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German Pages [243] Year 2022
Open-Access-Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0 © 2022 V&R unipress | Brill Deutschland GmbH ISBN Print: 9783847114796 – ISBN E-Lib: 9783737014793
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Giovanni Rubeis / Kris Vera Hartmann / Nadia Primc (Hg.)
Digitalisierung der Pflege Interdisziplinäre Perspektiven auf digitale Transformationen in der pflegerischen Praxis
Mit 13 Abbildungen
V&R unipress
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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über https://dnb.de abrufbar. Gedruckt mit freundlicher Unterstützung der Volkswagenstiftung. © 2022 Brill | V&R unipress, Theaterstraße 13, D-37073 Göttingen, ein Imprint der Brill-Gruppe (Koninklijke Brill NV, Leiden, Niederlande; Brill USA Inc., Boston MA, USA; Brill Asia Pte Ltd, Singapore; Brill Deutschland GmbH, Paderborn, Deutschland; Brill Österreich GmbH, Wien, Österreich) Koninklijke Brill NV umfasst die Imprints Brill, Brill Nijhoff, Brill Hotei, Brill Schöningh, Brill Fink, Brill mentis, Vandenhoeck & Ruprecht, Böhlau und V&R unipress. Wo nicht anders angegeben, ist diese Publikation unter der Creative-Commons-Lizenz Namensnennung 4.0 lizenziert (siehe https://creativecommons.org/licenses/by/4.0/) und unter dem DOI 10.14220/9783737014793 abzurufen. Jede Verwertung in anderen als den durch diese Lizenz zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Vandenhoeck & Ruprecht Verlage | www.vandenhoeck-ruprecht-verlage.com ISBN 978-3-7370-1479-3
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Inhalt
Giovanni Rubeis / Nadia Primc Einleitung: Digitale Transformationen in der pflegerischen Praxis
. . . .
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Technisierung und Digitalisierung in der stationären pflegerischen Versorgung: historische und ethische Perspektiven Karen Nolte „…menschliche Arbeit durch Maschinen“ – Umgang mit Technisierung in der Krankenpflege in den 1960er bis 1980er Jahren . . . . . . . . . . .
21
Monika Bobbert / Marianne Rabe Ethical issues of digital care planning and documentation in nursing . . .
37
Alicia Finger / Uwe Sperling / Tina Obenauer / Heinrich Burkhardt Einführung einer Webplattform für die Überleitung von Krankenhauspatient:innen in die Nachsorge – Erste Ergebnisse und ethische Überlegungen aus dem SereNaWeb-Projekt . . . . . . . . . . . .
63
Giovanni Rubeis / Stefanos Hatziavramidis / Nadia Primc App schlägt Papier? Einstellungen von Pflegefachpersonen zu app-basierten Handlungsanweisungen für Notfallsituationen in der stationären Langzeitpflege . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
79
Chancen und Herausforderungen der Digitalisierung für die Pflegeausbildung und Pflegepraxis Martina Hasseler Digitalization and new technologies in care – concepts and potentials for nursing care provision . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103
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Inhalt
Sabine Wöhlke / Juliane Leinweber Bringing digitalization literacy on the ward: educational aspects of digital systems in health care professions . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 Miriam Peters Ethische Aspekte digitalen Lernens und der digital gestützten Lernstandsanalyse im Pflegeberuf und in der Pflegebildung . . . . . . . . 131
Ethische Herausforderungen der Assistenzsysteme im Alter Kris Vera Hartmann Die Vermessung des Alltags: Die Aktivitäten des täglichen Lebens in der Entwicklung von KI-gestützten Assistenzsystemen . . . . . . . . . . . 149 Franziska Sonnauer Ambient Assisted Living zur Förderung selbstbestimmter Lebensführung im Alter: Die Rolle informierter Entscheidungsfindung . . . . . . . . . . 169 Johannes Welsch / Eike Buhr Privacy-sensitive Empowerment. Towards an integrated ethical concept for technology-assisted care for people with dementia . . . . . . . . . . . 185
Robotik und Mensch-Maschinen-Interaktion: moralischer Status, Täuschung und gegenwärtige technische Entwicklungen Arne Manzeschke Robots in care. On people, machines, and other helpful entities . . . . . . 201 Joschka Haltaufderheide A ghost in the shell? – Philosophische Überlegungen zur Verwendung von Scheinelementen als Bestandteil sozialer Assistenzsysteme . . . . . . . . . 211 Annette Hagengruber / Lioba Suchenwirth SMiLE2gether: A prototype of a holistic ecosystem for robotic care assistants . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 Autor:inneninfo . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237
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Giovanni Rubeis / Nadia Primc
Einleitung: Digitale Transformationen in der pflegerischen Praxis
Nach Schätzungen wird die Zahl an pflegebedürftigen Menschen in Deutschland von derzeit 4,2 Millionen bis zur Mitte der 2030er Jahre auf 5 Millionen Menschen anwachsen (Kochskämper 2021). Im selben Zeitraum wird der Anteil pflegender Angehöriger zurückgehen und den Bedarf nach professioneller Pflege weiter erhöhen. Die daraus resultierende zusätzliche Verdichtung von Arbeitsprozessen bringt gesteigerte Anforderungen für die Pflege in qualitativer wie quantitativer Hinsicht mit sich. Obwohl nicht davon ausgegangen werden kann, dass diese den Personalmangel beheben oder auch nur ansatzweise kompensieren kann, so wird in einer verstärkten Digitalisierung der Pflege dennoch die Möglichkeit gesehen, die professionelle Pflege zu unterstützen und punktuell zu entlasten (Krick et al. 2019, Daum 2017). Digitale Anwendungen sollen zunehmend in unterschiedlichen Bereichen pflegerischen Handelns implementiert werden. Hierbei gilt es kritisch zu beachten, dass unter dem Schlagwort der Digitalisierung der Pflege nicht nur Anwendungen diskutiert werden, die auf die Unterstützung der professionellen Pflege zielen, sondern auch solche, die sich direkt an die Pflegebedürftigen und ihre Angehörigen richten.1 Zudem werden unter dem Begriff der Pflegeroboter häufig auch sogenannte soziale Roboter2 subsumiert, die keine professionellen Pflegetätigkeiten im engeren Sinn übernehmen, sondern z. B. darauf abzielen, die Bewohner:innen von Pflegeheimen mit interaktiven Tätigkeiten zu unterhalten.3
1 Digitale Anwendungen, die auf die Unterstützung der Pflegebedürftigen und deren Angehörigen in der eigenen Häuslichkeit abzielen, werden in dem vorliegenden Sammelband u. a. in den Beiträgen von Hagengruber/Suchenwirth, Hartmann und Sonnauer näher beschrieben. 2 Zu den unterschiedlichen Formen der Robotik, siehe den Beitrag von Manzeschke in diesem Band. 3 So wurde „Pepper“, ein sozialer Roboter der Firma SoftBank Robotics Corp, in den Medien häufig als Pflegeroboter bezeichnet, obwohl er keinerlei professionelle pflegerische Tätigkeiten im engeren Sinn übernimmt.
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Giovanni Rubeis / Nadia Primc
Chancen und Herausforderungen digitaler Anwendungen Digitale Anwendungen kommen bereits in mehreren Handlungsfeldern der stationären und ambulanten professionellen Pflege zum Einsatz. Dazu gehören die IT-gestützte Pflegedokumentation, intelligente Assistenzsysteme (Assisted Living), Telecare-Anwendungen sowie die Robotik (Grogan et al. 2021, Pepito et al. 2020, Sapci/Sapci 2019). Die Chancen digitaler Anwendungen werden in der Steigerung der Lebensqualität von Pflegebedürftigen (z. B. durch längeren Verbleib in der eigenen Häuslichkeit), der physischen wie psychischen Entlastung von Pflegenden, der Zeitersparnis und der Kosteneffizienz durch optimierte Arbeitsorganisation (besserer Informationsfluss, bessere Vernetzung unterschiedlicher Akteur:innen) gesehen. Die IT-gestützte Pflegedokumentation richtet sich an professionelle Pflegende und zielt auf die schnellere und präzisere Datenerfassung sowie auf den erleichterten Austausch von Daten zwischen unterschiedlichen Akteur:innen (Grogan et al. 2021).4 Die pflegerelevanten Daten umfassen Stammdaten, Pflegeplanung, Vitalwerte und Zustandsbeschreibungen, sowie Informationen zur Leistungsabrechnung (Daum 2017). Erwartet wird eine Effizienzsteigerung in der Arbeitsorganisation, etwa in Form einer optimierten Tourenplanung in der ambulanten Pflege (Daum 2017). Aus dem zu erwartenden verbesserten Informationsfluss und der besseren Vernetzung einzelner Akteur:innen ergibt sich eine mögliche Zeitersparnis, die im besten Falle den Pflegebedürftigen zugutekommen soll (BGW 2017). Für die professionelle Pflege kann sich zusätzlich zur Zeitersparnis auch die Möglichkeit der Qualitätssicherung ergeben. Diese wird unter anderem in der Standardisierung von Handlungsabläufen sowie der pflegerischen Terminologie gesehen, die eine Voraussetzung IT-gestützter Pflegedokumentation darstellt (Grogan et al. 2021). Die effizientere Verknüpfung und Prozessierung individueller Gesundheitsdaten kann für Gepflegte eine stärkere Personalisierung von Behandlung und Versorgung mit sich bringen (Weston 2020). Pflegerische Maßnahmen können auf Grundlage der individuellen Gesundheitsdaten besser auf die individuellen Bedarfe von Gepflegten zugeschnitten werden. Für Akteur:innen im Gesundheitswesen wie etwa Krankenkassen und Träger von Pflegeeinrichtungen kann die IT-gestützte Pflegedokumentation eine erhöhte Produktivität und einen optimierten Einsatz von Ressourcen mit sich bringen (Booth et al. 2021). Zudem ist es ein finanzieller Vorteil für Pflegeeinrichtungen, wenn erbrachte Leistungen besser dokumentiert und abgerechnet werden können. Technische Assistenzsysteme und Telecare-Anwendungen richten sich sowohl an den Bereich der informellen als auch der professionellen Pflege. Sie umfassen 4 Vgl. den Beitrag von Bobbert und Rabe in dem vorliegenden Band.
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Einleitung: Digitale Transformationen in der pflegerischen Praxis
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Sensormatten/-matratzen, Erinnerung an Medikamenteneinnahme oder Termine, die Überwachung von Pflegebedürftigen in der eigenen Häuslichkeit (Smart Wearables, Sturzmatten, Hausnotrufe, Temperatur-, Wasser- und Gassensoren) vermittelt über Notrufzentrale oder Call-Center, sowie Planung, Koordination und Evaluation von Pflegeaktivitäten über Distanz inklusive der Anleitung für Pflegebedürftige oder Laienpflegende (Krick et al. 2019, Queirós/Pacheco da Rocha 2018, Sapci/Sapci 2019).5 Diese Systeme und Anwendungen können zu einer Steigerung der Lebensqualität sowie zu einem längeren Verbleib in eigener Häuslichkeit beitragen (Kuziemsky et al. 2019). Dadurch wird es Pflegebedürftigen ermöglicht, ein selbstbestimmtes Leben mit pflegerischer Unterstützung zu führen. Auch in stationären Einrichtungen kann der Einsatz technischer Assistenzsysteme zu einem höheren Grad an Selbstständigkeit beitragen (BGW 2017). Zugleich soll eine Entlastung der Pflegenden bei Kontroll- und Routinetätigkeiten erreicht werden. Telecare-Anwendungen können zur Früherkennung und Prävention von gesundheitlichen Defiziten beitragen und so zu einer Verringerung des Pflege- und Versorgungsaufwands führen (BGW 2017, Stirling 2021). Dem Verbleib in der eigenen Häuslichkeit und der Reduzierung von Krankenhausaufenthalten kommt auch ein gesundheitsökonomisches Interesse zu (Booth et al. 2021). Es könnte eine Win-Win-Situation entstehen, bei der die Steigerung der Lebensqualität mit einer Kostensenkung einhergeht (BGW 2017). Die Robotik forscht an einer Entlastung der Pflegenden im Bereich körperintensiver Arbeiten (Tragen, Heben, Mobilisieren), ebenso wie an der Übernahme einiger patientennaher Tätigkeiten wie z. B. Hygiene und Essenanreichen. Wie bereits eingangs erwähnt werden unter dem Begriff der Pflegerobotik auch eine Reihe von Aufgaben diskutiert, die nicht alle in den engeren Tätigkeitsbereich der professionellen Pflege gehören, wie etwa Essensausgabe oder die Durchführung von Reinigungsarbeiten (Fuchs-Fronhagen et al. 2017, Servaty et al. 2020).6 Hierunter fallen auch emotionale Roboter, die Pflegebedürftige bei Spaziergängen begleiten oder psychosoziale Betreuung leisten (Abdi et al. 2018). Durch deren Einsatz wird ein positiver Einfluss auf die Mobilität, die Selbstständigkeit der Lebensführung, die Alltagsgestaltung und die Kommunikation der Pflegebedürftigen erwartet. Den Chancen und Unterstützungspotentialen dieser Technologien steht eine Reihe von Herausforderungen gegenüber. Zu nennen sind hier unter anderem die Folgen einer potentiellen Dehumanisierung der Pflegebeziehung, der Entprofessionalisierung der Pflege durch die Übernahme pflegefremder Tätigkeiten (z. B. technische Wartungstätigkeiten), erhöhter Zeitdruck und Überwachung,
5 Vgl. die Beiträge von Hartmann, Sonnauer sowie Welsch und Buhr in dem vorliegenden Band. 6 Vgl. zur Robotik die Beiträge von Manzeschke sowie Hagengruber und Suchenwirth.
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Giovanni Rubeis / Nadia Primc
Normierung von Verhalten durch die Standardisierung von Arbeitsprozessen sowie Fragen der Datensicherheit, des Datenschutzes und der Datensouveränität. Unter dem Stichwort der Dehumanisierung werden potentielle Folgen einer verstärkten Technisierung der Pflegebeziehung diskutiert, die dazu führt, dass immer mehr menschliche Kompetenzen, v. a. zwischenmenschliche Kommunikation, an Technik delegiert werden und es dadurch zu einer Entfremdung der Pflege als einer genuin zwischenmenschlichen Tätigkeit kommt (Booth et al. 2021). Hiermit eng verbunden sind Befürchtungen einer zunehmenden Deprofessionalisierung der Pflege, die sich nicht nur aus der Übernahme wesentlicher Kernbereiche der Pflege durch technische Anwendungen, sondern auch dem Zuwachs pflegefremder Tätigkeiten für Pflegende ergeben (z. B. technische Kompetenzen, Wartungsaufgaben). Die Standardisierung, welche unter anderem die digitalisierte Pflegedokumentation mit sich bringt, kann zu erhöhtem Zeitdruck und Überwachung der Pflegenden führen (Dillard-Wright 2019). Darüber hinaus führen auch technische Assistenzsysteme und Telecare-Anwendung zu einer zunehmenden Standardisierung von Verhalten anstelle von Einzelfallhandlungen (Rubeis 2020a). Dadurch wird der Kontext individueller Lebensbedingungen, insbesondere kommunikative sowie psychosoziale Aspekte vernachlässigt (INQA 2015). Pflegende befürchten eine Beeinträchtigung der Pflegebeziehung sowie zunehmende Kontrolle ihrer Tätigkeit und sehen den Einsatz technischer Systeme oftmals als Kostenersparnis und nicht als im Interesse der Pflegebedürftigen (INQA 2015). Das Ziel der Reduktion von Kontaktzeiten kann zur Vernachlässigung der Beziehungsarbeit führen. Das liegt nicht zuletzt daran, dass technische Anwendungen von Entwicklerseite gepusht werden und sich oftmals nicht an den Bedürfnissen der Nutzer:innen orientieren (Rubeis 2020b). Außerdem ist es denkbar, dass die durch Zeitersparnis entstehenden Freiräume durch neue Funktionen und Aufgabenbereiche gefüllt werden (Daum 2017). Ethische Herausforderungen ergeben sich dabei nicht allein aus der Anwendung digitaler Systeme am „point of care“, d. h. in der direkten Patientenversorgung, sondern bereits im Rahmen der technischen Entwicklung dieser Systeme sowie allgemein hinsichtlich des Verhältnisses von Mensch und Technik. Normative Erwägungen stellen hier Bindeglieder zwischen technikphilosophischen Fragen sowie Fragen nach den Konsequenzen für die Pflegebeziehung und nach einer ethisch reflektierten Technikentwicklung dar. Die ethischen Herausforderungen der digitalisierten Pflege sind vielfältig, entstehen in unterschiedlichen Kontexten und sind mitbestimmt durch die intersektorale Verfasstheit der pflegerischen Versorgung. Daher bedarf es eines interdisziplinären und intersektoralen Ansatzes zur Analyse dieser Herausforderungen, bei welchem die unterschiedlichen Akteur:innen und Disziplinen ihre Perspektiven einbringen können.
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Einleitung: Digitale Transformationen in der pflegerischen Praxis
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Der Entstehungskontext des vorliegenden Bandes Vor diesem Hintergrund und mit dem Ziel, einen Dialog über Disziplin- und Sektorengrenzen hinaus zu initiieren, wurde das Symposium „Ethical aspects of digital solutions in nursing care. An interdisciplinary and cross-sectoral dialogue“ vom 16. 9.–18. 9. 2020 im Schloss Herrenhausen in Hannover durchgeführt. Das Symposion wurde von der Volkswagenstiftung finanziert. Die Organisator: innen verfolgten mit dem Symposium das Ziel, Forscher:innen aus den Pflegewissenschaften, der Medizinischen Informatik und den Ingenieurswissenschaften, der Technikentwicklung, den Sozial- und Geisteswissenschaften, hier insbesondere der Ethik, untereinander in einen interdisziplinären Austausch zu bringen. Pandemiebedingt fand das Symposium in hybrider Form statt, von den insgesamt 32 Teilnehmer:innen nahmen acht Personen in virtueller Form an dem Symposium teil. Neben der interdisziplinären und internationalen Ausrichtung sollte das Symposium zudem Wissenschaftler:innen aus unterschiedlichen Karrierestufen miteinander ins Gespräch bringen. Die Teilnehmer:innen kamen aus Dänemark, Deutschland, Finnland, Großbritannien, Kanada, Japan und den Niederlanden. Mit den Geistes-, Sozial-, Pflege- und Ingenieurswissenschaften sowie der Informatik waren unterschiedliche Disziplinen vertreten. Das Feld der Teilnehmer:innen setzte sich aus etablierten Wissenschaftler:innen sowie Nachwuchswissenschaftler:innen zusammen. Das dreitägige Symposium war in sechs thematisch ausgerichtete Sessions mit Vorträgen und Diskussionen gegliedert. Aufgrund des besonderen Fokus des Symposiums auf die ethischen Herausforderungen der Digitalisierung wurden die Vorträge in den einzelnen Sessions jeweils von Ethiker:innen mittels eines Kurzinputs ethisch kontextualisiert und es gab jeweils eine von Ethiker:innen moderierte Abschlussdiskussion. Zudem fanden sich die Teilnehmer:innen am letzten Tag in drei Fokusgruppen zusammen, zur gemeinsamen Erarbeitung eines selbst gewählten Themenschwerpunktes. Die Vorträge aus unterschiedlichen disziplinären Perspektiven, die sich anschließenden interdisziplinären Diskussionen und die gemeinsame Arbeit in den Fokusgruppen führten bereits während des Symposiums zu wichtigen wissenschaftlichen Ergebnissen. So wurde etwa festgestellt, dass der interdisziplinäre und intersektorale Austausch bislang kaum besteht, obwohl aus den unterschiedlichen Disziplinen und Tätigkeitsbereichen heraus die Notwendigkeit und Nachfrage nach einem solchen Austausch betont wurde. Der Austausch ist unabdingbar, um die ethischen Herausforderungen einer zunehmend digitalisierten Pflege umfassend erfassen und analysieren zu können. Es bedarf daher des verstärkten fachlichen Austauschs über Disziplin- und Sektorengrenzen hinweg, um die unterschiedlichen Perspektiven der involvieren Berufs- und Expert:innengruppen sowie die unterschiedlichen ethischen Aspekte einbeziehen zu
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Giovanni Rubeis / Nadia Primc
können, die sich in der digitalisierten Pflege gerade in der intersektoralen Gesamtschau ergeben. Aus spezifischen Handlungskontexten (z. B. stationäre Langzeitpflege, Pflegedokumentation, Pflegeausbildung) ergeben sich je ethische Fragestellungen, die einer gesonderten Analyse bedürfen. Zugleich sind solche Einzelanalysen besonderer Praktiken und Kontexte nur dann sinnvoll, wenn sie in einen größeren Erkenntniszusammenhang eingebettet sind. Daher ist eine Intensivierung des interdisziplinären, interprofessionellen und intersektoralen Austauschs notwendig, um sowohl den spezifischen als auch den übergreifenden Fragestellungen gerecht werden zu können. Des Weiteren hat sich gezeigt, dass oftmals in einzelnen Disziplinen Wissensdesiderate vorliegen, die durch den Wissenstand und die Forschungsergebnisse anderer Disziplinen behoben werden könnten. Somit würde ein intensiverer Austausch einen Erkenntnisgewinn für die einzelnen Disziplinen und Professionen mit sich bringen. Damit könnte innerhalb der einzelnen Disziplinen und Professionen eine umfassende Perspektive auf die digitalisierte Pflege ermöglicht werden. Einen weiteren wesentlichen Aspekt des Symposiums stellte der internationale Austausch dar. Der Einblick in Forschung und Pflegepraktiken in einem digitalisierten Setting in unterschiedlichen Ländern lässt sich als zentraler Erkenntnisgewinn verstehen. Die Bandbreite an Länderperspektiven reichte von europäischen Ländern über die nordamerikanische Perspektive bis hin zum Hochtechnologieland Japan. Diese Länder verfügen über sehr unterschiedliche Gesundheits- und Pflegesysteme sowie soziale, kulturelle, politische und institutionelle Kontextfaktoren. Auch variiert der Grad der Digitalisierung der Pflege zwischen diesen Ländern teils deutlich. Dennoch hat sich gezeigt, dass es verbindende Elemente gibt, v. a. die in allen Ländern vergleichbare demografische Entwicklung sowie Ressourcenknappheit in der Pflege, wodurch ein Vergleich sich als sinnvoll erwiesen hat. Somit konnte der internationale Austausch Einsichten in die unterschiedlichen Forschungsansätze und Bewältigungsstrategien vermitteln, die sich im Kontext vergleichbarer Problemstellungen ergeben. Schließlich wurde im Verlauf der Vorträge, Diskussionen und Fokusgruppen deutlich, dass sich in allen Handlungs- und Forschungskontexten der digitalisierten Pflege ethische Fragestellungen ergeben, die allein anhand der jeweils vorhanden wissenschaftlichen Methoden bzw. praktischen Erfahrung nicht bewältigt werden können. Eine stärkere Reflexion der ethischen Aspekte und möglichen Konflikte, die sich in den genannten Zusammenhängen ergeben sowie eine stärkere Einbeziehung ethischer Expertise in die pflegewissenschaftliche, ingenieurswissenschaftliche und informatische Forschung sind demnach geboten. Dies gilt neben der Forschung auch für die Entwicklung von digitalen Pflegeanwendungen und -systemen sowie für die konkrete Pflegepraxis in einem digitalisierten Setting.
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Einleitung: Digitale Transformationen in der pflegerischen Praxis
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Übersicht über die Beiträge des vorliegenden Bandes Die in diesem Band gesammelten Beiträge dokumentieren die im Rahmen des Symposiums diskutierten unterschiedlichen Aspekte ethisch-interdisziplinärer Fragestellungen in der digitalisierten Pflege. Die Autor:innen sahen sich hierbei vor die Aufgabe gestellt, die jeweiligen Technologien und sich anschließende ethisch relevante Fragestellungen aus der eigenen Disziplin heraus darzustellen und zu diskutieren. Dabei haben sich vier Schwerpunkte ergeben: 1. historische und ethische Perspektiven auf die Technisierung und Digitalisierung in der stationären pflegerischen Versorgung, 2. Chancen und Herausforderungen der Digitalisierung für die Pflegeausbildung und Pflegepraxis, 3. ethische Herausforderungen der Assistenzsysteme im Alter, 4. Robotik und ethische Fragen der Mensch-Maschinen-Interaktion.
1.
Technisierung und Digitalisierung in der stationären pflegerischen Versorgung: historische und ethische Perspektiven
Der Beitrag von Karen Nolte rekonstruiert die Reaktionen auf und Auswirkungen von technischen Innovationen in der Krankenpflege in den späten 1950er und 1960er Jahren. Sie vertritt die These, dass die Einführung von technischen Assistenzsystemen wie z. B. Monitoren ähnlich kritisch begleitet wurden wie die heutige Implementierung von KI in der Pflegepraxis. Zugleich hebt der Beitrag von Karen Nolte hervor, dass technische Innovationen für Pflegende auch als neuer Handlungsbereich aktiv genutzt wurde, um pflegerische Kompetenzen anderen Gesundheitsberufen, insbesondere Ärzt:innen gegenüber zu stärken. In ihrem Beitrag „Ethical issues of digital care planning and documentation in nursing“ gehen Monika Bobbert und Marianne Rabe der Frage nach, welche Ansprüche aus ethischer Sicht an digitale Pflegedokumentationssysteme zu stellen sind. Dabei wird ein existierendes System exemplarisch beschrieben. Als Probleme werden die Verengung des Pflegeverständnisses und des Umfangs pflegerischer Aufgaben sowie Desiderate in Bezug auf die informierte Zustimmung der Patient:innen gesehen. Als Chancen erachten die Autorinnen die digitale Abbildung und Absicherung einer Pflege „nach den Regeln der Kunst“ und eine damit einhergehende mögliche Verbesserung der Pflegequalität. Der Beitrag von Alicia Finger, Uwe Sperling, Tina Obenauer und Heinrich Burkhardt befasst sich mit ersten Ergebnissen zu der Frage, inwiefern sich Überleitungen geriatrischer Krankenhauspatient:innen in die Nachversorgung durch die Einführung einer Webplattform langfristig verbessern lassen. Dazu wird die Nutzung dieser Plattform durch die am Überleitungsprozess beteiligten Akteursgruppen mit dem Fokus auf die Bereiche der Arbeitszufriedenheit, der
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Giovanni Rubeis / Nadia Primc
Arbeitseinteilung und der Erwartungen und Befürchtungen evaluiert. Die Effekte der Plattformnutzung auf das Überleitungsmanagement werden unter den Gesichtspunkten der Ressourcenschonung, der Kommunikation und der damit verbundenen ethischen Fragestellungen diskutiert. Der Beitrag von Giovanni Rubeis, Stefanos Hatziovramidis und Nadia Primc befasst sich mit den Einstellungen von Pflegefachpersonen zu papier- und appbasierten Handlungsempfehlungen, die im Bereich der stationären Langzeitpflege zur Stärkung der Handlungssicherheit beim Umgang mit ausgewählten Notfallsituationen beitragen sollen. Eine zentrale Bedingung für die Implementierung digitaler Technologien ist die Akzeptanz dieser Technologien seitens der Pflegefachpersonen. Die Ergebnisse der qualitativen Interviewstudie zeigen, dass die Pflegefachpersonen einer appbasierten Form gegenüber mehrheitlich positiv eingestellt sind. Dennoch bedarf es einer Kultur des Umgangs mit der Technologie innerhalb der Einrichtung, die Pflegefachpersonen Unterstützung in der praktischen Anwendung bietet.
2.
Chancen und Herausforderungen der Digitalisierung für die Pflegeausbildung und Pflegepraxis
Neue Technologien in der Pflege werden in Deutschland oftmals unter dem Aspekt einer Arbeitserleichterung für die professionelle Pflege diskutiert. Der Fokus sollte hierbei jedoch auf die Frage gelegt werden, inwieweit neue Technologien die Pflege unterstützen können. Martina Hasseler reflektiert in ihrem Beitrag kritisch auf den Entwicklungsstand neuer Technologien für die Pflege, die Technologieakzeptanz seitens der Pflegekräfte sowie die Herausforderungen dieser Technologien für die Pflege als Beruf. Der Beitrag von Sabine Wöhlke und Juliane Leinweber ist ein Werkstattbericht über ein interprofessionelles Lehrkonzept für den Bereich digitale Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) für den dualen Hochschulbereich der Gesundheitswissenschaften. Digitale Professionalität sollte als Teil der fachspezifischen Professionalität in Curricula der Hochschulen stärker integriert werden. Digitale Kompetenzen umfassen auch neu entstehende Berufsbilder im Gesundheitswesen. Die Evaluation des Lehrkonzept zeigt ein sehr hohes Interesse der Studierenden an dem Thema. Sie messen der Verknüpfung von Informatik mit der pflegerischen/therapeutischen Perspektive eine sehr hohe Relevanz bei. Digitale Kompetenzentwicklung ist eine Querschnittsanforderung für alle Gesundheitsberufe und alle Qualifikationsstufen. Der Beitrag von Miriam Peters befasst sich mit ethischen Fragen im Rahmen der Entwicklung von digitalen Tools für die Pflegebildung. Die Schwerpunkte liegen dabei auf der Anwendung von Serious Games als innovatives Lehr-Lern-
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Einleitung: Digitale Transformationen in der pflegerischen Praxis
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medium, sowie der Anwendung digital-gestützter Lernstandsanalyse in der Pflegebildung und im Pflegeberuf.
3.
Ethische Herausforderungen der Assistenzsysteme im Alter
Kris Vera Hartmann untersucht in ihrem Beitrag den Zusammenhang von sozialen und normativen Vorstellungen vom Leben im Alter, wie er im Kontext von KI-basierten Assistenzsystemen sichtbar wird. Anhand verschiedener Konzeptionen der ”Aktivitäten des täglichen Lebens” aus pflegewissenschaftlichen und technischen Diskursen zeigt sie auf, wie der Alltag von Älteren insbesondere in der Maschinellen Aktivitätenerkennung (Human Activity Recognition) konzeptionell vereinfacht, standardisiert und quantifiziert wird und stellt dies in den Zusammenhang einer disziplinierenden Verhaltensnormierung. Franziska Sonnauer befasst sich in ihrem Beitrag mit den Optionen und Limitationen einer informierten Einwilligung als Instrument zur Wahrung der Selbstbestimmung Älterer beim Einsatz altersgerechter Assistenzsysteme. Die Annäherung an die Frage nach den für eine individuelle Person als wesentlich geltenden Entscheidungskriterien zur Förderung bzw. Wahrung selbstbestimmter Lebensführung sensibilisiert für ein pluralistisches und multiperspektivisches Verständnis. Johannes Welsch und Eike Buhr untersuchen in ihrem Beitrag den Einsatz technischer Assistenzsysteme in der Demenzpflege aus ethischer Perspektive. Während der Einsatz dieser modernen Technologien den Nutzer:innen höhere Unabhängigkeit und ein hohes Maß an Autonomie verspricht, greifen sie mitunter tief in die Privatsphäre der Nutzer:innen ein. Vor diesem Hintergrund beleuchten die Autoren technische Assistenzsysteme anhand der Konfliktlinie zwischen Empowerment und Privatheit und schlagen das integrative Konzept des Privacy-Sensitive Empowerment als Reflektionsansatz normativer Konflikte und ethische Orientierung für die Praxis vor.
4.
Robotik und Mensch-Maschinen-Interaktion: moralischer Status, Täuschung und gegenwärtige technische Entwicklungen
Arne Manzeschke diskutiert in seinem Beitrag Digitalisierung und Roboterisierung als Entwicklungen, die in besonderer Weise die Pflege herausfordern. Pflege ist in fundamentaler Weise Beziehungsarbeit, und so gewinnt die Frage nach der Gestaltung der Beziehung zu den Robotern eine besondere Bedeutung. Roboter, wie sie für die Pflege aktuell entwickelt werden, sind keine einfachen Werkzeuge mehr, sondern komplexe technische Gegenüber, die in die soziale
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Giovanni Rubeis / Nadia Primc
Interaktion mit dem Menschen eintreten sollen. Hierbei bleibt unklar, welchen sozialen und folglich normativen Status wir diesen Erscheinungsformen zuerkennen sollen. Der Artikel bietet einige Orientierungsmarken für diese Diskussion aus einer ethischen und anthropologischen Perspektive. Der Beitrag von Joschka Haltaufderheide untersucht am Beispiel sozialer Assistenzsysteme die ethischen Probleme der Nutzung von Scheinelementen in technischen Versorgungsarrangements. Kennzeichnend für diese Scheinelemente in Form von menschenähnlichem Aussehen, Stimme oder Verhalten ist ihr Einsatz im Rahmen der Interaktion zwischen Mensch und Maschine. Wenngleich damit die Möglichkeit besteht auch komplexe technische Versorgungsleistungen intuitiv verfügbar zu machen, so stellt sich aus ethischer Perspektive die Frage, wann die Grenze zu moralisch fragwürdigen Täuschungen der Nutzer überschritten ist. Joschka Haltaufderheide argumentiert für eine nutzerzentrierte Perspektive, die die Fähigkeiten der Nutzer zur autonomen Entscheidung des Umgangs mit den Geräten ins Zentrum stellt. In ihrem Beitrag stellen Annette Hagengruber und Lioba Suchenwirth die Entwicklung des robotischen Pflegeassistenzprojekts ‚SMiLE‘ durch das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt vor. Sie zeigen auf, welche technischen Ansätze und Konzepte in das Projekt einfließen um einen sinnvollen Einsatz von Robotern in der Pflege zu erarbeiten, und welche ethischen Konsequenzen diese Technologien auf die Aspekte von ‚Autonomie‘ und der ‚Privatsphäre‘ in dem umfassenden robotischen Ökosystem haben können.
Danksagung Die Herausgeber:innen bedanken sich bei der Volkswagenstiftung für die Unterstützung bei der Organisation und Durchführung des Symposiums. Durch die hervorragende Zusammenarbeit mit der Volkswagenstiftung konnte ein reibungsloser Ablauf des Symposiums trotz Pandemie-Bedingungen gewährleistet werden.
Literatur Abdi J, Al-Hindawi A, Ng T. et al. (2018). Scoping review on the use of socially assistive robot technology in elderly care. British Medical Journal Open, 8, e018815. https://doi.o rg/10.1136/bmjop en-2017-018815. Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW) (2017) Pflege 4.0 – Einsatz moderner Technologien aus der Sicht professionell Pflegender. Forschungsbericht. Hamburg.
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Einleitung: Digitale Transformationen in der pflegerischen Praxis
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Giovanni Rubeis / Nadia Primc
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Technisierung und Digitalisierung in der stationären pflegerischen Versorgung: historische und ethische Perspektiven
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Karen Nolte
„…menschliche Arbeit durch Maschinen“ – Umgang mit Technisierung in der Krankenpflege in den 1960er bis 1980er Jahren
Einleitung „…die vielen Geräte und Apparate sind nicht so ‚unnahbar‘ und abweisend, wie sie dem erscheinen, der nur einen flüchtigen Blick auf sie wirft. Befaßt man sich intensiver mit ihnen und beherrscht sie, werden sie gewissermaßen zum Vertrauten und Arbeitskameraden“ (Breitwieser 1967, S. 204).
Dies führte eine Funktionsschwester unter dem Titel „Technik und Menschlichkeit“ 1967 in der Pflegezeitschrift „Die Agnes-Karll-Schwester“ aus. Sie griff damit Vorbehalte und Kritik an der technischen Aufrüstung der Krankenhäuser in den 1960er Jahren auf. Auch dem offenbar häufig festgestellten Widerspruch zwischen Technik und Gefühl begegnete sie, indem sie betonte, dass es nicht genüge „Hebel und Knöpfe“ zu betätigen, sondern es vielmehr gelte, die „Seele“ des Gerätes zu erspüren, mit Gefühl und Überlegung zu hantieren, um das bestmögliche Ergebnis zu erzielen. Dieses „gefühlvolle“ Vorgehen würde auch viele Reparaturen ersparen (Breitwieser 1967, S. 204). Indem sie die Notwendigkeit des gefühlvollen Umgehens mit Technik betonte, harmonisierte sie den vermeintlichen Gegensatz von Weiblichkeit und Technik und versah den Gebrauch von Technik mit Attributen des „weiblichen Geschlechtscharakters“ (Hausen 1976). Aus dieser Quelle einer Zeit, in der eine zweite Welle der Technisierung der Krankenhäuser und somit auch der Pflege einsetzte, lässt sich nicht nur der offenbar in der Gesellschaft betonte Antagonismus von Zuwendung/ Gefühl versus „kalte Technik“ herauslesen, sondern auch Strategien zu deren Aneignung von Frauen aus dem Pflegeberuf, die mit Technik arbeiteten. Der Einzug von Technik in die Pflege war jedoch keineswegs ein neues Phänomen. Bereits im 19. Jahrhundert gab es technische Innovationen in der Pflege, die Pflegetätigkeiten ähnlich einschneidend veränderten, wie solche in den 1960er Jahren und wie die heutigen, indem die unmittelbare Krankenbeobachtung nun durch ein technisches Gerät vermittelt zu vollziehen war. Als ein Beispiel kann die Einführung des Fieberthermometers gelten. Wie Isabel Atzls Forschungen zu den
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Karen Nolte
„Pflegedingen“ (Atzl, 2017) zeigen, änderte sich mit der Verwendung des Fieberthermometers eine zentrale Praktik der Krankenbeobachtung: Die Körpertemperatur wurde nicht mehr im direkten Hautkontakt gefühlt. Qualitäten wie feucht oder trocken wurden mit dem neuen technischen Gerät nicht mehr erfasst. Nun bestimmte ein Normwert, wie der Gesundheitszustand von Patient:innen einzuschätzen war (Atzl 2017, S. 70–78). Diese und andere technische Innnovationen wie die Pulsuhr, die Personenwaage etc. leiteten auch in der Pflege das metrische Zeitalter ein und verschoben die Parameter der Beurteilung des Gesundheitszustands von Patient:innen in Medizin und Pflege also grundlegend (Hess 2006). Diese „Technisierung“ von Pflegetätigkeiten wurde von Pflegenden jedoch keineswegs als bedrohlich wahrgenommen oder problematisiert. Dies geschah vermutlich deshalb nicht – so meine These – da diese „Technisierung“ nicht mit einem derartig einschneidenden Strukturwandel in der Pflege verbunden war wie die technischen Innovationen, die seit den 1960er Jahren in den Pflegealltag einzogen. Wie Susanne Kreutzer in ihren Forschungen zur Pflege in den 1950er und 1960er Jahren herausgearbeitet hat, vollzog sich seit den ausgehenden 1950er Jahren ein fundamentaler Wandel von Krankenpflege als „Liebesdienst am Nächsten“ hin zum Verständnis von Pflege als Erwerbsberuf. Mit wachsendem Wohlstand der bundesdeutschen Gesellschaft wurde das Krankenhauswesen ausgebaut. Mit der zunehmenden Zahl an Krankenhausbetten wurde auch zusätzliches Pflegepersonal benötigt. Diese Entwicklung traf auf einen Nachwuchsmangel in den deutschen Schwesternschaften, der bereits in den 1940er Jahren eingesetzt hatte: Das Modell der Krankenpflege als „Liebesdienst“, der bei der Versorgung von Kranken eine Hingabe mit der ganzen Person erforderte, war nicht mehr attraktiv für junge Frauen, die neben der Arbeit in der Pflege ein Privatleben mit Familie haben wollten. In den 1950er Jahren prägte noch ein 2-Schichten-System mit einer Tag- und einer Nachtschicht und einer 70– 80-Stundenwoche den Pflegealltag. Die Tagschicht wurde, um die knappen personellen Ressourcen optimal nutzen zu können, mit geteiltem Dienst organisiert, der eingeführt wurde, damit jeweils zu den Stoßzeiten genügend Schwestern verfügbar waren. 1956 wurde im öffentlichen Dienst die 54-StundenWoche eingeführt. Erst 1973 nach einer weiteren Zuspitzung des Fachkräftemangels in der Pflege gelang es der Gewerkschaft ÖTV (Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr), die 42-Stunden-Woche im Gesundheitswesen des öffentlichen Dienstes durchzusetzen (Kreutzer 2005, S. 149–229; Kreutzer 2020). Eine wesentliche Strategie, dem Fachkräftemangel zu begegnen, war eine durchgreifende Rationalisierung des Pflegebereichs (Kreutzer 2012; 2017), die von technischen Innovationen begleitet wurde. Wie im Folgenden ausgeführt wird, wurde diese Technisierung der Pflege mit der Einführung von Assistenzsystemen unter Pflegenden in den USA in den 1960er Jahren ähnlich kritisch
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„…menschliche Arbeit durch Maschinen“
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betrachtet wie heute die Digitalisierung und Einführung von Künstlicher Intelligenz in der Pflege. Im Fokus dieses Beitrags steht die Frage, wie Technisierung in Verbindung mit dem Prozess der Rationalisierung von Pflegenden in Westdeutschland wahrgenommen wurde und wie technische Neuerungen den Arbeitsalltag von Pflegenden veränderten. Zunächst wird die allgemeine Entwicklung von Rationalisierung und Technisierung seit den späten 1950er Jahren in der Krankenpflege dargestellt, um dann im Weiteren genauer exemplarisch auf einige Assistenzsysteme und deren Wirkung und Wahrnehmung in der Pflege einzugehen. Diese historische Untersuchung wurde wesentlich von Margarete Sandelowskis (2000) Forschung angeregt, die in ihrem Buch „Devices & Desires“ den Zusammenhang von Technik, Gender und Pflegepraktiken analysiert. Wie bereits aus der eingangs zitierten Quelle zu ersehen ist, liegt eine geschlechterhistorische Perspektive auf die historische Entwicklung der Technisierung in der Pflege nahe, um die Thematisierung des Verhältnisses von Pflegenden zur Technik sowie die Aneignung technischer Neuerungen von Pflegenden zu analysieren.
Rationalisierung mit Technik 1957 publizierte die Deutsche Schwesternzeitung anlässlich der „Verkürzung der Arbeitszeit für Schwestern und Pfleger im Krankenhaus“ eine Denkschrift der Deutschen Krankenhausgesellschaft von 1956 (O.A. 1957). Konstatiert wurde dort, dass sich durch die Verkürzung der Verweildauer von Patient:innen im Krankenhaus die Zahl der Aufnahmen um 50 % erhöht habe. Dies habe zur Zunahme und Intensivierung der Arbeit der Schwestern und Pfleger geführt. Die Folge sei ihre „stärkere seelische und nervliche Belastung“ (ebd., S. 4). Es folgen Überlegungen zur Arbeitsentlastung der Pflegekräfte. Zeit- und arbeitssparende „Geräte und Wagen“, z. B. Spülapparate, Saugbohnermaschinen, Krankenaktenwagen, Verbandwagen, Medikamentenwagen, Visitenwagen und fahrbare Krankenbetten, werden auf den weiteren Seiten vorgestellt (ebd., S. 7–8). Pflegende sollten ferner durch eine Zentralisierung und Auslagerung von Tätigkeiten, die als „pflegefremd“ definiert wurden, in Bettenzentralen, ZentralSterilisationen und Zentralküchen mit Einführung des Tablett-Systems entlastet werden (ebd.). Die „modernen technischen Hilfsmittel in der Krankenpflege“ wurden 1958 in der Deutschen Schwesternzeitung vorgestellt (O.A. 1958): Fahrbare Kurvenwagen für bis zu 30 Patientenakten sollten ebenso Wege sparen wie „Rohrpostanlagen“ und „Wechselsprechanlagen“. Errechnet wurde, dass Pflegenden mit diesen Assistenzsystemen rund 3 ½ Stunden „Geharbeit“ abgenommen werden könne (Sch. 1962, S. 229). Die Pflegefachperson sollte nun an einem Schaltpult im Schwesterndienstzimmer sitzen und die Bedürfnisse und
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Abb. 1: Anzeige Spülapparat für Bettschüsseln, Quelle: Deutsche Schwesternzeitung 1958, 11(5), S. 190.
Anliegen der Patient:innen, die die Klingel betätigt hatten, abfragen, um nach rationalen Kriterien zu entscheiden, zu welchem Patientenzimmer zuerst gegangen werden sollte, welche Bedürfnisse, Beschwerden und Symptome zu priorisieren waren. Die Darstellungsweise dieses technischen Assistenzsystems ist erstaunlich affirmativ, so lässt der Artikel eine Schwester berichten, dass der unmittelbare Kontakt zu den Patient:innen durch die Sprechanlage gerade auf schwerkranke Patient:innen sehr beruhigend wirke. Positiv hervorgehoben wird ferner, dass die technische Anlage es ermögliche, „auch noch geflüsterte Worte“ (O.A. 1958, S. 204) zu übermitteln. Diese moderne Technik trug – folgt man dem Tenor des Artikels – dazu bei, dass Pflegende sich ihren Patient:innen trotz „Schwesternmangels“ menschlich zuwenden konnten. In einem weiteren Artikel von 1957 berichtet „Schwester Inge“ von den Vorzügen der Wechselsprechanlage auf einer internen Station des Stadtkrankenhauses in Leverkusen (Kirsch 1957, S. 219–220). So stellte sie fest, dass ihnen „die Sprechanlage bis zu 60 % der anfallenden Laufwege“ einspare, da z. B. „in allen Fällen, in denen der Patient beispielsweise ein Medikament oder ein Getränk wünscht, […] zumindest ein Gang ins Krankenzimmer“ entfalle (Kirsch 1957, S. 219). Der Kritik, dass die
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zwischenmenschliche Beziehung zwischen Pflegenden und Patient:innen beeinträchtigt würde, entgegnete die Krankenschwester: „Es sind mitunter Zweifel geäußert worden, ob durch eine Wechselanlage nicht der unmittelbar menschliche Kontakt zwischen Patienten und Schwestern gestört wird. Ich kann jedoch sagen – gestützt auf Erfahrungen in der Praxis – daß sich solche Befürchtungen als unbegründet erwiesen haben. Im Gegenteil, die Sprechanlage spart uns ja nicht nur die Mühe, sondern insbesondere auch Zeit, die wiederum den Kranken zugute kommt.“ (Kirsch 1957, S. 220)
Ohne Wechselsprechanlage mussten Patient:innen offenbar sehr lange warten, bis eine Schwester zu ihnen an das Krankenbett trat und sich um deren Bedürfnisse kümmern konnte, da die „Schwesternnot“ im Krankenhausalltag spürbar war. Insofern stellte die Installierung einer Wechselsprechanlage einen Versuch dar, den sich zuspitzenden Fachkräftemangel, der eine zeitnahe persönliche Betreuung aller Patient:innen unmöglich machte, technisch zu lösen.
Abb. 2: Wechselsprechanlage, Quelle: Deutsche Schwesternzeitung 1957, 10(7), S. 219.
Folgende Situationsanalyse macht deutlich, wie eng Rationalisierung, Technisierung und Fachkräftemangel in der Krankenpflege zusammenhingen: „In den letzten Wochen ist es wohl auch dem letzten Bundesbürger klar geworden, daß wir bereits mitten in einem Notstand hinsichtlich der Versorgung unserer Kranken
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stehen, weil es nicht mehr möglich ist, alle Krankenhäuser ausreichend mit Hauspersonal, aber auch mit Krankenschwestern zu besetzen. Eines Tages wird an uns die Frage gerichtet werden, ob wir Schwestern alles getan haben, um die Katastrophe abzuwenden. Gewiß kann man sagen: die einzelne hat wenig Möglichkeit, sie aufzuhalten. Aber sie kann sich überlegen, was am eigenen Arbeitsplatz an Möglichkeiten der Zeit- und Kraftersparnis vorhanden ist.“ (O.A. 1961, S. 381)
Zwar wurden 1914 erstmals Krankenbetten mit Rollen angeboten, dennoch waren in den 1950er Jahren in vielen Krankenhäusern solche Betten noch nicht verfügbar, da die baulichen Gegebenheiten, die nicht barrierefrei waren, einem Transport von Kranken in einem rollenden Bett entgegenstanden (Keil 2017, S. 221–227). Das Umbetten und Tragen von Patient:innen wurde – sofern möglich – von männlichem Hilfspersonal erledigt. Da insbesondere Männer in der Pflege fehlten, wurden für das Umbetten in der Regel drei Krankenschwestern benötigt (Baemer, Kress 1947, S. 209–213). In den an vielen Orten neu gebauten Kliniken und Krankenhäusern stellten demzufolge Betten mit Rollen eine wichtige Innovation dar, die den Transport von Patient:innen weniger personalintensiv werden ließ (Bauer/Feneis 1957, S. 303). In den 1950er Jahren wurden Assistenzsysteme eingeführt, um das Heben und Tragen zu erleichtern. Die Firma Hoyer bot einen „Patientenheber“ an, der mit Rollen unter das Krankenbett gefahren und dessen Gurte und festes Tuch nur eine Pflegefachkraft unter den Patient:innen platzieren konnte, um den/die Kranke:n dann mit Hilfe der Hebevorrichtung anzuheben und entweder in einen Rollstuhl zu setzen oder ein frisch bezogenes Bett zu legen. Eine Anzeige von 1970 bot einen Patientenheber an, der als „Stahlschwester“ bezeichnet wurde und damit sehr deutlich zum Ausdruck brachte, dass mit diesem Objekt eine „Schwester“, d. h. ihre Arbeitskraft, ersetzt werden konnte. Auch über diese technische Hilfe wurde in den Pflegezeitschriften positiv berichtet.
Abb. 3: Patientenheber, Quelle: Deutsche Schwesternzeitung 1958, 11(5), S. 207.
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Abb. 4: Die „Stahlschwester“, Werbeanzeige, Quelle: Die Schwester 1970, 9(5), S. 35.
Der Speisewagen brachte in großen Krankenhäusern und Kliniken seit den späten 1950er Jahren aus der Zentralküche mit Essen bestückte Tablette auf die Station und sparte so die dort zuvor beschäftigte Küchenschwester ein, die die Speisen aus der Zentralküche portioniert und kleine Mahlzeiten wie Milchsuppen und Haferbrei auf Station nach Bedarf frisch zubereitet hatte. Insofern kann auch der Speisewagen als technisches Assistenzsystem angesehen werden, das je eine Pflegekraft auf Station ersetzte (O.A. 1960, S. 379). Die Zentralisierung von Tätigkeiten wie das Reinigen und Desinfizieren von Betten, das Portionieren und Zubereiten von kleinen Speisen und die Sterilisierung von Instrumenten wurde jedoch zunächst nur in großen Krankenhäusern und Kliniken umgesetzt. In kleinen Krankenhäusern mit wenigen Betten blieb die alte Struktur der Pflegetätigkeiten noch lange erhalten. So gehörte zu Beginn der 1990er Jahre in kleinen Häusern noch das Abwaschen und Desinfizieren von Betten auf Station zu den Aufgaben von Pflegefachkräften und eine Küchenschwester portionierte noch die in großen Töpfen aus der Krankenhausküche gelieferten Mahlzeiten und richtete für die Patient:innen aus in den Stationsküchen gelagerten Vorräten wie Brot, Marmelade, Butter, Käse und Wurst sowohl Frühstück wie auch Abendessen. 1968 berichtete eine Oberin von ihrer USA-Reise über Rationalisierung und Technisierung der Krankenpflege. Besondere Faszination löste bei ihr das
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„Monorail-System“ und der „Nurse-Server“ aus. Mit ersterem wurden Materialien des täglichen Bedarfs automatisch auf Schienen in Containern durchs Krankenhaus transportiert und so den Pflegenden lange Wege erspart. Kleine Dinge wie Laborproben, Formulare und Briefe konnten mit der Rohrpost transportiert werden. Bei dem „Nurse-Server“ handelt es sich um einen Materialschrank, mit dem jedes Patientenzimmer ausgestattet wurde. Der Schrank war bestückt mit allem, was für die Pflege benötigt wurde, so dass Pflegende keine unnötigen Wege zurücklegen mussten, um zu beschaffen, was sie für eine Pflegehandlung brauchten. Die Oberin fasste die Rationalisierung durch diese Assistenzsysteme in der Pflege so zusammen: „Durch diese Organisationsform sollen die Pflegekräfte ein Krankenzimmer nur verlassen, um ein anderes zu betreten“ (Ramge 1968, 314). Pflegeprozesse sollten also insgesamt ähnlich der Produktion einer Fabrik nach tayloristischen Prinzipien durchrationalisiert werden: Dazu gehörte auch die Einführung der Funktionspflege, der zufolge je eine Pflegefachkraft eine Pflegetätigkeit bei allen Patient:innen der Station ausführte wie z. B. das Temperatur- und Pulsmessen, das Getränke- und Medikamente-Verteilen oder jeweils mit einer weiteren Pflegefachkraft zusammen das Betten und Waschen der Patient:innen. Diese Rationalisierung von Pflegetätigkeiten führte zu einer Fragmentierung der Pflege und dazu, dass eine Pflegefachkraft – in der Regel die Stationsleitung – hauptsächlich mit der Koordinierung der einzelnen Pflegetätigkeiten beschäftigt war (Elkeles 1988). Wie Susanne Kreutzer ausgeführt hat, wurde diese Fragmentierung von älteren Schwestern, die noch den ganzen Tag auf Station gearbeitet und alle Pflegetätigkeiten an einer kranken Person selbst ausgeführt hatten, als durchaus belastend empfunden. Sie konnten ihre Vorstellungen von guter Pflege nicht mehr umsetzen. Sie litten nicht selten an Beschwerden, die dem heutigen Konzept von „Burnout“ entsprachen, obwohl die Arbeitszeit als solche verkürzt worden war (Kreutzer 2010). Im Folgenden wird ein technisches Assistenzsystem in den Blick genommen, das die Beobachtungsarbeit der Pflegenden übernehmen konnte. In den USA konnte durch die Einführung von „elektronischen Monitorsystemen“, mit denen sich Puls, Temperatur, Blutdruck, Atemfrequenz, Schlagrhythmus des Herzens messen und EKGs und EEGs routinemäßig erstellen ließen, die Hälfte des Pflegepersonals reduziert werden: So wurden im Roosevelt-Hospital in New York für die Pflege von 17 Schwerkranken statt zwölf nur noch sechs Krankenschwestern benötigt (Sch. 1962, S. 229). Diese Monitorsysteme waren bereits Ende der 1950er Jahre im Operationssaal und 1954 auf der ersten Intensivstation in Kopenhagen eingesetzt worden (Pincock 2007): Die seit dem 19. Jahrhundert in zeitlichen Abständen von Pflegekräften mit Hilfe technischer Geräte durchgeführten Temperatur-, Puls- und Blutdruckmessungen sowie die Beobachtung der Atemfrequenz wurden also nun von einem technischen Gerät übernommen.
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Nun konnten Patient:innen – zuweilen sogar vom Dienstzimmer aus ohne direkten Kontakt – beobachtet werden, ohne dass ihre Körper berührt werden mussten. Dies führte zu einer räumlichen und somit mitunter auch zwischenmenschlichen Distanzierung zwischen Pflegenden und zu Pflegenden, die letztere wie auch deren Angehörige mit Sorge betrachteten. In Nordamerika wurde im Jahre 1962 eine erste „Coronary Care Unit“ mit einer spezialisierten, zentralisierten Überwachung von Patient:innen mit Myocardinfarkt eingerichtet. Durch kontinuierliches Monitoring wurde ihre Therapie unterstützt (Schuster 2002, S. 12). Diese Einführung von Monitorsystemen polarisierte in den USA die Pflegenden: Diese Apparate wurden von den einen als „facilitator“ und „boon to nursing“ gewertet. Da zunächst nur Pflegende diese technischen Geräte bedienen konnten, eröffnete diese Innovation ihnen jedoch auch eine Möglichkeit, ihre Kompetenz gegenüber Ärzten aufzuwerten. Die neue Technik bot die Möglichkeit, genauere Werte zu erhalten und mehr über die Funktionen des menschlichen Körpers zu erfahren. Auf zeitgenössischen Abbildungen werden Pflegende selbst zu Maschinen (Sandelowski 2000, S. 125), als eng mit den Maschinen verbundene Nurse Robots. Visuell sehr eindrücklich wird gezeigt wie diese Nurse Robots sich räumlich vom Krankenbett entfernten (ebd., S. 124). Die amerikanische Pflegetheoretikerin Hildegard Peplau (1909–1999) warnte in einem Schlüsseltext zur Automatisierung von Pflege davor, dass die persönliche Beziehung zwischen Pflegenden und Patient:innen durch eine Mechanisierung der Pflege leiden würde. Peplau vergeschlechtlichte Technik als männliches Prinzip, das sie der weiblich konnotierten Menschlichkeit diametral gegenüberstellte (Peplau 1962 nach Sandelowski 2000, S. 131–130). Andere Kritikerinnen aus der Pflegewissenschaft schlossen sich an und beklagten, dass „caring“ und „trained intuition“ sowie „personal skills“ durch „tests, drugs, and surgical procedures“ und „mechanical know-how“ ersetzt würden und so der genuine Charakter der Pflege verloren gehe (ebd. 2000, S. 130). Pflegende in den USA nahmen also den Prozess der Technisierung in der Pflege durch Monitore ambivalent wahr: als Möglichkeit, pflegerische Kompetenzen zu erweitern und so Ärzt:innen auf Augenhöhe gegenüber zu treten einerseits und als „Entmenschlichung“ sowie als Verlust der Kernkompetenzen von Pflege andererseits. In der Deutschen Schwesternzeitung erschien 1962 ein Artikel über den Monitor mit dem Titel „Elektronisches Beobachtungsgerät im Krankenhaus“. Betont wurde, dass Monitorsysteme „also eine Tätigkeit [übernehmen, KN], die im traditionellen Krankenhausbetrieb von einer Reihe einander ablösender Krankenschwestern durchgeführt werden muss.“ (Sch. 1962, S. 229) Im Weiteren wird resümiert, dass die „Automaten“ im Krankenhaus „die logische Fortsetzung der bisherigen Bemühungen [seien, K.N.], menschliche Arbeit durch Maschinen tun zu lassen“ (ebd.). In deutschen Darstellungen findet sich lediglich zwischen den
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Zeilen der Antagonismus zwischen Technik und Menschlichkeit in den Einschätzungen Pflegender zur Technisierung der Pflege wieder. Tatsächlich ermöglichte die technische Überwachung der Vitalzeichen von narkotisierten Patient:innen durch einen Monitor seit den 1960er Jahren, dass Pflegende, die zuvor wegen ihrer Kompetenz in der Krankenbeobachtung wichtige Partner:innen der Chirurgen waren und Narkosen einleiteten sowie überwachten, sukzessive durch Fachärzte der Anästhesie verdrängt werden konnten. Der Monitor ersetzte hier also die Krankenbeobachtung der Narkoseschwester, und so wurden Pflegende im Laufe der 1970er Jahre endgültig vom Kopfende des Operationstischs verdrängt und ihnen die Verantwortung für die Narkose entzogen (Nolte 2019; 2020). In den 1960er Jahren begann auch die Ausbildung von Krankenschwestern für die Intensivpflege: Das spezifische Fachwissen, das nicht zuletzt auch aus Fertigkeiten und Kenntnissen bestand, die für die Bedienung der technischen Geräte grundlegend waren, verschaffte der Intensivschwester eine neue Position in der Krankenhaushierarchie, da sie „nicht mehr Untergebene, sondern mitverantwortliche Partnerin des Arztes“ sein sollte (Valerius 1964, S. 114). In ihrem Krankenpflege-Lehrbuch gehen Liliane Juchli und Beda Högger auf das Spannungsverhältnis zwischen Technik und Menschlichkeit in der Intensivpflege sowie auf die besonderen Kompetenzen von Pflegenden im Bereich der menschlichen Zuwendung ein: „Die Schwestern, die auf einer Intensivpflegestation arbeiteten, müssen über eine ausreichende Erfahrung, gut fundiertes, theoretisches Wissen und technisches Können verfügen. […] So notwendig die vielen technischen Massnahmen sind, so dürften sie jedoch nicht zu einem unpersönlichen Verhältnis zwischen Patient und Schwester führen. Das gute Wort, ein verständnisvoller Blick, der Griff zum Puls durch eine erfahrene Schwester wird durch keine technische Einrichtung zu ersetzen sein.“ (Juchli/ Högger 1971, S. 450)
Genauso wichtig wie menschliche Qualitäten und versierte Krankenbeobachtung seien jedoch für Pflegende ihre Kompetenzen im Umgang mit der Technik, die einer fachgerechten Bedienung, Wartung und Lagerung bedurfte, die entscheidend waren „im Moment der Wiederbelebung, bei der es immer um Sekunden“ gehe (Juchli/Högger 1971, S. 451). 1970 wird in der Zeitschrift „Die Agnes-Karll-Schwester, Der Krankenpfleger“ sachlich über den Monitor als „Hilfe“ für die Intensivpflege berichtet. Hervorgehoben wird, dass der Monitor kontinuierlich Messwerte erheben könne und so eine lückenlose Überwachung der Patient:innen ermögliche. Die Kompetenz der Pflegenden bestand nun in der Säuberung und Wartung des Apparats, die entscheidend dafür waren, dass die Messwerte exakt wiedergegeben wurden (Rippa 1970). In Deutschland wurde die Einführung der Monitore selbst im Zuge der
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späteren Technikkritik in der Pflege anders als in den USA nicht als ein Phänomen wahrgenommen, das die Entwicklung der Schwestern zu „Nurse Robots“ förderte. Gleichwohl stehen die Überwachungsapparate sowie Beatmungsgeräte bis heute für eine inhumane, unpersönliche Medizin, die besonders mit Bezug auf den Umgang mit dem Sterben im Krankenhaus zugespitzt als „Apparatemedizin“ kritisiert wurde (O.A. 1977). Besonders bezüglich des Umgangs mit Sterbenden im Krankenhaus, wurde später in den 1990er Jahren diese Technikkritik formuliert (Mischke 1996, S. 249–254). Die Beobachtung und Wartung der Überwachungsapparate wurde ebenso zur Aufgabe von Intensivpflegenden wie der fachkundige Umgang mit den Beatmungsgeräten. Krankenbeobachtung war von jeher die Kernkompetenz von Pflege. Daraus ergab sich selbstverständlich, dass Pflegende sich infolgedessen um die technischen Apparate kümmerten, die einen bedeutenden Teil der Krankenbeobachtung übernommen hatten. Pflegende in den USA betonten im Umgang mit Technik in der Pflege die zwischenmenschliche Zuwendung, die nicht im Widerspruch zu dem versierten Umgang mit technischen Apparaten stehen dürfe (Sandelowski 2000, S. 131). Ähnliches lässt sich aus dem zu Beginn zitierten Artikel einer Funktionsschwester herauslesen, die den gefühlvollen Umgang von Pflegenden mit den Geräten und Apparaten betonte. 1986 hob die Intensivschwester bei der Beschreibung der „Apparatemedizin“ ebenfalls die umsorgende Arbeit und Haltung von Intensivpflegenden hervor und machte deutlich, dass die Überwachungsapparate sogar Fürsorge und ein Sicherheitsgefühl bei Patient:innen hervorrufen könnten (Fischbach 1986). Tatsächlich entstanden in den USA und später auch in Deutschland als Reaktion auf Rationalisierung und Technisierung der Krankenpflege Überlegungen und Theorien zum Verhältnis von Pflegenden zu ihren Patient:innen. Hildegard E. Peplau entwickelte ihr für die Pflegetheorie grundlegendes Modell der „Interpersonal Relations“, um der „Automatisierung“ im Krankenhaus eine professionell reflektierte, theoretisch fundierte menschliche Zuwendung zur Seite zu stellen (Peplau 1967). Auch im deutschsprachigen Raum entstanden in Reaktion auf Rationalisierung und Technisierung der Krankenpflege Modelle ganzheitlicher Pflege. Liliane Juchli integrierte in den 1980er Jahren das Modell der „Aktivitäten des täglichen Lebens“ in ihr Lehrbuch, das sie an das Modell der „Activities of Living“ von Roper, Logan, Tierney (1980) und Virginia Hendersons Modell der 14 Grundbedürfnisse (Harmer, Henderson 1922) anlehnte.1 Pflege sollte sich nach den Grundbedürfnissen des/der Kranken gemäß der antiken
1 Zu den „Activities of Living“ und den „Aktivitäten des täglichen Lebens“ siehe auch die Beiträge von Bobbert & Rabe sowie Hartmann in diesen Sammelband.
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Karen Nolte
Lehre der Diätetik sowie nach seinen lebensweltlichen Erfahrungen ausrichten (Juchli 1983).
Fazit und Ausblick Die Technisierung der Pflege in den 1960er bis 1980er Jahren war begleitet von einem einschneidenden historischen Wandel hin zur Verberuflichung und Rationalisierung von Krankenpflege. Wie in Deutschland erschienene Pflegezeitschriften belegen, wurde diese Entwicklung dennoch auffallend zurückhaltend bewertet, während in den USA die Einführung von Monitoren ähnliche Skepsis und dystopische Furcht hervorrief, wie heute die Einführung von Robotik und Künstlicher Intelligenz in der Pflege. Pflegefachkräfte wurden durch Monitore – wie zunächst befürchtet – keineswegs ersetzt, sondern ihre Tätigkeit veränderte sich nun im alltäglichen Umgang mit den technischen Geräten. Auf Abbildungen in amerikanischen Pflegezeitschriften werden Pflegende gar wie Cyborgs dargestellt, die eine Einheit mit den neuen Maschinen bildeten: Dies wirkte beängstigend und faszinierend zugleich. Pflegende erwarben in den USA und in Deutschland unverzichtbare Kompetenzen im Umgang mit der Technik, von denen sie sich eine höhere Akzeptanz bei der Ärzteschaft erhofften. Diese Strategie ging nur zum Teil auf, es entstand der neue hochqualifizierte Bereich der Intensivpflege, gleichwohl blieben die Tätigkeiten im unmittelbaren Umgang mit Technik in Deutschland Aufgaben, die als ärztliche Kompetenz definiert und lediglich an Pflegende delegiert wurden. Aus den Beschreibungen von und Reaktionen auf die Technisierung lässt sich ablesen, dass grundsätzlich Technik in einem Spannungsverhältnis zur Krankenpflege gesehen wurde. In den Ausführungen von Krankenpflegenden wird der angenommene Gegensatz von Weiblichkeit und Technik aufgegriffen und erklärt, dass Technik keineswegs in Widerspruch zu hingebungsvoller weiblicher Sorge für kranke Menschen stehen müsse. Vielmehr wurde der sanfte, sensible und patientenorientierte Umgang mit Technik als eine spezifische Kompetenz von Pflegenden hervorgehoben. Somit wurde gegen eine gesellschaftliche Kritik an der Technisierung der Pflege argumentiert, die schließlich in den 1980er und 1990er Jahren in dem Vorwurf der enthumanisierten „Apparatemedizin“ in der Krankenhausversorgung zugespitzt wurde. In den frühen 1960er Jahren wurden technische Innovationen im Krankenhaus und mithin in der Krankenpflege in deutschen Pflegezeitschriften fortschrittsoptimistisch beschrieben. Für Krankenschwestern eröffnete die Technisierung einerseits die Möglichkeit in der Intensivmedizin als „mitverantwortliche Partnerin“ mit Ärzt:innen zu arbeiten, andererseits bedeutete sie das Ende der „Narkoseschwester“, die zuvor verantwortlich für Einleitung und Überwachung der Anästhesie gewesen war. In den
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1990er Jahren wurde in der damals in Deutschland noch jungen Pflegewissenschaft die Frage kritisch diskutiert, inwieweit Technik vereinbar mit pflegerischem Handeln sei. Pflegende wurden als diejenigen charakterisiert, die im Prozess der Technisierung und der in den 1990er Jahren einsetzenden „Computisierung“ des Krankenhauses für Menschlichkeit und patientenzentriertes Handeln eintraten. Demzufolge wurde Technik noch als das „Andere“ der Pflege gesehen. Da Technisierung auch immer Rationalisierung bedeutete und somit auf die Einsparung von Pflegefachkräften und Verdichtung der pflegerischen Arbeit abzielte, ist die noch heute unter Pflegenden verbreitete Skepsis gegenüber der Einführung neuer Technologien nachvollziehbar (Hülsken-Giesler 2007).
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Karen Nolte
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Monika Bobbert / Marianne Rabe
Ethical issues of digital care planning and documentation in nursing
Introduction In clinical and ambulant nursing care, nursing anamnesis, nursing diagnosis, nursing care planning, the implementation of nursing measures and the monitoring of the nursing care process through documentation and evaluation are nowadays professional standard.1 The use of information and communication technologies does not only save paper and file storage space, but also enables a complete overview of information. It also avoids repeated examinations and the requirement to draw up new nursing care plans, which increases effectiveness and efficiency. Additionally, the instrument of digital nursing documentation allows for promptly adjusted personnel planning. The digitised recording of nursing care demand and nursing care services is to be distinguished from AI systems such as machines, robots and software, which independently handle and solve abstract tasks and problems under changed conditions, so that no explicit solution paths have to be programmed, instead, the system continues to learn with the help of learning procedures during operation. A key technology of artificial intelligence is machine learning, in which predictions are derived from collected data or classifications are made. Machine learning uses methods from mathematics, especially statistics, and algorithms used in computer science. In currently practiced digital nursing care planning and documentation, on the other hand, only information and data are entered and stored in a given system. In the following, the current beginnings of digitalisation in nursing documentation are discussed from an ethical perspective. The debate about the digital recording of nursing diagnoses, nursing goals and nursing measures and the process-based further development of support for a person in need of care is similar to the debate about the electronic patient record: collecting, storing and 1 The authors would like to thank Raina Schreitz from the Seminar of Moral Theology, University of Muenster, for the translation of this article from German into English.
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Monika Bobbert / Marianne Rabe
using data and information via digital forms and tables are the main focus. Although future developments may move towards AI systems, the analyses of problems and solutions are currently still developed by the users themselves, i. e. the caregivers. Which demands have to be set on digital nursing documentation systems when it comes to using them appropriately and responsibly? To answer this question, it is necessary to begin by outlining the standards that digital systems must fulfil. These standards are taken from professional nursing care with its standards of “good nursing care” as well as from ethics and law. As an example of an already established system of digital nursing documentation, the “ePA-cc system” is presented and discussed. The beginnings of this “outcome-oriented patient assessment”, which serves to record the services provided in nursing care, date back more than 20 years. A closer look at the concrete software “ePA-cc system” can present numerous advantages and disadvantages of digital nursing documentation – to a large extent perhaps even in the sense of a “pars pro toto”. In the last chapter of the contribution – without claiming to be complete – opportunities and challenges of digital documentation systems are pointed out, which should furthermore be observed.
2.
Nursing, ethical and legal criteria
2.1
Professional aspects: What is good nursing care?
There is no clear answer to the question of what good nursing is, as it can be asked and answered from several perspectives. In the following, key points of the professional-political and the scientific discussion on nursing care are mentioned. 2.1.1 Professional associations and educational law The widely known International Council of Nurses (ICN) Code of Ethics identifies four basic tasks of nursing: promoting health, preventing illness, restoring health, alleviating suffering. It emphasises respect for human rights as the basis of good nursing care. In addition to focusing on the well-being of the individual, nursing is also seen as jointly responsible for the well-being of the family and the social community. With regard to the use of technology, the ICN states the principle: “Nurses ensure that use of technology and scientific advances are compatible with the safety, dignity and rights of people” (ICN 2021, art. 1.11, p. 8). Thus, nursing is assigned a mediator and advocate function for patient’s wellbeing and rights in the health care system.
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Ethical issues of digital care planning and documentation in nursing
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The German Nursing Council refers to the ICN Code. In the preamble of the German professional code of conduct of 2004, the understanding of nursing is described as follows: “Nursing means perceiving the person in his or her current situation and state of mind, promoting and supporting existing resources, taking into account the family and the social, cultural and traditional environment of the person and including them in the care and, if necessary, accompanying the person on his or her way to death” (own translation according to Deutscher Pflegerat 2004, p. 6).
In addition to the duty of confidentiality, the duty to provide information and the duty to provide advice, the duty of documentation is also mentioned as a fundamental professional requirement.2 The German Nursing Professions Act (Pflegeberufegesetz) 2020 (part 1, section 2, § 4) sets out the following reserved tasks of professional nursing: – the assessment and determination of individual nursing care needs, – the organisation, design and control of the nursing care process, – the analysis, evaluation, assurance and development of nursing care. The structured approach is seen as a step forward to improve the quality of care and to strengthen the professional image of nursing. Basically, digital documentation systems can support all three key task areas mentioned, which will also be shown later on when the “ePA-cc system” is presented. 2.1.2 Determining nursing goals through nursing diagnoses and nursing theories Which fields does professional nursing include with its analyses, decisions and actions? How are the nursing goals and related means or nursing measures determined? It is clear that treatment care, which refers to medical diagnoses and therapies, is part of professional nursing care. However, the question of whether professional care should only be curative and palliative or also preventive is not 2 In Germany, the boards of nursing, which as organs of self-administration in nursing are responsible for representing interests, quality assurance, policy advice and statistics, are also supposed to further develop the professional code of conduct and professional ethics in nursing. The few boards of nursing that have been founded so far, however, have to constantly fear for their continued existence due to strong protests, among others by trade unions, but also by some political parties against the “compulsory membership” in the chambers. There are boards in Rhineland-Palatinate (since 2016), Schleswig-Holstein, Lower Saxony (which was dissolved in 2020 after a member survey), plus a federal board of nursing in the process of being founded. Lower Saxony has founded the first ethics committee of a board of nursing in Germany.
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always clearly answered. Until today, it is controversial whether professional care should focus primarily on the biological-somatic or also on the existential and psychosocial dimension of the human being. It is also debatable whether nurses should be deficit-oriented and provide care or resource-oriented and activating in the sense of helping people to help themselves. A narrower spectrum of perception and tasks is – in the short term – more cost-effective and can be conveyed more quickly in training and further education. However, people in need of care who receive purely somatically oriented basic or acute care may miss out on rehabilitation opportunities and remain alone with their psychosocial and existential worries and restrictions associated with the need for care. Although preliminary nursing decisions and thus also ethically relevant evaluations are included in every determination of nursing measures, nurses rarely discuss this with those in need of care. But even when nurses use nursing diagnoses, see themselves as committed to a nursing theory, use nursing process planning in which goals and measures are developed, and refer to nursing standards, the question of the range of tasks of nursing is often not explicitly raised. A brief insight into nursing diagnoses and different nursing theories shows that people in need of nursing care cannot be indifferent to the theory according to which their nursing care is oriented (cf. in more detail Bobbert 2002, 256–267). “A nursing diagnosis is a clinical assessment of a human response to health conditions/ life processes or the vulnerability of a person, family, group or community to that response. A nursing diagnosis is the basis for selecting nursing interventions to achieve outcomes for which nurses are responsible.” (own translation according to NANDA 2019, 173)
A brief look at the NANDA nursing diagnoses, which are now also established in Germany, shows that despite the definition of a nursing diagnosis cited above, they are ultimately strongly somatic-care-oriented. Thus, the domains to which nursing diagnoses are assigned are listed there: health promotion, nutrition, excretion, activity/rest, sleep/rest, perception/cognition, sexuality, safety/protection and comfort. The psychosocial domains self-perception, role relations, coping/stress tolerance, life relations and growth/development make up about one fifth of the diagnoses, but they stand unconnected – to a certain extent as psychosocial possibilities for maldevelopment – next to the somatic diagnoses. The somatic diagnoses thus lack the dimensions of psychosocial and existential experience. In Germany, the frequently used care theory of activities of living (AL) – by the British Nancy Roper (2016) – identifies the following areas: providing a safe environment, communicating, breathing, eating and drinking, excreting, keeping oneself clean and dressed, regulating body temperature, moving,
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working and playing, feeling and behaving as a man or woman, sleeping, dying. By considering, for example, the areas of “communicating” and “working and playing”, which she understands to be physical as well as psychological and social, Roper abandons the idea that nursing care should be directed only at immediate physical limitations. Nevertheless, Roper’s theory of nursing also remains strongly somatic. The German nursing scientist Monika Krohwinkel (2013) has extended the somatic spectrum of tasks with her theory of “activities and existential experiences of life” (AEL) to include, among other things, the activity to be considered in nursing: “dealing with existential experiences of life”. The “Self-Care Deficit” theory by Dorothy Orem (1996), USA, additionally emphasises not only resource orientation, but also takes biological and psychological developmental support into consideration. Furthermore, nursing care should ensure experiences that are important for life in society or that promote the awareness that every person owns a Self and is an individual in family and society. The problem-solving circle was introduced in professional care in order to plan nursing care as a process and to adapt it in a structured way to the individual nursing care needs over and over again. Today, the so-called nursing process model stands for an explicit reflection of goals, means and ways of nursing. With regard to a person in need of care, the formal problem-solving circle, which is divided into several steps, guides the planning, evaluation and readjustment of professional nursing care (cf. in more detail Bobbert 2002, 268–321). The type of goals set depends, however, on the respective understanding of nursing, i. e. the nursing process model represents a formal procedure that must be embedded in terms of content. An advantage for the quality of nursing care and for communication with the person in need of care that is oriented towards informed consent is that in the nursing process model goals and measures are planned and thus, explicit and more transparent, even if the goals and measures still need to be justified. 2.1.3 Quality of nursing care and patient safety Nursing standards are an important element of quality assurance in nursing and its professionalisation. In Germany, already in the 1970s, initial care standards existed for specific areas or institutions, which were intended to ensure a uniform application of the current state of knowledge in practice (Bobbert 2002, 301ff). Nursing standards describe the procedure for recurring nursing actions or nursing situations. In this context, a distinction is made between individual standards, which describe a specific nursing activity, and more comprehensive standard nursing plans, which refer to more complex nursing situations (Kellnhauser 2000, 258). In
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addition to ensuring the quality of care, it was already a matter of traceability, rapid documentability and thus verifiability of care services (Stösser 1991, 34f). After the concern for individual and patient-oriented care gained importance in nursing in the 1970s, the concept of nursing standards faced reservations: Would “standard nursing care” do justice to the individual circumstances of patients? And could the orientation towards a standard possibly lead to “the fact that further-reaching care problems of the patients that go beyond the standard are not recorded” (own translation according to Schäffler et al. 2000, 33)? A new approach were care plans with options for change, which enabled individual nursing care on the basis of a standard (Kellnhauser et al.1998, Germeten-Ortmann et al. 1991). Sabine Bartholomeyczik’s (1995) criticism was even more fundamental: The small-step enumeration of individual steps of an action reduces nursing to a “well presentable craft” (Bartholomeyczik 1995, 889) and not infrequently includes self-evident things (washing hands, informing patients). “Should standards compensate for a lack of training?” (own translation according to ibid.) Detailed standards – according to Bartholomeyczik – make sense if there are different ways of handling things and one group agrees on a uniform procedure. Bartholomeyczik uses examples of nursing standards from Switzerland and the USA for comparison: These were more concerned with the principles underlying the action than with concrete procedures. Following the WHO guidelines for nursing standards, she therefore emphasises that the central components of nursing standards are the criteria by which quality is to be measurable (ibid., 888). Even though the various nursing standards have very different levels and goals (minimum demand vs. maximum demand; Bobbert 2002, 307), many authors demanded that nursing standards should be scientifically based (Bartholomeyczik 1995, 892; Kellnhauser et al. 2000, 32). However, with the development of nursing science at that time, this demand could only be realised selectively. In the process of the increasing academisation of nursing and the differentiation of the knowledge base, overarching nursing standards gained in importance: In 1992, the European Network for Quality Development in Nursing was founded (EuroQUAN), to which Doris Schiemann was appointed as the German representative. Then she began to develop the German Network for Quality Development in Nursing (Deutsches Netzwerk für Qualitätsentwicklung in der Pflege – DNQP) at the Osnabrück University of Applied Sciences, from which so-called expert standards for nursing were developed from 1999 onwards. These are nationally normed, evidence-based standards that formulate structural, process and outcome criteria for important topics in nursing practice. They are intended to describe current knowledge and applicable quality standards for professional nursing care and ultimately contribute to improving the quality of
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nursing care. The standards are developed in a multi-stage process by the DNQP in cooperation with the German Nursing Council and relevant experts and are funded by the German Federal Ministry of Health. So far, the DNQP has published eight expert standards in nursing care that are “evidence-based” in the narrow sense: on decubitus prophylaxis (2002), on discharge management (2004), on pain management (2005), on the prevention of falls (2006), on the promotion of urinary continence (2007), on the care of chronic wounds (2009), on the maintenance and promotion of mobility (2016), on nutrition management (2010) and on the shaping of relationships in the care of people with dementia (2019).3 The standard on maintaining and promoting oral health is under development. Further standards will certainly be developed in this way. Nevertheless, in current nursing practice and in the future increasingly also in digital documentation systems, other nursing standards can be deposited in addition to these expert standards, which were developed e. g. by a nursing institution or which originate from nursing literature. The use of nursing standards can ensure the quality of nursing care if they are generally followed, or increase the quality of care by providing guidance for less qualified nurses. Finally, however, the quality of care will also depend on the quality of the care standards used, the possibilities of a justified deviation in individual cases and on the nursing theory that assigns a certain spectrum of tasks to nursing care. A central feature of good nursing care is ensuring patient safety by avoiding errors. The Action Alliance for Patient Safety (Aktionsbündnis Patientensicherheit – APS), jointly supported by representatives and associations of the health care professions and patient organisations, is committed to this goal. It cooperates with professional associations and health insurance funds as well as with the Federal Ministry of Health. Its ethical guidelines for strengthening patient safety (2018) deal with the fundamental responsibility of the health care professions and institutions for patient safety. This includes good cooperation between the professional groups as well as the facilitation of conducive structures and resources by the management. Special attention is paid to the constructive handling of errors and risk management. In the White Paper of 2018 (APS), it is made clear with regard to technical systems that it is “under-complex” if one wanted to ensure patient safety primarily through technical measures (Schrappe 2018, 454): In a euphoric mood for technical solutions, legitimisation through technology is seen as a tempting option at the political level (idem, 456). Instead, the APS recommends the socalled complex multiple interventions (Schrappe 2018, 468), in which the system level (regulations, team culture, technology) and the level of concrete action requirements are intertwined. A combination of professional safety and judge3 For an overview of the expert standards, see DNQP (2021).
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ment on the part of the actors and support from technical systems is effective – according to APS. 2.1.4 Central characteristics of good professional nursing care in German-speaking countries How can good nursing care be characterised in short? A good nurse has, in addition to professional knowledge and practical skills, above all personal competences: the ability to reflect, to judge, to value, to communicate, to empathise, to care, to comfort and to encourage. Value orientation includes, in particular, respect for the person of the patient and their idiosyncrasies, the promotion of autonomy and advocacy for the patient. Nursing care is always a relational process. It involves the bodily and intuitive perception of the person in need of nursing care and an openness to their spiritual needs. However, good nursing care must also be facilitated institutionally. This includes a conducive working environment (appropriate staffing ratio, sufficient material resources), a good team culture as well as space for reflection and collegial consultation. Quality development is also the responsibility of the institution: it has to ensure that the nursing staff acts consistently according to the current state of knowledge, it has to prevent risks and to ensure safety. Since care is an interpersonal process, good care cannot be operationalised; rather, it shows itself in the way it responds to situational and individual characteristics. For this reason, it is also not possible to fully depict good nursing care with the help of technical systems such as the “ePA-system”, which will be presented below. Digital documentation systems may support relevant steps in needs assessment and nursing care planning, but they cannot guarantee good nursing, as the actual provision of nursing care in its essential components of care (as an attitude or virtue), empathy and empowerment cannot be depicted.
2.2
Ethical criteria: moral rights and duties in health care and their guarantee by institutions
2.2.1 Physical and psychological integrity and autonomy From an ethical point of view, the right to protection of life, the right to physical and psychological integrity and the right to autonomy must be respected when caring for a person (cf. in more detail, with moral-normative justification, Bobbert 2001). A person in need of care must give his or her explicit or at least implicit consent to every nursing care measure – regardless of his or her de-
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pendence on outside help. Furthermore, knowledge about and consent to the collection of nursing diagnoses and the desired nursing goals are required. Care goals and the means to achieve them must be communicated to the person in need of care. The person in need of care has the final decision as to whether and, if so, which goals and means are applied in care, even if care professionals want to use the care process to determine the goals and feasible ways to be striven for from a professional point of view and to apply nursing standards. This is because persons in need of care not only have a right to help in the case of illness, frailty or disability, but also a right to self-determination with regard to their own welfare, i. e. to determine the goals and means of nursing care, and a right to choose between possible alternatives. In addition, there is a moral right to the least possible restriction of the scope of action (Bobbert 2020). Caregivers have a duty to promote patient autonomy, since those in need of care are not experts and are also particularly vulnerable in their inevitable need for help. Respecting the self-defined well-being of persons in need of nursing care means informing the persons about the goals of care, obtaining their consent and also granting the final decision about the means, i. e. the nursing care measures. Therefore, nurses must apply care planning in such a way that it leaves room for individual adaptation, for example by allowing care goals and measures to be discussed and changed. 2.2.2. Protection of privacy and informational self-determination When collecting and processing personal information and data in the context of health care, special ethical challenges arise with regard to the right to informational self-determination. From an ethical as well as a legal perspective, the person concerned must give informed consent to the collection and processing of data. Sensitive data must be protected, data misuse must be prevented. Transparency with regard to the data collected and the data flow (who has access to the data, when and for what purpose?) is a central component of the right to informational self-determination. As the collection of data and information is for the purpose of providing appropriate professional nursing to a person in need of care, the informed consent of the person in need of care must be obtained for any further purposes or changes in purpose. The right to informed consent to nursing goals and measures entails that there must be opportunities for participation in the nursing care process and in the determination of nursing goals and measures. Unfortunately, this has hardly been realised in nursing care practice so far, regardless of the type of documentation.
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In order to better understand the right to informational self-determination in its manifestations, the protection of privacy will be briefly discussed below: The protection of privacy is central to respect for the right to self-determination and for fundamental rights of freedom. If privacy is guaranteed, there is a protective space that enables the experience of one’s own unavailability, which is a prerequisite for the realisation of freedom of action and for the formation of a successful identity (cf. for the moral-normative aspects of privacy Heesen, 2008, 162–174). The protection of privacy thus involves more than just the secrecy of information that would have to be deliberately withheld from interested third parties. Rather, it is about having a private space of decision-making, action and personal data. A lack of privacy tends towards the situation of a “panopticon”, which the philosopher Jeremy Bentham designed in 1787 as an ideal prison building: In a star-shaped complex, a prison guard can observe all inmates at all times from a tower in the middle of the building, without being visible to the prisoners themselves. The feeling of constant surveillance, according to Michel Foucault later, leads not only to rule-abiding behaviour, but also to self-discipline through the feeling of being under surveillance (cf. on the panopticon in Bentham and Foucault Heesen, 2008, 170ff). On this basis, the media ethicist Heesen examines the extent to which individual freedom and self-development could be restricted by interactive media if the impression of comprehensive, but little visible surveillance is created: “From the combination of control and assistance in an intelligent environment, parasocial forms of interaction by media users are to be expected, which not only induce disciplinary effects, but also bring about behavioural changes in a ‘positive’, freely chosen way” (own translation according to Heesen 2008, 171). In order to protect the value of the private sphere, it is therefore necessary to consider decisional privacy, which refers to the level of freedom of choice, local privacy, which is concerned with the protection of the home, residence data and bodily integrity, as well as informational privacy, which describes the protection and control of personal data (informational self-determination) (cf. Rössler, 2001, 16ff). These considerations, which are relevant for digital data collection from an ethical-normative point of view, can plausibilise why, from an ethical as well as a legal point of view, the right to protection of privacy in a broader sense and the right to informational self-determination are relevant in addition to the right to bodily and physical integrity. However, not only for those in need of nursing care, but also for nurses, there must be a certain degree of privacy with regard to the three types of privacy mentioned in order to respect their right to autonomy: Nurses must not be completely determined and controlled in their professional actions. Otherwise,
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not only the spontaneity and impartiality of their actions and above all their interaction with those in need of nursing care and team members would be prevented, but also a flexibility that is a prerequisite for care that adapts to each individual person in need of care.
2.3
Legal framework for people in need of care and nurses
2.3.1 General legal framework in Germany The legal conditions under which professional nursing care takes place cannot be explained in this article, as numerous areas of law and individual regulations are relevant. For patients and people in need fundamental rights apply such as respect for and protection of human dignity, the right to free development of the personality – including the right to informational self-determination, the right to life and physical integrity, the principle of equal treatment and the prohibition of discrimination (cf. Basic Law for the Federal Republic of Germany, Art. 1–3). In order to further strengthen the enforcement of these basic legal rights, the Patients’ Rights Act (Gesetz für die Verbesserung der Rechte von Patientinnen und Patienten) was passed in 2013. Although the text of the law primarily addresses treating doctors and patients, the demands for transparency, information and consent also apply to nursing care measures, as they interfere with physical and psychological integrity and affect the development of the patient’s personality. Nursing care documentation and the right of the cared for person to inspect the (electronic) patient file or documentation are also guaranteed by the German Patients’ Rights Act. The benefits to which citizens are entitled in the event of illness, disability or need for long-term care are regulated in the Social Code XI. The Joint Federal Committee (Gemeinsamer Bundesausschuss – GBA), the highest body of joint self-administration in the German health care system, makes legally binding decisions on current issues concerning the benefits of statutory health and longterm care insurance funds. In the German-speaking countries, after the end of the Second World War and increasingly in the 1960s, a discussion began both within the profession and in health policy about the focus and scope of nursing care. In Germany, for example, one of these disputes is the decades-long struggle over the question of whether long-term nursing care insurance should finance nursing services that become necessary in connection with dementia. An “officially” expanded, since henceforth financed, understanding of nursing care was established by the fundamental reform of long-term care insurance (of 1994). Through two Care Strengthening Acts (Pflegestärkungsgesetz) in 2015 and 2016 the definition of the
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need for nursing care expanded so that no longer exclusively physically conditioned limitations are taken into account, but also mentally and psychologically conditioned limitations of independence. 2.3.2 On the legal handling of data in medicine and care The General Data Protection Regulation of the European Community (2016; cf. Kühling/Buchner 2017) and the national data protection regulations, but above all the Federal Data Protection Act, are particularly relevant for the (electronic) processing of data in health care. With regard to electronic nursing care files and other digital systems used in nursing care, on the one hand, informational selfdetermination and the right to protection of personal data must be ensured for those in need of care (Kingreen/Kühling 2015), and on the other hand, the right to data protection must also be ensured for employees (Federal Data Protection Act § 32; cf. also Teubner 2015, esp. 166ff). If, for example, a digital nursing documentation offers information about the working behaviour of the nursing staff as a side effect, it must be clarified whether and, if so, how this information may be analysed.
3.
The ePA-cc system: a digital documentation system for nursing care
In the context of the gradual digitalisation in the German health care system (electronic chart, etc.), the documentation of nursing care is also coming into focus. As an example, the system of “ePA-cc” is presented here (“ePA” stands for “result-oriented patient assessment”), because this system is very comprehensive and was developed by nursing scientists. Parallel to its development, it was validated in several studies and, according to the ePA-management, is one of the most frequently used documentation systems in Germany, Austria and Switzerland.
3.1
Origin and description of the ePA-system
Since 2002, ePA-cc was initially developed as an assessment tool for determining the nursing care needs of patients in hospital. In the meantime, the company of the same name (ePA-CC GmbH) describes the system as a “Clinical Decision Support System” (Vogel 2020, 16), which provides nurses with e. g. summaries, warnings or instructions for action. These are based on patient-related data and
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stored guidelines or LEP criteria. (LEP stands for “Leistungserfassung in der Pflege” – performance recording in nursing.) The concept of LEP was developed in Switzerland in the 1980s. The services actually provided are recorded. A distinction is made between “direct nursing care activities”, which are related to an individual patient, and “indirect care activities”, which represent organisational and management tasks. For the individual activities (56 activities are currently defined), degrees of proficiency are also recorded, with which increased effort can be documented. The result for each activity is a time value that trained and experienced nursing staff need on average to complete this task, including preparation and follow-up. The need for nursing care is determined from the assessment of ePA-cc. In this process, the patient’s abilities are assessed with a score in relation to certain basic criteria (0–4, where 4 stands for full independence). By linking the assessment with the concept of service recording, appropriate care goals and measures of nursing care can be generated for the assessed values (care needs). The basic criteria of ePA-cc are: 1. exercise 2. personal hygiene and dressing 3. nutrition 4. excretion 5. cognition/consciousness 6. communication/interaction 7. sleeping 8. breathing 9. pain 10. decubitus/wounds These criteria are quite similar to Roper’s care model of activities of life, but the orientation is even more clearly somatic, since criteria such as “working and playing”, “living one’s gender” and “dying” cannot be mapped for a system that works quantitatively. The assessment according to the basic criteria is repeated regularly, and the achievement of goals is also assessed. Nursing care planning then mainly consists of a nurse selecting from the nursing diagnoses and measures suggested by the system those that are currently significant for the respective patient. Goals are not formulated for all patients, only for longer stays and more complex phenomena such as hemiplegia, which require a lot of nursing attention/action. The goals are also formulated quantitatively, e. g.: the currently mobility-impaired patient (level X) will reach level X1 in X days with regard to mobility. If targets are stored, the system displays the target values and the results of the assessment from the last time.
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3.2
Goals of the ePA-system and their evaluation from a nursing professional and ethical perspective
The 2010 ePA-cc coding manual states the following objectives: 1. transparency of nursing care 2. process control 3. risk diagnosis and prevention 4. presentation of nursing result quality, target values can be entered 5. support of DRG (diagnosis related group) coding 6. epidemiology of the need for nursing care in acute hospitals Thus, in its own self-image, the ePA-system is much more than a documentation system, it is a “Clinical Decision Support System”, and potentially also a management tool that can be used for institutional and political decision-making processes. How are these goals to be evaluated? (1. and 4.) From a positive point of view, the transparency of nursing care means that care activities are made more comprehensible and visible. This can contribute to a positive self-image of nursing and to its recognition. Together with the presentation of nursing outcome quality, the system can additionally contribute to nursing quality development. The resulting control possibilities can have both positive and negative implications. The binding nature of agreements and quality standards can have a positive effect on the safety and well-being of patients. Ethically problematic could be a time recording of individual activities and the associated pressure to keep to times, or an evaluation based on “speed” or efficiency. However, this is not currently practised and is not intended in relation to individual staff members. The time value stored represents an average value and can thus be used as a support for staff and occupancy planning, for example. (2) Process control is made possible both at the institutional level – the system can support the planning of staff deployment and finances as well as the control of occupancy – and at the level of concrete planning, implementation and evaluation of care. The aim of assessment instruments is to “generate a maximum of actionable information with as little (survey) effort as possible” (own translation according to Hunstein 2013, 1818). Even if what is meant here is that multiple documentation, which is still present in many places, should be avoided, the idea of rationalisation resonates here. In the sense of good nursing care, such a goal is to be criticised, because an
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“analysis” of the patient’s situation also includes a conversation with the patient, with room for perception and recognition by the nurses. (3) Risk diagnostics and prevention are to be evaluated positively in terms of patient safety if the system is not only used for nursing documentation but is also networked with clinical quality and risk management. (5) DRG (diagnosis related group) coding is supported by systematic and complete proof of the nursing activities actually performed. However, it is questionable whether this system, which has significantly contributed to the economisation of the health care system and leads to false incentives, is worth supporting at all. (6) Epidemiology of care dependency in acute hospitals: The aim of epidemiological research is a very broad one and would be a case for data protection: Data originally collected for the purpose of treating patients would be reused for other (quite desirable) scientific purposes. In Germany, however, if the purpose of data collection and use is changed, the patient’s consent is required. In some hospitals, such comprehensive consent forms are already included in the admission form. Nevertheless, obtaining extensive informed consent can be questioned from an ethical and legal perspective. Currently, ePA-cc is developing an application (app) for patients to enter information themselves and use the training sessions. This form of participation means that the patient himself enters data into the system. Conversely, however, the flow of information has not yet been developed, e. g. that the patient could view his or her nursing care planning via the app. Obstacles, which are caused by data protection in clinics and care facilities, could probably be solved by, for example, preparing the most important parts of the planning/documentation for the patients and then making them available digitally or as a printout. For patients, this would mean that they are better informed about the details of treatment and nursing care. In addition, this could also improve the willingness to use the application.
3.3
Does the system reflect what constitutes good care?
The ePA-system focuses on definable nursing activities. It is professionally good because the diagnoses and the suggestions for the nursing activities are based on current nursing science findings. This means that the program also gives nurses who have not received the best possible training the opportunity to select the professionally correct measures. However, the system naturally no longer has any influence on the professional correctness of the execution. Conversations with patients can be recorded with time values, both as counselling in connection with nursing care measures and as accompanying con-
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versations on how to deal with the disease. The focus is on informational talks because their effectiveness can be better operationalised. If, for example, a rather sedentary patient was informed about the importance of mobilisation to avoid complications and subsequently moves more often on his own, his score for this characteristic improves and an effect of the information talk can be assumed. Accompanying, encouraging and comforting conversations are part of the essence of care. Since they are often conducted during the implementation of other care measures, they are often not perceived as an independent and professional activity by the carers themselves. It is possible to store a time value for accompanying conversations and to document the contents of the conversation in the progress report, which can be freely formulated. Furthermore, it would be desirable to provide for accompanying conversations as a fixed category in the system, as they are not the exception but the rule. For individualised care, it is important that nurses can react to situational changes, i. e. deviate from the planned. The system should offer scope for this. In fact, this is possible in ePA-cc; possible reasons are stored with the planned measures as to why they were not carried out (e. g., the patient does not want certain measures, the patient was not present, etc.). The spontaneous implementation of another measure is also possible and can be entered accordingly in the documentation. However, the question arises whether the system in its closedness invites open handling or whether it does not rather bring a new inflexibility with it because it only prescribes certain diagnosis and action corridors (Hübner 2010; Hülsken-Giesler 2016). With regard to the person orientation and the participation possibilities of the patients, the clear focus of the system on the nursing activities is again noticeable; the patient as a person is not taken into consideration. “The basis for establishing a nursing diagnosis is the data basis.” (Own translation according to Vogel 2020, 13) However, a person is more than a data basis. She can contribute her own information, wishes, impressions and sensitivities and should therefore be included in the determination of nursing care. According to the ePA-management4, the documentation and planning system does not claim to represent nursing care completely. Especially the areas of observation, emotion, intuition, bodily perception, aspects of interpersonal companionship and care as well as spiritual aspects are not gained from the assessment. However, they could be noted in a written report.
4 The authors would like to thank Dr Dirk Hunstein of ePA-cc for his detailed answers to our questions.
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4.
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Opportunities and challenges of digital care documentation systems
The advantages of digital nursing documentation systems are obvious: They make nursing services easily comprehensible, support the uniformity of the procedure and thus patient safety, they guarantee the selection of nursing diagnoses and measures according to the state of nursing science research. Furthermore, they offer networking possibilities with regard to medical information and can be the basis for planning personnel requirements and billing nursing services. However, the opportunities are also associated with challenges.5
4.1
Aspects of professional nursing and applied ethics
4.1.1. Narrowing the understanding of care It is of main importance for nursing action on site which aspects of service or nursing tasks the digital system asks for. Similar to “checklists”, there is a danger that what is not queried is neither done nor missed. There is also a tendency that the use of a digital nursing care documentation system changes the previous understanding of nursing. Will those nursing care services that cannot be documented with a given program or only marginally, for example via free text or attachments, be preserved in the long run or appear less significant and be forgotten over time? It is obvious that digital documentation will be in the foreground and the question of how other nursing care services can be queried and documented will be secondary. This is all the more likely if the practitioners on site are supposed to take care of further documentation aspects as an “additional task” in the otherwise digitalised daily routine. What does this mean for patients and those in need of care? In the worst case, they are “provided” with the most necessary things, but there is no participatory, personal communication and no holistic view of the well-being of the person being cared for. The psychological, existential and social concerns associated with an illness, disability or infirmity are addressed more by chance than professionally. Nursing care activities that could be geared towards activation, rehabilitation or prevention are omitted. An elaborate, science-based system such as the ePA-system probably gives the impression to many that it maps all nursing care. The perception of what con5 Suggestions for chapter 4 were taken from the discussion on the electronic patient file and conference proceedings on digitalisation in the health care system and transferred to the care sector. Cf. Budde et al. 2020 on the round table with patient representatives; Butzer-Strothmann et al. 2018, Baxmann 2018, Müller 2008.
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stitutes nursing care could therefore change with the widespread use of a digital documentation system that is strongly oriented towards somatic care, for example. Central aspects of the nursing self-image, such as the accompanying, supportive communication of the nurses with those in need of care, would be neglected, as it would be perceived as having little relevance in the system of digital nursing care recording. The software developers do not claim to represent nursing comprehensively. This would not be realistic in view of the diversity of nursing diagnoses and nursing care theories described above. It is therefore not surprising that, in view of different understandings of nursing and reimbursement of services, the digital recording systems are preferably based on a “lowest common denominator”, standard nursing, as the successor to the often criticised “sati-clean” care. But even a digital system that wanted to implement Roper’s nursing theory, for example, would be exposed to the criticism of limitations – especially if a software system does not explain for all nurses and service recipients which understanding of nursing care is implicitly included – and where the system has limits in relation to comprehensive nursing care. 4.1.2 Quality and security of the digital systems Overall, the data sets generated with a digital system must be critically questioned in terms of purpose, quality and size. After all, in the end it is about an adequate representation of a person’s health and care status and not about the unquestioned use of a preset system available on the market. The conformity of a digital recording system with ethical and legal standards is also an indispensable quality feature. For quality assurance and thus, above all, for patient safety, tools or controlling workflows for plausibility checks and error correction are also necessary. Faulty data sets and consequently problematic decisions must be avoided. 4.1.3 Possibility of improving the quality of nursing care Digital systems can improve the quality of nursing through their “norming” or standardising function by storing evidence-based or otherwise quality-assured care standards behind certain nursing diagnoses or nursing measures. Nurses who are uncertain, who do not know the “house standard” or who are less qualified can refer to such professional information. If many nursing standards are stored in a problem-related way, they can be retrieved quickly and specifically. But even the digital registration of nursing services, if it contains a good quality spectrum of nursing services, can raise the level of nursing care.
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4.1.4 Transparency of what constitutes nursing care Nurses as users should be informed about what a digital system “does to them” through its queries. Nurses should not only discuss individually, but above all as a care team and as a nursing care institution, and then also regulate which required nursing services must be reliably recorded and valued in other ways. However, if software providers leave users alone with the digitisation of “the rest” of the scope of nursing care required from a nursing theory perspective, they may fail with their professional concerns out of excessive demands. A core software that can be easily expanded is therefore indispensable from a professional nursing perspective. However, the question of transparency and the question of structured supplementation of digital documentation systems is not only a problem of a digital system, but also of education and the basic attitude of nurses. It will be important that nurses will be enabled to critically distance themselves in education and training on the use of digital systems, for example, that nurses do not overestimate digital systems and recognise their implicit control mechanisms. A good transparency of the “subject area” is advantageous for all parties involved: Not least, payers might be interested in the extent to which a digital system is able to document those services that are, for example, included in the range of services of the statutory health and long-term care insurance funds. 4.1.5 Perception and evaluation of changed process flows The introduction of digital systems may change behaviour, because it is “always an intervention in a social system” (own translation according to Schrappe 2018, 455). Staff members do not only use technological innovations “quite neutrally” as an extension of their options for action, but “are changed by the technology itself and also change their behaviour towards each other and towards the patient” (own translation according to Schrappe 2018, 455). For example, in the future, nurses may look more into their “tablets” at the bedside than seek eye contact with the person in need of care in conversation and strive to get an overall picture of the person in need of care. Perhaps patients’ requests will sometimes even be answered by noting that the digital system does not allow this or that something cannot be entered. Therefore, it is important to perceive and evaluate the consequences of possible changes in the content and timing of processes and actions of the nursing staff towards the patients. In particular, negative effects can arise in relation to interpersonal interactions. Such undesirable effects must be compensated or changed. Overall, nurses should not be completely determined and controlled in their professional actions by digital recording systems, as discussed above. There
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must still be room for spontaneity and impartiality in action and especially in interaction with those in need of care and team members, as well as a certain flexibility in order to be able to adapt to each individual person in nursing. 4.1.6 Increasing effectiveness not at the expense of comprehensive quality and individual care The concrete opportunities offered by digital systems include facilitating work and saving time by automating steps that were previously planned and carried out manually. However, there is a risk that the personal, individual side of the interaction with the patients is lost. In 2016, the German Ethics Council (Deutscher Ethikrat) reacted to the increasing economisation of hospitals and the associated deterioration in the working conditions of professionals with its statement “Patientenwohl als ethischer Maßstab für das Krankenhaus” (Patient well-being as an ethical standard for hospitals). As a result of the increasing economisation, the orientation towards the patient’s well-being as a guiding principle of health care would be endangered. Patient’s well-being includes above all “respect for the individuality of the individual patient” and “high-quality care” (own translation according to Deutscher Ethikrat 2016, 37). Systems that work primarily with numbers and scores are quantitative in nature and thus contribute to the tendency to economise the health care system. They also contribute to limiting the understanding of nursing care to what can be operationalised. This means that central areas of the understanding of nursing care are disregarded, as explained in chapter 2 and already mentioned above. In its statement on the well-being of patients, the German Ethics Council problematises the increasing control of nursing work by business management instruments such as scoring procedures6, with which “medical-technical measures can be depicted much better than time-consuming nursing work (for example, taking a patient in one’s arms, holding conversations, dealing with possible shortness of breath)”. This would “accelerate the pushback of care in the sense of assistance and care measures oriented towards the whole patient in favour of technical applications and procedures” (own translation according to Nationaler Ethikrat 2016, 80).
6 This refers to TISS (Therapeutic Intervention Scoring System), a system for quantifying the amount of care and therapy required by seriously ill patients, which has similarities with the LEP and ePA-systems.
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Ethical issues of digital care planning and documentation in nursing
4.2
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Autonomy and informed consent
With regard to the right to respect for the autonomy of people in need of nursing care, there is a different tradition in professional nursing care than in medicine. While informed consent has become widely established there, the assumption of “dispositional tacit consent” still prevails in nursing. The merely assumed consent to nursing goals and measures including nursing care planning (cf. Bobbert 2002, p. 178) may stem from the fact that nursing is usually unavoidably necessary. However, well-intentioned support which is not communicated, carries the danger of paternalism. In addition, acts of nursing care affect the physical and mental integrity of a person, so that “interventions” without the consent of the person concerned constitute ethically and legally impermissible “encroachments”. However, it is usually the case that nursing care planning is not discussed with patients and consensus is not sought. This deficiency not only continues in the emerging practice of electronic documentation, but could even be exacerbated. Because if the nurses themselves were to rely too much on digital specifications, they would become weaker in their competence to inform and convince professionally. In this respect, on the one hand, the need to teach ethical reflection competence in nursing education and training is once again evident here (Rabe 2017), and on the other hand, the new need to include digital key competences in nursing teaching concepts. Information about and consent to care planning should be stored in the nursing documentation system as a basic requirement. In the context of the digital file, digital signatures of patients are already being experimented with; this could be transferred to nursing care planning. Furthermore, the patient’s assessment of the individual nursing care measures or progress should be recorded in addition to the nursing assessment. The patients’ access to their care planning should be ensured, e. g. by exporting it to an app, which is also accessible to patients with less digital experience. The introduction of digital nursing care documentation systems therefore offers the chance of a new beginning: Digital systems could contribute to the improvement of nursing care planning and documentation in terms of patient orientation and participation by standardising informed consent. In order to actually achieve this goal, those affected, i. e. nurses from the practice and patients, should already be involved in the development of a digital system for nursing care documentation, in order to plan the later participation of the patients in the care process from the outset.
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58 4.3
Monika Bobbert / Marianne Rabe
Selected legal aspects
4.3.1 Self-determination over personal data and over the form of health care provision Patients and those in need of care must have barrier-free access to the personal digital care file. At the same time, data security – as with the electronic patient file – must be guaranteed by means of a two-key principle. The data should be prepared in such a way that patients can obtain clear and comprehensible information about the data stored about them. Competent contact persons should be available to classify the information collected and to answer questions in case of ambiguity. The transparency of nursing decisions must be given and a patientoriented implementation of the right of consent must be ensured. Since patients’ rights to privacy and free personal development may be affected by the documentation of false or overly personal information, it must be possible to correct personally sensitive or misleading data. For example, offensive or in any way discriminatory entries or phrases in a record should not be perpetuated simply because it is difficult to make corrections in a digital system for various reasons. 4.3.2 Protection of sensitive personal data Electronic systems offer particular potential for misuse; therefore, there must be effective measures to prevent data misuse and cybercrime in this context. If interfaces for networking digital information from nursing and medicine are set up for cooperative and coordinated interaction in the health sector, the digital system must map compliance with the legal requirements of data collection and dissemination in its processes. Cross-sectoral networking of digital care documentation systems, for example between the inpatient and outpatient sectors, can improve the effectiveness and quality of care. For example, nursing care planning can be continued and necessary information is available at the time of decision-making. However, not only must the relevant legal requirements be observed with regard to the use and transfer and to safeguarding the confidential treatment of personal health data, but these must also be implemented in the form of digital processes.
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Ethical issues of digital care planning and documentation in nursing
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4.3.3 Respect for employees’ rights and preparing for the assumption of professional responsibility Digital nursing documentation systems can be used as a control instrument of the nursing management for staff planning. Such a “secondary use” seems obvious because it can offer great advantages. However, there are also sensitive data of health care workers that relate, for example, to working hours, absenteeism and time accounts. The requirements of labour and data protection law with regard to the carers as employees must be taken into account in the development and use of the software. The information and transparency of digital documentation systems discussed above is also important from the point of view of professional responsibility. Nurses can only bear responsibility if they have an overview of a digital system and can operate it confidently. In addition to IT training, this requires a comprehensible and clear preparation of data and decision-making processes that are easily accessible to all nursing staff, not only the managers.
5.
Conclusion
The possible advantages and challenges listed in chapter 4 do not claim to be exhaustive nor do they imply an ethical ranking. However, the aspects listed represent an initial grid that illuminates different facets of digitalisation in the health sector. In summary, the following central aspects can be noted: A digital system must be easily adaptable to the user’s understanding of nursing care. Otherwise, it standardises professional nursing and the range of tasks of nursing in an inadmissible way. A digital nursing documentation that does not specifically encourage and collect the informed consent of patients is not justifiable. Furthermore, a digital system must systematically include the participation of patients and nursing care recipients. They must routinely receive information, be involved in planning, and it must be a regular feature – and not an undesirable exception – that they demand their nursing care needs and change requests. Without the involvement of patients in the planning and implementation of care, nursing will neither meet ethical nor legal requirements. A culture of informing about the planned nursing goals and actions, obtaining explicit consent or even observing whether there is implicit consent are important prerequisites for caring for a person. Consequently, the use of digital systems must be embedded in easily understandable and easily accessible information about the scope of nursing, goals and measures.
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A digital system is appropriate if it promotes interpersonal communication between the nurse and the person in need of care and records the results of this exchange.
Acknowledgements The authors would like to thank Susanne Greshake from the Clinical Quality and Risk Management of the Charité Universitätsmedizin Berlin for information on the use of digital nursing documentation systems as well as for ongoing advice, tips and feedback during the process of writing the text.
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Ethical issues of digital care planning and documentation in nursing
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Alicia Finger / Uwe Sperling / Tina Obenauer / Heinrich Burkhardt
Einführung einer Webplattform für die Überleitung von Krankenhauspatient:innen in die Nachsorge – Erste Ergebnisse und ethische Überlegungen aus dem SereNaWeb-Projekt
1.
Einleitung
SereNaWeb (Sektorenübergreifende Nachsorge geriatrischer Patienten mittels einer gemeinsamen Webplattform) ist ein vom Ministerium für Soziales und Integration Baden-Württemberg gefördertes Projekt mit dem Ziel, das sektorenübergreifende Überleitungsmanagement geriatrischer Patient:innen zu optimieren. Jeden Tag entlassen Kliniken nach erfolgreicher Behandlung eine Vielzahl von sehr unterschiedlichen Patient:innen, von denen ein Teil weitere pflegerische Nachsorge benötigt. Dies zu organisieren ist eine Aufgabe, die von Sozialarbeiter:innen und Pflegefachpersonen in den Krankenhäusern gemeistert werden muss. In der Praxis sind einige Patient:innengruppen bekannt, die aufgrund bestimmter Einschränkungen ein höheres Risiko für nachstationäre Versorgungsdefizite aufweisen und bei denen daher der Bedarf für ein umfassendes Entlassmanagement besteht. Entsprechend verfolgt das Deutsche Netzwerk für Qualitätsentwicklung in der Pflege (2019) mit dem Expertenstandard Entlassmanagement das Ziel, diese Patient:innen zu identifizieren, damit ihnen ein individuelles Entlassmanagement zukommen soll. Dazu müssen Bedarfe aber auch frühzeitig erkannt werden, worauf internationale Leitlinien zum Entlassmanagement explizit verweisen (siehe BIQG 2012; NICE 2009; RNAO 2014; AMDA 2010). Der Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen (2014) beschreibt Patient:innen mit einem einschlägig erhöhten Risiko für komplexe Nachsorgebedarfe als Patient:innen im höheren Alter und Patient:innen, die unter chronischen Erkrankungen, Multimorbidität oder Funktionseinschränkungen leiden. Dazu zählen insbesondere Pflegeheimbewohner:innen, geriatrische und palliativmedizinische Patient:innen sowie Patient:innen mit psychischen Erkrankungen. Der GKV-Spitzenverband hat dazu im Jahr 2017 einen Rahmenvertrag zum Entlassmanagement veröffentlicht, in welchem die Krankenhäuser verpflichtet werden, eine Anschlussversorgung für Patient:innen anhand vorgegebener Standards zu gewährleisten
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(GKV-Spitzenverband 2017). So sollen beispielsweise Pflegeberatungen angeboten und dadurch nicht zuletzt Unter- und Überversorgungen der Patient:innen vermieden werden. Während das Entlassmanagement für Patient:innen und ihre Angehörigen eine deutliche Entlastung und eine Steigerung der Versorgungsqualität bedeutet, steigen auf Seiten der Krankenhäuser und Nachversorger die Anzahl der auszutauschenden Verordnungen und Informationen sowie der Koordinierungsaufwand weiter an. Im SereNaWeb-Projekt werden daher zum einen Hinweise gesammelt, wie die transsektorale Kommunikation durch Digitalisierungsprozesse verbessert werden kann. Zum anderen wird aber auch analysiert, welche Versorgungsbedarfe im Rahmen des Klinikaufenthaltes offenbar werden. Das Geriatrische Zentrum der Universitätsmedizin Mannheim (UMM) verfolgt im Projekt SereNaWeb das Ziel, zu untersuchen, ob eine Webplattform zur Steigerung der Qualität und der Transparenz der Überleitungsprozesse allen an der Nachsorge beteiligten Akteur:innen dient. Die Optimierung der Überleitungsprozesse soll letztlich auch dazu behilflich sein, unnötige Verzögerungen bei Entlassungen aus dem Krankenhaus zu vermeiden. In diesem Beitrag werden erste Ergebnisse zur Beantwortung der Frage vorgelegt, inwiefern durch die Implementierung einer Webplattform die Überleitung geriatrischer Patient:innen in die Nachversorgung langfristig verbessert wird. Dazu wird die Nutzung der Plattform durch die unterschiedlichen Akteursgruppen mittels Nutzungsbeobachtungen und gezielten Befragungen der Anwender:innen evaluiert. Es werden besonders die Bereiche der Arbeitszufriedenheit, der Arbeitseinteilung und der Erwartungen und Befürchtungen an die Plattform fokussiert. Dadurch wird dargestellt, inwiefern die Implementierung der Webplattform einen Einfluss auf Entlass- und Überleitungsprozesse hat. Darüber hinaus wird analysiert, ob und inwiefern sich Arbeitsbedingungen im Pflegeservicezentrum, dessen Mitarbeitende das Entlassmanagement durchführen, und bei Nachversorgern verändern. Außerdem wird untersucht, ob Patient:innen und/oder ihre Angehörigen in die Entscheidungsprozesse mit eingebunden werden. Die Effekte der Plattformnutzung auf das Überleitungsmanagement werden unter den Gesichtspunkten der Ressourcenschonung, der Kommunikation und der damit verbundenen ethischen Fragestellungen diskutiert.
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Einführung einer Webplattform
2.
65
Methoden
Seit dem Projektbeginn im Oktober 2018 entwickelte und etablierte die Firma nubedian GmbH in der Modellregion Mannheim die webbasierte Plattform „Caseform“ für die interdisziplinäre und sektorenübergreifende Kommunikation beim Überleitungsprozess. Die Plattform wurde im Januar 2020 im Pflegeservicezentrum der Universitätsmedizin Mannheim sowie bei ambulanten und stationären Nachversorgern etabliert. Seither wächst die Zahl der teilnehmenden Nachversorger kontinuierlich. Das positive Votum der Ethikkommission II der Universität Heidelberg (Medizinische Fakultät Mannheim) liegt vor. Die Datenerhebung und Auswertung erfolgt in Übereinstimmung mit der DSGVO. Die Daten wurden pseudonomysiert. Bisher wurden im Projekt zwei von vier geplanten Evaluationsschritten durchgeführt. Ende 2019/Anfang 2020 wurde die Eingangserhebung (t0) bei Mitarbeiter:innen des Pflegeservicezentrums sowie bei ambulanten und stationären Nachversorgern durchgeführt. Es wurden Daten über den Ablauf des Überleitungsprozesses von Patient:innen aus der Klinik in die ambulante und stationäre Pflege gewonnen, wie er vor Einführung der Plattform „Caseform“ stattgefunden hat. Außerdem wurden die Erwartungen und Befürchtungen der Mitarbeiter:innen überprüft. Die Studie erfolgte dabei in folgenden Schritten: In der t0-Erhebung wurden zunächst Bedarfe, Prozesse und Verantwortlichkeiten der beteiligten Akteure (Pflegeüberleitung, Sozialdienst, ambulante Pflegedienste, stationäre Pflegeeinrichtungen) erfasst. Außerdem wurden die konventionellen Überleitungsprozesse und Arbeitsanforderungen in den Blick genommen. Für die t0-Erhebung wurden im Pflegeservicezentrum der UMM an alle Mitarbeiter:innen (n = 12) Fragebögen ausgeteilt, welche anonym abgegeben werden konnten. Es kamen 10 (Responserate = 83,3 %) ausgefüllte Fragebögen zurück. Zudem wurden Mannheimer Nachversorger (n = 45) per E-Mail angeschrieben, die über die Plattform „Caseform“ mit dem Pflegeservicezentrum der UMM kommunizierten. Es wurden 16 (Responserate = 35,6 %) ausgefüllte Fragebögen per E-Mail oder per Post zurückgesandt. Ende 2020 wurde die erste Folgeerhebung (t1) bei Mitarbeiter:innen des Pflegeservicezentrums sowie bei den ambulanten und stationären Nachversorgern durchgeführt. Es wurden Daten über den Ablauf des Überleitungsprozesses aus dem Krankenhaus in die ambulante oder stationäre Nachsorge nach der Implementierung der webbasierten Plattform gewonnen. Erneut wurden die Erwartungen und Befürchtungen der Mitarbeiter:innen überprüft. Für die t1Erhebung erhielten alle Mitarbeiter:innen (n = 15) des Pflegeservicezentrums wieder Fragebögen, welche anonym abgegeben werden konnten. Es kamen 9
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(Responserate = 60 %) ausgefüllte Fragebögen zurück. Zudem wurden alle Nachversorger in der Region Mannheim und in der näheren Umgebung, die mittlerweile die Plattform nutzten (n = 167), per Post angeschrieben. Die Einrichtungen konnten den ausgefüllten Bogen per Post oder alternativ per E-Mail zurückzusenden. Es kamen 33 (Responserate = 19,8 %) ausgefüllte Fragebögen zurück. Die Ergebnisse werden im Folgenden deskriptiv dargestellt. Unterschiede zwischen der t0-Erhebung und der t1-Erhebung werden mit dem nichtparametrischen Verfahren des Kruskal-Wallis-Tests überprüft. Parallel zur t1-Erhebung wurden sogenannte „Quartalsgespräche“ mit ambulanten Pflegediensten aus Mannheim durchgeführt. Diese fanden einmal als Fokusgruppe online und zweimal als Einzelinterview am Telefon statt. Die Interviews wurden mit der Methode der deskriptiven Inhaltsanalyse nach Mayring (2015) ausgewertet. Die in der t0-Erhebung erfassten Anforderungen flossen in den inhaltlichen und technischen Entwicklungsprozess der Überleitungsplattform „Caseform“ ein.
3.
Ergebnisse
Zunächst werden die Ergebnisse aus dem Bereich des Pflegeservicezentrums angeführt. Im Anschluss daran werden diejenigen aus dem Bereich der ambulanten und stationären Nachversorger vorgestellt.
3.1.
Ergebnisse aus dem Pflegeservicezentrum
Die ersten Ergebnisse, die hier aufgeführt werden, beziehen sich auf Fragen zur Arbeitszufriedenheit (Tab. 1). Für eine übersichtliche Darstellung wurden jeweils Mittelwerte und Standardabweichungen berechnet. Die Antwortmöglichkeiten reichten von „0 = trifft überhaupt nicht zu“, über „1 = trifft eher nicht zu“, „2 = trifft eher zu“ bis „3 = trifft voll und ganz zu“. Arbeitszufriedenheit Pflegeservicezentrum
Eingangserhebung t0 M (SD) (n = 10)
Folgeerhebung t1 M (SD) (n = 9)
Ich fühle mich während der Arbeit unter Zeitdruck Ich fühle mich während der Arbeit gestresst
2,5 (0,527)
2,0 (0,471)
2,2 (0,789)
1,8 (0,629)
Kruskal Wallis Test p < 0,0540 (t) 0,2176 n.s.
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Einführung einer Webplattform
(Fortsetzung) Arbeitszufriedenheit Pflegeservicezentrum
Eingangserhebung t0 M (SD) (n = 10)
Folgeerhebung t1 M (SD) (n = 9)
Ich fühle mich durch meine Arbeit erfüllt Ich mache meine Arbeit gerne
1,8 (0,632)
2,0 (0,471)
Kruskal Wallis Test p < 0,4252 n.s.
2,3 (0,483)
2,3 (0,471)
0,8793 n.s.
Tabelle 1: Arbeitszufriedenheit Pflegeservicezentrum (M = Mittelwert, SD = Standardabweichung)
Zum Zeitpunkt der t0-Erhebung äußerten sich die Mitarbeiter:innen des Pflegeservicezentrums dahingehend, dass sie sich während der Arbeit unter Zeitdruck und eher gestresst fühlten. Auf der anderen Seite fühlten sie sich durch ihre Arbeit eher erfüllt und erledigten ihre Arbeit eher gerne. Zum Zeitpunkt der t1Erhebung erwähnten die Mitarbeiter:innen im Vergleich zur t0-Erhebung tendenziell etwas weniger Zeitdruck, die Abnahme des Stresses zeigte sich als nicht signifikant. Nach wie vor fühlten sie sich durch die Arbeit erfüllt und machten ihre Arbeit genauso gerne wie zum Zeitpunkt t0. ArbeitsEingangserhebung t0 einteilung (n = 10) Pflegeservicezentrum Wie viel 0–24 25– 50– 75– Prozent 49 74 100 (%) Ihrer Arbeitszeit verbringen Sie … … mit Patient:innen/ Angehörigen? … mi Verwaltungsaufgaben? … am Telefon?
Folgeerhebung t1 (n = 9)
k.A. 0–24 25– 49
50– 74
Kruskal Wallis Test p < 75– 100
k.A.
4 2 2 2 0 40 % 20 % 20 % 20 %
4 2 3 0 44 % 22 % 33 %
0
2 4 2 2 0 20 % 40 % 20 % 20 %
0
3 3 3 0 33 % 33 % 33 %
0,0300 *
2 4 3 1 0 20 % 40 % 30 % 10 %
0
2 2 5 0 22 % 22 % 56 %
0,0300 *
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0,6054 n.s.
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(Fortsetzung) Eingangserhebung t0 Folgeerhebung t1 Kruskal Arbeits(n = 9) Wallis einteilung (n = 10) Test p < Pflegeservicezentrum … am 0 7 1 2 0 0 2 2 5 0 0,0503 Com70 % 10 % 20 % 22 % 22 % 56 % (t) puter? Tabelle 2: Arbeitseinteilung Pflegeservicezentrum. In den Spalten werden die absolute Anzahl und der prozentuale Anteil angegeben. Aufgrund von Rundungsfehlern kann es vorkommen, dass der Gesamtwert von 100 % abweicht.
In einem zweiten Abschnitt wurde gefragt, wie sich die tägliche Arbeit aufteilt (Tab. 2). Die Befragten konnten dazu jeweils den entsprechenden Prozentanteil angeben. Zum Zeitpunkt der t0-Erhebung verbrachten die meisten Mitarbeiter: innen des Pflegeservicezentrums ein Viertel ihrer Arbeitszeit unmittelbar mit Patient:innen und Angehörigen. Etwas mehr Zeit wurde für Verwaltungsaufgaben aufgewendet. Je zwei Mitarbeiter:innen gaben an, bis zur Hälfte, bis zu drei Vierteln bzw. den überwiegenden Teil der Arbeitszeit mit Patient:innen und Angehörigen im Kontakt zu stehen. Die meisten Mitarbeiter:innen hatten zwischen einem Viertel bis zu drei Vierteln ihrer Arbeitszeit am Telefon zu tun, ein deutlich kleinerer Teil verbrachte am Telefon weniger oder mehr Zeit. Die Arbeit am Computer erforderte ähnlich viel Zeit wie die am Telefon, wobei die meisten etwa ein Viertel bis zur Hälfte ihrer Arbeitszeit dafür einsetzten. Zum Zeitpunkt der t1-Erhebung hat sich der Anteil der Arbeitszeit, die unmittelbar mit Patient:innen und Angehörigen verbracht wurde, nicht verändert. Die Zeit, die mit Verwaltungsaufgaben verbracht wurde, war bei der t1-Erhebung signifikant erhöht. Die Zeit am Telefon wurde während der t1-Erhebung signifikant höher angegeben, 56 % der Mitarbeiter:innen gaben nun an, sehr viel Zeit am Telefon zu verbringen. Die Arbeitszeit am Computer ist verglichen mit der t0Erhebung tendenziell angestiegen. Die Mehrheit der Mitarbeiter:innen gab jetzt an, den Computer während mehr als drei Vierteln ihrer Arbeitszeit zu nutzen. Schließlich wurden die Mitarbeiter:innen des Pflegeservicezentrums nach ihren Erwartungen und Befürchtungen befragt (Tab. 3). Es wurden Mittelwerte und Standardabweichungen berechnet. Die Antwortmöglichkeiten reichten von „0 = trifft überhaupt nicht zu“, über „1 = trifft eher nicht zu“, „2 = trifft eher zu“ bis „3 = trifft voll und ganz zu“.
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Einführung einer Webplattform
1,4 (0,699)
Folgeerhebung t1 M (SD) (n = 9) 2,1 (0,567)
Kruskal Wallis Test p < 0,0239 *
1,6 (0,516)
1,1 (0,737)
0,1492 n.s.
1,2 (0,422)
1,25 (0,661)
0,7473 n.s.
Erwartungen und Befürchtungen Pflegeservicezentrum
Eingangserhebung t0 M (SD) (n = 10)
Die SereNaWeb-Plattform erleichtert mir die Arbeit Ich verbringe durch die Arbeit mit der Plattform mehr Zeit am Computer Ich habe durch die Arbeit mit der Plattform mehr Zeit für Patient:innen/Angehörige
Ich befürchte, dass durch die Nut0,9 (0,738) 0,67 (0,471) 0,4868 zung der Plattform Stellen eingen.s. spart werden könnten Tabelle 3: Erwartungen und Befürchtungen Pflegeservicezentrum (M = Mittelwert, SD = Standardabweichung)
Insgesamt haben die Mitarbeiter:innen des Pflegeservicezentrums in der t0-Erhebung ihre Erwartungen und Befürchtungen als eher gering angegeben. Im Vergleich zur t0-Erhebung ist die Erwartung, dass der Einsatz der Plattform die Arbeit erleichtern würde, signifikant gestiegen. Die Befürchtung, mehr Zeit am Computer zu verbringen, ist dagegen zwar leicht gesunken, jedoch nicht signifikant. Die Erwartung, mehr Zeit für Patient:innen und Angehörige zu haben, blieb konstant, die Befürchtung eines möglichen Stellenabbaus war bereits initial aber auch in der t1-Erhebung sehr niedrig.
3.2.
Ergebnisse der ambulanten und stationären Nachversorger
Die ersten Ergebnisse, über die hier berichtet wird, beziehen sich auf Fragen zur Arbeitszufriedenheit (Tab. 4). Es wurden jeweils Mittelwerte und Standardabweichungen berechnet. Die Antwortmöglichkeiten reichten von „0 = trifft überhaupt nicht zu“, über „1 = trifft eher nicht zu“, „2 = trifft eher zu“ bis „3 = trifft voll und ganz zu“. Arbeitszufriedenheit Nachversorger
Eingangserhebung t0 M (SD) (n = 16)
Folgeerhebung t1 M (SD) (n = 33)
Kruskal Wallis Test p < 0,7572 n.s.
Ich fühle mich während der 1,1 (0,743) Arbeit unter Zeitdruck
1,2 (0,667)
Ich fühle mich während der 0,9 (0,704) Arbeit gestresst Ich fühle mich durch meine 2,3 (0,488) Arbeit erfüllt
1,3 (0,680)
0,1345 n.s.
2,3 (0,590)
0,9460 n.s.
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(Fortsetzung) Arbeitszufriedenheit Nachversorger
Eingangserhebung t0 M (SD) (n = 16)
Folgeerhebung t1 M (SD) (n = 33)
Kruskal Wallis Test p < 0,3622 n.s.
Ich mache meine Arbeit 2,6 (0,497) 2,5 (0,614) gerne Tabelle 4: Arbeitszufriedenheit Nachversorger (M = Mittelwert, SD = Standardabweichung)
Zum Zeitpunkt der t0-Erhebung äußerten sich die Mitarbeiter:innen der ambulanten und stationären Nachversorger dahingehend, dass sie eher nicht unter Zeitdruck litten und sich bei der Arbeit auch eher nicht als gestresst erlebten. Ihre Aufgaben nahmen sie als eher erfüllend wahr und erledigen diese recht gerne. Zum Zeitpunkt der t1-Erhebung zeigten sich bei den Nachversorgern keine signifikanten Veränderungen. In einem zweiten Abschnitt wurde gefragt, wie sich die tägliche Arbeit aufteilt (Tab. 5). Die Befragten konnten dazu jeweils den entsprechenden Prozentanteil angeben. Arbeitseinteilung Nachversorger Wie viel Prozent (%) Ihrer Arbeitszeit verbringen Sie … … mit Patient:innen/ Angehörigen? … mit Verwaltungsaufgaben? … am Telefon?
Eingangserhebung t0 (n=16) 0–24 25– 49
50– 74
75– 100
6 6 3 0 38 % 38 % 19 %
1 6%
Folgeerhebung t1 (n=33) k.A.
0–24 25– 49
1 6%
14 13 4 1 42 % 39 % 12 % 3 %
5 5 4 1 31 % 31 % 25 % 6 %
6 5 4 0 38 % 31 % 25 %
1 6%
0
50– 74
Kruskal Wallis Test p < 75– 100
k.A.
1 0,7670 3 % n.s.
10 15 7 1 0,7432 30 % 45 % 21 % 3 % n.s.
5 19 6 2 15 % 57 % 18 % 6 %
1 0,2692 3 % n.s.
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Einführung einer Webplattform
(Fortsetzung) Eingangserhebung t0 Folgeerhebung t1 Kruskal Arbeits(n=33) Wallis einteilung (n=16) Test p < Nachversorger … am 0 4 5 5 2 2 4 15 11 1 0,8378 Com25 % 31 % 31 % 13 % 6 % 12 % 45 % 33 % 3 % n.s. puter? Tabelle 5: Arbeitseinteilung Nachversorger. In den Spalten werden die absolute Anzahl und der prozentuale Anteil angegeben. Aufgrund von Rundungsfehlern kann es vorkommen, dass der Gesamtwert von 100 % abweicht.
Zum Zeitpunkt der t0-Erhebung verbrachten die meisten Mitarbeiter:innen der Nachversorger 25–49 % ihrer Arbeitszeit unmittelbar mit Patient:innen und Angehörigen. Ein deutlich kleinerer Teil der Befragten verbrachte etwa 50–74 % der Arbeitszeit im Kontakt mit Patient:innen und Angehörigen. Etwas mehr Zeit wurde für Verwaltungsaufgaben aufgewendet. Die meisten Mitarbeiter:innen hatten zwischen einem Viertel bis zu drei Vierteln ihrer Arbeitszeit am Telefon zu tun. Die Arbeit am Computer erforderte ähnlich viel Zeit wie die mit Verwaltungsaufgaben, wobei die meisten etwa die halbe bis die ganze Arbeitszeit dafür einsetzten. Zum Zeitpunkt der t1-Erhebung hat sich die Arbeitseinteilung bei den Mitarbeiter:innen der Nachversorger nicht signifikant verändert. Schließlich wurden die Mitarbeiter:innen der Nachversorger nach ihren Erwartungen und Befürchtungen befragt (Tab. 6). Es wurden Mittelwerte und Standardabweichungen berechnet. Die Antwortmöglichkeiten reichten von „0 = trifft überhaupt nicht zu“, über „1 = trifft eher nicht zu“, „2 = trifft eher zu“ bis „3 = trifft voll und ganz zu“. Erwartungen und Befürchtungen Nachversorger
Eingangserhebung t0 M (SD) (n=16)
Die SereNaWeb-Plattform erleichtert mir die Arbeit Ich verbringe durch die Arbeit mit der Plattform mehr Zeit am Computer
1,4 (0,900)
Folgeerhebung t1 M (SD) (n=33) 1,4 (0,900)
1,4 (0,548)
0,6 (0,598)
Ich habe durch die Nutzung der Plattform mehr Zeit für Patient:innen/Angehörige
1,2 (0,447)
0,8 (0,707)
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Kruskal Wallis Test p < 0,0556 (t) 0,0269 * 0,0937 n.s.
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(Fortsetzung) Erwartungen und Befürchtungen Nachversorger
Eingangserhebung t0 M (SD) (n=16)
Folgeerhebung t1 M (SD) (n=33) 0,6 (0,708)
Kruskal Wallis Test p < 0,5015 n.s.
1,2 (0,447) Ich befürchte, dass durch die Nutzung der Plattform Stellen eingespart werden könnten Tabelle 6: Erwartungen und Befürchtungen Nachversorger (M = Mittelwert, SD = Standardabweichung)
Insgesamt wurden von den Mitarbeiter:innen der Nachsorgeeinrichtungen in der t0-Erhebung die Erwartungen und Befürchtungen als eher gering angegeben. Im Vergleich zur t0-Erhebung ist die Erwartung einer Arbeitserleichterung tendenziell eher noch gesunken. Auch die Befürchtung, mehr Zeit am Computer zu verbringen, sank sogar signifikant. Die Befürchtung eines möglichen Stellenabbaus und die Erwartung, mehr Zeit für Patient:innen und Angehörige zur Verfügung zu haben, gingen zum Zeitpunkt der t1-Erhebung etwas zurück. Dieser Rückgang erreichte jedoch keine Signifikanz.
4.
Diskussion
Die Ergebnisse zeigen, dass die Arbeitssituation im Pflegeservicezentrum der UMM vor der Einführung der Webplattform von den Mitarbeiter:innen ambivalent erlebt wurde. Die Situation war auf der einen Seite eher durch Zeitdruck und Stress gekennzeichnet. Auf der anderen Seite erlebten die Mitarbeiter:innen ihre Arbeit dennoch als erfüllend und machten sie gerne. Nach der Einführung der Plattform ließen die Mitarbeiter:innen eine unveränderte Arbeitszufriedenheit erkennen, der Zeitdruck bei der Arbeit hatte in ihren Augen etwas abgenommen. Da es seit der t0-Erhebung auch Personalwechsel gab und dadurch neue Mitarbeiter:innen im Pflegeservicezentrum hinzugekommen sind, ist nicht auszuschließen, dass der Effekt zum Teil auch darauf zurückzuführen sein könnte. Die Arbeitssituation bei den Nachversorgern schien schon vor der Einführung der Plattform im Vergleich zur Arbeitssituation im Pflegeservicezentrum weniger angespannt zu sein. Dies hat sich bei der t1-Erhebung fast ein Jahr später nicht signifikant verändert, lediglich der Stress während der Arbeitszeit ist moderat, aber nicht signifikant angestiegen. Wenn man die Ergebnisse aus dem Pflegeservicezentrum und von den Nachversorgern vergleicht, fällt auf, dass Mitarbeiter:innen der Nachversorger eine etwas höhere Arbeitszufriedenheit angeben. Sie geben weniger Zeitdruck und Stress an. Dies könnte daran liegen, dass bei ihnen der Stress, der durch den
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Einführung einer Webplattform
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Entlassungsdruck im Krankenhaus entsteht, weniger eine Rolle spielt. Allerdings haben sie wie auch die Mitarbeiter:innen des Pflegeservicezentrums wenig Zeit, die sie mit Patient:innen und/oder deren Angehörigen verbringen. Die Gründe dafür werden in den noch anstehenden Folgeerhebungen t2 und t3 näher untersucht. Die Arbeitseinteilung im Pflegeservicezentrum blieb bei der t1-Befragung recht konstant, allerdings geben die Mitarbeiter:innen eine Zunahme der Arbeitszeit am Telefon und mit Verwaltungsaufgaben an. Die Zunahme der Zeit am Telefon in der t1-Erhebung könnte vor allem darauf zurückzuführen sein, dass die Mitarbeiter:innen des Pflegeservicezentrums wegen der Hygieneauflagen infolge der SARS-CoV2- Pandemie den Kontakt zu Patient:innen und Angehörigen fast ausschließlich per Telefon aufnehmen konnten. Dieses Ergebnis ist auch bei den Mitarbeiter:innen der Nachversorger zu beobachten; der Kontakt zu Kliniken, Patient:innen und Angehörigen fand überwiegend am Telefon statt. Zusätzlich könnte es auch sein, dass mehr Entlassungen/Überleitungen in die stationäre und ambulante Nachversorgung durchgeführt wurden, um mehr Kapazitäten für SARS-CoV-2-Patient:innen zu schaffen. Die tendenzielle Erhöhung des Anteils der Arbeitszeit am Computer dürfte vor allem darauf zurückzuführen sein, dass nach Einführung der Plattform „Caseform“ bereits ein nennenswerter Anteil der Überleitungen über den Computer abgewickelt wurde. Mitarbeiter:innen, die früher den Computer kaum benutzt haben, setzen ihn nun öfter ein. Die Arbeitseinteilung bei den Nachversorgern zeigte zum Zeitpunkt der t1Erhebung keine signifikanten Veränderungen. Bei Fragen nach Befürchtungen und Erwartungen gaben die Mitarbeiter:innen des Pflegeservicezentrums zum Zeitpunkt der t0-Erhebung keine hohen Werte an, das heißt, dass beides nicht sehr ausgeprägt war. Die Ergebnisse in der t1Erhebung zeigen, dass die Erwartung, dass die Plattform ihre Arbeit erleichtern würde, signifikant gestiegen ist. Allerdings erwarten sie nicht, mehr Zeit für Patient:innen und/oder deren Angehörige zu haben. Weiteren Aufschluss erhoffen wir uns von den noch anstehenden Folgeerhebungen (t2 und t3). Dies ist auch bei Mitarbeiter:innen der Nachversorger zu beobachten. Bei der t0-Erhebung waren ihre Erwartungen und Befürchtungen ebenfalls nur gering ausgeprägt. Dieses Ergebnis spiegelt sich auch in der t1-Erhebung wider. Die Erwartung einer Arbeitserleichterung ist tendenziell sogar gesunken. Auch die Befürchtung, mehr Zeit am Computer zu verbringen, ist signifikant gesunken. Die Befürchtung eines möglichen Stellenabbaus und auch die Erwartung, mehr Zeit für Patient:innen und/oder deren Angehörige zu haben, sind beide signifikant gesunken. Zusammenfassend kann man sagen, dass es bisher keine Hinweise auf eine Reduzierung von Stellen im Zusammenhang mit der Einführung der Plattform
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„Caseform“ gibt. Es gibt auch keinerlei Hinweise darauf, dass die Überleitungen durch die Einführung der Plattform ausschließlich auf elektronischem Weg stattfinden würden. Vielen Benutzer:innen ist der persönliche Austausch am Telefon wichtig, außerdem können Fragen auf diesem Wege oft schneller beantworten werden. Auch finden viele Benutzer:innen den persönlichen Kontakt wichtig und unverzichtbar. Aber es gibt in allen Erhebungen bisher keinen Hinweis darauf, dass Mitarbeiter:innen durch die Benutzung der Plattform mehr Zeit für die unmittelbare Patientenarbeit, wie Patientengespräche und Beratungen, haben. Allerdings geben Mitarbeiter:innen des Pflegeservicezentrums an, dass die Plattform ihnen die Arbeit erleichtert, da sie nun die Zeit für andere Aufgaben nutzen können. Zeigen die oben vorgestellten Ergebnisse, dass die Qualität der Überleitungen durch den Einsatz der Webplattform gesteigert werden konnte? Im Falle der Mitarbeiter:innen aus dem Pflegeservicezentrum und der Nachversorger kann man sagen, dass die Nutzung in der Tendenz zu einer Senkung des Stressniveaus bei ihrer Arbeit führte. Ob auch die für die Patient:innen immens wichtige Beratungsqualität gesteigert wird, konnte anhand der Daten noch nicht ermittelt werden. Dabei wäre dies für Patient:innen von großer Bedeutung. Patient:innen, die von Mitarbeiter:innen des Pflegeservicezentrums aufgesucht werden, befinden sich in dieser Phase ihres Krankenhausaufenthaltes in einer Lebenskrise. Das Leben, das sie vorher gelebt hatten, kann nicht auf die gleiche Weise fortgesetzt werden. Sie sind nach ihrem Krankenhausaufenthalt auf fremde Hilfe angewiesen, müssen vielleicht sogar aus ihrer häuslichen Umgebung in ein Pflegeheim ziehen. Gemäß der vier medizinethischen Prinzipien von Beauchamp und Childress (2013) sollte bei der Entscheidung, wie das Leben der Patient:innen weitergehen soll und welche Entscheidungen sie treffen, zunächst das Prinzip der Selbstbestimmung (autonomy) gewahrt werden. Demnach ist es wichtig, dass man Patient:innen vor der Pflegeplatzsuche nach ihren Wünschen befragt; vielleicht haben die Patient:innen bereits konkrete Vorstellungen und möchten beispielsweise gerne von einem bestimmten Pflegedienst aus der Nachbarschaft versorgt werden. Bei Zusagen von Nachversorgern sollten die Patient:innen in die Auswahl aktiv eingebunden werden. Die Verwendung der elektronischen Plattform trägt dazu bei, den selbstbestimmten Umgang mit den persönlichen Daten zu stärken, da solche Daten zunächst nur pseudonymisiert und in den weiteren Schritten extrem sparsam und verschlüsselt weitergegeben werden. Schwachstellen, die bei der bisherigen Fax-gestützten Überleitung auftraten (Einsicht nur durch den Empfänger, fragliche korrekte Entsorgung) werden so vermieden. Nach dem Prinzip der Fürsorge (beneficence) soll dafür gesorgt werden, dass Patient:innen bestmöglich beraten werden und dadurch die richtige Nachsorge bekommen. Es ist dabei wichtig, dass sie weder unter- noch überversorgt werden und die bestmögliche Versorgungsform für sich und ihre Angehörigen finden.
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Einführung einer Webplattform
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Das Prinzip der Schadensvermeidung (nonmaleficence) sollte dabei umgesetzt werden, um unnötige Risiken und Ängste zu verhindern. Viele Patient:innen haben beispielsweise Angst davor, Kurzzeitpflege in Anspruch zu nehmen. Dabei spielt die Befürchtung, dass sie im Anschluss nicht mehr in die eigene Häuslichkeit ziehen können, eine große Rolle. Aber auch finanzielle Sorgen und Ängste sollten im Voraus besprochen werden. Die Beachtung des Prinzips der Gerechtigkeit ( justice) sollte dazu beitragen, dass knappe Ressourcen, beispielsweise knappe Pflegeplätze in Pflegeheimen, gerecht verteilt werden. Durch den Einsatz der Plattform ist es möglich, eine größere Anzahl an Nachsorgeeinrichtungen zu erreichen, als es über Telefon und Fax möglich war. Zudem soll die Anonymisierung der Patientendaten eine gerechtere Verteilung der Pflegeplätze ermöglichen. Dies geschieht dadurch, dass in der ersten Suche erstmal nur notwendige Daten weitergeleitet werden. Diese sind pseudonymisiert, weshalb nicht auf die Person rückgeschlossen werden kann. Das kann eine Bevorzugung bzw. eine Benachteiligung bekannter Patient: innen oder Personengruppen vermeiden. Die gewonnene Zeit, die durch die Benutzung der Plattform entsteht, könnte vor allem dafür eingesetzt werden, die ersten drei Prinzipien gut umzusetzen. Aus dieser ethischen Perspektive wäre es wichtig, Patient:innen mehr Gespräche und Beratungen anzubieten, um so ihre Unsicherheiten und Ängste zu minimieren, die richtige Versorgungsform auszuwählen, sie aktiv in den Entscheidungsprozess miteinzubinden und sie somit auf ihre bevorstehende Situation besser vorzubereiten. Allerdings bieten diese vier medizinethischen Prinzipien erst einmal nur eine Orientierung, denn manchmal kollidieren diese miteinander, beispielsweise beim Umgang mit Situationen, in denen Patient:innen hilfsbedürftig sind. Denn schon eine Übernahme von Fürsorge kann potenziell in Widerspruch zu dem ethischen Prinzip der Selbstbestimmung stehen, wenn beispielsweise grundlegende Präferenzen unbeachtet bleiben. Die Situationen müssen jedes Mal (persönlich) neu beurteilt werden und Fragen des Umgangs mit Patient:innen in hilfsbedürftigen Lagen sind zu beantworten (Remmers 2018). Des Weiteren kann man anhand der Ergebnisse sehen, dass die Implementierung einer Webplattform für das Entlass- und Überleitungsmanagement einige neue Fragen aufwirft. Der Frage, warum die Erwartung durch den Einsatz der Webplattform mehr Zeit für unmittelbare Patient:innenarbeit zu haben, so niedrig ist, muss in den Folgeerhebungen vertiefend nachgegangen werden. Es ist aus dem bisherigen Projektverlauf noch nicht abzuleiten, ob die Vorteile, die sich aus der Anwendung der Plattform ergeben, tatsächlich der zeitlich intensiveren Arbeit mit Patient:innen zugutekommen werden und die Webplattform die aus ethischen Gesichtspunkten zu wünschenden spürbaren Verbesserungen der Entlass- und Überleitungsprozesse für Patient:innen begünstigen und das
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Wohlergehen der Patient:innen fördern wird. Die Patient:innen können nur dann eine gute Entscheidung für ihre zukünftige Versorgungsform treffen, wenn sie zuvor angemessen aufgeklärt und beraten wurden.
5.
Limitationen
Zum Schluss sollen einige Limitationen genannt werden, die sich aus dem Studiendesign und aus externen Faktoren ergeben. Die Ausgangsstichprobe im Projekt ist relativ klein, weshalb die hier vorgelegten Ergebnisse nicht verallgemeinert werden können. Die Stichprobengröße wird jedoch über die Projektlaufzeit größer, da sich immer mehr Nachversorger aus dem ambulanten und stationären Bereich dem Projekt anschließen. Dadurch wird sich die Zahl der Teilnehmer:innen in den Folgeerhebungen erhöhen. Beim Vergleich der Ergebnisse der t0- und t1-Erhebung muss beachtet werden, dass die gefundenen Unterschiede nicht nur auf die Einführung der Plattform zurückzuführen sind, sondern dass auch weitere Einflüsse durch äußere Umstände dazu kommen können, die nicht sicher abzugrenzen sind. Dazu zählen vor allem Auswirkungen im Zusammenhang mit der SARS-CoV2-Pandemie.
6.
Ausblick
Im Rahmen der Evaluation im SereNaWeb-Projekt sind noch zwei weitere Erhebungszeitpunkte geplant, die t2-Erhebung im Januar/Februar 2021 und die t3-Erhebung im Mai/Juni 2021. Parallel dazu werden vertiefende Quartalsgespräche mit dem Pflegeservicezentrum und mit stationären Pflegeeinrichtungen durchgeführt.
Literaturverzeichnis AMDA (2010) Transitions of care in the long-term care continuum. Columbia. Beauchamp TL, Childress JF (2013) Principles of Biomedical Ethics. Oxford. BIQG (2012) Bundesqualitätsleitlinie zum Aufnahme- und Entlassungsmanagement in Österreich. Wien. Deutsches Netzwerk für Qualitätsentwicklung in der Pflege (2019) Expertenstandard Entlassungsmanagement in der Pflege. Osnabrück. https://dnqp.de/fileadmin/HSOS/ Homepages/DNQP/Dateien/Expertenstandards/Entlassungsmanagement_in_der_Pfle ge/Entlassung_2Akt_Auszug.pdf [letzter Zugriff: 11. 02. 2021].
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Einführung einer Webplattform
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GKV-Spitzenverband (2017) Rahmenvertrag Entlassmanagement. https://www.gkv-spitzenverband.de/krankenversicherung/ambulant_stationaere_versorgung/entlassmanagement/entlassmanagement.jsp [letzter Zugriff: 10. 02. 2021]. Mayring P (2015) Qualitative Inhaltsanalyse: Grundlagen und Techniken. Weinheim/Basel. NICE (2009) Rehabilitation after critical illness. NICE clinical guidline 83. Manchester. Remmers H (2018) Ethik in der Pflege. In: Riedel A, Linde AC (Hg.) Ethische Reflexion in der Pflege: Konzepte – Werte – Phänomene. Berlin, 3–10. RNAO (2014) Care Transitions. Clinical Best Practice Guidelines. Toronto. Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen (2014) Bedarfsgerechte Versorgung – Perspektiven für ländliche Regionen und ausgewählte Leistungsbereiche. Gutachten Kurzfassung. Bonn/Berlin. https://www.svr-gesundheit. de/index.php?id=465 [letzter Zugriff: 11. 02. 2021].
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Giovanni Rubeis / Stefanos Hatziavramidis / Nadia Primc
App schlägt Papier? Einstellungen von Pflegefachpersonen zu app-basierten Handlungsanweisungen für Notfallsituationen in der stationären Langzeitpflege
Einleitung Bewohner:innen in Einrichtungen der stationären Langzeitpflege sind zunehmend hochbetagt, multimorbide und nicht selten an Demenz erkrankt. Diese Charakteristika bedingen häufige Rettungsdiensteinsätze in den Einrichtungen mit anschließendem Krankenhaustransport (Bleckwenn et al. 2019; Luiz et al. 2009). Viele dieser Einsätze werden als unnötig eingestuft (Kada 2019; Lemoyne et al. 2019; Ouslander 2015; Trahan et al. 2016). In diesen Fällen werden Bewohner:innen vermeidbarem physischem und psychischem Stress sowie weiteren gesundheitlichen Risiken ausgesetzt. Darüber hinaus werden durch vermeidbare Notfalleinsätze finanzielle und personelle Ressourcen gebunden, die anderweitig sinnvoller eingesetzt werden könnten. Es besteht daher ein allgemeines Interesse, unnötige Notfalleinsätze zu reduzieren. Für einige Länder liegen bereits Arbeiten zu Ursachen vermeidbarer Notfalleinsätze in Pflegeheimen sowie Strategien zu deren Vermeidung vor (Hullick et al. 2016; Kada 2019; Kada et al. 2011; Kada/Janig 2016; Kada et al. 2017; Kane 2017). Für das deutsche Versorgungssystem steht die entsprechende Forschung bislang aus. Einen ersten Ansatz, diese Forschungslücke zu schließen, stellt das Projekt NOVELLE (Sektorenübergreifendes & integriertes Notfall- und Verfügungsmanagement für die letzte Lebensphase in der stationären Langzeitpflege) dar. Ziel des Projekts ist die Entwicklung von Handlungsempfehlungen für Pflegefachpersonen, die deren Handlungssicherheit in Notfallsituationen stärken und dabei die Einbeziehung des Willens von Bewohner:innen sichern sollen. Im Rahmen von NOVELLE wurde u. a. ermittelt, ob die zu entwickelnden Handlungsempfehlungen in Papierform oder in digitaler Form, d. h. als App für mobile Endgeräte, vorliegen sollen. Dazu wurde die Perspektive der Pflegefachpersonen erhoben. In diesem Beitrag werden die Resultate dieser Erhebung mit Fokus auf den Einstellungen der Pflegefachpersonen gegenüber der Implementierung von Handlungsanweisungen in Form von Apps dargestellt und diskutiert. Dazu wird im Folgenden zunächst der Hintergrund des Forschungsprojekts beschrieben,
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Giovanni Rubeis / Stefanos Hatziavramidis / Nadia Primc
d. h. die Problematik unnötiger Notfalleinsätze in Einrichtungen der stationären Langzeitpflege. Danach werden Zielrichtung und Methodik des Projekts NOVELLE kurz erläutert. In einem weiteren Schritt werden die Resultate der qualitativen Auswertung der Interviews zu der Frage nach der papier- oder appbasierten Form der Umsetzung der zu entwickelnden Handlungsempfehlungen dargestellt. Diese Resultate werden daraufhin im Kontext des einschlägigen Forschungsdiskurses untersucht. In einem abschließenden Fazit werden die wesentlichen Ergebnisse des Beitrags zusammengefasst und ein Ausblick auf weitere Forschung gegeben.
Hintergrund: Zum Umgang mit Notfallsituationen in der stationären Langzeitpflege In Deutschland sind 3,4 Mio. Menschen pflegebedürftig, von welchen 24 % in Einrichtungen der stationären Langzeitpflege leben (Statista 2019). Viele Bewohner:innen dieser Einrichtungen sind hochbetagt, multimorbide oder haben eine Demenzerkrankung, wodurch es besonders häufig zu Notfalleinsätzen kommt (Blackwenn et al. 2019; Hullick et al. 2016). Hierbei fällt auf, dass Bewohner:innen von Einrichtungen der stationären Langzeitpflege nach einem Notfalleinsatz häufiger ins Krankenhaus eingeliefert werden und dort länger behandelt werden, als ältere Menschen, die in der eigenen Häuslichkeit versorgt werden (Hullick et al. 2016). Häufige Ursachen für einen Notfalleinsatz mit Verbringung ins Krankenhaus sind Stürze und daraus resultierende Frakturen, kardiovaskuläre bzw. respiratorische Erkrankungen, Verschlechterungen des mentalen Zustands, Komplikationen mit medizinischen Geräten wie z. B. Kathetern (Hullick et al. 2016), Harnwegsinfektionen, Dekubitus (Allers et al. 2021), Multimorbidität, Polypharmakotherapie und Demenz (Luiz et al. 2009). In Einrichtungen der Langzeitpflege wird die Notfallversorgung durch Hausärzt:innen, den ärztlichen Bereitschaftsdienst und den Rettungsdienst sichergestellt (Bleckwenn et al. 2019). Hausärzt:innen sind dabei die wichtigsten Ansprechpartner:innen für Pflegefachpersonen, jedoch ist ihre zeitliche Verfügbarkeit begrenzt. Die Handlungskette in einer Notfallsituation beginnt mit der Pflegefachperson. Sie muss einschätzen, ob eine bestimmte Situation, etwa ein Sturz oder eine Verschlechterung des Allgemeinzustands, einen medizinischen Notfall darstellt oder zumindest einer zeitnahen ärztlichen Versorgung bedarf. In weiterer Folge muss die Pflegefachkraft entscheiden, ob und welche der genannten Akteur:innen (Hausärzt:in, ärztlicher Bereitschaftsdienst, Rettungsdienst) kontaktiert werden. Eine Versorgung in der Einrichtung wird oftmals dadurch erschwert, dass Pflegefachpersonen aufgrund institutioneller und
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App schlägt Papier?
rechtlicher Vorgaben nur sehr eingeschränkte Handlungsoptionen zugestanden werden. So dürfen etwa nur Medikamente verabreicht werden, die zuvor ärztlich angeordnet worden sind (Bleckwenn 2019). Im Falle eines medizinischen Notfalles ist es Pflegefachpersonen jenseits von Erster Hilfe somit häufig untersagt, weitere Maßnahmen eigenständig einzuleiten und durchzuführen. In vielen Fällen wären allerdings die fachlichen Kompetenzen für eine umfassendere Versorgung vor Ort bei den Pflegefachpersonen vorhanden. Somit werden verfügbare fachliche und persönliche Kompetenzen nicht ausgeschöpft und pflegerisches Wissen weitgehend ignoriert. Pflegefachpersonen sind in Deutschland in ihrem Handeln auf die Legitimierung durch ärztliche Akteur:innen angewiesen. Dies stellt nicht nur eine ineffiziente Nutzung der vorhandenen Ressourcen dar. Als Folgen der Verbringung ins Krankenhaus ergibt sich für Bewohner:innen zudem häufig eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes (Guion et al. 2021), ein erhöhtes Risiko für Delir sowie iatrogene Verletzungen wie etwa Quetschungen oder Fehlmedikation (Hullick et al. 2016). Die Verbringung ins Krankenhaus stellt zudem eine Unterbrechung der pflegerischen Versorgung der betroffenen Bewohner:innen dar. Es zeigt sich, dass zahlreiche Notfalleinsätze als vermeidbar angesehen werden können, wobei es keine einheitliche Definition der Kategorie Vermeidbarkeit gibt (Kada 2019, Lemoyne et al. 2019). Entsprechend lässt sich die Anzahl an vermeidbaren Notfalleinsätzen und Krankenhauszuweisungen nur schwer bestimmen. So zählen unter anderem das Versäumnis des rechtzeitigen Erkennens und Behandelns von Zustandsveränderungen oder falsche Einschätzung als Notfall oder Krankenhaustransport entgegen dem vorausverfügten Willen von Bewohner:innen zu den Kriterien von Vermeidbarkeit (Kada 2019; Trahan et al. 2016). Hierbei ist festzuhalten, dass die Einschätzung eines Krankenhaustransports als unnötig von der jeweiligen professionellen Perspektive abhängt (Kada/Janig 2016; Kada 2019). Der Rettungsdienst schätzt die Notwendigkeit eines Transports oftmals anders ein als die involvierten Pflegefachpersonen. Die Reduzierung vermeidbarer Krankenhaustransporte nach Notfalleinsätzen liegt angesichts der oben geschilderten Folgen im Interesse der Bewohner:innen. Zudem stellen Notfalleinsätze, Krankenhaustransporte und die Versorgung in der Notaufnahme finanzielle Belastungen für das Versorgungssystem dar und binden Personal. Somit besteht auch seitens der Leistungsträger:innen und Leistungserbringer:innen ein Interesse an der Verringerung vermeidbarer Notfalleinsätze in Einrichtungen der Langzeitpflege. Notfalleinsätze in Einrichtungen der Langzeitpflege in Deutschland stellen ein Forschungsdesiderat dar, auf das schon seit längerem hingewiesen wird (Luiz et al. 2009). Zwar gibt es Beiträge im internationalen Forschungsdiskurs (Hullick et al. 2016; Kada et al. 2011; Kada et al. 2017; Kada 2019; Kane 2017), doch ist nur
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vereinzelt Forschung zum deutschen Kontext vorhanden (Bleckwenn et al. 2016; Günther et al. 2019).
Das Projekt NOVELLE und die Entwicklung von Handlungsempfehlungen für Notfallsituationen Das im Jahre 2019 gestartete und aus dem Innovationsfonds des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) geförderte Projekt NOVELLE verfolgt das Ziel, mittels der Entwicklung von Handlungsempfehlungen die Anzahl an unnötigen Notfalleinsätzen und Krankenhaustransporten in Einrichtungen stationärer Langzeitpflege zu reduzieren. Aufgrund der zentralen Rolle der Pflegefachpersonen steht hierbei die pflegerische Perspektive auf den Umgang mit Notfallsituationen im Vordergrund. Die genannten Forschungsdesiderate zu den Ursachen und der Vermeidbarkeit von Notfalleinsätzen in Pflegeeinrichtungen werden mit Hilfe eines interdisziplinären Forscherteams aus den Bereichen Pflege, Medizin, Ethik, Recht und IT in den Fokus genommen. Ein besonderes Augenmerk von NOVELLE liegt hierbei auf dem Willen von Bewohner:innen. Krankenhaustransporte bringen nicht nur negative gesundheitliche Folgen und eine erhebliche Unterbrechung der pflegerischen Versorgung mit sich. Sie geschehen auch oftmals gegen den explizit geäußerten oder vorausverfügten Willen von Bewohner:innen. Daher ist eines der zentralen Ziele der zu erarbeitenden Handlungsempfehlungen die Achtung und Umsetzung des Willens von Bewohner:innen in Notfallsituationen. Hierfür werden berufsgruppenübergreifend Handlungsempfehlungen für Pflegefachpersonen in der stationären Langzeitpflege entwickelt und im Rahmen einer Interventionsstudie implementiert. Die Handlungsempfehlungen sollen eine schnelle Erfassung des Behandlungsbedarfs sowie Einleitung der erforderlichen und gewünschten Maßnahmen ermöglichen, insbesondere hinsichtlich der Entscheidung, ob und welche weiteren Akteur:innen (Hausärzt:innen, ärztlicher Bereitschafts- und Rettungsdienst) in Notfallsituationen kontaktiert werden sollten. Hierdurch sollen sowohl die Handlungssicherheit von Pflegefachpersonen als auch die Selbstbestimmung von Bewohner:innen gestärkt werden. Die Erprobung der Handlungsempfehlungen erfolgt im Rahmen einer längsschnittlichen Interventionsstudie mit qualitativer Struktur- und Prozessevaluation sowie quantitativer Ergebnisevaluation mit Kontrollgruppe. Als Modellregion wurde die Region Braunschweig ausgewählt. Bei positiver Evaluation der
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Projektresultate ist die Implementierung in anderen Versorgungsregionen denkbar.1 Mit der Entwicklung und Umsetzung von Handlungsempfehlungen sind eine Reihe von ethischen Herausforderungen verbunden, die im Rahmen von NOVELLE in einem integrierten pflegeethischen Teilprojekt adressiert werden. Zentrale Aufgabe des ethisch-qualitativen Teilprojektes ist es, in einem ersten Schritt eine Typologie derjenigen pflegeethischen Konflikte zu ermitteln, mit denen Pflegefachpersonen sich in Notfallsituationen in der stationären Langzeitpflege konfrontiert sehen. Diese Typologie stellt eine wesentliche Grundlage für die zu entwickelnden Handlungsempfehlungen dar. Hierfür wurde eine qualitative pflegeethische Erhebung mittels semistrukturierter Leitfadeninterviews durchgeführt. In insgesamt 14 Einrichtungen der Stadt Braunschweig wurden 33 Interviews mit Pflegefachpersonen geführt. Der Interviewleitfaden umfasste 10 Frageblöcke mit insgesamt mehr als 35 Einzelfragen und zusätzlichen Vertiefungsfragen. Die Interviews wurden vollständig transkribiert sowie mittels der qualitativen Inhaltsanalyse nach Mayring (2010) und unter Verwendung der Analysesoftware MAXQDA ausgewertet. Neben der inhaltlichen Ausgestaltung der Handlungsempfehlungen sieht sich das Projekt NOVELLE auch mit der Frage konfrontiert, in welcher physischen Form (Papierform oder digital als App) die Handlungsempfehlungen den Pflegefachpersonen und Pflegeeinrichtungen zur Verfügung gestellt werden sollen. Da auch hier die Perspektive der Pflegefachpersonen ausschlaggebend für eine erfolgreiche Implementation der Handlungsempfehlungen ist, wurde in den Interviewleitfaden ein Frageblock zur physischen Form der Handlungsempfehlungen aufgenommen. Die Pflegefachkräfte wurden zum einen dazu befragt, wie sie aus Sicht der eigenen beruflichen Praxis allgemein den Nutzen und die Umsetzbarkeit von Handlungsempfehlungen in Notfallsituationen beurteilen. Zum anderen wurden sie um eine Einschätzung dazu gebeten, ob die Handlungsempfehlungen eher in Papierform oder als App vorliegen sollen, damit diese erfolgreich in die eigene pflegerische Praxis integriert werden können. Zur Visualisierung wurde den interviewten Pflegefachpersonen ein Beispielalgorithmus aus dem Rettungsdienst vorgelegt, der sich an Notfallsanitäter richtet und in Form eines Flowcharts auf Papier konkrete Handlungsempfehlungen für den Fall einer Hypoglykämie formuliert. Des Weiteren wurde den Pflegefachpersonen die Möglichkeit gegeben, eigene Ideen und Vorschläge zur Form der Implementierung einzubringen. Im Folgenden werden die Ergebnisse zu diesem Frageblock kurz vorgestellt und diskutiert. Hierbei wird ein besonderer Fokus auf die pflegerische Einschät1 Aktuelle Informationen zu NOVELLE finden sich auf der Webseite des Projekts unter https://blogs.sonia.de/novelle/.
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zung des Einsatzes von Apps in Notfallsituationen gelegt, ebenso wie auf die Einstellung der Pflegefachpersonen zur Digitalisierung im Bereich der Altenpflege.
Ergebnisse der qualitativen Interviews Von den Pflegefachpersonen wurden jeweils unterschiedliche Vor- und Nachteile einer papier- und appbasierten Umsetzung thematisiert, ebenso wie allgemeine, d. h. formunabhängige Chancen und Grenzen von Handlungsempfehlungen in Notfallsituationen. Die Häufigkeit der Nennung der einzelnen Kategorien wird in Tabelle 1 aufgelistet. Im Folgenden werden einige der genannten Vor- und Nachteile an Hand einzelner Interviewsequenzen näher dargestellt. Liste der Codes (Kategorien von Vor- und Nachteilen papier- vs. appbasierter Handlungsempfehlungen) Interviewpartner:innen gesamt Positive Aspekte papierbasierter Empfehlungen
Häufigkeit (Personen) 33 26
Ermöglicht Erinnerung/Orientierung Positive Einschätzung ohne nähere Begründung Bereits positive Erfahrung mit papierbasierten Empfehlungen Papier ist kostengünstiger
13 9 5 1
Erleichtert Kommunikation mit Rettungsdienst Haptik
1 1
Negative Aspekte papierbasierter Empfehlungen Papierflut ist problematisch
20 9
Individualität wird nicht Rechnung getragen Umsetzung kostet Zeit
5 4
Evtl. Verständnisschwierigkeiten Umsetzung ist bei Papierform fraglich
3 1
Empfehlungen sind allgemein nicht hilfreich Positive Aspekte appbasierter Empfehlungen
1 23
Positive Einschätzung ohne nähere Begründung Mögliche Zeitersparnis durch Apps
9 7
Apps sind zeitgemäßer als papierbasierte Form Apps ermöglichen eine Vernetzung
4 3
Apps sind auch zu Hause verwendbar Apps können Sicherheit geben Apps bieten bessere Darstellungsmöglichkeiten Apps können auch als Schulungsmittel dienen
2 2 2 1
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(Fortsetzung) Liste der Codes (Kategorien von Vor- und Nachteilen papier- vs. appbasierter Handlungsempfehlungen) Negative Aspekte appbasierter Empfehlungen Fehlende Infrastruktur für Umsetzung
Häufigkeit (Personen) 18 8
Fehlende Technikkompetenz Bedienung kostet Zeit
4 3
Nutzung von Apps kann neg. Eindruck vermitteln Smartphones können Ablenkung darstellen
2 1
Störanfälligkeit Technik Kosten appbasierter Umsetzung
1 1
Tablet kann unhandlich sein Empfehlungen sind allgemein nicht hilfreich
1 1
Alternative und ergänzende Ideen/Vorschläge Alternative Orte, um Empfehlungen zur Verfügung zu stellen
20 7
in Papierform zentral aushängen in Papierform in den Gängen
3 2
digital auf einem stationären PC in Papierform in Zimmer der Bewohner:innen
1 1
Schulungen Ärztliche Ansprechpartner:innen
6 3
Individualisierte Handlungsanweisungen Gebündelte Notfallstandards statt einzelner Empfehlungen
1 1
Vorhandensein Patientenverfügung hervorheben Mehr Handlungsspielraum für Pflegefachpersonen
1 1
Apps mit Sprachfunktion Kommunikationswege verbessern
1 1
Tabelle 1 (Mehrfachnennungen möglich)
a.
Positive Aspekte einer papierbasierten Implementierung
An der Papierform wurde positiv hervorgehoben, dass sie verständlich sei, eine klare Struktur aufweise und gerade unerfahrenen Pflegefachpersonen Handlungssicherheit bieten könne: „Also ich denke schon, gerade für Jüngere und Anfänger, die gerade noch keine Erfahrung haben, wäre das natürlich ein guter Handlungsleitfaden, wo man sich auch langhangeln kann.“ (Interview_08).
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Eine Handlungsempfehlung nach dem Vorbild des zur Veranschaulichung vorgelegten Algorithmus aus dem Rettungsdienst wurde als vorteilhaft angesehen. Dadurch, dass eine solche Empfehlung auf das Nötigste reduziert ist und keine längeren Textpassagen enthält, die erst durchgelesen werden müssen, entsteht eine Abfolge von Schritten, die als hilfreich angesehen werden: „Ähm, finde ich persönlich sehr gut, wenn da nicht hundert Millionen Texte drinnen stehen. Ist kurz und knapp.“ (Interview_33).
Dies erhöht die Übersichtlichkeit und führt dazu, dass eine solche Handlungsempfehlung Orientierung bietet bzw. als Erinnerungsstütze fungieren kann: „Ja, es ist sehr übersichtlich, man versteht sofort was gemeint wie. Wie, wo zu handeln ist. Ja. Erinnert mich daran, wo man den Führerschein gemacht hat und da sein Ersthelferschein gemacht hat mit dieser Leiste, die man da hatte wo: Puls: nein und Atemgeräusche: nein -> Notruf. Wenn „Ja“ stabile Seitenlage und so. Ja.“ (Interview_25).
Des Weiteren sind papierbasierte Handlungsempfehlungen gängige Instrumente in der Pflege. Eine Pflegefachperson berichtete von einer ähnlichen Handlungsempfehlung auf Papier für Demenzerkrankte mit Hinlauftendenz, mit der sie positive Erfahrungen gesammelt hatte: „Ja, das ist genau so ein Algorithmus, wie wir bei Patienten haben, die weglaufen (lacht leicht). Im Prinzip. Also das ist fast im Prinzip das Gleiche halt, ne? Was mache ich, wenn und ja, nee ich finde das gut.“ (Interview_11).
Weiterhin wurde die Haptik von papierbasierten Dokumenten positiv hervorgehoben: „I: Was würden Sie besser finden, App oder so eine Papierform? B: Also ich glaube, dann doch eher Papier (lacht leicht). Dass ich das so, so hand, handhab, in der Hand habe.“ (Interview_13).
b.
Nachteile einer papierbasierten Implementierung
Jedoch wurde an papiergestützten Handlungsempfehlungen auch Kritik geübt. Einige Pflegefachpersonen formulierten die Sorge, dass durch viele verschiedene Handlungsempfehlungen eine Papierflut entstehen könne: „Die Schwierigkeit ist glaub ich da drin, wenn wir äh, wie hier bei Hypoglykämie, das ist eine ganz ausgewählte Notfallsituation und wenn wir diesen ähm, diese Handlungsanweisung für jede einzelne Notfallsituation, dann hätte ich die Bedenken ähm, mit was soll die Pflegefachkraft, mit welchem Hefter soll sie da stehen.“ (Interview_21).
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Die Pflegefachpersonen gaben an, in ihrem Alltag bereits mit zahlreichen Dokumenten in Papierform hantieren zu müssen, etwa Pflege- und Notfallstandards, Dokumente für das Qualitätsmanagement und die Pflegedokumentation. Seit 2020 kommen die sich ständige ändernden Maßnahmen im Kontext der COVID-19-Pandemie noch hinzu. Weitere Empfehlungen auf Papier könnten daher leicht aufgrund der Fülle an Dokumenten im Pflegealltag unbeachtet bleiben: „[…] aber wie gesagt, manchmal haben wir 1000 Blätter und dann guckt keiner da rein.“ (Interview_03). Bei der Implementierung einer Handlungsempfehlung auf Papier müssen diese Umstände berücksichtigt werden. Wenn ein Dokument in Papierform erst gesucht werden muss, geht gerade in Notfallsituationen wertvolle Zeit verloren. Auch wird durch das letzte Zitat deutlich, dass es bereits eine große Anzahl an Vorgaben in Papierform gibt, die in der Praxis jedoch eine untergeordnete Rolle spielen. Es besteht die Gefahr, dass eine neu eingeführte Handlungsempfehlung bloß einmal zur Kenntnis genommen, danach jedoch in einem Ordner abgeheftet und nur selten wieder hervorgeholt wird: „Das würde sich dann jedes Jahr einmal angeguckt und dann zur Seite leider gelegt und abgeheftet. Bin ich ehrlich. Wenn ich mal Zeit habe, würde ich danach suchen, wir haben ja auch ein QM [Qualitätsmanagement; Anm. d. Autor:innen] intern. Wo ganz viele Sachen sind, die suche ich mal, wenn ich gezielt danach suche. Aber ich weiß einfach, wir haben so viele Ordner, das wird schnell da leider…“ (Interview_29).
Zeit ist ein wichtiger Faktor in Notfallsituationen. Von den Pflegefachpersonen wurde darauf hingewiesen, dass nicht nur die Suche nach der Handlungsempfehlung Zeit kostet, sondern auch die Anwendung selbst zeitaufwändig ist: „Ich glaube, dass ist auch, also klar, man müsste sich dann vorher das angucken, vielleicht dann auch auswendig lernen. Ich weiß nich, wenn ich den Notfall habe, dann agiere ich nur noch. Dann nehme ich mir die Akte, gucke mir da an, was ist mein Spielraum, was mache ich. Muss dann ziemlich schnell entscheiden, was, wie weiter passiert. Und ich, also ich glaube ganz ehrlich, ich würde da jetzt nicht draufgucken, in der Nacht. Glaub ich nicht. Weiß ich nicht, ich glaube dafür müsste es auch zu viele Sachen geben, die man da mit einbezieht. Und das dauert dann wieder zu lange, wo ist es denn?“ (Interview_27).
Ferner äußerten einige Pflegefachpersonen die Befürchtung, dass Handlungsanweisungen zu kompliziert formuliert seien. „Dieser [der vorgelegte Algorithmus, Anm. d. Autor:innen], also so wie sie es aufgeschrieben haben, wäre schon zu fachspezifisch. Also das müsste in einfacherer Sprache, ne? Sie müssen davon ausgehen, dass auch das Pflegefachpersonal nicht mehr der deutschen Sprache mächtig ist und das auch grade, wobei ich glaub tatsächlich ganz junge Mitarbeiter sowas noch besser verstehen als ältere Mitarbeiter. Aber es müsste wirklich vereinfacht noch dargestellt sein.“ (Interview_16).
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Dieses Zitat verdeutlicht, dass die Ausgestaltung von Handlungsanweisungen am besten mit Pflegefachpersonen zusammen entwickelt wird, um angemessene Formulierungen zu finden.
c.
Vorteile einer appbasierten Implementierung
Einige der Nachteile einer papiergestützten Umsetzung können durch den Einsatz von Apps auf mobilen Endgeräten (Tablet, Smartphone) vermieden werden. Durch mobile Endgeräte kann Zeit eingespart werden, wenn zum Beispiel das Smartphone griffbereit mit sich geführt wird. Eine Pflegefachperson antwortete beispielsweise auf die Frage, welche Umsetzung besser sei: „Ganz klar als App. Wie man es in der Tasche hat.“ (Interview_26).
Durch eine Umsetzung als App würde auch die Papierflut, die als negativ aufgefasst wurde, abgemildert werden. Zudem kann eine appgestützte Anwendung auch zur leichteren Orientierung beitragen. Ähnlich wie bei einer Umsetzung auf Papier, wird gerade der Nutzen für weniger erfahrene Pflegefachpersonen hervorgehoben: „Genau. Also das find ich super. Das könnte ich mir sogar echt sehr praktisch vorstellen. Bin ich ganz ehrlich. Das wäre natürlich echt super. Weil dann gibt’s vielleicht die eine oder andere Handlungsanweisung, an die ich in dem Moment gar nicht gedacht habe. (I: Ja, kann sein) Warum nicht? Kann ja total unterstützend sein, ne? Gerade auch für weniger Erfahrene.“ (Interview_21).
Apps werden zudem breitere und bessere Darstellungsmöglichkeiten zugeschrieben: „Wo man sagt: ‚Da drücke ich jetzt auf‘ und dann vielleicht wenn da auch noch Bilder sind, die das ein bisschen miterklären ja, warum nicht.“ (Interview_18).
In den Interviews wurde nicht strikt zwischen Apps auf Smartphones und Apps auf Tablets unterschieden. Beide Formate können spezifische Vor- und Nachteile aufweisen. Für eine digitale Umsetzung spricht auch, dass sie Synergieeffekte erzeugen kann, indem die Pflegedokumentation ebenfalls digital mitgeführt werden könnte. „I: Und wenn Sie das so auf einem Tablet hätten, so ähnlich wie dasB: Das schon eher. Ja beziehungsweise ein Tablet hätte, dazu wäre noch gut, wenn man dann ein Computersystem auch mit der Dokumentation hätte, dass das irgendwie verbunden wäre. Das wäre natürlich richtig schön. I: Also das quasi beim Patienten äh, Bewohner haben könnten. B: Genau, richtig. Und dann tippt man da was ein, sag ich mal und dann wird das im System gespeichert und man hats bei nächsten Mal, wenn man die Bewohnerdatei des
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Bewohners am PC aufruft, hat man das zum Beispiel auch gleich mitgespeichert.“ (Interview_25).
Ein weiterer von den Pflegefachpersonen angesprochener Aspekt bezieht sich auf die Art des mobilen Endgeräts. Soll jede Pflegefachperson über ein mobiles Endgerät verfügen? Oder soll pro Wohnbereich eine bestimmte Anzahl an Endgeräten vorhanden sein, etwa ein Tablet pro Wohnbereich? Je nach Wahl des Endgeräts wird diese Frage unterschiedlich beantwortet, wobei Nützlichkeitsund Kostenaspekte für die Pflegeheime abgewogen werden müssen. Eine Pflegefachperson, deren Einrichtung Tablets verwendet, beschreibt die Integration des mobilen Endgeräts in den Pflegealltag: „Wir haben ja Tablets. Wir hier arbeiten auch mit Tablets, wo wir abzeichnen, auch grad als Helfer. Das Tablet kann ich überall mitnehmen, es ist mit dem WLAN funktioniert [sic!], das könnte man schon gut integrieren, weil das Tablet kann ich auch mitnehmen in dem Moment zum Bewohner. Das heißt ich kann das Tablet fungieren [sic!] und ich kann den Bewohner beruhigen. Das ist schon über App was anderes, es muss einfach mehr digital alles gemacht werden.“ (Interview_29).
d.
Negative Aspekte der appbasierten Umsetzung
Die Umsetzung durch Apps auf mobilen Endgeräten wurde zum Teil auch kritisch gesehen. Pflegefachpersonen merkten an, dass Apps störanfällig sein könnten, das WLAN versagen oder das Endgerät einen Defekt aufweisen könnte. Gerade in Notfallsituationen, in denen schnelles Handeln erforderlich ist, muss ein Hilfsmittel wie eine Handlungsempfehlung schnell und sicher verfügbar sein. Eine Pflegeperson äußerte ihre Bedenken: „Ob ich dann in der Notfallsituation das Ding dann raushole, warte mal, oh Akku leer, Mist. Ja, weiß man ja auch nicht, weiß ich nicht, bin ich nicht positiv von angetan.“ (Interview_33).
Ferner äußerten manche Pflegefachpersonen, dass der Einsatz von Smartphones bzw. Tablets einen negativen Eindruck bei Bewohner:innen und Angehörigen erwecken könnte: „Erstmal, wenn man im Dienstzimmer sitzt und auf sein Handy schaut, sieht es erstmal von außen erstmal bisschen komisch aus (lacht leicht). Und zweitens würde ich mich unwohl fühlen jetzt an meinem Handy zu sitzen. Nee, würde ich nicht gut finden […]“ (Interview_24).
Aus diesem Zitat werden zwei Perspektiven deutlich. Einerseits wird darauf angespielt, dass es von anderen Personen, z. B. Bewohner:innen, als unprofessionell wahrgenommen werden könnte, wenn Pflegefachpersonen während der
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Dienstzeit ihr Smartphone benutzen. Das liegt u. a. daran, dass auf den ersten Blick nicht erkennbar ist, ob es sich um ein Dienst- oder ein privates Smartphone handelt. Andererseits wird deutlich, dass die Pflegefachperson diesen Blick von außen internalisiert hat und sich bei der Smartphone-Nutzung selbst unwohl fühlen würde. Dies könnte bewirken, dass die Nutzung des Smartphones vermieden wird, um nicht den Eindruck zu erwecken, die Arbeit zu vernachlässigen oder sich mit Privatem zu beschäftigen. Auch wurde darauf verwiesen, dass die Nutzung von Smartphones im Bereich der Altenpflege momentan noch eher negativ konnotiert sei. Zukünftig könnten solche Vorurteile durch die fortschreitende Digitalisierung abnehmen. „Super Idee, aber ich glaube das ist (Pause), nicht überall wird es gerne gesehen, dass man mit dem Handy rumläuft oder ein Handy nutzt auch der, hier im Wohnbereich oder so. Ich glaube nicht, dass das ähm, müsste mal gucken, für die Zukunft vielleicht ok, denk ich mal.“ (Interview_06).
Eine klare Kommunikation über den Zweck der Nutzung des mobilen Endgeräts könnten hierbei Abhilfe schaffen. Auch die Wahl von Tablets anstelle von Smartphones könnte die ablehnende Haltung verringern, da Tablets bereits häufig für dienstliche Zwecke genutzt werden. Die ablehnende Haltung von Pflegefachpersonen gegenüber Smartphones kann auch darin begründet sein, dass deren Nutzung in vielen Einrichtungen untersagt ist. Dabei ist die Einschätzung, dass Smartphones von der Arbeit ablenken können, auch unter den Pflegefachpersonen verbreitet: „Das heißt ja, dass man ein Handy mit sich führen, ne? Das ist meist in der Einrichtung verboten. Und ich glaube von manchen Mitarbeitern wird, wenn das erlaubt wäre, um so was zu benutzen, würde das mehr ausgenutzt werden als wirklich sinnvoll eingesetzt zu werden.“ (Interview_25).
Ein weiteres Hindernis für die Nutzung von Apps ist die mangelnde Technikkompetenz, die Pflegefachpersonen vor allem bei älteren Kolleg:innen vermuten. „Ich bin da nicht so auf Technik. Also ich persönlich ähm, ich finde es auch gut, dass wir hier unsere Akte alle [auf, Ergänzung Autor:innen] Papier haben, da kämpfen wir auch für. Wir wollten damals, ich glaube vor sechs oder sieben Jahre, wollten wir schonmal umstellen. Haben wir gesagt: Nee. Ähm, weil wir haben das Glück auch hier 66- und 67Jährige Mitarbeiter zu haben, die zu Hause keinen PC, kein Handy, nichts haben. Und ähm, ja. Ich brauch das auf Papier. Deswegen für mich wäre das jetzt nichts. Ähm, ja. Ich weiß nicht, ob das halt jeder nutzen würde.“ (Interview_33).
Aus dem obigen Zitat wird deutlich, dass es noch Widerstände gegen die Digitalisierung gibt und nicht selten analoge Lösungsmöglichkeiten auf Papier bevorzugt werden. Dabei wird nicht der Nutzen von Apps generell in Frage gestellt, sondern vielmehr die Vorbehalte, sich mit einem neuen Medium auseinander-
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zusetzen. Eine Pflegefachperson gab zu bedenken, dass ältere Pflegefachkräfte aus ihrer Sicht mit der Digitalisierung nicht nachkommen würden: „[…] Wir haben hier viele Mitarbeiter (seufzt), man digitalisiert alles und alle aber äh, verstehen Sie, wir haben hier gute Fachkräfte aber die kommen nicht mit mit dem Ganzen. Das ist vielleicht noch zukunfts, kann ich mir das gut vorstellen, aber im Moment noch nicht […].“ (Interview_23).
Die Zeitersparnis, die von einigen Pflegefachpersonen an Apps als positiv hervorgehoben wurde, wird von anderen jedoch auch kritisch hinterfragt. „Das dauert ja auch wieder. Dann nehme ich das Tablet, dann klicke ich mich durch, wie Sie schon sagen. Und wer sitzt beim Bewohner und unterhält sich mit dem und macht die Erstmaßnahmen? In der Zeit wo ich klicke, habe ich den Blutdruck gemessen, BZ [Blutzucker, Anm. d. Autor:innen] gemessen, hab vielleicht schon Verband angelegt, Telefonat abgesetzt. Das ist so, ja es ist alles sch-, das ist jetzt schon viel Bürokratie find ich, mit der Schreiberei, was sein muss, ja. Aber ich glaube, das würde aufhalten. Dann bräuchte ich noch jemanden in der Nachtschicht, der dann die Erste Hilfe dann macht, dann jemanden, der die Koffer macht und Telefonat machen und die Klingel abdeckt. Und ich drücke mich dann durch und gucke dann irgendwann. Weiß ich nicht. Aber ich bin da sowieso nicht, also elektrische Geräte ist nicht so meins, vielleicht fragen Sie auch die Falsche.“ (Interview_27).
An dieser Äußerung wird deutlich, dass die Pflegefachperson das mobile Endgerät als hinderlich wahrnimmt, da sie statt der Bedienung der App die Behandlung und Versorgung des Bewohners einleiten könnte. Vielmehr sieht sie Verbesserungspotential durch die Delegierung von Aufgaben an zusätzliches Personal. Der häufigste Einwand gegen die Einführung von Handlungsempfehlungen als App war jedoch die fehlende Infrastruktur in den Pflegeheimen. Eine typische Reaktion auf die Frage, ob sich Handlungsempfehlungen in Form einer App umsetzen lassen könnten, war daher: „Also dadurch, dass wir jetzt auf der Arbeit an sich nicht mit Handys arbeiten oder Tablets oder sowas, würde das als App auch keinen Sinn machen.“ (Interview_10).
Auch Schwierigkeiten bei der Entwicklung bzw. Vereinheitlichung von Apps wurden angesprochen: „Das [Handy] müsste ja dann ein dienstliches sein, und das würden sie gar nicht hinbekommen. Also es gibt viele ähm, computergestützte Systeme innerhalb der Pflege, da wäre es eventuell ne Möglichkeit aber da müssten Sie mit den Softwareentwickler sprechen, und da gibt es zu viele unterschiedliche, die würden sie gar nicht alle unter einen Hut kriegen. Das wäre glaub ich auch so eine Sache für den medizinischen Dienst, dass es dann ne Vorgabe sein müsste, dass jeder so ein Programm, ähm, gewährleisten muss.“ (Interview_01).
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Darüber hinaus ist ein weiterer allgemeiner Kritikpunkt an Handlungsempfehlungen, dass sie den Handlungsspielraum der Pflegenden weiter einschränken. Auf die Frage, ob sich eine App als nützlich erweisen würde, antwortete eine Pflegefachkraft: „Nein. Kann ich Ihnen auch sagen warum. Weil ich weiß, was ich tue. Ich brauch keine App. Ich brauch keine App. Ich sag das hier nochmal, ich bin Facharbeiter. Ich weiß, was ich tue. Ich hab mein Staatsexamen gemacht, ich hab meine Pflegedienstleitung gemacht. Ich weiß, was ich tue. Und dafür bin ich da. Ohne, da brauch ich ja nicht arbeiten. Die Krankenschwester im Krankenhaus auf der Intensivstation schaut auch nicht erst im Ordner unter „C“ und guckt, was finde ich da. Da braucht die da nicht arbeiten. Wir müssen, wir funktionieren. Das ist einfach so. Wir müssen nur funktionieren. Und das machen wir in dem Moment. Mehr wird nicht verlangt.“ (Interview_BS_22).
Dieses Zitat zeigt die Befürchtung, dass appbasierte Handlungsempfehlungen die eigene und fremde Wertschätzung der fachlichen Kompetenzen negativ beeinträchtigen oder zur Deprofessionalisierung beitragen könnten. Dies lässt sich in dem Vergleich mit dem Bereich der Krankenhauspflege ablesen, in welchem die Beschäftigten aus der Sicht der Pflegefachperson über mehr fachliche Handlungskompetenzen verfügen. Die fehlenden Handlungskompetenzen wurden auch allgemein im Kontext von Handlungsempfehlungen thematisiert und der Wunsch nach mehr Handlungsspielraum geäußert. „Handlungsanweisungen an sich find ich, dass find ich gut, aber die, die zum einen ist die rechtliche Situation, ist wirklich, die finde ich schwierig. Ich würde mir manchmal wünschen, dass wir in Deutschland zum Beispiel auch wieder mehr, ähm, eine Fachkraft wirklich eine, eine Kraft äh, unter einem Arzt, dass wir auch gewisse Entscheidungen, im Moment haben wir in Deutschland ja die Problematik. Ich darf gar nichts entscheiden, ich bin nur der verlängerte Arm. Was eigentlich bedeuten würde, ich muss auch gar nicht denken, das stimmt aber nicht. Und da wir denken müssen und handeln müssen und diese Personen da sind, würde ich mir so sehr wünschen, wir hätten etwas Spielraum. Und den haben wir nicht und das ist Fakt.“ (Interview_21).
Schließlich wurden Handlungsempfehlungen dahingehend kritisiert, dass die Individualität der Bewohner:innen nicht ausreichend berücksichtigt werde: „Ich finde es total schwierig ähm, äh, ein Problem oder ein Notfall immer, wie soll ich das sagen, aufzuschreiben, weil es ist jeder halt individuell und jeder anders. Und das so niederzulegen, dass es jeder, für jeden Bewohner fast zutrifft. Das man sich als Fachkraft halt sicherer fühlt, da draufzugucken. Also das finde ich eine sehr, sehr große Herausforderung. Das muss ich sagen.“ (Interview_33).
Als konkretes Beispiel wurde die Orientierung von Handlungsempfehlungen an bestimmten Glucosewerten kritisiert, da Bewohner:innen unterschiedliche
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Symptome aufweisen können und eventuelle Vor- und Grunderkrankungen auch eine Rolle spielen. „Ja, Zucker ist natürlich auch so ne Sache, wo es ganz, ganz verschiedene Notfallarten gibt. Also ich hab jemanden erlebt, der hatte einen BZ von 900 und, ja der war knapp vor 1000, der gings gut. Bei 300 fing die an zu unterzuckern. Ja (lacht leicht), deswegen find ich das ganz blöd, wenn, wenn diese Zuckersachen hier, grad bei Hyperglykämie an bestimmten Werten festgemacht werden. Das ist teilweise so absurd.“ (Interview_15).
e.
Alternative Formen der Implementierung
Nachdem die Vor- und Nachteile auf Papier bzw. als App eruiert wurden, wurden die Pflegefachpersonen nach Alternativen gefragt, wie Handlungsempfehlungen umgesetzt werden könnten. Da diese Fragestellung das Thema des vorliegenden Beitrages, die Einstellungen der Pflegefachpersonen gegenüber appbasierten Handlungsanweisungen nur am Rande berührt, sollen die Ergebnisse an dieser Stelle nicht detailliert dargestellt, sondern nur erwähnt werden, wenn diese einen direkten oder indirekten Bezug zu den appbasierten Lösungen haben. Oftmals wurden von den Pflegefachpersonen Schulungen genannt, die ergänzend zu den Handlungsempfehlungen durchgeführt werden könnten. Diese könnten aus Sicht der Pflegefachpersonen dazu dienen, sich mit den Handlungsempfehlungen auseinanderzusetzen und diese zu verinnerlichen. Dabei wurde auch betont, dass praktische Simulationen Verständnisschwierigkeiten hinsichtlich der Handlungsempfehlungen, gerade bei ausländischen Pflegefachpersonen, auflösen könnten. Regelmäßige Schulungen eignen sich somit aus Sicht einiger Pflegefachpersonen, um die app- oder papierbasierten Handlungsempfehlungen einzuüben. In diesen Schulungen kann auch die Anwendbarkeit der Handlungsempfehlungen diskutiert sowie auf mögliche Schwächen eingegangen werden. Zudem wurde die Möglichkeit angesprochen, appbasierte Handlungsempfehlungen mit einer bedienerfreundlichen Sprachsteuerung zu ergänzen. Als weiterer Vorschlag wurde formuliert, dass Handlungsempfehlungen für ausgewählte Notfallsituationen auch auf einem stationären PC im Dienstzimmer installiert werden könnten. Es wurde darauf hingewiesen, dass durch eine verbesserte Kommunikation mit Technikeinsatz der Informationsfluss zwischen den Einrichtungen der Langzeitpflege und anderen Akteur:innen in Notfallsituationen verbessert werden könnte: „Wir haben ab und zu mal, ich weiß nicht ob es jetzt das Thema trifft, aber wir haben in unser Team einfach mal aus Erfahrung, natürlich viel zu teuer, aber wenn ne einheitliche Software geben würde, die Krankenhäuser, Altenheime, Hausärzte und so nützen könnten. Klar, Datenschutz wird auch schwierig. Aber so wo jetzt ein Bewohner ein-
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gespeichert wird und da kann der Hausarzt darauf zugreifen und sieht sofort: „Oh, das und das wurde im Krankenhaus gemacht“, der Bewohner kommt zu uns hoch, zurück wir öffnen diese Software, das und das wurde gemacht, das und das Medikament wurde geändert, dann und dann sollen Fäden ziehen, jetzt nur ein Beispiel. Und der Hausarzt sieht auch das, dann würde man ganz viel Kommunikationswege sparen. Und der Haus-, das Krankenhaus muss ja auch diese Entlassungsbriefe schreiben und dann ans uns schicken. Wir schicken dann einen an den Hausarzt. So ist alles doppelt gemoppelt. Und so würde es in diese Software praktisch einfach eingetragen werden und jeder könnte drauf zugreifen, das wäre so ein kleiner Traum, wenn es sowas geben würde (alle lachen).“ (Interview_25).
Diskussion In den Interviews unserer Studie hat sich gezeigt, dass es unter den Pflegefachpersonen eine gewisse Bereitschaft zur Nutzung von appbasierten Handlungsempfehlungen gibt. Zugleich haben die Pflegefachpersonen aber auch auf mögliche Hindernisse für die Anwendung und damit verbundene Risiken hingewiesen. In diesem Zusammenhang wurden auch mögliche Alternativen diskutiert. Diese Resultate sollen im Folgenden anand der bestehenden Forschung a) zu Handlungsempfehlungen, b) zur Akzeptanz von Apps und Herausforderungen bei der Implementierung und Nutzung sowie c) bezüglich möglicher Alternativen kontextualisiert werden.
a)
Handlungsempfehlungen
Handlungsempfehlungen bzw. Algorithmen werden in der pflegerischen Versorgung schon seit längerem diskutiert. Oftmals haben diese Algorithmen das Ziel, Pflegefachpersonen bei der Früherkennung, dem Umgang und der Kommunikation von Symptomverschlechterungen an Patient:innen in der klinischen Versorgung zu unterstützen (Brier et al. 2014). Notfallalgorithmen werden in der Notfallmedizin häufig eingesetzt, etwa beim Herz-Kreislaufstillstand oder bei der Versorgung von Schwerverletzten (Krieter 2016). Darüber hinaus gibt es auch Ansätze für Algorithmen zur ethischen Entscheidungsfindung in Notfallsituationen. Ein Beispiel für einen solchen Ethik-Algorithmus für die präklinische Notfallversorgung ist der Algorithmus Ethik in der Notfallmedizin (Krieter 2016; Salomon 2009). Dieser Algorithmus soll die Behandelnden dabei unterstützen, ethische Aspekte wie Würde und Wille von Patient:innen parallel zu medizinischen Handlungen mit zu reflektieren. Für die klinische Notfallversorgung hat die AG Ethik der Deutschen Gesellschaft interdisziplinäre Notfall- und Akutmedizin (DGINA) die Checkliste Notfallpa-
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tienten entwickelt (Padberg 2016). Beide Varianten adressieren allerdings allein ärztliche Akteur:innen bzw. den Rettungsdienst und vernachlässigen die Perspektive von Pflegefachpersonen. Jones et al. (2017) haben den Prototyp eines mobilen EntscheidungshilfeSystems (clinical decision support system, CDSS) für Pflegepersonen in Einrichtungen der Langzeitpflege entwickelt. Das mobile CDSS wurde unter Einbeziehung von Pflegepersonen entwickelt und dient der Unterstützung bei der Erkennung und Behandlung von Harnwegsinfektionen. Ziel ist es, die Gabe von Antibiotika bei Harnwegsinfektionen durch eine verbesserte pflegerische Versorgung zu reduzieren. Das CDSS lässt sich auf dem Smartphone ausführen und wurde von den Pflegefachpersonen überwiegend positiv evaluiert (Jones et al. 2017). Allerdings wird der Bewohner:innenwille in diesem CDSS nicht mit einbezogen. Es zeigt sich, dass Handlungsempfehlungen bzw. Algorithmen und Entscheidungshilfen in der Pflege, zum Teil auch in der Langzeitpflege, vereinzelt eingesetzt werden. Auch wurden bereits Notfallalgorithmen entwickelt, die ethische Aspekte mit einbeziehen, aber vorrangig für Akteur:innen in der präklinischen (Notärzt:innen, Rettungsdienst) oder klinischen Notfallversorgung (Ärzt:innen in der Notaufnahme) konzipiert wurden. Diese Algorithmen setzen demnach erst an einer Stelle des Versorgungsprozesses an, an der bereits die Entscheidung der Pflegefachpersonen zur Kontaktierung von externen Akteur: innen gefallen ist. Die ethischen Konflikte der Pflegefachpersonen vor Ort bleiben hierdurch unberücksichtigt. Zudem gibt es erste Ansätze für mobile Entscheidungshilfe-Systeme in der Langzeitpflege. Vor dem Hintergrund der bisherigen Forschung zeigt sich, dass Handlungsempfehlungen in Form von Apps für mobile Endgeräte als nutzbringend eingesetzt werden können. Die Entwicklung von appbasierten Handlungsempfehlungen, die den Willen von Bewohner:innen prioritär mit einbezieht, steht allerdings bislang noch aus. Die in NOVELLE zu entwickelnden Handlungsempfehlungen könnten somit einen zentralen Bedarf beim Umgang mit Notfällen in Einrichtungen der stationären Langzeitpflege decken.
b)
Akzeptanz von Apps, Hindernisse für die Implementierung und Nutzung
Eine zentrale Bedingung für die sinnvolle Implementierung digitaler Technologien in der Pflegepraxis ist die Akzeptanz dieser Technologien seitens der Pflegefachpersonen. Hier zeigt sich, dass Pflegefachpersonen digitalen Technologien mehrheitlich positiv gegenüberstehen. Kuhlmey et al. (2019) konnten zeigen, dass Pflegefachpersonen in Deutschland digitalen Technologien eine hohe Affinität entgegenbringen, ihre eigenen Kompetenzen im Umgang mit diesen
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Technologen als hoch einschätzen und digitalen Technologien mehr positive als negative Folgen zuschreiben. In ihrer qualitativen Studie mit Pflegefachpersonen in Einrichtungen der Langzeitpflege konnten Bourbonnais et al. (2020) zeigen, dass diese die Nutzung mobiler Apps überwiegend positiv bewerten. Zu den Herausforderungen bei der Implementierung von Apps in Einrichtungen der Langzeitpflege gehört die Einstellung von Angehörigen gegenüber der Smartphone-Nutzung durch Pflegefachpersonen (Bourbonnais et al. 2019). Des Weiteren wird von Pflegefachpersonen auch das Bedenken geäußert, die Nutzung digitaler Technologien könnte ältere Kolleg:innen überfordern, weshalb begleitende Fort- und Weiterbildungen begrüßt werden (Bourbonnais et al. 2019). Beide Aspekte können durch die Ergebnisse unserer Interviewstudie bestätigt werden. Schließlich sind strukturelle Voraussetzungen als mögliche Hindernisse bei der Implementierung bzw. Nutzung der Handlungsempfehlungen per App zu diskutieren. Dazu gehören einerseits die technischen Voraussetzungen, d. h. eine stabile WLAN-Verbindung sowie das Vorhandensein von mobilen Endgeräten. Andererseits hängt eine gelingende Implementierung der Technologie davon ab, wie die Einrichtungen diesen Prozess gestalten. Dabei ist zunächst zu evaluieren, ob die entsprechende Technologie, also hier die Nutzung von mobilen Apps, im Tätigkeitsbereich neu eingeführt wird oder bereits vorhanden ist. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass das Gesundheitswesen in Deutschland im Vergleich zu anderen Branchen einen geringeren Digitalisierungsgrad aufweist (BMWi 2018). Des Weiteren ist zu klären, wie die Pflegepersonen die Nutzung der Technologie bewerten (Bleses et al. 2020). Darüber hinaus sind hierbei auch betriebliche und überbetriebliche Faktoren für eine erfolgreiche Implementierung sowie Nutzung der appbasierten Handlungsempfehlungen zu nennen. Hierzu zählen arbeitsrechtliche Regulierungsanforderungen, Datenschutz bzw. -sicherheit und die Vermittlung digitaler Kompetenzen in der Pflegeaus- und -fortbildung (Bury/Bleses 2020). Somit reicht es nicht aus, seitens der Heimleitung bzw. des Einrichtungsträgers allein die Nutzung der Handlungsempfehlungen per App zu veranlassen und technisch umzusetzen. Vielmehr müssen begleitende Strukturen geschaffen und eine entsprechende Kultur des Umgangs mit der Anwendung innerhalb der Einrichtung etabliert werden. Damit wird Pflegefachpersonen die nutzbringende Integration der Anwendung in die pflegerische Praxis erst ermöglicht.
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App schlägt Papier?
c)
Alternativen
In mehreren Interviews hat sich gezeigt, dass oftmals das pflegerische Wissen und die Einschätzung von Notfallsituation seitens der Pflegefachpersonen von anderen Akteur:innen infrage gestellt werden. Zu einem ähnlichen Resultat kommen auch Stephens et al. (2020) in ihrer qualitativen Studie zu Krankenhaustransporten aus Pflegeheimen. Im Rahmen der Studie wurden Fokusgruppen-Interviews mit Pflegefachpersonen sowie mit informell Pflegenden in den USA geführt. Dabei zeigt sich, dass Akteur:innen wie etwa das Personal in Notaufnahmen dem Urteil der Pflegenden häufig misstrauen, deren Kompetenzen bezweifeln und sich über deren Entscheidungen hinwegsetzen. In den Interviews fragten Stephens et al. auch nach der Einschätzung bezüglich des Einsatzes von Telehealth-Anwendungen zur Überwindung dieser Konflikte. Diese Anwendungen fanden eine hohe Zustimmung bei den Befragten, wobei besonders Anwendungen präferiert wurden, die eine Video-Kommunikation mit Ärzt: innen in Notfallsituationen ermöglichen. Eine derartige Telehealth-Anwendung kann als Alternative zu Handlungsempfehlungen gesehen werden, wobei jedoch fraglich ist, inwiefern hierfür die personellen Ressourcen sowie die entsprechende technische Infrastruktur vorhanden ist.
Conclusio Aus der qualitativen Analyse unserer Interviewstudie geht hervor, dass appbasierte Handlungsempfehlungen für Notfallsituation ein nützliches Instrument der pflegerischen Praxis in Einrichtungen der Langzeitpflege sein können. Pflegefachpersonen sind mehrheitlich gegenüber dieser Anwendung aufgeschlossen und schätzen diese als sinnvoll ein. Die Implementierung der Anwendung bedarf jedoch eines Bündels struktureller Maßnahmen innerhalb der jeweiligen Einrichtung. Dazu gehören die Bereitstellung der technischen Infrastruktur ebenso wie die Adressierung von Handlungs- und Regulierungsanforderungen. Pflegefachpersonen dürfen mit der Technologie nicht allein gelassen werden. Es bedarf einer Kultur des Umgangs mit der Technologie innerhalb der Einrichtung, die Pflegefachpersonen Unterstützung in der praktischen Anwendung bietet, etwa durch Fort- und Weiterbildungen.
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Chancen und Herausforderungen der Digitalisierung für die Pflegeausbildung und Pflegepraxis
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Martina Hasseler
Digitalization and new technologies in care – concepts and potentials for nursing care provision
Background In Germany, we have a high demand for nursing care on the one hand and, on the other hand a huge shortage of nurses. For the area of long-term care, it is forecast that there will be a shortage of nursing staff of around 307,000 individuals by 2035. This results in a supply gap of about 500,000 nurses in the overall nursing care sector (Radke 2020). Schwinger et al. (2019) project that if the trend for the need of nursing care is extrapolated, it will increase from 590,000 individuals in 2019 to 720,000 by 2030 and to 980,000 individuals employed in nursing care by 2060. In relative terms, this represents an increase of 67%. Differentiated into inpatient and outpatient care, these projections mean that about 100,000 more positions will be needed in inpatient long-term care alone, and about 700,000 individuals should be employed in care by 2060, to meet the demand. In ambulatory care, an increase in needed staff of 220,000 is projected by 2030 (Schwinger et al. 2019). In these projections, however, it must be taken into account that a shortage of nurses can also be observed in hospitals and rehabilitation clinics. Against this background, the hope is that new technology will, and can, support nurses in their work. To date, however, there has been little research conducted on required competencies for nurses to work appropriately with new technologies in nursing (Maalouf et al. 2018). Professional nursing will have to meet new requirements in terms of professional competencies, as they will not only have to identify nursing needs, but will also have to be able to plan, and use, the new technologies in line with the needs of the person in need of care, so that high-quality health and nursing care can be provided. The unanswered questions about new technologies in nursing care include: Why do we need them? To compensate for nursing staff shortages and/or to optimize nursing processes? To support and/or facilitate nursing work? To support the autonomy, independence and self-determination of people in need of care? Further questions are: What new technologies do we need? What does the human-technology interaction look
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Martina Hasseler
like? What other ethical implications arise? What about social interaction? How does social interaction take shape? How and in what ways must care arrangements evolve with new technologies? These numerous questions, which have not yet been conclusively answered, indicate that we are at the beginning of new technology developments in nursing. For this reason, this article will take a look at some relevant topics in order to unfold the complexity, but also to provide a basis for further developments. It remains to be said, however, that new technologies in nursing will influence it in a variety of ways. This article presents some aspects that address the acceptance of technology, on the developments of new technologies such as robotics and artificial intelligence in nursing, and the required competencies of nursing professionals.
Technology acceptance The meaningful use of technologies depends not only on their design and development, but also on the competence and willingness of the target groups to use them. Attitudes towards technologies, as well as self-assessment with regard to competent use of new technologies influence the actual willingness to use them. Positive attitudes toward new technologies are conducive to competence development and effective performance (Beuscher et al. 2017). Technology acceptance is described in psychological framework models, such as the Unified Theory of Acceptance and Use of Technology (UTAUT) (Venkatesh et al. 2003), or the Affinity for Technology Interaction (ATI) scale (Franke et al. 2018). For example, the UTAUT describes psychological aspects of human-technology interaction, linking behavioral intention to use a new technology to factors such as performance expectancy (will it work?), effort expectancy (how easy is it?), and social influence (am I expected to use it?) (Beuscher et al. 2017). Publications suggest that older people in care settings were receptive to the use of robotics (Gisinger 2018; Früh/Gasser 2018). In a recent publication, the German Ethics Council (2020) summarizes that overall, the public has a positive attitude towards new technologies and robotics. About 2/3 of the respondents could imagine using these technologies to remind them to take medication, eat meals or drink fluids, or to mobilize people in need of care. Another part of the respondents shows a willingness to use robots for hygienic care or to assist with toileting. Nurses and healthcare professionals also show openness to using new technologies for care documentation or for heavy care work. Overall, the use of robotics for social and emotional domains has been surveyed with interesting results (German Ethics Council 2020). A 2019 ZQP (Zentrum für Qualität in der Pflege) survey found that about 51% of respondents favored the ideas of robots
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Digitalization and new technologies in care
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and robotics in care. Another 76% can envision robotics or new technologies as a reminder tool for taking medications, meals, or fluids. Approximately 79% of respondents would accept telenursing/telecare. Overall, 64% of respondents expect benefits from integrating new technologies in healthcare (ZQP 2019). A high affinity for technology and a positive attitude was also found in the survey on technology acceptance among long-term care nurses by Zöllick et al. (2019). Technology was seen primarily as relieving physical support, whereas the use of technology in the area of emotional and social support was viewed very critically by the respondents. A study from South Korea (Tanioka et al. 2020) examines the priorities of nurses with regard to robotic care on the basis of a multi-center study in five hospitals in Seoul. According to this study, robotics is valued for the following areas as support and relief: measurement/monitoring support (measurement of vital signs, body weight, and alarm settings); mobility/ activity (changing patients’ positions, mobility aids, and transferring patients in and out of beds to wheelchairs); safety care (fall and injury prevention). However, surveyed nurses showed a low preference for robots to take over communication (Tanioka et al. 2020). The outlined studies demonstrate a high level of technology acceptance among target groups in nursing care. Nevertheless, technical progress has not advanced to the point where new technologies can be deployed quickly and in a way that is appropriate to needs and target groups. Furthermore, concrete impact studies have yet to be conducted. The groups of people surveyed expect a high level of use and support for new technologies in the context of care. For the future development of new technologies, it will be advisable to take these expectations into account in participatory research and development processes, so that the new technologies can be used in a meaningful way.
Robotics in long-term care Many publications refer to the development of robotics in the field of service robotics, intelligent care trolleys, care apps, mobile devices, driverless transport systems, and in the supply and disposal of daily necessities (Lücke 2018; Daum 2017; Graf et al. 2018). In the article by Graf et al. (2018), it is very clearly shown how complex the development and deployment of intelligent nursing carts is, before they show real work relief for nursing staff and can be used on a regular basis. Furthermore, the deployment of an intelligent care cart requires a differentiated and secure infrastructure, stable Wi-Fi connections and the equipment of the wards with appropriate hardware (e. g., smartphones that can be used by the nursing staff to control and operate the intelligent care cart). Other developments in the testing of assistive robotics relate to support for routine physical
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Martina Hasseler
activities of elderly people in need of assistance, such as feeding, medication management, or emergency checks (Goher et al. 2017), but the importance of social robotics has also been increasing in recent years, in research and publication. The idea behind social robotics is, on the one hand, to counteract the social isolation of people, and on the other hand, to find an access to people suffering from cognitive impairments. Particularly in long-term care facilities, social robotics is already being used in projects, such as the seal “Paro”, which is supposed to touch people emotionally through the infantile schema. It has been shown that people with dementia develop an emotional attachment to the seal over time (Chang et al. 2013). In the publication by Lee et al. (2018), the robot “Pepper” is used for gymnastic activation. During the trial, one finding was that pauses in conversation occurred between the nursing home residents and “Pepper”. This was interpreted as discomfort on the part of the elderly in need of care. At the same time, care workers were present in the background who did not interact with the elderly but monitored the interaction with the robot. The design and the results of this study must give rise to critical reflection. For individuals, social interactions with other people are highly relevant. In care work, these interactions allow, not only adequate communication and activation, but also an observation of the development for the need of care. Consequently, it is questionable whether a robotic system should take over the tasks close to the person in need of care instead of the health, therapy and nursing professionals involved in nursing care. It is more obvious to develop robotic systems for tasks and responsibilities distant from the patient and those in need of care, which are often physically and psychologically stressful, and distract from nursing responsibilities. In addition, it must be considered that the use of social robotics must generally be accompanied by nursing professionals if they are used with cognitively impaired groups of people. It can be assumed that the people in need of care will require a certain period of time to get used to interacting with a robot. Against this background, it can be assumed that an additional time burden will arise for the professions in long-term care. Wirth et al. (2020) further discuss whether and to what extent, robotic systems are associated with human qualities by care recipients, for example, when the robots respond with “please” or “thank you.” Given that both, the care professionals and the care recipients interviewed, tend to view robots and new technologies as supporting and facilitating technologies, but not as replacing social interactions, therefore research endeavors such as this should be viewed critically. Technology cannot and should not replace human interaction. It can be used in a supportive and additive manner to enhance and better leverage human resources and enable interaction. Preventive approaches to impede the development and further progression of the need for care in old age have been the object of many gerontological debates. However, Wirth et al. (2020) critically
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Digitalization and new technologies in care
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reflect, that the potentials of new technologies in the support of health are not comprehensively discussed. Hilbert et al. (2019) state that computers and robots cannot regulate care and that digitalization, robots and computers can best maintain their future significance in nursing care if they become part of an integrated socio-technical design approach. Hasenauer et al. (2019) see these relieving tasks in the areas of transportation, logistics, and housekeeping, as well as new and assistive technologies in the areas of food cart transportation, cleaning, laundry collection and delivery, mail delivery, medication distribution, garbage, ordering, and cleaning material logistics, to name some examples. But these are mainly non-nursing care tasks and responsibilities and relate to housekeeping, logistical and transportation tasks. Another elementary question concerns the reasons behind research investments in the development of empathetic and social robots (Muhle 2018), which are capable of reproducing human-like emotional reactions, when the needs and requirements, from the perspective of care professionals and people in need of care or elderly people, are seen in more work process relieving areas.
Artificial intelligence in nursing In the current literature, the potentials of artificial intelligence in nursing are being discussed, e. g. how it will change nursing care (Robert 2019). It is assumed that artificial intelligence can, among other things, improve and support the organization of patient workflows, treatment plans, and/or provide all relevant information that physicians and nurses need to make correct decisions, and/or help to support in repetitive or routine tasks in nursing or medication management (Pepito/Locsin 2019; Stokes/Palmer 2019). Pepito/Locsin (2019) are of the opinion that “[a]rtificial intelligence is already happening in nursing during the recent years… Artificial intelligence in nursing could be capable of improved organisation of patient routines or treatment plans and would also provide all relevant information needed for physicians and nurses to make correct decisions. Artificial intelligence is already operating in several areas in nursing from the crafting of plans for treatment to the facilitation of repetitive jobs and in managing medications or the creation of drugs.” (ibid, p. 107)
Pepito/Locsin (2019) discuss hypothetically that with the help of AI in the nursing care process, for example, routine tasks could be taken over, such as providing patient information for nurses and physicians, creating care plans, performing medication management, and so on. Despite the need for research regarding the impact of AI in nursing, digitalization, robotics, and on nursing practice and
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nursing care, there appears to be agreement that there will be disruptive changes in the understanding of roles, tasks, responsibilities, and consequently in the competencies of nursing care (Hübner et al. 2017). The transformative changes through AI and robotics, as well as digitalization will have an impact on the nursing process and the concept of nursing care (Kohlen 2015; Locsin 2017), which has been the basis of nursing care so far, as well as on the tasks reserved to the nursing professions (§ 4 Nursing Professions Act; Pflegeberufegesetz). “Care” is understood, following Kohlen (2015), as interactive human practice, which takes place in the relationship and relatedness between the nursing professional and the patient in need of care, as well as, in the mindfulness and attention to each other. In this process, feeling, thinking and acting are intertwined so that reflective action can take place. However, studies indicate that nursing professionals are not prepared for this transformation by AI and digitalization (Kehl 2018; Depner/Hülsken-Giesler 2017; Hülsken-Giesler 2015). Consequently, the impact the nursing process, due to developments in the field of AI, have not yet been comprehensively researched and integrated into practical care. Overall, experts assume that the future of the working world will move toward more consultation, innovation and creativity in the fields of work due to the digital transformation (Eichhorst/Buhlmann 2015; Wahlmüller-Schiller 2017). A similar impact of AI and digitalization can be assumed in nursing. The opportunity is that nursing professional groups will be relieved of routine activities, and in return, use their professional knowledge in counseling, health promotion, prevention, communication, and the like. The nursing process, comprised of the steps of assessment, planning of interventions/measures, implementation of interventions/measures and evaluation, could have an inherent machine principle (Foth et al. 2017), if only the process is considered in sequence. Foth et al.’s (2017) critique of the nursing process includes a focus on critical thinking, on quantitative evidence and on constructing nursing care as a rational choice process. Based on the fact, that the nursing process is taken as the core instrument for the design of nursing work processes, procedures that can be automated and quantified are left to AI, especially machine learning, in order to leave the social interaction, the culture of care and concern to the nursing professional. In this way, the processes of individual thought and meaningful action required for humane care (Foth et al. 2017) are enabled insofar as standardizable and automatable content is used to support the care process with the help of AI and machine learning. Furthermore, it is about optimizing the decision-making processes of nursing care with the help of AI and machine learning (Freshwater/ Cahill 2017). Nonetheless, the impact of technological support of decisionmaking processes, in relation to the development of professionalization of nursing and the change in work processes, has not yet been extensively studied (Freshwater/Cahill 2017). In the future, for professional nursing care and the
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integration of artificial intelligence, a relevant aspect could be to develop AI in nursing care towards the direction of a “cyborg ontology” (practical action links with technological expertise) and to transfer the changes in work processes into meaningful nursing care, while at the same time maintaining and enhancing the commitment of caring and responsiveness, as well as respectful nursing care which supports the autonomy of the patient in need of care (Freshwater/Cahill 2017). The potential of AI in care lies, among others, in the following areas: – Patients/people/individuals in need of care: New technologies are seen as having the potential to support people in need of care to live more selfdetermined lives at home (Buchman et al. 2020). This aspect of supporting autonomy, participation, and independence through new AI-based technologies has not yet been adequately explored through research. It also requires that patients as well as people in need of care and the wider social environment develop trust in AI-based technologies (Esmaeilzadeh 2020). Furthermore, it will be necessary to investigate how sensor-based technology for the home can be further developed through AI in a way that also integrates nursing and nursing science content to enable comprehensive and needsbased care. The research situation indicates that there is a lack of scientific knowledge in this regard. It can be assumed that by integrating this knowledge and expertise, health conditions and needs can be determined more precisely by AI in order to develop good care concepts based on this (Dermody/Fritz 2020). – Nursing care process: According to the international literature, AI-based processes in nursing care can support clinical decisions, or even generate automatic warning systems, and thus also systematically support the nursing workflow and enable personalized patient care (Sensmeier 2017; Buchman et al. 2020). Furthermore, AI-based technologies will influence human-technology interaction in nursing care (Buchman et al. 2020). These technologies need to be examined in a more nuanced way, particularly how they change nursing care processes qualitatively and quantitatively, how they change everyday processes, and whether, and how, outcomes of nursing care are affected. Additionally, how these AI-based systems improve patient safety and outcomes, and in what way these contribute to the prevention of nursing errors, is in question (Sensmeier 2017). This requires differentiated and interdisciplinary investigations. Starting from the nursing process: the first step in the nursing process is the assessment of health and nursing status. Based on this, nursing diagnoses are developed, for example, in order to plan further measures. For an AI-based process in nursing, the question arises whether and how these can support diagnosis finding and action planning in nursing (Liao et al. 2015) and thus make patient care safer and of higher quality.
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– Nursing professions: Evidence from the international literature indicates that healthcare professionals are still wary of AI-based technologies. There is a high need for research in understanding the barriers and concerns of health professionals and addressing them (Esmaeilzadeh 2020). At the education level, there is a need for nurses to understand how artificial intelligence is used in patient care in order to work with it appropriately (McGrow 2019). They will need to be empowered to understand data developed through AI as new information and incorporate it into the practice of care (Robert 2019). The shift toward more new technologies and artificial intelligence in health and care delivery will require significant skills and competency transformation of health professionals (McGrow 2019). Another question relates to how increased AI use will change practical care and interactions with patients, those in need of care, as well as their social environments and with other professionals, as AI technologies entail the need to re-conceptualize nursing practice and develop new roles, responsibilities, and new workflows (Buchanan et al. 2020). It remains to be seen whether AI in nursing can reduce the cognitive and physical workloads of nursing professionals, as hypothesized in the literature (ibid.).
Required competencies of nurses To date, nurses are, for the most part not very well prepared for the new developments. Literature shows, that nursing education provides limited exposure to develop digital competencies. When it comes to digitalization in nursing, the requirements of nurses are not often sufficiently analyzed and digitalization projects often fail to take into account the fact that the advent of digital innovations also requires that users acquire digital skills (Ammenwerth 2020). Furthermore, nurses seem to hardly be involved in the development of new technologies. The involvement of nurses is crucial though, since the use of new technologies leads to disruptive changes in the understanding, role, tasks, responsibilities and consequently the competencies of caregivers (Hübner et al. 2017). Especially in Europe, curricula and training concepts hardly contain digitalisation and new technologies in nursing education (Rochelle/Dermody 2019; McCabe/Timmins 2016, Pepito/Locsin 2019).1 The logical consequence of an increase in human-technology interactions therefore requires the consistent development and expansion of digital skills in the nursing professions. Digital competences in nursing are necessary in order for new technologies to be used 1 In the present volume, Wöhlke and Leinweber discuss an interprofessional educational project that focuses on the promotion of digital competences.
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appropriately and for the benefit of patients and those in need of care (Rochelle et al. 2019; Ammenwerth 2020; Hübner et al. 2017). The logical consequence of an increase in human-technology interactions therefore requires the consistent development and expansion of digital competencies in the nursing professions. In this way, future use of AI in healthcare can be ensured in a targeted, systematic and goal-compliant manner. From the perspective of nursing science, for example, the question arises as to the potential and limits of new technologies, and the extent to which they are capable of supporting the professionalism of nursing activities within the framework of complex care arrangements, and in the sense of good nursing care. For this reason, nurses must be familiar with new technologies in order to be able to use them appropriately and ensure good quality health care. It must also be taken into account that the introduction of new and assistive technologies, especially in the introductory and testing phase, takes up time that cannot be compensated without relieving the workload of the individuals concerned. Tisch and Meyer (2020: p. 695) explicitly point out that “any technological restructuring is accompanied by increasing work intensity – or is not applied correctly due to excessive time pressure.” Keeping in mind that in Germany, according to a recent study (Tisch/Meyer 2020), new technologies have hardly found their way into the context of nursing care, and that the nursing staff surveyed stated that, in the last two years, no workrelated computer programs have been introduced, or that communication via the internet hardly plays a role, fundamentally shows the problem in the application of new technologies in nursing care. One danger of new technologies in nursing professions seems to be that a new form of “digital Taylorism” will emerge, as these new technologies will introduce more guidelines, and controls, and reduce even further the room for professional action and performance (Tisch/Meyer 2020). Against this background, there remain further ethical and nursing questions which should be considered in the development and testing of new technologies: What kind of nursing care do we want? How do we want to live with new technologies? What kind of health care do we want? What opportunities and dilemmas are created by and with new technologies? What do we gain, what do we lose when robotic systems, new technologies enter the care system? Is it appropriate for people in need of care and patients to be cared for only by robotic systems or by humanoid robots?
Summary and Outlook In summary, there are many open questions and research desiderata on the topic of new technologies in nursing. On the one hand, professional nursing care is required to be located at the interface between the social system and the in-
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dividual life-world of the person in need of care (Remmers 2018) and, on the other hand, to develop digital competencies in order to use them adequately in accordance with needs and requirements. As a result of these developments, nursing practice and also the required competencies of nursing professionals will change. Nursing professionals are currently not well prepared for new developments. Nursing education currently offers limited opportunities to acquire digital competencies. New technology and digitalization in health and care are barely covered topics in education, training and continuing education of nursing staff. Furthermore, nurses are not very involved in the development of new technologies. The logical consequence of an increase in human-technology interactions therefore would be the consistent development and expansion of digital competencies in the nursing professions. In this way, future use in healthcare can be ensured in a targeted, systematic, and goal-compliant manner. From the perspective of nursing science, for example, the question arises as to the potential and limits of new technologies and the extent to which they are capable of supporting the professionalism of nursing activities within the framework of complex care arrangements and in the sense of good nursing care. For this reason, too, nurses must be familiar with new technologies in order to be able to use them appropriately and ensure good quality health care. Curricula and training concepts in Europe also include digitalization and new technologies only to a small extent. Furthermore, there is still no competence framework model for digitization and new technologies in nursing (Rochelle et al. 2019; McCabe/ Timmins 2016; Pepito/Locsin 2019). Against this background, nurses need to be integrated in the designing process of new technologies since the new technologies aim at supporting the nursing process. That means: nurses need to identify the area in need of new technologies, in order for them to meet the needs and requirements of professional and high-quality health care. The new technologies should be developed according to patient‘s needs and potential, to improve health and nursing care, and outcomes. We need more research into the areas in which technology should improve to support and optimize nursing and health care processes. We also need more research concerning the tasks and responsibilities that should be performed by nurses in the future when predictable tasks will be performed by robots, AI, and other new technologies. There is a lack of differentiated research findings on the meaningful and goal-oriented use of AI in nursing. However, the technologies increasingly being used in health and nursing care facilities generate considerable data, which can be very interesting and promising for innovative approaches in AI for nursing care. There is also a high need for research and development in the following areas: – to define the required competencies and new care concepts and their effect on outcomes of patient care.
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Digitalization and new technologies in care
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– to develop curricula for degrees accordingly, as, at the moment, they hardly contain the development of digital competences. – to develop new courses of study which include the new technologies and the development of digital skills for nursing practice. – to develop theoretical models and concepts of how the new technologies should work in nursing.
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Sabine Wöhlke / Juliane Leinweber
Bringing digitalization literacy on the ward: educational aspects of digital systems in health care professions
Background Changes in demographics continue to pose major challenges to health care professions and these challenges will become much more pertinent in the coming years. In 2030, approximately 30% of the German population will be over 65 years old, and 8% over 80 years old (Bendel 2018; United Nations 2015). From this perspective, it can be predicted that a rapid increase in the number of people in need of care can be expected. The need for healthcare professionals will grow (Michel/Ecarnot 2020; Klie 2014). However, this is already posing considerable challenges for the health professions. For example, the number of new nurses has shown a tendency of decline, which will exacerbate the existing shortage of skilled workers (Merkel et al. 2019; Noyes er al. 2020; Kaye 2017). In the future, expertise in the nursing profession will become more specialised and differentiated and, the increase of scientific knowledge will improve all areas of care practice (outpatient care, long-term care, acute care, intensive care) (Wozniak et al. 2019; De Luca 2019; Bertelsmann Stiftung 2012; BMG 2917; BMWI 2017; NASEM 2018). Competence-based learning can strengthen the profile of future health professionals by shaping their self-image as responsible practitioners, in whose practice technology is integrated as a necessary support (De Luca 2019). In order to act professionally, health professionals need to balance empathy and professional distance, altruism and self-care, as well as critical reflection and efficiency. These high standards are explicitly stated (laws or regulations) or implicitly expected as an expression of special trust in the profession (Ellaway et al. 2015; Fenwick et al. 2016). However, professional values are only one part of professionalism. These values are supplemented by up-to-date specialist knowledge which creates an increasingly higher expectation of benefits, application, and critical reflection of possible technologies to be used in one’s own field of action. The professional obligations are the basis for the social contract between health professionals on the one hand, and patients and society on the other. They
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Sabine Wöhlke / Juliane Leinweber
are the fundamental prerequisite for professional action. Accordingly, this professional action also implies “digital literacy”, which has been little discussed in the health professions to date, but highly demanded for some time by patient associations (Bendel 2018; BMG 2017; Glauner et al. 2021). The transformed care requirements, and the associated challenges in the everyday working lives of people in the healthcare profession, require digital skills to be taught in higher education and will require further specialization for healthcare professionals.1 Health professionals should participate in the joint development of solutions for health care situations (Safi et al. 2018; DarmannFinck/Einig 2019). Despite the risks surrounding the use of digital information and communication technology (ICT) (Definition in OEDC iLibrary), solutions do not pose an intrinsic threat to medical professionalism. Health professionals should therefore maintain the capacity for deliberate, ethical, and responsible practice when using new technologies. Health professionals must learn how to use new technologies and adopt a professional critical attitude (Safi et al. 2018; Kaye 2015; Alber et al. 2020; Leinweber/Dockweiler 2020; Leinweber/Schulze 2019). Digital professionalism should be considered a part of subject-specific professionalism, and needs to be integrated into the curricula of higher education. This can be taught via evidencebased-strategies, awareness, alignment, assessment, and accountability (e. g., O’Sullivan et al. 2018; Ellaway et al. 2015). Digital professionalism offers health professionals the opportunity to use the positive aspects of digital ICT systems while being mindful and aware of how to avoid or minimize, negative consequences (Ellaway et al. 2015; Tudor Car et al. 2019). This is the prerequisite for all health professionals to actively shape the (further) development of digital assistive technologies for use in their context of action. To enable long-term success through digital technologies, leading health professional associations are calling for a stronger focus on the central role of technology adoption. Digital competencies as a central building block in the curricula of school and university education of the health care professionals, also include newly emerging job profiles in this sector. For example, in the form of a “nursing digital companion”, as an intermediary between nurses and IT (Medical Guidance).
1 For an overview of the required digital competencies of nurses, see the contribution of Hasseler in this volume.
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Bringing digitalization literacy on the ward
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Cooperation between health care professions and informatics
Health professionals, are to be relieved and networked via new technologies (e. g., Kehl 2018; Hülsken-Giesler/Kriegs 2015; NASEM 2018). For example, nursing information systems are an existing and integrated part of the information systems in hospitals or stand-alone units in outpatient and inpatient care (BMG 2017; Shuzhenko/Holmgren 2020). They now encompass all areas of support for the nursing process, which are primarily carried out by nursing professionals. The use of ICT has to be adapted by healthcare professionals with the continuing digitization strategy of the German government. The digitization of the health professions (and here, in particular, data information processing), has been little concerned with the social evaluation of machine use. This makes it difficult for nurses to take an interest in this area. Mostly, the relationship between users and technology focuses on studies working out the added value for everyday professional life. Technology acceptance and critical reflection are necessary for a successful implementation. Despite the extensive use of digital IT systems in the health care sector, there are still considerable challenges to digital transformation (Hilbert/Lope 2011). While high levels of infiltration of digitized business processes have already been observed in industry and many service sectors, personal services such as care, and in particular long-term care, remain in a relatively digitally resistant position by virtue of their historical self-image (Safi et al. 2018; Shulzhenko/Holmgren 2020). Digitization, in particular of ICT-based systems, depend on the acceptance of their users, which is based on positive expectations and a sense of familiarity. Negative experiences with technologies can lead to mistrust, confusion, loss of control, and stress (Spiekermann 2019; Grimm et al. 2019; O’Sullivan et al. 2018). Ethical reflection can help to reconstruct emotional and rational elements of techno-euphoria and techno-scepticism and identify criteria for action orientation (Spieckermann 2019). Ultimately, this aspect involves a discussion of professional responsibilities that all health professions must assume. These range from causal responsibility (who caused the problem?), consequential responsibility (who is to blame?), attributed responsibility (who is held accountable?), to distributed responsibility (how is responsibility shared among actors?) (Grimm et al. 2019). Moral responsibility invokes concepts such as obligation and moral decision making. Professional obligation implies a duty to care for oneself and others, which goes beyond mere self-interest and implies accountability to others for one’s actions. A professional responsibility always includes a collective and organizational responsibility. The moral decision to recognize and act on one’s professional responsibility raises questions about the conception of the “good”,
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Sabine Wöhlke / Juliane Leinweber
about criteria or principles that should guide one’s actions, and about the extent of one’s freedom of choice. These criteria and principles, which go far beyond “informational self-determination”, are relevant for a reflective approach to ICT systems (ibid.).
2.
Laboratory report on a pilot seminar: Digitalized workplace of the health Professions
2.1
Background
As part of an interprofessional course “Digitalized workplace of the health professions” at the Health Campus Göttingen, a seminar was developed for the seventh semester (4th year), in which information technologies had to be critically evaluated in the clinical-practical work of nurses, speech and language pathologists, and physiotherapists. The goal was to sensitize the students to their field of activity through a basic understanding of ICT in its daily application. They should be able to understand digital standardized procedures, and the associated processes involved in creating a product or service. These products or services can be achieved with defined guidelines within the selected environment. In this way, health professionals won’t have to “blindly” trust ICT applications, as it generally is nowadays, but will be able to professionally asses and critically reflect upon them, thus feeling more secure in their use (Guerra 2019; Heldala/Helgese 2019). The students should be encouraged to use this knowledge in the future for critical reflection in their day-to-day professional life, and to relate their own digital competencies to it. As a competence goal, students should have acquired a basic understanding of the use of ICT systems in their own professional context by the end of the course. The five relevant drivers for improving education and training of ICT-supported subjects identified by Grabler et al. (2018) were taken as the background for the competence objective. According to these, students should acquire the ability to: 1. Build up a relevant knowledge base which they can use effectively in everyday professional life. 2. Optimize professional thinking to reduce cognitive errors. 3. Understand system-related processes in everyday professional life. 4. Effectively involve patients and the interprofessional team. 5. Acquire appropriate perspectives and attitudes such as acknowledge complexity and uncertainty, know concepts of risk and safety management.
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2.2
121
Teaching concept
The course was designed as a hybrid (synchronous and asynchronous) online seminar for a group size of about 40 students. In designing the seminar, the first step was to address the intrinsically diverse group of students in their procedural learning dimensions, before elaborating on the topic of digital technologies in the everyday professional life of nursing and therapy. Studies show that nurses have more reservations about new digital technologies in their field of work than, for example, administrative staff (Heldala/Helgesen 2019). Therefore, the educational process of the teachers and the knowledge potential of the students must be exploited in order to create an understanding of the acquisition of knowledge. The goal is to, through education, change the day to day professional behaviour, and therefore, challenging the current understanding of what it means to be a nurse (ibid.). The interprofessional seminar mentioned above, enables nurses to contribute constructive input to the interprofessional team in everyday clinical practice. By not only operating digital systems, but also understanding them, they can critically reflect on them, and behave more confidently. In particular, the ability to argue professionally is central to being able to represent one’s own position to colleagues from the same profession who are critical of technology. Another consideration is that ultimately, the understanding of what it means to be a patient in nursing care, will change. Patients increasingly expect enhanced health literacy in the direction of digital health literacy when interacting with healthcare professionals. The learning objective and the surveys frame the course, which is divided into four topics (see Fig. 4): (1) basic knowledge of ICT; (2) linking ICT to one’s own professional field; (3) evaluating ICT; and (4) application scenarios.
Fig. 1: Concept of the course
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122 (1)
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Basic knowledge of ICT
The topic was introduced by clarifying the generic term ICT. Basic requirements are necessary for electronic data processing, such as an ICT infrastructure that includes hardware and software. In principle, data processing consists of the generation, storage, use and archiving of digital information. The hardware here is the physical computing unit (servers, computers, tablets, smartphones, etc.), while the software is the virtual program which provides algorithms to perform tasks or support processes. (2)
Linking information technologies to one’s own professional field
To build on the aforementioned nursing identity formation, the next step was for students to describe and reflect on their everyday work, regarding information technologies. This included hospital information systems, practice information systems, electronic scheduler, and apps. It became clear that numerous information technologies of everyday professional life are already internalized to such an extend that it is difficult to realize that work tasks such as documentation/administration, billing, care planning, image data, free text data (dictations, flow texts), measurement data and laboratory data are often no longer perceived as ICT. The reflection was carried out to identify processes or problems that could be solved in everyday work through the use of ICT. Research identified that ICT could, for example, (1) reduce redundancies due to duplicate documentation or (2) pre-process image data to identify specific markers in a targeted manner, or (3) use trend derivations from time courses of patient data for use as medication aids in order to prevent cross-effects. The goal of this identification should be to address and further differentiate medical and nursing informatics (Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik; American Medical Informatics Association; Schäfer 2018) (3)
Evaluation of ICT
After the students’ awareness was raised for the new technologies available/used in everyday practice, a critical examination and evaluation of these technologies followed. In order to allow for the students to learn through effective communication, and to sensitize them to the use of these technologies in everyday professional life, the students were accompanied by permanent feedback from lecturers and peers during this section of the course.
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This was important as it is an area that leaves room for errors, e. g., in the transmission of information, and creates a, so far little used, opportunity to consult for second opinions. After creating an awareness of new technologies in everyday practice, a critical examination of the evaluation of assessments followed. To support learning through effective communication and to make it more sensitive for everyday professional life, the students were accompanied by close feedback from the lecturers as well as peer feedback in this section of the learning unit. After all, this is an area where there are weak points for errors; be it in the transmission of information or even in the hitherto little-used opportunities to use second opinions as a means of communication. To do this, the complexity of the medical device first had to be understood. Medical devices, in the clinical or outpatient setting, are all instruments, apparatus, devices, software, substances and preparations made from substances, or other objects, also including software specifically intended by the manufacturer to be used for diagnostic or therapeutic purposes. Also included are the various forms of software used for the proper functioning of medical devices, which are made available by the manufacturer to be used for the purpose they were created for (Schäfer 2018). As a more concrete application example, besides electronic patient records, the use of health apps should be elaborated, e. g., to work out the difference between health app and medical app on the basis of the “Digital Care Act” (DVG) (BMG). Finally, an ethical debate is also necessary at this stage. Thus, we are always dealing with norms in digital ethics as well, in order to search for appropriate and legitimate attitudes and courses of action for increasingly digitalized working worlds. Innovations like computers, their software and their algorithms, the use of robots, the collection and analysis of personal data, networking at almost any time of day, require the (new) negotiation of rules and norms for which there was no need not long ago (Grimm et al. 2019). In addition to the area of security and trust, which includes the data properties of confidentiality, integrity, availability, accuracy, auditability, accountability, reputation, and minimal as well as little monitoring by operators as possible, the knowledge domain is central to the present teaching concept. It includes informed consent and control in data collection, anonymity of data, data quality, transparency of processing and access to results and respect of privacy, fairness, and bias of results. The goal for a reflective approach should be to advocate for a freedom space that includes controllability of machines in order to preserve human autonomy, as well as, to establish the avoidance of technology paternalism in everyday professional life (Spieckermann 2019). This is followed by a gender-sensitive engagement in the development, use, and critique of new technologies, as to date there is a strong criticism in the sciences that technology is mainly developed by men, and thus women are ignored today in a world dominated by data (Criado-Perez 2020).
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Through the juridical discussion, the reference to the topic of data security and data sovereignty and the distinction between the first and second health market, succeeds quite easily. Knowledge of a solidarity-based health care system is necessary for solution-oriented competence acquisition. (4)
Application scenarios
As an in-depth task, the seminar group of five people, chose their own scenario for the setting “own current workplace”, and described it very precisely at first. The task for the group was to improve something in their work/organization/ action processes through software and/or hardware. The group had to identify such a potential for improvement in their already described scenario. They had to describe how ICT can support their working environment. From this, a goal was to be derived as to what specifically is to be achieved with ICT support (Target State). In this way, a possible representation of the Target State could be achieved through the ICT support of an app. Questions arose about whether a device would have to be newly acquired for this purpose or whether it is already available and can possibly be improved. Students had to describe the interaction between the desired ICT support and the users in detail. Higher-level application-specific aspects, such as data protection, data security, and compliance with basic ethical principles were also taken into account. The groups had to reflect on their scenario which ethical and gender-sensitive aspects could occur. Students had to recognise and reflect on the relevant ethical values and take them into account for the further planning2. Finally, the group should have identified, named and justified at least five functional, as well as two nonfunctional requirements, and at least three framework conditions. In the presentation of the application scenarios at the end of the seminar, the students demonstrated that they were able to deal critically with ICT in their own professional field of activity. The concept of the course, based on the topic of “Requirement Engineering” was positively evaluated by both, the students and the interdisciplinary teaching staff from nursing, therapeutic sciences and medical informatics.
2 When designing ICP, attention should be paid to gender-neutral construction. IT products are still often designed according to the principle of “one man’s size fits all”. For example, speech recognition programmes are mostly programmed from a male perspective. A study on voice commands by female emergency physicians showed errors that “potentially led to miscommunication that endangered the well-being of patients.” (Criado-Perez 2020, p. 224). However, when the classification software is trained with voice data from women, the software works smoothly (ibid, p. 225).
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2.3
Survey
To capture the competency goals, an online survey was administered to students in a pre-post design on learning content specific to computer science. The question categories covered ICT prior knowledge, expectations of the seminar, ICT relevance, ICT interest, ICT use, competence acquisition, and reflection. Before and after the seminar, six and eleven questions were asked respectively about the above-mentioned topics. They had to be answered with a free text, by multiple choice or as 5-point Likert scale (from 1 = “fully agree” to 5 = “fully disagree”). Before the seminar, 23 students participated in the survey. The results of the survey before the course showed that none of the students related the questions to their everyday work. Only key words such as computer, digitalization, technologization, software, hardware, mathematics or information transfer were mentioned. 60.9% of the participating students rated their involvement with the topic as very relevant (completely agree/agree) (see Fig. 1). 86.9% percent of the students participating in the survey were very interested in the practical implementation of digital information technologies for everyday nursing/therapeutic work (see Fig. 2).
I consider dealing with the interdisciplinary field of computer sciences to be relevant 20 15 9
10
6
5
0
5 0
applies completely
pre#y much applies
partly partly
does not apply much
0 strongly disagree
Figure 2: Results for the ICT relevance area before the seminar (n = 20)
In the post-test (n = 11), 81.8% of the students stated that the discussion of the topic was very relevant (fully agree/agree). 72.7% of the students surveyed considered the linking of informatics to nursing/therapeutics as a perspective to be more successful (or “to offer a perspective for success”) (see Fig. 4). Content such as the ethical dimensions was perceived as increasing competency. The hybrid teaching formats were perceived as varied. The intensive exchange with the working groups, which consisted of concrete feedback on the individual work
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I am interested in the prac$cal implementa$on of digital informa$on technologies for everyday nursing / therapeu$c work. 20 13
15 10
7
5 0
2
applies completely
pre#y much applies
partly partly
1 does not apply much
0 strongly disagree
Figure 3: Results for the ICT interest area before the seminar (n = 23)
steps and processing in the seminar, was rated as central to the success of this seminar. The students did not feel left alone or overwhelmed at any point during the seminar.
I think the linking of computer sciences to the nursing and therapeu$c perspec$ve has been successful 10 8
6
6 4
2
3
2 0
0 applies completely
pre#y much applies
partly partly
does not apply much
0 strongly disagree
Figure 4. Results on linking ICT with care/therapy after the seminar (n = 11)
3.
Conclusion
Digitization means change on many levels, for which a differentiated view is needed. On one hand, to view oneself and one’s actions with others in a digital society, on the other hand to select and/or use offers for patients in a critical and reflective manner. A contribution to the social discussion must also be made by
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the health care professionals themselves. A changed professional image, associated role profiles, professional attitudes and values have to be established. Legal regulations may also be needed, and finally it is necessary to be able to actively participate in the discourse, about what safe patient care, in a digital health care, should look like. Furthermore, a constantly reflective attitude and sensitivity to central concepts such as patient orientation, data protection, design, etc. is required. Ultimately, it is also a matter of changing teaching offers and formats. Educational establishments will have to review the extent to which teaching content, didactics and methodology are adapted to the challenges of digitization in order to successfully manage the digital transformation for health care professionals. For universities, digitization means a change and expansion of competencies, where they are appropriately qualified, and further training to improve their technology competence specific to their profession. In this way, the health care professionals can become active users and, when necessary, also co-designers. Digital competence development is a cross-sectional requirement for all occupational profiles and all qualification levels. New functions and qualifications, e. g. ICT trainers to accompany employees from the analogue to the digital world, belong in the structural context of education.
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Miriam Peters
Ethische Aspekte digitalen Lernens und der digital gestützten Lernstandsanalyse im Pflegeberuf und in der Pflegebildung
1.
Einleitung
Die Einsatzmöglichkeiten digitalen Lernens und digital-gestützter Lernstandsanalyse nehmen in der Pflegebildung und im Pflegeberuf durch die Zunahme der zur Verfügung stehenden Tools zu. Darüber verändern sich Lehr- und Lernprozesse sowohl für Lehrende als auch Lernende. Der Beitrag geht der Frage nach, welche digitalen Tools in der Pflegebildung und im Pflegeberuf zum Einsatz kommen und wie ethische Aspekte bereits bei der Entwicklung solcher Tools zu berücksichtigen sind. Schwerpunkte des Beitrags liegen auf der Anwendung von Serious Games als innovatives Lehr-Lernmedium, sowie der Anwendung digital-gestützter Lernstandsanalyse in der Pflegebildung und im Pflegeberuf. Hierzu werden eingehend aktuelle Entwicklungen im Pflegeberuf und in der Pflegebildung beschrieben, die einen wesentlichen Einfluss auf das Lernen im Pflegeberuf haben, um im Anschluss auf digitales Lernen und digitale Lernstandsanalyse einzugehen, bevor ethische Aspekte in der Konzeption derartiger Tools erläutert werden.
2.
Aktuelle Entwicklungen in Pflege und Pflegebildung
Fachkräfteengpass, Digitalisierung, demografischer Wandel: Megatrends, die Gesellschaft und berufliche Pflege vor Herausforderungen stellen. Um diesen im Bereich der Pflege zu begegnen, wurden Strategien auf verschiedenen Ebenen entwickelt. Auf der Ebene des Bundesgesundheitsministeriums (BMG), Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) und Bundesministeriums für Arbeit (BMAS) wurde 2018 die „Konzertierte Aktion Pflege“ (BMG, BMFSFJ, BMAS 2019) ins Leben gerufen. Bund, Länder und alle relevanten Akteure in der Pflege einigten sich darin verbindlich auf Ziele und konkrete Maßnahmen zur Verbesserung von Arbeitsbedingungen und Entlohnung, zur Schaffung von mehr Ausbildungsplätzen und mehr beruflicher Ei-
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Miriam Peters
genverantwortung für Pflegekräfte. Neben BMG, BMFSFJ und BMAS sind auch die Bundesländer, Pflegeverbände, Kranken- und Pflegekassen, Verbände der Betroffenen und die Bundesagentur für Arbeit an der „Konzertierten Aktion Pflege“ beteiligt. Die unterschiedlichen Aspekte wurden in fünf Arbeitsgruppen beleuchtet. Die erste Arbeitsgruppe hat sich mit Fragen rund um die Ausbildung beschäftigt. Daraus hervorgegangen ist die sogenannte „Ausbildungsoffensive Pflege“. Ein Ziel dieser Arbeitsgruppe ist unter anderem die Erhöhung der Anzahl an Auszubildenden um zehn Prozent. Dabei ist das Referenzjahr 2019. Die Arbeitsgruppe 2 hat sich mit Personalmanagement, Arbeitsschutz und Gesundheitsförderung auseinandergesetzt. Dies umfasst die Etablierung einer hinreichenden Personalausstattung, Personalbindung, die Entwicklung pflegerischer Führung sowie die lebensphasengerechte Aufgaben- und Dienstplangestaltung. In Arbeitsgruppe 3 wurden Ziele und Maßnahmen im Zusammenhang mit innovativen Versorgungsansätzen und Digitalisierung entwickelt. Hier geht es sowohl um die Konzeption und Entwicklung von erweiterten Aufgaben- und Verantwortungsbereichen für Pflegende und das Aufzeigen von Karrierewegen in der Pflege als auch um die Einbindung in die digitale Infrastruktur der Gesundheitsversorgung, die Entwicklung von Televersorgung im Bereich Gesundheit, die Überbrückung von räumlichen Distanzen, digitale Unterstützung von beruflich Pflegenden sowie die Einbindung von digitalen Technologien in der Häuslichkeit der Pflegebedürftigen, um eine möglichst selbstständige Lebensführung unter Bedingungen der Pflegebedürftigkeit aufrecht zu erhalten. Arbeitsgruppe 4 hat die Rekrutierung von Pflegekräften aus dem Ausland fokussiert. Dies umfasst nicht nur die Gewinnung von Fachkräften im Ausland, sondern darüber hinaus auch die Etablierung von Anerkennungsverfahren der Abschlüsse aus anderen Ländern, die Festlegung, Prüfung und Kommunikation der sprachlichen Voraussetzungen sowie deren Förderung. Arbeitsgruppe 5 hat sich mit den Entlohnungsbedingungen in der Pflege auseinandergesetzt. Hierbei geht es vorwiegend um die Verbesserung der Entlohnung in den Tätigkeitsfeldern der Altenpflege (BMG, BMFSFJ, BMAS 2019). Auf regionaler Ebene sind neue Versorgungsansätze Strategien, um den oben genannten Herausforderungen zu begegnen. So werden beispielsweise über den Innovationsfonds, dessen Ziel eine qualitative Weiterentwicklung der Versorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung in Deutschland ist, auch Projekte gefördert, die neue Aufgaben für die berufliche Pflege vorsehen. Zwei Beispiele sind hier die Projekte „Reko“ und „Hand in Hand“. Das Projekt „Reko“ hat sich zum Ziel gesetzt, über eine Case Management-Organisation und die sektorenübergreifende und fallbezogene Begleitung der Hilfeempfänger und -empfängerinnen die Versorgung im ländlichen Raum zu verbessern. Dies wird über eine digitale Vernetzungsplattform unterstützt, die den Datenaustausch zwischen den Sektoren erleichtern soll. Zudem verspricht man sich von einer lokalen Vernet-
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Ethische Aspekte digitalen Lernens und der digital gestützten Lernstandsanalyse
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zung eine Verbesserung des Hilfeangebots vor Ort für die Hilfebedürftigen (epd 2019). Im Projekt „Hand in Hand“ übernehmen Pflegende Hausbesuche bei hilfebedürftigen Personen, um Hausärztinnen und -ärzte zu entlasten (Marienhaus 2021). Im Bereich der Qualifikationen wurden in jüngster Zeit Studiengänge wie z. B. Community Health Nursing entwickelt. Diese Fachrichtung verfolgt primär einen Public Health-Ansatz, indem Pflegende, angepasst an die lokale Situation vor Ort, die Gesundheitsversorgung durch Koordination und Kooperation verbessern sollen. Um die Ausbildung zu modernisieren wurde darüber hinaus ein neues Pflegeberufegesetz (PflBG) verabschiedet, das am 1. Januar 2020 in Kraft getreten ist. Dieses Gesetz führt die drei Ausbildungsrichtungen Altenpflege, Gesundheitsund Kinderkrankenpflege und Gesundheits- und Krankenpflege in der generalistischen Ausbildung zusammen. Die Auszubildenden können derzeit nach zwei Jahren entscheiden, ob sie einen Abschluss als Pflegefachfrau/ Pflegefachmann wählen, oder ob sie einen gesonderten Abschluss als Altenpflegerin/Altenpfleger oder Gesundheits- und Kinderkrankenpflegerin/Gesundheits- und Kinderkrankenpfleger wählen. Mit dem neuen Gesetz kann eine Berufszulassung auch über ein primärqualifizierendes Hochschulstudium erworben werden. Eine weitere Strategie, um den skizzierten Herausforderungen zu begegnen, stellt der Einsatz von digital gestützten Lösungen beruflicher Pflege und Versorgung dar (BITKOM 2012; DAA 2017). Der Einsatz digitaler Technologien umfasst in Gesundheitsversorgung und Pflege: – elektronische Dokumentation – Datenmanagement – Diagnostik- und Entscheidungstools – technische Assistenzsysteme – Robotik – Telecare/Televisite – spezifizierte Anwendungsbereiche etwa in der stationären Versorgung (Regelund Intensivversorgung, Krankenhaus und Pflegeheime), in ambulanten Diensten, der Rehabilitation, in Betreuung und Wohnen, Logistik, Laboren und in der Pflegebildung. In Deutschland existiert inzwischen eine hohe Innovationsdichte in Form von Modellprojekten; eine Implementierung der entwickelten Technologien in der Versorgungspraxis gelingt derzeit allerdings noch selten (Boll-Westermann et al. 2019; Klein et al. 2018). Aus diesen sehr unterschiedlichen Technologien ergeben sich Bildungsanforderungen sowohl für die Ausbildung als auch für die Weiterbildung. Lehmann et al. (2019) fordern daher, dass „Kompetenzen zur Praxisentwicklung, Implementierung und Dissemination sowie Anwendung von
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Zukunftstechnologien wie Digitalisierung und Robotik“ (Lehmann et al. 2019, o. S.) anzubahnen seien.
3.
Digitales Lernen in Pflege und Pflegebildung
Im Bereich der Bildung sind zwei Entwicklungen zu beobachten. So werden aufgrund der zunehmenden Digitalisierung der Arbeitsprozesse in der Pflege digitale Kompetenzen nicht nur zur Anwendung, sondern auch zur kritischreflexiven Nutzung derselben, in der Versorgung benötigt. Die Kultusministerkonferenz (KMK) (2016) fordert, „dass der Kompetenzerwerb im Kontext von digitalen Arbeits- und Geschäftsprozessen als fächerübergreifende Querschnittsaufgabe angelegt sein muss“ (KMK, 2016, S. 20). Im Rahmen von Aus-, Fort- und Weiterbildung sind Pflegende systematisch darauf vorzubereiten (Peters/Hülsken-Giesler 2018). Bildungsprozesse selbst werden ebenfalls zunehmend digital unterstützt. Lernen wird im Kontext beruflichen Lernens als Zugewinn beruflicher Handlungskompetenz verstanden (Jeremias-Pölking et al. 2020). Lernende sind zu befähigen, „die eigene Medienanwendung kritisch zu reflektieren und Medien aller Art zielgerichtet, sozial verantwortlich und gewinnbringend zu nutzen“ (KMK 2016, S. 25). Diese Unterstützung wird als technologiebasiertes Lernen im Sinne der „Anwendung von Informations- und Kommunikationstechnik im Bereich der Bildung“ beschrieben (Niegemann und Weinberger 2019, S. 4). Die eingesetzten Technologien zeichnen sich durch „Interaktivität, Adaptivität und Multimedialität“ (Opfermann et al. 2019, S. 21) aus. Sie können nach Klauer und Leutner (2012) in Lehr- und Informationsmedien unterteilt werden. Informationsmedien sind dabei zunächst jegliche Medien, die einen Zugriff auf Informationen ermöglichen. Hierzu zählt beispielsweise das Internet. Dort kann über den Einsatz von Suchmaschinen und die Recherche in OnlineNachschlagewerken wie beispielsweise Wikipedia auf eine theoretisch unbegrenzte Informationsmenge zugegriffen werden (Opfermann et al. 2019). Lehrmedien sind „alle Medien, die neben dem reinen Zugriff auf Informationen noch weitere lernrelevante Funktionen erfüllen, wie z. B. das schon angesprochene selbstregulierte Lernen oder die Förderung von Transferfähigkeiten. Dabei werden Lehrmedien weiter unterteilt in Übungssysteme, tutorielle Systeme und Simulationssysteme“ (ebd., S. 24). Als Übungssysteme werden Lehrmedien mit Feedbackfunktion bezeichnet (Leutner et al. 2014). Der Übergang zu den tutoriellen Systemen ist fließend. Tutorielle Systeme haben die „Vermittlung und den Erwerb neuen Wissens zum Ziel“ (Opfermann et al. 2019, S. 25). Sie sind adaptiv und interaktiv gestaltet. Zusätzlich zur Feedbackfunktion werden die Lerninhalte entsprechend des Lernfortschritts angeboten. Unter den Begriff tutorielle Sys-
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Ethische Aspekte digitalen Lernens und der digital gestützten Lernstandsanalyse
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Digitale Medien im Lehr-Lernkontext
Übungssysteme
Unterrichtsmedien
Informationsmedien
Tutorielle Systeme
Simulationssysteme
Abbildung 1: Systematische Darstellung von digitalen Medien im Lehr-/Lernkontext (eigene Darstellung in Anlehnung an Opfermann et al. 2019, S. 24–26).
teme können auch computergestützte kooperative Lernszenarien und Formen des mobilen Lernens gefasst werden (ebd.). Simulationssysteme sind lernende Systeme, die Anwendungs- und Transferfähigkeiten fördern. Hierzu zählen insbesondere Lernspiele und GamificationElemente (ebd.). Im vorliegenden Beitrag wird exemplarisch diese Form der digitalen Lehrmedien beschrieben, da der Einsatz von Serious Games einen Mehrwert für den Unterricht darstellen kann, wenn das eingesetzte Spiel den Unterricht zielgerichtet und didaktisch intendiert erweitert (Weyland und Koschel 2019). Weyland und Koschel argumentieren weiter, dass die Nutzung durch die Lernenden den Wissenserwerb maßgeblich beeinflusst. Sie weisen darauf hin, dass zur Informationsverarbeitung Interaktionsprozesse unabdingbar sind. Hier liegen die Stärken von Serious Games, die ein zentraler Bestandteil von Interaktionsprozessen sein können. Im Bereich personenbezogener Dienstleistungen sind sie besonders geeignet, um Entscheidungsfindungskompetenzen sowie Kompetenzen im Bereich Kommunikation anzubahnen.
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Serious Games in der Pflegebildung
Unter dem Begriff „Serious Games“ werden digitale Lernspiele verstanden, die zu edukativen Zwecken eingesetzt werden. Eine einheitliche Definition hierzu existiert bislang jedoch nicht. Serious Games können als Gattung verstanden werden, unter der sich verschiedene Spielkonzeptionen und Genres wiederfinden. Kennzeichnend ist, dass sie über den Spielspaß hinaus ein übergeordnetes Ziel verfolgen, nämlich die Vermittlung von Inhalten und Wissen bzw. die Sensibilisierung für bestimmte Themen, die so konzipiert sind, dass eine tiefere Auseinandersetzung mit den vermittelten Inhalten angeregt und gefördert wird (Blötz 2015). Wattanasoonton et al. (2013) beschreiben die gattungstypischen Gesetzmäßigkeiten, die Serious Games zugrunde liegen: Gameplay, Herausforderung (challenge), Interaktion (interaction) und Zielsetzung (objective). Ein implizites Ziel dabei ist die Unterhaltung, ein explizites Ziel der Zugewinn an Wissen, Fähigkeiten und Erfahrungen (ebd.). Im deutschsprachigen Raum existieren in der Pflegebildung bislang nur wenige Serious Games. Für den Einsatz in Unterrichtskontexten der beruflichen Pflegeausbildung wurde beispielsweise das virtuelle Lernspiel „Take Care“ im Rahmen des vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und des Europäischen Sozialfonds geförderten Projektes „Game Based Learning in Nursing – Spielerisch Lernen in authentischen digitalen Pflegesituationen“ (GaBaLEARN) entwickelt, um die digitale Fallarbeit in der Pflegeausbildung zu unterstützen. Eine erste Version in Form eines Trailers kann über die Website abgerufen werden (GaBaLEARN 2021). Exemplarisch werden darin Personen mit chronischen Erkrankungen, wie beispielsweise Demenz, und komplexen Versorgungsbedarfen in einer langzeitstationären Einrichtung versorgt. Die Spielfigur Stefan (Pflegefachmann) führt in einer Variante in das Spiel ein und begleitet die Auszubildenden in komplexen Pflegesituationen und in der Zusammenarbeit im interdisziplinären Team. Biografisches Hintergrundwissen als zwischenmenschlicher und pflegefachlicher Zugang zu den Bewohnerinnen und Bewohnern des virtuellen Pflegeheims werden in das Spiel integriert und Kompetenzen im Bereich Entscheidungsfindung und Kommunikation angebahnt. Auch die Perspektiven von Pflegebedürftigen und Angehörigen werden dabei berücksichtigt. Professionelle Pflegearbeit basiert nicht nur auf den Bedürfnissen und Präferenzen der zu Pflegenden und ihrer Angehörigen (interne Evidenz), sondern auch auf pflegerischem Fachwissen (externe Evidenz; Behrens & Langer 2006). Professionelles pflegerisches Handeln begründet sich demnach einerseits über wissenschaftlich generiertes Wissen, andererseits über die individuellen Ressourcen und Bedürfnisse der zu Pflegenden (Weidner 2004). Fachwissen wird im Spiel in Form von virtuellen Bibliotheken zur Verfügung gestellt, deren In-
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halte in die pflegerischen Entscheidungen einfließen können. So lernen die Auszubildenden spielerisch mit komplexen Pflegesituationen sicher umzugehen. Lehrer, die das Lernspiel in den Unterricht einbauen möchten (Blended Learning), können ein Handbuch kostenlos auf der Homepage des BMBF-Verbundes herunterladen (GaBaLEARN 2021). „Take Care“ soll in einem Folgeprojekt systematisch weiterentwickelt werden. Ein weiteres Beispiel ist das Planspiel „Stress Rekord“ (Stress Rekord 2021). Planspiele beinhalten unterschiedliche Szenarien mit verschiedenen Handlungsspielräumen. „Stress Rekord“ wurde mit dem Ziel der Aneignung und Erprobung von Wissen in der Gesundheitsförderung und Prävention im Kontext von Pflegearbeit entwickelt. Das Spiel adressiert Führungskräfte, die im Rahmen des Spiels die Wahrnehmung und Erkennung arbeitsbedingter Belastungen sowie die Umsetzung geeigneter Maßnahmen einüben können. In den beiden vorgestellten digitalen Spielen werden Daten gesammelt z. B. über Zugriffszeitpunkte, getroffene Entscheidungen, Klicks etc., die im Rahmen von Learning Analytics, einer digital-gestützten Lernstandsanalyse, ausgewertet werden können.
3.2
Digital-gestützte Lernstandsanalyse in Pflege und Pflegebildung
Eine digital-gestützte Lernstandsanalyse ist eine pädagogisch motivierte Nutzung von im Bildungskontext gesammelten Daten mit dem Ziel, Muster, Gesetzmäßigkeiten zu erkennen und Prognosen zu erstellen, z. B. um Lernerfolge abzuleiten (Ferguson 2012; Schön/Ebner 2013, vgl. Abbildung 2). Dabei werden anhand von computergestützten Verfahren Daten über die Lernenden mithilfe von Algorithmen ausgewertet. Um Prognosen zu ermöglichen, werden Zusammenhänge von Variablen geprüft (Köchling/Kaiser 2021). Die Ergebnisse der Analysen ermöglichen den Lehrenden ein besseres Verständnis für Lernprozesse und den Lernenden eine Reflexion des eigenen Lernprozesses (Leitner/ Ebner 2017). Im Kern geht es um eine möglichst frühe Identifikation von Herausforderungen im Lernprozess, die Vorhersage von Lernerfolgen und ein tieferes Verständnis des Lernprozesses (Jeremias-Pölking et al. 2020). Im wissenschaftlichen Diskurs zeigen sich zwei Perspektiven zu Learning Analytics: Vertreterinnen und Vertreter einer primär datenwissenschaftlich begründeten Perspektive argumentieren, dass sich aus Daten sinnvolle Informationen ableiten lassen (Ebner et al. 2013; Wong/Chong 2018; Aldowah et al. 2019; Baker/Inventado 2014). Die Ansätze „Big Data“ und „Educational Data Mining“ folgen dieser These. In einer anderen Perspektive sind epistemologische, theoretische und methodologische Grundlagen vor der Konzeption der Fragen an die Daten zu be-
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rücksichtigen und die Ergebnisse vor dem Hintergrund der gewählten Theorien zu interpretieren und zu diskutieren (Knight/Buckingham Shum 2017). Das bedeutet, dass der Gegenstand der Analyse klar vorstrukturiert ist, etwa durch die Wahl eines Kompetenzmodells (Jeremias-Pölking et al. 2020). Im Bereich der Pflegebildung bestehen wichtige Aspekte beruflicher Handlungskompetenz wie etwa Empathie oder hermeneutisches Fallverstehen in sozialen Kompetenzen, die noch weitere Vorarbeiten im Bereich der Theorieentwicklung benötigen, um im Rahmen von algorithmenbasierten Lernstandsanalysen Aussagen zu ermöglichen. Für die algorithmenbasierte Lernstandsanalyse können Daten unterschiedlicher Kategorien verwendet werden (vgl. Abbildung 2). Diese können die Lernenden selbst, das Lernverhalten, den Lernprozess, den Lernfortschritt oder das Lernergebnis betreffen (Köchling/Kaiser 2021). Konkret können dies z. B. Nutzungszeitpunkt, Standortdaten, Navigationen in den Anwendungen, Mausbewegungen und Klicks sein (Becker 2013; Liu et al. 2016). Digitale Lernpla#orm
Gesammelte Daten über Lernende
Sozidemographische Daten (z.B. Name, Alter, Geschlecht, Bildungsstand der Eltern)
Administra"ve Daten (z.B. Kursbelegungen, Fehlzeiten)
Kurbezogene Daten (z.B. Log-In-Häufigkeiten, Prüfungsergebnisse, Diskussionsbeiträge)
Daten auf Sozialebene (z.B. Log-In-Häufigkeiten, Prüfungsergebnisse, Diskussionsbeiträge)
Learning Analy"cs
Informa"onen und Vorhersagen über • Lernprozess • Lernfortschri# • Lernergebnisse Handlungsempfehlungen für Lehrende
Abbildung 2: Datenquellen für digitale Lernstandsanalyse (Quelle: Köchling/Kaiser 2021, o. S., Abdruck mit freundlicher Genehmigung der Autorinnen).
Das Ziel der Lernstandsanalysen impliziert die pädagogisch zu begründenden Entscheidungen darüber, welche Daten unter Berücksichtigung der Machbarkeit und der Datenethik gesammelt und analysiert werden sollen. In Serious Games lassen sich beispielsweise aus der Nutzung von Tools innerhalb der Spiele Aussagen über Problemlösungskompetenzen ableiten. Aus der Nutzung von Chatfunktionen lassen sich Informationen zur Interaktion der Teilnehmerinnen und Teilnehmer gewinnen. Wenn es etwa darum geht, Informationen zum sozialen Miteinander einer Lerngruppe zu erhalten, könnten Daten zur Spielerinteraktion aus Gruppenchats relevant sein. Geht es um die Kompetenz zur Problemlösung,
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Ethische Aspekte digitalen Lernens und der digital gestützten Lernstandsanalyse
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könnten Daten über die Verwendung von Tools und Werkzeugen in einem Videospiel gesammelt und ausgewertet werden (Liu et al. 2016).
4.
Ethische Aspekte
Sowohl bei der Konzeption, als auch bei der Nutzung von Serious Games im Sinne von Learning Analytics, sind ethische Aspekte bedeutsam. So sollten im Rahmen der Spielentwicklung die Auswirkungen von Spielen antizipiert werden, was derzeit noch nicht gängige Praxis ist (Sandovar et al. 2016). Sandovar et al. (2016) schlagen vor, ethische Fragen parallel zu den Einführungen in die verschiedenen Phasen des Spielentwicklungszyklus aus Konzeption, Prototyping, Entwicklung und Evaluierung zu diskutieren und stellen zwei Rahmenwerke zur ethisch-sensiblen Entwicklung von Serious Games vor. Für den Bereich Spielentwicklung im Allgemeinen und Spielentwicklung im Bereich Pflege und Gesundheit im Besonderen sind bislang wenige Rahmenwerke zur ethisch-sensiblen Entwicklung von Serious Games bekannt (Vivekananda-Schmidt/Romano 2013; Sanodvar et al. 2016). Für eine Adaption der vier Prinzipien ethischen Handelns in der Medizin – Autonomie, Non-Malefizienz, Benefizienz und soziale Gerechtigkeit (Beauchamp/Childress 2008) – wird von Vivekananda-Schmidt und Romano (2013) folgender Rahmen vorgeschlagen: Indikationen für die Notwendigkeit der Entwicklung einer Intervention Ermittlung von Stakeholder-Präferenzen und Expertenmeinungen
Begründung für die Entwicklung einer neuen Ressource/Intervention Partizipatives Design
Kontextbezogene Aspekte
Berücksichtigung vorhandener Evidenz, Standards, Richtlinien und rechtlicher Faktoren Sicherstellung von Autonomie, Benefizienz Positiver Beitrag oder keine negativen und Non-Malefizienz Auswirkungen auf Stakeholder durch Intervention, Wahlmöglichkeit und Nutzen werden maximiert
Tabelle 1: Ethischer Rahmen für die Entwicklung von Serious Games (eigene Darstellung in Anlehnung an Vivekanananda-Schmidt/Romano 2013, o. S.)
Die Autoren entwickelten diesen Rahmen auf Basis eines Reviews. Allerdings gibt es bislang keine empirischen Belege dafür, „dass der Leitfaden die Analyse von ethischen Dilemmata in Serious Games und Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) zielführend unterstützt“ (Vivekanananda-Schmidt/ Romano 2013, o. S.). Der Leitfaden wurde im Kontext eines Projektes entwickelt.
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Empirischen Erhebungen in diesem Projekt zufolge bewerten die Nutzenden Autonomie in Bezug auf gesammelte Daten als vorrangiges Prinzip. Aufbauend auf den Rahmenwerken von Zagal (2009) und Flanagan und Nissenbaum (2014) entwickelten Sandovar et al. (2016) EDGE (Ecosystem for Designing Games Ethically). Der Rahmenentwurf Was Bedeutet es ein „game“ moralisch zu konzipieren? Wie können äußere Einflüsse die Entwicklung moralisch beeinflussen? Welche Geschä"smodelle können verwendet werden und welche ethischen Auswirkungen haben diese auf die Modelle? [5]
Der Gestalter Was muss der Gestalter für den Entwurf mitbringen und welchen Einfluss haben seine Ansichten auf die Gestaltung? Wie wirkt sich das auf die Gesellscha", das „game“ und die „game“-Erfahrung aus?[11]
Das „Serious Game“ Welche ethischen Herausforderungen und Grenzen gibt es in den verschiedenen Anwendungen von „serious games“? [1], [5]
Handhabung
Rahmenentwurf
Entwurf
Handhabung Rahmenentwürfen durch die „games“ beeinflusst werden?
serious game
Lehre
Gestalter
Lehrer
Rahmen Welche Handlungen werden als „gut“ bewertet? Produktwert
Der Lehrer Was steht dem Gestalter vom „game“ und Entwurf zur Verfügung und wie werden daraus moralische Entscheidungen getroffen, die die Lehre beeinflussen?[5]
Ethiken der Lehre Was bedeutet es ethisch zu lehren? Was bedeutet Fairness? Wie definiert man Betrug?
Ist die Existenz des „games” ethisch vertretbar? Hä#e ein weiteres „game“ zuvor konzipiert werden müssen?
Geschä!liche Moral Wie kann die Wertschöpfungske#e „games“ ethisch durchlaufen werden?
Abbildung 3: EDGE System (eigene Darstellung in Anlehnung an Sandovar et al. 2016, o. S.).
Grundsätzlich bezieht das Modell die Perspektiven der Designenden und der Spielenden und ihrer jeweiligen Kontexte mit ein. Für die Designenden wird vorgeschlagen eine reflektierende Haltung zu entwickeln, das sogenannte „Ethical Stewardship“. Dies wird erreicht durch: (a) die Entwicklung der erforderlichen Einstellungen (wie Respekt, Offenheit und Neugier), die als Grundeinheit des Ethical Stewardship dienen, (b) kritische Reflexion über Werte, (c) Entwicklung ethischer Kenntnisse und Fähigkeiten durch Bricolage und (d) die Entwicklung eines informierten Bezugsrahmens durch das Verstehen von Interessengruppen. Die letzte Ebene erzeugt ein gewünschtes externes Ergebnis, das zu mehr Reflexion im Design führt (ebd.). Mit Blick auf die Kontexte sollte sowohl der Kontext des Designs als auch der der Nutzung berücksichtigt werden. Diese beiden stehen in Beziehung zueinander. Der Kontext des Designs umfasst Fragen nach den Umständen und dem Umfeld der Entwicklung, während der Umstand der Nutzung auf die Zielgruppen und die Kontexte fokussiert, in welchen das zu entwickelnde Spiel genutzt werden soll. Aus Perspektive der Lernenden ergeben sich ebenfalls Fragen zum Spiel. Gerade in Lehr-/Lernkontexten sind Fragen nach Entscheidungen im Spiel von besonderer Bedeutung. Auf welcher Grundlage treffen die Spieler ihre Entscheidung? Werden Serious Games im Unterrichtskontext eingesetzt, können diese motivierende Lernumgebungen bereitstellen, aber auch ein an die individuellen
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Bedürfnisse angepasstes Lernmaterial sowie ins Spiel integrierte Bewertungen. Das Ziel von Serious Games ist die Unterstützung der Lernenden beim Erreichen von Kompetenzen. Im Spiel integriertes Feedback basiert meist auf durch Algorithmen ausgewerteten Daten, die dann im Sinne von Learning Analytics genutzt werden können. Auch damit ist eine Reihe ethischer Aspekte verbunden. Das Sammeln von Daten lässt es zu, Personen mit Lernschwierigkeiten zu identifizieren. Lee et al. (2020) berichten, dass dies ein häufiges Einsatzgebiet für Learning Analytics darstellt. Werden Herausforderungen über Learning Analytics identifiziert, erfolgen häufig personalisierte Empfehlungen sowie eine Visualisierung von Lerndaten mit dem Ziel die Lernleistung zu steigern und personalisiertes Feedback anzubieten (ebd.). Werden die individuellen Daten z. B. nach demografischen Aspekten, Lerntypen oder ähnlichem kategorisiert, besteht die Gefahr der Diskriminierung (Scholes 2016), wenn Einzelpersonen auf Grundlage ihrer Gruppenzugehörigkeit benachteiligt werden. Im Rahmen von Prognosen könnte es vorkommen, dass Lernenden mit niedrigerem sozialen Status, der sich beispielsweise über den Schulabschluss ausdrückt, ein geringerer Lernerfolg prognostiziert wird und „die automatisierte Prognose wiederum den Lernenden beeinflusst“ (Köchling/Kaiser 2021, o. S.). Auch die Anpassung der Angebote an die individualisierte Lernleistung ist eine ethische Frage, wenn den Lernenden aufgrund der gesammelten Daten Lerninhalte vorenthalten werden (Sandovar et al. 2016). Grundsätzlich stellt sich dabei auch die Frage, wie man mit Anstrengungen der Lernenden umgeht, die offline geschehen und keine Daten hinterlassen. So können sich Lernende beispielsweise aktiv durch Gespräche oder Bücher mit den fachlichen Inhalten eines Serious Games auseinandergesetzt haben. Diese Anstrengungen bleiben für das Spiel im Sinne von Daten unzugänglich und können dementsprechend auch nicht in die algorithmenbasierte Analyse einbezogen werden. Werden pädagogische Interventionen aus den algorithmenbasierten Lernstandsanalysen abgeleitet, müssen Lehrende über die notwendigen Kompetenzen verfügen, die Ergebnisse interpretieren zu können. Vivekananda-Schmidt und Romano (2013) konnten in ihrem Projekt zeigen, dass Fragen des Datenschutzes aus Perspektive der Nutzenden als prioritär bewertet werden. Pardo und Siemens (2014) halten Transparenz, die Datenhoheit der Lernenden, Sicherheit und Angemessenheit der Daten für zentral (zitiert nach Chatti et al. 2014). Dies impliziert auch, die Datensammlung nicht nach der technischen Machbarkeit bzw. interessanten pädagogischen Fragestellungen auszurichten, sondern das pädagogische Handeln an den Lernenden und ihren Interessen auszurichten (Jeremias-Pölking et al. 2020).
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5.
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Fazit und Ausblick
Eine grundsätzliche Herausforderung in Bezug auf die Entwicklung von Serious Games besteht darin, dass diese häufig im Rahmen von drittmittelgeförderten Projekten entwickelt werden. Dabei steht ein begrenzter finanzieller Rahmen zur Verfügung. Alternative Finanzierungsmöglichkeiten und Entwicklungskontexte scheinen dagegen kaum attraktiv zu sein, da auch bei den potenziellen Nutzerinnen und Nutzern – dazu zählen sowohl die Lernenden als auch Bildungsinstitutionen im Gesundheitswesen – wenig finanzieller Spielraum herrscht, also kaum Marktpotenzial für eine kommerzielle Nutzung vorhanden ist. Die Entwicklung und Pflege derartiger Spiele ist jedoch ressourcenintensiv, sodass noch offen ist, ob diese Lehr-/Lernform im Unterrichtsalltag ihren Platz finden wird. Durch algorithmenbasierte Lernstandsanalyse und interaktive, dynamische Lernumgebungen wie Serious Games ist es möglich, den Unterricht zu personalisieren und frühzeitig zu intervenieren, wenn der Lernerfolg gefährdet ist. Bildungsziele werden gefördert und es besteht die Möglichkeit den Unterricht effizienter und effektiver zu gestalten. Jedoch sollten die Lernenden selbst bei der Entwicklung und Implementierung miteinbezogen werden und Lehrende sollten sich bewusst machen, dass es zu Diskriminierungen kommen kann. Die zentrale Frage nach der Datenhoheit ist bereits von Beginn an bei der Entwicklung mit den Nutzenden gemeinsam zu diskutieren. Hierbei sind Dateninterpretation, Dateneinwilligung und Datenspeicherung zu beachten. Lernende sind zu sensibilisieren, welche Konsequenzen sich aus der Zurverfügungstellung von Daten ergeben können. Ethische Kompetenzen sollten frühzeitig bei Software-Entwickelnden und pädagogischen Fachkräften angebahnt werden. Der Einsatz von Serious Games und algorithmenbasierter Lernstandsanalyse erfolgt in Unterrichtskontexten auf der Basis von Curricula, welche gegebenenfalls an diesen Einsatz anzupassen sind. Zentrale Akteurinnen und Akteure für die Nutzung algorithmenbasierter Lernstandsanalyse stellen dabei Lehrende und Lernende dar (Köchling/Kaiser 2021).
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Ethische Aspekte digitalen Lernens und der digital gestützten Lernstandsanalyse
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Ethische Herausforderungen der Assistenzsysteme im Alter
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Kris Vera Hartmann
Die Vermessung des Alltags: Die Aktivitäten des täglichen Lebens in der Entwicklung von KI-gestützten Assistenzsystemen1
Einleitung Seit fast zwei Jahrzehnten wird im internationalen Kontext an sogenannten Ambient Assistive Living-Technologien (AAL) geforscht, die der Unterstützung von älteren sowie chronisch kranken Menschen dienen sollen. Mit diesen unterschiedlichen Technologien, die in der gewohnten Lebensumgebung installiert werden, soll eine Pflegebedürftigkeit herausgezögert werden. Die enge Kopplung von sozialen Zielen und Technikentwicklung ist auch in diesen Assistenzsystemen präsent. Neben den Fortschritten in der Sensortechnik, der Datenverarbeitung und der Künstlichen Intelligenz sind es auch soziale und normative Vorstellungen des Lebens im Alter, die in den komplexen Systemen ‚verbaut‘ sind. Mit Law (2015) kann man von einer „Formatierung der Technik“ (vgl. ebd.: 7) sprechen, mit der soziale Ziele erreicht werden sollen und die auf die soziale Realität zurückwirken. Diesen Zusammenhang von Lebenswelt und Technik sowie normativen Vorstellungen über ein (gutes) Leben (im Alter) untersucht dieser Artikel. Hierfür wird der Fokus auf die maschinelle Aktivitätenerkennung (Human Activity Recognition, HAR) gelegt, die einen technischen Schwerpunkt in der Entwicklung von AAL-Systemen bildet. Mit einer Analyseperspektive, die die AAL-Systeme als sozio-technischen Zusammenhang begreift (Urban 2019, S. 217), wird in diesem Beitrag ein Blick auf die Verbindungen der spezialdiskursiven Konzeptionen (Link 2007) der Aktivitäten des täglichen Lebens aus Ingenieurswissenschaften und Informatik sowie der Pflegewissenschaft geworfen. Um der Frage nachzugehen, welche Konzepte in die Aktivitätenerkennung eingehen, werden hierzu zunächst die Definitionen der Activities of Daily Living (ADL) aus den Pflegewissenschaften betrachtet und anschließend erläutert, was in der Aktivitätenerkennung im Bereich der AAL-Systeme unter ‚Aktivität‘ verstanden wird und welche konkreten Aktivitäten Eingang in die Aktivitäten1 Für wertvolle Hinweise zu diesem Beitrag danke ich Nadia Primc und Giovanni Rubeis.
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Kris Vera Hartmann
erkennung gefunden haben. Abschließend werden aus kritisch-sozialwissenschaftlicher Perspektive grundsätzliche Defizite und Gefahren der Technisierung aufgezeigt. Allgemein lässt sich sagen, dass es das Ziel von AAL-Systemen ist, älteren und chronisch kranken Menschen oder Menschen in der Rehabilitation ein Leben zu ermöglichen, das weitestgehend unabhängig von der Hilfe anderer Menschen ist. Hierzu werden Sensoren in der Wohnung platziert, die mit entsprechender Informationstechnologie Gefahrensituationen (z. B. Stürze) oder Verschlechterungen des Gesundheitszustandes der Nutzer:innen erkennen sollen. Bei den eingesetzten Sensoren kann es sich um sehr verschiedenartige Instrumente handeln: So werden z. B. Videokameras und Mikrofone eingesetzt, binäre Sensoren wie Strommessgeräte oder Drucksensoren im Bett genutzt. Zudem werden auch am Körper getragene Sensoren (‚wearables‘) oder sog. ‚blind vision-cameras‘ verwendet, die – ähnlich der Erzeugung eines Wärmebildes – aus für Menschen unsichtbaren Daten Bilder entstehen lassen (vgl. z. B. Alsina-Pagès et al. 2017; Gochoo et al. 2019; Jovanov 2019; Karakostas et al. 2020). Häufig werden verschiedene Sensoren kombiniert und Verfahren für die Datenverarbeitung eingesetzt, die der Künstlichen Intelligenz (KI) zugeordnet werden. Diese KIVerfahren erkennen Muster bzw. berechnen diese voraus, um damit Informationen zur Verfügung zu stellen, mit denen der gesundheitliche Zustand der Nutzer:innen erkannt werden soll. Aus den generierten und verarbeiteten Daten soll sich z. B. allgemein ablesen lassen, ob ein:e Nutzer:in noch ohne Hilfe leben kann, oder falls dies nicht mehr der Fall ist, wie viel bzw. welche Hilfe er oder sie in Zukunft benötigen wird. Der Einsatz von KI, d. h. in diesem Kontext vor allem Verfahren des maschinellen Lernens, ist in den verschiedenen Systemen oder Teilelementen sehr vielgestaltig. Es kommen dabei unterschiedliche Verfahren zur Anwendung (vgl. z. B. Ayari et al. 2016; Mostafa et al. 2018; Agarwal/Alam 2020; Liciotti et al. 2020), darunter Deep Learning und Künstliche Neuronale Netze, Entscheidungsbäume, Semantic Reasoning, Markov’sche Algorithmen, Bayes’sche Algorithmen, Nächster-Nachbar-Algorithmus, Fuzzy Logic, Association Rule, Support Vector Machine Learning und Clustering.2 Zur Aktivitätenerkennung können relativ einfache Verfahren angewandt werden: So kann z. B. aus der Messung des Öffnens oder Schließens von Rollläden ‚Aktivität‘ oder ‚Inaktivität‘ der Nutzer:innen geschlussfolgert werden (vgl. Kollewe 2017). Darüber hinaus hat sich in der Technikentwicklung eine spezialisierte, genauere Aktivitätenerkennung etabliert, die als bedeutend erachtete, umfangreichere Aktivitäten der Nutzer:innen erkennt und damit eine differenziertere Verhaltensbeobachtung möglich macht. Die ingenieurs- und informa2 Für eine Übersicht über die Entwicklung von AAL-Systemen vgl. den Review von Sapci und Sapci (2019).
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tionswissenschaftlichen Forscher:innen beziehen sich dabei direkt oder indirekt auf das Konzept der „Aktivitäten des täglichen Lebens“, das in den 1960er Jahren in der Pflegewissenschaft entwickelt wurde und auf das im nächsten Abschnitt genauer eingegangen wird.
2.
Die Aktivitäten des täglichen Lebens in den Pflegewissenschaften
Die in der Forschung zur Aktivitätenerkennung verwendete Bezeichnung ADL geht auf den „Index of ADL: A Standardized Measure of Biological and Psychosocial Function“ von Katz et al. (1963) zurück. Die Forscher:innen aus Medizin, Pflege, Soziologie und anderem entsprechend geschulten Personal am Benjamin Rose Hospital in Cleveland (USA) beobachteten hierfür 1001 Personen nach der Behandlung von Hüftfrakturen und ermittelten sechs Aktivitäten, die notwendig für ein eigenständiges Leben sind: bathing, dressing, toilet, transferring (bed/chair), continence und feeding. Aus dieser Beobachtung entwickelten sie einen ‚objektiven‘ Index (auf den später als ‚Katz-Index‘ referiert wird, vgl. z. B. Shelkey/Wallace 1999), der eine Bewertung in den Schulnoten A (most independent) bis G (least independent) ermöglicht. Neben der Anwendung in der Arbeit mit Kranken und Älteren wird auch auf ein anthropologisches Interesse hingewiesen: So gleichen Katz et al. den ADLIndex mit Studien zur Entwicklung von Kindern sowie von ‚primitiven Völkern‘ ab und kommen zu dem Schluss, dass diese sechs Funktionen anthropologische Notwendigkeiten seien. Während transferring, continence und feeding körperliche bzw. vegetative Funktionen sind, sind bathing, dressing und toileting sehr stark soziokulturell geprägt (Katz et al. 1963, S. 97f.). Katz et al. gehen davon aus, dass ihr Index in der Praxis hilfreich für Medizin, Pflege, Rehabilitation und Pflegeausbildung sein kann und Verschlechterungen, aber auch Verbesserungen im allgemeinen Gesundheitszustand mit Hilfe des Index ermittelt werden können. Eine weitere Besonderheit ist, dass Katz et al. die These aufstellen, es handele sich bei den Aktivitäten um eine geordnete Reihenfolge der Verbesserung und der Verschlechterung, wobei sie davon ausgehen, dass die Fähigkeit, ohne Hilfe die Toilette benutzen zu können, eine notwendige Voraussetzung darstellt, um eine Indizierung überhaupt erreichen zu können (ebd.). Die Verknüpfung der Aktivitäten des täglichen Lebens mit dem Wert der Unabhängigkeit wird bei Katz konkret ausgeführt: „Those who give care try to decrease dependency whenever possible on the premise that independence helps to sustain physical, emotional, and social strength. Independence
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in activities of daily living is important to such well-being and may, in fact, be a basic component in any definition of health of the aged.“ (Ebd., S. 99.)
Der Psychologe Lawton und die Gerontologin Brody entwickelten wenige Jahre später am Geriatrischen Institut Philadelphia, USA, den Index der „Instrumental Activities of Daily Living“ (1969). Sie bauen auf Basisaktivitäten auf, die im „Physical Self-Maintainance-Scale“ von Lowenthal (1964, zit. in Lawton und Brody 1969) konzeptualisiert wurden. Dieser enthält, ähnlich wie der ADLIndex, die als biologisch-physiologisch bezeichneten Aktivitäten toileting, feeding, dressing, grooming, physical ambulation und bathing. Der von Lawton und Brody erweiterte Index der „Instrumental ADL“ (IADL) umfasst darüber hinaus sozio-kulturelle Aktivitäten, die aus sozialwissenschaftlicher Perspektive hauptsächlich in den Bereich der Reproduktions- oder Carearbeit einzuordnenden sind: shopping, food preparation, housekeeping, laundry, ability to use telephone, mode of transportation, responsibility for own medications sowie die ability to handle finances. Bereits hier erkennt man, wie gesellschaftliche Vorstellungen in den Index eingehen, nämlich in Form von Geschlechternormen: Der Index wird in seiner damaligen Form geschlechterdifferenzierend angewandt. Für Frauen sollen alle acht Items gelten, für Männer hingegen werden die Items food preparation, laundry und housekeeping herausgerechnet (ebd., S. 182). Nach Graf (2008, S. 54) ist es heute gängige Praxis, alle acht Items für beide Geschlechter anzuwenden und zugleich auf individuelle Besonderheiten zu achten. Dufournet et al. (2021) schlugen jüngst vor, den IADL-Index, der in Frankreich häufig für die Evaluation von neurokognitiven Einschränkungen genutzt wird, um die Angabe zu ergänzen, ob die Person jemals diese Aktivitäten ausgeübt hat, und so eine falsche Einordnung oder Bewertung der Fähigkeiten zu vermeiden (ebd., S. 2). Dies erscheint sinnvoll, da es Menschen gibt, die Tätigkeiten dieser Art z. B. auch heute noch aufgrund von geschlechtlich kodierter Arbeitsteilung nie gelernt haben bzw. nie ausgeübt haben, da sie von anderen für sie ausgeübt wurden. Dem entsprechen die Zahlen in der Studie von Dufornet et al.. So haben von ihren befragten männlichen Personen zu 68,8 % und weiblichen Personen zu 17,7 % mindestens eine der Aktivitäten noch nie ausgeübt. Doufurnet et al. gehen davon aus, mit der Anpassung an das ‚normale‘ Leben der Untersuchten einen präziseren Wert über deren Zustand zu erlangen. Der Ansatz von Lawton und Brody ist weniger an einer anthropologischen Erläuterung interessiert, wie dies bei Katz et al. der Fall war, sondern an einer objektiven Bestimmung des Grades des ‚Funktionierens‘ eines Individuums und der damit zusammenhängenden professionellen Behandlungsplanung. Sie glauben, mit der Bestimmung der Hilfebedürftigkeit soziale Beziehungen und Gefühle, den human bias, außen vor lassen zu können:
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„Objective judgments are fostered. Worker, aged client, and family members may be subject to personal biases depending on such factors as the relationship with the particular older person, attitudes and views about older people in general, and individual personality patterns. Anchoring evaluation to the specifics of actual function serves to minimize distortions and to reduce global, subjective, or value-laden judgments.“ (Lawton/Brody 1969, S. 183)
Die Konzeption der ADL mit diesen Indizes ist jedoch nicht universal, und es gibt zahlreiche weitere Instrumente, die die Pflegebedürftigkeit messen sollen (für eine Auflistung einiger aktueller Bewertungsinstrumente auf Basis von ADL siehe Mlinac/Feng 2016). Vergleicht man die US-amerikanischen ADL mit dem entsprechenden deutschsprachigen Konzept der Aktivitäten des täglichen Lebens (ATL) zeigen sich – neben großen Gemeinsamkeiten – ebenfalls deutliche Unterschiede. Im deutschsprachigen Raum wurde der Begriff der Aktivitäten des täglichen Lebens von der Kranken- und Ordensschwester Juchli (1983) geprägt. Sie entwickelte die ATL aus dem Modell der Lebensaktivitäten (LA) von Roper et al. (1980), die sich auf das Grundbedürfnismodell von Henderson (1963) beziehen. Die Ausformulierung der ATL im Krankenpflege-Lehrbuch dient jedoch nicht der Einstufung von Pflegebedürftigkeit, sondern der Ausrichtung der Pflegearbeit an diesen Aktivitäten. Neben den auch von Katz et al. ausformulierten Aktivitäten werden hier weitere hinzugezählt: So wurden körperliche Aktivitäten atmen, ruhen und schlafen sowie regulieren der Körpertemperatur, psycho-soziale (für Sicherheit sorgen, sich beschäftigen, kommunizieren, sich als Mann /Frau fühlen und verhalten3) und spirituelle Aktivitäten (Sinn finden im Werden, Sein, Vergehen: Selbstwerdung, Selbstbewusstsein, Sterben) aufgenommen und damit als wichtig erachtet (Juchli 1983, S. 65).4 Juchli betont damit den ganzheitlichen Charakter ihres Pflegemodells (Juchli 2017). Daneben gibt es weitere Pflegemodelle, die u. a. im Beitrag von Bobbert und Rabe (in diesem Band) vorgestellt werden.
3 Während Juchli noch von „biologischen Gesetzlichkeiten“ spricht, die jedoch auch sozial und kulturell geprägt sind (Juchli 1983, S. 337), unterscheiden Drevin et al. in der neuesten Auflage des Lehrbuches (2017) in „biologisch-genetisches Geschlecht“ und „Geschlechtsidentität“, die individuell verschieden ausgeprägt sein können (Drevin et al. 2017, S. 598). 4 Die Aufteilung in ATLs wurde bis zur 13. Auflage des Lehrbuches (2017) beibehalten. Im komplett neu entstandenen Pflege-Lehrbuch von Thieme ab 2015 (O. V. 2020) taucht diese Gliederung nur noch im Kapitel „Pflegebasismaßnahmen“ auf.
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Die ADL in der Maschinellen Aktivitätenerkennung
Im Rahmen einer qualitativen Inhaltsanalyse5 von 255 internationalen Forschungsartikeln in Fachzeitschriften zum Thema Ambient Assisted Living konnte der Schwerpunkt der Aktivitätenerkennung bei 93 Artikeln festgestellt werden, in 47 Artikeln wurden einzelne Aktivitäten benannt.6 In diesem Abschnitt sollen zunächst in Grundzügen die Prinzipien der Aktivitätenerkennung erläutert werden, um dann auf die einzelnen hier aufgeführten Aktivitäten einzugehen. Ziel der Aktivitätenerkennung im Bereich des Ambient Assisted Living ist es, durch intelligente Mustererkennung, Abweichungen im Verhalten der Nutzer: innen zu entdecken, die Anzeichen von Krankheit, funktionaler Verschlechterung, oder Gefahrensituationen (z. B. Stürze) sein können und einen externen Eingriff erforderlich machen können (vgl. z. B. die Studien von Diraco et al. 2017; Eisa/Moreira 2017; Diraco et al. 2019; Gochoo et al. 2019; Fahad/Tahir 2020; Golestan et al. 2020). Mit der Erkennung der Aktivitäten soll ein indirektes Monitoring stattfinden: Anhand der unterschiedlichen Sensordaten soll der allgemeine Zustand der Nutzer:in gemessen und bewertet werden. Der Fokus wird in der Aktivitätenerkennung jedoch nicht auf eine Erfassung der gesamten menschlichen Aktivitäten gelegt, sondern auf Aktivitäten, die als wichtig für den gesundheitlichen Zustand erachtet werden. Sousa Lima et al. (2019) definieren Aktivitäten als eine wiederholbare Kombination einer Menge an Aktionen in einem bestimmten Zeitraum und einer bestimmten Umgebung (ebd.). In Verbindung mit Sensoren können diese formalisiert werden als Ereignisse, die durch Zeit, Sensor und Sensormeldung (ebd.) bestimmt sind. Aktivitäten können niedrige oder höhere Komplexitätsgrade aufweisen, wobei sog. Low-Level Aktivitäten, wie z. B. laufen, direkt durch die Sensordaten erfasst und analysiert werden können und sich High-Level-Aktivitäten, wie z. B. arbeiten, erst durch eine Kombination mehrerer Low-Level-Aktivitäten ergeben (ebd., S. 2f.). Eine wichtige Frage dabei ist, wie die Aktivitätsmuster generiert werden. Es wird dabei in data-driven und knowledge-driven Verfahren unterschieden, die 5 Die Analyse ist Teil des vom Baden-Württembergischen Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst geförderten Projekts „Entwicklung ethischer Anforderungen an KI-basierte Assistenzsysteme im Alter“ am Institut für Geschichte und Ethik der Medizin der Universität Heidelberg. Zur Zusammenstellung des Samples wurden für den Zeitraum 1999–2020 mehrere Suchläufe mit den Schlüsselwörtern „Ambient Assisted Living“ und „AAL“ über die Datenbanken PubMed und Science-Direct durchgeführt. Für die Analyse wurden hieraus Artikel aus den ingenieurs- und informationswissenschaftlichen Disziplinen ausgewählt, in denen Techniken des Maschinellen Lernens angewandt wurden. 6 Für den aktuellen technischen Forschungsstand der maschinellen Aktivitätenerkennung siehe die Reviews von Sousa Lima et al. (2019) und Ariza Colpas et al. (2020).
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meist kombiniert werden. Für einen data-driven Ansatz werden bereits existierende, annotierte Datensätze mit Verfahren des maschinellen Lernens analysiert (Trainingsprozess), Aktivitätsmodelle erstellt und diese anschließend auf ihre Verallgemeinerbarkeit hin getestet und neue Aktivitäten generiert. Für knowledge-driven Verfahren hingegen werden sog. Ontologien erstellt. In diesem Zusammenhang sind dies Auflistungen von diversen, hierarchisch strukturierten Objekten und deren Verhältnissen zueinander, durch die die Aktivitäten maschinenlesbar modelliert werden (Salguero/Espinilla 2018, S. 1). Beispiele hierfür finden sich bei Ni et al. (2015) in ihrer „Taxinomy of Activities relating to the Elderly Independent Living“ sowie ihren weitergehenden Konzeptualisierungen (ebd., S. 11323ff.) oder auch in der „ADL ontology“ von Okeyo et al. (2014). Wie die qualitative Inhaltsanalyse zeigte, werden die Aktivitäten jedoch nicht einheitlich modelliert und können sich aus ganz unterschiedlichen Daten zusammensetzen. Die nach der systematischen Literaturanalyse von Ariza-Colpas et al. (2020, S. 10) als besonders nützlich bezeichneten 15 Studien, die Datensätze nutzen, welche zur Entwicklung von Algorithmen zur Aktivitätenerkennung verwendet werden können, beinhalten keine Massendaten (Stichwort Big Data), sondern in den zitierten Studien wurden lediglich 1–30 Testpersonen für das Training und das Testen von Algorithmen eingesetzt. Die erforderliche große Datenmenge ergibt sich hier also nicht aus einer großen Anzahl von Testpersonen, sondern aus den vielfältigen Sensordaten. Die Messungen werden meist mit zuvor deduktiv gebildeten Kategorien durchgeführt, d. h. die Modellierungen der Aktivitäten fanden im Vorhinein statt und sie wurden nicht anhand der tatsächlichen Lebensbedingungen und der zugehörigen Aktivitäten erfasst. Es ging also bei der Generierung der Daten nicht um die Frage, welche Aktivitäten von Bedeutung sind, sondern wie zuvor definierte Aktivitäten ausgeführt werden und gemessen werden können. Dies ist anders bei KI-Verfahren, die Durchschnittswerte vergangener Messungen als Normen setzen, anhand derer das Verhalten von Nutzer:innen beurteilt wird. Ein Beispiel aus einem anderen Kontext ist die Studie von Wang/Kosinski (2018), in der künstliche Neuronale Netze bestimmte Eigenschaften von Menschen – in diesem Fall ihre sexuelle Orientierung – anhand der Korrelationen zu physiognomischen Merkmalen ‚erkennen‘. Während bei einer Generierung durch Durchschnittswerte aus einer überindividuellen Datensammlung also die Normierungsgefahr von vorneherein größer ist, rückt bei individuell generierten Normwerten die Normierungsgefahr vor allem hinsichtlich Spontaneität in den Fokus. Es stellt sich die Frage, wieviel Spielraum es für sich veränderndes Verhalten gibt, das nicht als abweichend und damit potentiell als pathologisch eingeordnet wird. Bei zu wenig Spielraum werden Nutzer:innen in ihrem Verhalten als statisch betrachtet, was mit einem bestimmten Alters- und Menschenbild zusammenhängt. Man spricht hierbei auch von einem age script (Neven 2015), d. h. einer bestimmten stereotypen
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Vorstellung davon, wie ältere Menschen sich verhalten, welche Bedürfnisse sie haben, welche Ziele sie verfolgen und welchen Lebensstil sie pflegen. In diesem age script sind keine Veränderungen im Lebensstil mehr vorgesehen und bei Auftreten von verändertem Verhalten gerät der oder die Nutzer:in unter medizinischen Verdacht. Zu viel individueller Spielraum wiederum kann die Funktionalität des Systems unterlaufen, wenn z. B. bestimmte Schwellenwerte zu hoch oder zu niedrig angesetzt oder kontinuierlich neu berechnet werden, also an den Alltag der Nutzer:innen angepasst werden. Dies kann dann bedeuten, dass bestimmte Auffälligkeiten, die als Frühwarnzeichen einer Krankheit verstanden werden können, für Einzelne für normal befunden werden. Die folgende Tabelle zeigt eine Übersicht über die in den untersuchten Artikeln genannten, zusammengefassten Aktivitäten und – wo möglich – eine Zuordnung zu den zuvor beschriebenen pflegewissenschaftlichen Aktivitätskonzepten. Die Zuordnung erfolgte hierbei nur anhand der ersten Ebene (Spalte 2); weitergehende Unterscheidungen – wie z. B. die Erkennung von bestimmten Mahlzeiten oder Getränken (z. B. Bersch et al. 2014, S. 4243f.) und die technischen Modellierungen wurden nicht berücksichtigt. Für nicht direkt zuordenbare Aktivitäten wurden die Kategorien „Gesundheitspraktiken“ sowie „Raumbezogene Aktivitäten“ gebildet. Tabelle 1: Übersicht über die in den untersuchten Artikeln genannten, zusammengefassten Aktivitäten und Zuordnung zum Aktivitätskonzept Zugeordnetes Aktivitätskonzept
Aktivität Hygiene und Körperpflege
Unteraktivität 1 Hygiene Körperpflege
Unteraktivität 2
Toilette benutzen Duschen/Baden
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Anzahl Artikel (n=47) 20 6 18 13
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(Fortsetzung) Zugeordnetes Aktivitätskonzept
Aktivität
Sich bewegen ADL (Katz et al. 1963)/ ATL (Juchli 1983)
Sich kleiden Kontinenz Schlafen und Ruhen
Unteraktivität 1 Sitzen Laufen
Unteraktivität 2
Treppensteigen Hinlegen
4 3
Aufstehen Umherwandern
2 2
Umdrehen Nächtliche Bewegung
2 2
Sich bewegen (allg.) Hinsetzen
2 1
Sich an-/umziehen Kleidung aussuchen Ruhen
4 2 12
Schlafen Telefonieren (s. u.)
14 11
Empfang von Besuch u. KonKommunizieren versation Geburtstagskarte schreiben
ATL (ebd.)
Anzahl Artikel (n=47) 14 11
3 2
Sprechen TV/DVD schauen
2 15
PC/Laptop/Tablet benutzen Lesen (allg.)
9 4
Busfahrplan Zeitung
1 1
Buch Anleitung
1 1
Sich beschäftigen Lesen Lernen Musik hören
1 1
Radio hören Atmen Regulieren der Körpertemperatur Für Sicherheit sorgen
1 -
Sinn finden im Werden, Sein, Vergehen Sich als Mann/Frau fühlen und verhalten
-
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(Fortsetzung) Zugeordnetes Aktivitätskonzept
Aktivität Mahlzeiten zubereiten
Haushaltsarbeit
IADL (Lawton/Brody 1969)
Unteraktivität Unteraktivität 1 2 Essen zubereiten Getränke zubereiten
Anzahl Artikel (n=47) 27 12
Putzen Haushaltsarbeit
10 5
Geschirr spülen Staubsaugen
4 3
Bügeln Tisch decken/abräumen
3 3
Pflanzen gießen Müll herausbringen
3 1
Medikamente verwalten/nehmen Telefonieren (s. o.) Waschen Zusammenlegen
9 1
Aufhängen Finanzverwaltung
1 4
Einkaufen Benutzung von Verkehrsmitteln
3 -
Wohnung verlassen Wohnung betreten
12 6
Tür öffnen/schließen Fenster öffnen/schließen
2 1
Elektrische Geräte benutzen Sport treiben
1 5
Meditation
3
Wäsche
Raumbezogene Aktivitäten*
Gesundheitspraktiken* *eigene Kategorie
12 11
Zunächst soll ein Blick auf die Aktivitäten geworfen werden, die nicht in den technischen Artikeln zur Aktivitätenerkennung aufgeführt sind. Die Aktivität für Sicherheit sorgen (ATL) taucht zwar in den technischen Modellierungen nicht auf, kann aber bereits in der Verwendung des Systems impliziert sein: Als Nutzer: in versuche ich für Sicherheit zu sorgen, in dem ich ein AAL-System benutze, denn ‚Sicherheit‘ ist in ihren beiden Dimensionen ‚security‘ und ‚safety‘ neben ‚Unabhängigkeit‘ und ‚Privatheit‘ zwei der am meisten verwendeten normativen Begriffe in den untersuchten Forschungsartikeln. Die Aktivitäten Türen und
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Fenster schließen/öffnen könnten darüber hinaus ebenfalls diesem Bereich zugeordnet werden. Weiterhin fehlen die körperlichen Funktionen Kontinenz (ATL: ausscheiden), atmen und regulieren der Körpertemperatur aus dem Pflegemodell von Juchli. Die Abwesenheit dieser Aktivitäten weist auf der einen Seite auf die – auch aus ethischer Perspektive – schwierige Messbarkeit hin. Zur Erkennung wären hier anstelle der verwendeten Umgebungssensoren Körpersensoren oder wearables mit den entsprechenden, stärkeren Eingriffen in die körperliche Privatsphäre der Nutzer:innen notwendig. Auf der anderen Seite sind diese körperlichen Funktionen so basal, dass falls jemand diese nicht mehr beherrscht, der Rahmen des AAL-Konzepts gesprengt werden würde, da Unterstützung von anderen Menschen (bzw. anderen Technologien) notwendig wird, die das System nicht leisten kann. Deutlich wird das vor allem hinsichtlich der Fähigkeit zur Benutzung der Toilette: Bereits im Katz-Index ist going to toilet eine Basis-Aktivität, die eine notwendige Bedingung für ein vollständig unabhängiges Leben darstellt. Aus dieser Logik heraus würde Inkontinenz den Bereich des AAL verlassen, da eine Unabhängigkeit auf Basis des ADL-Index nicht mehr erreicht werden kann. In der Auflistung der erkennbaren Aktivitäten aus dem ganzheitlichen Pflegekonzept von Juchli fehlen zudem Aktivitäten, die nicht mit Sensoren messbar sind (Sinn finden und sich als Mann/Frau fühlen und verhalten). Körperliche/ somatische Aktivitäten, die die ADL- und ATL-Konzepte auflisten, sind hingegen in weiten Teilen abgedeckt. Auch soziale Aktivitäten werden größtenteils als bedeutsam angesehen, auch wenn sich das Kommunizieren weitgehend im Telefonieren erschöpft. Reproduktionstätigkeiten aus dem IADL-Konzept werden ebenfalls aufgegriffen. Vor allem Mahlzeiten und Getränke zuzubereiten spielt für einige AAL-Systeme eine große Rolle. Deutlich wird also die Nähe zu den pflegewissenschaftlichen Konzepten der Aktivitäten des täglichen Lebens, die einerseits zur Vereinfachung und Objektivierung der zunächst noch menschlichen Einschätzung des allgemeinen Zustands von Personen entwickelt wurden, andererseits in Pflegemodellen wie dem von Juchli auftauchen und die Aufgaben von Pflegenden definieren sollen. Während sich der ADL-Index von Katz et al. und Teile der ATL von Juchli vor allem auf körperliche Basisfunktionen beziehen, geht der IADL-Index von Lawton und Brody auf Fähigkeiten zu sozialen Reproduktionstätigkeiten sowie Kommunikationsfähigkeiten und Fähigkeiten zur Teilhabe am gesellschaftlichen bzw. gemeinschaftlichen Leben ein. Mit Juchli, die auch Kommunikation aufführt, lassen sich darüber hinaus noch die Fähigkeit zur Beschäftigung ausformulieren sowie psychosoziale Tätigkeiten der Geschlechtlichkeit (doing gender) und der Sinnsuche ergänzen. Im Abgleich mit den in ingenieurs- und informationstechnischen Artikeln zu findenden Konzepten der Aktivitäten des täglichen Lebens wird deutlich, dass
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diese sowohl über die pflegewissenschaftlichen Konzepte hinausgehen als auch hinter ihnen zurückbleiben: Es werden körperliche Basisaktivitäten hervorgehoben, Tätigkeiten aus dem Bereich der Reproduktionsarbeit und der Beschäftigung – vor allem in der passiven Variante der Unterhaltung bzw. des Konsums von Medieninhalten, aber auch der Beschäftigung am PC, der vielfältige Möglichkeiten bietet – als relevant erachtet. Lässt man die selten auftauchende Meditation außer Acht, bleiben spirituelle Tätigkeiten sowie die psychosozialen Praktiken der Geschlechtlichkeit in der technischen Erfassung unberücksichtigt, was vermutlich auf Schwierigkeiten der Operationalisierung und Messbarkeit zurückzuführen ist. Für wie wichtig einzelne Aktivitäten betrachtet und welche Kombination an Aktivitäten in der Erkennung implementiert werden ist je nach System unterschiedlich. Aus pflegeethischer Perspektive wird die Aktivitätenerkennung auch hinsichtlich der Datenverarbeitung relevant: Was passiert mit den gemessenen Aktivitäten? Werden die Nutzer:innen informiert, wenn Abweichungen von den gesetzten Verhaltensnormen festgestellt werden oder wird eine externe Stelle hinzugezogen? Wie stark ist das System an die Bedürfnisse und Vorstellungen der Nutzer:innen anpassbar? Um dies beurteilen zu können, muss jedes einzelne System genauer untersucht werden. Zur Illustration sollen hier zwei Systeme beschrieben werden, die aus der Messung bestimmter Aktivitäten Kennwerte errechnen und daraus einen als eindeutig wahrnehmbaren Maßstab erstellen. So werden in der smarten Küche, die Blasco et al. (2014) entwickelten, Daten über die Verwendung von Kochfeld, Kühlschrank und Waschmaschine, Türsensoren und RFID-Sensoren (RadioFrequenz-Sensoren) gesammelt und mit Angaben ergänzt, die der:die Nutzer:in mit Hilfe einer Bedienoberfläche (interface) eingeben kann (ebd., S. 1639). Diese Daten werden verwendet, um in regelmäßigen Abständen die ‚Lebensqualität‘ (Quality of Life) der Person zu evaluieren. Hierzu wird ein Bericht an eine pflegende oder angehörige Person verschickt, welcher die Ergebnisse der Datenanalyse enthält. Zur Erstellung des Kennwerts werden Veränderungen in den Aktivitäten Wäsche waschen, einkaufen und kochen analysiert, von denen die Autor:innen annehmen, dass sich an ihnen eine Verschlechterung der physischen, kognitiven oder sensorischen Fähigkeiten ablesen ließen: „[…] for example, if the user starts going to the fridge at night (might indicate insomnia) or if s/he is doing the laundry less and less often (might indicate that he/she is wearing dirty clothes).“ (Ebd., S. 1643)
Auch Ghayvat et al. (2019) entwickeln einen Kennwert, der sich aus den ADL ergibt. Aus vielfältigen Sensordaten werden zunächst Aktivitäten errechnet, aus welchen sich ein hidden wellness parameter ergibt. Anhand dieses Parameters soll sich das allgemeine Wohlbefinden der Person ablesen lassen und Pflegenden
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eine Hilfestellung geboten werden. Hierzu errechnet das System Kennwerte, die sich aus der Nutzung/Nichtnutzung sowie der Dauer der Nutzung/Nichtnutzung von mit Sensoren ausgestatteten Haushaltsgegenständen, Möbeln und Zimmern7 errechnen und mit saisonalen und zufälligen Abweichungen ergänzt werden (ebd.: 16). Die erfassten Aktivitäten hier sind umfassender als in dem zuvor genannten Beispiel: bedtime, entry, exit, water cattle, television, food preparation-cooking, dining table–eating chair, microwave oven, fridge usage (by the door), wash basin/kitchen hygiene/dishwashing, shower, toilet usage, computer use, sofarelax (ebd., S. 24). In beiden Beispielen wird dabei davon ausgegangen, dass das System objektive Werte erzeugt, die nicht von zwischenmenschlichen Verhältnissen beeinflusst werden sollen. Somit soll ein human bias vermieden werden, der Emotionen, Stimmungen, Sympathien etc. in die Beurteilung der Lebensqualität einfließen lässt. Allerdings werden auch hier normative Vorstellungen von richtigen Verhaltensweisen, die zur richtigen Zeit ausgeübt werden sollen, investiert.
3.
Diskussion
Die Untersuchung hat gezeigt, wie in der Entwicklung von Assistenzsystemen normative Vorstellungen über das richtige Leben im Alter präsent sind. Diese Vorstellungen sind hauptsächlich an die Kategorisierungen aus den Pflegewissenschaften, aber auch an die lebensweltlichen Ideen über das, was „alte Menschen tun“, welchen Aktivitäten sie (noch) nachgehen, angelehnt. Eine soziale Formatierung der Technik wird hier überdeutlich. Auf welchen Prinzipien diese Formatierung basiert und welche Gefahren sie birgt, wird im Folgenden beleuchtet.
Vereinfachung durch Standardisierung Die maschinelle Aktivitätenerkennung arbeitet stark mit Vereinfachungen, die jedoch bereits in der pflegewissenschaftlichen Konzeption der ADL in der frühen Pflegewissenschaft angelegt sind. Die Konzeptualisierung der ADL ist ein Teil der Professionalisierung des pflegerischen, auch impliziten Wissens. Professionalisierungen beinhalten stets auch Vereindeutigungen von Begriffen, die auf den „Idealtyp der mathematischen Formel“ (Link 2007, S. 228) zugeschnitten werden. 7 Die hier verwendeten Sensoren sind: Kraft-Sensoren, Thermometer (außen und innen), Passiv-Infrarot-Sensoren/ Pyroelektrische Sensoren, Rauchmelder, Nutzungssensoren für elektronische und elektrische Geräte sowie Drucksensoren (Ghayvat et al. 2019, S. 10).
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Das Wissen wird durch die Beseitigung von Uneindeutigkeiten und Konnotationen (ebd.) verfestigt und standardisiert (Mau 2017, S. 219) sowie quantifiziert, was per se eine reduktionistische Herangehensweise ist (ebd., S. 221). Indizes wie der ADL-Index und der IADL-Index sind somit immer eine Vereinfachung einer komplexen Situation, die sich aus medizinisch-biologischen, psychologischen und sozialen Aspekten zusammensetzt. Ziel der kategorischen und quantifizierenden Modelle ist immer auch Objektivität: Durch die Verwissenschaftlichung sollen subjektive Faktoren (z. B. zwischenmenschliche oder emotionale Aspekte) aus der Bewertung ausgeschlossen, eine möglichst objektive Darstellung sowie ein rationales und effizientes Handeln realisiert werden. Die Kategorien der ADL-Modelle werden mit der Technisierung weitergetrieben und ausgebaut. Wie bei der Modellierung in den Pflegewissenschaften werden die von den Algorithmen errechneten Werte als objektiv betrachtet: Der technische Blick soll sogar noch objektiver sein als der professionelle, der immer noch zu stark von menschlichem Denken geprägt ist. Deutlich wird dies z. B. in der Formulierung der Vermeidung eines human bias (Eisa/Moreira 2017, S. 4; Haescher et al. 2020, S. 9) als Ziel bzw. Leistung des Systems. Zahlenförmige Darstellungen, wie der hidden wellness parameter wirken zwar eindeutig und exakt, sind aber selektiv, gewichtend und an der normativen Ordnungsbildung beteiligt (vgl. Mau 2017, S. 260). Die vereinfachten Kategorisierungen und Quantifizierungen gewinnen mit der Technisierung weiter an Relevanz, wenn sie aus dem Bereich der Pflege in den Alltag, in das ‚normale‘ und ‚gesunde‘ Leben, integriert werden. Die Übergänge und potentiellen Anknüpfungspunkte zum Bereich der Selbstvermessung mit diversen Gesundheits-, Fitness-, Lifestyleanwendungen etc. (Stichwort Quantified Self, vgl. z. B. Lupton 2016) und damit auch der Bewertungen von ‚gutem‘ und ‚schlechtem‘ Leben bzw. Lebenswandel müssen weiter untersucht werden.
Normierung durch Disziplinierung Die maschinelle Aktivitätenerkennung, die, wie gezeigt wurde, in der Tradition der Verwissenschaftlichung und Objektivierung steht, weist Kennzeichen der klassischen Disziplinierung auf, wie sie Foucault (1977, S. 192ff) u. a. anhand der Nutzbarmachung der Zeit und der Kontrolle der Tätigkeiten in Klöstern, Schulen, Militär und Fabriken im 18. und 19. Jahrhundert sowie dem Panoptismus (ebd., S. 251ff) beschrieben hat. Die potentiell disziplinierenden Wirkungen von AAL-Systemen wurden bereits von verschiedenen Forscher:innen ausgearbeitet (vgl. z. B. Mortenson et al. 2015; Rubeis 2020). In der maschinellen Aktivitätenerkennung werden sie auf besondere Weise deutlich.
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Zunächst sei hier die Rhythmisierung und die Regelung von Wiederholungszyklen bestimmter Tätigkeiten angesprochen, die schließlich die minutiöse Aufteilung und damit Verfeinerung der Zeit hervorbringt. Die Zerlegung von Aktivitäten und der entsprechenden Einzelgesten (Foucault 1977, S. 195) ermöglicht die Messbarmachung der Aktivitäten durch die Sensoren, ihre mathematische Aufgliederung und technische Modellierung nach Sensor, Sensormeldung, Zeit und Umgebung. Auch das systematische Zusammenschalten des Körpers mit dem Objekt (ebd., S. 197) – die Sensoren befinden sich zumeist an Gegenständen und Geräten – ist bereits Teil der klassischen Disziplinierung. Die Handlungen werden parallel in eine Körperseite und eine Objektseite aufgeteilt und gleichzeitig eine Bindung beider hergestellt: Der Kühlschrank wird z. B. bei Blasco et al. (2014, S. 1639) zu einem Super-Device, der je nach Zeitpunkt und Kontext andere Aktivitäten repräsentieren kann. Ein weiterer Aspekt der Disziplinierung ist die Verhaltensnormierung durch die ständige Überwachung: In der Foucaultschen Konzeption des Panoptismus kommt es zu Selbstdisziplinierungen durch die Anpassung des Verhaltens an die durch die Überwachung präsenten Verhaltenserwartungen (Foucault 1977, S. 197). Und bereits der technische Zugriff enthält eine disziplinierende Funktion: Besonders die Vorausberechnung des Verhaltens durch die KI-Verfahren beinhalten die Vorstellung, das zukünftige Verhalten sei eine „Funktion des Verhaltens in der Vergangenheit“ (Mau 2017, S. 137). Ein Hinweis auf die Gefahren der Disziplinierung in AAL-Systemen ist der Widerstand, den manche Nutzer:innen leisten. Sowohl Kollewe (2017) als auch Mortensen et al. (2016) berichten z. B. von Nutzer:innen von AAL-Systemen, die um die Art der Überwachung wissen und die Systeme austricksen (z. B. indem sie die Rollläden öffnen, um zu simulieren, sie seien aufgestanden). Dies ist ein Anzeichen, dass die Akzeptanz des Systems nicht gegeben ist bzw. nicht zu jeder Zeit gegeben sein muss. In einem weiteren Sinn ist es aber auch ein Hinweis darauf, dass eine vollkommene Objektivität und eine umfassende Überwachung seitens eines AAL-Systems nie ganz gelingen kann, da sich menschliches Verhalten nicht in messbaren Indikatoren erschöpft. Porter (1995) schlug als Gegenmodell zur Forschungstradition der ADL einen phänomenologischen Zugang zur Lebensrealität älterer Menschen vor. In ihrer Interviewstudie mit alleinlebenden, verwitweten, älteren Frauen arbeitete sie vier reflektierte Prinzipien im Umgang mit dem eigenen Alter heraus: Alleinsein akzeptabel machen, meinen eigenen Weg gehen, meine Risiken reduzieren und mich selbst erhalten (ebd., S. 33f.). Anstatt sich an eine bestimmte Norm anzupassen und sich als beeinträchtigt, hilfsbedürftig oder behindert zu sehen, passten die Frauen ihren Alltag an ihre Fähigkeiten an. Sie verlangsamten bestimmte Aktivitäten oder reduzierten deren Intervall, suchten sich in einzelnen Tätigkeiten Hilfe aus der Gemeinschaft und gingen weniger Risiken (z. B. eines
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Sturzes) ein, indem sie manche Tätigkeiten gar nicht mehr ausübten. Leitend war dabei die Idee des Alleinlebens in gewohnter Umgebung, weniger eine angestrebte Unabhängigkeit. Porters Studie ist in ihren Ausgangsbedingungen auf die Ziele des AAL übertragbar: Auch hier geht es noch nicht um Menschen, die Hilfe bei der Verrichtung lebenswichtiger körperlicher Aktivitäten benötigen. Die Fähigkeiten der Nutzer:innen von AAL Systemen reichen noch, um den Alltag auf ihre eigene Weise zu meistern, was nicht bedeuten muss ohne Hilfe oder vollkommen eigenständig. Das von Porter vorgestellte Ideal eines phänomenologischen Zugangs ist jedoch nur schwer mit einer rationalisierten, professionellen Arbeitsteilung, die auch die Pflege umfasst, vereinbar. Unterstützt durch ein AAL-System, was in hohem Maße an die Bedürfnisse und Vorstellungen der Nutzer:innen anpassbar ist und trotzdem seine Ziele nicht verfehlt (nämlich Anzeichen von Unterstützungsbedarf frühzeitig zu erkennen), wäre jedoch ein Zugang zur Lebensrealität älterer Menschen denkbar, der stärker ermächtigend als beschränkend wirkt.
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Franziska Sonnauer
Ambient Assisted Living zur Förderung selbstbestimmter Lebensführung im Alter: Die Rolle informierter Entscheidungsfindung
1.
Einleitung
Der demografische Wandel und die steigende Lebenserwartung in Deutschland begünstigen eine Zunahme an Unterstützungsbedarfen im häuslichen Umfeld. Nationale Statistiken zeigen, dass insbesondere unter der hochaltrigen Bevölkerung ein steigender Pflegebedarf zu erwarten ist (BMG 2020a, S. 16) sowie Wohnen und Pflege zu einem überwiegenden Anteil zu Hause stattfinden (Hoffmann et al. 2017). Dabei werden Technologien wie Ambient Assisted Living (AAL) unter anderem von Initiativen der deutschen Bundesregierung als Chance zur Unterstützung einer selbstbestimmten Lebensführung gesehen (BMFSFJ 2018, S. 45). Begrifflich kann beim Einsatz von Technologien zu diesem Zwecke auch von Altersgerechten Assistenzsystemen gesprochen werden. Hierunter lassen sich vielfältige Funktionalitäten und Einsatzgebiete subsummieren (z. B. Sensoren, Hausnotrufsysteme). Assadi (2020, S. 195) präzisiert, dass prinzipiell in allen Altersgruppen und Lebenslagen eine Nutzung technischer Assistenzsysteme möglich ist und dies dabei nicht notwendigerweise durch einen akuten z. B. medizinischen oder sozialrechtlichen Bedarf begründet ist. Seit Beginn der Entwicklung Altersgerechter Assistenzsysteme und verwandter Technologien hat sich ein Perspektivwechsel vollzogen. Während zuerst die Frage nach dem technisch Machbaren und dessen Anwendung auf den Menschen vordergründig war, sollte die Technologieentwicklung nunmehr beim Bedarf des Menschen ihren Ausgangspunkt finden.1 Dabei sind mögliche Bedarfe des Menschen vielfältig und ebenso daraus zu folgernde Evaluationsmaßgaben für eine wissenschaftliche Bewertung. Geht es um ein reines Ausgleichen von Defiziten – entsprechend einer Bewertung des Nutzens anhand des Pflegebedürftigkeitsbegriffs (Weiß et al. 2017, S. 28–32)? Geht es darum, Kosten im Gesundheitssystem zu senken, durch das Anstreben früher Selbständigkeit im häuslichen Umfeld nach 1 Dieser Prozess von Technology-Push zu Demand-Pull wird beispielsweise bei Kehl (2018, S. 152–157) dargestellt.
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stationärer Therapie, um gesundheitsbezogene Lebensqualität (BMBF 2020) oder anderes? Altersgerechte Assistenzsysteme beziehen sich nicht ausschließlich auf gesundheitsbezogene Belange, sodass eine Verortung in Deutschland sowohl im primären Gesundheitssektor und ebenso im Sozialsystem oder in der Privatwirtschaft möglich ist. Dabei ist nicht bei jeder Funktionalität von Altersgerechten Assistenzsystemen eine klare Zuordnung des Einsatzgebietes (z. B. Gesundheitsversorgung) möglich (BMG 2013). Die neueste Förderrichtlinie des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) „Miteinander durch Innovation – Forschungsprogramm Interaktive Technologien für Gesundheit und Lebensqualität“ legt ihrem Verständnis von Gesundheit die Definition der Weltgesundheitsorganisation2 zugrunde und öffnet den Begriff damit (BMBF 2020). Ebenso wird im Kontext derartiger Assistenztechnologien der Begriff der Selbstbestimmung facettenreich verwendet (Manzeschke et al. 2013, S. 15). Unter anderem werden Aspekte der Unabhängigkeit und des längeren Verbleibs zu Hause (Deutscher Ethikrat 2020, S. 33), der selbstbestimmten Lebensführung (BMFSFJ 2020a, S. 118) und der informationellen Selbstbestimmung (BMBF 2020, S. 7) herausgestellt. Für den vorliegenden Beitrag werden zur Begrifflichkeit der Selbstbestimmung die Ausführungen des Deutschen Ethikrates in der Stellungnahme „Robotik für gute Pflege“ herangezogen (2020, S. 32). Darin heißt es: „Selbstbestimmung bezieht sich auf die Fähigkeit der Person, sich im Denken und Handeln an eigenen Überzeugungen, Wünschen und Präferenzen zu orientieren, bzw. auf die Freiheit, selbstgewählte Ziele und Pläne eigenverantwortlich zu verfolgen.“ (ebd.) Um dies zu gewährleisten, wird die informierte Einwilligung vielfach als ethisch (Deutscher Ethikrat 2020, S. 32; BMFSFJ 2020a, S. 118) und menschenrechtlich (Council of Europe 2014; UN General Assembly 2017) legitimer Anspruch einer betroffenen Person, selbstverständlich auch im Alter,3 formuliert. Dieser Beitrag soll die Notwendigkeit einer informierten Zustimmung bzw. Ablehnung (Informed Consent), zur Wahrung der Selbstbestimmung einer Person, untersuchen und mögliche Limitationen und Alternativen aufzeigen. Ethische Analysen, wie sie etwa im Rahmen der Stellungnahme des Deutschen 2 Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) definierte 1948 in ihrer Verfassung Gesundheit wie folgt: „Gesundheit ist ein Zustand völligen psychischen, physischen und sozialen Wohlbefindens und nicht nur das Freisein von Krankheit und Gebrechen. Sich des bestmöglichen Gesundheitszustandes zu erfreuen ist ein Grundrecht jedes Menschen, ohne Unterschied der Rasse, der Religion, der politischen Überzeugung, der wirtschaftlichen oder sozialen Stellung.“ 3 Auf regionaler Ebene benennt die Organisation der Amerikanischen Staaten (OAS) in Artikel 11 der Konvention für die Rechte Älterer ausdrücklich die Informierte Einwilligung in Gesundheitsbelange als Voraussetzung (Bielefeldt 2020, S. 47–50).
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Ethikrates zum Einsatz von Robotik (2020, S. 33) angeführt werden oder durch ethische Begleitforschung im Rahmen des BMBF Programms zu Altersgerechten Assistenzsystemen entwickelt wurden (Manzeschke 2015, S. 263–283), bedienen sich oftmals einer Untergliederung in unterschiedliche Analyseebenen. Dieser Ansatz soll im vorliegenden Beitrag ebenfalls angewandt werden, um exemplarisch die Komplexität der Randbedingungen in Deutschland bei der Implementierung Altersgerechter Assistenzsysteme zu skizzieren sowie die sich hieraus ergebenden Freiräume bzw. Einschränkungen für die Verwirklichung der Selbstbestimmung des Einzelnen durch informierte Entscheidungsfindung. Diese Vorgehensweise wird gewählt, da sich in Abhängigkeit von Einflüssen auf Makro- und Mesoebene sowohl der Gegenstandsbereich (z. B. wesentliche Informationen, Alternativen) als auch die Adressaten und Informationsquellen für eine informierte Entscheidungsfindung verändern, was exemplarisch im nachfolgenden Abschnitt ausgeführt wird. Daran anschließend sollen Elemente einer informierten Entscheidung, wie sie in Beauchamp und Childress’ (2013, S. 101– 292) ethischen Prinzipien (zur Verwirklichung des Respect for Autonomy) als eine mögliche Lösung der Gewährleistung informierten Einverständnisses oder Ablehnung bei medizinischen Interventionen und Forschung zur Anwendung kommt, auf Altersgerechte Assistenzsysteme angewendet und dabei auch Grenzen bzw. Alternativen aufgezeigt werden. Ein Perspektivwechsel zur Ausgestaltung einer Entscheidungsfindung wird in den Schlussüberlegungen angestoßen.
2.
Modulierende Bedingungen auf verschiedenen Analyseebenen: Makro- und Mesoebene
Auf der Makroebene tragen vor allem gesellschaftliche (z. B. demografischer Wandel, Einstellung der Bevölkerung), politische (z. B. Gesetzgebung, Förderprogramme, Schaffung von Strukturen zur Integration Altersgerechter Assistenzsysteme in Solidarsystemen) und ökonomische (z. B. Märkte, Geschäftsmodelle für Altersgerechte Assistenzsysteme) Rahmenbedingungen zur Gestaltung der Implementierung Altersgerechter Assistenzsysteme bei. So zum Beispiel in Form einer Modulation von Zugangsvoraussetzungen, etwa indem Bedingungen für eine solidarische Finanzierung geschaffen werden oder nicht, beispielsweise Reglementierungen über ein sogenanntes Health Technology Assessment eingeleitet werden oder indem juristische Weichenstellungen erfolgen wie in Form der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO), des Medizinproduktegesetzes (MPG), der Sozialgesetzbücher (SGB), der Aufhebung des Fernbehandlungsverbotes, des Digitale-Versorgung-Gesetzes (DVG) und anderen.
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Wie es durch unterschiedliche Gesetzgebungen zu einer Veränderung des Gegenstandsbereichs einer informierten Entscheidung für den Einzelnen kommen kann, soll exemplarisch an der Ausgestaltung des Digitale-Versorgung-Gesetzes mittels der Digitale-Gesundheitsanwendungen-Verordnung (DiGAV) (BMG 2020b) dargestellt werden. Für eine Zertifizierung als Digitale Gesundheitsanwendung wurden vom Gesetzgeber strenge und multiperspektivische Bewertungskriterien zugrunde gelegt. Im Rahmen der DiGAV wird in der Folge nicht notwendigerweise eine ärztliche Indikationsstellung zur Nutzung der Digitalen Gesundheitsanwendung verlangt. Eine Nutzung der jeweiligen Digitalen Gesundheitsanwendung kann sich bei Vorhandensein der entsprechenden Einschlussdiagnose auch aus Eigeninitiative des Patienten ergeben (BfArM o. J.). Dies ermöglicht mehr Selbstmanagement. Die Entscheidung des Einzelnen begrenzt sich dabei auf einen engen Gegenstandsbereich, nämlich, bei Erfüllung der Zugangsvoraussetzungen zur medizinischen Leistung, auf die dichotom beantwortbare Entscheidung einer Inanspruchnahme. Im Gegensatz zu Leistungen aus dem Hilfsmittelkatalog der Pflege- oder Krankenversicherung, unter welchem künftig auch die Abbildung (weiterer) Altersgerechter Assistenzsysteme zu vermuten ist (Kehl 2018, S. 51–54), ist eine Anbindung an Pflegedienst oder ärztliche Versorgung im Rahmen der DiGAV nicht mehr zwingend erforderlich und damit der Gegenstandsbereich einer Entscheidungsfindung nicht an einen Austausch mit einer Gesundheitsprofession gebunden. Die Nutzen-Risiko-Bewertung erfolgt auf Makroebene im Rahmen des Zertifizierungsprozesses für hypothetische Personenkollektive. Auch auf Mesoebene kann modulierend auf den Gegenstandsbereich einer informierten Entscheidungsfindung Einfluss genommen werden. Akteure auf Mesoebene könnten Anbieter von Assistenztechnologien der Privatwirtschaft oder ambulante Pflegedienstleister darstellen. Unabhängig von einem möglichen Gesundheitsbezug der Altersgerechten Assistenztechnologie ist ein geplanter Einsatz in der privaten häuslichen Umgebung sowie eine Verarbeitung personenbezogener Daten charakteristisch für Altersgerechte Assistenzsysteme. Damit unterliegt die Technologie unter anderem juristischen Regularien der Makroebene wie der DSGVO zum Schutz personenbezogener Daten bzw. zur Wahrung der informationellen Selbstbestimmung des Einzelnen. Akteure auf Mesoebene wiederum können den Gegenstandsbereich einer informierten Einwilligung für den Einzelnen unterschiedlich ausgestalten. Eine informierte Einwilligung im Sinne der DSGVO stellt unter anderen einen der Einwilligungstatbestände zur juristischen Rechtfertigung der Datenverarbeitung dar und kann damit zur Wahrung der informationellen Selbstbestimmung beitragen. Dies ist jedoch nicht notwendigerweise der Fall, da andere Einwilligungstatbestände herange-
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zogen werden können.4 Zum anderen ist eine datenschutzrechtliche Einwilligung selbst unter bestmöglicher Ausgestaltung informationeller Selbstbestimmung nicht gleichzusetzen mit allgemeiner Selbstbestimmung einer Person wie zuvor entsprechend der Definition des Ethikrates dargestellt. Unter Umständen ist es der Selbstbestimmung des Individuums dienlicher, nicht allein auf Grundlage von datenschutzrechtlichen Informationen, wie etwa der DSGVO, Entscheidungen zu treffen. Orientiert sich die Entscheidung für eine Inanspruchnahme von Altersgerechten Assistenzsystemen an individuellen Präferenzen und Werten, so ist denkbar, dass für den Einzelnen datenschutzrechtliche Details für eine Entscheidungsfindung gegenüber möglichen Nutzen und Risiken für beispielsweise Gesundheit und Lebensqualität nachrangig erscheinen. Die individuelle Person unterliegt damit in ihrem Entscheidungsumfang den Einschränkungen und Ausweitungen auf Makro- und Mesoebene, sodass eine Wahrung und Förderung der Selbstbestimmung des Individuums auch nur dann möglich ist, wenn der Mikroebene übergeordnete Ebenen moralische und individualethische Grundsätze ermöglichen, wobei dies nicht gleichzusetzen ist mit der Weitung des Gegenstandsbereichs einer Entscheidungsfindung, da auch auf Makro- und Mikroebene etwa durch Gesetze wichtige Bereiche der Selbstbestimmung geschützt werden können. Unterliegen jedoch die Einschränkungen des Gegenstandsbereichs anderen als moralischen Leitmotiven, so ist von weniger Engagement auszugehen, die jeweilige Assistenztechnologie auf Präferenzen des Individuums anzupassen, Alternativen zu erwägen und in Abhängigkeit davon auch eine Ablehnung zu respektieren. Nachfolgend soll betrachtet werden, welche Elemente für eine Entscheidungsfindung auf Mikroebene notwendig sind, um durch das Instrument einer informierten Einwilligung nach medizinethischem Verständnis tatsächlich die Selbstbestimmung entsprechend eingangs genannter Definition zu verwirklichen.
3.
Mikroebene: Informierte Entscheidungsfindung als Instrument zur Verwirklichung von Selbstbestimmung
Sowohl intuitiv als auch ausgehend von traditionellen und bis heute gültigen medizinethischen Prinzipien (Beauchamp/Childress 2013), erscheint es aus moralischer Sicht notwendig, vor der Implementierung Altersgerechter Assistenzsysteme von der betroffenen Person oder deren stellvertretenden Entschei4 Zur Datenverarbeitung könnten anstelle einer informierten Einwilligung (Art. 6 Abs. 1 lit. a), DSGVO) auch alternative Einwilligungstatbestände herangezogen werden (z. B. Art. 6 Abs. 1 lit. b) oder Art. 6 Abs. 1 lit. f), DSGVO), wobei Entsprechendes für gesundheitsbezogenen Daten, geregelt in Art. 9 Abs. 2 DSGVO, möglich sein kann.
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dungsbefugten eine freiwillige erteilte Erlaubnis zu erhalten. Dies beinhaltet ein Verständnis der als wesentlich zu bezeichnenden Vor- und Nachteile. Begründet durch medizinethische Prinzipien und vorhandene Gesetzgebung (BGB §630) lässt sich zwar eine informierte Einwilligung vermeintlich leichter und überzeugender für Technologien mit Gesundheitsbezug fordern, doch eine Abgrenzung zwischen Gesundheitstechnologie und Lifestyletechnologie ist kaum möglich. Bedingt ist dies unter anderem durch die Öffnung für andere Güter oder Werte (z. B. Privatheit) in der ethischen und gesellschaftlichen Debatte des Einsatzes Altersgerechter Assistenzsysteme, sowie eine breit gefasste Definition von Gesundheit. Auch in anderen Bereichen weisen neuartige Technologien einen hybriden Charakter auf (Lucivero/Prainsack 2015). Diese Verschmelzung ist möglicherweise symptomatisch für die Anwendung derartiger Technologien im häuslichen Umfeld und verdeutlicht zudem, dass es neben Gesundheit weitere schützenswerte Güter gibt. Es ist entsprechend dieser Argumentation zwar einfacher zu rechtfertigen, dass Technologien mit klarem medizinischen Gesundheitsbezug einer informierten Einwilligung bedürfen, jedoch umso schwieriger zu begründen, weshalb Technologien, die sich stärker auf eine Förderung von Lebensqualität oder beispielsweise auf soziale Aspekte von Gesundheit beziehen, keiner informierten Einwilligung bedürften. Folglich greift die Forderung einer informierten Einwilligung entsprechend einer Wenn-Dann Kausalität, d. h. wenn ein Gesundheitsbezug besteht, dann auch die Notwendigkeit einer informierten Einwilligung, argumentativ und ethisch zu kurz. Unterstützt wird dies zudem durch unterschiedliche philosophische Ansätze zum inhärenten Wert einer informierten Einwilligung wie sie bei Becker (2019) angeführt werden. Vor dem Hintergrund des Einsatzes Altersgerechter Assistenzsysteme erscheint die Argumentation der Begründung für eine informierte Einwilligung als Ausdruck des Respektes vor der Autonomie und autonomen Lebensführung sowie zum Schutz der körperlichen Integrität und Intimsphäre treffend. Zur weiteren Ausführung wird stützend eine Kasuistik verwendet. Angenommen, eine alleinstehende ältere Person mit diversen Vorerkrankungen (Diabetes Mellitus, Koronare Herzkrankheit und Herzinsuffizienz) soll einen Sensor zur Sturzerkennung sowie zur Überwachung von Vitalfunktionen (Herzfrequenz, Atemfrequenz) erhalten. Eine Datenverarbeitung erfolgt über einen kommerziellen Anbieter oder einen ambulanten Pflegedienst. Mögliche Konsequenzen der Nutzung für die Gesundheit könnten eine medikamentöse Anpassung (Betablocker bei tachykarden Rhythmusstörungen) oder die Verständigung des Rettungsdienstes bei Sturz durch Bewusstlosigkeit oder HerzKreislauf-Stillstand (Hypoglykämie, kardiale Synkope) darstellen. Eine informierte Einwilligung im Sinne der DSGVO kann in Bezug auf die Datenverarbeitung Aufschlüsse geben und lässt der betroffenen Person je nach Ausgestaltung auch tatsächlich mehr oder weniger Optionen zur Inanspruch-
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nahme des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung. Bei diesem Prozess wird das Anwählen von Zustimmung, ohne sich mit der dargebotenen Information befasst zu haben, kritisiert (Grady et al. 2017). Dies hat wenig gemein mit der Ausübung seines Persönlichkeitsrechtes, wie es hinter dem Begriff der informationellen Selbstbestimmung steht. Damit wäre zwar der datenschutzrechtliche Teil des Fallbeispiels thematisiert – der gesundheitsbezogene Teil hat jedoch noch keine Berücksichtigung gefunden. Auch wurden weitere, für die selbstbestimmte Lebensführung relevanten Werte und Präferenzen noch nicht mit einbezogen. Zur Ausdifferenzierung einer Einwilligung kann das medizinethische Konzept der informierten Entscheidungsfindung, wie es in der Gesundheitspraxis häufig Anwendung findet, dienlich sein. Im Folgenden wird genauer auf die eingangs in diesem Abschnitt erwähnte medizinethisch prägende Moraltheorie zur informierten Entscheidung unter Fokussierung auf die Elemente Freiwilligkeit sowie Informationsvermittlung und -verständnis nach Beauchamp und Childress eingegangen. Im Anschluss daran sollen, vor dem Hintergrund eines ganzheitlichen Verständnisses von Gesundheit sowie weiterer schutzwürdiger Güter, einige Grenzen und mögliche Alternativen dessen zur Förderung der Selbstbestimmung im Kontext Altersgerechter Assistenzsysteme aufgeführt werden.
3.1
Freiwilligkeit als Element einer informierten Entscheidung
Freiwilligkeit als ein Element informierter Einwilligung verstehen Beauchamp und Childress (2013, S. 138) als Handeln, ohne unter der Kontrolle anderer Menschen zu stehen. Sie betonen dabei, dass eine Einflussnahme Anderer aus unterschiedlichen Motiven und in unterschiedlicher Art und Weise geschieht (genauer bei den Autoren ausgeführt werden: Zwang, Überredung, Manipulation). Die beiden Bioethiker (ebd.) haben sich bewusst für dieses enge Begriffsverständnis der Freiwilligkeit entschieden – darüber hinaus könnte man jedoch auch argumentieren, dass weitere internale (z. B. Ängste vor Technologie) und externale (z. B. Alternativen zur Technologie, Zugangs- und Widerrufsmöglichkeiten/mögliche Pfadabhängigkeiten einer Entscheidung) Einflussfaktoren zur Entscheidungsfindung beitragen. Beschränkt man sich auf die von Beauchamp und Childress formulierten Einflüsse, so wären als mögliche Akteure einer Einflussnahme Angehörige, Unterstützende oder Pflegende sowie Anbieter der Assistenztechnologie zu nennen. Eine erwünschte Unterstützung bei der Entscheidungsfindung stellt keine Einschränkung des Elements der Freiwilligkeit dar, eine beispielsweise durch Fehlinformation oder Zwang geleitete Willensbildung aus unterschiedlichen Motiven (Fürsorge, Ökonomisierung) jedoch
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schon,5 was auch im Kontext der häuslichen Anwendung von Altersgerechten Assistenzsystemen zum Tragen kommen kann.
3.2
Informationsvermittlung und -verständnis als Elemente einer informierten Entscheidung
Im Rahmen der Informationsvermittlung und des Informationsverständnisses betonen Beauchamp und Childress (2013, S. 131–132), dass es nicht der Anspruch ist, alle Informationen zu vermitteln und zu verstehen. Es geht vielmehr um die für die Entscheidung wesentlichen Informationen, wobei verschiedene Ansätze angeführt werden, welche zur inhaltlichen Ausgestaltung der wesentlichen Informationen dienlich sein können (ebd.). Moralisch zu bevorzugen ist zwar eine Achtung subjektiver Informationsbedarfe, doch darüber hinaus hilfreich – vor dem Hintergrund, dass die betroffene Person unter Umständen nicht wissen kann, welche Informationen wesentlich für ihre individuelle Person sein könnten – ist eine vorausgegangene Darbietung von Informationen, die für eine hypothetische, vernünftige Person wichtig wären (ebd., S. 127). Unabdingbar für eine Kenntnis der wesentlichen Informationen für ein hypothetisches Individuum sind Erkenntnisse und Randbedingungen auf der Makro-, Meso-, und Mikroebene. Auf der Makroebene ist hier beispielsweise neben der Gesetzgebung insbesondere ein Nutzennachweis wesentlich, wie er für viele der Altersgerechten Assistenzsysteme noch ausstehend ist.6 Auf der Mesoebene könnten Anbieter Altersgerechter Assistenzsysteme unterschiedliche Informationen für hypothetische Individuen bereitstellen, von juristisch notwendiger Datenschutzerklärung und Nutzungsbedingungen hin zu einer umfassenden Beratung. Diskurse, die sich mit der Mikroebene befassen, tragen darüber hinaus wesentlich zur Identifikation ethischer Problemstellungen bei und zeigen, dass für ein hypothetisches Individuum wesentliche Informationen multiperspektivische Inhalte7 darstellen. So etwa die Identifikation verschiedener teils konkurrierender Werte wie unter anderem Privatheit, Fürsorge und Sicherheit oder die Auswirkungen auf die sozialen Interaktionen von Personen mit Unterstützungsbedarfen (Remmers 2019, S. 424–425). Aus dem Einsatzgebiet Altersgerechter Assistenz5 Siehe auch die Ausführungen des Deutschen Ethikrates (2018) zur Überwindung des Willens einer Person aus Fürsorgemotiven. 6 Laut Einschätzung einer Studie des GKV-Spitzenverbandes fehlen bislang vielfach Wirksamkeitsbelege, die notwendig wären, um „gesicherte Aussagen zum Nutzen von Assistenztechnologien“ machen zu können. Siehe GKV-Spitzenverband (2019), S. 221. Dies wird auch in der BMFSFJ Kurzfassung des Achten Altersbericht (2020b) deutlich. 7 Die Begrifflichkeit multiperspektivisch kommt im Achten Altersbericht treffend zur Anwendung (BMFSFJ, 2020a).
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systeme im häuslichen Umfeld ergibt sich dadurch eine noch größere Notwendigkeit, die für hypothetische Personen relevanten Informationen unter Beachtung der individuellen Informationsbedürfnisse anzupassen. Während im Kontext eines Krankenhausaufenthaltes eher angenommen werden kann, dass die betroffene Person eine Förderung eigener Gesundheit wünscht und damit bei medizinischen Interventionen ein Informationsschwerpunkt auf gesundheitsrelevanten Faktoren liegt, so kann dies nicht automatisch auf den privaten Lebenskontext übertragen werden. Die moralische Brisanz der Notwendigkeit einer Abstimmung auf eine individuelle Person wird deutlich, sobald hypothetische Annahmen nicht in Übereinstimmung mit individuellen Lebensentwürfen und Präferenzen stehen – davon ist jedoch aufgrund der Fähigkeit zur Selbstbestimmung eines Menschen, als auch bezogen auf ein pluralistisches Gesellschaftsbild auszugehen, weshalb dieser Schritt der Bezugnahme auf ein konkretes Individuum (BMFSFJ 2020b, S. 41) bei der Implementierung notwendig wird.8 Unter Ergänzung der oben aufgeführten Kasuistik soll dies verdeutlicht werden. Die alleinstehende Person nutzt den Sensor zur Messung von Vitalfunktionen. Eines Tages wird ein Alarm ausgelöst. Der dadurch verständigte Rettungsdienst findet eine leblose Person und beginnt Wiederbelebungsmaßnahmen. Später stellt sich heraus, dass die betreffende Person in einer gültigen Patientenverfügung für diese Konstellation keine Wiederbelebungsmaßnahmen wünscht. Die Brisanz ergibt sich nicht aus der Tatsache, dass bei Unkenntnis des Willens zum Wohl der hypothetischen Person Wiederbelebungsmaßnahmen durchgeführt wurden. Sie ergibt sich dann, wenn, obwohl entsprechende Informationen theoretisch vorliegen könnten, die betreffende Person nicht die Möglichkeit hatte, die für sie wesentlichen Informationen zu erhalten, zu verstehen und vor diesem Hintergrund eine informierte Entscheidung für oder gegen die Technologienutzung zu treffen. Dies wäre denkbar, wenn sich die Aufklärung lediglich auf eine datenschutzrechtliche Einwilligung beschränkt. Ebenso brisant wäre es jedoch, wenn eine Person für die der Schutz der Privatheit relevanter als jegliche Art von Gesundheitsförderung oder die Vermeidung von gesundheitsbezogenen Schäden ist, die wesentlichen Informationen zur Ausübung ihrer informationellen Selbstbestimmung nicht im Rahmen der Entscheidungsfindung erhalten und verstehen konnte. Das macht einmal mehr deutlich, dass die für ein hypothetisches Individuum relevanten Informationen sich weder allein auf gesundheitsbezogene Aspekte, noch ausschließlich auf Maßnahmen zur Wahrung informationeller Selbstbestimmung beziehen sollten. Darüber hinaus können 8 Siehe Sonnauer (2021) zur Darstellung verschiedener individueller Bewertungen und Abwägungen aus der Perspektive Älterer zu einem technologischen Anwendungsszenario in einer qualitativen Interviewstudie.
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weitere Informationen wie beispielsweise soziale Auswirkungen für ein hypothetisches Individuum ebenso wesentlich sein. Der Schwerpunkt der Informationsvermittlung und damit die wesentliche Information in der für die Entscheidungsfindung notwendigen Tiefe (z. B. Festlegung einer Verständigung des Rettungsdienstes und lediglich Behandlung im Falle von reversiblen Ursachen eines Herz-Kreislauf-Stillstandes wie Hypoglykämie, jedoch keine Reanimation in anderen Fällen) ist abhängig von der subjektiven Perspektive des Individuums und kann zwischen Menschen deutlich variieren. Neben der Informationsvermittlung ist das Informationsverständnis ein weiteres notwendiges Element. Gefördert werden kann das Informationsverständnis durch Aufklärungsformulare oder Konversation (Nishimura et al. 2013, S. 12–13). Aus der technologischen Charakteristik Altersgerechter Assistenzsysteme können sich durch die deklarativen und prozeduralen, impliziten und expliziten Wissensasymmetrien bezüglich Gesundheitskompetenz und digitaler Kompetenz9 zusätzliche Herausforderungen ergeben. Die vorausgegangenen Überlegungen zur Anwendung einer informierten Entscheidungsfindung für Altersgerechte Assistenzsysteme in Anlehnung an das Konzept von Beauchamp und Childress legen einige Spezifika offen, wie sie in anderer Einordnung bei weiteren Autoren beschrieben werden (BMFSFJ 2020a, S. 122–124). Der nachfolgende Absatz soll sich damit befassen welche Optionen, Limitationen und Alternativen einer individuellen Entscheidungsfindung dienlich sein könnten, um dem moralischen Kern einer informierten Einwilligung – dem Ausdruck von Selbstbestimmung – gerecht zu werden.
3.3
Informierte Einwilligung: Optionen, Limitationen und Ergänzungen
Würde eine informierte Entscheidung der betroffenen Person zur notwendigen Bedingung der Anwendung Altersgerechter Assistenzsysteme werden, so erwachsen daraus verschiedene Optionen. Zum einen die Notwendigkeit der wissenschaftlichen Ausgestaltung von wesentlichen Informationen unter multiperspektivischer Betrachtung von selbstbestimmter Lebensführung. Zum anderen können insbesondere vulnerable Personengruppen von einer geforderten informierten Entscheidungsfindung profitieren. Damit sind zunächst Personen gemeint, welche für die spezifische Entscheidungsfindung in ihren informationsverarbeitenden Kompetenzen eingeschränkt sind (z. B. Menschen mit fortgeschrittener demenzieller Erkrankung). Der reflexive Prozess, welcher dann möglicherweise mit Stellvertretern geführt wird, kann das Bewusstsein für die 9 Siehe BMFSFJ (2020a), S. 108–117 für Ausführungen zu Digitaler Kompetenz im Rahmen des Achten Altersberichts.
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Gebotenheit der Orientierung am Willen der betroffenen Person schärfen. Des Weiteren sind Personen gemeint, welche ein intrinsisch gering ausgeprägtes Interesse an Altersgerechten Assistenzsystemen aufweisen. Im Gegensatz zu Beratungsangeboten, die sich an eine breite Gruppe richten und bei denen von Seiten der individuellen Person ein Handlungsimpuls notwendig ist, was ein intrinsisch motiviertes Bedürfnis nach Information voraussetzt, stellt ein geforderter informierter Entscheidungsprozess ein Angebot an die individuelle Person dar und ist damit potenziell niederschwelliger. Limitationen ergeben sich beim Einsatz Altersgerechter Assistenzsysteme im häuslichen Umfeld, wenn ein dialogisches Format für die Entscheidungsfindung gewählt wird. Dies ist nicht ausreichend zweckdienlich, um auch Drittinteressen zu wahren und transparent auszuhandeln10 und die informierte Entscheidung mit Bezug zu nahestehenden Personen im Entscheidungsprozess zu berücksichtigen. Osuji (2018, S. 109–110) betont diesen relationalen, interdependenten Charakter von Sorgebeziehungen und führt ein Konzept informierter Entscheidungsfindung, das auf einem relationalen Autonomieverständnis beruht, aus. Aufgrund der Vielseitigkeit von wesentlichen Informationen stellt sich die Frage nach der passenden informationsvermittelnden Instanz. Im Achten Altersbericht kommt dem Instrument der Beratung, vor allem auf kommunaler Ebene, eine große Bedeutung zu, um vorwiegend – jedoch nicht ausschließlich – die Förderung digitaler Souveränität zu adressieren (BMFSFJ 2020a, S. 108–117). Dabei benennt die Kommission auch Schwächen des bestehenden Beratungsangebotes wie unter anderem mangelnde Einordnung des Technologiegebrauchs in einen Gesamtzusammenhang – auch in Bezug zu ethischen Fragestellungen, mangelnde Evidenz und Professionalisierung, mangelnde Systematisierung und Finanzierung von übergeordneter Ebene (ebd., S. 116–117). Beratungsangebote, insbesondere Ethikberatung, weisen bei entsprechender Qualität, Ressourcen und Evidenz unterschiedliche Vorteile gegenüber einer informierten Entscheidungsfindung auf (multiperspektivisch, mehrzeitig, entscheidungsunterstützend), bergen jedoch die Gefahr eines Zurücklassens derer, die sich nicht persönlich oder in Stellvertretung durch etwa Angehörige eigeninitiativ mit der Gestaltung der eigenen häuslichen Versorgungssituation auseinandersetzen. Limitationen einer informierten Entscheidungsfindung bei der Implementierung Altersgerechter Assistenzsysteme ergeben sich auch aufgrund des statischen Prozesses bei vermutlich deutlich dynamischeren technologischen Veränderungen und gleichzeitig einer Variabilität von Präferenzen und Lebensumständen. Eine dynamische Einwilligung (Dynamic Consent) stellt in der Forschungspraxis eine Abwandlung der informierten Einwilligung dar und fin10 Siehe BMFSFJ, Achter Altersbericht (2020a) zur Beschreibung verschiedener Aushandlungsprozesse, S. 124.
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det insbesondere in der genomischen Forschung Anwendung.11 Mittels dynamischer Einwilligung können damit Limitationen einer unzureichenden Beachtung von Veränderungsprozessen während der Nutzungsdauer Altersgerechter Assistenzsysteme überwunden werden und technologische Optionen immer wieder mit eigenen Werten und Präferenzen vor dem Hintergrund der konkreten Lebensumstände abgeglichen werden. Als alternativer Abgleich dieser Veränderlichkeit von individuellen Präferenzen und Spezifität der Technologie kann auch eine gewissermaßen umgekehrte Vorgehensweise angedacht werden.
4.
Schlussüberlegungen
Statt für eine bestimmte Technologie immer wieder gemäß dem Abgleich mit dem eigenen Wertesystem zu entscheiden, ob die Nutzung fortgeführt werden soll oder nicht, scheint es dem Menschen und der Verwirklichung seiner Selbstbestimmung eher zu entsprechen, ausgehend von individuellem Wertesystem, Präferenzen und Lebensentwurf immer wieder die Technologie (und mögliche Alternativen) zu beurteilen. Dies entspricht dem Perspektivwechsel, der sich seit Beginn der Entwicklung von Technologien wie Altersgerechten Assistenzsystemen vollzogen hat: Wäre es nicht der Selbstbestimmung des Einzelnen dienlicher, zunächst eigene Überzeugungen, Wünsche, Präferenzen und Ziele zu eruieren und erst nachfolgend unter den vorhandenen technologischen und nicht-technologischen Unterstützungsmöglichkeiten eine passende Lösung auszuwählen? Dabei könnten bei der Bewertung der weiteren Eignung der Technologie bestehende Instrumente, welche insbesondere das gesundheitsbezogene Wertesystem und die Präferenzen einer Person abbilden können, wie das Instrument der Patientenverfügung oder des Advance Care Planning, berücksichtigt werden. Eine ausschließliche Ausrichtung auf Aspekte der Gesundheitsversorgung (inklusive Palliativversorgung) ist jedoch, die vorausgegangenen Überlegungen fortführend, nicht ausreichend. Diese sollte um ein multiperspektivisches Verständnis des Ausdrucks eigener Selbstbestimmung und Integrität erweitert werden. Der vorgeschlagene und gewissermaßen umgekehrte Ansatz bietet zudem den Vorteil, dass Wissensasymmetrien (Gesundheitskompetenz, digitale Kompetenz) erst mit einer tatsächlichen Implementierung einer Altersgerechten Assistenztechnologie – oder vielleicht auch alternativ vor dem Hintergrund eines hohen Bedürfnisses sozialer Integration besser mit einer Entscheidung für eine Seniorenwohngemeinschaft, oder vor dem Hintergrund eines hohen Unterstützungsbedarfs besser in einem Altenpflege11 Siehe Dankar et al. (2020) S. 917 Tabelle 1 für einen Überblick über mögliche „Dynamisierungen“ im Rahmen des Einwilligungsprozesses.
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heim – zum Tragen kommen und somit eigene Werte, Präferenzen und Lebensentwürfe im Zentrum des „Aushandlungsprozesses“ stehen. Wäre eine multiperspektivische Konzeption von Selbstbestimmung in einer Art „Wahl-OMat“ denkbar, um einen Abgleich zwischen individuellem Verständnis selbstbestimmter Lebensführung mit real vorhandenen, auf Makroebene multiperspektivisch evaluierten, Charakteristika von technologischen und nicht-technologischen Optionen zu erleichtern? Dabei kann ergänzend eine Prüfung der informierten Entscheidungsfindung vor Implementierung erfolgen. In einer zunehmenden Komplexität des Feldes und multiperspektivischer Expertisen sollte eine Orientierung an der Expertensicht der betroffenen Person, deren Wahrnehmung individueller (und relationaler) Bedingungen und deren Verständnis einer selbstbestimmten Lebensführung, nicht vernachlässigt werden. Diese Expertise eignet sich vielleicht sogar als sinnvoller Ausgangspunkt einer Entscheidungsfindung bei der Implementierung Altersgerechter Assistenzsysteme.
Hinweis und Danksagung Der vorliegende Aufsatz wurde im Kontext einer kumulativen Dissertationsschrift zum Erreichen des medizinischen Doktortitels („Dr. med.“) unter Betreuung von Prof. Dr. Andreas Frewer, M.A. an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, erstellt. Ich danke der Josef und Luise Kraft-Stiftung (München) für die wichtige Förderung sowie den Stipendiat*innen und den Betreuenden im Graduiertenkolleg „Menschenrechte und Ethik in der Medizin für Ältere“ (Leitung: Prof. Heiner Bielefeldt/Prof. Andreas Frewer) herzlich für vielfältige Unterstützung und wissenschaftlichen Austausch.
Literaturverzeichnis Assadi G, Manzeschke A, Kemmer D (2020) Gutes Leben im Alter? Ethische und anthropologische Anmerkungen zu technischen Assistenzsystemen. In: Woopen C, Janhsen A, Mertz M, et al (Hg.) Alternde Gesellschaft im Wandel: Zur Gestaltung einer Gesellschaft des langen Lebens. Berlin, 191–203. Beauchamp TL, Childress JF (2013) Principles of Biomedical Ethics. New York. Becker P (2019) Patientenautonomie und informierte Einwilligung: Schlüssel und Barriere medizinischer Behandlungen. Berlin. Bielefeldt H (2020) Die Menschenrechte Älterer. Grundsatzüberlegungen und praktische Beispiele. In: Frewer et al (Hg.) Gute Behandlung im Alter? Menschenrechte und Ethik zwischen Ideal und Realität. Bielefeld, 43–66.
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Ambient Assisted Living zur Förderung selbstbestimmter Lebensführung im Alter
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Johannes Welsch / Eike Buhr
Privacy-sensitive Empowerment.1 Towards an integrated ethical concept for technology-assisted care for people with dementia
Introduction Mrs Schramm, who is experiencing early stage dementia, wants to leave the care facility where she is living in order to go for a walk. But it is night and she is at great risk of getting lost. Fortunately, Robbie is standing by and tries to convince her to stay in the facility. Robbie is not a nurse nor another resident. Robbie is a social robot. It, and three other robots, live together with people with dementia (PwD) in the care facility; they sing and talk to the PwD and accompany them on their daily walks, they relieve the caregivers’ burden and are extremely well liked by the residents. The life and care of Mr Martin, who is in a later stage of dementia and already bedridden, is also relieved with modern technologies. Virtual reality glasses allow him to travel to his old home and an exoskeleton integrated into his bed enables him to participate in joint events with other residents. This care facility does not yet exist. It is a projection of the future by the Commission of the 8th Ageing Report of the Federal Republic of Germany (BT 2020, p. 55). Critical reflection on this case example, and the ethical issues it raises, is explicitly called for, especially when it comes to the Ageing Report’s importance as a relevant decision-making basis for the German senior citizens’ policy (BMFSFJ 2020). And indeed, this case example mirrors the manifold problems, and questions, associated with the use of modern monitoring and assistive systems (MAS) in the care of PwD raised in international scientific literature (Novitzky et al. 2015). These considerations involve but are not limited to: the chances and risks for the safety and autonomy of those affected, the potential of physical and psychological relief for caregivers, the risks involved in the substitution of humans in care, and further questions about surveillance. 1 The paper is a result of the project EIDEC (Ethical and social Aspects of co-intelligent Monitoring and Assistive Systems in Dementia Care), which is funded by the German Federal Ministry of Education and Research. The authors are research associates in the project. We thank Silke Schicktanz and Mark Schweda for helpful comments on this paper.
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There are also questions about data protection, equal access to modern technologies as well as issues with ageism. In particular, the example highlights a central ethical ambivalence of MAS: On the one hand, MAS are used to allow people longer independence and the highest possible degree of autonomy. At the same time, they deeply interfere with the users’ privacy by continuously collecting and using data, interfering with the living environment of the persons affected, and potentially affecting their social relationships. In the context of care for PwD, this ambivalence appears especially problematic, as privacy is particularly endangered here and the possibility of empowerment appears comparatively low. Against this backdrop, we propose the integrative concept of Privacy-Sensitive Empowerment (PSE) to reflect on normative conflicts and to provide helpful ethical orientation for their resolution. In order to introduce PSE as an integrative ethical concept, we will, in a first step, present empowerment and privacy as relevant ethical aspects in the context of MAS for PwD. In a next step, we unfold the potential normative conflicts between them. Finally, with PSE we present an approach that has two advantages over the unconnected concepts of empowerment and privacy. This approach combines empowerment approaches with bodily-topological and intimacy-decisional dimensions of privacy. There are two advantages to this approach: Firstly, it provides a framework for ethical reflection on conflicts between autonomy and privacy. Secondly, it offers helpful ethical orientation for the practice of care when the demand for more selfdetermination and lived privacy come into conflict.
2.
MAS and the Promise of Empowerment
Empowerment represents a central promise of technology-assisted dementia care. Nevertheless, it must be stated that the evaluation of the MAS presented in the 8th Ageing Report as best practice examples (BT 2020, p. 51) also remains ambivalent from an empowerment perspective. Social robots, such as Mrs Schramm’s Robbie, can increase the safety of PwD. By supporting their users in mastering everyday tasks, they enable them to remain in their own homes or to become more independent from caregivers. Mobility assistive systems, such as the care bed with an integrated exoskeleton from Mr Martin’s example, can contribute to the participation of bedridden PwD, while at the same time relieving the caregivers physically. GPS-monitoring systems fulfill a similar role in earlier stages of dementia. By increasing the family members’ sense of security (Landau et al. 2010), they enable PwD to participate in social life outside their homes. In institutional care settings, they have the potential to minimize restraint
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Privacy-sensitive Empowerment
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measures (Wigg 2010). MAS thus bears the chance to increase the space of independence of the PwD.2,3 The empowerment approach originated in the disciplines of social work (Gutierrez et al. 1995; Rose 1990) and (community) psychology (Feste/Anderson 1995; Rappaport 1995). Overall, three normative goals of empowerment emerge from the literature and have been adopted in health and care-related approaches: self-determination, distributive justice, and participation (Carroll 1994, p. 376). These must be realized on the micro, meso, and macro levels which are each assigned different courses of action (Castro et al. 2016). Today, empowerment as a process through which people gain greater control over decisions and actions affecting their health (WHO 1998, p. 6) is a cornerstone of health promotion practice. In the context of care of people with progressive physical and/or mental impairments, health-related empowerment aims at the better and longer exercise of self-determination (Schweda et al. 2019, p. 33). The concept of self-determination encompasses personal independence as well as social and decisional participation. This means, for example, remaining in the desired living environment. It also includes participation in social activities as well as involvement in questions of one’s own care. At the individual level, the basis for this is maintaining and developing new competences; this must be accompanied by the reduction of asymmetric relationships (e. g. in the relationship between relatives and caregivers). At the macro level, structures and framework conditions must be created, which enable the chronically impaired to achieve the highest possible degree of independence and participation. This includes the reduction and prevention of stigmatization (Schweda et al. 2019, p. 31f). The strong focus on the relationality of human beings, especially under conditions of vulnerability is remarkable. Against this background, empowerment goes far beyond the normative claims of concepts like respect for autonomy (Beauchamp/Childress 2013) and requests that vulnerable people should not only be enabled to make autonomous decisions, but also be supported in their implementation. As people with advanced dementia are irreversibly cognitively impaired and can no longer master everyday tasks on their own, their self2 The cases of Mrs Schramm and Mr Martin illustrate the emphasis of the challenges specific to different phases of dementia for PwD themselves and their caregivers. These also play a decisive role in an empowerment perspective: The environment must react appropriately to the changes in the abilities of the PwD. Only in this way, the normative goals can be realized for individual as well as collective stakeholders at the micro, meso and macro levels (strengthening of (ability to) self-determination, participation). 3 In a comprehensive, empowerment-oriented analysis, the impact of the use of MAS for caregivers would need to be considered separately. The financial framework conditions would also have to be examined closely (Schweda et al. 2019, p. 32f).
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determination and participation would be severely restricted without assistance by others. In the light of this situation, the ambivalence stated at the beginning of the chapter becomes evident: Robbie interferes with Mrs Schramm’s self-determination by preventing her from leaving the care facility alone. Without sufficient education about the status of the robots, the social interaction could be a deception of the PwD, who assume to interact with a real person (Ethics Council 2020, p. 19). The participation of Mr Martin in community events certainly cannot be guaranteed only by his physical presence. This aspect seems to involve a task-oriented notion of active ageing that is difficult to apply to the lifeworld of PwD. The use of virtual reality glasses would have to be agreed with by him in an earlier phase in order to prevent any deception and, as will be discussed later, not to violate privacy aspects of his autonomy.
3.
Conflicts between Empowerment of PwD through MAS and their Privacy
In this chapter, we discuss potential normative conflicts between empowerment and privacy. In doing so, we examine which goals are to be achieved through MAS and to what extent the PwD could be empowered. Before we turn to the concept of privacy, we briefly state the goals of digital participation of older people as mentioned in the report. There, the goal of digitized (dementia) care consists of promoting safe and independent living in one’s own home (BT 2020, p. 17), remaining independently mobile (ibid., p. 20), and providing social relationships (ibid., p. 23) as well as the innovation of healthcare (ibid., p. 25) and the support of existing care arrangements (ibid., p. 28). The report assesses digital technologies in terms of their ability to further these goals and to empower the users. Again, the aspect of independent mobility in particular seems to foster the notion of task-oriented active ageing, which does not sufficiently consider the importance of social embeddedness of people with dementia. In the context of promoting mobility, the use of MAS by PwD is also specifically addressed. Within this topic, tracking systems are highlighted that are intended to “locat[e] older people” and “automatically monitor residents’ entries and exits, and call for help quickly in an emergency” (ibid., p. 21). Such techniques are described as ethically problematic as soon as “the subjects of such systems begin to feel that they are restricting their autonomy or exposing them to inappropriate monitoring” (ibid.). The discourse on privacy has mainly been influenced by the legal sciences (Schoemann 1992, p. 22). There, privacy is traditionally understood as a right or
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an interest, which includes the active and conscious control over one’s own affairs (Rössler 2005). In order to grasp the meaning of privacy, not only the definition, but also the scope, function and “value” of the private sphere should be taken into consideration (ibid.). The function describes the purpose that privacy fulfils in different areas of life and provides indications of why privacy is valued in different contexts. The extent of the private sphere, on the other hand, indicates the areas of life to which privacy refers. Objects and places, as well as knowledge, decisions, and actions can be private. Accordingly, privacy is differentiated in terms of its local or topological, informational, and decisional dimensions (ibid.). At the heart of the informational dimension of privacy is control over access to information concerning one’s own person. This also serves to maintain interpersonal relationships and the presentation of the self in public. In contrast, local privacy, understood as the privacy of one’s place of residence, denotes control over access to places and spaces. Analogous to the aforementioned aspects of privacy, decisional privacy refers to the possibility of not having to grant everyone a say in one’s own actions and decisions. A look at the ethical debate on privacy and technical assistive systems shows that it mainly addresses the informational dimension and narrows it down to questions of data protection. Moreover, the privacy of PwD is hardly considered. At best, the perspectives of relatives and caregivers are taken into account (cf. Jacobsson/Davidsson 2015). Given that privacy as understood above presupposes certain cognitive abilities, it seems that some commentators assume that people with limited cognitive abilities have no right to, or interest in, privacy. However, this assumption not only contradicts moral intuitions but also findings from nursing science studies suggesting that PwD do have a sense of privacy, which is reflected in their behavior and abilities (Dichter 2016; Pirhonen/Pietilä 2015). In the exploration of the conflicts between privacy and empowerment based on the case example of the 8th Ageing Report, we are guided by the three dimensions of privacy mentioned above. In order to do justice to the social embeddedness of PwD in close care relationships, we add a fourth dimension: relational privacy (Seubert 2018, p. 148). Relational privacy is closely related to the idea of privacy as intimacy. Privacy is valued, because it is a necessary condition for intimacy or intimate relationships (Cohen 2002, p. 7; Schoeman 1984, p. 413). While Fried and Rachels specifically consider the informational dimension of privacy as the basis for intimacy (Rachels 1975) – Fried speaks of information as the “moral capital” invested in intimate friendship or love relationships (Fried 1970, p. 142) – the idea of privacy as intimacy can be related to all three dimensions. For example, intimate relationships sometimes require “a room of one’s own” (Woolf 1929), and people generally do not want to grant third parties a say in the conduct of such relationships. Accordingly, privacy is conceptualized as a social phenomenon. The notion of relational privacy suggests
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that one can be private together. In order to emphasize the importance of intimate relationships for PwD (Mattiason/Hemberg 1998), we propose to add relational privacy as a fourth dimension of privacy to our analysis, which does not presuppose a cognitivist notion of privacy but understands it as an aspect of embodiment as well. With this comprehensive notion of privacy in mind, and against the background of the declared objectives of technical assistance systems, we now turn to the case study: The robot in the case example is intended to accompany Mrs Schramm in her daily life, to monitor her, and to serve as a social interaction partner. This is intended to increase her safety, independence, mobility and prevent social isolation, thus empowering her. This shows that the robot should not only support the nursing staff, but also take over tasks. As soon as Mrs Schramm can no longer recognise whether she is dealing with a robot or a caregiver, the issue of deception of PwD is at stake.4 Furthermore, the robot is supposed to prevent Mrs Schramm from leaving the care facility. The idea behind this seems to be that Mrs Schramm can leave the apartment independently. However, this does not mean that Mrs Schramm is completely independent. Rather, a robotic companion could be perceived more as paternalism and restrictive than a human caregiver, especially since a robot is less capable of acting as an intimate caregiver as it cannot meet the psychological and physical need for touch. And even if it is explicitly stated that digitalized care cannot replace interpersonal contact, the question still arises as to what extent the use of such technologies influences the relationships between caregivers and those receiving care. Thus, the implementation of technical assistance systems to empower Mrs Schramm might compromise her relational privacy. Moreover, the assistance system always collects sensitive medical data. Insofar as information is primarily conveyed via the assistive system, the information no longer appears as moral capital invested in (intimate) relationships. Consequently, the presence of a technical assistive system could influence the relational privacy and hence the relationship between caregivers and those being cared for in general. In this context, it is also possible to see how relational and informational privacy are related. In order to increase Mrs Schramm’s safety, independence, and mobility, and prevent social isolation and thus empower her in these aspects, the robot collects sensitive (medical) data or detects a fall. This requires constant monitoring and supervision. Although this could actually increase Mrs Schramm’s safety and also her mobility, it involves significant intrusions into her informational privacy. The problem of extensive data collection is often addressed in the context of care. The proposed solution here is usually user participation (Solanas et al. 2013, p. 22). 4 For the issue of deception, see the contribution of J. Haltaufderheide in this issue.
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Privacy-sensitive Empowerment
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However, this is difficult in the case of older people and, in particular, PwD. Thus, the collection and use of sensitive data always seems to remain a question of compromise between empowerment and privacy. Since there seems to be no universal approach, this issue cannot be resolved conclusively here. It remains to be seen whether people really feel more independent under constant monitoring or whether the robot is perceived as an intruder in their own home and intrusion in their embodiment. Against this background, the collection of sensitive (medical) data also seems to represent an encroachment on topological privacy. A comprehensive account of privacy may open another perspective: The collection of (medical) data is not only ethically problematic because of the sensitivity of the data itself; rather, the context of the data collection must also be considered. In home care settings, the collection of medical data is associated with the presence of technical assistance systems in the patient’s own home. Therefore, there is a potential conflict here between the stated goals of digital care and informational as well as topological privacy. For example, extensive monitoring could hinder the feeling of having a room of one’s own. This is particularly important as many elderly people express the wish to stay in their own homes for as long as possible (Courtney et al. 2008; Pasveer et al. 2020). Topological privacy is thus attributed a high value by those affected. Nevertheless, it seems unlikely that remaining in one’s own home is sought only because of the location itself; rather, it seems plausible that the value of remaining lies in specific intimate memories that are evoked and maintained by the environment. Therefore, the question arises how this attributed value is affected as soon as one’s own home has to be equipped with (medical) assistive technologies in order to ensure that one can remain in it. Is it really possible to feel at home under such circumstances? Does one still consider one’s own home to be an intimate space as soon as it is equipped with MAS? If such questions are considered from the perspective of privacy and if the desire to stay at home is not evaluated merely against the background of whether this decision was made autonomously, it becomes clear that staying at home does not represent an absolute value. The declared goal of technical assistance systems to empower people, so that they are able to remain in their own homes, thus appears to be thwarted. It rather seems to depend on the extent to which one’s own home can still be perceived as such and not as a modern care facility. In order to grasp this aspect from a privacy perspective, the notion of topological privacy should not only refer to a single physical location or the physical body, but also to the embodied self as the space of topological privacy. Moreover, the assistive system can only suggest a limited number of options for action. So, the person being cared for can only take certain actions and in return the assistive systems must always be granted an input. The goal of empowering Mrs Schramm to be more mobile and independent consequently comes
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at the expense of her decisional privacy. Since autonomy requires the absence of (coercive) third-party influences, it is hardly possible to speak of autonomypromoting devices. Against this background, it becomes clear that the assistance systems are neither able to increase the autonomy of the person in care in the sense of a free choice, nor can they function as a substrate for the (intimate) relationships that are necessary in relational autonomy concepts (Barclay 2000, p. 61). Although cognitively demanding forms of (personal) autonomy hardly play a role anymore, especially for people with advanced dementia, it seems implausible to deny them the ability to appreciate decisional privacy as an absence of coercion and paternalism. The value of decisional privacy for PwD is particularly evident when this dimension is violated. By evaluating such a care arrangement not merely by reference to respect for autonomy but from the perspective of Privacy-Sensitive Empowerment, this ethical issue can be addressed in more detail. What has been inadequately described in the 8th Ageing Report as the feeling of restriction of autonomy can thus be conceptualized and considered in the ethical evaluation of technology-assisted dementia care.
4.
Privacy-Sensitive Empowerment as an Integrative Concept for the Reflection on Technology-Assisted Dementia Care
Above, we have seen to what extent the reference to privacy allows a more differentiated evaluation of technical assistive systems in relation to the care of PwD. We propose the integrative concept of Privacy-Sensitive Empowerment (PSE) as a possible way forward. Hereby, the empowerment concept can be connected with the perspective on bodily-topological and intimacy-decisional dimensions of privacy. On the basis of the four named dimensions of privacy, we show in this section the extent to which PSE can help reflect on conflicts between autonomy and privacy and to offer orientation for the practice of care when the demand for more self-determination and life privacy come into conflict. On the level of decisional privacy, in the case of Mrs Schramm, it means that the quality of care is evaluated, not only, in terms of the extent to which she is enabled to make autonomous decisions, or the extent to which her autonomous decisions are respected, but also on the respect of her decisional privacy. This means that PSE examines the extent to which the use of technical assistance systems entails having to give third parties a say without prompt. Since it is given a say in every action, a robot that accompanies Mrs. Schramm at every turn appears, not only as a system that increases mobility and security, but also as an invader of her decisional privacy. PSE in this context means that the use of MAS
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Privacy-sensitive Empowerment
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should also allow for the possibility to ignore or even not to take the advice of an assistance system – even if it comes at the expense of mobility and safety. Moreover, the criterion of independence can be examined more closely in this context, and not every activity that can be performed independently of a caregiver is considered to add to autonomous capability – especially if MAS propose only a limited number of courses of action. Even though the problem of informational privacy in technically assisted dementia care remains a challenging issue, in PSE, privacy is not reduced to data protection but rather adds another aspect. From the perspective of PSE, informational privacy is also considered in terms of its intimacy dimension. By considering information as a capital of (intimate) relationships, the collection of sensitive (medical) data is also evaluated against the background of how it affects the quality of Mrs. Schramms relationships. For example, if the relationship between Mrs. Schramm and her caregivers gains from Mrs. Schramms’ reporting on her sleep patterns and eating habits, then this should not be taken over by an assistance system. Such a ritual might represent a sign of mutual trust and should be maintained so that Mrs. Schramm, does not merely appear as an object of care, but actively contributes to its success. In addition to the collection of medical data itself, the context of the data collection must also be considered in ethical evaluations of technical-assisted dementia care. Via the integration of topological privacy, the concept of PSE is able to do so. As other authors have proposed, even in severe phases of dementia, the body memory is intact in its various forms: “[A]ll life events enter into the body memory and remain stored in it as experiences and dispositions”, it is, “the totality of sedimented experiences […] that are updated through the medium of the body without us having to remember earlier situations” (Fuchs 2020, p. 283).
Taking all these points into consideration, it seems necessary to also conceive embodiment as the space of topological privacy, not only the physical body or the rooms that lie outside the human being. This also complements established empowerment concepts in a decisive way. PSE sensitizes for the privacy dimensions of self-determination, as it does not just conceive of people in need of care as physical bodies to be mobilized, but additionally relativizes the normative goals of empowerment. PSE reacts in particular to two dangers of previous empowerment concepts: A sublime ageism that conceives active ageing as a value in itself and a closely related benevolent paternalism. This manifests itself, for example, in the assumption that older people want to remain in their own homes without exception. While this is considered true, as studies show, for a large proportion of elderly and old people, including PwD, it does not seem ethically justifiable to assume this generally and unquestioningly for every PwD. Em-
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powerment that exclusively aims at a longer stay in one’s own home, where this is not explicitly desired and could potentially lead to loneliness and further stigmatization, violates decisional privacy and hinders lived intimacy. This is particularly true when decisional privacy and lived intimacy would be feasible in other care settings, as the desire to remain in one’s own home has less to do with the physical place itself and more to do with intimate aspects of it, and constituting it as a familiar environment, where intimacy is also of particular importance in the relationship between PwD and caregivers. Especially activities that interfere with the body-related intimacy of the PwD, such as washing and dressing, should not be performed by robots, even if this would relieve the caregivers physically, for example. Here, the justified claim for physical relief of the caregivers must be balanced against the importance of such intimate sphererelated activities for the relationship between PwD and caregivers. Nevertheless, the conduct of such activities may also be desired and even requested by the affected persons themselves, if this can reduce the intrusion of other people in their intimate sphere as described above.
5.
Conclusion
The care sector is facing tremendous transformational pressures. With the aim of improving the quality of care, compensating the shortage of skilled staff, and enhancing the situation for those affected as well as for the caregivers, MAS are increasingly implemented. Nevertheless, MAS remain controversial in discourse. From the perspective of those affected, the chances of increased security, improved self-determination and expanded participation have to be balanced against the risks of surveillance, isolation and deception. The relief for informal and professional caregivers could prove to be an illusion. Questions of financing and equitable access remain unresolved. In the context of dementia care, these fundamental issues are compounded by specific ethical issues. We have presented empowerment and privacy as sufficiently specified concepts for the ethical reflection of technology-assisted dementia care, addressing their normative goals in particular. We then showed the extent to which they can conflict. These conflicts culminate in the tension between (supposedly) increased self-determination and violated privacy through interference with the intimacyrelated dimensions of privacy. Therefore, we have presented Privacy-Sensitive Empowerment, an integrative principle that takes special account of the significance of embodiment as the space of bodily-typological privacy in the context of empowerment. By no longer conceiving of privacy merely as a negative right, but in its body-topological dimensions as a constituent element of autonomy, we enriched existing empowerment concepts with intimacy-aspects.
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Privacy-sensitive Empowerment
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The next steps towards an equally empowering and privacy-sensitive use of MAS will be (a) to include further factors that influence the normative goals mentioned, particularly questions of equitable access to MAS, but also of ensuring human care where this is desired or required. This could also be linked to a reflection on stigmatization through the use of MAS. In addition, (b) PSE needs to be operationalized to allow for a fruitful participatory design-processes, development in computer sciences and geriatrics. Furthermore, (c) it would have to be examined more closely how the scope of privacy can be determined independently of the capacity for autonomy and how this could be conceptualized as a normative claim. We assume that PSE, as a principle for the design and use of MAS is not only suitable for dementia care. Rather, it seems to us to be appropriate for all fields of care that involve people with chronic conditions. However, precisely because dementia care is characterized by an extremely high vulnerability of those affected – especially the PwD themselves but also their caring relatives – it is particularly suitable to develop such a concept. The challenges that arise in other fields of care will then be easier to identify and reflect upon.
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Privacy-sensitive Empowerment
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Robotik und Mensch-Maschinen-Interaktion: moralischer Status, Täuschung und gegenwärtige technische Entwicklungen
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Arne Manzeschke
Robots in care. On people, machines, and other helpful entities1
Introduction Digitalization and robotization are challenging the health care system as a whole and the nursing care sector in particular. A fundamental aspect of care is building relationships, and thus the question concerning how to form a relationship with robots becomes crucial. Robots are no longer simple tools or machines that we use according to our own requirements. Care robots, as they are currently developed, are complex technical counterparts engaging in social interactions with humans, whereby it is still not clear which social and, hence, moral status we should assign to these entities. The article offers some orientation for this discussion from an ethical and anthropological point of view.
What do we mean when speaking about robots in care? This topic attracts a high degree of attention – while at the same time having very little impact on real-life care practice. The discourse on robots in care that either support the work of caregivers or provide support to caretakers themselves, causes heated debate even beyond those immediately affected. However, only a very limited number of technical systems are available that can be effectively used for these purposes in the field of care (cf. Isfort et al. 2018). Yet, this is anything but a phantom debate, rather, the current vehemence is the attempt to catch up with recent developments. Considering the efforts in the German and European context that are linked to the term Ambient Assisted Living and that in the early 2000s have been mostly driven by the technical interests and supported by the political side, it can be observed that professional care-givers initially ignored this topic in general in the early phase. Also, the stimuli of the funding policy by the 1 This article is a translated and slightly modified version of: Manzeschke 2019. Thanks to Kincsö Nemes for the translation and the editors for valuable hints.
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Arne Manzeschke
German Federal Ministry of Education and Research (Bundesministerium für Bildung und Forschung, BMBF) regarding “The future of care” since 2012, have mostly been acknowledged by a small circle of interested and engaged people, instead of having been controversially discussed widely among the professionals and in society. In this respect, consultative events such as “Robotics for Good Care” (German Ethics Council 2020) or the symposium on “Ethical aspects of digital solutions in nursing care” (Hanover 2020, documented in this volume) provide important stimuli for an essential social debate, which should provide clarification in order to avoid that such consultations become obsolete because of the normativity of the factual. The problem is, indeed, that technological developments create facts in our social structures at such a speed that these can no longer be revised by ethical arguments. In the following, ethical and anthropological reflections will be presented in order to offer some orientation in the discourse on the use of robots in care.
Robots, machines and tools For a long time, humans have been using technology to relieve them of work or make work easier. The discussions about Ambient Assisted Living, about smart homes and about assistance to persons with restricted mobility follow this line and aim first of all at individual technical devices that are supposed to support people in need. The expansion of the internet and appropriate internet connections for high data throughput makes networking and communication between different devices relevant, moreover, it offers new features and applications. More efficient infrastructures enable the use of more complex machines – and consequently, the issue of using robots in health care arises. At this point, a distinction has to be made between different types of robots – which leads to different ethical questions in each case. ˇ apek’s stage play “Rossum’s UniThe term “robot” has its origin in Karel C versal Robots” (2001/1920). Here, the robots – the word is of Slavic origin, meaning work, esp. compulsory labour – are artificially made humans meant to do dull work. As a consequence, they almost lose their humanity. By contrast, the term “robots” nowadays signifies non-human systems, which are able to handle human activities by technical means. In the field of nursing care, due to the severe shortage of skilled workers, almost all nursing activities are considered in the long run to be handed over to robots. At the moment there are some technical and mostly moral restrictions, of which the moral ones will probably prevail for a longer time. The moral veto can be summarized most concisely in the following phrase: technology must not replace human contact and relations. Some debates focus more on the concern of deception: “due to certain salient behavioral as-
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pects of interaction with an RC (i. e. robotic carer), human patients may erroneously be led to believe that they have a reciprocal emotional or affective relation with the RC.” (Meacham/ Studley 2017, p. 97) Considering robots as the further development of machines and automatons, three levels of robotics can be differentiated. 1) industrial robots, with the following ISO 8373 (2021) definition: “Robots are free and reprogrammable multifunctional manipulators having at least three axes. These axes are used to move materials, parts, tools and special machines on programmed, variable tracks in order to fulfill diverse tasks”. This type of robots can be mostly encountered in industrial plants, where the robot performs its repetitive tasks isolated from humans in safety cages. These robots are quick, strong and dangerous for humans because they have no further orientation skills and would harm humans entering their operation radius. 2) The second type of robots is the service robot. Due to their sensitivity to situational aspects these robots work in the immediate surrounding of humans (e. g. robot vacuum cleaners) or interact with them without harming humans, animals or objects through continuing their activities in case of unpredictable incidents. In contrast to industrial robots, this type of robots presents broad orientation skills concerning contextual factors that are relevant for its operations, especially concerning the presence of living beings or changing environmental factors (light conditions, spatial changes of objects, unusual behaviour patterns of interaction partners). 3) The third type of robots is the social robot. There is an attempt to define this type, which seems to be suitable for our considerations – although Duffy et al. concentrate on interrobotic interaction: “Social robots constitute: A physical entity embodied in a complex, dynamic, and social environment sufficiently empowered to behave in a manner conducive to its own goals and those of its community” (Duffy et al. 2014). This definition is close to what we normally identify as social behaviour and assign to humans and at best to a few primates. These robots are able – respectively, they should be able in the future – to react to verbal and emotional human articulation and to orientate themselves in an environment of high complexity, responding to the situational requirements appropriately. In the first place, the capacity of social or social-emotional robots is not so much the performance of certain activities, but rather the social interaction with humans. It seems to be likely, that type 2 and 3 will merge into one robot type along with the respective technological improvement. Robots of type 3 are largely designed for social interaction and can thus help humans to deal with diverse situations. These overall technical developments, which are illustrated here in a shortened way, correspond to a political agenda that the Federal Ministry of Education and Research has formulated already programmatically in a call for funding in 2013: “Technical systems develop more and more from being merely a tool to acting as
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cooperative interaction partners. This opens up diverse opportunities in various areas of life. Technical systems will support humans in working contexts or in everyday situations and will make an important contribution to increasing their productivity, social participation, health or everyday competence.” (BMBF 2013, translation from German by the author; compare EU Commission 2011; 2016) Interaction is a broad term, therefore, substantial differences can be identified between surgical robots on the one hand, and nursing robots on the other hand. These differences involve not so much the technical skills of various robot types but rather their concrete areas of application, which raise various questions and demand an appropriate ethical evaluation. This can be illustrated for the current situation as follows: the use of surgical robots supporting surgeons in patient care causes less moral disapproval, since in this case activities performed by humans are being refined, augmented and partially automated. As a result, the operating human keeps control over the whole process. Questions about displacement effects of human work by robotics are certainly to be asked (cf. Manzeschke/ Brink 2020). Totally different questions arise in the field of nursing robots. Does technical support displace human care as such and as a result of this, does it undermine a central element of professional nursing? Moreover and in general, does it replace the gesture of care as an articulation of humanity as such? This very crude example illustrates that the form of support is very essential for ethical questions regarding the use of robots in health care: who is supporting whom in doing what and with which goal behind? In the following I will focus on robotics in nursing care (for robotics in surgery ref. Manzeschke 2014; 2018). For a more differentiated discussion, I propose to distinguish between different forms of support, namely “technical assistance” and “human help”. This distinction seems reasonable, even though these terms are not discerned consequently in everyday conversation (and also social legislation). “Help” is meant to signify an interaction between people, in which one person makes his or her resources, capacities or himself/herself available to the other person, in order to achieve the aims of the other. This pertains to situations in which the other person is not or no longer able to do this alone or by himself/ herself. In contrast, “assistance” can be provided either in technical or in personal form. Assistance describes the functional element of a support service, which is offered without the “addition” of a social and interpersonal element. In some cases, this might be experienced as a relieve, e. g. when no presence of other people is required in intimate tasks. In other cases, apparently “mechanical assistance” is experienced by humans as problematic because it is perceived as “soulless”. Therefore, it is important to have a close look and to investigate the what, the when and the how of the experience and what is valued as reasonable by whom and when. For the further argumentation, the following observation is important: up to now, robots can only carry out “functional” elements of actions,
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e. g. offer objects, food or support for mobilizing patients. So far, available robots are not able to act equally convincing both on the functional and social level. This may change as time goes by and as technology progresses. Yet, we can now formulate the thesis, that robots are not only able to support, but also to take over human activities in certain fields, as long as the functional element of the performance is concerned. It should be noted that robots have different forms of appearance, they address different requirements and functionalities and they simulate social and emotional actions, respectively interactions in socio-technical arrangements. The problem that currently occurs for nursing care as a profession is – a problem, which might change our society as a whole regarding our understanding of help and care – whether our human understanding of care will change and gain new contours in case robots take over a non-negligible part of these activities. This would result in the loss of an “experience” of the interpersonal dimension of help, since the focus on functional elements will increase. This may go along with a fear of deception as discussed by Meacham and Studley (2017)2, but it is much more serious since it reaches the core of societal life. On the one hand, this applies to the concrete nursing practice, in which the functional element will begin to dominate because of the severe shortage of skilled workers and the constantly increasing need for care. On the other hand, this is also true for the quality of experience in the care systems and in society as a whole. When the interpersonal momentum of care will be experienced less and less, the conception of care might be dismissed as a beneficial but ultimately unrealistic conception. This would be a loss of humanity, since our ability to feel empathy and care for one another is an essential part of our humanity (cf. Slote 2007). This loss occurs not because robots as human counterparts would make us human beings give up such ideas, but because of our lack of imagination and responsibility to shape our health care system not only based upon technical innovation. Rather, we need to develop our social system and moral attitudes at the same time. Another aspect plays a role here. In the future, robots developed in the field of service robotics will probably display social and emotional abilities – provided no other decisions are made in this field – and they will thus make a “social offer” to people in need of care. This is because, on the one hand, robots will send out such social signals (or are already doing so today), and on the other hand, we as human beings are willing to enter into social relationships with other living beings or lifeless objects, investing them with emotions. It is currently discussed, whether the interaction with language assistants such as Alexa, Siri etc. will change the human communication manners and 2 For the issue of deception, see also the contribution of Haltaufderheide in this volume.
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traditional forms of courtesy. How can such changes be evaluated? Which criteria help us distinguish “good” from “bad” manners and which actions for regulation can or should be taken?
Relationship with robots? It seems that we humans are about to construct new artificial entities with which we will not only interact in a functional manner, as we have been doing for a long time with machines and simple tools, but with which we will engage in social and emotional relationships. Although, this has been imagined in human culture for a long time, it has not yet been realized. Examples are Pygmalion and Galatea, the Golem of Prague, Olympia in E.T.A. Hoffmann’s “Sandmann” (2018). We are challenged by these types of existence, which do not occur naturally, but have been constructed by humans. This represents a totally new challenge compared to natural living beings – the taxonomy we develop to assign a particular status to living beings or robots refers to a specific conception of the world (Meyer-Abbich 1997). Regarding natural living beings we shape our relationships by recognizing a certain intentionality in our counterparts and – if it goes well – by responding to it, hence shaping the relationships. In the case of highly organized animals we certainly recognize when they feel fear or pain and try to prevent it – even though it must be admitted that meanwhile we have gained a sometimes seemingly sophistical set of arguments to ignore this intuition. What does it mean to engage in a social relationship with an entity constructed by us humans, in which this robot is not only performing a functional job, but moreover, is negotiating closeness and distance with us humans in a social process? The robot is no longer a machine that we humans can use as we please. Even though no social claims or feelings are at stake on the side of robots, robots still play a role on “our” side. And this is what we should face. A scene from the movie “Robot und Frank”, released in 2012, illustrates this very well. Frank, an elderly gentleman suffering from mild dementia, gets a robot from his son, which is supposed to look after him in his everyday life. He is reluctant to get involved with this housemate, until he discovers that this robot can actually help him to relaunch very effectively his activity as a jewel thief, which he stopped due to disabilities. An ethical question is mentioned here just as an aside, however, the answer is anything but trivial: should a robot be unconditionally adjusted to the interests and preferences of the person in need for support? If not, which other interests and criteria should be considered? We will have to face these questions. The question that interests me more at this point is the relationship between humans and robots: the police detect Frank’s criminal schemes; the only way to destroy the relevant evidence against him is to delete the memory of the robot,
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that is to switch it off completely. This is what the robot also proposes in a very rational way. However, Frank hesitates: “He is still my friend”.
Inside and outside of the “animated” machine A relationship is always a process that encompasses at least two entities. It crosses their respective physical boundaries and entails a renegotiation of social boundaries between both partners. These physical boundaries are, in general, set by living beings themselves and out of themselves. In case of living beings these boundaries are set by a biological process, in which the morphological development is not free of genetic and social mutations, although it essentially (and normally) depends mostly on this biological specification. Hence, philosophy and theology use the term “genitus, non factus” in order to distinguish between natural generation and artificial construction. In case of inanimate entities, however, the “factus” is emphasized as these physical boundaries are set from outside. For example, wood needs to be cut into the shape of a table, the plastic mould of a car interieur is drawn and cast in a special process. This applies to robots as well: their external appearance is subject to design concepts of constructors and customers. From this perspective, they remain machines with a certain appearance designed for a certain purpose. The specific difference, however, pertains to their “inner side”, which does not stem from an evolutionary and social process as in case of other living beings, but is constructed by humans just as their outer appearance. But this is not universally applicable. Robots equipped with artificial intelligence develop a “life of their own” due to self-learning algorithms which are not completely under human control nor do they follow the objectives of humans. In case of robots, we are dealing with inanimate objects in terms of their external appearance that is adjusted to the intended purposes and aesthetics of humans. Moreover, this entity has a “life of its own” so that its relationships can be shaped in both directions. This distinguishes the robot from other inanimate entities. It also distinguishes it from automatons and machines to which, indeed, a certain self-movement can be ascribed. The significant difference to machines is that robots address the social or emotional level in a selective way, whereas in case of machines this does not play a role. Based on these considerations, a reciprocal relationship seems to be possible and thus robots become an interesting, but also controversial vis-à-vis. On the one hand, it is not clear what exactly we have to deal with and which social rights and obligations arise on both sides. On the other hand, this vis-à-vis challenges us to engage in a constructive relationship with it. However, unlike natural beings with whom we negotiate relationships, recognize and accept the normative status of the other (cf. Margalit
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Arne Manzeschke
1997, who pointed out that a social status is always connected to a normative status) as “generated”, such a normative status does not exist in case of robots – rather, it must be established by us humans.
What we owe ourselves Digitalization and robotization raise fundamental questions for ethics and anthropology that are to be answered and considered by society as a whole. Through their technical implementation, digitalization and robotization will determine the shape of nursing care and, moreover, of care for people in need. This issue concerns all of us – not only as potential clients of the care system, but also, broadly speaking, as people who have an interest in humanity that shapes our way of living together. The use of technology in general and of robots in particular does not have to be a threat to humanity, provided that we face the questions mentioned above and are willing to shape the development process of robots deliberately and in a responsible way. By “we” I mean, on the one hand, health care professionals and organizations that are called to contribute their professional expertise, their structural and procedural knowledge and – just like all other persons involved in social consultation processes – their moral attitudes. On the other hand, as citizens of a pluralistic and social community we are all required to shape its future in a humanistic manner. This will not be achieved by restricting design decisions to the outer appearance of robots that are supposed to engage with us. It will depend much more on how we will construct the interior of these entities and how, under changing conditions, we humans will learn through the handling robots and through their support of us, to develop social awareness, the ability for empathy, and the willingness to help people in need.
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Robots in care. On people, machines, and other helpful entities
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Joschka Haltaufderheide
A ghost in the shell? – Philosophische Überlegungen zur Verwendung von Scheinelementen als Bestandteil sozialer Assistenzsysteme
Hintergrund In naher Zukunft wird eine steigende Zahl von zunehmend älter werdenden Menschen mit Gesundheitsleistungen versorgt werden müssen (Statistisches Bundesamt 2019, S. 11). Diese Menschen werden aufgrund des steigenden Alters in ihren motorischen, sensorischen oder kognitiven Fähigkeiten eingeschränkt sein (Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend 2019, S. 26). Gleichzeitig befinden sich gesellschaftliche Strukturen in tiefgreifendem Wandel. Durch den relativ gesehen sinkenden Anteil an jüngeren Menschen in der Bevölkerung, durch die Steigerung der Beschäftigungsquote, eine Zunahme der Mobilität, und eine zu geringe Zahl professioneller Versorgungskräfte, werden weniger Personen zur Verfügung stehen, die entsprechende Leistungen erbringen oder die notwendigen Ressourcen erwirtschaften könnten (Remmers 2018, S. 161; Scorna 2015, S. 81). Nach derzeitigem Stand werden die Mittel des deutschen Gesundheitssystems in einigen Jahren nicht mehr ausreichen, um alle Ansprüche zu decken. Dies macht einen weitreichenden Umbau für die Zukunft unausweichlich. Die Gesundheitsversorgung wird primär auf Langzeitversorgung und den Erhalt von bestehenden physischen und mentalen Fähigkeiten ausgerichtet werden müssen. Digitale Gesundheitstechnologien scheinen eine wichtige Möglichkeit in Aussicht zu stellen diesen Umbau voranzutreiben. Auf der Makroebene sind dies vor allen Dingen Anwendungen aus dem E-Health-Bereich, die durch intelligente Vernetzung und Steuerung von Prozessen Effizienzgewinne erzeugen (Eysenbach 2001; Remmers 2016 S. 7). Auf der Mikroebene des individuellen Handelns stehen Technologien im Vordergrund, die eigenverantwortliches Handeln und den Erhalt bestehender Kompetenzen unterstützen. Insbesondere soziale Assistenzsysteme stehen für dieses Versprechen. Diese Systeme sollen in den Alltag ihrer Nutzer:innen integriert werden mit dem Ziel der Unterstützung von Routine-, Kontroll-, oder Steuerungshandlungen in der therapeutischen, pflegerischen oder rehabilitativen Versorgung (Cowan/Turner-Smith 1999 S. 327;
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Joschka Haltaufderheide
Kachouie et al. 2014 S. 369; Moser-Siegmeth/Hofer 2013, S. 59). Sie unterstützen beispielsweise kognitiv als interaktive Tagesbegleiter, die an die Einnahme von Medikamenten erinnern, bieten gezielte Beschäftigungsangebote oder regen zu sozialer Interaktion an, um gesellschaftlicher Isolation und Einsamkeit vorzubeugen. Viele dieser Geräte nutzen so genannte soziale Schnittstellen als Kontaktpunkt der Mensch-Maschinen-Interaktion. Sie sind technisch in der Lage, emotionale oder soziale Äußerungen ihrer Nutzer:innen zu interpretieren und simulieren selbst eine Art subjektähnliches Verhalten, beispielsweise durch virtuelle Avatare, das Nachahmen von Stimme, Mimik, Gestik oder Emotionen als Reaktion auf ihre Nutzer:innen. Sie zeigen so etwas, das für Menschen im Rahmen ihrer natürlichen sozialen Kommunikationsformen als „Verhalten“ interpretierbar wird (Abdi et al. 2018, S. 2; Hegel et al. 2009, S. 170; Kehl 2018, S. 73). Auf diese Weise werden komplexe Unterstützungsleistungen intuitiv verfügbar. Der Einsatz sozialer Assistenzsysteme wird mit großen Hoffnungen verbunden und ihre Entwicklung mit beträchtlichem Aufwand vorangetrieben (Kehl 2018, S. 59; World Health Organization 2017, S. 9). Befürworter sehen eine Möglichkeit gesellschaftliche Teilhabe und selbstbestimmtes Handeln älterer Menschen trotz knapper Ressourcen dauerhaft zu sichern und Gesundheitsressourcen, insbesondere im Pflegebereich, nachhaltig zu entlasten (Bennett et al. 2017, S. 749; Remmers 2018, S. 162). Zugleich fordert die Nutzung gängige moralische Intuitionen heraus: Viele Menschen fürchten sich vor einem schleichenden Verlust von Kontrolle und Privatheit, bei dem eine Maschine als diskreter Hintergrundtaktgeber die Führung übernimmt und ihren eigenen, technischen Rationalitäten folgt, während dies zugleich durch die „freundliche Zugewandtheit“ und „Hilfsbereitschaft“ einer sozialen Schnittstelle überdeckt wird (Bennett et al. 2017, S. 750; Hoppe et al. 2020, S. 149; Yusif et al. 2016, S. 115). Dies wiegt besonders schwer, da soziale Assistenzsysteme einerseits Unterstützungsbedarf auf oder über die kognitive, emotionale oder soziale Ebene adressieren und sich andererseits an Nutzergruppen richten, die sich in einer vulnerablen Position befinden. Die Furcht vieler Nutzer:innen vor einem unbemerkten Kontrollverlust hängt unter anderem mit der moralisch uneindeutigen Stellung von Scheinelementen zusammen (Danaher 2020, S. 117; Matthias 2015, S. 173). Bei der Simulation eines sozialen Subjektes als Schnittstelle der Mensch-Maschinen-Interaktion handelt es sich um ein solches Scheinelement, das aufgrund des Grades seiner technischen Komplexität in besonderem Maße eine Herausforderung darstellt. Zwar ist in den vergangenen Jahren vereinzelt über die moralische Problematik von Scheinelementen in der Gesundheitsversorgung diskutiert worden, die Frage, inwieweit die dabei entwickelten ethischen Grundsätze auch auf solche in der digitalen Gesundheitsversorgung weit verbreiteten Elemente anzuwenden sind, ist jedoch offen (Graf-Wäspe 2016; Körtner 2016; Lorey 2019; Sokol 2007).
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A ghost in the shell?
Dieser Aufsatz untersucht, wie sich das Problem der Simulation von sozialen Entitäten bei sozialen Assistenzsystemen abseits intuitiver Vorbehalte ethisch formulieren lässt. Im ersten Schritt wird eine kurze definitorische Eingrenzung der entsprechenden Systeme vorgenommen. Im zweiten Schritt sollen die normativen Grundlagen der Bewertung von Scheinelementen erörtert werden. Dabei zeigt sich, dass nach den in der Medizinethik bisher diskutierten Kriterien prima facie kein Zweifel besteht, dass soziale Assistenzsysteme, die mit solchen Elementen arbeiten – ähnlich wie Bushaltestellen für Demenzpatienten oder simulierte Zugfahrten – über das Potential verfügen, moralisch fragwürdige Täuschungen zu produzieren und damit ein Problem darstellen. Im dritten Schritt wird dieses scheinbar eindeutige Urteil hinterfragt. Dabei zeigt die Konfrontation der angelegten normativen Kriterien mit dem empirischen Sachstand, dass ein wichtiges Distinktionsmerkmal zwischen moralischem und unmoralischem Einsatz solcher Systeme fehlt. Im letzten Schritt führe ich ein solches zusätzliches Unterscheidungskriterium ein und diskutiere dessen Implikationen.
Soziale Assistenzsysteme in der Pflege Für den Begriff der sozialen Assistenzsysteme existiert derzeit keine einheitliche Definition (Kehl 2018, S. 73; Manzeschke et al. 2013, S. 8). Auf die Schwierigkeiten einer solchen Definition kann hier nicht weiter eingegangen werden. In zumindest vorläufiger Annäherung handelt es sich um einen Sammelbegriff, in dem sich Konzepte, Produkte und Dienstleistungen aus den Bereichen Robotik, Servicetechnologie und „Ambient Assisted Living“ unscharf überlappen. Seit einiger Zeit im Einsatz sind so genannte Companions, wie die berühmte Robbe Paro. Haptisch, optisch und akustisch ist Paro einer jungen Robbe nachempfunden. Ausgestattet mit zahlreichen Sensoren, die Berührung, Bewegung und Druck registrieren, wird das Verhalten eines schutzbedürftigen Jungtieres simuliert. Das Gerät regt so dazu an, ihm gegenüber sorgendes Verhalten an den Tag zu legen und sich mit ihm zu beschäftigen (Hung et al. 2019; Scorna 2015, S. 86). Companions kommen beispielsweise als Begleiter in Pflegeheimen oder als aktivierende Maßnahmen bei Demenzpatienten zum Einsatz. Hier steht die Ansprache der emotionalen Ebene im Vordergrund. Andere Geräte lassen sich eher dem Bereich der Servicerobotik zuordnen und unterstützen bei manuellen Aufgaben. Beispiele hierfür sind etwa Pepper, Care-o-bot, RAMCIP oder LIO (Misˇeikis et al. 2020; Kittmann et al. 2015; Kostavelis et al. 2016; Pandey/Gelin, 2018). Bei LIO handelt es sich beispielsweise um eine modulare robotische Plattform, die zur Unterstützung unterschiedlicher Aufgaben konfiguriert werden kann. So kann das Gerät beispielsweise Personen erkennen und freundlich
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an die Aufnahme von Flüssigkeit erinnern oder ihnen Aktivitäten vorschlagen. Auftreten und Design vermitteln in unterschiedlicher Weise anthropomorphe Züge. So beschreiben seine Entwickler Care-o-bot beispielsweise als „von zurückhaltendem und höflichem Wesen“ (Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung IPA 2021). Mit dem Projekt RAMCIP wird ein Gerät entwickelt, dass neben den genannten Eigenschaften über eine deutlich weiterentwickelte künstliche Intelligenz verfügt und dessen Aufgabe es ist, an Demenz erkrankte Personen in ihrem Alltag proaktiv zu unterstützen. Neben Geräten robotischen Ursprungs sind drittens Konzepte aus dem Bereich des „Ambient Assisted Living“ zu nennen (Cesta et al. 2011). Die Möglichkeit, Nutzer:innen zu begleiten und zu unterstützen, ergibt sich hier aus der gezielten Vernetzung von sensorischen Daten aus der Umgebung und der Interaktion über Bildschirme. Ein Beispiel hierfür sind etwa Smart-Home-Konzepte oder interaktive Tagesbegleiter in Form virtueller Avatare auf PC, Smartphone oder Tablet. Gemeinsam ist all diesen Geräten, dass es sich um programmierbare Maschinen handelt, deren technische Ausstattung ihnen ein gewisses Mindestmaß an Aktionsmöglichkeiten innerhalb eines typischen Settings ermöglicht. Das Ziel ist das Bereitstellen von komplexen Versorgungs- und Unterstützungsleistungen, die ein gesundes und unabhängiges Leben ermöglichen sollen. Für die Frage der Scheinelemente ist relevant, dass diese Funktionen in wesentlicher Weise auf Algorithmen basieren, die einerseits Veränderungen – insbesondere in den emotionalen, mentalen oder physischen – Zuständen ihrer Nutzer:innen erkennen und andererseits selbst bestimmte wechselnde Zustände abbilden, die von Nutzer:innen als Teil natürlicher kommunikativer Äußerungen interpretiert werden können (Janowski et al. 2018, S. 66). Sie simulieren so ein mehr oder weniger ausgefeiltes Subjekt als Schnittstelle der Mensch-Maschinen-Interaktion, das als Ausgangspunkt der Bedienung fungiert. Soziale Assistenzsysteme nehmen also eine interaktive Beziehung zu ihren Nutzer:innen auf, die einer natürlichen Interaktion nachgebildet ist. So wie jedoch Paro nicht wirklich ein hilfloses Jungtier ist, so hat Care-o-bot keine Persönlichkeit, die man als höflich beschreiben kann. In beiden Fällen führt die im Programm angelegte Analyse der sensorischen Daten zu einem entsprechenden Output, der als Verhalten beschrieben werden kann.
Das ethische Problem der Täuschung Geschieht eine solche Zuschreibung durch Nutzer:innen, kann man von einer Täuschung sprechen. Täuschungen stehen nicht nur alltagssprachlich in zweifelhaftem Ruf, sondern stellen ernste moralische Probleme dar. Einerseits be-
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treffen sie im Bereich der Gesundheitsversorgung einen besonders sensiblen Kontext. Das Ideal von Autonomie, die Wahrhaftigkeit von Informationen und die Vorstellung aufgeklärt handelnder Personen gehören zu Grundpfeilern einer ethisch akzeptablen Versorgung. Zweitens scheinen die Befürchtungen vieler Nutzer:innen durch ein grundsätzliches Unbehagen gegenüber der Gefahr einer Täuschung erklärbar. So erweist sich die in Scheinelementen angelegte Differenz zwischen einem sichtbaren Output und einem uneinsehbaren technischen Prozess als mögliche Erklärung für die verbreitete Furcht vor und dem Misstrauen gegenüber einer technischen Rationalität im Hintergrund. Scheinelemente in der gesundheitlichen Versorgung sind insbesondere in der Diskussion um falsche Bushaltestellen oder Zugabteile, ebenso wie im Rahmen von so genannten Demenzdörfern oder bei der Gabe von Placebos genauer untersucht worden (Barnhill/Miller 2015; Graf-Wäspe 2016; Lorey 2019). Dabei ergeben sich Kriterien für eine eng begrenzte moralische Zulässigkeit. Janine Graf-Wäspe (2016) argumentiert, dass moralisch relevante Täuschungen durch Scheinelemente im Erzeugen falscher Annahmen über die Welt bestehen. Im Gegensatz zur Lüge muss das Hervorrufen solcher Annahmen dabei nicht auf der Weitergabe von absichtlich verfälschten Informationen basieren. Vielmehr wird hier wissentlich in Kauf genommen, oder sogar durch Auslassung absichtlich befördert, dass eine Person die entsprechenden Informationen falsch oder in einem gewissen Sinn interpretiert (Faulkner 2013). Eine Person, die die Aktionen und Reaktionen eines sozialen Assistenzsystems fälschlicherweise für das Handeln einer realen sozialen Entität hält, unterliegt in diesem Sinn einer Täuschung. Aus ethischer Sicht gilt, dass Täuschungen auf unterschiedlichen Ebenen problematisch sein können. Grundsätzlich sind Handlungen, die Manipulationen direkt beabsichtigen, moralisch indiskutabel. Sie sind aufgrund der ihnen innewohnenden Absicht intrinsisch problematisch. Für unabsichtliche Täuschungen oder das wissentliche in Kauf nehmen sind drei weitere Argumente relevant: Auf einer basalen Ebene erzeugen Täuschungen erstens eine falsche Wahrnehmung der Welt und schädigen damit Personen in moralisch problematischer Weise. Für die Konzeption, Planung und Durchführung dessen, was eine Person handelnd zu erreichen versucht, sind möglichst fehlerfreie Informationen über die Welt von elementarer Bedeutung. Jemanden durch eine Täuschung daran zu hindern, die Welt in möglichst vollständiger und richtiger Art und Weise wahrzunehmen und zu entsprechenden Überzeugungen zu gelangen, beeinträchtigt die Grundlagen des selbstbestimmten Handelns und die Erfüllung moralisch relevanter Interessen (Matthias 2015, S. 178). Es kann bedeutsame negative Folgen für die betreffende Person und ihre Fähigkeit zum selbstbestimmten Handeln haben. Wer beispielsweise in der Interaktion mit seinem persönlichen technischen Pflegebegleiter zu der Auffassung gelangt, er habe es tatsächlich mit einem Wesen von ausgesuchter Höflichkeit und
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Freundlichkeit zu tun, das sich um das Wohl einer anderen Person sorgt, der sitzt einer Täuschung auf und wird in den Grundlagen seiner Handlungsfähigkeit beeinflusst. Er schreibt diesem Gerät Eigenschaften und Interessen zu, die es nicht hat, und verhält sich entsprechend (Turkle et al. 2006, S. 360). Zum Beispiel, indem er ihm selbst mit ausgesuchter Höflichkeit begegnet und sich aus diesen Gründen kompromissbereiter und konzilianter verhält, als es seiner eigentlichen Interessenlage entspricht. Mit der Beeinflussung, die mit einer solchen Täuschung einhergeht, wird aber nicht nur die Grundlage der Handlungsfähigkeit beeinträchtigt. Sie stellt zweitens auch den Status der getäuschten Person als den eines anerkennungswürdigen Subjektes mit moralisch bedeutsamen Interessen in Frage. Anerkennung meint hier die wechselseitige Erfahrung der eigenen moralischen Bedeutsamkeit. Eine Person, die von anderen anerkannt wird, erfährt sich selbst als Person von moralischer Bedeutung und erhält die Bestätigung, dass ihre Interessen – auch durch die Selbstbegrenzung ihres Gegenübers – Berücksichtigung erfahren sollen. Sie wird damit Teil einer moralischen Gemeinschaft, in der sie ihre Interessen vertreten kann (Laitinen et al. 2016, S. 158). Eine Täuschung, die dazu führt, dass sich eine Person in einem Kommunikationsakt mit einem sozialen Gegenüber wähnt, beinhaltet jedoch nicht die Möglichkeit Anerkennung zu erfahren, sondern gaukelt diese lediglich vor. Dies schließt eine Person im schlimmsten Fall nicht in den Kommunikationszusammenhang einer moralischen Gemeinschaft ein, sondern aus diesem aus. Es suggeriert einen Adressaten moralischer Ansprüche, den es nicht gibt, und nimmt in Kauf, dass sich eine Person diesem Adressaten zuwendet, um Anerkennung zu finden und Ansprüche geltend zu machen. Wo Menschen einer solchen Situation ausgesetzt werden, sind drittens Täuschungen eng mit der Degradierung von Personen zum Mittel verbunden. Dies ist dann der Fall, wenn eine Täuschung eingesetzt wird, um Personen dazu zu bringen in bestimmter Weise bei der Erreichung eines Zieles hilfreich – zumindest aber nicht hinderlich – zu sein, ohne dabei den moralischen Status und die eigenen Interessen dieser Personen hinreichend zu beachten. Wenn beispielsweise soziale Assistenzsysteme eingesetzt werden, um vorrangig Andere von bestimmten Aufgaben freizustellen, dann erscheint die Täuschung als ein Mittel, den Aufwand für die Erfüllung sozialer Grundbedürfnisse möglichst effizient zu substituieren, ohne diese zugleich real zu erfüllen. Dies reduziert den Status der nutzenden Person auf den eines bloßen Mittels und stellt ihn damit grundsätzlich in Frage.
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Ethische Skepsis gegenüber technischen Täuschungen Auf Grundlage dieser Überlegungen lassen sich vier Kriterien ableiten, wann dem Einsatz von Scheinelementen in sozialen Assistenzsystemen moralische Relevanz als Täuschung zukommt. Erstens sind solche Täuschungen indiskutabel, die mit der entsprechenden Absicht vollzogen werden. Zweitens sind aber auch solche Scheinelemente problematisch, die negative Folgen für die Handlungsautonomie betreffender Person wissentlich in Kauf nehmen. Drittens sind solche Elemente problematisch, bei denen Personen ihre Anerkennung als moralische Subjekte verweigert wird und sie, viertens, nur als Mittel Berücksichtigung finden, also immer dann, wenn die Folgen einer solchen mittelhaften Berücksichtigung nicht insgesamt durch die positiven Gesamteffekte für die Person ausgewogen werden können. Unter diesen Bedingungen haben es technoskeptische Positionen sehr leicht, Scheinelemente moralisch zu problematisieren (Sharkey/Sharkey 2010, 2012). Sie können ihre Position durch Verweis auf die Konstruktionsweise, empirische Studien zum Nutzungsverhalten und die Folgen des Einsatzes der Geräte untermauern. Einerseits ist zu berücksichtigen, dass Scheinelemente ein inhärentes und wesentliches Element sozialer Assistenztechnologien sind. Dies ist ihrer besonderen Funktion als Schnittstelle geschuldet. Die Geräte zeigen nicht zufällig Reaktionen, die als Verhalten interpretiert werden können (Janowski et al. 2018, S. 67). Der Schein einer sozialen Entität ist als Teil der Schnittstelle gewollt und muss die Gefahr einer Fehlkonzeption in Kauf nehmen. In Bezug auf das Nutzungsverhalten und die Folgen der Nutzung gilt nach Auffassung dieser Position zweitens, dass die Effekte von sozialen Assistenzsystemen vergleichbar mit denen einer realen sozialen Interaktion sind. Sie stellen sich jedoch nur dann und deswegen ein, weil eine erfolgreiche Täuschung vorgelegen haben muss und Nutzer von etwas profitieren, das sie fälschlich für eine soziale Interaktion halten. Die Kritiker haben insofern Recht, als dass die Reaktionen, die soziale Assistenzsysteme zeigen, in der Tat keineswegs zufällig sind. Was als „Verhalten“ verstanden und interpretiert werden kann, entsteht auf der Basis einer algorithmisch determinierten Natur und wird durch einen Programmcode vorgegeben. Das Ziel ist ein subjekthaftes Verhalten, das zur Aufnahme einer sozialen und kommunikativen Beziehung ermuntern soll und damit bei Nutzer:innen den Eindruck erzeugt, sie stünden nicht einem technischen Gerät gegenüber. Dies soll die Bedienung erleichtern (Janowski et al. 2018, S. 67). Eine aus technischer Sicht möglichst gute Simulation ist für soziale Assistenztechnologien über die intuitive Zugänglichkeit hinaus eine wichtige Voraussetzung für das erfolgreiche Funktionieren und genießt als Designziel hohe Priorität. Grund hierfür ist die sogenannte Uncanny-Valley-These (Mori et al. 2012). Sie fasst die Beobachtung zu-
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sammen, dass die Akzeptanz technischer Geräte ab einem bestimmten Grad der Menschenähnlichkeit in Aussehen und Verhalten in massiver Weise absinkt und starke Aversionen erzeugen kann, die eine unterstützende und intuitive Interaktion mit der Maschine beinahe unmöglich machen. Sofern diese Form der Interaktion also ein wesentliches Bedienelement sein soll, macht die Überwindung des „Grabens“, in dem die Maschine als unheimlich empfunden wird, ein Design notwendig, das Interaktionsmechanismen oder Aussehen so präzise imitiert, dass die Imitation nicht mehr den störenden Effekten des UncannyValleys unterliegt. Auch die Annahme, dass die Effekte von sozialen Assistenzsystemen mit denen von realen Interaktionen vergleichbar sind, wird von der empirischen Forschung prima facie gestützt. Auch wenn die empirische Studienlage nicht umfassend und qualitativ divers ist, so legt sie bestimmte Effekte, sowohl in Bezug auf die Beobachtung von Nutzerverhalten als auch in Bezug auf objektiv quantifizierbare Größen nahe. Nachweisbare Veränderungen und positive Effekte betreffen den emotionalen Zustand, Kontaktfreudigkeit und Zufriedenheit von Nutzer:innen und sind auch in physiologischen Parametern nachweisbar (Abdi et al. 2018; Kachouie et al. 2014). Sie ergeben das Bild emotional und körperlich stabilisierender Effekte, die auch durch regelmäßige reale soziale Interaktion erreicht werden.
Argumente einer inkludierenden Position Will man dieser Position Plausibilität zugestehen, dann wären dem Einsatz von sozialen Assistenzsystemen sehr enge Grenzen gesetzt. Es wären kaum Situationen vorstellbar, in denen man die Nutzung nicht mit problematischer Täuschung gleichzusetzen hätte. Dennoch scheint dies bei genauer Betrachtung wenig überzeugend. Zum einen unterliegt die Deutung des empirischen Sachstandes einem großen Interpretationsspielraum und ist sicher nicht über einzelne Geräte hinaus verallgemeinerbar. Dies gilt insbesondere für die Frage, ob positive Effekte als Indizes einer moralisch relevanten Täuschung herangezogen werden können. Zum anderen scheint diese Position jedoch einen wichtigen Punkt zu übersehen. Ein einfaches und illustratives Beispiel, welches dies deutlich macht, ist die Nutzung eines Smartphones, das für viele Menschen mittlerweile alltäglich und selbstverständlich geworden ist. Aus technischer Perspektive sind Smartphones gute Beispiele für das Potential von Scheinelementen. So öffnet man beispielsweise eine App durch das „Drücken“ eines Knopfes oder kann sich durch die Menüstruktur eines Programms „wischen“. Allerdings gibt es auf der Ebene des Programms nichts, was einem Knopf entspräche. Zudem reagiert die Eingabe nicht auf tatsächlich ausgeübten Druck. Ähnliches gilt für die verfügbaren Sprachassistenten. Auch sie sind Simulationen, verfügen sogar
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über soziale Schnittstellen und erfüllen alle notwendigen Bedingungen, um nach den oben angelegten Kriterien von einer Täuschung zu sprechen. Aber kaum jemand würde dies als schwerwiegendes moralisches Problem beschreiben – jedenfalls so lange nicht, wie das Gedankenexperiment von durchschnittlich kompetenten Nutzer:innen ausgeht. Dieses Beispiel und insbesondere die einschränkende Bedingung im Nachsatz markieren einen moralisch wichtigen Unterschied, der in der bisherigen Diskussion um Scheinelemente noch keine große Rolle gespielt hat, aber gerade im Rahmen der Nutzung von sozialen Assistenzsystemen von entscheidender Bedeutung ist. Allenfalls implizit ist bisher darauf hingewiesen worden, dass ein weiteres Kriterium für das Vorliegen einer moralisch relevanten Täuschung das Nichtwissen des Getäuschten ist. Dies ist nur dann der Fall, wenn ein Nutzer sich nicht darüber im Klaren ist, dass er oder sie gerade von falschen Annahmen ausgeht. Was banal klingt, hat für die ethische Bewertung sozialer Assistenzsysteme weitreichende Bedeutung. Die Erklärung für das Nutzerverhalten und die Effekte müsste in diesem Fall als ein Anthropomorphismus der beteiligten Personen identifizierbar sein, gemäß dem Nutzer:innen ehrlich und wahrhaftig davon überzeugt sind, dass die Maschine als ein soziales Objekt zu klassifizieren und zu behandeln ist. Das entspricht jedoch nicht unserer alltäglichen Erfahrung. Auch die Forschung zur Mensch-Maschinen-Interaktion zeigt ein differenzierteres Bild. Arbeiten, insbesondere aus der Sozialpsychologie und den Sozialwissenschaften, weisen darauf hin, dass die Beobachtung eines scheinbar anthropomorphisierenden Verhaltens zwar richtig erscheint. Dies steht jedoch in scharfem Kontrast zu Selbstaussagen von Probanden in entsprechenden Studien, in denen sich in aller Regel keine Person bereitfindet, Maschinen tatsächlich soziale Eigenschaften zuzuschreiben. Nass und Moon (2000) schließen daraus, dass Anthropomorphisierungen nicht zum normalen Nutzerverhalten gehören. Vielmehr bewegen sich Personen nicht in einem binären Modus von Bewusstsein und Nicht-Bewusstsein über die technische Natur entsprechender Geräte (Nass/ Moon 2000, S. 82). Auf der einen Seite können sich zwar selbst erfahrene, technisch versierte und verständige Nutzer:innen dem Sog der Aufnahme subjektiver Interaktionen mit entsprechenden Geräten kaum entziehen. Sie berichten dann von einer Beziehung zu einem Subjekt und schreiben der Maschine vermeintliche Interessen zu, sprechen von Intentionen und Wünschen oder erklären auf diese Art und Weise beobachtbares Verhalten. Verlassen die Nutzer:innen jedoch den Kontext der unmittelbaren Interaktion, so sprechen sie von dem gleichen Gegenstand in derselben Situation als einer unbelebten Maschine und können ihre Reaktionen als technische Funktionen deuten. Sie sind sich darüber hinaus der Widersprüche zwischen diesen beiden Modi von Erklärung und Verhalten bewusst und haben dennoch nicht das Bedürfnis, diese Widersprüche aufzulösen.
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Christopher Scholtz nennt das einen zweifachen Modus des Bewusstseins, der zwischen einer sozialen und einer distanziert rationalen Perspektive oszilliert (Scholtz 2011, S. 120). Nass und Moon weisen darauf hin, dass dieser Perspektivwechsel im Umgang mit technischen Geräten häufig vorkommt (Nass/Moon 2000, S. 93). Die meisten Menschen werden diese Art des Erlebens technischer Interaktionen kennen. Ähnliche Mechanismen greifen beispielsweise beim Ansehen eines spannenden Films. Auch hier können viele Menschen die dargestellten Emotionen verstehen und sogar nachfühlen – nicht wenige weinen vor Rührung, wenn das lang ersehnte Happy End endlich eintritt – zugleich sind sich dieselben Personen zu jeder Zeit vollkommen darüber im Klaren, dass die dargestellte Szenerie nicht der Wirklichkeit entspricht und die Person, mit der sie mitfühlen, nicht existiert.
Implikationen: Fähigkeiten und Wissen von Nutzer:innen Das Wissen um die Situation und die Fähigkeiten der Nutzer:innen, sich beide Ebenen der Betrachtung zu erschließen, markiert damit eine ethisch bedeutsame Grenze zwischen einer hilfreichen Simulation und einer moralisch relevanten Täuschung. Dies zeigt einerseits, dass die bisher diskutierten Kriterien der moralischen Relevanz von Scheinelementen in sozialen Assistenzsystemen zu kurz greifen. Zwar weisen die Geräte in der Regel Merkmale auf, die Voraussetzung für eine Täuschung sind. Richtig ist ebenso, dass dieses Potential einer Täuschung eng mit der technischen Natur der Geräte verknüpft ist. Dennoch zeigen die empirischen Befunde, dass die Bewertung differenzierter gesehen werden muss. Im Normalfall agieren Nutzer:innen einerseits mit der Maschine als sei sie ein Subjekt und nehmen eine soziale Perspektive ein. Davon unberührt bleibt jedoch ihre Fähigkeit, von dieser Interaktion zurückzutreten und außerhalb der subjektiven Kommunikation eine rationale Perspektive einzunehmen, die technische Natur des Gerätes als solche zu erkennen und zu reflektieren. In diesem Sinn sind die oben genannten bekannten Kriterien eher als hinreichende, aber nicht notwendige Bedingungen einer Täuschung zu verstehen. Das Nicht-Vorliegen bestimmten Wissens und bestimmter Fähigkeiten auf Seiten der Nutzer:innen beziehungsweise das Vorliegen eines bestimmten Kontextes hingegen sind notwendige, aber für sich genommen nicht hinreichende Bedingungen einer Täuschung. Diese Differenzierung eröffnet eine neue Perspektive im Umgang mit sozialen Assistenzsystemen, weil sie eine wichtige Grenze zwischen einer paternalistischen und einer inklusiven Technikethik markiert. Im Fall der technikskeptischen Positionen, in der Zustand, Wissen und Fähigkeiten der Nutzer:innen unbeachtet bleiben, werden ältere Menschen ubiquitär unter den Vorbehalt der
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Vulnerabilität gestellt, indem ein bestimmter Nutzungsmodus unterstellt wird. Im Sinne einer paternalistischen Grundhaltung und mit Blick von außen wird damit das Wohl dieser Personen gegenüber möglichen Gefährdungen ohne Berücksichtigung ihres Willens oder ihrer Fähigkeiten geschützt. Die hier entwickelte Position fragt hingegen nach dem Vorliegen von Eigenschaften und Bedingungen im Wissen und den Fähigkeiten der Nutzer:innen, deren Vorhandensein die Berücksichtigung ihrer Interessen sicherstellt. Entscheidend ist, dass Nutzer:innen in der Lage sein müssen, sich von der sozialen Perspektive zu distanzieren. Voraussetzungen für die Absicherung dieser Fähigkeit ist einerseits als positives Kriterium das Vorliegen bestimmter Informationen über das Gerät und seine Funktionsweise und andererseits das Vorhandensein einer grundsätzlichen Einsichts- und Selbstbestimmungsfähigkeit. Im Sinn eines negativen Kriteriums tritt die Abwesenheit von innerem und äußerem Zwang hinzu. Dies setzt konkret ein Mindestmaß an Information und technischer Kenntnis sowie wenigstens die Absicherung gegen so genannte Forced-Choice-Situationen voraus, also durch den Kontext bestimmte Wahlsituationen, in denen Handelnde aufgrund der Umstände Entscheidungen treffen müssen, die sie unter freien Umständen nicht oder anders getroffen hätten. Wenn beispielsweise einem Nutzer nur die Kommunikation innerhalb der sozialen Perspektive bleibt (weil das Gerät nicht anders bedient werden kann oder keine reale Person in Reichweite ist), um seine Interessen zu befriedigen, oder aber diese Interessen weiterhin unbefriedigt bleiben müssen, dann handelt es sich um eine solche Situation.
Schlussbemerkung In Bezug auf die Gruppe der älteren Menschen ist der Einsatz von sozialen Assistenzsystemen aus ethischer Perspektive damit nicht per se abzulehnen, aber dennoch mit Einschränkungen zu versehen, die sich vor allem an Nutzer:innen und Nutzungskontexten orientieren. Sowohl im Hinblick auf die Fähigkeit von Einsicht und Steuerung als auch im Hinblick auf die Frage der Abwesenheit von zwingenden Faktoren stellt diese Personengruppe eine exponierte und in diesem Sinn vulnerable Gruppe dar. Für den Einsatz solcher Technologien müssen für diese Gruppe also in besonderem Maße Vorkehrungen zu ihrem Schutz getroffen werden (z. B. durch Begleitung, Überwachung und Steuerung durch menschliches Personal), die ressourcenintensiv und aufwändig sein dürften. Die weitere Forschung wird diese Maßnahmen in Form von konkreten Handlungsvorschlägen auszuarbeiten haben. Dies wird zudem für die systematische Betrachtung Folgen haben, also für die Frage, ob der Einsatz von sozialen Assistenzsystemen auch gesamtgesellschaft-
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lich zu fördern ist und eine hervorgehobene Rolle im Umbau des Versorgungssystems spielen sollte: Für den Verweis auf das drohende Ressourcenproblem stellt ein kontextuell sensitiver Nutzervorbehalt, wie er hier beschrieben worden ist, eine hohe Hürde dar. Schließlich weist dieser Vorbehalt darauf hin, dass die Wahl der Mittel, mit denen ein potentieller Nutzer seine Interessen zu verwirklichen sucht, im Kern nicht auf die Möglichkeiten eines technischen Assistenten reduziert werden sollte und dass Maßnahmen zu treffen sind, die sicherstellen, dass Nutzer:innen über das nötige Wissen und den nötigen Umgang mit der Technologie verfügen. Dies erfordert wahrscheinlich letzten Endes den Einsatz und die Aufmerksamkeit genau der Ressourcen, die eigentlich entlastet werden sollten. Die Effizienzgewinne, die für eine sichtbare Entspannung der knappen Ressourcen notwendig wären, sind unter diesen Bedingungen nicht zu sehen.
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Annette Hagengruber / Lioba Suchenwirth
SMiLE2gether: A prototype of a holistic ecosystem for robotic care assistants
Introduction Robotic technologies are increasingly found in everyday medical practice. Wellknown examples are modern prosthetic limbs, automated laboratory diagnostics, or robotic systems for minimally invasive operations. These developments have benefitted from rapid advances in various sub-fields of robotics – from innovative mechatronic hardware over real-time 3D image processing for environmental and facial recognition, to speech recognition, to name a few of examples. However, one of the basic requirements for robots working close to and around humans, is a safe human-robot interaction. Traditional industrial robots, such as those used in the automotive industry, must always be operated from behind protective enclosures for safety reasons. Modern lightweight robots, by contrast, are significantly lighter and safer, and are sensitive to physical contact with people or the environment. The lightweight robot (LWR) developed by the German Aerospace Center (DLR) almost 20 years ago was the first of its kind which allowed this safe human-robot collaboration. It uses joint torque sensors to detect and recognize how it is interacting with its environment (De Luca 2006). With this additional information, the robot is able to be actively compliant – similar to a human arm – and therefore safe; a basic requirement for use in immediate human environments. Based on this technology, there are several systems on the market today that offer sensitive robotics, e. g. Kuka (Kuka AG), Franka-Emika (Franka Emika GmbH), Sensodrive (Sensodrive GmbH), and soon, Agile Robotics (Agile Robotics AG). Simultaneously, the acquisition costs for lightweight robots are going down, leading to an increased expectation of the use of robots in various applicable areas, for example as assistant robot systems in care. Due to demographic changes in Germany and a significant shortfall in nursing care, the need for long-term care has not been adequately met. Robotic assistance could be used here in the future to support and relieve nursing staff. In addition, people who
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Annette Hagengruber / Lioba Suchenwirth
have previously relied on outpatient care could increase their independence, with regard to everyday activities or mobility in general when using robotic assistants. The development of such assistive systems can increase and maintain the selfdetermination of people with restricted mobility in everyday life for as long as possible. Smart robots could help to make users’ limitations more manageable, to enable simple social interactions with relatives, and to generally guarantee a feeling of safety due to the constant availability of assistance.
Project SMiLE: Using a Co-Design approach for optimal results1 The Institute of Robotics and Mechatronics at DLR is currently working together, with caregivers and patients, on the project series SMiLE2 (acronym for German “Servicerobotik für Menschen in Lebenssituationen mit Einschränkungen”, or “service robotics for people in life situations with disabilities”) to explore how robotic support in the field of elderly care could be used effectively and in a people-centered manner.3 The goals of the projects are manifold: The focus of the technological development lies on research and the prototypical implementation of a holistic ecosystem for a safe operation of heterogeneous, autonomously acting robotic assistants in care. Other goals include the development of a catalog of criteria to enable an integrated view when evaluating the application scenarios, while considering ethical, nursing, anthropological, economic and technical aspects. Within the project, this catalog of criteria enables a well-founded analysis of the benefits and of the fields of application identified in workshops together with the stakeholders. Based on this analysis, individual application scenarios will be selected for prototype implementation in autonomous skills, which will then be evaluated and optimized in further workshops. However, the potential users have, so far, had little or no contact with robotic assistance in a care setting, thus making it difficult for them to estimate possible and realistic application scenarios based on a purely hypothetical robot. To facilitate access to robotics for the potential users, one planned experiment is the so-called Wizard of Oz experiment (Riek 2012). It allows the users to interact with the robotic system in a natural and personal way, while the reactions and activities of the robot are carried out by a teleoperator, who is remotely 1 This article draws on previous research by Albu-Schäffer et al. (2020) and Vogel et al. (2020). 2 The project is partly funded by the Bavarian State Ministry for Economic Affairs, Regional Development and Energy. 3 The DLR scientists are currently working with the Caritas Association of the Archdiocese of Munich and Freising and the Katholische Stiftungshochschule München on possible scenarios for robotic assistance in the future.
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SMiLE2gether
controlling it. Therefore, the robots need not be precisely programmed in advance for interactions that may not take place or take place differently in the later application as the teleoperator controls the robot and reacts to the individual situations. However, in our scenario, the users are aware that the robots are controlled by a teleoperator, though it seems like the robot is reacting autonomously, as they cannot see the teleoperator. This allows us to work out the first unknown scenarios together with the stakeholders, while giving them the security that a human is controlling the system at all times. Consequently, scenarios in which robotic systems have proven to be particularly relevant can be technically developed. In this way, the users should explore and test application scenarios for robots in their natural environment together with the experts. This approach enables a highly participatory development process for robot assistants and their capabilities, allowing the teleoperator the opportunity to directly react to the unforeseen actions of the users. In our opinion, the Wizard of Oz approach enables potential users to gradually become familiar with this new technology. The development of robotic care assistants comes with a large variety of challenges, on a technical level, such as working within an unstructured environment, but also on care-related, medical, legal, and ethical levels. Even before at-home support is technically feasible, modern mobile robot systems can already enable assistance services for inpatient care. The systems can be used directly to support residents, but there is also significant potential to support and assist caregivers, especially in connection with time-consuming fetch and carry tasks. It is clear, however, that robotic systems can neither replace the human touch nor existing care services, but they can make a crucial additional contribution to improving the quality of work and life of the people concerned and their environment. In this way, robotic systems could offer valuable support in the future to cushion the societal challenges of the coming decades. In the long term, this technology may also bring about further effects and changes, it could, for example affect the training and professional profile of nursing staff. From the point of view of the DLR team, it is all the more important to incorporate everyone involved in the development process, such as caregivers, relatives, nursing staff, providers of nursing facilities, nursing trainers, and experts in ethics. So, while ethical challenges are at the core of the research and development, engineers are in no position to solve these by themselves. They are however, aware of some potential negative side effects. We will use the rest of this paper to describe the technical characteristics of the robotic systems, with a special focus on two aspects, that we think, might be of particular interest for an ethical discussion.
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Presentation of robotic systems used in the Project SMiLE In order to meet the diverse situations in everyday care, as well as the individual needs of users, the SMiLE ecosystem combines different robotic systems with several robotic technologies, ranging from autonomous operations to shared control and teleoperation. This ecosystem also includes a number of interfaces that enables the operation of the robots depending on the task and the needs of the user. At the moment, three robotic systems are involved in the ecosystem, and in the investigation of topical research questions:
Figure 1: The robotic systems used in the project series SMiLE. On the left is HUG, the telepresence system; in the middle Rollin’ Justin, the humanoid assistant and on the right: EDAN, the wheelchair assistant. CC: DLR.
ROLLIN’ JUSTIN The humanoid assistant Rollin’ Justin (Fig.1 middle) is intended to support caregivers, relatives and elderly people with moderate mobility restrictions. With its helping hands it can fetch and deliver objects and use conventional everyday objects in simple but time-consuming support activities. Based on these skills, it could potentially help to relieve the nursing staff in inpatient care facilities, and in the future enable people to lead more self-determined lives within their own homes. The specific tasks are being worked out within the framework of the project in initial workshops by robotics scientists, nursing staff and ethics experts.
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EDAN The EDAN wheelchair assistant (Fig. 1 right) comprises a robotic arm and hand mounted on an electric wheelchair. The system is intended to help people with severe motor impairments to gain mobility and to enable them to grasp and use everyday objects. Various control concepts are available for EDAN; using a joystick, a tablet, or by measuring and evaluating remaining muscle activity for people with severe motor disabilities.4 The system enables users to be more independent by performing tasks of daily living like open doors and drive through them, press elevator buttons, take objects out of drawers and use them, or drink and eat independently.
HUG Robots like Justin or EDAN can be controlled via telepresence from a haptic input device such as the DLR HUG (Fig.1 left). An operator uses the HUG system to remotely control other systems like an avatar: the operator can easily and intuitively control the arms, hands and the mobile platforms (wheelchair for EDAN or mobile base for Justin) of the remote system while seeing what the remote robot sees, and feeling the forces that the robot perceives. The teleoperator of the HUG can be far away from the robot, but experience a high degree of immersion. Their experience is almost that of being on site, as their visual and haptic perception correspond to that of the robot. Seamless switching between systems is guaranteed so that the teleoperator can control EDAN and Justin one after the other, but with the same input device. HUG as part of SMiLE allows us to perform the Wizard of Oz experiments, or support the user at any time should they require help during tasks that cannot yet be performed autonomously.5 In these cases, telepresence can help to close this gap between the operational capability of the robots and participatory application development.
4 For some people the use of a joystick is not an option, due to a lack of sufficient motor function. An interface based on the recording of muscular activation can be an alternative. So far, this interface has been tested in a pilot study with two paralyzed subjects suffering from spinal muscular atrophy (SMA). To realize the interface, non-invasive EMG sensors measure the residual muscular activity by means of electromyography and processed to generate a control signal, essentially replicating the functionality of a joystick. 5 Independence is not autonomy: For our project, we define autonomy as choosing for oneself, and acting accordingly, while independence is being able to act on one’s choices without depending on the consent, cooperation or resources of others.
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Technical approaches to ethical challenges A)
Shared autonomy
As already mentioned, we work with the premise that individual needs of users demand individual technical solutions. In particular, this includes the robot’s level of autonomy in combination with user-specific control interfaces. This ranges from a direct or manual control to a fully autonomous control of the robot. A direct control of the robot represents the most basic control mode. Here, the user commands the robot by the use of an appropriate input device, which could be, for example, a joystick. The deflection of the joystick is here directly mapped to movements of the robot. Depending on the motor abilities of the user the joystick can be replaced by other input devices like an electromyography-based interface as used on the robot EDAN. Nowadays, direct control strategies are the most commonly used control modes for people using a wheelchair-mounted robot.
Figure 2: A schematic overview of the control modes used in the project SMiLE.
In addition to direct control, predefined tasks can be supported by the system through shared autonomy methods. The system detects objects in its environment by means of an RGB-D camera and creates a world-model of its environ-
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ment using known objects. When the user performs a task, the given control signals are blended and constrained by the system specifically for the current task. The mode supports users, e. g. during precise tasks like grasping or takes care of necessary and complex rotations and movements. The shared control algorithm guides the user through the task with few and simple control signals. The user is always in control of the system and decides at any time how and whether he wants to perform the task. This control mode becomes quite efficient in complex tasks with multiple sequences of motions, such as opening a door and driving through it with a robotic wheelchair assistant. The input device can be the same as for direct control, e. g. a joystick. Direct and shared control are suitable modes for assistive systems which follow a human-in-the-loop approach, such as EDAN. Service robots like Rollin’ Justin, need to operate on a higher level of autonomy, and simultaneously, the user interface must work on a higher level of abstraction. The so-called “supervised autonomy” therefore provides subtasks like grasping an object, moving from A to B, etc., on a device like a smartphone or a tablet. The user can give these commands easily by selecting possible tasks which are provided by the robot depending on the environment in which it is located. With the help of smartphones and tablets it is also possible, for family members to remotely support their relatives, or to control the robot to remotely play a board game. For other tasks, such as searching for a specific object (e. g. glasses) or for pickup and delivery services, a higher degree of autonomy may be required, e. g. in combination with voice commands. Fully autonomous movements are an important form of autonomy, especially in everyday elderly care. Assistive robots like Rollin’ Justin could help, either the patient or the caregivers, to perform repetitive tasks by just giving a voice command. To enable autonomous movements of the robot, precise 3D environment models are generated to calculate collision-free motions of the robot. As in shared control mode, known objects are detected in this mode, and autonomous motion sequences are calculated based on the created world-model. In scenarios in which autonomous capabilities are not preferred and/or the user needs assistance, the systems can be controlled remotely by a teleoperator. Using visual and haptic feedback, the teleoperator can assess the situation of the robot and support the operator at all times. To make effective use of telepresence, the ecosystem includes a teleoperation control center that can connect to all avatars when needed. While for some groups of users it is a gain to have all levels of autonomy available at all times (e. g., a wheelchair user who performs repetitive tasks autonomously, complex tasks with shared control, and creative tasks with direct control), for other groups of users, such as seniors, it may be necessary to ensure that the robot does not take over tasks that the human should actually still be able
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to perform independently, e. g., to promote mobility. Here, a suitable strategy for individual support of the respective users must be found with care. B)
Privacy – INDICATOR patent
The robotic systems work with a considerable number of different sensor data, which are suitable to detect the environment or persons in the interaction with the assistance robot, and to provide a suitable interaction. During this capture or for the interaction itself, personal information can be stored or transmitted. Currently, neither the user nor the person in the environment of the assistance robot knows that, or whether, and from which point in time sensor data is collected, for what purpose this sensor data is used or in which way this sensor data is further processed. The absence of feedback on the storage, processing and transmission of data is problematic in several respects: On the one hand, the unknown processing and/ or storage of data leads, means that users and people in the user’s environment may not be able to establish trust in the technology. Legal considerations also play a role, since storage, further processing and transmission of sensor data containing personal information have legal implications. A declaration of consent can be made in advance by the sole user. However, it is questionable whether this will be effective in the long term and for all cases of recorded transmission of data. In particular, persons in the vicinity of the assistance robot cannot currently provide a declaration of consent and, especially if data is collected from them, cannot take any measures to avoid this. Informal self-determination is thus violated. It is also often not apparent to the user which sensor data is currently being recorded, making interaction with the robot system more difficult. One technical solution to this problem is the implementation of an indicator system (patent pending). This would mean that the robotic system has at least one indicator device, which is designed to indicate when personal information such as visual or audio data of the user, is detected. Thus, if this type of information of the user is detected by at least one of the sensors of the robot system, this would be indicated by the device. Both the user and person in the vicinity of the robotic system can thus recognize that personal information is being collected. Both unintentional acquisition of personal information, and the acquisition without the knowledge of the user or the person in the environment of the robot system, is thus prevented, since the user or the person in the environment of the robot system is shown the acquisition and use of his personal information in the sense of informational self-determination.
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Discussion Within the framework of SMiLE, a holistic approach6 is to be realized, in which robots can perform autonomous tasks in care, and thus, the user of the systems benefits from the physical interaction capabilities of the robots in everyday life. Different levels of robotic autonomy can be used in a targeted and situational manner. From partial autonomy, where the user is still in command, to full teleoperation, where the robot is controlled remotely, support for tasks of varying complexity can take place on an as-needed basis, creating great benefits for the user. This holistic approach is not found in any other research project so far, and addresses the individual needs of the users’ demands by providing individual technical solutions. One challenge regarding privacy is addressed by the implementation of an indicator clearly showing when any personal data is collected. The care assistance project SMiLE is looking for ways to advance applied research in this area, while at the same time, anchoring ethical, as well as technological best practices in future development projects, and application scenarios, in a sustainable way. Robotic caregivers cannot, and must not, replace human attention and existing care services, but should above all, provide relief for caregivers while maintaining a high quality of care. Only if robotics is not perceived as a substitute for care, but as a further aid to promoting a selfdetermined life, can it make a decisive contribution to improving the quality of life, of the people concerned, and their relatives and helpers.
References Agile-Robotics AG. https://www.agile-robots.com/ [accessed: 23. 03. 2021]. Albu-Schäffer A, Dietrich A, Suchenwirth L, et al. (2020) Die anwendungsbezogene Entwicklung von Pflegeassistenzsystemen. In: Mokry S, Rückert, M (Hg.) Roboter als (Er-) Lösung: Orientierung der Pflege von morgen am christlichen Menschenbild, 42–58. De Luca A, Albu-Schaffer A, Haddadin S, et al. (2006) Collision detection and safe reaction with the DLR-III lightweight manipulator arm. 2006 IEEE/RSJ International Conference on Intelligent Robots and Systems, 1623–1630. Franka Emika GmbH. Franka Emika, https://www.franka.de/de/ [accessed: 23. 03. 2021]. da Vinci Systems. Intuitive, https://www.davincisurgery.com/ [accessed: 23. 03. 2021]. KUKA AG, https://www.kuka.com/de-de [accessed: 23. 03. 2021].
6 In the context of the project SMiLE, we understand the ”holistic approach” to be an ecosystem for robots in care that can perform various tasks with different robotic systems in multiple ways, including the different levels of autonomy.
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Riek LD (2012) Wizard of oz studies HRI: a systematic review and new reporting guidelines. Journal of Human-Robot Interaction 1 (1), 119–136. SENSODRIVE GmbH, https://www.sensodrive.de/ [accessed: 23. 03. 2021]. Vogel J, Leidner D, Hagengruber A, et al (2021) An Ecosystem for Heterogeneous Robotic Assistants in Caregiving. IEEE Robotics & Automation Magazine. https://doi.org/107 0-9932/21.
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Univ.-Prof. Dr. Monika Bobbert ist Professorin für Moraltheologie an der Katholisch-Theologischen Fakultät Münster. Sie studierte Theologie und Psychologie in Tübingen, wurde dort mit einer Dissertation zur Pflegeethik promoviert und forschte und lehrte danach an der Medizinischen Fakultät Heidelberg und der Theologischen Fakultät Luzern in der Schweiz. Zu ihren Forschungsschwerpunkten zählen Bio-, Medizin- und Pflegeethik, Grundlagen der theologischen und angewandten Ethik sowie Moralpsychologie. Eike Buhr hat in Münster Geschichte und Philosophie studiert und ist wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Oldenburg im Rahmen des BMBF geförderten Projekts „Ethical and social Aspects of co-intelligent Monitoring and Assistive Systems in Dementia Care“. Zu seinen Forschungsschwerpunkten zählen neben Fragen der Digitalisierung der Medizin und (Demenz)Pflege, Probleme der Allokationsethik sowie die ethische Bedeutung von Privatheit im Kontext der Medizinethik. PD Dr. med. Heinrich Burkhardt ist Internist mit der Schwerpunktbezeichnung klinische Geriatrie und leitet an der Universitätsklinik Mannheim die IV. Medizinische Klinik – Geriatrisches Zentrum. 2009 habilitierte er sich an der Medizinischen Fakultät Mannheim der Universität Heidelberg für das Fach Innere Medizin mit einem Thema zur Pharmakotherapie bei älteren Patienten. Von 2014 bis 2016 war er Mitglied im Präsidium der Deutschen Gesellschaft für Gerontologie und Geriatrie. Zu seinen Forschungsschwerpunkten gehören die Pharmakotherapie bei älteren Patienten und die Evaluation von Web-Plattformen zur Gesundheitsberatung im Alter. Alicia Finger ist Medizinethnologin und arbeitet als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Geschichte und Ethik der Medizin der Medizinischen Fakultät Heidelberg. Ihre Forschungsinteressen umfassen u. a. die Digitalisie-
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rung in der Medizin und Pflege, Reproduktionsmedizin und Autonomie im höheren und hohen Lebensalter. Annette Hagengruber ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Robotik und Mechatronik des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR). Seit ihrem Studium, Medical Engineering an der FH Oberösterreich, forscht sie auf dem Gebiet der Assistenzrobotik für Personen mit starken motorischen Einschränkungen. Der Fokus ihrer Forschung liegt dabei auf intuitiven Steuerungskonzepten für Assistenzroboter, sowie auf einer muskelbasierten MenschRoboterschnittstelle. Dr. Joschka Haltaufderheide leitet den Arbeitsbereich neue Bio- und Gesundheitstechnologien an der Abteilung für Medizinische Ethik und Geschichte der Medizin der Ruhr-Universität Bochum. Er hat Philosophie und Literaturwissenschaften studiert. Zu seinen Arbeitsgebieten zählen ethische Fragen der Gesundheitsversorgung mit soziotechnischen Arrangements sowie Fragen aus den Bereichen mobiler Gesundheitsanwendungen und Technikphilosophie. Dr. Kris Vera Hartmann ist Soziologin und arbeitet als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Geschichte und Ethik der Medizin der Medizinischen Fakultät Heidelberg. Nach ihrer Promotion über die Diskursgeschichte der hormonellen Kontrazeption forscht sie aktuell zu ethischen Anforderungen an KI-basierte Assistenzsysteme im Alter. Prof. Dr. habil. Martina Hasseler, Gesundheits-, Pflege- u. Rehabilitationswissenschaftlerin, Ostfalia Hochschule für angewandte Wissenschaften, Fakultät Gesundheitswesen, studierte Gesundheits- und Pflegewissenschaften an der Universität Osnabrück und promovierte in den Gesundheitswissenschaften. Die Forschungsschwerpunkte liegen in der gesundheitlichen und pflegerischen Versorgung von vulnerablen Bevölkerungsgruppen, Rahmenbindungen gesundheitlicher und pflegerischer Versorgung sowie neue Technologien in Gesundheit und Pflege. Stefanos Hatziavramidis ist Soziologe und arbeitet als wissenschaftliche Hilfskraft am Institut für Geschichte und Ethik der Medizin der Medizinischen Fakultät Heidelberg. Er studierte Wirtschaftswissenschaften in Hohenheim sowie Soziologie und Geschichte an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Aktuell strebt er seinen Masterabschluss in Soziologie an der Ruprecht-KarlsUniversität an.
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Prof. Dr. Juliane Leinweber ist Diplom-Logopädin und Professorin für Therapiewissenschaften an der Fakultät Ingenieurwissenschaften und Gesundheit an der Hochschule für angewandte Wissenschaft und Kunst (HAWK) Hildesheim/ Holzminden/Göttingen am Gesundheitscampus Göttingen. Nach dem Studium der Logopädie in Heerlen (Niederlande) und der Lehr- und Forschungslogopädie in Aachen arbeitete sie als angestellte Logopädin und promovierte anschließend im Bereich Sprachproduktion und bildgebenden Verfahren. Ihre Forschungsschwerpunkte sind im Bereich Digitalisierung in der Sprachtherapie zur Videound Teletherapie, zur Anwender:inneneinbindung und zur ethischen Betrachtung digitaler Anwendungen. Prof. Dr. theol. habil. Arne Manzeschke ist Professor für Anthropologie und Ethik für Gesundheitsberufe sowie Leiter des Instituts für Pflegeforschung, Gerontologie und Ethik an der Evangelischen Hochschule Nürnberg. Er studierte Theologie und Philosophie in München, Tübingen und Erlangen, wo er promoviert wurde und in Systematischer Theologie und Ethik habilitierte. Zu seinen Forschungsschwerpunkten zählen die Technik-, Medizin- sowie Wirtschaftsethik mit ihren anthropologischen Grundlagen. Univ.-Prof. Dr. Karen Nolte ist Direktorin des Instituts für Geschichte und Ethik der Medizin der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg. Sie hat nach ihrer Ausbildung zur Pflegefachperson Mittlere und Neuere Geschichte, Soziologie und Kulturanthropologie/Europäische Ethnologie in Göttingen studiert und in Kassel zur Alltagsgeschichte der Hysterie um 1900 promoviert. Zu ihren Forschungsschwerpunkten gehören Pflegegeschichte, Patientengeschichte, Psychiatriegeschichte, Geschichte der Geburtshilfe und Gynäkologie und materiale Kultur von Medizin und Pflege im 19. und 20. Jahrhundert. Tina Obenauer arbeitet als Projektmitarbeiterin in der IV. Medizinischen Klinik, Geriatrisches Zentrum der Universitätsmedizin Mannheim. Nach Ihrem Studium der Gesundheitsförderung arbeitete Sie in mehreren Forschungsprojekten. Ihre gegenwärtigen Interessensschwerpunkte umfassen u. a. die Digitalisierung im Zusammenhang mit der gesundheitlichen und pflegerischen Versorgung von Menschen im höheren Lebensalter. Dr. Miriam Peters ist Pflegewissenschaftlerin und leitet das Forschungsprogramm zur Pflegebildung und zum Pflegeberuf am Bundesinstitut für Berufsbildung in Bonn. Sie studierte Betriebswirtschaftslehre in Hagen und Pflegewissenschaft in Vallendar. Nach ihrer Dissertation zur Digitalisierung in der Altenpflegebildung umfassen die aktuellen Arbeitsschwerpunkten weiterhin Fragen zur Digitalisierung in der Pflege und Pflegebildung, sowie Fragen zu
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gesunder Führung in der Pflege und sozialer Ungleichheit Pflege und Pflegebildung. Dr. Nadia Primc ist Medizinethikerin und akademische Rätin am Institut für Geschichte und Ethik der Medizin der Medizinischen Fakultät Heidelberg. Nach Ihrem Studium der Ethnologie und Philosophie promovierte Sie im Bereich der Wissenschaftsphilosophie. Ihre gegenwärtige Interessensschwerpunkte im Bereich der Medizinethik umfassen u. a. ethische Fragen der Organallokation, Reproduktionsmedizin und Digitalisierung in Medizin und Pflege. Dr. Marianne Rabe ist Trainerin für Ethikberatung (AEM) und leitet den Kurs „Ethik-Kompetenz in der Klinik“ zur Ausbildung von Ethikberater*innen an der Fortbildungsakademie der Charité. Sie ist Krankenschwester, Lehrkraft für Pflege und war bis 2020 Geschäftsführerin der Charité Gesundheitsakademie. An der Universität Osnabrück promovierte sie zur Didaktik der Ethik in der Pflegeausbildung. Univ.-Prof. Dr. Giovanni Rubeis ist Leiter des Fachbereichs Biomedizinische Ethik und Ethik des Gesundheitswesens an der Karl Landsteiner Privatuniversität für Gesundheitswissenschaften in Krems, Österreich. Er studierte Philosophie in Wien und Tübingen und promovierte in praktischer Philosophie. Zu seinen Forschungsschwerpunkten zählen die ethischen Aspekte der digitalisierten Gesundheitsversorgung sowie Mental Health Ethics. Franziska Sonnauer ist Assistenzärztin in der Psychiatrischen und Psychotherapeutischen Klinik der Universitätsklinik Erlangen. Sie studierte Psychologie und Humanmedizin in Erlangen und beschäftigt sich im Rahmen ihrer Promotion am Institut für Geschichte und Ethik der Medizin der Universität Erlangen-Nürnberg mit ethischen Aspekten neuartiger Technologien bei der häuslichen Gesundheitsversorgung für Ältere. Dr. Uwe Sperling ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Geriatrischen Zentrum der Universitätsmedizin Mannheim. Nach seiner theologischen Promotion absolvierte er in Heidelberg das Aufbaustudium Gerontologie. Seine Forschungsschwerpunkte liegen in den Bereichen kognitive Leistungsfähigkeit, Digitalisierung und Suizidalität im höheren und hohen Lebensalter. Lioba Suchenwirth ist die Institutsbeauftragte für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit am Institut für Robotik und Mechatronik des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt. Sie studierte Journalistik und Politikwissenschaften in Liverpool und Oslo. Derzeit forscht sie zur Kommunikation von Zukunftstech-
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nologien und der Einbindung ethischer Aspekte der Entwicklung robotischer Assistenzsysteme. Johannes Welsch hat in Passau und Florenz Staatswissenschaften studiert; es folgte ein Master in Ethik der Textkulturen an der Friedrich-Alexander Universität Erlangen-Nürnberg. Er ist wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universitätsmedizin Göttingen im Rahmen des BMBF geförderten Projekts „Ethical and Social Aspects of Co-Intelligent Monitoring and Assistive Systems in Dementia Care“. Zu seinen Forschungsschwerpunkten zählen die Digitalisierung der Pflege, Ansätze des Empowerments in Medizin und Pflege sowie medizinethische und -politische Diskursanalyse. Prof. Dr. Sabine Wöhlke ist Professorin für Gesundheitswissenschaften und Ethik an der Fakultät Life Science der Hochschule für Angewandte Wissenschaften in Hamburg (HAW). Sie hat an der Georg-August Universität Göttingen Kulturanthropologie mit einem Schwerpunkt in Gender-Studies studiert und sich im Bereich Medizinanthropologie und Medizinethik an der Universitätsmedizin Göttingen zum Thema Entscheidungsfindung bei der Lebendorganspende promoviert. Ihre Forschungsinteressen liegen in den Bereichen digitale Transformationsprozesse im Gesundheitswesen, speziell digitale Gesundheitskompetenz, ethische Aspekte der Organtransplantation sowie Pflegeethik. Sie verfolgt einen empirisch-ethisch informierten methodischen Forschungsansatz.
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