur Entwicklung der Erforschung der Libri di famiglia und zur Literatur siehe Weiand, Christof, „Libri di famiglia“ und Autobiographie in Italien zwischen Tre- und Cinquecento, Tübingen 1993 (Romanica und Comparatistica 19), hier 4 f. Wegen der ausgezeichneten Bibliographien in den hier genannten Titeln wird von einer umfangreichen Auflistung einschlägiger Literatur an dieser Stelle abge­ sehen. 72  Zum Begriff der pragmatischen Schriftlichkeit in diesem Zusammenhang siehe Neddermeyer, Uwe, Von der Handschrift zum gedruckten Buch. Schriftlichkeit und Leseinteresse im Mittelalter und in der frühen Neuzeit. Quantitative und Qualitative Aspekte. Band  1: Text,

202 III. Pergament. Giovan Francesco Capodilista und sein Selbstbild im Capodilista-Kodex kontext entstandenen Texten wurden Notizen zur Familiengeschichte angelagert, und aus dieser Frühformen entwickelte sich eine im Verlauf des 13. Jahrhunderts fast im gesamten italienischen Raum verbreitete Schriftkultur, deren kommunikative Funktion auf den Rahmen der Familie ausgerichtet war.73 Am bekanntesten ist die besonders umfangreiche Überlieferung aus Florenz, obwohl die literarische Produktion nicht auf diesen geographischen Raum beschränkt war.74 Die Texte richteten sich gezielt an die nachfolgenden Generationen, tradierten Wissen über Familienmitglieder wie Geburts-, Hochzeits- und Sterbedaten, aber auch Alltagsereignisse in chronikaler Form. Häufig standen sie an der Grenze zwischen oraler und schriftlicher Erinnerungskultur, griffen aber auch, wo vorhanden, auf Familienarchive zurück und tradierten wichtige Schriftstücke der Familie.75 Dazu enthielten sie oft gesammelte Hinweise und Hilfestellungen zur Haushaltsführung und Organisation.76 Inhalt und Form dieser Libri oder Ricordanze waren breitgefächert,77 und reichten von einer Informationssammlung mit zahlreichen autobiographischen Anmerkungen des Schreibers bis hin zur reinen Aufzeichnung wirtschaftlicher Entwicklungen mit nur gelegentlich eingearbeiteten Daten und Namenslisten. Die Gattung zeichnet sich also durch eine hohe Flexibilität in Bezug auf Inhalt, Struktur und Verwendung aus.78 Der Capodilista-Kodex ist eindeutig einer solchen Gattungstradition zuzuordnen, wenn ihn auch äußerlich wenig mit den meisten Libri di famiglia verbindet. Einige charakteristische Elemente sind aber deutlich wiederzufinden. Üblich ist zum Beispiel die Abfassung durch das Familienoberhaupt, und auch Capodilista schrieb über seine Familie und ihre Geschichte mit der Autorität eines pater familias. Als formelles Element ist die Invocatio zu nennen, typisches Merkmal eines Libro di famiglia, und im Capodilista-Kodex mit der Anrufung Christi und Marias und der Nennung Wiesbaden 1998 (Buchwissenschaftliche Beiträge aus dem Deutschen Bucharchiv München 61), 184 f. 73  Rubinstein, Nicolai, Family, Memory, and History, in: Giovanni Ciapelli/Patricia Lee Rubin (Hg.), Art, Memory, and Family in Renaissance Florence, Cambridge 2000, 39–47, hier 39 74  Die Forschungsliteratur zu den florentinischen Libri di famiglia ist besonders ausufernd. Als Überblick über die Forschung und die literarische Funktion ist dienlich Ciapelli, Memory, Family and Self (wie Anm.  70), 4 f. und Dersel., Family Memory. Functions, Evolution, Recurrences, in: Giovanni Ciapelli/Patricia Lee Rubin (Hg.), Art, Memory, and Family in Renaissance Florence, Cambridge 2000, 26–38. 75  Rubinstein, Family, Memory, and History (wie Anm.  73), 40. 76 Vgl. Studt, Birgit, Einführung, in: Diesl. (Hg.), Haus- und Familienbücher in der städtischen Gesellschaft des Spätmittelalters und der Frühen Neuzeit, Köln 2007. (Städteforschung 69), IX–XX., hier Xf. 77  Treffend formulieren Cicchetti/Mordenti in ihrer klassischen Definition den Themenbereich der Gattung als „il mondo della famiglia nel tempo della quotidianità“. Vgl. Cicchetti, Angelo/Mordenti, Raul, La scrittura dei libri di famiglia, in: Alberto Aso Rosa (Hg.), Letterature italiana. Volume terzo: Le forme del testo. 2. La Prosa, Turin 1984, 1117–1159, hier 1118. 78  Ciapelli, Memory, Family and Self (wie Anm.  70), 13.

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von Zeit und Ort zu Beginn des Haupttextes auf Blatt 4r zu finden.79 Auch die Motivation zur Abfassung, die Capodilista auf Blatt 4v festhält, entspricht den in den Libri di famiglia üblichen Erklärungen: Zur Erinnerung an die Verstorbenen und zur Belehrung der Lebenden und Nachgeborenen.80 Inhaltlich verbindet die Mischung aus familiärer Genealogie, Listen über Besitzungen, Abschriften von wichtigen Urkunden der Familie und mit autobiograpischen Kommentaren versehenen Informationen über das politische Geschehen den Capodilista-Kodex mit den Libri di famiglia. Die Biographien der einzelnen Familienmitglieder enthalten soweit möglich genaue Angaben über die politische Karriere des einzelnen und, wo vorhanden, auch persönliche Informationen. Untypisch sind die teilweise großen zeitlichen Lücken zwischen den Biographien, die aus der Reihe der Reiter keine einheitliche genealogische Kette werden lassen. Stattdessen werfen die einzelnen Biographien Schlaglichter auf besonders bemerkenswerte Personen und deren Handlungen, die für die Entwicklung und das Prestige der Familie hoch eingeschätzt werden. Auffällig ist auch die im gesamten Kodex sichtbare Einbettung der Familiengeschichte der Capodilista in den Rahmen der Stadt Padua und die untrennbare Verknüpfung zwischen Familie und Herkunftsort, was zusätzlich über die Platzierung des Stadtwappens in beinahe allen Darstellungen deutlich erkennbar ist. Immer wieder wird die Verbindung zwischen der Stadt und der Familie betont, sei es in Einzelbiographien, die das politische Geschehen Paduas untrennbar mit Familienmitgliedern der Capodilista verbinden, oder in einer Liste, die wichtige Familien der Stadt mit ihren Besitzungen aufführt, und so die Capodilista unmittelbar in eine über materiellen Wohlstand definierte städtische Hierarchie eingliedert.81 Gleichzeitig dient diese enge Anbindung an die politischen Geschicke der Stadt der Einschreibung der Capodilista in die städitsche Elite, die zum Zeitpunkt der Abfassung des Capodilista-Kodex allerdings an Bedeutung verloren hatte. Die enge Verbindung zwischen der Stadt und der Familie spiegelt damit auch die im Veneto und speziell in Venedig verbreitete Gewohnheit wieder, die Taten der einzelnen Familie wesentlich stärker in den Kontext der Stadtgeschichte einzufügen, als es beispielsweise bei den florentini79  Für den Capodilista-Kodex spielt die Invocatio eine besondere Rolle. Ihre Positionierung auf Blatt 4r weist darauf hin, dass der eigentliche Haupttext erst nach dieser Anrufung beginnt. Die vorgeschalteten Bemerkungen wären dementsprechend nachträglich hinzugefügt, was die im Vergleich zum Hauptteil spätere Datierung ohnehin vermuten lässt. Zur Rolle der Invocatio in den Libri di famiglia siehe Cichetti/Mordenti, La scrittura dei libri di famiglia (wie Anm.  77), 1119. 80  Vgl. B.P. 954, 4v. Zur Motivation vgl. Cichetti/Mordenti, La scrittura dei libri di famiglia (wie Anm.  77), 1127. 81 Zur Praxis der Verknüpfung von Stadtgeschichte und Familiengeschichte in Libri di famiglia mit Fokus auf die Überlieferung aus Florenz siehe Ciapelli, Giovanni, La memoria degli eventi storici nelle ricordanze private fiorentine (Secc. XIII–XV), in: Claudia Bastia/ Maria Bolognani (Hg.), La Memoria e la Città. Scritture storiche tra Medioevo ed Età Moderna, Bologna 1995, 123–150.

204 III. Pergament. Giovan Francesco Capodilista und sein Selbstbild im Capodilista-Kodex schen Libri di famiglia der Fall ist.82 Nur wenige solcher Werke aus Venedig, dem Veneto und Padua sind heute überhaupt bekannt. Stattdessen waren Aufzeichnungsformen verbreitet, die als städtische Chroniken auch Informationen zur Geschichte einzelner Familien enthalten, wie sie in Padua die Chronik De Generatione des Giovanni da Nono repräsentiert.83 Auffallend und abweichend von den Gattungskonventionen der Libri di famiglia ist ebenso die durch die autobiographischen Elemente enstandene enge Anbindung des Capodilista-Kodex an seinen Verfasser Giovan Francesco Capodilista. Während die Libri di famiglia besonders auf die Kontinuität der Familie hinweisen und die Entwicklungslinie des einzelnen Hauses von den ruhmreichen Taten der Vorgänger über den Verfasser hinweg bis hin zu seinen Nachkommen zeichnen, finden die Kinder und Enkel Giovan Francescos nur am Rande Erwähnung. Ein weiterer, deutlich sichtbarer Unterschied ist die aufwändige Ausstattung des Capodilista-Kodex. Die meist als persönliches Instrument des jeweiligen Verfassers fungierenden Libri di famiglia waren kaum illuminiert und wurden selten außerhalb des familiären Rahmens genutzt.84 Der in der Ausstattung des Capodilista-Kodex deutlich werdende Prestigeanspruch und die darin zu vermutende Ambi­ tion, das Werk als Medium zur Repräsentation familiären Selbstbewusstseins zu nutzen, sind damit kaum zu vereinbaren. Auch die Gliederung der Familiengeschichte in deutlich voneinander getrennte und stark individualisierte Einzelbiographien ist für das Genre der Libri di famiglia ungewöhnlich. Diese durchkomponierte Struktur entspricht aber einer anderen literarischen Gattungsform, die den Capodilista-Kodex stark beeinflusste: der De Viris Illustribus-­ Tradition. Diese Biographiensammlungen85 berühmter Männer waren eine auch in Padua seit der Mitte des 14. Jahrhunderts verbreitete Literaturform. Deutlich ist die 82  In

Venedig zeigt sich diese enge Verknüpfung von Familie und Stadt darin, das nur ein einziges explizit als solches zu definierendes Libro di famiglia überhaupt überliefert ist. Nach Grubb schrieben Venezianer keine familienhistoriographischen Werke, sondern eher politische Chroniken, in denen die Taten der Familie untrennbar mit dem Geschick der Stadt Venedig verknüpft wurden. Dazu entstanden andere Genres, die den Libri di famiglia ähnliche Zwecke erfüllten. Siehe Grubb, James, Memory and identity: why Venetians didn’t keep ricordanze, in: Renaissance Studies 8 (1994), 375–387. Ähnlich Dersl., Libri private e memoria familiar: esempi dal Veneto, in: Claudia Bastia/Maria Bolognani (Hg.), La Memoria e la Città. Scritture storiche tra Medioevo ed Età Moderna, Bologna 1995, 63–72. Weiter Dersl., Family Memories from Venice (15th – 17th Centuries), Viella 2009. Vorher bereits Hyde, John, Some uses of literacy in Venice and Florence in the thirteenth and fourteenth centuries, in: Transactions of the Royal Historical Society 29 (1979), 109–128. 83  Grubb, Memory and Identity (wie Anm.  82), 382. Zur Chronik des Giovanni da Nono siehe weiter unten. 84  Grubb, Memoria familiare (wie Anm.  82), 71. 85  Schürer verwendet den Begriff der „kompilatorischen Biographik“, der auch auf die Biographiensammlung des Capodilista-Kodex zutrifft. Schürer, Markus, Die Enzyklopädie der berühmten Männer und Frauen. Domenico Brandini, sein Fons memorabilium universi und die kompliatorische Biographie der Renaissance, Tübingen 2017 (SMHR 97), 125 f.

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Struktur des Capodilista-Kodex ein aus dieser literarischen Form übergewandertes Element, und auch der später in der Rezeptionsphase für den Kodex verwendete Titel De Viris Illustribus Transelgardorum, Forzatè et Capitis Listae weist unmissverständlich auf eine Beeinflussung hin.86 Die De Viris Illustribus-Bücher gehörten zu den beliebtesten Literaturgattungen des 15. Jahrhunderts und waren zudem auf eine besondere Weise mit der Stadt Padua verknüpft. Ausgehend von antiken Vorbildern, wie Plutarchs Biographiensammlung in der Übersetzung des Manuel Chrysoloras oder die weit verbreiteten und auch für Petrarcas Werk wichtigen Vitensammlung Suetons, De caesarum vita libri octo, enthielten sie meist Lebensbeschreibungen von politisch bedeutenden und mächtigen Persönlichkeiten, Gelehrten, Künstlern oder Schriftstellern.87 Besonders die letztere Variante in Form von Schriftstellerkatalogen fand als Accessus ad auctores auch nördlich von Italien weite Verbreitung, und war häufig für den Schulgebrauch bestimmt.88 Der Titel der Gattung ist Hieronymus’ Ende des 4. Jahrhunderts entstandenem, fast im ganzen Mittelalter bekannten Werk De Viris Illustribus entlehnt, auf das sich auch Isidor von Sevilla mit seiner Biographiensammlung gleichen Titels stützte.89 Im Hochmittelalter verschmolz die Gattung mit anderen literarischen Elementen wie Exempelsammlungen und wurde in den Zweckzusammenhang der „aedificatio“ gerückt.90 Ihre höchste Verbreitung erreichte die Gattung im Spätmittelalter durch Petrarcas De Viris Illustribus, das den Grundstein für eine weitreichende Beschäftigung der humanistischen Bewegung mit der Gattung legte. Petrarcas 1353 abgeschlossene und später auf Bitten seines Mäzens Francesco da Carraras teilweise erweiterte Sammlung enthält Biographien berühmter Männer der Antike, von Romulus bis Cato, und wurde stilbildend für alle künftigen Vitensammlungen.91 Motivation zur Abfassung des Werkes war die Belehrung der Lebenden und die Anleitung zum besseren Verhalten durch die Inspira­tion des Vorbildes. Die ausgewählten Biographien sollten dabei demonstrieren, dass ein 86  Unter diesem Titel wurde auch das Faksimile von Blason-Berton gedruckt, wobei unklar ist, ab wann die Bezeichnung genau für den Capodilista-Kodex in Gebrauch kam. 87  Clavuot, Ottavio, Flavio Biondos Italia Illustrata. Porträt und historisch-geographische Legitimation der humanistischen Elite Italiens, in: Johannes Helmrath/Ulrich Muhlack/Gerrit Walther (Hg.), Diffusionen des Humanismus. Studien zur nationalen Geschichtsschreibung europäischer Humanisten, Göttingen 2002, 55–76. hier 55., zur Vermittlung antiker Biogrpahiensammlung Schürer, Enzyklopädie (wie Anm.  85), 127–131. 88  Arnold, Klaus, De Viris Illustribus. Aus den Anfängen der humanistischen Literarturgeschichtsschreibung: Johannes Trithemius und andere Schriftstellerkataloge des 15. Jahrhunderts, in: HL 42 (1993), 52–70. 89 Vgl. Kessler, Eckhard, Petrarca und die Geschichte. Geschichtsschreibung, Rhetorik, Philosophie im Übergang vom Mittelalter zur Neuzeit, München 1978 (Humanistische Bibliothek 25), 104.; weiter Schürer, Enzyklopädie (wie Anm.  85), 132 und 137. 90  Als Beispiel für ein solches Werk kann Vincenz von Beauvais’ Speculum historiale gelten, das neben den Biographien einzelner Schriftsteller auch Auszüge aus ihren Werken und Exempel enthält. Vgl. Kessler, Petrarca und die Geschichte (wie Anm.  89), 104. 91  Schürer, Enzyklopädie (wie Anm.  85), 143.

206 III. Pergament. Giovan Francesco Capodilista und sein Selbstbild im Capodilista-Kodex guter Charakter und tugendhaftes Verhalten die Ursachen für die großen Taten der Dargestellten waren.92 Petrarca ersetzte die geistlichen Vorbilder, wie sie in Hieronymus’ Text behandelt werden, durch Gestalten der klassischen Antike und des Alten Testaments, und verschob damit den Fokus des Genres.93 In den Jahrzehnten nach der Verbreitung von Petrarcas Werk folgten unzählige weitere Umsetzungen des Konzepts. Auch in Padua, dem langjährigen Wohnort Petrarcas, wurden die „Viri ­Illustres“ Teil des literarischen Gesprächs der Stadt. In seinem 1437 fertiggestellten Text Scriptorum illustrium latinae linguae verschriftliche beispielsweise der Capodilista bekannte Humanist Sicco Polenton seine Auffassung zur Wiederauferstehung der Rhetorik nach einer langen Zeit der literarischen Stille, und verzeichnete be­ deutende Schriftsteller aus der Antike als vorbildhafte Figuren.94 Obwohl der Text Polentons kaum Verbreitung über die Grenzen der Stadt Padua hinaus fand, bleibt anzunehmen, dass Capodilista nicht zuletzt über seine persönliche Bekanntschaft mit Polenton mit dem Werk und seinen Vorbereitungen dazu vertraut war.95 In der reichen literarischen Tradition Paduas traf die Literatur und Geschichtsschreibung verknüpfende Form der Biographiensammlung auf ein breites Interesse, auch gefördert durch eine besondere Anteilnahme der Stadt an den Arbeiten Petrarcas. Dadurch entstand eine besondere Form der Präsenz, die über die Abfassung und Tradierung von Texten hinausging. In einem medialen Sprung entstand zusätzlich eine darstellerische Tradition, die das literarische Element der Biographiensammlung in Bildwerke verwandelte. Die 1367 bis 1379 entstandenen, und heute verlorenen Fresken der Sala virorum illustrium im Palazzo der Carrara in Padua stellten eine bildliche Umsetzung des Werks Petrarcas dar, und sind damit ein bemerkenswertes Zeugnis für die transmediale Entwicklung eines literarischen Konzepts.96 Ähnliche Darstellungen von „Viri illustres“ oder „uomini/donne famosi“ fanden sich aber auch jenseits von Padua.97 Gefördert wurde die Popularität des „Viri-Illustres“-Konzept 92 

Ebd., 145. Ebd., 146. 94 Zu Polentons Werk mit einer stellenweise gedruckten Transkription der Biographie Dantes siehe u. a. Viti, Paolo, Le biografie dantesche di Sicco Polenton, in: Studi Danteschio 51 (1974/75), 409–425. Vollständige Edition des Textes bei Sicconis Polentoni Scriptorum ­Illustrium Latinae Lingue, ed. v. Berthold Ullman, Rom 1928. 95 Die Bekanntschaft von Polenton und Capodilista ist der einzige persönliche Kontakt Capodilistas, der über ein überliefertes Schriftstück nachweisbar ist: Es existiert ein anlässlich der Verurteilung Capodilistas zum Exil 1419 erfasster Trostbrief Polentons. Siehe dazu auch weiter oben. 96  Auch jenseits von Padua finden sich Darstellungen berühmter Männer als Bildprogramme in Räumen. Die direkte Umsetzung eines literarischen Vorbildes ist allerdings nur in Padua zu beobachten. Vgl. Mommsen, Theodor E., Petrarch and the Decoration of the Sala Virorum Illustrium, in: Eugene Rice (Hg.), Theodor E. Mommsen. Medieval and Renaissance Studies, Ithaca 1959, 130–174, hier 170., mit weiteren Beispielen Salmi, Introduzione (wie Anm.  4), 13 f., dazu auch Schürer, Enzyklopädie (wie Anm.  85), 27 f. 97  So beispielsweise der 1385 in Florenz in Auftrag gegebene Zyklus im Palazzo della Sig­ 93 

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auch durch die wachsende Tradition der Personendarstellung, die sich in den freien Städten und Kommunen Nord- und Mittelitaliens seit dem 13. Jahrhundert zu entwickeln begann und verschiedenste Ausprägungen fand.98 Bildliche und skulpturale Darstellungen einzelner Personen, denen besondere Tugenden zugeschrieben wurden, erfüllten das Legitimationsbedürfnis der sich neu etablierenden Machtträger. In diesem Zuge wurden die Vorgängerkonzepte, wie die „Neun guten Helden“, nach dem Vorbild von Petrarcas Werk nun durch Staatsmänner und Gelehrte umfassende Portraitzyklen ersetzt.99 Die Rezeption von Elementen aus dem Genre der „Viri ­Illustres“-Tradition im Capodilista-Kodex ist also kaum überraschend. Auch die bildliche Umsetzung in den Fresken nach dem Text Petrarcas in der Sala Virorum Illus­ trium war Capodilista sicherlich bekannt. Elemente, die Giovan Francescos Werk deutlich der „Viri Illustres“-Tradition zuordnen, sind besonders die Einzelbiographien innerhalb der Reiterreihe, die Verdienste der individuell dargestellten Person nachzeichnen. Auch im Aufbau entsprechen die Texte dem Schema, in dem zuerst Herkommen und familiäre Einbindung, danach persönliche Leistungen und Karriere, und zuletzt der Tod des Einzelnen dargelegt werden. Gleichzeitig werden die jeweiligen Leistungen streng in den Kontext der hier genealogischen Gruppe eingeordnet, den sie nicht übermäßig übersteigen können.100 Obwohl aber das Konzept der „Viri Illustres“ für den grundsätzlichen Aufbau und die Gliederung der Biographien genutzt wird, fehlt die humanistische Ausrichtung, die den Texten nach Petrarca meist zu Eigen war. Der Schwerpunkt der Biographien des Capodilista-Kodex orientiert sich am Maßstab des Verfassers Giovan Francesco Capodilista, der nicht als Humanist101 gelten kann und mit der Abfassung der Handschrift unter anderem legitima­ torische Ziele verfolgte. Dementsprechend folgen die Kriterien zur Auswahl der Biographien einem rein genealogischen Konzept, das von den Auswahlkriterien der meisten Viris Illustribus Texte vor 1434 abweicht. Auch der größere Kontext der Biographien im Capodilista-Kodex, der einem Libro di famiglia in seiner vielschichtigen und variablen Konzeption ähnelt, weicht von den humanistischen Biographiesammlungen stark ab.

no­ria, der vermutlich auch an Petrarcas Text angeleht war. Siehe dazu Schürer, Enzyklopädie (wie Anm.  85), 28. 98  Zur Entwicklung siehe Starn, Reinventing Heroes (wie Anm.  41), 67–84. 99  Starn spricht von einer Erweiterung der „Neun guten Helden“ durch die „republican heroes“ der Viri Illustres, deren Kreis schließlich auch Petrarca selbst einschloss. Siehe ebd., 76 f. 100 Vgl. Baker, Patrick, Italian Renaissance Humanism in the Mirror, Cambridge 2015 (Ideas in Context), 17. 101  Der Begriff „Humanist“ bezieht sich hier auf einen Teilhaber an der kulturellen und vor allem linguistisch Interessierten Bewegung des Humanismus, wozu man Capodilista nicht rechnen kann. Zur Begriffsdiskussion mit Literaturhinweisen siehe Baker, Humanism (wie Anm.  100), 31.

208 III. Pergament. Giovan Francesco Capodilista und sein Selbstbild im Capodilista-Kodex Vorbilder für die Illustration des Kodex fehlen aber in beiden Gattungen. Die Verbindung von Biographie und bildlicher Darstellung, die den Capodilista-Kodex maßgeblich von den sonstigen Libri di famiglia abhebt,102 hat allerdings individuelle Werke als prominente Vorläufer. Ein ähnliches Konzept findet sich einige Jahre vorher im zwischen 1403 und 1405 entstandenen Werk Liber de principibus Carrariensibus, das Pier Paolo Vergerio im Auftrag der Paduaner Herrscherfamilie Carrara anfertigte.103 Vergerio war kein gebürtiger Paduaner, sondern stammte aus Capodistria.104 Er hatte nach vielen Ortswechseln in Padua und Bologna studiert, und war erst ab 1390 wieder dauerhaft in Padua angsiedelt, wo er enge Anbindungen zum Hof Francesco Novello da Carraras unterhielt und gleichzeitig Zivilrecht an der Universität studierte. Er gehörte wohl zum Umfeld des Kanonisten Francesco Zabarella, der auch in Giovan Francesco Capodilistas Ausbildung eine wichtige Rolle gespielt hatte. Der Liber de principibus Carrariensibus enthält, in starker Anlehnung an Petrarcas Vitensammlung, Biographien aller sieben Carrarafürsten.105 Der Aufbau der Biographien folgt dem Vorbild, wobei ein besonderer Schwerpunkt auf dem Herkommen der Familie liegt.106 Ungewöhnlich für die Gattung zeichnet sich diese Handschrift aber durch ihre prachtvolle Ausstattung aus, die vor allem in Einzelportraits der beschriebenen Familienmitglieder besteht. Sie sind alle nach dem gleichen Schema in Ganzkörperdarstel102  Bock erwähnt den Capodilista-Kodex als einziges bebildertes Geschlechterbuch Italiens, im Vergleich zu den fast immer bebilderten Geschlechterbüchern aus dem Gebiet des Heiligen Römischen Reiches. Er nimmt allerdings fälschlicherweise Padua als Entstehungsort des Kodex an, und ignoriert außerdem andere Werke, wie das oben beschriebene Familienbuch der Carrara. Vgl. Bock, Hartmut, Die Chronik Eisenberger. Bebilderte Geschichte einer Beamtenfamilie der deutschen Renaissance – Aufstieg in den Wetterauer Niederadel und das Frankfurter Patriziat. Edition und Kommentar, Frankfurt am Main 2001 (Schriften des Historischen Mu­ seums Frankfurt am Main 22), 453. 103 Siehe dazu Kohl, Benjamin, Chronicles into Legends and Lives: Two Humanist Accounts of the Carrara Dynasty in Padua, in: Sharon Dale (Hg.), Chronicling history. Chroniclers and Historians in Medieval and Renaissance Italy, University Park/Pennsylvania 2007, 223– 248. Zu Pier Paolo Vergerio vgl. McManamon, John, Pierpaolo Vergerio the Elder. The Humanist as Orator, Tempe 1996 (Medieval and Renaissance Texts and Studies 163). 104  Für die Biographie Vergerios siehe jüngst Cusa, Giuseppe, Die Geschichtsschreibung in der Mark Verona-Treviso während des politischen Wandels von der Kommune zur Signorie (spätes 12. bis frühes 15. Jahrhundert) Diss. masch., Frankfurt am Main 2018 (im Druck, Seiten­ zahlen nach Manuskript zitiert), 284 f. 105  Vergerio galt als glühender Verehrer Petrarcas, edierte sein Werk Africa und verfasste im Namen Ciceros einen Brief an ihn. Vgl. Kiséry, Zsuzsanna, Vergerio und Sigismund von Luxemburg, in: Imre Takács (Hg.), Sigismundus. Rex et Imperator. Kunst und Kultur zur Zeit Sigismunds von Luxemburg 1378–1437. Katalog, Mainz 2006, 292–294. 106 Vergerios Gesta magnifica sind als humanistisches Werk zwar vom Aufbau und der gro­ ben Struktur, nicht aber inhaltlich mit dem Capodilista-Kodex zu vergleichen: Während Capodilistas Biographien mit stark verherrlichender legitimatorischer Absicht arbeiten, zeichnet Vergerio ein wesentlich realistischeres Bild der Carrara-Fürsten und notiert auch Charakterfehler und negative Ereignisse. Vgl. Kohl, Chronicles into Legends and Lives (wie Anm.  103), 232.

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lungen in vorwärtsschreitender Haltung dargestellt und tragen sowohl ein Zepter als auch die Stadtfahne Paduas. Dazu ist jeweils prominent das Wappen der Einzelperson zu sehen, über das eine Identifizierung leicht möglich wird. Ähnlichkeiten zum Capodilista-Kodex finden sich vor allem in der Verbindung aus Einzelbiographie und Personendarstellung sowie in der Anordnung von Fahne und Wappen.107 Obwohl das Werk Vergerios im Capodilista-Kodex nicht explizit erwähnt wird, ist die Ähnlichkeit der beiden Buchtypen nicht zu verkennen. Es bleibt zu vermuten, das Capodilistas Konzept zur Darstellung seiner Familienmitglieder in seiner Grundform dem Vorbild des Carrara-Buches entlehnt wurde, das sich zur Zeit der Abfassung des Capodilista-Kodex aber bereits nicht mehr in Padua befand: Nachdem die Stadt 1405 an Venedig fiel wurde der Kodex in die Lagunenstadt gebracht, und war öffentlich im Saal des Consiglio dei Dieci ausgestellt.108 Der Liber war zu diesem Zeitpunkt noch nicht fertiggstellt, und nur fünf der Miniaturen waren bereits vollendet. Neben dem Aufbau des Werkes bietet die Biographie Pier Paolo Vergerios noch eine weitere interessante Parallele zu der Giovan Francesco Capodilistas, denn nach dem Ende der Carrara-Herrschaft über Padua reiste Vergerio weiter an die römische Kurie, nahm schließlich im Gefolge Francesco Zabarellas am Konstanzer Konzil teil und gelangte so an den Hof König Sigismunds, dem er nach Ungarn folgte und bis zu dessen Tod 1437 verbunden blieb.109 Ob Pier Paolo Vergerio und Giovan Francesco Capodilista sich während Capodilistas Tätigkeit als venezianischer Gesandter bei Sigismund sowohl auf dem Basler Konzil 1433 bis 1435 oder später 1437 in Ungarn wiederbegegnet sind, ist aber unklar. Dennoch finden sich genügend biographische Berührungspunkte, um hinter der ähnlichen Konzeption beider Handschriften vielleicht mehr als nur den Zufall zu vermuten. Andere Beispiele für nach diesem Muster aufgebaute Handschriften sind in Padua bis heute nicht nachweisbar. Eine weitere Handschrift aus dem Umfeld der Carrara-Familie könnte allerdings als zusätzliche visuelle Inspiration für den Capodilista-Kodex gedient haben: der 1400 entstandene Liber cimeriorum dominorum de Carraria, der prachtvolle Darstellungen der Familienwappen mit Helmzier und dazu passende Lobverse zeigte.110 Das hohe Interesse der Carrara an Wappendarstellungen zeigte sich auch in der Ausmalung eines Raumes in der Reggia Carrarese, dem Herrschersitz der Carrara, mit den Wappenschilden und Helmen der Familie.111 107 

Vgl. dazu auch Salmi, Introduzione (wie Anm.  4), 16. Dort wurde er 1481 wohl gestohlen. Erst im 19. Jahrhundert gelangte er mit der Sammlung des Notars Antonio Piazza gemeinsam mit dem Capodilista-Kodex in den Besitz der Biblioteca Civica in Padua. Siehe Cusa, Geschichtsschreibung (wie Anm.  104), 287. 109  Vergerio starb 1444 in Budapest. Siehe Cusa, Geschichtsschreibung (wie Anm.  104), 286. 110  Das Wappenbuch ist heute in der Biblioteca Civica in Padua zu finden: B.P. 124/XXII. Dargestellt sind jeweils die Wappenschilde mit den entsprechenden Helmen in einem gold umrandeten Feld. 111  Cusa, Geschichtsschreibung (wie Anm.  104), 265, auch Lazzarini, Vittorio, Libri de Francesco Novello da Carrara, in: Atti e memorie della R. Accademia di scienze, lettere ed arte in Padova 18 (1902), 25–36, hier 30. 108 

210 III. Pergament. Giovan Francesco Capodilista und sein Selbstbild im Capodilista-Kodex Verbreiteter waren in italienischen Städten aber bereits seit dem 14. Jahrhundert genealogische Darstellungen in Chroniken aus dem Umfeld von Fürstenhäusern, die häufig verfasst wurden um die neu erworbene Macht von aufgestiegenen Familien zu festigen.112 Auch die ohnehin reiche stadtchronistische Tradition innerhalb Paduas brachte eine Vielzahl solcher Werke hervor. Eindeutig nachweisbar ist die Kenntnis Capodilistas von zumindest einer weit verbreiteten und prominenten Chronik: der ab 1372 entstandenen Cronaca Carrarese des Galeazzo Gatari.113 Capodilista nennt die Chronik in der Auflistung seiner für die Abfassung des Capodilista-Kodex benutzten Quellen und weist noch auf andere Handschriften hin, die sich 1435 im Besitz des Sohnes Galeazzo Gataris, Bartolomeo, befanden.114 Neben der Cronaca Carrarese gab es in Padua eine große Menge historiographischer Werke, die sich mit dem Herkommen und dem gesellschaftlichen Erfolg nicht nur der führenden Familien der Stadt befassten.115 Das umfangreichste und bekannteste Werk dieser Tradition entstand unter dem Titel De Generatione aliquorum civium urbis Padue zu Beginn des 14. Jahrhunderts. Der Autor des Werkes, Giovanni da Nono, war ab 1306 als Mitglied des Collegio der Richter eingeschrieben.116 Damit gehört auch da Nono der in Padua auffallend großen Gruppe der juristisch gebildeten Verfasser historiographischer ­Werke an. Über die Jahrhunderte hinweg entwickelte sich da Nonos Chronik zu einem der am breitesten rezipierten Werke der Stadt- und Familiengeschichtsschreibung in Padua und auch Capodilista zitiert ausführlich daraus.117 Eine vermutlich aus Capodilistas eigener Bibliothek stammende Abschrift der Chronik da Nonos war eine der grundlegenden Quellen des Capodilista-Kodex.118 De Generatione zeichnet sich vor allem durch seine Struktur aus, die jede Familie mit einer kurzen Herkunftserzählung auflistet und zusätzlich Anekdoten und politisch relevante Ereignisse vermerkt. Nach De Generatione entstand eine große Bandbreite unterschiedlicher Chroniken mit variierenden Schwerpunkten, die sich auf Material da Nonos stützten. Grundsätzlich existierte in Padua eine intensive Auseinandersetzung mit der städtischen Geschichte, wobei die Werke des bereits zu seiner Lebenszeit berühmten Albertino Mussato einen besonderen Platz einnahmen. Der Verfasser verschiedener historio112 

Weber, Friedrich Christoph, Exempla im Schilde führen. Zur Funktionalität „redender Wappen“ in der kommunalen Geschichtsschreibung des Trecento, in: Das Mittelalter 11 (2006), 147–166, hier 154. 113  Weber, Exempla im Schilde führen (wie Anm.  112), 160. 114  B.P. 954, fol.  5r. 115  Hyde, John Kenneth, Italian Social Chronicles in the Middle Ages, in: BJRL 49 (1966/67), 107–132. Hyde bezeichnet die in Padua entstehende chronistisch-historiographische Tradition wegen ihrer Einbettung als „social chronicle“. 116  Ebd., 109. 117  Hyde bezeichnet De Generatione als den in Padua am weitesten verbreiteten und über das Mittelalter hinaus wirkmächtigsten Text. Ebd., 108. 118  Die Handschrift aus Capodilistas Besitz und mit seinen Notizen und Anmerkungen ist heute in der Biblioteca Civica di Padova unter der Signatur B.P. 1239/XIXX zu finden, siehe auch weiter unten.

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graphischer und poetischer Werke, unter anderem einer Tragödie über die Zeit der Herrschaft Ezzelino III. da Romanos in Padua, wurde als erster nachantiker Dichter 1315 zum „poetus laureatus“ gekrönt.119 Die Herrschaft da Romanos beschrieb auch eine weitere Chronik zur Geschichte Paduas, die ebenfalls weite Verbreitung fand: die als Ezzerina bezeichnete Chronik des Rolandino, die 1262 offiziell vor der Öffentlichkeit der Universität in Padua verlesen wurde.120 Sie erreichte einen bemerkenswerten Verbreitungsgrad, wurde für Albertino Mussato zur Grundlage seiner Ecerinis und ließ Rolandino zum Prototyp des in Padua verbeiteten „notaio-cronista“ werden.121 Mit den Chroniken da Nonos, Mussatos und der Ecerinis Rolandinos sind damit nur drei Beispiele für eine vielfältige und breite Tradition von Stadt- und Familiengeschichtsschreibung in Padua erwähnt.122 Sie entstand geprägt durch die vielen politischen Umbrüche und Krisen bis zur Übernahme der Stadt durch Venedig 1405 und dem Ende der Herrschaft der Carrara. Besonders intensive Momente literarischer Produktion waren auch sowohl der Beginn der kommunalen Herrschaft als auch ihr Ende. Geprägt wurde diese Historiographie durch die juristische Universität Paduas und ihre Absolventen, erweitert durch die Patronage der Carrara. Eine besondere Rolle spielten die nicht immer mit der Universität verbunden Juristen oder Notare, und auch die Hofkanzlei der Carrara, der beispielsweise Pier Paolo Vergerio und Sicco Polenton angehörten. 119  Eine

Möglichkeit der Datierung setzt die Krönung Albertino Mussatos als Beginn des Humanismus in Oberitalien an. Vgl. Müller, Hubert, Früher Humanismus in Oberitalien. ­Albertini Mussato: Ecerinis, Frankfurt am Main 1987 (Studien zur klassischen Philologie 31), 88. 120  Bortolami, Sante, Studenti e Città nel primo secolo dello Studio Padovano, in: Francesco Piovan/Luciana Sitran Rea (Hg.), Studenti, Università, Città nella Storia Padovana. Atti del Convegno Padova, 6–8 febbraio 1998, Triest 2001, 3–27, hier 10. Die Chronik des Rolandino, die auch in der Quellenliste des Capodilista-Kodex genannt wird, war eines der bedeutesten Werke der Stadtchronistik Paduas. Sie berichtet über die Herrschaft Ezzelino da Romanos über die Region mit besonderem Augenmerk auf ihre Auswirkungen in Padua, und betont vor allem den ungerechten und brutalen Ausdruck der Machtausübung. Vgl. Hyde, John Kenneth, Padua in the Age of Dante, Manchester 1966, 288. Weiter zur Verlesung am 13. April 1262 im Kloster S. Urban, der Praxis der öffentlichen Verkündung historiographischer Texte und dem Typus des „notaio-chronista“ siehe Cusa, Giuseppe, Kommunikation in der Chronik des Paduaners Rolandino, in: Ralf Lützelschwab (Hg.),. Sommeruniversität des DHIP, 7.–10. Juli 2013/Formes de la communication au Moyen Âge. Université d’été de l’IHA, 7–10 juillet 2013, (discussions 11), 19. E-Publikation unter https://www.perspectivia.net/publikationen/discussions/11-2015/ cusa_kommunikation. 121  Berrigan, Joseph, A Tale of Two Cities: Verona and Padua in the Late Middle Ages, in: Charles M. Rosenberg (Hg.), Art and Politics in Late Medieval and Early Renaissance Italy, Notre Dame/London 1990, 67–80, 73 f. 122  Hyde, Padua in the age of Dante (wie Anm.  120), 5. Für weitere Beispiele siehe u. a. Bortolami, Sante, Famiglia e Parentela nei secoli XII–XIII: Due Esempi di „Memoria lunga“ dal Veneto, in: Maria Chiara Billanovich (Hg.), Viridarium Floridum. Studi di Storia Venetta offerti dagli Allievi a Paolo Sambin, Padua 1984 (Medioevo e Umanesimo 54), 117–157.

212 III. Pergament. Giovan Francesco Capodilista und sein Selbstbild im Capodilista-Kodex Der Capodilista-Kodex steht deutlich in dieser literarisch-historiographischen Tradition. Die Quellenliste demonstriert Giovan Francescos ausführliche Beschäftigung mit der historiographischen Kultur seiner Heimatstadt, und die Texte des Kodex schöpfen offensichtlich und stellenweise mit deutlichen Hinweisen aus diesen Vorbildtexten. Die aus der Quellenliste ersichtliche Verbreitung dieser Schriften weist auf ein nach wie vor lebhaftes Interesse der gebildeten Oberschicht Paduas an der eigenen Stadtgeschichte und der Familiengeschichtsschreibung unterschiedlicher bekannter Familien hin, in das der Capodilista-Kodex sich nahtlos einfügt. Gleichzeitig hebt er sich aber in Ausstattung und repräsentativem Anspruch substantiell von den in Padua weit verbreiteten historiographischen Werken ab. Stattdessen nähert er sich der eher dynastisch einzuordnenden Schriftkultur des Carrara-Hofes an, wie sie in der Chronik Vergerios ihre Ausprägung fand. Obwohl das Werk Vergerios nicht explizit im Capodilista-Kodex erwähnt wird, deutet die Übernahme von Darstellungskonventionen vielleicht auf den Versuch hin, die eigene familiäre Repräsentation in die Nähe des prunkvollen Habitus der 1434 bereits lange entmachteten Carrara zu rücken. Dementsprechend ist es wenig erstaunlich, dass kaum andere Werke nach dem Muster des Capodilista-Kodex in Padua bekannt sind. Eine punktuelle Ausnahme bildet der Libellus de magnificis ornamentis regie civitatis Padue des späteren Hofarztes der Este, Michele Savonarola, der 1446 oder 1447 entstanden und unikal überliefert ist.123 Die heute in der Biblioteca Civica in Padua aufbewahrte Handschrift enthält neben dem Text sechs Seiten Portraitdarstellungen berühmter Einwohner Paduas, deren Anordnung deutlich an die Gelehrtendarstellung des Capodilista-Kodex erinnert.124 Auf Blatt 27r wird die Gruppendarstellung der in einer architektonischen Sturktur miteinander debattierenden Männern zudem durch die Figur des Antenor gekrönt, der auf einem Thron sitzend am oberen Blattende abgebildet ist. Über eine Beischrift ist Antenor als der Gründer Paduas identifiziert. Er trägt Zepter und Weltapfel, und ähnlich wie in der Helmzier des Uhrenwappens des Capodilista-Codex eine phrygische Mütze. Da Michele Savonarola und Giovan Francesco Capodilista persönlich bekannt waren, und Savonarola auch im Umkreis der Familie Capodilista gut vernetzt war, liegt es nahe zu vermuten, dass der Capodilista-Kodex 123 Bereits von Hülsen-Esch weist auf diese Rezeption der Darstellungskonzepte des Capodilista-Kodex hin, und bildet im Anhang ihrer Studie auch eine Beispielseite ab. Siehe von Hülsen-Esch, Gelehrte im Bild (wie Anm.  16), 277 f. Zur Biographie des Michele Savonarola siehe Thomam, Johannes, Studien zum „Speculum physionomie“ des Michele Savonarola, Zürich 1997, 13 f., zum weiteren Œuvre siehe Zuccolin, Gabriella, Princly Virtues in De felici progressu of Michele Savonarola, Court Physician of the House of Este, in: István Bejczy/Cary J. Nederman (Hg.), Princely Virtues in the Middle Ages 1200–1500, Turnhout 2007 (Disputatio 9), 237–258. Eine Edition des Textes basierend auf der einzigen bekannten Handschrift B.P. 822/XVI liegt vor: Michele Savonarola, Libellus de maginificis ornamentis regie civitatis Padue, ed. v. Arnaldo Segarizzi, Città di Castello 1902 (RIS 24/15). 124  B.P. 822/XVI. Für den Hinweis auf Antenor in Michele Savonarolas Chronik und die Überlassung seiner Digitalisate danke ich Giuseppe Cusa herzlich.

III.1. Die Handschrift B.P. 954 der Biblioteca Civica di Padova

213

als unmittelbares Vorbild für den Libellus Savonarolas gedient hat.125 Diese unmittelbare Rezeption zeigt, dass der Capodilista-Kodex etwas mehr als zehn Jahre nach seiner Entstehung in Basel in Padua und darüber hinaus126 zumindest im Kreis der Familie und deren Bekannten gezeigt wurde. Ob die Handschrift jenseits dieser Gruppierungen bekannt war bleibt aber unsicher. Bisher sind keine weiteren Handschriften aufgetaucht, die so unmittelbar vom Bildprogramm des Capodilista-Kodex beeinflusst wurden wie der Libellus des Michele Savonarola.

III.1.5. Transformation und Rezeption. Spätere Abschriften des Capodilista-Kodex Über die Bedeutung des Capodilista-Kodex für die Familie Capodilista und das weitere Schicksal der Handschrift ist nichts bekannt. Allerdings erlauben zwei weitere Abschriften einen Einblick in das Nachleben des Kodex. Beide unterscheiden sich stark voneinander und von der Haupthandschrift B.P. 954, nicht nur durch ihre Entstehungszeit sondern auch durch ihre besondere Ausstattung: Während eine in Venedig aufbewahrte Handschrift nur den Text des Capodilista-Kodex tradiert, enthält eine erst im 19. Jahrhundert entstandene Abschrift österreichischer Provenienz nur die Bilder. Beide Werke verdeutlichen aber die Flexibilität des Werks Giovan Francesco Capodilistas, das je nach Bedarf in unterschiedliche Funktionszusammenhänge integriert werden konnte, die stark vom Interesse des jeweiligen Betrachters abhingen. Die Abschrift B in der Biblioteca Nazionale Marciana Die Abschrift B des Capodilista-Kodex, Cod. Marc. Lat. X 348/VII (=3260), wird in der Biblioteca Nazionale Marciana in Venedig aufbewahrt.127 Die Sammelhandschrift ist nicht sicher datiert, als terminus post quem kann aber das in einem der Abschnitte genannte Jahr 1631 angesetzt werden. Insgesamt bildet das Werk Giovan Francescos nur einen Teil der Handschrift, die unterschiedliche Chroniken zur Geschichte der einflussreichen Familien Paduas versammelt. In ihrer Anlage als Ge125  Thomam zeichnet die Vernetzung Savonarolas in Padua nach: er war nicht nur mit Sicco Polenton befreundet, sondern hatte auch über die Ehen seiner Kinder zahlreiche Kontakte in städtisch wichtige Kreise Paduas. So war zum Beispiel seine älteste Tochter mit einem Mitglied der Familie Dondi dall’Orologio verheiratet. Sein Sohn Niccoló erwarb wohl sogar gemeinsam mit dem ältesten Sohn Giovan Francesco Capodilistas Güter aus dem ehemaligen Besitz des Giacomo Scrovegni. Siehe Thomam, Studien (wie Anm.  123), 14. 126  Savonarola lebte seit 1440 in Ferrara, wobei nicht auszuschließen ist, dass er den Capodilista-Kodex während eines Besuches in Padua gesehen haben könnte. Zum Wohnortswechsel Savonarolas siehe das Vorwort Segarizzis in der Edition Michele Savonarola, Libellus (wie Anm.  123), V. 127  Valentinelli, Giacomo, Bibliotheca manuscripta ad S. Marci Venetiarum. Codices Mss. Latini. Bd. 6, Venedig 1873, 239.

214 III. Pergament. Giovan Francesco Capodilista und sein Selbstbild im Capodilista-Kodex brauchshandschrift deutlich von der prachtvollen Ausführung des Capodilista-Kodex unterschieden, gibt Cod. Marc. Lat. X 348/VII (=3260), im Folgenden als B bezeichnet, als VII. Teil lediglich den Text des Capodilista-Kodex wieder. Dem Hauptteil vorgeschaltet ist ein knapper Hinweis des Schreibers auf den Ursprung des Textes, der einem mit Miniaturen ausgestatteten Pergamentkodex entstamme, der bei „Signor Capodilista“ aufbewahrt würde. Dieser Kodex, gemeint ist B.P. 954, sei von Gio­ van Francesco Forzatè Capodilista zusammengestellt worden, der Venedig als Diplomat auf dem Konstanzer Konzil vertreten habe und anschließend für Papst Eugen IV. zum König von Frankreich gereist sei.128 Die offensichtliche Verwechselung des Konzils von Basel mit dem von Konstanz weist darauf hin, dass trotz des Verfasser­ interesses an der Familiengeschichte der Capodilista die tatsächliche Biographie Giovan Francesco Capodilistas bereits an Bedeutung verloren hatte, oder der Schreiber von B den lateinischen Text des Capodilista-Kodex vielleicht nicht verstanden hatte. Zum Zeitpunkt der Abschrift befand sich der Kodex offensichtlich noch in Familienbesitz, hatte aber gleichzeitig bereits den Stand einer neutralen Quelle zur Geschichte und Herkunft der Capodilista erreicht.129 Beginnend mit dem Deckblatt Haeroes Domus Transelgardae, seu de N.N. Capilistes &c [sic!]130 wird der Textteil des Capodilista-Kodex weitgehend vollständig wiedergegeben. Allerdings sind die Urkundenabschriften im Text ausgelassen: Die Urkunde des Generals des Minoritenordens und die aus dem Aramäischen übersetzte Urkunde für Pietro Capodilista dei Transelgardi am Ende des Textes sind dabei auch als fehlend markiert.131 Weitere Auslassungen innerhalb des Textes weisen darauf hin, dass B.P. 954 als unmittelbare Vorlage zur Abschrift vorgelegen haben muss. Der Text in B kennzeichnet nicht lesbare Worte und Satzteile, die deswegen ausgespart wurden, durch eine Reihe von Punkten, wobei die Anordnung dieser Lücken unmittelbar mit den in B.P. 954 un­ leserlichen Stellen korrespondiert. Bemerkenswert an der Abschrift B ist der Umgang mit der Bildausstattung des Capodilista-Kodex, denn die Handschrift tradiert nur den Text, nicht aber die Miniaturen. Die fehlenden Bildseiten sind durch Beschreibungen ersetzt, so dass die Gliederungsfunktionen der Bilder beibehalten wurden. Diese Bildbeschreibungen sind für die drei Wappendarstellungen und die Reiterreihe vorhanden. Sie fehlen gänzlich 128 

„[…] e fu composto di Gio. Francesco Forzatè Capodilista, cave e dottore e oratore per la Republica di Venezia al Concilio di Constanza poi legato di Papa Eugenio IV. al Re di Francia.“ BNM, Cod. Marc. Lat. X 348/VII (=3260), fol.  220r. 129 Die Handschrift gelangte 1856 aus dem Nachlass des Notars Antonio Piazza in den Bestand der Biblioteca Civica di Padova. Wie lange sie sich vorher schon nicht mehr im Besitz der Familie Capodilista befand, ist ungeklärt. Vgl. Franco, Gli avi in miniatura (wie Anm.  4), 108. 130  BNM, Cod. Marc. Lat. X 348/VII (=3260), fol.  222r. 131  Zum Beispiel zur Urkunde Casales: „Hic cadit privilegium Generalis Minorum concetum Capilisteis [sic!] quod commitiur.“ Ebd., fol.  267r. Der Vermerk zur zweiten fehlenden Urkunde ist auf fol.  286r.

III.1. Die Handschrift B.P. 954 der Biblioteca Civica di Padova

215

für die Gruppendarstellung der Gelehrten, und werden auch nicht als fehlend vermerkt: an dieser Stelle enthält der Text von B nur die Beischriften der Bilder unter derselben Überschrift, die auch in B.P. 954 für das Bild genutzt wird.132 Die Bild­ beschreibungen folgen, ähnlich wie die Bilder in B.P. 954 selbst, dem immer gleichen Muster. Bis auf zwei lateinische Textelemente sind alle Beschreibungen in der Volkssprache verfasst und kontrastieren so mit dem aus B.P 954 übernommenen latei­nischen Text. In variierender Länge erfassen die Beschreibungen als knappe Textstücke jeweils den Kern der Bildaussage. Besonders die Texte zur Reiterreihe beginnen dabei stereotyp meist mit „Un’ huomo à cavallo“133, beschreiben dann die Gestalt des Reiters, seine Kleidung und erwähnen auch gelegentlich das Aussehen des Pferdes, die Schabracke oder besondere Merkmale des Bildes. Von diesem Schema weichen die ersten beiden Bildbeschreibungen ab, die nicht die im Capodilista-­ Kodex zu findende Reiterdarstellung beschreiben, sondern sich auf die Wappendarstellung des Hirschwappens der Transelgardi beziehen. Der Reiter in der ersten Bild­ beschreibung, Giovanni de Transelgardi, bleibt unerwähnt. Die nächste Darstellung, die „Carolus de Capitibusliste“ zeigt, wird nur in einem Satz zusammengefasst als „Homo equitans com insignibus et uexillo similter [sic!] factis ut in antescripto“134. Hier weicht auch die Wahl der lateinischen Sprache auffällig von den anderen Bildbeschreibungen ab. Allen Bildbeschreibungen gemein ist die besondere Betonung der dargestellten Wappen, die ausführlich und detailliert beschrieben werden, auch im Hinblick auf ihre Platzierung im Bild. Andere Elemente werden hingegen verkürzt und nur andeutend erwähnt. Die Beschreibung zum Bild des Forzatè de Transelgardi verarbeitet die bildliche Gestaltung beispielsweise folgendermaßen: „Un’ Uomo à cavallo vestito di ferro, con la visiera all’ insic [sic!], con machine azure larghe con lancia in mano con bandera lunga bianca volante con croce rossa, sopra il braccio sinistro una scudo con il cervo rampante sul fianco sinistro del cavallo il cervo caminante.“135

Die Beschreibung erfasst also alle im Bild dargestellten Wappen in ihrer unterschiedlichen Ausführung und Platzierung, obwohl diese bereits vorher beschrieben wurden und Verweise platzsparender gewesen wären. Trotz der Kürze des Textabschnittes und der dadurch bedingten Reduktion der Informationen des Bildes wird der Kern der Darstellung gut wiedergegeben. Dennoch benötigt der Leser viel Vorstellungskraft, um sich die Reiterreihe des Capodilista-Kodex vollständig vor Augen zu führen. Auffällig an den Bildbeschreibungen ist auch deren Reduktion auf eine reine Beschreibung. Die dargestellten Bildelemente werden quasi nacherzählt, aber nicht interpretiert. Bemerkenswert bleibt aber vor allem, dass die Darstellungen überhaupt 132 

„Eiusdem familie licentiates vel doctores“, BNM, Cod. Marc. Lat. X 348/VII (=3260), fol.  265v. 133  BNM, Cod. Marc. Lat. X 348/VII (=3260), fol.  243r. 134  Ebd., fol.  241r. 135  BNM, Cod. Marc. Lat. X 348/VII (=3260), fol.  250r.

216 III. Pergament. Giovan Francesco Capodilista und sein Selbstbild im Capodilista-Kodex beschrieben werden. Prinzipiell wäre es weitaus einfacher gewesen, die Miniaturen zu übergehen und die fehlende Verknüpfung von Text- und Bildebene hätte dies ohne weiteres ermöglicht. Wie unproblematisch die reine Übernahme des Textkorpus geworden wäre, ist leicht an der Gruppendarstellung zu zeigen, die in B ohne Hinweis fehlt. Die übernommenen Beischriften der Bilder erscheinen durch ihren regelmäßigen Aufbau und ihre Gliederung einfach als Liste der aus der Familie hervorgegangenen Gelehrten. Dass die Miniaturen dennoch beschrieben werden spricht dafür, dass Bild und Text des Capodilista-Kodex als Einheit begriffen wurden, die nicht ohne weiteres aufgebrochen werden konnte. Gleichzeitig wird durch die Auswahl das Interesse des Kompilators deutlich, das stark heraldisch fokussiert ist und immer wieder die Wappen in den Mittelpunkt der Beschreibungen rückt. Daneben wird die Funktion des Capodilista-Kodex als Träger von Wissen über die Familiengeschichte der Capodilista sichtbar. Der Kodex verliert so den in B.P. 954 durch die reiche Illustration manifestierten repräsentativen Anspruch und wird zum reinen Transportmedium von historiographischem und heraldischem Wissen. Dafür werden keine teuren Miniaturen benötigt, solange die in den Bildern vorhanden Informationen ohne Verlust extrahiert werden können. Deutlich wird dieser Funktionswechsel auch, wenn man den Kontext beachtet, in dem die Abschrift in B steht. Die Handschrift enthält neben dem Text des Capodilista-Kodex eine Vielzahl weiterer Quellen, die sich intensiv mit der sozialen Rolle und Geschichte verschiedener Familien sowie der Stadtgeschichte Paduas und Venedigs befassen. Die Sammelhandschrift beginnt mit einer Liste berühmter Paduaner Familien aus einer dem Iohannis Basilis zugeschriebenen Chronik über die Niederlage Ezzelino III. da Romanos, die zwar die Forzatè, nicht aber die Capodilista verzeichnet.136 An diese Liste schließen sich Abschriften der Chronik des Giovanni da Nono und die Chronik des Zambono d’Andrea de Favafoschis (Pseudo-Favafoschi)137 an. Beide enthalten auch Informationen über die Familiengeschichte der Capodilista oder einer ihrer weiteren Zweige, der Transelgardi und der Forzatè. Diese Abschnitte bilden aber nur kleine Teile innerhalb eines größeren historiographischen Zusammenhangs, der noch zahlreiche weitere Familien innerhalb der Stadt erfasst und auch Stadtgeschichte getrennt von einzelnen Familien erzählt. Weiter tradiert die Hand136 „Familiarum

Patavinium Stemata. Iohannis Basilis Patavinium Auctor.“ BNM, Cod. Marc.Lat. X 348/VII (=3260), fol.  1r. Eine weitere Abschrift einer Chronik, die diesem Autor zugeschrieben ist, findet sich in der Universitätsbibliothek Padua unter Bib. Universitaria, Ms. 1667. In dieser sind aber im Gegensatz zur venezianischen Handschrift Anmerkungen zur Familie Capodilista enthalten (Blatt 8v). Inwiefern beide Handschriften voneinander abhängig sind, müsste noch geprüft werden. Den Hinweis auf diese Handschrift und die darin enthaltenen Stücke zu den Capodilista verdanke ich Giuseppe Cusa. 137  Die Verschronik des Zambono d’Andrea de Favafoschi galt schon im 17. Jh. als verschol­ len, woraufhin der Name des Verfassers der Prosachronik zugewiesen wurde, die mittlerweile als Pseudo-Favafoschi bezeichnet wird. Siehe Cusa, Geschichtsschreibung (wie Anm.  104), 237.

III.1. Die Handschrift B.P. 954 der Biblioteca Civica di Padova

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schrift eine Chronik aus der Feder Pietro Borromeos, datiert auf 1420. Die Seiten unmittelbar vor der Abschrift des Capodilista-Kodex enthalten eine Chronik aus ­Venedig, die Ereignisse des Jahres 1576 und für den Zeitabschnitt 1629 bis 1631 berichtet. Sie liefert den wichtigsten Hinweis zur Datierung der Sammelhandschrift. Nach der Abschrift des Capodilista-Kodex folgt schließlich noch eine Abhandlung über die Herkunft einer weiteren Familie, der Scardona, die auch als Familie de Cartino bezeichnet wird. Der Text des Capodilista-Kodex steht damit nur als ergänzender Teil innerhalb der gesamten Struktur der Sammelhandschrift, die ein generelles Interesse des Kompilators an der Geschichte der Stadt Padua zeigt, die für ihn im Einklang mit den in Padua verbreiteten Vorstellungen unmittelbar mit der Geschichte der führenden Familien verknüpft ist. Neben der medialen Transformation von Bild in Text enthält B eine weitere Besonderheit. In der Handschrift B.P. 954 des Capodilista-Kodex wird von einer späteren Hand ein Stammbaum verzeichnet, der heute nicht mehr enthalten ist. Eine erweiterte und zeitlich fortgeführte Abschrift vermutlich genau dieses Stammbaums ist aber in B erhalten geblieben und vermittelt einen Überblick über die weite Verzweigung der Familien Forzatè, Transelgardi und Capodilista.138 Im Gegensatz zu den in Padua weit verbreiteten und zahlreich erhaltenen Stammbäumen verzeichnet dieser nicht nur die männlichen Abkömmlinge der Familie Capodilista sondern auch die weiblichen.139 Außerdem vermerkt er die Ehepartner einiger Familienmitglieder und wichtige Daten zu einzelnen Biographien. So verzeichnet der Stammbaum beispielsweise das Datum der ersten Doktoratsprüfung Giovan Francescos 1402 und den Erwerb des Palatinats 1434. Für die Söhne Giovan Francescos werden Ehepartner, Doktoratsprüfungen und im Fall des Sohnes Rafaele der Erwerb eines Kanonikats in Padua vermerkt. Damit liefert dieser Stammbaum einen Mehrwert an zusätzlichen Informationen, die nur teilweise auch dem Capodilista-Kodex entstammen können. Falls es sich dabei um den im Capodilista-Kodex genannten Stammbaum handelt, wäre dieser Abschnitt in B ein Hinweis darauf, dass einzelne Elemente des Kodex nach dem Tod Capodilistas doch im Einklang mit der Tradition der Libri di famiglia weitergeführt wurden. Ein Familienbuch für den Polarforscher: Die Wilczek-Abschrift Ein unerwartetes Nachleben war dem Capodilista-Kodex in der Mitte des 19. Jahrhunderts beschert. 1858 wurde anlässlich der Hochzeit zwischen Emma Emo-­ Capodilista und dem österreichischen Kunstsammler und Polarforscher Graf Johan Nepumuk Wilczek140 eine Abschrift des Kodex angefertigt, die sich lediglich auf die Illustrationen von B.P. 954 beschränkt und damit beinahe spiegelbildlich zur vene­ 138 

BNM, Cod. Marc. Lat. X 348/VII (=3260), fol.  219r. Vergleich hinzugezogen wurde der Stammbaum nach B.P. 2158, fol.  81. 140  Seligmann, Adalbert Franz, Graf Hans Wilczek, in: Anton Bettelheim (Hg.), Neue Österreichische Biographie 1815–1918. Erste Abteilung: Biographien. Bd. 3, Wien 1926, 124. 139  Als

218 III. Pergament. Giovan Francesco Capodilista und sein Selbstbild im Capodilista-Kodex zianischen Abschrift B den Text auslässt. Zum Zeitpunkt der Entstehung dieser Abschrift war die Handschrift des Capodilista-Kodex seit zwei Jahren in der Biblioteca Civica di Padova, nachdem sie Jahre im Privatbesitz des Notars Antonio Piazza gewesen war.141 Die Anfertigung der Abschrift stellt damit sicherlich auch den Versuch dar, eine Variante des repräsentativen Buches erneut in den Besitz der Familie zu bringen. Emma Emo-Capodilista war als Enkelin aus der Verbindung der letzten Nachfahrin der Capodilista, Beatrice Capodilista, mit Leonardo Emo hervorgegangen. Die Emo waren erst seit 1819 offiziell nobilitiert, aber bereits seit dem 13. Jahrhundert in Venedig nachweisbar und über die Jahrhunderte hinweg in unterschied­ lichen Ämtern politisch aktiv, auch wenn kein Mitglied der Familie je in das Amt des Dogen gelangte. Die Beibehaltung des Namen Capodilista zusätzlich zu dem in Venedig bereits fest etablierten Namen Emo weist auf den hohen Status der Familie Capodilista noch im 19. Jahrhundert hin. Als Wappen führten die vereinigten Fami­ lien einen gespaltenen Schild, der auf der heraldisch linken Seite den steigenden ­roten Hirsch im gelben Feld, also das Wappen der Capodilista, zeigte.142 Mit etwas Verzögerung regte die Produktion dieser späten Abschrift die erste wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Werk Giovan Francescos an. Im Fokus des Interesses standen dabei jedoch nicht der Text oder die Kombination aus Illustration und Inhalt sondern vor allem die in den Illustrationen genutzte Heraldik. Gleichzeitig sah man in den Reiterbildern individuelle Portraitdarstellungen der genannten Personen, vor allem in der Darstellung Giovan Francesco Capodilistas.143 Das weitere Schicksal der Wilczek-Abschrift ist unklar. Sie wurde zunächst Teil der über 5000 Objekte umfassenden Sammlung Wilczeks und in der umfänglich und stark romantisierend renovierten Burg Kreuzstein aufbewahrt. Große Teile dieser Sammlung wurden bei einem Brand der Burg 1915 zerstört, die restlichen Bestände der Bibliothek wurden in die Österreichische Nationalbibliothek überführt. Dort ist die Kopie heute nicht verzeichnet, und es bleibt unklar, ob sie bei dem Brand zerstört wurde oder noch in Familienbesitz ist. Obwohl über die Wilczek-Abschrift bis heute kaum Details wie die genauen Umstände der Reproduktion oder der tatsächliche Umfang der Kopie bekannt sind, wirft ihre Existenz ein Schlaglicht auf den fortwährenden Einfluss des Capodilista-Kodex auf seine tatsächlich von Giovan Francesco vierhundert Jahre vorher vorgesehenen Adressaten. Die Praxis, anlässlisch einer Hochzeit die Familiengeschichte wieder in den Fokus zu rücken, wird auch an einem weiteren Druck des Capodilista-Kodex anlässlich einer Hochzeit sichtbar: 1862 entstand in Padua anlässlich der Hochzeit Capodilista-Trezza ein Druck in Auszügen, 141  142 

Franco, Gli avi in miniatura (wie Anm.  4), 108. Beispielsweise zu sehen in B.P. 2158, fol.  2r. Die Familie führt dieses Allianzwappen bis

heute. 143  Mit der wissenschaftlichen Auswertung der Kopie betraut war der österreichische Historiker Schrauf, der seine Ergebnisse zusammenfassend 1881 mit einigen Faksimileblättern publizierte. Siehe Schrauf, Karl, Das Familienbuch der Capodilista, Wien 1881.

III.1. Die Handschrift B.P. 954 der Biblioteca Civica di Padova

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über den allerdings nichts weiter bekannt ist.144 In beiden Fällen aber rückt der ­Kodex wieder stark in den genealogisch-familiengeschichtlichen Kontext, in dem er auch ursprünglich angesiedelt werden sollte. Dabei zeugt die damals erstmals erfolgte ­wissenschaftliche Auswertung des Kodex von einer wenig kritischen Auseinandersetzung mit Giovan Francescos Werk, in der man die Meinung der Zeit gespiegelt sehen kann. Ersichtlich wird das besonders an der uneingeschränkten Glaubwürdigkeit, die sämtlichen Elementen des Kodex zugestanden wurde und die letztendlich der gefälschten Urkunde Karls des Großen den Weg aus dem Capodilista-Kodex in die Regesta Imperii ebnete.145

144 Siehe Moschetti, Andrea, Il museo civico di Padova. Cenni storici e illustrativi, Padua 1903, 27. 145  In den RI wird ausdrücklich auf Schrauf verwiesen. Siehe RI I, Nr.  501. Das Privileg Friedrichs II. wurde in den RI dagegen bereits als Fälschung markiert, nachdem Holder-Egger es gemeinsam mit dem gesamten Textkorpus um die Annalen des D’Alessio als Fälschung bezeichnete. Siehe RI V, 4,6, n.  939. und Holder-Egger, Oswald, Nr.  247, in: Neues Archiv 36 (1911), 582–583.

III.2. Der Kodex im Kontext. Die Chronik des Giovanni da Nono (B.P.1239/XXIX) und der Wappenbrief der Cortivo Der Capodilista-Kodex kann aufgrund seiner Ausstattung und Inhaltszusammen­ stellung als besonderes Werk der italienischen Familiengeschichtsschreibung gelten. Über den engen Rahmen der Familie Capodilista hinaus ist der Kodex allerdings kaum rezipiert worden. Auch die einzige Abschrift B, die vor 1631 entstand, weist nicht auf größere Rezeptionsvorgänge zu späteren Zeitpunkten hin.146 Anstatt also den Blick auf das Nachleben des Kodex in Padua oder außerhalb der Stadt zu werfen, muss der Fokus auf die Lebenszeit Giovan Francesco Capodilistas gerichtet bleiben. Mit dem Wappenbrief der Cortivo findet sich bereits 1435 ein Beleg für die weitere Verwendung des Bildmaterials des Capodilista-Kodex, der gleichzeitig einen interessanten Einblick in Capodilistas Arbeitsmethode während der Abfassung des Capodilista-Kodex erlaubt. Um diese weiter auszuleuchten, bietet sich die Betrachtung eines weiteren Textes an, der zum Quellenmaterial für den Capodilista-Kodex wurde: die Chronik De Generatione des Giovanni da Nono, von der Capodilistas eigenes Hand­ exemplar mit umfangreichen Notizen erhalten geblieben ist.

III.2.1. Die Chronik des Giovanni da Nono aus dem Besitz Giovan Francesco Capodilistas Es ist ein seltener Glücksfall, wenn der Blick auf die Entstehung eines Werkes so direkt möglich wird, wie es bei den Vorarbeiten zum Capodilista-Kodex der Fall ist. Mit der Handschrift B.P. 1239/XXIX in der Biblioteca Civica di Padova hat sich das Handexemplar der Chronik des Giovanni da Nono aus der Besitz Capodilistas erhalten, das starke Bearbeitungspuren aufweist, die auf eine intensive Nutzung des Textes bei den Vorarbeiten zur Abfassung des Capodilista-Kodex deuten.147 146 

Tatsächlich existiert mit der Wilczek-Abschrift noch eine weiterer Druck des Capodilista­ Kodex. Diese ist allerdings deutlich dem familiären Rahmen zuzuordnen und zudem erst im 19. Jahrhundert entstanden 147  Die Identifikation gelang dem italienischen Paläographen Lazzarini in einem verbreiteten Aufsatz, in dem auch erstmals Teile des Capodilista-Kodex – die Quellenliste und einzelne Stücke der Kurzbiographien – ediert und gedruckt wurden. Nachdruck des Aufsatzes Lazzarini, Vittorio, Un’antico elenco di fonti storiche padovane, in: Vittorio Lazzarini (Hg.), Scritti di Paleografia, Padova 1969, 284–298.

222 III. Pergament. Giovan Francesco Capodilista und sein Selbstbild im Capodilista-Kodex Es handelt sich dabei um das Werk Liber de generatione aliquorum civium urbis Padue tam nobilium quam ignobilium, einen der wichtigsten Texte Giovanni da ­Nonos.148 Er wird in der Quellenliste des Capodilista-Kodex als „Iten [sic!] annalia domini Iohanis de Naone, civis Patavi, de Prima Euganea“ aufgeführt.149 Dass Capodilista den Text nur als Annalia oder De Moribus et familiis Patavorum einführt, lässt sich vielleicht mit dem enormen Verbreitungsgrad der Chronik in Padua erklären. Gleichzeitig weist diese Namensgebung auch direkt auf den Inhalt des Werkes ­Giovanni da Nonos hin und deutet auf den Schwerpunkt von Capodilistas Interesse an der Chronik. Der Eintrag zum Werk Giovanni da Nonos vermerkt weiter seinen weiten Verbreitungsgrad: „Ista sunt apud plures et plures, scilicet dominum Paulum predictum150, Xiconem Polentonum151, Penesillos de Malfatis, nos et multos alios.“152 Die Chronik Giovanni da Nonos erreichte ihre höchste Popularität in Padua im Verlauf des 15. Jahrhunderts, und diente zahlreichen historiographischen Werken als Ausgangspunkt und Quellenmaterial.153 Die Beliebtheit des Werkes nahm erst knappe hundert Jahre später ab, und wich schließlich einer Geringschätzung des nun als sprachlich mangelhaft empfundenen Stils und des zu ausufernden Materials. Dennoch blieb die Chronik innerhalb Paduas bekannt und wurde auch weiterhin rezipiert, bis sie schließlich zum Gegenstand wissenschaftlicher Auseinandersetzungen und Editionen wurde.154 Giovanni da Nono, der ursprünglich aus dem Dorf Non nördlich von Padua stammte,155 gehörte zur Gruppe der gebildeten Juristen, und entspricht damit dem für Padua typischen Bild des rechtsgelehrten Chronisten. Gesichert ist da Nonos Immatrikulation im Collegio di guidici im August 1306.156 Seine Tätigkeit als Richter in Padua ist bis zu seinem Todesjahr 1346 nachweisbar. Da Nono erlebte vor 148  Zur Chronik da Nonos siehe u. a. Fabris, Giovanni, Cronache e Cronisti padovani, Padua 1977; aktuell mit ausführlichen Literaturhinweisen Cusa, Geschichtsschreibung (wie Anm.  104), 228 f. Eine Edition der Chornik liegt vor bei Giovanni da Nono, Il „De Generatione“ di Giovanni da Nono. Edizione critica e „Fortuna“, ed. v. Rossana Ciola, Diss Masch, Padua 1985. 149  B.P. 954, fol.  5r. 150  Gemeint ist Paolo Dotti, der als Professor für Recht an der Universität Padua lehrte und mit Capodilista gemeinsam in zahlreichen Prüfungen nachweisbar ist. Vgl. Di Renzo-Villata, Gigliola, Art. Paolo Dotti. DBI, 41 (1992), 548. Zur gemeinsamen Prüfungstätigkeit Dottis und Capodilistas siehe bspw. Acta Graduum academicorum gymnasii patavini ab anno 1406 ad annum 1450. Vol. II: 1435–1450, ed. v. Caspare Zonta und Johannes Brotto, Padua 1970 (Fonti per la storia dell’ università di Padova 5), Nr.  247. 151  Der Humanist und ehemaliger Kanzleischreiber der Carrara Sicco Polenton. Zur Person Polentons und der vermutlich freundschaftlichen Beziehung zwischen Polenton und Capodilista siehe unten. 152  B.P. 954, fol.  5r. 153  Fabris, Cronache e Cronisti (wie Anm.  148), 39. 154  Ausführlich zur Entwicklung und mit einer Liste der entstandenen Werke vor allem im 19. Jahrhundert siehe Fabris, Cronache e Cronisti (wie Anm.  148), 56. 155  Cusa, Geschichtsschreibung (wie Anm.  104), 228. 156 Fabris, Cronache e Cronisti (wie Anm.  148), 56. Zur Biographie Giovanni da Nonos auch Zabbia, Marino, Art. Giovanni da Nono. DBI 56 (2001), 114–116.

III.2. Der Kodex im Kontext. Die Chronik des Giovanni da Nono (B.P.1239/XXIX) 223

allem die politisch schwierigen Jahre der Entstehung der Signorie der Carrara in Padua bis hin zu deren Etablierung und der immer wieder aufflammenden gewaltsamen Bedrohung der politischen Stabilität. Seine literarische Produktion fügt sich dabei in eine breite Menge an chronikalen Texte zur Aufarbeitung der politischen Turbulenzen: ein Zeitgenosse da Nonos war der Chronist Albertino Mussato, dessen Werk ebenfalls stark rezipiert wurde.157 Das Oeuvre Giovanni da Nonos, entstanden zwischen 1311 und 1337, umfasst insgesamt drei große lateinische Werke, die sich aus verschiedenen Blickwinkeln mit dem Ursprung der Stadt Padua und ihrer Bevölkerung befassen.158 Das erste ist eine Beschreibung der Gründung einer mit Padua zu identifizierenden Stadt namens Euganea oder Patholomie, Liber de hedificatione ­urbis Phatolomie.159 Der romanhafte Text ist in fünf Bücher unterteilt und sammelt neben den Gründungsmythen Paduas auch andere legendarische Erzählungen um Dardanus und Antenor, die beide mit dem Kampf um Troja verknüpft sind.160 Antenor wird hier allerdings negativ als Verräter dargestellt, der Dardanus hinterrücks tötet und am Ende in einer Schlacht fällt. Er macht so Platz für einen würdigeren Herrscher über Padua, der sich in der Person des Palus findet, Sohn des Dardanus. Da Nono entwickelt so eine alternative Lösung für das Problem der wegen seiner Rolle beim Fall Trojas häufig negativ eingestuften Figur des Antenor, die im Gegensatz zu der von den Prähumanisten genutzten Variante einer Rehabilitation Antenors unter Beihilfe der Werke Livius’ stand.161 Daneben spielt vor allem die Figur Cangrandes della Scala eine Rolle, dessen sich von Verona ausdehnende Herrschaft in den ersten Jahrzehnten des 14. Jahrhunderts die Sicherheit Paduas massiv bedrohte.162 Das zweite Werk da Nonos ist die Visio Egidii regis Patavie. Sie beschreibt mit romanhaften Zügen die Vision des Königs von Padua, Egidio, der vor der Zerstörung seiner Stadt durch Attila nach Rimini habe fliehen müssen.163 Eine ihn während des Gebets ereilende Vision zeigt Egidio, wie Padua immer wieder von Tyrannen regiert und schließlich befreit werde, nur um anschließend durch die Verfehlungen der mächtigen Familien der Stadt wieder in die Hände eines Usurpators zu fallen. Der erste beschriebene Tyrann ist Ezzelino III. da Romano, als zweiter wird Cangrande della Scala eingeführt, während der dritte Tyrann, der noch zu erwarten ist, namenlos 157  Die Werke Mussatos, De Gestis per Henricum septimum und das Schauspiel De gestis Ezerini da Romano, werden beide in der Quellenliste des Capodilista-Kodex genannt und als von herausragender Qualität und weiter Verbreitung beschrieben. B.P. 954, fol.  4v. 158 Vgl. Cusa, Geschichtsschreibung (wie Anm.  104), 228 und 323. 159 Für eine aktuelle Edition siehe Ballestrin, Nicola, Il Liber de hedificatione urbis Phatolomie di Giovanni da Nono: edizione critica e studio, Diss. masch., Padua 2013. 160  Zabbia, Giovanni da Nono (wie Anm.  156), 114. Weitere Beschreibung auch bei Fabris, Cronache e Cronisti (wie Anm.  148), 63. 161  Cusa, Geschichtsschreibung (wie Anm.  104), 229 und Ballestrin, Giovanni da Nono (wie Anm.  159), 16. 162  Zabbia, Giovanni da Nono (wie Anm.  156), 114. 163  Hyde, Padua in the Age of Dante (wie Anm.  120), 29; Cusa, Geschichtsschreibung (wie Anm.  104), 230 f.

224 III. Pergament. Giovan Francesco Capodilista und sein Selbstbild im Capodilista-Kodex bleibt.164 In diese Prophezeiung eingebettet ist ein ausführliches Städtelob nach dem antiken Vorbild einer Descriptio urbis. Beschrieben werden vornehmlich Merkmale der städtischen Infrastruktur, wie Befestigungen und Gebäude, Straßen und Tore. Die Visio entstand vermutlich im Zeitraum zwischen 1314 und 1318.165 Das dritte, und für Capodilistas eigene Arbeit wichtigste Werk, ist De Generatione aliquorum civium urbis Padue tam nobilium quam ignobilium, das auch einfach nur als Chronica oder Liber de ludo fortune bezeichnet wurde.166 Dem letzten Titel lässt sich bereits entnehmen, dass da Nono das Rad der Fortuna als maßgebliches Motiv nutzte und die Schicksale der Familien Paduas unter dem Aspekt des glanzvollen Aufstiegs und fast unvermeidlichen Falls betrachtete.167 Das Motiv des Rades der Fortuna kommt dabei nicht nur in De Generatione vor, sondern klingt bereits in der Visio an, so dass zwischen beiden Werken eine direkte Verbindung zu vermuten ist.168 Mit dieser Motivwahl stehen da Nonos Texte in einer Reihe ähnlich geordneter Werke, zu denen beispielsweise auch Boccaccios De casibus virorum illustrium gehört, das einige Zeit später entstand.169 Das genaue Entstehungsdatum für De Gene­ ratione ist aufgrund der vielen verschiedenen Überlieferungsvarianten nach wie vor nicht sicher festzustellen. Als spätestmöglichstes Datum wird in der Regel die Zeit der Scaligeri-Regierung über Padua von 1329 bis 1337 angesetzt.170 De Generatione ist je nach Überlieferungsträger in bis zu fünf Bücher unterteilt, die chronologisch aufgebaut sind und unterschiedliche Familiengeschichten in jeweils kurzen Abschnitten erzählen. Die Familien werden dabei bestimmten Abschnitten in der Geschichte Paduas zugeordnet, in denen sie eine besonders tragende Rolle gespielt haben, und sind nach Herkunft und Rang gegliedert: im ersten und zweiten 164 

Hyde, Padua in the Age of Dante (wie Anm.  120), 29. Ebd., 30. 166  Seit 1985 liegt eine Edition zu De Generatione vor, die allerdings nur drei Textezeugen einbzieht und deswegen nicht unumstritten ist. Siehe Giovanni da Nono, Il „De Generatione“ di Giovanni da Nono (wie Anm.  148). 167  Das Motiv des Rad der Fortuna war ein ursprünglich aus dem römischen Raum stammen­ des und sich spätestens seit dem Werk De Consolatione Philosophiae des Boethius im 6. Jahrhundert weit verbreitendes Motiv zur Darstellung des wechselhaften Schicksals einflussreicher Familien und Personen. Das Rad der Fortuna bildete sich vor allem als ikonographisches Element heraus, das in unterschiedlichsten Ausführungen überliefert ist. Ausführlich zur Tradition des Fortunarades, seiner Entstehung und Entwicklung zusammenfassend Márques Sánchez, Carles, ‚Fortuna vel et luna‘: iconografia de la Rueda de la Fortuna en la Edad Media y el Renacimiento, in: EHumanista 17 (2011), 230–253. 168  Nicht in diese Reihe gehört der Liber de hedificatione. Siehe Cusa, Geschichtsschreibung (wie Anm.  104), 232. 169 Márques Sánchez, Fortuna vel et luna (wie Anm.  167), 236. 170  Für die verschiedenen Datierungen siehe Fabris, Cronache e Cronisti (wie Anm.  148), 66. Hyde datiert De Generatione auf das Jahr 1318, das letzte Jahr der kommunalen Regierung in Padua. Siehe Hyde, Padua in the Age of Dante (wie Anm.  120), 6. Cusa hält fest, dass durch die im Text enthaltenen Informationen klar ist, das De Generatione deutlich später entstanden sein muss. Cusa, Geschichtsschreibung (wie Anm.  104), 233. 165 

III.2. Der Kodex im Kontext. Die Chronik des Giovanni da Nono (B.P.1239/XXIX) 225

Buch werden die adligen Familien aufgezählt, im dritten Buch die als ehrhaft eingestuften nichtadligen und im vierten Buch nichtadlige Familien, die durch Wucher zu Reichtum gekommen seien.171 Dazu gibt es Abschnitte über die Geschichte und Organisation der Stadt, die Gebräuche, Kleiderordnungen und die Rolle und das Verhalten der Frauen.172 Alle Abschnitte über die Familien folgen einem ähnlichen Schema, das Informationen über das Herkommen der Familie enthält und in der Regel mit einer detaillierten Beschreibung der Familienwappen und heraldischen Zeichen endet.173 Dazu kommen Beschreibungen der Familienpaläste, Einschätzung ihres Ranges in der Stadt, aber auch Berichte über Skandale und Gerüchte, die in der Stadt im Umlauf waren.174 Klatsch und Tratsch werden dabei systematisch genutzt, um Familien entweder positiv dazustellen oder zu diskreditieren.175 Getreu dem Motiv des Rades der Fortuna beschreibt Giovanni da Nono zwischen diesen Eckpunkten das Schicksal der Familien, eng verflochten mit der Geschichte der Stadt Padua und mit einem Augenmerk auf deren Auf- und Abstieg. Als Quellen benutzte Giovanni da Nono unter anderem sowohl die 1261 entstandene Chronik des Rolandino über die Herrschaft Ezzelino III. da Romanos in Padua, als auch die heute verlorene Verschronik des Zambono d’Andrea de Favafoschi.176 De Generatione gehört damit in die Reihe historiographischer Werke in Padua, in denen die politische Geschichte einer Stadt unmittelbar mit der sozialen Geschichte der städtischen Gesellschaft und Familiengeschichte verknüpft wurde.177 Diese Verknüpfung gelang Giovanni da Nono offensichtlich besonders gut, und De Generatione wurde oft selbst als Quelle bei der Abfassung neuer historiographischer Werke genutzt. Den ersten Beleg dafür bildet die Nennung in der Quellenliste des Capodilista-Kodex, die sich auf ein Exemplar der Chronik im Besitz Giovan Francesco Capodilistas aus dem 14. Jahrhundert bezieht.178 Es hat sich bis heute unter der Signatur B. P. 1239/XXIX in der Biblioteca Civica di Padova erhalten.179 Die heute unvollständige Handschrift enthält neben De Generatione auch Teile des Liber 171 

Cusa, Geschichtsschreibung (wie Anm.  104), 234. Zabbia, Giovanni da Nono (wie Anm.  156), 114. 173  Zabbia vermutet, dass da Nono dieses Schema aus der Arbeit an der Visio übernommen hatte, und rückt es in die Nähe der üblichen Struktur der Descriptio urbis. Siehe ebd., 114. 174  Cusa, Geschichtsschreibung (wie Anm.  104), 234. 175 Ebd. 176 Zabbia, Giovanni da Nono (wie Anm.  156), 114. Zu weiteren Quellen da Nonos siehe Bortolami, Famiglia e Parentela (wie Anm.  122), 139 und Cusa, Geschichtsschreibung (wie Anm.  104), 234. 177  Hyde definiert die Chronik als bestes Beispiel für das Genre der „Italian municipal social chronicles“. Hyde, Padua in the Age of Dante (wie Anm.  120), 6. 178  Ballestrin nennt die Handschrift aus dem Besitz Capodilistas als ältesten Beweis für die Beschäftigung mit da Nonos Werk. Ballestrin, Giovanni da Nono (wie Anm.  159), 3. Zur Handschriftenbeschreibung siehe Ebd., 30. 179  Ballestrin, Giovanni da Nono (wie Anm.  159), 30, weiter Fabris, Cronache e Cronisti (wie Anm.  148), 36. 172 

226 III. Pergament. Giovan Francesco Capodilista und sein Selbstbild im Capodilista-Kodex de hedificatione da Nonos, und war ursprünglich wohl um die Visio ergänzt.180 Die 26 Pergamentblätter umfassende Handschrift ist immer noch einer der häufig genutzten Textzeugen. Der Haupttext ist in einer eleganten und sauberen Textualis des späten 14. Jahrhunderts in bräunlicher Tinte sorgfältig ausgeführt.181 Er ist stellenweise rubriziert, mit blauen und roten Capitulazeichen gegliedert, und weist elegant ausgeführte, mit Blattgold verzierte Initialen im Stil der in Norditalien verbreiteten „girari bianchi“ auf.182 Der Erhaltungszustand des Kodex ist insgesamt schlecht und der Text über längere Abschnitte kaum noch lesbar. Teilweise fehlen Blätter innerhalb der Lagen, so dass größere Textverluste vorliegen.183 Eine nicht lange zurückliegende Restaurierung konserviert den Erhaltungszustand des Kodex aber hinreichend. Der noch erhaltene Text weist starke Bearbeitungsspuren von mehreren Händen auf. Die größten Ergänzungen und Marginalkommentare stammen von Giovan Francesco Capodilista. Weitere Interlinearkommentare sind von mindestens drei späteren Händen eingefügt, die möglicherweise mit den späteren Einträgen des Capodilista-Kodex identisch sein könnten, oder zumindest aus derselben Zeit stammen.184 Zusätzlich zu den eingefügten Kommentaren sind zahlreiche Zeichnungen in den Marginalien zu finden, die vor allem Wappenschilde zeigen. Aber auch Skizzen zu Stammbäumen oder Köpfen sind an vielen Stellen zu erkennen. Direkt zu Beginn des Kodex auf Blatt 2r sind beispielsweise zwei Köpfe skizziert, die nach rechts auf den Text schauen.185 Zusätzlich sind in den Marginalien noch strukturierende Elemente eingefügt, die auf bestimmte Textinhalte hinweisen, wie Notasymbole und Zeigehände.186 Die Randbemerkungen Capodilistas dienten einem doppelten Zweck: sie sind als Gliederungshilfen gedacht, und exzerpieren gleichzeitig wichtige Abschnitte. Gezeichnete Stammbäume und Wappen setzen die im Text enthaltenen Informationen in einfache Schemata um und erleichtern so den schnellen Überblick. Gleichzeitig ergänzte Capodilista aber auch Informationen, die in den Texten da Nonos nicht vorkommen. Stellenweise sind ganze Passagen durchgestrichen oder sogar ausgekratzt und am Rand ersetzt oder überschrieben. Zusätzlich enthält die Handschrift auf der letzten Seite einen Index von der Hand Capodilistas, in dem die einzelnen Passagen katalogisiert sind. Die vor der Restaurierung als hinterer Spiegel dienende Seite 26r enthält, ebenfalls von der Hand Capodilistas, einen Heiligenkalender, der mit dem Tag der für Padua besonders wichtigen Heiligen Giustina, dem 7. Oktober, eröffnet wird.187 180 

Ballestrin, Giovanni da Nono (wie Anm.  159), ebd. Zur paläographischen Analyse siehe Ballestrin, Giovanni da Nono (wie Anm.  159), 30. 182  Alexander, Italian Renaissance Illuminations (wie Anm.  9), 12. 183  Ballestrin, Giovanni da Nono (wie Anm.  159), 30. 184  Die Eintragungen auf der letzten Seite des Capodilista-Kodex enthalten Anmerkungen zur weiteren Familiengeschichte. Siehe B.P. 954, fol.  36r. 185  B.P. 1239/XXIX, fol.  2r. Die Köpfe sind nur in Umrissen ausgeführt, weisen aber individuelle Züge und unterschiedliche Kopfbedeckungen auf. 186  Beispielsweise auf fol.  8r. 187  B.P. 1239/XXIX, fol.  26r. 181 

III.2. Der Kodex im Kontext. Die Chronik des Giovanni da Nono (B.P.1239/XXIX) 227

Dieses letzte Blatt ist stark beschädigt und der Text auf den noch vorhanden Bruch­ stücken stellenweise nicht mehr lesbar. Aus den Ergänzungen und Texteingriffen Capodilistas im Haupttext kann leicht herausgelesen werden, welche Passagen für ihn bedeutsam waren. Besonders der 18 Zeilen umfassende Abschnitt über die Familien Transelgardi, Forzatè und Capodilista auf Blatt 12v weist intensive Bearbeitungsspuren auf. Im unteren Bereich sind acht Zeilen durchgestrichen, einige Zeilen darüber sind mit dunklerer Tinte nachgezeichnet und schwer lesbar, und eine Zeile zu Beginn des Textes ist vollständig abgekratzt. Der Text beginnt mit der Überschrift „De domo et origine nobilium et potentum virorum de Transelgardis, de Forzate et de Capite liste qui privilegium habet ab imperatore.“188 Danach wird berichtet, dass die Familien Transelgardis, Forzatè und Capodilista zusammengehörten, und von altem Adel seien: „Fertur quod in antiquis scripturis reperitur eos fuisse nobiles“. Danach folgt die ausgekratzte Zeile, deren erstes Wort aber noch als „alemanos“ erkennbar ist.189 Bereits die Edition vermerkt aber, dass der Text mithilfe anderer Textzeugen rekonstruierbar ist. Die Handschrift Cod. Nr.  1308 (209) der Biblioteca Comunale in Verona190, ein aus mehreren Texten des 13. bis 16. Jahrhunderts bestehender Sammelkodex, überliefert De Generatione auf den Blättern 176r bis 206r. Der Abschnitt zur Familie Forzatè findet sich auf Blatt 195v. Dort ist der fehlende Satz enthalten, so dass der Satzteil als „[…] eos fuisse alemanos et per paduanem urbem ivisse“ zu ergänzen ist.191 Das ähnelt auch dem Textbestand der Handschrift Ms. 11. der Biblioteca del Seminario Vescovile in Padua, entstanden 14. bis 15. Jahrhundert, die den entsprechenden Abschnitt auf Blatt 48r überliefert: „[…] eos fuisse alemanos qui per Paduanam urbem ivisse vendendo ­fusos“. Es verwundert nicht, dass genau dieser Textabschnitt in der Handschrift aus Capodilistas Besitz ausgekratzt wurde, lässt sich eine Herkunft der Familie aus dem nordalpinen, deutlich als ‚deutsch‘ definierten Raum schließlich nur schwer mit der Herkunftslegende des Capodilista-Kodex in Übereinstimmung bringen. Die folgenden, erhaltenen Zeilen berichten vom alten Adel der Familienmitglieder, die dank eines Privilegs Kaiser Friedrichs („imperatore frederico“) bereits den Rang eines „comes“ erhalten hätten. Sie gehörten zu den ältesten und edlesten Bürgern der Stadt, und seien es bis heute („ab antiquo fuisse nobiles et potentes populares et sunt usque in hodiernam diem“). Danach beginnt da Nono, den Stammbaum der Familie Forzatè 188 

B.P. 1239/XXIX, fol.  12v. die Anregungen zum folgenden Textabschnitt und zahlreiche hilfreiche Hinweise danke ich Giuseppe Cusa, der mir auch großzügig seine Digitalisate der Handschriften Cod. 1308 (209) der Biblioteca Comunale in Verona und der Handschrift Ms. 11 der Biblioteca del Seminario Vescovile zur Verfügung gestellt hat. 190  Auch als Ms. 209 der Biblioteca Civica di Verona geführt. Siehe Ballestrin, Giovanni da Nono (wie Anm.  159), 33. 191  Ähnlich ergänzt auch die Edition Ciolas unter Benutzung der Ms. 11. und einem weiteren Textzeugen. Giovanni da Nono, Il „De Generatione“ di Giovanni da Nono (wie Anm.  148), 132. Zur Handschrift siehe Ballestrin, Giovanni da Nono (wie Anm.  159), 35. 189  Für

228 III. Pergament. Giovan Francesco Capodilista und sein Selbstbild im Capodilista-Kodex zu entfalten und berichtet, das Forzatè de Forzatè von Helice, der Tochter von Ranaldi Scruffegni, mehrere Kinder gehabt habe. Ausgehend von diesem Paar werden Eheverbindungen geschildert und berichtet, dass die Familie irgendwann auch nach dem Berg Monte Merlo benannt worden sei. Die folgende Passage ist mehrfach durch­ gestrichen und ausgekreuzt.192 Sie behandelt weitere Verzweigungen der Familie Forzatè und Verbindungen zu Regionen, wie dem als „Monte Silice“ bezeichneten Gebiet in den Eugeanischen Hügeln um Padua.193 Auch ein Konnex zu den Gonzaga von Mantua („Guancaga civitat mantue dominanti“) über eine Heiratsverbindung mit einer weiblichen Angehörigen des Hauses wird erwähnt, aber nicht weiter ausgeführt. Statt dieser Passage fügte Capodilista darunter, in den freien Raum neben den mit Capitulazeichen abgesetzten Versen da Nonos auf die Familie, weitere Anmerkungen zu Verzweigungen der Familie Forzatè ein, besonders zu Ansippungen und entfernteren Familienzweigen. Unter der Überschrift „Transelgardis descenderunt“194 führte Capodilista unter anderem seine eigene Familie als einen Zweig der Forzatè auf. Die tatsächlichen Verzweigungen der Forzatè mit dem ehemaligen Paduaner Herrscherhaus der Carrara und den einflussreichen Scrovegni werden bemerkenswerterweise nicht ausgeführt. Stattdessen verzeichnen die Kommentare beispielsweise die Familie Sulimano als weiteren Abkömmling der Forzatè.195 Weder die Verbindung der Forzatè mit den Capodilista noch die weiteren in den Marginalien aufgeführten Verwandtschaftsbeziehungen gelten als belegt.196 Der Abschnitt im Text da Nonos endet mit einem Gedicht auf die Familien Forzatè, Transelgardi und Capodilista, dass nach da Nono von Zambono d’Andrea de Favafoschi („Camboni de Fava­ fuschis“) stammt. Zuletzt wird noch das Wappen der Familie beschrieben: „cervus rubeus in colore glauco non erecuts et cornutus“. Auffällig ist das deutlich sichtbare Interesse Capodilistas an Heraldik. Seine eingefügten Kommentare erwähnen gelegentlich die Wappen der genannten Familien, und die von ihm eingefügten Wappendarstellungen setzten die heraldischen Beschreibun192  Dieser Abschnitt fehlt in den zum Textvergleich herangezogenen Handschriften Ms. 209 aus der Biblioteca Civica in Verona und Ms. 11 der Biblioteca del Seminario Vescovile. In beiden Textzeugen sind die abschließenden Verse unmittelbar unter die knappe Beschreibung des Stammbaums gesetzt, also direkt dort, wo der in B.P. 1239/XXIX ausgestrichene Absatz beginnt. 193  Gemeint ist hier wahrscheinlich die Gemeinde Monselice. 194  B.P 1239/XXIX, fol.  12v. 195  Die Familie Sulimano ist zu Capodilistas Lebenszeit in Padua oft nachweisbar. Besonders ein Mitglied der Familie, Giovanni Sulimano, ist häufig in den Einträgen des Consiglio oder als Gesandter für Padua aufgeführt, so beispielsweise als Mitglied der Gesandtschaft, die 1405 die Unterwerfung der Bürgerschaft Paduas gegenüber der Republik Venedig beeidete. In den Anweisungen der Gesandtschaft, der auch Capodilista angehörte, wird Sulimano als Jurist verzeichnet. ASP, Ducale, vol.  2, fol.  11r. 196  Siehe den Stammbaum bei Kohl, Benjamin, Fedeltà e Tradimento nello Stato Carrarese, in: Gherardo Ortalli/Micheal Knapton (Hg.), Istituzioni, Società e Potere nella Marca Trevi­ giana e Veronese (Secoli XIII–XIV) sulle tracce di G.B. Verci, Rom 1988, 41–63, hier 63.

III.2. Der Kodex im Kontext. Die Chronik des Giovanni da Nono (B.P.1239/XXIX) 229

gen Giovanni da Nonos in Bilder um, in denen die genannten Farben oder Details als Bildbeischriften vermerkt werden. Neben dem Abschnitt zur Familie Forzatè sind zwei Wappen gezeichnet: Zunächst ein als „insignia nova“ gekennzeichnetes Wappen, das einen steigenden Hirsch mit Rose im Maul zeigt. Die Zeichnung ist mit der gleichen Tinte angefertigt, die auch für den Text genutzt wurde, aber der Hirsch ist flüchtig mit roter Farbe ausgemalt. Unter dieser Zeichnung steht unter dem Kommentar „antiqua“ eine weitere Wappenzeichnung, die einen schreitenden Hirsch im Schild zeigt. Dieser ist sorgfältiger ausgeführt und trägt keine Rose im Maul. Die Darstellung des Wappens folgt dabei der Beschreibung, die da Nono als letztes Element des Abschnitts über die Forzatè gibt. Sie vermerkt den Hirsch als „non erectus et cornutus“197, bezieht sich also auf das als alt bezeichnete Wappen der Familie, das den schreitenden Hirsch zeigt. Obwohl die Farbe des Schildes mit „glauco“, also meergrün, angegeben ist, ist der dargestellte Wappenschild nicht ausgemalt. Auf das als neu gekennzeichnete zweite Wappen, das dem von der Familie Capodilista zeitgenössisch geführten Wappen entspricht, gibt es im Text da Nonos keine schriftlichen Hinweise. Es ist also vermutlich von Capodilista selbstständig als ergänzende Information hinzugefügt worden. Die große Dichte an Kommentaren, Eintragungen, Zeichnungen und Verweisen deutet darauf hin, dass die Chronik des da Nono für Capodilista und die späteren Besitzer der Handschrift von besonderer Bedeutung war. Die Hand Capodilistas ist auf fast allen Seiten der Chronik nachzuweisen. Seine Eingriffe in den Text exzerpieren und ergänzen da Nonos Ausführungen, und die Zeichnungen bieten zusätzliche Informationen oder Visualisierungen des in der Hand­schrift angebotenen Wissens. Die Nennung in der Quellenliste des Capodilista-­ Kodex weist explizit darauf hin, dass Capodilista die bei da Nono gefundenen Informationen für die Verwirklichung seiner eigenen Chronik einsetzte. Gerade das an seinen Bearbeitungen in der Handschrift B.P 1239/XXIX bereits erkennbare Interesse an Heraldik wird im Capodilista-Kodex erneut deutlich, hier konzentriert auf die eigene Familie. Gleichzeitig wird aber auch deutlich, dass Capodilistas Interesse an der Geschichte der Familien Paduas und der städtischen Heraldik über den Rahmen seiner eigenen Familiengeschichte hinausging. Das beweisen auch die Kommentare und Texteingriffe Capodilistas in den übrigen Teilen der Handschrift: einige Anmerkungen von seiner Hand sind auch in den wenigen Teilen des Liber hedeficationis zu sehen, die heute noch erhalten sind.198 Die Handschrift B.P 1239/XXIX ist damit im doppelten Sinne als Informations­ träger einzuordnen. Einerseits manifestiert sich in der intensiven Bearbeitung der Handschrift das Interesse Capodilistas an der Geschichte der Stadt Padua und ihrer Familien, wie sie von Giovanni da Nono erzählt wird. Visualisierungen des Wissens 197 

B.P 1239/XXIX, fol.  12v. Siehe die Analyse bei Ballestrin, Giovanni da Nono (wie Anm.  159), 81 f. Der Schwerpunkt der Anmerkungen Capodilistas liegt aber auf den Teilen der Handschrift, die da Nono’s De Generatione überliefern. Siehe ebd., 50-–53. 198 

230 III. Pergament. Giovan Francesco Capodilista und sein Selbstbild im Capodilista-Kodex dienen dabei vor allem der Gliederung der Handschrift und machen deutlich, dass es sich bei diesem Exemplar um eine Gebrauchshandschrift gehandelt hat, deren intensive Nutzung noch heute sichtbar ist. Gleichzeitig wird die Handschrift zu einem Träger externen Wissens, das Capodilista in den Randmarginalien sammelt, ebenfalls visualisiert und an das in der Handschrift vorhandene Wissen angliedert. Der Text da Nonos fungiert in diesem Zusammenhang wie ein Nukleus, an den weiteres Wissen angelagert wird. Die Handschrift wird so zu einem Sammelbecken an historischem Wissen über die Familien der Stadt Padua, und in einem ersten Rezeptionsschritt zur Sammlung von Materialien, die später für die Abfassung eines neuen Werkes genutzt werden können. Die Handschrift fungiert sozusagen als Notizbuch Capodilistas, und die späteren Hände zeigen, dass auch die nachfolgenden Besitzer diese Wissenssammlung erweiterten oder für ihre Zwecke umdeuteten. Unklar bleibt, welche Quellen Capodilista für die Erweiterung der Chronik da Nonos verwendet hat. Eine Auswahl an möglichen Texten lässt sich zwar aus der Quellenliste des Capodilista-Kodex entnehmen, direkte Hinweise liefert Capodilista aber in B.P 1239/XXIX nicht. Letztendlich gibt die Handschrift von da Nonos Chronik nicht nur Einblicke in die Ausrichtung des historiographischen Interesses Capodilistas, sondern erlaubt auch eine Rekonstruktion der ersten Schritte zur Abfassung eines neuen Werkes. Die Auswahl und die Zusammenstellung von Quellen gehörten zum Standartprozedere bei der Anlage von Chroniken.199 Datiert man die Notizen in B.P 1239/XXIX vor die Entstehung des Capodilista-Kodex, erlauben sie einen weiteren Rückschluss für dessen Vorbereitung. Deutlich wird, dass es sich bei der in Basel entstanden Handschrift keineswegs um eine spontane Reaktion nach der Erhebung Capodilistas zum Hofpfalzgraf 1434 handelt. Vielmehr muss der Capodilista-Kodex ein von langer Hand geplantes und detailliert vorbereitetes literarisch-historiographisches Projekt gewesen sein, für das die Vorarbeiten bereits vor Capodilistas Beauftragung als venezianischer Diplomat begonnen hatten. Die letztendliche Form und die Ausführung durch den Buchmaler wurden schließlich stark von den Ereignissen in Basel bestimmt, die auch den tatsächlichen Arbeitsbeginn Capodilistas beeinflussten.

III.2.2. Vom Kodex zur Urkunde: Das Adelsprivileg für Manfredo del Cortivo Das Adelsprivileg des Manfredo del Cortivo verhält sich zum Capodilista-Kodex quasi umgekehrt zur Chronik des Giovanni da Nono: Während das Handexemplar von De Generatione die Arbeit Giovan Francescos direkt beeinflusste, wird an der Urkunde deutlich, wie der Kodex selbst zum Vorbild wurde. Die am 19. Juli 1435 auf 199  Vgl. zu dieser Praxis vor allem im Veneto Melville-Jones, John, Venetian History and Patrician Chronicles, in: Sharon Dale (Hg.), Chronicling History. Chroniclers and Historians in Medieval and Renaissance Italy, University Park 2007, 197–221, hier 202.

III.2. Der Kodex im Kontext. Die Chronik des Giovanni da Nono (B.P.1239/XXIX) 231

dem Basler Konzil von Giovan Francesco Capodilista ausgestellte Urkunde ist heute als B.P. 1641/III in der Biblioteca Civica zu finden (Abb. 9).200 Dorthin gelangte sie gemeinsam mit dem Capodilista-Kodex 1856 aus dem Besitz des Notars Antonio Piazza. Mit dem Kodex verbindet sie nicht nur die Provenienz: Die Ausstellung der Urkunde war eine der ersten Handlungen Capodilistas als Hofpfalzgraf auf dem ­Basler Konzil. Die Möglichkeit zur Bestätigung der Nobilität gehörte üblicherweise nicht zu den Amtsprivilegien des Palatinats, sondern war Capodilista vermutlich gesondert von Sigismund verliehen worden.201 Für Capodilista war die Nobilitätsbestätigung von Manfredo del Cortivo so bedeutend, dass sie einen prominenten Platz im Capodilista-Kodex einnahm. Sie wird unmittelbar zu Beginn des Kodex ausführlich beschrieben: „Millessimo quadringentessimo trigessimo quinto, die martis, decimo nono julii, in civitate Bascilee, confirmavi ex mandato imperiali, nobilitatem nobilis viri Manfredi a Cortivo de Padua et suorum, declarando eos esse et fuisse nobiles Patavos, confirmando eciam illis, auctoritate imperiali, antiqua eorum insignia et addiciendo leoni coronam et aquilam de super imperialem, donavi eciam illis cimerium antiquum nostrum militis teucri.“202

Weiter berichtete Capodilista, dass er die Urkunde in Abwesenheit des in Padua ansässigen Vaters an seinen Sohn Rolando del Cortivo überreicht habe, den er als Student des kanonischen Rechts bezeichnet.203 Rolando del Cortivo war als Familiare Capodilistas mit ihm zusammen nach Basel gereist, und wurde im Tagebuch der Gesandtschaft von Andrea Gatari als „scolaro in decretal“ bezeichnet.204 Die Verbindung zwischen Rolando del Cortivo und Capodilista scheint eine langjährige gewesen sein, denn im März 1436 ist Cortivo zeitgleich mit ihm in Florenz und 1439 als Jurist in seiner Gefolgschaft auf den Reichsversammlungen in Nürnberg und Mainz nachweisbar.205 Auf der Reichsversammlung zu Mainz 1439 übernahm Cortivo eigenständig Aufgaben als päpstlicher Orator und legte anstelle der noch in Nürnberg auf ihre Geleitbriefe wartenden päpstlichen Gesandten vor den Fürsten eine Liste mit Forderungen vor.206 Segovia, der Chronist des Basler Konzils und häufiger Vertreter 200  Ausführlich

besprochen von Mantovani, Privilegium nobilitatis (wie Anm.  7), 540–542 und Roland/Zajic, Illuminierte Urkunden (wie Anm.  5), 372–377. Siehe auch den Bildanhang Abb. 14 und 15. 201  B.P. 954, fol.  1v. 202  B.P. 954, fol.  1v. 203  B.P. 954, fol.  1v. 204  Tagebuch des Andrea Gatari (wie Anm.  23), 429. 205  Für die Nennung Rolando del Cortivos in Florenz siehe I libri commemoriali della Republica di Venezia. Regesti: Tomo IV, ed. v. Riccardo Predelli, Venedig 1896 (Monumenti storici publicati dalla R. Deputazione Veneta di Storia Patria. Serie Prima: Documenti 8), 205f, Nr.  7. vom 29. März 1436, für die in Nürnberg RTA 14, Nr.  51 (25.3.1439), 102. 206  Dabei wird er als Orlando del Cortimo bezeichnet. Hofmann, Giorgio, Due discorsi del legato pontificio Giovanni da Torquemada O.P. nella dieta di Norimberga (autunno 1438) e nel congresso di Magonza (primavera 1439), in: Dersl. (Hg.), Papato, conciliarismo, patriarcato

232 III. Pergament. Giovan Francesco Capodilista und sein Selbstbild im Capodilista-Kodex der Konzilsväter auf politischen Foren, bezeichnete ihn dabei erstmals als Doktor beider Rechte.207 Die Urkunde von 1435 überliefert nur die Namen der fünf Söhne Manfredo del Cortivos: neben Rolando die vier Brüder Bartolomeo, Giovanni, Ludovico und Filippo, letztgenannter wie Rolando als Rechtsstudent bezeichnet.208 Die Cortivo scheinen in Padua verwurzelt gewesen zu sein. Eine Notiz in der Plica der Urkunde weist aber auf weitere Verwandtschaftszweige hin: „in Hoff: id est a curtivo“.209 Gemeint ist hier wahrscheinlich die Nürnberger Familie der Imhoff.210 Als Fernhandelskaufleute spielten die ursprünglich aus dem Raum um Augsburg und Nördlingen stammenden Imhoff zu Beginn des 15. Jahrhunderts eine bedeutende Rolle im Handel zwischen Nürnberg und Venedig. Die latinisierte Form des Namens lautete „in Curia“. Verbindungen zu Padua sind derzeit nicht belegt, und es ist unklar, ob es sich bei den Cortivo tatsächlich um einen entfernten Zweig der Familie handeln könnte. Bemerkenswert ist allerdings die Wappengleichheit: Die in Nürnberg nachweisbaren Imhoff führten einen goldenen als „Seelöwen“ bezeichneten Löwen mit Fischschwanz im roten Schild, ähnlich wie der rote Löwe im Schild des Adelsprivilegs für Manfredo del Cortivo.211 Diese auffällige Gemeinsamkeit weist darauf hin, dass es sich hier möglicherweise nicht nur um die Übersetzung des Namens Cortivo handelt. Bestätigt und beglaubigt wurde die Urkunde manu propria von Capodilista und drei Zeugen. Capodilistas Unterschrift kündigt die Anbringung eines Siegels an, das aber verloren ging und von dem nur noch die Löcher der ursprünglich abhängenden Anbringung zu erkennen sind. Als Zeugen fungierten drei italienische Kleriker: Die Bischöfe Thomas von Lesina und Andreas von Osimo, sowie der Abt des Klosters (1438–1439). Teologi e deliberazioni del concilio di Firenze, Rom 1940 (Miscellanea Historia Pontificiae), 9–30, hier 21. 207  Text bei Sacrorum conciliorum nova et amplissima collectio. Bd. 31b. 1431–1445, ed. v. Giovanni Mansi, Paris 1901, ND Graz 1961, Liber XIIII, Caput XXII, 241 f. 208  B.P. 1641/VIII. 209  B.P. 1641/VIII. 210  Obwohl viel Literatur zu den Verbindungen zwischen Venedig und Nürnberg vorliegt und auch die mit den Imhoff verwandte Familie der Prickheimer in den letzten Jahren größeres wissenschaftliches Interesse erfahren hat, war lange zur Familie der Imhoff kaum Literatur vorhanden. Diese Lücke wurde mittlerweile durch die umfangreiche Studie Pfotenhauers geschlossen, siehe Pfotenhauer, Bettina, Nürnberg und Venedig im Austausch. Menschen, Güter und Wissen an der Wende vom Mittelalter zur Neuzeit Regensburg 2016 (Studi 14)., bespw. 44–45. Eine umfangreiche Monographie zu den Imhoff liegt aber nicht vor. Kritisch zu werten, aber dennoch lesenswert ist der Aufsatz von Imhoff, Christoph, Die Imhoff. Handelsherren und Kunstliebhaber. Überblick über eine 750 Jahre alte Nürnberger Ratsfamilie, in: Mitteilungen des Vereins für die Geschichte der Stadt Nürnberg 62 (1975), 1–42, noch älter Jahnel, Helga, Die Imhoff, eine Nürnberger Patrizier- und Grosskaufmannsfamilie. Eine Studie zur reichsstädtischen Wirtschaftspolitik und Kulturgeschichte an der Wende vom Mittelalter zur Neuzeit (1351–1579), Würzburg 1950. 211  Im Wappenbrief wird der Löwe als „cum cauda galli“ bezeichnet, wobei fraglich bleibt, wieso der fischartige Schwanz hier einem Hahnenschwanz ähneln soll. B.P. 1641/VIII.

III.2. Der Kodex im Kontext. Die Chronik des Giovanni da Nono (B.P.1239/XXIX) 233

San Fermo in Verona.212 Das Notarszeichen des Konzilsnotars Giovanni de Roca­petri ist rechts von den Unterschriften erhalten.213 Inhaltlich bestätigt der Wappenbrief den Adelsstand Manfredo del Cortivos, seiner Söhne und deren Nachkommen, die „antiquos et nobiles cives patavinos“ seien. Mit der Bestätigung einher geht eine Verbesserung des Wappens der Cortivo. Über dem bereits erwähnte Stammwappen der Familie, dem roten „Seelöwen“, der gold bekrönt und bekrallt im blauen Schild steht, wird der kaiserliche Adler in das Schildhaupt des Wappens eingefügt. In der Darstellung des Wappenbriefes ist der Adler allerdings nicht doppelköpfig, wie er es als kaiserlicher Adler sein müsste, und wie auch Capodilista selbst ihn in seinem verbesserten Wappen führte, sondern nur mit einem Kopf dargestellt.214 Auf dem Turnierhelm mit der roten Decke ist ein Krieger in orientalischer Kleidung zu sehen, der ein Krummschwert in der linken Hand führt. In der rechten Hand trägt er eine als Uhr erkennbare Apparatur, die in der Urkunde auch als „Rologum“ bezeichnet wird. Dazu gehört die Devise „Memento quod cito labitur“. Diese gesamte Helmzier ist auf den ersten Blick als übernommenes Bildelement aus dem Capodilista-Kodex zu erkennen. Dort steht sie als Helmzier auf Blatt 2r über dem als „Antiquissima transel­ gardorum insignia“ bezeichneten Wappen, das im Schild grüne Wellen auf weißem Grund zeigt (Abb. 1). Sämtliche dekorativen Elemente, wie die Muster in der Kleidung des Kriegers, die Knöpfe und Spangen sowie die Verzierung der phrygischen Mütze, sind exakt aus dem Kodex übernommen. Lediglich die Ausfütterung der Mütze mit Feh wurde nicht beibehalten, während der Pelzbesatz des Mantels auf der Urkunde als Feh zu erkennen ist. Das lässt darauf schließen, dass es sich nicht um eine bewusste Auslassung handelt. Ein weiteres fehlendes Element, die auf der Uhr im Capodilista-Kodex angebrachten Fähnchen mit dem Stadtwappen Paduas, sind vermutlich aus Platzgründen entfallen: bereits die Spitze des Uhrturmdaches ist nicht mehr zu sehen, da die Uhr von der dekorativen Umrandung des Bildfeldes abgeschnitten wird. Aus dem Kodex übernommen ist die Devise „Memento quod cito ­labitur“, die unterhalb der Uhr angebracht ist. Dieses vermutlich ohne literarisches Vorbild stehende Motto wurde von Capodilista für die Anfertigung des Capodilista-Kodex entworfen, genauso wie das gesamte Uhrenwappen als fiktives Wappen für den Kodex entwickelt wurde. Die Verwendung von Bestandteilen des Uhrenwappens kommentiert Capodilista in der Beschreibung des Verleihungsaktes im Capodilista-Kodex als „donavi eciam illis cimerium antiquum nostrum militis teucri.“215 Die Übernahme von Wappen­ 212 

375.

213 

Zu den genannten Personen siehe auch Roland/Zacij, Illuminierte Urkunden (wie Anm.  5),

Ebd., 375. Capodilista führte nach seiner Ernennung zum Hofpfalzgraf ein neues Wappen, das e­ inen blauen steigenden Löwen im goldenen Schild zeigt, über dem ein doppelköpfiger kaiserlicher Adler im Schildhaupt stand. Das neue Wappen Capodilistas ist allerdings nicht als tatsächlich genutztes Wappen nachweisbar. Siehe B.P. 954, fol.  32r. 215  B.P. 954, fol.  1v. 214 

234 III. Pergament. Giovan Francesco Capodilista und sein Selbstbild im Capodilista-Kodex elementen bei der Verleihung von Wappenbesserungen war ein üblicher Vorgang, und verband den Empfänger mit dem höhergestellten Stifter.216 Das Wappen wird damit zu einem Symbol nicht nur für die individuelle Person, sondern auch für das in Kontakten sichtbare soziale Kapital des Wappenträgers. Im Falle der Urkunde Cortivos entspricht die Verwendung des Adlers der ursprünglichen Herkunft der Ehrung aus dem von Kaiser Sigismund an Capodilista verliehenen Recht zur Adelsbestätigung. Die Übernahme der Helmzier als prominentes Element des Wappens weist auf eine Verbindung zwischen Capodilista und Cortivo hin. Tatsächlich erwähnt Capodilista an späterer Stelle im Kodex, dass Manfredo del Cortivo sein „compater“, also Taufpate seiner Kinder, gewesen sei.217 Interessant bleibt aber, das Capodilista Cortivo keine Elemente des eigentlichen Capodilista-Wappens verlieh, also den roten Hirsch im goldenen Schild, der im Capodilista-Kodex an zahlreichen Stellen präsent ist.218 Durch die Weitergabe des fiktiven Wappens wirkt die Verbindung, die zwischen den Capodilista und den Cortivo hergestellt wird, erheblich schwächer und weniger offensichtlich als sie es bei der Benutzung des Hirschwappens gewesen wäre. Gleichzeitig ergab sich damit für Capodilista die Möglichkeit, das fiktive Uhrenwappen als vermeintlich anerkanntes Bildelement zu platzieren, das so über das an die Cortivo verliehene Wappen mit den Capodilista verknüpft werden konnte. Der Wappenbrief der Cortivo verleiht damit dem Uhrenwappen des Capodilista-Kodex Anerkennung, im Umkehrschluss zu dem eigentlichen Mechanismus, der das neu verliehene oder gebesserte Wappen in seiner Tragfähigkeit eigentlich von dem bereits existenten Wappen des Gönners her denkt. Das neue Wappen der Cortivo und der Prozess der Adelsbestätigung offenbaren weiter nicht nur Informationen über die Cortivo und die Verbindung der Familie zu den Capodilista, sondern auch konkret über den Capodilista-Kodex. Speziell die Entstehung des Kodex kann unter Zuhilfenahme des Wappenbriefes für Cortivo besser verstanden werden. Die Urkunde ist auf den 19. Juli 1435 datiert, und zu diesem Zeitpunkt muss die Anfertigung der Urkunde bereits vollendet, das Wappen also bereits gezeichnet worden sein. Das früheste Datum des Capodilista-Kodex ist die Passage unmittelbar unterhalb der Invocatio, die den Kodex auf 1434 datiert.219 Die Komposition aus Bild und Text des Kodex macht deutlich, dass der Kodex zuerst gezeichnet und dann geschrieben wurde. Die Verwen­ dung der Helmzier des Uhrenwappens in Cortivos Urkunde bestätigt diesen Ansatz, denn um das fiktive und speziell für den Kodex entworfene Wappen an Cortivo wei216 

Roland/Zaijc, Illuminierte Urkunden (wie Anm.  5), 375. B.P. 954, fol.  35v. Die Bezeichnung „compater“ bezeichnet gängig den „Mitvater“, also den männlichen Taufpaten der eigenen Kinder. Siehe Haas, Louis, Il mio buon compare: Choos­ing godparents and the uses of baptismal kinship in Renaissance Florence, in: Journal of Social History 29 (1995), 341–356, hier 350. 218  Der rote Hirsch im goldenen Schild ist an zahlreichen Stellen auch außerhalb des Capodilista-Kodex nachweisbar, und ziert bis heute als Wetterfähnchen den Palazzo Capodilista in Padua. 219  B.P. 954, fol.  4r. 217 

III.2. Der Kodex im Kontext. Die Chronik des Giovanni da Nono (B.P.1239/XXIX) 235

terzugeben, musste es zunächst gesichert vorliegen. Als einzige Vorlage kommt der Capodilista-Kodex in Frage. Führt man diesen Gedanken weiter und setzt den Kodex als Vorlage für die von dem gleichen Maler ausgeführte Wappenzeichnung voraus, lässt sich schließen, dass der Kodex schon in einem weit fortgeschrittenen Zustand war, möglicherweise sogar bereits vollendet. Dafür würde auch sprechen, dass die Kommentare zur Verleihung des Adelsprivilegs an Cortivo sich vor dem Beginn des eigentlichen, auf 1434 datierten und von der Invocatio eingeführten Haupttextes befinden. Diese dem Text vorgelagerten Kommentare verweisen neben dem Hinweis auf das Adelsprivileg für Manfredo del Cortivo auch auf die Ernennung des Antonio Bruges zum Notar durch Capodilista am 17. Februar 1435 und die am 16. September 1435 erfolgte Verleihung eines Wappens mit einer schwarzen Lilie im goldenen Schild an „magistro Iohani et fratribus“220, die nicht identifizierbar sind. Ein end­ gültiger Beweis dieser Vermutungen ist aufgrund der gegenwärtigen Quellenlage nicht zu erbringen. In jedem Fall ist der Adelsbrief für Manfredo del Cortivo von besonderer Bedeutung für den Capodilista-Kodex, nicht zuletzt auch deshalb, weil er die Wanderung eines Bildtypus zwischen den einzelnen Gattungen verdeutlicht. Die Ausführung des Wappens für Cortivo entspricht weniger dem üblichen heraldischen Typus als mehr den in illuminierten Familienbüchern gebräuchlichen Formen.221 Sowohl die Chronik De Generatione des da Nono aus dem Besitz Capodilistas als auch der vorgestellte Wappenbrief für Manfredo del Cortivo sind für die Analyse des Capodilista-Kodex zwei Glücksfälle der Überlieferung. Die Chronik Giovanni da Nonos in B.P 1239/XXIX erlaubt Rückschlüsse auf Capodilistas Vorarbeiten zum Kodex und beleuchtet einen Aspekt seines lange vor der Anfertigung seines eigenen Familienbuches beginnenden historiographischen Interesses. Gleichzeitig erlaubt B.P.1239/XXIX einen Einblick in die Werkstatt des Verfassers und das Verfahren Capodilistas, an einen Textnukleus weitere Informationen aus anderen Quellen anzulagern und zu verdichten. Diese Informationen wurden dann zur Grundlage eines neuen Textes und inspirierten dessen Aufbau und Inhalt. Der Wappenbrief der Cortivo demonstriert, wie der fertige oder zumindest fertig ausgemalte Capodilista-Kodex selbst zur Quelle wurde. Der Transfer der Helmzier des Uhrenwappens beleuchtet, wie Bildmotive für andere Zwecke genutzt wurden und damit neue Bedeutungen erhielten. Gleichzeitig verdeutlicht sich hier die Praxis, ein vorhandenes Wappen wie das der Cortivo mit neuen Elementen zu ergänzen, die verschlüsselt das soziale Kapital des Trägers, also sein Beziehungsgeflecht, zur Schau stellen. Das im Capodilista-­ Kodex enthaltene Uhrenwappen nimmt damit eine Funktion jenseits seines ursprünglichen Zusammenhangs in der Handschrift an, und konnte so losgelöst von der Materialität des Kodex genutzt werden. Damit wird eine vorher nicht enthaltene Bedeutung geschaffen, mit der das Symbol aufgeladen wird und die für außenstehende Betrachter lesbar und verständlich ist. Der Capodilista-Kodex entfaltet damit in einem be220  221 

B.P. 954, fol.  1v. Roland/Zacij, Illuminierte Urkunden (wie Anm.  5), 376.

236 III. Pergament. Giovan Francesco Capodilista und sein Selbstbild im Capodilista-Kodex grenzten Raum eine Nachwirkung mittels einer ungewöhnlichen Form der Rezep­ tion. Auch wenn über das Nachleben des neuen Cortivo-Wappens mit der Capodilista­-Helmzier nichts bekannt ist, verdeutlich sich daran, wie einzelne Elemente der Handschrift in einen neuen Bedeutungszusammenhang gestellt werden konnten.

III.3. „Hoc loco et tempore“. Spuren des Basler Konzils im Capodilista-Kodex Schon die Invocatio des Capodilista-Kodex auf Blatt 4r weist darauf hin, dass die Handschrift während des Basler Konzils vor Ort entstanden ist: „Yesus Maria – Millesimo Quadringentesimo Tricesimo Quarto. Basilee.“222 Es ist wohl nur einer Veränderung der ursprünglichen Konzeption zuzuschreiben, dass diese Einleitung nicht an erster Stelle im Kodex steht. Aber auch die davor eingeschobenen Textstücke deuten in ihrer Dokumentation der Amtshandlungen Capodilistas als Hofpfalzgraf auf das Konzil als Handlungsort. Damit liegt die Vermutung nahe, dass das Konzil als Entstehungsort und maßgeblicher Moment in der diplomatischen Karriere des Verfassers einen prominenten Platz im Werk einnimmt. Aber die Spuren des Konzils im Text sind vage und gehen kaum über Andeutungen und reine geographische Verortungen hinaus. Explizit erwähnt wird die Kirchenversammlung nur ein einziges Mal, und zwar in der Biographie Giovan Francescos, in der er knapp seine Tätigkeit als Diplomat beschreibt: „Novissime eius senatus auctoritate orator creatus est ad Sigismundum imperatorem, et ad sacrum Basiliense concilium, pro pace inter Eugenium papam et ipsum sacrum concilium, quod magna solicitudine tandem factum est.“223 Alle sonstigen Nennungen beziehen sich lediglich auf die Stadt Basel als geographischen Punkt, wie beispielsweise als Ausfertigungsort des Wappenbriefs Manfredos del ­Cortivo im Sommer 1435. Basel scheint im Capodilista-Kodex damit nur der Ort zu sein, an dem Giovan Francesco sich zu bestimmten Zeitpunkten aufhielt. Im Text scheint das Konzil als Begegnungsort und Forum für kirchliche und weltliche Politik nur kurz in der Passage aus Capodilistas Kurzbiographie auf. Auch Capodilistas eigent­liche Aufgabe auf dem Konzil, die weit über die Vermittlung zwischen den Konzilsvätern und Papst Eugen IV. hinausging, wird jenseits der knappen Passage nicht erwähnt. Das ist vor allem angesichts der Bildausstattung des Kodex ungewöhnlich. Besonders Capodilistas Reiterportrait ist von seiner diplomatischen Tätigkeit und den dabei erworbenen politischen Ehren geprägt, und zeigt deutlich sichtbar die Abzeichen der Ritterorden, in die er im Frühjahr 1434 aufgenommen wurde, sowie das Collar of Esses des Hauses Lancaster. Keine dieser Auszeichnungen findet aber im Text Erwähnung.

222  223 

B.P. 954, fol.  4r. B.P. 954, fol.  32r.

238 III. Pergament. Giovan Francesco Capodilista und sein Selbstbild im Capodilista-Kodex Das Konzil spielt also als Ort politischer Begegnung und Diplomatie im Kodex zunächst keine Rolle. Sichtbar wird es aber implizit als internationaler Begegnungsort und damit auch als Handelsplatz und Schnittstelle für die Vermittlung von Kunst, Literatur und vor allem Künstlern. Deutlich wird diese Nebenrolle des Konzils im Kodex in der Ausführung der Bilder. Sie entstanden in Basel ab Frühjahr 1434, ausgeführt von einem wahrscheinlich aus den nördlichen Gebieten des römischen Reiches stammenden Buchmaler. Die Illumination ist damit eines von vielen Zeugnissen für einen kulturellen Transfer, wie er auch im Missale des Paduaner Bischofs und Büchersammlers Pietro Donato von 1436 deutlich wird. Donato und Capodilista arbeiteten besonders in der letzten Phase der venezianischen Präsenz auf dem Basler Konzil bis Dezember 1435 häufig zusammen, so dass Capodilista das Missale gekannt haben könnte.224 Auch in dieser prachtvoll illuminierten Handschrift wird deutlich, dass der Konzilsort als Begegnungsstätte von Künstlern und potentiellen Auftraggebern fungierte, so dass die sonst stark von regionalen Eigenheiten und ­lokalen Schulen geprägte künstlerische Produktion von fremden und neuen Stilrichtungen beeinflusst wurde. So konnte eine eigentlich italienische Handschrift wie der Capodilista-Kodex in ihrer Ausstattung Elemente aus anderen Regionen enthalten, die nicht den Gewohnheiten ihrer geographischen Verortung entsprachen. Weitaus geläufiger als die Begegnung von Künstlern und Auftraggebern aus unterschiedlichen regionalen Herkunftsorten ist die Auffassung vom Konzil als Büchermarkt.225 Der Handel und Tausch mit Büchern galt zunächst der Weitervermittlung und Wiederentdeckung unbekannter Texte und der Verbreitung von neuer Literatur. Bereits das Konzil von Konstanz hatte sich als reger Handels- und Tauschplatz für Bücher etabliert, und in Basel entwickelten sich schnell ähnliche Tauschbeziehungen. Dieses Interesse an Texten entsprach auch der umfangreichen Schriftlichkeit des Konzils, das in seiner ausgedehnten Verwaltung und in seinen täglichen Arbeitsgängen umfangreiche Mengen an Schriftgut produzierte. Angelagert an diese vor allem pragmatische Schriftlichkeit der Konzilsverwaltung entstanden theologische, juristische und andere wissenschaftliche Abhandlungen, die im Alltag des Konzils benötigt oder angefordert wurden.226 Zu dieser Schriftproduktion kam der Austausch von 224  Zum Missale siehe Alexander, Missale des Bischofs Donato von Padua (wie Anm.  5), 318–319. 225  Ausführlich dazu Lehmann, Paul, Konstanz und Basel als Büchermärkte während der großen Kirchenversammlungen, in: Dersl. (Hg.), Erforschung des Mittelalters. Ausgewählte Abhandlungen und Aufsätze von Paul Lehmann. Bd. 1, Stuttgart 1959, 253–280. Auf Lehmann Bezug nehmend auch Neddermeyer, Von der Handschrift zum gedruckten Buch (wie Anm.  72), 280–283. Bemerkungen auch bei Helmrath, Johannes, Das Basler Konzil 1431–1449. Forschungsstand und Probleme, Köln/Wien 1987, 173–178. 226  Lehmann, Konstanz und Basel als Büchermärkte (wie Anm.  225), 254. Zu der vor allem von der wissenschaftlichen Ausbildung der Konzilsteilnehmer geprägten Schriftlichkeit in ­Basel siehe auch Miethke, Jürgen, Die Konzilien als Forum der öffentlichen Meinung im 15. Jahrhundert, in: DA 37 (1981), 736–773, hier 753 f.

III.3. „Hoc loco et tempore“. Spuren des Basler Konzils im Capodilista-Kodex

239

Texten jeglicher Art, die von einzelnen Teilnehmern nach Basel gebracht und dort verbreitet wurden. Die Bücherjagd der vor allem aus italienischen Gebieten kommenden Humanisten im Umfeld des Konzils und geographisch weit darüber hinaus war ebenfalls ein Element dieses Austausches.227 Gleichzeitig machten diese humanistischen Abschriften aber nur einen Bruchteil des tatsächlichen Handels mit Büchern aus, während für den tagesaktuellen Gebrauch des Konzils theologische und juristische Themen überwogen.228 Aber auch gänzlich unerwartete Texte fanden im Gepäck einzelner Konzilsteilnehmer den Weg nach Basel und dort ein neues Publikum. Ein Beispiel hierfür findet sich im Capodilista-Kodex an mehreren prominenten Stellen, und illustriert zumindest theoretisch die Praxis, das eine Handschrift mit einem Konzilsbesucher nach Basel gelangte und dort weitergegeben wurde, die Konzilsstadt aber dann mit ihrem Besitzer auch wieder verließ. Direkt zu Beginn seines Werkes beschreibt Giovan Francesco, wie er „hoc loco et tempore“229 die sogenannten Annalen des Antonio d’Alessio gefunden habe.230 Auf den folgenden Blättern zitiert er ausführlich aus diesem Werk und setzt zahlreiche Querverweise. In der Quellenliste taucht der Text ebenfalls auf: „Iten [sic!] annalia antiquissima domini Antonii de Alexio, que Verone sunt, apud plurimus et sunt hic. Et numquam amplius vidi; et sunt in magno volumine.“231 Genau wie bei allen anderen Handschriften der Quellenliste vermerkt Capodilista hier die Herkunft der Handschrift (Verona) und das Format (in magno volumine). Gänzlich fehlt der Besitzer oder die Verbreitung, aber der Vermerk „Et numquam amplius vidi“ weist auf den besondere Status des Textes hin. Erst am Ende des Kodex geht Capodilista noch einmal ausführlich auf diese Handschrift ein. Auf Blatt 36v ist ein längerer Abschnitt aus diesen Annalen eingeschoben, zu dessen Beginn Bartolomeo della Scala (Bartolameum de La Scala)232 als Besitzer der Handschrift angegeben wird. Am Ende des Abschnitts vermerkt Capodilista, er habe die vorliegenden Bemerkungen eigenhändig abgeschrieben, weil er die Annalen des d’Alessio in Padua zuvor noch nie gesehen habe. Leider habe die Handschrift das Konzil mit der Abreise della Scalas bereits wieder verlassen: „Nec potui habere copiam propter recessum eiusdem domini Bartolamei de Bascilea, sed saltem de nostra familia copiam volui“.233 Die Handschrift mit den Annalen des Antonio von d’Alessio war also nach Capodilistas Bericht nur für kurze Zeit in Basel, und zwar auf keinen Fall länger als bis zum Frühjahr 1434.234 Wann und wo Capodi227 

Dazu Helmrath, Das Basler Konzil (wie Anm.  225), 173. Helmrath charakterisiert allgemein die Humanisten eher als „Randerscheinungen“ des Konzils. Ebd., 174. 229  B.P. 954, fol.  4r. Die Anmerkung „hoc loco et tempore“ ist allerdings nicht im Text selber, sondern nachträglich supralinear eingefügt. 230  Über den umstrittenen Status der Handschrift siehe weiter unten. 231  B.P. 954, fol.  5r. 232  B.P. 954, fol.  36v. 233 Ebd. 234  Bartolomeo della Scala starb am 21. März 1434 in Wien, wovon Andrea Gatari im April 228 

240 III. Pergament. Giovan Francesco Capodilista und sein Selbstbild im Capodilista-Kodex lista und Bartolomeo della Scala das erste Mal in Kontakt kamen, ist unklar. Tatsächlich ist auch die Existenz der von Capodilista erwähnten Handschrift nicht zweifelsfrei belegbar. Selbst wenn es aber die Handschrift im Besitz della Scalas gar nicht gegeben haben sollte, bezeugt die Bemerkung den reichen Austausch von Texten unter den Konzilsteilnehmern und Beobachtern in Basel. Das Konzept der „geschlossenen Öffentlichkeit“235, das den Austausch von Texten in bereits bestehenden Personenkreisen annimmt, ist dabei auch auf diesen Fall anwendbar, denn bei der betreffenden Handschrift handelt es sich um einen ungewöhnlichen und regionalspezifischen Text, der vor einem größeren Konzilspublikum kaum Interesse gefunden hätte. Die Erklärung Capodilistas über die Herkunft der Annalen deutet daneben noch darauf hin, dass der Austausch von Texten zur Normalität des Konzilsalltags dazugehörte. Nimmt man an, dass es sich bei den Annalen nur um eine Erfindung Capodilistas handelt, wäre es nachteilig gewesen, eine ungewöhnliche Herkunftsgeschichte des Textes zu konstruieren. Ist hingegen der Austausch von Texten ein gängiger Bestandteil des Lebens in der international bevölkerten Konzilsstadt, liegt die von Capodilista vorgeschobene Erklärung nah. Sicherlich war das Problem der mit ihrem Besitzer plötzlich abreisenden Handschrift der von ständigen Abreisen und Neuankünften geprägten Atmosphäre der Konzilsstadt nicht ungewöhnlich. Im Capodilista-Kodex wird so die Praxis des Austausches von Texten im konziliaren Umfeld deutlich. Gleichzeitig weist die Qualität der Ausstattung der Handschrift auf die Begegnung von Buchmalern und Auftraggebern unterschiedlicher regionaler Herkunft hin. Damit ist der Kodex implizit in Ausstattung und Gestalt maßgeblich von den Ereignissen des Basler Konzils beeinflusst, das so letztendlich von entscheidender Bedeutung für den Charakter und Inhalt der Handschrift bleibt. Dass der Kodex mit der Abreise Giovan Francescos 1435 wieder nach Italien zurückgelangte, ist dabei nicht ungewöhnlich: Viele der in Basel entstandenen Handschriften gelangten mit der Abreise ihrer Besitzer in die Herkunftsländer der Konzilsteilnehmer.236

1434 erfuhr. Tagebuch des Andrea Gatari (wie Anm.  23), 400. Zur wahrscheinlichen Fiktionalität der Annalen des d’Alessio siehe weiter unten. 235 Miethke, Die Konzilien als Forum (wie Anm.  226), 763. 236  Für eine Liste mit Beispielen für dieses Phänomen siehe Lehmann, Konstanz und Basel als Büchermärkte (wie Anm.  225), 275.

III.4. Neue Zugänge zur Untersuchung des Capodilista-Kodex. Zur Netzwerkperspektive und dem Konzept des Einschreibens Vor Beginn einer ausführlichen Analyse des Capodilista-Kodex muss notwendigerweise die Betrachterperspektive erläutert werden. Die bisher publizierten Untersuchungen des Kodex entstanden vor allem unter den Gesichtspunkten positivistisch orientierter historischer Forschung und der Analyse der kunsthistorisch bedeutenden Ausstattung der Handschrift. Die Kontextualisierung der Handschrift in der Biographie ihres Verfassers und insbesondere die in die Handschrift eingearbeiteten Strategien Capodilistas, das heißt die Funktionalisierung des Kodex durch den Verfasser, wurden bisher nicht betrachtet. Ein neuer Blick auf den Capodilista-Kodex soll zwei elementare Sichtweisen miteinander verknüpfen: zunächst eine aus der Netzwerk­ analyse entwickelte netzwerkperspektivische Betrachtungsweise, die im weiteren Verlauf mit den in der Historiographiegeschichte verbreiteten Vorstellungen des Einschreibens verbunden wird.

III.4.1. Von der Netzwerkanalyse zur Netzwerkperspektive Der Begriff des Netzwerkes hat in den letzten Jahrzehnten eine außerordentliche Verbreitung als Forschungsansatz in der Geschichtswissenschaft allgemein, aber auch speziell in der Mediävistik gefunden.237 Die diesem Aufschwung zugrundeliegende Theorie ist die aus der Soziologie stammende Soziale Netzwerkanalyse (Social Network Analysis/SNA), die sich vor allem seit der Mitte des 20. Jahrhunderts parallel in den USA und England entwickelte.238 Ihre Vorläufer finden sich bereits in der deut237 

Siehe dazu Gamper, Markus/Reschke, Linda/Düring, Marten, Das Millenium der Netz­ werkforschung? Die Bedeutung eines relationalen Paradigmas in der internationalen und deutschen Wissenschaft, in: Diesl. (Hg.), Knoten und Kanten III. Soziale Netzwerkanalyse in Geschichts- und Politikforschung, Bielefeld 2015, 7–27. Für erste theoretische Überlegungen zur netzwerkanalytischen Betrachtung des Capodilista-Kodex siehe Odenweller, Kristina, Von der Liste zum Netz? Nutzen und Schwierigkeiten der netzwerkanalytischen Betrachtung historischer Quellen am Beispiel der Quellenliste des Capodilista-Kodex, in: Kerstin Hitzbleck/ Klara Hübner (Hg.), Die Grenzen des Netzwerks 1200–1600, Sigmaringen 2014, 41–63. 238  Die ausführlichste Darstellung zur Entwicklung der Netzwerkanalyse bietet Freeman, Linton C., The Development of Social Network Analysis. A Study in the Sociology of Science, Vancouver 2004. Weiter Schnegg, Michael, Die Wurzeln der Netzwerkforschung, in: Christian

242 III. Pergament. Giovan Francesco Capodilista und sein Selbstbild im Capodilista-Kodex schen Soziologie zu Beginn des 20. Jahrhunderts, aber auch spätere Konzepte wie die Kapitaltheorien Bourdieus wurden in die Entwicklung der Methode einbezogen.239 Sowohl die US-amerikanische als auch die britische Entwicklung der SNA entstanden aus dem Bedürfnis heraus, Zugänge zur Bewertung und Darstellung von Gruppen unterschiedlicher Größen zu finden. Gleichzeitig stand die Bewältigung immer größerer Datenmengen im Vordergrund, die mit Hilfe von computerbasierten mathematischen Verfahren gemeistert wurde. Eigentlicher Gegenstand der SNA ist die formale Analyse sozialer Beziehungsstrukturen.240 Dabei wird davon ausgegangen, dass diese Beziehungsstrukturen als erklärende Sachverhalte für soziales Handeln und soziale Phänomene dienen können.241 Soziale Einheiten, genannt Akteure (actor), und ihre Handlungen werden damit als bis zu einem gewissen Grad von ihrem sozialen Umfeld abhängig aufgefasst.242 Zur Grundlage des netzwerkanalytischen Denkens gehört die Darstellbarkeit von Beziehungen. Als Darstellungsform entwickelte der Amerikaner Jacob Moreno in den 1930er Jahren die Soziometrie und als wichtigstes Hilfsmittel das Soziogramm, eine Methode zur Darstellung von Personen durch Punkte (Knoten, points, nodes, vertices) und Linien (Kanten, ties, lines, edges, arcs), die zunächst vor allem der Visualisierung von kleineren Gruppenstrukturen diente.243 In der Analyse unterscheidet sich die Betrachtung eines Gesamtnetzwerkes von der eines partiellen Netzwerkes, das nur Beziehungen eines bestimmten Typs enthält.244 Eine weitere Variante der Analyse jenseits der Erstellung eines Gesamtnetzwerkes ist die Untersuchung eines aus der Perspektive eines „ego“ untersuch­ Stegbauer/Roger Häußling (Hg.), Handbuch Netzwerkforschung, Wiesbaden 2010 (Netzwerkforschung 4), 21–28. 239  Grundlegend für die Entwicklung der Netzwerkanalyse wurden vor allem die Arbeiten von Georg Simmel und seinem Schüler Leopold Wiese, aber auch das Beziehungskonzept Max Webers nahm Einfluss auf die Entwicklung des Paradigmas. Freeman sieht die Anfänge von netzwerkanalytischen Denkstrukturen noch wesentlich früher, und nennt als ersten Vorreiter den französischen Denker Auguste Comte als Urvater nicht nur der Soziologie, sondern auch der Grundgedanken der Netzwerkanalyse. Vgl. Freeman, The Development of Social Network Analysis (wie Anm.  238), 11 f. Ein umfassender Überblick über die Entwicklung der sozialen Netzwerkanalyse findet sich bei Jansen, Dorothea, Einführung in die Netzwerkanalyse. Grundlagen, Methoden, Forschungsbeispiele, Wiesbaden 32006, 37 f. Zur den Kapitalbegriffen siehe Bourdieu, Pierre, Ökonomisches Kapital, kulturelles Kapital, soziales Kapital, in: Reinhard Kreckel (Hg.), Soziale Ungleichheiten, Göttingen 1983 (Soziale Welt. Sonderband 2), 183–198. 240  Diaz-Bone, Rainer, Eine kurze Einführung in die sozialwissenschaftliche Netzwerkanalyse, Berlin 2006 (Mitteilungen aus dem Schwerpunktbereich Methodenlehre 57), 2. 241  Vgl. ebd. 242 Vgl. Wasserman, Stanley/Faust, Katherine, Social Network Analysis: Methods and Applications, Cambridge 1994, 4. 243  Moreno, Jacob L., Die Grundlagen der Soziometrie. Wege zur Neuordnung der Gesellschaft, Köln 1954. Neben dem Begriff Soziometrie wird in gleicher Bedeutung auch der Begriff Soziometrik verwandt. 244  Pappi, Franz Urban, Die Netzwerkanalyse aus soziologischer Perspektive, in: Ders.

III.4. Neue Zugänge zur Untersuchung des Capodilista-Kodex

243

ten Netzwerkes.245 Bei der Auswertung eines solchen ego-zentrierten Netzwerkes ist dabei nicht nur die Anzahl der mit ego verbundenen Personen (alteri), sondern auch ihre Identität und ihre Vernetzung untereinander relevant.246 Bei jeder Form von sozialer Netzwerkanalyse werden verschiedene Faktoren untersucht, die Beziehungen und Netzwerk bestimmen. Beziehungen können dabei jeweils eine Wertung der Intensität erhalten, und Netzwerke werden auf ihre Dichte (density) und Größe (range) hin analysiert.247 Auch der Faktor der Vernetzung einzelner Akteure in einem größeren Netzwerk, die „embededness“, kann Gegenstand der Untersuchung werden.248 Als Verbindung zu der mathematisch-computerbasierten Analyse der Soziogramme fungiert die strukturelle Handlungstheorie, die Handlungsspielräume einzelner Akteure über ihre Position in Netzwerke definiert. Die frühe Entwicklung der Netzwerkanalyse in den USA wurde hauptsächlich durch die Arbeiten Morenos getragen. Besonders die Verbindung des Soziogramms mit der mathematischen Graphentheorie erweiterte den Einsatz der SNA in der Soziologie erheblich.249 Ansätze aus England waren dagegen stark mit der anthropologischen Forschung verbunden und entwickelten vor allem in den 1940er Jahren theoretische Grundlagen zur Untersuchung sozialer Gruppenverbände.250 Der Begriff des social network wurde in den Arbeiten von John Barnes 1954 erstmals verwendet.251 Besonders für die Untersuchung kleiner, eng verknüpfter sozialer Gruppen, wie beispielsweise Familien sie darstellen, gab es früh netzwerkanalytische For-

(Hg.), Methoden der Netzwerkanalyse, München 1987 (Techniken der empirischen Sozial­ forschung 1), 11–37, hier 13. 245  Mitchell spricht in solchen Fällen von einem persönlichen Netzwerk. Vgl. Mitchell, James Clyde, Social Networks in Urban Situations. Analyses of Personal Relationships in Central African Towns, Manchester 1969, 13. 246 Vgl. Diaz-Bone, Einführung (wie Anm.  240), 6. 247 Vgl. Jansen, Netzwerkanalyse (wie Anm.  239), 110. 248 Vgl. Granovetter, Mark, Economic Action and Social Structure: The Problem of Embeddedness, in: The American Journal of Sociology 91 (1985), 481–510. Besonders der Faktor der „embededness“ hat später Anwendung in zahlreichen historischen Studien gefunden. 249  Die erste Publikation zur Graphentheorie erfolgte 1956 durch Carthwright und Haray in ihrem Aufsatz zur Anwendung von Heiders Balancetheorie auf Netzwerke, und wurde im einige Jahre später in einer Monographie mit Norman ausführlich vorgestellt. Vgl. Haray, Frank/­norman, Robert/Carthwright, Dorwin, Structural Models. An Introduction to the Theo­ry of Directed Graphs, New York/London/Sydney 1965. Vgl. zur Vorgeschichte der Publikation Freeman, Linton C., The Development of Social Network Analysis (wie Anm.  238), 73 f. 250  Siehe z. B. die Arbeiten Radcliff-Browns von der Universität Manchester. Radcliffe-­ Brown, Alfred.R., On Social Structure, in: The Journal of the Royal Anthropological Institute of Great Britain and Ireland 70 (1940), 1–12. Brown verwendet „network“ noch in einem stark strukturalistisch geprägten Verständnis. Er war allerdings bereits während eines Aufenthalts in Chicago und vieler Reisen mit netzwerkanalytischen Vorstellungen in Kontakt gekommen 251 Vgl. Barnes, John. A., Class and Comittees in a Norwegian Island Parish, in: Human Relations 7 (1954), 39–58.

244 III. Pergament. Giovan Francesco Capodilista und sein Selbstbild im Capodilista-Kodex schungen.252 Einen maßgeblichen Theoriesprung erfuhr die Netzwerkforschung dann mit der Weiterentwicklung computerbasierter Methoden und der Festlegung der mathematischen Grundlagen.253 Gleichzeitig gelangen zahlreiche theoretische Entwicklungen, wie das von Granovetter publizierte Konzept über die besondere Bedeutung der „weak ties“, die für die spätere Netzwerkforschung elementar wurden.254 Ausgehend von diesen Arbeiten entwickelte sich diese Form der SNA, zunächst vor allem in Amerika, später international,255 zu einer fest etablierten Forschungsrichtung. Damit höchstens lose verbunden ist die in den 1990er Jahren beginnende beispiellose Verbreitung der Netzwerkmetapher, die mittlerweile sämtliche Disziplinen durchzieht.256 Auch außerhalb der Wissenschaft hat die Vorstellung von sozialen Beziehungen als Netzwerk weite Verbreitung gefunden, und das Netzwerk ist aus der gegenwärtigen Gesellschaft nicht mehr wegzudenken. Es scheint also nur sinnvoll von „einer der erfolgreichsten Begriffskarrieren der letzten Jahrzehnte“257 zu sprechen. Diese interdisziplinäre Karriere der Netzwerkanalyse lässt sich möglicherweise auch dadurch erklären, dass eine einheitliche Theoriegrundlage bis heute nicht konstituiert wurde.258 Damit eignen sich die Theorien und Vorstellungen der Netzwerkanalyse 252  Eine Vorreiterrolle spielten dabei die Arbeiten von Bott. Vgl. Bott, Elizabeth, Family and Social Network. Roles, Norms and External Relationships in Ordinary Urban Families, London 21971. 253  Eine maßgebliche Rolle spiele dabei die Harvard-Gruppe um Harrison C. White. Vgl. Raab, Jörg, Der „Harvard Breakthrough“, in: Christian Stegbauer/Roger Häußling (Hg.), Handbuch Netzwerkforschung, Wiesbaden 2010 (Netzwerkforschung 4), 29–37, hier 31. Die zwei wichtigsten in den 1970ern entwickelten Modelle sind bis heute angewandte Verfahren aus der Matrixalgebra und die speziell für die Netzwerkanalyse entwickelte Blockmodellanalyse. Ein weiteres Verfahren ist die Kohäsionsanalyse. Vgl. Jansen, Netzwerkanalyse (wie Anm.  239), 47. 254  Die Theorie über weak ties betont die besondere Bedeutung von schwachen Verbindungen im Netzwerk zur Erlangung neuer Informationen, da diese vergleichsweise seltener genutz­ ten Beziehungen oft über das Kernnetzwerk hinausreichen. Granovetter, Mark, The Strength of weak ties, in: American Journal of Sociology 78 (1973), 1360–1380 und Ders., Getting a job. A study of contacts and carreers, Cambridge 1974. 255  Zur Entwicklung insbesondere in Deutschland siehe Ziegler, Rolf, Deutschsprachige Netzwerkforschung, in: Christian Stegbauer/Roger Häußling (Hg.), Handbuch Netzwerkforschung, Wiesbaden 2010 (Netzwerkforschung 4), 39–53. 256  Holzer/Schmidt sprechen von einer der „erfolgreichsten Begriffskarrieren der letzten Jahrzehnte“ und einer „theory of everything“. Vgl. Holzer, Boris/Schmidt, Johannes F. K., Theorie der Netzwerke oder Netzwerk-Theorie?, in: Soziale Systeme 15 (2009). 227–242, hier 227. Sogar von einer „network society“ ist die Rede. Vgl. Knox, Hanna/Savage, Mike/Harvey, Penny, Social networks and the study of relations: networks as method, metaphor and form, in: Economy and Society 35 (2006), 113–140, hier 113. 257  Holzer/Schmidt, Theorie der Netzwerke oder Netzwerk-Theorie? (wie Anm.  256), 227. 258 Vgl. Diaz-Bone, Rainer, Ego-zentrierte Netzwerkanalyse und familiale Beziehungssysteme, Wiesbaden 1997, 22. Scott/lopez bezeichnen die Netzwerkanalyse als „general orientation to the analysis of social structure“, und verneinen die Existenz einer einheitlichen Theorie. Scott, John/Lopez, Jose, Social Structure, Maidenhead 2000, 61.

III.4. Neue Zugänge zur Untersuchung des Capodilista-Kodex

245

gut, um im Sinne einer „tool-box“259 in einzelnen Versatzstücken verwendet zu werden, sofern diese den Bedürfnissen der jeweiligen Untersuchung entsprechen. Auch in der deutschsprachigen Geschichtswissenschaft wurden Ansätze zur Netzwerkanalyse genutzt, besonders seit dem Vorschlag Wolfgang Reinhards, der 1979 das Konzept der „Verflechtung“ einführte.260 Ausgehend von der Theorie, dass Führungsgruppen sich durch ihre untereinander bestehenden sozialen Kontakte, die er als „Verflechtung“261 bezeichnete, konstituieren, analysierte er mithilfe der soziologischen Netzwerkanalyse die Beziehungen innerhalb der römischen Oligarchie um 1600. Obwohl noch 2002 ein geringes Interesse der Forschung an dem von Reinhardt entwickelten Paradigma attestiert wurde,262 gibt es mittlerweile zahlreiche Publika­ tionen, die sich mit der Form und Methode des Netzwerkes befassen. Allein der Begriff der „Verflechtung“ wurde zunächst in geringem Maße rezipiert, fand aber in den letzten Jahren doch noch zu größerer Beliebtheit.263 Durchgesetzt hatte sich vorher allerdings bereits der wörtlich von dem englischen network übersetzte Begriff des Netzwerkes. Zeitgleich mit dem von Reinhard vorgeschlagenen Konzept der „Verflechtung“ entstanden Arbeiten im englischsprachigen Raum, die sich ohne den „historiker259 

Neben dem Begriff „Netzwerk“ ist die „tool-box“ ein weiterer Begriff mit einer bespiellosen Karriere, der mittlerweile jenseits seiner ursprünglichen Anwendung auf Foucaults Theo­ riekonzepte weit verbreitet ist. Vgl. Foucault, Michel, Prisons et asiles dans le mécanisme du pouvoir, in: Daniel Defert (Hg.), Dits et Écrits. Band  2: 1970–1975. Paris 1994, 521–524, hier 521. 260  Reinhard, Wolfgang, Freunde und Kreaturen. „Verflechtung“ als Konzept zur Erforschung historischer Führungsgruppen, in: Wolfgang Reinhard (Hg.), Ausgewählte Abhandlungen, Berlin 1997 (Historische Forschung 60), 289–310. 261  Reinhard nutzt die Bezeichnung der „Verflechtung“ als Ersatz für das deutsche Wort „Netzwerkanalyse“, das er als Bezeichnung für wenig angemessen hält. „Verflechtung“ soll für ihn also als das deutsche Wort für „network“ dienen. Vgl. ebd., 290. Dass der Begriff sich aber nicht durchsetzen konnte, reflektierte er bereits 1996. Vgl. Reinhard, Wolfgang, Amici e ­creature. Politische Mikrogeschichte der römischen Kurie im 17. Jahrhundert, in: QFIAB 76 (1996), 308–334, hier 312. 262  Vgl. Reinhardt, Nicole, „Verflechtung“ – ein Blick zurück nach vorn, in: Peter Burschel (Hg.), Historische Anstöße. Festschrift für Wolfgang Reinhard zum 65. Geburtstag am 10. April 2002, Berlin 2002, 234–262, hier 239. 263  Einige neure Arbeiten, die sich explizit auf Reinhards Verflechtungstheorie berufen sind die Arbeiten Meyers zur Wahl von Vormundschaften in Lübeck im 15. Jahrhundert: Meyer, Gunnar, »Besitzende Bürger« und »elende Sieche«: Lübecks Gesellschaft im Spiegel ihrer Testamente 1400–1449, Lübeck 2010 (Veröffentlichungen zur Geschichte der Hansestadt Lübeck 48); die Überlegungen Vonrufs zur Positionierung des Zürchers Hans Waldmanns innerhalb seiner Stadt: Vonruf, Ulrich, Die politische Führungsgruppe Zürichs zur Zeit Hans Waldmann (1450–1489). Struktur, politische Networks und die sozialen Beziehungstypen Verwandt­ schaft, Freundschaft und Patron-Klient-Beziehung, Bern 2002 (Geist und Werk der Zeiten 94); und die Studie Teuschers zur Struktur der Stadt Bern: Teuscher, Simon, Bekannte – Klienten – Verwandte. Soziabilität und Politik in der Stadt Bern um 1500, Köln/Weimar/Wien 1998 (Norm und Struktur 9).

246 III. Pergament. Giovan Francesco Capodilista und sein Selbstbild im Capodilista-Kodex freundlichen“264 Umweg einer Anpassung der genutzten Methode mit der Netzwerkanalyse auseinandersetzen.265 Eine der bekanntesten Studien ist eine heute bereits als klassisch geltende Untersuchung zu den Netzwerken der Medici und ihre „em­ bededness“, die auf ausführliches Quellenmaterial zurückgreifen konnte und 1993 veröffentlicht wurde.266 Zahlreiche bemerkenswerte Arbeiten unter Verwendung der soziologischen Netzwerkanalyse sind auch in der Byzantinistik zu finden.267 Der ­direkte Bezug zur SNA und ihrer Methoden, vor allem derjenige zu graphischen ­Darstellungen von Beziehungsnetzen, macht diese Arbeiten, die mittlerweile als ­eigener Forschungszweig anzusehen sind,268 besonders interessant.269 Die meisten ­dieser Arbeiten untersuchen die Netzwerke kleinerer Gruppen oder einzelner Indi­ viduen, zumeist unter Konzentration auf den Nutzen dieser Netzwerke für die Kar­ rierewege der betrachteten Person. Gemein ist ihnen auch die Annahme, dass nur die Betrachtung des Netzwerkes die Handlungen des Einzelnen verständlich macht, während sie bei einer klassischen Betrachtung nur der individuellen Handlung möglicherweise unerkannt blieben.270 Im deutschsprachigen Raum sind Arbeiten, die tatsächlich auf den Fundus der mathematikbasierten SNA zurückgreifen, nach wie vor rar. Eine Ausnahme bilden zum Beispiel die Arbeiten von Robert Gramsch, die den Nutzen einer computerbasierten 264  Gramsch, Robert, „Seilschaften“ von universitätsgebildeten Klerikern im deutschen Spätmittelalter – Beziehungsformen, Netzwerkstrukturen, Wirkungsweisen, in: Gerhard Krieger (Hg.), Verwandtschaft, Freundschaft, Bruderschaft. Soziale Lebens- und Kommunikationsformen im Mittelalter, Berlin 2009, 176–187, hier 177, Fn.  4. 265  Vgl. Reitmayer, Morten/Marx, Christian, Netzwerkansätze in der Geschichtswissenschaft, in: Christian Stegbauer/Roger Häußling (Hg.), Handbuch Netzwerkforschung, Wies­baden 2010 (Netzwerkforschung 4), 869–880, hier 869. 266  Padgett, John /Ansell, Christopher, Robust Action and the Rise of the Medici 1400– 1434, in: AJS 98 (1993), 1259–1319. Zu dieser Studie siehe Gamper, Markus, Soziale Netzwerke und Macht. Elias’ Konzept der Figuration vor dem Hintergrund des Aufstiegs der Medici in Florenz, in: Markus Gamper/Linda Reschke/Marten Düring (Hg.), Knoten und Kanten III. Soziale Netzwerkanalyse in Geschichts- und Politikforschung, Bielefeld 2015, 81–108. 267  Zur Einführung in diesen bereits eigenständigen Forschungszweig empfiehlt sich das Vorwort von Mullett zum Sonderband der RBPH 2005, der zahlreiche dieser Arbeiten versammelt. Vgl. Mullett, Magaret, Power, relations and networks in Medieval Europe, in: RBPH 83 (2005), 255–259. 268 Vgl. Mullett, Power, relations and networks (wie Anm.  685), 257. 269  Als Beispiel zur Nutzung von Methoden der SNA in der Byzantinistik sei hier stellvertretend für eine Reihe an Arbeiten ein Aufsatz über Briefkontakte im 12. Jahrhundert gewählt, der sich explizit auf die Netzwerkanalyse beruft und graphische Methoden zur Darstellung des gewonnenen Netzwerkes enthält. Siehe Grünbart, Michael, ’Tis love that has warm’d us. Reconstructing networks in 12th century Byzantium, in: RBPH 83 (2005), 301–313. 270  Vgl. Ysebaert, Walter: The power of personal networks: Clecrics as political actors in the conflict between Capetian France and the Country of Flanders during the last decade of the twelfth Century, in: Brenda Bolton/Christine Meek (Hg.), Aspects of Power and Authority in the Middle Ages, Turnhout 2007 (International Medieval Research 14), 165–183, hier 166.

III.4. Neue Zugänge zur Untersuchung des Capodilista-Kodex

247

Netzwerkanalyse für historische Studien nachweisen.271 Gramsch gliedert die Methoden der Netzwerkanalyse nach den von Reinhard vorgestellten Vorgehensweisen in den allgemeineren Kontext der Prosopographie ein, und sieht sie als vornehmliche Methode zur Erforschung von kleineren Gruppen und der historischen Abläufe, die von diesen elitären Gruppierungen beeinflusst wurden.272 Die durch die Verbindung von prosopographischen Vorgehensweisen mit einer statistischen Auswertung und graphischen Darstellung gewonnenen Erkenntnisse sprechen deutlich dafür, eine Eignung des der von der SNA entwickelten Konzepte zur Durchführung historischer Studien zu bestätigen. Dass die Netzwerkanalyse für historische Arbeiten interessant ist und bleibt, liegt zunächst an ihrem grundlegenden Konzept, das die Beziehungen einer Person als determinierenden Faktor für ihre Handlungsspielräume und tatsächlich durchgeführten Handlungen ansieht.273 Das Netzwerk bestimmt dabei auch den Fluss von Ressourcen jeglicher Art, sowohl im materiellen als auch im immateriellen Sinn, und verzeichnet Abhängigkeiten zwischen den handelnden Akteuren.274 Wenn das Netzwerk also jeglichen Geschehnissen zu Grunde liegt und so Handlungsabläufe maßgeblich beeinflusst, kann es für den Beobachter der Gesellschaft und ihrer Entwicklungen zwangsläufig nur von größter Bedeutung sein, diesen determinierenden Faktor aufzudecken und zu vermessen. Gleichzeitig gerät die Nutzbarkeit der SNA für die Geschichtswissenschaft aber durch grundliegende Bedürfnisse der Netzwerkanalyse schnell an ihre Grenzen. Neben den hohen Anforderungen an mathematischen Fähigkeiten zur Durchführung von Netzwerkanalysen und die benötigten Programme und Datenbanken, erfordert die SNA vor allem ein umfangreiches Quellenkorpus an möglichst gleichförmigen, seriellen Datenmengen. Die ursprüngliche Intention hinter der Entwicklung der Methoden der SNA war primär auf die Bewältigung großer Datenmengen ausgerichtet, wie sie beispielsweise in Umfragen erhoben wurden. 271  Vgl. Gramsch, Robert, Das Reich als Netzwerk der Fürsten: Politische Strukturen unter dem Doppelkönigtum Friedrichs II. und Heinrich (VII.). 1225–1235, Ostfildern 2013 (Mittelalter-Forschungen 40), besonders lesenswert hier die einführenden Bemerkungen zur Netzwerkanalyse und sein Konzept der strukturellen Balance auf 21–52. Weiter auch die ausführliche Dissertation: Gramsch, Robert, Erfurter Juristen im Spätmittelalter. Die Karrieremuster und Tätigkeitsfelder einer gelehrten Elite des 14. und 15. Jahrhunderts, Leiden/Boston 2003 (Edu­ cation and Society in the Middle Ages and Renaissance 17). Einen kurzen Überblick über Methoden Gramschs und Ergebnisse mit einigen graphischen Darstellungen bietet Gramsch, „Seilschaften“ von universitätsgebildeten Klerikern (wie Anm.  264), 176–187. Mittlerweile finden sich aber auch an verschiedenen deutschen Universitäten Forschungsgruppen, die sich ausführlich der mathematisch basierten Netzwerkanalyse widmen, wie z. B. an der Universität Trier. 272  Vgl. Gramsch, Erfurter Juristen (wie Anm.  271), 18. 273 Für Gramsch liegt diese Annahme ohnehin jeder historischen Arbeit zugrunde, wird jedoch als Alltagswissen nicht ausformuliert. Siehe Gramsch, Das Reich als Netzwerk der Fürsten (wie Anm.  271), 21. 274  Vgl. Wasserman/Faust, Social Network Analysis (wie Anm.  242), 4 f.

248 III. Pergament. Giovan Francesco Capodilista und sein Selbstbild im Capodilista-Kodex Dementsprechend sind Berechnungsinstrumente und Darstellungsmittel auf derartige Datensätze zugeschnitten. Zwangsläufig sind solche Quellenbestände gerade für das Mittelalter aber nur selten zu finden, und Lücken in der Archivüberlieferung erschweren die Analysen erheblich.275 Selbst wenn serielle Daten in größerem Umfang zur Verfügung stehen, kann die Darstellung eines Gesamtnetzwerkes immer noch an der zu speziellen Natur einzelner Daten und der dadurch entstehenden umfangreichen Anzahl an benötigten Parametern scheitern. Wird allerdings nur ein spezieller Teil eines Netzwerkes untersucht, reduziert sich das Problem der Lücken durch Datenmangel erheblich. Gleichzeitig steigt die Gefahr, einzelne Kontakte, die nicht in das Raster passen, nicht mit einzubeziehen, obwohl sie den Ergebnishorizont einer Studie beeinflussen würden. Ähnliches gilt für die historisch vielversprechende und am einfachsten durchzuführende ego-zentrierte Netzwerkanalyse, bei der ein um nur einen Akteur (ego) konzentriertes Netzwerk rekonstruiert wird und der Datenbedarf dementsprechend geringer ist. Alle Formen der historischen Netzwerkanalyse sind jedoch von einem grundlegenden Problem betroffen: der Zeitgebundenheit der einzelnen Netzwerke. Jedes konstruierte Netzwerk stellt die Beziehungen der darin abgebildeten Akteure zu einem bestimmten Zeitpunkt dar, was zunächst die Quellenbasis noch weiter verringert, da für jede Beziehung nur der exakte durch Quellen belegbare zeitliche Moment ihrer Existenz gewertet werden kann. Gleichzeitig lassen sich demnach aber innerhalb eines einzelnen Netzwerkes keine Veränderungen der Beziehung abbilden.276 So muss für jeden zeitlichen Moment ein neues Soziogramm konstruiert werden, das dann mit vorherigen oder späteren Abbildungen verglichen werden kann. Eine größere Zeitabschnitte umfassende historische Netzwerkanalyse würde damit die Rekonstruktion zahlloser Netzwerkbilder erfordern. Dieses Problem der zeitlichen Differenz dargestellter Beziehungen wirkt sich dabei am stärksten auf ego-zentrierte Netzwerke aus. Studien, die sich auf deren Rekonstruktion stützen, verfolgen oftmals einen biographischen und damit längere Zeitabschnitte überspannenden Ansatz. Die Darstellung größerer Gruppenverbände mit Hilfe eines Gesamtnetzwerkes kann dagegen oftmals auf einen bestimmten Zeitpunkt konzentriert bleiben und dennoch ertragreiche Ergebnisse liefern. Als Lösung für dieses Problem bietet sich die Einführung eines Zeitmarkers zusätzlich zu den ohnehin vergebenen Beziehungswertungen an, der die zeitliche Bedingtheit einer Beziehung markiert. Gleichzeitig würde damit aber auch die ohnehin nicht immer übersichtliche Darstel275  Einzelne Quellenkorpora eigenen sich allerdings hervorragend, so wie die von Gramsch ausgewerteten Universitätsmatrikel. Auch bereits edierte Quellenbestände, wie sie sich im Repetitorium Germanicum finden, lassen eine Untersuchung vielversprechend erscheinen. Lohnenswert wäre auch ein Projekt über die Vernetzung der Teilnehmer des Basler Konzils, die ja über zahlreiche Quellentypen wie beispielsweise Teilnehmerlisten umfangreich erfasst sind. 276  Zu diesem Problem siehe auch Lemercer, Claire, Taking time seriously. How do we deal with change in historical networks?, in: Markus Gamper/Linda Reschke/Marten Düring (Hg.), Knoten und Kanten III. Soziale Netzwerkanalyse in Geschichts- und Politikforschung, Bielefeld 2015, 183–211.

III.4. Neue Zugänge zur Untersuchung des Capodilista-Kodex

249

lung eines Soziogramms noch weiter verkompliziert, so dass letztlich der Erkenntnisgewinn fraglich bleibt. Die Möglichkeiten zur Darstellung von Beziehung mithilfe eines fest umrissenen Spektrums an Definitionen macht die Netzwerkanalyse aber für die Geschichtswissenschaft dennoch interessant. Einen Erkenntnisgewinn versprechen vor allem Untersuchungen einzelner Akteure und ihrer „embededness“ in ein Netzwerk sowie ihre Fähigkeit, die im Netzwerk vorhandenen Ressourcen zu nutzen.277 Damit sind bei entsprechender Quellenlage besonders in Biographiestudien eingebettete ego-zentrierte Netzwerkanalysen erfolgversprechend. Der letztere Ansatz unterscheidet sich von früheren Untersuchungsformen insbesondere darin, dass der Fokus der Betrachtung nicht ausschließlich auf den zu untersuchenden Akteur gerichtet ist, sondern vielmehr auch die sozialen und kulturellen Kontexte um ihn oder sie herum stärker miteinbezogen werden. Besonders interessant dürfte der netzwerkanalytische Betrachtungsstandpunkt für die Mediävistik sein. Sie befasst sich traditionell schon seit langem mit Personenverbänden innerhalb schwach institutionalisierter Ordnungseinheiten und der dadurch bedingten hohen Bedeutung von Beziehungen und Gruppenzugehörigkeiten. Die Analyse von Gruppen gehört deshalb schon seit langem zum festen Bestandteil der Mediävistik, und ihre Methoden eigenen sich dazu, um mit Elementen der Netzwerkanalyse verknüpft zu werden.278 Dabei empfiehlt sich eine Kombination von Strategien der Erfassung und Visualisierung von Netzwerken, wie sie aus der historischen Netzwerkanalyse stammen, mit bewährten historischen Verfahren, beispielsweise der Prosopographie. Häufig sind visualisierende Darstellungen zur Beantwortung der Fragestellung hilfreich. Prinzipiell kann die graphische Aufarbeitung von Datenmaterial jedoch die historische Analyse nicht ersetzen. Eine Verbindung aus quantitativer und qualitativer Analyse kann aber als geeignetes Mittel zur Durchführung historischer Arbeiten mithilfe von Strategien der historischen Netzwerkanalyse gelten. Die Entscheidung für oder gegen eine solche Studie muss zwangsläufig immer unter besonderer Berücksichtigung der jeweiligen spezifischen Quellenlage geschehen. Aber auch ein Blick auf Quellensorten, die eigentlich nicht den grundlegenden Anforderungen für historische Netzwerkstudien entsprechen, kann sich aus der Perspektive der Netzwerkanalyse lohnen. Das gilt in besonderem Maße für den Capodilista-Kodex und die Biographie Giovan Francesco Capodilistas. Weder der Kodex noch die sonstigen Quellen zur Biographie 277 

870.

Reitmayer/Marx, Netzwerkansätze in der Geschichtswissenschaft (wie Anm.  265),

278  Freeman sieht die Vorstellungen von Verwandtschaft und Gruppenzugehörigkeit als früheste Erkenntnis über die Bedeutung von netzwerkartigen Strukturen. Er versteht beispielsweise Stammbäume, wie es sie bereits seit dem 8. Jh. gibt, als allererste graphische Darstellungen von Netzwerken. Vgl. Freeman, The Development of Social Network Analysis (wie Anm.  238), 160. Zur Funktion von Gruppen und ihrer Selbstdarstellung im Mittelalter siehe u. a. den Sammelband Oexle, Otto Gerhard (Hg.), Die Repräsentation der Gruppen. Texte – Bilder – Objekte. Göttingen 1998 (VMPIG 141).

250 III. Pergament. Giovan Francesco Capodilista und sein Selbstbild im Capodilista-Kodex ergeben genügend Material zur Durchführung einer historischen Netzwerkanalyse. Dazu sind zu wenige tatsächliche Informationen zu den Beziehungen Giovan Francescos zu finden. Der Quellenkorpus, mit dessen Hilfe die Rekonstruktion der Biographie in Kapitel II erfolgte, enthält zwar zahlreiche Informationen zu politischen und sozialen Kontakten Capodilistas, aber keine Aussagen über die Umfang und die Qualität tatsächlicher Kontakte oder bestehender Beziehungen. Mit nur drei überlieferten Schriftstücken, die nicht aus einem offiziellen Zusammenhang stammen, ist es kaum möglich, Aussagen über Capodilistas persönliche Netzwerke zu tätigen.279 Daneben gibt es keine Form von Quellen, über die sich Verbindungen oder persön­liche Kontakte Capodilistas tatsächlich bestätigen lassen, so dass sich eine exakte Konstruktion eines Netzwerkes durchführen ließe. Zwar enthalten auch die einem offi­ ziellen Rahmen entstammenden Texte Informationen über Verbindungen. Meist werfen diese Quellen aber nur kurze Schlaglichter, und nur der Zufall ermöglicht es, die länger andauernde Rolle einer Beziehung zwischen Capodilista und einer anderen Person anzunehmen. Als Beispiel für einen solchen seltenen Fall kann man die Verbindung zwischen Capodilista und Rolando del Cortivo betrachten. Cortivo tritt erstmals auf dem Basler Konzil als Student beider Rechte und Familiar Capodilistas in Erscheinung und taucht ein weiteres Mal 1439 in Nürnberg auf, wo er als Doktor beider Rechte und Orator Eugens IV. genannt wird, der im Gefolge der päpstlichen Gesandtschaft reist. Beide Nennungszusammenhänge lassen eine besondere Beziehung, vermutlich eine asymmetrische Patronagebeziehung, zwischen Rolando del Cortivo und Capodilista annehmen. Für Rolando del Cortivos Vater, Manfredo del Cortivo, ist sowohl ein von Capodilista ausgestelltes Adelsprivileg von 1435 überliefert als auch im Kodex die Bemerkung, dass Manfredo del Cortivo als Taufpate der Kinder Giovan Francescos fungierte.280 Für andere Personen liegen solche Daten aber nicht vor, so dass die Konstruktion eines Netzwerkes nicht lohnenswert erscheint. Der Capodilista-Kodex versammelt jedoch eine Vielzahl von Kontakthinweisen, die sich besonders in der Quellenliste ballen.281 Gleichzeitig sind auf einer impliziten Ebene noch weitere Kontakte oder Hinweise auf Personenverbände enthalten, so zum Beispiel verschlüsselt innerhalb der Bildausstattung des Kodex. Diese Kontakte sind in der Regel nicht eindeutig für eine historische Netzwerkanalyse auswertbar, weil sie nicht durch weiteres Quellenmaterial abgesichert werden können. Außerdem ist nicht deutlich, in welcher Beziehung die genannte Person zu Capodilista stand, wie intensiv diese Be279  Bei

den drei Schriftstücken handelt es sich um einen Brief Sicco Polentons anlässlich von Capodilistas Verurteilung durch das Consiglio dei Dieci 1419, einen Brief Capodilistas an das zuständige Justizorgan in Venedig von 1420 und das Schreiben Piero da Montes an Capodilista von 1439. 280  Zur Urkunde für Manfredo del Cortivo siehe weiter unten. Die Bemerkung zur Tauf­ patenschaft Manfredo del Cortivos ist in B.P. 954, fol.  35v überliefert. 281  Die Liste auf fol.  4v enthält nicht weniger als 24 Namen, die eindeutigen Personen zuzuordnen sind und drei Hinweise auf bedeutende Institutionen.

III.4. Neue Zugänge zur Untersuchung des Capodilista-Kodex

251

ziehung war, und ob sie schlussendlich tatsächlich bestand. Die Dichte an fiktiven Argumentationsstrukturen und eingeschobenen Elementen innerhalb des Kodex lässt durchaus Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Behauptungen Capodilistas zu. Wenn also eine historische Netzwerkanalyse mit den Mitteln der SNA sich für den Capodilista-Kodex und die darin enthaltenen Beziehungshinweise nicht empfiehlt, so kann eine Betrachtung der Handschrift aus der Perspektive der historischen Netzwerkanalyse dennoch gewinnbringend sein. Für diesen Blickwinkel soll im Weiteren das Schlagwort der Netzwerkperspektive verwendet werden. Darunter ist eine quellenkritische Betrachtungsweise zu verstehen, die geschult am Vokabular und den Grundannahmen der Netzwerkanalyse Quellen vor allem auf darin explizit oder implizit verborgene Kontakte und Beziehungen analysiert und dabei Darstellungsstrategien sowie die Funktion der Beziehungshinweise miteinbezieht. Ziel ist explizit nicht die Rekonstruktion eines Netzwerkes als Soziogramm oder die Anwendung der netzwerkanalytischen Verfahren der Soziologie. Vielmehr soll unter Berücksichtigung der speziellen Situation der einzelnen Quelle ein Erkenntnisgewinn erzielt werden, indem neue Fragen und Überlegungen an Text und Ausstattung des Kodex herangetragen werden. Dabei soll insbesondere auch die Materialität der Quelle berücksichtigt werden, die ebenso als Träger von Beziehungen und Kontexten fungiert wie der tatsächliche Text. Die Intention des Verfassers und der Kontext der Entstehung spielen dabei eine maßgebliche Rolle, so dass eine Verortung der Quelle in ihrem sozialen und historischen Entstehungskontext unweigerlich zur Grundlage der Analyse werden muss.

III.4.2. Bewusste Konstruktion sozialer Wirklichkeit durch Formen des Einschreibens Der besondere Charakter des Capodilista-Kodex erfordert aber neben der Netzwerkperspektive noch einen weiteren Zugang zur Ausweitung der Analyse. Dazu wird hier das Konzept des Einschreibens herangezogen. Der Begriff bezeichnet die deutsche Übersetzung der von Gabrielle Spiegel geprägten Vorstellung der „Inscription“.282 282 

Spiegel, Gabrielle, The Past as Text. The Theory and Practice of Medieval Historiography, Baltimore/London 1997, besonders 25–27. Vor allem das erste Kapitel des Werkes skizziert die Entwicklung des Linguistic Turn und seine Auswirkungen auf geschichtswissenschaftliche Arbeiten. Dazu auch die spätere Aufsatzsammlung Spiegel, Gabrielle (Hg.), Practicing History. New Directions in Historical Writing after the Linguistic Turn, New York 2005. Zur Kritik an Spiegel siehe u. a. Clark, Elizabeth, History, Theory, Text. Historians and the Linguistic Turn, Cambridge 2004, 162 f. Clark kritisiert an Spiegels Zugang vor allem die fehlende Betonung der Unterscheidung zwischen Text und Dokument, die weitgehende Bedeutung des historischen Kontexts für die Untersuchung von textbasierten Quellen und die besondere Betonung der agency der Handelnden, die teilweise konträr zu Derridas dekonstruktivistischen Ansatz stehen. Alle drei dieser Elemente sollen in dieser Arbeit aber nach Spiegel übernommen

252 III. Pergament. Giovan Francesco Capodilista und sein Selbstbild im Capodilista-Kodex Das Konzept fußt maßgeblich auf den im Linguistic Turn geprägten Vorstellungen, nach denen die Erklärung gesellschaftlicher, sozialer und kultureller Entwicklungen mit Hilfe von Theorien der Linguistik erleichtert werden kann. Sprache und weiter Text werden basierend auf der Sprechakttheorie die Fähigkeit zur Generierung von Wirklichkeit zugesprochen.283 Gleichzeitig wird aber darauf verwiesen, dass Sprache als System von Codes den Intentionen des Sprechenden nicht immer folgt, sondern vielmehr eigenständig Bedeutungswandlungen erfährt. Texte entwickeln damit eine Form des „Eigenlebens“ und können so beispielsweise auch Bedeutungen jenseits der ursprünglichen Verfasserintention annehmen.284 Darauf basierend konstatiert Spiegel die grundlegende Annahme, dass Sprache und Text soziale Wirklichkeit sowohl abbilden als auch generieren können. Dementsprechend werden unmittelbare Wechselwirkungen zwischen Text, beziehungsweise Sprache, und Wirklichkeits­ erfassung angenommen.285 Besonders die Verbindung von Form und Inhalt wird von Spiegel betont. Für historische Studien bedeutet das die Annahme einer besonderen Verbindung zwischen dem Text und der Materialität des Überlieferungsträgers, die beide gleichwertige Aussagen über ihre Entstehungssituation treffen und deshalb nicht getrennt betrachtet werden sollten. Auf diesen Aussagen basierend definiert Spiegel das Konzept der Inscription als eine Zusammenfassung der Spuren der materiellen Welt innerhalb des Textes.286 Gleichzeitig werden von diesem Konzept auch die Bedeutungszuordungen erfasst, die der materiellen historischen Welt innerhalb des Textes zugeschrieben und so fixiert werden. Dabei geht es nicht um ein reines Festschreiben der existenten Realität, sondern auch um die Erschaffung einer anderen Welt innerhalb des Textes. Für die Arbeit am Capodilista-Kodex ist dieses Konzept deshalb interessant, weil damit die zahlreichen Spuren gewollten und bewussten fiktionalen Erzählens innerhalb des Kodex analysiert werden können. Der hier angewandte deutsche Begriff des Einschreibens soll diese Konstruktion einer sozialen Realität durch Text- bzw. Bildproduktion erfassen. Gemeint ist damit die Herstellung von sozialen Zusammenhängen innerhalb des Kodex, die sich in Wechselwirkungen mit der materiellen Welt, d. h. der historischen Außenwelt, über den Text hinaus entfalten. Im Capodilista-­ Kodex ist davon auszugehen, dass Capodilista gezielt soziale Zusammenhänge aufwerden, wobei besonders die Betonung der agency Capodilistas in Bezug auf die Entwicklung des Kodex maßgeblich sein wird. 283  Goertz definiert den Linguistic Turn als „Einsicht, dass die Sprache konstituiert, was unter Wirklichkeit verstanden wird, noch schärfer, was Wirklichkeit ist.“ Goertz, Hans-Jürgen, Unsichere Geschichte. Zur Theorie historischer Referentialität, Stuttgart 2001, 13. 284  Bihrer, Andreas, Orte, in: Susanne Rau/Birgit Studt (Hg.), Geschichte schreiben. Ein Quellen- und Studienhandbuch zur Historiographie (ca. 1350–1750), Berlin 2010, 10–20, hier 13. 285  Spiegel bezeichnet den Text selbst als agent, also als Akteur mit Handlungsmacht. Siehe Spiegel, The Past as Text (wie Anm.  282), 24. 286 Ebd.

III.4. Neue Zugänge zur Untersuchung des Capodilista-Kodex

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ruft und für sich und seine Familie die Zugehörigkeit zu bestimmten Gruppen kon­ struiert. So schafft Capodilista beispielsweise durch die Konstruktion und Betonung des fiktiven familiären Herkommens eine neue und verbesserte Rolle für seine Familie ­innerhalb des städtischen Gefüges in Padua, und versichert sich dabei gleichzeitig bereits bestehender Privilegien. Damit ist auch die legitimatorische Funktion der Handschrift im Zusammenspiel aus Inhalt und Materialität erfasst. Für das Bildprogramm des Capodilista-Kodex sollen dabei in der Analyse die gleichen Maßstäbe angelegt werden, wie sie für den Text beschrieben wurden. Das bedeutet, dass die Bilder gezielt auf ihren Aussagegehalt und ihre Funktion als wirklichkeitskonstituierendes Element innerhalb der Handschrift untersucht werden sollen. Der Materialität der Quelle soll damit durch ein close reading der Illuminationen Rechnung getragen werden. Die erste Analyse des Bildprogrammes hat bereits gezeigt, dass Capodilistas Erzählstrategien sich nicht auf die Ebene des Textes beschrän­ ken, sondern die Handschrift als Ganzes betreffen. Wichtig für das genaue Verständnis der Begrifflichkeit des Einschreibens ist die Tatsache, dass über die Schaffung einer aus Text und Bild zusammengesetzten Quelle eine Beeinflussung der sozialen Wirklichkeit erreicht werden soll. Dieser Prozess wird gleichzeitig durch die Kommunikationssituation bei der Entstehung die Quelle beeinflusst, so dass Wechsel­ wirkungen sowohl mit der historischen Wirklichkeit als auch mit der über Erzähl­ strategien in Bild und Text geschaffenen Wirklichkeit entstehen. Letztendlich rückt bei einem solchen Ansatz, verbunden mit einem close reading, auch der Verfasser als Handlungstragender stärker in den Vordergrund, was der besonderen Rolle Giovan Francesco Capodilistas bei der Entstehung des Capodilista-Kodex Rechnung trägt.287

287  Damit ist eine Nähe zum Konzept der agency geschaffen, allerdings nur soweit, als dass in diesem Konzept der Handelnde beschrieben wird als „[…] exerting some degree of control over the social relations in which one is enmeshed, which in turn implies the ability to transform those social relation to some degree.“ Gemeint ist damit auch ein erhöhtes Bewusstsein für soziale Strukturen und die Fähigkeit, seinen eigenen Platz darin zu manipulieren. Der Umfang dieser Handlungsmöglichkeiten ist dabei sehr stark von der jeweiligen gesellschaftlichen Struktur abhängig. Sewell, William H., A Theory of Structure. Duality, Agency and Transformation, in: Gabrielle Spiegel (Hg.), Practicing History. New Directions in Historical Writing after the Linguistic Turn, New York 2005, 143–165, hier 158.

III.5. Narrative Strategien in den Texten und Bildern des Capodilista-Kodex Die Analyse der narrativen Strategien des Capodilista-Kodex soll nun der grundlegenden Sichtweise der Netzwerkperspektive folgen. In einem ersten Schritt werden Bild und Text des Kodex auf die Darstellung von Kontakten hin untersucht und analysiert, wie Capodilista gezielt bestimmte Gruppenstrukturen und soziale Verbände aufruft. In einem zweiten Schritt der Analyse werden die Funktionen des Einschreibens berücksichtigt. Dabei wird untersucht, wie Capodilista durch seinen Kodex eine Selbstpositionierung innerhalb bestimmter sozialer Gruppen zu erreichen versuchte und welche Wechselwirkungen zwischen Handschrift und historischer Welt dabei entstehen. Grundlegend ist dafür auch das Nachleben von Bildmotiven außerhalb des Kodex, wie es beispielsweise für die Helmzier des Uhrenwappens nachweisbar ist.288 Damit bietet sich dieses Bildelement zunächst besonders für eine ausführliche Analyse an. Weiterhin wird die Quellenliste als exemplarisches Textelement untersucht, bevor die Betrachtung auf den gesamten Kodex ausgedehnt wird.

III.5.1. Die Uhr und der Teuker. Zur Kodierung sozialer Kontakte in den Bildelementen des Uhrenwappens Das erste Bildelement des Capodilista-Kodex auf Blatt 2r ist das als „Antiquissima Transelgardorum Insignia“ bezeichnete Wappen, das wegen der kuriosen Darstellung einer Uhr in der Helmzier als Uhrenwappen bezeichnet wird (Abb. 1).289 Die ganzseitige, farbige Darstellung ist mit Blattgoldelementen ausgeführt.290 Der Wappenschild zeigt einen Balken mit vier grünen Wellen in einem weißen oder silbernen Schild, die dazugehörige Helmzier einen Turnierhelm mit roter Decke, die mit dem „pancio“ genannten Bauchfell des Eichhörnchens gefüttert ist. Die gleiche seltene und teure Fellart ist auch in der Reiterdarstellung Giovan Francesco Capodilistas auf Blatt 32r an seinem Mantel und der Kopfbedeckung zu sehen (Abb. 5). Auffälligstes Merkmal des Wappens auf Blatt 2r ist aber die Helmzier selbst, ein auf dem Turnier288 

Dazu siehe weiter unten. B.P. 954, fol.  2r. 290  Die Blattgoldelemente sind in der Faksimileabbildung bei Blason-Berton nicht erkennbar. Dort wird das Gold als gelbe Farbe dargestellt. 289 

256 III. Pergament. Giovan Francesco Capodilista und sein Selbstbild im Capodilista-Kodex helm thronender Mann. Er ist im nach heraldisch rechts gewandten Halbprofil zu sehen und trägt ein rotes Gewand, das um den Bauch mit einem nicht sichtbaren Gürtel zusammengehalten wird. Es ist in einem roten, mit floralen Motiven verzierten Stoff dargestellt, wobei der wehende Ärmel mit dem gleichen pancio-Fell gefüttert ist wie die Helmdecke. Genau wie die Fellverbrämung ist auch der Stoff des Obergewandes oder Mantels, der in seiner floralen Ausgestaltung an Brokat oder Samt erinnert, deckungsgleich mit dem Mantel Capodilistas auf Blatt 32r. Neu sind aber Zierelemente, wie die goldenen Besätze am Ärmel und Kragen des Mantels, eine über seine rechte Schulter laufende schmale goldene Schärpe und die abstehenden goldfarbenen Knöpfe. Letztere erinnern an die runden, zwiebelartigen und mit Gold umspannten Knöpfe der Amtskleidung des venezianischen Dogen.291 Ähnliches gilt für die ungewöhnliche Kopfbedeckung, die mit drei goldenen Schmuck­ borten in hellem rosa ausgeführt und ebenfalls mit pancio verbrämt ist. Die Mütze ist in ihrer Form unverkennbar an das „corno ducale“ des venezianischen Dogen angelehnt, das ursprünglich eine Abwandlung der phrygischen Mütze war.292 Der Mann trägt weiter ein gebogenes Schwert, dessen Hülle mit Goldbeschlägen verziert ist und auf dessen Knauf seine linke Hand ruht. Das Gesicht des Mannes ist detailliert ausgeführt, mit einem langen Bart und braunen Locken, die unter der Mütze hervorschauen. Diese Sorgfalt bei der Ausführung ist erstaunlich, denn die Gesichter der meisten Personendarstellungen im Capodilista-Kodex sind flüchtig gestaltet. Das auffälligste Element der Helmzier ist allerdings die Uhr. Wie ein Attribut trägt der Mann in seiner rechten Hand ein architektonisches Element, das mit einem Dach und Zierelementen an allen vier Ecken ausgestattet wie ein kleines Türmchen aussieht. Das Dach wird von zwei Fähnchen gekrönt, die das Stadtwappen Paduas mit rotem Kreuz im weißen Feld zeigen. Im offenen Inneren des Turms befinden sich drei akkurat und plastisch dargestellte Zahnräder, die von zwei herabhängenden Gewichten betrieben werden. Obwohl das Ziffernblatt fehlt ist deutlich, dass es sich hierbei um die dem Wappen seinen Namen gebende Uhr handelt. Der im Fundament des Turms erkennbare Wappenspruch ist von der Hand Capodilistas in der gleichen Tinte geschrieben, die für den Rest des Kodex verwendet wurde, und lautet „Memento quod cito labitur“. Für diese Devise ist keine Vorlage belegbar, so dass sie als Capodilistas eigene Schöpfung angesehen werden muss. Damit vereint das Wappen gleich eine 291  Deutlich zu sehen sind die Knöpfe beispielweise im Portrait von Francesco Foscari, der bis 1457 Doge war. Das Portrait von Bastiani Lazzaro zeigt Foscari im Profil, so dass die abstehenden Goldknöpfe besonders gut zu erkennen sind. Siehe Romano, Dennis, The Likeness of Venice. A Life of Doge Francesco Foscari 1373–1457, New Haven/London 2007, 47 f. Zur Amtstracht des Dogen siehe Weber, Annette, Venezianische Dogenporträts des 16. Jahrhunderts, Sigmaringen 1993 (Studi 10), 15–18. 292  Romano, The Likeness of Venice (wie Anm.  291), 49. Die Herkunft des „cornu“ ist nach wie vor unsicher. Möglicherweise wurde es im 12. Jahrhundert als eigenständiges Element der sonst byzantinischen Dogentracht zugefügt, um die Unabhängigkeit Venedigs von Byzanz zu betonen. Siehe Weber, Venezianische Dogenporträts (wie Anm.  291), 16.

III.5. Narrative Strategien in den Texten und Bildern des Capodilista-Kodex

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Vielzahl verschiedener ungewöhnlicher Elemente: Zunächst die Abbildung eines mechanischen Apparates als Teil der Helmzier, dann die außergewöhnliche Darstellung des bärtigen Mannes, und zuletzt das recht ungewöhnliche Motto. Soweit bekannt handelt es sich bei dem Uhrenwappen des Capodilista-Kodex um eine von nur zwei bekannten Darstellungen eines mechanischen Gegenstandes in einem Wappen.293 Es ist dabei aber wohl das einzige Wappen, bei dem eine Uhr als heraldisches Symbol zum Bestandteil des Wappens selbst wird. Zusätzlich steht die dargestellte Uhr hier auch in einem sonst nicht mit der technischen Entwicklung selbst in Verbindung stehenden Kontext: Der das Wappen umgebende Zusammenhang weist zunächst nicht direkt auf die Erbauung oder Instandsetzung einer Uhr hin. Das Uhrenwappen gehört innerhalb der ohnehin ungewöhnlichen Bildersprache des Capodilista-Kodex zu einem der am häufigsten diskutierten Bildelemente. Die meiste Beachtung hat es aber nicht in Verbindung mit dem Kodex erfahren, sondern als Bestandteil des Wappenbriefes für Manfredo del Cortivo. Dort bildet der bärtige Mann mit der Uhr in der Hand die Helmzier, die auf das gebesserte Wappen der Cortivo aufgebracht ist (Abb. 9). Auch die rätselhafte Figur des Mannes selbst hat einige Interpretationsansätze hervorgebracht. Am häufigsten wurde in der Figur ein türkischer Krieger gesehen, der teilweise mit Kaiser Sigismund in Verbindung gebracht wurde.294 In der Bildbeschreibung der venezianischen Abschrift B des Capodilista-­ Kodex wird der Mann nur als „un veccio in profilo con barba lunga“ bezeichnet, ohne dass eine nähere Bestimmung vorgenommen wird.295 Einen wichtigen Hinweis auf die tatsächliche Person des bärtigen Mannes gibt aber der Wappenbrief für Manfredo del Cortivo, in dem das verliehene Wappen und damit auch die Helmzier beschrieben werden. Der bärtige Mann wird dabei zum „miles tecerus“.296 Die Schreibweise „tecerus“, die auch als „teucrus“ wiedergegeben wird, wurde zumeist als Schreibfehler zu „turcus“ angesehen.297 Tatsächlich handelt es sich dabei aber nicht um ein 293  Die zweite Darstellung stammt aus einem Wappenbrief von 1377, ausgestellt für die Abtei Saint-Sauve in Montreuil-sur-Mer. Dieser Wappenbrief bezieht sich aber konkret auf die Errichtung einer Uhr im Turm der Abteikirche. Dort ist die Uhr als Element einer Initiale ausgeführt. Siehe dazu Roland, Martin/Zajic, Andreas, Eine spätmittelalterliche Urkundenfälschung aus dem Augustiner-Chorherrenstift Dürnsten in Niederösterreich. Zugleich ein Beitrag zu illuminierten Urkunden des Mittelalters, in: Archiv für Diplomatik 51 (2005), 331–432, zur Urkunde aus Montreuil-sur-Mer siehe 405. 294  Blason-Berton, De Viris Illustribus (wie Anm.  2), 68, Fn.  3. Als türkischer Krieger wird der bärtige Mann auch bei Roland/Zacij bezeichnet. Siehe Roland/Zacij, Illuminierte Urkunden (wie Anm.  5), 375. Zu Sigisumund als Bartträger und allgemein zum Bart als fürstliches Hoheitszeichen siehe Lehmann, Ursula, Die „heikle“ Bartfrage – Verhandlungen und Zere­ moniell anläßlich der Wahlannahme von (Gegen-)Papst Felix V., in: AKuG 91 (2009), 79–98, bes. 94. 295  BNM, Cod. Marc.Lat. X 348/VII (=3260), fol.  222r. 296  B.P. 1641/VII. 297  Siehe beispielsweise Blason-Berton, De Viris Illustribus (wie Anm.  2), 67, Fn.  1, die auch die entsprechende Literatur aufführt.

258 III. Pergament. Giovan Francesco Capodilista und sein Selbstbild im Capodilista-Kodex Versehen, sondern um einen konkreten Hinweis auf die Herkunft des bärtigen Mannes. Er ist keineswegs ein türkischer Krieger, sondern tatsächlich ein „miles teucrus“ – ein teukischer Krieger. Die Teuker waren die Gefolgsleute Antenors, die nach Vergils Aeneis aus dem brennenden Troja flohen und auf ihrem Weg durch die italienische Halbinsel zu Gründungsvätern verschiedener Städte wurden. Die Gründung durch Antenor und die Teuker gehörte zum etablierten Gründungsmythos der Stadt Padua, der mit dem Erstarken der Kommune neue Beliebtheit gewann.298 In den Kreisen der Protohumanisten entstand ab dem Ende des 13. Jahrhundert in Padua eine neue Begeisterung für die Figur des Antenor. Dazu gehörte auch ein Interesse an den Schriften Livius’, der in Ab urbe condita auch die Gründung Paduas durch Antenor beschrieb. Zusätzlich war Livius selbst eng mit der Stadt Padua verknüpft, die man als seinen Geburts- und Sterbeort ansah. Andere Quellen wie Seneca und Solinus untermauerten die Tradition Antenors als Gründer Paduas.299 1283 wurde dem mythischen Stadtgründer mit einem prominent gelegenen Grab ein neuer physischer Ort innerhalb der Stadt an der heutigen Piazza Antenore zugewiesen. Einige Jahre später wurde dem Grab Antenors noch ein weiteres Grab an die Seite gestellt, als in den ersten Jahrzehnten des 14. Jahrhunderts ein vermeintlicher Grabstein Livius’ gefunden wurde.300 Dieser wurde an der Wand der Kirche des Konvents von S. Giustina angebracht, und durch Petrarcas weit rezipierten Brief „Ad Titum Livium historicum“ in den Familiarium rerum libri literarisch überhöht.301 Auch in die städtische Chronistik fand der Gründungsmythos Eingang, so beispielsweise in Giovanni da Nonos De aedificatione urbis Patholomie, in der die Figur des Antenor allerdings nicht positiv dargestellt wurde.302 Die Darstellung der Figur des Antenor im sogenannten älteren Wappen der Familie Capodilista hat damit mehrere Funktionen. Zunächst rückt die Familie deutlich in die Nähe des Stadtgründers, beziehungsweise in einen stark an die Stadt angebundenen Kontext. Gleichzeitig ist der Antikenbezug der Figur des Antenor nicht zu unterschätzen, der über die Vermittlung durch literarische Zirkel innerhalb Paduas entstand. Dabei kann mit hoher Wahrscheinlichkeit angenommen werden, dass Capodilista das prominent platzierte Grab Antenors kannte. Der Bekanntheitsgrad des Mythos, der sich auch in seiner Nutzung in den Werken 298  Zum Gründungsmythos Paduas siehe Beneš, Carrie, Urban Legends. Civic Identity and the Classical Past in Northern Italy, 1250–1350, University Park 2011, 39–60. 299  Beneš, Urban Legends (wie Anm.  298), 45. 300  Die genaue Datierung des Fundes ist nach wie vor unsicher, wird aber auf die Jahre zwischen 1318 und 1324 eingeschränkt. Siehe Beneš, Urban Legends (wie Anm.  298), 53. 301  Im 8. Brief des XXIV. Buchs wendet Petarca sich an Livius, und bezeichnet zum Schluss in der Ortsangabe seinen eigenen Wohnort, Padua, als den Geburts- und Begräbnisort Livius: „in ea parte Italie et in ea urbe in qua natus et sepultus es […]“. Francesco Petrarca, Le Familiari. Edizione Critica. Volume Quarto: Libri XX–XXIV e Indici, ed. v. Umberto Bosco, Florenz 1997, 243–245, hier 245. 302  Fabris, Cronache e Cronisti (wie Anm.  148), 63. Giovanni da Nono löst sich in seinen Werken von der Figur des Antenor und setzt stattdessen in seinem Liber de hedificatione die Figur des Königs Dardanus ein. Siehe Cusa, Geschichtsschreibung, 230.

III.5. Narrative Strategien in den Texten und Bildern des Capodilista-Kodex

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Giovanni da Nonos spiegelt, lässt unabhängig von ihrer Wertung auf eine starke Präsenz der Figur innerhalb Paduas schließen.303 Selbst wenn es sich bei der im Wappen dargestellten Figur des bärtigen Mannes nicht zwangsläufig um Antenor selbst handeln muss, verweist die Helmzier des Wappens auf eine enge Anbindung des Trägers an die Stadt Padua. Mit der fiktiven Zuweisung als älteres Wappen der Familie, das bereits durch ein neueres ersetzt worden war, betont das Bild zudem das vermeintlich hohe Alter dieser Verbindung. Auch das zweite ungewöhnliche Bildelement der Wappendarstellung offenbart bei näherer Betrachtung eine solche Einschreibung in die Stadt, denn auch die mechanische Uhr selbst verweist in doppelter Hinsicht auf Padua. Betrachtet man zunächst von der Bildebene ausgehend die Gestaltung der Uhr, fallen vor allem die akkurat gezeichneten Zahnräder ins Auge. Ihre sorgfältige Ausführung allein wäre bemerkenswert, aber auch die Form der Darstellung an sich, wäre doch die Markierung des Gegenstands als „Uhr“ durch ein Ziffernblatt erheblich einfacher und für Adressaten deutlicher gewesen. Stattdessen konzentriert die Darstellung sich auf die technischen Details der Uhr, die eigentlich für eine eindeutige Abbildung nicht nötig gewesen wären. Es wirkt geradezu, als sollte eine bestimmte Uhr dargestellt werden. Und tatsächlich sind visuelle Interferenzen zwischen der Uhr des Capodilista-Kodex und anderen Uhrendarstellungen in Padua nachweisbar, und zwar im Astrarium des Giovanni de’ Dondi, das aus Padua stammt.304 Bei diesem Astrarium oder Planetarium handelt es sich um einen der bekanntesten Uhrmechanismen im spätmittelalterlichen Italien überhaupt, der schnell große Bedeutung erlangte, obwohl bereits andere Uhrwerke entwickelt worden waren. Allen diesen Uhren waren gemein, dass es sich bei ihnen oft nicht um Zeitmesser im heutigen Sinne handelte, sondern um weitaus komplexere Mechanismen.305 Sie waren noch eng mit den astronomischen Messinstrumenten verwandt, aus deren ursprünglichen Konstruktionen sie entstanden waren.306 Oft vereinten sie dabei die einfache Messung der Zeit mit astronomischen Anzeigen, wie der Darstellung von Mond- und Sonnenlauf oder Sternenbildern. Das Astrarium des Giovanni de’ Dondi hob sich aber durch verschiedene Faktoren von diesen anderen frühen Zeitmessern ab. Kurz nach der Fertigstellung oder noch während der Ent303 

Beneš, Urban Legends (wie Anm.  298), 59. Zum Astrarium de’ Dondis siehe Bedini, Silvio/Francis, Maddison, Mechanical Universe. The Astrarium of Giovanni de’ Dondi, in: TAPhA 56 (1966), 3–68. Allgemein zur Entstehung der Uhr und auch speziell zum Astrarium de’ Dondis siehe auch Dohrn-van Rossum, Gerhard, Die Geschichte der Stunde. Uhren und moderne Zeitrechnung, Köln 2007, vor allem 237 f. 305  Bedini/Francis weisen auf die Freundschaft zwischen Petrarca und de’ Dondi hin, und untermauern die Vielseitigkeit des Uhrenmechanismus mit einem Zitat Petrarcas, nach dem nur ungebildete Menschen das Astrarium für eine einfache Uhr halten würden. Bedini/Francis, Mechanical Universe (wie Anm.  304), 15 f. 306  So beispielsweise die Turmuhr der Abtei in Hertfordshire, die 1330 vollendet und auch maßgeblich von astronomischen Instrumenten beeinflusst wurde. Genau wie das Astrarium de’ Dondis zeigt auch diese Uhr nicht nur die Zeit an, sondern informiert auch über astronomische Messwerte. Siehe ebd, 5. 304 

260 III. Pergament. Giovan Francesco Capodilista und sein Selbstbild im Capodilista-Kodex wicklung der Uhr 1364 oder 1365 verfasste Giovanni de’ Dondi mit dem Tractatus Astrarii einen ausführlichen Bericht über den Bau des Astrarium.307 Dieser auch Opus Planetarium genannte Text ist heute in 11 Abschriften erhalten, die fast alle ausführliche, teilweise je nach Überlieferungsträger stark unterschiedliche schema­ti­ sche Darstellungen enthalten.308 Außergewöhnlich ist bereits die schriftliche Do­ku­ mentation des Entstehungsprozesses, die möglicherweise auf de’ Dondis gesellschaftliches Umfeld in Padua zurückzuführen ist. Als Sohn des Arztes und Uhrenbauers Jacopo de’ Dondi, der ursprünglich aus Chioggia stammte und erst in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts nach Padua kam, studierte Giovanni de’ Dondi Medizin an der Universität Padua. Bereits Jacopo de’ Dondi hatte für seine Neben­ tätigkeit als Uhrbauer den Beinamen „dall’Orologio“ erhalten, den auch Giovanni führte. Ab 1350 oder 1352 lehrte Giovanni de’ Dondi in unterschiedlichen Fächern an der Universität, darunter auch Astronomie und Logik.309 Als Mitglied und Lehrender an der medizinischen Fakultät der Universität in Florenz ist er von 1368 bis 1370 nachweisbar. Neben seiner akademischen Tätigkeit war er innerhalb Paduas in unterschiedlichen politischen Funktionen tätig, unter anderem auch als Botschafter der Carrara in Venedig.310 Für seine Entwicklungen und Karriere maßgeblich war zunächst die Patronage durch Francesco da Carrara, die schließlich versiegte und durch einen Kontakt zu Gian Galeazzo Visconti ersetzt wurde. Ob das Astrarium unter Umständen bereits im Auftrag Viscontis konstruiert wurde, ist nicht klar nachweisbar. Ab 1382 lehrte de’ Dondi aber in Pavia, dem damaligen Machtzentrum der Visconti, wo er von 1387 an auch endgültig wohnte. Nach seinem Tod 1389 wurde er in Padua beigesetzt.311 Das Astrarium, das seinen Standort gemeinsam mit seinem Schöpfer gewechselt hatte, verblieb in der Bibliothek der Visconti in Pavia. Dort wurde es zum Anziehungspunkt für zahlreiche Benutzer der Bibliothek, unter anderem für Philippe de Mézières, Francesco Petrarca und später Leonardo da Vinci.312 Mit der Zeit verfiel der komplexe Mechanismus aber immer mehr, und zahlreiche Reparaturversuche blieben erfolglos. Auch der Versuch eines Nachbaus durch einen Nürnberger Uhr­ machermeister im 15. Jahrhundert blieb nicht funktionsfähig, trotz der umfangreichen schriftlichen Aufarbeitungen und den Illustrationen im Traktat de’ Dondis.313 307  Die Daten zur Entstehung des Astrarium varrieren deutlich. Der Beginn der Berechnungen und Konstruktion wird zwischen 1348 (mit Fertigstellung 1364, siehe Bedini/Francis, MechanicalUniverse (wie Anm.  304), 5) und 1365 angegeben, teilweise auch mit Daten bis 1380. Siehe Dohrn-van Rossum, Die Geschichte der Stunde (wie Anm.  304), 327. 308  Für eine aktuelle Edition des Textes mit französischer Übersetzung und ausführlichen Darstellungen zu den schematischen Zeichnungen der Handschriften siehe Poulle, Emmanuel, Giovanni Dondi dall’Orologio. Tractatus Astrarii, Genf 2003 (THR 372). 309  Zur Biographie de’ Dondis siehe Dohrn-van Rossum, Die Geschichte der Stunde (wie Anm.  304), 237. 310  Bedini/Francis, Mechanical Universe (wie Anm.  304), 12. 311  Bedini/Francis, Mechanical Universe (wie Anm.  304), 13. 312  Ebd., 20. 313  Dohrn-van Rossum, Die Geschichte der Stunde (wie Anm.  304), 239.

III.5. Narrative Strategien in den Texten und Bildern des Capodilista-Kodex

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Das genaue Schicksal des Astrarium nach dem 16. Jahrhundert ist bis heute un­ geklärt.314 Die Entstehung des Astrarium ist nach Aussagen de’ Dondis in seinem Traktat zur Entwicklung des Uhrmechanismus hauptsächlich einem didaktischen Impetus geschuldet: Die Mechanik sollte zur Demonstration astronomischen Wissens genutzt werden, das ohne umfangreiche und komplexe Berechnungen so jedem Betrachter buchstäblich vor Augen geführt werden sollte.315 Er benutzte dabei Angaben von Campanus de Novare, der bereits um 1260 Darstellungsmethoden zur vereinfachten Berechnung von Planetenbewegungen entwickelt hatte.316 Das Astrarium zeigte also keineswegs nur die Zeit an. Stattdessen demonstrierte es die Planetenbewegungen nach dem ptolemäischen Planetensystem, das die fünf zu dieser Zeit bekannten Planten Merkur, Venus, Jupiter, Mars und Saturn sowie Sonne und Mond auf runde Bahnen um die zentral verankerte und unbewegliche Erde einordnete. Neben den Skalen für die Planetenstände war das Astrarium noch mit einer Anzeige für feste und bewegliche kirchliche Feiertage, einer für die Überschneidung von Umlaufbahnen von Mond und Sonne und zuletzt noch mit einem Ziffernblatt für die 24 Stunden des Tages ausgestattet. Daneben zeigten kleinere Anzeigen die Zeitpunkte für Sonnenaufgang und Sonnenuntergang in Padua an und eine Skala für die kirchlichen Feiertage fungierte gleichzeitig als Jahreskalender. Angetrieben wurde der Mechanismus von Gewichten, die an unterschiedlichen Stellen der Uhr befestigt werden konnten und je nach Anbringung Veränderungen in der Geschwindigkeit des Uhrwerks abfedern sollten. Hergestellt war der Apparat wahrscheinlich aus Kupfer, Blech oder Bronze.317 Das Gestell und die Zahnräder des Astrarium waren dabei nicht durch eine äußere Hülle verdeckt, so dass es kein großes Uhrenziffernblatt besaß, sondern mehrere kleinere Anzeigen im oberen Bereich des Mechanismus, an denen die unterschiedlichen Angaben ablesbar waren. Darunter waren die Zahnräder der Anzeigen frei für den Betrachter zu erkennen. Dieser komplexe Aufbau und die zahlreichen Messwerte, die das Astrarium dem Betrachter lieferten, machten es als erste „planetarische Uhr“318 zu einer bemerkenswerten technischen Neuerung.319 314  Zahlreiche

spätere Rekonstruktionen wiesen nach, dass sich der exakte Nachbau des Astrarium auch mit modernen Mitteln als komplexes Unterfangen erweist. Nicht zuletzt liegt diese Problematik in den großen Unterschieden zwischen den überlieferten Handschriften begründet, die sich trotz detaillierter Zeichnungen teilweise widersprechen. Zu den modernen Nachbauten siehe Poulle, Tractatus Astrarii. Introduction (wie Anm.  308), 10. 315  Bedini/Francis, Mechanical Universe (wie Anm.  304), 16. Siehe das Prohemium Uni­ versale de Intentione, Causa Intentionis et Modo Proccessus im Tractatus Dondis. Abgedruckt bei Poulle, Tractatus Astrarii (wie Anm.  308), 39 f. 316  Poulle, Tractatus Astrarii. Introduction (wie Anm.  308), 8. Im Prohemium weist Dondi ebenfalls explizit auf Campanus de Novare hin. 317  Bedini/Francis, Mechanical Universe (wie Anm.  304), 14. 318  „Horologe planétaire“. Poulle, Tractatus Astrarii. Introduction (wie Anm.  308), 8. 319 Landes, David S., Revolution in Time. Clocks and the Making of the Modern World, Cambridge/London 1983, 57.

262 III. Pergament. Giovan Francesco Capodilista und sein Selbstbild im Capodilista-Kodex Die Darstellung im Capodilista-Kodex stellt eine enge Wechselbeziehung zwischen der Uhr der Helmzier und dem Astrarium de’ Dondis her. Zunächst lässt sich für die Darstellung der Uhr des Kodex und die technischen Zeichnungen im Tracta­ tus Astrarii ein eindeutiger Fall von Intervisualität feststellen.320 Die Zeichnungen des Tractatus zeigen den Mechanismus in verschiedenen Stadien, behalten aber immer die Zahnräder der Uhr im Fokus. Diese Elemente der Illustration des Textes sind in fast allen Handschriften des Tractatus ähnlich und entsprechen damit einem Typus zur Darstellung mechanischer Konstruktionen, der im 15. Jahrhundert genutzt wurde. Eine Übereinstimmung mit der Darstellung in Perspektive, Elementen und Ausführung mit der Uhr des Capodilista-Kodex ist nicht zu verkennen.321 Auch die Kompaktheit des im Kodex abgebildeten Mechanismus und das fehlende Ziffernblatt entsprechen den Darstellungen und Beschreibungen des Astrarium. Diese auffällige Gemeinsamkeit weist darauf hin, dass es sich bei der Uhr der Helmzier tatsächlich um eine Abbildung handelt, bei der das Astrarium mitgedacht war. Capodilista muss also das Astrarium oder die Handschriften des Tractatus Astrarii gekannt haben, was gleichzeitig Rückschlüsse darüber erlaubt, dass ein Wissen um die Existenz und das Aussehen des Mechanismus in Padua um 1430 vorhanden war und aktiv abgerufen werden konnte. Diese Vermutung wird durch eine weitere Chronik aus Padua bestätigt, in der das Astrarium erwähnt wird: Die 1446/1447 verfasste kurze Chronik des Arztes Michele Savonarola, der Libellus de maginifics ornamentis regie civitatis ­Padue, erwähnt die planetarische Uhr und bezeichnet sie als Weltwunder.322 Hier ist allerdings die Verbindung zu Padua aufgebrochen, denn Savonarola beschreibt, dass das Astrarium in Pavia gebaut worden sei. Dennoch wird die Familie de’ Dondi als in Padua lebend verortet, was auch durch ihre Grablege in der Stadt bestätigt wird. Aber nicht nur das Astrarium war für Paduaner im 15. Jahrhundert unter dem Stichwort „Uhr“ subsumiert. Tatsächlich gab es in Padua noch eine weitere Uhr, die 320  Der Begriff der Intervisualität oder „intervisuality“ wird analog zur Intertextualität verwendet, um Wechselwirkungen und Übereinstimmungen von Motiven festzuhalten. Für seine Verwendung bei der Beschreibung von Buchmalerei siehe Brubaker, Leslie, Every Cliché in the Book. The Linguistic Turn and the Text-Image Discourse in Byzantine Manuscripts, in: Liz James (Hg.), Art and Text in Byzantine Culture, Cambridge 2007, 58–82, hier 59. 321  Eine Vielzahl der schematischen Zeichnungen aus den Handschriften des Tractatus ist bei Poulle gedruckt. Besondere Ähnlichkeit mit der Darstellung des Capodilista-Kodex hat beispielsweise ein Ausschnitt mit drei Zahnrädern, siehe Poulle, Tractatus Astrarii (wie Anm.  308), 403. Siehe für weitere Abbildungen der Handschriften, beispielsweise von Cod. D 39 der Biblioteca Capitolare Vescovile in Padua, auch Bedini/Francis, Mechanical Universe (wie Anm.  304), 6. Auch hier die Ähnlichkeit der Darstellungen deutlich erkennbar. 322  In der Edition siehe Michele Savonarola, Libellus de maginifics ornamentis regie civitatis Padue, ed. v. Anraldo Segarizzi, Città di Castello 1902 (Rerum Italicarum Scriptores 24/15), 38. Zur Datierung des Werkes siehe im Vorwort des Bandes auf VIII. Warum bei Bedini/­ Francis die Datierung des Textes mit 1440 angegeben ist und der Text als „Commentariolus de Laudibus Patavii“ bezeichnet wird, bleibt unklar. Eine englische Überstzung des Abschnittes geben Bedini/Francis, Mechanical Universe (wie Anm.  304), 24 f.

III.5. Narrative Strategien in den Texten und Bildern des Capodilista-Kodex

263

in den Jahren unmittelbar vor und während der Abfassung des Capodilista-Kodex eine besondere Bekanntheit erlangt hatte. Es handelte sich dabei um die große Stadt­ uhr an der Piazza dei Signori. Diese war von Jacopo de’ Dondi 1344 im Auftrag Ubertino da Carraras auf einem bereits existierenden Turm an der Piazza erbaut worden und hatte der Familie überhaupt erst den Beinamen „dall’Orologio“ eingebracht.323 Diese große Uhr, deren genauer Aufbau bis heute strittig ist, war wahrscheinlich mit astronomischen Anzeigen ausgestattet.324 Allerdings handelte es sich dabei im Gegensatz zum Astrarium tatsächlich hauptsächlich um einen Zeitmesser. Neben einem 24-Stunden-Ziffernblatt zeigte die Uhr an der Piazza noch die Stern­ zeichen und Mondphasen an, verfügte über einen Kalender mit Monats- und Tageseinteilung und war mit einem Schlagwerk ausgestattet, das mithilfe einer Glocke die Stunde schlug.325 Diese Uhr war durch ihre Größe und Platzierung eine öffentliche Uhr oder eine Stadtuhr.326 Solche Uhren im städtischen Raum waren seit dem Beginn des 14. Jahrhunderts in einzelnen italienischen Städten aufgekommen und hatten sich rasch verbreitet. Sie waren in der Regel mit Glocken verbunden, die auch akustische Zeitsignale in der Stadt vermittelten. Gelegentlich bestanden die Uhren auch nur aus einer Glocke, die von einem Mechanismus ohne Ziffernblatt angetrieben wurde und rein akustische Zeitsignale setzte. Zur letzteren Gattung gehörten beispielsweise die 1309 in Orvieto angebrachte Glocke oder ein Zeitsignal in Parma 1319.327 Die erste sicher nachweisbare Turmuhr befand sich ab 1336 in Mailand. Damit ist die Uhr de’ Dondis in Padua 1344 die zweite bekannte Uhr mit mechanischem Stundenschlag in Italien. Viele dieser Zeitmesser waren in Residenzstädten entstanden und wurden unmittelbar durch die Patronage der jeweiligen regierenden Familie angeregt und ­finanziert. Die Uhren sind damit eindeutig als Prestigeobjekt auszumachen, das ein Interesse des jeweiligen Patrons an technischen Neuentwicklungen und urbaner Gestaltung verdeutlicht.328 Die Bedeutung der von Ubertino da Carrara in Auftrag gege323  Bedini/Francis, Mechanical Universe (wie Anm.  304), 17. Siehe weiter Billanovich, Maria Chiara, La Vicenda dell’Orologio di Piazza dei Signori a Padova: Committenti, Esecutori, Modalità di Costruzione, in: Archivio Veneto 132 (1989), 39–63. Mittlerweile stellenweise überholt, dennoch grundlegend vor allem für die im Anhang editierten Quellen Gloria, Andrea, L’Orologio di Iacopo Dondi nella piazza dei Signori in Padova modello agli orologi più rinomati in Europa, in: Atti e memorie della Accademia di scienze, lettere ed arti in Padova 1 (1884/5), 233–293. Zur Diskussion um die Herkunft des Namenszusatzes siehe ebd., 250. 324  Zur Fachdiskussion um die Entstehung und Ausstattung der Uhr siehe Billanovich, La Vicenda dell’Orologio (wie Anm.  323), 39. 325  Zur Ausstattung und der Diskussion darüber siebe Bedini/Francis, Mechanical Universe (wie Anm.  304), 17. 326  Die Definition einer „öffentlichen Uhr“ umfasst nach Petrarca Uhren, die Zeitangaben akustisch und optisch für alle Stadtbewohner sichtbar machten. Nach Dohrn-van Rossum, Die Geschichte der Stunde (wie Anm.  304), 170. 327  Dohrn-van Rossum, Die Geschichte der Stunde (wie Anm.  304), 172. 328  Gelegentlich fanden diese Uhren als bemerkenswerte technische Neuerung auch Eingang in die Stadtchronistik, so in Vincenza in den in der 2. Hälfte des 14. Jhs. entstandenen

264 III. Pergament. Giovan Francesco Capodilista und sein Selbstbild im Capodilista-Kodex benen Uhr lässt sich auch daran bemessen, dass diese besondere Form der Patronage von Pier Paolo Vergerio in seinen Viten der Carrara-Fürsten ausdrücklich erwähnt wurde.329 Die Stadtuhr in Padua wurde nur wenige Jahrzehnte nach ihrer Errichtung 1390 während militärischer Auseinandersetzungen mit mailändischen Truppen zerstört. Padua war damit für lange Zeit nicht mit einer großen Stadtuhr ausgestattet, und hatte nur eine kleinere Uhr mit einem Stundenanzeiger und einer Glocke an der Herberge del Bò.330 Pläne zum Wiederaufbau oder Neubau der Uhr Jacopo de’ Dondis existierten wohl schon seit den 1420er Jahren, und 1428 wurde als erster Entwicklungsschritt ein Modell angefertigt.331 Ob diese neue Uhr auf den Plänen der vorherigen basierte oder neu entwickelt wurde, ist nach wie vor strittig. Möglicherweise wurden die Pläne von Novello dall’Orologio angefertigt, der vermutlich ein entfernter Verwandter der Dondi dall’Orologio war.332 Mit Sicherheit wurde Novello aber im weiteren Verlauf der Planungen durch Giovanni und Giampietro dalle Caldiere oder dalle Campane333 ersetzt, die im Stadtviertel Torricelle wohnten und bei S. Egidio eine Werkstatt als Glockengießer betrieben. Die Arbeiten an der Uhr wurden schließlich im Oktober 1430 wieder aufgenommen und dauerten bis 1436, immer wieder unterbrochen durch Debatten und Finanzierungsschwierigkeiten. Vorangetrieben wurde der Wiederaufbau der Uhr maßgeblich aus Gründen des Stadtprestiges. Der Beschluss des Consiglio von 1423 erwähnt explizit die großen Stadtuhren benachbarter Städte wie Venedig und Treviso. Es wurde betont, dass der Bau einer explizit als schön beschriebenen Uhr („unum horologium pulcrum“) der Ehre der Stadt förderlich wäre, und auch Wille der Bürger sei.334 Tatsächlich in Bewegung kam die Bauplanung erst nach 1427, als der Beschluss des Consiglio erneuert und aktiv mit der Organisation von Finanzierung und Bau begonnen wurde. Die Zustimmung aus Venedig mit Zusicherung der finanziellen Unterstützung erfolgte im gleichen Jahr.335 Ein weiterer Beschluss vom Februar 1428 legte die genauen Details der neuen Stadtuhr fest, die neben der Zeit auch astronomische Angaben zeigen sollte.336 Anscheinend kam es aber zu Problemen, und erst nachdem Giovanni und Giampetro­ Annalen des Notars Conforta da Costozza. Siehe Cusa, Geschichtsschreibung (wie Anm.  104), 350. 329  Gloria, L’Orologio (wie Anm.  323), 251. 330  Billanovich, La Vicenda dell’Orologio (wie Anm.  323), 49, Fn.  51. 331  Ebd., 39. 332  Gloria, L’Orologio (wie Anm.  323), 259. 333  Beide Namensvarianten scheinen gleichwertig genutzt worden zu sein. Dokumente zur Werkstatt und ihren Arbeiten in Padua siehe Satori, Antonio, Documenti per la Storia dell’­Arte a Padova, ed. v. Clemente Fillarini. Vicenza 1976 (Fonti e Studi per la storia del Santo a Padova 3), 610–612. 334  Siehe die Edition des entsprechenden Antrages bei Gloria, L’Orologio (wie Anm.  323), 290, Edition des Beschlusses vom 5. Juli 1423. 335  Gloria, L’Orologio (wie Anm.  323), 257, siehe Quellenanhang ebd., 290, Stück vom 24. September 1427. 336  Billanovich, La Vicenda dell’Orologio (wie Anm.  323), 51.

III.5. Narrative Strategien in den Texten und Bildern des Capodilista-Kodex

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dalle Caldiere 1430 die Verantwortung übernahmen, schritt der Bau fort. Ab diesem Zeitpunkt flammte ein reges stadtöffentliches Interesse am Bauprozess auf, und im Oktober 1430 kam es zu ausführlichen Überlegungen über die technischen Möglichkeiten, die astronomische Uhren zu dieser Zeit boten.337 Die Uhr war spätestens zu diesem Zeitpunkt zum allgemeinen Stadtgespräch geworden. Dennoch zog der Bauprozess sich über mehrere Jahre hin, vor allem aufgrund von Schwierigkeiten bei der Aufbringung der für den Bau nötigen finanziellen Mittel. Aber auch durch die hohe Komplexität des Uhrenapparates kam es zu Verzögerungen. Immer wieder mussten Kommissionen eingesetzt werden, die zwischen den politischen Organen Paduas und den beauftragten Baumeistern vermittelten.338 Die größten Arbeiten an der Uhr waren im September 1436 abgeschlossen, und der Maler Giorgio da Treviso wurde mit der Ausgestaltung des Ziffernblattes beauftragt. Fertiggestellt wurde die Uhr schließlich 1437, vermutlich rechtzeitig zum Fest des Stadtpatrons S. Antonius Anfang Juni. Damit war die Uhr vom ersten Vorschlag zu Errichtung 1423 bis zur Fertigstellung 1437 über einen langen Zeitraum hinweg immer wieder Thema im politischen Gespräch Paduas gewesen. Maßgeblich für die Errichtung der Uhr waren die Bedürfnisse nach Repräsentation, auch in Konkurrenz zu anderen Städten.339 Die Uhr mit astronomischen Maßeinheiten und Anzeigen wurde als Beleg für die Offenheit der Stadt, aber auch als Symbol für die Fortschrittlichkeit der Bewohner gesehen. Dass dabei die äußere Ästhetik des Mechanismus genauso wichtig war wie die Funktionsweise, belegt die Beauftragung eines angesehenen Malers für die Ausgestaltung des Ziffernblatts und die sorgfältige Organisation und langwierige Debatte über die äußere Gestaltung. Die hauptsächliche Phase der Planung und Ausführung der Konstruktion der Uhr an der Piazza ist beinahe deckungsgleich mit der Zeit, in der Capodilista sich nicht Padua aufhielt. Eine tatsächliche Beteiligung an der Planung ist dementsprechend für ihn nicht nachweisbar.340 Der Kreis der Befürworter der Uhr war von den ersten Vorschlägen 1423 an mit alteingesessenen und prominenten Paduanern besetzt. So wurde der erste Antrag zur Errichtung einer neuen Uhr von Giacomo Zabarella vorgebracht, einem Verwandten des berühmten Kanonisten und Kardinals Francesco Zabarella und Angehörigen einer der angesehensten Familien Paduas.341 Auch in den späteren Anträgen sind prominente Befürworter der neuen Uhr zu finden, darunter Vertreter der Familien Scrovegni, da Lion und Buzzaccarini.342 Diese Gruppierung 337  Billanovich spricht von einer „conventio di estremo interesse per la storia delle concezio­ ni astrologico-astronomiche, dei livelli tecnici aquisiti e degli orientamenti artistici del tempo […].“ Billanovich, La Vicenda dell’Orologio (wie Anm.  323), 52. 338  Billanovich, La Vicenda dell’Orologio (wie Anm.  323), 55. 339  Zitiert nach Billanovich, La Vicenda dell’Orologio (wie Anm.  323), 58. 340  Jahre später, im Jahr 1440 kam Capodilista durch einen Schiedsspruch zur Vermittlung zwischen städtischen Organen und den mit der Errichtung der Uhr beauftragten delle Campane/ Caldiere in Kontakt. Siehe dazu ebd., 45. 341  Billanovich, La Vicenda dell’Orologio (wie Anm.  323), 50. 342  Siehe Edition bei Gloria, L’Orologio (wie Anm.  323), 291, Stück vom 3. Februar 1428.

266 III. Pergament. Giovan Francesco Capodilista und sein Selbstbild im Capodilista-Kodex aus fünf Männern ist über einen weiteren Zeitraum als Vorantreiber des Baus der Uhr erkennbar. Sie bilden innerhalb des städtischen Rahmens eine soziale Gruppierung, der auch Capodilista selbst über unterschiedliche soziale Anbindungen zugehörig war. Familiäre Verbindungen zwischen den Beteiligten und den Capodilista bestanden vor allem durch vor 1434 erfolgte Eheschließungen, die alle im Capodilista-­ Kodex notiert sind.343 So war der älteste Sohn Capodilistas, Francesco, in zweiter Ehe mit Gigliola Buzzaccarini verheiratet, während die älteste Tochter Giacoma eine Eheverbindung mit Andrea Zabarella eingegangen war. Die nächstjüngere Tochter Polissena war mit dem Sohn des in den Quellen im Zusammenhang mit der Uhr genannten Paolo da Lion, Checco da Lion, verheiratet. Drei der fünf Männer, die in den Protokollen des Consiglio zur Entwicklung der Uhr auftauchen, werden darüber hinaus direkt namentlich im Capodilista-Kodex erwähnt. Paolo da Leon, Pietro Scrovegni und Ludovico Buzzaccarini werden allesamt in der sogenannten Quellenliste des Kodex genannt, die den Bücherbesitz der jeweiligen Personen erfasst und teilweise mit dem Besitz Capodilistas abgleicht.344 In der Betrachtung der Uhr in Verbindung mit den im Text des Kodex aufgezeichneten Kontakten und Beziehungen wird deutlich, dass die Darstellung der Uhr als Teil der Helmzier eine mehrfache Funktion erfüllt. Zunächst weist sie als Symbol jenseits ihrer mechanischen Bedeutung als neuartiges Instrument weit über den im Motto „Memento quod cito labitur“ anklingenden Gedanken an Sterblichkeit hinaus. Als Symbol deutet sie in ihrer zweifachen Anbindung an Padua zunächst auf die Stadt selbst und weiter auf bestimmte gesellschaftliche Zirkel hin. Die Intervisualität zu den Zeichnungen des Astrarium Giovanni de’ Dondis ist dabei maßgeblicher Anhaltspunkt. Weiter ist die Debatte um die Errichtung der Turmuhr, die während der Entstehung des Capodilista-Kodex 1434 in Padua zum Tagesgespräch gehörte und als Dauerbaustelle inmitten der Stadt auf der Piazza dei Signori sichtbar war, so in den Kodex in verschlüsselter Form eingefügt. Wird das Wappen nicht allein als heraldisches Element angesehen, sondern unter den Prämissen der Netzwerkperspek­ tive untersucht, offenbart es sich auch als Schlüssel zu einem Netzwerk. Durch das Symbol der Uhr wird die direkte Anbindung des Wappeninhabers an Padua und den Kreis der Befürworter des Wiederaufbaus einer öffentlichen Uhr hergestellt. Die aus den Beschlüssen des Consiglio bekannten Namen machen dabei deutlich, dass es sich bei diesen Personen um Angehörige der städtischen Oberschicht handelt, die hohes Ansehen genossen. Familien wie die alteingesessenen Zabarella und die sowohl reichen als auch zur Zeit der Kommune politisch einflussreichen Scrovegni Alle drei genannten Familien spielten bereits zur Zeit der Carrara eine tragende Rolle in Padua, und unterstützten die herrschende Familie in zahlreichen politischen Funktionen, teilweise auch über ihr erstes politisches Exil 1388–1390 hinaus. Siehe Kohl, Benjamin, The Paduan Elite under Francesco Novello da Carrara (1390–1405). A selected prosopography, in: Quellen in Forschungen aus italienischen Archiven und Bibliotheken 77 (1997), 206–258. 343  B.P. 954, fol.  6r. 344  B.P. 954, fol.  4v–5r. Zur Quellenliste siehe weiter unten.

III.5. Narrative Strategien in den Texten und Bildern des Capodilista-Kodex

267

waren in Padua seit langem verwurzelt.345 Die Scrovegni waren darüber hinaus mit den Carrara verwandt, die als ehemaliges Herrscherhaus in Padua für lange Zeit die Geschicke der Stadt bestimmt hatten. Gleichzeitig waren die Scrovegni über eine Eheverbindung mit der Familie der Forzatè verbunden, an die die Capodilista sich erfolgreich ansippten.346 Die Scrovegni spielten in Padua zur Zeit der Entstehung des Capodilista-Kodex immer noch eine bedeutende Rolle und waren über ihre Verbindung mit den noch überlebenden Papafava-Carrara in ihrer politischen Positionierung kritisch gegenüber der venezianischen Herrschaft über Padua.347 Über die tatsächliche Haltung Capodilistas zur Entstehung der Uhr gibt es keine Quellen. Die Platzierung des Uhrwerks an prominenter Stelle im Kodex lässt aber darauf schließen, dass er zu den Förderern dieses Projekts gehörte. Gleichzeitig verhinderte aber sein Aufenthalt in Basel im Auftrag Venedigs während der hauptsächlichen Bauphase eine aktive Beteiligung an den tagespolitischen Ereignissen innerhalb der Stadt. Die Nutzung der Uhr als Bestandteil der Helmzier mildert diese erzwungene Untätigkeit. Sie platziert ihn als aktives Mitglied der gesellschaftlichen und politischen Sphäre Paduas, ohne dass er tatsächlich anwesend war. Die Platzierung der Uhr im Kodex konstruiert so Gruppenzugehörigkeiten im städtischen Rahmen, wobei das heraldische Symbol nicht nur Giovan Francesco sondern die gesamte Familie Capodilista an die städtische Oberschicht anbindet. Die Uhr im Kodex ist damit nicht nur Reflex auf die technische Neuerung und Bemühungen um eine Vermehrung des städtischen Prestige Paduas. Sie ist ganz gezielt Hinweis auf ein Kontaktnetzwerk Capodilistas und seine Zugehörigkeit zu einer bestimmten gesellschaftlichen Schicht innerhalb der Stadt. Vertieft wird die Verknüpfung mit Padua über die anderen in der Helmzier dargestellten Elemente, die offensichtlich ebenfalls symbolisch für die Stadt selbst stehen: das betrifft sowohl die Fähnchen auf dem Uhrtürmchen als auch die Darstellung des Teukers, die auf den mythischen Stadtgründer Antenor deutet. Der Aufschwung, den der Kult um Antenor seit dem 14. Jahrhundert erfahren hatte, basierte schließlich unter anderem auch auf den Aktivitäten einer Gruppe an Gelehrten innerhalb Paduas, die humanistische Interessen pflegten. Die Darstellung des Teukers im Wappen Capodilistas war damit sicherlich auch ein Hinweis auf solche intellektuelle Interessen, der allerdings im restlichen Kodex nicht weiter vertieft wird. In seiner hohen Dichte an symbolhaften Bildelementen lassen sich damit die von Capodilista genutz345 

Zu den Scrovegni siehe Kohl, Fedeltà e Tradimento (wie Anm.  196), 41–63. Stammbäume beider Familien siehe ebd., 63. 347  Traditionell waren die Scrovegni keine Unterstützer des regierenden Zweigs der Carrara gewesen, und hatten bereits im 14. Jahrhundert durch Konspirationen gegen die jeweiligen Oberhäupter der Familie empfindliche Einbußen in Prestige und Freiheit hinnehmen müssen. Durch ihre Ansippung an die Papafava-Carrara waren sie aber der Herrschaft Venedigs kritisch gegenübergestellt, was sich deutlich an der Beteiligung einiger Scrovgeni an einer antivenezia­ nischen Verschwörung 1439 äußerte, an der mit Francesco Capodilista auch Giovan Francescos ältester Sohn beteiligt war. Siehe Kohl, Fedeltà e Tradimento (wie Anm.  196), 48. 346 

268 III. Pergament. Giovan Francesco Capodilista und sein Selbstbild im Capodilista-Kodex ten Techniken des Einschreibens anhand des Uhrenwappens besonders deutlich aufzeigen. Das fiktive Wappen, das Capodilista zu Beginn des Kodex als eröffnendes Bildelement nutzt, schafft zunächst eine Anbindung der Familie an ihre Heimatstadt Padua, und im nächsten Schritt an sozial angesehene Gruppierungen. Für den zeitgenössischen Betrachter aus dem städtischen Kontext Paduas war der Verweis auf die Turmuhr an der Piazza dei Signori deutlich genug. Für den gelehrtern Betrachter war dann dank der geschickten Nutzung von Strategien der Intervisualität auch der Rückschluss auf das Astrarium offensichtlich. Die Schaffung des fiktiven Wappens ist also ein bewusster Versuch, dem Betrachter bestimmte Vorgänge innerhalb der Stadt ins Gedächtnis zu rufen, und die Zugehörigkeit des Besitzers des Wappens zu den entscheidungstragenden und gelehrten Kreisen zu belegen. Der wirklichkeitskonstruierende Charakter dieser Strategie wird deutlich, wenn man Capodilistas Abwesenheit und daher Untätigkeit während der hauptsächlichen Entstehungsphase der Uhr betrachtet. Noch klarer wird die Funktion des Uhrenwappens als soziales Zeichen, wenn man die Nennung der durch die Uhr verschlüsselten Gruppen in den späteren Textpassagen des Kodex in die Betrachtung miteinbezieht. Der fiktive Charakter des Wappens, das gezielt für den Capodilista-Kodex geschaffen worden war und vorher nicht belegt ist, deutet nochmals auf die bewusste Nutzung des Symbols hin. Es ­demonstriert so auch die Handlungshoheit, die Capodilista über die Anfertigung der Bildausstattung behalten haben muss. Der vermutlich nicht in die bezeichneten ­Kreise Paduas einbezogene Buchmaler muss direkte und deutliche Hinweise zur Gestaltung des Wappens erhalten haben, so dass die intervisuellen Wechselwirkungen zwischen der Uhr des Wappens und den technischen Zeichnungen des Astrarium ent­stehen konnten. Die Bedeutung des Uhrenwappens für Capodilista lässt sich am Nachleben der Helmzier des Wappens messen. Im Gegensatz zu den anderen Bildelementen des Capodilista-Kodex ist eine Rezeption dieser Bildkomposition unmittelbar nach ihrer Entstehung um 1434 nachweisbar. Auf dem Wappenbrief des Manfredo del Cortivo vom 19. Juli 1435 wird die Helmzier, also nur der die Uhr haltende Teukerkrieger, auf das im Schild gebesserte Wappen der Cortivo aufgesetzt.348 Der Helmzier des Uhrenwappens des Capodilista-Kodex gelingt damit der Schritt von einem fiktiven Bild­ element, das innerhalb des Kodex eine bestimmte Funktion erfüllte, in einen neuen funktionalen Kontext. Es wird zu einem übertragbaren heraldischen Symbol, und erhält in diesem Zusammenhang auch eine neue Bedeutungsfunktion. Uhr und Teuker stehen damit nicht mehr für die von Giovan Francesco beanspruchten Kontakte und Beziehungen, sondern werden in ihrer Bedeutungszuweisung umgedeutet. Dennoch verschlüsselt die Kombination der Symbole in der Helmzier auch hier wieder Beziehungen, denn als Symbol für die Familie der Cortivo steht die Helmzier in Kombination mit dem gebesserten Schild vor allem für die Verbindung zwischen 348  Zur

Bedeutung des Wappenbriefes des Manfredo del Cortivo (heute B.P. 1641/III) für den Capodilista-Kodex allgemein und Angaben zur bisherigen Literatur siehe weiter unten.

III.5. Narrative Strategien in den Texten und Bildern des Capodilista-Kodex

269

Manfredo del Cortivo und Giovan Francesco Capodilista. Mitglieder der Familie Cortivo, besonders der Sohn Manfredos, der Jurist Rolando del Cortivo, sind über einen langen Zeitraum hinweg als Familiare Giovan Francescos nachweisbar.349 Manfredo del Cortivo selbst wird dazu im Capodilista-Kodex als „compater“ Giovan Francescos bezeichnet, also als Taufpate der Kinder der Familie. Solche Verbindungen entstanden häufig als eine Form der asymmetrischen Patronagebeziehung, wobei der Vater der Kinder gegenüber dem Taufpaten eine fördernde Position einnahm.350 Das Schema der Verleihung der Helmzier des Uhrenwappens an die Cortivo würde zu dieser Struktur passen, denn bei Wappenbesserungen war es ein üblicher Vorgang, Elemente aus dem Wappen des höherstehenden Verleihers in das neue Wappen des Begünstigten zu integrieren. Explizit weist Capodilista im Kodex selbst darauf hin, wenn er die Helmzier als „cimerium antiquum nostrum“351 beschreibt. Eine Verbindung der Familie Cortivo zum Bau der Uhr oder zu den damit befassten Zirkeln in Padua ist nicht nachweisbar. Damit sind Uhr und Teuker als Hinweise auf Beziehungsnetzwerke neu besetzt: Das gleiche Symbol, das Capodilista in einen elitären gesellschaftlichen Zirkel innerhalb Paduas einschreibt, kann in der neuen Verwendung die Verbindung zwischen den Cortivo und der Familie Capodilista anzeigen. Im Wappenbrief der Cortivo verliert die Uhr damit ihre Zeigefunktion als Gegenstand an sich, hinter dem ein Kontaktnetzwerk verschlüsselt ist. Stattdessen steht die Helmzier hier nur für die Anbindung an die Familie Capodilista als zu vermutende Gönner. So wird nicht nur die Nutzung von bildlichen Elementen als Symbole für Beziehungen deutlich, sondern auch der Transfer und die Möglichkeit zur flexiblen Umkodierung dieser Elemente. Einheitlich bleibt aber, dass ein einmal für eine Beziehung genutztes Element auch nach seiner Umdeutung weiterhin für Kontakte steht. Verliert die Uhr im Uhrenwappen bereits teilweise ihre Bedeutung als mechanischer Gegenstand, ist sie im Wappenbrief der Cortivo ein reines beziehungsanzeigendes heraldisches Symbol. Gleichzeitig verknüpft die Helmzier intervisuell den Wappenbrief der Cortivo mit dem Capodilista-Kodex. Beide Bildträger sind zudem die einzig nachweisbaren Verwendungen des Wappens. Teile des Uhrenwappens gelangen damit in neue Kontexte, in denen die von Capodilista genutzten Strategien zur Dar­ stellung von Beziehungen weiter entfaltet und fortgeführt werden. Das ursprünglich fiktionale und ohne Vorläufer stehende Element des Kodex wird zu einem tatsächlich genutzten und mit Bedeutung versehenen Symbol, das in der Weitergabe an andere Personen Bestandteil der historischen Wirklichkeit wird.

349  Rolando del Cortivo war bis 1439 im Gefolge Capodilistas zu finden. Er reiste auch noch mit Giovan Francesco, als dieser bereits als päpstlicher Orator in den Diensten Eugen IV. stand und Rolando del Cortivo als Jurist beider Rechte geführt wurde. Siehe weiter oben. 350  Zur Funktion der Beziehung zwischen Paten und Kindeseltern, insbesondere zu asymmetrischen Charakteristiken siehe Haas, Il mio buon compare (wie Anm.  217), 34. 351  B.P. 954, fol.  35v.

270 III. Pergament. Giovan Francesco Capodilista und sein Selbstbild im Capodilista-Kodex

III.5.2. „Apellandi omnia infrascripta falsa“: Erzählstrategien in der Quellenliste Die Strategien Capodilistas zur Konstruktion von Beziehungsnetzwerken in seinem Kodex sind auf der Bildebene besonders gut anhand des Uhrenwappens sichtbar. Auf der Textebene werden diese Strategien in der sogenannten Quellenliste deutlich. Sie eignet sich durch ihre Struktur und Anlage besonders für die Untersuchung aus einer netzwerkanalytischen Perspektive.352 Die Liste befindet sich in der ersten Hälfte des Kodex und verzeichnet über zwei ganze Blätter die von Giovan Francesco zur Anfertigung des Capodilista-Kodex genutzten Dokumente. Als einführende Hinweise zur Quellenliste sind Bemerkungen Capodilistas über die Funktion des Kodex, seine Verfasserintention sowie Ausführungen über seine Arbeitsweise vorgeschaltet. Danach listet er insgesamt 33 Werke auf, die teilweise eigenständige Titel tragen oder nach ihrem Incipit benannt sind. Die Bandbreite der genannten Texte umfasst dabei Chroniken, Annalen, die städtischen Statuten von Padua und Vicenza, Matrikeln der juristischen Kollegien Paduas, und andere „instrumenta antiquissima et privilegia“.353 Bis auf ein Werk, die sogenannte Chronik des d’Alessio, sind alle genannten Texte der literarischen Umgebung Paduas zuzuordnen. Diese Liste ist das einzige reine Text­ element des Capodilista-Kodex, das bis jetzt Gegenstand einer ausführlicheren wissenschaftlichen Untersuchung wurde.354 Beachtet wurde die Liste bisher vor allen aufgrund ihres besonderen Informationsgehalts über das literarische und historiographische Interesse innerhalb Paduas, denn sie verzeichnet katalogartig eine Vielzahl an Schriften zur Geschichte Paduas und der dort ansässigen Familien. Neben der späteren wissenschaftlichen Aufarbeitung erfuhr die Quellenliste aber auch schon wesentlich zeitnaher zu ihrer Entstehung Aufmerksamkeit, nachdem sie 1627 von Lorenzo Pignoria in seinen Cathalogus de patavinae historiae scriptoribus eingearbeitet wurde.355 Interessant ist die Quellenliste zunächst als Verzeichnis aller von Capodilista genutzten Texte, denen explizit ein Beweischarakter für die Echheit der enthaltenen Informationen zugesprochen wird. Sie weist aber noch eine Besonderheit auf, die sie von einer normalen Bücherliste oder einem Bibliothekskatalog unterscheidet. Giovan Francesco verzeichnet in der Quellenliste nicht nur die von ihm benutzten Dokumente und Bücher, sondern auch die ihm bekannten Besitzer dieser Texte. Vermutlich hatte er einige der genannten Werke von ihnen als Leihgabe erhalten. Bemerkens­ 352 

B.P. 954, fol.  4v–5r. Eine erste kurze Besprechung der Quellenliste durch die Autorin liegt vor in Odenweller, Von der Liste zum Netz? (wie Anm.  237), 41–63. 353  B.P. 954, fol.  5r. 354  Zur Quellenliste mit einer vollständigen Edition der Liste siehe Lazzarini, Un’antico elenco (wie Anm.  147), 248–293. Genutzt wurde die Liste auch von Hyde, Italian Social Chronicles (wie Anm.  115), 107–132. Weitere Bemerkungen bei Ballestrin, Giovanni da Nono (wie Anm.  159), 39 f. 355  Zu Lorenzo Pignoria siehe Lazzarini, Un’antico elenco (wie Anm.  147), 284.

III.5. Narrative Strategien in den Texten und Bildern des Capodilista-Kodex

271

werterweise bezeichnet er die Eigentümer bestimmter Texte aber auch dann, wenn er das Werk als in seiner eigenen Bibliothek vorhanden markiert. Damit scheint neben der Rekonstruktion der Bibliothek Capodilistas auch eine Annäherung an die litera­ rischen Zirkel Paduas und die dort rezipierten Werke möglich.356 Die Liste umfasst die Namen von 23 historisch nachweisbaren Persönlichkeiten. Drei dieser genann­ten Personen sind als verstorben markiert, und die Bücher werden als im Besitz der nicht namentlich bezeichneten Erben notiert. In zwei weiteren Fällen ist eine Weitergabe der Werke nachvollziehbar, wobei jeweils sowohl der vorherige als auch der gegenwärtige Besitzer der Texte genannt wird. Dazu kommen vier Doppelnennungen, also die Benennung von Personen, die mehr als eines der von Capodilista genutzten Werke besaßen. Weiterhin sind vier kirchliche Institutionen verzeichnet: die Klöster S. Giustina und S. Sofia sowie das Kamaldulenserkloster bei S. Maria di Carceri und in Venedig das Kloster S. Zaccaria. Vier Positionen innerhalb der Liste nennen nur Titel der Werke, ohne eine Nennung des Besitzers. Auffällig ist zuletzt, dass für einzelne Handschriften nicht nur ein weiterer Besitzer neben Capodilista selbst verzeichnet ist, sondern eine ganze Reihe von Personen genannt wird. Die thematische Bandbreite der so verzeichneten Bücher umfasst dabei unterschiedliche Genres. Die meisten der auf­gezählten Texte sind historiographisch orientiert und ­befassen sich entweder mit der Geschichte der Stadt oder den Familien innerhalb Paduas. Sie weisen damit auf die dichte stadtchronistische Tradition hin, die auch ein besonderes Interesse an der Geschichte der in Padua ansässigen Familien gezeigt hat. Andere Positionen der Liste benennen konkrete Dokumente zu bestimmten Organen innerhalb der Stadt. So werden zwei Matrikeln für Kollegien genannt: für das Kollegium der Doktoren und das Kollegium der Advokaten. Daneben werden mit den Statuten der Padua zeitweise unterworfenen Stadt Vicenza und den bis 1420 geltenden alten Statuten der Stadt P ­ adua zwei Rechtstexte aufgezählt. Dazu kommen an­ dere Dokumente zur Geschichte der Stadt, darunter Register der sogenannten Benefaktoren der Kommune und ein Verzeichnis über die während den Auseinander­ setzungen mit Kaiser Heinrich VII. zu Beginn des 14. Jahrhunderts verurteilten Bürger. Einige der in der Liste aufgezählten Werke sind dabei mit Verfassernennung und Titel oder Incipit unmittelbar identifiziert. Häufiger ist aber die Nennung des Werkes als „Eine Chronik von (…)“, oder schlicht als „Annalen“. Die erwähnten Werke aus klösterlichem Besitz werden dabei alle fast nur nach ihrem Alter oder Aussehen identifiziert, wobei stets eine besondere Betonung auf die Authentizität des Werkes gelegt wird. So werden beispielsweise Dokumente aus dem Kloster S. Giustina als Liber antiquus valde et autenticus und Bücher aus dem Kamaldulenserkloster 356  Unter diesem Aspekt hat Lazzarini die Liste untersucht. Gleichzeitig hat er den Versuch unternommen, alle genannten Handschriften nach Möglichkeit mit noch in Padua nachweis­ baren Handschriften zu identifizieren. Für die Bibliothek Capodilistas selbst ist das in Ansätzen auch gelungen, beispielsweise für die in der Liste genannte Chronik des Giovanni da Nono, die mit B.P. 1239/XXIX zu identifizieren war. Siehe Lazzaraini, Un’antico elenco (wie Anm.  147), und weiter unten.

272 III. Pergament. Giovan Francesco Capodilista und sein Selbstbild im Capodilista-Kodex S. Maria di Carceri als Libri aliqui autentici bezeichnet.357 Mit zwei Ausnahmen befassen sich alle genannten Werke mit der Geschichte der Stadt Padua, oder wie im Falle der Statuten Vicenzas, mit ehemals zu Padua gehörenden Gebieten. Eine Ausnahme ist die weit verbreitete Chronik des venezianischen Dogen Andrea Dandolo, die als eine der letzten Positionen der Liste genannt wird und eines der wenigen Werke ist, das keinem spezifischen Besitzer zugeordnet wird.358 Die sorgfältige Auflistung der Werke und ihrer Besitzer erlaubt nun in einem ersten Schritt die Rekonstruktion des Bücherbesitzes Capodilistas. Insgesamt sind zwölf der genannten Werke auch als Eigentum Giovan Francescos nachgewiesen, also etwas weniger als die Hälfte der aufgeführten Texte. Bei zweien dieser Texte, den Annalen des als Podestà in Vicenza tätigen Verlati und der Matrikel eines der Doktorenkollegien, ist allein Capodilista als Besitzer notiert. Dazu kommen die als letzte Position genannten und nicht näher bestimmten „instrumenta antiquissima et privilegia“, die Giovan Francesco „in domo nostra“ vorgefunden habe, und womit wahrscheinlich auf die im Capodilista-Kodex verzeichneten Urkunden angespielt wird.359 Die meisten der Bücher Capodilistas, immerhin sieben aus zwölf, befassen sich mit Themen der Stadtgeschichte Paduas und den Stammbäumen der dort ansässigen Familien. Dazu gehört unter anderem die Chronik über die Ereignisse in Padua unter der Herrschaft Ezzelino III. da Romanos, die von Rolandino verfasste De Gestis Ezerini de Romano. Für sie wird neben Capodilista als Besitzer noch eine Reihe anderer Pa­ duaner angegeben, darunter Paolo Dotti, Fruzerio Lanzarotti „et multos alios“.360 Neben den historischen Werken besaß Capodilista auch beide genannte Matrikeln sowie die Statuen der Stadt Vicenza und die alten Statuten Paduas. Auch ein aufgeführter Text mit Listen der seit jeher am Consiglio Paduas beteiligten Personen ist im Besitz Capodilistas verzeichnet. Anhand der Liste ließe sich der persönliche Bücherbesitz Capodilistas also auf ein Minimum von zwölf Bänden ansetzen. Der tatsächliche Umfang seiner Bibliothek muss aber weitaus größer gewesen sein, bedenkt man, dass die Liste nur historiographische Werke und spezielle Texte zu Padua und den verschiedenen Familien aufführt. Andere Gebiete, wie beispielsweise juristische Werke, werden nicht erfasst. Dass Capodilista aber über einen gewissen Bestand an solchen Texten verfügten haben muss, ist den Statuten des Collegio dei giudici zu entnehmen, die jedem Mitglied den Besitz einschlägiger Texte vorschrieben.361

357 

B.P. 954, fol.  5r. Chronik des Andrea Dandolo, die eine der am weitesten verbreiteten Chroniken Venedigs überhaupt war, siehe Melville-Jones, Venetian History and Patrician Chroniclers (wie Anm.  199), 198 f. 359  B.P. 954, fol.  5r. 360  B.P. 954, fol.  4v. 361 Kohl, Benjamin, Padua under the Carrara, 1318–1405, Baltimore 1998, 28. Als Beispiel für die Bibliothek eines gelehrten Juristen siehe die Überlegungen zur Büchersammlung des Giovanni da Imola bei Padovani, Andrea, Dall’alba al crepuscolo del commento. Giovanni da 358 Zur

III.5. Narrative Strategien in den Texten und Bildern des Capodilista-Kodex

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Capodilista gehörte dem Collegio seit 1402 an.362 Die Liste zeigt also nur einen Ausschnitt aus der Bibliothek Capodilistas, und bleibt dabei immer ihrem eigentlich Zweck verpflichtet. Sie ist kein Bibliothekskatalog, sondern streng zweckgebunden an den für die Entstehung des Kodex benötigten Werken orientiert. Selbst diese Texte sind allerdings nicht vollständig verzeichnet. Bereits einer der ersten Posten der Liste weist auf ein Werk hin, dass Capodilista nicht explizit als in seinem Besitz ausweist, das aber nachweislich in seiner Bibliothek war. Die Chronik des Giovanni da Nono, kurz als „Iten [sic!] annalia domini Iohanis da Naone, civis Patavis“ aufgeführt, wird keinem Besitzer zugeordnet und auch nicht mit ihrem wesentlich bekannteren Incipit De Generatione verzeichnet.363 Genau für dieses Werk ist aber mit der Handschrift B.P. 1239/XXIX das Handexemplar Capodilistas noch erhalten, und seine Verwendung durch umfangreiche Anmerkungen in der Hand Giovan Francescos belegt. Dass Capodilista genau diese Chronik aber nicht als in seinem Besitz vermerkt, lässt die Genauigkeit der Liste und ihre Nutzbarkeit für nachträgliche Re­ konstruktionen generell fraglich erscheinen. Neben der Liste selbst müssen in eine Untersuchung aber auch noch andere Textabschnitte miteinbezogen werden. Dazu gehören besonders die Elemente, die der Quellenliste selbst unmittelbar vorgeschoben sind und als Verfasserkommentar zur Liste selbst fungieren. In diesen wenigen Absätzen entwickelt Capodilista eigene Überlegungen zur Funktion von Familiengeschichtsschreibung und legitimiert seine eigene Arbeit am Kodex. Seine Argumente entsprechen dem aus anderen Libri di famiglia bekannten Spektrum von Gründen: Zur Memoria der Verstorbenen, zum Ruhme der gesamten Familie und zur Belehrung der Lebenden und Nachkommen werden die großartigen Taten der Ahnen notiert und ausgeschmückt: „ian [sic!] defunctorum memoriam, tun [sic!] eciam ad incitandum vos omnes presentes et posteros, qui eritis ex ea, ad virtutem et gloriam“.364 Weiter beschreibt Capodilista sein Vorgehen bei der Kompilation und vor allem bei der Abfassung der Biographien. Er habe, schreibt er, aus den in der Quellenliste genannten Werken alle möglichen In­ formationen herausgesucht und, zur besseren Orientierung des Lesers, die entsprechende Quelle auch in den jeweiligen Biographien genannt: „Et ne existimet aliquis, aliquid ultra scribi quam deceat, auctores earum inscriptionum, super quo libet addiciam“.365 Danach erklärt er die Struktur des Kodex. Zunächst habe er die Prälaten und Ritter der Familie aufgeführt und danach in einer Aufzählung diejenigen Edlen der Familie aufgelistet, über die er nur wenige Informationen gefunden habe. Zu vielen habe er aber kaum zuverlässige Nachrichten gefunden: „Multi enim fuerunt Imola (1375 ca.–1436) e la giurisprudenza del suo tempo, Frankfurt am Main 2017 (Studien zur Europäischen Rechtsgeschichte, 303), 133 f. 362  Belloni, Annalisa, Professori giuristi a Padova nel secolo XV. Profili bio-bibliografici e cattedre, Frankfurt am Main 1986 (Studien zur europäischen Rechtsgeschichte 28), 254. 363  B.P. 954, fol.  5r. 364  B.P. 954, fol.  4v. 365 Ebd.

274 III. Pergament. Giovan Francesco Capodilista und sein Selbstbild im Capodilista-Kodex quorum non extat memoria autentica e probabilis; hos tucius existimavi scilencio [sic!] et taciturnitati relinquere.“366 Über wen er keine „memoria autentica“ habe, müsse er schweigen, damit er, wie er bereits oben erklärt hatte, nicht mehr als das Zulässige und Nachgewiesene aufführe. Die Wahrheitsbeteuerungen Capodilistas sind ein Motiv, das hier erstmals aufscheint und an unterschiedlichen Stellen auch innerhalb der Quellenliste immer wieder auftaucht. Anschließend erklärt Capodilista weiter die Struktur seines Werkes. Im zweiten Teil zähle er die Doktoren und Lizensiaten der Familie auf, über deren Leben er Informationen aus Annalen, Matrikeln und „instrumenta veridica“ habe. Umgesetzt wurde das Konzept durch die Gruppendarstellung der Personen auf Blatt 33r und 34r. Danach leitet er die sich anschließende Quellenliste ein. Es bleibe ihm nun nichts anderes mehr zu tun, als die genutzten Annalen, Chroniken und Bücher vorzustellen, aus denen er die jeweiligen Informa­ tionen genommen hätte, damit jeder Leser sich selbst von der Wahrheit der Erzählung überzeugen könne: „ut unusquisque oculis autenticum ystorie legere valeat nec dubitare posit de veritate quasi in re propria loquamur.“367 An diese Erklärung schließt der eindringlichste Satz des Abschnitts an: „Et sic poterit quisque faciliter de veritate informari, concedimus autem omnibus licenciam apellandi omnia infrascripta falsa, in uno solo falsitate comperta.“368 An diese bemerkenswerte Wahrheitsbeteuerung schließt unmittelbar die Quellenliste selbst an, die selbst auch mit einem ähnlichen Topos endet: „[…] potest quis faciliter de gestis Patavorum et familiis urbis plenissime informari et bene iudicare an infrascripta sunt vera vel non.“369 Damit ist gleich dreifach begründet, warum Capodilista die Quellenliste an prominenter Stelle und derart ausführlich in seinen Kodex integriert. Sie dient gleichsam als Verlängerung der Wahrheitsbeteuerung und als Aufforderung an den Leser, das Gelesene als „wahr“ anzunehmen oder bei gegebenem Zweifel selbst nachzuprüfen. Dieses Konzept führt Capodilista in den Kurzbiographien der Reiterreihe fort. Dort nennt er in den entsprechenden Passagen die in der Quellenliste aufgeführten Werke und schafft so gliedernde Querverweise zwischen den Kurzbiographien und der Quellenliste. Dementsprechend scheint es naheliegend und verführerisch, Capodilista eine frühe Form der Methodenreflexion und des humanistisch beeinflussten Umgangs mit Quellen zu unterstellen. Aber eine zumindest in die Nähe der von Capodilista in der Einführung zur Liste mutig aufgeworfene „uno solo falsitate“ kommende Auslassung ist in der Quellenliste mit der fälschlicherweise nicht als ihm gehörig bezeichneten Chronik des Giovanni da Nono bereits gefunden. Der Umfang der Quellenliste und die Nennung einiger notierter Werke mit Titel und Angabe des Autors lassen es ein Leichtes erscheinen, die genannten Werke in der reichhaltigen stadtchronistischen Überlieferung Paduas zu identifizieren.370 Die Beschränkung, dass 366 

B.P. 954, fol.  4v. B.P. 954, fol.  4v. 368  B.P. 954, fol.  5r. 369 Ebd. 370  Ein Zugang den unter anderem Lazzarini verfolgt, und der auch von Blason-Berton in 367 

III.5. Narrative Strategien in den Texten und Bildern des Capodilista-Kodex

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Capodilista nur die für die Aufschlüsselung seiner eigenen Familiengeschichte notwendigen Quellen nutzt, wurde dabei früh akzeptiert.371 Ein Nachweis fast aller von Capodilista genannten stadtchronistischen Werke in der breiten paduanischen Tradition gelang bereits früh, auch wenn einige der genannten Texte als ältere Fälschungen oder Falschzuschreibungen enttarnt wurden.372 Zur Fiktionalität der Annalen des d’Alessio und ihrer Funktion Ein Eintrag der Quellenliste erregte aber durch seine ungewöhnliche Gestaltung früh Aufmerksamkeit: die sogenannte Chronik des Antonio d’Alessio. Sie steht auf der Liste auf einer der hinteren Plätze, und wird nur mit einer kurzen Beschreibung eingeführt: „Iten [sic!] annalia antiqussima domini Antonii de Alexio, que Verone sunt, apud plurimos et sunt hic. Et numquam amplius vidi; et sunt in magno volumine.“373 Diese Chronik oder Annalen des d’Alessio ist damit das einzige Werk auf der Quellenliste, das nicht der Stadt Padua zugeordnet ist. Stattdessen wird die Chronik in Verona verortet, und mit „sunt hic“ auch mit der Situation verbunden, in der Capodilista die Abfassung des Kodex begann, nämlich dem Basler Konzil. Tatsächlich kann die Chronik des d’Alessio als eines der Hauptwerke gelten, auf dem der Capodilista-Kodex aufbaut und auf dessen Autorität Capodilista sich immer wieder beruft. Explizit wird dieser Umstand von Giovan Francesco an mehreren Stellen im Kodex erwähnt. Besonders prominent platziert ist die erste Einführung der Chronik des d’Alessio, denn eine Textpassage über die Chronik und die in ihr versammelten Texte eröffnet unter der Invocatio auf Blatt 4r den eigentlichen Textkorpus des Kodex. Capodilista berichtet in einem der wenigen Hinweise im Kodex auf das Basler Konzil als Entstehungsort der Handschrift, wie er „hoc loco et tempore“374 die 1258 aufgezeichneten Annalen des d’Alessio erstmals in Augenschein habe nehmen können. Die Chronik enthalte auch die Annalen eines gewissen Giacomo degli Ardenghi, der auch de’ Brossemini genannt würde. Dessen Aufzeichnungen seien 1168 zur Zeit Friedrich Barbarossas entstanden, und enthielten auch die Schriften eines gewissen Ziliolo von 1196, der damals ein Schreiber der Kommune gewesen sei. Außerdem sei auch ein Werk von Lazzaro Malrotondi da Conegliano darin zu finden gewesen, der zur Zeit des Francesco il Vecchio da Carrara gelebt habe. Die Chronik, so fährt Capodilista fort, enthalte vor allem viele Nachrichten zu Ereignissen in der Mark Treviso den Fußnoten der Transkription des Capodilista-Kodex ausführlich dokumentiert wird. Siehe Lazzarini, Un’antico elenco, (wie Anm.  147), 284–293 und Blason-Berton, De Viris Illustribus, (wie Anm.  2). 371  Lazzarini erklärt so das Fehlen von bekannten Chroniken und Annalen, wie beispielsweise. das der Werke Pier Paolo Vergerios, über die Familie der Carrara. Lazzarini, Un’antico elenco (wie Anm.  147), 289. 372  Hyde, Italian Social Chronicles (wie Anm.  115), 114. 373  B.P. 954, fol.  5r. 374  B.P. 954, fol.  4r. Der Satzteil „hoc loco et tempore“ ist dem eigentlichen Text nachträglich supralinear hinzugefügt.

276 III. Pergament. Giovan Francesco Capodilista und sein Selbstbild im Capodilista-Kodex und der Lombardei, und überliefere auch umfangreich Informationen zu den Fami­lien Paduas, vor allem zu ihren Besitztümern in der Umgebung der Stadt. Neben dem Inhalt der Chronik verzeichnet Capodilista auch das Format der Chronik (folio regalo) und den Umfang von 264 Blättern. Danach erläutert er in einer knappen Inhaltsangabe den Erzählstrang des Textes, wobei nur vermutet werden kann, dass er sich auf die Annalen des d’Alessio bezieht und nicht auf einen der anderen in dem vorher als Sammelkodex beschriebenen Buch inkorporierten Texte. Die Chronik, so Capodilista, beginne in einem ersten Teil mit einer Beschreibung der Stadt Mailand und behandele danach andere Städte in der Lombardei und wichtige Ereignisse in der Region aus der Zeit von König Otto I. bis zum Zeitpunkt der Abfassung 1258. Danach widme sich die Chronik im zweiten Teil den Städten Treviso, Padua, Verona und Vicenza, beschreibe politische Ereignisse und die Geschichten der bedeutenden Familien dieser Städte. Inwiefern diese Teile noch die anderen genannten Texte inkorporierten, oder ob sie an diese angeschlossen waren, erläutert Capodilista nicht, so dass die Struktur der Annalen des d’Alessio nur schemenhaft erkennbar wird. Direkt an diese Erläuterung angeschlossen ist eine Liste, die Capodilista als aus dem zweiten Teil der Annalen entnommen markiert.375 Sie verzeichnet in 51 Einträgen die Besitzungen von Familien im Umkreis Paduas, an einigen Stellen noch mit zusätzlichen Informationen zu dem jeweiligen Landbesitz unterfüttert. Zwei der Einträge sind nicht Familien zugeordnet, sondern Besitzungen der Kirche: das Dorf Pendice wird dem Bischof von Padua zugeschlagen, und ein „castrum Belingerium“ dem Abt des Benediktinerklosters in Praglia. Capodilistas heraldisches Interesse zeigt sich an vier Einträgen, bei denen eine knappe Beschreibung von Familienwappen beigegeben ist. Bei allen Vermerken der Liste ist notiert, ob die Familie über ein offizielles Privileg über ihren Besitz verfügte oder ob sonstige Rechte damit verbunden waren. Gelegentlich wird auch die Datierung eines Privilegs vermerkt. Am ausführlichsten ist erwartungsgemäß der Eintrag zur Familie Transelgardi, Forzatè, und Capodilista. Ihre Besitzungen seien in den Annalen des d’Alessio sehr ausführlich beschrieben und mit einem Privileg Karls des Großen von 810 bestätigt. Aufgelistet werden als Besitzungen der Familie der Monte Merlo, der Monte Transelgardo, ­Torreglia, Mandria, Vo’ Conio und Piove di Sacco. Einige dieser Orte spielen auch an anderer Stelle im Capodilista-Kodex eine Rolle, so beispielsweise der Monte Transelgardo. Er wird als Herkunftsort eines der drei Gründungsväter der Familie angesehen, wie Capodilista in der Kurzbiographie zum Reiterportrait des Giovanni dei Transelgardi ausführlich erklärt.376 Dort wird der Monte Transelgardo in der Nähe des Monte Venda in den Colli Euganei vor Padua verortet. Eine tatsächliche Orts­bezeichnung Monte Transelgardo ist aber für die Region nicht nachweisbar. Andere genannte Orte sind aber geographisch belegt, wie die Region

375  376 

B.P. 954, fol.  4r–4v. B.P. 954, fol.  7r.

III.5. Narrative Strategien in den Texten und Bildern des Capodilista-Kodex

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Monte Merlo377, und das Dorf Mandria. Über mögliches Eigentum der Capodilista in Monte Merlo gibt es keinen sicheren Beleg. Der Estimo Giovan Francescos verzeichnet lediglich etwas Land „in montem“.378 Besitzungen der Familie Capodilista in Mandria sind aber spätestens 1433 nachweisbar.379 Ein Besitzverzeichnis Giovan Francescos von 1444380 verzeichnet weiter kleineren Landbesitz und ein Steinhaus in der gleichen Region, und noch bis 1466 sind ein Haus und etwas Land um Mandria im Eigentum der Familie.381 In seinem Besitz scheint auch etwas Land in Piove di Sacco gewesen zu sein.382 Für alle anderen genannten Orte gibt es zumindest für das 15. Jahrhundert keinen Besitznachweis. Allerdings erhebt die Liste der Besitzungen nicht den Anspruch, den zeitgenössischen Besitz der entsprechenden Familien zu verzeichnen, sondern bezieht sich auf eine Quelle aus dem Jahre 1258. Dass einige der für die Familie Capodilista verzeichneten Besitzungen noch zur Zeit der Abfassung des Kodex nachweisbar sind, sollte nicht dazu verführen, die Aussagen der Liste als reales Verzeichnis anzusehen. Genau wie die Quellenliste speichert sie eher Kontakte als Informationen, und verortet innerhalb der genannten 51 Familien die Familie Transelgardi, Forzatè und Capodilista in einem gänzlich anderen sozialen Umfeld als die Quellenliste einige Blätter später. Die Familiennamen der Besitzliste bezeichnen keine innerstädtischen Zirkel, sondern gehen über den Rahmen Paduas hinaus und verweisen auf eine andere Herrschafts­ ebene. Verzeichnet sind mit den da Romano, den Este, den Carrara und Papafava Familien, die als Stadtherren politische Größe erlangten und damit Macht­träger in einem stadtübergreifenden Kontext wurden. Darüber hinaus sind einige Namen von Fami­lien zu finden, deren Exponenten auch im städtischen Rahmen zu Trägern von sozialem Prestige wurden: besonders die Scrovegni383 und die Conti384 sind hier nennenswert. Die Stellung der Familie Capodilista ist in dieser Liste auch indirekt über die Ansippung an die zu Beginn des 15. Jahrhunderts im Mannesstamm ausgestorbe377  Montemerlo ist heute Stadtteil der Gemeinde Cervarese Santa Croce, gelegen zwischen Padua und Vicenza. 378  Verzeichnet im Estimo, dem Besitzverzeichnis aller Familien Paduas zu Erhebung der Steuern ASP, Estimo dell’ Anno 1418, vol.  378, fol.  172r. 379  BAV, Vat. Lat. 13678, fol.  12r. Am 23. Juni 1433 sind Absprachen zwischen dem Kamal­ dulenserkonvet S. Michele in Murano (heute S. Michele in Isola) und Capodilista verzeichnet, in denen es um Einkünfte aus Besitzungen in der Region um Mandria geht. 380  ASP, Estimo dell’ Anno 1418, vol.  378, fol.  171v. 381  ASP, Estimo dell’ Anno 1418, vol.  57, fol.  136r. 382  Ebd., fol.  134v. 383  Zur politischen Rolle der Scrovegni, deren Kapelle heute eines der bedeutendsten Kunst­ denkmäler Paduas darstellt, siehe Kohl, Fedeltà e Tradimento (wie Anm.  196), 41–63. 384  Zur Familie der Conti und ihrem einflussreichsten Vertreter zur Lebenszeit Capodilistas, Prosdocimo Contis, siehe Tjarks, Sven Ufe, Das „venezianische“ Stadtrecht Paduas von 1420. Zugleich eine Untersuchung zum statuaren Zivilprozess im 15. Jahrhundert, Berlin 2013 (Schriftenreihe des deutschen Studienzentrums in Venedig 7), hier 92–94. Zur Geschichte der Familie als Berater der Carrara siehe Kohl, The Paduan Elite (wie Anm.  432), 216.

278 III. Pergament. Giovan Francesco Capodilista und sein Selbstbild im Capodilista-Kodex ne Familie Forzatè gegeben, die sowohl mit den Scrovegni als auch mit den Carrara über Hochzeitsverbindungen verwandt war.385 Capodilista notiert den Namen seiner Familie in einem angesehen Kreis einflussreicher Familien, deren Stellung hier aber nur über Besitz und die Ehre der Nennung in den Annalen des d’Alessio kodiert ist. Es bleibt dem Leser überlassen, daraus die jeweilige politische Rolle der genannten Familien zu erschließen. Der Effekt dieser Zusammenstellung basiert damit maßgeblich auf dem bereits beim Adressat abrufbaren Wissen über die politische Situation Norditaliens. Auffallend ist auch hier, dass keiner der genannten Namen auf einfluss­ reiche Familien aus Venedig oder dem Veneto verweist, sondern alle sich auf den politischen Raum um Padua konzentrieren. Diese Besitzliste ist zunächst der umfangreichste Auszug aus den Annalen des d’Alessio, den Capodilista verwendet. Erst an späterer Stelle des Kodex auf Blatt 32v greift Capodilista wieder auf die Annalen des d’Alessio zurück, zitiert aber aus dem in den einführenden Bemerkungen erwähnten Abschnitt des Giacomo degli Ardenghi, aus dem er ein Privileg Karls des Großen mitsamt den Bestätigungen durch Friedrich I. und Friedrich II. kopiert.386 Das Privileg datiert auf den 20. April 801 und verleiht den Brüdern Carlotto, Giovanni und Transelgardo als Dank für ihren Einsatz an der Seite Karls des Großen gegen den Langobardenkönig Desiderius sowohl das Wappen des von den Brüdern gefangen genommenen Heerführers des Desiderius als auch „plenum comitatum et sanguinis iurisdictionem“387. Dieses Amt sollte für alle männlichen Nachkommen erblich sein. Diese Rangerhöhung nahm Capodilista zum Anlass, sein von Sigismund gebessertes Wappen als das Wappen „pro utroque comitatu“ zu bezeichnen,388 das sowohl die 801 erfolgte Ehrung als auch die von Sigismund erhaltene Amtswürde umfassen sollte (Abb. 8). An den Text der Urkunde, der nicht dem karolingischen Formular entspricht, knüpft sich eine kurze Erläuterung über die Geschichte des Schriftstückes an.389 Die Urkunde sei, gemeinsam mit zahlreichen anderen Schriftstücken, 1251 verloren gegangen, als Rolandino Capodilista von Ezzelino III. da Romano zum Tode verurteilt und sein Besitz konfisziert worden sei. Als Quelle für diese Erklärung nennt Capodilista die Ecerinis („in cornica Ecerini“)390 des Rolandino, und bezeichnet sogar das Kapitel („De multitudine carceratorum“) im 6. Buch der Chronik als Herkunft für seine Angabe.391 Auch das zweite Privileg, die Bestätigung 385 Für

einen Stammbaum der Familie Forzatè siehe Kohl, Fedeltà e Tradimento (wie Anm.  196), 63. 386  B.P. 954, fol.  32v. 387  B.P. 954, fol.  32v. 388  Ebd., fol.  36r. 389 Bereits Lazzarini bemerkte den nicht dem Standard der karolingischen Kanzlei entsprechenden Aufbau der Urkunde. Siehe Lazzarini, Un’antico elenco (wie Anm.  147), 286. In den Regesta Imperii fand die Urkunde zwar zunächst Aufnahme, wurde aber als „plumpeste Fälschung“ markiert. Siehe RI I, Nr.  501. 390  B.P. 954, fol.  32v 391 Ebd.

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der vorherigen Urkunde durch Friedrich I., sei so verloren gegangen. Es stamme von 1183, zur Zeit des Friedens von Konstanz.392 Ein drittes Privileg stamme von Friedrich II., und es sei in vielen Dokumenten erwähnt. Es bestätige das Palatinat der Familie für Enrico Forzatè de Transelgardi, aber auch dieses Privileg sei mittlerweile verloren. Dafür gibt Capodilista als Datum und den Ort der Ausfertigung den 1. April 1239 in der Kathedrale von Treviso an.393 Eine vierte Urkunde sei mit einer goldenen Bulle versiegelt gewesen, aber man wisse nichts über Autor, Datum oder Inhalt der Urkunde, weil sie von Caroto Capodilista versetzt worden sei. Caroto war der Bruder des Vaters Giovan Francescos, und hatte als Spieler einen Großteil der Besitztümer der Familie verpfändet oder verloren, so dass die Capodilista in der Generation unmittelbar vor Giovan Francesco massive Vermögensverluste erleiden mussten. Die Familie habe sich dafür auf ihre Weise gerächt, und Capodilista berichtet, dass kein Nachkomme der Familie mehr den Namen Caroto tragen würde, um die Schande auszumerzen. Die Informationen über diese Urkunden werden in der Chronik des Giacomo degli Ardenghi verortet, wobei nur die Urkunde von Karl dem Großen mit einem Ausstellungsdatum um 801 überhaupt in der von Capodilista auf 1168 datierten Chronik des Ardenghi hätte erscheinen können, nachdem die anderen erst nach diesem Datum entstanden. Die genauen Herkunftsangaben der anderen Dokumente bleiben diffus, ähnlich wie die nur in Zusammenfassungen wiedergegebenen Inhalte. Ein letztes Mal taucht die Handschrift mit den Annalen des d’Alessio und den anderen Werken als Quelle am Ende des Capodilista-Kodex auf. Dort berichtet Capodilista in einem der letzten großen Textabschnitte die Herkunftslegende der Familie, basierend auf den Erlebnissen und Taten der drei Brüder im Kampf für Karl den Großen. Der Abschnitt zitiert ebenfalls wieder die bereits weiter vorne genannte Urkunde Karls der Großen von 801. Damit wiederholt Capodilista ein viertes Mal die Ursprungslegende der Familie, die bereits weiter vorne in der Reiterreihe über den Portraits der dargestellten Brüder erzählt wird.394 Sie wiederholt sich in allen drei 392  Der Friede von Konstanz war vor allem für die Städte Oberitaliens, die seit 1167 eine Liga bildeten, ein Gewinn. Zur Liga gehörten 14 Städte, darunter Verona, Vicenza, Padua, Mantua und Venedig. Sie erreichten von Friedrich Barbarossa die Absicherung ihrer bisherigen Rechte, darunter auch das Recht zum Bündnisschluss untereinander. Im Capodilista-Kodex wird Vazone dei Transelgardi als diplomatischer Vertreter Paduas beim Abschluss des Konstanzer Friedens erwähnt (B.P. 954, fol.  15r), in der Urkunde des Friedensschlusses ist sein Name allerdings nicht bei den Vertretern Paduas aufgelistet. Siehe Monumenta Germaniae Historica. Constitutiones et Acta Publica Imperatorem et Regem. Band  1: 911–1197, Hannover 1893, Nr.  293. Zum Konstanzer Frieden siehe Distler, Eva-Maria, Städtebünde im deutschen Spätmittelalter. Eine rechtshistorische Untersuchung zu Begriff, Verfassung und Funktion, Frankfurt am Main 2006 (Studien zur europäischen Rechtsgeschichte 207), 5 f. 393  Siehe RI V, 4,6, n.  939, wo die Urkunde bereits als Fälschung markiert ist. 394  Giovanni dei Transelgardi eröffnet auf 7r die Reiterreihe, anschließend ist auf 8v Carlotto Capodilista dei Transelgardi dargestellt und auf 10r Transelgardo Forzatè dei Transelgardi. In der Legende nicht erwähnt wird der vierte Bruder, Pietro Capodilista dei Transelgardi, der an späterer Stelle noch von Bedeutung ist und auf 9r dargestellt ist.

280 III. Pergament. Giovan Francesco Capodilista und sein Selbstbild im Capodilista-Kodex Portraits mit abnehmender Länge, nimmt aber in der Kurzbiographie des ersten Bruders, Giovanni dei Transelgardi, noch so viel Raum ein, dass der vorgesehene Platz oberhalb der Reiterdarstellung nicht genügt und der Text auf der verso-Seite des vorhergehenden Blattes fortgesetzt werden musste. Obwohl in fast allen Kurzbiogra­ phien, wie von Capodilista in der Quellenliste angekündigt, entsprechendes Material aus anderen Quellen deutlich gekennzeichnet wird, findet sich in den ersten Biographien mit der Familienlegende kein Hinweis auf die Annalen des d’Alessio oder die anderen Teile dieser Handschrift. Dem Text der Herkunftslegende vorgeschoben ist weiter ein erklärender Abschnitt zur Herkunft der Handschrift mit den Annalen des d’Alessio. Capodilista erläutert, dass die Herkunftsgeschichte den Annalen des Giacomo degli Ardenghi entstamme, wiederholt das Jahr 1168 als angebliches Entstehungsdatum und berichtet, dass der Verfasser ursprünglich aus Padua stamme. Capodilista selbst habe die Annalen aber bei Bartolomeo della Scala in Basel gesehen. Am Ende des Abschnitts greift er diese Erzählung wieder auf und führt weiter aus, er habe diese Informationen über seine Familie „manu propria“ selbst abgeschrieben, weil er diese Handschrift noch nie vorher in Padua gesehen habe, und wenn es sie dort gebe, so würde sie versteckt gehalten.395 Sie sei aber in der Kanzlei der Carrara von den Schreibern Lazarus und Drudus auf Befehl Francesco da Carraras abgeschrieben und danach als Geschenk an Guglielmo della Scala geben worden, dem Vater des später genannten Bartolomeo. Danach liefert er eine interessante weitere Information über die Handschrift: „nec potui habere copiam propter recessum eiusdem domini Bartolamei de Bascilea, sed saltem de nostra familia copiam volui.“396 Aus dem „que Verone sunt, apud plurimos, et sunt hic“397 der Quellenliste, das die Handschrift als in Basel befindlich ausweist, ist ein „nec potui habere copiam propter“ geworden. Die Handschrift habe Basel mitsamt ihrem Besitzer Bartolomeo della Scala bereits verlassen, und Capodilista habe keine vollständige Kopie der Annalen des d’Alessio und der daran angegliederten Texte anfertigen lassen können. Nur seine eigenen Notizen, „manu propria“, habe er noch zur Verfügung gehabt. Sie betreffen nur die Geschichte der Familie Capodilista, und seien in den Text des Capodilista-Kodex eingeflossen. Diese Situation wird noch komplexer, wenn man die Person des Besitzers der Handschrift, Bartolomeo della Scala, ins Blickfeld rückt. Die della Scala hatten, ähnlich wie die Carrara, 1405 mit der Niederlage gegen Venedig die Herrschaft über Verona verloren. Aufgrund bestehender Verwandtschaftsbeziehungen zu den Wittelsbachern verlegte die Familie ihren politischen Schwerpunkt ins römisch-deutsche Reich, und konnte bald am Hofe Sigismunds eine aktive Rolle übernehmen und um Unterstützung werben.398 Besonders der älteste Sohn der Familie, Brunoro della Scala, gewann so schnell wieder Einfluss. Sein politisches Programm war vor allem 395 

„[…] quia eam cronicam non vidi Padue, vel si est, tenetur secreta.“ B.P. 954, fol.  36v.

396 Ebd. 397 

B.P. 954, fol.  5r. Beinhoff, Gisela, Die Italiener am Hof Kaiser Sigismunds (1410–1437), Frankfurt am Main 1995 (EHS 620), 203. 398 

III.5. Narrative Strategien in den Texten und Bildern des Capodilista-Kodex

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auf den Wiedergewinn Veronas für die della Scala ausgerichtet, und sein Einfluss auf Sigismund lässt sich auch daran ablesen, dass die venezianische Gesandtschaft im Kontakt mit dem Kaiser im Verlauf des Basler Konzils immer mit hohen Summen für die Bestechung Brunoro della Scalas ausgestattet wurde.399 Della Scala übernahm für Sigismund politische Aufgaben als Berater, führte aber auch diplomatische Aufträge mit teilweise hoher Verantwortung aus, und war unter anderem sowohl als Heerführer als auch als Verhandlungsträger für den Kaiser tätig.400 Gemeinsam mit seinem Bruder Bartolomeo war Brunoro bei der Kaiserkrönung in Rom 1433 anwesend und reiste gemeinsam mit Sigismund und dem Tross, der auch die venezianischen Gesandten umfasste, nach Basel. Bartolomeo della Scala selbst war lange Zeit am Hof seines Bruders Nicodemo tätig gewesen, der als Bischof von Freising amtierte. Wie lange er sich dann genau im Gefolge Sigismunds aufhielt, und welche Aufgaben er in Basel übernahm, ist ungeklärt. Er verließ Basel jedenfalls schon einige Zeit vor der Abreise Kaiser Sigismunds im Mai 1434, und starb bereits Ende März 1434 in Wien.401 Andrea Gatari, der das inoffizielle Tagebuch der venezianischen Gesandtschaft führte, berichtet am 11. April 1434 vom Einzug des Bischofs von Freising Nicodemo della Scala in Basel, und erwähnt, dass dieser nicht in vollem Ornat in Basel eingeritten sei, weil er wegen des Todes seines Bruders Trauer trug.402 Gatari vermerkt die Trauer nicht als besondere Neuigkeit, und scheint zu diesem Zeitpunkt bereits über den Tod Bartolomeo della Scalas informiert gewesen zu sein. Der 11. April ist also als spätestes Datum anzu­ setzen, zu dem Capodilista vom Tode seines bibliophilen Kontaktmannes erfahren haben muss. Geht man davon aus, das Bartolomeo della Scala Basel vermutlich spätestens zu Beginn des März 1434 verlassen hat, ergibt sich zwischen dieser Abreise und dem Zusammentreffen der Beteiligten im Tross Sigismunds im Oktober 1433 nur eine kurze Zeitspanne, in der Capodilista Einsicht in die Annalen des d’Alessio erhalten haben konnte. Angesichts des florierenden Büchermarkts des Konzils und der dem hohen Bedarf an Handschriften geschuldeten Präsenz zahlloser Schreiber bleibt selbst bei Beachtung des großen Umfangs der betreffenden Handschrift fraglich, warum er keine zumindest teilweise Kopie der Handschrift erlangen konnte. 399  So erhielten die venezianischen Gesandten beispielsweise schon kurz nach ihrer Ankunft in Basel im November 1433 Instruktionen nach Basel, die ihnen Geschenke für den Kanzler Kaspar Schlick und Brunoro della Scala in Höhe von bis zu 5000 Dukaten zusprachen. ASVe, Senato, Deliberazioni, Secreti, Registri, reg.  13, fol.  19r, gedruckt in RTA 11, Nr.  74 (9.11.1433), 150 f. 400  Beinhoff, Die Italiener am Hof Kaiser Sigismunds (wie Anm.  398), 205. 401 Das Todesdatums Bartolomeos ist umstritten. Beinhoff verzeichnet es beispielsweise schon für 1433, was aber mit Blick auf die Quellen widerlegt ist, denn della Scala zog im Herbst 1433 erst mit Sigismund und den venezianischen Gesandten in Basel ein. Vermutlich von ihrer Publikation ausgehend hat sich das Jahr 1433 als Todesjahr Bartolomeos della Scala aber verbreitet. Siehe Beinhoff, Die Italiener am Hof Kaiser Sigismunds (wie Anm.  398), 205. 402  Tagebuch des Andrea Gatari (wie Anm.  23), 399 f.

282 III. Pergament. Giovan Francesco Capodilista und sein Selbstbild im Capodilista-Kodex Außerdem ist es auffällig, dass Capodilista den Tod Bartolomeos mit keinem Wort erwähnt. Die Produktion des Capodilista-Kodex muss zu einem Zeitpunkt begonnen haben, der nach der Abreise des della Scala lag. Das beweist die Bildausstattung, die zuerst angefertigt wurde, und die Giovan Francesco Capodilista in seinem Reiter­ portrait mit dem Collar of Esses des Hauses Lancaster zeigt, das ihm nach dem Bericht Andrea Gataris am 7. März 1434 verliehen wurde.403 Die gezeigten Orden hatte Capodilista bereits in einer vorherigen Zeremonie am 5. Februar erhalten.404 Die im Text des Kodex selbst genannten Daten beziehen sich alle auf einen Zeitraum ab dem Sommer 1434, wobei das früheste Datum der 25. Juli 1434 ist. Die Bildausstattung des Kodex ist also erst ab März 1434 entstanden, die schriftliche Ausführung ver­ mutlich ab Sommer 1434. Die Nennung der letzten Daten, die einen Zeitraum von 17. Februar 1435 bis 16. September 1435 abdecken und dem auf den ersten Blättern vor den eigentlich Textteil vorgeschobenen Absatz entstammen, weisen darauf hin, dass die Arbeit am Kodex zu diesem Zeitpunkt weitestgehend abgeschlossen gewesen sein müssen. Damit ist die Zeitspanne von Sommer 1434 bis Spätsommer 1435 als Entstehungszeitraum des Capodilista-Kodex zu setzen. Zu diesem Zeitpunkt war Bartolomeo della Scala bereits seit einiger Zeit tot, und nach dem Tagebuch Andrea Gataris war diese Information auf dem Basler Konzil allgemein bekannt. Auch Capodilista muss gewusst haben, dass della Scala nicht mehr lebte. Es erscheint also umso erstaunlicher, dass er diese Information nicht in den Kodex einführt. In der Quellenliste, die ebenfalls erst nach dem Tod Bartolomeo della Scalas entstand, ist die Handschrift mit den Annalen des d’Alessio und den anderen Textbestandteilen noch als „sunt hic“405, also als in Basel einsehbar, verzeichnet. Wenn della Scala sie bei seiner Abreise mitgenommen hätte, wie die hinteren Abschnitte des Kodex behaupten, kann die Handschrift zu diesem Zeitpunkt aber nicht mehr in Basel gewesen sein. Doch auch abgesehen von diesen zeitlichen Widersprüchen gibt es Zweifel an der Authentizität der Annalen des d’Alessio.406 Allgemeine Kritik am tatsächlichen Wahrheitsgehalt der im Capodilista-Kodex demonstrierten Genealogie, die einer Überprüfung nur in Ausnahmefällen standhält, ist dabei nur ein Aspekt.407 Fiktive Genealogien mit erfundenen Vorvätern waren als gängige Mittel zur Legitimation bei der Verschriftlichung von Genealogien allerdings keineswegs ein Spezifikum des 403 

Tagebuch des Andrea Gatari (wie Anm.  23), 395. Tagebuch des Andrea Gatari (wie Anm.  23), 393 f. 405  B.P. 954, fol.  5r. 406  Am deutlichsten hat Hyde seine Zweifel an der tatsächlichen Existenz der Annalen des d’Alessio geäußert. Er bezeichnet Capodilista als „not a man to be trusted implicitly“. Gleichzeitig bewundert er die Eleganz, mit der Capodilista teilweise die Exzerpte zitiert. Allerdings äußert Hyde sich nicht zu der gefälschten Urkunde Karls des Großen und den daran angehängten Diplomen. Siehe Hyde, Italian social chronicles (wie Anm.  115), 286 407  Die zahlreichen Fehler und Namensverwechslungen sind besonders bei Blason-Berton ausführlich aufgelistet. Blason-Berton, De Viris Illustribus (wie Anm.  2). Auch Hyde vermerkt sie. Siehe Hyde, Italian social chronicles (wie Anm.  115), 120. 404 

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Capodilista-Kodex.408 Die Besonderheit liegt hier in der Art und Weise der Nutzung der Annalen des d’Alessio, die als Quelle einen maßgeblichen Einfluss auf den Textbestand des Kodex hatten. Die Annalen sind mit hoher Wahrscheinlichkeit, trotz der Wahrheitsbeteuerungen Capodilistas in der Quellenliste und dem geschickt konstruierten Bericht über die Herkunft der Handschrift aus dem Besitz Bartolomeo della Scalas, eine Erfindung Giovan Francescos. Dafür spricht vor allem, dass die Handschrift trotz der angeblich weiten Verbreitung in Verona außerhalb des Capodilista-Kodex kein einziges Mal nachweisbar ist, auch nicht über intertextuelle Hinweise in anderen Werken.409 Auch in der Archivüberlieferung Veronas sind keine Spuren der Handschrift oder der darin enthaltenen Texte zu finden. Die reiche stadt- und ­familienchronistische Tradition Paduas birgt ebenfalls keine Hinweise auf die in der Handschrift angeblich genannten Texte. Das ist besonders auffällig, wenn man die ansonsten stark verbreitete Intertextualität innerhalb der chronistischen Handschriften Paduas bedenkt. Versuche zum Nachweis eines Antonio d’Alessio für den an­ gegebenen Lebenszeitraum in Padua sind nicht erfolgreich gewesen,410 wobei es durchaus einen historiographisch tätigen Träger des Namens in Padua gab. Der Notar Nicoletto d’Alessio verfasste vermutlich vor 1376 die Storia della guerra per i ­con­fini, in der er den Grenzkrieg zwischen Padua und Venedig 1372 bis 1373 in der Volkssprache festhielt und zahlreiche Quellen versammelte.411 Nicoletto d’Alessio stand den Carrara nah, wurde 1349 wegen der Teilnahme an einem Aufstand gegen Venedig zu einer Haftstrafe verurteilt, und war mit Francesco Petrarca befreundet. Seine Chronik liegt heute noch in zwei Handschriften vor, darunter im Autograph, und wurde vermutlich vor allem im Umfeld der Carrara rezipiert.412 Nicoletto d’Alessio starb 1393, also schon zu Lebzeiten Giovan Francesco Capodilistas. Die im Capodilista-Kodex genannten Werke des Antonio d’Alessio können allerdings nicht mit denen von Nicoletto d’Alessio identisch sein, und es bleibt unklar, ob Capodilista selbst die Storia della guerra per i confini überhaupt gekannt hat. Dass die angeblich aus der Handschrift entnommenen Exzerpte sowohl die offensichtlich gefälschten Kaiserurkunden und die deutlich erfundene Herkunftslegende der Familie Capodilista, die vor der Niederschrift im Kodex nicht bekannt oder verbreitet war, beinhalten, rückt die Annalen des d’Alessio und die daran angeschlossenen Texte weiter in den Bereich der Fiktionalität.413 Nicht zuletzt wäre mit Bartolomeo della 408  Petersohn bezeichnet Fiktionen und Fälschungen als gängige Elemente biographischen Schreibens. Petersohn, Jürgen, Die Vita des Aufsteigers. Sichtweisen gesellschaftlichen Erfolgs in der Biografik des Quattrocento, in: HZ 250 (1990), 1–32, hier 8. 409  Die folgenden Überlegungen folgen grundsätzlich den Annahmen bei Hyde, Italian social chronicles (wie Anm.  115), 121 f. 410 Siehe Blason-Berton, De Viris Illustribus (wie Anm.  2), 68, fn. 4. Sie vermutet die ­Annalen des D’Alessio als verloren oder einfach noch nicht identifiziert. 411  Cusa, Geschichtsschreibung (wie Anm.  104), 269. 412  Cusa, Geschichtsschreibung (wie Anm.  104), 270. 413 Bereits Holder-Egger hat 1911 in einer kurzen Veröffentlichung die schlecht gefälsch-

284 III. Pergament. Giovan Francesco Capodilista und sein Selbstbild im Capodilista-Kodex Scala auch ein geschickter Besitzer für den fiktiven Text gewählt, denn nach seinem Tod im März 1434 war es schwer, jegliche Behauptungen über die in seinem Besitz gewesenen Handschriften zu überprüfen. Bedenkt man die zentrale Rolle der Annalen des d’Alessio für den Capodilista-­ Kodex, erscheint die Einführung einer fiktionalen Quelle als elegante Möglichkeit zur Konstruktion des alten Herkommens der Familie Capodilista. Dies ermöglichte die Einführung einiger Details zur Geschichte der Familie, die in den in Padua bekannten und weit verbreiteten Texten nicht enthalten waren. Gleiches gilt für die aus den Annalen übernommenen Dokumente. Die Erzählung von der Auffindung und dem Verlust der Handschrift unterstützt die Wahrheitsbeteuerungen. Die angeblichen Annalen waren für die unmittelbaren Rezipienten des Kodex tatsächlich nicht mehr verfügbar, und ohne die Gefahr einer Überprüfung war es Capodilista möglich, seine Familiengeschichte mit neuen und prestigeträchtigen Vorfahren, Fakten und Dokumenten zu unterfüttern. Eine der Kurzbiographien der Reiterreihe erhält sogar ein achtzeiliges Lobgedicht auf die drei Brüder aus der Ursprungslegende der Familie, das von Ziliolo geschrieben und von Antonio d’Alessio überliefert worden sei.414 Es erinnert entfernt an die Verse zu Paduaner Familien in der Chronik De Generatione des Giovanni da Nono, wobei dort die dem Abschnitt über die Transelgardi und Capodilista nachgestellten Verse etwas kürzer sind.415 Bemerkungen Capodilistas über die Unerreichbarkeit der Annalen des d’Alessio sind weiter über den gesamten Textbestand des Kodex verstreut. Immer wieder wird der neuartige, vorher unbekannte Charakter und die Unzugänglichkeit der Quelle betont, ob es das „que in civitate Padue non habentur“416, das „et numquam amplius vidi“ der Quellenliste417, oder zuletzt das „vel si est tenetur secreta“418 nach der erneuten Erläuterung der Herkunftserzählung ist. Auch die Position der Annalen des d’Alessio in der Quellenliste, in der die anderen Texte der angeblichen Handschrift übrigens nicht genannt werden, ist auf den ersten Blick erstaunlich. Die Nennung der Annalen und die häufige Verwendung von Exzerpten, sowie die besondere Aufmerksamkeit, die Capodilista der Handschrift an vielen Stellen immer wieder widmet, würden eigentlich einen prominenteren Platz vermuten lassen. Gleichzeitig wird in der Quellenliste nur erstaunlich wenig Information über die Handschrift vermittelt, obwohl es der ideale Ort gewesen wäre, um die besondere Herkunft der Chronik zu betonen, die zudem noch einen prominenten Besitzer hatte. Genau diese Nennung steht aber erst am Ende des Koten Urkunden und die verwirrende Herkunftsgeschichte der Texte kritisiert, und klar Capodilista als Urheber der Annalen des d’Alessio identifiziert. Siehe Holder-Egger, Nr.  247 (wie Anm.  145), 582–583. 414  B.P. 954, fol.  10r. 415  Siehe in den Abschnitten zur Familien Capodilista bei Giovanni da Nono, B.P 1239/ XXIX, fol.  12v. 416  B.P. 954, fol.  4r. 417  In der Quellenliste, ebd. fol.  5r. 418  Ebd., fol.  36v.

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dex, gleichsam als Nachgedanke, was darauf hinweist, dass Capodilista die Geschichte der Handschrift erst relativ spät vollständig konstruiert hatte. Darauf würde auch hinweisen, dass in den ersten Erwähnungen der Herkunftserzählung die Annalen des d’Alessio oder die damit verbundenen Texte gar nicht genannt werden. Gelegentlich zeigen sich dabei aber Brüche, wie bei den unglaubwürdig konstruierten Urkunden. Ein solcher ist auch im Uhrenwappen zu Beginn des Kodex auf Blatt 2r zu finden, das als ältestes Wappen der Familie vorgestellt wird und über die Herkunftslegende an die drei Brüder Transelgardo, Carlotto und Giovanni angebunden wird. Dass in der Helmzier des Wappens dabei eine erst Mitte des 14. Jahrhunderts entwickelte Technik, nämlich das Uhrwerk des Astrarium, zu sehen ist, störte Capodilista dabei nicht. Hier wird deutlich, dass im Kodex die Darstellung von Kontakten der eigentlichen Konstruktion einer fiktionalen historischen Realität übergeordnet ist. Gleichzeitig setzte das Uhrenwappen auch einen deutlichen Hinweis für bewusste, und für den Adressaten erkennbare, Fiktionalität. Einen Hinweis der besonderen Art auf Giovan Francescos Rolle bei dieser Konstruktion gibt der Text unmittelbar vor Beginn der Quellenliste. Nachdem Capodilista erklärt, dass die Auflistung aller genutzten Quellen dem Adressat diene, der damit leichter den Wahrheitsgehalt der im Kodex festgehaltenen Fakten überprüfen kann, wird folgender Satz der Quellenliste vorangestellt: „Et sic poterit quisque faciliter de veritate informari, concedimus autem omnibus licenciam appellandi omnia infrascripta falsa, in uno solo falsitate comperta.“419 Die Formulierung dieser Wahrheitsbeteuerung, die bei nur einem Fehler den kompletten Kodex als Fiktion preisgibt, ist ungewöhnlich. Aus ihr spricht das Selbstbewusstsein des Verfassers, der in der Rekonstruktion seiner Familiengeschichte bewusst zwischen angestrebtem faktualem Erzählen und gezielt konstruierter Fiktion balanciert. Die Recherchen Capodilistas, die vor allem an seinem Handexemplar der Chronik des Giovanni da Nono deutlich werden, ergänzen sich dabei mit geschickt verschleiertem fiktionalem Wissen, das durch die Erzählung über die mit Bartolomeo della Scala abgewanderte Handschrift beglaubigt wird. Ziel dieses Erzählens ist die Konstruktion einer um gehobenen so­ zialen Status erweiterten und nach vorne verlängerten Familiengeschichte, die so als lineare Erfolgsgeschichte erzählt wird, in die sich Giovan Francescos eigene Erfolge nahtlos einfügen. Gerade in der Herkunftserzählung der Familie, bekräftigt durch das fiktionale Diplom Karls des Großen, wird dieses Bestreben deutlich. Die Urkunde erhält im Kern nichts anders als die Ernennung der drei Brüder zu Hofpfalzgrafen, eine Ehrung, die Capodilista selbst im April 1434 in Basel von Kaiser Sigismund erhielt und die wahrscheinlich einer der äußeren Anlässe für die Entstehung des ­Kodex war. Die Legitimation der erhaltenen Ehrungen, neben dem Palatinat auch die Aufnahme in verschiedene ritterliche Orden, ist dabei eines der maßgeblichen Ziele der Genese des Kodex.

419 

B.P. 954, fol.  4v.

286 III. Pergament. Giovan Francesco Capodilista und sein Selbstbild im Capodilista-Kodex Capodilistas Strategien zur Verknüpfung fiktionalen und faktualen Erzählens innerhalb des Kodex fügen sich damit deutlich in das Konzept des Einschreibens als Konstruktion sozialer Wirklichkeit durch Text. Die der fiktionalen Quelle entnommenen Textpassagen verorten die Familie Capodilista in einem sozial prestigeträchtigen Kontext, sowohl in ihrer Herkunftserzählung als auch innerhalb der Besitzliste, in der sie in einem Atemzug mit politisch bedeutenden Familien genannt wird. Capodilista manipuliert so unter dem Deckmantel der Quellentreue die soziale Position seiner Familie, die zumindest in der Wirklichkeit des Textes zur gesellschaftlichen Realität wird. Das Bewusstsein des Verfassers über die Wirkmächtigkeit seiner Konstruktion und die Möglichkeiten und Auswirkung eines solchen Erzählens zwischen Fiktionalität und Faktualität findet sich in der selbstwussten Aufforderung an den Leser, bei nur einem Fehler alles im Kodex in Frage zu stellen – oder zu glauben, was ihm auf dem Pergament in Bild und Text vor Augen geführt wird. Die Annalen des d’Alessio werden in diesem Zusammenhang zum Träger der verschleierten Fiktionalität. Das Netzwerk in der Liste. Zur Bedeutung der Quellenliste und ihrer narrativen Strategien Für die Quellenliste bedeutet diese Fiktionalität zunächst, dass die darin gespeicherten Kontakte nicht zwangsläufig als Hinweise auf ein reales Beziehungsnetzwerk gelesen werden können. Genau wie die Liste mit Besitzungen der Familien auf den Blättern vor der Quellenliste sind die Einträge aber durchaus als Aufzählung von Beziehungen und Kontakten zu werten. Dafür spricht vor allem, dass Capodilista für jeden der genannten Texte weitere Besitzer des entsprechenden Werkes nennt, und zwar unabhängig davon, ob er es auch selbst besitzt. Um nachzuweisen, dass er das entsprechende Buch tatsächlich einsehen konnte, hätte bereits die Nennung eines weiteren Namens genügt. Die Auflistung mehrerer Personen, die das gleiche Buch besitzen, wäre im Zusammenhang mit der Aufzählung gar nicht notwendig. Dass es diese Nachweise aber dennoch gibt zeigt, dass der Zweck der Liste nicht nur im Nachweis der von Capodilista genutzten Quellen liegen kann. Es ist stattdessen ein ganzes Netzwerk aus Bücherbesitzern in der Liste zu erkennen, die bestimmte Texte in ihren Privatbibliotheken zur Verfügung hatten. Zur Verifizierung dieses Netzwerkes wäre es nun nötig, jeden der genannten Kontakte in weiterem Quellenmaterial nachzuweisen, was aufgrund der geringen vorhandenen Dichte an persönlichen Quellen aus dem Umfeld Capodilistas nicht möglich ist. Bezieht man noch die gegebene Wahrscheinlichkeit von fiktionalen Elementen in der Liste ein, verliert die Konstruktion eines Netzwerkes an Sinn. Bleibt man bei der Betrachtung der Liste dennoch dem Fokus der Netzwerkperspektive treu, bietet sich bei einem leicht verschobenen Blickwinkel eine Untersuchung des in der Liste verborgenen Netzwerkes durchaus an. Die dabei zugrundeliegende Frage ist allerdings nicht die nach der tatsächlichen Größe des Netzwerkes, der Dichte der Kontakte und der Stärke der Verbindungen. Vielmehr geht es darum zu rekonstruieren, wieso Capodilista genau die

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in der Liste genannten Personen namentlich aufruft. Selbst wenn es sich bei dem genannten Büchernetzwerk um ein fiktives Netzwerk handeln sollte, eröffnet die Analyse unter dieser Perspektive neue Aussichten. Warum bezieht Capodilista genau die genannten Persönlichkeiten in seinen Kodex ein? Welche, unter Umständen fik­ tionale, Gruppe entsteht in der textimmanenten Realität? Bereits die Analyse einiger weniger Namen macht deutlich, warum Capodilista sie erwähnt, und welche gesellschaftlichen Kreise durch die Namensnennung angesprochen werden. Schon die ersten drei Einträge der Quellenliste weisen auf ein gesellschaftlich arriviertes und innerhalb Paduas hochangesehenes Umfeld hin. Die ersten genannten Namen sind Antonio und Nicola Ovetari, Nicola Mussato und Enrico und Pietro Scrovegni. Alle der genannten Familien waren seit längeren Zeiträumen, teilweise dem 13. Jahrhundert, in Padua ansässig, und der gesellschaftlichen Oberschicht der Stadt zuzurechnen. Die Ovetari, denen der Besitz einer Chronik des Lovati zugeordnet wird,420 erlangten vor allem 1448 durch die Stiftung der Ovetari-Kapelle in der Chiesa degli Eremitani, heute SS. Giacomo e Filippo, innerstädtisches Prestige. Die Kapelle wurde unter anderem von Andrea Mantegna mit eindrucksvollen Fresken ausgestattet. Sie diente dem Gebetsgedenken des kurz vor Baubeginn verstorbenen Antonio Ovetari, der als Notar in Padua zu finanziellem Wohlstand gelangt war. Die Familie Ovetari stammte ursprünglich aus Cittadella und war erst im Verlauf der Carrara-Restauration 1390 zu erhöhtem Ansehen in der Stadt gelangt.421 Auch Antonios Bruder Niccolò, der in der Quellenliste als Nicola Ovetari verzeichnet ist, hatte in Padua studiert und war seit 1411 Doktor des Zivilrechts.422 Sein früher Tod 1427 findet in der Quellenliste keine Erwähnung, obwohl die Einträge sonstiger bereits Verstorbener gewöhnlich entsprechend markiert sind. Ebenfalls mit einem bedeutenden Baudenkmal verknüpft ist der Name der Familie Scrovegni, die allerdings im Gegensatz zu den Ovetari bereits seit Generationen als einflussreiche Familie in Padua lebten.423 Sie waren über lange Zeit hinweg durch ihre erfolgreichen Geldgeschäfte die reichste Familie der Stadt und traten unter anderem als Mäzene hervor. Die ursprünglich an den Palazzo der Familie angegliederte 1305 eingeweihte Kapelle mit Fresken von Giotto trug zur Berühmtheit der Familie weiter bei. Zweifelhaften 420  Die Chronik des Lovati, in der Quellenliste als libellus Lovati vermerkt, ist heute als Handschrift selbst nicht mehr erhalten. Siehe B.P. 954, fol.  4v. Der als Notar und Richter ausgebildete Lovato Lovati war einer der führenden Vertreter des Paduaner Prähumanismus. Erhalten sind hauptsächlich seine poetischen Werke. Zur Person des Lovato Lovati siehe Hyde, Padua in the Age of Dante (wie Anm.  120), 290 f. Weiter auch Billanovich, Giuseppe, Le biblioteche dei primi umanisti italiani, in: Bulletin du bibliophile 2 (1993), 253–264, hier 256 f. und Polizzi, Carlo, Nuovi documenti e ricerche sul cenacolo preumanistico padovani, in: Italia Medioevale e Umanistica 28 (1985), 137–187. 421  Siehe Kohl, The Paduan Elite (wie Anm.  432), 207 und 250 f. 422 Kohl, The Paduan Elite (wie Anm.  432), 252. 423 Siehe Kohl, Fedeltà e Tradimento (wie Anm.  196), 48 f. Auch bei Hyde, Padua in the Age of Dante (wie Anm.  120), 189 f.

288 III. Pergament. Giovan Francesco Capodilista und sein Selbstbild im Capodilista-Kodex literarischen Ruhm erreichte die Familie aber schon vorher, als Dante Reginaldo degli Scrovegni im Canto XVII des Inferno im untersten Höllenkreis als Beispiel für das Schicksal eines Wucherers ansiedelte.424 Die Scrovegni waren nach der ersten Vertreibung und dem Exil der Carrara 1388 zunächst nicht offensichtlich loyal geblieben, und konnten nach der Rückkehr des Herrscherhauses 1390 zunächst ihre exponierte soziale Position nicht erhalten. Ihre Loyalität galt weniger dem 1405 gestürzten regierenden Zweig der Carrara, als vielmehr dem Nebenzweig der Papafava-­ Carrara, mit denen sie über eine Eheschließung verwandt waren.425 Die Nennung Nicola Mussatos bezieht sich auf die zu Beginn des 14. Jahrhunderts entstandene Chronik Historia Augusta de gestis Henrici VII Caesaris des Albertino Mussato, von Capodilista De gestis per Henricum septimum426 genannt, und seines als Trayedia sua De Gestis Ecerini de Romano427 bezeichneten Theaterstücks, der Ecerinis. Als Besitzer der Historia Augusta wird Nicola Mussato („Nicola Muxato“)428 gemeinsam mit Enrico und Pietro Scrovegni („Henricum et Petrum de Scrovegnis“)429 genannt, und eine größere Menge namentlich nicht bezeichneter Personen („que ­comuniter a pluribus habetur“)430 als Besitzer der Ecerinis. Albertino Mussato war Notar, und diente der Kommune unter anderem als Diplomat.431 Durch seine literarischen, poetischen und historiographischen Werke und sein reges Interesse an der Wiederbelebung der Antike galt er als einer der führenden Vertreter des Paduaner Protohumanismus. Seine historiographischen und lyrischen Werke erlangten in ­Padua hohe Bedeutung und waren weit verbreitet. Sein bekanntestes Werk war die 1314/1315 verfasste Ecerinis, die an den Stücken Senecas orientiert war und mit einem direkten Bezug zu Padua die Bewohner der Stadt vor innerer Zerrissenheit und deren dramatischen politischen Folgen warnen sollte.432 Mussato wurde am Weihnachtstag 1315 als erster Literat nach dem Ende der Antike als „poeta laureatus“ gekrönt. Damit weisen allein schon die ersten Einträge der Quellenliste in eine Ober424  Reginaldo degli Scrovegni begegnet Dante in der Unterwelt in Canto XVII des Inferno. Beschrieben wird die Begegnung mit einem Mann, dessen heraldisches Zeichen mit dem der Scrovegni übereinstimmt, und der sich als „son padoano“ vorstellt. Dante Alighieri, Divina Commedia. Inferno – Purgatorio – Paradiso, ed. v. Giovanni Fallano/Silvio Zennaro, Rom 1993, 133. 425  Kohl, Fedeltà e Tradimento (wie Anm.  196), 48. 426  B.P. 954, fol.  4v. 427 Ebd. 428  B.P. 954, fol.  4v. 429 Ebd. 430  B.P. 954, fol.  4v. 431  Zur Biographie Albertino Mussatos mit umfassenden Literaturhinweisen zur umfang­ reichen Forschungslage siehe Cusa, Geschichtsschreibung (wie Anm.  104), 217 f. 432  Jüngst dazu siehe Lee, Alexander, Humanism and Empire. The Imperial Ideal in Fourteenth-Century Italy, Oxford 2018, 44 f., weiter Ders., Albertino Mussato and the Defence of Empire, in: Nicholas Scott Baker/Brian Jeffrey Maxon (Hg.), After Civic Humanism: Learning and Politics in Renaissance Italy, Toronto 2015, 71–89.

III.5. Narrative Strategien in den Texten und Bildern des Capodilista-Kodex

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schicht innerhalb Paduas, die bereits seit der Zeit der Carrara in der Stadt etabliert war und ihre Stellung meist auch über die Einnahme Paduas durch Venedig 1405 bewahren konnte. Auch andere Namen der Liste verweisen in diese Richtung, zum Beispiel die Nennung von Ludovico Buzzaccarini, der ebenfalls einer ursprünglich den Carrara auch über Heiratsverbindungen verpflichteten Familie entstammte.433 Ludovico Buzzaccarini war promovierter Jurist, und mit dem Chronisten der Carrara­ familie und als Humanisten bekannten Pier Paolo Vergerio befreundet. Die Loyalität der Buzzccarini für die Familie Carrara, die als Patrone der Familie fungierten, zeigte sich auch daran, dass Vertreter der Buzzaccarini noch 1405 gegen die venezianischen Truppen kämpften.434 Damit sind drei Charakteristiken erfasst, die auf fast alle in der Quellenliste genannten Personen zutreffen: Sie waren zumeist Juristen oder Notare, häufig Mitglieder humanistischer Gruppierungen, und in vielen Fällen ehemalige Gefolgsleute der Carrara. Dazu waren fast alle der städtischen Oberschicht Paduas angehörig. Eine direkte Verbindung zwischen den Familien durch Heirat ist für Vorfahren Capodilistas mit den Familien Mussato und Scrovegni belegt. Aktuellere Heiratsverbindungen verknüpften die Kinder Capodilistas mit der Familie Zabarella, Buzzaccarini und den da Lion.435 Persönliche Bekanntschaft mit Capodilista über andere Quellen ist nur in zwei Fällen nachweisbar: für Sicco Polenton, mit dem ein Briefkontakt nachgewiesen ist,436 und mit Bartolomeo di Galeazzo Gatari, dessen Bruder Andrea Gatari als Mitglied der venezianischen Gesandtschaft in Basel anwesend war. Sicco Polenton war zudem bis 1405 Kanzleischreiber der Carrara gewesen, eine Aufgabe, die er später für verschiedene andere Verwaltungsorgane ­Paduas fortführte.437 Auch der nächste genannte Kontakt der Liste führt in ein den Carrara treues Umfeld. Die Chronik des Rolandino wird mit folgendem Eintrag aufgeführt: „Iten [sic!] annalia domini Rolandini, civis Patavi, De gestis Ezerini de Romano, que vulgariter apellatur La Ecerina, siva La Rolandina, que est de presenti apud dominum Paulum de Doctis, Fruzerium de Lanzarotis, apud nos et multos alios.“438

433 

Zur Familie Buzzaccarini, auch Buzzacarini geschrieben, siehe Kohl, The Paduan Elite (wie Anm.  432), 209 f. 434  Ebd., 212. 435  Alle diese Verbindungen sind einer Personenliste des Capodilista-Kodex zu entnehmen. Die Ehen zwischen Angehörigen der Familie Capodilista und den Scrovegni und Mussato liegen in der Vergangenheit, während die Ehen mit Capodilistas Tochter Giacoma und Andrea Zabarella sowie seiner Tochter Polissena und dem Sohn Paolo da Lions, Checco da Lion, zum Zeitpunkt der Entstehung des Kodex aktuell waren. Die Verbindung zu den Buzzaccarini ist die zweite Ehe Francesco Capodilistas, ältester Sohn Giovan Francescos, der mit Gigliola Buzzaccarini verheiratet war. Siehe B.P. 954, fol.  6r. 436  Brief vom November 1419, Edition in La Catina, le Orazioni e le epistole di Sicco Polen­ton, ed. v. Arnaldo Segarizzi, Bergamo 1901, 100. 437  Kohl, Padua under the Carrara (wie Anm.  361), 296. 438  B.P. 954, fol.  4v.

290 III. Pergament. Giovan Francesco Capodilista und sein Selbstbild im Capodilista-Kodex Der genannte Text entstand zeitnah zu den Ereignissen die er verarbeitet, und wurde nach einer öffentlich gehaltenen Lesung 1262 zu einer Art offiziellen Geschichtsschreibung der Kommune. Dementsprechend weit verbreitet war er in Padua.439 Das spiegelt sich auch in den genannten „multos alios“ der Beschreibung. Zwei weitere Besitzer des Textes werden explizit namentlich aufgeführt, und einer davon weist in die gleiche Schicht, der auch die vorher aufgeführten Personen angehören. Über die Familie Lanzarotti ist nur bekannt, dass sie aus der Region um Treviso stammt.440 Hinter dem zuerst genannten „dominum Paulum de Doctis“ verbirgt sich Paolo Dotti, ein Paduaner Jurist.441 Er war Mitglied der Fakultät der juristischen Universität Paduas, und bereits als Student im Umfeld Capodilistas nachweisbar. Giovan Francesco übernahm für ihn die Rolle des Promotore, der keineswegs nur Prüfer bei einer Doktoratsprüfung war, sondern auch die Funktion eines Mentors übernahm.442 Der Promotore bereitete den Studenten intensiv auf die anstehende Prüfung vor und war dann auch bei der Prüfung selbst anwesend.443 Dotti legte seine Lizensiats- und Doktoratsprüfung im Zivilrecht 1415 ab.444 Bis 1429 hatte er auch die Doktoratsprüfung im kanonischen Recht absolviert. Dotti lehrte später in Padua ziviles und kanonisches Recht und ist gelegentlich als Zeuge bei Prüfungen zu finden, in denen Capodilista als Prüfer gelistet ist.445 Im Rotulus der Universität, in dem alle Lehrenden des akademischen Jahres 1422/23 verzeichnet sind, wird er als Lehrender für die Kommentare zum kanonischen Recht aufgeführt, die er gemeinsam mit Bartolomeo Zabarella unterrichtete. Dotti erhielt dabei ein Gehalt von 60 Dukaten (Fl.).446 Seine Stelle als Lehrender an der Universität und die damit verbundene Besoldung waren für Paolo Dotti aber keinesfalls lebensnotwendig.447 Seine Familie gehörte zu den wohlhabenden Bürgern Paduas und besaß umfangreichen Landbesitz in der Region um die Stadt. Unter den Carrara waren Mitglieder der Familie in militärischen und dip439 

Vgl. Hyde, Padua in the Age of Dante (wie Anm.  120), 288. Vgl. Blason-Berton, De Viris Illustribus (wie Anm.  2), 72, Fn.  8. 441 Zur Biographie Dottis ausführlich siehe Belloni, Professori giuristi (wie Anm.  362), 292–294. 442 Vgl. di Renzo-Villata, Paolo Dotti (wie Anm.  150), 548. 443  Zu diesem Verfahren siehe Grendler, Paul F., The Universities of the Italian Renais­ sance, Baltimore/London 2002, 175. 444  Belloni, Professori giuristi (wie Anm.  362), 292. 445 Beispielsweise 18. Mai 1412, in einer Doktoratsprüfung des Ludovico Nascimbene ­Calce. Als Zeuge der Prüfung treten neben Paolo Dotti auch Prosdocimo Conti und der nachweislich dem Umkreis Capodilistas angehörige Jacobo Alvaroti auf. Siehe Acta Graduum (wie Anm.  150)¸ Nr.  247 (18.5.1412). 446  In derselben Liste ist Capodilista als Lehrender des kanonischen Rechts aufgeführt, der die Nachmittagsvorlesung der Dekretalen bei einem Gehalt von 200 Dukaten (Fl.) übernahm. Bartolomeo Zabarella, der spätere Erzbischof von Florenz und Gesandte Eugens IV., mit dem Capodilista mehrere Gesandtschaften übernahm, erhielt 40 Dukaten (Fl.). Siehe Grendler, The Universities of the Italian Renaissance (wie Anm.  443), 24. 447  Kohl, The Paduan Elite (wie Anm.  432), 224. 440 

III.5. Narrative Strategien in den Texten und Bildern des Capodilista-Kodex

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lomatischen Diensten gewesen, und hatten dabei verantwortungsvolle und prestigeträchtige Posten übernommen. Paolos Vater, Francesco Dotti, war als Podestà sowohl in Bologna, Florenz als auch in Treviso tätig gewesen, und hatte sich nach dem Fall der Carrara 1405 der neuen venezianischen Herrschaft angenähert. Neben seiner Lehrtätigkeit an der Juristenfakultät der Universität war Paolo Dotti der Familientradition entsprechend immer wieder auch in politischen Aufgaben für Padua tätig und übernahm Gesandtschaften oder tragende Rollen in Verhandlungen. So war er beispielsweise im August 1424 als Verhandlungsträger bei Auseinandersetzungen um Rechte verschiedener Landbesitzer im Contado um Padua aktiv.448 Obwohl Dotti sich nach 1405 aktiv am politischen Leben in Padua beteiligte und dabei nicht in Konflikte mit den venezianischen Machthabern geriet, musste die in der Familie ­Dotti traditionelle Loyalität zu den Carrara für ihn nach wie von Bedeutung gewesen sein. Padua war auch Jahrzehnte nach der Etablierung der venezianischen Herrschaft über die Stadt immer wieder Schauplatz von politischen Auseinandersetzungen und Machtkämpfen, die häufig von ehemals den Carrara oder ihren unterschiedlichen Familienzweigen nahestehenden Gruppen initiiert wurden. Ziel der meisten dieser Auseinandersetzungen war letztlich die Wiedererlangung eines unabhängigen städtischen Status. Im August 1439 wurde eine Gruppe an Verschwörern angeklagt, die unter der Führung von Giacomo Scrovegni gegen die venezianische Regierung konspiriert haben sollte.449 Die Verschwörer wurden von einem Bürger Paduas beim ­venezianischen Consiglio di Dieci angezeigt, und Paolo Dotti wurde unter einem falschen Vorwand gemeinsam mit dem nicht beteiligten Juristen Paolo de Castro nach Venedig eingeladen, dort festgesetzt und angeklagt. Der Anführer der Verschwö­ rer, Giacomo Scrovegni, war ein Neffe Paolo Dottis, und noch zahlreiche andere angesehene Paduaner waren in die Planungen verwickelt. Dazu gehörten auch der Bruder Paolo Dottis, Francesco Dotti, und weitere Mitglieder der Familie.450 Dottis Beteiligung an der Scrovegni-Verschwörung wurde als bestätigt gewertet, und er wurde von den Dieci zum ewigen Exil verurteilt. Er musste Padua verlassen und lebte schließlich auf der venezianisch kontrollierten Insel Kreta in Candia, wo er 1453 starb.451 Andere Beteiligte wurden in geringerem Ausmaß bestraft. Zu den involvierten Betroffenen zählte auch Francesco Capodilista, der älteste Sohn Giovan Francescos, der wie sein Vater Lehrender an der Juristenfakultät in Padua war.452 Er wurde durch die Anklage zunächst gezwungen, Padua zu verlassen und seine Stelle an der Universität aufzugeben. Ähnlich wie Capodilista nach seiner Verurteilung 1420 durfte auch Francesco Venedig nicht verlassen, und musste die Kontrolle über seine Besitzungen in Padua aufgeben. Sein Fall wurde am 25. Februar 1440 erneut im 448  ASP,

Nunzie e Ambasciatori, vol.  248, fol.  9v (Quelle unpaginiert, Zählung KO). Segarizzi, Arnaldo, Contributo alle Storia delle Congiure Padovane, in: Nuovo Archivio Veneto 31 (1916), 48–78, hier 56 f. 450  Segarizzi, Congiure Padovane (wie Anm.  449), 59. 451  Belloni, Professori giuristi (wie Anm.  362), 292. 452  Segarizzi, Congiure Padovane (wie Anm.  449), 62. 449 

292 III. Pergament. Giovan Francesco Capodilista und sein Selbstbild im Capodilista-Kodex Consiglio di Dieci verhandelt.453 Auf eine Bitte von Enrico Scrovegni hin sollten die Bedingungen für Francesco zunächst verbessert werden, was die Dieci befürworteten. Spätere Bitten ermöglichten es Francesco schließlich, als Gehilfe für den in Padua ansässigen Bankier Antonio Borromeo in Florenz zu arbeiten.454 Letztendlich rehabilitiert wurde er am 25. Oktober 1441.455 Erst danach wurde seine Rückkehr nach Padua möglich. Wann und wie Giovan Francesco von der Verurteilung seines Sohnes erfuhr, und ob er Maßnahmen ergriff oder seine Freilassung zu erwirken versuchte, ist nicht mehr eindeutig nachweisbar. Sein Name fällt zwar in einem Dokument der Dieci vom November 1440, aber tatsächliche Bemühungen sind nicht zu belegen. In jedem Fall befand Giovan Francesco sich seit dem Juni 1439 in den Diensten Papst Eugens IV. und war vermutlich selbst nicht in Padua. Der Kontakt zu Paolo Dotti aus der Quellenliste führt also in ein Umfeld, das sich durch eine besondere Loyalität zu dem ehemaligen Herrscherhaus der Carrara auszeichnete. Damit entspricht er den bereits genannten Verbindungen zu den Familien der Scrovegni und Ovetari. Während letztere aber eher durch ihre Verbundenheit zu den Carrara während ihrer Regierungszeit definiert sind, war Paolo Dotti vermutlich ein Gegner der venezianischen Herrschaft über Padua. Seine aktive Teilnahme an der Verschwörung, die zumindest für das Consiglio di Dieci als erwiesen galt, weist deutlich darauf hin. Damit ist in der angegebenen Verbindung zwischen Capodilista und Paolo Dotti erstmals ein Hinweis auf eine politische Position gegeben, die der venezianischen Herrschaft über Padua kritisch gegenübersteht. Ein weiterer Name der Quellenliste taucht ebenfalls in Verbindung mit einer ähnlichen Situation auf. Der Eintrag zu einer Beschreibung der Stadt Padua zur Zeit der della Scala verzeichnet Baldo de Baganzani („Baldum de Bagazanis“) als ehemaligen Besitzer der Handschrift, die zwischenzeitlich aber jemand anderen gehörte:“ et nunc est apud Bartolameum Galeacii de Gatariis, apud quem est alia cronica pulcra compilata per predecessores suos et per ipsum completa.“456 Das damit bezeichnete Werk ist die Chronik des Galeazzo Gatari, dem Vater Bartolomeo und Andrea Gataris. Letzterer war als Sekretär Capodilistas auf dem Basler Konzil Teil der venezianischen Gesandtschaft und verfasste ein Tagebuch zu den Ereignissen des Konzils. Die Familie Gatari stammte ursprünglich aus Bologna. Galeazzo Gatari war Notar und Diplomat in den Diensten der Carrara gewesen, und gehörte 1405 genau wie die Mitglieder der Familie Buzzaccarini zu den letzten Verteidigern Paduas gegen die venezianischen Truppen. Seine ab 1372 entstandene Chronik fasste vor allem die letzten Jahre der Carrara-Herrschaft zusammen, und war von seinem jüngeren Sohn Bartolomeo weitergeführt worden.457 Die Verbindung zwischen Bartolomeo Gatari und Capodilista gehört zu den wenigen in der Quellenliste aufgezählten Kontakten, die durch weitere 453  ASVe,

Consiglio di dieci, Deliberazioni, Miste, Registri, reg.  12, fol.  55v. Segarizzi, Congiure Padovane (wie Anm.  449), 62. 455  ASVe, Consiglio di dieci, Deliberazioni, Miste, Registri, reg.  12, fol.  92v. 456  B.P. 954, fol.  5r. 457  Weber, Exempla im Schilde führen (wie Anm.  112), 154. 454 

III.5. Narrative Strategien in den Texten und Bildern des Capodilista-Kodex

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Quellen bestätigt werden. In diesem Fall ist es das Tagebuch des Andrea Gatari aus der Zeit der Gesandtschaft am Basler Konzil, das diese Verbindung eindeutig nachweist. Erstaunlicherweise führt aber auch dieser Kontakt wieder in die Nähe einer antivenezianischen Verschwörung. Im März 1435 hatte Marsiglio Papafava di Carrara mit Unterstützung des Herzogs Filipo Maria Visconti von Mailand und einer kleinen Gruppe von Anhängern die Rückeroberung Paduas aus venezianischer Hand geplant.458 Am 16. März sollten die Tore für Marsiglio und eine kleine Menge an Kämpfern geöffnet und die nur schlecht bewachte Stadt eingenommen werden. Die Verschwörer wurden aber an Venedig verraten, und die Einnahme endete in einer blutigen Niederlage.459 Marsiglio Papafava di Carrara wurde gefangengenommen, nach Venedig gebracht und hingerichtet. Das gleiche Schicksal ereilte die mit ihn verbündeten Paduaner und einen Gefolgsmann Viscontis, Giovanni da Milano.460 Die sich innerhalb weniger Tage entwickelnden Ereignisse hatten trotz ihres schnellen Endes einen politischen Nachhall bis nach Basel. Dort erschien am 20. März der Italiener Sidro da Milano im Quartier der venezianischen Gesandten und berichtete „con granda alegreza“461, dass Padua zurück in die Hände der Carrara gefallen sei und nicht mehr unter der Herrschaft Venedigs stünde.462 Diese Nachricht versetzte die Gesandten nach dem Bericht Andrea Gataris „in gran pensieri“463, und Capodilista schickte sofort einen seiner Familiaren als Boten nach Padua, um den tatsächlichen Stand der Dinge zu erfragen, unwissend, dass die politische Situation in Padua bereits längst befriedet und die Herrschaft Venedigs nach wie vor fest etabliert war. Diese kurze politische Episode wirft aber ein deut­ liches Licht auf die politische Situation in Basel, denn dass die Information über die Unruhe in Padua von Sidro da Milano überbracht wurde, war kein ein Zufall. Er stand in den Diensten Ludwig von Tecks, des ehemaligen Patriarchen von Aquileia, der nach der Einnahme seiner Gebiete im Friaul durch Venedig aus seinem Herrschaftsbereich hatte fliehen müssen und ab 1434 auf dem Basler Konzil einen juristischen Rückeroberungsfeldzug gegen Venedig führte. Vertreter Venedigs und Hauptbeauftragter in diesem Prozess war Capodilista, und die Nachricht von politischen Unruhen in seiner Heimatstadt war dazu geeignet, ihn zumindest kurzzeitig gegenüber Venedig negativ zu beeinflussen. Das Tagebuch des Andrea Gatari berichtet 458 

Segarizzi, Congiure Padovane (wie Anm.  449), 52. Zum Ablauf siehe auch Romano, The Likeness of Venice (wie Anm.  291), 128 f. 459  Eindrucksvoll geschildert sind die Kämpfe im pro-venezianischen Bericht eines als Anonymus Patavinus bezeichneten Beobachters, der die Niederlage der Verschwörer als göttliches Urteil interpretiert. Die Anzahl der Verschwörer beziffert Anonymus Patavinus dabei als 26. Ediert bei Bertalot, Ludwig, Padua unter venetianischer Herrschaft 1435. Ein zeitgenössischer Bericht, in: QFIAB 24 (1932/33), 188–206. 460  Romano, The Likeness of Venice (wie Anm.  291), 131. 461  Tagebuch des Andrea Gatari (wie Anm.  23), 413. 462  Tagebuch des Andrea Gatari (wie Anm.  23), 413. 463  Ebd., 414.

294 III. Pergament. Giovan Francesco Capodilista und sein Selbstbild im Capodilista-Kodex auch über die schnelle Reaktion der Gesandten. Das besondere Bedürfnis Capodilistas nach verlässlichen Informationen aus Padua lässt sich auch daran ermessen, dass er mit „Zuan tedesco“464 einen seiner oft genannten Familiaren nach Padua schickte, der am 29. April mit einem Brief aus Padua zurückkehrte.465 Dieser Brief stammte von niemand anderem als dem in der Quellenliste genannten Bartolomeo Gatari, und er informierte die Gesandten über die Niederschlagung des Aufstandes und die in Padua wieder vorherrschende politische Ruhe. In den Aufstand verwickelt waren zahlreiche Bürger Paduas, obwohl die Unterstützer Marsiglios zumeist nicht aus der wohlhabenden und einflussreichen Oberschicht kamen. Eine Ausnahme waren Francesco und Ludovico Buzzaccarini. Letzterer („Lodovicum de Buzacharini“)466 ist als Besitzer der Annalen De domibus Paduanorum in der Quellenliste aufgeführt.467 Die Buzzaccarini waren eine einflussreiche und wohlhabende Familie, die in den Diensten der Carrara zu Macht gekommen waren.468 Ludovico hatte 1389 sein Lizensiat im Zivilrecht abgelegt und war mit dem Humanisten Pier Paolo Vergerio befreundet gewesen. Obwohl er bis zur Niederlage 1405 auf der Seite der Carrara gegen Venedig gekämpft hatte, trat Ludovico nach 1405 in die militärischen Dienste Venedigs und beteiligte sich weiter aktiv am universitären Leben in Padua. Sowohl er selbst als auch sein Sohn Francesco waren federführend an der Konzeption der Verschwörung von 1435 beteiligt, und wurden von Venedig festgenommen und hingerichtet.469 Zwischen den Buzzaccarini und den Capodilista bestanden verwandtschaftliche Beziehungen: Capodilistas Sohn Francesco Capodilista war in zweiter Ehe mit Gigliola Buzzaccarini verheiratet, die eine Verwandte Francesco Buzzaccarinis war.470 Nicht nur schien der Aufstand in Padua also den Gegnern Venedigs in Basel geeignet zu sein, die Politik der Republik auf dem Konzil zu stören. Auch findet sich mit der Nennung Buzzaccarinis der Name eines der prominentesten Verschwörer von 1435 in der Handschrift, die Capodilista zu Repräsentation seiner Familie nutzt. Dazu kommt die ebenfalls im Capodilista-Kodex notierte Eheverbindung zwischen Gigliola Buzzaccarini und Francesco Capodilista. Bedenkt man, dass mit Paolo Dotti noch ein weiterer Paduaner der Liste wenige Jahre später in einen Aufstand verwickelt war, und schließlich auch Capodilistas eigener Sohn Francesco aktiv gegen die venezianische Herrschaft über Padua konspirierte, erscheinen die in der Quellenliste aufgezeichneten Kontakte in einem neuen Licht. Offensichtlich ist auch, dass fast alle Namen der Liste in ein etabliertes, wohlhaben­ des und zumeist akademisch gebildetes Umfeld verweisen, also auf die städtische 464 

Tagebuch des Andrea Gatari (wie Anm.  23), 414.

465 Ebd. 466 

B.P. 954, fol.  5r. B.P. 954, fol.  5r. 468  Kohl, The Paduan Elite (wie Anm.  432), 210 f. 469  Romano, The Likeness of Venice (wie Anm.  291), 131. 470  B.P. 954, fol.  6r. 467 

III.5. Narrative Strategien in den Texten und Bildern des Capodilista-Kodex

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Elite hinzielen. Dabei fallen Namen wie die der Familien Scrovegni, Zabarella, Mussato und da Lion. Die Mehrheit der genannten Personen waren dazu studierte Juristen, und entweder an der Universität oder als Notar tätig. Bei einigen der Genannten, wie bei dem als verstorben markierten Enrico da Borgorico („Henrico de Burgo Rico“) und Pietro Burgesio („Petrus de Burgesio“), wird ihre Tätigkeit als Notar auch explizit genannt. Andere, wie der Notar Giovanni da Campolongo („Iohanes de Campo Longo“) oder der Jurist Ludovico Buzzaccarini, erhalten keine solche Auszeichnung. Bei auf anderen Wegen etablierten Familien wird ihre berufliche Betätigung generell nicht erwähnt, wie beispielsweise bei dem nur als Ritter bezeichneten Paolo da Lion, dessen Familie über den Handel mit Wolle und Seide zu Reichtum und ausgedehntem Grundbesitz gelangt war.471 Gleiches gilt für die finanzstarke und nach wie vor einflussreiche Familie der Scrovegni. Ohne nähere Beschreibung bleiben die erwähnten kirchlichen Institutionen. Die Benediktinerklöster S. Giustina und S. Sofia in Padua waren alte Konvente, und besonders der Konvent S. Giustina war für seine umfangreiche Bibliothek berühmt. In den ersten Jahrzenten des 15. Jahrhunderts war das zu seiner Gründungszeit einflussreiche, danach aber in die Bedeutungslosigkeit abgesunkene Kloster von S. Giustina reformiert worden, und erfuhr eine neue Blütezeit. Schließlich ging eine lokal auf den oberitalienischen Raum beschränkte Reformwelle von S. Giustina aus, deren Höhepunkt die Gründung einer Kongregation war.472 Zudem war das Kloster S. Giustina über die Person des Abtes Ludovico Barbo mit dem Basler Konzil verknüpft, seit dieser im Dezember 1433 als einer der päpstlichen Präsidenten des Konzils bestimmt worden war, was eine langanhaltende Kontroverse in Basel auslöste. Der Konvent S. Zaccaria in Venedig war ein vornehmes Nonnenkloster, das ebenfalls dem Benediktinerorden unterstellt war.473 Zur Abfassungszeit des Capodilista-Kodex war dort die Schwester des Dogen Francesco Foscari, Elena Foscari, als Äbtissin eingesetzt und S. Zaccaria galt allgemein als eng mit dem Dogenamt verbundener und dadurch einflussreichster Konvent Venedigs. Welche Verbindung genau Capodilista mit S. Zaccaria unterhielt, ist nicht nachvollziehbar. Möglicherweise gehörte der Konvent aber in das Umfeld, in dem er sich während seines erzwungenen Aufenthalts in Venedig nach dem Schuldspruch 1420 aufhielt. Dazu würde passen, dass er die Chronik des Dogen Andrea Dandolo als Bestandteil der dortigen Bibliothek nennt, in der er einiges zu den „gesta antiqua“ aus Padua gelesen habe. Diese weitere Analyse der in der Quellenliste genannten Personen lässt also noch eine zusätzliche Dimension dieser Gruppe aufscheinen, denn fast alle ihrer Mitglieder 471 

Kohl, The Paduan Elite (wie Anm.  432), 230. Siehe Haering, Stephan, Spätmittelalterliche monastische Reforminitiativen in der bene­ diktinischen Welt. Die Reformen von Santa Giustina in Padua und von Subiaco sowie das Pro­ vinzkapitel zu Petershausen in kirchenrechtlicher Perspektive, in: Franz Xaver Bischof/Martin Thurner (Hg.), Die benediktinische Klosterreform im 15. Jahrhundert, Berlin 2013, 55–73. 473 Zur Verbindung zwischen dem Konvent S. Zaccaria und der Familie Foscari siehe­ ­ omano, The Likeness of Venice (wie Anm.  291), 137. R 472 

296 III. Pergament. Giovan Francesco Capodilista und sein Selbstbild im Capodilista-Kodex sind nicht nur hochgebildet, sondern auch eng mit der Stadt Padua verbunden und damit nicht unbedingt Anhänger der venezianischen Regierung. Dass die unruhige politische Situation in Padua konkret Einfluss auf die Handlungen des aus Padua stammenden venezianischen Gesandten haben konnte, musste auf dem Konzil bekannt gewesen sein. Nur so erklärt sich, dass die Nachricht von den Unruhen im März 1435 Capodilista nicht etwa in einem der häufigen Schreiben aus Venedig erreichte, sondern von seinem politischen und juristischen Gegner höchstpersönlich überbracht wurden. Zusätzlich verdeutlicht dieses Vorgehen auch die Praxis, politische Konflikte an geographisch entfernte Schauplätze wie das Basler Konzil zu verlagern, und vor Ort gut vernetzt zu verhandeln. Die Quellenliste dient damit nicht nur als Werkzeug zur Konstruktion der Zugehörigkeit Capodilistas zu einer intellektuellen und einflussreichen Oberschicht, sondern dokumentiert auch seine Loyalität gegenüber seiner Heimatstadt Padua. Capodilista demonstriert so bewusst seine politische Einstellung, denn obwohl der Textteil des Kodex, der die Quellenliste enthält, wahrscheinlich im März 1435 bereits fertig geschrieben war, behielt Capodilista Namen wie den des hingerichteten Verschwörers Ludovico Buzzaccarini bei. Da an anderen Stellen des Kodex der Text stark verbessert wurde und teilweise auch Abschnitte ausgekratzt wurden, ist dabei auf eine bewusste Beibehaltung zu schließen.474 Folgt man der Vorstellung, dass Capodilista in der Quellenliste nicht nur intellektuelle und elitäre innerstädtische Netzwerke kodiert, findet man auch in anderen Teilen des Kodex schnell weitere Hinweise auf die Stadt Padua. Die Omnipräsenz des Wappens der Stadt in den Reiterbiographien, den Familienwappen und den Textteilen ist nicht zu übersehen. Die Stadt Venedig wird dagegen nur selten erwähnt, und ist nur einmal Bestandteil einer bildlichen Darstellung. Am Ende des Kodex, auf Blatt 36r, wird das neue Wappen Giovan Francescos ins Bild gesetzt (Abb. 8). Über dem großen Schild, der sein von Sigismund gebessertes neues Wappen mit neuer Helmzier zeigt, befindet sich heraldisch rechts das Wappen der Stadt Venedigs, beschriftet mit „ducatus Venetiarum“, und heraldisch links das Wappen Paduas, mit „comunis Padue“ bezeichnet. In der Mitte zwischen beiden Wappen thront das mit „sacri imperii“ bezeichnete Wappen des römischen Kaisers, der Doppelkopfadler mit Kaiserkrone. In diesem Zusammenhang spielt die Republik Venedig, symbolisiert durch ihr heraldisches Zeichen, eine hervorgehobene Rolle, platziert an der rechten Ehrenseite des Kaiserwappens. Diese ehrenvolle Betonung liegt nahe, denn schließlich war Capodilista als Gesandter Venedigs in Basel, und die Überhöhung seines Auftrag­ gebers befördert gleichzeitig sein eigenes soziales Prestige. Sonst nimmt die Republik aber im Kodex keinen besonderen Raum ein. Der Leser erfährt beispielsweise fast nichts über Capodilistas Aufgaben auf dem Basler Konzil, obwohl der äußere Anlass 474 

Ein Beispiel für eine solche Stelle ist die Kurzbiographie Carlotto Capodilista dei Transelgardis auf 8v, bei der größere Passagen gleich zu Beginn des Textes ausgelöscht sind. Dazu ist dieses Blatt falsch in den Kodex eingebunden, so dass sich die Reiterdarstellungen von Carlotto und Pietro Capodilista dei Transelgardi auf 9r als einzige im Kodex gegenüberstehen. Siehe B.P. 954, fol.  8v/9r.

III.5. Narrative Strategien in den Texten und Bildern des Capodilista-Kodex

297

zur Entstehung des Kodex, die Verleihung des Palatinats durch Kaiser Sigismund, anders gar nicht denkbar gewesen wäre.475 Stattdessen bleibt der Fokus des Kodex immer auch auf Padua und die Verbindung der Familie Capodilista mit ihrer Stadt gerichtet. Eingeflochten in die Kurzbiographien wird auch Stadtgeschichte erzählt, so dass die Lebensgeschichten der Familienmitglieder unmittelbar mit dem Schick­sal Paduas verknüpft stehen. Auch auf der Bildebene sind solche Anspielungen auf die Stadt zu finden, unverkennbar besonders in der Figur des Teukerkriegers in der Helmzier des älteren Wappens der Familie. Dazu kommt das Bildelement der Uhr, das die Familie ebenfalls stark an Padua anbindet. Auch die Quellenliste folgt diesem Schema. Sie betont unter dem Vorwand der Darstellung eines Büchernetzwerkes eben auch die Verbundenheit Capodilistas mit patriotischen Kreisen in Padua, deren kritische Haltung gegenüber Venedig bei einigen Paduanern in mitunter höchst gefährliche konspirative Tätigkeiten mündete. Giovan Francescos eigene Haltung zu solchen radikalen Standpunkten wird jedoch im Kodex an keiner Stelle kommuniziert. Seine Einstellung gegenüber Venedig als seinem Auftraggeber zum Zeitpunkt der Entstehung des Kodex hätte auch keine in irgendeiner Form geäußerte kritische Haltung erlaubt. Die Republik verlangte von ihren Diplomaten strikte Einhaltung ihrer Befehle und Vorgaben, und die Kontrolle aus der Lagunenstadt äußerte sich vor allem in einer dichten Folge an immer neuen Instruktionen und Anweisungen. Abweichungen von diesen Angaben wurden schwer bestraft. Gleichzeitig waren in ­Basel zahlreiche klerikale Würdenträger aus venezianischen Gebieten anwesend, die ebenfalls für die venezianische Diplomatie herangezogen wurden. So ersetzte der Bischof von Padua, Pietro Donato, nach der Abreise des eigentlich führenden Gesandten der venezianischen Botschaft Andrea Donato diesen für kurze Zeit, und wurde von Venedig aus dementsprechend instruiert. Auch über diese Kommunikationswege war eine engmaschige Kontrolle der Gesandten auf dem Konzil für Venedig leicht umzusetzen. Im Falle Capodilistas war sie entweder nicht nötig oder aber sehr wirksam, denn keine seiner Handlungen und Schriften lässt auch nur die geringste Abweichung von den Vorgaben Venedigs oder illoyales Verhalten vermuten. Nur die von Gatari registrierten „gran pensieri“, in die Capodilista durch die Nachricht von der Verschwörung in Padua 1435 gestürzt worden sei, lassen überhaupt ansatzweise eine persönliche Position Capodilistas durchscheinen.476 Der Capodilista-Kodex in seiner strikten Ausrichtung auf Padua bildet damit möglicherweise gezielt ein Gegengewicht zu dieser geforderten und von Capodilista in Basel demonstrierten Loyalität zu Venedig. Die Quellenliste und auch die ihr vorgeschaltete Besitzliste rufen Gruppenbildungen auf, die zwar innerhalb eines venezianischen Herrschaftsbereichs – oder, im Falle der Besitzliste, vor der Etablierung dieses Machtbereichs – situiert sind, aber gleichzeitig zutiefst mit der Stadt Padua als eigenständige politische Entität verknüpft waren und die Einflüsse der Republik aus475  476 

Zur Bedeutung des Basler Konzils als Entstehungsort des Kodex siehe weiter oben. Tagebuch des Andrea Gatari (wie Anm.  23), 414.

298 III. Pergament. Giovan Francesco Capodilista und sein Selbstbild im Capodilista-Kodex blendeten. Capodilista versichert sich implizit seiner Loyalität zu seiner Heimatstadt, auch wenn er als Diplomat in Diensten eines anderen Machthabers stand. Die Quellenliste entfaltet so auf mehreren Ebenen Konzepte der konstruierten sozialen Zugehörigkeit. Damit deckt Capodilista unterschiedliche Sphären des sozialen Lebens ab, die ihn aber letztendlich immer in einer intellektuell, finanziell und politisch bedeutenden Gesellschaftsschicht innerhalb der Stadt verorten. Dieses in die Liste eingeschriebene Wissen über Gruppenzugehörigkeit war dabei jedoch nur eingeweihten Lesern zugänglich, die selbst Mitglied dieser Gruppenverbände sein mussten. Es bleibt damit exklusiv und für Außenstehende nicht ohne weiteres erkennbar, ähnlich wie das im Uhrenwappen gespeicherte Wissen um die visuellen Interferenzen zwischen Uhr und Teukerkrieger. Äußerlich sichtbar ist in der Quellenliste nur der Nachweis eines Büchernetzwerkes, der genutzten Texte und des damit verbundenen intellektuellen Anspruchs, der sich auf den ganzen Kodex ausweitet. Selbst die Betonung des Wohlstands der Capodilista ist verborgen, muss aber auch für den außenstehenden Leser gar nicht erkennbar werden, denn die Zuordnung der Familie zu einer besitzenden Schicht ist bereits vorher in der Besitzliste geschehen. Ob die in der Liste verzeichneten Beziehungen tatsächlich bestanden haben, ist für die Wirkung des aufgerufenen Netzwerkes dabei nicht von Bedeutung. Für den wissenden Leser genügt bereits die Nennung der einzelnen Personennamen, um Capodilista in die aufgerufenen Gruppen einzuordnen. Damit demonstriert die Quellenliste nicht nur den intellektuellen Horizont Capodilistas, die Größe seiner Bibliothek und ein potentiell existierendes Büchernetzwerk, sondern auch seine Verbundenheit mit seiner Heimatstadt und möglicherweise sogar gut verborgene Unzufriedenheit mit der venezianischen Herrschaft über Padua.

III.5.3. Strategien zur Konstruktion von sozialen Kontakten und Gruppen in weiteren Text- und Bildelementen Die Strategien zur Darstellung von Kontakten, zur Konstruktion von Gruppen und sozialer Wirklichkeit sowie zur Anbindung der Familie Capodilista an einen spezifischen sozialen, politischen und intellektuellen Kreis innerhalb Paduas beschränken sich nicht nur auf die zwei Fallbeispiele. Vielmehr durchziehen diese Strategien in unterschiedlichen Ausformungen den ganzen Kodex. So finden sich auch noch an anderen Stellen im Text gehäuft die Namen von Zeitgenossen Capodilistas, insbesondere in Zeugenlisten. Unmittelbar zu Beginn tritt beispielsweise eine Sammlung von Personennamen auf, die in Verbindung mit Capodilistas erster Ausübung des Palatinats stehen.477 Beschrieben werden drei getrennte Handlungen: Zunächst die Ernennung des Antonio Bruges als Notar und Richter am 17. Februar 1435 in Basel, wobei vier Zeugen aufgeführt werden: Leonardo dei Pesci, Rolando del Cortivo, ein als 477 

B.P. 954, fol.  1v.

III.5. Narrative Strategien in den Texten und Bildern des Capodilista-Kodex

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Sekretär bezeichneter Bartolomeo und ein nicht weiter benannter Nicola, vermutlich beide aus dem Umfeld der venezianischen Gesandtschaft.478 Danach wird die am 19. Juli 1435 erfolgte Verleihung eines Wappenbriefes an den abwesenden Manfredo del Cortivo beschrieben, während der sein Sohn Rolando als Stellvertreter die Rolle seines Vaters übernahm.479 Als Zeugen fungieren wieder Rolando del Cortivo, der Bischof Tommaso di Farnese, der als Bischof von Osimano bezeichnete Andrea da Montecchio480, und der als kaiserliche und apostolische Notar aufgeführte Giovanni da Roccapetri. Die letzte Erwähnung beschreibt die Verleihung eines Wappens mit einer schwarzen Lilie am 16. September 1435 in Basel an die nicht näher benannten „magistro Iohani et fratribus“481. Als Zeuge wird der kaiserliche Notar Enrico Curner aus Utrecht genannt. Die letzte Bemerkung bezieht sich dann auf Capodilistas Ausübung seines Amtes in Padua, die zum größten Teil von dem im Viertel um Santa Croce lebenden Notar Pietro Benedetto bezeugt und offiziell verschriftlich worden seien.482 Auch die restlichen Namensnennungen finden sich fast ausschließlich in autobiographisch berichtenden Textabschnitten, oder in solchen, die unvermittelt eine Brücke in Capodilistas Gegenwart schlagen. In seiner eigenen Kurzbiographie483 nennt Giovan Francesco vier Juristen, mit denen er zeitgleich in Konkurrenz an der Universität in Padua unterrichtet habe: Signorino degli Omidei484, Giacomo Saliceto485, Raffaele

478  Andrea Gatari nennt in seiner Aufzählung der Gesandtschaft keine Namen, die diesen beiden genannten Personen zugeordnet werden könnten. Durch den regen Austausch an Personal und die intensive Reisetätigkeit der Gesandten kann es aber sein, dass sie erst nachträglich zu den in Basel stationierten Gesandten gestoßen sind. Zur Liste Andrea Gataris siehe Tagebuch des Andrea Gatri (wie Anm.  23), 377 f. 479  Der entsprechende Wappenbrief ist als B.P. 1641/VII erhalten. Siehe ausführlich oben. 480  Gemeint ist das heutige Bistum Ancona-Osimo. 481  B.P. 954, fol.  1v. 482  Tatsächlich hat Capodilista nach seiner endgültigen Rückkehr nach Padua nach 1442 in zahlreichen Akten Gebrauch von seiner Würde als Hofpfalzgraf gemacht. Dabei hat er mit unterschiedlichen Notaren gearbeitet, beispielsweise 1444 mit dem Notar Mazzato Lorenzo. Siehe ASP, Archivio Notariale, vol.  536, fol.  393r. 483  B.P. 954, fol.  32r. 484  Eigentlich Signorino Omodei. Ursprünglich aus Mailand stammender Jurist, der in P ­ avia studiert hatte und dort lehrte. Ab 1398 unterrichtete er immer wieder für kurze Zeit in Padua, bis er schließlich nach 1407 vollständig an die Universität Padua abwanderte und dort Zivilrecht las. Danach wechselte er als einer der ersten Professoren an die neugegründete Schule in Turin und beteiligte sich an der Gründung der Universität in Parma, um nach Pavia zurück­ zukehren. Siehe Belloni, Professori giuristi (wie Anm.  362), 314. Belloni nutzt zur Erstellung der Biographie ebenfalls den Capodilista-Kodex. 485  Giacomo da Saliceto, ursprünglich in Bologna ausgebildet und von dort vertrieben. Er lehrte von 1399 an in Padua, und kehrte 1404 bereits wieder nach Bologna zurück. Auch hier griff Belloni erneut auf den Capodilista-Kodex zurück, um die Biographie zu rekonstruieren. Siehe ebd., 215 f.

300 III. Pergament. Giovan Francesco Capodilista und sein Selbstbild im Capodilista-Kodex Fulgosio486 und Paolo da Castro487. Nicht alle genannten waren zur Zeit der Abfassung des Kodex um 1434 noch am Leben oder lehrten noch in Padua. Diese vier Juristen bleiben die einzigen genannten Zeitgenossen in Capodilistas Kurzbiographie. Weder erwähnt er die weiteren Gesandten in Basel noch sonstige Personen, mit denen er während seinen Reisen Kontakt hatte. Die nächsten Nennungen sind die des Generals des Minoritenordens Guglielmo da Casale in einer von ihm für Capodilista am 25. Juli 1434 in Basel ausgestellten Urkunde,488 die Giovan Francesco und seine Familie in das Gebetsgedenken des Ordens aufnimmt und ihm im Falle seines Todes Messen zum Heil seiner Seele zu­sichert. Eine ähnliche Urkunde habe er auch vom General des Karmeliterordens und dem des Kamaldulenserordens erhalten, wobei er beide nicht mit Namen kennzeichnet. Dadurch wird unklar, wer genau diese Urkunden ausgestellt haben könnte, falls sie tatsächlich existiert haben. Die Führung des Karmeliterordens beispielsweise wechselte 1434, als Jean Facy die Rolle des Ordensgenerals von Bartolomeo Rocalli übernahm.489 Der Vertreter des Kamaldulenserordens auf dem Basler Konzil war der Ordensgeneral und berühmte Humanist Ambrogio Traversari, der zur gemäßigteren, papstfreundlichen Partei gehörte.490 Weiter berichtet Capodilista, er habe dieselben 486  Raffaele

Fulgosio wird schon im akademischen Jahr 1422/23 als Lehrender des Zivilrechts im Rotulus der Universität geführt. Er hatte in Pavia studiert, stammte aber ursprünglich aus Piacenza. Sein im Rotulus angegebenes Gehalt von 1000 Dukaten (Fl.) macht deutlich, wie angesehen Fulgosio war – Capodilista, als bestbezahltester Professor für kanonisches Recht, erhielt nur 200 Dukaten (Fl.) im Jahr. Siehe Grendler, The Universities of the Italian Renaissance (wie Anm.  443), 24. Raffaele Fulgosio hatte in Bologna und Pavia studiert und lehrte in Pavia und Piacenza. Von Signorino Omodei wurde er vermutlich 1407 nach Padua gerufen. Unterbrochen durch seinen Aufenthalt am Konstanzer Konzil lehrte Fulgosio erfolgreich bis zu seinem Tod durch die Pest 1427 durchgehen in Padua. Siehe Belloni, Professori giuristi (wie Anm.  362), 306. 487  Paolo da Castro studierte in Perugia und Avignon, wo er später auch lehrte. Weiter unterrichtete er in Florenz, Viterbo, und Siena. Nach 1423 wurde da Castro nach Padua gerufen, um in Konkurrenz mit Capodilista zu lesen, der zu diesem Zeitpunkt die morgendliche Zivilrechtsvorlesung hielt. Da Castro blieb aber zunächst nicht in Padua. Erst nach 1428 war da Castro in Padua verzeichnet, lehrte aber nicht in Konkurrenz mit Capodilistas Vormittagsvorlesung, sondern nachmittags. Diese Gewohnheit wechselte mehrmals nach Capodilistas Abreise nach Basel. Da Castro blieb bis zu seinem Tod 1441 in Padua. 1435 hielt er sich vermutlich in Basel auf, wo sein Sohn Giovanni da Castro als Bankier für Tommaso Spinelli arbeitete. Er hinterließ ein ungewöhnlich umfangreiches Œuvre an juristischen Werken. Belloni, Professori giuristi (wie Anm.  362), 283–296. Zu da Castro in Basel siehe Jacks, Philip/Caferro, William, The Spinelli of Florence. Fortunes of a Renaissance Merchant Family, University Park 2001, 43. 488  B.P. 954, fol.  35r. 489  Siehe Helmrath, Das Basler Konzil (wie Anm.  225), 127. 490  Hinweise mit Literatur Helmrath, Das Basler Konzil (wie Anm.  225), 172. Zu Traversari siehe Stinger, Charles L., Humanism and the church fathers. Ambrogio Traversari (1386– 1439) and Christian Antiquity in the Italian Renaissance, Albany 1977. Für die Ereignisgeschichte immer noch nützlich Masius, Alfred, Über die Stellung des Kamaldulensers Ambrogio Traversari zum Papst Eugen IV. und zum Basler Konzil, Döbeln 1888.

III.5. Narrative Strategien in den Texten und Bildern des Capodilista-Kodex

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Urkunden auch für Manfredo del Cortivo bekommen, den Giovan Francesco an dieser Stelle erstmals als seinen „compater“ bezeichnet, was die Rolle del Cortivos als Pate für Giovan Francescos Kinder bezeichnet.491 Zuletzt finden sich wieder zeit­ genössische Namen am Ende des Kodex, in den Zeugennennungen zur Über­setzung einer Legationsurkunde für Pietro Capodilista, die aus dem Armenischen ins Lateinische übersetzt wurde.492 Genannt ist zuerst der Übersetzter Giorgio di San Nicola dell’Armenia, der die Urkunde 1433 in Venedig übersetzt hätte. Als Zeugen fungieren in Venedig Corrado di Monreale, ein promovierter Jurist, und Ludovico Fabiani aus Padua. Von diesen vier Elementen mit Namensnennungen im Kodex sind zwei deutlich in ihrer Funktion von der vorher besprochenen Quellenliste zu unterscheiden. Die Zeugennennungen zu Beginn und am Ende sollen die Echtheit der benannten Ereignisse oder Dokumente belegen, und greifen daher weniger auf gezielt gewählte Persönlichkeiten aus einem bestimmten Umfeld zurück. Stattdessen spiegeln sie die aktuelle Situation, und bezeichnen einfach vor Ort anwesende Personen. Besonders bei den zu Beginn des Kodex genannten Amtshandlungen, die Capodilista in seiner Funktion als Hofpfalzgraf ausführt, ist durch die Dichte der seinem Gefolge zuzuordnenden Personen zu vermuten, dass die aufgeführten Namen tatsächlich die Teilnahme der Bezeichneten an den rechtlichen Akten widerspiegeln. Die vier Namen der Juristen in der Kurzbiographie Giovan Francescos selbst und die Nennung der Ordensgeneräle in der Urkunde des Minoritenoberen Guglielmo da Casale hingegen übernehmen wieder ähnliche Funktionen wie die Namen der Quellenliste und dienen der Eingliederung Capodilistas in einen gesellschaftlich anerkannten Rahmen. Die vier Juristen untermauern einerseits seinen eigenen Status als Jurist und verorten ihn als gleichwertiges Mitglied einer hochangesehenen Gruppierung. Die Namensnennungen innerhalb der Urkunden weisen dagegen eher auf das durch seine Bekanntschaften in Basel und Padua gewonnene soziale Kapital, das sich in einem Fall auch in „religiöses Kapital“ umwandeln lässt und der Familie die Aufnahme in das Gebetsgedenken des Ordens zusichert. Gleichzeitig betont die Urkunde die Leistungen der Familie, die explizit genannt und als Grund für die Würdigung aufgeführt werden. Daran angebunden ist ein Lob auf Capodilistas eigene Leistungen und vor allem für seinen Einsatz für den Orden. Zusätzlich ist die Nennung des Oberen des Franziskanerordens auch ein Hinweis auf das Umfeld Capodilistas in Padua, denn Guglielmo da Casale hatte dort bis 1420 an der theologischen Fakultät der Universität gewirkt und zunächst den Titel eines Magister erworben.493 Er wurde apostolischer Notar unter Papst Martin V., und spielte eine tragende Rolle in den Reformbemühungen des Franziskanerordens zu Beginn der 1430er Jahre und den Auseinandersetzungen zwischen 491  Compater bezeichnet als Ehrentitel den Paten der eigenen Kinder. Siehe Haas, Il mio buon compare (wie Anm.  217), 350. 492  B.P. 954, fol.  37v. 493  Caliò, Tommaso, Art. Guglielmo da Casale. DBI (60) 2003, 800–802.

302 III. Pergament. Giovan Francesco Capodilista und sein Selbstbild im Capodilista-Kodex Konventualen und Observanten. Auf dem Basler Konzil war er seit 1433 anwesend und beobachtete die Ordenspolitik der Konzilsväter. Er verließ das Konzil erst nach dem Bruch der Basler mit Papst Eugen IV. und reiste dann von Basel zum Konzil in Ferrara/Florenz. Schließlich übernahm er auch diplomatische Aufgaben für Eugen IV., unter anderem eine Legation nach Frankfurt, bevor er 1442 in Florenz starb.494 Dass Capodilista den Namen von Guglielmo da Casale nennt und die Urkunde des Franziskanerordens für seine Familie zitiert, könnte zunächst pragmatischen daran liegen, dass genau diese Urkunde Capodilista gerade vorlag und deshalb leicht in den Kodex eingefügt werden konnte. Ungewöhnlich ist aber, dass Capodilista zwar behauptet, noch zwei weitere Urkunden vorliegen gehabt zu haben, aber deren Aus­ steller nicht namentlich nennt. Diese Auswahl ist insofern bemerkenswert, da eine der anderen Urkunden von dem bekannten Humanisten Ambrogio Traversari stammen sollte, dessen Fähigkeiten als Redner und ausführlicher Briefwechsel breite Aufmerksamkeit erlangten.495 Die Nennung Traversaris als Aussteller einer Urkunde für die Familie Capodilista und die damit verbundene Andeutung eines Kontaktes wären für Giovan Francesco erheblich prestigeträchtiger gewesen als die ausführliche Darlegung der Urkunde von Guglielmo da Casale. Außerdem war die Familie Capodilista den Kamaldulensern über eine Geschäfts- und Stiftungsbeziehung gegenüber dem Konvent S. Michele di Murano spätestens seit 1433 verbunden, so dass eine Aufnahme der Familie in das Gebetsgedenken des Ordens als logische Reaktion erscheint.496 Aber da Casale wies eine direkte Verbindung zu Padua auf, und es ist nicht auszuschließen, dass er Capodilista und seine Familie aus seiner Zeit an der Universität Padua persönlich kannte. Damit wäre die Anbindung an Padua über diesen Kontakt stärker gegeben, als sie es über eine prestigeträchtigere Verbindung zu Ambrogio Traversari gewesen wäre. Auch hier ist also die Stadt Padua wieder der Fixpunkt, auf den die Konzeption und Auswahl des Materials im Kodex ausgerichtet ist. Deutlicher als in der Nennung der Personen in den im Kodex verzeichneten Dokumenten ist die Anknüpfung der Familie Capodilista an die Stadt Padua in den historisch erzählenden Textteilen des Kodex. Eine Liste aller bekannten Familienmitglieder verortet sie chronologisch, nennt die jeweiligen Ehepartner und deren Kinder, und fungiert damit quasi als eine Art Register.497 Die Überschrift der Liste bezeichnet die genannten Personen als alle in Chroniken und „publicis documentis“ zu findenden Familienmitglieder. Die Liste führt insgesamt 41 männliche Familienmitglieder auf und nennt ihre Ehepartner sowie die Anzahl und die Namen ihrer Kinder, teilweise auch deren Ehepartner. Gelegentlich werden auch noch ergänzende Informationen gegeben, beispielsweise wenn ein Familienmitglied bereits in jungen Jahren gestorben ist. Insgesamt bleiben die Einträge aber knapp und auf das Notwen494 

Siehe ebd. Helmrath, Das Basler Konzil (wie Anm.  225), 172. 496  Heute S. Michele in Isola. Siehe weiter oben. 497  B.P. 954, fol.  5v. 495 

III.5. Narrative Strategien in den Texten und Bildern des Capodilista-Kodex

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digste beschränkt. Sie erinnern damit stark an die in Padua und auch Venedig weit verbreiteten Stammbäume, die heute noch in großer Zahl in der Archivüberlieferung zu finden sind. Auch dem Capodilista-Kodex muss ursprünglich ein Stammbaum angegliedert gewesen sein, der aber verloren ist.498 Der Informationsgehalt dieser Personenliste entspricht dem eines solchen Stammbaumes, und vielleicht stellt die Auflistung auch nichts anderes dar als die Umwandlung einer solchen grafischen Darstellungsform in Textform. Inhaltlich gelingt es auch mit dieser Liste, die Fami­ lienmitglieder in einen elitären gesellschaftlichen Rahmen einzugliedern. Vor allem in den Heiratsverbindungen der Capodilista zu anderen Familien fallen Namen auf, die bereits in der Quellenliste oder in der Besitzliste als einflussreich etabliert wurden. Genannt werden die Scrovegni, Zabarella, Ovetari, Buzzaccarini und die Familie Mussato. Durch die Heiratsverbindungen werden auch erstmals die Frauen der Familie Capodilista erwähnt, die hier als Töchter aufgeführt sind, ansonsten im ­Kodex aber an keiner einzigen Stelle erwähnt werden und auch über die verbreiteten Stammbäume meist nicht greifbar sind. So erfährt man aus der Personenliste, dass Giovan Francesco selbst zwei Schwestern hatte, Sara und Beatrice, die beide erfolgreich verheiratet wurden.499 Gleichzeitig ist auffallend, dass viele der genannten Namen in den Kurzbiogra­ phien nicht wieder auftauchen. Dies ist nicht weiter verwunderlich, denn immerhin enthält der Kodex nur 26 Kurzbiographien, und die Liste 41 Namen. Aber die Namen der Liste sind nicht deckungsgleich mit denen der Kurzbiographien. Von 26 Kurzbiographien sind nur 17 auf Personen bezogen, die auch in der Liste genannt werden. Wird die Personenliste nun gemäß der Überschrift tatsächlich als Register gewertet, das alle über Quellen nachweisbaren Personen der Familie aufführt, ist im Umkehrschluss für neun der später dargestellten Reiter der Verdacht der Fiktionalität zu erheben. Dies betrifft vor allem eine besonders prominente Biographie, nämlich die des Pietro Capodilista dei Transelgardi500, dem als Kleriker eine bemerkenswerte Karriere zugeschrieben wird, die ihn nach Konstantinopel und von dort aus weiter ins Heilige Land geführt habe (Abb. 3). Zeitlich wird Pietro Capodilista dei Transelgardi in der Reiterreihe zwischen den drei Brüdern eingeordnet, die gemeinsam mit Karl dem Großen gegen die Langobarden gekämpft haben sollten. Die ihn betreffende 498 

Die Eintragung zu diesem Stammbaum auf der letzten Seite des Kodex von einer anderen, vermutlich späteren Hand lautet „Sono in tutte carte trentaotto e un arbor del 1134“. B.P. 954, fol.  38r. Blason-Berton vermutet hinter diesem letzten Vermerk den Kopisten der Handschrift B des Kodex, die heute in Venedig aufbewahrt wird. Dies bleibt allerdings fraglich. Der gemeinte Stammbaum ist heute nicht mehr rekonstruierbar, wurde aber vielleicht in einem der zahlreichen Stammbäume verwertet, die heute noch in der Biblioteca Civica aufbewahrt werden oder entsprach dem, der in Abschrift B noch heute enthalten ist. Siehe Blason-Berton, De Viris Illustribus (wie Anm.  2), 88, Fn.  4. 499  Sara Capodilista heiratete den Mediziner und Juristen Nicolò Porcellini, Beatrice Capodilista den als Adligen bezeichneten Paolo Ongarelli. B.P. 954, fol.  6r. 500  B.P. 954, fol.  9r.

304 III. Pergament. Giovan Francesco Capodilista und sein Selbstbild im Capodilista-Kodex Urkunde wird in der Kurzbiographie als in goldenen Lettern geschrieben charakterisiert. Sie sei, so Capodilista, immer noch im Besitz der Familie, und ihr Inhalt weiter hinten im Kodex wiedergegeben. Datiert wird die Urkunde auf den Monat September 746. Die Beschreibung erläutert weiter, dass Pietro Capodilista Erzbischof von Jerusalem gewesen sei und die Urkunde von Papst Gregor erhalten habe.501 Die Urkunde sei größtenteils auf Armenisch verfasst, was die dahinter eingefügten Übersetzungsbeglaubigungen bestätigten sollen. Inhaltlich handelt es sich dabei um eine Beauftragung Pietro Capodilista dei Transelgardis durch Papst Gregor, der ihn als Erzbischof und Graf von Bethlehem nach Jerusalem entsendet habe, um die Aufsicht über die Kirchen der Stadt zu führen.502 Gelobt wird Pietros beispielhaftes Verhalten und seine Tugend, und er wird mit umfangreichen Vollmachten ausgestattet. Beglaubigt wird die Abschrift der Urkunde durch die Beschreibung eines Siegels, dessen Aussteller aber nicht näher bezeichnet wird, und die Erwähnung der Übersetzer und deren Zeugen. Als Ort für die Übersetzung wird Venedig im Jahr 1433 angegeben. Wortwahl, Stil und der Aufbau der Urkunde weisen darauf hin, dass ihre Produktion ungefähr zeitglich mit der Entstehung des Kodex oder den Vorbereitungsarbeiten dazu zu verorten ist. Der Hinweis, die Urkunde sei in den Händen der Familie Capodilista und werde in deren Haus aufbewahrt, ist wenig stichhaltig. Dazu ist auffällig, dass der Capodilista-Kodex in Basel verfasst wurde und der Aufbewahrungsort der Urkunde mit Padua angegeben wird. Die Einführung früher legendarischer Familienmitglieder in Genealogien ist nicht ungewöhnlich, und dass Capodilista einen ranghohen Kleriker mit diplomatischen Aufgaben in seinen Kodex einbindet, passt in das Gesamtbild des Werkes und spezifisch zu Capodilistas eigener diplomatischer Karriere. Ob nun alle nicht in der Personenliste genannten Familienmitglieder für fiktiv zu halten sind, muss unklar bleiben. Immerhin führt die Liste auch einige Mitglieder der Familie Capodilista nicht, die in anderen Quellen nachweisbar sind. So führt die Reiterreihe den Bischof Gauslino auf, dessen Ernennung für 978 angesetzt wird. Tatsächlich gibt es Nachweise über einen Bischof Gauslinus, der möglicherweise der Familie Transelgardi zugeordnet werden kann, allerdings 967 zum Bischof erhoben wurde.503 Im Capodilista-Kodex wird er im Zusammenhang mit einem besonderen Patronatsrecht der Familie Transelgardi über die Kirche S. Giustina genannt. Dazu zählt Giovan Francesco die Schenkungen der Familie an die Kirche und das dazugehörige Kloster auf, die vor allem in Geldbeträgen bestanden hätten. Die Verbindung zwischen der Familie Capodilista und dem Kloster von S. Giustina scheint auch in der Quellenliste auf, in der die Büchersammlung des Konvents erwähnt wird. Auch die Gelehrtendarstellung enthält einige Namen, die nicht eindeutig zu genannten Familienmitgliedern aus der Perso501 

Gemeint ist hier vielleicht der 741 verstorbene Papst Gregor III. B.P. 954, fol.  37r. 503  Gams, Pius Bonifacios (Hg.), Series Episcoporum Ecclesiae Catholicae. Quotquot innotuerunt a beato Petro Apostolo, Regensburg 1873., 798. 502 

III.5. Narrative Strategien in den Texten und Bildern des Capodilista-Kodex

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nenliste oder den Kurzbiographien zuzuordnen sind. Zwei der genannten Familienmitglieder sind dazu nachweislich keine Gelehrten gewesen.504 Insgesamt werden die Namen von 58 Familienmitgliedern im Kodex erwähnt, wovon neun nur in den Kurzbiographien und sieben nur in der Gelehrtendarstellung und den dazugehörigen kurzen Texten auftauchen. In der Personenliste findet sich wieder der von Capodilista bereits in der Quellenliste genutzte Topos der Wahrheitsbeteuerung in Verbindung mit dem Hinweis auf benutzte Quellen. Er ist auch in den Kurzbiographien greifbar, in denen die genutzten Dokumente und historiographischen Schriften mit den gleichen Erläuterungen wie in der Quellenliste aufgeführt werden. So wird in der Kurzbiographie des Bischofs Gauslino dei Transelgardi auf die Chronik hingewiesen, „ut legitur in cronica que est apud illos de Ovetariis.“505 Die Biographie von dessen Bruder Giovanni ist auch durch einen solchen Nachweis ausgezeichnet, allerdings beruft Capodilista sich dort auf die Annalen des d’Alessio. Gleichzeitig erwähnt er aber auch, dass er nicht viel über Giovanni wisse, weil er sehr jung gestorben sei.506 Dieses Muster zieht sich durch alle Kurzbiographien, wobei die Länge der jeweiligen Texte stark voneinander abweicht. Nicht in jedem der Texte werden Quellen genannt, aber die Mehrzahl der erwähnten Personen wird mit irgendeiner Form von beglaubigenden Dokumenten in Verbindung gebracht. Auffallend an der Aufteilung der in den Kurzbiographien genannten Personen, die nicht in der Personenliste vorkommen, ist die gleichmäßige Verteilung der neuen Namen. Die als potentiell fiktiv zu markierenden Personen sind nicht gebündelt in den weiter in der Vergangenheit liegenden Abschnitten der Reiterreihe zu finden. Auch im 13. und 14. Jahrhundert finden sich potentiell fiktive Biographien, also durchaus in einer für Capodilistas Gegenwart zugänglichen oder über orale Erinnerung vermittelten Zeit. Besonders auffällig ist der Fall der Biographie des Gabriele dei Transelgardi.507 Die Kurzbiographie beschreibt ihn als „antiquus curialis“, der zunächst Erzbischof von Aix gewesen und dann von Papst Clemens V. nach Rom geschickt worden sei. Dort sei er gestorben und auch begraben. Als Beweis nennt Capodilista heraldische Embleme, die sowohl in Venedig in der „prima camera Patriarchatus“, an einer nicht genannten Kirche in Avignon und in Rom an zahlreichen Orten zu finden seien. An diese kurzen Ausführungen knüpft Capodilista einen bemerkens­werten autobiographischen Abschnitt an, in dem er von seiner eigenen 504  Keine gelehrten Juristen waren die genannten Frederico und Caroto Capodilista. Dagegen sind zwei um 1300 als Doktoren nachweisbare Familienmitglieder, Rolando und Antonio Capodilista, nicht in der Gelehrtendarstellung aufgeführt, wie bereits Hyde nachgewiesen hat. Siehe Hyde, Italian social chronicles (wie Anm.  115), 120. 505  B.P. 954, fol.  12r. 506  B.P. 954, fol.  13r. 507  B.P. 954, fol.  26r. Die Kurzbiographie Gabriele dei Transelgardis ist bereits Hyde als fiktionales Element innerhalb der Reiterreihe aufgefallen. Siehe Hyde, Italian social chronicles (wie Anm.  115), 120.

306 III. Pergament. Giovan Francesco Capodilista und sein Selbstbild im Capodilista-Kodex Reise nach Avignon berichtet. Dort habe er gehört, dass noch andere Männer seiner Familie Kardinäle gewesen seien, namentlich ein Giovanni und ein Pietro Capodilista, und dass noch heute viele Nachfahren seiner Familie in Avignon lebten. Als Gewährsmann nennt er einen „spectabilis doctor Foresius“.508 Dieser sei mit einer Nachfahrin der nach Avignon gelangten Mitglieder der Familie Capodilista verheiratet, habe aber keine Kinder. Er habe weiter berichtet, dass die nach Südfrankreich gelangten Capodilista dorthin gekommen seien, nachdem sie sich Karl dem Großen angeschlossen und eine Burg als Dank für ihre Dienste erhalten hätten. Diese sei an der Straße nach Paris gelegen, als „Mon Merle“ bezeichnet worden und der Namensgeber für das Anwesen der Transelgardi auf dem Monte Merlo geworden.509 Dieser Einschub ist für die sonstige Konzeption der Kurzbiographien ungewöhnlich. Die anderen Texte bringen Giovan Francesco selten als Erzähler in den Text ein, und der in der ersten Person Singular abgefasste kurze Bericht über Capodilistas Entdeckungen in Avignon ist in diesem Teil des Kodex singulär. Dass die Person Gabriele dei Transelgardis weder als Bischof von Aix noch überhaupt als historisches Mitglied der Familie nachgewiesen ist, verwundert nicht. Auch eine Reise Capodilistas nach Avignon vor dem Beginn der Abfassung des Kodex 1434 ist nicht belegt, und erscheint angesichts seiner Situation in den Jahren vor seiner Abreise nach Basel als unwahrscheinlich. Auffällig in der Kurzbiographie ist auch, dass das Wort „Rom“ in der Beschreibung des Sterbeortes Gabrieles ausgelassen wurde und erst nachträglich von einer späteren Hand eingefügt worden ist. Die Struktur des Textes ist komplex und folgt keinem chronologischen Ablauf. Zunächst wird von der Person Gabrieles als Bischof von Aix unter Papst Clemens V. (1305–1316) berichtet, um danach in einem Rückgriff zu erzählen, dass bereits Vorfahren der Familie in Avignon gelebt hätten. Dieser Bericht bricht die sonstige chronologische Erzählstruktur des Kodex auf, und wirkt schon wegen seiner Anknüpfung an die legendarische Herkunftserzählung wie ein späterer Einschub, der noch in die Kurzbiographien eingebracht werden musste. Dieses Phäno­men kommt noch an einigen anderen Stellen im Text vor, wie beispielsweise bei der nachträglich eingeschobenen Erzählung zur Herkunft der Chronik des d’Alessio.510 Auffällig ist in der Biographie Gabrieles dei Transelgardi auch, dass die Anknüpfung an Padua gänzlich fehlt, die sonst in fast allen anderen Kurzbiographien sehr deutlich ist. So sind beispielweise in den Kurzbiographien der Familienmit­ glieder aus dem 14. und 15. Jahrhundert oft die Begräbnisorte in Padua genannt: So bei Giordano Forzatè dei Transelgardi und Marco Forzatè dei Transelgardi (beide in S. Nicolò), Ludovico dei Transelgardi (Kloster der Prediger, vermutlich an die Basilica del Sant’ Antonio angeschlossen) und Aledusio Forzatè (S. Agostino).511 Dabei 508 

B.P. 954., fol.  26r. Montemerlo ist als geographische Bezeichnung nachweisbar und heute Stadtteil der Gemeinde Cervarese Santa Croce, gelegen zwischen Padua und Vicenza. 510  Die ausführliche Erläuterung wird erst am Ende des Kodex eingeschoben, im Anschluss an das fiktive Privileg Pietro Capodilistas. Siehe B.P. 954, fol.  36v. 511  B.P. 954, hier fol.  28r, 29r, 30r und 31r. 509 

III.5. Narrative Strategien in den Texten und Bildern des Capodilista-Kodex

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erwähnt Capodilista nicht, dass die Kirche San Nicolò die traditionelle Grabkapelle der Familie Forzatè beherbergt, in der viele Familienmitglieder bis zum Aussterben des Mannesstammes der Familie zu Beginn des 15. Jahrhunderts bestattet wurden.512 Diese Informationen zu Begräbnisorten fehlen häufig für die früheren Familienmitglieder. Alle Kurzbiographien enthalten gleichermaßen Informationen zu den politischen und gesellschaftlichen Leistungen der Genannten, die teilweise über Quellenhin­ weise bestätigt werden. Durch die Ansippung der Capodilista an die seit langer Zeit in Padua gesellschaftlich etablierten und bereits mit den Transelgardi verbunden Forzatè, hatte Giovan Francesco tatsächlich zahlreiche Familienmitglieder, die in ­Padua bedeutende Ämter übernommen hatten und aktive Rollen in der Geschichte der Stadt spielten.513 So ist neben Gauslino Transelgardi noch Giovanni Forzatè dei Transelgardi als Bischof von Padua bis 1285 nachweisbar.514 Für ihn ist als eines der wenigen frühen Familienmitglieder die Kathedrale als Begräbnisort angegeben. Andere Mitglieder der Familie waren in der Politik der Kommune Padua aktiv, wie der 1183 als Podestà fungierende Transelgardino dei Transelgardi.515 Die weiteren in den Kurzbiographien beschriebenen Lebenswege zeichnen sich durch ähnliche Leistungen aus. Federico Capodilista dei Transelgardi fungierte beispielsweise als Podestà in Vicenza.516 Andere verließen Padua, entweder auf der Flucht vor politisch ungünstigen Konstellationen, wie Pisano Capodilista, der als Anhänger der Ghibellinen vor den guelfischen Carrara flüchten musste.517 Ein Vorfahre Pisanos, Giovanni Federico Capodilista, war von Ubertino Carrara als Anhänger der Ghibellinen gefangen gesetzt worden und in Gefangenschaft gestorben.518 Ähnlich erging es später Ludovico Forzatè dei Transelgardi, der als Anhänger Marsiglio da Carraras von dem mit Marsiglio um die Macht ringenden Francesco Vecchio da Carrara hingerichtet worden war.519 Andere vorgestellte Familienmitglieder hatten Padua verlassen und waren nach Venedig,520 Modena521 oder aus Freundschaft zu Alberto della Scala mit diesem 512  Zur Familienentwicklung der Forzatè siehe den Anhang bei Kohl, Fedeltà e Tradimento (wie Anm.  196). 513  Die Verbindung zwischen den Capodilista, Forzatè und Transelgardi ist bereits in der Chronik De Generatione des Giovanni da Nono aus der 1. Hälfte des 14. Jahrhunderts nachweisbar. Siehe B.P. 1239/XXIX, fol.  12v. 514  Es ist unklar, ob Giovanni Forzatè ab 1250 oder erst nach dem Ende der Herrschaft Ezzelino da Romans 1256 als Bischof von Padua bestätigt wurde. Siehe Series Episcoporum Ecclesiae Catholicae (wie Anm.  503), 798. 515  Blason-Berton, De Viris Illustribus (wie Anm.  2), 79, Fn.  2. 516  B.P. 954, fol.  23r. 517  B.P. 954, fol.  27r. 518  Ebd., fol.  25r. 519  Ebd., fol.  30r. 520  Marco Forzatè dei Transelgardi, der in Venedig in den Franziskanerorden eingetreten und dort für seine tugendhafte Lebensführung zu Ehren gelangt sei. B.P. 954., fol.  29r. 521  Aldusio Forzatè, der als Freund Nicolò d’Estes eingeführt und als „capitaneus“ Modenas

308 III. Pergament. Giovan Francesco Capodilista und sein Selbstbild im Capodilista-Kodex nach Verona gegangen.522 Die Loyalität und der Einsatz der Familienmitglieder für Padua zieht sich auch hier wieder als roter Faden durch die Biographien hindurch. Zusätzlich zu dem bereits in vorherigen Textteilen etablierten Fokus auf die Stadt werden noch weitere Besonderheiten zur Verortung der Familie aufgerufen. Dazu gehört die Zugehörigkeit der Familie zur Fraktion der Ghibellinen in Padua, die sie nach der Erzählung Capodilistas auch gegen den Widerstand der regierenden Carrara und trotz Vorwürfen des Verrats über Generationen beibehalten hätten. In der Bio­ graphie Giovanni Federico Capodilista dei Transelgardi wird er sogar als „partis ­Gibolenge capud [sic!]“ bezeichnet, und Enrico Forzatè dei Transelgardi wird als einer der Bürger eingeführt, die in der Partei Friedrichs II. gegen Ezzelino III. da Romano gekämpft hätte.523 Bedenkt man die Erhebung Giovan Francecos zum Hofpfalzgrafen durch Kaiser Sigismund als einen der äußeren Anlässe zur Entstehung des Kodex während des Basler Konzils nach 1434, erscheint die Verortung der Familie als historisch immer der Ghibellinenfraktion zugehörig zusätzlich sinnstiftend. Dazu erinnert diese Erwähnung an die Zeit von 1320 bis 1325, in der Padua als ­„civitas regia“ dem deutsch-römischen Reich angehörte.524 Ähnlich verhält es sich mit der Erwähnung Alberto della Scalas, dessen Nachfahre Bartolomeo della Scala im Zusammenhang mit der Annalen des d’Alessio eine besondere Rolle für den Capodilista-Kodex spielt. Spuren der genutzten und in der Quellenliste aufgeführten Werke findet sich in fast allen Kurzbiographien. Allerdings enthält nur eine davon auch ein wörtliches Zitat. In der Biographie Transelgardus Forzatè de Transelgardis zitiert Capodilista über mehrere Zeilen hinweg einen kurzen, angeblich der Chronik des Ziliolus entnommenen Vers. Die Chronik des Ziliolus gehörte zu den Texten der Handschrift, aus der auch die Annalen des d’Alessio stammen sollen. Der Vers lobt die Stärke der drei Brüder Capodilista, die Vorgänge der Herkunftslegende, und den Wechsel des Familienwappens von dem ältere Uhrenwappen zu dem des roten steigenden Hirsches im gelben Schild. Dieses nur acht Zeilen umfassende, wahrscheinlich von Capodilista selbst stammende Gedicht fasst die gesamte Herkunftslegende der Familie auf eng­ stem Raum zusammen. Dass die Verse nur in einer der Kurzbiographien versteckt sind und keinen prominenteren Platz im Kodex einnehmen, liegt vermutlich am vorgestellt wird. Der Erzählung Capodilistas nach, die er nach eigener Aussage aus der Chronik des Galeazzo Gatari entnommen hat, starb er während eines Anschlags auf den Herren über Parma, Ottone de Terzi, der zu Friedensverhandlungen mit dem d’Este in Modena war und von einem nicht näher benannten Sforza ermordet wurde. Ebd., fol.  31r. 522  Matteo Capodilista dei Transelgardi, der während der kurzen Regierungszeit der della Scala über Padua zu dessen Anhänger geworden sei und nach dessen Vertreibung aus der Stadt hatte fliehen müssen. Ebd., fol.  24r. 523  B.P. 954, fol.  25r. „Gibolenge [sic!]“ Für die Biographie Enrico Forzatè dei Transelgardis ebd. fol.  18r. 524  Kohl, Padua under the Carrara (wie Anm.  361), 53. Zur politischen Situation in Padua im 14. Jahrhundert siehe auch weiter oben.

III.5. Narrative Strategien in den Texten und Bildern des Capodilista-Kodex

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Schreibprozess Capodilistas. Hier wie auch an einigen anderen Stellen, in denen ­spätere Textelemente vorherige ergänzen, wird erkennbar, dass Capodilista seinen bereits gebundenen Kodex von vorne nach hinten geschrieben haben muss.525 In den weiteren Bildelementen des Kodex ist die Anbindung an Padua deutlich weniger stark ausgeprägt als in den Textelementen. In der Reiterreihe ist die Darstellung der Stadtfahne Paduas, des roten Kreuzes auf weißem Grund, bei 16 von insgesamt 26 Illuminationen deutlich sichtbar. Die meisten Reiter tragen die Fahne entweder als Banner an einer Lanze oder einem Speer, als Schildbemalung oder in ihr eigenes Wappen inkorporiert. Die Gelehrtendarstellung zeigt keine heraldische Symbolik. Auch die Beischriften sind dort ausgesprochen knapp und führen meist nur den Namen und den akademischen Grad des Dargestellten auf. Die arkadenähnliche Struktur erscheint generisch, obwohl der Aufbau der Bögen an die inneren Wände der Loggia des nach einem Feuer 1420 aufwändig restaurierten und bis 1440 mit prächtigen Fresken ausgestatteten Palazzo della Ragione in Padua erinnert. Tatsächlich kann aber auch eine idealisierte Form der Galerie mit Rundbögen dafür Vorbild gestanden haben.526 Die darauf folgende Wappendarstellung auf Blatt 36r ruft dann entsprechend der Bedeutungsreichweite heraldischer Insignien die entsprechenden Gruppierungen oder Personen auf. Das neue, gebesserte Wappen Capodilistas wird von dem Wappen Kaiser Sigismunds überragt, flankiert heraldisch rechts durch das Wappen Venedigs und heraldisch links durch das Wappen Paduas. Insgesamt lässt sich also für den gesamten Kodex feststellen, dass Capodilista in Bild und Text Erzähl- und Darstellungsstrategien nutzte, die eine enge Anbindung seiner Familie an die Stadt Padua und ihre politische und gesellschaftlich Elite sowohl explizit als auch implizit darstellen. Am stärksten vertreten sind diese Darstellungsstrategien in Uhrenwappen, Quellenliste und Besitzliste. Aber auch andere Elemente des Kodex sind mit der gleichen Intention gestaltet. Die gezielte Konstruktion von Hinweisen auf Kontakte zur Konstituierung sozialen Prestiges findet sich dabei gehäuft in den auf die Autobiographie Capodilistas bezogenen Textstellen wie seiner eigenen Kurzbiographie oder den Berichten über seine Tätigkeit als Hofpfalzgraf. In historiographisch erzählenden Textteilen des Kodex, besonders in den Kurzbiographien, schreibt er seine Familie in einen Personenkreis ein, der sowohl positiv gegenüber der Familie Carrara eingestellt ist und gleichzeitig seine Familie als historische Anhänger der Ghibellinen einordnet. Damit einher geht eine allgemeine Betonung der gehobenen gesellschaftlichen Stellung seiner Vorfahren, die nach der Logik genealogischer Darstellungen das Prestige der Lebenden und ihrer Nachkommen verstärkt. Dabei fällt auf, das die fiktiv konstruierten Biographien teilweise an Capodi525  Hyde vermutet, dass der Codex nicht von Capodilista selbst durchgängig konzipiert wurde, sondern von einem Sekretär oder Gehilfen. Für die tatsächliche Verschriftlichung kann das aber nicht gelten: Dagegen sprechen die durchgängige Abfassung des Kodex in der Hand Giovan Francescos sowie einheitliche Merkmale des Schreibstils und durchgängigen Schreibbesonderheiten. Siehe Hyde, Italian social chronicles (wie Anm.  115), 120. 526  Zur Weiterverwendung des Bildtypus bei Michele Savonarola siehe weiter unten.

310 III. Pergament. Giovan Francesco Capodilista und sein Selbstbild im Capodilista-Kodex listas eigene Leistungen anzuspielen und diese vorauszuweisen scheinen, wie es beispielsweise bei dem als päpstlichen Diplomaten dargestellten Pietro Capodilista dei Transelgardi der Fall ist. An anderen Stellen verknüpft Giovan Francesco über autobiographische Bemerkungen die fiktiven Biographien mit seinen eigenen Erlebnissen und präsentiert so sich selbst in der Darstellung seines Vorfahren. Dafür kann exemplarisch die Biographie des fiktiven Bischofs von Aix Gabriele dei Transelgardi genannt werden, in die Capodilista nicht nur autobiographische Hinweise, sondern auch Nachträge zur Herkunftslegende der Familie einflicht. Er verbindet so historiographische Erzählstränge mit autobiographischen Elementen, und schafft damit ein durchgängiges Narrativ, das seine Familie und ihn selbst in bestimmten Gruppierungen innerhalb Paduas verortet. Die Einführung fiktiver Elemente, wie die Abfassung von Kurzbiographien für eigens erdachte Familienmitglieder, unterfüttert diese Konstruktion und manipuliert gleichzeitig die über historiographisches Schreiben entstehende Vergangenheit.527

527  Zur Praxis der Konstruktion fiktionaler Familienmitglieder in Genealogien besonders in der Biographik des 15. Jahrhunderts siehe Petersohn, Die Vita des Aufsteigers (wie Anm.  408), 24.

III.6. Der Verfasser in seinem Werk: Formen autobiographischen Erzählens im Capodilista-Kodex Der Schwerpunkt des Capodilista-Kodex liegt auf der Darstellung der Familiengeschichte der Capodilista über Jahrhunderte hinweg, was in der Bildausstattung und der Textauswahl auf den ersten Blick deutlich wird. Gleichzeitig ist der Kodex aber auch auf unterschiedlichen Ebenen untrennbar mit der Biographie des Verfassers verknüpft. Die Darstellung der Familie und der anderen städtischen Gruppenverbände in Text und Bild wird an vielen Stellen an die individuelle Person des Verfassers rückgebunden. Dabei gliedert er sich in die dargestellten Gruppen ein, tritt aber auch immer wieder als deutlich erkennbare Einzelperson in den Vordergrund. Auf der Ebene des Textes geschieht dies vor allem in abgeschlossenen Passagen zu seiner persönlichen Situation zum Zeitpunkt der Abfassung des Textes, aber auch durch kürzere eingeschobene Erzählungen und Bemerkungen zu seiner eigenen Biographie. Direkt zu Beginn des Textes tritt Capodilista dem Leser unmittelbar in der ersten Person Singular gegenüber, wenn er nach einer knappen Datierung und Ortsnennung von der ersten Ausübung seiner neu erworbenen Privilegien als Hofpfalzgraf spricht: „feci notarium et iudicem ordinarium“.528 Danach berichtet er zuerst von seiner Ernennung des Antonio Bruges zum Notar und Richter, dann über die weitere Ausübung seiner neuen Amtsrolle, und beschreibt sie mit Zeugen und Datumsnennungen, die bis ins Jahr 1435 hineinreichen und auf seine Rückkehr nach Padua hinweisen. Danach tritt Capodilista als Verfasser zunächst hinter den Text zurück, und berichtet im Anschluss an die Invocatio in der 3. Person Singular von der Auffindung der Annalen des d’Alessio in Basel.529 Das nächste Mal erscheint Giovan Francesco explizit als Verfasser wieder in einem kurzen Abschnitt unmittelbar vor der Quellenliste. Dieser nur wenige Zeilen umfassende Textteil enthält interessante Bemerkungen und Reflexionen zur Entstehung und Funktion des Kodex. Erstmals nennt Capodilista seine Familienangehörigen und Nachkommen als Adressaten, erläutert seine Vorgehensweise und fügt zum Schluss eine der vielen über den Kodex verstreuten Wahrheitsbeteuerungen an. Diese Zeilen, die als Metakommentar zum eigentlichen Text fungieren, sind erneut in der ersten Person Singular verfasst. Der Abschnitt beginnt mit der Erläuterung Capodi528  B.P. 954, fol.  1v. Bei der Datierung handelt es sich nicht um die formelle Invocatio mit Gottesanrufung, die erst auf 4r steht. 529  B.P. 954, fol.  4r.

312 III. Pergament. Giovan Francesco Capodilista und sein Selbstbild im Capodilista-Kodex listas zum Inhalt seines Werkes, das die Geschichte der Familie Transelgardi, Capodilista und Forzatè festhalte, über die er alles sammeln wolle („volui omnia colligere“).530 In der folgenden Beschreibung seines Vorgehens bleibt er als Verfasser-Ich weiterhin im Text präsent, und zeigt seine Vorgehensweise und Motivation zur An­ fertigung des Kodex auf. Er tritt dabei als bewusst Schreibender auf, der seinen Text gründlich konzipiert und gegenüber seinem Adressaten Rechenschaft über die Abfassung gibt. Dieses Bewusstsein kulminert in der Wahrheitsbeteuerung, die sowohl eine Versicherung zur Authentizität des Geschriebenen darstellt als auch die erklärte Verantwortung des Verfassers für seinen Text dokumentiert. Anmerkungen zu Giovan Francescos eigener Biographie sind dann in späteren Textteilen wieder zu finden. Dabei sind zwei Typen der autobiographischen Notiz zu unterscheiden. Erscheint Giovan Francesco in den seiner Familiengeschichte gewidmeten Textelementen als Glied in einer Kette aus Vorfahren und Nachkommen, sind die Bemerkungen zu seiner Biographie denen der anderen Familienmitglieder angepasst. Abgefasst in der vorherrschenden dritten Person Singular und im Umfang den sonstigen Abschnitten ähnlich, ordnen sie Giovan Francesco auch formal fest in den genealogischen Familienverbund ein.531 Deutlich wird das unter anderem an der Nennung seines Namens in der Personenliste und seinem Portrait in der Gruppendarstellung der Gelehrten mit der dazugehörigen Beischrift.532 Die Kurzbiographie zum Reiterportrait Giovan Francescos entspricht ebenfalls diesem Typus, obwohl sie sich in einigen Details von den anderen Texten der Reiterreihe unterscheidet.533 Wenig überraschend ist sie ausführlicher und zählt auch Informationen auf, die nicht in das Schema der anderen Kurzbiographien passen. Betont wird vor allem Capodilistas Rolle als Jurist in Padua. Über die Nennung seiner prominenten Kollegen wird er in den Kreis angesehener Rechtsgelehrter an der Universität Padua eingeordnet. Giovan Francesco nutzt dabei Techniken des Einschreibens, um seine eigene soziale und gesellschaftliche Stellung in Padua positiv darzustellen und zu stärken. Trotz dieser individualisierten Merkmale entspricht die Kurzbiographie aber dennoch dem in den 25 vorherigen Texten entwickelten Schema, bis hin zur Verwendung der dritten Person Singular in den Beschreibungen. Der zweite Typ der autobiographischen An­ merkungen ist wesentlich seltener vertreten. Zu ihm gehören Äußerungen, in denen 530 

B.P. 954, fol.  4v. Die Beibehaltung der 3. Person Singular in den Texten zu Capodilista ist der Eingliederung seiner Person in den Familienverbund und der Einhaltung der von den vorherigen Kurzbiographien entwickelten Strukturen zuzuschreiben. Ähnlichkeiten zu der ab dem 15. Jahrhundert langsam zu Beliebtheit gelangenden autobiographischen Erzählform der Commentarii, die auch in der 3. Person Singular abgefasst wurden, werden kaum beabsichtigt gewesen sein. Zu den Commentarii siehe Ijsewijn, Jozef, Humanistic autobiographiy, in: Eginhard Hora/Eckhard Keßler (Hg.), Studia Humanitatis. Ernesto Grassi zum 70. Geburtstag, München 1973, 209– 219, hier 211. 532  B.P. 954, fol.  6r und 34r. 533  B.P. 954, fol.  32r. 531 

III.6. Der Verfasser in seinem Werk

313

Giovan Francesco dem Leser als „Ich“ entgegentritt, und von Ereignissen aus seinem unmittelbaren Umfeld oder Lebenslauf berichtet. Sie sind nicht in das eigentliche Schema des Kodex eingebunden, sondern treten außerhalb des strukturierten Textrahmens als Einschübe, Notizen oder vorangestellte Bemerkungen auf. In diesen Abschnitten wird die Person Giovan Francescos innerhalb des Kodex am deutlichsten sichtbar. Zu ihnen gehören die einführenden Bemerkungen zu Beginn des Kodex, in denen Capodilista seine Amtsausübung als Hofpfalzgraf beschreibt, die Abschnitte zu Beginn der Quellenliste, und ein in die Biographie Gabriele Transelgardis eingefügter Kommentar zu einer Reise nach Avignon.534 An anderen Stellen fließen immer wieder kleinere Bemerkungen in den Text ein, so beispielsweise Informationen darüber, dass Manfredo del Cortivo der Pate seiner Kinder gewesen sei,535 oder ein Bericht über das Schicksal einer für die Familie ausgestellten Urkunde Friedrichs II.536 In der Bildausstattung des Kodex ist die Präsenz Giovan Francescos ähnlich verschlüsselt wie im Text. Deutlich ist er vor allem in seinem eigenen Reiterportrait ­repräsentiert, das in seiner besonders prächtigen Ausstattung mit vielen Blattgold­ elementen besonders hervorgehoben wird.537 In der Gelehrtendarstellung tritt Giovan Francesco selbst dann wieder nur als einer unter vielen auf, gekleidet nach den gleichen Mustern wie auch die anderen Gelehrten der Familie. Der Höhepunkt der individualisierten bildlichen Präsenz Giovan Francescos ist erst einige Seiten später sein neues, in Basel gebessertes Wappen.538 Gemeinsam mit den Wappen Sigismunds als deutsch-römischer Kaiser, der Republik Venedig und der Stadt Padua tritt Capodilista hier als einzelne Person dem Betrachter gegenüber, repräsentiert durch sein heraldisches Symbol. Gleichzeitig wird er aber über die anderen dargestellten Wappen wieder in einen politischen Kontext eingebunden, und seine Auftraggeber sowie seine Heimatstadt evoziert. Auffallend ist aber, dass diese Wappendarstellung erst an so später Stelle im Kodex steht und ihn nicht eröffnet oder Capodilistas eigenes Reiterportrait flankiert.539 Nach dem Hinweis der dem Wappen zugeordneten Beischrift, nach der Giovan Francescos neues Wappen auch sein neues Amt als Hofpfalzgraf spiegelt, hätte es sinnvoll auch den am Beginn des Kodex stehenden Passagen zu Capodilistas Tätigkeit in eben diesem Amt zugeordnet werden können. Erklären lässt sich diese Diskrepanz mit der Entstehung des Kodex, nach der das Wappen Giovan Francescos bereits an seinen Platz weiter hinten in der Handschrift gebunden war, bevor er die Textpassagen zu Beginn einfügte.

534 

B.P. 954, fol.  1v, 4v und 26r. B.P. 954, fol.  35r. 536  Ebd., fol.  32v. 537  B.P. 954, fol.  32r. 538  Ebd., fol.  36r. 539  Das Reiterportrait zeigt allerdings dieses neue Wappen in der linken oberen Bildecke. Die Figur Giovan Francesco Capodilistas trägt noch das eigentliche Familienwappen, den roten Hirsch auf goldenem Grund. B.P. 954, fol.  32r. 535 

314 III. Pergament. Giovan Francesco Capodilista und sein Selbstbild im Capodilista-Kodex Als Verfasser des Kodex nimmt Capodilista sich immer wieder zurück, tritt aber gleichzeitig an unerwarteten Stellen wieder in den Vordergrund. Diese persönlichen Notizen waren nicht in der ursprünglichen Konzeption des Kodex vorgesehen, die auf den Dokumenten, Wappenbildern, Reiterportraits und der Gelehrtendarstellung basierte. Sie bekommen so den Charakter einer beiläufigen Bemerkung, die nicht in die eigentliche Struktur des Kodex passt. Damit überwiegt innerhalb des Kodex die Darstellung Giovan Francescos als Mitglied bestimmter Gruppen, die sowohl durch genealogische als auch durch soziale, politische und gesellschaftliche Charakteris­ tiken definiert sind. Die Geschichte der Familie, in deren Verbund Giovan Francesco deutlich einbezogen wird, kulminiert zwar in der Reiterreihe mit seinem Portrait, wird aber in der Gelehrtendarstellung mit seinen Söhnen und den Nachkommen ­seines Bruders fortgeführt. Dementsprechend wird die Geschichte der Familie im Kodex auch nicht als die Geschichte eines Aufsteigers dargestellt, obwohl die Verleihung des Hofpfalzgrafenamtes durch Sigismund offensichtlich als äußerer Anlass für die Abfassung des Kodex gewertet werden muss. Sie spielt eine dementsprechende zentrale Rolle innerhalb des Textes und wird hervorgehoben erwähnt. Gleichzeitig betont Capodilista in den Kurzbiographien aber immer wieder, dass bereits die drei mythischen Brüder aufgrund ihrer Leistungen von Karl dem Großen zu Hofpfalzgrafen ernannt worden seien.540 Auch viele seiner Nachfahren hätten dieses Amt bereits ausgeübt. Das von Sigismund gebesserte Wappen Giovan Francescos wird dementsprechend als „insignia pro utroque comitatu“ bezeichnet.541 Im Ganzen ist auffällig, wie Giovan Francesco die Lesart seiner Biographie als Aufsteiger verweigert und immer wieder die althergebrachte Ehre seiner Familie betont.542 Dieser klar legitimatorische Duktus lässt implizit darauf schließen, dass Capodilista sich gerade als ein solcher Aufsteiger empfand, und diese als negativ verstandene Konnotation zu widerlegen versuchte. Dass der Kodex gezielt auch als ein Instrument zu diesem Zweck geschaffen wurde, ist nicht zu bezweifeln. Die lange Vorbereitungszeit, auf die Textteile wie die Quellenliste und die noch in Padua erhaltenen Handschriften aus dem Besitz Capodilistas weisen, lässt aber diese Schreibemotivation nur als eine unter vielen zu. Die beiläufigen autobiographischen Anmerkungen innerhalb des Kodex sind dabei ebenso sehr tatsächliche Äußerungen Giovan Francescos als Verfasser wie auch den Gewohnheiten des Genres geschuldet.543 Trotz der deutlichen Anlehnung an wiederbelebte antike Formen wie den De Viris Illustribus-Werken ist der Capodilista-Kodex auch dem Typus des italienischen Libro di famiglia verpflichtet. Die 540 

Siehe die Biographie Giovanni dei Transelgardi, B.P. 954, fol.  7r. B.P. 954, fol.  36r. 542  Dieses Verfahren war in biographischen Werken durchaus gängig. Vgl. Petersohn, Die Vita des Aufsteigers (wie Anm.  408), 12. 543 Strukturell ähneln diese zufälligen Selbstäußerungen stark dem Typ des „inserierten Selbstzeugnis“, das Schmolinsky als grundlegende Kategorie mittelalterlicher Selbstzeugnisse postuliert hat. Siehe Schmolinsky, Sabine, Sich schreiben in der Welt des Mittelalters. Begriffe und Konturen einer mediävistischen Selbstzeugnisforschung, Bochum 2012, 152. 541 

III.6. Der Verfasser in seinem Werk

315

Form dieser in der pragmatischen Schriftkultur verankerten Texte zeichnet sich vor allem durch eine breite, mit der Familie verknüpfte Themenvielfalt aus, zu der in der Regel auch immer autobiographische Bemerkungen der Verfasser gehören.544 Obwohl der Capodilista-Kodex in seiner repräsentativen Ausstattung und Komposition nicht dem Bereich der pragmatischen Schriftlichkeit zugeordnet werden kann, enthält er einige Elemente, die ihn in die Nähe der Libri di famiglia rücken. Die autobiographischen Anmerkungen, vor allem die mit der Struktur des Kodex brechenden, auf Giovan Francescos Lebenslauf rekurrierenden des zweiten Typus, sind ein deutliches Zeichen dafür. Dennoch tritt Capodilista als Verfasser nicht eigentlich in den Vordergrund. Seine Biographie bleibt trotz der Unmittelbarkeit, die durch die beiläufigen autobiographischen Anmerkungen vermittelt wird, immer in den genealogischen Rahmen der Familie eingeordnet und fügt sich letztendlich wieder in die chronologische Familiengeschichte ein. Deutlich wird das auch daran, dass in der Gelehrtendarstellung und der Personenliste die Familie durch die Nennung der Nachkommen Giovan Francescos und seiner Brüder weitergeführt wird. Der genealogische rote Faden endet nicht mit Giovan Francesco, und obwohl er als Erzähler eine herausragende Position innerhalb seines Werkes einnimmt, bleibt er doch letztendlich ein Glied in der Kette. Das hindert ihn allerdings nicht daran, seine Leistungen bis zum Ende der Abfassung des Kodex ausführlich zu dokumentieren und damit nicht nur zu verdeutlichen, dass er als ebenbürtiges Mitglied der Familie weitere Ehre eingebracht hat. Gleichzeitig rechtfertigt die teilweise fiktionale Konstruktion der Familiengeschichte diese Leistung und verdoppelt das im Kodex dargestellte gesellschaftliche und soziale Kapital. Letztendlich ist die Person Giovan Francescos auch für ihn selbst nicht jenseits des Familienverbundes denkbar. Nur in der Konstruktion und Darlegung seiner Fami­ liengeschichte kann er seine eigene Karriere referieren und legitimieren. Die Dar­ stellung von Familiengeschichte und individueller Biographie bedingen sich damit gegenseitig. Diese Feststellung lässt sich auch durch eine Betrachtung der Bildausstattung erweitern, in der Giovan Francesco nicht mit individuellen Zügen, sondern als Mitglied eines familiären Gruppenverbundes nach dem gleichen Muster wie alle anderen Mitglieder der Gruppe dargestellt wird. Individualität entsteht nur durch einzelne Zeichen, die das generische Portrait ergänzen, wie beispielsweise die Abzeichen der Ritterorden. Sie übernehmen die Rolle der beiläufigen autobiographischen Bemerkungen und werfen individuelle Schlaglichter auf die Biographie Capodilistas, die ansonsten dem Muster der Gruppe entspricht. Auch das heraldische Symbol des von Sigismund gebesserten Wappens evoziert auf diese Weise die Individualität Capodilistas. Aber auch dieses Wappen bleibt nur als Zeichen für das Individuum im 544  Vgl.

Cichetti/Mordenti, La scrittura dei libri di famiglia (wie Anm.  77), 1118. Siehe auch Weiand, Christof, Die Bilder des Selbst und das Selbst der Bilder. Spiegelungen des Menschen in den Libri di famiglia und in der Autobiographie in Italien 1300–1600, in: Markus Hilgert/Michael Wink (Hg.), Menschen-Bilder. Darstellungen des Humanen in der Wissenschaft, Heidelberg 2012, 85–102. Ausführlich auch Ders., „Libri di famiglia“ (wie Anm.  71).

316 III. Pergament. Giovan Francesco Capodilista und sein Selbstbild im Capodilista-Kodex Gruppenverbund lesbar, und auf seinem Reiterportrait führt Giovan Francesco nach wie vor das Familienwappen des steigenden Hirsches, das für die Familie Capodilista in Padua dokumentiert ist. Individualität wird also nur im genealogischen Verband demonstriert und überhaupt sichtbar. Der Capodilista-Kodex ist damit keine reine autobiographische Schrift oder ein Selbstzeugnis, sondern die Darstellung der Leistung einer Person, die sich selbst nur in Rückbindung an den Familienverband erzählen kann.545 Giovan Francescos diplomatische und gelehrte Karriere ist nur in dieser Konstruktion für ihn denkbar. Die Etablierung einer legendarischen Familiengeschichte und damit die Generierung von sozialer Ehre ist für ihn zur Darstellung und Legitimation seiner eignen Leistungen nötig. Durch die gezielte Konstruktion erinnert der Kodex letztendlich aber doch an die Darstellungsform des Selbstzeugnisses.546 Durch den hohen Grad an Aktivität und bewussten Handlungsentscheidungen, die Capodilista als Verfasser des Kodex bei dessen Konzeption und Anfertigung zeigt, erscheint er in der Struktur und der Anlage des Kodex als individuelle Person noch stärker als in den expliziten Äußerungen. Der Kodex wird so auch zu einem Selbstzeugnis für Capodilistas Fähigkeit, seine eigene Biographie im Medium der Handschrift zu konstruieren, nach seinen Vorstellungen zu gestalten und für die Nachwelt zu übermitteln. Damit rückt der Capodilista-Kodex durch das darin sichtbare, auffällig selbstbestimmte kommunikative Handeln in die Nähe eines Ego-Dokuments, worunter nach einer weitgefassten Definition alle Quellen zu verstehen sind, in denen ein Individuum sich selbst explizit oder implizit präsentiert.547 Letztendlich wird der Kodex so weniger zu einer Quelle für Capodilistas

545  Siehe die Auffassung Petersohns, dass der Aufsteiger seinen Erfolg immer in den Familienkontext einarbeitet und sein Prestige so auf den Familienverband verteilt. In Capodilistas Fall scheint Ähnliches zuzutreffen, auch wenn hier sein individueller Erfolg von den familiären Leistung an einigen Stellen übertroffen wird – siehe beispielsweise die Einarbeitung der fiktiven Urkunde für Pietro Capodilista, die in ihrer politischen Bedeutung die sich auf Giovan Francesco beziehenden Dokumente übertrifft. Der Capodilista-Kodex zeigt also weniger eine aufstrebende Linie oder die Wiederherstellung eines ursprünglichen privilegierten Zustandes, sondern vielmehr die Demonstration eines über Jahrhunderte hinweg gleichbleibenden Leistungsniveaus der Familienmitglieder. Zum Aufsteiger siehe Petersohn, Die Vita des Aufsteigers (wie Anm.  408), 25. 546  Siehe die Definition von Selbstzeugnis, in die Schmolinsky auch die Familienchroniken des 15. Jahrhunderts rückt, selbst wenn sie vornehmlich als Sammelhandschriften in Erscheinung treten. Schmolinsky, Sich schreiben in der Welt des Mittelalters (wie Anm.  543), 70. 547 Vgl. Schulze, Winfried, Ego-Dokumente: Annäherung an den Menschen in der Geschichte? Vorüberlegungen zur Tagung „Ego-Dokumente“, in: Ders. (Hg.), Ego-Dokumente. Annäherung an den Menschen, Berlin 1996 (Quellen und Darstellungen zur Sozial- und Erfahrungsgeschichte 2), 11–30, hier 20, später 28. Eine engere Definition bietet Ciapelli, der für Ego-Dokumente oder Selbstzeugnisse nur implizite Formen der Selbstrepräsentation zulässt und alle expliziten Varianten der Autobiographie zuordnet. Vgl. Ciapelli, Memory, Family and Self (wie Anm.  70), 3 f.

III.6. Der Verfasser in seinem Werk

317

tatsächliche Biographie als vielmehr zu einer Aussage darüber, wie er diese Biographie sprichwörtlich gelesen sehen wollte.548

548  Jancke definiert autobiographische Quellen als solche, die den Verfasser in einem Beziehungsnetzwerk verorten und dort verankern, wobei sie als Form des kommunikativen Handelns beschrieben werden. Diese Definition trifft auf den Capodilista-Kodex und die bereits analysierten Methoden des Einschreibens zu, wobei bei die autobiographischen Elemente im Text wie oben dargelegt nur sehr gering sind, während das selbstbestimmte kommunikative Handeln durch Textproduktion deutlich in den Vordergrund tritt. Siehe Jancke, Gabriele, ­Autobiographische Texte – Handlungen in einem Beziehungsnetz. Überlegungen zu Gattungsfragen und Machtaspekten im deutschen Sprachraum von 1400 bis 1620, in: Winfried Schulze (Hg.), Ego-Dokumente. Annäherung an den Menschen, Berlin 1996 (Quellen und Darstellungen zur Sozial- und Erfahrungsgeschichte 2), 73–106.

III.7. Zusammenfassende Bemerkungen: Erzählstrategien in Text und Bild im Capodilista-Kodex An der Analyse des Capodilista-Kodex ist deutlich geworden, dass Capodilista sowohl auf der Text- als auch auf der Bildebene seines Kodex ähnliche Erzählstrategien zur Konstruktion von Gruppenzugehörigkeit verwendet. Bei der Betrachtung der Bildausstattung fällt auf, dass diese Strategien vor allem außerhalb der Reiterreihe sichtbar werden. Besonders deutlich werden sie im Uhrenwappen erkennbar. Dabei ist bemerkenswert, dass Capodilista das heraldische Symbol als Hinweis auf Personen jenseits des eigentlichen Trägers des Wappens nutzt. Das Uhrenwappen verweist als Zeichen in kodierter Form nicht nur auf Capodilista oder seine Familie, sondern steht auch als Hinweis auf führende gesellschaftliche Kreise innerhalb Paduas, die durch die Darstellung der Uhr evoziert werden. Damit hört es bis zu einem gewissen Grad auf, ein personalisiertes Symbol zu sein und wird damit auch zu einem Code für die Stadt Padua an sich. Die Analyse der Erzählstränge innerhalb des Kodex unter dem Blickwinkel der Netzwerkperspektive und unter Berücksichtigung des Einschreibens hat deutlich gezeigt, wie Bild und Text für die Darstellung und Kon­ struktion von Kontakten genutzt werden, die gleichzeitig mit gesellschaftlicher und politischer Bedeutung aufgeladen sind. Beschrieben werden in den untersuchten ­Abschnitten des Kodex keine Einzelbeziehungen binärer Art, sondern vor allem Gruppenkonstellationen innerhalb eines bestimmten präfigurierten Rahmens, in den Capodilista sich oder seine Vorfahren einfügt. Für das Uhrenwappen und die Quellenliste, aber auch für andere Elemente des Kodex gilt dabei, dass sie auf unterschiedlichen Ebenen lesbar sind. Zunächst sind auf der obersten Ebene für den zufälligen Betrachter Hinweise auf eine Person, Familie oder andere Gruppierung von Personen deutlich. Mit dem Uhrenwappen wird beispielsweise die Familie Capodilista als genealogischer Verband aufgerufen, bei der Quellenliste eine Gruppe von Personen, die bestimmte Texte besitzen. Der wissende Leser und der zu Beginn der Quellenliste als Familienmitglied angesprochene Adressat, der über die gesellschaftlichen Verhältnisse und politischen Ereignisse in Padua informiert und sprichwörtlich im Bilde ist, erkennt dann in der Helmzier des Uhrenwappens den Teukerkrieger und in der Uhr den Hinweis auf eine bestimmte, politisch aktive Personengruppe. Genauso sieht dieser Adressat in der Quellenliste den Hinweis auf eine intellektuelle, meist juristisch gebildete Bevölkerungsschicht mit besonderen Loyalitäten zu Padua und teilweise auch zu überlebenden Familien-

320 III. Pergament. Giovan Francesco Capodilista und sein Selbstbild im Capodilista-Kodex zweigen der gestürzten Carrara. Zu diesen Kontakten treten in den Kurzbiographien Hinweise auf ein Umfeld innerhalb Paduas, das als Anhänger der Partei der Ghibellinen traditionell die römisch-deutschen Kaiser unterstützte, und sich vielleicht auch so vorsichtig kritisch gegenüber dem mit dem Kaiser nach wie vor im Konflikt stehenden Venedig positioniert. Gleichzeitig konstruiert Capodilista mit der Auflistung der Kontakte text- und bildimmanente soziale Wirklichkeit. Er gliedert sich und seine Familie in diesen und anderen Elementen des Kodex in die aufgerufenen Gruppierungen ein und schreibt sich selbst und seinen Vorfahren hohes Prestige innerhalb des städtischen Rahmens zu. Die Erstellung des Kodex generiert dabei gleichzeitig durch Text und Bild die aufgerufenen prestigeträchtigen Gruppen erst als solche Verbände und schafft damit neues soziales Prestige. Durch die fiktiven Elemente in den deutlich als historiographisch gekennzeichneten Textteilen des Kodex manipuliert Capodilista dabei gleichzeitig auch die durch den Akt der Geschichtsschreibung erst generierte historische Wirklichkeit. Dass hinter diesen Prozessen bewusstes Handeln steht, offenbart Capodilista in den Wahrheitsbeteuerungen, die der Quellenliste vorangestellt sind. Die Mischung aus fiktionalem und faktualem Erzählen, die zunächst Wahrheitsanspruch erhebt, kreiert auf diese Weise soziale gegenwärtige und historische Zusammenhänge, die dem Leser des Kodex deutlich vor Augen geführt werden. Damit definiert der Capodilista-Kodex zunächst die Familie Capodilista als Gruppe, der bestimmte, durch ihre Handlungen und Erfolge zum Vorbild gewordene Familienmitglieder angehören, die in der Reiterreihe, der Gelehrtendarstellung und den Namenslisten festgehalten werden. Darüber hinaus wird die Gruppe der ehrenwerten Männer aber weiter in den städtischen Rahmen hinaus geöffnet. Die „Viri Illustres“ sind nicht nur die Mitglieder der Familie Capodilista, sondern darüber hinaus noch die in der Besitzliste, der Quellenliste und den Bildern angesprochenen Personen, die allesamt anerkannten städtischen Kreisen entstammen und sich durch politische Aktivität oder intellektuelle Leistung qualifizieren. Damit öffnet sich der Kodex über den familiären Rahmen ­hinaus und weitet seine Definitionshoheit zur Konstruktion von Gruppen implizit aus. Die Verknüpfung aus Sozialprestige und der Produktion von Text und Bild ist Capodilista deutlich bewusst, und er verwendet den Kodex gezielt als Instrument zur Idealisierung seiner Familie, aber auch zur Demonstration seiner eigenen gehobenen Position. Der Kodex sollte damit im Prozess der Rezeption in Wechselwirkungen mit dem zeitgenössischen und historischen Umfeld Capodilistas eintreten, und zunächst die Perspektive des Lesers auf die Vergangenheit der Familie Capodilista beeinflussen. Im Umkehrschluss wird aber auch das Verhalten des Adressaten selbst beeinflusst, indem sowohl die Sichtweise des Lesers auf seine Umgebung und sein eigenes Verhalten als auch die gesellschaftliche Position Capodilistas selbst positiv verschoben wird. Aus einem Familienbuch zur Erinnerung an die Vorfahren in Text und Bild werden so hochgradig kodierte Zeichen für Netzwerke sozialer Ehre und nicht zuletzt auch ein Zeugnis für Giovan Francesco Capodilistas Fähigkeit zur Darstellung und Manipulation seiner eigenen Biographie und der Geschichte seiner Familie.

IV. Diplomatie und Pergament. Zu Karriere und Selbstbild des gelehrten Juristen Giovan Francesco Capodilista Als gelehrter Jurist und Lehrender an der Universität Padua, aber auch als Diplomat im Dienste der Republik Venedig und Papst Eugens IV. erlebte Giovan Francesco Capodilista politisch wechselvolle und ereignisreiche Jahre. Dabei blieb seine Heimatstadt Padua immer zentraler Mittlerpunkt seiner Selbstwahrnehmung, trotz seiner fast zehn Jahre umspannenden Reisetätigkeit von bemerkenswerten geographischen Ausmaßen.

IV.1. Diplomatie: Zur Karriere des gelehrten Juristen Giovan Francesco Capodilista Bis zu seiner Verurteilung durch das Consiglio dei Dieci im August 1419 war die diplomatische und politische Karriere Capodilistas keineswegs vorhersehbar.1 Konzentriert auf seine Ausbildung als Jurist und seine Beschäftigung als Lehrender, trat er zunächst auch im städtischen Leben Paduas kaum in Erscheinung. Zwei Entwicklungen waren für Capodilistas Leben bis 1419 prägend. Zunächst waren es die durch die gewaltsame Übernahme Paduas durch Venedig 1405 entstandenen politischen Veränderungen, die einen erhöhten Kommunikationsbedarf zwischen beiden Städten mit sich brachten und Capodilista als gelehrten Jurist und Exponent der Universität auf kleinen Gesandtschaften allererste Erfahrungen als Diplomat einbrachten. Gleichzeitig war für ihn die Aufrechterhaltung und Wiederherstellung seines fami­ liären Prestiges von Bedeutung, das zwar durch die seit über zwei Jahrhunderten währende Verwurzelung der Familie Capodilista in Padua beträchtlich war, aber in der Generation seines Vaters durch die Spielschulden von dessen Bruder erheblichen Schaden erfahren hatte. Erst mit der Anzeige vor dem Consiglio dei Dieci und der nachfolgenden Verurteilung vergrößerte Capodilistas Wirkkreis sich notwendigerweise. Verurteilt dazu, seinen Wohnsitz dauerhaft nach Venedig zu verlegen und seine Position in Padua aufzugeben, konnte Capodilista seine juristische Karriere zunächst nicht weiter vorantreiben. Genau seine juristische Ausbildung verschaffte ihm aber im Sommer 1420 die Möglichkeit, seinen erzwungenen Aufenthalt in Venedig zu unterbrechen. Seine Arbeit als Rechtsberater und Unterstützer des Venezianers Roberto Morosini bei der Eingliederung des Friaul in die politische Struktur der venezianischen Terraferma baute dabei auf Capodilistas Ausbildung und vermutlich auch auf während seiner Zeit in Venedig geknüpfte, heute nicht mehr nachweisbare Kontakte auf. Seine nach dem Urteil Venedigs zufriedenstellende Arbeit im Friaul wurde dann selbst zum Fundament für seine spätere diplomatische Karriere. Das Friaul als Brennpunkt venezianischer Politik war zum Zeitpunkt der Ankunft Capodilistas in Udine im Juli 14202 1  Die

Verhandlung fand am 30. August 1419 in Venedig statt. Siehe ASVe, Consiglio dei dieci, Deliberazioni, Miste, Registri, reg.  10, fol.  15v. 2  I libri commemoriali della Republica di Venezia. Regesti: Tomo IV, ed. v. Riccardo Predelli, Venedig 1896 (Monumenti storici publicati dalla R. Deputazione Veneta di Storia Patria. Serie Prima: Documenti 8), 38, Nr.  89

324

IV. Diplomatie und Pergament

erst seit kurzer Zeit im Besitz Venedigs, und blieb vor allem durch die Bemühungen des Patriarchen von Aquileia, Ludwig von Teck, lange ein Konfliktherd, in dem die venezianische Macht immer wieder in Frage gestellt wurde. Aufbauend auf diese Erfahrungen im Friaul und weitere Aufträge als juristischer Berater Venedigs bei Friedensverhandlungen in Ferrara 1428 hatte Capodilista sich als verlässlicher Diplomat und Jurist etabliert, so dass die Republik ihn gemeinsam mit dem erfahrenen Gesandten Andrea Donato zur Vertretung der venezianischen Interessen auf das Basler Konzil schickte. Der Karrieresprung, der Capodilista damit gelang, war bemerkenswert. Hatte er vorher nur als Berater oder juristischer Experte innerhalb der venezianischen Machtsphäre agiert, bewegte er sich nun als einer der beiden Köpfe einer Gesandtschaft im Rahmen der internationalen Diplomatie. In Basel musste er nicht nur mit weltlichen Größen wie Kaiser Sigismund von Luxemburg verhandeln, sondern sich auch in einer von Hierarchien geprägten Umgebung orientieren, in der er als nichtadliger Jurist und Laie zunächst keine hohe Rangstellung innehatte. Sein Begleiter Andrea Donato hatte dagegen hinreichende diplomatische Erfahrung und entstammte als Schwiegersohn des Dogen einer reichen und ange­ sehenen venezianischen Familie.3 Zu Beginn der Basler Zeit ist keine deutliche Rollenverteilung zwischen den beiden Gesandten festzustellen, sieht man davon ab, dass Capodilista offensichtlich dazu bestimmt worden war, die repräsentativen Reden der Gesandtschaft zu halten.4 Auch bei den späteren Verhandlungen führte in der Regel Capodilista das Wort, solange es um offizielle Stellungnahmen ging. In der späteren Politik der Gesandtschaft kristallisierten sich dann zwei unterschiedliche Auf­ gabengebiete heraus, die von jeweils einem der beiden Gesandten übernommen wurden. Andrea Donato führte hauptsächlich die Friedensverhandlungen zwischen Sigismund und der Republik Venedig weiter, in die er auch schon vor der Kaiser­ krönung Sigismunds in Rom involviert war. Währenddessen vertrat Capodilista die Republik vor dem Konzil, das als Gerichtsinstanz die Klage des Patriarchen von Aquileia, Ludwig von Teck, verhandelte. Der Prozess wurde neben Capodilista als Kopf der Gesandtschaft von drei hauptamtlichen Juristen betreut, die als Konzils­ juristen bereits Erfahrung im Umgang mit dem schwerfälligen judikativen Apparat 3  Donato hatte bereits in den Monaten vor der Abreise nach Basel langwierige Verhandlungen mit Sigismund geführt, die sich vor allem auf die dalmatischen Gebiete Venedigs bezogen und auf den Abschluss eines Friedensvertrags und die Kaiserkrönung Sigismunds durch Eugen IV. im Frühjahr 1433 hinarbeiteten. Siehe weiter oben. 4  So hielt Capodilista beispielsweise unmittelbar nach dem Eintreffen der Gesandten im Tross Sigismunds in Basel eine öffentliche Rede vor dem versammelten Konzil, in der er den offiziellen politischen Standpunkt Venedigs verkündete. Siehe Concilium Basiliense. Studien und Quellen zur Geschichte des Concils von Basel. Herausgegeben mit Unterstützung des Histo­rischen und Antiquarischen Gesellschaft von Basel. Band  5: Das Tagebuch des Andrea Gatari. Basel 1904, 383 und die teilweise Überlieferung der von Segovia als elegant bezeichneten Rede bei Johannis di Segovia, Historia Gestorum Generalis Synodi Basilensis, in: Monumenta conciliorum generalium seculi decimi quinti. Concilium Basiliense. Scriptores. Band  2–3, Wien 1886., Liber VI, Caput VI, 466.

IV.1. Diplomatie: Zur Karriere des gelehrten Juristen Giovan Francesco Capodilista 325

des Konzils hatten.5 Das Verfahren, das sich von April 1434 bis zur Verkündung des Urteils der Basler Konzilsväter am 17. Dezember 1435 zog,6 war von Seiten Venedigs vor allem durch Verschleppungsmaßnahmen geprägt. Dazu gehörten auch sich im inhaltlichen Kern beständig wiederholende Reden vor unterschiedlichen Ausschüssen und der Generalversammlung des Konzils, in denen Capodilista sowohl seine von Venedig erteilten Instruktionen umsetzte als auch eigene juristische Argumente nutzte. Capodilistas herausgehobene Position als führender Jurist Venedigs in Basel wird vor allem an diesen großen Reden deutlich, die eben nicht von den beauftragten Konzilsjuristen gehalten wurden, sondern von ihm selbst. Erkennbar wird, dass Capodilistas Aufgaben auf dem Basler Konzil während seiner Vertretung Venedigs gezielt zwei Fähigkeiten voraussetzen, die in seiner Ausbildung als gelehrter Jurist angelegt waren. Zunächst war das die Fertigkeit, einen komplexen juristischen Prozess wie den Ludwigs von Teck gegen Venedig als Stellvertreter der Republik geschickt zu führen und, wo nötig, mit den rechtlich nutzbaren Mitteln zu manipulieren. Weiterhin war rhetorisches Geschick eine maßgebliche Voraussetzung für die Bewältigung seiner diplomatischen Aufgaben. Capodilistas Rhe­torik war stark geprägt von seiner Ausbildung, aber auch durch seine langen Jahre der Lehrtätigkeit an der Universität, die als lateinsprachige „verbale Arena“7 einen hohen Grad an oratorischen Fähigkeiten voraussetzte und förderte. Sowohl Andrea Gatari als auch der Chronist des Konzils, Johannes de Segovia, verzeichneten Capodilistas Reden als elegant und mithin dem Standard des kommunikativ von einer Vielzahl an Reden und Disputationen bestimmten Konzils angemessen.8 Die den Alltag des Konzils dominierenden Reden entsprachen dabei allerdings nicht unbedingt dem sich ausbreitenden humanistischen Ideal antiker Rhetorik, erfüllten aber dennoch als Mittel zur Information, Repräsentation oder zum Disput ihre Zwecke.9 Gleichzeitig spiegelt sich in dieser Entwicklung auch die hohe Bedeutung der Rhetorik für die spätmittelalterliche Diplomatie im Allgemeinen.10 Sowohl seine durch jahrelangen universitären 5 

Zum Behördencharakter und den judikativen Ämtern des Konzils siehe Helmrath, Johan­ Das Basler Konzil 1431–1449. Forschungsstand und Probleme, Köln/Wien 1987, 37 f. 6  Concilium Basiliense. Studien und Quellen zur Geschichte des Concils von Basel. Heraus­ gegeben mit Unterstützung des Historischen und Antiquarischen Gesellschaft von Basel. Band  3: Die Protokolle des Concils von 1434 und 1435. Aus dem Manuale des Notars Bruneti und einer römischen Handschrift. Basel 1900, 602. 7  Grendler, Paul F., The Universities of the Italian Renaissance, Baltimore/London 2002, 152. 8  Zur Kommunikation auf dem Basler Konzil siehe Helmrath, Johannes, Kommunikation auf den spätmittelalterlichen Konzilien, in: Hans Pohl (Hg.), Die Bedeutung der Kommunikation für Wirtschaft und Gesellschaft. Referate der 12. Arbeitstagung der Gesellschaft für Sozialund Wirtschaftsgeschichte, Stuttgart 1989, 116–172. 9  Bemerkenswerte, humanistische Ansprüche erfüllende Reden wurden in Basel natürlich dennoch gehalten. Das Gros der täglich zu hörenden Reden entsprach diesen Standards aber nicht. Vgl. Helmrath, Kommunikation (wie Anm.  8.), 141. 10  Queller, Donald, The Office of Ambassador in the Middle Ages, Princton 1976, 155. nes,

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IV. Diplomatie und Pergament

Unterricht geprägte Fähigkeit als Redner als auch sein juristisches Fachwissen blieben für Capodilistas gesamte Karriere von grundlegender Bedeutung, sowohl auf dem Basler Konzil als auch später auf den großen politischen Foren der Reichsversammlungen und der französischen Nationalsynode in Bourges 1440. An Capodilistas Beauftragung nach Basel ab 1433 und dem Schriftverkehr zwischen den Gesandten auf dem Konzil und der Republik wird auch deutlich, dass bei aller vorausgesetzten Expertise der Diplomaten Venedig einen kontinuierlich hohen Einfluss auf ihre Gesandten ausübte. Die hohe Frequenz des Schriftverkehrs, der aufgrund der Distanz zwischen Basel und Venedig immer mit mindestens einer Woche Verzögerung ablief, weist deutlich darauf hin. Die Instruktionen und Anweisungen aus Venedig reagierten auf die sowohl von den Gesandten selbst als auch von anderen Beobachtern übermittelten Nachrichten und Entwicklungen, oft mit sehr genauen Handlungsanweisungen. Im Verlauf der Mission Capodilistas auf dem Konzil konkretisierten diese Anweisungen sich immer weiter. Erhielten die Gesandten für die Verhandlungen mit Kaiser Sigismund und ihre Vermittlertätigkeit auf dem Konzil zunächst zwar Handlungsanweisungen, finanzielle Spielräume und deutliche politische Richtlinien, veränderten sich im Verlauf des Prozesses gegen Ludwig von Teck ab Frühjahr 1434 die Anweisungen zunehmend. Je unwahrscheinlicher ein für Venedig positiver Ausgang des Prozesses wurde, desto ausführlicher wurden die Instruktionen, die zuletzt mit genauen Argumentationsrichtlinien, vorkonstruierten Reden und in Venedig ausgefertigten juristischen Gutachten zur Situation versehen waren.11 Die Handlungsspielräume Capodilistas wurden damit im Verlauf des Prozesses immer weiter eingeschränkt. Eine vollständige Kontrolle der Gesandten blieb aber nicht durchführbar, so dass letztendlich die Ausführung des Prozesses auf Capodilistas juristischem Geschick beruhte. Der Erfolg oder Misserfolg der Diplomatie Capodilistas in Basel spielte dabei für die Fortsetzung seines Karrierewegs nur eine eingeschränkte Rolle. Obwohl der Prozess Ludwig von Tecks um die rechtmäßige Vorherrschaft im Friaul von Venedig auch durch juristische Tricks, wie die endlose Verschleppung des Prozess oder Capodilistas kreative Argumentation nicht zu gewinnen war, führte der für die Republik negative Ausgang Capodilista nur kurze Zeit später an die päpstliche Kurie nach Florenz. Seine ab Februar 1436 nachweisbaren Verhandlungen mit Eugen IV., die vor allem gegen die vom Konzil verhängte Sentenz und das Streben nach der offiziellen Anerkennung des Friaul als venezianischen Besitz durch den Papst gerichtet waren, führten auch dazu, dass Capodilista als dauerhaft in der Stadt anwesender Gesandter zum Ansprechpartner für wechselnde venezianische Sondergesandte in Florenz wurde.12 Dabei wirkte er nicht nur in der Causa Aquileia auf Eugen IV. ein, sondern war 11  Als Beispiel für ein solches Schreiben siehe die Anweisungen der Republik vom 13. Ok­ tober 1434 in ASVe, Senato, Deliberazioni, Secreti, Registri, reg.  13, fol.  115v. 12  Capodilista wurde damit nicht zwangsläufig ein residierender Gesandter, erhielt aber vielleicht einen Status ähnlich dem eines „resident lawyer“. Der „resident lawyer“ wird von

IV.1. Diplomatie: Zur Karriere des gelehrten Juristen Giovan Francesco Capodilista 327

zumindest am Rande auch an Verhandlungen Venedigs zu einem gegen Mailand gerichteten Bündnis mit Florenz beteiligt. Anschreiben an die speziell für die Verhandlungen eingesetzten Gesandten Francesco Barbaro und Hemolao Donato weisen deutlich darauf hin, dass die Ausfertigung juristischer Dokumente zum Abschluss des Bündnisses unter der Aufsicht Capodilistas geschehen sollte.13 Damit wird deutlich, dass erneut die juristische Expertise Capodilistas, gekoppelt an sein in vorherigen Aufträgen gesammeltes Fachwissen zur jeweiligen politischen Situation, grundlegend für seine Auswahl als Diplomat in der speziellen politischen Situation in Florenz im Jahr 1436 war. Während die Quellen für Capodilistas Aufträge aus Venedig umfangreich sind, und sowohl Instruktionen als auch laufender Schriftverkehr teilweise erhalten blieben, kann vieles betreffend der Aufträge Papst Eugens IV. nur gemutmaßt werden. Erhalten sind, wenn überhaupt, nur die Instruktionen und Bevollmächtigungen, die häufig nur knapp die Aufgaben der Mission umreißen. So sind für Capodilistas Reise an den Hof Kaiser Sigismunds 1437 nur die Aufträge überliefert, die von der Republik Venedig an ihn erteilt wurden. Capodilista sollte am Hof Sigismunds Verhandlungen über den Friedensschluss mit Mailand führen, und weiter das Verhältnis der Republik gegenüber dem Kaiser aushandeln, das sich seit der Belehnung Venedigs mit den Terraferma-Gebieten durch Sigismund verschoben hatte und neu austariert werden musste. Nach dem Tod Brunoro della Scalas, der als Nachfahre der ehemaligen Herrscher von Verona und Vicenza weiterhin Ansprüche auf diese Gebiete gestellt hatte, erhoffte Venedig auch, offiziell mit diesen beiden Städten belehnt zu werden. Letztendlich konnte Capodilista keine der ihm aufgetragenen Aufgaben erfüllen, und der Tod Sigismunds im Dezember 1437 beendete seine Mission abrupt. An den vielen sehr detaillierten Instruktionen aus Venedig ist erkennbar, dass die Verhandlungen kleinteilig geführt wurden, und häufig Gespräche stattgefunden haben müssen. Dafür spricht auch die Beschwerde des Basler Konzilsgesandten Vich, der die besondere Nähe Capodilistas zu Sigismund nach Basel meldete, die eine hohe Gesprächsfrequenz begünstigt haben muss.14 Für Venedig waren die Verhandlungen bei Sigismund im Herbst und Winter 1437 angesichts der sich zunehmend verschlechternden militärischen Situation der Republik überlebenswichtig. Dementsprechend konkret waren die Instruktionen für Capodilista, besonders nachdem sich Ende November der baldige Tod Sigismunds abzuzeichnen begann. In dieser Situation erhielt Capodilista eine Auswahl unterschiedlicher Instruktionen, die alle möglichen Entwicklungen abdeckten. Die Republik vertraute darauf, dass ihr Gesandter die richtigen Handlungsanweisungen auswählte. Vollständig selbstständiges Handeln von Seiten des Gesandten war aber auch in dieser Situation nicht vorgesehen. Weiter weniger ist Queller in die Nähe des residierenden Gesandten gesetzt. Siehe Queller, The Office of Ambassador (wie Anm.  10), 78. 13  ASVe, Senato, Deliberazioni, Secreti, Registri, reg.  13, fol.  207r. 14  Siehe für den Bericht Vichs RTA 12, Nr.  160 (25.11.1437), 260.

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IV. Diplomatie und Pergament

über den Auftrag bekannt, den Capodilista für Eugen IV. ausführen sollte, aus dessen Kassen auch Capodilistas Honorar stammte. Vermutlich sollte er für das gerade eröffnete Unionskonzil werben und die Unterstützung Kaiser Sigismunds für Eugen IV. sichern. Genauso wenig ist über die Zeit in Erfahrung zu bringen, die zwischen Capodilistas Rückkehr und seinem Aufbruch als Mitglied der päpstlichen Gesandtschaft ins Reich im September 1438 lag. Vermutlich besuchte er im Auftrag Eugens IV. auf dem Rückweg erneut für kurze Zeit das Basler Konzil, bevor er nach Italien zurückkehrte. Die Zeit vor seinem nächsten Auftrag als päpstlicher Orator verbrachte er vermutlich wieder in Florenz oder am mittlerweile nach Bologna übergesiedelten Hof Eugens IV. Die Gesandtschaft ins Reich 1438 gestaltete sich dann unter völlig anderen Vor­ zeichen als Capodilistas vorherige Missionen. War er als Gesandter Venedigs hauptsächlich allein verantwortlich gewesen und hatte juristische Verhandlungen in meist kleineren Kreisen, in Kommissionen und bei Hofe geführt, spielte die päpstliche Diplomatie auf den Reichsversammlungen sich in einem anderen Rahmen ab. Überliefert sind vor allem die Reden der päpstlichen Diplomaten vor den Versammlungen der Fürsten und Großen. Die daneben sicherlich auch erfolgten Gespräche, Audienzen und Verhandlungen sind kaum dokumentiert und deshalb meist nicht nachzuvollziehen. Für Capodilista bedeutete die Reise nach Nürnberg und Mainz, dass er sich an diese veränderten kommunikativen Gegebenheiten anpassen und als einer von mehreren Gesandten mit anderen, erheblich ranghöheren Diplomaten kooperieren musste. Durch die umfassende Bevollmächtigung der päpstlichen Legaten de latere war die Gesandtschaft an sich damit zwar wesentlich autarker als die stark an Weisungen gebundenen venezianischen Gesandtschaften, was auch eine geringere Kommunikationsdichte mit dem Papst erklärt. Gleichzeitig hatte Capodilista aber durch seine rangniedere Stellung innerhalb der Gruppe der Diplomaten wesentlich weniger Handlungsfreiheiten. Dabei kannten die Diplomaten sich untereinander bereits: Sowohl mit dem als Kardinallegat bevollmächtigen Niccolò Albergati als auch mit ­Giovanni Berardi, dem Erzbischof von Tarent, hatte Capodilista bereits auf dem Basler Konzil Verhandlungen geführt. Die dünne Quellenlage für die Gesandtschaften ins Reich von 1438 bis 1439 gibt aber keine Auskünfte über die internen Angelegenheiten der Gesandtschaft. Es ist auch nicht überliefert, wo die in Nürnberg zurück­ gelassenen Gesandten Juan de Torquemada, Giovanni Berardi und Capodilista den Winter 1438 verbrachten. Capodilistas Traktat Super diversis questionibus vermittelt zwar implizit, dass die Gesandten ihre Arbeit an der Argumentation für die Position Eugens IV. nicht aufgegeben hatten, gibt aber keine Einblicke in das Leben der Diplomaten in Nürnberg. Auch von der Reichsversammlung in Mainz 1439 sind nur die dort gehaltenen Reden überliefert sowie briefliche Mitteilungen über die verspätete Ankunft der Gesandten. Ähnlich verhält es sich mit der Reise Capodilistas nach Bourges 1440, bei der mit Juan de Torquemada, Pierre de Versailles und dem als Legat de latere bevollmächtigten Bartolomeo Zabarella wieder Capodilista bereits aus Basel bekannte Diplomaten zur Gesandtschaft gehörten. Für die gesamte Reise

IV.1. Diplomatie: Zur Karriere des gelehrten Juristen Giovan Francesco Capodilista 329

ins Königreich Frankreich sind nur einige Eckdaten bekannt, wozu die Ankunft der Gesandten in Bourges im Februar 1440 und die Übersetzung einer französischen Rede ins Lateinische durch Capodilista im August 1440 gehören. Die lange Wartezeit der Gesandten und die Verhandlungen im Vorfeld und während des Treffens liegen völlig im Dunkeln. Sicher ist nur, dass die Gesandtschaft ihr Ziel erreichte und der französische König Karl VII. seine Obödienz zu Eugen IV. bestätigte, wenn auch vermutlich weniger bedingt durch die Überzeugungskünste der Gesandten als aus politischer Notwendigkeit heraus. Damit gehörte die Mission in Bourges zwar zu den am schlechtesten dokumentierten Reisen Capodilistas, bleibt aber auch die einzige erfolgreiche. Bei allen diplomatischen Reisen Capodilistas fällt auf, dass sich eine bestimmte Gruppe an Personen herauskristallisiert, die immer wieder als Mitglieder von Gesandtschaften begegnet, sei es als Gesandte des Basler Konzils oder als päpstliche Diplomaten. Auf den Reichsversammlungen in Nürnberg und Mainz, aber auch auf der Nationalsynode in Bourges standen sich damit immer wieder in nur leicht veränderter Konstellation dieselben Diplomaten gegenüber. Für das Basler Konzil gehörten Thomas de Courcelles und Johannes de Segovia, als Vertreter des Papstes Juan de Torquemada und Giovanni de Berardi zu dieser Gruppe. Alle diese Gesandten hatten breite Erfahrung auf dem Basler Konzil gesammelt. Gleiches galt auch für den Kardinal Niccolò Albergati, einen der versiertesten päpstlichen Diplomaten, für Nikolaus von Kues, Bartolomeo Zabarella und Capodilista selbst. Die kirchenpolitische Brisanz des Basler Konzils, das in seinem Verlauf die päpstliche Außenpolitik immer stärker bestimmte und auch im säkularen Bereich relevant blieb, ließ Konzils­ erfahrung für Diplomaten unersetzbar werden. Die Auswahl der Diplomaten beschränkte sich damit auf einen engen Kreis von Personen, die mit dem Konzil, seinen Abläufen und den gängigen Argumentationslinien vertraut waren. Ähnlich wie Capodilistas erste Reise nach Basel sich teilweise aus seinen Erfahrungen 1420 im Friaul erklärt, bauten spätere Gesandtschaften für Eugen IV. auf seine Erfahrungen im Umgang mit dem Konzil und seinen Exponenten auf. Für diesen Bereich der päpstlichen und weltlichen Diplomatie ist damit eine Tendenz zur Spezialisierung einzelner Gesandten zu erkennen, die allerdings nicht auf gezielte geschaffenen Strukturen beruht, sondern eher auf zufällig gesammelten Erfahrungen. Insgesamt fällt Capodilistas Karriere in einen Zeitraum der immer dichter werdenden Kommunikation. Das Basler Konzil als europäischer politischer und diplomatischer Brennpunkt förderte und erforderte eine erhöhte Dichte an diplomatischem Austausch und schuf zusätzlich zu den von der Republik Venedig bedienten inneritalienischen und auf ihren Herrschaftsraum konzentrierten außenpolitischen Bezie­ hungen ein weiteres politisches Zentrum, das in den Handlungen der Serenissima bedacht werden musste. Die lange Dauer der Mission, die Donato und Capodilista von 1433 und 1435 auf das Basler Konzil führte, weist die hohe Bedeutung Basels für die Republik aus.15 Die Bandbreite an Aufgaben, die beide Diplomaten bewältigen 15 

Queller bespricht Donatos Auftrag als Verhandlungspartner bei Sigismunds im Früh-

330

IV. Diplomatie und Pergament

sollten, zeigt deutlich das breite Spektrum an Kompetenzen, die von venezianischen Diplomaten im 15. Jahrhundert erwartet wurden. Beide waren sowohl mit der Vertretung Venedigs als Repräsentanten der Republik, dem Abschluss von Verträgen und der juristischen Vertretung als auch grundsätzlich mit dem Beschaffen von Informationen und der Aufrechterhaltung von Kontaktnetzwerken betraut.16 Wie gut das diplomatische System Venedigs entwickelt war, zeigt sich an der hohen Kommunikationsdichte zwischen den Gesandten und der Republik. Gleichzeitig waren die venezianischen Gesandten aber stark an ihre Mandate gebunden und erhielten teilweise sehr detaillierte Instruktionen, die ihnen nur geringe Handlungsspielräume ließen.17 Das gleiche Muster lässt sich für Capodilistas Reise an den Hof Kaiser Sigismunds 1437 beobachten. Er erhielt dabei nicht nur ausführliche Instruktionen und klare Handlungsrichtlinien, sondern Ende November 1437 sogar verschiedene Anweisungen, die er je nach Entwicklung der Situation zu nutzen verpflichtet war. An Capodilistas Aufenthalt in Florenz 1436 bis zu seiner Abreise nach Ungarn sind Spuren der langsamen Entwicklung zur Funktion ständiger Gesandtschaften erkennbar. Die zunehmende Dauer diplomatischer Missionen, die sich zu Beginn des 15. Jahrhunderts im Gesandtschaftswesen einiger italienischer Mächte erkennen lässt, wird auch hier deutlich. Im spezifischen Fall Capodilistas fällt besonders auf, dass für seinen Aufenthalt in Florenz kein einzelner Auftrag erkennbar ist, der sich über die gesamte Zeit seines Aufenthalts zog. Obwohl er anfangs als Teil einer Gesandtschaft nach Florenz reiste, scheint er anschließend als Beobachter vor Ort geblieben zu sein. Das wird in den Instruktionen anderer venezianischer Gesandter nach Florenz ersichtlich, denn diese wurden in der Regel angewiesen, sich nach ihrer Ankunft in Florenz bei Capodilista über die Gegebenheiten vor Ort und neuste politische Entwicklungen zu informieren.18 Dieses Muster ist auch bei anderen venezia­ nischen Gesandten erkennbar, so dass sich ein allgemeiner Trend hin zu dauerhaften Gesandtschaften abzeichnet, die bei Bedarf mit weiteren Sondergesandten verstärkt wurden. Das fügt sich in die intensiv erforschte Entwicklung hin zum residierenden Gesandten ein, die vollständig aber erst ab Ende des 15. Jahrhunderts einsetzt.19 Capodilistas diplomatische Karriere endete mit seiner Rückkehr nach Padua zu Beginn des Jahres 1442. In den nächsten Jahren lässt seine rege Aktivität in der Stadt jahr 1433 gemeinsam mit seiner Reise nach Basel und attestiert ihm damit eine Stellung in der Art eines „beweglichen“ residierenden Gesandten. Siehe Queller, The Office of Ambassador (wie Anm.  10), 78 f. 16  Siehe zur Rolle des Diplomaten Lazzarini, Isabella, Renaissance Diplomacy, in: Andrea Gamberini/Isabella Lazzarini (Hg.), The Italian Renaissance State, Cambridge 2012, 423–443., hier 430. 17  Siehe zum Beispiel die sehr konkreten Instruktionen, die Capodilista 1435 in der letzten Phase des Prozesses gegen Ludwig von Teck erhielt. Vgl. weiter oben. 18  Siehe beispielsweise die Instruktionen für Andrea Mauroceno vom 20. Juni 1436. ASVe, Senato, Deliberazioni, Secreti, Registri, reg.  13, ab fol.  244r, hier 245v. 19  Lazzarini, Renaissance Diplomacy (wie Anm.  16), 431.

IV.1. Diplomatie: Zur Karriere des gelehrten Juristen Giovan Francesco Capodilista 331

deutlich erkennen, dass sein gesellschaftliches Prestige durch seine Gesandtschaftserfahrung erheblich gestiegen war. Dazu trug sicherlich auch Capodilistas intensive Nutzung seiner von Sigismund durch die Ernennung zum Hofpfalzgraf erhaltenen Privilegien bei, die er zur Legitimierung unehelicher Kinder und Ernennung von Doktoren nutzte.20 Sein gestiegener sozialer Status innerhalb Paduas zeigte sich auch nach seinem Tod 1452 an seiner Grablege in der wichtigsten Kirche der Stadt, der Basilica di Sant’Antonio. Literarischen Niederschlag fand sein hohes Ansehen in der Grabrede Mascarellis, die seinen weit verbreiteten Ruhm hervorhob.21 Die eigentlich nicht vorgesehene Weitervererbung des Palatinats innerhalb der Familie und die Verwendung des Namens Sigismondo als neuen Leitnamen untermauerten die Bedeutung des diplomatischen Erfolgs Giovan Francescos für das Ansehen seiner Familie. An Capodilistas Karriere verdeutlichen sich also neben den Aufstiegsmöglichkeiten eines gelehrten Juristen auch Mechanismen, die sowohl auf langen Entwicklungslinien als auch auf schlichten Zufällen beruhten. Nicht zu unterschätzen ist der Faktor, den Capodilistas in spezifischen Situationen erworbenes Wissen auf seine Wahl als Gesandter in immer neuen Missionen brachte. Dazu zählte zunächst sein Wissen über die politische Situation des Friaul, das ihn 1433 als idealen Gesandten zum Basler Konzil machte, aber auch seine dann in Basel erworbenen Einblicke in die Funk­ tionsweise und Argumentationen des Konzils und seine Kontakte zu politischen bedeutenden Personen. An seinen späteren Aufträgen zeigt sich deutlich, dass bereits vorhandene Kenntnisse über spezifische Konflikte und Beziehungskonstellationen bei der Wahl von Diplomaten berücksichtigt wurden. Es zeigt sich, dass zunehmend „Fachleute“ für spezifische Aufträge gewählt wurden, die teilweise über Jahre hinweg als Ansprechpartner in bestimmten diplomatischen Kontexten fungierten.22 Damit entwickelten sich nicht nur einzelne Personen zu Experten für bestimmte politische Situationen. Gleichzeitig entstanden auch persönlichere Kontakte und bis zu einem gewissen Grad Vertrauensbindungen, die Verhandlungen zwischen den Gesandten und dem adressierten politischen Machtträger vereinfachen konnten. Grundlegend für Capodilistas Karriere als Diplomat war seine Ausbildung als gelehrter Jurist. In erster Linie wurde Capodilista als zuständiger Gesandte für juristisch komplexe Sachverhalte eingesetzt: Er überwachte Vertragsschlüsse, kontrollierte die entstandenen Verträge auf ihre Gültigkeit und führte in Basel den Prozess vor 20 Siehe Forin Martellozzo, Elda, Conti palatini e lauree conferite per privilegio. L’Esem­ pio Padovano del. Sec XV, in: Annali di storia delle università italiane 3 (1999), 79–119, 83 und 92. 21  BNM, Cod. Marc. Lat. 264 X/V (=4296), fol.  73v. 22  Neben Capodilista ist der venezianische Gesandte Marco Dandolo ein Beispiel für eine solche Entwicklung, der bereits 1429 als Kontaktmann zu Sigismund fungierte, und noch 1437 als Vertreter Venedigs bei der zeremoniellen Investitur des Dogen als Lehnsnehmer Sigismunds fungierte. Siehe Gullino, Guiseppe, Art. Marco Dandolo. DBI 32 (1986), 485–487, 485 und weiter oben. Dandolos Aufgabe bei Sigismund wurden im Sommer 1437 an Capodilista übergeben.

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IV. Diplomatie und Pergament

dem Konzil um die rechtmäßige Herrschaft über das Friaul. Auch seine sonstigen an der Universität erworbenen Fähigkeiten, vor allem zur politischen Argumentation und geschliffenen Rhetorik, waren auf den durch Reden bestimmten großen politischen Versammlungen des 15. Jahrhunderts Voraussetzung für die Ausführung seiner Aufträge. Daneben war die Fähigkeit zur Formulierung von Missiven, Verträgen und Schreiben in gutem Latein in der auf Schriftlichkeit angewiesenen Welt der Diplomatie notwendig, und für einen gelehrten Juristen selbstverständlich. Auch wenn Capodilista nicht als Humanist gesehen werden kann, und statt der ciceronischen Rhetorik eher den universitären Gepflogenheiten verpflichtete Reden hielt, waren auch diese Fähigkeiten grundlegend für seine politischen Missionen. Am sichtbarsten wird das in seiner Rolle als Sprecher der Gesandtschaft auf dem Basler Konzil, auf dem er sowohl Reden vor der Generalversammlung des Konzils hielt, als auch in kleineren Kreisen in Disputationen für die Sache Eugens IV. eintrat oder als Sprecher für Sigismund fungierte. Allerdings konnte die Sachkenntnis eines Diplomaten unter Umständen einen Mangel an rhetorischen Fähigkeiten ausgleichen. Das zeigt Capodilistas Mitgesandter Andrea Donato, der mit der wichtigen Vertragsverhandlung zwischen Venedig und Kaiser Sigismund betraut war, und seine einzige verzeichnete Rede während der zweijährigen Gesandtschaft vor dem Konzil „per vulgarre“ hielt.23 Humanistische Bildung war für einen Diplomaten noch nicht zwangsläufig notwendig, auch wenn sich in der Praxis der Einsatz von humanistisch gebildeten Gesandten für besonders hochrangige oder zeremonielle Aufgaben üblich wurde.24 Letztendlich war es das Zusammenspiel einer Vielzahl von Faktoren, das Capodilistas Karriere in den Diensten der Republik Venedig und Eugens IV. ermöglichten. Sie basierte auf über Ausbildung erlangten Fähigkeiten, verbunden mit über die Jahre hinweg erworbenem Fachwissen und Kontakten, sicherlich aber auch auf der Fähigkeit zur geschickten Verhandlungsführung und kreativen Argumentation, wie sie in Capodilistas Reden und seinem einzig erhaltenen Traktat sichtbar werden. Als einer der wenigen Paduaner im Dienst der Republik fiel Capodilistas Karriere aber auch in eine Zeit, in der immer dichter werdende Kommunikationsnetze und gleichzeitig ein hohes Aufkommen an inneritalienischen und internationalen Konflikten, zusätzlich geprägt durch die langjährige Auseinandersetzung zwischen Papst und Konzil, einen hohen Bedarf an bestimmten spezialisierten Gesandten kreierten.25 Immer wieder 23  Rede Donatos nach seiner Rückkehr von seiner Reise zu Eugen IV. im Februar 1434. Siehe Tagebuch des Andrea Gatari (wie Anm.  4), 393. Auch Segovia vermerkt die Nutzung der Volkssprache, wobei er spezifiziert das Donato venezianischen Dialekt sprach: „Post hec Andreas Donato, ex Venetis oratorum alter, in vulgari proposuit domincaionem Venetorum […].“ Segovia (wie Anm.  4), Liber VI, Caput XLIX, 562 24 Siehe die Karriere Francesco Barbaros, ein humanistisch gebildeter herausragender Rhetoriker, der für Venedig unter anderem die Ehrenrede nach der Krönung Sigismunds in Ferrara gehalten hatte. Siehe die Rede in Gedruckt in RTA 11, Nr.  70 (1.9.1433), 137 ff. 25 Grundsätzlich nutzte Venedig nur sehr selten die Dienste von Mitgliedern der Oberschicht aus unterworfenen Gebieten. Knapton sieht darin das Bemühen des venezianischen

IV.1. Diplomatie: Zur Karriere des gelehrten Juristen Giovan Francesco Capodilista 333

neu aufbrechende Konflikte in Italien erforderten eine stetige Erweiterung, Anpassung und Umarbeitung von multilateralen Bündnisverträgen, während die Parteien in der Auseinandersetzung um das Konzil wegen der zunehmenden theologischen und juristischen Prägung des Kirchenstreites gebildete Redner mit Fachwissen und argumentativer Schlagkraft benötigten. Die große geographischen Spannweite der Kar­ riere Capodilistas, die ihn von Oberitalien ins römisch-deutsche Reich, Frankreich und Ungarn führte, zeigt eindrucksvoll, was ein gelehrter Jurist im Dienste einer mächtigen italienischen Republik in der Blütezeit ihrer Ausdehnung erreichen konnte. Sein erworbenes Prestige und die Erhebung in den niederen Adelsstand durch Kaiser Sigismund, den seine Familie bis in die Neuzeit für sich beanspruchte, sind nur die äußeren Anzeichen für das erworbene gesellschaftliche und soziale Prestige. Einzigartig bleibt Capodilistas Karriere als Aufstieg eines Paduaners in den Diensten Venedigs, wenige Jahrzehnte nach der Unterwerfung der immer wieder rebellierenden Stadt unter die Herrschaft der Republik. Beispielhaft ist sie aber grundsätzlich für eine Vielzahl an Karrierewegen, die für gebildeten Juristen in der diplomatischen Welt Italiens in der frühen Renaissance sowohl in den Diensten weltlicher Mächte als auch als päpstliche Diplomaten möglich waren. Auch wenn Capodilistas diplomatische Missionen selbst für seine Auftraggeber nur in den seltensten Fällen tatsächlich politische Erfolge waren, bleibt seine Karriere damit letztendlich eine bemerkenswerte Erfolgsgeschichte.

Patriziats, die Kontrolle des Staats weiterhin als ihr Vorrecht zu definieren, und spricht von der Aufrechterhaltung einer „corporate identity“ Venedigs. Das gilt besonders für den Einsatz von Bewohnern der Terraferma in der Diplomatie der Republik. Siehe Knapton, Michael, Venice and the Terraferma, in, Andrea Gamberini/Isabella Lazzarini (Hg.), The Italian Renaissance State, Cambridge 2012, 132–155, 142 und 154.

IV.2. Pergament: Familiengeschichte und Selbstbild Giovan Francesco Capodilistas im Capodilista-Kodex Das eindrucksvollste Zeugnis für den Erfolg der diplomatischen Karriere Giovan Francesco Capodilistas ist der Capodilista-Kodex. Obwohl die Anknüpfungspunkte zwischen der Gesandtschaftstätigkeit Giovan Francescos und dem Kodex selbst auf den ersten Blick nur dünn erscheinen, sind sie doch grundlegend miteinander verbunden: Es war Capodilistas diplomatischer Erfolg, der dem Capodilista-Kodex überhaupt die Entstehungsgrundlage bot. Obwohl Giovan Francesco bereits vor seiner Abreise nach Basel ein breites Interesse an seiner Familiengeschichte und der historiographischen Tradition der Stadt Padua gepflegt haben muss,26 ist die Entstehung des Kodex in die Zeit seiner Mission auf dem Basler Konzil zu verorten. Den äußeren Anlass bildete wohl die Erhebung Capodilistas zum Hofpfalzgraf durch Kaiser Sigismund im April 1434, die Aufnahme in den Drachenorden sowie den aragonesischen Kannenorden, und die Verleihung des Collar of Esses des Hauses Lancaster. Diese drei Auszeichnungen sind prominent auf dem Reiterportrait Capodilistas im Kodex dargestellt, das auch das von Sigismund gebesserte Wappen präsentiert. Damit liegt das Frühjahr 1434 als terminus post quem für die Entstehung des Kodex fest. Genau wie die Bildinhalte ist auch der Charakter der Illumination untrennbar mit dem Basler Konzil verknüpft, denn die Bildsprache und Ausführung weisen darauf hin, dass der unbekannte Buchmaler wahrscheinlich kein Italiener war. Der Kontakt zu ihm muss auf dem Konzil zustande gekommen sein, das auch ein großer Büchermarkt und Zentrum für interkulturelle Begegnungen war. Außergewöhnlich sind auch die Konzeption und der Inhalt des Kodex. Gegliedert durch die Reiterreihe, die drei Wappendarstellungen und die Gelehrtendarstellung, erzählt der Kodex Familiengeschichte mit einer dezidierten Anbindung an Capodilistas Gegenwart. In inserierten Einschüben spricht Capodilista als Verfasser immer wieder den Adressaten selbst an und bricht die Erzählkontinuität durch Berichte voller autobiographischer Details und Kommentaren mit Hinweisen auf die Entstehung des Kodex. Diese Einschübe bieten Einblicke auf den sonst nur implizit erkennbaren Einfluss Capodilistas bei der Entstehung des Kodex. Die Handschrift ist als Autograph identifiziert, und es ist gibt keinen Grund, neben Capodilista einen weiteren

dazu weiter oben zu den Bearbeitungsspuren der Handschrift mit dem Werk De Generatione Giovanni da Nonos. 26  Siehe

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IV. Diplomatie und Pergament

Verfasser anzunehmen.27 Aber auch für die Bilder ist eine hohe Einflussnahme Capodilistas zu vermuten, wodurch die zahlreichen individuellen Details der Darstellungen zu erklären sind. Das gilt besonders für Giovan Francescos eigenes Reiterportrait mit der detaillierten Darstellung der Orden und der an die Kleiderordnung der Universität angepassten Kleidung, aber auch für das Uhrenwappen, dessen intervisuelle Vielschichtigkeit anders nicht erklärbar ist. Ob die Wahl der Bildtypen ebenfalls Capodilista selbst zuzurechnen ist, kann nicht abschließend geklärt werden. Betrachtet man die Bedeutungsvielfalt der mit Prestige in Verbindung gebrachten Form der Reiterdarstellung in den oberitalienischen Republiken, erscheint die Rückführung der Motivwahl auf Capodilista wahrscheinlich. Aber auch auf dem Basler Konzil muss das Motiv des berittenen Kriegers präsent gewesen sein, nicht zuletzt durch die von Andrea Gatari im Tagebuch der Gesandtschaft beschriebenen Turniere.28 Das Motiv des ehrenhaften Ritters spielt schließlich auch eine herausragende Rolle in der Herkunftslegende der Familie, die wahrscheinlich für den Capodilista-Kodex geschaffen wurde. Letztendlich war Capodilistas Motivation bei der Abfassung des Kodex vielschichtig. Er selbst nennt die Pflege der familiären Memoria und die Unterrichtung der Lebenden über die ehrenvollen Taten der Vorfahren zur Anleitung ihres Verhaltens.29 Damit ist ein keineswegs unübliches Spektrum an Schreibmotivationen umrissen, das in der Adressierung des Kodex an die Nachfahren der Familie im gleichen Textabschnitt konkretisiert wird. Implizit scheint weiter deutlich die Intention auf, die Familie Capodilista mit einer genealogischen Rahmenerzählung aufzuwerten und Giovan Francescos eigene Karriere in einen familiengeschichtlichen Hintergrund eingebettet zu erzählen. Dass die Familie in der Generation von Capodilistas Vater Francesco durch die Verschwendungssucht eines ihrer männlichen Mitglieder er­ heblichen Schaden erlitt, scheint dabei sogar auf der Ebene des Textes auf.30 Der Kodex diente also gleichzeitig der Selbstversicherung wie auch der Bestätigung der wieder erlangten familiären Ehre. Dabei verweigert er aber die Lesart als Geschichte eines Aufsteigers sondern präsentiert die Familiengeschichte als lineare Erzählung eines immer vorhanden gewesenen Prestiges, das von Giovan Francesco nur erwei27  Zur Frage nach der Authentizität des Kodex als Autograph vgl. die Bemerkungen Blason-­ Bertons in der Einleitung zu De viris illustribus Familiae Transelgardorum, Forzatè et Capitis Listae, ed. v. Mirella Blason-Berton. 2. Bände (Faksimile und Textband). Rom 1972, hier Band  1, 45 f. 28  Andrea Gatari beschrieb drei Turniere in Basel: das erste im Dezember 1433, das zweite im März 1434 und das letzte im Januar 1435. Dazu notierte er auch die Ereignisse um die Wettkämpfe herum: Festmähler, Tanzveranstaltungen und die herausgeputzten Damen. Siehe Tagebuch des Andrea Gatari (wie Anm.  4), 388, 394 und 413. 29  B.P. 954, fol.  4v. 30  Forin Martellozzo, Conti palatini (wie Anm.  20), 83. Im Capodilista-Kodex wird der Ansehensverlust in der Beschreibung des Verlusts einer Urkunde aus dem Familienarchiv durch die Spielsucht des Onkels sichtbar. B.P. 954, fol.  32v.

IV.2. Pergament: Familiengeschichte und Selbstbild Giovan Francesco Capodilistas 337

tert und bestätigt wird. Der Fokus der linearen Erzählung driftet dabei immer wieder ab, um sich dann letztendlich auf die Person Giovan Francescos selbst zu konzentrieren. Das konstruierte familienhistoriographische Narrativ wird dabei von Inserten unterbrochen, die sich meist auf die Biographie des Verfassers beziehen oder nachträgliche Erweiterungen des ursprünglichen Textes vornehmen. Dazu gehören vor allem Anmerkungen zu den sogenannten Annalen des d’Alessio, mit deren Hilfe die Familiengeschichte um die in der vermutlich fiktiven Handschrift konstruierte Herkunftserzählung erweitert wird. Diese Erzählung von den Annalen des d’Alessio ist das auffälligste Narrativ neben der familienhistoriographischen Erzähllinie, das an verschiedenen Stellen im Kodex immer wieder auftaucht. Die Handschrift, um die eine komplexe Entstehungs- und Auffindungserzählung etabliert wird, übernimmt die Rolle der im Kodex reproduzierten Autorität. Ihr zugeschrieben werden neben der Herkunftslegende, die im Fortgang der Texte immer wieder erzählt und dabei immer weiter ausgeschmückt wird, auch Urkunden, die im Kodex wiedergegeben werden, sowie einzelne Fakten über Personen der Reiterreihe. Der Bericht über die Ent­ deckung der Annalen auf dem Balser Konzil verknüpft den Kodex sowohl mit dem Konzil als Entstehungsort und beliebten Tauschmarkt für Handschriften, als auch mit der prominenten Person Bartolomeo della Scalas, der als Mitglied der ehemaligen Herrscherfamilie über Verona eine von Venedig ungern gesehen Person war. Der Tod della Scalas im Frühjahr 1434 vor Beginn der Abfassung des Capodilista-Kodex erlaubte Capodilista zudem, eine nur schwer nachprüfbare Behauptung aufzustellen. Die Annalen des d’Alessio gehören zu den deutlichsten Anzeichen für die Tech­ niken des Einschreibens, die Capodilista in seinem Kodex nutzt. Dabei konstituiert er soziale Kontexte, indem er gezielte Gruppierungen innerhalb Paduas in Text und Bild seiner Handschrift aufruft. Auf der textlichen Ebene wird dieses Verfahren vor allem in der Quellenliste deutlich erkennbar.31 Sie verzeichnet nicht nur, wie die ihr vorangestellte Erläuterung impliziert, die von Capodilista genutzten Texte und Dokumente. Die Markierung einiger erwähnter Texte als im Besitz des Verfassers befindlich erlaubt zunächst die Rekonstruktion eines Teils der Bibliothek Capodilistas. Darüber hinaus enthält sie aber Hinweise auf bestimmte intellektuelle Gruppierungen innerhalb Paduas, deren Mitglieder sich durch ein intensives Interesse an Stadtund Familienchronistik auszeichneten und fast alle im Umfeld der Universität angesiedelt waren. Gleichzeitig verweisen die genannten Namen auf seit langem in Padua ansässige Familien, die teilweise schon zur Zeit der Kommune, vor allem aber unter der Carrara-Regierung wichtige Positionen in der Stadt innehatten. Dazu gehören die genannten Familien der Mussato, Zabarella, Scrovegni, Dotti, da Lion, Gatari und Buzzaccarini. Als Humanist bekannt war der ebenfalls auftauchende Sicco Polenton. Einige der in der Liste genannten Personen sind noch während oder nur wenige Jahre nach Capodilistas Aufenthalt in Basel in den Zusammenhang mit Aufständen und

31 

B.P. 954, fol.  4v.

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IV. Diplomatie und Pergament

Verschwörungen gegen Venedig in Verbindung zu bringen.32 Betrachtet man die Quellenliste weiter aus der hier etablierten Netzwerkperspektive wird also deutlich, dass sie Capodilista in diesen aufgerufenen sozialen Kontext einordnet und ihn mit den genannten Persönlichkeiten vernetzt. Sie ist damit ein klarer Hinweis auf eine von ihm gewünschte Selbstpositionierung innerhalb einer Gruppierung, die zur lange etablierten intellektuellen und kulturellen Elite der Stadt Padua zählte und noch positive Erinnerungen an die Zeit vor der Besetzung Venedigs pflegte. Ob diese Gruppierung in der im Capodilista-Kodex aufgerufenen Konstellationen tatsächlich existierte ist dabei unklar, für die Wirkweite des Kodex aber nicht notwendigerweise von Bedeutung. Die Quellenliste enthält damit letztendlich keine Aussagen über die gesellschaftliche Realität Paduas, sondern gibt lediglich Auskunft darüber, welche städtische Gruppierung Capodilista für sich aufruft, kreiert und in Anspruch nimmt. Stärkere Anknüpfungspunkte an nachweisbare gesellschaftliche Strukturen enthält dagegen das Uhrenwappen. Auch darin sind Hinweise auf die Stadt Padua und gesellschaftliche Zirkel verschlüsselt. Die Figur des Teukerkriegers in der Helmzier, die auf den Gründungsmythos Paduas hinweist, ruft gleichzeitig humanistisches Gedankengut ab, das in Padua seit den Prähumanisten verbreitet war. Die Uhr in der Helmzier bezieht sich auf zwei unterschiedliche Uhren. Intervisuell ist sie stark an die mechanischen Zeichnungen des Astrarium angelehnt, das Giovanni de’Dondi in der Mitte des 14. Jahrhunderts in Padua geschaffen hatte. Sein Uhrwerk war in Padua immer noch im Gespräch geblieben, obwohl der Mechanismus selbst zu Capodilistas Lebenszeit bereits in Pavia stand. Die zweite aufgerufene Uhr ist die Turmuhr an der Piazza dei Signori, die einen zerstörten Vorgängerbau ersetzte und deren Bauarbeiten genau in die Zeit von Capodilistas Aufenthalt in Basel fielen. Überlegungen zum Wiederaufbau gab es bereits vor 1430, und in Padua flammte ein allgemeines Interesse an Uhren und deren mechanischen Voraussetzungen auf.33 Dieses Interesse am Bau der Stadtuhr hat einen unmittelbaren Niederschlag in der Uhr des Capodilista-­ Kodex gefunden. Gleichzeitig verortet die Uhr in der Helmzier des Wappens Capodilistas in der Gruppe der Befürworter der Stadtuhr. Obwohl er sich wegen seiner Abwesenheit nicht an den bis 1437 andauernden Gesprächen und Diskussionen um den Bau beteiligen konnte, weist das Uhrenwappen auf sein Interesse an der technischen Entwicklung hin und verortet ihn klar als Unterstützer des Baus. Die in den Akten des Consiglio festgehaltenen Befürworter der Uhr entstammen dem Kreis, der im Capodilista-Kodex auch in der Quellenliste aufgerufen wird. Genannt werden die Namen der Familien Zabarella, Scrovegni, da Lion und Buzzaccarini.34 Das Uhren32 Die zwei Verschwörungen sind der Aufstand 1435 und die Scrovegni-Verschwörung 1439, in die Capodilistas eigener Sohn Francesco verwickelt war. Siehe dazu weiter oben. 33  Billanovich, Maria Chiara, La Vicenda dell’Orologio di Piazza dei Signori a Padova: Committenti, Esecutori, Modalità di Costruzione, in: Archivio Veneto 132 (1989), 39–63, 52. 34  Gloria, Andrea, L’Orologio di Iacopo Dondi nella piazza dei Signori in Padova modello agli orologi più rinomati in Europa, in: Atti e memorie della Accademia di scienze, lettere ed arti in Padova 1 (1884/5), 233–293, 291, Stück vom 3. Februar 1428.

IV.2. Pergament: Familiengeschichte und Selbstbild Giovan Francesco Capodilistas 339

wappen weist also in seinen verschiedenen Bedeutungsschichten seinen Träger sowohl als Befürworter einer modernen Form der städtischen Repräsentation durch eine mechanische Uhr aus als auch als Mitglied einer städtischen Gruppierung, die an der Erbauung der neuen Turmuhr fördernd beteiligt war. Alle diese Eigenschaften weisen auf das gleiche gehobene gesellschaftliche Milieu hin, in das ihn auch die Quellenliste einschreibt. Dabei ist die Anbindung an die Stadt Padua selbst, verkörpert durch den Teukerkrieger als Träger der Uhr, überdeutlich. Der Gründungsvater der Stadt verknüpft den Träger des Wappens eindeutig und untrennbar mit seiner Heimatstadt. Es handelt sich bei dem Uhrenwappen um ein fiktives Wappen. Nur so werden die zahlreichen Bedeutungsschichten innerhalb des heraldischen Symbols überhaupt möglich. Deutlich wird darin auch Capodilistas Einflussnahme auf die Entstehung der Bildausstattung des Kodex, denn nur so sind die zahlreichen intervisuellen Konnexe erklärbar. Damit werden auch im Uhrenwappen die Mechanismen des Einschreibens deutlich. Verstärkt werden sie dadurch, dass die im Uhrenwappen erfolgte Konstruktion sozialer Wirklichkeit im Wappenbrief für Manfredo del Cortivo eine weitere Dimension erhielt. Der im Juli 1435 auf dem Basler Konzil ausgestellte Wappenbrief bestätigte den Adelsstand der Cortivo und erweiterte ihr Wappen um die vermeintlich alte Helmzier der Capodilista aus dem Uhrenwappen des Kodex.35 Die Bildlemente des Teukerkriegers und der Uhr übernahmen dabei eine neue Funktion, lösten sich von ihrer gruppenanzeigenden Bedeutung und übernahm den Hinweis auf die Verbindung der Cortivo zu den Capodilista, die als Gönner auftraten. Das fiktive Element der Helmzier wurde damit in die soziale Wirklichkeit überführt. Die Bedeutungsverschiebung ist dabei insofern relevant, als auffallend die beziehungsanzeigende Funktion der Helmzier beibehalten wurde, und nur der Inhalt dieses Symbols verschoben wurde. Teukerkrieger und Uhr stehen nach wie vor für eine soziale Anbindung, werden im Wappen der Cortivo aber mit der Familie Capodilista in Verbindung gebracht, während sie vorher für die Stadt Padua standen. Uhrenwappen und Quellenliste stehen damit nur als zwei beispielhafte Elemente für die Techniken des Einschreibens, die im Capodilista-Kodex ersichtlich werden. Auch in anderen Elementen des Kodex werden Strategien zur Konstruktion von Gruppen und sozialer Wirklichkeit sowie zur Anbindung der Familie Capodilista an die Stadt Padua ersichtlich. Erkennbar sind sie beispielsweise in den Namensansammlungen, die Capodilistas Kurzbiographie und die Besitzliste des Kodex bieten. Erstere verknüpft Giovan Francesco mit einem illustren Kreis prominenter Rechts­ gelehrter an der Universität Padua, letztere die gesamte Familie mit einflussreichen Landbesitzern in und um Padua. An anderen Stellen dienen die in den Kodex ein­ gefügten Urkunden zur Mehrung des familiären Prestiges, wie die genannten Königs­ urkunden oder die in Gänze eingefügte Urkunde des Franziskaneroberen Guglielmo da Casale. Letztere weist wieder deutlich in den städtischen Kontext, denn obwohl 35 

Der Wappenbrief wird unter B.P. 1641/III in der Biblioteca Civica in Padua aufbewahrt.

340

IV. Diplomatie und Pergament

Capodilista auch eine Urkunde des erheblich prominenteren Kamaldulensers Ambrogio Traversari erwähnt, ist diese nicht im Kodex inseriert. Guglielmo da Casale stand aber in direkter Verbindung zu Padua, so dass auch diese Urkunde auf die Stadt selbst zurückverweist. Auch weitere fiktionale Erzählstrategien werden im Capodilista-­ Kodex sichtbar. Dazu gehören vor allem die Biographien fiktiver Familienmitglieder und Einschübe, in denen die Herkunftslegende der Familie immer weiter ausgebaut wird. Die aufwändigste Kurzbiographie ist jene Pietro Capodilista dei Transelgardis, der den drei legendarischen Brüdern Giovanni, Carlotto und Transelgardo als Zeitgenosse an die Seite gestellt wird, und dem im Kodex eine bemerkenswerte Karriere als Kleriker und päpstlicher Diplomat zugeschrieben wird. Belegt wird diese Karriere durch eine Urkunde, die Pietro Capodilista dei Transelgardi im September 746 erhalten haben soll, und die ihn als Erzbischof und Graf von Bethlehem bezeichnete.36 Diese deutlich als fiktiv erkennbare Urkunde konstruiert für Pietro Capodilista dei Transelgardi nicht nur eine eindrucksvolle Karriere, die mit seiner Oberaufsicht über sämtliche Kirchen in Jerusalem gipfelte. Gleichzeitig ähneln seine Verdienste als ­erfolgreicher Diplomat – wenig überraschend – Capodilistas eigener Karriere. Der erfolgreiche Vorfahr nahm damit bereits Giovan Francescos Erfolg als Diplomat ­vorweg und verankerte das Karrieremerkmal der Gesandtschaftstätigkeit als hergebrachtes Charakteristikum der Familie in der ansonsten auf militärische Erfolge ausgerichteten Herkunftslegende. Diese Tatsache bleibt der einzige Hinweis darauf, dass die Herkunftserzählung um die drei Brüder möglicherweise nicht vollständig von Capodilista erdacht wurde, sondern in groben Zügen vielleicht schon vorher in der Familie kursierte, und von Giovan Francesco nur ausgeschmückt und um den päpstlichen Diplomat Pietro Capodilista dei Transelgardi erweitert wurde. In allen Elementen des Kodex, sowohl den deutlich fiktiven als auch den mit historiographischem Wahrheitsanspruch erzählten, scheint immer wieder Giovan Francesco selbst auf. Kürzere Berichte zu seiner eigenen Situation tauchen in unterschiedlichen Längen immer wieder als Inserte innerhalb der Handschrift auf.37 Dadurch bleibt seine eigene Person im Kodex an vielen Stellen auch außerhalb seiner eigenen Kurzbiographie überraschend präsent. Implizit wird Capodilista aufgrund seines großen Einflusses auf die Struktur, Gestaltung und den Inhalt des Kodex auch jenseits der Erzähl­ ebene immer wieder erkennbar. Der Kodex rückt damit in die Nähe eines Ego-Dokuments und demonstriert auffällig selbstbestimmtes und gezieltes kommunikatives Handeln Capodilistas, das sich auf Bild- und Textebene manifestiert. Der Kodex wird damit zu einem einzigartigen Zeugnis für die Fähigkeit Giovan Francesco Capodilistas, verschiedene Medienformen miteinander in Verbindung zu bringen und durch kohärentes Erzählen sowohl seine eigene Biographie als auch die Geschichte seiner 36 

B.P. 954, fol.  37r. Der Begriff des ‚inserierten Selbstzeugnis‘ stammt von Schmolinsky, Sabine, Sich schrei­ ben in der Welt des Mittelalters. Begriffe und Konturen einer mediävistischen Selbstzeugnisforschung, Bochum 2012, 152 37 

IV.2. Pergament: Familiengeschichte und Selbstbild Giovan Francesco Capodilistas 341

Familie zu konstruierten und zugleich zu manipulieren. Die Kombination aus Stadtgeschichte, Familiengeschichte und Autobiographie verbindet die Familie Capodilista untrennbar mit ihrer Heimatstadt Padua. Gegenwärtige und vergangene Beziehungsnetzwerke werden sowohl für Giovan Francesco selbst als auch für seine Vorfahren konstruiert und über die Einfügung von Namensnennungen und Urkunden beglaubigt. Giovan Francesco verortet seine eigene Person damit intellektuell und sozial in der gebildeten Oberschichte Paduas, setzt sich aber gleichzeitig durch die immer wieder betonte Loyalität zu seiner Heimatstadt auch in Kontrast zu seinem Auftraggeber Venedig. Der Capodilista-Kodex zeichnet sich durch seine Konstruktion, Bildausstattung und Inhalte aus, die ihn von der Handschriftenlandschaft Paduas besonders abheben. Die Analyse zeigt aber deutliche Elemente verbreiteter Gattungsmuster wie den Libri di famiglia oder den Vires Illustres-Texten, die im Kodex miteinander verbunden worden sind. Die an die Handschrift herangetragene Netzwerkperspektive und die Untersuchung des Kodex auf Strategien des Einscheibens haben deutlich gezeigt, dass auch nicht auf den ersten Blick geeignete Quellen ertragreich zur Analyse sozia­ ler Gruppierungen und der Selbsteinordnung von Individuuen in deren Kontexte herangezogen werden können. Das gilt auch und gerade für den Fall, in dem die aus der untersuchten Quelle gewonnenen Ergebnisse nicht durch Sekundärquellen gegengeprüft werden können. Der Capodilista-Kodex eignet sich dafür besonders, weil er ein gutes Beispiel für die Einflussnahme des Verfassers bei der Anfertigung der Handschrift ist. Weiter wird im Kodex deutlich, dass autobiographisches Erzählen nicht gesondert erfolgen muss, sondern verdeckt im genealogischen Kontext entfaltet werden kann. Giovan Francesco Capodilista ist damit auf eine bemerkenswerte Weise in seiner Handschrift präsent, auch und gerade wenn er Familiengeschichte oder Stadtgeschichte rekapituliert. Die Beeinflussung der Handschrift in Inhalt und äußerer Gestalt durch Capodilistas bemerkenswerte Karriere ist dabei nicht zu übersehen. Der Erfolg dieser Karriere verdeutlicht sich nicht nur in Capodilistas zahlreichen Aufträgen, seiner Ernennung zum Hofpfalzgraf und seinem deutlich gestiegenen gesellschaftlichem Prestige nach seiner Rückkehr nach Padua 1442 und dem dauerhaften gestiegenen sozialen Ansehen seiner Familie. Am sichtbarsten wird er im Austattungsniveau und Anspruch des Capodilista-Kodex, den Reiterbildern und Wappendarstellungen, aber auch in dem geschickt konstruierten Narrativ um die Annalen des d’Alessio und der selbstbewussten Behauptung Giovan Francescos, man möge ihn der Lüge bezichtigen, wenn man ihm nur einen einzigen Fehler nachweisen könne.38 Das Selbstbild eines gelehrten Juristen als erfolgreicher Gesandter und Abkömmling einer in seinen Augen vornehmen, begüterten und traditionell diplomatisch tätigen Familie wird so unmittelbar greifbar, in Texten und Bildern auf Pergament. 38 

„Et sic poterit quisque faciliter de veritate informari, concedimus autem omnimus licenciam apellandi omnia infrascripta falsa in uno solo falsitate comperta.“ B.P. 954, fol.  4r.

342

IV. Diplomatie und Pergament

Umso erstaunlicher ist es, das der Capodilista-Kodex nach dem Tod Giovan Francescos kaum rezipiert wurde. Knappe Einträge auf dem letzten Blatt des Kodex weisen zwar in die gleiche Zeit wie die aus dem 16. oder 17. Jahrhundert stammende Abschrift in der Biblioteca Nazionale Marciana, die nur den Text des Kodex transportiert und auch die Bilder in Sprache übersetzt.39 Es gibt aber keine Hinweise auf eine Rezeption der Handschrift im familiären Rahmen, und auch Giovan Francescos diplomatische Karriere und erworbene Privilegien als Hofpfalzgraf schienen lange im Gedächtnis der Familie nicht mehr präsent gewesen zu sein. So beruft sich ein Adelsnachweis für Camillo Capodilista von 1739 nicht mehr auf Giovan Francescos Privilegierung durch Kaiser Sigismund.40 Erst anlässlich der Hochzeit von Emma Emo-Capodilista mit dem österreichischen Baron Wilczek 1858 ist für den familiären Rahmen eine Rezeption der Handschrift nachzuweisen.41 Emma Emo-Capodilista war die Enkelin von Beatrice Capodilista, die als letzte Capodilista galt. Die Familie starb in ihrer Generation im Mannesstamm aus. Die anlässlich der Hochzeit Emmas hergestellte Kopie des Capodilista-Kodex berücksichtigte nur die Bildausstattung, und ließ die Texte des Kodex aus. Die Handschrift selber war zu diesem Zeitpunkt vermutlich seit einiger Zeit nicht mehr in Familienbesitz und gelangte schließlich Mitte des 19. Jahrhunderts aus dem Nachlass des Notars Antonio Piazza in die Bestände der Biblioteca Civica di Padova, wo sie noch heute aufbewahrt wird.42 Durch die Hochzeit entwickelte sich ein neues Interesse an der Familiengeschichte der Capodilista, das auch an der Entstehung einer Sammlung biographischer Notizen zur diplomatischen Karriere Giovan Francescos ersichtlich wird.43 Eine besondere Rezeption im familiären Kontext hat der Capodilista-Kodex erst vor wenigen Jahrzehnten erfahren. In den Bergen vor Padua wird das Weingut La Montecchia heute von der Familie Emo-Capodilista betrieben. Weinberge im Besitz der Familie sind schon im Estimo Francesco Capodilistas, des ältesten Sohnes Giovan Francesco, um das Jahr 1444 nachweisbar.44 Die Familie nutzt heute noch das Allianzwappen aus dem Emo-Wappen, ein goldener Balken auf rotem Grund, und dem Hirschwappen der Capodilista. Zusätzlich sind Darstellungen aus dem Capodilista-Kodex auf den Weinflaschen abgedruckt. Das Werbematerial des Weingutes legt dazu einen besonderen 39  BNM, Cod. Marc. Lat. X 348/VII (=3260). Spätere Hände vermerken den Bau eines neuen Palazzos als Familiensitz, zwei historische Daten und die Anzahl der Seiten im Kodex auf der letzten Seite, teilweise auf Italienisch. B.P. 954, fol.  38r. 40  ASP, Prove di Nobilità, vol.  28. 41  Bearbeitet wurde der Kodex anlässlich der Hochzeit ebenfalls das erste Mal. Schrauf, Karl, Das Familienbuch der Capodilista, Wien 1881. 42  Franco, Tiziana, Gli avi in miniatura. Il Codice Capodilista, in: Mensile de Franco Maria Ricci 19 (2000), 107–128, 108 43  Daraus entstand eine Handschrift, die unter dem Titel Memorie Edite e Inedeite della Famiglia Capodilista von dem Notar Guiseppe Antonio Berti 1848 verfasst wurde. Dieses Manuskript enthält auch einen gedruckten umfangreichen Stammbaum der Familie. Heute B.P. 2158. 44  ASP, Estimo dell’Anno 1418, vol.  378, fol.  172v.

IV.2. Pergament: Familiengeschichte und Selbstbild Giovan Francesco Capodilistas 343

Schwerpunkt auf die eindrucksvolle Familiengeschichte: viele Familien könnten eine Familiengeschichte von einigen Jahrhunderten nachweisen, aber nur wenige seien über tausend Jahre alt. Die damit angedeutete Familiengeschichte bezieht sich auf die Herkunftslegende der Familie, die im Werbematerial des Weinguts mit Erwähnung des Kampfes der drei Brüder an der Seite Karls des Großen auch referiert wird. Auch Giovan Franceso Capodilista wird erwähnt, und seine Rolle auf dem Basler Konzil als Diplomat der Republik Venedig besonders betont. Dort, so heißt es auf der Homepage, sei auch der Capodilista-Kodex entstanden, dessen Reiterportraits heute die Weinflaschen zieren.45 Keine Verwendung scheint man bisher für die Gelehrtendarstellung gefunden zu haben, aber Giovan Francesco Capodilista selbst repräsentiert seine Familie als Krönung der Reiterreihe auf den Prosecco-Flaschen. Als Werk zur Familiengeschichte, zur sozialen Verortung und Rückversicherung der eigenen Identität in einem genealogischen Verband erfüllt der Capodilista-Kodex mit seiner materiellen Pracht aus Pergament und Blattgold seine Funktion also noch immer.

45  „Giovan Francesco Capodilista, durante il Concilio di Basilea (1431) dove era presente come ambasciatore della Serenissima, fece miniare il codice Capodilista con i cavalieri della famiglia, oggi riprodotti nelle etichette dei vini.“ Siehe http://www.lamontecchia.it/emo-capodi lista/famiglia-emo-capodilista/ (Aufruf 6/2018)

V. Edition des Briefes Giovan Francesco Capodilistas an das Consiglio dei Dieci vom 30. Juli 1421 aus dem Archivio di Stato di Venezia Der Brief Giovan Francesco Capodilistas an das Consiglio dei Dieci in Venedig ist das einzige erhaltene Schriftstück aus der Hand Capodilistas, das nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit seiner diplomatischen oder juristischen Tätigkeit steht. Gleichzeitig ist er auch das einzige erhaltene Dokument zur Biographie Capodilistas in der Volkssprache. Der Text wurde bis jetzt weder gedruckt noch anderweitig rezipiert, weswegen er hier zugänglich gemacht werden soll. Zeitlich ist der im Juli 1421 abgefasste Brief kurz nach oder noch vor Capodilistas Rückkehr aus dem Friaul einzuordnen. Er enthält die Bitte des verurteilten Juristen um die vollständige Rehabilitierung, damit er in seine Heimatstadt Padua zurückkehren konnte. Deutlich sichtbar wird an diesem Schriftstück nicht nur die geschickte Argumentationsführung, sondern auch das Selbstbewusstsein Capodilistas, wenn er der Republik Venedig implizit ein durch manipulierte Beweise ergangenes Falschurteil vorwirft.

V.1. Vorbemerkungen zur Edition Diese Edition des Briefes entspricht der Transkription des in den Protokollen des Consiglio dei Dieci vorzufindenden Textes. Die Textwiedergabe erfolgt buchstabengetreu.1 Eingriffe wurden nur im geringen Umfang vorgenommen. Dazu gehört die Großschreibung am Satzanfang zur Verbesserung des Leseflusses. Ansonsten ist die Klein- und Großschreibung entsprechend der Quelle beibehalten. Satzzeichen wurden vollständig und ohne Eingriffe übernommen. Abkürzungen, die der venezianische Text in Anpassung an die lateinische Gewohnheit enthält, wurden kommentarlos aufgelöst.

1  Als

Orienterungshilfe dienen die Editionsrichtlinien des Schweizer Projekts „Ad fontes“ (http://www.adfontes.uzh.ch/download/Transkriptionsregeln.pdf).

V.2. Text nach ASVe, Consiglio dei Dieci, Misti, Registri, reg.  10, fol.  36v die do2 Serenissimo principo et Excellentissimo signore, sapiando la vostra signoria esere ocupada a molto facende solo brevita uxero pouche parole, per che, ben che la vostra Signoria prima havesse algune senestre enformacion de mi niente manco sum certissimo che da po habia sapudo la vostra Serenita quanto per tutti li tempi passadi sia sta ardentissimo a tute le cosse che siano sta utele e honore de la vostra Signoria, e ourame in quele non confidrando aliun pericolo. Anocra che la Signoria vostra habia vizudo el tempo sum sta qua in Venixe e in Friuli se quele enformation considra el mio muodo de viver. Sum sta veritevole o suo no. Per tanto non me extendando pluri oltra, ben che altra volta la vostra signoria fexe zudisio de mi segondo quele enformacion che so dade el qual sudisio de la vostra magnificencia semper reputo iustissimo, considera chel zudexe non po altra mete zudgare salvo per le cose che ge ven produte davanti. Niente manco per che la gratia et la misericordia de la vostra signoria truova la vertia mai no mancha de provedere. Supplico vemehmente che a mi como proprio venecian e fedelissimo vostro suidore se digni concueder de gracia, che non obstante alguna parte altra volta contra de mi prexa, me sia resa la mia prima liberta piu per mio honore che per necessita che abia de stare en quela terra, considera quanto en questa Excellentissima cita io sia sta sempre ben vezudo e tratato de tuto li gentilhomini. Acio che lo nipotente dio, e miser san Marco evangelista per simele confermi per soa gratia e Amplisi che semper questa vostra Excellentissima Repu­ blica. per Jo. Fr. de Caputliste

2 

30. Juli 1421

VI. Quellen und Literatur Die Abkürzungen der Reihen und Zeitschriften sind nach RGG4 gegeben.

VI.1. Ungedruckte Quellen Cambridge (UK) Corpus Christi College Ms. 157

Città di Vaticano Archivio Secreto Vaticano (ASV) A. A. Arm. I–XVIII, Nr.  1273 Arm. XXXI, vol.  52 Reg. Lat. 356 Reg. Vat. 365 Reg. Vat. 366 Reg. Vat. 375 Camera Apostolica, Introitus et Exitus, vol.  402 Camera Apostolica, Introitus et Exitus, vol.  404 Camera Apostolica, Introitus et Exitus, vol.  406 Camera Apostolica, Introitus et Exitus, vol.  408

Bibliotheca Apostolica Vaticana (BAV) Vat. Lat. 2694 Vat. Lat. 13678

Padua Archivio di Stato di Padova (ASP) Atti del Consiglio, vol.  4 Atti del Consiglio, vol.  5 Atti del Consiglio, vol.  47

352

VI. Quellen und Literatur

Archivio Notariale, vol.  536 Archivio Notariale, vol.  962 Deputati e Cancellaria, vol.  1 Deputati e Cancellaria, vol.  2 Ducale, vol.  2 Ducale, vol.  4 Estimo dell’Anno 1418, vol.  57 Estimo dell’ Anno 1418, vol.  378 Nunzie e Ambasciatori, vol.  248 Prove di Nobilità, vol.  28

Bibliotheca Civica di Padova (BP) B.P. 954 B.P. 1239/XXIX B.P. 2158 B.P. 1641/VIII

Biblioteca del Seminario Vescovile Ms. 11

Rom Archivio di Stato di Roma (ASR) Camerali I, Mand. Cam. 828

Venedig Archivio di Stato di Venezia (ASVe) Consiglio di dieci, Deliberazioni, Miste, Registri, reg.  10 Consiglio di dieci, Deliberazioni, Miste, Registri, reg.  12 Senato, Deliberazioni, Misti, Registri reg.  56 Senato, Deliberazioni, Misti, Registri reg.  58 Senato, Deliberazioni, Misti, Registri reg.  59 Senato, Deliberazioni, Misti, Registri reg.  60 Senato Deliberazioni, Secreti, Secreti Registri, reg.  7 Senato Deliberazioni, Secreti, Secreti Registri, reg.  9 Senato Deliberazioni, Secreti, Secreti Registri, reg.  14 Senato Deliberazioni, Secreti, Secreti Registri, reg.  13

VI.1. Ungedruckte Quellen Collegio, Secreti, Registri 1436–1438

Biblioteca Nazionale Marciana (BNM) Cod. Marc. Lat. X 348/VII (=3260) Cod. Marc. Lat. 264 X/V (=4296)

Verona Biblioteca Comunale di Verona Cod. Nr.  1308 (209)

353

VI.2. Gedruckte Quellen Acta Camerae Apostolicae et Civitatum Venetiarum, Ferrariae, Florentiae, Ianuae de Concilio Florentino, ed. v. Gregorius Hofmann, Rom 1950 (Concilium Florentinum. Documenta et Scriptores 3/1). Acta Cusana. Quellen zur Lebensgeschichte des Nikolaus von Kues. Bd. 1/2. Lieferung 2: 17. Mai 1437–31. Dezember 1450, Hamburg 1983. Acta Graduum academicorum gymnasii patavini ab anno 1406 ad annum 1450. Bd. 2: 1435– 1450, ed. v. Caspare Zonta und Johannes Brotto, Padua 1970 (Fonti per la storia dell’ università di Padova 5). Annales Camaldulenses Ordinis Sancti Benedicti. Complectens res gestas ab anno Christi M.CCCC.XXXI. ad annum M.D.XV, ed. v. Anselmo Costadoni und Giovanni Benedetto Mittarelli, Venedig 1762. Annales Ecclesiastici ab anno 1198. Bd. 28, ed. v. Cesare Baronius/Odorico Raynaldus/Giovanni Domenico Lucca Mansi 1752. (=Ann.Ecc) La Catina, le Orazioni e le epistole di Sicco Polenton, ed. v. Arnaldo Segarizzi, Bergamo 1901. Codice Diplomatico Padovano. Dall’ Anno 1101 alla Pace di Constanze. Parte 2, ed. v. Andrea Gloria, Venedig 1881 (Monumenti storici 6). Concilium Basiliense. Studien und Quellen zur Geschichte des Concils von Basel. Herausgegeben mit Unterstützung der Historischen und Antiquarischen Gesellschaft von Basel. – Band  1: Studien und Dokumente zur Geschichte der Jahre 1431–1437. Basel 1896. (=C.B. I). – Band  2: Die Protokolle des Concils 1431–1433. Aus dem Manuale des Notars Bruneti und einer römischen Handschrift, Basel 1897 (=C.B. II). – Band  3: Die Protokolle des Concils von 1434 und 1435. Aus dem Manuale des Notars Bruneti und einer römischen Handschrift, Basel 1900. (=C.B. III) – Band  5: Das Tagebuch des Andrea Gatari, Basel 1904. (=Tagebuch des Andrea Gatari). Conciliorum Oeconomicorum Decreta. Bd. 2: Konzilien des Mittelalters. Vom ersten Laterankonzil (1123) bis zum fünften Laterankonzil (1512–1517), ed. v. Josef Wohlmuth, Paderborn 3 2000. (=OCD) Corpus Iuris Canonici. Editio Lipsiensis secunda post Aemilii Luodouici Richteri curas ad libro­rum manu scriptorum et editionis Romanae fidem recognouit et adnotatione critica instruxit Aemilius Friedberg. 2. Bde, Leipzig 1879–1881, ND Graz 1959. Dante Alighieri: Divina Commedia. Inferno – Purgatorio – Paradiso, ed. v. Giovanni Fallano/ Silvio Zennaro, Rom 1993. De viris illustribus Familiae Transelgardorum, Forzatè et Capitis Listae, ed. v. Mirella Blason­-Berton, 2 Bde. (Faksimile und Textband), Rom 1972. Deutsche Reichstagsakten. (=RTA) – Band  10: Unter Kaiser Sigismund. Vierte Abteilung 1431–1433, Gotha 1906. – Band  11: Unter Kaiser Sigismund. Fünfte Abteilung 1433–1435, Göttingen 1898.

356

VI. Quellen und Literatur

Diaria Neapolitana ab anno MCCLXVI usque ad annum MCCCCLXXVIII, italica rudi lingua conscripta, auctore anonymo, nunc primum efferuntur in lucem ex manuscripto codice nobilis viri Francisci Vallettae iurisconsulti, in: RIS, Bd. 21, Mailand 1732, 1031–1138. Francesco Barbaro, Epistolaio II. La raccolata canonica delle „Epistole“, ed. v. Claudia Griggio, Florenz 1999. Francesco Petrarca, Le Familiari. Edizione Critica. Volume Quarto: Libri XX–XXIV e Indici, ed. v. Umberto Bosco, Florenz 1997. Gilles Le Bouvier dit le Héraut Berry: Les Chroniques du Roi Charles VII, ed. v. Henri Courteault und Léonce Celier, Paris 1971. Giovanni da Nono, Il „De Generatione“ di Giovanni da Nono. Edizione critica e „Fortuna“, ed. v. Rossana Ciola, Diss Masch, Padua 1985. Issues of the Exchequer, being a collection of payments made out of His Majesty’s revenue from King Henry III. to King Henry VI inclusive, ed. v. Frederick Devon, London 1837. I libri commemoriali della Republica di Venezia, Regesti: Tomo 4, ed. v. Riccardo Predelli, Venedig 1896 (Monumenti storici publicati dalla R. Deputazione Veneta di Storia Patria. Serie Prima: Documenti 8). Iohannes de Torquemada, Apparatus super Decretum Florentinum Uniones Graecorum, ed. v. Emmanuel Candal, Rom 1942 (Concilium Florentinum. Documenta et Scriptores 2/1). Manin Sanudo Il Giovane, Le Vite dei Dogi 1423–1474. Bd. 1: 1423–1435, ed. v. Angela ­Caracciolo Aricò, Venedig 1999. Michele Savonarola, Libellus de magnificis ornamentis regie civitatis Padue, ed. v. Arnaldo Segarizzi, Città di Castello 1902 (RIS 24/15). Johannis di Segovia, Historia Gestorum Generalis Synodi Basilensis, in: Monumenta concilio­ rum generalium seculi decimi quinti. Concilium Basiliense. Scriptores, Bd. 2–3, Wien 1886. Monumenta Germaniae Historica. Constitutiones et Acta Publica Imperatorem et Regem, Band  1: 911–1197, Hannover 1893. (=MGH, Const. I) Monumenti della Università di Padova (1318–1405), ed. v. Andrea Gloria, Bd. 1, Padua 1888. Poulle, Emmanuel: Giovanni Dondi dall’Orologio. Tractatus Astrarii, Genf 2003 (Travaux d’Humanisme et Renaissance 372). Regesta Imperii I. Die Regesten des Kaiserreichs unter den Karolingern 751–918, Innsbruck 1908, Nachdruck Hildesheim 1966. (=RI I) Regesta Imperii III. Salisches Haus 1024–1125. Papstregesten 1024–1058, 1. Teil: 1024–1046, Köln 2006. (= RI III) Regesta Imperii V. Jüngere Staufer 1198–1272. Die Regesten des Kaiserreichs unter Philipp, Otto IV, Friedrich II, Heinrich (VII), Conrad IV, Heinrich Raspe, Wilhelm und Richard. 1198–1272, 3 Bde. Innsbruck 1881–1901, Nachdruck Hildesheim 1971. (=RI V) Regesta Imperii XI. Regesten Kaiser Sigismunds (1410–1437), Wien 2012. (=RI XI) Sacrorum conciliorum nova et amplissima collectio. Bd. 31b. 1431–1445, ed. v. Giovanni Mansi. Paris 1901, ND Graz 1961. Satori, Antonio, Documenti per la Storia dell’Arte a Padova, ed. v. Clemente Fillarini. Vicenza 1976 (Fonti e Studi per la storia del Santo a Padova 3). Sicconis Polentoni Scriptorum Illustrium Latinae Lingue, ed. v. Berthold Ullman, Rom 1928. Vetera Monumenta Slavorum Meridionalium. Historiam illustrantia, Bd. 1: 1198–1549, ed v. Augustin Theiner, ND Osnabrück 1968.

VI.3. Forschungsliteratur Alexander, Jonathan, Missale des Bischofs Donato von Padua. Vat. Lat. 8700, in: Joachim M. Plotzek (Hg.), Biblioteca Apostolica Vaticana. Liturgie und Andacht im Mittelalter. München 1992, 318–319. Alexander, Jonathan, Italian Renaissance Illuminations, London 1977. Angermeier, Heinz, Das Reich und der Konziliarismus, in: HZ 192 (1961), 529–583. Annas, Gabriele, Hoftag – Gemeiner Tag – Reichstag. Studien zur strukturellen Entwicklung deutscher Reichsversammlungen des späten Mittelalters (1349–1471). Band  1, Göttingen 2004 (Schriftenreihe der historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften 68). Arnold, Klaus, De Viris Illustribus. Aus den Anfängen der humanistischen Literaturgeschichts­ schreibung: Johannes Trithemius und andere Schriftstellerkataloge des 15. Jahrhunderts, in: HL 42 (1993), 52–70. Baker, Patrick, Italian Renaissance Humanism in the Mirror, Cambridge 2015 (Ideas in Context). Baldini, Ugo, Art. Gabriele Capodlista. DBI 18 (1975), 635–638. Ballestrin, Nicola, Il Liber de hedificatione urbis Phatolomie di Giovanni da Nono: edizione critica e studio, Diss. masch., Padua 2013. Baggio, Luca, Altichiero da Zevio nell’Oratorio di San Giorgio. Il restauro degli affreschi. Padua 1999. Baumgärtner, Ingrid, Consilia – Quellen zur Familie in Krise und Kontinuität, in: Peter Johannes Schuler (Hg.), Die Familie als sozialer und historischer Verband. Untersuchungen zum Spätmittelalter und zur Frühen Neuzeit, Sigmaringen 1987, 43–66. Bäuml, Betty/Bäuml, Hans, A Dictionary of Gestures, Metuchen 1975. Bauer, Melanie, Die Universität Padua und ihre fränkischen Besucher im 15. Jahrhundert, Nürnberg 2012. Barnes, John A., Class and Comittees in a Norwegian Island Parish, in: Human Relations 7 (1954), 39–58. Beaucourt, Gaston du Fresne de, Histoire de Charles VII. Bd. 3: Le Rèveil du Roi 1435–1444, Paris 1885. Bedini, Silvio/Francis, Maddison, Mechanical Universe. The Astrarium of Giovanni de’ Dondi, in: TAPhA 56 (1966), 3–68. Beinhoff, Gisela, Die Italiener am Hof Kaiser Sigismunds (1410–1437), Frankfurt am Main 1995 (EHS 620). Belloni, Annalisa, Neue Erkenntnisse über den Rechtsunterricht in Padua im fünfzehnten Jahrhundert, in: Ius Commune (8) 1985, 1–12. Belloni, Annalisa, Professori giuristi a Padova nel secolo XV. Profili bio-bibliografici e cattedre, Frankfurt am Main 1986 (Studien zur europäischen Rechtsgeschichte 28). Beneš, Carrie, Urban Legends. Civic Identity and the Classical Past in Northern Italy, 1250– 1350, University Park 2011.

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VI. Quellen und Literatur

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372

VI. Quellen und Literatur

Viti, Paolo, Le biografie dantesche di Sicco Polenton, in: Studi Danteschio 51 (1974/75), 409– 425. Vonruf, Ulrich, Die politische Führungsgruppe Zürichs zur Zeit Hans Waldmann (1450– 1489). Struktur, politische Networks und die sozialen Beziehungstypen Verwandtschaft, Freundschaft und Patron-Klient-Beziehung, Bern 2002 (Geist und Werk der Zeiten 94). Walter, Ingeborg, Art. Giovanni Berardi. DBI 8 (1966), 758–759. Wakounig, Marija, Dalmatien und Friaul. Die Auseinandersetzung zwischen Sigismund von Luxemburg und der Republik Venedig um die Vorherrschaft im adriatischen Raum, Wien 1990 (Dissertationen der Universität 12) Wakounig, Marija, Die Auseinandersetzung zwischen der Serenissima und dem ungarischen und römischen König Sigismund von Luxemburg, in: Bericht über den 18. österreichischen Historikertag, Wien 1991 (Veröffentlichungen des Verbandes Österreichischer Geschichtsvereine 27), 195–204. Wasserman, Stanley/Faust, Katherine, Social Network Analysis: Methods and Applications, Cambridge 1994. Watanabe, Morimichi, Authority and Consent in Church Government: Panormitanus, Aeneas Silvius, Cusanus, in: Journal of the History of Ideas 33 (1972), 217–236. Weber, Annette, Venezianische Dogenporträts des 16. Jahrhunderts, Sigmaringen 1993 (Studi 10), 15–18. Weber, Friedrich Christoph, Exempla im Schilde führen. Zur Funktionalität „redender Wappen“ in der kommunalen Geschichtsschreibung des Trecento, in: Das Mittelalter 11 (2006), 147–166. Weber, Gertrud, Die selbständige Vermittlungspolitik der Kurfürsten im Konflikt zwischen Papst und Konzil 1437–38, Berlin 1915 (HS 127). Wefers, Sabine, Das politische System Kaiser Sigismunds, Stuttgart 1989 (Veröffentlichungen des Instituts für Europäische Geschichte Mainz 138). Wefers, Sabine, Das Primat der Außenpolitik. Das politische System des Reichs im 15. Jahrhundert, Berlin 2013 (Historische Forschungen 99). Weiand, Christof, „Libri di famiglia“ und Autobiographie in Italien zwischen Tre- und Cinque­ cento, Tübingen 1993 (Romanica und Comparatistica 19). Weiand, Christof, Die Bilder des Selbst und das Selbst der Bilder. Spiegelungen des Menschen in den Libri di famiglia und in der Autobiographie in Italien 1300–1600, in: Markus Hilgert/ Michael Wink (Hg.), Menschen-Bilder. Darstellungen des Humanen in der Wissenschaft, Heidelberg 2012, 85–102. Wirbelauer, Eberhard, Zwei Päpste in Rom. Der Konflikt zwischen Laurentius und Symmachus (498–514). Studien und Texte, München 1993. Wittram, Reinhard, Die französische Politik auf dem Basler Konzil während der Zeit seiner Blüte, Riga 1927. Wolfe, Martin, The Fiscal System of Renaissance France, New Haven/London 1972. Wolter, Heinz, Die Synoden im Reichsgebiet und in Reichsitalien von 916–1056, Paderborn 1988. Wolff, Helmut, Päpstliche Legaten auf Reichstagen des 15. Jahrhundert, in: Erich Meuthen (Hg.), Reichstage und Kirche. Kolloquium der historischen Kommission bei der bayerischen Akademie der Wissenschaften. München, 9. März 1990, Göttingen 1991 (Schriftenreihe der Historische Kommission, 42), 25–40. Woelki, Thomas, Lodovico Pontano (ca. 1409–1439): eine Juristenkarriere an Universität, Fürstenhof, Kurie und Konzil, Leiden 2011 (Education and Society in the Middle Ages and Renaissance 38).

VI.3. Forschungsliteratur

373

Ysebaert, Walter, The power of personal networks: Clecrics as political actors in the conflict between Capetian France and the Country of Flanders during the last decade of the twelfth Century, in: Brenda Bolton/Christine Meek (Hg.), Aspects of Power and Authority in the Middle Ages, Turnhout 2007 (International Medieval Research 14), 165–183. Zabbia, Marino, Art. Giovanni da Nono. DBI 56 (2001), 114–116. Zechiel-Eckes, Klaus, Auf Pseudoisidors Spuren. Oder: Versuch, einen dichten Schleier zu lüften, in: Wilfried Hartmann/Gerhard Schmitz (Hg.), Fortschritt durch Fälschung? Ursprung, Gestalt und Wirkung. Beiträge zum gleichnamigen Symposium an der Universität Tübingen 27. bis 28. Juli 2001, Hannover 2002 (Studien und Texte 31), 1–28. Zellfelder, Anton: England und das Basler Konzil. Mit einem Urkundenanhang, Berlin 1913 (Historische Studien 113). Zey, Claudia/Märtl, Claudia, Aus der Frühzeit europäischer Diplomatie? Einleitung, in: Dies./Dies. (Hg.), Aus der Frühzeit europäischer Diplomatie. Zum geistlichen und weltlichen Gesandtschaftswesen vom 12. bis zum 15. Jahrhundert, Zürich 2008, 9–21. Ziegler, Rolf, Deutschsprachige Netzwerkforschung, in: Christian Stegbauer/Roger Häußling (Hg.): Handbuch Netzwerkforschung, Wiesbaden 2010 (Netzwerkforschung 4), 39–53. Zimmermann, Harald, Papstabsetzungen des Mittelalters, Graz 1968. Zuccolin, Gabriella, Princly Virtues in De felici progressu of Michele Savonarola, Court Physician of the House of Este, in: István Bejczy/Cary J. Nederman (Hg.), Princely Virtues in the Middle Ages 1200–1500, Turnhout 2007 (Disputatio 9), 237–258.

Bildanhang

VII. Bildanhang

Abb. 1: B.P. 954, fol. 2r: Antiquissima Transelgardorum Insignia

377

378

VII. Bildanhang

Abb. 2: B.P. 954, fol. 3r: Transelgardorum Insignia

VII. Bildanhang

Abb. 3: B.P. 954, fol. 9r: Petrus Capud Liste

379

380

VII. Bildanhang

Abb. 4: B.P. 954, fol. 18r: Henricus Forzate

VII. Bildanhang

Abb. 5: B.P. 954, fol. 32r: Giovan Francesco Capodilista

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VII. Bildanhang

Abb. 6: B.P. 954, fol. 33r: Eiusdem familie doctores vel licentiati (1)

VII. Bildanhang

Abb. 7: B.P. 954, fol. 34r: Eiusdem familie doctores vel licentiati (2)

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384

VII. Bildanhang

Abb. 8: B.P. 954, fol. 36r: Insignia pro utroque comitatu

VII. Bildanhang

Abb. 9: B.P. 1641/VIII: Wappenbrief der Familie Cortivo

385

Ortsregister Wegen der zu häufigen Nennung sind Basel, Venedig und Padua nicht gesondert aufgeführt. Abano Terme  165 Aix  305, 310 Alexandria 82 Altinate (Padua)  34 Ancona 82 Angers 157 Augsburg 232 Avignon  35–36, 105, 153, 169, 305–306 Aquileia 41 Baden-Baden 84 Benešov 120 Bergamo 32 Bethlehem  304, 340 Bologna  40, 106, 118, 124, 292, 328 Böhmen 43 Bourges  154, 156–161, 176, 329 Bresica  32, 43 Byzanz/Konstantinopel  98, 140, 303 Castelbolognese 91 Caorle 49 Capodistria 208 Cividale 40–41 Cremona 35 Dalmatien  38, 69 Eger  106, 107, 125 Ferrara  32–33, 36, 47, 143, 175, 176, Florenz  32, 42, 44, 46, 48, 53, 105, 107, 108- 115, 156, 161, 166, 171,173, 175, 202, 231, 292, 326, 326, 328, 330 Frankfurt 144 Friaul  27–28, 40–42, 47, 88, 90–100, 177, 293, 324, 332 Freising  82, 282

Genua  42, 106, 109–111 Innsbruck 54 Istrien 93 Jerusalem 304 Klingnau 60 Konstantinopel/Byzanz  98, 140, 303 Kreta 25 Latisana 41 Lodi  41, 79 Lombardei  114, 276 Mailand  32–33, 43, 44, 46, 47, 48, 49, 70, 72, 80, 91, 113, 118, 124, 263, 264, 276, 327, Mainz  144, 231, 328, 329 Mandria  35, 276–277 Mantua  47, 82 Medolago 112 Meran 60 Metz  82, 142 Meaux 156 Modena 307 Montemerlo 276 Murano  34–35, 302 Neapel  113, 152–153, 160–161 Non 222 Novigrad 39 Norwich 80 Nördlingen 232 Nürnberg  44, 54, 97, 136–138, 173, 231, 232, 328, 329

388

Ortsregister

Orléans 156 Orvieto 263 Pag 39 Parma 263 Passau 82 Pavia  260, 262 Pendice 276 Perugia 46 Piove di Sacco  276–277 Prag 116 Praglia 276 Ragusa 39 Ravenna 46 Reggio 44 Rheinfelden 60 Rimini 46 Rom  43, 70, 73, 76, 83, 94, 140, 154, 171, 305, 324 Rubino 199 Salurn 60 San Michele all’Adige  60 Sinuessa 140 Spalato (Split)  156 Telč  117, 120 Torricelle (Padua)  34

Torreglia 276 Trient  47, 52, 58–59 Trier 82 Triest 41 Treviso 264 Trezzo 79 Troja  223, 258, Turin 38 Tyrnau 97 Udine  27, 40, 323 Ulm 84 Utrecht 299 Valremo  111 (Anm.  544) Verona  122, 123, 233, 275, 280, 283, 308 Vicenza  122, 123, 263 (Anm.  328), 271, 272 Vlašim 120 Vrana 39 VoʼConio  276 Wien 123 Worcester 80 Zadar  39, 41 Zeng (Senj)  107 Zürich 60

Register vormoderner Personen Adam Riff  137 Alano, Enrico  17 Albergati, Niccolò  32, 54, 62, 71, 77, 87, 88, 94, 133–138, 328, 329 Albrecht II. von Habsburg  71, 123, 131, 132 Albrecht Schenk  148- 149 d’Alessio, Antonio  195, 196, 239, 275–286, 337 d’Alessio, Nicoletto  283 Alfons von Aragon  113 Alvarotti – Jacobo  26, 290 (Anm.  446) – Pietro 17 Alviso, Cane  167 Amadeus von Savoyen  94, 119, 132 d’Angiò, Giovanni  97–98 de Aquileia, Tommaso  145 Ardenghi, Giacomo  195, 196, 275, 278–279 Badoer, Jacopo  27 Balduin von Bremen  137 de Baganzani, Baldo  292 Barbaro, Francesco  46, 59, 109, 167, 327 Barbo, Ludovico  50, 52, 52 (Anm.  219), 75, 87, 295 Bartholomio de Furlam  57 Bartolomeo da Bologna  165 Benedetto, Pietro  299 Berardi, Giovanni (gen. Tagliacozzo)  50, 52, 75, 78, 87, 99 (Anm.  495), 111, 133–138, 145–149, 328, 329 de Bernardo, Antonio  55, 57 Bernardo de Furla  57 Bernardo de Schiavania  57 Boccaccio, Giovanni  224 Bono – Justiniano 124 – Francesco 124 da Borgorico, Enrico  295

Borromeo – Antonio  58–59, 171, 292 – Pietro 217 de Bossis, Francesco  89, 90, 97, 99 Braciolini, Poggio  168 Brouns, Thomas  80 Bruges, Antonio  2, 83, 194, 235, 298, 311 Burgesio, Pietro  295 Buzzaccarini (Familie)  265, 289, 337, 338 – Francesco 294 – Gigliola 266, 294 – Ludovico  266, 289, 294, 295, 296 dalle Caldiere/dalle Campane – Giovanni 166, 264–265 – Giampietro 264- 265 Carrara (Familie)  16, 20–22, 40, 277 – Francsco  260, 275, 280, 307 – Francesco Novello  22, 208 – Marsiglio 307 – Ubertino 263 Capodilista – Antonio (Sohn Fredricos)  168 – Bartolomeo (Sohn Fredericos)  168 – Beatrice 15, 303 – Camillo 342 – Carlotto (Capodilista dei Transelgardi)  198, 278, 285 – Caroto 16, 279 – Francesco (Vater Giovan Francescos)  15–16, – Francesco (Sohn Giovan Francescos)  26, 58 (Annm. 77), 168, 171, 266, 291 – Frederico (Neffe Giovan Francescos)  16, 168 – Frederico Capodilista dei Transelgardi  307 – Gabriele  36 (Anm.  134), 305–306, 310, 313

390

Register vormoderner Personen

– Gabriele (Sohn Giovan Francescos)  168, 171 – Giacoma 15, 266 – Giovan Frederico (Sohn Fredericos)  168 – Giovanni Frederico  307, 308 – Matteo (Capodilista dei Transelgardi)  307 (Anm.  521) – Pietro (Sohn Fredericos)  168 – Pietro (Capodilista dei Transelgardi)  195–197, 303–304, 340 – Pisano 198, 307 – Polissena  59 (Anm.  252), 266 – Rafaele 119, 169 – Rolandino 278 – Sara 15, 303 Capodivacca (Familie)  15 – Rambaldi (di Capitevace)  23 (Anm.  59) da Casale, Guglielmo  195, 300–302, 339 da Castilgione, Branda  114 da Castro, Paolo  34, 300 Cavcale, Francesco  23 (Anm.  59) de Cervantes, Juan  67, 71, 94 Cesarini, Guiliano  50, 66, 71, 77, 175, 178 Cigala, Baptiste  73 de Coëtquis, Phillipe  86 Contareno – Antonio  41 (Anm.  157), 54 – Frederico  71, 84, 114 – Giovanni 59 Conti (Familie)  277 – Prosdocimo  23, 24, 30–33, 290 (Anm.  446) Conversini, Giovanni  21 Corserius, Petrus  90 Cortivo (Familie)  182 – Bartolomeo 232 – Filippo 232 – Giovanni 232 – Ludovico 232 – Manfredo  9, 182, 194, 231–235, 237, 250, 268- 269, 257, 299, 313, 339 – Rolando  57, 134, 145, 194, 231–235, 250, 269, 298, 299 Correr – Antonio  52, 52 (Anm.  218), 54, 65, 71, 86, 95 – Paolo 33 de Costozzo, Conforta  263 (Anm.  328)

Courcelles, Thomas  136, 156, 159, 329 Curner, Enrico  299 Dandolo – Andrea 272 – Marco  43, 106–107, 117–119, 120, 122–123 Dietrich von Mainz  145 Drudus 280 de Dominiis, Johannes  107, 120, 121 Donato – Andrea  45–47, 51–84, 177, 297, 324, 330, 332 – Hermolao  67, 109–111, 327 – Pietro  22, 50, 71–2, 183, 238, 297 de Dondi „dall’ Orologio“ – Giovanni  259- 262, 266, 338 – Jacopo 260, 263–264 Dotti (Familie)  337 – Francesco 291 – Francesco (Bruder Paolos)  291 – Paolo  25, 31 (Anm.  75), 222, 272, 290 Emo (Familie)  16, 217–219 Emo-Capodilista, Emma  218 Este (Familie)  277 Eugen IV. (Papst)  3, 43, 47, 48–50, 54, 60–79, 82, 92, 94, 101, 105–115, 118–119, 124, 125, 127–138, 145, 146, 147–149, 151- 163, 167, 169, 173, 175, 176, 302, 327, 328, 329 Ezzelino III. da Romano  18–19 Fabiani, Ludovico  301 Facy, Jean  300 di Farnese, Tommaso  299 de Favafoschis, Zambono d’Andrea  216, 225 Felix V. 155, 160 Franciscus de Venetiis  35 François de Montfort  158 Friedrich I.  195, 278 Friedrich II.  195, 279, 313 Friedrich III. von Habsburg  158 Friedrich der Schöne von Habsburg  21 Friedrich von Ortenburg  40 Friedrich von Österreich  54 Friedrich IV. von Tirol  71

Register vormoderner Personen Friedrich III. von Zollern  86 de Foschi, Angelotto  77 de Foix, Pierre  77 Forzatè (Familie)  15, 25, 267 – Aldusio  306, 307 (Anm.  521) – Enrico  183, 198–199, 279, 308 – Forzatè 228 – Giordano (Forzatè dei Transelgardi)  306 – Giovanni (Forzatè dei Transelgardi)  307 – Ludovico (Forzatè dei Transelgardi)  307 – Marco (Forzatè dei Transelgardi)  306, 307 (Anm.  520) – Transelgardo (Forzatè dei Transelgardi)  198, 277, 285, 308 Foscari – Elena  295 Francesco  24, 30, 73, 99, 100, 108, 256 (Anm.  291) Fulgosio, Raffaele  299- 300 Gatari (Familie)  337 – Andrea  7, 56, 73–74, 79, 92, 281, 292–293, 325 – Bartolomeo  56, 96, 210, 289, 292–293 – Galeazzo  56, 210, 292 Gérard Machet  159 Georg von Vich  117, 124, 327 Giorgio di San Nicola dell’Armenia  195, 301 Giorgo da Treviso  265 Giovanni da Milano  293 Gonzaga (Familie)  82 – Gianfrancesco  47, 111 (Anm.  544), 112 Heinrich Maßheim  147 (Anm.  760) Henry VI. von England (König)  80 Hermann von Cili  42 Hermann Reck  54–55, 74 Imhoff (Familie)  232 de Imperii, Giovanni  57, 118, 175 Jacob Zeglar  166 Johannes de Alemania  167 Jean d’Etampes  159 Johann IV. (Jean V.)  de Montfort  158 Johanna II. von Anjou-Durazzo  153 Johannes XXIII. (Gegenpast)  40–41 Johannes von Montoison  63

391

Karl der Große  195, 278–279 Karl VII. von Frankreich (König)  5, 151–161 Kaspar Schlick  43, 59, 70, 74, 75, 84, 108, 119–123 von Kues, Nikolaus  133- 138, 145–149, 175, 178, 329 Ladislaus von Anjou-Durazzo  39–41 Landriani, Gerardo  80 de Lanzarotti (Famlie)  290 – Benvenuto 193 – Fruzerio 272 Lazarus 280 Lazzarno, Bastiani  256 (Anm.  291) dal Legname, Giovanni Battista  167 (Anm.  876) von Lesina, Thomas  232 da Lione/da Lion (Familie)  30, 265, 289, 337, 338 – Checco 58, 266 – Lionelo 59–60 – Paolo 266, 295 Livius 258 Ludwig von Passau  137 Ludwig von Teck  40, 42, 86–100, 105, 109, 116, 136, 176, 324–326 Lorenzo, Mazzato  166 Malipiero, Pasquale  171 de Malfattis, Penesillos  222 Malrotondi da Conegliano, Lazzaro  275 Mantega, Andrea  287 Marcello, Pietro  24 Maron da Milan  57 Martin IV. (Papst)  32, 35–36, 43, 169 Martin von Clermont  158 Marquard Brisacher  121, 123 Mascarelli, Montorio  167 Mauroceno, Andrea  111 de Medici, Cosimo  153 de Metz, François  86 de Mézières, Philippe  260 Mezzarota, Scarampi  171 Mezziconti, Mazzoconte  17 Michele, Fantino  34 Mihile todesco  57 Mocenigo

392

Register vormoderner Personen

– Andrea 46–47, 114 – Toma  41 (Anm.  157) da Monte, Piero  146 da Montecchio, Andrea  49, 232, 299 da Monreale, Corrado  301 Morosini – Andrea 33 – Roberto  24, 27–28, 177, 323 Mussato (Familie)  303, 337 – Albertino  20–21, 210, 223, 288 – Nicola 288 da Narni, Ersami (gen. Gattamelata)  111 Nacimbene Calce, Ludovico  290 (Anm.  446) da Nono, Giovanni  20, 210, 221–230, 258, 273, 274, 284, 285 de Novare, Campanus  261 Omidei/Omodei, Signorino  299 Ongarelli, Paolo  303 dall’ Orologio, Novello  264 Ovetari (Familie)  292, 303 – Antonio 287 – Nicola 287 Panciera, Antonio  40 Pansar, Johannes  136 Papafava, Obizzo  58 Papafava da Carrara (Familie)  267, 277 – Marsiglio 96, 293 da Partovecchio, Antonio  91 (Anm.  436) Paye, Peter  80 (Anm.  377) da Perugia, Gasparo  86–90, 100 de Perusia, Angelo  98 dei Pesci, Leonardo  298 Petrarca, Francesco  21, 190, 206–207, 258, 260, 283 Piazza, Antonio  231, 342 Piccinino, Nicolò  73, 91 Pierre II. de Bretagne  158 Pignora, Lorenzo  270 Polenton, Sicco  21, 24, 26–27, 206, 211, 222, 289, 337 Pontano, Ludovico  147 (Anm.  760) Porcellini, Niccolò  303 Pringencius, Johannes  90 Ragusa, Johannes  60, 136

Rigo todesco  57 René d’Anjou  113, 152–153, 160–161 Regnault de Chartres  158 Rocalli, Bartolomeo  300 de Rocapetri, Giovanni  233, 299 Rolandino (Chronist)  19, 211, 225, 272 da Romano (Familie)  277 di Rosate, Isidoro  97 Saliceto – Bartolomeo 17 – Giacomo 299 Scardona (Familie)  217 di San Severino, Luisio  73 Sanguinacci, Ilario  192 Savonarola, Michele  197 (Anm.  59), 212, 262 della Scala (Familie)  22, 280 – Alberto 307 – Cangrande 20 – Bartolomeo  239- 240, 280–282, 283–284, 308, 337 – Brunoro  70, 74, 75, 78, 84, 122, 280–281, 327 – Guglielmo 280 – Nicodemo 281 Scrovegni (Familie)  30, 265–267, 277, 287–288, 295, 303, 337, 338 – Pietro 16, 266 – Enrico 287, 292 – Reginaldo 288 Sforza, Francesco  73, 82, 110 (Anm.  538), 161 Sigismund von Luxemburg  2, 38- 48, 9, 51–53, 57, 59–85, 106- 108, 115–126, 128–129, 139, 150, 169, 175, 185, 189, 296, 308, 324, 327, 330, 331, 335 Sidro da Milano  96, 293 Segovia, Juan Alfonos di  7, 136, 147, 156, 325, 329 Steno, Michele  23 Spinelli, Tomasi di Lionardo  158 (Anm.  824) Stephan von Simmern und Zweibrücken  131 (Anm.  655), 147 (Anm.  760) Storlato, Bartolomeo  24 Sulimano (Familie)  228 – Giovanni  16, 23 (Anm.  59)

Register vormoderner Personen de Talaru, Amédée  152 (Anm.  780) da Teramo, Simone  86, 100 de Terzi, Ottone  307 (Anm.  521) Tommaso von Trogir  114 de Torquemada, Juan  134- 138, 139, 144–149, 156–161, 328, 329 Tranchedini, Nicodemo  110 (Anm.  538) Transelgardi – Gauslino 304 – Giovanni  195, 278, 280, 285 – Ludovico 306 – Tedusio 199 – Transelgardino 307 – Vazone  199, 279 (Anm.  392) Traversari, Ambrogio  300, 302, 340 Ubaldini, Giovanni  17 Ubaldi, Baldo degli  21 (Anm.  43) d’Urbino, Antonio  133 della Valle, Simone  86, 90, 92, 96 da Vinci, Leonardo  260 Visconti – Fillipo Maria  41–42, 53, 70, 73, 82, 91, 96, 97, 101, 106, 293 – Gian Galeazzo 260

393

Veniero – Antonio 59 – Francesco 57 Vergerio, Pier Paolo  21, 208–209, 211, 264, 289, 294 de Versailles, Pierre  86, 133, 156, 158, 328 Wilhelm von Bayern  53, 61, 75 Wilhelm von Hochberg  131 (Anm.  655) Wilton (Erzdiakon)  80 Wolton, Thomas (Bischof von Worchester)  80 Zabarella (Familie)  25, 289, 303, 337, 338 – Andrea 266 – Bartolomeo  64, 66, 156–161, 175, 178, 290, 328, 329 – Francesco 17 – Giacomo 265 Zenari, Guido Francesco de  23 (Anm.  59) Zeno, Iacopo  174 Ziliolo  275, 284, 308 Zuan de Maganca  57 Zuan de Pizenim  57 Zuan tedesco  57, 96, 294