Dietrich Bonhoeffers gemeindepädagogisches Wirken im Rahmen seines Kirchenverständnisses [1 ed.] 9783737008686, 9783847108689


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Dietrich Bonhoeffers gemeindepädagogisches Wirken im Rahmen seines Kirchenverständnisses [1 ed.]
 9783737008686, 9783847108689

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Arbeiten zur Religionspädagogik

Band 67

Herausgegeben von Prof. Dr. Dr. h.c. Gottfried Adam, Prof. Dr. Dr. h.c. Rainer Lachmann und Prof. Dr. Martin Rothgangel

Judith Braun

Dietrich Bonhoeffers gemeindepädagogisches Wirken im Rahmen seines Kirchenverständnisses

V& R unipress

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet þber http://dnb.d-nb.de abrufbar. ISSN 2198-6177 ISBN 978-3-7370-0868-6 Weitere Ausgaben und Online-Angebote sind erhÐltlich unter: www.v-r.de Gedruckt mit freundlicher Unterstþtzung der Internationalen Bonhoeffer-Gesellschaft, Deutschsprachige Sektion, e. V. (ibg), der Evangelischen Kirche der Pfalz und der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsens.  2019, V& R unipress GmbH, Robert-Bosch-Breite 6, D-37079 Gçttingen / www.v-r.de Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich gesch þtzt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen FÐllen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Titelbild: Dietrich Bonhoeffer mit Konfirmanden im Harz (1932),  Staatsbibliothek zu Berlin, Nachl. 299a (Eberhard Bethge), Erg. 1, K. 1, Nr. 151.

für Gerd und R. & N.

Inhalt

Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . 1.1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . 1.2 Begriffsklärung und Ziel der Arbeit 1.3 Methodisches Vorgehen . . . . . .

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13 13 15 19

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2 Zur Forschungslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1 Überblick zur Forschungslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2 Ausgewählte Rezeptionen von Bonhoeffers gemeindepädagogischem Wirken . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.1 Sabine Bobert-Stützel: Bonhoeffers Pastoraltheologie – Die Katechetik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.2 Reinhold Mokrosch: Bonhoeffer als Religionspädagoge? 2.2.3 Andrew Root: Bonhoeffer as youth worker . . . . . . . . 2.3 Konsequenzen für das eigene Forschungsvorhaben . . . . . .

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26 33 37 42

3 Stationen von Bonhoeffers gemeindepädagogischem Wirken . 3.1 Erziehung und Einflüsse . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.1 Einflüsse des Elternhauses . . . . . . . . . . . . . . 3.1.2 Der Herrnhuter Einfluss . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.3 Erste Begegnungen mit Gemeindepädagogik . . . . 3.2 Engagement während des Studiums . . . . . . . . . . . . 3.2.1 Der Grunewalder Kindergottesdienst . . . . . . . . 3.2.2 Entwürfe für den Kindergottesdienst . . . . . . . . 3.2.3 Die katechetischen Seminare . . . . . . . . . . . . 3.2.4 Der Donnerstagskreis . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3 Vikariat in Barcelona . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.1 Kindergottesdienst und Konfirmandenunterricht . 3.3.2 Religionsunterricht und Vortragsreihe . . . . . . . 3.3.3 Privates Engagement . . . . . . . . . . . . . . . . .

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45 45 45 53 56 58 58 61 75 83 85 85 88 99

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8

Inhalt

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4 Stationen des Kirchenverständnisses von Bonhoeffer . . . . . 4.1 Die Italienreise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2 Verschiedene Arbeiten aus der Zeit des Studiums . . . . 4.3 ›Sanctorum Communio‹ . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.4 ›Akt und Sein‹ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.5 Vorlesungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.5.1 ›Das Wesen der Kirche‹ . . . . . . . . . . . . . . . 4.5.2 Christologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.6 Das Kirchenverständnis in Ökumene und Kirchenkampf 4.7 ›Nachfolge‹ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.8 Das Kirchenverständnis in weiteren Schriften der Theologenausbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.8.1 Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.8.2 Vorlesungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.8.3 Vorträge und Aufsätze . . . . . . . . . . . . . . . . 4.9 ›Ethik‹ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.10 Gefängnisschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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5 Konkretionen des Ineinandergreifens von Bonhoeffers Kirchenverständnis und gemeindepädagogischem Wirken . . . . . . . 5.1 Die ekklesiologische Begründung christlicher Erziehung . . . . .

207 207

3.4 USA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.5 Berlin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.5.1 Universitätsdozentur und Bonhoefferkreis . . . 3.5.2 Studentenpfarramt . . . . . . . . . . . . . . . . 3.5.3 Erster Katechismusentwurf . . . . . . . . . . . 3.5.4 Konfirmandenunterricht . . . . . . . . . . . . . 3.5.5 Die Jugendstube . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.5.6 ›Thesen zur Jugendarbeit in der Kirche‹ . . . . 3.6 London . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.7 Illegale Theologenausbildung . . . . . . . . . . . . . 3.7.1 Bedeutung des Finkenwalder Predigerseminars 3.7.2 Vorlesungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.7.2.1 Vorlesung über Katechetik . . . . . . . . 3.7.2.2 Vorlesung über Konfirmandenunterricht 3.7.3 Katechetische Entwürfe . . . . . . . . . . . . . 3.7.4 Zweiter Katechismusentwurf . . . . . . . . . . 3.7.5 Volksmission . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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9

Inhalt

5.2 Gemeindepädagogisches Wirken zwischen Wort und Sakramenten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2.1 Von der Taufgemeinde zur Abendmahlsgemeinde . . . . . 5.2.2 Das Abendmahl in der kirchlichen Unterweisung . . . . . 5.2.2.1 Das Abendmahl bei der Konfirmation . . . . . . . 5.2.2.2 Das Abendmahl in der Volksmission . . . . . . . . 5.3 Verwirklichung und Erhaltung kirchlicher Gemeinschaft . . . . 5.3.1 Inhaltliche Dimensionen des Gemeinschaftsbegriffs . . . . 5.3.2 Herstellung der kirchlichen Gemeinschaft durch die Fürbitte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.3.3 Wiederherstellung der kirchlichen Gemeinschaft . . . . . 5.3.4 Besondere Aktivitäten in der Gemeinschaft . . . . . . . . 5.3.5 Bonhoeffers Erlebnis- und Gemeinschaftskritik . . . . . . 5.4 Überschneidungen ekklesiologischer und gemeindepädagogischer Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . 5.4.1 Die Grundlage der Bibel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.4.2 Die Grundlage des Bekenntnisses . . . . . . . . . . . . . . 5.4.3 Die diakonische Grundlage: ›Kirche für andere‹ . . . . . . 5.4.4 Die ökumenische Grundlage: Universalität der Kirche . . 5.5 Der Katechumenat als Reformprogramm kirchlicher Erziehung

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213 213 215 215 219 222 222

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6 Bonhoeffers gemeindepädagogisches Wirken im Vergleich mit zeitgenössischen Ansätzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.1 Der Hinweis auf Christus versus die Lehrbarkeit von Religion – Bonhoeffer und die Liberale Religionspädagogik von Richard Kabisch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.2 Die Berufung des Menschen zum Kind versus die Pädagogik vom Kinde aus – Bonhoeffer und die Reformpädagogik von Ellen Key . 6.3 Der Katechumenat versus missionierender und gemeindlicher Unterricht – Bonhoeffer und die Evangelische Unterweisung von Oskar Hammelsbeck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

267

267 277

287

7 Resümee und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.1 Resümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.2 Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

299 299 311

Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

335

Vorwort

Die vorliegende Untersuchung zu Gemeindepädagogik und Ekklesiologie bei Dietrich Bonhoeffer wurde im November 2017 von der Erziehungswissenschaftlichen Fakultät der Universität Leipzig als Dissertation angenommen. Für die Drucklegung wurde sie nur geringfügig überarbeitet. Ganz besonders bedanke ich mich bei Herrn Prof. Dr. Peter Zimmerling von der Theologischen Fakultät für seine ausdauernde und kritisch-unterstützende Betreuung der Arbeit. Ihm und Herrn Prof. em. Dr. Dr. h.c. Dieter Schulz von der Erziehungswissenschaftlichen Fakultät danke ich für ihre Ermutigung und die ausführlichen Gutachten. Mein aufrichtiger Dank gilt auch Frau Prof. Dr. Christiane Tietz für die wertvollen Anregungen und Gespräche. Von ihr und Herrn Prof. em. Dr. Dr. Rainer Mayer habe ich den Anstoß zur Arbeit in einem Forschungsgebiet erhalten, das mich persönlich, pädagogisch und theologisch sehr bereichert hat. Den Teilnehmern an den Veranstaltungen des Doktorandenkolloquiums von Frau Prof. Dr. Christiane Tietz in Mainz/Zürich, der Praktisch-Theologischen Sozietät in Leipzig und der Internationalen Dietrich Bonhoeffer-Gesellschaft, Deutschsprachige Sektion, e.V. (ibg) danke ich für den kontinuierlichen konstruktiv-fachlichen Austausch. Die ibg, die Evangelische Kirche der Pfalz und die Evangelisch-Lutherische Landeskirche Sachsens unterstützten die Drucklegung dieser Arbeit mit einem großzügigen finanziellen Zuschuss. Bei den Mitarbeitern der Handschriftenabteilung der Staatsbibliothek zu Berlin bedanke ich mich für ihre Hilfestellung bei der Recherche im BonhoefferNachlass. Mein Dank gilt zudem den Herausgebern von »Arbeiten zur Religionspädagogik« für die Aufnahme in diese Reihe sowie den Mitarbeitern von V& R unipress für die gute und verlässliche Zusammenarbeit bei der Veröffentlichung. Daneben möchte ich meiner Familie und meinen Freunden einen herzlichen Dank aussprechen, die Freude und Frust beim Schreiben dieser Arbeit mit mir teilten und mir den nötigen Freiraum dafür gaben. Bei der Schulleitung und dem Kollegium der Friedrich-List-Schule in Mannheim bedanke ich mich für ihr

12

Vorwort

beständiges Wohlwollen angesichts der organisatorischen Herausforderungen, die eine nebenberufliche Dissertation mit sich bringt. Am Ende gilt Gerd Braun, Dr. Marc und Gudrun Keim sowie Christoph Bartz-Hisgen ein besonderer Dank für ihre vielfältige Unterstützung, vor allem bei der Übernahme des Korrekturlesens. April 2018

Judith Braun

1

Einführung

1.1

Einleitung

Dietrich Bonhoeffer gehört zu den bekanntesten Theologen des 20. Jahrhunderts, dem über Länder- und Konfessionsgrenzen hinweg viel Beachtung geschenkt wird. Die Faszination, die von Bonhoeffer ausgeht, ist zum einen in seiner theologischen Vielschichtigkeit begründet, hat aber auch Gründe, die in seiner Persönlichkeit und Biografie liegen. Ernst Feil überschreibt eine Kurzdarstellung von Bonhoeffers Leben mit: »Dietrich Bonhoeffer (1906–1945). Lehrer des Glaubens«1. Bonhoeffer war kein Lehrer im herkömmlichen Sinne, dennoch lohnt es sich, den Fragen nachzugehen, was ihn als einen Lehrer des christlichen Glaubens auszeichnete, in welchem Zusammenhang sein Lehrersein zu seiner Theologie steht und welche Brücken sich von seinem Wirken zur Vermittlung christlichen Glaubens in der heutigen Zeit schlagen lassen.2 Die Faszination, die von Bonhoeffer ausgeht, verdankt sich auch den kontinuierlichen Verbindungen, die zwischen seiner Theologie und seiner Biografie bestehen. Bonhoeffers Theologie unterliegt in seinen verschiedenen Lebensphasen einer relativen Kontinuität. Die Relativität dieser Kontinuität zeigt sich darin, dass theologische Gedanken aus vorherigen Lebensphasen immer wieder aufgegriffen und teilweise modifiziert werden, es aber keine grundlegenden Brüche gibt.3 Es lässt sich feststellen, dass sich Bonhoeffers Theologie immer 1 Feil, Ernst, Dietrich Bonhoeffer (1906–1945). Lehrer des Glaubens, in: Denker im Glauben. Theologische Wegbereiter für das 21. Jahrhundert, hg. von: Hubert Brosseder, München 2001, S. 13–39. Feil setzt bei Bonhoeffers Wunsch an, selbst glauben zu lernen, vgl. Bonhoeffer, Dietrich, Widerstand und Ergebung, hg. von: Christian Gremmels u. a., DBW, Bd. 8, München 1998a, S. 541f. Diesen Wunsch verortet Feil allerdings nicht im gemeindepädagogischen Kontext, sondern betrachtet ihn als Hintergrunderfahrung von Bonhoeffers gesamtem Denken und Handeln, welcher für andere in ihrem eigenen Lernprozess hilfreich sein könne. 2 Bonhoeffer, Dietrich, Illegale Theologenausbildung: Finkenwalde 1935–1937, hg. von: Otto Dudzus, DBW, Bd. 14, Gütersloh 1996a, S. 13. 3 In diesen Punkten herrscht in der Bonhoeffer-Forschung weitestgehend Konsens. Diskutiert wird die Frage eines Bruches vor allem in Bezug auf Bonhoeffers Religionskritik in den

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Einführung

wieder aus den Erfahrungen seines Lebens speist und er umgekehrt theologische Erkenntnisse in seinem Leben umzusetzen versucht.4 Unter dem Stichwort der Authentizität ist dies als ein Faktor zu verstehen, der erfolgreiches Lehrersein ausmacht. Bei einem Blick auf das Leben Bonhoeffers wird erkennbar, dass er sich als Lehrer des Glaubens vorwiegend im Kontext kirchlichen Unterrichts und nur vereinzelt im schulischen Umfeld bewegte. Damit können alle diesbezüglichen Aktivitäten mit ihren begleitenden Überlegungen dem heutigen Feld der Gemeindepädagogik zugeordnet werden. Auffallend ist, dass Phasen in Bonhoeffers Leben, in denen er sich intensiv mit der Kirche auseinandersetzte, oft mit einem intensiven Engagement seiner Person in der kirchlichen Erziehung einhergehen. Es zeigt sich, dass Bonhoeffer neben einer herausragenden wissenschaftlich-theologischen Begabung, die auch den Bereich der Praktischen Theologie mit einschloss, über große Fähigkeiten in der gemeindepraktischen Arbeit verfügte. Als frühes Beispiel für sein Engagement im kirchlichen Unterricht, das sich parallel zur Beschäftigung mit ekklesiologischen Fragestellungen ereignete, muss seine erste Beteiligung an der Gemeindearbeit aufgeführt werden. Während sich Bonhoeffer im Rahmen seines Theologie-Studiums im Grunewalder Kindergottesdienst und dem sich anschließenden Donnerstagskreis einbrachte, entstanden im selben Zeitraum mehrere kleinere ekklesiologische Arbeiten sowie die Dissertation ›Sanctorum Communio‹. Auch die nach seiner Rückkehr aus New York angetretene Stelle als Privatdozent an der Universität sowie die Tätigkeit als Jugendsekretär in der Ökumene und als Studentenpfarrer mit Betreuung einer Konfirmandenklasse stellen eine Phase der Parallelität der Beteiligung am kirchlichen Unterricht und theoretischer Auseinandersetzung mit der Kirche dar. Dem Abschluss der Konfirmandenklasse folgte unmittelbar eine Vorlesung, die sich ganz der Ekklesiologie widmete: ›Das Wesen der Kirche‹5, gehalten im Sommersemester 1932. Auch wenn sich die Christologie in Bonhoeffers Theologie immer mehr Raum verschaffte, nahm Bonhoeffer immer wieder in kleineren Schriften Stellung zu Fragen der Kirche, zum Beispiel in den 1933 erschienenen Aufsätzen:

Gefängnisbriefen. Da der Fokus dieser Arbeit aber auf den Jahren vor der Verhaftung liegt, ist die Diskussion eines solchen Bruches zweitrangig. 4 Die engen Verbindungen von Leben und Werk bei Bonhoeffer legt nicht nur Eberhard Bethges große Bonhoeffer-Biografie nahe. Beispielsweise haben es auch Gremmels und Hans Pfeifer unternommen, die Zusammenhänge zwischen Bonhoeffers Theologie und Biografie in den einzelnen Abschnitten seines Lebens überzeugend herauszuarbeiten: Bethge, Eberhard, Dietrich Bonhoeffer. Eine Biographie, Gütersloh 52005 und Gremmels, Christian/Pfeifer, Hans, Theologie und Biographie. Zum Beispiel Dietrich Bonhoeffer, München 1983. 5 Bonhoeffer, Dietrich, Ökumene, Universität, Pfarramt 1931–1932, hg. von: Eberhard Amelung/Christoph Strohm, DBW, Bd. 11, Gütersloh 1994b, S. 239–303.

Begriffsklärung und Ziel der Arbeit

15

›Was ist Kirche?‹6 und ›Die Kirche vor der Judenfrage‹7. Die zu den letzten von Bonhoeffer selbst veröffentlichten Bücher gehörenden Schriften ›Nachfolge‹ und ›Gemeinsames Leben‹ zeigen sein Bemühen, kirchliches Leben zu beeinflussen und zu gestalten. Wie Bonhoeffer kirchlichen Unterricht gestaltete bzw. wie er sich diesen vorstellte, zeigen die von ihm erhaltenen zahlreichen Katechesen, die beiden Katechismusentwürfe8, die Vorlesung über Katechetik9 sowie die Vorlesung über Konfirmandenunterricht10. Die Tätigkeit als Direktor des Finkenwalder Predigerseminars in Pommern im Auftrag der Bekennenden Kirche bot Bonhoeffer die Chance, sowohl ekklesiologischen als auch gemeindepädagogischen Fragen nachzugehen und angehende Pfarrer in den kirchlichen Unterricht einzuführen. Mit der Lebensgemeinschaft des Seminars ergaben sich besonders viele Möglichkeiten, Bonhoeffer als Lehrer des Glaubens zu erleben. Aufgehalten in seinem kirchlichen Wirkungsradius und in seinem theologischen Schaffen wurde er durch die zahlreichen Einschränkungen, denen er mit der Willkür des nationalsozialistischen Staates ausgesetzt war. Diese verschärften sich mit Bonhoeffers Beteiligung am kirchenpolitischen Widerstand der Bekennenden Kirche und seiner persönlichen Verstrickung in die Attentatspläne gegen Adolf Hitler. Mit Bonhoeffers Verhaftung kam sein Engagement für die Theologenausbildung der Bekennenden Kirche endgültig zum Erliegen. Gleichzeitig entstanden in der zweijährigen Haftzeit bis zu Bonhoeffers Hinrichtung im April 1945 zahlreiche Schriften, die sich der Kirche widmen. Hierbei sind unter anderem Bonhoeffers ethische Überlegungen im Zusammenhang mit der Kirche zu nennen. Die letzte ausführlichere Auseinandersetzung Bonhoeffers mit der Kirche erfolgte 1944 im ›Entwurf einer Arbeit‹11.

1.2

Begriffsklärung und Ziel der Arbeit

Die aufgezeigte Parallelität in mehreren Lebensphasen Bonhoeffers von ekklesiologischen Auseinandersetzungen mit seiner Beteiligung am kirchlichen Unterricht legt die Vermutung nahe, dass beide Bereiche bei Bonhoeffer nicht isoliert nebeneinander hergehen, sondern ineinandergreifen. Es stellt sich die Frage, wie sich dieses Ineinandergreifen konkretisiert. Hierzu ist es erforderlich, 6 Bonhoeffer, Dietrich, Berlin 1932–1933, hg. von: Carsten Nicolaisen/Ernst-Albert Scharffenorth, DBW, Bd. 12, München 1997, S. 235–239. 7 A.a.O., S. 349–358. 8 DBW 11, S. 228–237, 786–819. 9 DBW 14, S. 530–554. 10 A.a.O., S. 623–628. 11 DBW 8, S. 556–561.

16

Einführung

sowohl wesentliche ekklesiologische Themen als auch sein den kirchlichen Unterricht betreffendes Denken und Handeln herauszuarbeiten. Die Fülle des Bonhoeffer-Nachlasses, der Umfang der in Kapitel 2 aufgezeigten Bonhoeffer-Forschung sowie die dort erkennbaren Forschungslücken verlangen eine Eingrenzung der Fragestellung durch die Klärung grundlegender Begriffe. Wie bereits aufgezeigt, fällt Bonhoeffers Denken und Handeln, das den kirchlichen Unterricht betrifft, in die heutige Disziplin der Gemeindepädagogik. Auch wenn es sich vorwiegend um eine historisch angelegte Untersuchung handelt, muss die Perspektive der Gemeindepädagogik als moderne Disziplin eingebracht werden, um am Ende der Arbeit eine Brücke zu heutigen Problemfeldern und Entwicklungen schlagen zu können. Die Bestimmung des Begriffs ›Gemeindepädagogik‹ birgt allerdings mehrere Schwierigkeiten in sich: Bei der Gemeindepädagogik handelt es sich um ein noch recht junges Feld, das von seiner Entstehung an mit unterschiedlichen Vorstellungen gefüllt wurde. Bedingt wurde das nicht zuletzt durch das unterschiedliche Verhältnis von Staat und Kirche in Ost- und Westdeutschland vor der Wiedervereinigung. Die Gemeindepädagogik als wissenschaftliche Disziplin trat in den 1970er-Jahren die Nachfolge der Katechetik an, trotzdem werden heute an manchen Orten noch beide Begriffe synonym verwendet.12 Zusätzlich gibt es Überschneidungen im innerdeutschen Sprachraum zum Verständnis von ›Religionspädagogik‹. 12 Der Begriff ›Gemeindepädagogik‹ wurde Mitte der 1970er-Jahre von Enno Rosenboom im Westen und Eva Heßler im Osten Deutschlands verbreitet und auf evangelischer Seite in beiden Teilen rasch rezipiert, wo er Eingang in die gemeindepädagogische Berufstheorie und das Ausbildungssystem zum Gemeindepädagogen fand. In Westdeutschland wurde die Gemeindepädagogik als Hoffnungsträger angesehen, um mit einer Gesamtkonzeption einem um sich greifenden Traditionsabbruch, den Grenzen des Religionsunterrichts und der Frage nach der Priorisierung gewachsener und ausdifferenzierter gemeindlicher Betätigungsfelder zu begegnen. Verschiedene Erwartungshaltungen führten zu unterschiedlichen Begriffsbestimmungen, die auf eine bewusste Kirchenmitgliedschaft, die Neustrukturierung gemeindlicher Handlungsfelder und Mitarbeiter oder als Hilfe zur Subjektwerdung zielten. In der ehemaligen DDR bestimmte trotz ähnlicher Herausforderungen eine andere kirchliche Ausgangslage das Verständnis von Gemeindepädagogik. Die Ablehnung einer kirchlichen Beteiligung am Bildungswesen von staatlicher Seite mit der völligen Verdrängung der Kirchen aus dem Schulwesen führte mit der Christenlehre zur Herausbildung eines gemeindebezogenen Katechumenats, wodurch die Religionspädagogik als Begrifflichkeit keine Rolle mehr spielte. Das Verständnis einer Gemeindepädagogik wurde damit von der Erwartung bestimmt, einer zu starken Konzentration auf innergemeindliche Prozesse entgegenzuwirken. Im sozialistischen Umfeld kam es in den Kirchengemeinden zu einem Rückgang von Mitgliedern und Mitarbeitern, der die Gemeindearbeit neben Fragen der Finanzierbarkeit und Heterogenität vor neue Herausforderungen stellte. Die Bereitschaft zu neuen Konzeptionen sei nach Karl Foitzik allerdings nicht ausschließlich von den erwähnten Problemen herbeigeführt worden, sondern verdanke sich auch einer theologischen Kreativität und einer Offenheit der Ökumene gegenüber. Vgl. Foitzik, Karl, Gemeindepädagogik. Problemgeschichte eines umstrittenen Begriffs, Gütersloh 1992, S. 19–77 und 237–275.

Begriffsklärung und Ziel der Arbeit

17

Hilfreich für die Unterscheidung der Gemeinde- von der Religionspädagogik ist die aus dem Lexikon der Religionspädagogik stammende Definition, die in Anlehnung an Karl Ernst Nipkow den Begriff Gemeindepädagogik durch die »Spezifik von G[emeinde] als Lernort u[nd Lern]prozess« beschreibt und diesen von der Religionspädagogik mit ihrer »traditionellen Schul- u[nd] R[eligions-]U[nterricht]-Zentriertheit« abgrenzt.13 Bonhoeffers pädagogischer Schwerpunkt lag nicht im schulischen Religionsunterricht, sondern in der innergemeindlichen Arbeit, insbesondere in der Gestaltung von Kindergottesdienst und Konfirmandenunterricht.14 Darüber hinaus gibt es aber noch weitere Handlungsfelder der Gemeindepädagogik, die andere Alters- und Zielgruppen einschließen. Adam und Lachmann unterscheiden drei Bereiche gemeindepädagogischer Fragestellungen: Als ersten Bereich verstehen sie die Theorie und Praxis der unterschiedlichen Handlungsfelder. Der zweite Aspekt der Gemeindepädagogik betrifft die Professionstheorie in der kirchlichen Ausbildung zum Gemeindepädagogen. Der dritte Bereich gemeindepädagogischen Verständnisses richtet sich auf die pädagogischen Komponenten in anderen kirchlichen Handlungsdimensionen aus, wie zum Beispiel in der Seelsorge und Diakonie.15 Um von den Bonhoeffer betreffenden Erkenntnissen der Arbeit eine Brücke zu heutigen Herausforderungen der Gemeindepädagogik schlagen zu können, empfiehlt sich die Ergänzung der oben angeführten Bereiche durch die Unterteilung Peter Bubmanns, der neben der Professionstheorie und der Pädagogik noch die Felder ›Subjekte und Lebenswelten‹ sowie die Gemeindetheorie als relevante und aktuelle Aufgabenbereiche der Gemeindepädagogik vorsieht.16 Diese Bereiche gilt es, in einer umfassenden Darstellung von Bonhoeffers Verständnis und Beteiligung am kirchlichen Unterricht zu berücksichtigen. Hinzu kommt, dass keine in sich geschlossene Konzeption von Bonhoeffer

13 Degen, Roland, Art. Gemeindepädagogik, in: Lexikon der Religionspädagogik, Bd. 1, hg. von: Norbert Mette/Folkert Rickers, Neukirchen-Vluyn 2001, Sp. 683. 14 Bonhoeffer erteilte nur zu besonderen Gelegenheiten schulischen Religionsunterricht. Spuren einer geplanten oder tatsächlichen Unterrichtstätigkeit existieren aus Barcelona, Kuba und Ettal. Vgl. Bonhoeffer, Dietrich, Barcelona, Berlin, Amerika, hg. von: Reinhart Staats u. a., DBW, Bd. 10, München 22005b, S. 33, 176 und 220, und vgl. Bonhoeffer, Dietrich, Konspiration und Haft 1940–1945, hg. von: Jørgen Glenthøj/Ulrich Kabitz/Wolf Krötke, DBW, Bd. 16, Gütersloh 1996b, S. 87, Anmerkung 4. 15 Vgl. Adam, Gottfried/Lachmann, Rainer, Was ist Gemeindepädagogik?, in: Neues Gemeindepädagogisches Kompendium, hg. von: Gottfried Adam/Rainer Lachmann, Göttingen 2008, S. 19–23. 16 Vgl. Bubmann, Peter, Aktuelle Entwicklungen und Herausforderungen. Zum gegenwärtigen Stand der Gemeindepädagogik, in: Gemeindepädagogik. Grundlagen, Herausforderungen und Handlungsfelder der Gegenwart, hg. von Gerhard Hess/Bernhard Mutschler, Leipzig 2014, S. 49.

18

Einführung

vorliegt.17 Deshalb muss der Begriff Gemeindepädagogik in dieser Arbeit relativ weit gefasst werden. Bonhoeffer war an vielen Stationen seines Lebens im gemeindepädagogischen Sinne tätig, sei es in der gemeindepraktischen Arbeit oder in der theoretischen Auseinandersetzung damit. Durch die fehlende Konzeption lässt sich aus heutiger Sicht nicht von einer ›Gemeindepädagogik‹ Bonhoeffers sprechen. Es erscheint angemessener, stattdessen Dietrich Bonhoeffer als ›Gemeindepädagogen‹ zu bezeichnen und von einem ›gemeindepädagogischen Wirken‹ zu reden, das theoretische Überlegungen und Elemente der gemeindepraktischen Arbeit zusammenfasst. Obwohl der Begriff ›Katechetik‹, der die Wissenschaft der christlichen Katechese bezeichnet, im evangelischen Kontext inzwischen nahezu vollständig in den Bereichen Religionspädagogik und Gemeindepädagogik aufgegangen ist, soll an dieser Stelle noch eine Klärung des Begriffs vorgenommen werden. Die Begriffsklärung ist erforderlich, um auch die Katechesen Bonhoeffers, seine Katechismusentwürfe sowie die Finkenwalder Katechetik-Vorlesung für die Darstellung seines gemeindepädagogischen Wirkens fruchtbar zu machen. In der vorliegenden Arbeit wird der Begriff ›Katechetik‹ in Abgrenzung zur ›Gemeindepädagogik‹ mit einer historischen Ausrichtung verwendet. Er berücksichtigt, ausgehend von Michael Meyer-Blanck, die Verbindung zum Katechismus im Unterricht sowie die Frage-Antwort-Struktur als Unterrichtsverfahren der Katechese.18 Aus diesen Erkenntnissen heraus soll der Begriff des ›gemeindepädagogischen Wirkens‹ auf alle Lernorte erweitert werden, an denen es zu einem alle Altersgruppen fokussierenden Lernprozess christlicher Inhalte in der Gemeinde kommt. In diese Begriffsdefinition können auch Elemente der Homiletik, der Poimenik, Liturgik und Kirchenmusik fallen sowie in einem weitergehenden Sinne auch die Ausbildung zur gemeindepädagogischen Arbeit. Weil gemeindliches Leben seinen Ausgangspunkt und Niederschlag außerhalb der Gemeinde finden kann, sollen zudem Bonhoeffers Tätigkeiten über den innergemeindlichen Kreis hinaus bis in den privaten Bereich mit einbezogen werden. Bei der Klärung des Begriffs ›Kirchenverständnis‹ liegt eine ähnliche Ausgangslage wie bei der Begriffsbestimmung von Bonhoeffers gemeindepädagogischem Wirken vor : Auch die ekklesiologischen Arbeiten Bonhoeffers können nicht als in sich abgeschlossen betrachtet werden. Bethge spricht im Rückblick auf Bonhoeffers Leben von einer »unerledigte[n] Ekklesiologie«19. Dies gilt 17 Bis auf die Katechetik-Vorlesung und die Vorlesung über Konfirmandenunterricht in Finkenwalde erfolgte keine systematisch-theoretische Auseinandersetzung Bonhoeffers mit gemeindepädagogischen Inhalten. 18 Vgl. Meyer-Blanck, Michael, Art. Katechese, Katechetik, in: Lexikon der Religionspädagogik, Bd. 1, hg. von: Norbert Mette/Folkert Rickers, Neukirchen-Vluyn 2001, Sp. 956. 19 Bethge (2005), S. 995.

Methodisches Vorgehen

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ebenso für alle anderen Arbeiten Bonhoeffers mit kirchlichem Gegenstand, zum Beispiel für seine Stellungnahmen zu kirchenpolitischen Ereignissen. Die fehlende Abgeschlossenheit kann man mit der tragischen Kürze von Bonhoeffers Leben zu erklären suchen, aber auch mit der Vielschichtigkeit seiner Gedanken, in denen er mit seiner herausragenden theologischen Begabung die Fülle der Ereignisse seiner Zeit zu verarbeiten und ihnen vorauszugreifen hoffte. Den Auseinandersetzungen Bonhoeffers zur Kirche liegen die Fragen nach Wesen, Auftrag, Gestalt und Struktur als zentrale Inhalte der Ekklesiologie zugrunde. Hierbei ist anzumerken, dass neben dem Begriff der ›Ekklesiologie‹ auch die Begriffe ›Kirchentheorie‹ und ›Kirchenverständnis‹ für Bonhoeffers Äußerungen zur Kirche angewandt werden können. ›Ekklesiologie‹ ist der systematischen Komponente des Themas vorbehalten, während die ›Kirchentheorie‹ als Begriff systematische und praktisch-theologische Fragestellungen zur Kirche zusammenbringt.20 Aufgrund der Komplexität und durch inhaltliche Überschneidungen sind jedoch beide Begriffe nicht immer eindeutig voneinander unterscheidbar. Während der Begriff der Ekklesiologie sich stärker an die traditionelle Struktur systematisch-theologischen Denkens anlehnt, ermöglicht der Begriff ›Kirchenverständnis‹ die Berücksichtigung von einzelnen, nicht unbedingt konzeptionell zusammenhängenden Aussagen Bonhoeffers zum Verständnis von Kirche. Aus diesem Grund wird die Bezeichnung ›Kirchenverständnis‹ als Überbegriff in dieser Arbeit präferiert, der sowohl für eine grundsätzliche als auch fallbezogene Beschäftigung Bonhoeffers mit Fragen der Kirche steht und die beiden anderen Begriffe mit einschließt. Aus der Vielfalt der Überlegungen Bonhoeffers sollen vor allem die Gedanken seines Kirchenverständnisses aufgegriffen werden, die sich in einen Zusammenhang zu seinem gemeindepädagogischen Wirken bringen lassen. Ziel der Arbeit ist es daher, sowohl Bonhoeffers gemeindepädagogisches Wirken als auch wesentliche Bestandteile seines Kirchenverständnisses herauszuarbeiten und zu veranschaulichen, wie bei ihm beide Bereiche ineinandergreifen. Die Erkenntnisse sollen zu ihrer Einordnung sowohl im Kontext zeitgenössischer Ansätze als auch in ihrer Verbindung zu heutigen Fragestellungen betrachtet werden.

1.3

Methodisches Vorgehen

Das Thema der Arbeit ist historisch ausgerichtet und bringt pädagogische mit theologischen Fragestellungen zusammen. Die theologischen Elemente berühren unterschiedliche Disziplinen. Einerseits hat die Betrachtung von Leben und 20 Vgl. Becker, Dieter, Kirchentheorie, http://www.agentur-aim.com/kirchentheorie.pdf (letzter Zugriff: 05. 04. 2018) und vgl. Preul, Rainer, Kirchentheorie, Berlin 1997, S. 3f.

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Einführung

Werk der Person Dietrich Bonhoeffers eine kirchengeschichtliche Reichweite. Andererseits werden mit dem Fokus der Arbeit auf Ekklesiologie und Gemeindepädagogik die Bereiche der Systematischen und der Praktischen Theologie angeschnitten. Da bei der Bearbeitung des Themas zahlreiche Elemente aus dem Leben Bonhoeffers untersucht werden, wird für das methodische Vorgehen eine biografische Analyse gewählt. Der Schwerpunkt der Analyse umfasst die Lebensjahre Bonhoeffers von 1925 bis zu seiner Verhaftung im Jahre 1943. Falls erforderlich, wie es etwa bei der Untersuchung von den Einflüssen auf Bonhoeffer oder den Auswirkungen, die von ihm ausgehen, der Fall ist, wird auch auf Ereignisse und Dokumente der Jahre vor und nach diesem Zeitraum eingegangen. Die Beobachtung einer Parallelität, in denen Phasen gemeindepädagogischen Wirkens mit ekklesiologischer Auseinandersetzung Bonhoeffers einhergehen, lässt eine chronologische Herangehensweise als sinnvoll erscheinen. Diese soll dazu beitragen, einzelne Phasen zu identifizieren und zu analysieren. Bei der Analyse von Bonhoeffers Leben werden alle Aktivitäten berücksichtigt, die im Zusammenhang mit der Vermittlung von christlichen Inhalten stehen. Das Hauptaugenmerk liegt auf der Gemeindearbeit Bonhoeffers, berücksichtigt werden aber auch der schulische und der private Bereich, sofern dort Glaubensfragen betreffende Lernvorgänge nachweisbar sind. Diese Lernvorgänge werden nicht nur in seiner Arbeit mit Kindern und Jugendlichen vermutet. Vielmehr soll auch Bonhoeffers Gemeindearbeit mit Erwachsenen, wie sie sich beispielsweise bei den Vorträgen in Barcelona oder der Finkenwalder Theologenausbildung ereignete, auf besondere Kennzeichen untersucht werden. Neben persönlichen Berichten Bonhoeffers, wie zum Beispiel seine Briefe21, sollen in diesem Zusammenhang neben Bethges Bonhoeffer-Biografie auch Berichte aus Bonhoeffers Familien- und Bekanntenkreis berücksichtigt werden. Hinzu kommen die Zeugnisse aus Bonhoeffers Gemeindearbeit, wie etwa Katechesen, Vorträge und Ansprachen, die auf besondere Merkmale hin untersucht werden. Bonhoeffers Predigten werden nur einbezogen, sofern sie relevante gemeindepädagogische Bezüge aufweisen, wie es beispielsweise bei Konfirmationspredigten, die in der Regel in Bezug zum vorangegangenen Konfirmandenunterricht stehen, der Fall ist.22 Neben diesen Beiträgen zu den Bereichen Subjekte und Lebenswelten sollen die beiden Katechismusentwürfe, die Vorle21 Die Briefkultur erreichte im 19. Jahrhundert ihren Höhepunkt und auch zu Beginn des 20. Jahrhunderts spiegelt sich ein großer Bestandteil aus Bonhoeffers Lebens- und Arbeitswelt in Briefen wider. Vgl. Budde, Gunilla-Friederike, Auf dem Weg ins Bürgerleben. Kindheit und Erziehung in deutschen und englischen Bürgerfamilien 1840–1914, Göttingen 1994, S. 255. 22 Für eine ausführlichere Betrachtung von Bonhoeffers Predigten und seiner Homiletik siehe Zimmerling, Peter, Bonhoeffer als Praktischer Theologe, Göttingen 2006, S. 77–108.

Methodisches Vorgehen

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sung über Katechetik und die Vorlesung über Konfirmandenunterricht weitere Aufschlüsse zu Bonhoeffers Verständnis gemeindepädagogischer Professionstheorie ermöglichen. Für den Bereich der Gemeindetheorie werden ekklesiologische Einsichten Bonhoeffers hinzugezogen. Der Teil dieser Arbeit, der sich mit dem Kirchenverständnis Bonhoeffers befasst, wird bestimmt durch eine Analyse von Bonhoeffers Schriften. Hierbei werden Schriften Bonhoeffers, die sein Kirchenverständnis wiedergeben, untersucht. In erster Linie fallen darunter ›Sanctorum Communio‹, ›Akt und Sein‹, ›Nachfolge‹, ›Gemeinsames Leben‹, aber auch Vorlesungen wie ›Das Wesen der Kirche‹ und weniger umfangreiche Dokumente Bonhoeffers, die beispielsweise in Form von Briefen, Vorträgen und Predigten vorliegen. Um aufzuzeigen, wie Bonhoeffers Kirchenverständnis und sein gemeindepädagogisches Wirken in Verbindung stehen, wird auf sogenannte Konkretionen zurückgegriffen. Da wechselseitige und zirkuläre Einflüsse, aber auch Spannungen zwischen den beiden Bereichen anzunehmen sind, soll bei gemeinsamen Themen angesetzt werden. Hierzu werden themenspezifische Äußerungen Bonhoeffers miteinander ins Gespräch gebracht. Die gewonnenen Erkenntnisse werden am Ende der Arbeit zu Dimensionen verdichtet, die Aufschluss über wesentliche Merkmale von Bonhoeffers gemeindepädagogischem Wirken unter besonderer Berücksichtigung seiner Ekklesiologie geben. Aus dem methodischen Vorgehen ergibt sich als inhaltlicher Überblick über die einzelnen Kapitel der Arbeit: Der Hinführung zur Problemstellung und dem Ziel der Arbeit mit der Verdeutlichung des methodischen Vorgehens in Kapitel 1 schließt sich Kapitel 2 an, das sich der Forschungslage widmet. Das dort erkennbare Forschungsdesiderat zu Überlegungen und Tätigkeiten Bonhoeffers, die sich dem gemeindepädagogischen Kontext zuordnen lassen sowie die Berücksichtigung einer neuen Perspektive, die vorhandene themenähnliche Arbeiten nicht leisten, bekräftigt die Notwendigkeit dieser Arbeit. Für die Darstellung von Bonhoeffers gemeindepädagogischem Wirken in Kapitel 3 werden Stationen aus Bonhoeffers Leben und Werk herangezogen, in denen er selbst als Gemeindepädagoge oder in der Gemeindepädagogik verwandten Gebieten tätig war, sei es durch gedankliche Auseinandersetzungen oder durch aktive Gestaltung gemeindepädagogischer Lernsituationen. Hinzu kommt die Untersuchung von Einflüssen auf Bonhoeffer, die sich in seinem gemeindepädagogischen Wirken erkennen lassen. Zusammen mit Kapitel 4, das sich wesentlichen Bestandteilen von Bonhoeffers Kirchenverständnis widmet, bereiten diese beiden Teile Kapitel 5 vor, in dem anhand von Konkretionen aufgezeigt wird, wie beide Bereiche ineinandergreifen. In Kapitel 6 wird ein Vergleich zwischen besonderen Merkmalen von Bonhoeffers gemeindepädagogischem Wirken im Rahmen seines Kirchenverständnisses und drei zeitgenössischen Ansätzen vorgenommen. Da die Gemeindepädagogik zur Zeit Bonhoeffers noch nicht als eigene

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Einführung

Disziplin existierte, entstammen die zeitgenössischen Konzeptionen der Religionspädagogik und der allgemeinen Pädagogik. Die Arbeit schließt mit Kapitel 7, das ein Resümee in Form von verschiedenen Dimensionen des gemeindepädagogischen Wirkens Bonhoeffers gibt und eine Brücke zu heutigen Themen und Herausforderungen der Gemeindepädagogik schlägt.

2

Zur Forschungslage

2.1

Überblick zur Forschungslage

Die Restaurierung des Bonhoeffer-Nachlasses in der Staatsbibliothek zu Berlin ist mittlerweile abgeschlossen, die Digitalisierung und bibliothekarische Bearbeitung stehen noch aus.23 Durch die Herausgabe der Dietrich-BonhoefferWerke bietet sich eine gut erschlossene Quellenlage. Diese wird durch die vielfachen Untersuchungen zu Bonhoeffers Ekklesiologie und Kirchenverständnis in der Bonhoeffer-Forschung bezeugt. Eine Betrachtung der Forschungslage führt trotz guter Quellenlage zu unterschiedlichen Ergebnissen in den Bereichen von Bonhoeffers Kirchenverständnis und seinem gemeindepädagogischen Wirken. Seit Ende des Zweiten Weltkrieges wurde Bonhoeffer auf verschiedene Weise rezipiert. Die knapp zehn Jahre nach Bonhoeffers Tod einsetzende Bonhoeffer-Interpretation wird beeinflusst durch die Breite der Veröffentlichungen aus der schriftlichen Hinterlassenschaft Bonhoeffers. Drehte sich die Auseinandersetzung um Bonhoeffer in den Jahren von 1955 bis 1965 noch um die 1949 erschienene ›Ethik‹ und die unter dem Titel ›Widerstand und Ergebung‹ 1951 veröffentlichten Briefe der Haftzeit, so erweiterte sich durch die Erscheinung der ›Gesammelten Schriften‹ im Zeitraum von 1958–1974 die schriftliche allgemein zugängliche Hinterlassenschaft Bonhoeffers und damit die Grundlage für seine Interpretation. Schon für diese erste Phase zeichnet Rudolf Schulze ein großes Spektrum in der Bonhoeffer-Interpretation auf, die er unter anderem aus der jeweiligen Berücksichtigung sachlicher und biografischer Zusammenhänge sowie aus der Annahme einer geschlossenen Konzeption, beziehungsweise der Annahme von Brüchen in der späten Theologie Bonhoeffers, ableitet.24 Gerade die Briefe des 23 Vgl. Staatsbibliothek Berlin, http://bonhoeffer.staatsbibliothek-berlin.de/bonhoeffer-nach lass/nach_der_restaurierung/index.html (letzter Zugriff: 05. 04. 2018). 24 Vgl. Schulze, Rudolf, Hauptlinien der Bonhoeffer-Interpretation. Evangelische Theologie, 25. Jahrgang/1965, S. 692–697.

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Zur Forschungslage

späten Bonhoeffers führen zu weit auseinandergehenden Interpretationen. Hans Martin Müller spricht sogar von einer »Instrumentalisierung von Bonhoeffers Gedankenwelt«25, mit der beispielsweise die Beendigung der Apartheid in Südafrika, die Friedenskampagne oder der Konzilsgedanke unterstützt werden sollten. Gremmels sieht die Rezeption von ›Widerstand und Ergebung‹ als Schlüssel für die Rezeptionsgeschichte Bonhoeffers.26 Anhand mehrerer Beispiele zeigt Feil ein neu erwachendes Interesse in den 1980er-Jahren an Themen Bonhoeffers auf, die von einer unmittelbaren Relevanz für den persönlichen gelebten Glauben sind. Er konstatiert darüber hinaus neben einer kontroversen Einschätzung Bonhoeffers eine vielfältige Bewertung unserer Zeit.27 Diese Beobachtungen spiegeln sich auch in der vorliegenden Literatur zu Bonhoeffers Ekklesiologie wider. Vielfache Untersuchungen sind in der Bonhoeffer-Forschung zu einzelnen ekklesiologischen Themen vorhanden. Umfassendere Darstellungen und Interpretationen von Bonhoeffers Kirchenverständnis finden sich in der Reihenfolge ihrer Publikationen unter anderem bei Martin Honecker, Wolfgang Huber, Ernst Lange, Hanfried Müller, Hans Pfeifer und Joachim von Soosten.28 Darüber hinaus gibt es etliche Autoren, die Bonhoeffers Kirchenverständnis im Zusammenhang mit anderen theologischen Fragestellungen thematisieren. Hier sind unter anderem Rainer Ebeling und Heinz Rüegger zu nennen. Bei Ebeling geschieht dies durch eine Gegenüberstellung von Bonhoeffers Ekklesiologie mit einer freikirchlichen Theologie, bei Rüegger durch die Betonung seelsorgerlicher Aspekte.29 25 Müller, Hans M., Bonhoeffer-Interpretationen. Theologische Rundschau, 54. Jahrgang/1989, S. 312. 26 Vgl. Gremmels, Christian, Dietrich Bonhoeffer – Ausgewählte Stationen der Rezeptionsgeschichte. Mit einem Exkurs zu Eberhard Bethge, in: Transparent. Zeitschrift für die kritische Masse der rheinischen Kirche 19/2005, Nr. 76, S. 8. 27 Vgl. Feil, Ernst, Aspekte der Bonhoeffer-Interpretation. Theologische Literaturzeitung, 117. Jahrgang, Nr. 2/1992, S. 97. 28 Vgl. Honecker, Martin, Dietrich Bonhoeffers dogmatische Soziologie der Kirche, in: Kirche als Gestalt und Ereignis. Die sichtbare Gestalt der Kirche als dogmatisches Problem, hg. von: Martin Honecker, München 1963, S. 124–156, vgl. Huber, Wolfgang, Wahrheit und Existenzform. Anregungen zu einer Theorie der Kirche bei Dietrich Bonhoeffer, in: Konsequenzen, Dietrich Bonhoeffers Kirchenverständnis heute, hg. von: Ernst Feil/Ilse Tödt, München 1983, S. 87–139, vgl. Lange, Ernst, Kirche für andere. Dietrich Bonhoeffers Beitrag zur Frage einer verantwortbaren Gestalt der Kirche in der Gegenwart, in: Kirche für die Welt. Aufsätze zur Theorie kirchlichen Handelns, hg. von: Rüdiger Scholz, München 1981, S. 19– 62, vgl. Müller, Hanfried, Von der Kirche zur Welt, Leipzig 1961, vgl. Pfeifer, Hans, Das Kirchenverständnis Dietrich Bonhoeffers. Ein Beitrag zur theologischen Prinzipienlehre (unveröffentlicht), Heidelberg 1964 und vgl. Soosten, Joachim von, Die Sozialität der Kirche. Theologie und Theorie der Kirche in Dietrich Bonhoeffers »Sanctorum Communio«, München 1992. 29 Vgl. Ebeling, Rainer, Dietrich Bonhoeffers Ringen um die Kirche. Eine Ekklesiologie im Kontext freikirchlicher Theologie, Giessen 1996 und vgl. Rüegger, Heinz, Kirche als seelsorgerliche Gemeinschaft, Bern 1992.

Überblick zur Forschungslage

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Die Anzahl der Autoren, die Bonhoeffer im religions- und gemeindepädagogischen Kontext betrachten, ist deutlich überschaubarer. Ein großer Teil der pädagogischen Literatur, die auf Bonhoeffer Bezug nimmt, tut dies nicht unter dem Gesichtspunkt seiner eigenen gemeindepädagogischen Tätigkeit, sondern unter dem Aspekt von Bonhoeffers theologischem Beitrag zu pädagogischen, katechetischen und pastoraltheologischen Fragestellungen. Jürgen Henkys betont die besondere Bedeutung Bonhoeffers für die Praktische Theologie in der Nachkriegszeit, er erwähnt in diesem Zusammenhang aber nur die Finkenwalder Katechetik.30 Gerhard Krause schildert bei seiner Darstellung von Bonhoeffers Bibelgebrauch kurz die Art der Katechesen Bonhoeffers, bezeichnet ihn aber nicht als Katecheten oder Gemeindepädagogen. Der Bonhoeffer-Artikel aus dem Lexikon der Religionspädagogik beschränkt sich auf Einsatzmöglichkeiten von Dietrich Bonhoeffers Biografie und Theologie im Religionsunterricht.31 Die aufgezählten Werke werden damit der Forderung der Herausgeber im Nachwort zu Band 14 der ›Dietrich Bonhoeffer Werke‹ nicht gerecht, dass »es zukünftig nicht mehr möglich sein [sollte], die evangelische Religionspädagogik nach 1933 darzustellen, ohne Bonhoeffer überhaupt zu erwähnen«32. Bei der Untersuchung von Bonhoeffers Ansätzen in den Bereichen der Praktischen Theologie ist zuerst die ausführliche Darstellung von Peter Zimmerling zu erwähnen, deren Schwerpunkte auf Spiritualität, Homiletik, Liturgik, Poimenik und Oikodomik liegen.33 Mit der pädagogischen Seite von Bonhoeffers Wirken haben sich bisher Reinhold Mokrosch und Sabine Bobert-Stützel befasst. Mokrosch beleuchtet Bonhoeffers religionspädagogisches Wirken, BobertStützel setzt sich in einem Kapitel ihrer Dissertation über Bonhoeffers Pastoraltheologie mit der Finkenwalder Katechetik-Vorlesung auseinander.34 Ebenfalls mit der Katechetik-Vorlesung hat sich Henkys befasst, indem er deren 30 Vgl. Henkys, Jürgen, Art. Dietrich Bonhoeffer, in: Religion in Geschichte und Gegenwart, Bd. 1, hg. von: Hans Dieter Betz u. a., Tübingen 41999, Sp. 1684–1685. 31 Vgl. Gremmels, Christian, Art. Dietrich Bonhoeffer, in: Lexikon der Religionspädagogik, Bd. 1, hg. von: Norbert Mette/Folkert Rickers, Neukirchen-Vluyn 2001, Sp. 209–211. 32 DBW 14, S. 1022f. 33 Zimmerling (2006). Siehe auch Zimmerling, Peter, Bonhoeffers Bedeutung für die aktuelle Praktische Theologie. in: Bonhoeffer und Luther. Zentrale Themen ihrer Theologie, hg. von: Klaus Grünwald u. a., Hannover 2007, S. 203–223. 34 Vgl. Bobert-Stützel, Sabine, Dietrich Bonhoeffers Pastoraltheologie, Gütersloh 1995, vgl. Mokrosch, Reinhold, Dietrich Bonhoeffer als Religionspädagoge?, in: Denk-Würdige Stationen der Religionspädagogik. Festschrift für Rainer Lachmann, hg. von: Horst F. Rupp u. a., Jena 2005, S. 277–292 und vgl. ders., »Gott ist mitten in unserem Leben jenseitig?« Ist dieser religionspädagogische Grundsatz D. Bonhoeffers angesichts der Gottesbilder und Gotteserfahrungen Jugendlicher noch heute relevant? Und ist er eine Basis für ein religionspädagogisches Konzept?, in: Dietrich Bonhoeffers Theologie heute. Ein Weg zwischen Fundamentalismus und Säkularismus?, hg. von: John W. de Gruchy u. a., Gütersloh 2009, S. 244–261.

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Zur Forschungslage

Einfluss auf die Christenlehre in der ehemaligen DDR aufzeigt.35 Eine Beschäftigung mit Bonhoeffers Konfirmandenarbeit in Berlin-Mitte findet sich bei John Albert.36 In der thematisch jüngsten und ausführlichsten Erscheinung widmet sich Andrew Root Bonhoeffers kirchlicher Jugendarbeit.37 In den folgenden Gliederungspunkten werden die Ergebnisse der Untersuchungen von BobertStützel, Mokrosch und Root in der Reihenfolge ihres Erscheinens berücksichtigt. Diese Werke wurden ausgewählt, da sie einen möglichst großen Zeitraum von Bonhoeffers Leben berücksichtigen und sich ausführlich pädagogischen Bezügen in seiner Biografie und seinem Werk widmen.

2.2

Ausgewählte Rezeptionen von Bonhoeffers gemeindepädagogischem Wirken

2.2.1 Sabine Bobert-Stützel: Bonhoeffers Pastoraltheologie – Die Katechetik In ihrer 1995 veröffentlichten Dissertation ›Dietrich Bonhoeffers Pastoraltheologie‹ widmet sich Bobert-Stützel auch der Katechetik Bonhoeffers.38 Sie verwendet aber an keiner Stelle den Begriff ›Gemeindepädagogik‹ oder ›Gemeindepädagoge‹. Als bedeutsam für Bonhoeffers Interesse an katechetischen Themen erklärt sie die Vorlesung über Katechetik in Finkenwalde, Bonhoeffers Konfirmandenunterrichtsplan, Konfirmandenstundenentwürfe, die Thesen über die Jugendarbeit in der Kirche, den ersten Katechismusentwurf sowie den von Bonhoeffer 1933 gehaltenen Vortrag ›Der Führer und der Einzelne in der jungen Generation‹39. Aus Bonhoeffers Biografie greift sie seine Grunewalder Konfirmandenzeit heraus, die Tätigkeit im Kindergottesdienst und den Donnerstagskreis während des Studiums, die Jugendarbeit in Barcelona und in der Jugendstube in Charlottenburg sowie den Konfirmandenunterricht am Wedding und in Finkenwalde. Bobert-Stützel stellt Bonhoeffers katechetische Überlegungen und Aktivitäten in einen gesellschaftlichen und kirchenpolitischen Zusammenhang. Aus 35 Vgl. Henkys, Jürgen, Unterricht im Widerstand. Über Dietrich Bonhoeffers Finkenwalder Katechetik und ihre Bedeutung in der Vorgeschichte der Ostdeutschen Christenlehre, in: Aneignung und Vermittlung, hg. von: Ulrich Becker u. a., Gütersloh 1995, S. 311–328. 36 Vgl. Albert, John, Bonhoeffer and the confirmation class: education beyond classroom pedagogy. Lutheran Forum. 1985.19: (2 Pentecost), S. 24–27. 37 Vgl. Root, Andrew, Bonhoeffer as Youth Worker. A Theological Vision for Discipleship and Life together, Michigan 2014. 38 Vgl. Bobert-Stützel (1995), S. 322–363. Siehe auch Bobert-Stützel, Sabine, Dietrich Bonhoeffer – Praktische Theologie im gesellschaftlichen Kontext, in: Volk und Bekenntnis. Praktische Theologie im Dritten Reich, hg. von Klaus Raschzok, Leipzig 2000, S. 81–95. 39 DBW 10, S. 242–260.

Ausgewählte Rezeptionen von Bonhoeffers gemeindepädagogischem Wirken

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dem Kampf der Bekennenden Kirche mit der Reichskirche und dem totalitären nationalsozialistischen Staat leitet sie Bonhoeffers Forderungen an die christliche Unterweisung ab. Christliche Unterweisung habe politisch und kirchenpolitisch Stellung zu beziehen, es könne keinen neutralen Unterricht geben. In diesen Zusammenhang stellt sie Bonhoeffers Aussage über das Recht, Religionsunterricht abzuhalten, das er nur der Bekennenden Kirche zugestehe, heraus. Seine Grenzen erkennend, müsse der Staat dieses Recht an die Kirche abtreten. Bonhoeffer habe sich ebenfalls gegen staatliche Volkserziehung und gegen die gesamte nationalsozialistische Propaganda mit ihrer Weltanschauung, ihrem Rassedenken und ihrer Heldenverehrung gestellt. Erkennbar sei dies an den Fragen aus Bonhoeffers Katechismus zur Kriegs- und Eidesfrage. Ziel der christlichen Unterweisung sei die Zugehörigkeit des Einzelnen zur Bekennenden Kirche. Die kritische Distanz, die auch in der Methodik zu finden sei, dürfe aber nicht in die Isolation führen. Bobert-Stützel greift auf einen Konfirmandenunterrichtsplan des Predigerseminars der Bekennenden Kirche im ostpreußischen Blöstau zurück, um ihre These der Politisierung der Katechetik der Bekennenden Kirche zu untermauern. Bonhoeffers Ansatz habe sich am altkirchlichen Katechumenat orientiert und stelle die Grundlage für sein Konzept der Unterweisung in der Bekennenden Kirche dar. Durch die Beschäftigung mit dem altkirchlichen Katechumenat habe er drei Entdeckungen gemacht und daraus Forderungen an die kirchliche Unterweisungspraxis seiner Zeit abgeleitet. Auch inhaltlich sei der altkirchliche Katechumenat richtungsweisend für Bonhoeffer gewesen, wie sich an seinem Verständnis von Konfirmandenunterricht zeige: In ihm solle sich ein Prozess abspielen, der die Konfirmanden von einer Betrachtungsweise der Gemeinde von außen über Bibel und Bekenntnis zu einer gemeinsamen christlichen Praxis führe. Die Grundlage für christliche Erziehung und Unterricht bei Bonhoeffer sieht Bobert-Stützel ebenfalls im Verkündigungsauftrag und der bereits geschehenen Taufe seiner Schüler und Konfirmanden.40 In seiner Methodik knüpfe Bonhoeffer an die Form des Ärgernisses an. Was die Taufe als Grundlage seines christlichen Erziehungskonzeptes angeht, stellt Bobert-Stützel kritische Anfragen an Bonhoeffer in Bezug auf nichtgetaufte Kinder und die Konsequenzen des altkirchlichen Katechumenats für die Taufe innerhalbe der Volkskirche. Dem ersten Einwand sei Bonhoeffer ausgewichen, mit dem zweiten Einwand habe Bonhoeffer sich auseinandergesetzt und an der Kindestaufe zunächst gezweifelt. Später habe er sich aber für sie ausgesprochen, unter Einbindung einer Taufzucht, nach der Täufling und Gemeinde zu einer verantwortlichen Taufpraxis beitragen müssen. 40 Vgl. Bobert-Stützel (1995), S. 322–328.

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Zur Forschungslage

Das Ziel der christlichen Unterweisung liege für Bonhoeffer im Werden dessen, was der Mensch bereits seit der Taufe sei. Bonhoeffer sei darin Luthers von der Rechtfertigungslehre geprägter Anthropologie gefolgt. Im Unterricht könne der Werdeprozess des Christen von Gott angestoßen werden. Sie distanziert sich vom Begriff der ›Bekehrung‹ für dieses Ereignis. Bekehrung habe Bonhoeffer im Sinne Luthers verstanden, der das gesamte Leben des Christen als einen Akt der Bekehrung aufgefasst habe. Bonhoeffer habe auch nicht eine Bekehrung als Ziel der Katechetik angestrebt. Er habe, wie auch in der Homiletik und Seelsorge, menschliche Wandlungsziele abgelehnt, da sie den Schöpferreichtum Gottes einschränken würden. Der Katechet könne in seiner Erziehung nur auf die selbstständige Wirkung des Wortes Gottes vertrauen und die Schüler in seine Fürbitte einschließen. Bobert-Stützel zeigt sich erstaunt über den Einschub eines Abschnittes über Psychologie in der Katechetik-Vorlesung. Bonhoeffer habe sich wohl durch seinen pädagogischen Auftrag dazu genötigt gesehen. Er habe mit dem Abschnitt aber nicht bezweckt, altersgerecht an die Fähigkeiten und Vorstellungen der Kinder und Jugendlichen anzuknüpfen. Bobert-Stützel weist auf eine Differenz zwischen der psychologischen Darstellung des Kindes und dem Gesamtwerk Bonhoeffers hin, in dem er sich über das Kind überwiegend positiv ausgesprochen habe. Über den Jugendlichen habe sich Bonhoeffer dagegen schon früh kritisch geäußert, vor allem gegen die nationalsozialistische Vergötterung der Jugend. Was den Abschnitt über die Religiosität des Kindes und des Jugendlichen angehe, habe Bonhoeffer keine Anknüpfung an den Unterricht bezweckt, sondern eine kritische Betrachtung. Hinter Bonhoeffers Erziehungskonzept verberge sich laut Bobert-Stützel das dialektisch-theologische Denkmodell der Krisis, nach dem der Mensch an der Andersartigkeit Gottes scheitere. In der Begegnung von Mensch und Gott spiele das Wort Gottes die wichtigste Rolle. Von seinem theologischen Interesse an der Krise sei Bonhoeffer zu einem pädagogischen Fokus auf die psychische Entwicklungskrise gelangt. Dabei habe er sich an dem Arzt und Psychotherapeuten Fritz Künkel orientiert.41 Entsprechend der psychologischen Anthropologie sei Bonhoeffer davon ausgegangen, dass der Jugendliche eine Krisis erleben werde, in deren Prozess der Katechet unter Zuhilfenahme des Wortes Gottes eingreifen solle. Ziel einer erfolgreichen Erziehung sei es, den Jugendlichen zu einer Anerkennung der Zweiheit von Gott und Mensch in der eigenen Lebenswirklichkeit zu bringen. Bonhoeffer unterscheide sich in zwei Punkten von Künkel: zum einen in der Wertung der Willensanstrengung des Jugendlichen in der Krise, zum anderen in der Zielstellung der Krise, die Bonhoeffer beim bloßen Scheitern belasse. Bobert-Stützel selbst kritisiert dieses Konzept: Das Konzept sei zu sehr 41 Vgl. a.a.O., S. 329–337.

Ausgewählte Rezeptionen von Bonhoeffers gemeindepädagogischem Wirken

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auf die Krise und die Tiefen ausgerichtet, die eine Krise mit sich bringe. Die Hilfe des Erziehers solle sich nicht darauf beschränken, die Krise zu beschleunigen, sondern er solle dem Menschen in der Krise vielmehr dazu verhelfen, Grenzen zu erkennen und die Möglichkeiten seiner Entwicklungsstufe voll auszunutzen. In seinen Ausführungen zur Autorität des Katecheten habe sich Bonhoeffer, wie Luther, am vierten Gebot orientiert. Bobert-Stützel greift daher zunächst auf Bonhoeffers Aussagen zum Amt der Eltern zurück. Bonhoeffer weise, durch seinen Anschluss an Luther, eine Tendenz zu patriarchalen Aussagen auf. Die Eltern seien zur Erziehung göttlich bevollmächtigt, das Kind habe ihnen Gehorsam zu leisten. Ausgehend davon kritisiere Bonhoeffer die nationalsozialistische Entwertung elterlicher Autorität, verbunden mit dem Autoritätsanspruch von Staat und Jugendorganisationen. Die kirchlichen Lehrer hätten das Recht auf Gehorsam der Schüler, wenn auch in geringerem Maße als die Eltern. Die Autorität des kirchlichen Lehrers sei an die absolute Autorität des Wortes Gottes gebunden. Außerhalb seines Amtes stehe ihm keine höhere Autorität zu. In seinem Amt stellten sich in seiner Person zwei Seiten dar : das Wort Gottes und die zu Unterweisenden, mit denen er sich als Hörer der Verkündigung auf derselben Stufe befände. Die Solidarität mit den zu Unterweisenden in der Phase der Auflehnung bewirke Glaubwürdigkeit und eine neue Autorität des Lehrers. In der Didaktik habe Bonhoeffer bei der Leitgröße des Stoffes, dem Wort Gottes, angesetzt. Schon seit der Abfassung von ›Sanctorum Communio‹ habe er sich in seiner Theologie darauf ausgerichtet, wie christliche Glaubensinhalte sozial konkretisiert werden könnten. Ihn hätten die Überlegungen zum gesellschaftlichen und institutionellen Rahmen sowie die Rolle des Lehrers und die altersgerechte Vermittlung des Wortes an die Adressaten in der Didaktik beschäftigt. Im Kontext des Unterrichts habe für ihn die Gemeinde Christi gestanden, an der er auch die Lehrinhalte veranschaulicht habe. Bonhoeffer habe angestrebt, die verschiedenen Unterrichtsansätze innerhalb der Bekennenden Kirche zu vereinheitlichen.42 Er habe dies mit der langfristigen Verantwortlichkeit des kirchlichen Unterrichts begründet, dazu benötigten die kirchlichen Lehrer Zucht und die zu Unterweisenden eine Orientierung. Bobert-Stützel kommt im didaktischen Teil auch auf Bonhoeffers Konfirmandenunterrichtsplan und einzelne Unterrichtsskizzen zu sprechen. Eine besondere Rolle als didaktische Einflussgrößen und Unterrichtsstoff käme Gemeinde, Bibel und Bekenntnis zu. Auf ihrer Grundlage und mit der Gliederung des altkirchlichen Katechumenats habe Bonhoeffer seinen inhaltlichen Aufbau für die bekenntniskirchliche Unterweisung skizziert. Die Gemeinde befände sich im Mittelpunkt der ersten Stufe, sie führe zu den Dogmen und zum Glauben hin. Grund und Anfang der Unterweisung bildeten die in der Gemeinde menschgewordenen 42 Vgl. a.a.O., S. 337–341.

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Zur Forschungslage

Glaubenssätze. Bonhoeffer habe eine Gemeinde wie die Urgemeinde nicht mehr angetroffen, deswegen habe er sie durch Erzählungen zu vergegenwärtigen gesucht. Im Zentrum der Erzählungen habe der Gottesdienst gestanden. Schon im Konfirmandenunterricht am Wedding hätte Bonhoeffer den Unterricht auf dem Gemeindegedanken aufgebaut und diesen Ansatz im altkirchlichen Katechumenat wiederentdeckt. Bonhoeffer habe in der Ekklesiologie, die er in der Unterweisung vermittelte, die Betonung auf die Sichtbarkeit der Gemeinde gelegt. Der ersten Stufe schließe sich auf zweiter Ebene der dogmatische Unterricht als kognitive Einführung an. Bibel und Bekenntnis seien hier besonders hervorgehoben und bildeten die Grundlage für christliche Erkenntnis in Bezug auf die Gemeinde. Bonhoeffer habe in diesem Zusammenhang besonderen Wert auf die Verwendung der Lutherübersetzung gelegt. Bei den kirchlichen Bekenntnissen in der Katechese habe Bonhoeffer auf das Apostolikum, reformatorische Bekenntnisse, die Katechismen Luthers und die Theologische Erklärung von Barmen zurückgegriffen. Im Konfirmandenunterricht habe er den Schwerpunkt auf das Bekenntnis in seiner Zeit gelegt und damit an die Barmer Erklärung angeknüpft. Deshalb habe Bonhoeffer auch einen eigenen Katechismusentwurf verfasst. Im Unterricht müsse die christliche Tradition nicht nur weitergeführt, sondern auch in einen aktuellen Bezug gebracht werden. Bibel und Bekenntnis seien beide der Arkandisziplin der Bekennenden Kirche zuzuordnen. Dabei sei es Bonhoeffer nicht um Geheimhaltung, sondern um das alleinige Auslegungsrecht der Bekennenden Kirche für die öffentliche Verkündigung gegangen. Die dritte Stufe der christlichen Unterweisung habe die gemeinsame Praxis zum Ziel. Bonhoeffer gehe damit nach Bobert-Stützel über die reine Wissensvermittlung hinaus. Mitte des gemeinsamen brüderlichen Lebens sei der Gottesdienst. Bobert-Stützel vertritt die Ansicht, dass Bonhoeffer das brüderliche Leben in Modellform auf Freizeiten umgesetzt habe.43 Die Gruppe entwickle sich auf der dritten Stufe zur Gemeinde. In der Konfirmation lege der Einzelne das Bekenntnis ab, Christus in der Gemeinschaft der Bekennenden Kirche nachfolgen zu wollen. Die Konfirmation solle aber auf Freiwilligkeit beruhen und das Versprechen in einlösbarer Form formuliert und gegeben werden. Die methodischen Ausführungen Bonhoeffers in der Katechetik-Vorlesung beschränkten sich laut Bobert-Stützel auf die kognitive Vermittlung der christlichen Tradition. Wissen müsse vermittelt werden, das sei auch der Grund, warum Bonhoeffer die Arbeitsschulmethode abgelehnt habe. Ebenfalls abgelehnt habe Bonhoeffer apologetische Gespräche und ausformulierte FrageAntwort-Schemata, wie sie in seiner Studienzeit gefordert waren. Der Lehrer solle aber Fragen der Kinder zulassen und verarbeiten sowie Gespräche ab der Proteststufe einbauen. Ausgehend vom Begriff der ›Anknüpfung‹ habe Bon43 Vgl. a.a.O., S. 341–345.

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hoeffer die Methoden der ›Analogie‹ und des ›Skandalons‹ diskutiert und in der Tradition der Dialektischen Theologie das Skandalon befürwortet. Als Konsequenz habe er eine Ablösung der Formalstufen von Johannes Friedrich Herbart, Tuiskon Ziller und Wilhelm Rein durch die ›Theologischen Stufen‹ gefordert. Die vier ›Theologischen Stufen‹ seien folgende: Bericht des Skandalons, Opposition, Solidarität communio – pro nobis, Bekenntnis. Bonhoeffer habe sich bei den Stufen an Julius Schieder orientiert. In Stundenentwürfen zeige sich aber, dass Bonhoeffer sich nicht zum Sklaven seiner eigenen Theorie gemacht habe. Wesentliche Bestandteile der Unterrichtsstunden seien für Bonhoeffer Bibeltexte, Lieder, Veranschaulichungsmaterial und Bibelverse gewesen, die er von den zu Unterweisenden auswendig habe lernen lassen. Anschaulichkeit im Unterricht sei Bonhoeffer so wichtig gewesen, dass er in Arbeitskreisen in Finkenwalde die bildhafte Darbietung von Begriffen und Erzählungen einüben habe lassen. Darüber hinaus setzt sich Bobert-Stützel mit Bonhoeffers Katechismus aus Finkenwalde auseinander. Die Überschrift ›Konfirmandenunterrichtsplan‹, die Bonhoeffer selbst dem Katechismus gegeben habe, werfe die Frage nach dessen Gattung auf. Da die Hauptbestandteile eines Katechismus vorlägen, kann dieser Plan nach Bobert-Stützel als Katechismusentwurf bezeichnet werden.44 Sie weist dem Konfirmandenunterrichtsplan eine gewisse Ähnlichkeit in Struktur und Inhalt zum Heidelberger Katechismus und zu Luthers Katechismen nach. Bonhoeffer habe aber die Einleitung, in der er Fragen zur Heiligen Schrift, zu Bekenntnis und Konfirmandenunterricht gestellt habe, davon verschieden gestaltet. Das Vaterunser habe Bonhoeffer nicht kommentiert. Bobert-Stützel deutet dies als Hinweis auf Bonhoeffers Ehrfurcht vor dem Gebet. In seiner Auslegung des Dekalogs habe Bonhoeffer statt der traditionellen lutherischen Zählweise die reformierte eingesetzt. Im Teil zu den Sakramenten habe Bonhoeffer besonders die Beichte hervorgehoben und einen Abschnitt zur Konfirmation angeschlossen. Bonhoeffers erster Katechismusentwurf, zusammen mit Franz Hildebrandt 1931, sei für Bonhoeffer bedeutsamer als der Konfirmandenunterrichtsplan gewesen. Sie begründet dies mit dem Einsatz Bonhoeffers und Hildebrandts für eine Veröffentlichung und Verbreitung. Bonhoeffer habe durch seinen eigenen Katechismus einen Bruch mit der lutherischen Unterweisungstradition vollzogen. Für Bobert-Stützel ist es sehr unwahrscheinlich, dass der Katechismusentwurf im Unterricht selbst eingesetzt wurde. Wie sie aus Bonhoeffers Biografie folgert, habe Bonhoeffer in seinen Unterrichtsstunden Katechismusteile weder auswendig lernen lassen noch anderweitig eingesetzt. Es handle sich deshalb um einen Lesekatechismus, der sich in erster Linie an die Finkenwalder Kandidaten 44 Vgl. a.a.O., S. 346–349.

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gerichtet habe. Bonhoeffer habe ihn auf ihre Bitte hin und für ihren zukünftigen Gebrauch im Pfarramt formuliert. Bei dem Plan handle es sich also um eine Zusammenfassung christlichen Basiswissens, der durch seinen Gegenwartsbezug zu einem aktuellen Katechismus und kirchlichen Bekenntnis geworden sei. Theologisches Zentrum des Finkenwalder Katechismus sei die NachfolgeTheologie Bonhoeffers mit Kreuzesnachfolge, Mitleiden und den Verheißungen Christi. Die Gemeinde würde laut Bobert-Stützel durch ihr Bekenntnis zu Jesus Christus in die Diskussion um kirchenpolitische und gesellschaftliche Fragen ihrer Zeit gedrängt. Bobert-Stützel würdigt den zweiten Katechismusentwurf als »eines der wichtigsten Dokumente bekenntniskirchlicher Unterweisung«45. In einem Ausblick kommt Bobert-Stützel auf die gesamte Pastoraltheologie Bonhoeffers, aber auch auf die Katechetik zu sprechen. Sie betrachtet das Konzept Bonhoeffers vom Kirchenkampf aus und hebt als Stärke des Konzeptes dessen Einbettung in den Kontext hervor. Die Pastoraltheologie als solche habe in dieser Zeit nicht zu einem Rückzug aus der Welt geführt, sondern ihren Kampf an den kirchenpolitischen, theologischen und gesellschaftlichen Fronten geführt. Bonhoeffer habe sich aber nicht nur mit den Fragen seiner Zeit, sondern auch mit dem pastoraltheologischen Erbe auseinandergesetzt und dieses aktualisiert. Sie stellt bleibende Impulse Bonhoeffers für den heutigen Pfarrer und seine Arbeitsbereiche dar. Durch die Kontextualität des Bonhoeffer-Konzeptes dürften dessen Impulse, etwa aus der Nachfolge-Theologie und Spiritualität, nicht einfach kopiert werden, sondern müssten in den Kontext der Fragen der heutigen Zeit gestellt werden. Bonhoeffer selbst sei davon ausgegangen, dass sich der Stil, den seine Arbeit in Finkenwalde getragen habe, auch nach dem Zweiten Weltkrieg aufrechterhalten und ausbauen ließe. Albrecht Schönherr habe diesen Finkenwalder Stil nach dem Zweiten Weltkrieg im Predigerseminar Brandenburg weiterzuführen versucht, aber der Versuch sei gescheitert. Als Gründe gab Schönherr unter anderem veränderte Erwartungen der Kandidaten und die Verpflichtung zur Teilnahme am Seminar statt der Freiwilligkeit aus dem Bekenntnis heraus an. Dazu habe auch die Persönlichkeit und Autorität des Leiters, wie Bonhoeffer sie hatte, gefehlt. In Bezug auf die Katechetik bezeichnet Bobert-Stützel den Rückgriff Bonhoeffers auf den altkirchlichen Katechumenat als zukunftsweisend. Seine Überlegungen, die nicht dem Zeitgeist entsprochen hätten, hätten in der entchristlichten Gesellschaft seiner Zeit wieder an Aktualität gewonnen. Der Ansatz habe in der ehemaligen DDR seine Berechtigung gehabt und hätte diese auch heute in der zunehmenden gesellschaftlichen Säkularisierung. Allerdings müsse die Katechumenatsidee durch die Eingliederung anthropologischer, gesell-

45 A.a.O., S. 353.

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schaftlicher und globaler Sichtweisen selbst katechumenatskritisch werden, wenn sie in der Zukunft Bestand haben wolle.46

2.2.2 Reinhold Mokrosch: Bonhoeffer als Religionspädagoge? Mokrosch geht in seinem 2005 veröffentlichten Aufsatz ›Dietrich Bonhoeffer als Religionspädagoge?‹ der Frage nach, ob man Dietrich Bonhoeffer überhaupt als Religionspädagogen bezeichnen könne. Es gäbe keine Auseinandersetzungen von Bonhoeffer mit den führenden Religionspädagogen seiner Zeit, auch keine wissenschaftlichen Veröffentlichungen zu Katechetik und Religionspädagogik, abgesehen von einigen Randbemerkungen. Aber Bonhoeffer habe Vorstellungen von Unterricht gehabt und selbst gerne unterrichtet. Mokrosch gibt sich bei der Beantwortung der Frage unsicher. In seinem Aufsatz nimmt er eine Zweiteilung von Bonhoeffers Aktivitäten vor. Er betrachtet zunächst Bonhoeffers Katechese und Unterricht in den Jahren 1927–1933 und 1935 und setzt danach Bonhoeffers Vorlesung über Katechetik in Finkenwalde in Relation zu dessen katechetischer Praxis. Er greift aus Bonhoeffers Leben sechs Stationen katechetischer Praxis heraus: die katechetischen Entwürfe im praktisch-theologischen Seminar bei Mahling, das Vikariat in Barcelona mit Jugendarbeit, den ersten Katechismusentwurf von 1931, den Konfirmandenunterricht am Berliner Wedding, Bonhoeffers Arbeit als internationaler Jugendsekretär sowie die Kinder- und Jugendarbeit von 1933–1935 in London. Aus dem Seminar bei Friedrich Mahling führt Mokrosch kurz die Katechesen an, die Bonhoeffer in dieser Zeit erstellt hat, zitiert aber dann ausführlich das vernichtende Zeugnis des Berliner Konsistoriums über Bonhoeffers Examenskatechese.47 Er zeichnet Bonhoeffer als einen jungen Theologen mit einer großen Zuneigung zu Kindern und Jugendlichen und einer Leidenschaft, das Evangelium weiterzugeben. Auf der anderen Seite habe er nur mangelhafte religionsdidaktische und psychologische Kenntnisse gehabt und auf Didaktik und Methodik keinen Wert gelegt. Die befreiende und vergebende Botschaft des Evangeliums habe er im Gegensatz zur kindlichen und jugendlichen Psyche gesehen. Als Folge dessen sei es für Bonhoeffer nicht wichtig gewesen, nach Anknüpfungspunkten des Glaubens bei Kindern und Jugendlichen zu suchen. Mokrosch begründet dies, indem er Bonhoeffer der Dialektischen Theologie Karl Barths und der Dialektischen Seelsorge Eduard Thurneysens annähert und ihn von der Anknüpfungs-Theologie Emil Brunners und Friedrich Gogartens distanziert. Bonhoeffer habe sich nicht mit didaktischen Theorien und Modellen 46 Vgl. Bobert-Stützel (1995), S. 354–363. 47 Vgl. Mokrosch (2005), S. 277–280.

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auseinandergesetzt, ihm sei es vielmehr darum gegangen, Kinder und Jugendliche mit der Selbstaufopferung Gottes am Kreuz zu konfrontieren. Im Vikariat in Barcelona sei es Bonhoeffer in erster Linie wichtig gewesen, in christlicher Pionierarbeit die lutherisch-kirchliche Tradition in den Unterricht einzubringen. Mokrosch zieht diesen Schluss aus der Verwendung der Bilderbibel von Julius Schnorr von Carolsfeld und den Geschichten, die Bonhoeffer im Luthertext erzählt habe. Unterricht sei für Bonhoeffer kirchlich verantwortet gewesen, da Unterricht die Kinder in die kirchliche Tradition einbinden müsse und Gottes Wort als Wort der Kirche verkündige. Die Art und Weise, wie Bonhoeffer Unterricht praktiziert habe, sei im Stil der Evangelischen Unterweisung erfolgt, und zwar noch vor dem Erscheinen von Gerhard Bohnes grundlegendem Werk ›Das Wort Gottes und der Unterricht‹. Angedeutet habe sich die Position Bonhoeffers Mokrosch zufolge schon in der Dissertation ›Sanctorum Communio‹, in der Bonhoeffer einen entzweiten Menschen skizziere, der nur durch die Gemeinschaft der Kirche zu seiner Ganzheit zurückfinden könne. Bonhoeffer habe dieses Modell jedem christlichen Unterricht zugrunde gelegt und den Unterricht darauf angelegt, die Entzweiung des Menschen zu überwinden und ihn in die christliche Gemeinschaft einzubinden. Dies sieht Mokrosch als Grundlage für den Stil der Evangelischen Unterweisung, in deren Linien Bonhoeffer christlichen Unterricht gestaltet habe. Mokrosch kommt danach auf den Katechismusentwurf ›Glaubst du, so hast du‹ von Bonhoeffer und Hildebrandt zu sprechen. Auch dieser Katechismus sei lutherischen Ursprungs. Die Orientierung Bonhoeffers und Hildebrandts an den drei Artikeln des Apostolikums interpretiert Mokrosch als besondere Betonung der Dreieinigkeit. Ethik entstünde als natürliche Folge aus dem Glauben. Mokrosch erkennt in den Katechismus-Fragen eine pazifistische Stellungnahme Bonhoeffers zu aktuellen politischen Fragen seiner Zeit. Der Katechismus von 1936 greife diese Fragen noch radikaler auf. Bonhoeffer müsse eine deutliche Ahnung von bevorstehenden Zweiten Weltkrieg gehabt haben. Auf den zweiten Katechismus geht Mokrosch nicht näher ein, er hält ihn aus religionspädagogischer Sicht für ähnlich. Der nächste Abschnitt aus Bonhoeffers religionspädagogischer Praxis, mit dem Mokrosch sich auseinandersetzt, sind Bonhoeffers Tätigkeiten als Dozent, Studentenpfarrer, Konfirmandenpfarrer und Jugendstubenbetreiber in Berlin. Mokrosch beschreibt das Verhältnis, das Bonhoeffer zu den Konfirmanden der Zionsgemeinde gehabt habe, als »kameradschaftliches und seelsorgerliches Zusammenleben«48. Bonhoeffer habe ein hervorragendes Verhältnis zu Jugendlichen anderer Gesellschaftsschichten aufgebaut, aber auch hier keine ausdrückliche Methode oder Didaktik für gemeinsames Lernen entwickelt. Er habe 48 A.a.O., S. 280.

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sich darauf beschränkt, mit den Jugendlichen Kirche und Gemeinde zu leben und darauf vertraut, dass Gottes Wort den Jugendlichen zu dieser Gemeinschaft verhelfen würde. Er habe aber keinen Wert auf Anknüpfungspunkte zwischen Jugend und Evangelium gelegt. Mokrosch begründet diese Ansicht mit Bonhoeffers sechster These zur Jugendarbeit in der Kirche. Zusammengefasst bringt er Bonhoeffers Konzept für christlichen Unterricht auf die Nenner Verkündigung und Evangelische Unterweisung. Didaktik habe bei Bonhoeffer keine Rolle gespielt. Als Jugendsekretär des Internationalen christlich-ökumenischen Weltbundes habe Bonhoeffer die Absicht gehabt, ein Verständnis des Weltbundes als Kirche zu wecken. Auch hier habe er darauf vertraut, dass sich die Mitglieder einer Organisation von Gottes Wort berühren ließen. Er sei im weiteren Sinne davon überzeugt gewesen, dass sich als Folgen des christlichen Glaubens Versöhnung und Frieden verbreiten würden. Als letzten Untersuchungsgegenstand nimmt sich Mokrosch die Zeit Bonhoeffers als Pfarrer in London vor. In London habe Bonhoeffer noch einmal die Gelegenheit gehabt, Kinder- und Jugendarbeit nach seinem eigenen Ermessen zu gestalten, ohne eine Überwachung oder einen Eingriff von Seiten der Reichskirche oder Gestapo befürchten zu müssen. Und auch in der Londoner Zeit zeige sich Bonhoeffers Bestreben, mit den Kindern und Jugendlichen Gemeinde zu leben. Bekannt sei allerdings nicht, wie weit er sie in die Gemeindearbeit habe eingliedern können. In erster Linie habe Bonhoeffer sich an seinen ›Thesen zur Jugendarbeit in der Kirche‹ orientiert. Bei der Beantwortung der Frage, auf welcher Grundlage Bonhoeffer seine Religionspädagogik und Katechetik entworfen habe, kommt Mokrosch zum Schluss, dass die Grundlage in Bonhoeffers Faszination an der Wort-Gottes-Theologie Barths liege. Diese Theologie habe ihn zur Wort-Gottes-Katechetik der Bekennenden Kirche geführt. Mokrosch distanziert sich von der Annahme, dass Bonhoeffer durch seinen Kampf in der Bekennenden Kirche und gegen die Reichskirche zu einer Widerstandskatechetik gelangt sei. Vielmehr habe seine Theologie im Widerstand Einfluss auf seine Kinder- und Jugendarbeit gehabt. Die Analyse der Finkenwalder Vorlesung über Katechetik von 1935/36 teilt Mokrosch in sieben thematische Schwerpunkte ein.49 Im ersten Themenbereich geht Mokrosch auf das Verhältnis von christlichem Unterricht und Verkündigung bei Bonhoeffer ein: Erziehung und Unterricht bildeten den inneren Teil der Verkündigung. Ziel des Unterrichts sei es, Gottes Wort mit seinem Wesen der Liebe, Versöhnung und Gerechtigkeit zu verkündigen. Auch wenn die Verkündigung bei Konfirmanden und Schülern auf Widerstand und Ärger stöße, müsse ihnen die Botschaft der Versöhnung nahegebracht werden. Im Vergleich zu 49 Vgl. a.a.O., S. 284ff.

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Bonhoeffers bisheriger katechetischer Praxis sei dieser Ansatz wesentlich radikaler. Grund für Bonhoeffers radikales Verständnis von Unterricht sei sein wachsender Widerstand gegen die nationalsozialistische Erziehung. In Ansätzen sei seine Wort-Gottes-Katechetik allerdings schon in Barcelona, dem Konfirmandenunterricht am Wedding und in der Zeit als internationaler Jugendsekretär zu erkennen gewesen. Konsequent sei es deshalb von Bonhoeffer, den Unterricht auch in den Dienst der Verkündigung zu stellen, wie er es in der Vorlesung betone. Mokrosch widmet sich Bonhoeffers Unterrichtsbasis: der Ansprache des Schülers auf dessen Taufe hin. Das ›Ja‹ Gottes zum Menschen in der Taufe sei die Voraussetzung für das ›Ja‹ des Erziehers zu seinem Schüler, mit dem er ihm zugleich Gottes Zusage neu eröffne. Die Grundlage der Taufe habe bei Bonhoeffer selbst eine unendliche Geduld und Zuneigung gegenüber den schwierigen Konfirmanden am Wedding hervorgerufen. Mokrosch bezeichnet die Voraussetzung der Taufe und die darauf gründende Formung des Menschen als »christliche Prozess-Anthropologie«50. Als theoretische Fundierung, so meint Mokrosch, sei der Ansatz bei Bonhoeffer neu, allerdings habe er ihn in der Praxis schon vom Studium an implizit verfolgt. Die Prozess-Anthropologie sei auch schon in den Dissertations- und Habilitationsschriften ›Sanctorum Communio‹ und ›Akt und Sein‹ zu erkennen. Bonhoeffer habe sie dort in seiner Auseinandersetzung mit dem deutschen Idealismus entfaltet. Ein weiteres Merkmal des christlichen Unterrichts bei Bonhoeffer findet Mokrosch in der Aufforderung zur Nachfolge. Er zitiert dazu aus der Katechetik-Vorlesung: »Es gibt keine Erziehung ohne ernst genommene Nachfolge Christi«51. Er zieht für Bonhoeffers Verständnis von Nachfolge die Nachfolge-Vorlesung von 1936 beziehungsweise das dazu erschienene Buch von 1937 heran. Für Bonhoeffer sei es selbstverständlich gewesen, dass Glauben im Handeln gute Früchte bringe. Aktive Nachfolge sei daher für Bonhoeffer eine natürliche Folge des Glaubens gewesen, auch wenn er es nicht ausdrücklich betont habe. Bonhoeffers Unterrichtsmethode ›Anknüpfung durch Ärgernis‹ ordnet Mokrosch der Dialektischen Katechetik zu. Diese Methode, die das Evangelium als Skandalon betrachte und nach der der Erzieher das Ärgernis gezielt herbeiführen solle, stellt Mokrosch als Grund für die Ablehnung von anderen Methoden durch Bonhoeffer ab. Die Methoden der Reformpädagogik Georg Kerschensteiners, Otto Eberhards, Richard Kabischs sowie die Didaktik Julius Schieders habe Bonhoeffer abgelehnt. Zu Karl Barth und Eduard Thurneysen habe er dagegen seine Zuneigung behalten, welche ihn aber gleichzeitig daran

50 A.a.O., S. 287. 51 DBW 14, S. 533.

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gehindert habe, Religionsdidaktiker zu werden. Überraschend sei Bonhoeffers vehemente Ablehnung von Methodik und Didaktik. Bonhoeffers Äußerungen zur Psychologie des Kindes in der Vorlesung werden von Mokrosch stark kritisiert. Sie wirkten abstoßend und befänden sich nicht im Einklang mit seinen positiven Äußerungen über Kinder zu anderen Gelegenheiten. Mokrosch findet die Antwort in der Verführung der Kinder durch die nationalsozialistische Ideologie und dessen Führer- und Wotan-Kult, wie sie Bonhoeffer wohl erlebt habe. Ähnlich beurteilt Mokrosch die Äußerungen Bonhoeffers über den Jugendlichen in der Vorlesung über Katechetik. Zu beachten sei, dass Bonhoeffer in der Deutlichkeit seiner Äußerungen durch eventuelle Gestapo-Spitzel im Seminar möglicherweise eingeschränkt gewesen sei. Auch wenn die nationalsozialistische Erziehung Bonhoeffer in seiner Radikalität stark vorangetrieben habe, so bleibt für Mokrosch die Wort-GottesTheologie der primäre Einflussfaktor von Bonhoeffers Religionspädagogik beziehungsweise Katechetik. Der Vorlesungsabschnitt über den altkirchlichen Katechumenat verdeutliche nach Mokrosch die Bedeutung der Kirche für den christlichen Unterricht bei Bonhoeffer. Mit der Kirche stehe und falle der christliche Unterricht. In seinem Resümee bezeichnet Mokrosch Bonhoeffer als Religionspädagogen, nicht nach klassischer Auffassung, sondern im Rahmen seiner Zeit. Er habe sich nicht mit Erziehungsfragen, Didaktik und Methodik wissenschaftlich beschäftigt. Dazu habe ihm zu einer ernsten Auseinandersetzung mit den damals führenden Religionspädagogen die Zeit gefehlt. Er habe aber mit seinen Katechismen und der Katechetik auf den nationalsozialistischen Staat und seiner Gesellschaft reagiert. Mokrosch würdigt in diesem Rahmen Bonhoeffers Katechetik als große Leistung, für die heutige Situation sei sie aber nicht ergiebig.52

2.2.3 Andrew Root: Bonhoeffer as youth worker Roots Blick auf Bonhoeffers Leben und auf ausgewählte Teile seiner Theologie geschieht aus der Perspektive eines kirchlichen Jugendmitarbeiters heraus. Seine 2014 erschienene Monografie ›Bonhoeffer as Youth Worker. A theological Vision for Discipleship and Life Together‹ besteht aus zwei Teilen. In einem ersten ausführlicheren biografischen Teil arbeitet er Stationen aus Bonhoeffers Leben und deren Bedeutsamkeit für die kirchliche Jugendarbeit heraus. Gleichzeitig verfolgt er das Anliegen, aufzuzeigen, wie Bonhoeffers Jugendarbeit seine theologische Arbeit beeinflusste. Im zweiten Teil des Buches nimmt sich Root Bonhoeffers Schriften ›Nachfolge‹ und ›Gemeinsames Leben‹ an, aus denen 52 Vgl. Mokrosch (2005), S. 287–292.

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er einzelne Themen auswählt und diese mit der Realität kirchlicher Jugendarbeit konfrontiert. Roots selbst gewählte Beschränkung liegt in der Konzentration auf die Bonhoeffer-Biografien, bei denen er sich vor allem auf die Biografien von Eberhard Bethge und Ferdinand Schlingensiepen bezieht. Ein Rückgriff auf die englischsprachige Ausgabe ›Dietrich Bonhoeffer Works‹ erfolgt nur an einzelnen Stellen.53 Root geht von der zutreffenden Beobachtung aus, dass es nahezu keine Zeit in der Mitte von Bonhoeffers Leben gegeben habe, in der er nicht in der Kinderoder Jugendarbeit tätig gewesen sei. Bonhoeffers pastoraler Dienst von 1925– 1939 sei untrennbar mit Jugendarbeit verbunden gewesen. Dass Bonhoeffer nach 1939 keine Jugendarbeit mehr ausgeübt habe, habe nur daran gelegen, dass er keine Gelegenheiten mehr zum Pfarrdienst gehabt habe. Aber auch nach dieser Zeit habe Bonhoeffer noch den näheren Kontakt zu jungen Menschen gesucht, z. B. zu seinem Neffen Christopher.54 In der Bonhoeffer-Literatur entdeckt er das folgende Desiderat und schlussfolgert: »It seems, in fact, that most Bonhoeffer lovers (not to mention scholars) have forgotten or overlooked the amount and depth of youth ministry that encompassed his life and work. It may be even fair to say […] that a central way to understand Bonhoeffer is as a pastor to youth and/or as a talented thinker who constructed some of the most creative theological perspectives of the early twentieth century with young people on his mind. […] [Bonhoeffer] is just a theologian they [youth workers] like rather than a forefather to their very calling. This forefather may stand at the beginning of a slowly evolving movement in youth ministry itself.«55

Root sieht Bonhoeffer als gedanklichen Vorfahren [im Original: forefather] der in den USA nach dem Zweiten Weltkrieg begonnenen kirchlichen Jugendarbeit. Dem Vorwurf des Anachronismus und der Vereinnahmung Bonhoeffers begegnet er mit dem Verweis auf den zentralen Platz, den Bonhoeffer der kirchlichen Jugendarbeit eingeräumt habe. Bonhoeffer hätte sich allerdings gegen etliche Formen, die die kirchliche Jugendarbeit in den USA angenommen habe, gestellt. Hierzu gehöre die funktionalisierte Erfolgsorientierung der nordamerikanischen Jugendarbeit, welcher ein technologisches Verständnis zugrunde 53 Diese Beschränkung führt bei Root zu einer Verkürzung der Theologie Bonhoeffers, die beispielsweise dem erkenntnistheoretischen Anliegen von ›Akt und Sein‹ oder soteriologischen Gesichtspunkten des Stellvertretergedankens nicht gerecht wird. Hinzu kommen fehlerhafte Schreibweisen von Eigennamen, vgl. Root (2014), z. B. S. 21, 31, 38, 40, 89. Kleinere historische Ungenauigkeiten Roots betreffen den Widerstand von Julie Bonhoeffer gegen den Boykott jüdischer Geschäfte am 01. April 1933, vgl. a.a.O., S. 38, und die Herkunft von Bonhoeffers Konfirmanden aus Berlin-Mitte und Prenzlauer Berg, vgl. a.a.O., S. 97. 54 Vgl. a.a.O., S. 159f. 55 A.a.O., S. 3.

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liege. Das Anliegen Roots ist es, zu einer Wendung der kirchlichen Jugendarbeit weg von einem technologischen zu einem theologischen Verständnis beizutragen. Das bedeutet für ihn: »to see youth ministry as a locale to enounter the revelation of God next to the humanity of young people themselves.«56 Die theologische Hinwendung der Jugendarbeit sei nicht mit einer Hinwendung zur Theologie gleichzusetzen, da die Ausrichtung auf Lehre und Tradition die konkreten und gelebten Erfahrungen von Jugendlichen vernachlässige.57 Neben der Jugendbewegung und ihrer Gruppenbildung zeigt Root mehrere familiäre Einflussfaktoren auf Bonhoeffers Umgang mit jungen Menschen auf. Dazu gehören seine Stellung im Familiengefüge als Anführer der jüngeren Geschwister, der familiäre Zusammenhalt – vor allem mit der Zwillingsschwester Sabine – sowie die intellektuellen Gespräche mit der Aufmerksamkeit, die Bonhoeffer von seinen älteren Schwägern zuteil wurde. Der frühe Tod von Bonhoeffers Bruder Walter im Ersten Weltkrieg sieht Root als Parallele zu traumatischen Kindheitserlebnissen vieler anderer Jugendmitarbeiter. Mit seinem noch jungen Alter und seiner Begabung, schnell Beziehungen zu Kindern aufzubauen und mit diesen tiefe theologische Gedankengänge zu vollziehen, sei Bonhoeffer für die kirchliche Kinder- und Jugendarbeit gut geeignet gewesen. An der Begegnung von Bonhoeffer und Karl-Heinz Köttgen in Barcelona veranschaulicht Root, warum er Bonhoeffer als Vorfahre der theologischen Hinwendung in der Jugendarbeit verstehe: »Bonhoeffer helps us to see that a youth minister is not someone who heaves theology onto young people, getting them to know stuff, but is rather a minister of the gospel that stands near the concrete humanity of young people, sharing in their experience, helping them wrestle with God’s action in and through their concrete lives.«58

Den Erfolg Bonhoeffers bei seiner zunächst sehr undisziplinierten Konfirmandenklasse führt Root auf die Gelassenheit Bonhoeffers und seinen Einsatz von Geschichten im Konfirmandenunterricht zurück. Beide Elemente hätten Bonhoeffer als Grundlage für das Theologische gedient. Mit der Geschichtenerzählung sei eine Einladung an die Jungen ergangen, Zeit miteinander zu teilen und dabei dem lebendigen Christus zu begegnen. Diese Begegnungen hätten auch Bonhoeffers Christologie-Vorlesung nachhaltig beeinflusst und das gemeinschaftliche Leben in Finkenwalde vorbereitet.59 Ein eigenes Kapitel widmet Root Bonhoeffers ›Thesen zur Jugendarbeit in der Kirche‹, die Bonhoeffer zwischen 1932 und 1934 verfasste. In den Thesen zeige sich Bonhoeffers eigene theologische Verpflichtung der Jugendarbeit gegenüber. 56 57 58 59

A.a.O., S. 6. Vgl. a.a.O., S. 3–8. A.a.O., S. 71. Vgl. a.a.O., S. 99f. und 108.

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Dies nimmt Root als Anlass, seine eigene Beobachtung von Bonhoeffer als dem Vorfahren theologischer Hinwendung in der kirchlichen Jugendarbeit zu untermauern. Gleichzeitig beurteilt er aus diesem Blickwinkel die Geschichte der Jugendarbeit in Nordamerika nach dem Zweiten Weltkrieg kritisch. Der häufige Wunsch nach jungen Menschen in der Kirche, die mit ihrem Geist für die Wiederbelebung einer sterbenden Institution sorgen sollen, unterliege einem inhaltlichen und theologischen Trugschluss. Kirchliche Jugendarbeit, die die theologische Hinwendung vollziehe, solle ihre Praxis nicht auf die Anziehung des jugendlichen Geistes ausrichten, sondern diese gebrauchen, Jugendliche in die Gegenwart des lebendigen Gottes zu bringen. Mit der Jugendarbeit dürfe keine Separierung von der kirchlichen Gemeinschaft erfolgen, auch wenn man in der Jugendarbeit oft den Graben zwischen den Generationen vor Augen habe. Vielmehr sei Bonhoeffers Ansatz im Rahmen des Stellvertretungsgedankens, dass die Kirche die eschatologische Möglichkeit des Kindes annehme und als Gemeinde die Kinder wie eine Mutter trage. Deshalb benötige die Kirche keinen Problemlöser [im Original: technician], sondern einen Theologen, der die jungen Menschen in die Gegenwart des Geistes zieht, wo alle Unterschiede überbrückt werden. Während die ersten Thesen auf die Einheit ausgerichtet seien, an der die kirchliche Jugend ihren Anteil habe, gestehe Bonhoeffer in der letzten These jungen Menschen Auflehnung zu. Der Grund liege darin, dass er selbst es als notwendig empfunden habe, sich den Nazis und einer europäischen Kriegsstimmung zu widersetzen.60 Ungewöhnlich ist Roots Blick auf ›Nachfolge‹ und ›Gemeinsames Leben‹. Im Gegensatz zur üblichen Auffassung in der Jugendarbeit sieht Root die Themen der ›Nachfolge‹ als bedeutsam für junge Menschen und die Themen aus ›Gemeinsames Leben‹ als wichtig für den Jugendmitarbeiter und dessen berufliches Leben als Pastor an. Root überträgt Bonhoeffers Unterscheidung zwischen billiger und teurer Gnade auf die Gemeindearbeit. Billige Gnade sei vergleichbar mit einem Imitat, das mit dem Original nur noch die Idee gemeinsam habe. Die Ausrichtung an einer Idee führe zu einer Nachfolge, die nicht durch Gnade, sondern durch menschliche Anstrengung ausgeübt werden könne. Die Kirche werde zu einem Unternehmen, das sich Gedanken über den Verlust ihres Marktanteils mache und nach Wegen suche, für junge Menschen wieder attraktiv zu werden. In der kirchlichen Jugendarbeit führe das in die Versuchung, doktrinär zu werden oder zu Aktionismus, um die Attraktivität der Idee zu erhöhen. Die Glaubensweckung in der Jugendarbeit sei deshalb nicht so erfolgreich gewesen, da junge Menschen in der Verfolgung einer Idee zu sehr eingeengt worden seien. Die Verfolgung einer Idee ermögliche eine schnelle Hinwendung zu einer neuen Idee, was durch den postmodernen Dekonstruktivismus noch 60 Vgl. a.a.O., S. 117–136.

Ausgewählte Rezeptionen von Bonhoeffers gemeindepädagogischem Wirken

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verstärkt werde. Die teure Gnade ist mit der Nachfolge der Person Jesu Christi verbunden, die an den Menschen den Ruf zur Nachfolge ergehen lässt. Aus der Aussage Bonhoeffers, dass Nachfolge keine über die Person Jesu hinausgehenden Inhalte habe, leitet Root eine neue Aufgabe der Kirchengemeinschaft ab. Diese müsse den jungen Menschen in Liebe (erneut) bewusst machen, dass sie von Jesus in die Nachfolge gerufen seien. Gleichzeitig müsse man sie in den Herausforderungen der Nachfolge begleiten und ihre Sprachfähigkeit fördern, damit sie ihre Erfahrungen zum Ausdruck bringen können. Die Glaubensbildung benötige Personalität [im Original: personhood]. Dies verlange von der Kirche die Präsenz im Leben junger Menschen durch Freundschaft, Gebet und Zeugnis. Eine an der Nachfolge und dem Kreuz ausgerichtete Jugendarbeit konzentriere sich nicht auf die Stärke junger Menschen, sondern berücksichtige ihre Schwäche, in deren Nähe sich das Kreuz Christi befinde. In der Jugendarbeit müsse man jungen Menschen dabei behilflich sein, Jesus in seinem Leiden am Kreuz zu finden, wo er neues Leben gebe.61 Beim Schreiben von ›Gemeinsames Leben‹ sei Bonhoeffer nach Root nicht nur der Verlust der Finkenwalder Gemeinschaft präsent gewesen, sondern auch der Verlust der Gemeinschaft mit seiner Zwillingsschwester Sabine. Root hebt Bonhoeffers realistischen Blick auf die Gemeinschaft hervor, die nicht verklärt werden dürfe. Jugendmitarbeiter seien häufig von einem gemeinschaftlichen Idealismus befallen, der zur Frustration angesichts von vorhandenem Zwiespalt innerhalb der Kirche führe. Die kurzfristigen gemeinschaftlichen Höheflüge, die auf Freizeiten erreicht würden, führten zu einer Ablehnung der Gemeinschaftsrealität in der Kirche. Wenn Gemeinschaft der Beurteilung durch Gefühle unterliege, komme es nach Root leicht dazu, dass Jugendmitarbeiter und junge Menschen der Versuchung nach einem Ideal von Gemeinschaft erliegen. Ausgehend von Bonhoeffer müsse man Mentoren und Pfarrer dahingehend schulen, ihre Jugendmitarbeiter aufzufordern, sich der Realität des christlichen Gemeinschaftslebens zu stellen. Dies sei erforderlich, da wahre Gemeinschaft nach Bonhoeffer auf dem Wirken des Heiligen Geistes und nicht auf einer emotionalen Einschätzung beruhe. Der Beichte widmet Root trotz ihrer Bedeutsamkeit für Bonhoeffer in seinen Ausführungen nur wenige abschließende Zeilen. Interessant ist allerdings sein Verweis auf die Ergebnisse der Längsschnittstudie zu Jugend und Religion von Christian Smith, nach der nahezu alle befragten jungen Erwachsenen kein Bedauern über vergangene Entscheidungen oder Situationen zum Ausdruck bringen konnten. Auch bei ernsthaften Problemen führe eine umgangssprachlich sogenannte ›YOLO‹(you only live once)-Haltung dazu, dass diese nicht bereut würden und den Einzelnen von der Gemeinschaft entfernten. Deshalb sei die Beichte eine der bedeutsamsten Praktiken, an die man junge 61 Vgl. a.a.O., S. 171–190.

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Zur Forschungslage

Menschen heranführen könne. Selbst ohne eigene Erfahrungswerte empfiehlt Root die Einrichtung einer wöchentlichen Beichte in der Jugend als einen kühnen, aber zugleich bereichernden Schritt.62

2.3

Konsequenzen für das eigene Forschungsvorhaben

Die aufgeführten Arbeiten zeigen, dass nicht nur an Bonhoeffers Systematischer Theologie, sondern auch an seiner Praktischen Theologie und seinem gemeindepraktischen Engagement ein Forschungsinteresse besteht. Die Arbeiten von Bobert-Stützel, Mokrosch und Root unterliegen allerdings Beschränkungen, die einer inhaltlichen und perspektivischen Ergänzung bedürfen. Zur Schließung des vorliegenden Forschungsdesiderats verfolgt diese Arbeit das Anliegen, zu Erkenntnissen in den folgenden noch unbearbeiteten Bereichen zu gelangen: Bobert-Stützels Untersuchung zu Bonhoeffers Pastoraltheologie konzentriert sich auf das Finkenwalder Predigerseminar. Es ist davon auszugehen, dass die katechetischen Dokumente der Predigerausbildung in Finkenwalde und in den Sammelvikariaten den Abschluss eines Wegs markieren, dem über ein Jahrzehnt an Erkenntnissen und Erfahrungen Bonhoeffers in der kirchlichen Unterweisung vorangegangen sind. Diesen Weg gilt es zu veranschaulichen und Linien von Bonhoeffers Wirken in diesem Bereich aufzuzeigen, um die KatechetikVorlesung nicht isoliert und als reines Produkt des Kirchenkampfes anzusehen. Dazu soll untersucht werden, inwieweit vorherige Überlegungen und Praktiken Bonhoeffers in seine Predigerausbildung eingegangen sind und wo es angesichts neuer zeitgeschichtlicher Anforderungen zu einer veränderten katechetischen Ausrichtung Bonhoeffers kam. Mokrosch weist zutreffend darauf hin, dass Bonhoeffer nicht als Religionspädagoge im klassischen Sinn bezeichnet werden könne. Heute würde er dem Feld der Gemeindepädagogik zugeordnet werden, da Bonhoeffer kaum Religionsunterricht erteilte und sich vor allem in der kirchlichen Unterweisung engagierte. Bonhoeffers Fokus lag auf der Arbeit mit jungen Menschen, zudem beschränkte er sich nicht nur auf kircheninterne Kreise. Im Sinne eines umfassend verstandenen Gemeindepädagogikbegriffs soll Hinweisen auf das gemeindepädagogische Wirken Bonhoeffers unter anderen Altersgruppen und an den Rändern des kirchlichen Einflussbereiches nachgegangen werden. Den Arbeiten von Mokrosch und Root ist gemeinsam, dass sie zwar einen recht großen Zeitraum von Bonhoeffers Leben und Theologie abdecken, darin aber keine ausführliche Rekonstruktion von Bonhoeffers gemeindepädagogischem 62 Vgl. a.a.O., S. 191–208.

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Wirken erfolgt. Mokroschs spannender Beitrag liegt im Rahmen eines Aufsatzes bedauerlicherweise nur in komprimierter Form vor. Bei Root führt die schwerpunktmäßige Verwendung von Bonhoeffer-Biografien zu einer Verengung auf die bereits getroffene Vorauswahl der jeweiligen Biografien und damit zu ungenauen Ergebnissen bei der Darstellung von Bonhoeffers kirchlicher Jugendarbeit. Eine Aufgabe der vorliegenden Arbeit muss es folglich sein, wesentliche Stationen von Bonhoeffers gemeindepädagogischem Wirken unter vorrangiger Berücksichtigung von Primärquellen zu rekonstruieren. Roots Schlussfolgerung, dass Bonhoeffers Denken und Handeln in der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen einzigartig und bedeutsam für die nordamerikanische Jugendarbeit der Kirche sei, beruht auf seiner Einschätzung von Bonhoeffers Leben und Werk. Für eine solche Bewertung ist es allerdings erforderlich, Bonhoeffers christlichen Erziehungsbemühungen zeitgenössische Ansätze gegenüberzustellen. Auch liegt es im Interesse der Arbeit aufzuzeigen, ob es für die Gemeindepädagogik im deutschsprachigen Kontext andere Erkenntnisse als bei Root gibt. Die bereits angeführte Entdeckung einer Parallelität von Phasen im Leben Bonhoeffers, in denen sein gemeindepädagogisches Denken und Handeln von ekklesiologischen Betrachtungen begleitet wird, führt zur leitenden These dieser Arbeit. Wenn bei Bonhoeffer Theologie und Biografie in enger Verbindung stehen, wie es wiederholt in der Bonhoeffer-Forschung zum Ausdruck gebracht worden ist (siehe Kapitel 1), ist von Zusammenhängen zwischen seinem gemeindepädagogischen Wirken und seinem Kirchenverständnis auszugehen. Legt man als Vergleich ein Gemälde auf einer Leinwand zugrunde, das auf einem Keilrahmen befestigt wird, dann ergeben sich bestimmte Punkte, an denen Leinwand und Rahmen in enger Verbindung stehen. Die Arbeit geht davon aus, dass Bonhoeffers Ekklesiologie den Rahmen für sein Tun und Denken im gemeindepädagogischen Kontext bildet und es bestimmte Punkte gibt, an denen diese Bereiche ineinandergreifen. Diese Verbindungspunkte sollen als wesentlicher Bestandteil von Bonhoeffers Ansatz herausgearbeitet und veranschaulicht werden. Der ekklesiologische Rahmen ergänzt die bereits vorliegende Forschung um eine neue Perspektive auf das facettenreiche Bild von Bonhoeffers gemeindepädagogischem Denken und Handeln.

3

Stationen von Bonhoeffers gemeindepädagogischem Wirken

3.1

Erziehung und Einflüsse

3.1.1 Einflüsse des Elternhauses Um Dietrich Bonhoeffers Wirken als Gemeindepädagoge herauszuarbeiten, empfiehlt es sich, zuerst einen Blick auf die (religiöse) Erziehung innerhalb seiner eigenen Familie zu werfen. Bonhoeffers ganzes Leben zeichnete sich durch eine sehr enge Verbundenheit mit seiner Familie aus. Der starke Einfluss der Familie Bonhoeffer auf Dietrich Bonhoeffer wird von seiner Nichte, Renate Bethge, hervorgehoben. Sie verweist auf ähnliche Gedanken, Einstellungen und ähnliches Denken und Handeln zwischen Dietrich Bonhoeffer und der übrigen Familie.63 Bei allen wichtigen Entscheidungen holte er zunächst den Rat seiner Eltern ein.64 Bis zu seiner Verhaftung besaß er im Hause seiner Eltern ein eigenes Arbeitszimmer und verbrachte viel Zeit im Kreise der Familie. In den Zeiten räumlicher Trennung geben die vielen erhaltenen Briefwechsel Zeugnis von der engen Bindung an die Familie. Aus dem Gefängnis bezeugt Bonhoeffer, dass ihm sein Elternhaus zu einem »Teil des eigenen Selbst geworden«65 sei. Erziehungsfragen und die eigene Erziehung spielen auch im Briefwechsel zwischen Bonhoeffer und seiner Verlobten Maria von Wedemeyer eine Rolle. In einem vergleichenden Austausch über Erziehungsfragen stellt Bonhoeffer fest: »Die heutigen Menschen sind meist zu schwächlich, sie haben Angst, die Liebe ihrer Kinder zu verlieren, degradieren sich selbst zu Kameraden und Freunden ihrer Kinder und machen sich schließlich gerade dadurch ihnen entbehrlich. Mir ist diese Erzie63 Vgl. Bethge, Renate, Bonhoeffers Familie und ihre Bedeutung für seine Theologie. Beiträge zum Widerstand 1933–1945, Berlin 1987, S. 2. 64 Vgl. Bonhoeffer, Dietrich, Illegale Theologenausbildung: Sammelvikariate 1937–1940, hg. von: Dirk Schulz, DBW, Bd. 15, Gütersloh 1998a, S. 185. 65 DBW 8, S. 69.

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Stationen von Bonhoeffers gemeindepädagogischem Wirken

hung, die keine ist, greulich. Ich glaube, daß unsere Elternhäuser darin ähnliche Vorstellungen haben.«66

Welche genauen Vorstellungen in Bonhoeffers Elternhaus über Erziehung herrschten und wie diese zeitgeschichtlich zu beurteilen sind, soll im Folgenden dargestellt werden. Als Sohn von Karl Bonhoeffer, Professor der Psychiatrie, und Paula Bonhoeffer, eine der wenigen Frauen ihrer Zeit mit Lehrerinnen-Examen, wächst Dietrich Bonhoeffer in den gut situierten Verhältnissen des Bildungsbürgertums auf. Die Geburt des ältesten Bruders Karl-Friedrich ereignete sich im Jahr 1899, nach zehn Jahren erfolgte die Geburt der jüngsten Schwester Susanne 1909. Zeitgeschichtlich wuchsen die Bonhoeffer-Kinder in das ausgehende Deutsche Kaiserreich (1871–1918) hinein und erlebten als Jugendliche den Beginn der Weimarer Republik (1918–1933). In der Familie erlebten sie die – im Rückblick Dietrich Bonhoeffers fast zu starke – familiäre Geborgenheit inmitten von politischen und industriellen Umwälzungen und wurden mit den Werten ihres sozialen Milieus vertraut gemacht.67 Auffallend für diese Jahrzehnte ist die Geschlossenheit der sozialen Kreise, in denen man sich bewegte. Kinder und Jugendliche eines bestimmten Sozialmilieus erfuhren durchwegs eine ähnliche Erziehung. Gerade die bürgerliche Kultur erwies sich in ihren Merkmalen als konstant. Kontakte über die eigene Schicht hinaus waren für Bürgerkinder nur eingeschränkt möglich, etwa im Umgang mit Dienstboten, bei Begegnungen auf der Straße sowie beim Besuch der Volksschule und des kirchlichen Unterrichts. In einem bürgerlichen Haus übernahmen, neben den in erster Linie für die Erziehung verantwortlichen Eltern, auch weitere Personengruppen mehr oder weniger geplante Erziehungsaufgaben. Die Hauptaufgabe der Erziehung oblag der Mutter, nicht zuletzt bedingt durch das bürgerliche Rollenverständnis und der häufig beruflich bedingten Absenz des Vaters. Allerdings stand dem Vater in Erziehungsfragen das letzte Wort zu, was ihm aus kindlicher Perspektive eine große Macht verlieh.68 Daneben übernahmen in der Kernfamilie auch die älteren Geschwister Erziehungsaufgaben.69 Beinahe repräsentativ für einen bürgerlichen Haushalt war 66 Bonhoeffer, Dietrich, Brief vom 22. 01. 1944, in: Brautbriefe Zelle 92, hg. von: Ruth-Alice von Bismarck/Ulrich Kabitz, München 1992b, S. 125. 67 Vgl. Bethge, Eberhard, Dietrich Bonhoeffer. Eine Biographie, Gütersloh 52005, S. 41f. und 130. 68 Vgl. Ecarius, Jutta, Familienerziehung im historischen Wandel. Eine qualitative Studie über Erziehung und Erziehungsfragen von drei Generationen, Leske 2002, S. 188f. und 222 und vgl. Budde (1994), S. 12, 69f., 154 und 297–394. 69 Das ist vor allem in Familien mit großem Altersunterschied zwischen den Geschwistern, zum

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die Anzahl der Dienstboten, die für die vielfältigen Pflichten der Haushaltsführung eingesetzt wurden. Dazu kamen eventuell Kindermädchen und Hauslehrer hinzu, die die Zahl der erwachsenen Bezugspersonen eines Kindes erhöhte. Relevant für die bürgerliche Erziehung waren die Hausangestellten aus mehreren Gründen: Zum einen bildeten sich in der vorherrschenden häuslichen Hierarchie oft Solidargemeinschaften zwischen Bürgerkindern und Dienstboten heraus, zum anderen fanden bürgerliche Kinder bei den oft nur geringfügig älteren Dienstboten Spielkameraden, sofern es deren häusliche Pflichten und die knapp bemessene freie Zeit erlaubten. Die Zugehörigkeit zu einer anderen Schicht verbunden mit einem gewissen Erfahrungshunger übte einen besonderen Reiz aus. Mit zunehmendem Alter, steigendem Schichtbewusstsein, sich trennenden Lebenswegen und entsprechender elterlicher Einschränkung von gegenseitigen Kontakten entstand aber wieder eine zunehmende Separierung von bürgerlicher Kinderwelt und der Welt der Hausangestellten.70 Neu für die Gesellschaft der Jahrhundertwende war der Sprung vom ZweiGenerationen- zum Drei-Generationen-Haushalt. Aufgrund einer gestiegenen Lebenserwartung, einem vergleichsweise niedrigen Heiratsalter und dem Rückgang der Kindersterblichkeit konnten Kinder nun mehrheitlich ihre Großeltern erleben. Durch das Zusammenleben in einem Haushalt wurde den Großeltern die direkte Teilhabe an der Erziehung ihrer Enkel ermöglicht. Allerdings ergriffen die Großeltern nicht die Gelegenheit dazu, wie sich in einer Studie von Ecarius über die Familienerziehung zeigt. Die Anwesenheit der Großeltern im eigenen Haushalt wurde eher als alltäglich und mit einer emotionalen Bindung erlebt. Die Großeltern übernahmen keine Betreuungsaufgaben oder eine Förderung der Enkel in schulischen Fragen. Sie galten aber als Respektspersonen.71 Die Erziehung, die Kinder und Jugendliche im deutschen Kaiserreich und in der Zeit der Weimarer Republik in Familie und Schule erfuhren, besaß einen strengen Charakter und machte auch vor der Prügelstrafe nicht halt. Ecarius fasst die Erziehungswirklichkeit folgendermaßen zusammen: »Gehorsam ist einer der zentralen Inhalte der Erziehung, von der fast alle der um 1908–29 Geborenen berichten, wobei die Forderung nach Gehorsam mit verschiedenen Aspekten kombiniert wird. Hierzu zählen Pflichterfüllung, Ehrlichkeit, Pünktlichkeit und Wahrhaftigkeit.«72 Beispiel in Großfamilien, der Fall. Budde spricht in diesem Zusammenhang sogar von einem »Erzieher-Zögling-Verhältnis«, da die älteren Geschwister durch die Eltern bewusst in die Erziehung der jüngeren Geschwister mit eingebunden wurden. Budde (1994), S. 259 und 265. 70 Vgl. Budde (1994), S. 298–301. 71 Vgl. Ecarius (2002), S. 36f, 204f. und 222f., anders Budde (1994), S. 270f. 72 Ecarius (2002), S. 108.

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Der strenge Charakter der Erziehung spiegelte sich auch im Tagesablauf wider und ging einher mit Kontrolle und der Unumstößlichkeit aufgestellter elterlicher Regeln. Dennoch gab es in diesem hierarchisch strukturierten und überwachten Umfeld auch Freiräume ohne elterliche Überwachung. Die autoritäre Erziehung wurde von den Kindern weitestgehend positiv erlebt und später oft in ähnlicher Form praktiziert. Das bürgerliche Bildungs- und Leistungsethos machte einen wichtigen Bestandteil der Erziehung aus. Im Gegensatz zur Arbeiterklasse, für die Arbeit schon von klein auf mit einer existenziellen und beschwerlichen Dimension versehen war, kam es in den Bürgerhäusern eher zu einer Verklärung der Arbeit, die neben der materiellen Komponente auch den Zweck der persönlichen Erfüllung beinhaltete. Die Arbeit des Vaters, der von dieser völlig eingenommen und zur Abwesenheit außer Haus bestimmt war, erhielt einen geheimnisvollen und unnahbaren Charakter, der bis in das häusliche Arbeitszimmer des Vaters vordrang. Mit der Einschulung der Kinder wurde das bürgerliche Leistungsethos auf schulische Leistungen übertragen. Primär Jungen waren diesem Erwartungsdruck ausgesetzt. Mit diesem Leistungsethos verbunden war eine Haltung, die das Zeigen von Schwäche und Gefühlsäußerungen als unmännlich ablehnte.73 Gute Leistungen wurden von Kindern und Jugendlichen auch in kultureller Hinsicht erwartet. Kennzeichnend für die Erziehung in den bürgerlichen Häusern war die Wertschätzung von Musik, Literatur und Theater. Mit der Entdeckung der Kindheitsphase in der Moderne entwickelte sich ein eigener Markt der Kindheitsliteratur, wobei Kinder auch zunehmend Werke der Erwachsenenliteratur lasen. Üblich war neben dem gemeinsamen Lesen die Aufführung des Gelesenen. Als Hilfe diente ein Puppentheater, das sich in nahezu jedem bürgerlichen Kinderzimmer befand. Ähnlich waren die Aktivitäten in musikalischer Hinsicht: Zu regelmäßigen Musikabenden und häuslichen Konzerten wurden Verwandte und Bekannte eingeladen. Die meisten Kinder aus bürgerlichem Hause erlernten mindestens ein Musikinstrument, vorzugsweise das Klavier. Besondere Momente, bei denen die Familie als Gesamtes zusammenkam, stellten neben Familienabenden und Familienfeiern die gemeinsam eingenommenen Mahlzeiten dar. Weitere Möglichkeiten des familiären Beisammenseins fanden an den Wochenenden und in den Ferien statt und boten den Kindern die Chance, die väterliche Unnahbarkeit zu überwinden. Die Formen der väterlichen Zuneigung zeigten sich nicht nur, wenn der Vater als Vorleser oder Lehr73 Vgl. Budde (1994), S. 112–123 und 366f. Dass an diesem Erwartungsdruck Kinder und Jugendliche teilweise zerbrachen, zeigt eine Häufung von Schülerselbstmorden um die Jahrhundertwende. Ludwig Gurlitt nennt 165 Kinderselbstmorde, die innerhalb von 14 Jahren in Berlin bekannt geworden waren, vgl. Gurlitt, Ludwig, Erziehungslehre, Berlin 1909, ohne Seitenangabe.

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meister agierte, sondern auch wenn er Familienausflüge initiierte und leitete. Als häufige Ausflugsziele dienten nahegelegene Waldstücke, Parks sowie botanische und zoologische Gärten, für den Familienvater eine Gelegenheit, sein umfangreiches Wissen den Kindern in anschaulicher Weise weiterzugeben. In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts begannen bürgerliche Familien, Erholungsreisen durchzuführen. Als beliebte Urlaubsziele entwickelten sich Orte in Bayern, im Harz, im Thüringer Wald, im Sauerland sowie an der Nord- und Ostsee.74 Eine besondere Rolle in der bürgerlichen Familienerziehung nahm die Religiosität ein, die in selbstverständlicher Art und Weise Bestandteil des Alltags war. Trotz stark rückläufigem Kirchgangs und zunehmender kirchlicher Entfremdung, die unter allen Schichten vom Bürgertum angeführt wurde, flossen christliche Werte in die Erziehungsideale und die Erziehungswirklichkeit ein. Selbst wenn bürgerliche Eltern dem Gottesdienst fernblieben, so bezeichneten sie sich durchaus als gläubig, lasen ihren Kindern Geschichten aus der Bibel vor und brachten diesen Gebete, Gebote und Choräle bei.75 Trotz einer kirchlichen Entfremdung wurden Riten wie Taufe, Konfirmation und Kommunion für die eigenen Kinder als selbstverständlich erachtet. Prägend für manche Bürgerkinder war die Erfahrung von charismatischen Geistlichen, die die zu Hause vorgelebte kirchendistanzierte Haltung ins Wanken bringen konnte.76 Sabine Leibholz-Bonhoeffer, die Zwillingsschwester von Dietrich Bonhoeffer, berichtet im Rückblick über die Stellung des Vaters in der Familie und dessen Erziehungsstil: Für die Bonhoeffer-Kinder habe der Vater als oberste Autorität gegolten, der von der Familie mit großem Respekt behandelt worden sei. Dennoch habe Karl Bonhoeffer eine große Zurückhaltung ausgezeichnet: Sein Erziehungsstil sei behutsam gewesen, er habe darauf geachtet, die Kinder nicht zu sehr einzuengen und ihnen ihren Freiraum zu lassen. Er habe ihnen Zeit gelassen, in der er zusah und abwartete und sich zurückhielt, um nicht allzu starke Bindungen zu bewirken. Von seinem Naturell habe der Vater Distanz und Einfühlungsvermögen in sich vereinigt. Er habe nie Lautstärke benutzt, um einer Sache Nachdruck zu verleihen, sondern dies sei durch Akzente, die er setzte, erfolgt. Leibholz-Bonhoeffer schildert, wie der Vater in der Erziehung immer zuerst selbst ein Beispiel gegeben habe, indem er veranschaulichte, wie er selbst seinen Alltag lebte. Der Vater habe selbstbeherrschtes Handeln sehr hoch geschätzt, das mit Warmherzigkeit und Selbstlosigkeit geschehen sei, und sich für den Dienst am Schwächeren eingesetzt. Es sei beiden Elternteilen wichtig gewesen, dass die 74 Vgl. Budde (1994), S. 82–94 und 119–164. 75 Vgl. a.a.O., S. 391. 76 Vgl. Nipperdey, Thomas, Religion im Umbruch. Deutschland 1870–1918, München 1988, S. 118ff. und 397ff.

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Kinder Rücksichtnahme lernten. In seiner Zurückhaltung sei der Vater auch vor großen Worten und Geschwätz zurückgeschreckt. Er habe gehofft, dass seine Kinder später einmal Wichtiges von Unwichtigem trennen könnten. Diese Einstellung habe er an seine Kinder weitergegeben und dadurch erreicht, dass sie, als sie größer wurden, an der Verwendung solcher Worte ebenfalls nicht viel Freude empfunden hätten. Dietrich habe später Dankbarkeit für diese Fähigkeit empfunden. Die große Begabung von Karl Bonhoeffer sei sein Zeitmanagement gewesen, das ihm trotz vieler Verpflichtungen ermöglicht habe, die Mahlzeiten zu Hause einzunehmen. Die Kinder mussten sich beim Essen ruhig verhalten, wenn der Vater leise sprach. Nach Leibholz-Bonhoeffer hätten sie sich dadurch später die Fähigkeit des aufmerksamen Zuhörens angeeignet. Große Freude hätte der Vater an der Natur gehabt: Er habe Waldspaziergänge geliebt, zu denen er die Kinder mitnahm, und ihnen Unterricht über die verschiedenen Pflanzen erteilt.77 Diese Gelegenheit bot sich zum einen an Wochenenden, aber auch im häufig aufgesuchten Feriendomizil der Familie Bonhoeffer in Friedrichsbrunn im Harz, das Dietrich Bonhoeffer später auch für eigene Ausflüge, beispielsweise mit Konfirmanden, zur Verfügung gestellt wurde. In der väterlichen Erziehung wurde das bürgerliche Rollenverständnis sichtbar : Karl Bonhoeffer wohnte die Autorität des Hausvaters inne, wie es sich auch bei den gemeinsamen Mahlzeiten zeigte. Von dieser Autorität scheint er aber nicht in autoritärer Weise Gebrauch gemacht zu haben. Bei den Spaziergängen trat er bürgerlich-klassisch als Lehrmeister auf. Eine gewisse Unnahbarkeit mag zum einen in seinem persönlichen Naturell gelegen haben, auf der anderen Seite sicher auch dem männlichen Ideal von Zurückhaltung in emotionalen Dingen geschuldet gewesen sein. Erahnen lässt sich, dass in Bonhoeffers späterem Leben der selbstlose Dienst am Schwächeren, die Fähigkeit des aufmerksamen Zuhörens im Umgang und in der seelsorgerlichen Begleitung von jungen sowie erwachsenen Menschen ihre Wurzel in der Erziehung des Elternhauses hatten. Auch wenn die Eltern in der Erziehung zusammenstanden, so übte Paula Bonhoeffer die dominantere Rolle im Familienleben der Bonhoeffers aus und machte ihren Einfluss innerhalb und außerhalb der Familie geltend.78 Den ersten schulischen Unterricht erhielten Dietrich, seine Geschwister und die Kinder befreundeter Professoren von Paula Bonhoeffer. Schon als junges Mädchen hatte 77 Vgl. Leibholz, Sabine, Kindheit und Elternhaus, in: Begegnungen mit Dietrich Bonhoeffer. Ein Almanach, hg. von: Wolf-Dieter Zimmermann, München 21965, S. 14ff. 78 Vgl. Bonhoeffer, Dietrich, Fragmente aus Tegel, hg. von: Renate Bethge/Ilse Tödt, DBW, Bd. 7, Gütersloh 1994a, S. 228f.

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sie ein stark ausgeprägtes Interesse an Pädagogik gezeigt. Im Gegensatz zu den meisten Frauen ihres Bekanntenkreises, die ihre Hauptaufgabe in häuslichen und gesellschaftlichen Pflichten sahen, legte sie mit einer ungewöhnlichen Selbstständigkeit das Lehrerinnen-Examen ab. Sabine Leibholz-Bonhoeffer erinnert sich an ihre Mutter als ausgezeichnete und konsequente Pädagogin, die sich hervorragend in die kindliche Welt hineindenken und Probleme mit den Kindern gemeinsam lösen konnte.79 Sie unterrichtete mit großem Erfolg: Ihre Kinder konnten Klassen überspringen und das Abitur früher ablegen. Dass nicht nur die männlichen Bonhoeffer-Kinder ein Universitäts-Studium aufnahmen, lässt auf den Wert schließen, der einer geschlechtsunabhängigen Bildung beigemessen wurde. Auch mit dem Hausunterricht distanzierte sich Paula Bonhoeffer vom zeitgenössischen Unterricht. Mit ihrem sicheren Urteil und ihrer großen Fantasie gestaltete Paula Bonhoeffer den Unterricht auf sehr anregende Weise: Sie verstand, jede Aufgabe interessant zu gestalten und sie brachte ihren Kindern ohne Zuhilfenahme von Textbüchern eine große Menge an Versen, Liedern und Spielen bei. Da es im Haus in Breslau Platz genug gab, stand ihr für den Unterricht ein eigenes Schulzimmer mit Pulten, eine Bastelecke und ein Raum mit Käfigen für die verschiedensten Tiere und für Sammlungen von Käfern und Schmetterlingen zur Verfügung.80 Auch die religiöse Erziehung oblag in erster Linie ihr. Paula Bonhoeffer erlaubte sich, religiöse Gefühle zu haben, und brachte diese auch zum Ausdruck. Obwohl ihre Kinder später von Anderen unterrichtet wurden, behielt sie sich die Religionsstunden vor. Der den Kindern jeweils über drei Jahre lang erteilte Religionsunterricht war für die christliche, aber kirchenferne Familie ungewöhnlich.81 Im Religionsunterricht las oder erzählte sie biblische Geschichten, bei denen sie sich eng am Bibeltext orientierte. Als Illustrationshilfe verwendete sie die Bilderbibel von Schnorr von Carolsfeld, die Bonhoeffer später in der kirchlichen Arbeit mit Kindern selbst einsetzte. Bei einem Durchblick dieser Bilderbibel fällt die detaillierte Illustration biblischer Szenen auf. Die einzelnen Holzschnitte sind von Carolsfeld in ihrem Stil an die großen italienischen 79 Vgl. Leibholz-Bonhoeffer, Sabine, Vergangen, erlebt, überwunden, Gütersloh 61990, S. 17. 80 In der ersten Wohnung in der Brückenallee in Berlin konnte diese besondere Ausstattung für den häuslichen Unterricht aufgrund der Wohnungs- und Gartengröße wohl nicht aufrechterhalten werden, zudem wurden nun auch die Zwillinge eingeschult. Der Umzug in die Wangenheimstraße in Berlin 1916 wurde bestimmt von Erwägungen, wie die Kinder der Familie inmitten des Ersten Weltkriegs am besten ernährt werden konnten. Von daher werden gehaltene Ziegen und Hühner eher der Versorgung als dem Anschauungsunterricht gedient haben. Allerdings eröffnete der Garten trotz der mühsamen Bestellung auch neue Spielmöglichkeiten. Vgl. Bethge (2005), S. 35, 46, 51 und vgl. Bethge, Eberhard u. a., Dietrich Bonhoeffer. Sein Leben in Bildern und Texten, München 1986, S. 39. 81 Vgl. Schlingensiepen, Ferdinand, Dietrich Bonhoeffer 1906–1945. Eine Biographie, München 3 2006, S. 33.

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Meister Raphael und Michelangelo angelehnt.82 Unter jedem der über zweihundert Bilder befindet sich ein zugehöriger biblischer Vers. Die ›Bibel in Bildern‹ erfreute sich über fünfzig Jahre bis zu Beginn des 20. Jahrhunderts einer großen Bekanntheit und weiten Verbreitung, auch über den deutschen Sprachraum hinaus. Schnorr von Carolsfeld bezeichnet sie als die »Volksbilderbibel, […] für Schule und Haus, Alt und Jung, für jeden Stand, jede Konfession«83. Die christliche Erziehung der Kinder zeigte sich in verschiedenen Elementen, die den Tagesrhythmus beeinflussten. Das Tischgebet wurde von den Kindern selbst gesprochen. Das Zubettgehen wurde vom Vaterunser und einem Choral begleitet, was dazu führte, dass die Kinder im Laufe der Zeit eine Vielfalt an Liedversen auswendig kannten. An den Feiertagen wurden jährlich dieselben biblischen Kapitel gelesen: An Heiligabend las die Mutter die Weihnachtsgeschichte nach dem Lukas-Evangelium und am Silvesterabend den 90. Psalm vor. Bethge erwähnt, dass sich viele Züge der Mutter bei Dietrich Bonhoeffer wiederfinden ließen. Sabine Leibholz-Bonhoeffer bezeichnet das Talent, das Dietrich von seiner Mutter geerbt hatte, als Geselligkeit und Freude an Bewirtung und Behaglichkeit. Ein wichtiges Element der Erziehung im Hause Bonhoeffer war die Kunst, unbefangen vorzutragen. Alle Kinder erhielten eine literarische und musikalische Erziehung. Zu vielen Familienfesten und anderen Gelegenheiten spielten die Kinder Theater, musizierten und trugen Gedichte vor. Dazu lernten die Bonhoeffer-Kinder von klein auf, wie man Feste ohne großen Aufwand mit Darbietungen verschönern konnte.84 Diese Gabe sollte Bonhoeffer, wie sich noch zeigen wird, später in der kirchlichen Kinderarbeit zugutekommen. Die von Budde analysierte Verbundenheit der bürgerlichen Familie in Krisenzeiten85 lässt sich auch in der Familie Bonhoeffer erkennen: Am deutlichsten wird sie 1943 nach der Verhaftung von Dietrich Bonhoeffer und anderen Familienmitgliedern sichtbar. Es entwickelte sich eine rege schriftliche Korrespondenz, begleitet von unzähligen praktischen Hilfsbemühungen durch und für die Mitglieder der Familie Bonhoeffer in und außerhalb der Gefängnismauern. Diese Verbundenheit galt allerdings nicht nur für Krisenzeiten. Bonhoeffer holte die Unterstützung seiner Eltern, sei es in emotionaler, finanzieller oder praktischer Form, kontinuierlich ein. Die Eltern kümmerten sich während Bonhoeffers

82 Vgl. Bethge (2005), S. 59, und vgl. Schnorr von Carolsfeld, Julius, Die Bibel in Bildern, Nachdruck, Zürich 1972 [1860], S. IX. 83 A.a.O., ohne Seitenangabe. Nachwort. 84 Vgl. Bethge (2005), S. 24–60 und vgl. Leibholz (1965), S. 13 und 56. 85 Vgl. Budde (1994), S. 105f.

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Tätigkeit im Ausland beispielsweise um seine Berliner Studenten und erhielten Anfragen nach finanzieller Hilfe für Notleidende, denen Bonhoeffer begegnete.86 Die bisherigen Ergebnisse zeigen, dass viele Elemente der von Bonhoeffer erfahrenen Erziehung typisch für die Familien des Bildungsbürgertums seiner Zeit sind. Wie bereits erwähnt, blieb der erzieherische Einfluss im bürgerlichen Haushalt der Jahrhundertwende allerdings nicht auf die beiden Elternteile beschränkt. Geschwister und Verwandte, bei denen die Kinder eine bestimmte Zeit verbrachten, konnten ebenfalls Einfluss auf die Erziehung nehmen.87 Bei den Erziehungsbemühungen spielten auch die Dienstboten eine Rolle. Im folgenden Teil soll ein Schwerpunkt auf die Hausangestellten und Freunde der Familie gelegt werden, die Schwestern Käthe und Maria Horn, die Elemente der Herrnhuter Brüdergemeine in die Familie Bonhoeffer hinein brachten.

3.1.2 Der Herrnhuter Einfluss Die Familie Bonhoeffer gehörte zur preußischen Oberschicht, die ihre Kinder traditionsgemäß auf brüderische Schulen, also Schulen der Herrnhuter Brüdergemeine, schickte. Besonders beliebt unter den Internatsschulen der Brüderunität war Niesky. Eine Alternative dazu war die Anstellung von Haustöchtern, Kindergärtnerinnen oder Hauslehrern aus der Brüdergemeine. In Verbindung damit stand der Ruf brüderischer Familien für eine gute Schulbildung, für den Erwerb sozialer Kompetenz mit dem Aufwachsen in einer Gemeinschaft und für den Erhalt eines Weitblickes durch internationale Beziehungen der Herrnhuter Missionstradition. Daneben gehörte zum guten Ruf der brüderischen Familien eine solide evangelische Frömmigkeit, Bibelkenntnis und Bescheidenheit. Dietrich Bonhoeffers Onkel, Benedikt von Hase, war in Niesky in der Oberlausitz erzogen worden.88 Paula Bonhoeffer hatte ihre letzten Schuljahre in einem Internat der Brüdergemeine im schlesischen Gnadenberg verbracht. LeibholzBonhoeffer zufolge wurde sie mit fünfzehn Jahren aufgrund ihrer Wildheit 86 Vgl. Bonhoeffer, Dietrich, London 1933–1935, hg. von: Hans Godeking/Martin Heimbucher/ Hans-Walter Schleicher, Bd. 13, Gütersloh 1994c, S. 187 und vgl. beispielsweise DBW 10, S. 116f. 87 Auf eine Untersuchung des Einflusses, den die Großmutter Julie Bonhoeffer ausübte, bei der Dietrich während des Theologie-Studiums in Tübingen wohnte und die im Alter von 91 Jahren Teil des bonhoefferschen Haushalts in Berlin wurde, muss an dieser Stelle verzichtet werden. Dasselbe gilt für Bonhoeffers Position in der Geschwister-Konstellation sowie die durch die älteren Geschwister erfahrene Prägung. Vgl. hierzu Schlingensiepen (2006), S. 24f. und vgl. Bethge (2005), S. 31ff. und 40ff. 88 Vgl. Günther, Walter, Dietrich Bonhoeffer und die Brüdergemeine, in: Unitas Fratrum. Beiträge aus der Brüdergemeine, Bd. 4, Hamburg 1980, S. 62f.

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dorthin geschickt.89 So war Paula Bonhoeffer schon in ihrer Jugend der Brüdergemeine begegnet. Mit gemischten Gefühlen erinnert sie sich an die Zeit in Gnadau, wie sie Dietrich ins Gefängnis schrieb: »Daß Du an den Sonntagen wenigstens die Kirchenglocken hören kannst, freut mich sehr. Ich habe immer die Kirchenglocken von Gnadenberg, wo ich mir oft im Anfang auch wie ein gefangener Vogel vorkam, noch in besonderer Erinnerung. Wie dankbar müssen wir doch sein, daß uns allen so schöne Erinnerungen in schweren Zeiten zum Trost und zur Seite stehen – Erinnerungen, die uns vielleicht durch den Kontrast erst zeigen, wie gut es uns gegangen ist, und wir wollen uns nun auch in schwerer Zeit daran halten.«90

Trotz der zu Beginn gemischten Gefühle scheint Paula Bonhoeffer später die Erziehung nach Herrnhuter Maßstäben befürwortet zu haben, da von 1912 an zwei Schwestern aus der Brüdergemeine, Käthe und Maria Horn, in der Familie beschäftigt wurden. Käthe Horn unterrichtete in den ersten Jahren in Berlin die Bonhoeffer-Zwillinge. Später wurde sie Grundschullehrerin in Havanna, Kuba, wo Dietrich sie während seines Amerika-Aufenthaltes 1930 an Weihnachten besuchte.91 Maria Horn blieb bis zu ihrer Heirat 1923 im Hause Bonhoeffer. Auch nach dieser Zeit hielt sie engen Kontakt zur Familie Bonhoeffer. Die lebenslange Bindung zu Dietrich zeigt sich am Patenamt 1927 für ihre Tochter Inge sowie an den fortgeführten Briefwechseln bis 1944.92 Nach dem Tod ihres Mannes kehrte Maria Czeppan, geb. Horn, wieder in die Familie Bonhoeffer zurück. In einer persönlichen Mitteilung berichtet Sabine Leibholz-Bonhoeffer, dass Maria Czeppan die Eltern Bonhoeffer noch bis zu deren Tod gepflegt habe.93 ›Hörnchen‹, wie sie liebevoll genannt wurde, muss einen enormen Einfluss auf die Bonhoeffer-Kinder gehabt haben.94 Besonders Dietrich entwickelte ein sehr inniges Verhältnis zu ihr.95 Schlingensiepen sieht Dietrich Bonhoeffer und seine jüngeren Schwestern Sabine und Susanne als Teil einer Art religiöser Gemeinschaft, die der Familie allerdings nicht bekannt war. Maria Horn dürfte diese Art des Zusammenschlusses der Bonhoeffer-Kinder beeinflusst haben.96 Horn lebte ihren Glauben offen vor den Kindern. Dietrichs Zwillingsschwester Sabine berichtet von den vielen Gebeten, die sie vor den Kindern in 89 Vgl. DBW 7, S. 242, Anmerkung 147 und vgl. DBW 8, S. 115, Anmerkung 10. 90 A.a.O., S. 115. 91 Vgl. DBW 11, S. 48, Anmerkung 3 und vgl. Bonhoeffer, Dietrich, Jugend und Studium 1918– 1927, hg. von: Reinhart Staats u. a., DBW, Bd. 9, München 1986, S. 10f., Anmerkung 3 und S. 615. 92 Vgl. DBW 10, S. 43f. 93 Vgl. Günther (1980), S. 63. 94 Vgl. DBW 9, S. 10f., Anmerkung 3 und vgl. Günther (1980), S. 63. 95 Vgl. Leibholz (1965), S. 17. 96 Vgl. Schlingensiepen (2006), S. 25.

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einer Notsituation gesprochen habe.97 Bethge dagegen reduziert den Einfluss, den Horn in religiöser Sicht auf die Kinder hatte: Sie habe als Familienmitglied gegolten, wurde allerdings weniger aufgrund ihrer Frömmigkeit als wegen ihres Temperamentes geschätzt. Habe sie ihre Frömmigkeit zum Ausdruck gebracht, sei dies einfach ertragen worden.98 Auch wenn der Herrnhuter Einfluss in spiritueller Weise umstritten ist, so bewirkten Paula Bonhoeffer und Horn eine Vertrautheit der Bonhoeffer-Kinder mit dem Herrnhuter Liedgut. Abends nach dem Beten wurden diese Lieder gemeinsam gesungen.99 Durch das Studium setzte Bonhoeffer die Bekanntschaft mit Herrnhut bzw. den Herrnhuter Losungen fort.100 Das Herrnhuter Losungsbuch wurde im Hause Bonhoeffer allerdings nicht verwendet.101 Sein Verhältnis zu den Losungen intensivierte sich. In seiner 1939 erschienen Schrift ›Gemeinsames Leben‹ schildert er, dass »für alle, die sie [die Losungen] gebrauchen, bis zur Stunde ein wirklich großer Segen liegt«102. Sein Losungsbuch des Jahres 1944 hatte Bonhoeffer sogar mit Notizen versehen. Er berichtete aus dem Gefängnis, wie gut ihm die Losung vom 17. 03. 1944 getan habe, den zugehörigen Liedvers aus dem Gesangbuch der Herrnhuter Brüdergemeine versah er dagegen kritisch mit einem Fragezeichen.103 Die Herrnhuter Lieder waren später auch in Finkenwalde bekannt, wo sie gerne gesungen wurden. Besonders Teile aus dem Lied ›Sonne der Gerechtigkeit‹ von Christian David, dem Erbauer Herrnhuts, wurden von Bonhoeffer gerne zitiert. In ›Gemeinsames Leben‹ nennt er die Böhmischen Brüder als Beispiel für die von ihm vertretene Weise, den Morgen gemeinsam zu Gottes Lob zu beginnen.104 Die Aussagen Bonhoeffers über Nikolaus Ludwig Graf von Zinzendorf, Gründer der Herrnhuter Brüdergemeine, beschränken sich dagegen auf Andeutungen und sind teilweise sehr kritisch. Für einen Vortrag beschäftigte sich Bonhoeffer mit Zinzendorf, was ihm schwer zu schaffen machte. In einem Brief an Eberhard Bethge, der in Finkenwalde als Experte für 97 Vgl. Leibholz-Bonhoeffer (1990), S. 20f. 98 Vgl. Bethge (2005), S. 60. 99 Günther und die Herausgeber von DBW 7 sind sich einig, dass Bonhoeffer von der lebendigen Ewigkeitshoffnung der Herrnhuter Lieder geprägt worden sei, wie es sich auch in einer Ansprache Bonhoeffers für den Kindergottesdienst zum Totensonntag 1926 zeige, vgl. Günther (1980), S. 63 und vgl. DBW 7, S. 242, Anmerkung 147. 100 Günther gibt – allerdings ohne nähere Erläuterungen – die Vermutung wieder, dass Bonhoeffer das Losungsbuch seit seinem Studium benutzt habe, vgl. Günther (1980), S. 65. 101 Vgl. Bonhoeffer, Dietrich, Register und Ergänzungen, hg. von: Herbert Anzinger u. a., DBW, Bd. 17, Gütersloh 1999, S. 23 und vgl. Günther (1980), S. 65. 102 Bonhoeffer, Dietrich, Gemeinsames Leben. Das Gebetsbuch der Bibel, hg. von: Gerhard Müller/Albrecht Schönherr, DBW, Bd. 5, München 1987, S. 43. 103 Vgl. DBW 8, S. 15, 360 und ebd., Anmerkung 11. 104 Vgl. Bonhoeffer, Dietrich, Nachfolge, hg. von: Martin Kuske/Ilse Tödt, DBW, Bd. 4, Gütersloh 32002, S. 144f., Anmerkung 146 und vgl. DBW 5, S. 36.

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die Interpretation von Kirchenliedern galt,105 drückte er sein Entsetzen aus: »Was für ein modriger Untergrund dieser Frömmigkeit. Ich sage Dir, ich habe da Dinge gefunden, die mich fast genieren würde, dir wiederzusagen. Das alles in geistlichen Liedern«106. Einen Grund für diese Kritik an den Liedern, die Bonhoeffer doch von Kindheit an begleiteten, nennt er 1936 in einem Vortrag. Hier urteilte Bonhoeffer über Zinzendorf und Christian Fürchtegott Gellert: »Beide fromme Männer, weich bis zur Rührseligkeit. […] Beiden ist der Maßstab ihrer Frömmigkeit das eigene Herz. Zinzendorf sagt so oft: ›Es ist mir so‹ statt: ›Es steht geschrieben‹«107. Bonhoeffers hat wohl die Lieder Zinzendorfs vor der Bearbeitung durch Christian Gregor im Blick, die für Außenstehende mit ihrem Sprachstil, ihrem Verzicht auf Ästhetik und sowohl der gleichzeitigen Konfrontation als auch der Ansprache der Empfindungskraft des Menschen nur schwer zugänglich waren.108 Beim Urteil Bonhoeffers über den Frömmigkeitsstil Zinzendorfs muss zum einen die bereits angesprochene Erziehung im Hause Bonhoeffer berücksichtigt werden, zum anderen aber auch der Neuzugang Bonhoeffers zur Bibel. Günther führt noch einen anderen Grund für die Distanzierung Bonhoeffers von Zinzendorf an: Es gelte, die Situation des Nationalsozialismus zu bedenken, in der sich die Manipulierbarkeit des frommen Menschen gezeigt habe.109 Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Bonhoeffer zwar von Kindheit an mit Herrnhuter Frömmigkeit vertraut war, diese Frömmigkeit aber nicht dem Stil des Hauses Bonhoeffer entsprach. Er behielt sich einzelne Elemente der Herrnhuter Frömmigkeit bei, wie die Losungen und das Liedgut der Brüdergemeine, die er sehr zu schätzen wusste.

3.1.3 Erste Begegnungen mit Gemeindepädagogik An dieser Stelle muss zuerst auf das Verhältnis der Familie Bonhoeffer zur Kirche als primärem Ort gemeindepädagogischer Erfahrungen eingegangen werden. Zur eigenen Ortsgemeinde waren die Beziehungen der Familie gespalten: Laut Bethge pflegte die Familie Bonhoeffer ein »eigenes, von der Kirche nicht zu bevormundendes Verhältnis zum Dokument der Bibel wie zu kirchengeschicht105 106 107 108

Vgl. DBW 14, S. 209, Anmerkung 16. A.a.O., S. 210. A.a.O., S. 717. Vgl. Meyer, Dietrich, Zinzendorfs Anregungen und Bedeutungen für den Gemeindegesang, in: Ein Leben für die Kirche. Zinzendorf als Praktischer Theologe, hg. von: Peter Zimmerling, Göttingen 2008, S. 84. 109 Vgl. Günther (1980), S. 64.

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lichen Fakten und Traditionsstücken«110. Dieses Verhältnis beinhaltete keine praktizierte Teilnahme an kirchlichen Aktivitäten oder keine Inanspruchnahme kirchlicher Dienste.111 Fielen Amtshandlungen in der eigenen Familie an, so bemühte man nicht den Ortspfarrer, sondern zog die Geistlichen der Familie, den Großvater sowie später Paula Bonhoeffers Bruder, Hans von Hase, heran. An dieser Stelle ist anzumerken, dass diese Zeremonien bei den Bonhoeffer-Kindern großen Eindruck hinterließen: Es gibt mehrere Fotografien, auf denen die Geschwister ›Taufe spielen‹.112 Die Kinder wurden auch nicht zum Kindergottesdienst geschickt. Stattdessen trat Bonhoeffer im Sommer 1919 den Pfadfindern bei, die sich sonntags vormittags trafen. Das Interesse für die Pfadfinder ließ allerdings im Laufe des folgenden Jahres nach.113 Die Teilnahme an den sonntäglichen Aktivitäten der Pfadfinder wurde wohl im Zuge des Konfirmandenunterrichts durch den sonntäglichen Gottesdienstbesuch ersetzt, da Dietrich Bonhoeffer am 15. März 1921 in der Grunewaldkirche durch Pfarrer Hermann Priebe konfirmiert wurde. Auf seinem Konfirmationsschein befindet sich auf Griechisch der Vers aus Römer 1, 16: »Denn ich schäme mich des Evangeliums nicht; denn es ist eine Kraft Gottes zum Heil für jeden, der daran glaubt«114. Der Konfirmandenunterricht, den Bonhoeffer besuchte, stellte die erste Begegnung mit Gemeindepädagogik dar. Allerdings ist aus Bonhoeffers Konfirmandenzeit nur sehr wenig bekannt. Bethge berichtet, dass Paula Bonhoeffer immer wieder den Ernst des Konfirmandenunterrichts betont habe, im Gegensatz zu den kuriosen Erzählungen der Bonhoeffer-Geschwister über die erlebten Konfirmandenstunden.115 Es lassen sich ebenfalls kaum Aussagen darüber treffen, welche Prägung Dietrich Bonhoeffer in der Konfirmandenzeit durch Priebe im Hinblick auf den später selbst erteilten Konfirmandenunterricht erhielt. Ein Freund Bonhoeffers 110 Bethge (2005), S. 59. 111 Eine Aussage diesbezüglich kann bis zum Kirchenkampf getroffen werden. Im Kirchenkampf erstarkte auch bei den an kirchlichen Belangen weniger interessierten Familienmitgliedern ein Interesse an der Opposition durch die Bekennende Kirche. Neben Paula Bonhoeffer ließ sich das jüngste Kind der Familie Bonhoeffer, Susanne Dress, in die Liste der Bekenntnisgemeinden eintragen. Vgl. Smid, Marikje, Hans von Dohnanyi – Christine Bonhoeffer. Eine Ehe im Widerstand gegen Hitler, Gütersloh 2002, S. 169 und vgl. DBW 16, S. 75 und 142. 112 Vgl. Bethge, Eberhard u. a., Dietrich Bonhoeffer. Sein Leben in Bildern und Texten, München 1986, S. 30f. 113 Ein offensichtlicher Grund ist nach Bethge nicht ersichtlich, vgl. Bethge (2005), S. 56. Schlingensiepen sieht den Grund im Verlassen der Pfadfinder im vielen Marschieren und der neu gewonnenen Attraktivität des familiären Beisammenseins durch die Anschaffung eines Faltbootes, vgl. Schlingensiepen (2006), S. 32. 114 DBW 9, S. 31. 115 Vgl. Bethge (2005), S. 59.

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Stationen von Bonhoeffers gemeindepädagogischem Wirken

aus der Studien- und Assistentenzeit meint aber, sich an dessen Worte zu erinnern, dass Priebe auf ihn keinen geringen Einfluss ausgeübt habe. Bonhoeffers Cousin, Hans Christoph von Hase, der mehrmals mit ihm den Gottesdienst der Grunewaldkirche besuchte, erinnert sich dagegen, dass sie beide Pfarrer Priebe im Vergleich zu Pfarrer Karl Meumann nur wenig abgewinnen konnten. Dies habe an Priebes der Gemeinde angepassten Art gelegen, die aber nicht den inneren Menschen angesprochen habe. Bonhoeffer selbst erwähnt seinen Konfirmandenunterricht nur in zwei Briefen an seine Eltern im Zusammenhang mit einem Gedenkbuch, das die Grunewalder Gemeinde für die Gefallenen des Ersten Weltkrieges herauszugeben beabsichtigte, und zu dem auch ein Lebenslauf von Dietrichs Bruder Walter gehören sollte.116 Die Schwester Sabine schildert, dass Dietrich sich anscheinend sehr interessiert am Konfirmandenunterricht beteiligt, aber zu Hause kaum davon berichtet habe. Die Konfirmandenstunden seien ihr zufolge meistens mit einer Art Moraltheologie angefüllt gewesen. Die Zwillinge wurden getrennt unterrichtet, besuchten aber sonntags zusammen den Gottesdienst und besprachen auch die Predigt im Anschluss. Der Wunsch Bonhoeffers, Pfarrer zu werden, sei in der Konfirmandenzeit aufgekommen. In dieser Zeit habe er auch mit einem intensiven Lesen der Bibel begonnen.117

3.2

Engagement während des Studiums

3.2.1 Der Grunewalder Kindergottesdienst Nach den dargestellten Einflüssen auf Bonhoeffer sollen nun die Phasen seines ersten eigenständigen gemeindepädagogischen Wirkens dargestellt werden. Mit dem Engagement im Kindergottesdienst der Kirchengemeinde Berlin-Grunewald beginnt Bonhoeffers Aktivität in der kirchlichen Erziehung. Interessant ist, dass diese Phase zu den ersten Phasen in Bonhoeffer Leben zählt, in denen gemeindepädagogische Arbeit mit ekklesiologischen Überlegungen einhergeht. Parallel zur Aufnahme der Dissertation ›Sanctorum Communio‹ im Wintersemester 1925/1926 betreute er eine Kindergottesdienstgruppe an der Grunewaldkirche unter Leitung von Pfarrer Meumann.118 116 Vgl. DBW 10, S. 5ff. und vgl. DBW 9, S. 29f. 117 Vgl. Leibholz (1965), S. 24. Zimmerling setzt Bonhoeffers Berufswunsch des Pfarrers bereits in der frühen Kindheit an. Er begründet das mit dem Berufungsbewusstsein Bonhoeffers und seiner frühen Auseinandersetzung mit dem Tod infolge der familiären Verluste im Ersten Weltkrieg. Vgl. Zimmerling (2006), S. 25ff. 118 Vgl. Zimmermann, Wolf-Dieter, Berliner Jahre, in: Begegnungen mit Dietrich Bonhoeffer. Ein Almanach, hg. von: Wolf-Dieter Zimmermann, München 21965, S. 123.

Engagement während des Studiums

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Mit Aufnahme des Vikariats in Barcelona endete diese Tätigkeit. Die Grunewaldkirche und Meumann waren Bonhoeffer aus seinem eigenen Konfirmandenunterricht bekannt, eventuell rühren aus dieser Zeit Bemühungen für seine Beteiligung am Kindergottesdienst her. Andererseits könnten auch Erfordernisse im Rahmen des Studiums oder Überlegungen in Bezug auf eine spätere Betätigung als Pfarrer in der Gemeindearbeit für die Mitarbeit im Kindergottesdienst sprechen. Dass neben eventuell äußerlichen Erfordernissen auch eine innere Motivation Bonhoeffers vorlag, lässt sich aus der Bescheinigung für das erste theologische Examen schließen, der zufolge Bonhoeffer zwei Jahre lang »mit großer Treue und Hingebung«119 Helfer- und Leitungsdienste im Kindergottesdienst übernommen habe. Hinzu kam seine natürliche Begeisterung und Begabung im Umgang mit Kindern. Bonhoeffer widmete der Vorbereitung und der Gemeinschaft mit den Jungen trotz seiner vielfältigen Verpflichtungen für Studium und Dissertation viel Zeit. Er tat dies weit über das Minimum, das die kirchlichen Vorschriften erforderten: Er nahm am Vorbereitungskreis teil, übernahm jeden Sonntag eine Kinderkatechese und lud zusätzlich die Kinder zu Spielen und Ausflügen ein. Dass auf diesen Ausflügen viele persönliche und ernste Gespräche stattfanden, zeigt der folgende Auszug aus einer Ansprache: »Auf demselben Ausflug, auf dem wir uns miteinander darüber unterhielten, was denn eigentlich mit dem heiligen Geist sei, sprachen wir noch über etwas anderes. Wir sprachen vom Weltuntergang und von den Menschen, die nichts tun als ins Kino und in Tanzlokale zu gehen und dann erzähltet ihr von den Indern und der Seelenwanderung.«120

Diese Worte veranschaulichen die Breite der Inhalte, die das Gespräch zwischen Bonhoeffer und den Kindergottesdienstkindern bestimmte und zeigen auf, dass beide Seiten die Möglichkeit zu einem Gespräch rege nutzten. Unterstützung holte sich Bonhoeffer von seiner jüngsten Schwester Susanne. Trotz seines Engagements und seiner Beliebtheit bei den Kindern muss er Schwierigkeiten im Kindergottesdienst gehabt haben, vielleicht auch gerade wegen seiner Beliebtheit:121 Mit Beginn der Kindergottesdiensttätigkeit nahm er einen Briefwechsel mit dem Kommilitonen Richard Widmann auf. Bonhoeffers Briefe existieren nicht mehr, die Antwortbriefe Widmanns sind erhalten geblieben. Bonhoeffer muss viele Fragen, die die Arbeit im Kindergottesdienst und den Umgang mit den Kindern betrafen, gestellt haben. Gerade sein Erfolg bei Kindern schien ihn verunsichert zu haben. Widmann versicherte ihm, dass die Zeit selbst ungesunden Erfolg offenbaren würde. Er riet ihm aber auch, keine 119 DBW 9, S. 179. 120 A.a.O., S. 555, Anmerkung 15. 121 Vgl. a.a.O., S. 166 und vgl. Bethge (2005), S. 123.

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Stationen von Bonhoeffers gemeindepädagogischem Wirken

Kinder aus einer anderen Gruppe aufzunehmen, die in seine offenbar attraktivere Gruppe wechseln wollten. Er solle seine Person hinter der Sache des Kindergottesdienstes zurückstellen. Widmann betonte zudem, dass man mit Kindern über alles reden könne und schlug Bonhoeffer die Lektüre von Fjodor Dostojewskij vor: Starez Sossimas Reden in ›Die Brüder Karamasow‹ und die Bekenntnisse des Fürsten Myschkin über dessen Erfahrungen mit Kindern in ›Der Idiot‹. Widmann spielt mit seinen Literaturempfehlungen in ›Die Brüder Karamasow‹ wohl auf die letzte Rede des im Sterben liegenden Mönchs und Starez’ Sossima an, welche das Verhalten gegenüber Kindern zum Gegenstand hat. Sossima fordert auf, die Kinder über alles zu lieben, da sie noch keine Sünde kennen würden und ihre Aufgabe darin bestünde, die Herzen der Menschen um sie herum zu verbessern. Die Liebe zu den Kindern zeige sich im liebevollen Umgang mit ihnen, wozu auch das Beschenken gehöre. Er ruft dazu auf, sich des eigenen Verhaltens Kindern gegenüber bewusst zu werden, um diesen kein schlechtes Vorbild zu sein. Zum richtigen Verhalten gehöre ausdauernde Liebe, da sich echte Liebe nur in ihrer Beständigkeit erweise. Die Verbesserung des eigenen Wesens sei für die Kinder und die Tiere, mit denen man zu tun habe, eine wesentliche Erleichterung. Eine Fröhlichkeit zu erlangen, wie Kinder sie besitzen, sei ein erstrebenswertes Ziel.122 Im Buch ›Der Idiot‹ berichtet Fürst Myschkin von den Jahren, die er in einem Schweizer Dorf verbrachte, und in denen er ein sehr enges Verhältnis zu Kindern entwickelt habe. Sie hätten ihre Zeit nicht mehr ohne den Fürsten verbringen wollen und dieser habe sich im Dorf dadurch viele Feinde verschafft. Der Fürst verweist darauf, dass man mit Kindern über alles reden könne, und dass es falsch sei, ihnen aufgrund ihres Alters Dinge vorzuenthalten. Kinder seien verständig genug, in schwierigen Angelegenheiten Rat zu geben, und man könne die Kinder nichts lehren, sondern eher von ihnen lernen. Die Kinder hätten darüber hinaus alles verstanden, was Myschkin ihnen beibrachte, während der Dorfschullehrer nur wenig Erfolg gehabt habe. Er habe die Kinder wie Erwachsene behandelt und nichts vor ihnen geheim gehalten. Er sei davon ausgegangen, dass die Kinder alles, was er ihnen vorenthielt, auf eine andere, für sie wesentlich unangenehmere Art und Weise erfahren würden.123 Beide Literaturstellen aus den Romanen Dostojewskijs bringen die Hochachtung vor Kindern zum Ausdruck. Sie ist begründet sowohl im Versuch der Erhaltung des reinen kindlichen Wesens als auch in der Aufgabe des Kindes, seine Umwelt positiv zu verändern. Der Aufforderung zu liebevollem Verhalten gegenüber Kindern verleiht Dostojewskij einen gewissen Ernst, da sie Sossima 122 Vgl. Dostojewskij, Fjodor, Die Brüder Karamasow, Zürich 2003, S. 513–517. 123 Vgl. Dostojewskij, Fjodor, Der Idiot, München 1980, S. 90–101.

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als religiöser Autoritätsperson in einem bedeutsamen Moment seines Lebensendes in den Mund gelegt wird. Dennoch kann man sich des Eindrucks einer gewissen Verklärung des Kindes nicht erwehren. Das kindliche Wesen wird idealisiert, dessen Reinheit es zu erhalten und zu nutzen gilt. Diese Idealisierung des kindlichen Wesens findet sich auch im Buch ›Der Idiot‹. Aus seinen Literaturempfehlungen lässt sich schließen, dass Widmann in erster Linie Bonhoeffer dazu ermutigen wollte, die Befürchtungen, die aus seinem Umgang mit Kindern resultierten, den Kindern selbst mitzuteilen. Das soll mit Liebe und im Sinne einer Vorbildfunktion geschehen, indem man auch bei Schwierigkeiten mit ausdauernder Liebe auftritt. Vermutlich folgte Bonhoeffer dem Vorschlag, sich mit Dostojewskijs Werk zu befassen, wenn er sich nicht schon von sich aus mit ihm beschäftigt hatte: Im Dezember 1928 und zu anderen Gelegenheiten zitiert Bonhoeffer aus Dostojewskijs Werk ›Die Brüder Karamasow‹ und greift den Umgang des ›Idioten‹ mit Kindern in seiner ChristologieVorlesung im Sommersemester 1933 auf.124 Zum Teil ähnelt der Umgang Bonhoeffers mit Kindern dem Umgang, wie er vom Starez Sossima gefordert wird: Bonhoeffer bemühte sich beständig, für die Kinder da zu sein, und er beschenkte sie auch gerne. Auch zum Fürsten Myschkin gibt es Parallelen: Bonhoeffer scharte die Kinder und Jugendlichen um sich, welche ihn zu jeder Zeit gerne besuchten. Er nahm sie als Gesprächspartner und in religiöser Hinsicht ernst. Er scheute sich nicht, mit ihnen auch über ernste und nicht leicht verständliche Themen zu sprechen.125 Inwieweit und mit welchen inhaltlichen und methodischen Merkmalen er dies in kindgerechter Weise vollbrachte, soll im nächsten Abschnitt anhand seiner Ansprachen untersucht werden.

3.2.2 Entwürfe für den Kindergottesdienst Die erhaltenen Ansprachen der Jahre 1925–1927 lassen sich in Entwürfe für den Kindergottesdienst und Katechesen für die Katechetischen Seminare im Sommersemester 1926 und 1927 unterscheiden. Gegenstand dieses Abschnittes sind die Entwürfe für den Kindergottesdienst. Der Zeit von Bonhoeffers Teilnahme an Mahlings Katechetischen Seminaren werden dagegen die Entwürfe über den Dekalog, über das erste Gebot, über Mt 21, 28–31 und Mt 6, 28 zugeordnet.126 124 Vgl. DBW 10, S. 311, Anmerkung 17 und DBW 12, S. 287. 125 Vgl. Bethge (2005), S. 123 und vgl. DBW 9, S. 550. 126 Die Zuordnung der angeführten Ansprachen zu den frühen Ansprachen erfolgt aufgrund ihrer sorgfältigen Abfassung, der inhaltlichen Parallele von Forderungen Gottes sowie dem Auftauchen von eigenen Kindheitserinnerungen und Beispielerzählungen. Darüber hinaus erkennen die Herausgeber von DBW 9 auch den Einfluss der Luther-Interpretation Karl

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Stationen von Bonhoeffers gemeindepädagogischem Wirken

Entwurf über den Dekalog Auffällig an diesem Entwurf127 ist eine Begeisterung und Lebendigkeit, die aus dem Entwurf spricht. Deutlich wird sie in einer flüssigen und veranschaulichenden Darstellung, in der viele Beispiele verwendet werden, die Bonhoeffer ausmalt und emotional besetzt. Bonhoeffer beginnt seine Ansprache über den Dekalog mit einer Anknüpfung an die Erlebniswelt der Kinder. Ausgehend von der Frage nach Ferien und Schule entfaltet er die Begriffe Freiheit und Zwang. Die Fragen an die Kinder sind ausformuliert, mögliche Antworten dagegen nicht, obwohl er diese in seinen Ausführungen berücksichtigt. Bonhoeffer arbeitet durchgehend mit Beispielen und Vergleichen, aus denen er die ›Lehren‹, die er den Kindern mitgeben möchte, zieht. Diese Lehren beziehen sich nicht nur auf christliche Inhalte, sondern auch auf allgemeine Lebensinhalte wie Arbeit, Schule und Familie. Hier sticht eine positive Sichtweise Bonhoeffers ins Auge, wenn er das Erleben von Zwang entfaltet. »Zwang merkt man nur, wenn man ungern tut, wozu man gezwungen wird.«128 Dieses Erleben ist nicht nur dem Tier eigen, sondern auch dem Menschen. Für die menschlichen Zwänge führt Bonhoeffer den Begriff der Pflicht ein und zeigt am allgemeinen menschlichen Erleben eine positive Haltung gegenüber den eigenen Pflichten auf: »Was wird denn nun vernünftigerweise ein Mensch machen, der weiß, daß er nun mal zu vielen Dingen gezwungen ist, und das seid ihr so viel wie nur alle andern. Er wird versuchen, sich nicht darüber zu ärgern und aufzuregen, sondern es möglichst gerne zu tun.«129

Kindgemäß ist aus didaktischer Perspektive, wie Bonhoeffer vom kindlichen Pflichterleben zur Pflicht gegenüber Gott überleitet und eine positive Grundstimmung gegenüber den menschlichen Pflichten schafft. Er tut dies mit dem Bild eines Hauses für die Menschheit, dem Gott vorsteht, und entfaltet die Heilsgeschichte. Dabei scheint er vorauszusetzen, dass die Kinder die biblischen Geschichten von Schöpfung und Vertreibung aus dem Paradies, Kains Brudermord und die Geschichte der Arche Noah kennen. Diese werden nur in Anspielungen in die Haus-Metapher eingebaut. Ähnliches gilt für Bibelverse und Kirchenlieder, welche ohne besondere Kenntlichmachung in Auszügen zitiert werden. Bonhoeffer nimmt auf den Dekalog als Teil der Heilsgeschichte Bezug und integriert ihn in die Haus-Metapher. Auch hier nimmt er eine starke Vereinfachung in theologischer Hinsicht vor, indem er das Scheitern des Dekalogs Holls, die 1925 für Bonhoeffer bedeutsam geworden war. Vgl. DBW 9, S. 636f. Diese zeitliche Zuordnung der Ansprachen wird auch diesem Abschnitt zugrunde gelegt. 127 A.a.O., S. 491–497. 128 A.a.O., S. 492. 129 Ebd.

Engagement während des Studiums

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in der Lebens- und Glaubenspraxis des Volkes Israel mit einem negativen Pflichterleben und dem Fehlen von Liebe erklärt. Bonhoeffer spannt unmittelbar den Bogen zum Kreuzestod Christi und führt damit die Heilsgeschichte fort. Die Ansprache mündet in der Geschichte vom König und seinem Schloss, einer Verfremdung der biblischen Geschichte vom ›Verlorenen Sohn‹, aus der Bonhoeffer aber nur einzelne Elemente aufgreift. Mit dem König, der seine entlaufenen Kinder zurück zu sich ins Schloss bringen lässt, beendet Bonhoeffer das Bild des Vaterhauses und gibt einen eschatologischen Ausblick: »Dort aber in der Heimat, dort ist alles Liebe, dort gibt es keinen Zwang mehr, kein böses Gesetz, da tut man ja alles ganz von selbst, ganz frei von sich, dort ist man ja Kind im Haus. Aber wir sind noch nicht da.«130 Thematisch kommt der Dekalog in der Ansprache zu kurz, die Ansprache stellt vielmehr einen Überblick über die Heilsgeschichte dar. Vermutlich war sie auch ursprünglich als solche beabsichtigt und eine Betitelung wurde erst später hinzugefügt.131 Ansprache über das erste Gebot Auf der ersten Seite des Entwurfes132 befindet sich ein handschriftlicher Vermerk Bonhoeffers, der vermutlich auf zugehörige Lieder verweist.133 Die Herausgeber von DBW 9 beziehen diese Lieder auf das Evangelische Gesangbuch Brandenburgs von 1884. Sie verweisen an dieser Stelle auf zwei Lieder Martin Luthers. Gestützt wird diese Annahme durch den thematischen Zusammenhang zu Luthers Lied ›Ein feste Burg ist unser Gott‹. Allerdings bereitet die dazugehörige Versangabe Probleme. Fraglich ist, warum Bonhoeffer im Kindergottesdienst nicht eher ein Kindergesangbuch einsetzen sollte. Zaulecks Gesangbuch wurde bereits an anderer Stelle von Bonhoeffer verwendet, es könnte daher sein, dass die Lieder Paul Zaulecks Deutschem Kindergesangbuch zu entnehmen sind. Unter der Nummer 214 befindet sich Paul Gerhardts ›Ist Gott für mich‹ und unter der Nummer 266 Wilhelm Hens ›Aus dem Himmel ferne‹. Hier ergeben die Versangaben einen Sinn. Zudem fügen sich die Lieder gut in den inhaltlichen Kontext der Ansprache ein. Da Bonhoeffer in dieser Ansprache Inhalte aus dem Entwurf über den Dekalog aufgreift, liegt die in DBW 9 angenommene Reihenfolge der Ansprachen nahe. Zudem ist die deduktive Vorgehensweise von der Heilsgeschichte über den Dekalog hin zum ersten Gebot didaktisch konsequent. Auch in diesem Entwurf versucht Bonhoeffer, an die Lebenswelt der Kinder anzuknüpfen. Er tut dies 130 131 132 133

A.a.O., S. 497. Vgl. DBW 9, S. 491. DBW 9, S. 498–502. Vgl. a.a.O., S. 498, Anmerkung 1.

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bereits in der Einleitung etwa mit der Beschreibung eines Waisenhauses. Bonhoeffer überträgt das Bild des Waisenhauses sofort auf die Menschheit und knüpft an die vorangegangene Ansprache über den Dekalog an. Er greift das Motiv des Vaterhauses aus dieser Ansprache erneut auf und scheint an dieser Stelle eine gewisse Bibelkenntnis der Kinder vorauszusetzen. Dies wird beispielsweise durch biblische Aussagen über Gott als Herrscher der Welt und mit dem Bild eines Töpfers deutlich, welche allerdings unreflektiert übernommen und nicht weiter erläutert werden. Zudem bindet Bonhoeffer diese Aussagen so in seine Rede ein, dass sie nicht unmittelbar als biblische Worte zu erkennen sind. Die Ansprache erinnert durch ihren monologischen Charakter, die Durchdringung mit Beispielgeschichten und die Verwendung von Imperativen eher an eine Predigt. Die Beobachtung Bethges, dass Bonhoeffer während seiner Ansprachen an die Kinder massiv predigte,134 ist für jene Ansprache absolut zutreffend. Es entsteht ein Widerspruch zwischen Form und Inhalt in dem Sinne, dass die von Bonhoeffer gewählten Formulierungen an Gebote erinnern, er aber das erste Gebot des Dekaloges nicht als Gebot verstanden sehen will. Die Betonung des redenden Gottes erinnert an Barths theologische Entdeckungen des sich offenbarenden Gottes, denen Bonhoeffer zu dieser Zeit im Studium begegnete und mit denen er sich intensiv befasste. Bonhoeffer arbeitet mit Vergleichen und Fragen, bei denen nicht ganz klar ist, ob sie rhetorischer Natur sind oder in Anlehnung an katechetische Methoden erfolgen. Dies soll bei den Entwürfen aus der Zeit der katechetischen Seminare bei Mahling noch genauer untersucht werden. Auffallend ist, dass die Hinführung zum zentralen Thema der Ansprache diesmal sehr lang ist. Bonhoeffer schafft es aber, den historischen Kontext des ersten Gebotes kindgerecht darzustellen und in die Wirklichkeit der Kinder zu übertragen. Das Ende der Ansprache schlägt den thematischen Bogen zum Bild des Hauses, das Bonhoeffer zu Beginn dieser und der vorhergehenden Ansprache schon verwendete. Ansprache über Mt 21, 28–31: Die ungleichen Söhne Bonhoeffer leitet die Ansprache135 mit zwei kontrastierenden Beispielen über schulisches Versagen ein, das im ersten Fall selbst verschuldet, im zweiten Fall dagegen unverschuldet geschieht. Dort erhält der Schüler allerdings überraschend Hilfe von seinem zunächst unwilligen älteren Bruder und kann seine Leistungen verbessern. Dieser Geschichte schließt sich eine weitere Geschichte mit dem Titel ›Der Farbtopf des Bösen‹ an. Diese Erzählung behandelt den Diebstahl eines Topfes mit himmlischer Farbe, den der Teufel verwendet, um 134 Vgl. Bethge (2005), S. 123. 135 DBW 9, S. 502–510.

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unzufriedene Pflanzen, Tiere und Menschen im Austausch gegen das Gute ihres Wesens anzumalen. Die Geschichte endet mit dem Appell an die Kinder, der Versuchung zu entsagen und sich auf Gott auszurichten. Mit einem Verweis auf die beiden vorhergehenden Geschichten schließt sich die biblische Geschichte von den zwei ungleichen Söhnen an, die der Vater bittet, an seiner Stelle im Weinberg zu arbeiten. Während der erste Sohn den Gehorsam verweigert, sich aber dann umbesinnt und die Arbeit im Weinberg aufnimmt, verfährt der zweite Sohn genau umgekehrt. Die Ansprache gehört zu den strukturiertesten Ansprachen Bonhoeffers und besticht durch ihren klaren Aufbau. Darin liegt zugleich auch ihre Schwäche, da die drei großen Teile inhaltlich nicht miteinander verbunden und erst im dritten Teil zusammengeführt werden. Auch erfolgt zunächst keine Deutung oder Moralisierung der Geschichten. Dadurch ergibt sich ein Bruch, der allerdings beim Halten der Ansprache nicht unbedingt spürbar sein musste. Vielleicht hat Bonhoeffer die Ansprache nicht am Stück gehalten, sondern sie durch Liedverse oder Spiele aufgeteilt oder in mündlicher Form einen Übergang zwischen den ersten beiden Teilen gestaltet. Auffällig sind die lebendigen Dialoge, vor allem im ersten Teil der Ansprache, die eine szenische Wirkung hervorrufen und reich mit Emotionen besetzt sind. Als Beispiel für die Emotionalität des ersten Teils ist der Ausblick auf den schulischen Erfolg des jüngeren Bruders nach der erfahrenen Hilfe zu nennen, der fast unglaublich wirkt. Der zweite Teil der Ansprache erhält eine besonders lebendige Wirkung durch die vielen Ausschmückungen Bonhoeffers, die zwar kindgemäß erklärt wirken, aber dennoch inhaltliche Hinzufügungen zum Bibeltext darstellen. Zum Beispiel begründet Bonhoeffer die Bitte des Vaters mit dessen Erkrankung. Die Weigerung des ersten Sohnes, im Weinberg zu arbeiten, schmückt Bonhoeffer mit dem geplanten Schwimmbadbesuch des Sohnes aus. Dass es sich um Hinzufügungen zum Bibeltext handelt, erwähnt Bonhoeffer an keiner Stelle der Andacht. Ein ungewöhnliches Stilmittel für Bonhoeffer ist die Verwendung einer inhaltlichen Überschrift innerhalb einer Ansprache.136 Vielleicht war Bonhoeffer diese Geschichte bereits mit Titel bekannt gewesen, sie könnte ihm etwa von seiner Mutter erzählt worden sein. 136 Von den vorliegenden Ansprachen ist diese die Einzige, in der Bonhoeffer einer eingeschobenen Geschichte innerhalb der Ansprache eine Überschrift verleiht. Bonhoeffer verwendet Überschriften bei diesen Texten grundsätzlich sparsam. Viele Ansprachen wurden gänzlich ohne Überschrift verfasst, wenn eine Überschrift vorliegt, bezeichnet sie in der Regel nur Datum, Sonntag des Kirchenjahres oder den zugrunde liegenden Bibeltext der Ansprache. Vgl. zum Beispiel DBW 9, S. 550, 556 und 573. Überschriften, die auf den Inhalt der gesamten Ansprache Bezug nehmen, finden sich nur bei den unveröffentlichten Ansprachen NL A 15, 2–2, 7 und NL A 14, 1–1, 3.

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Stationen von Bonhoeffers gemeindepädagogischem Wirken

Die Zusammenführung der erzählten Geschichten nimmt Bonhoeffer erst nach der Erzählung des Bibeltexts im letzten Teil der Ansprache vor : »Versteht ihr nun die Geschichte von der Festung und von des Teufels Farbtopf ? Wenn wir mal in Gefahr sind, dort ›Ja, lieber Vater‹ zu sagen, wo wir im Herzen ›Nein‹ meinen und auch ›Nein‹ tun wollen, da wollen wir an des Teufels Farbtopf denken und an den jungen Bruder.«137

Die Zusammenführung enthält die Deutung der Geschichten als Warnung vor Scheinheiligkeit beim Tun des göttlichen Willens. Im Schlusssatz der Ansprache kommt er auf Jesus Christus zu sprechen, der den Willen Gottes immer erfüllte. Auch an dieser Stelle beschränkt sich Bonhoeffer nur auf eine Andeutung, ohne den Namen Christi zu nennen. Ansprache über Mt 6, 28 Die Ansprache über Mt 6, 28 – oder die Ansprache über das Gebet138, wie sie auch bezeichnet wird – existiert nur als Fragment, das nach wenigen Seiten abbricht. Der Ansprache vorangestellt sind die folgenden Lieder aus dem Gesangbuch: Nr. 266 ›Aus dem Himmel ferne‹ und Nr. 290 ›Ach, bleib mit Deiner Gnade‹. Die Ansprache unterscheidet sich in mehrfacher Hinsicht von den vorhergegangenen. Zum einen stellt ihr Bonhoeffer einen längeren Bibeltext voran, der sich aus verschiedenen Stellen der Evangelien zum Gebet zusammensetzt (Joh 4, 24; Mt 6, 5–13; Mk 11, 22–24; Mt 7, 7–11; Lk 6, 28). Dieses Vorgehen ist für Bonhoeffer unüblich, da die anderen Ansprachen auf wenige Bibelverse beziehungsweise theologische Inhalte dezimiert sind. Es ist nicht davon auszugehen, dass die Bibelstellen lediglich für die persönliche Vorbereitung Bonhoeffers beabsichtigt waren, da die Verse ohne weitere Notizen oder Hinweise aneinandergereiht sind. Vielmehr deutet die Zusammenstellung auf Bonhoeffers Absicht hin, den Text als Gesamtes den Kindern vorzutragen. Damit bleibt Bonhoeffer am Bibeltext, anstatt ihn wie bisher den Kindern in ausschmückender Weise vorzutragen. Dieses Vorgehen könnte theologisch durch eine größere Hochachtung vor dem Wort Gottes, in pädagogischer Hinsicht als bewusste Konfrontation der Kinder mit dem Bibeltext bedingt sein. Die Datierung auf den Sonntag Rogate, den 11.05., nach Pfeifer vermutlich des Jahres 1926, zeigt, dass Bonhoeffer sich am Anfang des ersten katechetischen Seminars bei Mahling befindet. Datierte man die Ansprache in das Jahr 1927, befände sich Bonhoeffer schon am Beginn seines zweiten katechetischen Seminars. Dagegen spricht allerdings die inhaltliche Verbindung der vier Ansprachen.139 Im Vergleich zu den drei vorherge137 DBW 9, S. 509. 138 NL A 15, 2–2, 9, unveröffentlicht. Transkribiert und datiert auf den 11. 05. 1926 von Hans Pfeifer. 139 Siehe Anmerkung 66. Die Ansprache nimmt Bezug auf die vorhergegangene Ansprache

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henden Ansprachen erscheint als neues Element die Aneinanderreihung mehrerer Fragen, die Ähnlichkeiten zur Struktur von Frage- und Antwort-Katechesen aufweisen. Inhaltlich bearbeitet Bonhoeffer verschiedene Arten des Gebets: das Gebet als Antwort auf Gottes Reden, das kindliche Gebet, das Gebet als Bitte, auch mit der Bitte um die Verwirklichung des göttlichen Willens in der Welt, das Gebet als Trost- und Kraftspende sowie das Gebet um Vergebung der persönlichen Schuld. Ein weiterer inhaltlicher Aspekt ist der geeignete Ort für das Gebet. Auffallend ist, dass Bonhoeffer in dieser Ansprache die Vielzahl von Beispielgeschichten, die das Fundament der zuvor dargestellten Ansprachen bildet, drastisch reduziert hat. Nach wie vor werden Beispiele zur Veranschaulichung der Inhalte aus der Lebenswelt der Kinder gebraucht, die aber sehr kurz gehalten sind. Er greift zum Beispiel auf ein Zeugnis einer Bauersfrau zurück, deren schwer erkrankter Enkel nach einer Nacht des Gebets wieder genesen sei. Allerdings verzichtet er auf dramatische und ausschmückende Darstellungen. Vielmehr erzählt er die Episode in knapper und emotionsloser Art, gibt ihr aber auf diese Weise eine gewisse Prägnanz. Insgesamt kann über die vorgestellten Ansprachen für den Kindergottesdienst gesagt werden, dass sie zwar thematisch zusammenhängen, aber in stilistischer Hinsicht zu unterscheiden sind. Hier bilden die ersten drei Ansprachen eine Gruppe, auf die die folgenden Merkmale zutreffen: Literaturangaben finden sich nicht in den Ansprachen, auch Bibelstellen werden nicht bis auf die für das Thema zentrale Stelle angegeben. Teilweise sind sie so in den Textfluss eingearbeitet, dass sie nicht einmal als Bibelworte zu erkennen sind, sondern wie eigene Worte Bonhoeffers scheinen. Im Gegensatz dazu nimmt Bonhoeffer eine Heraushebung der Bibelworte durch die Voranstellung zur Ansprache, aber auch innerhalb der Ansprache vor. Methodisch liegt den ersten drei vorgestellten Entwürfen eine induktive Vorgehensweise zugrunde, die den Beginn der Ansprache mit einem Beispiel oder einer Frage aus der unmittelbaren Lebenswelt der Kinder, meist aus dem Bereich der Schule, gestaltet. Es folgen eine oder mehrere Beispielgeschichten, welche von Bonhoeffer in besonders ausschmückender und emotionaler Sprache erzählt werden. Die vierte Ansprache enthält eine genau entgegengesetzte Vorgehensweise. Sie beginnt mit dem Bibelwort und einem Verweis auf die vorherigen Ansprachen und nimmt dann erst die Übertragung auf die Lebenswelt der Kinder vor. und deutet auf eine Systematik bei der Anlage der bisher gehaltenen Ansprachen hin: »Jetzt haben wir von den Wegen gehört, auf denen Gott zu uns kommt und durch die wir Gott kennen lernen. Zuerst ist es Jesus Christus, dann aber ist es die Natur, durch die Gott zu uns reden kann. Und warum es da diese beiden Wege und nicht nur den einen oder den anderen gibt, davon haben wir das letzte Mal gesprochen.«, NL A 15, 2–2, 9, unveröffentlicht.

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Die Art der Ausführungen erzeugt beim Leser oder Zuhörer eine Spannung. Auf der einen Seite wird ein gewisses erzählerisches Talent Bonhoeffers sichtbar, auf der anderen Seite wird die erzeugte Spannung durch eine gewisse Langatmigkeit teilweise zunichtegemacht. Der zugrunde liegende Bibeltext wird entweder knapp wiedergegeben oder sehr ausschmückend erzählt. In beiden Fällen sticht der sehr freie Umgang Bonhoeffers mit dem Bibeltext ins Auge. Dem in den ersten drei Ansprachen erst im letzten Drittel der Ansprache eingeführten Bibeltext folgen Lehren, die sich mit den Beispielgeschichten verbinden und bei denen Bonhoeffer zum Teil in einen predigend-moralisierenden Stil verfällt. Allen vorgestellten Ansprachen gemeinsam ist der Verweis auf Christus, auch bei alttestamentlichen Themen. Dies kann eventuell als Anzeichen eines christologischen Schwerpunktes gesehen werden, den Bonhoeffer im Laufe seines theologischen Wirkens setzte. Die Schlussworte der Ansprachen unterscheiden sich durch die Verwendung einer Gebetsformel, einer Frage oder eines Bibelverses. Umrahmt werden die Ansprachen, wie sich aus der Anmerkung erkennen lässt, von gemeinsam gesungenen Liedern. Ob Bonhoeffer nur in fragender und erzählender Weise vorging oder ob er auch visuelle Elemente zum Einsatz brachte, lässt sich aus den Entwürfen nicht erschließen. Eine Kinderbibel befand sich in Bonhoeffers Bibliothek zu diesem Zeitpunkt nicht, vielleicht aber hatte er die Familien-Bilderbibel von Schnorr von Carolsfeld zum Einsatz gebracht. Die folgenden Ansprachen entstammen vermutlich dem Zeitraum Mai 1926 bis April 1927, in dem Bonhoeffer die zwei katechetischen Seminare bei Mahling im Sommersemester 1926 und 1927 besucht hatte.140

Ansprache über Lk 9, 57–62 Der biblische Text, der dieser Ansprache141 zugrunde liegt, findet sich auch als Grundlage einer Katechese wieder, die Bonhoeffer für das katechetische Seminar bei Mahling im Sommersemester 1926 erarbeitet hat (siehe Gliederungspunkt 3.2.3). Es ist davon auszugehen, dass diese Ansprache in einem ähnlichen Zeitraum entstanden ist, da Bonhoeffer so seine Erkenntnisse bei der Erarbeitung der Katechese für Mahling in den Kindergottesdienst einfließen lassen konnte, was bei seinem Arbeitspensum naheliegt. Zentrales Thema des Bibeltextes ist der Ernst der Nachfolge. Mit diesem Text eröffnete Bonhoeffer auch 1935 die Nachfolge-Vorlesung im Finkenwalder Predigerseminar.142 Die Einführung der Ansprache beginnt beinahe schwär140 Vgl. DBW 9, S. 641f. Die Herausgeber datieren die Thesen entsprechend den Angaben Bonhoeffers sowie eines Themenkatalogs aus Mahlings Seminar. Vgl. a.a.O., S. 637 und vgl. NL A 15, 12, unveröffentlicht. 141 NL A 15, 1–2, 3, unveröffentlicht. Transkribiert von Hans Pfeifer. 142 Vgl. Bethge (2005), S. 120.

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merisch. Bonhoeffer leitet von seinen Ausführungen von Religionsgründern über große europäische Feldherren zu Jesus Christus über : »Aber noch viel mehr Menschen folgen hinter einem Mann her, der gar kein Kriegsheld war, hinter Jesus von Nazareth. Könnt ihr euch wohl ausdenken wie groß sein Heer sein muß. [sic!] Seit bald 2000 Jahren folgen Männer und Frauen aus aller Welt, ganze Völker ihm nach. Ja, das gibt eine Zahl, die wir gar nicht mehr ausdenken können. Habt ihr das schon gewußt, daß Jesus ein viel größeres Heer anführt als je irgendein Kriegsmann?«143

Bonhoeffer verweist in der Ansprache auf die Geschichte der ersten Christen, die in einer weiteren Ansprache thematisiert werden wird. Hier findet sich ein weiterer Hinweis auf die längerfristige Planung der Ansprachen. Zentral durch die gesamte Ansprache zieht sich das Bild des Christen, der im Heer Christi dient. Dabei stellt Bonhoeffer die Frage voran, welche Eigenschaften Christus als einen Feldherrn charakterisieren. Er formuliert die Parolen ›Alles oder nichts‹ und ›Entweder – oder‹, die für das Leben im Heer Christi maßgeblich seien. Den Bibeltext aus Lk 9, 57–62, der der Ansprache zugrunde liegt, erzählt Bonhoeffer in drei kleinen Geschichten. Auch hier geht er über den Bibeltext hinaus, indem er die Situation der Personen, die Jesus mit seinen Forderungen der Nachfolge konfrontiert, detailliert darstellt. Im Wechsel lässt Bonhoeffer diese Personen scheitern oder in die Nachfolge Jesu treten, worüber der Bibeltext sich allerdings ausschweigt. In seine Erzählung integriert Bonhoeffer die von ihm zuvor eingeführte Parole ›Alles oder nichts‹, anhand derer er die Entscheidung der drei Personen festmacht. Es erstaunt, wie unreflektiert Bonhoeffer die Kreuzfahrer als Vorbild für den Dienst im Heer Christi darstellt, ohne deren Motivation oder die von ihnen verübten Gewalttaten kritisch zu beleuchten. Die Ansprache lebt von der Verwendung von Begriffen, die aus dem militärischen Kontext stammen: Feind, Kampf, Soldaten, Mut, Tod, Waffen. Gleichzeitig öffnet Bonhoeffer mit der Verwendung dieser Begriffe einen Graben zwischen der Zugehörigkeit zum Heer Christi und denjenigen, die nicht in die Nachfolge Christi treten. Mit Sätzen wie: »das Heer Christi kämpft immerfort, ja dafür braucht man starke Männer und dazu muß man ein mutiger Junge sein […]«144 und: »Also hinein in das Heer. Wer wollte da zurückbleiben und feige sein. Wer beweisen will, daß er Mut und Kraft hat, der komm und werde Soldat in diesem Heer […]«145 stachelt Bonhoeffer die Jungen des Kindergottesdienstes an und treibt, beziehungsweise drängt, diese in eine Entscheidung. Mit dem Bild eines Heeres sprach er wohl zum einen das in der Regel vorhandene Interesse 143 NL A 15, 1–2, 3, unveröffentlicht. 144 Ebd. 145 Ebd.

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von Jungen an Kriegsthemen an. Zudem knüpfte er an die erlebte Lebenswirklichkeit der Jungen an, die sowohl von einer zunehmenden Militarisierung der Gesellschaft als auch Gewalterfahrungen geprägt war. Ansprache zum Totensonntag über Lk 12, 35ff. Zu Beginn der Ansprache zum Totensonntag über Lk 12, 35ff.146 greift Bonhoeffer ein Gespräch auf, das auf einem gemeinsamen Ausflug stattgefunden hatte. Auffallend sind die Häufung rhetorischer Fragen, mit denen Bonhoeffer zum Bibeltext der Ansprache überleitet. Die der Ansprache zugrunde liegenden Bibelverse, die auch in diesem Fall zur Einleitung gehören, schmückt Bonhoeffer mit vielen Details aus. Er stellt einen Bezug zum eigenen Leben der Kinder her und zeigt die Bedeutung dieser Verse dafür auf. In kindlicher Sprache und mit Verniedlichungen fordert er die Kinder auf, »ihr Herzenskämmerchen fein sauber zu fegen«147 und Christus darin einzulassen. Bonhoeffer scheut sich nicht, vor den Kindern die Themen Tod und ewiges Leben anzusprechen, und drängt die Kinder, Christus ihre Herzenstür zu öffnen. Dabei geht er auf mögliche Einwände der Kinder ein und kommt schließlich noch einmal auf gemeinsam Erlebtes zu sprechen. Zum Ende der Ansprache schließt er mit einer Geschichte, in der Gott ein Licht in die Welt sendet, an dem sich andere Lichter entzünden. Diese Geschichte ist lediglich aus verschiedenen biblischen Bildworten konstruiert, Bonhoeffer erzählt sie dennoch auf eine Weise, die den Eindruck entstehen lässt, es könnte sich hier um eine authentische biblische Geschichte handeln. Die erneute Deutung der Geschichte und die damit einhergehenden Appelle wirken allerdings langatmig und predigend-moralisierend. Bonhoeffer schließt die Ansprache mit einer tröstenden Verheißung Christi für die Kinder. Ansprache zu Ps 24, 7 Den Einstieg der Ansprache148 gestaltet Bonhoeffer mit einem persönlichen Erlebnisbericht über einen Schlossbesuch. Er malt dieses Erlebnis mit vielen Details plastisch aus, schildert dann ein anderes Schloss und vergleicht es mit dem Herzen des Menschen. Auch hier greift er das Bild wieder auf, dass Christus vor der Herzenstür steht und Einlass begehrt. Es folgt der Aufruf an die Kinder, ihre ›Tore‹, wie es Ps 24, 7 ausdrückt, weit zu öffnen. Im zweiten Teil der Ansprache behandelt Bonhoeffer den Wunsch Gottes, die Menschen in sein Reich zu holen. Bonhoeffer geht anschließend auf das Warten ein, zuerst aus menschlicher und im Anschluss aus göttlicher Perspektive. Um die lange Zeit des Wartens zu verdeutlichen, wählt er verschiedene Beispiele, die eine emo146 DBW 9, S. 550–559. 147 A.a.O., S. 553. 148 A.a.O., S. 559–565.

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tionale Wirkung erzeugen und das Mitleid für den Wartenden wecken. Es folgt ein erneuter Appell an die Kinder, ihre Tore zu öffnen, und Bonhoeffer erläutert, wie das Öffnen der Tore im Alltag aussehen könnte. Er geht auf Schule und Freizeit ein, Situationen, die den Kindern geläufig sind. Im letzten Teil der Ansprache erzählt Bonhoeffer eine alte Legende über ein unbarmherziges Paar, das zwei Menschen vor ihrer Türe im Schnee erfrieren lässt und den schweren Konsequenzen, die diese Tat hat: Die Seele des Mannes, der den Zutritt zu seinem Hause verweigerte, darf nicht in den Himmel einziehen. Die Seelen der vor der Tür erfrorenen Menschen werden dagegen in das Paradies eingelassen. Bonhoeffer zitiert die Worte Jesu aus Mt 25, 42–45 und fordert die Kinder noch einmal auf, ihre Türe weit zu öffnen, nicht nur für Christus, sondern auch für ihren Nächsten. Ansprache zum 4. Advent Diese Ansprache149 ist vergleichsweise kurz. Sie beginnt mit der Aufgabenbeschreibung eines Herolds und einem persönlichen Erlebnis Bonhoeffers während seines Rom-Aufenthalts. Wie bei der Ansprache zu Lk 9, 57–62 zeichnet Bonhoeffer zunächst ein sehr prächtiges Bild eines Herrschers. Bonhoeffer bleibt aber nicht bei einer theologia gloriae stehen, sondern er verweist auf den Gegensatz zwischen einem Herold Christi und den zuvor dargestellten Herolden. Er schildert die Herolde Christi als ärmlich aussehend, vom Volk verachtet und verfolgt. Die Schilderung der Herolde mündet in der Frage nach dem Herrn solcher Herolde, die Bonhoeffer aber zunächst nicht beantwortet. Bonhoeffer verdeutlicht die Erwartung der Ankunft Christi mit dem von den Kindern am meisten herbeigesehnten Moment an Weihnachten. Die Herrlichkeit des Weihnachtszimmers vergleicht Bonhoeffer mit der des Himmelreiches. Er warnt die Kinder, sich durch unpassende Kleidung von der Feier auszuschließen und fordert sie auf, Buße zu tun. Diese Gedanken sind aber so knapp gehalten, dass fraglich ist, ob der Punkt von den Kindern überhaupt verstanden wurde. Vielleicht hielt Bonhoeffer diese zentrale Stelle der Ansprache auch im Vertrauen auf seine Erzählkunst lediglich im Entwurf so kurz. Ansprache über Jer 27–28 Bonhoeffer beginnt die Ansprache150 mit dem Schicksal des Propheten Jeremia, wie es die vorhergehenden biblischen Kapitel erzählen. In seine Erzählung lässt 149 NL A 15, 2–2, 7, unveröffentlicht. Transkribiert von Hans Pfeifer. Ein Vermerk lässt auf Dezember 1926 als Entstehungszeitpunkt schließen. 150 DBW 9, S. 566–572. Die Herausgeber von DBW 9 datieren diese und die Ansprache über Joh 19 in die Passionszeit 1927. Begründet wird die Datierung mit der Ausrichtung der Ansprachen auf ältere Kinder, die vermutlich kurz vor der Konfirmation standen und den Donnerstagskreis besuchten. Vgl. a.a.O., S. 637.

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er Bibelverse aus dem Buch Jeremia einfließen, um das Gesagte zu unterstreichen. Ungewöhnlich sind die Schlussfolgerungen Bonhoeffers schon zu Beginn der Geschichte Jeremias: »Laßt uns Gott danken, daß er uns nicht in diese seine letzten Ratschlüsse einweiht, und laßt uns täglich bitten, daß wir nicht zu denen gehören, denen das Böse zur innersten Natur wurde. Jeremias naher Verkehr mit Gott hat ihn zum Fluch über sein Leben gebracht. Kinder, mit Gott sein macht nicht glücklich. Das lernen wir an Jeremia.«151

Bonhoeffer fährt fort mit der Erzählung des Schicksals Jeremias und des Volkes Israels. Die Geschichte wird von Bonhoeffer fantasievoll mit Einzelheiten erzählt, die weit über den Bibeltext hinausgehen. Er beendet die Geschichte Jeremias mit dem Hinweis auf Christus, der eine noch schwerere Last als Jeremia zu tragen gehabt habe. Allerdings spricht er den Namen Christus nicht aus, sondern bleibt bei der Schlussfrage: »Nicht wahr, Kinder, den kennen wir alle?«152 Ansprache über Joh 19 Die Ansprache über Joh 19153 – mit entsprechenden Parallelstellen – wurde von Bonhoeffer am Karfreitag im Kindergottesdienst gehalten.154 Bonhoeffers Einstieg schildert ein fiktives Gespräch zwischen Gottvater und seinem Sohn Jesus Christus. Das Gespräch enthält biblische Elemente, Bonhoeffer gibt den Kindern aber keinen Hinweis darauf, dass es sich bei dem Gespräch nur um eine Fiktion handelt. Im Anschluss an das Gespräch folgt ein kleiner Ausblick auf das Thema der Ansprache. Bonhoeffer leitet zur Erzählung der Passionsgeschichte über, die er mit vielen Details versieht. Teilweise gleitet seine Sprache ins Schwärmerische ab: »und es trinkt die Erde das Blut dessen, der ihres Schöpfers geliebter Sohn war, der sie liebte, wie sie nie einer geliebt hatte«155. Auffallend ist, wie Bonhoeffer mit seiner Wortwahl weitere Emotionen nachzeichnet. Zwischendurch lässt er die einzelnen Figuren der Passionsgeschichte sprechen, was seiner Erzählung Lebendigkeit verleiht. Begleitet wird die Erzählung von Erklärungen. Der Schluss der Ansprache enthält die Aufforderung an die Kinder, den Tod Christi ernst zu nehmen, und gibt einen Ausblick auf die Auferstehungsbotschaft. Ansprache zum Totensonntag Diese Ansprache156 ist die jüngste vorliegende aus dem Grunewalder Kindergottesdienst, da sie auf den 24. 11. 1929 datiert wird. Bonhoeffer beginnt die 151 152 153 154 155 156

A.a.O., S. 566. A.a.O., S. 572. A.a.O., S. 573–577. Siehe Anmerkung 81. DBW 9, S. 574. DBW 10, S. 545–548.

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Ansprache, indem er einen Kontrast zwischen Gottes Schöpfung und ihrer Vergänglichkeit aufzeigt. Das Sterben des Menschen veranschaulicht er an der persönlichen Trauer nach dem Verlust eines nahestehenden Menschen. Wenig überzeugend wirkt, wie Bonhoeffer die persönliche Trauer, die er doch durch den Tod seines Bruders erlebte, aufzeigt als etwas, das lediglich durch das Hören eines biblischen Trostwortes überwunden werden kann. Auffällig ist, dass der Ansprache kein eindeutig gekennzeichneter Bibeltext zugrunde liegt, beiläufig zitiert Bonhoeffer lediglich Apk 21, 4 und Gen 3, 19. Beurteilung der Ansprachen In der Sekundärliteratur werden Bonhoeffers Ansprachen eher negativ bewertet. Bethge beurteilt Bonhoeffers Versuch, den Geschichten Spannung zu verleihen, als »manipulierenden Umgang mit den Texten«157. Bonhoeffer eiferte dem Stil seiner Mutter nach und fand, so Bethge, auch nichts Bedenkliches daran. Geraume Zeit später habe er allerdings in der Verwendung der Bilderbibel zur Illustration eine »gefährliche Präokkupation kindlicher Vorstellung von den biblischen Geschichten erkannt«158. Mokrosch urteilt ausgehend von der Bewertung der Examenskatechese: »Er wollte leidenschaftlich gerne das Evangelium weitergeben, legte dabei aber auf Didaktik und Methodik keinen Wert.«159 Auch später habe er nicht den Versuch gemacht, sich Kenntnisse dieser Art aus der Pädagogik seiner Zeit anzueignen.160 Die Beurteilung der Ansprachen sollte aber noch unter weiteren Gesichtspunkten erfolgen, da ein Teil der Ansprachen ohne größere methodische Vorkenntnisse erstellt wurde. Die vorgestellten Entwürfe hängen inhaltlich zusammen, wie sich aus Verweisen auf vorhergehende oder nachfolgende Ansprachen erkennen lässt. Für die sorgfältige Planung sprechen die detaillierten Ausarbeitungen sowie thematisch passende Liedverse. Aus den Ansprachen selbst sind bis auf einzelne Liedangaben oder Andeutungen eines Abschlussgebets keine Hinweise auf den Ablauf des Kindergottesdienstes zu entnehmen. Selbst wenn bei einem Teil der Ansprachen Liedangaben fehlen, ist davon auszugehen, dass Bonhoeffer mit den Jungen Lieder sang, wahrscheinlich aus Zaulecks Deutschem Kindergesangbuch oder dem Evangelischen Gesangbuch. Daneben veranstaltete Bonhoeffer sicher auch Spiele für die Jungen. Vermutlich wurden einzelne Ansprachen auf gemeinsamen Ausflügen gehalten. Thematisch erreichen die Ansprachen eine große Breite. Es verwundert aber, 157 158 159 160

Bethge (2005), S. 124. Bethge (2005), S. 59f. und 143. Mokrosch (2005), S. 280. Vgl. ebd.

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dass das Thema Kirche in keiner Ansprache auftaucht. Vielleicht war Bonhoeffer mehr daran gelegen, kirchliche Gemeinschaft mit den Kindern zu leben als ihnen davon zu berichten. Allerdings scheute sich Bonhoeffer an anderer Stelle nicht, komplexere Themen mit den Kindern anzusprechen. Vermutlich war Bonhoeffer bei seiner Planung an die Absprachen des Vorbereitungskreises gebunden oder Ansprachen mit ekklesiologischen Bezügen gingen verloren. Als weiterer Grund ist zu nennen, dass das Thema Kirche in Bonhoeffers eigener Familie bis dahin keine sonderlich große Bedeutung besaß (siehe Gliederungspunkt 3.1.1). Die Ansprachen sind größtenteils im erzählerischen Stil gehalten. Vereinzelt formuliert Bonhoeffer darin Fragen, bei denen allerdings nicht ersichtlich ist, ob diese von interaktiver oder rhetorischer Natur sind. Bonhoeffers Erzählweise besticht durch Talent, das von viel Kreativität und Fantasie geprägt ist. Die von ihm vermutlich größtenteils selbst erfundenen Geschichten ähneln sich nicht, es gibt auch keine inhaltlichen Wiederholungen. Die Kehrseite von Bonhoeffers kindgemäßer Erzählweise und seinem erzählerischen Talent zeigt sich in der Versuchung, der er wiederholt erliegt, ins Schwärmerische abzugleiten. Dazu hat die Erzählweise einen gewissen Hang zur Kindlichkeit und zur Verniedlichung, wie bei den Begriffen Kämmerlein oder Lichtlein. Immer wieder fehlt die Balance zwischen Breite und Tiefe der Erklärungen. Manche leicht verständlichen Inhalte werden in epischer Breite dargelegt und wirken fast ermüdend, komplizierte Sachverhalte werden hingegen nur in wenigen Sätzen abgehandelt. Schwächen von Bonhoeffers erzählerischem Talent liegen auch in einem leichtfertigen Umgang sowohl mit historischen Begebenheiten als auch mit Bibeltexten. In den Ansprachen wird der junge Bonhoeffer sichtbar, der mit Begeisterung spricht, aber seine Worte teilweise unvorsichtig und ohne Weitsicht formuliert. Etliche Ansprachen hätte er sicher im Laufe seines Lebens, geprägt durch die Erfahrungen mit der nationalsozialistischen Diktatur und dem Kirchenkampf, aber auch durch das Erstarken eines pazifistischen Bewusstseins, anders gehalten. Bezeichnend ist die Lebenswirklichkeit der Kinder, die Bonhoeffer mit jeder Ansprache zu erreichen sucht. Dies erfolgt meist schon zu Beginn einer Ansprache, wenn Bonhoeffer an gemeinsame Erlebnisse anknüpft oder Beispiele aus Schule und Familie anführt. Eigene Erlebnisse schaffen eine persönliche Dimension. Neben Beispielen arbeitet er mit Übertragungen und vermutlich selbst erfundenen Geschichten auf den Bibeltext und dessen Auslegung hin. In der Regel liegt den Ansprachen ein deduktives Vorgehen zugrunde, vereinzelt geht der Bibeltext auch den Ausführungen Bonhoeffers voran. Zeitweise verfällt Bonhoeffer während einer Ansprache in ein massives und forderndes Predigen gegenüber den Kindern. Hierbei bringt er zahlreiche Appelle und moralisiert seine Erzählungen, was durch einen Schlussappell bekräftigt und verstärkt wird. Das Evangelium oder christologische Bezüge klin-

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gen in vielen Ansprachen Bonhoeffers an, während das eigentliche Thema, wie etwa in den Ansprachen über das erste Gebot und über den Dekalog, eher in den Hintergrund rückt und erst spät aufgegriffen wird. Bonhoeffer setzt bei den Kindern neben einer breiten christlichen Allgemeinbildung ein fundiertes Bibelwissen voraus. Gelegentlich greift er nur biblische Elemente auf und überlässt deren Einordnung den Kindern selbst. Erschwert wird dies durch die ausschmückende Art und Weise, mit der Bonhoeffer seine Geschichten erzählt und den ursprünglichen biblischen Text verfremdet. Der Unterschied zwischen den Ansprachen vor und während des ersten Katechetischen Seminars ist, vor allem in methodischer Hinsicht, nicht signifikant. Erwähnenswert ist, dass die biblischen Grundlagen nach dem ersten katechetischen Seminar einen breiteren Raum in der Ansprache einnehmen. Bonhoeffer greift im Lauf der Ansprachen den zugrunde liegenden biblischen Text oder Vers im Vergleich zu seinen ersten Ansprachen früher auf oder stellt ihn diesen sogar voran. Das biblische Geschehen, auf das sich die Ansprache bezieht, wird ausführlicher geschildert. Bei Jer 27–28 und Joh 19 nimmt es nahezu die gesamte Ansprache ein. Entsprechend sinkt der Anteil der daraus zu ziehenden Lehren, die Bonhoeffer den Kindern mitgeben möchte.

3.2.3 Die katechetischen Seminare Bonhoeffer besuchte neben den zwei katechetischen Seminaren insgesamt fünf Seminare der Praktischen Theologie bei Mahling.161 Von Bonhoeffer selbst sind bis auf einen Themenkatalog162 keine Unterlagen aus den Seminaren enthalten. Mahling wurde schon 1933 emeritiert, zudem wurde ein großer Teil der Dokumente der Theologischen Fakultät Berlin bei einem Brand der Universität 1945 vernichtet.163 Der Einfluss Mahlings auf Bonhoeffer lässt sich deshalb nur schwer ermitteln. Bethge berichtet, dass Bonhoeffer sich mit großem Einsatz an den Seminaren der Praktischen Theologie beteiligte.164 Von Bonhoeffers Hand sind drei Ka161 Aus dem Anmeldebuch lassen sich die Besuche, Testierungen (test.) und Abtestate (abtest.) der folgenden Veranstaltungen entnehmen: Im Winter-Semester 1925/26 Praktische Theologie I (test. 9. 11. 1925), im Sommersemester 1926 Praktische Theologie II (test. 17. 05. 1926, abtest. 28. 05. 1926), das Katechetische Seminar (test. 18. 5. 1926, abtest. 24. 2. 1927) und im Sommersemester 1927 das Katechetische Seminar (test. 15. 06. 1927, abtest. 27. 7. 1927), vgl. DBW 9, S. 640ff. 162 Vgl. NL A 15, 2–2, 12. Notizen, unveröffentlicht. 163 Vgl. Ludwig, Hartmut, Die Berliner Theologische Fakultät 1933 bis 1945, in: Die Berliner Universität in der NS-Zeit, hg. von: Rüdiger vom Bruch/Christoph Jahr/Rebecca Schaarschmidt, Bd. 2, Stuttgart 2005, S. 94. 164 Vgl. Bethge (2005), S. 119.

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techesen erhalten, die er für die Seminare bei Mahling erstellte, sowie zwei Prüfungskatechesen für die theologischen Examina. Diese Katechesen sollen im Folgenden genauer untersucht und mit Bonhoeffers bisherigen Ansprachen verglichen werden. Katechese über Lk 9, 57–62 Der Katechese165 stellt Bonhoeffer eine Exegese voran. Die Katechese selbst besteht aus ausformulierten Fragen an die Kinder und deren mögliche Antworten. Es kann angenommen werden, dass Bonhoeffer sich bei diesem Frage-AntwortSchema an Ernst Christian Achelis orientierte.166 Fragen und Antworten unterliegen strengen Kriterien, wie sie nach der katechisierenden Methode bei Ernst Christian Achelis vorausgesetzt werden. Die Fragen dürfen ausschließlich als grammatikalisch vollständige und im Satzbau korrekte W-Fragen gestellt werden, Ergänzungsfragen sind ausgeschlossen. Hinzu kommt eine terminologische Unterscheidung der Frage nach Fragedatum, das die Sinnhaftigkeit der Frage unterstreicht, nach Fragepunktum, das die Frage weiterführt, und nach Fragequäsitum, das nur eine Antwort auf die Frage ermöglicht. Die Antworten der zu Unterweisenden sind ebenfalls schriftlich festzuhalten, sie werden als Lernfortschritt und Voraussetzung für die folgende Frage gewertet. Die Erstellung einer Katechese geht von den Kinderantworten aus, zu denen die entsprechenden Fragen formuliert werden müssen.167 Bonhoeffers Einstiegsfrage dreht sich um die großen Heere der Vergangenheit. Schon hier findet sich ein Fehler in der Fragestellung. Die Antwort, die die Heere Alexanders, Napoleons und die Weltkriegsheere auflistet, wird nicht durch Bonhoeffers Frage: »1. Wer von euch kann mir irgendein berühmtes, großes, tapferes Heer nennen aus der Vergangenheit?«168 beantwortet. Unter Beachtung des Fragequäsitums müsste sie korrekt lauten: Welche berühmten, 165 Die Katechese wurde für das erste katechetische Seminar im Sommersemester 1926 verfasst und richtet sich an zwölf- bis vierzehnjährige Jungen, die das Gymnasium besuchen. DBW 9, S. 517–532. 166 Vgl. Achelis, Ernst Ch., Lehrbuch der Praktischen Theologie II, Leipzig 1911, S. 465ff. und vgl. Meyer-Blanck (2001), Sp. 958f. Zum einen war das Werk Achelis weit bekannt, zum anderen setzte Bonhoeffer es auch selbst in Finkenwalde ein. Es kann außerdem davon ausgegangen werden, dass Bonhoeffer sich in der zeitgleich entstandenen Dissertation ›Sanctorum Communio‹ auf Achelis stützte. Vgl. hierzu die inhaltlichen Parallelen von Bonhoeffer und Achelis bei der Trennung von Abendmahl bzw. Bekenntnis und Konfirmation in Bonhoeffer, Dietrich, Sanctorum Communio. Eine dogmatische Untersuchung zur Soziologie der Kirche, hg. von: Joachim von Soosten/Eberhard Bethge, DBW, Bd. 1, München 22005a, S. 165, Anmerkung 109 und Kumlehn, Martin, Art. Ernst Christian Achelis, in: Lexikon der Religionspädagogik, Bd. 1, hg. von: Norbert Mette/Folkert Rickers, Neukirchen-Vluyn 2001, Sp. 12. 167 Vgl. Achelis (1911), S. 465ff. 168 DBW 9, S. 521.

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großen, tapferen Heere aus der Vergangenheit könnt ihr nennen? Auch in der folgenden Frage befindet sich ein Fehler im Fragequäsitum. Inhaltlich nimmt Bonhoeffer eine Übertragung des Heeresgedankens auf Christus, die zwölf Jünger und das Christentum vor. Er fordert die Kinder auf, dem Heerführer Christus gehorsam zu sein und ihn und sein Heer nicht zu beschämen. In seinen Fragen knüpft er mit den Beispielen von Kriegspielen und einer blamablen Schulaufführung an die Gedankenwelt der Kinder an. Es folgen die Textlesung und die Analyse aller drei Teilgeschichten sowie eine Zusammenfassung der Geschichte in zwei Lehren, die Bonhoeffer mit den Kindern fragend-entwickelnd erarbeitet. Bei der Besprechung der weiteren Verse baut Bonhoeffer eine Charakteristik der bisher aufgetretenen Personen ein. Die Fragen Bonhoeffers leiten über zur Nachfolge Jesu in der Gegenwart, die er anhand von praktischen Beispielen veranschaulicht. Der Besprechung der letzten zwei Verse des Bibeltextes schließt sich ein Rückgriff auf das Bild des Lebens im Heer Christi an. Zum Ende der Katechese formuliert Bonhoeffer die Lehren in drei griffige, im militärischen Stil gehaltene Parolen: »›Erst wäg’s, dann wag’s!‹ […] ,›Alles oder nichts!‹ [und] ›Voran an den Feind! Pfui über den, der zurückblickt.‹«169 Die Katechese wurde insgesamt mit ›recht gut‹ bewertet. Der Korrektor bemängelte unter anderem die Technik der Fragestellung, ein Textverständnisproblem Bonhoeffers sowie die Kürze der Behandlung der letzten Verse in der Katechese. Positiv bewertete er Aufbau, Ausführung, Lebendigkeit und den lebensnahen Bezug der Katechese.170 Beim Vergleich der Katechese mit der Ansprache für den Kindergottesdienst171 über denselben Text fällt zuerst auf, dass Bonhoeffer das Frage-Antwort-Schema nicht einmal in Ansätzen verwendet, obwohl es durch die zeitliche Dichte der beiden Schriften naheliegend gewesen wäre. Daraus lässt sich schließen, dass Bonhoeffer sich bei seinem eigenen gemeindepädagogischen Wirken eher schwer mit der katechisierenden Methode tat und diese für die Praxis wohl auch nicht als sinnvoll erachtete. Dafür spricht zudem, dass Bonhoeffer in Finkenwalde das Frage-Antwort-Schema selbst in seinen katechetischen Veranstaltungen nicht von Anderen verlangte.172 Die didaktischen Teilschritte und inhaltlichen Schwerpunkte sind nahezu in beiden Varianten identisch. Unterschiede gibt es zum einen in der Begegnung mit dem Bibeltext. In der Katechese wird der Text vorgelesen, die Jungen müssen selbst Bibelstellen nachschlagen, in der Ansprache ist beides nicht der Fall. Stattdessen erfolgt die Begegnung mit dem Bibeltext in allen drei Teilgeschichten in rein erzählender 169 A.a.O., S. 532. 170 Vgl. ebd., Anmerkung 63. 171 Vgl. NL A 15, 1–2, 3, unveröffentlicht. Transkribiert und datiert von Hans Pfeifer, siehe Gliederungspunkt 3.2.2. 172 Vgl. Bethge (2005), S. 119.

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Form. Mehr Platz räumt Bonhoeffer in der Ansprache der Auslegung von Vers 9 ein und wiederholt diesen beinahe parolenähnlich: »Die Füchse haben Grubenorte«173. Zu kurz kommen in der Ansprache dafür die Bezüge zur Lebenswelt der Jungen, sie scheinen für die Katechese noch einmal in besonderer Form herausgearbeitet worden zu sein. Dass die Ansprache vor der Katechese verfasst wurde, dafür sprechen Ort, Anzahl sowie Abweichungen zwischen den Parolen. In der Ansprache verwendet Bonhoeffer lediglich die Parole ›Alles oder Nichts‹, mit welcher die ersten beiden Teilgeschichten zusammengefasst werden, sowie die Parole ›Vorwärts die Augen gegen den Feind, nicht feige zurückgeschaut‹, welche als Fazit der dritten Teilgeschichte auftaucht. In der Katechese wirkt die Verwendung von drei prägnant formulierten Parolen formvollendeter, mit der jede einzelne Teilgeschichte am Ende der Katechese pointiert wiederholt wird. Katechetischer Entwurf über den zweiten Glaubensartikel Der Entwurfscharakter dieser Arbeit174, die am 21. 07. 1926 im Seminar Mahlings von Bonhoeffer gehalten wurde, wird an der Kürze und am Fehlen des FrageAntwort-Schemas deutlich. Der Entwurf ist in einzelnen, thesenähnlichen Punkten verfasst. Bonhoeffer beginnt den Entwurf mit einer Zusammenfassung des zweiten Glaubensartikels, den er zuerst sprachlich analysiert. Danach geht er auf einzelne Begriffe, wie ›Glaube‹ und ›Gottes eingeborener Sohn‹ ein. Bonhoeffer setzt bei Luther an und möchte dessen Sünden- und Gnadenerfahrung in die Gedankenwelt der Kinder übertragen. Dann nimmt er eine Unterscheidung der Auslegung des zweiten Glaubensartikels zum einen für jüngere und zum anderen für reifere Kinder vor. Er fasst den Inhalt des Artikels und dessen Auslegung für das Verständnis eines Kindes in einem Satz zusammen. Sprache und Wortwahl ermöglichen ein gutes Verständnis, was Glaube an Jesus Christus bedeutet. Allerdings wird dieses Verständnis durch einen sehr komplexen Satzbau erschwert. Für ältere Kinder formuliert Bonhoeffer eine Zusammenfassung in fünf Punkten, welche die Elemente persönliche Hingabe, Wirken Christi auf Erden, Kreuzestod, Erlösung und persönliche Lebensführung beinhaltet. Eine Bewertung des Entwurfs vonseiten des Seminars existiert nicht. Katechese über die ›Ehre‹ Diese Katechese mit vorangehender Meditation175 wurde ein Jahr später, im Sommersemester 1927, verfasst. Sie richtet sich wohl an 16–17-jährige Jugendliche, wie der Meditation zu entnehmen ist. In ihr setzt Bonhoeffer sich zunächst 173 NL A 15, 1–2, 3, unveröffentlicht. 174 DBW 9, S. 546–549. 175 A.a.O., S. 585–598. Die Katechese wurde von Bonhoeffer ohne Titel verfasst, siehe Anmerkung 73.

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mit dem Zusammenhang von Christentum und Ehre auseinander. Er zeigt sowohl die Extreme der von Friedrich Nietzsche diagnostizierten christlichen Sklavenmoral als auch den philosophischen Rationalismus, nach dem eine Beleidigung nicht den Beleidigten trifft, sondern auf den Beleidigenden zurückfällt. Im biblischen Sinne bezieht sich Ehre in erster Linie auf die Ehre Gottes. Aus dem Neuen Testament arbeitet Bonhoeffer eine äußere Ehre des Menschen anderen Menschen gegenüber heraus und eine innere Ehre des Menschen, die auf dessen Verhältnis zu Gott gegründet ist. Er stellt das Gebot der Feindesliebe, das sich im Gebet und in der Vergebung für den Beleidiger äußere, als oberste Priorität für den Christen dar. Erst dann dürfe das Böse verfolgt und gestraft werden. Duell und Krieg als Mittel zur Wiederherstellung der Ehre seien nicht zulässig. Zum Ende der Meditation trifft Bonhoeffer die didaktische Entscheidung, in der Katechese ein grundlegendes christliches Verständnis zu schaffen, anstatt kasuistisch vorzugehen. Die Katechese beginnt mit einer relativ langen Einleitung bis zur ersten Frage des Frage-Antwort-Schemas. Bonhoeffers erste Worte erscheinen als Einstieg für die Begegnung mit Jugendlichen aus der Perspektive heutigen Religionsunterrichts eher fremd und poetisch formuliert: »Es soll uns in jeder Religionsstunde so sein, als ob wir am weiten Meer stehend Wellen der Ewigkeit heranbrausen hörten an das Gestade unserer Zeit«176. Beinahe gebetsartig fährt er fort: »Gott gebe, daß unsere heutige Stunde vernehmlich mache in unsern Herzen das Wort von der Ehre Gottes und von des Menschen Unehre«177. Ein Jugendliche abholender und fesselnder Einstieg sähe in der heutigen gemeinde- und religionspädagogischen Praxis mit Sicherheit anders aus. Der Anknüpfung an die Lebenswelt seiner Zuhörer schließt Bonhoeffer ein persönliches Erlebnis aus seiner eigenen Schulzeit an, das in der ersten Frage mündet, wie die Verletzung der Ehre denn zu verstehen sei. Die Fragen sind in intellektueller Sicht eher anspruchsvoll, mit ihnen zielt Bonhoeffer auf das in der Meditation aufgezeigte Ehrverständnis von Thales ab. Mit weiteren schulischen und militärischen Beispielen erarbeitet Bonhoeffer den Begriff der bürgerlichen Ehre, in der die Gemeinschaft für die Ehre eines Gliedes und umgekehrt einsteht. Er zeigt die Spannung zwischen beiden Ehrverständnissen auf, mit der er die Jugendlichen an das Neue Testament heranführt. Und auch an dieser Stelle formuliert Bonhoeffer gebetsartig, ohne seine Worte als spezielles Gebet zu kennzeichnen. Die Fragen an die Jugendlichen zielen darauf ab, das Verhältnis von Gottes Ehre und menschlicher Ehre zu erarbeiten, aber auch die Grenze der menschlichen Ehrerbietung hervorzuheben. Bonhoeffer bringt nun den bereits angeführten Gedanken der Sklavenmoral des Christentums in die Katechese hinein und klärt, wie die Bergpredigt im Hinblick auf die Reaktion eines 176 A.a.O., S. 587. 177 Ebd.

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Christen auf Beleidigungen zu verstehen sei. Die Katechese endet mit der Wiederholung neutestamentlicher Bibelzitate. Vom Korrektor wurde die Katechese der Form und ihrem Inhalt nach mit ›recht gut‹ bewertet, auch wenn einzelne Punkte von Bonhoeffer noch einmal überprüft werden sollten.178 Katechese über Mt 8, 5–13 Die Katechese für das erste theologische Examen179 richtet sich an 14–15-jährige Jungen einer höheren Schule. Sie ist nach dem Frage-Antwort-Schema aufgebaut. Bonhoeffer beginnt die Katechese mit der Lesung des Bibeltextes. Er stellt einige Fragen zu schwierigen Passagen, um das Textverständnis zu verbessern. Nachdem der Text ein zweites Mal von den Jugendlichen gelesen wurde, informiert Bonhoeffer sie über den geschichtlichen Kontext des Bibelabschnittes. Dazu bindet er die historische Textkritik mit ein. Mit rhetorischen Fragen und Ausschmückungen bewirkt er eine Einfühlung in das Geschehen des Textes. Die Bitte des Hauptmannes an Christus vergleicht Bonhoeffer mit einem großen Wunsch, den ein Kind gegenüber seinen Eltern äußert. Mit weiteren Fragen arbeitet er das Vertrauen des Hauptmannes auf Christus heraus und überträgt die Situation auf das persönliche Gebetsleben der Jungen. Um die Worte des Hauptmannes über die Befehlsgewalt zu verdeutlichen, greift Bonhoeffer auf die Erinnerungen der Jungen an Soldaten- und Kriegsspiele ihrer Kindheit zurück. Er betont die Macht, die das Wort Christi besitzt, und führt dazu Liedzitate aus der Reformation an. Es folgen weitere Ausführungen über das Wort Gottes, die Bonhoeffer in einen Appell münden lässt. Er stellt die Jungen vor die Wahl, ihr Leben auf das Wort Gottes oder auf sich selbst zu setzen und ermutigt sie, wie der Hauptmann auf das Wort Christi zu vertrauen. Er setzt den Glauben des Hauptmannes in Gegensatz zum Glauben des Volkes Israel. Israel habe die Teilnahme am Reich Gottes auf seine jüdische Abstammung gegründet. Dieser Anspruch sei aber am Wort Gottes zerbrochen. In weiteren Beschreibungen des Wortes Gottes fasst Bonhoeffer die Hauptgedanken der Katechese zusammen und fordert die Jungen zum Abschluss auf: »Wachet, steht im Glauben, seid männlich und seid stark!«180. Die Examenskatechese wurde mit ›bestanden‹ bewertet. Gewürdigt wurde der erkennbare Fleiß in der Ausarbeitung. Kritisiert wurde die geringe Auseinandersetzung mit didaktischen und methodischen Fragestellungen bei der Vorbereitung der Katechese. Der Inhalt der Katechese sei zu wenig mit bereits 178 Vgl. a.a.O., S. 598f., Anmerkung 47. 179 DBW 17, S. 53–65. Bonhoeffer gibt in einem separaten Schreiben an das Konsistorium an, für die Erstellung der Katechese folgende Literatur verwendet zu haben: »Zündel, Jesus; Bultmann, Jesus; eine Predigt Luthers über Matth. 8, 1–13 (aus »70 Predigten Luthers«, herausgegeben von Planck – Calwer Verlagsverein).«, DBW 9, S. 180. 180 DBW 17, S. 65.

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bekannten Gedankengängen verknüpft worden. Dazu fehlten Beweise, dass der Stoff von den Kindern verstanden worden sei. Die Katechese sei doktrinär und langweile die Kinder, auch habe Bonhoeffer zu hohe Anforderungen an die Jungen gestellt. Die Textkritik sei kein Bestandteil des Unterrichtes.181 Zweite Examenskatechese Bevor Bonhoeffer zu seiner Reise in die Vereinigten Staaten von Amerika aufbrach, legte er noch das zweite theologische Examen ab, darunter die Katechese182, die am 29. 06. 1930 im Kindergottesdienst der Gemeinde Berlin-Grunewald gehalten wurde. Die Examenskatechese behandelt die fünfte Bitte des Vaterunsers. In den Literaturangaben zeigt sich eine Auseinandersetzung in der Vorbereitung mit Luthers Kleinem Katechismus. Die der Katechese vorangehende Meditation greift die Frage auf, inwieweit Kinder zur Aufnahme des Schuldgedankens und der christlichen Botschaft fähig seien. Christliche Verkündigung im Kindesalter bedinge einen natürlichen Zugang. Im Mittelpunkt der Botschaft stehe die Versöhnung durch Christi Tod und Auferstehung, die den Kindern nahe gebracht werden müsse, ohne die Botschaft selbst zu verändern. Es sei nicht voraussetzbar, dass Kinder durch ihr Gewissen bereits einen Schuldbegriff entwickelten, denn das Gewissen müsse noch geformt werden. Bonhoeffer wollte sich bei der Auslegung der fünften Bitte auf die Auslegung des Kleinen Katechismus beschränken. Die Katechese ist im Frage-Antwort-Schema geschrieben und wird von Bonhoeffer mit der Frage nach dem Wortlaut der fünften Bitte des Vaterunsers eingeleitet. Es folgt eine Übersicht über die anderen Bitten des Vaterunsers, aus denen er ableitet, wie die Kinder beten sollten. Das Bedürfnis des Körpers nach Brot überträgt er auf das Bedürfnis der Seele nach Vergebung. Er führt den Begriff der ›Schuld‹ ein und setzt ihn in Bezug zu ›Schulden‹. Bonhoeffer fügt mehrere Beispiele aus dem Alltag der Kinder ein, mit denen er die Bedeutung der Bitte um Vergebung der Schuld aufzeigt. Fragendentwickelnd leitet er die Vergebung dem eigenen Schuldiger gegenüber aus der empfangenen Vergebung von Gott ab. Parallel dazu entwickelt er den Vergleich eines zu Weihnachten beschenkten Kindes, das andere Kinder ebenfalls beschenken möchte. Ein Grund für die fehlende Bereitschaft, dem anderen zu vergeben, sei die Verletzung der Ehre. In einem monologischen Einschub betont er, dass Gottes Ehre durch die Schuld der Menschen verletzt worden sei. Gott habe sich seine Ehre mit dem Tod Christi etwas kosten, aber auch wieder zu181 Vgl. DBW 9, S. 186f. 182 DBW 10, S. 549–565. Als verwendete Literatur stellt Bonhoeffer der Katechese folgende Angaben voran: »H. Seebold, Ausführliche Erklärung des kleinen Katechismus, 1858. J. Nissen, Unterredungen über den kleinen Katechismus Luthers, 1859. J. Kolbe, Der kleine Katechismus Luthers, 1898. A. Eckert, Der Katechismusstoff des Konfirmandenunterrichts, III–V. Hauptstück, 1905. O. Hardeland, Zweiundfünfzig Konfirmandenstunden, 1910.«

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rückgeben lassen. Mit Wortanalysen aus dem Kleinen Katechismus und dem Vaterunser, die er in einer Anrede an die Kinder zusammenführt, bringt Bonhoeffer die Katechese zum Abschluss. Für die zweite Examenskatechese erntete Bonhoeffer von Meumann eine ausgezeichnete Bewertung. Bonhoeffer habe es verstanden, bei den Kindern Spannung aufzubauen und sie zur Mitarbeit anzuregen. Die Antworten der Kinder habe er geschickt in die Katechese eingearbeitet.183 Die schriftliche Katechese wurde dagegen wieder nur mit ›bestanden‹ bewertet. Die Beurteilung hebt den Umgang Bonhoeffers mit den Kindern und das Eingehen auf die gegebenen Antworten positiv hervor. Negativ beurteilt wird die Überforderung der Kinder. Zudem wirke die Katechese durch zu lange Ausführungen ermüdend.184 Beurteilung der Katechesen Die Katechesen, die für die katechetischen Seminare und die Examina erstellt wurden, sollen nun auf Gemeinsamkeiten, Abweichungen und Auffälligkeiten analysiert werden. Es ist davon auszugehen, dass Bonhoeffer bei der Themenwahl der Katechesen durch die Seminare und das Prüfungsamt festgelegt war. Ebenfalls festgelegt war Bonhoeffer auf das Frage-Antwort-Schema, das bis auf den katechetischen Entwurf in unterschiedlicher Qualität eingehalten wurde. Den meisten der Katechesen geht als einleitender Teil eine Exegese oder Meditation voraus. Der Einstieg erfolgt in der Regel mit dem Vorlesen des zugrunde liegenden Textes. Hier findet sich ein Unterschied zu den Ansprachen für den Kindergottesdienst, in denen Bonhoeffer den Bibeltext ausschließlich erzählt. Beliebte Elemente Bonhoeffers in den Katechesen sind militärische Begriffe wie Heer und Soldaten sowie der Ehrbegriff. Hinzu kommen vor allem schulische Erlebnisse oder Beispiele. Es ist anzunehmen, dass Bonhoeffer diese Themen als interessant für die Adressaten der Katechese hielt. Dass er den Adressaten in sprachlicher Hinsicht oder mit dem Anspruchsniveau nicht immer ganz gerecht wurde, belegen neben eigenen Beobachtungen auch Korrekturvermerke. Ein weiteres kennzeichnendes Element der Katechesen Bonhoeffers ist der Einschub von Monologen, die Kurzpredigten gleichen. Trotz der Bonhoeffer vorgeworfenen geringen Auseinandersetzung mit Methodik und Didaktik scheinen die formalen Anforderungen erfüllt, da sie bis auf kleinere Anmerkungen nicht explizit in der Korrektur kritisiert werden. Die didaktischen Schritte sind gut nachvollziehbar, zudem finden sich kreative Elemente in den Katechesen: die Verwendung von Parolen und Vergleichen, die er im Verlauf der Katechese weiterentwickelt, sowie lebensnahe Beispiele. Die rhetorischen Fragen und 183 DBW 10, S. 188. 184 Vgl. a.a.O., S. 185.

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Ausschmückungen zeugen von einem guten Einfühlungsvermögen Bonhoeffers in die handelnden Personen und erzeugen große Spannung. Weniger geschickt sind Grammatik- und Wortanalysen, die den Eindruck einer Prüfungssituation für die Kinder vermitteln. Auch eine gewisse Langatmigkeit innerhalb der Katechesen lässt sich nicht bestreiten. Mit seinen Fragen setzt Bonhoeffer ein hohes Faktenwissen der Kinder voraus. Obwohl Bonhoeffer die Beurteilung der Katechese des ersten theologischen Examens nicht sehr ernst nahm, scheint er deren Kritik bei der Vorbereitung der zweiten Examenskatechese berücksichtigt zu haben: Der zweiten Examenskatechese stellt er ein Literaturverzeichnis voran und überprüft am Ende der Katechese den Lernerfolg der Kinder mit einer Anekdote über Käthe und Martin Luther.185

3.2.4 Der Donnerstagskreis Der Donnerstagskreis entstand aus der Kindergottesdiensttätigkeit Bonhoeffers in Grunewald. Wie auch der Kindergottesdienst geschlechtsspezifisch erteilt wurde, so war der Donnerstagskreis nur für Jungen ausgelegt, die für den Kindergottesdienst zu alt geworden waren. Dass Bonhoeffer einen solchen Kreis trotz seiner Vielzahl an weiteren Verpflichtungen anbot, zeigt sein Interesse an der Schaffung von altersgemäßen Angeboten und an der fortwährenden Einbindung von Kindern und Jugendlichen in die Kirchengemeinde. Im April 1927 begann Bonhoeffer mit der Arbeit am Donnerstagskreis, zu dem er die Jungen, teilweise auch mit jüdischem Hintergrund, zu sich nach Hause einlud.186 Mietete er sich für spätere Treffen mit Konfirmanden aus der Berliner Arbeiterschicht ein eigenes Zimmer an, um den gesellschaftlichen Kontrast nicht zu verschärfen, so lässt sich Bonhoeffers Entscheidung, die Treffen in seinem Elternhaus stattfinden zu lassen, folgendermaßen erklären: Entweder kam ihm zu diesem Zeitpunkt die Möglichkeit eines externen Treffpunktes nicht in den Sinn oder es stand kein kirchlicher Raum zur Verfügung. Da die Teilnehmer aus ähnlichen Verhältnissen wie Bonhoeffer stammten, trifft wohl die erste Erklärung zu. Der Donnerstagskreis nahm eine stark kulturelle und intellektuelle Ausrichtung ein. Die Einladung selbst nennt den Donnerstagskreis einen »Lese- und Ausspracheabend«187. Das Programm besteht aus zwölf Punkten, von denen das 185 Vgl. DBW 17, S. 56 und vgl. DBW 10, S. 46, 549f. und 561–565. 186 Vgl. Bethge (2005), S. 126. 187 DBW 9, S. 578f.

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Christentum den meisten Raum einnimmt. Die anderen Abende behandeln fremde Kulturen und Künstler sowie deren Gottesverständnis. Die Abende waren eher intellektuell angelegt, neben den Referaten zu den einzelnen Themen wurden Auszüge aus Büchern namhafter Schriftsteller gelesen. Jeder Abend begann mit dem Referat eines Teilnehmers, es folgte ein Teil mit Diskussion und Zusammenfassung. Die Teilnehmer wurden aufgefordert, ein Neues Testament mitzubringen. Damit bezog Bonhoeffer die Teilnehmer in die Verantwortung für die Gestaltung eines Abends mit ein. Im Gegensatz zum Kindergottesdienst, in dem Bonhoeffer durch die Ansprachen eine zentrale Stellung im Vordergrund einnahm, übergab er diese Stellung an den jeweils referierenden Jungen, beziehungsweise an die Jungen, die sich an der Diskussion beteiligten. Von den zweiundzwanzig Themen behielt sich Bonhoeffer nur ein Thema selbst vor. Sein Referat ›Die katholische Kirche‹188 (siehe hierzu auch Gliederungspunkt 4.2) ist in ausformulierter Form erhalten. Bonhoeffer geht darin zunächst auf die besonderen Elemente im Leben eines katholischen Christen ein: Sakramente und kirchliche Weihen. Danach stellt er die Frage nach dem Weg zum Heil und der Heilsgewissheit aus katholischer Perspektive. Er kommt auf den Haupteinwand zu sprechen, der sich gegen die katholische Gottesanschauung richtet. Der Schluss des Referates mündet in eine Stellungnahme, die die Verdienste des Katholizismus würdigt, kritische Anfragen bringt, aber auch Hilfestellungen für den Umgang mit der ›Schwesterkirche‹ aufweist, hier finden sich schon Anklänge an Bonhoeffers späteres Engagement für die Ökumene. Das Referat ist übersichtlich gegliedert, Wortwahl und Stil verlangen allerdings volle Aufmerksamkeit und einen besonderen Intellekt der Zuhörer. Da Bonhoeffers Referat erst mehrere Monate nach Beginn des Donnerstagskreises gehalten wurde, kann es aber nicht als Vorlage für die anderen Referate beabsichtigt worden sein. Neben den Themenabenden besprach und besuchte der Donnerstagskreis gemeinsam Konzerte und Opern. In seinem letzten Donnerstagskreis kam Bonhoeffer auf das Wesen des Christentums zu sprechen. Besprochen wurden an diesem Abend Fragen, die die Jungen selbst mitbrachten. Wie bei seiner letzten Ansprache im Grunewalder Kindergottesdienst ist auch hier davon auszugehen, dass Bonhoeffer zum Abschluss aufgriff, was ihn bewegte und was er den Jungen mitzugeben beabsichtigte. Er selbst leitete über zur Frage nach dem Wesen des Christentums und es entstand, wie zuvor von ihm auch in seinem letzten Kindergottesdienst erlebt, eine Atmosphäre der Bewegtheit.189 Aus heutiger Sicht ließe sich vermutlich mit einem solch kulturell und intellektuell fordernden Programm nur mit mäßigem Erfolg eine Jugendarbeit 188 A.a.O., S. 578–584. 189 Vgl. Bethge (2005), S. 126 und vgl. DBW 10, S. 21.

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gestalten. Auch wenn es zu Bonhoeffers Zeit noch andere Arten der Jugendarbeit gab, wie beispielsweise im Wandervogel und der aufkommenden Sportvereinsbewegung, so ging der Inhalt des Donnerstagskreis wohl nicht an seiner Zielgruppe vorbei. Bonhoeffers Zugehörigkeit zum Bildungsbürgertum mit seiner umfassenden literarischen Bildung spielte bei der Auswahl der Inhalte sicherlich eine Rolle. Mit den Jungen blieb Bonhoeffer noch während seiner Zeit in Barcelona und New York in Kontakt, wohin sie ihm ihre Dichtungsversuche schickten oder ihn um Rat fragten. Ein Brief, den Bonhoeffer 1931 in New York von einem Schüler des Donnerstagskreises erhielt, verdeutlicht den Einfluss Bonhoeffers in diesem Kreis: »Ich glaube auch, das, was Sie über sich schreiben, verstanden zu haben, vor allem die Erneuerung Ihrer Philosophie und Theologie durch neue Anschauungen.«190 Nach dem Weggang Bonhoeffers wurde der Kreis von Götz Grosch übernommen, der 1935 auch als Kandidat in das Predigerseminar Finkenwalde eintrat.191

3.3

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3.3.1 Kindergottesdienst und Konfirmandenunterricht Mit dem elfmonatigen Vikariat in Barcelona ließ Bonhoeffer bewusst seine gewohnte Welt hinter sich, um »völlig auf eigenen Füßen stehen zu kommen«192. Vor allem bei den Barcelonaer Kindern und Jugendlichen fiel Bonhoeffer der Unterschied zu seiner Heimat auf: Sie seien von der Jugendbewegung in Deutschland gänzlich unberührt geblieben und hätten vom Ersten Weltkrieg und seinen Folgen nichts oder nur wenig erlebt. Da es außer den Gottesdiensten keine Gemeindearbeit gab, sollte Bonhoeffer sich besonders um die Einrichtung eines Kindergottesdienstes bemühen. Der Kindergottesdienst stellte den Beginn seiner alle Altersgruppen umfassenden Jugendarbeit in der Gemeinde dar. Auf Einladung von Bonhoeffers Lehrpfarrer Fritz Olbricht war zunächst nur ein einziges Mädchen zum ersten Kindergottesdienst erschienen. Bonhoeffer warb daraufhin gezielt, was einen Anstieg auf fünfzehn Kinder nach sich zog. Er wurde bei den Kindern schnell beliebt und konzentrierte sich auf einen weiteren Ausbau des Kindergottesdienstes, den er auch als möglichen Türöffner für den beabsichtigten Religionsunterricht an der Schule ansah. Die Besucherzahl des Kindergottesdienstes pendelte sich schnell bei durchschnittlich vierzig Kindern 190 A.a.O., S. 631. 191 Vgl. Bethge (2005), S. 126. 192 DBW 10, S. 19.

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ein. Der Kindergottesdienst wurde so beliebt, dass selbst in der heißen Zeit des Jahres die Kinder auf einer Fortführung des Kindergottesdienstes bestanden.193 Bonhoeffer räumte ein, es sei schwer »einen Kindergottesdienst aus dem Boden zu stampfen«194. Seine Erfahrungen im Umgang mit Kindern aus der Zeit des Grunewalder Kindergottesdienstes kämen ihm aber zugute. Vorteilhaft bei der Einrichtung des Kindergottesdienstes waren Bonhoeffers junges Alter sowie seine Herkunft aus Berlin. Beispielsweise erregte er bei seinem ersten Besuch an der Schule schon allein durch die Form seines Hutes Aufsehen, der unter den Jungen als modern bewundert wurde.195 Die Arbeit im Kindergottesdienst begeisterte Dietrich Bonhoeffer, beinahe alle Briefe aus Barcelona weisen darauf hin. An seinen Berliner Studienfreund Walter Dress schrieb er : »Der Kindergottesdienst macht mir große Freude. Die Kinder sind so ahnungslos, daß das erschreckend und doch schön zugleich ist. Es ist an ihnen in kirchlicher Hinsicht noch nichts verdorben«196. Den Grund für die eifrige Beteiligung der Kinder am Kindergottesdienst sah er im fehlenden Religionsunterricht an der deutschen Schule. Ein anderer Grund lässt sich aus der Intensität ableiten, mit der sich Bonhoeffer um die Kinder kümmerte und ihnen nachging. Jedes Kind, das zum Kindergottesdienst kam, besuchte er sofort zu Hause. Durch die Besuche bekam er Zugang zu den Familien der Gemeinde.197 Die Lehrer der Schule schilderten ihm die Kinder, die er im Kindergottesdienst betreute, als sehr schwierig. Er habe in seinem Kindergottesdienst »Faulpelze, Tunichtguts, Frühreife, etc«198. Bei seinen Besuchen stellte er fest, dass sich einige der Kinder, die er von den Lehrern der Schule als sehr schwierig geschildert bekommen hatte, zu Hause als nett und gut erzogen erwiesen. Aus der Barcelonaer Zeit existiert lediglich eine Ansprache, die allerdings nicht sicher in diese Zeit zu datieren ist. Sie besticht inhaltlich durch Parallelen zur vermutlich nach Bonhoeffers Rückkehr in Berlin gehaltenen Ansprache.199 Beide Ansprachen wurden für den Totensonntag vorbereitet und sollen zusammen betrachtet werden.200 Bonhoeffer stellt den Ansprachen keinen Bibeltext voran, sondern beginnt sie mit der Frage nach der Vergänglichkeit der 193 194 195 196 197 198 199

Vgl. a.a.O., S. 25f., 33, 65 und 125f. A.a.O., S. 37f. Vgl. a.a.O., S. 34. A.a.O., S. 72. Vgl. DBW 10, S. 42. A.a.O., S. 27. Die Herausgeber der DBW betonen die Eigenständigkeit der letztgenannten Ansprache, die nicht als Version der erstgenannten Ansprache verstanden werden darf, vgl. Bonhoeffer a.a.O., S. 545, Anmerkung 1. Dennoch kann angesichts der inhaltlichen Parallelen vermutet werden, dass die frühere Fassung Bonhoeffer bei der erneuten Vorbereitung einer Totensonntags-Ansprache als Vorlage diente. 200 A.a.O., S. 525–528 und S. 545–548.

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Schöpfung, beginnend mit demselben Wortlaut: »Habt ihr wohl schon einmal darüber nachgedacht […]?«201. In beiden Ansprachen erwähnt Bonhoeffer explizit Bäume, die trotz ihres hohen Alters nach Gottes Willen sterben müssen. Er leitet über zum Leiden eines Menschen, wenn er das Sterben eines Familienmitgliedes oder eines Freundes miterlebt und in seinem Leiden die Frage nach der Theodizee stellt. Dieser, teils auch im Wortlaut ähnlichen Einleitung, schließt Bonhoeffer eine Geschichte über eine Frau an, die Mann und Sohn verliert und Gott anklagt. In der Barcelonaer Version erzählt Bonhoeffer diese Geschichte sehr ausführlich und bettet sie in den Kontext des Ersten Weltkrieges ein. Trost erhält die Mutter in Form eines Briefes vom Sterbebett ihres Sohnes. In der Berliner Version bleibt die Mutter ungetröstet, vielmehr dient sie den Kindern des Kindergottesdienstes als Beispiel für jemanden, dem das biblische Trostwort aus Apk 7, 17 in der Trauer unbekannt geblieben ist. Die Formulierung Bonhoeffers an dieser Stelle: »diese Frau hatte nicht das Wort gehört, das wir eben gehört haben«202, lässt darauf schließen, dass der Ansprache bereits eine Begegnung der Kinder mit einem Bibeltext oder Vers vorausgegangen war. Die Erzählung der trauernden Mutter wurde von Bonhoeffer in der Berliner Version sehr kurz gehalten, um der zweiten Erzählung über Christenverfolgung Platz zu geben. Zeigte sich in der Barcelonaer Version noch die Mutter sowohl in ihrer Anklage als auch in ihrem Vertrauen auf Gott, so verwendet Bonhoeffer in Berlin die Verfolgung von Christen im Römischen Reich und im Baltikum. Mit diesen Berichten hebt Bonhoeffer das Vertrauen der Christen auf Gott hervor und unterstreicht in ihrem Martyrium ihre positive Haltung zum Tod. Für die frühere Entstehung der Barcelona zugeordneten Ansprache spricht ihr Ende, das im Vergleich zur Berliner Ansprache weniger rund und eher unzusammenhängend wirkt. In jeweils nur wenigen Sätzen spricht Bonhoeffer mehrere weite Themenfelder an: Er führt die Prüfungen im Leben an, in die Gott den Menschen stellt, erwähnt die Hiobsgeschichte in Grundzügen, das Himmelreich, das Kirchenjahr und die eigene Vergänglichkeit des Menschen. Weitere Ansprachen existieren nicht. Es ist davon auszugehen, dass die Ansprachen verloren gingen oder von Bonhoeffer nicht mehr aufgeschrieben wurden. Ein wichtiger Bestandteil seiner Arbeit mit Kindern muss das Erzählen biblischer Geschichten gewesen sein, denn Bonhoeffer ließ sich von seinen Eltern die Bilderbibel von Schnorr von Carolsfeld schicken.203 Ein Tagebucheintrag berichtet, dass Bonhoeffer den Kindern die Geschichte vom verlorenen

201 A.a.O., S. 525 und 545. 202 A.a.O., S. 547. 203 Vgl. Bethge (2005), S. 143.

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Paradies erzählte und dabei eine große Ahnungslosigkeit der Kinder feststellte.204 Die Aktivitäten blieben aber nicht auf den Kindergottesdienst an sich beschränkt: Daneben gab es noch Ausflüge, zum Beispiel plante Bonhoeffer mit den Kindern an Ostern eine zweitägige Fahrt in die Berge.205 Zu Weihnachten führte er das Krippenspiel ein, das der Gemeinde bisher nicht bekannt gewesen war. Bonhoeffer war sehr davon berührt, wie eifrig die Kinder bei der Sache waren. Das Krippenspiel wurde ohne Kulissen und Beleuchtungseffekte aufgeführt und hatte einen großen Erfolg in der Gemeinde.206 An dieser Stelle spiegelt sich mit Sicherheit Bonhoeffers Gabe wider, ohne großen Aufwand gelungene Aufführungen zu inszenieren. Olbricht nutzte die Anwesenheit Bonhoeffers, um Urlaub zu machen und Reisen in die Diaspora zu unternehmen. In dieser Zeit übernahm Bonhoeffer dessen Aufgaben, wozu auch der Konfirmandenunterricht gehörte. Die Arbeit mit den Konfirmanden bereitete ihm ebenfalls viel Freude. Er wunderte sich über die Ignoranz, die er dort antraf, und die Trägheit, sich mit neuen Gedanken auseinanderzusetzen. Zum Konfirmandenunterricht, den Bonhoeffer erteilte, gibt es keine näheren Hinweise, aber Olbricht zeigte sich mit Bonhoeffers Vertretung sehr zufrieden.207 Olbricht dagegen galt für Bonhoeffer als Anti-Beispiel, was dessen Unterricht und Umgang mit Konfirmanden anging. In Bonhoeffers Augen hatte Olbricht trotz seiner Beliebtheit bei der Gemeinde seinen Beruf verfehlt. In einem Tagebucheintrag schildert er, wie Olbricht die Konfirmanden bei Fragen oder Zweifeln anschrie, im nächsten Augenblick aber nichts mehr davon zu wissen schien. Seinen Unterricht sah Bonhoeffer als »hoffnungslos verständnislos«208 an.

3.3.2 Religionsunterricht und Vortragsreihe Aus vielen seiner Briefe aus Barcelona lässt sich entnehmen, wie sehr Bonhoeffer die Einrichtung eines Religionsunterrichtes am Herzen lag und wie sehr er sich darum bemühte. Nach Gesprächen am Gymnasium der deutschen Kolonie spielte er sogar mit dem Gedanken, dem Gesangverein beizutreten, um seinem Vorhaben näherzukommen. Durch den Kindergottesdienst hoffte er, eine Tür zum schulischen Religionsunterricht öffnen zu können. Noch drei Monate vor der Rückkehr nach Berlin hielt Bonhoeffer an seinem Plan fest: In einer Sitzung 204 205 206 207 208

Vgl. DBW 10, S. 27. Vgl. a.a.O., S. 44. Vgl. a.a.O., S. 122. Vgl. a.a.O., S. 82, 108, 111 und 134. A.a.O., S. 136.

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des Presbyteriums stellte er einen arbeitsreichen Plan vor, mit dessen Hilfe er die Einrichtung von Religionsunterricht an der Schule zu erreichen suchte. Bonhoeffers Bemühungen waren nicht von Erfolg gekrönt: Das Lehrerkollegium stellte sich dagegen und Pfarrer Olbricht wollte nicht eines Tages mit den zusätzlichen Aufgaben allein gelassen werden.209 Im Winter 1928/29 veranstaltete Bonhoeffer eine Vortragsreihe, durch die ein Aussprachezirkel zustande kam. Der Aussprachezirkel erinnert an den Donnerstagskreis für Berliner Gymnasiasten. Zur Freude Bonhoeffers war der Aussprachezirkel durch die Schüler der deutschen Schule selbst angeregt worden.210 Er selbst bezeichnet den Aussprachezirkel als »freiwilligen Religionsunterricht«211. Damit wird das Anliegen Bonhoeffers deutlich, das er mit dem Aussprachezirkel verfolgte. Nach dem Scheitern des Plans zur Einrichtung von Religionsunterricht an der deutschen Schule beabsichtigte Bonhoeffer wohl nun, den Jugendlichen einen Ersatz zu bieten und zugleich zu bekunden, dass noch Interesse am schulischen Religionsunterricht bestand. Thematisch behandelte Bonhoeffer das ›Wesen des Christentums‹ und verschiedene andere Fragestellungen, wie beispielsweise die Unsterblichkeit. Zu jedem Vortragsabend gab es im Vorfeld eine Pflichtlektüre, über die referiert und debattiert wurde. ›Die Tragödie des Prophetentums und ihr bleibender Sinn‹ Die Vortragsreihe zeigt, dass Bonhoeffers gemeindepädagogischer Fokus nicht ausschließlich auf der Kinder- und Jugendarbeit lag. Den Mangel an Vorträgen in der Gemeinde erwähnte er vier Monate nach seiner Ankunft in Barcelona in einem Brief an Max Diestel.212 Da Bonhoeffer in diesem Zusammenhang bereits Erwägungen über die Durchführung von Gemeindeaktivitäten im Winter anstellt, lässt sich vermuten, dass er sich zu diesem Zeitpunkt schon gedanklich mit der Durchführung einer Vortragsreihe befasst hatte, von deren Vorbereitung er erstmalig Mitte August berichtet. Die ersten Eingewöhnungsmonate, welche von Bonhoeffer als besonders schnell vergehend empfunden wurden, mündeten in die Ferienzeit. Die damit einhergehenden Vertretungen, die Bonhoeffer bis Ende Oktober in Anspruch nahmen sowie seine Erkrankung ließen den Beginn der Vortragsreihe erst am 13. November 1928 zu.213 Das Thema des vierteiligen Vortragszyklus lautete: ›Not und Hoffnung in der religiösen Lage der Gegenwart.‹214 Mit dem Gegenwartsbezug sollten die 209 210 211 212 213 214

Vgl. a.a.O., S. 24f. und 104f. und vgl. Bethge (2005), S. 143f. Vgl. DBW 10, S. 112f. A.a.O., S. 176. Vgl. DBW 10, S. 65. Vgl. DBW 10, S. 42, 58, 95,104 und 134. Olbricht nennt in seinem Bericht an den Deutschen Evangelischen Kirchenausschuss vier Vortragsthemen, vgl. DBW 10, S. 135. Allerdings existieren nur die Manuskripte zu den

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kirchlichen Belangen gegenüber eher uninteressierten Gemeindeglieder angezogen und ihre geistliche Lethargie überwunden werden. Die Vorträge bereitete Bonhoeffer sorgfältig vor und formulierte sie schriftlich aus. Die Themen hielt er bewusst allgemein, um seinen Zuhörern einen Überblick zu verschaffen.215 Im ersten der Vorträge216 nennt Bonhoeffer die Beteiligung an und Orientierung in zeitgenössischen Fragen als Gründe, die ihn zur Durchführung der Vorträge veranlasst hätten. »Die Fragen, die wir behandeln wollen, sind zutiefst Gegenwartsfragen, auch wenn sich ihr äußeres Gewand unmodern, altertümlich anmutet. Jedes Wort soll aus der Gegenwart für die Gegenwart gesprochen sein, nicht immer ausgesprochen, aber für den Beobachter unserer Tage deutlich genug.«217

Seine Gegenwartsanalyse arbeitet eine gesellschaftliche Krise auf pädagogischem, ethischem und religiösem Gebiet heraus, von der besonders das Bürgertum betroffen sei. Auffällig ist, dass Bonhoeffer weder Gründe der Krise benennt noch deren komplexe Vorgänge mit Beispielen veranschaulicht. Stattdessen greift er auf Beispielfragen und Illustrationen zurück wie auf das Bild vom Schiffbruch, mit dem er auf der zuvor angekündigten allgemeinen Ebene verharrt. Auch in seiner Zielstellung des Vortrags nimmt sich Bonhoeffer sehr zurück. Da nur Gott in der Krise den erforderlichen Weg weisen könne, sei es höchstens möglich, in eine Richtung zu verweisen. Die Themenwahl des ersten Vortrags begründet Bonhoeffer sowohl mit einer persönlichen Vorliebe für das Prophetentum als auch mit der Vergleichbarkeit seiner Zeit mit der des alttestamentlichen Prophetentums. Wieder hält Bonhoeffer sich mit detaillierten Ausführungen zurück, indem er auf das persönliche Hör- und Urteilsvermögen seiner Zuhörerschaft setzt: »Ich werde die Parallelen nicht ausziehen, die sich bei der Schilderung jener Tage ergeben – sie könnten als kränkend empfunden werden – und doch wird jeder unausgesprochen sehen und hören, wo die Dinge Vorträgen ›Die Tragödie des Prophetentums und ihr bleibender Sinn‹ (13.11.28), ›Jesus Christus und vom Wesen des Christentums‹ (11. 12. 1928) und ›Grundfragen einer christlichen Ethik‹ (08. 02. 1929). Die Herausgeber von DBW 10 vermuten, dass ein vierter Vortrag nicht erhalten ist oder von Olbricht unabsichtlich angekündigt wurde, vgl. a.a.O. S. 135, Anmerkung 4. Wahrscheinlicher ist, dass ein vierter Vortrag von Bonhoeffer ursprünglich vorgesehen war, aber aufgrund von zeitlicher Knappheit nicht mehr gehalten werden konnte. Dafür spricht, dass Bonhoeffer am 10. 01. 1929 noch zwei weitere Vorträge ankündigte, den dritten Vortrag aber auf einen Zeitpunkt kurz vor seiner Abreise verschieben musste, und ihn schließlich am 28. 01. 1929 als »letzten Vortrag« bezeichnete. DBW 10, S. 129 und vgl. a.a.O. S. 120 und 126. Am 08. 02. 1930 hielt Bonhoeffer bei einem Besuch einen weiteren Vortrag in Barcelona, zu dem es allerdings keine näheren Hinweise gibt, vgl. DBW 10, S. 172. Aufgrund der zeitlichen Distanz ist anzunehmen, dass dieser Vortrag nicht dem Vortragszyklus zuzuordnen ist. 215 Vgl. a.a.O., S. 112. 216 DBW 10, S. 285–302. 217 DBW 10, S. 285.

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kritisch auch für uns werden.«218 Um so ausführlicher gibt sich Bonhoeffer bei der Beschreibung des Lebens und Leidens der alttestamentlichen Propheten. Er stellt eine Begriffsdefinition voran, in die sein Verständnis des Prophetentums einfließt, das sich schon im Vortragstitel ankündigte: »Ein Prophet ist ein Mann, der sich von Gott in einem bestimmten, erschütternden Augenblick seines Lebens angefaßt und berufen weiß und nun nicht anders kann, als hintreten unter die Menschen und den Willen Gottes verkündigen. Die Berufung ist der Wendepunkt des Lebens geworden, und es gibt für ihn nur noch eines, dieser Berufung folgen, mag sie ihn ins Unglück, in den Tod führen.«219

An dieser Definition orientiert sich Bonhoeffer mit den inhaltlichen Schwerpunkten seines Vortrags. Er schildert die Berufung und die Härten des prophetischen Wirkens von Amos, Jesaja und Jeremias. Dabei zeigt er anschaulich auf, wie ihr göttlicher Auftrag sie zu Verachteten der Gesellschaft werden lässt. Sie erleiden im Kampf um Aufmerksamkeit und Haltung des Volk Israels emotionale und körperliche Extremzustände und werden verfolgt. Die theologische Ausrichtung des Vortrags bringt einen für die Zuhörer wohl unerwarteten Gedankengang: Die Tragödie des Prophetentums rührt nicht allein vom Volk her, das den prophetischen Worten und dem göttlichen Gebot ablehnend begegnet. Vielmehr ist Gott selbst der Verursacher der Tragödie. Bonhoeffer zeichnet ein Bild eines alles fordernden und zerstörerischen Gottes: »Gott hat sich ein Gefäß seines Willens ausgewählt, aber er zerbricht das menschliche Gefäß, weil er zu gewaltig ist, Gott zerreißt, zerbricht, vernichtet die seelisch-harmonische Gestalt des Menschen, durch den er sich verkünden läßt, […] Gott selbst wirkt die Tragödie des Prophetenlebens, damit an dieser Niederlage des Menschlichen die Gewalt, der Anspruch, die Last der göttlichen Forderung hell ins Licht trete.«220

Für Bonhoeffer selbst ist dieser Gedanke allerdings nicht neu und wurde von ihm schon zuvor gemeindepädagogisch verarbeitet. In der Ansprache über Jer 27–28, die vermutlich zu Beginn des Jahres 1927 gehalten wurde (siehe auch Gliederungspunkt 3.2.2) findet sich ein ähnliches Verständnis über die göttlich bedingte Schwere des Prophetenamts: »Jeremias naher Verkehr mit Gott hat ihn zum Fluch über sein Leben gebracht. Kinder, mit Gott sein macht nicht glücklich. Das lernen wir an Jeremia.«221 Es stellt sich nun die Frage nach der Wirkung des Vortrags auf die Zuhörenden. Der Einstieg mit einem alttestamentlichen Thema in den Vortragszyklus erscheint unter den Gesichtspunkten sinnvoll, dass es wesentliche Grundprobleme des christlichen Lebens und Glaubens aufwirft, thematisch zu den fol218 219 220 221

DBW 10, S. 288. Ebd. DBW 10, S. 292. DBW 9, S. 567.

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genden Abenden hinführt und das Interesse der Zuhörer weckt. Letzteres scheint Bonhoeffer gelungen zu sein. Er berichtet von einem Anstieg der Besucherzahlen im Vergleich vom ersten zum zweiten Vortragsabend und einem lebhaften Interesse der Gemeinde an den Vortragsthemen.222 Die Aufmerksamkeit seiner Zuhörer hat Bonhoeffer sicherlich sowohl durch den aufgezeigten Gegenwartsbezug als auch mit seiner strukturierten und begründeten Vorgehensweise erhalten, die sich durch den gesamten Vortrag hindurch zieht. Zudem berücksichtigt Bonhoeffer den Kenntnisstand seiner Zuhörer, indem er beispielsweise den Begriff des Propheten definiert und den zeitgeschichtlichen Kontext des alttestamentlichen Prophetentums berücksichtigt. Allerdings hat Bonhoeffer von seinen Zuhörern in inhaltlicher Hinsicht wohl in zweifacher Weise zu viel verlangt. Zum einen überforderte er sie, indem er ihnen eine Antwort auf die kritischen Fragen der Gegenwart sowie die Erörterung der zeitgeschichtlichen Parallelen vorenthielt. Zum anderen stieß er bei seinen Zuhörern wohl mit der Antwort auf Unverständnis, mit der er die Tragik der alttestamentlichen Propheten erklärte. Bethge kritisiert neben der Vernachlässigung der Gegenwartsfragen auch die psychologische Interpretation der großen Propheten – von Bonhoeffer in fast identifizierender Einfühlung vorgenommen – welche er eigentlich habe vermeiden wollen.223 ›Jesus Christus und vom Wesen des Christentums‹ Am 11. 12. 1928, fast einen Monat nach Beginn des Vortragszyklus, hielt Bonhoeffer seinen zweiten Vortrag224. Diesen leitete er mit folgenden Worten ein: »Ob Christus in unseren Tagen noch an einer Stelle stehen kann, an der die Entscheidungen über das Tiefste, das wir kennen, über unser und unser Volkes Leben, fallen, das ist die Frage, die wir uns heute vorlegen.«225 Auch hier findet sich die von Bonhoeffer im ersten Vortrag angekündigte Auseinandersetzung mit der Gegenwart, ihren Fragen und Geistesströmungen. Bonhoeffer sieht Christus und Religion in der Gesellschaft seiner Zeit in einer isolierten Position. Christus sei aber nicht zu verstehen, wenn er nur einen bestimmten Bereich des eigenen geistigen Lebens einnehme oder in seiner Bedeutung relativiert werde. Christus habe einen absoluten Anspruch an den Menschen und fordere dessen Entscheidung in Form eines »schroffen Entweder – Oder«226. Bonhoeffers Ziel des Vortrages ist es, diesen Anspruch in seiner Aktualität und gegen die vorherrschenden Säkularisierungsströmungen herauszustellen.227 222 223 224 225 226 227

Vgl. DBW 10, S. 117 und 177. Vgl. Bethge (2005), S. 149. DBW 10, S. 302–322. DBW 10, S. 302. DBW 10, S. 303. Vgl. DBW 10, S. 302ff.

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In einem Exkurs zur historischen Kritik versucht Bonhoeffer, die Gründe für die derzeit herrschende Unklarheit – auch in der Theologie – über das Wesen des Christentums aufzuzeigen. Einerseits werde die Einzigartigkeit des christlichen Glaubens angesichts zahlreicher Parallelen zu den antiken Religionen und ihren Mythen geschmälert. Andrerseits sei aus den neutestamentlichen Quellen der historische Jesus nur schwer zu rekonstruieren, was zu einer völligen aber irrtümlichen Mythologisierung Jesu geführt habe. Das Neue Testament lasse sich nicht mithilfe der Begriffe des 20. Jahrhunderts verstehen. Vielmehr müsse es in seiner ursprünglichen Intention gelesen werden, auch wenn es sich nicht mit dem modernen psychologischen und philosophischen Verständnis vertrage. Das Wesen des Christentums stelle sich im Neuen Testament dar als »das erschütternde Erlebnis, das die Gemeinde an der Gestalt des Jesus von Nazareth machte, der sich der Christus, d. h. der Messias, der Gesalbte, d. h. die Offenbarung Gottes in der Welt nannte.«228 Bonhoeffer fügt hinzu, dass diese Sache für Jesus selbst im Mittelpunkt gestanden habe. Anhand von Beispielen aus den Synoptikern benennt Bonhoeffer die Entscheidung, vor die das Kommen Jesu die Welt gestellt habe: »für Gott mit ihm oder gegen Gott wider ihn.«229 Aus seiner göttlichen Vollmacht heraus stelle Jesus den Menschen vor die »Alternative des Alles oder Nichts«230 In der Literatur sei der Ruf Jesu immer wieder so verstanden worden, dass ihm wegen seiner unerbittlichen Härte nur die sittlich Starken folgen könnten.231 Bonhoeffer lenkt dagegen den Fokus auf die Menschen am Rande der Gesellschaft und auf die Kinder.232 Darin zeige sich die Einzigartigkeit Jesu. Sie bewirke gleichzeitig die Abwendung von bisherigen Werten, wenn Jesus sich den ethisch Schwachen statt den Starken zuwende. Diese Zuwendung sei im Novum des jesuanischen Gottesgedankens begründet. Gottes Ehre habe einen alleinigen Anspruch, die von jedem moralischen Anspruch des Menschen angegriffen werde. Das Wesen des Christentums liege nach Bonhoeffer nun »in der Botschaft von dem souveränen Gott, dem allein über alle Welt die Ehre gebührt, von dem ewig Anderen, Weltfernen, der sich aus dem Urgrund seines Wesens heraus in Liebe über den Menschen erbarmt, der ihm allein die Ehre gibt, der den Weg zu den Menschen geht, um dort die Gefäße seiner Ehre zu suchen, wo der Mensch nichts mehr ist, wo er verstummt, wo er Gott allein Raum gibt.«233 228 229 230 231 232

DBW 10, S. 308. DBW 10, S. 308f. DBW 10, S. 311. Vgl. DBW 10, S. 304–311. Vgl. zur theologischen Entdeckung und Bedeutung des Kindes für Bonhoeffer : Tietz, Christiane, Das Kind als Paradigma des Christseins, in: Dietrich Bonhoeffer Jahrbuch 2011/ 2012, hg. von: Clifford J. Green u. a., Gütersloh 2012, S. 188–203. 233 DBW 10, S. 316.

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Dies führt zu einer radikalen Ablehnung Bonhoeffers von Humanismus und Mystik, da sie den Abstand zwischen Gott und Mensch zu überwinden suchen und somit die alleinige Ehre Gottes angreifen.234 Bonhoeffers Absage an Kirche, Religion, Ethik, Mystik und Humanismus – er verweist allerdings auf deren Relativierung im folgenden Vortrag und schafft so ein Bindeglied zwischen den Vorträgen – mündet im Blick auf das Kreuz. Im Kreuz geschehe die deutlichste Sichtbarkeit Gottes in der Geschichte, der Ort, an dem sich Gott dem Sünder zuwende. Entscheidend sei nach Bonhoeffer, was das Kreuz dem Menschen heute zu sagen hätte angesichts von wirtschaftlichen und ethischen Problemen, von Schuld- und Vergänglichkeitsbewusstsein sowie dem Wunsch nach Erlösung. Die Schlussworte Bonhoeffers sprechen den Zuhörer einmal persönlich, einmal als Volkszugehöriger an und fordern ihn auf, auf das Kreuz zu sehen, sich auf Gott zu verlassen, das eigene Elend in einen Ort der Gottesgegenwart zu verwandeln.235 In seiner eigenen Bewertung des Vortrags erkennt Bonhoeffer zwar eine Steigerung der Besucherzahlen an, er gibt sich aber auch kritisch. Der Vortrag »[hat], glaub [sic!] ich, nicht so gefallen«236 Gründe hierfür liegen vermutlich in der erneuten Überforderung der Zuhörer, vor allem mit Bonhoeffers Exkurs zur historischen Kritik, seinen Betrachtungen zum Geschichtsverständnis sowie der Auseinandersetzung mit den geistigen Strömungen seiner Zeit, das den überwiegend theologisch und philosophisch wenig vorgebildeten Kaufleuten der Kolonie nicht gerecht wurde.237 Stellenweise spürt man die Bemühungen Bonhoeffers, auf den Kenntnisstand seiner Zuhörerschaft einzugehen: Er definiert Begriffe wie Hybris und Mystik und erklärt die Geistesströmungen, mit denen er sich auseinandersetzt, kurz. Dabei verzichtet er weitestgehend auf beispielhafte Erklärungen. Zudem wundert es, dass er bei seinen Ausführungen, was das Kreuz dem Menschen im 20. Jahrhundert zu sagen hat, auf Beispiele zurückgreift, die gerade den Jungen in Barcelona fremd waren, wie er schon zu Beginn seines Aufenthaltes erkannt hatte.238 234 Zu Bonhoeffers Verhältnis zur Mystik vgl. Dramm, Sabine, Mit offenen Augen. Mystik bei Dietrich Bonhoeffer, in: Die Zeichen der Zeit/Lutherische Monatshefte Nr. 3/2000, S. 14–16 und vgl. Gremmels, Christian, Dietrich Bonhoeffer und die Mystik, in: Bonhoeffer-Rundbrief 58, 1999, S. 16–30. 235 Vgl. DBW 10, S. 319–322. 236 DBW 10, S. 117. 237 Vgl. DBW 10, S. 33. Siehe hierzu auch Bethge (2005), S. 150. Bethge arbeitet zudem mehrfache inhaltliche Parallelen zwischen dem zweiten Vortrag und den Gefängnisbriefen heraus. 238 Vgl. DBW 10, S. 321 und S. 26: »[Die Jungen] haben von Krieg, Revolution und Nachwehen dieser Zeit nichts oder wenig erlebt, wohnen schön und bequem bei immer schönem Wetter ; wie sollte das anders sein? Die Zeit der Jugendbewegung in Deutschland ist hier spurlos vorbeigegangen.«

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Auf der anderen Seite müssen Bonhoeffers kirchenkritische Gedanken seine Zuhörer zutiefst getroffen haben. Im Vortrag formulierte er : »Das Christentum birgt in sich einen kirchenfeindlichen Keim; denn nur allzunahe liegt es, daß wir nur auf unsere Christlichkeit und Kirchlichkeit einen Anspruch an Gott begründen wollen, und damit die christliche Idee wieder völlig mißverstehen und verzerren.«239

Mit diesem Satz attackierte er ihr Bemühen um Anständigkeit und den »Klecks Kirchlichkeit«240, den er schon früher bei ihnen erkannt hatte. Wie im vorherigen Vortrag erzeugt Bonhoeffer dazu Spannung, indem er gegen die theologischen Erwartungen seiner Zuhörer argumentiert. Dies zeigt sich besonders in den Worten über Jesus als derjenige, der »sich wirklich zu den Bösewichten statt zu den Gerechten hält«241. Interessant ist der Rückgriff Bonhoeffers auf die Parolen einer Ansprache, welche er fast wörtlich und mit ähnlicher Funktion einsetzt. In der Ansprache über Lk 9, 57–62 vergleicht er Christus mit einem Kriegshauptmann, in dessen Heer die Parolen »›Alles oder Nichts‹ [und] ›Entweder – Oder‹«242 gelten. Die beiden Parolen finden sich in derselben Reihenfolge im Vortrag und werden von Bonhoeffer jeweils dreimal wiederholt.243 Auch wenn er die beiden Parolen im Vortrag nicht ausdrücklich als solche benennt, werden sie durch die Wiederholung besonders hervorgehoben und helfen, das Gehörte besser im Gedächtnis zu verhaften. ›Grundfragen einer christlichen Ethik‹ Zum Einstieg seines dritten und letzten Vortrags244, der am 08. 02. 1929 gehalten wurde, nimmt Bonhoeffer eine Beschränkung auf die Grundfragen christlicher Ethik vor. Er begründet die Begrenzung mit der Unmöglichkeit, allgemeingültige Prinzipien zu finden. Jede Handlung könne nur in ihrem Vollzug bewertet werden. Die Ethik unterliege dem Wandel der Geschichte und dem Einfluss ihres nationalen Kontexts, die einzelnen Ausprägungen seien aber als gleichwertig zu betrachten.245 Ziel des Vortrags sei es, einen Ansatzpunkt aufzuzeigen für die vorhandene Bereitschaft zu einer neuen ethischen Gestaltung des Lebens. In einer komplexen Argumentation versucht Bonhoeffer, mit einem Rückgriff auf den vorher239 240 241 242 243 244 245

DBW 10, S. 316. DBW 10, S. 65. DBW 10, S. 314. NL A 15, 3, unveröffentlicht. Siehe für ›Alles oder Nichts‹ S. 309ff. und für ›Entweder – Oder‹ S. 311ff. DBW 10, S. 323–345. Vgl. DBW 10, S. 323.

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gegangenen Vortrag, die Trennung von Christentum und Ethik darzulegen. Allerdings müsse dann die Frage nach dem Sinn der neutestamentlichen Ethik gestellt werden. Bonhoeffers Argumentation ist von der Dialektischen Theologie beeinflusst: Durch die Überwindung des Gesetzes, mit anderen Worten von Prinzipien, habe Jesus den eigenen Weg des Menschen zu Gott durchbrochen und den Menschen Gott unterstellt. Mit der Freiheit vom Gesetz werde dem Menschen die Freiheit als Grundlage christlicher Ethik zurückgegeben. Diese Freiheit ermöglicht dem Menschen – unabhängig von Moral und nur dem Willen Gottes unterstellt – die Maßstäbe seines Handelns zu schaffen. Diese Verantwortung des Menschen vor Gott bedeute zugleich höchste Einsamkeit in seinen ethischen Entscheidungen. Aus der Überwindung des Gesetzes heraus müssen nach Bonhoeffer die ethischen Gebote des Neuen Testaments verstanden werden. »Aus all dem folgt nun eigentlich, daß über inhaltliche ethische Probleme unter christlicher Beleuchtung gar nicht gesprochen werden könnte; es besteht schlechterdings keine Möglichkeit allgemein gültige Prinzipien aufzustellen, weil jeder Augenblick vor Gottes Augen gelebt eine unerwartete Entscheidung bringen kann.«246

Problematisch werde die ethische Entscheidung, wenn der Mensch nicht zwischen Gut und Böse, sondern zwischen zwei miteinander im Widerstreit liegenden göttlichen Ordnungen wählen müsse.247 Diese Problematik führt Bonhoeffer an verschiedenen ethischen Fragen aus, darunter die Frage der Kriegsdienstverweigerung, des wirtschaftlichen Handelns und der Sexualität. Orientierung an christlichen Prinzipien sei in diesen Dilemma-Situationen nicht möglich, da diese die geschenkte Freiheit des Menschen einschränkten. Die ethischen Entscheidungen sind in der Verantwortung vor Gott und im Gehorsam auf dessen Ruf in mutiger Entschlossenheit zu treffen. Dieser Ruf könne, wie im Kriegsfalle, auch einem ganzen Volk gelten. Hilfe in diesen Entscheidungen könne dem Heranwachsenden zukommen, indem er eine wirkliche Aufklärung erfahre, die sich nicht auf die körperlichen Vorgänge beschränkten, sondern auf den dahinterstehenden Schöpfer verwiesen. Auch der christliche Geschäftsmann könne auf eine Form der Hilfe hoffen, die er jemandem zuteilwerden lassen könne, den er zuvor geschäftlich zugrunde richten musste. Weltflucht sei in diesen Entscheidungssituationen keine Option für den Christen. Diese Beispiele zeigten »daß es gilt, sich hineinzustellen in die konkrete Situation und von dort den Blick auf die Ewigkeit zu richten und sich in der Zwiespältigkeit der Lage jedesmal neu die Entscheidung aus Gottes Willen zu erkämpfen, die Entscheidung mag dann fallen, wie sie will.«248 Mit seinem 246 DBW 10, S. 333. 247 Vgl. DBW 10, S. 326–334. 248 DBW 10, S. 345.

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Handeln könne der Mensch sich aber keinen Weg zu Gott schaffen, es solle vielmehr ein Zeichen seiner Dankbarkeit im Hoffen auf die Gnade und auf das Reich Gottes sein.249 Bonhoeffers Einstieg in den Vortrag lässt keine offensichtliche Verbindung zu den vorangegangenen Vorträgen erkennen. Dies verwundert angesichts des großen Abstands von zwei Monaten, der zwischen den letzten beiden Vorträgen durch die Verlegung des dritten Vortrags entstanden war. Zudem hatte Bonhoeffer noch im zweiten Vortrag einen Ausblick auf den nachfolgenden Vortrag gegeben.250 Vielleicht hat Bonhoeffer den inneren Zusammenhang vor Beginn des Vortrages in mündlicher Weise wiederholt, im Vortrag selbst stellt er die Zusammenhänge nur in indirekter Weise her. Zum Beispiel nimmt er eine indirekte Bezugnahme zu den angekündigten Gegenwartsfragen des ersten vor, die aber nur noch auf die »Bewegung der ethischen Probleme der Gegenwart unter der Beleuchtung christlicher Grundideen« beschränkt werden.251 Auch die angekündigte Relativierung des Verhältnisses von Ethik, Religion, Kirche, Humanismus, Mystik zum Christentum behandelt er, er beschränkt sie aber auf das Verhältnis von Christentum und Ethik.252 Die Aktualität der von Bonhoeffer beleuchteten ethischen Fragen muss die Zuhörerschaft sehr angesprochen haben. Die Herausgeber von DBW 10 merken an, dass Bonhoeffer sich mit dem Gedanken des von Gott gerufenen Volkes der bedrückten Stimmung nach der Niederlage im Ersten Weltkrieg und den aufgezwungenen Bedingungen des Versailler Vertrages entgegenstellt und dabei mit gerade unter Auslandsdeutschen verbreiteten Kategorien argumentiert.253 Auch die wirtschaftsethischen Ausführungen Bonhoeffers müssen die Kaufleute in der Gemeinde, denen der wirtschaftliche Ruin nicht unbekannt war, beeindruckt haben.254 Allerdings bleiben Bonhoeffers Worte an dieser Stelle sehr unkonkret.255 Hilfreich wäre es sicherlich gewesen, anhand von Beispielen zu veranschaulichen, wie man dem in Not geratenen Menschen helfen könne. Angesichts von Bonhoeffers eigenen

249 250 251 252 253 254 255

Vgl. DBW 10, S. 335–345. Vgl. DBW 10, S. 120 und 319. DBW 10, S. 285 und vgl. S. 323. Vgl. DBW 10, S. 319 und 345. Vgl. DBW 10, S. 339, Anmerkung 1. Vgl. DBW 10, S. 71. Anders Tödt, Heinz Eduard, Judendiskriminierung 1933 – der Ernstfall für Bonhoeffers Ethik, in: Ethik im Ernstfall. Dietrich Bonhoeffers Stellung zu den Juden und ihre Aktualität, hg. von: Wolfgang Huber/Ilse Tödt, München 1982, S. 144: »Der Vikar Bonhoeffer wollte in seinem Vortrag konkret werden. Das hieß in der damaligen Zeit, vor allem drei Probleme zu behandeln: erstens den Krieg […], zum andern den wirtschaftlichen Konkurrenzkampf, der sich mit der aufziehenden Weltwirtschaftskrise verstärkte; und schließlich die sexuelle Revolution der zwanziger Jahre, deren Behandlung bei Bonhoeffer doch weitgehend hinter den beiden andern Themen zurückstehen musste.«

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gemischten Erfahrungen im Hilfsverein wäre es ihm vermutlich schwer gefallen, in dieser Frage eindeutige Hilfestellungen zu geben. Interessant ist der Vergleich von Bonhoeffers Anmerkungen zur sexuellen Frage mit seinem eigenen Verhalten im Umgang mit Heranwachsenden. Etwa ein Jahr nach dem Vortrag war Köttgen, ein Junge aus dem Kindergottesdienst, den Bonhoeffer betreute, von älteren Schülern auf derbe Art und Weise aufgeklärt worden. Das neu erworbene Wissen war von Köttgen sofort an jüngere Schüler weitergegeben worden, hatte ihn zugleich aber auch verstört. Hier wird Bonhoeffers Forderung im Vortrag nach wirklicher Aufklärung verständlich, da er im Umgang mit pubertierenden Jungen vermutlich Ähnliches schon erlebt hatte. Bonhoeffer reagierte auf den Vorfall, indem er Köttgen die Möglichkeit zu einem klärenden Gespräch gab, von der der Junge anscheinend erleichtert Gebrauch gemacht hatte. Ob Bonhoeffer in dem Gespräch den von ihm im Vortrag geforderten Verweis auf den hinter den körperlichen Vorgängen stehenden Schöpfer machte, scheint allerdings fraglich. Er gibt nämlich die Empfehlung weiter, Köttgen vorerst in Ruhe zu lassen, da dieser in seiner eigenen körperlichen Entwicklung noch nicht so weit fortgeschritten sei, als dass er diese Dinge fassen könne.256 Wie in den vorangegangenen Vorträgen verlangte Bonhoeffer von seiner Zuhörerschaft sehr viel. Wesentliche Begriffe der Ethik wie Prinzipien oder Norm wurden von ihm verwendet, aber nicht oder kaum erklärt.257 Kennzeichnend für Bonhoeffer ist die Verwendung von literarischen Verweisen, an denen sich seine Herkunft aus dem Bildungsbürgertum zeigt. Teilweise zitiert er Inhalte der großen Weltliteratur in ausführlicher Weise, an anderen Stellen geschieht dies nur in Anspielungen, bei denen aber fraglich ist, ob sie durchweg bekannt sind.258 Durchweg hilfreich ist dagegen die Zusammenfassung, die Bonhoeffer am Ende des Vortrags vornimmt. In inhaltlicher Hinsicht wirft der dritte Vortrag deutliche Probleme auf. Tödt bezeichnet ihn als »Dokument, das in der Bonhoeffer-Forschung oft mit unbehaglichen und peinlichen Gefühlen und gelegentlich auch mit apologetischen Entlastungsversuchen wahrgenommen wird«259. Die Gründe hierfür liegen in der Nähe Bonhoeffers zum Nationalprotestantismus und einem Widerspruch, in den er sich bei der Erörterung, wie sich der Christ im Kriegsfall verhalten solle, verwickelt.260 Feil verweist zudem auf Mängel in der Darlegung des Weltver-

256 Vgl. DBW 10, S. 147, 165ff. und 343. 257 Vgl. DBW 10, S. 323. 258 Vgl. zum Beispiel die Anspielungen auf Nietzsche im zweiten Vortrag und die Expressionismuskritik im dritten Vortrag, DBW 10, S. 311 und 325. 259 Tödt, (1982), S. 143. 260 Vgl. a.a.O. S, 148 und DBW 10, S. 337, Anmerkung 29.

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hältnisses.261 Bethge zufolge werde die bisherige Vernachlässigung der Ethik in Bonhoeffers theologischer Arbeit sichtbar. In den folgenden Jahren habe sich mit einem erweiterten Blick und dem Einfluss der theologia crucis sein Standpunkt zur Bergpredigt und zu den aufgeworfenen ethischen Fragen deutlich verändert.262

3.3.3 Privates Engagement Bonhoeffer brachte seine ganze Person in die kirchliche Kinder- und Jugendarbeit in Barcelona ein. Einen besonderen Bezug bekam er zu einer Schar Gymnasiasten, die sich regelmäßig in seinem Zimmer versammelten. Er kümmerte sich um Schulangelegenheiten, half, schlechte Leistungen zu verbessern, verärgerte Lehrer zu beruhigen und beschenkte die Jungen.263 Um den Jungen Köttgen aus dem Kindergottesdienst kümmerte er sich besonders intensiv : Er entwickelte ein so enges Verhältnis zu ihm, dass dieser Bonhoeffer mit einem Weihnachtsbaum überraschte und ihn unter Tränen anflehte, Weihnachten bei ihm zu verbringen.264 Die Beziehung zwischen Bonhoeffer und den Jungen erhielt neben praktischer Hilfe und Betreuung auch eine seelsorgerliche Dimension. In einem Brief berichtet Bonhoeffer ausführlich von einem solchen Gespräch. Es ist anzunehmen, dass es sich dabei um Köttgen handelte, der Bonhoeffer seinen Kummer über einen verstorbenen Schäferhund klagte und die Ungewissheit zum Ausdruck brachte, ob der Hund wohl in den Himmel käme. Bonhoeffer ergriff die Initiative, nahm den Jungen mit seinem Kummer und den kindlichen Fragen ernst und weckte in ihm Hoffnung. Zugleich konnte er aber seine eigene Ungewissheit eingestehen und dem Jungen durch sein eigenes Gottesbild Hoffnung geben.265 Nach seiner Rückkehr nach Deutschland hielt Bonhoeffer Kontakt mit ihm und traf Maßnahmen für sein Wohlergehen. Auch zu den anderen Gemeindegliedern bemühte sich Bonhoeffer, den Kontakt aufrechtzuerhalten. Ein Jahr nach Ende des Vikariats besuchte Bonhoeffer noch einmal die Gemeinde in Barcelona und plante, dort zu predigen und Kindergottesdienst zu halten.266

261 Vgl. Feil, Ernst, Die Theologie Dietrich Bonhoeffers. Hermeneutik. Christologie. Weltverständnis, München 21971, S. 249f. 262 Vgl. Bethge (2005), S. 154f. 263 Vgl. Bethge (2005), S. 143–144. 264 Vgl. Bonhoeffer DBW 10, S. 72, 114 und 121. 265 Vgl. DBW 17, S. 82f. 266 Vgl. DBW 10, S. 130, 139, 149, 165ff. und 191.

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Vertretungsweise übernahm Bonhoeffer nach seiner Rückkehr aus Barcelona den Kindergottesdienst und den Konfirmandenunterricht in seiner Gemeinde in Grunewald. Die praktischen Erfahrungen, die er in der Gemeindearbeit in Barcelona gesammelt hatte, bezeichnete Bonhoeffer als besonders fruchtbar für sein Leben.267 Diese scheinen auch auf Diestel, an dessen Kandidatenkonferenzen Bonhoeffer teilgenommen hatte, einen besonderen Eindruck gemacht zu haben. Diestel rühmt die Begabungen Bonhoeffers sowohl in wissenschaftlicher als auch in praktischer Hinsicht und schlägt vor: »Ich empfehle […] ihn noch für künftige praktische [im Original hervorgehoben] Tätigkeit [sic!] im Auge zu behalten.«268 Doch zunächst entwickelte sich der Gedanke an ein Gastjahr in den USA, wo Bonhoeffer neue Studien- und Kulturerfahrung zu sammeln hoffte. Im September 1930 befand sich Bonhoeffer auf der Überfahrt nach New York, wo er einen Platz am Union Theological Seminary erhalten hatte. Neben dem Studium, zahlreichen Predigten, Ansprachen in Sonntagsschulen, Schulen und Vorträgen, wo er meistens über Krieg und Frieden zu sprechen gebeten wurde, widmete Bonhoeffer in New York viel Zeit den Besuchen in Harlem. Dieser intensive Bezug zu Harlem war durch die Freundschaft mit Frank Fisher zustande gekommen. Trotz der Brisanz der Beziehungen zwischen Weißen und Farbigen fand Bonhoeffer Zugang zur Gemeinschaft in Harlem. Paul Lehmann beschrieb das Verhältnis Bonhoeffers zu Harlem später so, dass durch Bonhoeffers kontinuierliche Besuche und seine Bücher, die er las, seine Jugendarbeit dort und seine Identifikation mit der Gemeinschaft der Anschein erweckt wurde, als ob Bonhoeffer nie ein Außenseiter gewesen sei. Beinahe jeden Sonntag besuchte Bonhoeffer die Abyssinian Baptist Church, eine der großen Baptistengemeinden der Farbigen. Schon bald beteiligte sich Bonhoeffer an der Sonntagsschule, hielt Bibelstunden und half unter der Woche in einer Church School aus. Er tat dies über einen Zeitraum von sechs Monaten, was ausreichte, um ihn grundlegende Unterschiede in der Gottesdienstkultur erkennen zu lassen. Die Gottesdienste mit ihrer Leidenschaft und ihrer Anschauungskraft beeindruckten Bonhoeffer sehr.269 In ihren Gemeinden fiel ihm die gespannte Aufmerksamkeit und Aktivität auf, wenn das Evangelium gepredigt wurde. Er bemerkte: »Im Gegensatz zur oft vortragsmäßigen Art der ›weißen‹ Predigt, wird der ›black Christ‹ mit hinreißender Leidenschaftlichkeit und Anschauungskraft

267 Vgl. a.a.O., S. 177f. 268 A.a.O., S. 178, Anmerkung 10. 269 Vgl. a.a.O., S. 197, 220, 274 und 279 und vgl. Bethge (2005), S. 163f., 180, 187 und 192.

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gepredigt«270. Die Predigten in den Gemeinden der Weißen empfand er dagegen als »herabgewürdigt zu kirchlichen Randbemerkungen zu Zeitereignissen«271. Die Situation, die er in den Sonntagsschulen der weißen Baptisten- und Methodistengemeinden antraf, sagte ihm ebenfalls nicht zu: »In den fortschrittlichen [Sonntagsschulen] werden die neuen Methoden der religious education angewandt, in der Mehrzahl der anderen ist schon die äußere Ordnung der Liturgie und des Unterrichts derartig mangelhaft und langweilig, dass die Lahmheit des inneren Lebens durch ein Vielerlei kleinerer Aktionen ersetzt werden muss. Wenn ich mit ansah, wie ein 12-jähriges Mädchen in einer Methodist Sunday School als Auszeichnung für regelmäßigen Besuch eine Schmink- und Puderbüchse geschenkt bekam und der Pastor auf diese Anpassung an die Gegenwart stolz war, so ist das ein übles Symptom radikaler Ungesundheit«272.

Trotz Bonhoeffers zahlreichen Vorträgen an Schulen ist nicht bekannt, dass er dort auch unterrichtete. Er berichtete, dass in den öffentlichen amerikanischen Schulen kein Religionsunterricht stattfände. Zudem hätte er eine solche Tätigkeit in den Berichten über das zweite Semester und an das Kirchenbundesamt mit Sicherheit erwähnt. Von seinem Besuch bei Käthe Horn in Havanna schrieb Bonhoeffer allerdings, dass er an der deutschen Schule Religionsunterricht für die letzten Tage vor den Ferien erteilt habe. Die Kinder dort hätten ihm viel Freude bereitet.273 Pfeifer arbeitet heraus, dass Bonhoeffer in den Jahren 1932–1937 auf der Suche nach dem konkreten Willen Gottes ein Konzept der Nachfolge Christi in Gruppen entwickelt und gelebt habe. »This included preparation by prayer, reading the bible, practices for body and soul, and spiritual community. After that a decision could be ventured about what the will of God meant concretely at any given moment or in a new situation.«274 Vorläufer dieses Konzepts sind nach Pfeifer in der Freundschaft Bonhoeffers zu Studenten am Union Theological Seminary zu sehen. Mit Jean Lasserre, Erwin Sutz, Frank Fisher, Paul und Marion Lehmann bildete sich ein Kreis, der sich neben diversen anderen Aktivitäten auch zu langen Diskussionsnachmittagen traf. Bonhoeffer habe erkannt, dass die sanctorum communio nicht nur ein Gedanke sei, sondern auch gelebt werden müsse. In dieser Gemeinschaft habe er sich geistlich sehr weiterentwickelt. Nach dem Ende von Bonhoeffers Zeit am Union sei ein enger Briefkontakt zwischen den Freunden bestehen geblieben. Die Bedeutung des Briefkontaktes 270 271 272 273 274

DBW 10, S. 274f. A.a.O., S. 221. A.a.O., S. 273. Vgl. a.a.O., S. 220 und vgl. DBW 12, S. 204. Pfeifer, Hans, Learning Faith and Ethical Commitment in the Context of Spiritual Training Groups, in: Dietrich Bonhoeffer Jahrbuch 3, hg. von: Victoria Barnett u. a., Gütersloh 2008a, S. 268.

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habe Bonhoeffer auch in den sich anschließend bildenden Kreisen erkannt. Am deutlichsten werde dies später in den Finkenwalder Rundbriefen.275

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3.5.1 Universitätsdozentur und Bonhoefferkreis Als Privatdozent hielt Bonhoeffer an der Berliner Universität ab August 1931 Vorlesungen und Seminare. Die Wahl von Themen, Anzahl und Umfang seiner Veranstaltungen standen ihm offen. Aus der großen Anzahl von Studenten bildete sich bald ein fester Kreis, der Bonhoeffers Veranstaltungen treu besuchte, obwohl dieser nicht zu den Prüfern und alteingesessenen Dozenten gehörte. Bonhoeffer faszinierte die Studenten durch seine Jugend, seine Eigenständigkeit und sein unabhängiges Denken. Sein Bekanntheitsgrad unter den Studenten stieg schnell. Obwohl die Mehrzahl der Theologiestudenten schon um 1931 mit dem Nationalsozialismus sympathisierte, schwand die Zahl der Sympathisanten der NSDAP um Bonhoeffer schnell.276 Von seiner ersten Vorlesung bei Bonhoeffer berichtete Wolf-Dieter Zimmermann Folgendes: Nachdem ihn die geringe Zahl der zehn bis fünfzehn Studenten im Hörsaal anfangs abgeschreckt habe, sei er dennoch aus Neugier geblieben. Später habe die Vorlesung völlig gefesselt und begeistert. Auch Ferenc Lehel berichtete von einer extrem gespannten Aufmerksamkeit unter den Studenten während Bonhoeffers Vorlesungen. Wenn Bonhoeffer am Katheder stand, so habe er meistens sehr konzentriert und mit leicht kehliger Stimme gesprochen. Dabei habe er keine Gefühle gezeigt, sei fast leidenschaftslos erschienen. Zimmermann schilderte, er habe auf ihn wie ein Berichterstatter gewirkt.277 Inhaltlich habe Bonhoeffer genau das angesprochen, was seine Generation bewegte und die Dinge aus einer für sie neuen Perspektive gezeigt. Zimmermann berichtet: »Das, was mich von Anfang an diesem Mann begeisterte, war die Art, wie er die Dinge sah, wie er sie umdrehte, weg von dem Ort, an dem sie im gewöhnlichen Alltag eingeordnet waren, hin zu dem Platz, den ihnen Gott bestimmt hatte. Und dabei ergab sich dann – gleichsam von selbst – eine Umwandlung der Werte, die uns so selbstverständlich und vertraut waren«278. 275 Vgl. Pfeifer (2008), S. 268ff. 276 Vgl. Bethge (2005), S. 251f. 277 Vgl. Zimmermann (1965), S. 45f. und 48 und vgl. Lehel, Ferenc, Mit den Augen eines Schülers, in: Begegnungen mit Dietrich Bonhoeffer. Ein Almanach, hg. von: Wolf-Dieter Zimmermann, München 21965, S. 54. 278 Zimmermann (1965), S. 46.

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Die zentrale Frage in Bonhoeffers Vorlesungen drehte sich um das Handeln und den Willen Gottes für den Menschen und wie Gott mit dem Menschen in Verbindung trete. Nachdem einige der Studenten mit Bonhoeffer Kontakt aufgenommen hätten, initiierte er im darauf folgenden Semester den von Bethge bezeichneten ›Bonhoefferkreis‹. Mit diesen Studenten traf sich Bonhoeffer regelmäßig. Die Treffen fanden bei Zimmermann statt, da Bonhoeffer sich gescheut habe, die Studenten in sein Elternhaus mitzunehmen. Unter anderem habe er gefürchtet, er könne auf die Studenten zu aufdringlich oder einschüchternd wirken. An die Themen erinnerte sich Zimmermann kaum noch, er betonte, dass es dem Kreis vielmehr darauf ankam, neue Denkwege einzuschlagen und sich nicht mit schnellen Antworten zufriedenzugeben.279 Neben den Seminaren und Treffen gab es auch gemeinsame Ausflüge des Kreises. Nach Bethge sei Bonhoeffer offen für Diskussionen gewesen, den bloßen Vortrag habe er aber als Last empfunden. An der Universität habe er Arbeitsgemeinschaften und Seminare den Vorlesungen klar vorgezogen. Er sei ständig auf der Suche nach neuen Konzeptionen gewesen. Je weiter er sich in das Unbekannte hinausgewagt habe, umso mehr habe ihn nach Korrektur und Gespräch verlangt.280 Pfeifer zufolge habe Bonhoeffer den Kreis aus Studenten gezielt entwickelt. Beeinflusst worden sei er sowohl von seinen Erfahrungen am Union Theological Seminary als auch von jenen mit der deutschen Jugendbewegung,281 Ergänzt werden muss, dass hinter Bonhoeffers Gemeinschaftssinn wohl nicht nur theologische Erwägungen steckten, sondern dass durch sein geselliges Wesen und sein junges Alter der intensive Kontakt besonders zu Studenten nahe lag. Wie viel Bonhoeffer die Gemeinschaft mit den Studenten bedeutete, wird bei seinen Erwägungen in London deutlich, wieder in die akademische Arbeit an der Universität zurückzukehren: »Übermäßig groß ist die Lust dazu nicht mehr. Und ich glaube nicht, daß sie bis zum Winter erheblich wachsen wird. Es ist mir nur um die Studenten zu tun. Aber vielleicht gibt es da noch andere Wege, die sich auftun.«282

3.5.2 Studentenpfarramt So intensiv sich Bonhoeffers Kontakte zu den Studenten der Berliner Universität gestalteten, so sehr scheiterten diese an der Technischen Hochschule. Vermutlich kompensierte er im Bonhoefferkreis die zermürbenden Erfahrungen des 279 280 281 282

Vgl. a.a.O., S. 46f. Vgl. Bethge (2005), S. 252 und 256. Vgl. Pfeifer (2008), S. 268f. DBW 13, S. 145.

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Studentenpfarramtes. Als Privatdozent und gleichzeitig ordinierter Pfarrer war Bonhoeffer verpflichtet, einen Hilfsdienst zu versehen. Die Arbeit im neu eingerichteten Studentenpfarramt fand unter erschwerten Bedingungen statt, da die Deutsche Christliche Studentenvereinigung (DCSV) nur wenige Mitglieder an der Hochschule verzeichnete und die Naturwissenschaftler nicht mit kirchlichen Belangen konfrontiert werden wollten.283 In einer Ausgabe des Studentenblattes der Technischen Hochschule von 1932 machte Bonhoeffer auf sein Amt aufmerksam. Er beschönigte die Entfremdung der Studenten von der Kirche nicht, wies aber auf zwei Gemeinsamkeiten hin: Die Unfähigkeit, in seiner und ihrer Zeit alleine zurechtzukommen sowie eine gemeinsame Suche nach Erkenntnis.284 In dieser Einladung an die Studenten stellte sich Bonhoeffer der Realität und versuchte, auf die Fragen seiner Zeit einzugehen. Dies scheint ihm aber bei seinen Predigten als Studentenpfarrer weniger gelungen zu sein. In ihnen spiegele sich laut Bethge kaum wider, dass seine Zuhörerschaft vorwiegend aus Technikern und Naturwissenschaftlern der Technischen Hochschule bestand. Zimmermann zufolge habe Bonhoeffers Auftreten während seinen Predigten dem Auftreten in seinen Vorlesungen geähnelt, es sei ebenso konzentriert und leidenschaftslos gewesen. Wöchentlich konnte Bonhoeffer eine zweistündige Sprechstunde an der Technischen Hochschule abhalten, dazu machte er einen Raum für Kurzandachten ausfindig.285 Vier dieser Andachten sind erhalten geblieben, sie sollen im Folgenden kurz dargestellt und auf besondere Kennzeichen hin untersucht werden. Die ersten beiden Andachten befassen sich mit der Versuchung Christi in der Wüste. Die Andacht zu Lk 4, 3–4286 leitet Bonhoeffer mit den Hauptfragen ein, die die Menschheit beschäftigten: die Frage nach Brot und die Frage nach Gott. Beide Fragen würden um den Vorrang konkurrieren und spiegelten das soziale Denken seiner Zeit wider. Er beschreibt den von Außen an die Kirche herangetragenen Anspruch, sich vor der Verkündigung des Evangeliums zuerst um die physischen Nöte der Menschen zu kümmern. Er schlägt den Bogen zum Dialog zwischen Christus und Satan in der Wüste und schmückt das Gespräch detailliert aus. Die Abweisung Satans durch Christus begründet Bonhoeffer mit dem Wesen und der Ehre Gottes. Die Andacht zu Lk 4, 5–8287 führt die vorangegangene Andacht inhaltlich weiter. Bonhoeffer beginnt mit dem Hinweis auf den Beginn der Passionszeit und versucht, bei seinen Zuhörern ein Bewusstsein für das Leiden Christi zu wecken. Mit der Beschreibung des Königtums Christi unterscheidet er zwischen 283 284 285 286 287

Vgl. Bethge (2005), S. 269f. Vgl. DBW 11, S. 226ff. Vgl. Bethge (2005), S. 270 und 272 und vgl. Zimmermann (1965), S. 48. DBW 11, S. 394ff. A.a.O., S. 396ff.

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der Botschaft der evangelischen Kirche und der Botschaft der katholischen Kirche. Bonhoeffer setzt den Verzicht Christi auf die Herrschaft der Welt in Bezug zum Leiden Christi, mit dem er den Weg Gottes gegangen sei. Er beendet die Andacht mit der Übertragung auf den Einzelnen und die Kirche, die diesen Weg mit Christus gingen. In der Andacht zu Joh 8, 31–32288 setzt Bonhoeffer sich zunächst mit dem Wesen der Religion auseinander und mündet in der für ihn entscheidenden Frage nach der Wahrheit der Religion. Die Wahrheit der Religion ließe sich aber nicht wissenschaftlich erweisen, sondern nur, indem man sein Leben ganz auf Christus setze und ihm nachfolge. Er beendet die Andacht mit der Verheißung Christi, dass die Wahrheit freimachen werde. Die letzte der erhaltenen Andachten stammt vom Ende des Jahres 1932, ihr liegt ein Abschnitt aus Dan 10 zugrunde. Bonhoeffer leitet die Andacht mit einem Bericht über seine erste Begegnung mit dem Bibelabschnitt ein. Er überträgt seine damalige Situation der Mutlosigkeit auf mögliche ähnliche Erlebnisse seiner Hörer. Die Stimme Gottes, die dem Einzelnen in seiner Situation Mut zuspreche, vergleicht er mit einer Mutter, die das fleckige Heft ihres unglücklichen Kindes gegen ein neues Heft austauscht.289 In den Andachten sind einige Gemeinsamkeiten, aber auch deutliche Unterschiede zu den früheren Ansprachen für den Kindergottesdienst zu finden. Bonhoeffers Talent, Situationen auszuschmücken und sich in das Handeln biblischer Personen hineinzuversetzen, spiegelt sich in den Andachten wider. Thematische Ähnlichkeiten finden sich in den Hinweisen auf das Evangelium. Kreuz und Leiden Christi werden von Bonhoeffer in beinahe allen der dargestellten Andachten aufgegriffen. Wie die Andacht zu Lk 4, 3–4 zeigt, scheint sich Bonhoeffer kritischen Fragen seiner Studenten gestellt zu haben. Eine Anknüpfung an die Lebenswirklichkeit der Studenten, etwa in Form von intellektuellen Auseinandersetzungen, Prüfungsängsten und finanziellen Einschränkungen findet sich in den Andachten allerdings nur ansatzweise: In der Andacht zu Joh 8, 31–32 schafft Bonhoeffer mit dem Begriff der Wahrheit eine Verbindung zwischen Wissenschaft und Religion. Einschübe, in denen Bonhoeffer seine Hörer, wie in den Katechesen, mit Appellen überhäuft, fehlen in den Andachten. Die Andachten sind vorsichtiger formuliert, sie erwecken dadurch mehr den Eindruck einer Verteidigungs- als einer Angriffsposition Bonhoeffers. Mit der DCSV bereitete Bonhoeffer in den ersten Monaten des Jahres 1932 eine Vortragsreihe an der Hochschule vor. Hier findet sich der Ansatz wieder, den Bonhoeffer bereits in Barcelona erprobt hatte, um einem kirchendistanzierten Publikum mit christlichen Fragen zu begegnen. Bonhoeffer sprach über 288 A.a.O., S. 414ff. 289 Vgl. DBW 12, S. 431ff.

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das Thema ›Selbstbehauptung‹, um ein Grundgefühl der Studierenden anzusprechen und um die sich ausbreitende biologische Anschauung der Nationalsozialisten zu diskutieren.290 Er beginnt den Vortrag damit, wie der Mensch als Individuum und als Gattung durch die Massenhaftigkeit auf dem Arbeitsmarkt und an den Hochschulen entwertet werde. Ob man für seine Selbstbehauptung kämpfen könne, stelle sich als Frage nicht nur an den einzelnen Menschen, sondern auch an ganze Gemeinschaften wie das Bürgertum, die Kirche und Völker. Bonhoeffers Ausführungen zum Kampf der Völker gegeneinander um Rang und Gebiete zeigen, wie er gängiges nationales Gedankengut aufnimmt und vorsichtig andere Positionen aufzeigt. Er tut dies, indem er dem kriegerischen Ansatz der westlichen Welt den pazifistischen Ansatz des Ostens gegenüberstellt und beide Ansätze auf ihr Verhältnis zur Natur untersucht. Bonhoeffers Faszination von Mahatma Gandhi und dessen friedlichem Widerstand wird hier besonders deutlich.291 Dem Verhalten des europäischen Menschen legt Bonhoeffer dessen Kampf um das Leben, das er gegen die Natur verteidigen müsse, zugrunde. Das Recht zum Leben umfasse allerdings auch die Verantwortung für den Anderen. Und wieder dehnt Bonhoeffer seine Überlegungen auf die Gemeinschaft aus: »Jede Gemeinschaft, auch die große Gemeinschaft des Volkes lebt nicht für sich selbst, sondern für den andern, lebt in der Verantwortung für den Bruder, für das Brudervolk.«292 Nicht nur einzelne Menschen, sondern auch ganze Völker können sich zum Wohl anderer Menschen opfern und aus diesem Opfer Leben entstehen lassen. Und mit dem Opfergedanken spannt Bonhoeffer einen Bogen zur Christologie. Wie auch in den Ansprachen des Kindergottesdienstes stellt Bonhoeffer den Hinweis auf Jesus Christus an das Ende seiner Worte.293

3.5.3 Erster Katechismusentwurf Bonhoeffers Versuch eines Lutherischen Katechismus trägt den Titel ›Glaubst du, so hast du‹294. Der Titel ist an Martin Luther angelehnt, der in seinen Schriften oftmals denselben Ausdruck verwendete.295 Bonhoeffer selbst griff 290 DBW 11, S. 215–226 und vgl. Bethge (2005), S. 270. 291 Bonhoeffer war nach Aussage eines Tübinger Kommilitonen bereits seit 1924 an Gandhi interessiert. Er fasste mehrfach den Vorsatz, eine Indienreise zu unternehmen, welcher aber nie in die Tat umgesetzt werden konnte. Vgl. a.a.O., S. 138 und vgl. beispielsweise DBW 10, S. 228, DBW 11, S. 33, DBW 12, S. 26 und 28. 292 DBW 11, S. 223f. 293 Vgl. beispielsweise DBW 9, S. 510, 565 und 572 und vgl. DBW 11, S. 226. 294 A.a.O., S. 228–237. 295 Vgl. DBW 14, S. 350, Anmerkung 165.

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diesen Ausdruck auch bei anderen Gelegenheiten auf. Obwohl der Katechismus sich in erster Linie an Konfirmanden richtet, stammt der Anstoß zur Formulierung eines Katechismus nicht aus Bonhoeffers praktischer Tätigkeit. Seine Konfirmandenklasse sollte er erst wenige Monate später übernehmen. Aber Bonhoeffers Liebe zum Unterricht und die Erfahrungen in Harlem seien laut Bethge für Bonhoeffer ein Grund gewesen, sich auf außergewöhnliche Experimente einzulassen.296 Der Katechismusentwurf wurde von Bonhoeffers Freund Hildebrandt initiiert, der sich bereits im Vikariat befand. Nach dem Versuch von 1931 gibt es einen weiteren Katechismus Bonhoeffers von 1936.297 Es kann daher angenommen werden, dass das Anliegen eines neuen Katechismus für Bonhoeffer sehr dringend gewesen sein muss. Der Katechismus ›Glaubst du, so hast du‹ besteht aus vierzig Fragen, er ist handlich und kurz. Ziel des Katechismus sei nach Bonhoeffer und Hildebrandt die aktuelle und zeitgemäße Formulierung des lutherischen Glaubens, die aber durch den Unterricht ergänzt und erklärt werden solle. Der Katechismus wurde nach dem Vorbild Adolf von Harnacks angelegt. Grundlage des Katechismus wurde nicht das Apostolische Glaubensbekenntnis, sondern Luthers freies Bekenntnis, das Bonhoeffer sehr liebte. Nach Luthers Vorlage als trinitarisches Bekenntnis wurde der Katechismus in drei Teilen gestaltet. Die altkirchliche Tradition des ›Credo‹ behielten Bonhoeffer und Hildebrandt bei, das Vaterunser bezogen sie dagegen nicht ein. Die Anlage Luthers lässt sich nicht mehr erkennen, ebenso wenig wie der Dekalog als solcher nicht in Erscheinung tritt. Die Eingangsfrage des Katechismusentwurfs lautet: »Was ist Evangelium?« und wird beantwortet mit: »Die Botschaft vom Heil, vom Reich und vom Willen Gottes, der heute redet«298. Es gibt keine ›Du-sollst‹-Sätze. Der Katechismus wird laut Bethge von einem »herrscherlichen und keinem polizeilichen Ton«299 bestimmt. Der Refrain aus Luthers Bekenntnis, den Bonhoeffer gerne in Vorträgen, Predigten und Briefen verwendet habe, wird am Ende wiederholt: »Das aber ist der christliche Glaube: wissen, was du tun sollst und was dir geschenkt ist«300. Eine Besonderheit des Katechismus ist, dass er auch Fragen aufgreift und beantwortet, die von Menschen zur Zeit Bonhoeffers, wie auch heute, gestellt werden: »Widerspricht nicht die Schöpfung der Wissenschaft? […] Kann ein gerechter Gott soviel Unrecht zulassen? […] Wie soll sich der Christ politisch verhalten? […] Hat Jesus gelebt? […] Warum gibt es so viele Kirchen?«301 Weitere Neuerungen führen Bonhoeffer und Hildebrandt mit der Frage nach Krieg und 296 297 298 299 300 301

Vgl. DBW 11, S. 228 und 311, vgl. Bethge (2005), S. 228 und vgl. DBW 14, S. 350. A.a.O., S. 786–819. DBW 11, S. 229. Bethge (2005), S. 229. Ebd. und DBW 11, S. 229. A.a.O., S. 229–233 und 235.

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Frieden und zur Ökumene ein. Keiner der beiden Versuche sei Bethge zufolge katechetisch einfach und lerntechnisch überzeugend. Bonhoeffers primäres Interesse habe nicht auf dem didaktischen Bereich gelegen. Das hauptsächliche Anliegen Bonhoeffers und Hildebrandts sei es vielmehr gewesen, zu formulieren, was lutherischer Glaube heute sage.302

3.5.4 Konfirmandenunterricht Eine erneute Verordnung des Konsistoriums bewirkte Bonhoeffers Übernahme einer Konfirmandenklasse in der Zionsgemeinde in Berlin-Mitte.303 Der bisher zuständige Pfarrer Johannes F. M. Müller konnte mit der außer Kontrolle geratenen Klasse nicht mehr umgehen, sein gesundheitlicher Zustand war dazu sehr kritisch. Die erste Konfirmandenstunde unter den circa fünfzig Jungen fand im Herbst statt. In seinen Briefen schildert Bonhoeffer die schwierigen sozialen und politischen Verhältnisse, unter denen die Jungen aufwachsen würden. Die meisten der Jungen hätten arbeitslose Väter, es fehle in allen Familien an Kleidung und Kohle, Weihnachtsgeschenke gäbe es auch keine. Ausgehend von diesem Hintergrund seien die Disziplinschwierigkeiten der Klasse nicht weiter verwunderlich. Bonhoeffer schreibt, dass sein Vorgänger Müller von der Klasse »buchstäblich zu Tode geärgert«304 worden sei. Müller wurde am 07. 12. 1931 beerdigt, nur wenige Wochen nachdem Bonhoeffer den Konfirmandenunterricht begonnen hatte. Die erste Konfirmandenstunde Bonhoeffers gibt ein anschauliches Bild über den Zustand der Klasse: Schon als Bonhoeffer in Begleitung von Müller die Treppen zum Unterrichtsraum hinaufstieg, wurden die beiden Männer von der Klasse unter großem Lärm im Treppenhaus empfangen und mit Abfällen beworfen. Müller bemühte sich, die Klasse unter körperlichem Einsatz in den Klassenraum zurückzudrängen und Bonhoeffer vorzustellen. Die Jungen verfielen daraufhin in einen immer lauter werdenden Spottgesang, woraufhin Müller resigniert den Raum verließ. Bonhoeffers Reaktion auf die Situation gestaltete sich gegensätzlich: Er blieb schweigend an der Wand stehen, die 302 Vgl. Bethge (2005), S. 229ff. 303 Vgl. Schulz, Wilfried, Bonhoeffers Konfirmanden kamen nicht aus dem Stadtteil Wedding, wie Eberhard Bethge meinte, in: Dietrich Bonhoeffer Jahrbuch 4 2009/2010, hg. von: Victoria Barnett u. a., Gütersloh 2010, S. 257f. Schulz korrigiert Bethges Annahme, dass die Konfirmandengruppe aus dem Stadtteil Wedding kam. Er weist nach, dass die Konfirmanden aus den Stadtteilen Berlin-Mitte und Prenzlauer Berg stammten. Bonhoeffer habe nach Schulz auch den Konfirmandenunterricht einer Mädchengruppe, den Kindergottesdienst der Zionskirche und vertretungsweise auch Gottesdienste übernommen. 304 DBW 11, S. 50.

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Hände in den Taschen vergraben. Nachdem der Lärm abgeebbt war, begann er mit leiser Stimme zu sprechen, was eine Stille der Klasse zur Folge hatte, da alle ihn verstehen wollten. Bonhoeffer kommentierte den Vorfall nur mit wenigen Worten und erzählte eine kurze Geschichte aus Harlem. Er beendete den Unterricht und gab der Klasse zu verstehen, dass, wenn sie ihm zuhörte, er in der darauffolgenden Stunde mehr erzählen würde. In den Wochen bis zur Konfirmation hatte er die volle Aufmerksamkeit der Klasse und nur noch unbedeutende Disziplinschwierigkeiten zu verzeichnen.305 Für Bonhoeffer war diese Klasse eine neue Herausforderung, wie er Sutz schreibt. Es sei das erste Mal gewesen, dass er mit solchen Disziplinproblemen zu kämpfen gehabt habe. Was aus seiner Sicht den Problemen abhalf, war »daß ich den Jungen ganz einfach biblischen Stoff erzählte in aller Massivität, und besonders eschatologische Stellen«306. In einem weiteren Brief schilderte er eine aus seiner Sicht gelungene Unterrichtsstunde, bei der er die volle Aufmerksamkeit der Jungen hatte. Er habe sich zum Erstaunen der Konfirmanden vom reinen Katechismuslernen distanziert, obwohl es die Unterrichtsstunde vor der Konfirmandenprüfung gewesen sei. Den gesamten Unterricht habe er auf dem Gemeindegedanken aufgebaut. Damit habe er an den Parteigedanken anknüpfen können, der den Jungen durch den Nationalsozialismus sehr vertraut gewesen sei. Auf die kritischen Fragen der Jungen habe er verständlich eingehen und ihnen die Bedeutung der christlichen Gemeinschaft und Vergebung der Sünden nahebringen können. Er habe dabei nicht auf das volle Verständnis seiner Konfirmanden gesetzt, vielmehr habe er gehofft, in ihnen einen Grund zu legen. Hoffnung und Zweifel in Bezug auf sein Engagement für die Konfirmanden drückte er in einem Brief über die Fahrt nach Friedrichsbrunn aus: »Am Ende einer solchen Zeit fragt man sich natürlich, wie viel Sinn eine solche Unternehmung überhaupt haben kann. Aber man muß bei all derartigen Dingen wohl warten lernen«307. Bonhoeffers vielfältige Verpflichtungen waren vermutlich der Grund dafür, dass er die Konfirmandenstunden fast alle aus dem Stegreif halten musste, was ihm sichtlich unangenehm war. Da keine schriftlichen Unterlagen des Konfirmandenunterrichts oder der Andachten auf Freizeiten existieren, können für die Unterrichtsgestaltung nur die Briefe Bonhoeffers und zwei Augenzeugenberichte herangezogen werden. Mit dem zu behandelnden Stoff im Bewusstsein begann Bonhoeffer seine Stunden, indem er ein Gespräch mit den Jungen anfing, das er in eine Predigt münden ließ. Wichtig für ihn war, dass die vorangegangene Unterhaltung die Verständnisgrundlage für seine Predigt lieferte. Er scheute sich 305 Vgl. a.a.O., S. 44, 46, 50f. und 64f. und vgl. Bethge (2005), S. 272f. 306 DBW 11, S. 50. 307 A.a.O., S. 77.

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nicht, selbst das Wort zu ergreifen. Dabei predigte er die Konfirmanden ganz bewusst an, teilweise länger als eine halbe Stunde. Aus seiner Beobachtung heraus wurde die Aufmerksamkeit der Jungen noch verstärkt, wenn er biblischen Stoff und eschatologische Hoffnung verknüpfte. Die Verknüpfung der beiden Themen ergab sich für Bonhoeffer von selbst, ohne dass er sie bewusst steuerte.308 Richard Rother, einer der Konfirmanden, schildert im Rückblick Bonhoeffers Gestaltung des Konfirmandenunterrichts: Es sei in erster Linie Bonhoeffers Ausgeglichenheit gewesen, die einen reibungslosen Ablauf des Unterrichts bewirkt habe. Versuche der Jungen, ihn zu ärgern, scheiterten an Bonhoeffers Ruhe und Freundlichkeit sowie seinem gewissen Verständnis für Streiche. Er habe den Unterricht mit der Erzählung persönlicher Erlebnisse lebendig werden lassen und die Jungen auf eine ihnen bisher unbekannte Art und Weise mit dem Katechismus vertraut gemacht.309 Margarete Behm, eine Konfirmandin der Mädchengruppe berichtet über Bonhoeffer : »Ich erzählte, wie ich ihn im Konfirmandenunterricht als scheuen, aber liebevollen Menschen kennen gelernt hatte. Die Armut, die Trost- und Sittenlosigkeit, die in diesem Wohngebiet herrschten, hatten ihn zutiefst erschreckt.«310 Als feststand, dass Bonhoeffer die Jungenklasse selbst konfirmieren sollte, verstärkte er sein Engagement für die Jungen. Um alle Eltern der Jungen zu besuchen und um seiner Residenzpflicht als Pfarrer nachzukommen, nahm er sich für zwei Monate ein Zimmer in dem Stadtteil. Seine Konfirmanden konnten ihn dort, wie auch im Hause seiner Eltern, unangemeldet besuchen. Für die Konfirmanden nahm er sich sehr viel Zeit und reduzierte seine anderen Pflichten soweit es ihm möglich war. Bonhoeffer brachte den Jungen großes Vertrauen entgegen, was sie bisher nicht gekannt hatten, aber schnell zu schätzen lernten: Die Zimmerwirtin war beauftragt, die Jungen auch in Bonhoeffers Abwesenheit in dessen Zimmer zu lassen. Die Abende gestalteten sie mit einem gemeinsamen Essen und Spielen. Bonhoeffer hatte ihnen zu diesem Zweck Schach beigebracht. Den Abend beendete Bonhoeffer, indem er etwas aus der Bibel vorlas und im Anschluss eine kleine Katechese hielt, die sich oft sehr ernst gestaltete. Dazu gab er einigen der Jungen nebenbei Englischunterricht und führte mit ihnen auch ernste Einzelgespräche. Einem der Jungen leistete Bonhoeffer bei einer schweren Operation Beistand, dafür ließ er seine Studenten im Hörsaal warten. Dieses Erlebnis beeindruckte vor allem Rother sehr. Er 308 Vgl. a.a.O., S. 64f. 309 Vgl. Rother, Richard, Konfirmanden am Wedding, in: Begegnungen mit Dietrich Bonhoeffer. Ein Almanach, hg. von: Wolf-Dieter Zimmermann, München 21965, S. 43. 310 Zitiert nach Schulz (2010), S. 259.

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berichtet, wie Bonhoeffer trotz vielseitiger Verpflichtungen den kranken Jungen mehrmals die Woche besucht und mit ihm gebetet habe. Zu Weihnachten beschenkte dieser die Jungen, da ihnen oft die grundlegenden Dinge fehlten, und zur Konfirmation kaufte er den Jungen einen großen Stoffballen, damit sie sich Konfirmandenanzüge daraus nähen lassen konnten.311 Albert bezeichnet diese Aktivitäten Bonhoeffers als Erprobung des gemeinschaftlichen Lebens auch unter den Bedingungen von Armut, Sitten- und Regellosigkeit, die das Leben der Konfirmanden prägten. »So Bonhoeffer was engaged in a ›religious education‹ experience that went far beyond a mere absorption of academic data or rote recitation of faith propositions. He was teaching his class about faith and they, at the same time, were calling upon him to witness the same faith in his dealings with them.«312

Die ersten Sätze der Konfirmationspredigt313 betonen das Bestreben Bonhoeffers, auf die Bedürfnisse seiner Konfirmanden einzugehen. Der Einstieg der Predigt orientierte sich in diesem Sinne an ihren Wünschen. Im Verlauf der Predigt schlägt er den Bogen zu den Themen, die ihm während der Konfirmandenzeit schon am Herzen gelegen waren und mit denen er seine Konfirmandenstunden ausgefüllt hatte: eschatologische Themen und biblische Geschichten. Er weist die Jungen auf die himmlische Zukunft hin, die vor ihnen liegt, und verbindet damit die Geschichte von Jakobs Gotteskampf aus Gen 32–33. Er zitiert den Bibeltext nur auszugsweise, den Rest schmückt er aus, versetzt sich in die handelnde Person hinein und gibt mögliche Gedanken und Sehnsüchte Jakobs anschaulich wieder. Er baut mögliche Fragen der Jungen in seine Predigt ein und richtet einige Appelle an sie. Die Predigt endet mit dem Ausblick auf das gelobte Land (siehe hierzu auch Gliederungspunkt 5.2.2.1). Nach der Konfirmation nahm Bonhoeffer einen Teil seiner ehemaligen Konfirmanden auf eigene Kosten mit in sein elterliches Ferienhaus im 250 Kilometer entfernt gelegenen Friedrichsbrunn Die zehn Tage in Friedrichsbrunn gestalteten sich vor allem mit Kletterpartien und Fußball. Die Fahrt war ein Erfolg, auch wenn es für Bonhoeffer nicht immer einfach war, die Jungen aufgrund ihrer ungeordneten Erziehung zusammenzuhalten.314 Es ist anzunehmen, dass die Fahrt nach Friedrichsbrunn nicht Bonhoeffers ersten Ausflug mit den Konfirmanden darstellte. So erwähnte Bonhoeffer einen Ausflug mit den Konfirmanden in den Schnee, der für beide Seiten lehrreiche Erfahrungen gebracht habe. Um seinen bedürftigen Studenten und Konfirmanden eine Erholungsmöglichkeit bieten zu können, pachtete Bonhoeffer außerhalb von Berlin eine 311 312 313 314

Vgl. Bethge (2005), S. 273f., vgl. DBW 11, S. 47 und 64 und vgl. Rother (1965), S. 43f. Albert (1985), S. 26. DBW 11, S. 408–414. Vgl. a.a.O., S. 77.

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Wiese und beantragte bei der Gemeinde Biesenthal eine Unterstützung für eine Unterkunft auf dem Grundstück. Letzten Endes aber bezahlte er den Unterkunftsraum aus eigenen finanziellen Mitteln.315 Nach Ende des Sommersemesters 1933 musste er das Grundstück der Hitlerjugend zur Nutzung übergeben. Als Bonhoeffers Dienst an der Zionskirche beendet war, hielt er den Kontakt mit den Jungen, nicht zuletzt durch das Grundstück in Biesenthal. Die Verbindungen zu den Konfirmanden bestanden bis in den Zweiten Weltkrieg hinein.316 Wie Bonhoeffer sein soziales Engagement für die Arbeiterjugend fortsetzte, soll im folgenden Abschnitt dargestellt werden.

3.5.5 Die Jugendstube Im Dezember 1932 schreibt Bonhoeffer : »Besonders am Herzen liegt mir gegenwärtig die Arbeit an der arbeitslosen proletarischen Jugend; aber gerade da ist alles, was man tut eigentlich nur ein Tropfen auf den heißen Stein.«317 Die Arbeit unter den Konfirmanden und ihren sozial schwachen Verhältnissen hatte sein Auge für die Not von Jugendlichen geöffnet. In dem Brief bezieht er sich wohl auf seine Tätigkeit in der Charlottenburger Jugendstube in Berlin, deren Idee dazu im Sommer im Hause Bonhoeffer aufgekommen war. Anneliese Schnurmann, eine jüdische Schulfreundin von Dietrichs Schwester Susanne, stellte einen Teil ihres Vermögens zur Verfügung, Bonhoeffer selbst übernahm die Leitung. Die Jugendstube sollte arbeitslosen Jugendlichen einen Treffpunkt ermöglichen und in beschränktem Maße auch Ausbildungsmöglichkeiten bieten. Dazu sollte sie interkonfessionell und unparteiisch angelegt sein. Einen kirchlichen Bezug gab es kaum, da es sich bei einigen der Mitträger der Jugendstube um Kirchenferne und Nichtchristen handelte. Die Stube wurde von den Jugendlichen so gut angenommen, dass bald ein Umzug in größere Räumlichkeiten stattfinden musste. Aber es gab auch Schwierigkeiten mit Trinkern, dazu kamen erregte Diskussionen mit jungen Kommunisten. Die Jugendstube hatte nicht lange Bestand: Nach Hitlers Machtergreifung im Januar 1933 gerieten einige Mitträger des Projektes in Schwierigkeiten, darunter Anneliese Schnurmann, die Deutschland verlassen musste. Die bevorstehende Aushebung der Jugendstube wurde bekannt. Kommunistische Jugendliche, die die Jugendstube besuchten, wurden auf der Straße bedroht und man fahndete nach der Adresskartei der Jugendstube. Zum Schutz der Kommunisten musste die Jugendstube geschlos-

315 Vgl. a.a.O., S. 48f., 80ff. und vgl. Bethge (2005), S. 251. 316 Vgl., S. 89, Anmerkung 2, vgl. DBW 13, S. 55 und vgl. Bethge (2005), S. 275. 317 DBW 12, S. 33.

Berlin

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sen werden. Bonhoeffer gewährte den gefährdeten Jugendlichen zunächst auf seinem Biesenthaler Grundstück Zuflucht.318

3.5.6 ›Thesen zur Jugendarbeit in der Kirche‹ Im April 1934 trug Bonhoeffer seine acht Thesen319 zur Diskussion im Christlichen Verein Junger Männer (CVJM) in London vor. Die Thesen bildeten die Grundlage für den nicht mehr erhaltenen Vortrag über ›Kirche und Jugend‹. Bonhoeffer datierte die Thesen nicht, der Zeitpunkt ihrer Entstehung ist unbekannt. Da Bonhoeffer die politischen und kirchenpolitischen Ereignisse des Jahres 1933 in diesen Thesen nicht berücksichtigt, ist zu vermuten, dass die Thesen zwischen Ende 1932 und Anfang 1933 entstanden sind.320 In der ersten These betont er, dass der Herr der Kirche allein Jesus Christus sei. Die primäre Aufgabe der Kirche sei die Verkündigung von Gottes Wort. Die vorrangige Aufgabe der Jugend sei nicht die Umgestaltung der Kirche, sondern auf Gottes Wort zu hören. Bonhoeffer reiht die Jugend in der zweiten These in den größeren Kontext der Gemeinde ein. Die Frage stelle sich nicht nach der Jugend und ihrem Recht, sondern nach dem Platz, den die Jugend in der Gemeinde habe. In der dritten These beschreibt er das Wesen der Gemeinde. Die vierte These führt die zweite inhaltlich weiter. Die Jugend habe in der Gemeinde nicht den ersten Rang, vielmehr solle sie der Gemeinde dienen. Der Dienst an der Gemeinde geschehe durch »Hören, Lernen und Einüben des Wortes«321. Der zweite Teil der vierten sowie die siebte These greifen die Art und Weise von Kritik und Neuerungen vonseiten der Jugend an der bestehenden Kirche auf. Die Jugend habe das Recht, Protest zu üben. Der Protest aber müsse in Solidarität mit der Gemeinde und im Bewusstsein der eigenen Sünde und Buße erfolgen. »Jugendlicher Radikalismus […] [und] jugendliches Weltverbesserertum«322 dürften nicht mit Gottes Anspruch auf die Menschen und dem Aufruf zur Heiligung gleichgesetzt werden. In der fünften These nennt Bonhoeffer einige Bibelstellen, die sich kritisch zur Jugend äußern (Gen 8, 21; Jes 3, 5; Pred 11, 10) und zur Demut der Jugend auffordern (1 Petr 5, 5). Die sechste These bringt die Bedingungen der kirchlichen Jugendarbeit zum Ausdruck: Sie könne den Jugendlichen nur auf seine Taufe hin ansprechen und dürfe kein anderes Ziel haben, als der Jugend Gottes Wort zu verkündigen. Die letzte These greift die von Bonhoeffer bereits in ›Sanctorum Communio‹ vorgenommene Abgrenzung 318 319 320 321 322

Vgl. Bethge (2005), S. 276f., vgl. DBW 12, S. 27f. und vgl. DBW 11, S. 5 und 113. DBW 12, S. 508f. Vgl. a.a.O., S. 508, Anmerkung 1. A.a.O., S. 509. Ebd.

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zwischen seinem Vereins- und Kirchenbegriff auf.323 Alle getauften Jugendlichen gehören zur Kirche. Ein kirchlicher Verein schmälere die Glaubwürdigkeit der Kirche und könne nur als Notbehelf empfunden werden. Die sehr allgemein gehaltene Form der Thesen verhindert, dass aus ihnen direkt auf Bonhoeffers gemeindepädagogisches Denken und Handeln geschlossen werden kann. Die Thesen sind wohl mehr als Leitlinien für das Verhältnis zwischen Bekennender Kirche und der deutschen Jugend innerhalb der Bekennenden Kirche zu verstehen, mit denen Bonhoeffer Fehlentwicklungen aufzeigt und zu diesen Stellung bezieht. Von Bedeutung sind besonders die Thesen fünf und sechs, die Aussagen Bonhoeffers in der Vorlesung über Katechetik vorwegnehmen.

3.6

London

Schon 1930 brachte Bonhoeffer in einem Brief seine Begeisterung für das Gemeindepfarramt mit folgenden Worten zum Ausdruck: »Bald werde ich auch meine Gemeinde in Barcelona noch auf 14 Tage besuchen gehen, an der ich doch sehr hänge, wie ich überhaupt merke, daß es mich nicht sehr lange bei der Wissenschaft halten wird.«324 Bonhoeffer wurde von Oberkonsistorialrat Theodor Heckel auf die neu zu besetzende Stelle der Londoner Auslandsgemeinde aufmerksam gemacht und von diesem auch dem bisherigen Pfarrer Friedrich Singer empfohlen.325 Eine Entscheidung in dieser Sache zu treffen, war für Bonhoeffer nicht einfach. Ihn reizte es einerseits, den politischen und kirchenpolitischen Schwierigkeiten entkommen zu können. Andererseits dachte auch der Studienfreund Hildebrandt über ein Pfarramt im Ausland nach. Ende Juli 1933 hielt Bonhoeffer eine Probepredigt in der reformierten St. Paulsgemeinde in London und in der Gemeinde in London-Sydenham. Nach der Einführung des Arierparagrafen in der preußischen Kirche und dem aus seiner Sicht gescheiterten Betheler Bekenntnis entschied er sich für die Londoner Pfarrstelle. In Deutschland ließ Bonhoeffer eine Kirche zurück, die sich in der Spaltung befand. Seine Unterstützung der kirchlichen Opposition rief vor der Ausreise noch einige Schwierigkeiten hervor. Im Oktober 1933 konnte er schließlich in das Pfarrhaus in London einziehen. Sein Haus öffnete er auch hier wieder den Jugend- und Musikgruppen aus der

323 Vgl. DBW 1, S. 164f. 324 DBW 10, S. 169. 325 Vgl. DBW 12, S. 101f.

London

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Gemeinde und stellte es für die Proben zum Krippenspiel zur Verfügung. Trotz seines geringen Einkommens war Bonhoeffer ein großzügiger Gastgeber.326 Bonhoeffer setzte sich in beiden Gemeinden für zahlreiche Neuerungen ein, vor allem im Bereich der Kinder- und Jugendarbeit. Religionsunterricht gab es bereits in der Samstagsschule, der Kirchenvorstand gab diesem und dem Konfirmandenunterricht den Vorrang vor der Einrichtung des Kindergottesdienstes. Die Einführung eines Krippenspieles fand aber die Unterstützung des Kirchenvorstandes. Der Kindergottesdienst scheint nicht sehr regen Zulauf gefunden zu haben, ebenso wenig wie die anderen Angebote der Gemeinde für Jugendliche. Das Krippenspiel der Kinder, aus dem inzwischen entstandenen Kindergottesdienst hervorgegangen, und die Passionsandacht an Karfreitag verbuchte Bonhoeffer dennoch als Erfolg. Um die Jugendlichen zu halten, plante er, sie bei besonderen Veranstaltungen mit einzubeziehen, etwa bei musikalischen Ereignissen oder an den Festtagen.327 Dass Bonhoeffer Eindruck bei seinen Konfirmanden hinterlassen hat, berichtet Ingrid Mclear, die zusammen mit ihrem Bruder im März 1934 von Bonhoeffer konfirmiert wurde. Zunächst sei sie gegen ihren Willen in den Konfirmandenunterricht der Kirche in Forest Hill geschickt worden. Bonhoeffer habe auf diese Konfliktsituation reagiert, indem er die Geschwister wieder nach Hause sandte und noch am selben Tag das Gespräch mit den Eltern gesucht habe. Trotz der anti-deutschen Einstellung der Mutter konnte auch diese nach der Begegnung mit Bonhoeffer überzeugt werden, ihre Kinder zu ihm in den Konfirmandenunterricht zu geben.328 Mclear erzählt: »Unser Unterricht war sehr interessant. Bonhoeffer hat uns von all den großen Religionen erzählt und zum Schluß die Geschichte des Christentums. Es war für uns eine denkwürdige Erfahrung! Nach dem Unterricht haben wir ihn gebettelt, für uns Klavier zu spielen!«329

Auch wenn Mclears Bericht nur sehr knapp ist und sie sich vor allem von Bonhoeffers musikalischer Begabung beeindruckt zeigt, lässt sich auch für den Londoner Konfirmandenunterricht entnehmen, dass Bonhoeffer über den Unterricht hinaus Zeit mit seinen Gemeindegliedern verbrachte.330 Wie schon in Barcelona band er Eltern in wichtige Entscheidungsprozesse ein, was sich auch in diesem Fall als fruchtbar für seine Arbeit erwies. Ausgehend von Mclears 326 Vgl. Bethge (2005), S. 350f., 375f. und 382f. 327 Vgl. DBW 13, S. 19ff. und 292f. 328 Vgl. Maclear, Ingrid, Brief einer Konfirmandin Bonhoeffers. An den jetzigen Pastor der Gemeinde in Forest Hill/London vom 20. Mai 2005, in: Bonhoeffer-Rundbrief 79, 2006, S. 58f. 329 Ebd. 330 Es gibt auch einen Hinweis auf einen Gemeindeausflug im Mai 1934, vgl. DBW 13, S. 145.

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Erinnerungen scheint Bonhoeffer dagegen einen geringeren Schwerpunkt auf biblische Stoffe als im Berliner Konfirmandenunterricht gelegt zu haben. Und auch in sozialer Hinsicht setzte Bonhoeffer, unterstützt von seinen Gemeinden, den Einsatz für junge Erwachsene aus Deutschland fort. So versuchte er seine Kontakte in die USA zu nutzen, um Studenten, die aus politischen Gründen von den Universitäten abgelehnt wurden, dorthin weiter zu vermitteln. Für einen jungen Lehrer bemühte er sich, eine Stelle zu finden. Dass er neben seinen Hilfsbemühungen auch seelsorgerliche Worte fand, zeigt ein Brief an die arbeitssuchende Hildegard Lämmerhirdt.331

3.7

Illegale Theologenausbildung

3.7.1 Bedeutung des Finkenwalder Predigerseminars Noch in London hatte Bonhoeffer konkrete Pläne für eine Indienreise geschmiedet, um dort Gandhi zu treffen und den gewaltlosen Widerstand besser kennenzulernen. Er erhoffte sich eine Anwendung für die Situation in Deutschland.332 Dieses Vorhaben stellte er zurück, als der Loslösungsprozess der deutschen Auslandsgemeinden von der Reichskirche seinen Höhepunkt erreicht hatte und ihn die Bekennende Kirche für April 1935 um die Rückkehr nach Deutschland bat. Bonhoeffer sollte dort ein von der Bekennenden Kirche gegründetes und damit illegales Predigerseminar übernehmen. Auch wenn Bonhoeffer selbst keines der zu seiner Studienzeit eher unbeliebten Seminare besucht hatte, erkannte er sehr schnell die Bedeutung der Theologenausbildung für die Bekennende Kirche, die er als »Lebensfrage«333 bezeichnete. Durch die Krise, in die die theologischen Fakultäten und Landeskirchen im Kirchenkampf geraten waren, konnten sich die Predigerseminare in neuer Form entwickeln. Sie waren der Öffentlichkeit weniger zugänglich als die im selben Zug errichteten kirchlichen Hochschulen der Bekennenden Kirche.334 Die Seminare stellten ein Gegengewicht zur theologisch-wissenschaftlichen Ausbildung an den Universitäten dar und beeinflussten wie keine andere Einrichtung der Bekennenden Kirche das kirchliche Leben.335 »Die Predigerseminare der Bekennenden Kirche sind zur Zeit fast die einzigen Stätten, in denen die Bekennende Kirche in völliger Unabhängigkeit zu einer klaren bekenntnismä331 332 333 334 335

Vgl. DBW 13, S. 169ff. und 284. Vgl. a.a.O., S. 210ff. A.a.O., S. 308. Vgl. Bethge (2005), S. 472–483. Vgl. DBW 14, S. 2 und 4.

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ßigen Haltung in Lehre und Leben anleiten kann«336, heißt es im 10. Finkenwalder Rundbrief. Damit kommt dem Predigerseminar nicht nur eine gemeindepädagogische Bedeutung für die Ausbildung der Kandidaten, sondern auch für die gesamte Bekennende Kirche zu. Bevor Bonhoeffer seine neue Stelle antrat, formulierte er seine Vorstellungen über die Theologenausbildung, die seine Zeit erforderte: »Die gesamte Ausbildung des Theologennachwuchses gehört heute in kirchlich-klösterliche Schulen, in denen die reine Lehre, die Bergpredigt und der Kultus ernst genommen wird – was gerade alles drei auf der Universität nicht der Fall ist«337. Diesen Ansatz suchte Bonhoeffer im Finkenwalder Seminar und im Bruderhaus umzusetzen, das zum Ende des ersten Kurses im Herbst 1935 eingerichtet wurde. Das gemeinschaftliche Leben im Bruderhaus sollte eine gegenseitige Unterstützung der jungen Geistlichen untereinander, für das Seminar, aber auch für die Bekennende Kirche in Pommern ermöglichen.338 Die Tätigkeit als Seminardirektor füllte Bonhoeffer ganz aus. In einem Brief an die Brüder des ersten Kurses, die ihre Zeit im Predigerseminar bereits beendet hatten, schrieb Bonhoeffer : »Der Sommer 1935 ist für mich, glaube ich, die beruflich und menschlich ausgefüllteste Zeit bisher gewesen«339. Bonhoeffer bereitete es viel Freude, den zukünftigen Pfarrern in der kirchenpolitisch angespannten Situation eine Stütze zu sein und mit ihnen seine Gaben und seinen Besitz zu teilen. Die Theologen bemerkten schnell Bonhoeffers große Bereitschaft, für sie da zu sein. Ein Teil der Kandidaten stammte aus dem Berliner Studentenkreis. Diese Kandidaten waren bereits mit Bonhoeffers Stil vertraut, den sie im Seminar verbreiteten. Was Bethge als »persönliche Erziehung der künftigen Prediger«340 bezeichnet, brachte Bonhoeffer nicht nur in Worten, sondern auch in kleinen Taten zum Ausdruck. Er war sich nicht zu schade, Betten zu machen oder den Abwasch zu übernehmen, nachdem sich keiner der Brüder zur Verfügung gestellt hatte. Hatte Bonhoeffer sich schon in der Berliner Zeit regelmäßig mit Studenten zu Diskussionen getroffen, so tat er dies auch im Predigerseminar. Er setzte einen Abend in der Woche dafür an, um aktuelle Fragen zu diskutieren, darunter auch politische Themen. Die Offenheit für Fragen, die an anderen Orten nicht angesprochen wurden, bewirkte, dass Finkenwalde über den Kreis der Kandidaten hinaus viele Menschen anzog. Bonhoeffer legte darauf Wert, dass die Besucher ein offenes Haus in Finkenwalde vorfanden. Der Lehrplan am Seminar unterschied sich kaum von dem anderer Seminare 336 337 338 339 340

A.a.O., S. 204. DBW 13, S. 204. Vgl. DBW 14, S. 75ff. A.a.O., S. 97f. Bethge (2005), S. 492.

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und bestand aus den Fächern Homiletik, Katechetik, Seelsorge, Liturgik, Vorlesungen über Kirche, Amt und Gemeinde. Allein Bonhoeffers Nachfolge-Vorlesung machte einen Unterschied aus. Die Katechetik und die Arbeit am Heidelberger Katechismus übernahm zunächst der Superintendent des Seminars Wilhelm Rott.341 Nach der Schließung des Finkenwalder Seminars durch die Gestapo im September 1937 führte Bonhoeffer die illegale Theologenausbildung in Form der Sammelvikariate bis März 1940 weiter. Von den gehaltenen Vorlesungen zur Katechetik, aber auch von den Vorlesungen zu Seelsorge und Homiletik existieren nur fragmentarische Nachschriften. Diese geben allerdings Grund zur Annahme, dass Bonhoeffer die erhaltenen Vorlesungen aus Finkenwalde nahezu unverändert auch im Sammelvikariat gehalten hat.342 Bonhoeffer beschreibt Barth, wie leer und ausgebrannt viele der Kandidaten ins Seminar kommen. Ihnen fehlte neben theologischen Erkenntnissen auch biblisches Wissen. Zudem machte die persönlich-seelische Not der Brüder Bonhoeffer zu schaffen. Die Lösung für die geistliche und theologische Überwindung des Missstandes sah Bonhoeffer in der Pflege der Gemeinschaft, die sich am Wort ausrichtet und feste Gebetszeiten beinhaltet. Diese Dinge sollten wiederum Einfluss auf die gemeindepraktische Arbeit nehmen. »Wenn mir neulich ein führender Mann der Bekennenden Kirche gesagt hat: ›für Meditation haben wir jetzt keine Zeit, die Kandidaten sollen lernen zu predigen und katechesieren‹, so ist das entweder totale Unkenntnis dessen, was ein junger Theologe heute ist, oder es ist frevelhafte Unwissenheit darüber, wie eine Predigt oder Katechese entsteht. Die Fragen, die heute im Ernst von jungen Theologen an uns gestellt werden, heißen: ›wie lerne ich beten? Wie lerne ich die Schrift lesen?‹ […] Daß alle diese Dinge nur ihr Recht haben, wenn daneben und dabei – ganz gleichzeitig! – wirklich ernsthafteste saubere theologische, exegetische und dogmatische Arbeit getan wird, ist mir ganz klar.«343

Neben den Veranstaltungen sind die Freizeiten zu erwähnen, auf denen zugleich intensiv gemeindepraktische Themen besprochen wurden, wie aus einem Bericht eines Teilnehmers über die Freizeit an der Ostsee in Zingst im Juni 1938 hervorgeht.344 Über Freizeiten hielt man zudem Kontakt zu den bisherigen Mitgliedern des Predigerseminars und konnte sich über die im Pfarrdienst gesammelten Erfahrungen austauschen und diese mit den Homiletik- und Katechetik-Lehrveranstaltungen verknüpfen.345 Ebenfalls von gemeindepädagogischer Bedeutung ist die Korrespondenz, die 341 Vgl. Bethge (2005), S. 481, 487, 492–496 und 505. 342 Vgl. DBW 15, S. 6f. sowie die Nachschriften von Heinz Bluhm von 1938, z. B. zur Katechetik in NL B 12, 6. 343 DBW 14, S. 237f. 344 Vgl. DBW 15, S. 47. 345 Vgl. DBW 14, S. 131.

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von Finkenwalde ausging. In den Rundbriefen finden sich Lehre und Stellungnahmen zu aktuellen Fragen wieder. Über die Rundbriefe wurden die Ehemaligen ermutigt, durch die Fürbitte und Meditation der vereinbarten Bibeltexte die Gemeinschaft des Glaubens aufrechtzuerhalten. Allerdings sind die Rundbriefe nicht der alleinigen Urheberschaft Bonhoeffers zuzuschreiben.346 Neben den Rundbriefen gibt es eine persönliche Korrespondenz, in denen Bonhoeffer auch seelsorgerlichen Beistand in gemeindepraktischen Fragen gab.347 In der Finkenwalder Bekenntnisgemeinde arbeiteten die Brüder neben dem Sonntagsgottesdienst auch in einem Kindergottesdienst mit und hielten unter der Woche eine Bibelstunde.348 In diesem Zusammenhang ist die in den Jahren 1936–1937 durchgeführte Volksmission zu erwähnen.

3.7.2 Vorlesungen 3.7.2.1 Vorlesung über Katechetik Bei der Betrachtung der Finkenwalder Arbeiten muss das außergewöhnliche Arbeitspensum Bonhoeffers berücksichtigt werden. Hatte er seinen bisherigen Schwerpunkt auf die systematisch-theologische Arbeit gelegt, so musste Bonhoeffer nun die Lehre in nahezu allen anderen Bereichen der Theologie übernehmen. Die geringen Freiräume, die der streng geregelte Tagesablauf eines Kurses sowie die Pflege des gemeinsamen brüderlichen Lebens zuließen, müssen als Rahmenbedingungen für Bonhoeffers theologische Arbeit in dieser Zeit berücksichtigt werden.349 Die Vorlesung über Katechetik350 enthält die umfassendsten gemeindepädagogischen Ausführungen Bonhoeffers. Sie wurde in jedem Kurs gehalten. Bonhoeffer trug den Abschnitt über den Katechumenat im ersten bis vierten Finkenwalder Kurs als Schlussteil der Katechetik-Vorlesung vor.351 Anzumerken ist, dass Bonhoeffers Ausführungen nur noch in der Form von verschiedenen Mitschriften erhalten sind, deren Verfasser allerdings von den Herausgebern von Band 14 der DBW als »zuverlässige Mitschreiber«352 beurteilt werden. Nach eigenem Abgleich der Mitschrift mit der von Bonhoeffer ver346 347 348 349

Vgl. a.a.O., S. 21. Vgl. beispielsweise DBW 15, S. 171–175 und 180ff. Vgl. DBW 14, S. 140. Bonhoeffer veranschaulicht diese Bedingungen in einer brieflichen Randbemerkung, in der er erwähnt, dass er für den folgenden Tag noch einen Vortrag sowie eine Vorlesung über Christologie vorbereiten müsse! Vgl. DBW 14, S. 210. 350 A.a.O., S. 530–554. 351 Vgl. DBW 14, S. 552, Anmerkung 95. 352 A.a.O., S. 25.

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wendeten Sekundär-Literatur kann dieser Eindruck auch in Detailfragen nur bestätigt werden. In diesem Abschnitt soll deshalb der Inhalt der Vorlesung dargestellt werden, wie Bonhoeffer sie bis zum zweiten Kurs in Finkenwalde gehalten hat und wie sie auch in den DBW enthalten ist.353 Christlicher Unterricht und Wissen Der erste Abschnitt ›Der Begriff christlichen Unterrichts‹ wird von der Aussage Bonhoeffers eingerahmt, dass kirchliche Erziehung Bestandteil der christlichen Verkündigung sei. Diese Aussage wird in der Mitschrift besonders hervorgehoben, sie leitet den Abschnitt ein und beendet ihn. Aufgabe der Kirche sei es, nicht zu werben, sondern zu verkündigen. Nicht die Kirche laufe der Jugend hinterher, sondern sie berufe sich auf die Inanspruchnahme des Menschen von Gott in der Taufe. Der Mensch könne sich der Kirche und der gratia praeveniens Gottes nicht entziehen, er könne sich ihr nur in einem Akt endgültigen Ungehorsams entziehen. Christliche Erziehung führe jede andere Erziehung fort, indem sie auf dem Wesentlichen, das sich bereits in der Taufe ereignet habe, aufbaut. Dies setze den Mut des Glaubens voraus, fehle es daran, würde die Taufe für nichtig erklärt und der kirchlichen Erziehungsarbeit die Grundlage entzogen. Christliche Erziehung und christlicher Unterricht zeichneten sich dadurch aus, dass jeder Mensch, als Heide und als Christ, unter der Herrschaft Gottes stehe. Dies sei die Bedingung für christlichen Unterricht. Jede andere Erziehung versuche, den Menschen zu etwas zu formen, was er noch nicht sei. Bonhoeffer grenzt die von ihm vertretene Auffassung gegen die Theorie des Idealismus ab. Ähnlich wie der Idealismus strebe christliche Erziehung eine Weiterentwicklung dessen an, was im Menschen schon vorhanden sei. Der Unterschied zeige sich aber zwischen den Annahmen über das im Menschen weiterzuentwickelnde ›Sein‹. Nach dem Idealismus sei dieses Sein immer schon im Menschen vorhanden, nach christlicher Auffassung werde das Sein von außen in den Menschen bei der Taufe hineingelegt. Deshalb benötige der zu Erziehende im Idealismus keinen Erzieher, er könne sich selbst erziehen. In der Kirche werde für die Erziehung ein Erzieher benötigt, seine Autorität sei ihm aber nicht eigen, sie liege im Gesetz der Kirche. In der christlichen Erziehung müsse die Gnade Gottes als alleiniger Ursprung für die Existenz des Kindes bezeugt werden. Christliche Erziehung und eine ernst genommene Nachfolge Jesu Christi seien untrennbar miteinander verbunden. Die Existenz der iustitia aliena, wie sie in der Taufe und Rechtfertigung gegeben sei, bedinge die christliche Erziehung und den christlichen Unterricht. Die Lehrbarkeit der Religion könne bestritten werden. Während Religion aus dem Innern des Men353 Vgl. a.a.O., S. 531, Anmerkung 1.

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schen hervorrühre, käme Christus von außen. Als Existenzform sei Christus lehrbar und müsse gelehrt werden. Auf ihn bezogen könne Christentum gelehrt und gelebt werden. Bei der christlichen Erziehung gehe es nicht um die Schaffung eines neuen, christlichen Menschentyps. Vielmehr müsse sich der Mensch mit seinen Idealen unter die Herrschaft Gottes beugen. Er lebe von Gott her, von daher könne es auch keine christlichen Erziehungsideale und Erziehungsbilder geben. Der Ruf der Nachfolge ergehe an jeden Menschen. Gottes Aufgabe sei es, den Menschen nach seinem Bilde zu formen. Gott solle die Freiheit und Aufgabe dazu gegeben werden. Legte man sich auf ein christliches Unterrichtsideal fest, würde diese Freiheit nur geschmälert. Der christliche Unterricht stelle einen Teil der Erziehungsaufgabe dar. Seine Aufgabe sei es, Erkenntnis und Wissen zu vermitteln, die für das Verständnis christlicher Verkündigung notwendig wären. Bonhoeffer distanziert sich von der Arbeitsschulmethode im christlichen Unterricht, die eine selbstständige Entwicklung der Kinder im Unterricht befürworte. Die Eigenständigkeit des Kindes beginne im Protest und dem Ungehorsam gegen die Gnade Gottes. Der Lehrer müsse vom pro te Gottes, gegen das sich der Protest des Kindes richte, auf das pro nobis Gottes und die kirchliche Gemeinschaft hinweisen. Der Unterrichtsinhalt stellt für Bonhoeffer in erster Linie das biblische Wort und das Wort der Kirche dar. Die Lehrperson solle vor einer Fremdheit biblischen Stoffes und biblischer Sprache für die Kinder nicht zurückschrecken. Die Kinder sollten aber die Bedeutung von Gottes Wort für die Lehrperson spüren und dadurch aufmerksam gemacht werden. Bonhoeffer orientiert sich dabei eng am Luthertext. Biblische Geschichten sollten aus dem Gedächtnis erzählt und im Luthertext und ohne Modernisierungen von den Kindern auswendig gelernt werden. Die Kinder müssten sich mehr aus der Bibel als aus dem Katechismus und dem Gesangbuch einprägen. Wie wichtig Bonhoeffer das Auswendiglernen war, zeigt sich daran, dass er es auch von seinen Kandidaten einforderte.354 Zum Wort der Kirche als Unterrichtsinhalt gehören sichtbare Ansätze im Katechismusunterricht für ein Bekenntnis in der Gegenwart. Die Ordnung im Unterricht sei Sache der Kirche, sie könne deshalb nicht im Ermessen des Einzelnen stehen. Der Kirche müsse die Ordnung bekannt sein. Die Ordnung geschehe zum Wohl der Kinder, diese müssten aber die Liebe hinter der Ordnung spüren können. Zur Vermittlung des Wissens nennt Bonhoeffer zwei Methoden, die Analogie oder das Ärgernis. Das Ärgernis, die Anknüpfung an Ungleiches, zieht er allerdings vor, da dies dem Inhalt christlichen Wissens als fremder Stoff näher käme. Bei der Methode der Analogie stellt Bonhoeffer die Formalstufen von Herbart-Ziller dar. Die Formalstufen setzen sich zusammen aus: Vorbereitung, 354 Vgl. a.a.O., S. 151.

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das heißt Analyse, Darbietung und Vertiefung als Synthese, Verknüpfung im Sinne von Assoziation und Anwendung, also System und Methode. In der Mitschrift werden nur die letzten drei Stufen ausgeführt. Die Vertiefung des Wissens solle durch die Rückführung des biblischen Stoffes auf allgemeine Wahrheiten und die Ausarbeitung des religiös-sittlichen Gehaltes erfolgen. Die Verknüpfung geschehe durch Vergleiche und die Einordnung in einen anderen Zusammenhang. In der Stufe der Anwendung werde die in der Vertiefungsphase herausgearbeitete allgemeine Wahrheit an einem Fall konkretisiert und verliere so für das Kind an Fremdheit. Auch wenn das Wort Gottes im Schutz der gewonnenen Erkenntnis stehe, benötige es keine Methoden zum Schutz, sondern sei sein eigener Schutz. Das gelte auch in der Begegnung mit dem Kind, dem das Wort Gottes fremd erscheine. Bonhoeffer führt noch ein anderes Stufenmodell ein, das dem Herbartschen Modell entgegengestellt sei.355 Die erste Stufe greife die christliche Botschaft im Skandalon als angemessenste Form auf. Inhalt der zweiten Stufe sei der Protest der Kinder, mit denen sich der Lehrer aber solidarisch zeigen müsse. Auf der nächsten Stufe folge die Verkündigung des pro nobis. Im vierten und letzten Schritt werde ein gemeinsames Bekenntnis erarbeitet und gesprochen. Bonhoeffer grenzt diese vier Schritte von den Herbartschen Formalstufen ab, die in den Grenzen der Vernunft operieren und das Skandalon vermeiden würden. Das Skandalon lasse sich nicht herbeiführen. Der Lehrende müsse an die Sprache und Vorstellungswelt des Kindes anknüpfen, um Christus so zu predigen, dass das Kind eine Ahnung des Skandalons erhalte. Ziel der Predigt sei nicht, das Ärgernis beim Kind hervorzurufen, sondern das Evangelium zu verkündigen. Das Ärgernis würde als Folge der Predigt bei dem Menschen eintreten, der sich selbst für religiös halte und nicht nur aus der Vergebung leben wolle. Bonhoeffer definiert Ärgernis als das »Sterben des alten Menschen an Christus«356. Den Ausführungen über das Ärgernis schließt er einige allgemeine Äußerungen über die Methodik an. Methodik könne verlorene Substanz der Lehre nicht ersetzen, wie es Bonhoeffer in den Vereinigten Staaten erlebt habe. Eine gute Kenntnis des Stoffes und Liebe zu den Kindern stelle aus psychologischer Sicht die beste Methode dar. Psychologische Befunde beim Kind und beim Jugendlichen Verwunderlich ist, dass Bonhoeffer in der Katechetik-Vorlesung einen so ausführlichen Psychologie-Teil aufnahm, obwohl er sich sonst sehr kritisch gegenüber Psychologie und ›psychologisieren‹ äußerte.357 355 Vgl. a.a.O., S. 538, Anmerkung 32. 356 A.a.O., S. 539. 357 Beispielsweise kritisierte Bonhoeffer das psychologische Verständnis der Beichte, vgl. DBW 11, S. 297.

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Die Herausgeber von DBW 14 entdecken in dieser Darstellung Bonhoeffers Elemente der Individualpsychologie Alfred Adlers, die durch Fritz Künkel pädagogisch aufbereitet und verbreitet wurden.358 Bonhoeffer war im Besitz von Künkels Werken ›Krisenbriefe. Die Beziehungen zwischen Wirtschaftskrise und Charakterkrise‹ und ›Die Arbeit am Charakter. Die neuere Psychotherapie in ihrer Anwendung auf Erziehung, Selbsterziehung und seelische Hilfestellung‹359. Bonhoeffer und Künkel stellen das Kind ähnlich dar. Beide zeichnen es als egoistisch und in erkannter Abhängigkeit von seiner Umwelt. Bei Künkel nutzt das Kind die erkannte Abhängigkeit aktiv für seine Zwecke, bei Bonhoeffer ruft die Abhängigkeit Erschrecken und Hilflosigkeit hervor. Zentral für das Kind sei die Beherrschung seiner Umwelt. Künkel nennt das Kind »tonangebender Prinz«360, Bonhoeffer bezeichnet es als »Tyrann«361. In ihrer psychologischen Darstellung unterscheiden sich Künkel und Bonhoeffer in der Frage des Zeitpunktes eines eintretenden Bruches und der Rolle der Autorität. Bonhoeffer setzt den Zeitpunkt eines Bruches im Kind wesentlich später an als Künkel. Der Bruch im Kind werde mit Beginn des Jugendalters ausgelöst, wenn es in das Stadium der Reflexion eintrete. Für Künkel geschieht der Bruch schon im Kleinkindalter, wenn das Kind erlebe, wie die Gemeinschaft und das Vertrauen zwischen Mutter und Kind durch dessen Ungehorsam zerbreche. Im Umgang mit dem Kind solle der Erzieher weder um die eigene Autorität ringen noch den Verlust der Überlegenheit fürchten. Vielmehr solle er dem Kind das durch den Bruch verloren gegangene Vertrauen wiedergeben. Nach Bonhoeffer benötige das Kind eine absolute Autorität für die Stabilität seiner Weltordnung. Die Absolutheit der Autorität müsse dem Kind auch im religiösen Bereich durch das göttliche Gebot und die göttliche Verheißung bewusst sein.362 Die von Künkel verarbeitete Individualpsychologie Alfred Adlers spiegelt sich ebenfalls in Bonhoeffers psychologischer Darstellung wider. Nach Adler findet die Persönlichkeitsentwicklung des Kindes in der Spannung zwischen individuellen Gegebenheiten und sozialen Anforderungen statt. Von früher Kindheit an strebe der Mensch nach sozialer Anerkennung und versuche, Minderwertigkeitsgefühle durch Machtstreben auszugleichen. Fehlentwicklungen führt Adler auf die Abwehr des Menschen von Anforderungen seiner Umwelt zurück,

358 Vgl. DBW 14, S. 540, Anmerkung 40. 359 Bonhoeffer, Dietrich, Ethik, hg. von: Ilse Tödt u. a., DBW, Bd. 6, München 1992a, S. 474 und DBW 14, S. 1112. 360 Künkel, Fritz, Die Arbeit am Charakter. Die neue Psychotherapie in ihrer Anwendung auf Erziehung, Selbsterziehung und seelische Hilfeleistung, Konstanz 231957, S. 44. 361 DBW 14, S. 540. 362 Vgl. a.a.O., S. 540ff., und vgl. Künkel (1957), S. 39f. und 44ff.

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bei der die Befreiung von Minderwertigkeitsgefühlen misslinge.363 Der Aspekt des Minderwertigkeitsgefühls wird von Bonhoeffer in der psychologischen Betrachtung des Jugendlichen angesprochen, von ihm allerdings als ›Unwertigkeitsgefühl‹ bezeichnet. Bei der Betrachtung des Kindes erscheint dieses Gefühl in der Form der Angst vor der Außenwelt. Diese Ähnlichkeit in der Begründung seelischer Fehlentwicklungen sowie das kindliche Machtstreben legen eine Anlehnung Bonhoeffers an Adler nahe. Sigmund Freud begründete im Gegensatz zu Adler seelische Fehlentwicklungen mit der Rolle der Libido.364 Des Weiteren klingt in Bonhoeffers Darstellung des Kindes Freuds Beschreibung des ›Es‹ an. Das Es befinde sich im Konflikt mit seiner Umwelt und suche deren Beherrschung. Im Es regiere nach Freud das Lustprinzip, was die Ausrichtung auf die Bedürfnisbefriedigung zur Folge habe. Das Kind ist bei Bonhoeffer von einer egoistischen Rücksichtslosigkeit gezeichnet, die mit einem unbekümmerten Vergessen anderer Menschen einhergeht.365 Duzdus u. a. nehmen eine Abgrenzung Bonhoeffers von Freud in der Bedeutung der Libido für die kindliche Entwicklung an. Bonhoeffer charakterisiert das Kind als »unerotisch«. Erotik bezeichnet er als Reflexion »über das Verhältnis von Mensch zu Mensch«366. Als Grund dieser Abgrenzung kann ein Einfluss von Karl Bonhoeffer angenommen werden, der sich gegen den Vormarsch der Psychoanalyse Sigmund Freuds und Carl Gustav Jungs in Psychiatrie und Neurologie wehrte.367 Der Katechumenat Bonhoeffer trug den Abschnitt über den Katechumenat (siehe auch Gliederungspunkt 5.5) im ersten bis vierten Finkenwalder Kurs am Ende der Katechetik-Vorlesung vor.368 Der Schlussteil der Vorlesung findet sich nur im ersten Finkenwalder Kurs von 1935. Offen bleibt die Frage, ob Bonhoeffers Katechumenatsentwurf in dieser Form als einmaliger Bestandteil der Vorlesung über Katechetik von 1935 anzusehen oder nur in den Mitschriften aus dem Kurs erhalten geblieben ist. Für Letzteres spricht die Länge der vorhandenen Mitschriften, die nach 1935 knapper ausfallen. Erkennbar aus den Mitschriften ist lediglich, dass der altkirchliche Katechumenat fester Bestandteil der anderen Vorlesungen bis in das Sammelvikariat blieb.369 Es ist davon auszugehen, dass 363 Vgl. Caspar, Franz, Art. Individualpsychologie, in: Dorsch Psychologisches Wörterbuch, hg. von: Hartmut Häcker/Kurt Stapf, Bern 142004, S. 436. 364 Vgl. Caspar (2004), S. 436. 365 Vgl. DBW 14, S. 540f. und 545, Anmerkung 54 und vgl. Freud, Sigmund, Das Ich und das Es, hg. von: Anna Freud/Sigmund Freud. Gesammelte Werke, Bd. 13, Frankfurt am Main 51967, S. 252 und 283ff. 366 DBW 14, S. 540f. 367 Vgl. Bethge (2005), S. 44f. 368 Vgl. DBW 14, S. 546–551 und 552, Anmerkung 95. 369 Vgl. NL B 12, 1–2, 1: Eberhard Bethge von 1935; NL B 12, 2: Erich Klapproth von 1936/37,

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Bonhoeffer mit der Darstellung des altkirchlichen Katechumenats in einer praktisch-theologischen Vorlesung keinen reinen kirchengeschichtlichen Überblick zu geben beabsichtigte. Seine Darstellung muss in Beziehung zum kirchlichen Unterricht seiner Zeit gestanden haben, auch wenn die genauen Verbindungen nach 1935 nicht mehr nachweisbar sind. Die Herausgeber von DBW 14 nehmen an, dass Bonhoeffer wohl im dritten Kurs 1936 die Vorlesung über Konfirmandenunterricht mit der Darstellung des altkirchlichen Katechumenats eingeleitet habe.370 Der Vorlesungs-Abschnitt besteht aus zwei großen Teilen. Im ersten Teil nahm Bonhoeffer eine zusammenfassende Übersicht zum altkirchlichen Katechumenat vor. Darunter ist eine sich in der frühen Kirche entwickelte Einrichtung der Taufvorbereitung zu verstehen, deren Stufen ein interessierter Bewerber zu durchschreiten hatte, bis er als vollwertiges Mitglied in die kirchliche Gemeinschaft aufgenommen werden konnte. Beim altkirchlichen Katechumenat handelt es sich um ein örtlich variierendes, von historischen Einflüssen bedingt gewachsenes, sehr komplexes und liturgisch geprägtes System, das aus zahlreichen Äußerungen altkirchlicher Schriftsteller rekonstruiert werden muss. Bonhoeffer nimmt eine solche Rekonstruktion unter Anlehnung an Carl A. G. von Zezschwitz371 und Ernst Ch. Achelis372 vor. Dabei fällt auf, dass er den Stoff, trotz Parallelen zu den erwähnten Autoren, in eigener Weise inhaltlich-strukturell rezipiert. Bonhoeffer beginnt seine Ausführungen zum altkirchlichen Katechumenat nach den vorliegenden Mitschriften mit dem Hinweis auf dessen Form und Dauer, bevor er sich Tertullians Streitschrift ›De praescriptione haereticorum‹ zuwendet. Im Gegensatz zu anderen Darstellungen des altkirchlichen Katechumenats stellt er keine neutestamentlichen Grundlagen der Taufunterweisung voran, wie es z. B. bei Achelis mit einer Exegese von Mt 28, 19f. der Fall ist.373 Dass Bonhoeffer die neutestamentlichen Grundlagen zur Unterweisung der Gemeinde über die Sakramente nicht gleichgültig sind, zeigt sich daran, dass er sie ausführlich an anderer Stelle vornimmt, nämlich im Vortrag über ›Schlüsselgewalt und Gemeindezucht im Neuen Testament‹374 von 1937. Ebenfalls fehlen bei

370 371 372 373 374

NL B 12, 3: Gerhard Krause von 1936/37 und NL B 12, 4: Hans-Werner Jensen von 1938/39, in zusammengeführter Form veröffentlicht in DBW 14, S. 552ff. Vgl. a.a.O., S. 623, Anmerkung 1. Zezschwitz, Carl Adolf G. von, System der christlich kirchlichen Katechetik I: Der Katechumenat oder die kirchliche Erziehung nach Theorie und Geschichte, Leipzig 1863, S. 91 und vgl. Achelis (1911), S. 79–154. Achelis, Ernst Ch., Praktische Theologie, Tübingen 1903, S. 178ff. und Achelis (1911), S. 281–294. Vgl. a.a.O., S. 281f. Vgl. DBW 14, S. 833ff.

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Bonhoeffer Hinweise auf frühere Zeugnisse über eine private Unterweisung der Taufkandidaten, wie sie bei Justin dem Märtyrer berichtet wird, von dem die ersten Nachrichten über den altkirchlichen Katechumenat stammen.375 Auch werden die zahlreichen liturgischen Elemente außer Acht gelassen, die im Katechumenat mit der Taufe einhergingen. Vergleicht man die jeweiligen Ausführungen der von Bonhoeffer aufgeführten Autoren Tertullian, Origenes, Augustin und Cyrill von Jerusalem, so gibt es mehrere Auffälligkeiten. Die Vorlesungsmitschriften zeugen von seiner massiven Vereinfachung der komplexen und vielfältigen Zeugnisse, die in didaktischer Hinsicht als erstaunliche Leistung zu würdigen ist. Das Ergebnis dieser Reduktion ist eine Ordnung des Stoffes nach den folgenden Gesichtspunkten: Der Aufbau des Katechumenats wird in seinen verschiedenen Stufen bei allen Autoren bis zur Einführung der Kindertaufe dargelegt. Dazu führen die Mitschriften Rechte und Pflichten des Taufbewerbers auf jeder einzelnen Stufe an sowie Kriterien und Rituale, nach denen ein Taufbewerber die nächste Katechumenatsstufe erreicht. Die Aufgaben der Gemeinde werden in diesem Zusammenhang ebenfalls angeführt, die die Taufbewerber etwa unter besondere Beobachtung stellt oder sie in ihr Gebet aufnimmt. Auch den Zeitpunkt und den Umfang der Teilnahme des Taufbewerbers am Gemeindegottesdienst erwähnt Bonhoeffer für jeden Autor bis zur allgemeinen Einführung der Kindertaufe. Dass Bonhoeffer die folgende Entwicklung des Katechumenats nur noch mit ein paar Randbemerkungen über Konfirmation und Aufgabe der Paten versieht, kann mit der Entwertung des Katechumenats durch die Verbreitung der Kindertaufe begründet werden.376 Ein eigener Abschnitt ist der Arkandisziplin gewidmet, der christlichen Forderung der frühen Kirche, Sakrament und Dogma vor der Welt zu verbergen. Die Arkandisziplin entwickelte sich sowohl im Zuge staatlicher Verfolgung als auch durch zunehmenden Andrang mit der Duldung und Anerkennung des Christentums und weist Parallelen zu den heidnischen Mysterienkulten auf. Die Arkandisziplin erwähnte Bonhoeffer wiederholt in seinen Schlussworten zum ›Sinn des altkirchlichen Katechumenats‹. In diesem Teil können die bisherigen Beobachtungen bestätigt werden, dass Bonhoeffer seinen Fokus nicht auf exegetische Fragen, liturgische Elemente oder das Engagement von Privatpersonen wirft, sondern, dass es ihm um ein System von kirchlich verantwortetem und durchgeführtem Unterricht geht. Die Elemente, die als kennzeichnend für Bonhoeffers Rezeption des Katechumenats 375 Vgl. Zezschwitz (1863), S. 91 und vgl. Achelis (1911), S. 282f. 376 Vgl. Dujarier, Michael, Kurze Geschichte des Katechumenats, in: Katechumenat in Geschichte und Gegenwart. Pastoralkatechetische Hefte 65, hg. von: Franz Georg Friemel/ Franz Schneider, Leipzig 21991, S. 55ff.

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erarbeitet wurden, können mit der folgenden Aussage der Mitschrift bestätigt werden: »Die Kirche ist ein sichtbares Reich mit eigenen Geboten, Rechten, Entwicklungsstufen. Allmähliches Vorwärtsführen. Mit der Taufe ist nicht alles auf einmal fertig […] Freiwillige Willenserklärungen, Orientierung des ganzen Unterrichts am Gottesdienst der Gemeinde, das sind wichtige Punkte.«377

Es soll nun gezeigt werden, wie diese Punkte in Bonhoeffers eigenen Katechumenatsentwurf einfließen. Bonhoeffer leitet diesen Vorlesungsabschnitt mit dem Proselyten-Katechumenat bei Tertullian ein und spricht die einzelnen Stufen zur Taufe an, wie sie bei Origenes, Augustin und Cyrill von Jerusalem erwähnt werden. Mit der sich verbreitenden Praxis der Kindertaufe sei es zu einer Entwertung der Bedeutung des Katechumenats und zu einem zeitlichen Auseinanderfallen von Taufe und Konfirmation gekommen. Der Sinn des altkirchlichen Katechumenats liege darin, das der Kirche anvertraute Geheimnis und die ihr anvertrauten Gaben nicht breit zugänglich zu machen. Als Beispiel dafür nennt Bonhoeffer die Zulassung zum Abendmahl. Im Schlussteil der Vorlesung geht Bonhoeffer auf die Bedeutung des altkirchlichen Katechumenats für den Religionsunterricht seiner Zeit ein. Er unterscheidet den Religionsunterricht in mehreren Punkten vom altkirchlichen Katechumenat und leitet daraus drei Forderungen ab. Zum einen sei der Religionsunterricht in den Händen von Staat und Kirche, aber die Kirche sei allein dazu berechtigt, weil sie die Autorität zur christlichen Verkündigung innehabe. Der Staat erkenne durch den Abtritt des Religionsunterrichtes seine Grenzen, die Kirche dürfe den Unterricht dagegen nicht abtreten. Ziel der Unterweisung sei die Teilnahme am Gottesdienst und am Gemeindeleben. Der Gottesdienst könne die für das Gemeindeleben nötige Unterweisung aber nicht leisten, er sei nur noch ein Reststück aufgelösten Gemeindelebens. In diese Zerstörtheit müsse hineingesprochen werden, was früher durch den Katechumenen gesprochen wurde. Dies habe in drei Stufen zu erfolgen: Zuerst müsse in der Unterweisung die Gemeinde in ihrer ursprünglichen Gestalt und in ihrem heutigen Verfall behandelt werden. Von diesem Punkt aus ließen sich die Stellung und das Verständnis des Gottesdienstes behandeln. Auf der nächsten Stufe müssten auf Grundlage der Bibel christliche Erkenntnisse gewonnen und Bekenntnisse in Bezug auf die Gemeinde formuliert werden. Die Heilige Schrift und das Glaubensbekenntnis hätten dabei ihren Platz in der Gemeinde. Im dritten Schritt erfolge als notwendige Konsequenz das gemeinsame brüderliche Gemeindeleben. Teil dieses Gemeindelebens seien Gebet, Bekenntnis 377 DBW 14, S. 550f.

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und Beichte. Im Zentrum stünden Gottesdienst und Sakramente, die Ursprung und Ziel des Geschehens seien. Die dritte Forderung Bonhoeffers setzt sich mit dem Zugang zur Kirche durch die Taufe auseinander. Die Katechumenen würden durch ihre schon vollzogene Taufe von der Kirche angesprochen und in Beschlag genommen. Dass ein Mensch Christ würde, geschehe aber nicht nur durch die Taufe, wie Bonhoeffer auch an anderen Stellen betont. In der Praxis zeigten sich die wesentlichen Schwierigkeiten bei der Uneinheitlichkeit des Unterrichtes, der in verschiedenen Bereichen – Kindergottesdienst, Konfirmandenunterricht, Religionsunterricht – stattfinde. Ziel müsse die Vereinheitlichung der christlichen Unterweisung sein.378 3.7.2.2 Vorlesung über Konfirmandenunterricht Die Quellenlage zur Vorlesung über Konfirmandenunterricht aus dem dritten Kurs in Finkenwalde von 1936 ist nicht ganz unproblematisch. Erhalten sind lediglich von Bonhoeffer selbst ein fragmentarisches Konzept zur Geschichte der Konfirmation sowie eine Vorlesungsmitschrift aus dem dritten Kurs von 1936, die neben Notizen zu Ziel und Aufbau des Konfirmandenunterrichts Skizzen für die ersten beiden Konfirmandenstunden enthält.379 Die Herausgeber von DBW 14 legen nahe, dass Bonhoeffer 1936 eine Umgestaltung sowohl der Vorlesung über Katechetik als auch der Vorlesung über Konfirmandenunterricht vornahm. Die Vorlesung über Konfirmandenunterricht aus dem dritten Kurs in Finkenwalde 1936 leitete Bonhoeffer mit der Darstellung des altkirchlichen Katechumenats ein, die bisher den Schlussteil der Vorlesung über Katechetik gebildet hatte.380 Die Stichworte der Vorlesung zur Geschichte der Konfirmation, die sich im fragmentarischen Konzept Bonhoeffers befinden, sind in ihrer Reihenfolge und in ihrem Wortlaut nahezu identisch Egers Artikel zur Konfirmation aus der zweiten Auflage der RGG entnommen. Sollte die Annahme der Herausgeber zutreffen, dass das Fragment einen Teil der Vorlesung im dritten Kurs darstellte, zeigt dies, unter welchem zeitlichen Druck Bonhoeffer bei der Vorbereitung seiner Veranstaltungen teilweise gestanden haben muss.381 In der Geschichte der Konfirmation setzt Bonhoeffer ein bei der Konsolidierung der Reformation über Pietismus und Aufklärung bis hin zum ausgehenden 19. Jahrhundert. Als grundlegende Elemente zeigt er den Wechsel von 378 379 380 381

Vgl. a.a.O., S. 552ff. A.a.O., S. 623–628. Vgl. a.a.O., S. 552, Anmerkung 95 und S. 623, Anmerkung 1. Vgl. Eger, Karl, Art. Konfirmation, in: Religion in Geschichte und Gegenwart, Bd. 3, hg. von: Hermann Gunkel/Leopold Zscharnack, Tübingen, 21929, Sp. 1191–1197 und vgl. DBW 14, S. 623, Anmerkung 2.

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Katechismusverhör und Bekenntnis in den einzelnen Epochen auf. Im Anschluss nimmt er Stellung zu grundlegenden Fragen der Konfirmation, die ihn schon in ›Sanctorum Communio‹ beschäftigten: Die Verbindung von Konfirmation mit dem Abendmahlsgang und Bekenntnis.382 Hinzu kommt die Frage nach dem Konfirmationsalter. Bemerkenswert ist, dass Bonhoeffer aus seiner eigenen Erfahrung und vor allem aus ekklesiologischer Perspektive antwortet: »Die Reformvorschläge [sind] solange sinnlos, als nicht die ganze Gemeinde eine andere ist. In einer Bekenntnisgemeinde kommt das alles zum Recht, was in der Volkskirche unmöglich geworden ist. Bis dahin – [muss] strenge Konfirmationszucht [geübt werden] – hier [gilt]: Beginn der Kirchenzucht.«383

Bei den Zielen des Konfirmandenunterrichtes legt Bonhoeffer sich zunächst nicht fest, sondern zeigt die Spannweite der Ziele auf, wie sie in bescheidener Form bei Martin Luther und Johannes Calvin, in großer Form bei Martin Bucer zu finden seien. Eine Bekehrung, wie Bucer es sich vorstellt, könne nach Bonhoeffer nur im Gebet und nach der Predigt erfolgen. Er stellt das Wort Gottes in den Mittelpunkt, dessen »Träger und Handlanger«384 der Unterrichtende sei. Das Wort habe die Aufgabe, den Einzelnen in die kirchliche Gemeinschaft zu führen. Bei der Besprechung des Gesamtaufbaus grenzt Bonhoeffer sich vom Katechismusunterricht ab und betont, dass die Durchführung des Unterrichts entscheidend sei. Der Unterricht dürfe nicht beim Situationsbezug von Stoffauswahl und Anlage stehen bleiben, sondern müsse die Fragen des Konfirmanden aufnehmen und einarbeiten. Dabei solle der Unterrichtende jede Apologetik vermeiden, stattdessen solle er die Fragen des Konfirmanden in die Verkündigung hineinnehmen. Hier scheint Bonhoeffer seine bisherige Praxis zu korrigieren, in der er, den erhaltenen Ansprachen nach, eher apologetisch auftrat und den Fragen der Kinder und Jugendlichen wohl vor allem bei gemeinsamen Aktivitäten Raum gab. Die Empfehlung an die Kandidaten, zu ihren zukünftigen Konfirmanden ein gutes, aber nicht zu vertrauliches Verhältnis einzugehen, spiegelt Bonhoeffers eigene Erfahrungen wider.385 Anhand von mehreren Beispielstunden verdeutlicht Bonhoeffer den Aufbau von Konfirmandenunterrichtsstunden. Er stellt den Stunden ein übergeordnetes Thema (›Vom Bekennen‹, ›Taufe‹, ›Heilige Schrift‹, ›Kirche‹) voran, dazu einen 382 383 384 385

Vgl. DBW 1, S. 165, Anmerkung 109 und vgl. DBW 14, S. 623ff. A.a.O., S. 624f. A.a.O., S. 626. Bonhoeffers gemeindepraktische Aktivitäten waren in der Regel von einem intensiven Verhältnis zu Kindern und Jugendlichen begleitet, das ihm aber auch Probleme bereitete. Siehe hierzu auch Gliederungspunkt 3.2.1.

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passenden Bibeltext mit Lied, Schriftlesung, Veranschaulichung und einem Bibelvers, der auswendig gelernt werden sollte. Das Auswendiglernen zeigt sich damit als fester Bestandteil von Bonhoeffers gemeindepädagogischem Ansatz in Finkenwalde.386 Zwei Unterrichtsentwürfe greifen wesentliche Inhalte aus der Katechetik-Vorlesung auf: Die Stunde über die Taufe sieht vor, den Konfirmanden Gottes Anspruch an sie durch die empfangene Taufe mitzuteilen. Die Stunde über das Bekenntnis führt zur Formulierung eines freiwilligen KyriosBekenntnisses, wie es auch die vorangegangenen Diskussionsstichworte nahelegen.387 Beide Stunden bilden allerdings nur einen Teil der ›Theologischen Stufen‹ aus der Katechetik-Vorlesung ab. Besser erkennbar werden diese Stufen in der Mitschrift zum Katechetischen Entwurf einer ersten Konfirmandenstunde aus dem ersten Kurs.388 Eine weitere erhaltene Auseinandersetzung mit dem Konfirmandenunterricht dokumentiert der Freizeit-Bericht aus Zingst im Juni 1938. Dieser betont die Wichtigkeit, den Konfirmandenunterricht mit einer Andacht zu beginnen, die Einführung in den Psalter und in die tägliche Bibellese sowie die Verwendung und Auswertung von Monatsspruch und Monatslied. Daneben sollten die Konfirmanden viel lernen und Leistungsschwächere in besonderem Maße gefördert werden. Ein wichtiger Bestandteil des Konfirmandenunterrichtes sei auch die Beichtunterweisung.389

3.7.3 Katechetische Entwürfe Die Vorlesung über Katechetik wurde im Predigerseminar durch katechetische Übungen ergänzt. In den kleineren Kreisen, in denen die Übungen stattfanden, musste einer der Kandidaten jeweils eine Katechese vorbereiten, die anderen Teilnehmer beschränkten sich auf Entwürfe. Nach der Zusammentragung der Arbeiten erfolgte die Erarbeitung einer gemeinsamen Katechese in der Gruppe. Zum Ende der Übung stellten Rott oder Bonhoeffer einen eigenen Entwurf vor. Die Treffen in den kleinen Kreisen sollten den Kandidaten einen möglichst unbefangenen Vortrag ermöglichen.390 Als Mitschriften erhalten sind fünf katechetische Entwürfe aus dem ersten 386 Vgl. a.a.O., S. 536 und 627. 387 In den Diskussionsfragen heißt es: »3. Bekenntnis? Grundsätzlich jedes Alter kann sagen – Jesus Christus, mein Herr«, DBW 14, S. 624. Das eigene Bekenntnis der Unterrichtsskizze formuliert Bonhoeffer : »Bekenntnis = Jesus soll mein Herr sein. Du bist mein Herr ; er allein«. A.a.O., S. 627f. 388 A.a.O., S. 360f. 389 Vgl. DBW 15, S. 47. 390 Vgl. DBW 14, S. 26 und 70.

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Kurs sowie ein Entwurf aus dem dritten Kurs des Predigerseminars. Die Mitschriften sind sehr fragmentarisch und in ihrer Herkunft nur sehr unsicher zuzuordnen. Teils stammen sie von Bonhoeffer selbst, teils von Rott oder den Kandidaten. Die folgende Untersuchung befasst sich mit drei katechetischen Entwürfen, welche Bonhoeffer eindeutig zugeordnet werden können.391 Der Entwurf über das Gewissen392 wird mit einem Lutherzitat eingeleitet, nach dem Teufel und Christus ohne Gewissen seien. Bonhoeffer leitet daraus fragend-entwickelnd zur Rolle des Gewissens beim Menschen über. Kernaussagen der Stoffanordnung sind, dass das Gewissen den Menschen zu sich selbst zurücktreibe und dem Menschen das göttliche Gebot mitteile. Ein gutes Gewissen genüge nicht, um vor Gott zu bestehen. Durch Gottes Tun könne das Gewissen dem Gebot Gottes Gehorsam erweisen. Im Glauben bestehe ein Kampf gegen das anklagende Gewissen, das die Vergebung Gottes abstreite. Ziel sei der Tod des Gewissens durch Christus, damit Christus allein im Menschen leben könne. Weitere Hinweise zur Methodik oder zum Rahmenprogramm der Katechese finden sich in dem Entwurf nicht. Dem Entwurf über Gerechtigkeit393 stellt Bonhoeffer einige einleitende Gedanken voran, die er in der Katechese genauer ausführt. Der grundsätzliche Aufbau der Katechese müsse beim Thema Gerechtigkeit von unten nach oben erfolgen.394 Er stellt die drei Hauptgedanken dar, nach denen Gott im Gegensatz zum Menschen Gesetzgeber und Richter in einer Person darstelle, der alle Menschen zugleich nach ihrem Sein und Tun richte. Er leitet den Entwurf mit dem Bild eines gerechten Lehrers ein, der sich einem Maßstab von außerhalb unterwerfe, und setzt diesen in Kontrast zum willkürlichen Handeln. Um Willkür zu vermeiden, müsse eine Trennung von Gesetzgeber- und Richteramt herrschen. Nur Gott könne beide Ämter in sich vereinigen. Ein menschlicher Richter urteile nicht über das Sein, sondern über das Tun. Bonhoeffer bringt in diesem Zusammenhang das Beispiel eines Lehrers, der eine Arbeit nur nach ihrer Qualität beurteilen könne, nicht aber nach ihrem Verfasser. Im Anschluss wirft Bonhoeffer die Frage nach der Gerechtigkeit Gottes auf, deren Verständnis das Ziel der Katechese sei. Gott habe seine Gerechtigkeit unter Beweis gestellt, indem er sich durch das Kreuz seinem eigenen Gesetz und Gericht unterworfen habe. Gott beurteile das Sein und Tun aller Menschen als böse. In der Offen391 392 393 394

Vgl. DBW 14, S. 360, Anmerkung 1. A.a.O., S. 362–365. A.a.O., S. 365ff. Die Herausgeber von DBW 14 sehen diese Bemerkungen als Kritik Bonhoeffers am vorangegangenen Entwurf Bethges, vgl. a.a.O., S. 365, Anmerkung 21. Bonhoeffers eigene Umsetzung lässt ›unten‹ als Anknüpfung an die Erfahrungswelt der zu Unterweisenden erkennen. Im Gegensatz dazu handelt es sich bei ›oben‹ vermutlich um das konkrete biblische Gebot.

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barung seiner Liebe und Gerechtigkeit verurteile er den Menschen nicht zum ewigen Tode, sondern sterbe selbst. Mit der eigenen Bestrafung Gottes erlangten die Menschen Vergebung. Auch im Entwurf zur Heiligen Schrift395 findet sich das Schema von ›unten‹ nach ›oben‹: Er beginnt bei der Erfahrungswelt der zu Unterweisenden, indem er sich nach Orten erkundigt, an denen die Heilige Schrift zu finden sei. Es schließen sich Fragen nach der Verwendung und dem Verwendungsgrund der Heiligen Schrift an, in der das göttliche Gebot sichtbar werde. Der Entwurf skizziert das Frage-Antwort-Schema einer Katechese und beinhaltet mögliche Antworten. Mit kirchengeschichtlichen Beispielen veranschaulicht Bonhoeffer seine Ausführungen. Ziel des Entwurfs soll das Lesen der Heiligen Schrift sein. Der Entwurfscharakter der Katechesen und viele Stichworte erschweren eine Beurteilung. Die Katechesen befinden sich noch im didaktischen Vorbereitungsstadium, da sie vor allem Hinweise auf die Stoffauswahl und Stoffanordnung geben. Der theologische Gehalt wirkt sehr konzentriert. Eine Aufbereitung durch Erläuterungen oder Beispiele fehlt größtenteils. Ebenfalls fehlt die durchgängige Umsetzung des Stoffes in das Frage-Antwort-Schema sowie methodische Ausführungen. Dennoch fallen Unterschiede zu früheren Katechesen und Ansprachen Bonhoeffers auf. Die Entwürfe aus dem Predigerseminar wirken fokussierter, wie besonders an den angeführten Zielstellungen der Katechesen deutlich wird. Im Vergleich zu den früheren Ansprachen fällt das Fehlen von Appellen und Belehrungen auf. Auf eine Veränderung im Katechesenstil Bonhoeffers kann angesichts des bloßen Entwurfscharakters der dargestellten Katechesen jedoch nicht geschlossen werden.

3.7.4 Zweiter Katechismusentwurf Der zweite Katechismusentwurf von 1936 wurde von Bonhoeffer selbst als ›Konfirmandenunterrichtsplan‹396 bezeichnet. In einem Brief an Sutz berichtet er von der Vorbereitung des Konfirmandenunterrichtsplanes (KUP), für die er den Katechismus ›Ich bin der Herr Dein Gott. Eine kirchliche Unterweisung‹397 von Lukas Christ herangezogen habe. Allerdings vermute er bei Christ einige Lehrirrtümer. Den KUP habe er auf der Freizeit des Finkenwalder Kurses im Oktober 1936 vorgestellt.398 Nach Bobert-Stützel habe Bonhoeffer den KUP auch im Sammelvikariat im Frühjahr 1938 vorgetragen.399 395 396 397 398 399

A.a.O., S. 653f. A.a.O., S. 255 und 786–819. Christ, Lukas, Ich bin der Herr dein Gott. Eine kirchliche Unterweisung, Basel 1934. Vgl. DBW 14, S. 255. Vgl. Bobert-Stützel, (1995), S. 349.

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Bethge zufolge habe Bonhoeffer beabsichtigt, die Kandidaten zu eigenen Experimenten zu ermutigen. Er habe den KUP mit der Orientierung an Luthers Aufbau des Kleinen Katechismus konservativer gestaltet als er und Hildebrandt es 1931 getan hätten. Bonhoeffer hätte sich damit bewusst gegen Anpassungen durch die Deutschen Christen gestellt.400 Mit 168 Fragen ist der KUP beinahe fünfmal so umfangreich wie der Erste Katechismusentwurf. Die Hauptstücke des KUP ›Vom Gehorsam‹, ›Vom Glauben‹, ›Vom Gebet‹, ›Von Taufe, Predigt, Abendmahl und Beichte‹ decken sich in Reihenfolge und Inhalt in etwa mit den Hauptstücken des Kleinen Katechismus und orientieren sich daher stärker an der lutherischen Tradition.401 Wie auch der erste Entwurf von 1931 bezieht der KUP Stellung zu zeitgenössischen Fragen, wie Krieg, Heldentum, der Rassenfrage und dem Leben unter einer ungerechten Obrigkeit, was für einen lutherischen Katechismus eher ungewöhnlich ist.402 Die Beichte, die sich im Entwurf von 1931 noch nicht findet, wird ausführlich behandelt. Im Hauptabschnitt ›Vom Gehorsam‹ verwendet Bonhoeffer die biblische Zählung und verzichtet auf die lutherische Zählung der Zehn Gebote. Bonhoeffer nimmt die Erläuterung der einzelnen Gebote ähnlich zum Kleinem Katechismus auf, im Katechismusentwurf von 1931 fehlte noch die Erläuterung der Zehn Gebote. Darüber hinaus fügt Bonhoeffer Fragen nach der Obrigkeit und dem Verhalten des Christen im Krieg ein. Diese Fragen gehen über Lukas Christs Katechismus hinaus. Dem Abschnitt ›Vom Glauben‹ legt Bonhoeffer das Apostolische Glaubensbekenntnis zugrunde. Neben dem Glaubensbekenntnis widmet er sich ausführlich der Lehre, dem Leben, Leiden und Sterben Christi sowie der Gemeinde. Eine wichtige Rolle spielt in diesem Abschnitt auch die Barmer Theologische Erklärung von 1934, die Bonhoeffer schon im Einleitungsabschnitt unter den Bekenntnissen der Bekennenden Kirche anführt und deren Inhalt er in mehreren Fragen aufgreift.403 Den Abschnitt ›Vom Gebet‹ gestaltet Bonhoeffer mit sieben Fragen sehr knapp. Das Vaterunser spielt in dem Abschnitt nur eine untergeordnete Rolle. Im letzten Hauptabschnitt behandelt Bonhoeffer Fragen zu Taufe, Predigt, Abendmahl und Beichte. Er beginnt den Abschnitt mit der Taufe, die er im Katechismusentwurf von 1931 nur ansatzweise behandelte. Die Beichte, die 1931 noch nicht in den Entwurf aufgenommen worden war, nimmt eine zentrale Stellung ein. Sie wird in der Hälfte der Fragen des Abschnittes 400 Vgl. Bethge (2005), S. 230f. 401 Vgl. Luther, Martin, Der Kleine Katechismus 1529, hg. von: Kurt Aland, Luther Deutsch. Die Werke Martin Luthers in neuerer Auswahl für die Gegenwart, Bd. 6, Göttingen 31983a, S. 138–159. 402 Vgl. DBW 11, S. 228–237 und vgl. DBW 14, S. 795, 804 und 814. 403 Vgl. a.a.O., S. 41f., Anmerkung 41, S. 795, Anmerkung 52 und 54 und S. 811f., Anmerkungen 161, 162 und 166.

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behandelt. Der KUP wird wie bei Christ mit einer Frage zur Konfirmation beendet. Im Vergleich zum Katechismusentwurf von 1931 ist der KUP noch deutlicher auf den Konfirmandenunterricht zugeschnitten. Dies zeigt die einführende Frage, deren Antworten an anderer Stelle mit weiteren Fragen vertieft werden: (6) »Warum kommst du in den Konfirmandenunterricht? a. Weil ich ein getaufter Christ bin. b. Weil ich wissen muß, was es heißt, ein Christ zu sein. c. Weil ich ein Christ werden soll und will.«404 Im Gegensatz zum Entwurf von 1931 werden die Fragen aber nicht in der ersten Person Singular formuliert, sondern sprechen mit der Verwendung der zweiten Person Singular den Leser des KUP’s direkt an. Den Antworten folgt eine Vielzahl von Bibelstellen. Hierin liegen Parallelen zum Heidelberger Katechismus und zur Vorlage von Lukas Christ. Gernot Gerlach erkennt im KUP auch zeitliche und inhaltliche Bezüge zu der 1936 an Adolf Hitler gerichteten Denkschrift von Theologen der Bekennenden Kirche.405 Einsatzort und Funktion des KUP’s werden im Gegensatz zum Katechismusentwurf von 1931 nicht direkt genannt. Ausgehend vom Titel und der Einleitungsfrage liegt der Einsatz des KUP’s im Konfirmandenunterricht nahe. Inhaltlich behandelt der KUP die Grundlagen des christlichen Glaubens, wie sie im Konfirmandenunterricht zu finden sind. Mit der Vielzahl an Fragen und Bibelstellen ist der KUP im Konfirmandenunterricht seinem Umfang und der didaktischen Aufbereitung nach aber nur schwer direkt einsetzbar. Die Kürze der Fragen, die im Stil von Katechesenfragen formuliert sind, und das Frageniveau ermöglichen das Auswendiglernen, allerdings nicht durchgängig und in vollem Umfang. Um im Konfirmandenunterricht verwendet werden zu können, bedarf der KUP der Aufbereitung durch den Unterrichtenden. Bei der Beurteilung des KUP’s muss berücksichtigt werden, dass der Plan im Entwurfsstadium und unter Zeitdruck vorgetragen wurde.406 Dass Bonhoeffer den KUP dem protestantisch-traditionellen Katechismusverständnis gemäß auch als Bekenntnis verstanden haben wollte, zeigen die Auszüge aus den zwei folgenden Fragen des KUP’s: »Was ist der Katechismus? Der Katechismus ist ein Bekenntnis meiner Kirche […]. Wozu braucht die Kirche außer der Schrift noch ein Bekenntnis? Das Bekenntnis ist die Antwort der Kirche auf das gepredigte Wort Gottes. Es ist die Antwort der Kirche auf das Wort der Irrlehrer und Feinde.«407

404 A.a.O., S. 786. 405 Vgl. Gerlach, Gernot, »Bekenntnis und Bekennen der Kirche« bei Dietrich Bonhoeffer. Entscheidungen für sein Leitbild von Kirche in den Jahren 1935–36, Münster 2003, S. 332– 389. 406 Vgl. a.a.O., S. 786, Anmerkung 1 und S. 818f., Anmerkungen 214f. 407 DBW 14, S. 790.

Illegale Theologenausbildung

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Die Bekennende Kirche hebt Bonhoeffer als »die rechte Kirche Christi«408 hervor. Die Feinde und Irrlehrer, gegen die der KUP das Wort ergreift, sind somit an den Fronten des Kirchenkampfes bei den Deutschen Christen, der Bedrängung durch den NS-Staat, aber auch innerhalb der Bekennenden Kirche selbst zu finden.409 Bethge führt als Entstehungsgrund des KUP’s die Bitte der Kandidaten an Bonhoeffer an, zusammenzufassen, was im Zusammenhang eines öffentlichen Bekennens vor und in der Gemeinde zu sagen sei. Bethges Hinweis auf die Funktion des KUP’s als Bekenntnis lässt sich mit einem Zitat Bonhoeffers aus der Vorlesung über Katechetik untermauern: »Wir können nicht Katechismusunterricht geben, ohne Ansätze zur neuen Bekenntnisbildung sichtbar werden zu lassen«410. Kennzeichnend für ein Bekenntnis ist eine doppelschichtige Gestalt mit abgrenzender Zusammenfassung zentraler Lehren und der Funktion als Strukturprinzip der Lehrentfaltung, wie es in Katechismen erfolgt.411 Beide Aspekte sind im KUP gegeben. Deutlich wird dies unter anderem am Alleinanspruch, den Bonhoeffer der Bekennenden Kirche in Deutschland als »rechte Kirche Christi«412 zukommen lässt, dem Aufgreifen der Barmer Theologischen Erklärung und der Stellungnahme zu Fragen seiner Zeit. Hinzu kommt der Aufbau des KUP’s in Katechismusform. Damit kann davon ausgegangen werden, dass Bonhoeffer mit dem KUP den zukünftigen Pfarrern der Bekennenden Kirche einen Orientierungspunkt für die Vorbereitung des Konfirmandenunterrichtes und ein Bekenntnis vor den Konfirmanden und der Gemeinde mitzugeben beabsichtigte. Der zweite Katechismusentwurf stellt durch seinen Bekenntnischarakter mehr als einen Plan für den Konfirmandenunterricht dar und bedarf zugleich der Auslegung durch den Katecheten. Henkys verweist darauf, dass am KUP sichtbar werde, dass Bonhoeffers gemeindepädagogisches Wirken nicht nur auf Kinder- und Jugendarbeit reduziert werden könne. Der KUP sei ein wichtiges Dokument von Bonhoeffers gemeindepädagogischem Wirken unter Erwachsenen.413

408 A.a.O., S. 811. 409 In der Bibelarbeit zu den Timotheus-Briefen arbeitet Bonhoeffer heraus, dass Irrlehrer in der Gemeinde stehende Personen sind. Vgl. a.a.O., S. 963. 410 A.a.O., S. 536. 411 Vgl. Bochinger, Christoph, Art. Bekenntnis, in: Religion in Geschichte und Gegenwart, Bd. 1, hg. von: Hans D. Betz u. a., Tübingen 41998, Sp. 1246. 412 DBW 14, S. 811. 413 Mündliche Bemerkung von Jürgen Henkys vom 09. 09. 2011.

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Stationen von Bonhoeffers gemeindepädagogischem Wirken

3.7.5 Volksmission Die Arbeit des Finkenwalder Predigerseminars in den umliegenden Gemeinden wurde durch sogenannte Volksmissionsfahrten ergänzt. Für den zweiten, vierten und fünften Kurs gab es in den Jahren 1926 und 1937 drei Volksmissionsfahrten. Diese fanden in ungefähr hundert Kilometer entfernten pommerschen Kirchenkreisen statt, an denen das gesamte Seminar teilnahm. In kleineren Gruppen erfolgten weitere Volksmissionsfahrten auch nach Brandenburg und Sachsen.414 Mit Johann Hinrich Wicherns Erkenntnis, dass Mission nicht nur auf die Völkerwelt außerhalb des Landes gerichtet zu sein hat, bekam der volksmissionarische Einsatz in der Mitte des 19. Jahrhunderts seinen entscheidenden Impuls.415 Die Notwendigkeit der Volksmission als Sache der Kirche wurde von Gerhard Hilbert im Ersten Weltkrieg mit apologetischer Ausrichtung vorangetrieben und fand eine weitverbreitete Konkretion in Gerhard Füllkrugs ›Handbuch der Volksmission‹. Die volksmissionarischen Bemühungen wurden neben der Auseinandersetzung mit dem Freidenkertum auch durch die politische Radikalisierung geprägt und erschwert. Die Rückgewinnungsversuche der sich von der Kirche entfremdeten Deutschen führten im Kirchenkampf zu zwei sehr unterschiedlichen Ausprägungen der Volksmission. Die Deutschen Christen betrieben eine Mission unter völkisch ausgerichteter Ideologie und erhofften sich einen kirchlichen Aufschwung mithilfe der NSDAP. Dem entgegen stand das volksmissionarische Ringen der im Kirchenkampf massiv bedrängten Bekennenden Kirche. Allerdings verliefen die Grenzziehungen nicht immer eindeutig.416 Die Herausforderungen, die sich für die Volksmission stellten, waren vielfältig: Die Spannungen innerhalb der Bekennenden Kirche und außerhalb gegenüber den Deutschen Christen konnten leicht volksmissionarische Aktivitäten blockieren. Dies war ein wesentlicher Kritikpunkt volksmissionarischer Kreise an der Bekennenden Kirche. Hinzu kam neben gelegentlichen staatlichen Repressalien auch eine ablehnende Haltung innerhalb der teilnehmenden Gemeinden.417 Trotz dieser Hindernisse tat sich mit den Volksmissionsfahrten ein Arbeitsfeld auf, das in den Sammelvikariaten und von der Finkenwalder Ge-

414 Vgl. DBW 14, S. 1068f. 415 Vgl. Beyreuther, Erich, Kirche in Bewegung. Geschichte der Evangelisation und Volksmission, Berlin 1968, S. 184–258. 416 Vgl. Teschner, Klaus, Art. Volksmission, in: Theologische Realenzyklopädie, Bd. 35, hg. von: Gerhard Krause/Gerhard Müller, Berlin 2003, S. 267. 417 Vgl. Bethge (2005), S. 614–618. Zum historischen Hintergrund der Volksmission und zu Bonhoeffers Verständnis der Oikodomik vgl. Zimmerling (2006), S. 183–208.

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meinde nach der Schließung des Seminars sowie von den ehemaligen Kandidaten in ihren eigenen Gemeinden weiter bearbeitet wurde.418 Irmfried Garbe versteht bereits Bonhoeffers Studentenpfarramt, das er in den Jahren 1931–1933 an der Technischen Hochschule in Charlottenburg bekleidete, im volksmissionarischen Kontext.419 Bei den Aktivitäten des Finkenwalder Seminars hätten volksmissionarische Erfolge eher im Hintergrund gestanden. Vielmehr sei es bei den Volksmissionswochen darum gegangen, neutestamentliche Verkündigung zu praktizieren und den Unterstützerkreis des Seminars zu erweitern. Bonhoeffer selbst habe sich von der Volksmission unter oikodomischen Gesichtspunkten nicht allzu viel versprochen.420 Ihre Berechtigung habe die Volksmission dennoch aus der »Verantwortung dem Volk gegenüber […] in der Verkündigung des Wortes«421. In einem Brief an Erwin Sutz besteht nach Bonhoeffer die Zielstellung der Volksmission darin, dass Gebet und die Bibellese in den Häusern der Gemeindeglieder eine neue Bedeutung erhielten.422 Darin wird ein gemeindepädagogisches Anliegen der Finkenwalder Volksmission erkennbar. In der Nachschrift eines Exkurses zur HomiletikVorlesung423 bestätigt Bonhoeffer die gemeindepädagogische Verortung seiner Briefzeilen. Er begründet die Volksmission mit dem Missionsbefehl und der Verheißung der Frucht, die das gepredigte Wort bringen wird. Gleichzeitig ist Bonhoeffer die Begrenzung dieser Verheißung bewusst. Die Predigt des Wortes wird nicht überall Umkehr hervorrufen, sondern auch auf Ablehnung stoßen. Volksmission und Heidenmission sind ganz klar voneinander zu unterscheiden: Volksmission geschieht auf Grundlage des Taufgeschehens. Ließ Bonhoeffer in der Katechetik-Vorlesung verlauten, dass christliche Erziehung den Menschen auf seine Taufe anspricht, so wird nun deutlich, dass Volksmission aufgrund dieses Kriteriums zu Bonhoeffers Konzept der christlichen Unterweisung gehört.424 418 Vgl. DBW 15, S. 106 und 136. 419 Vgl. Garbe, Irmfried, Dietrich Bonhoeffer und die Frage der Volksmission in Brandenburg und Pommern, in: Herbergen der Christenheit. Jahrbuch für deutsche Kirchengeschichte, Leipzig 2007, S. 116–119. 420 Vgl. a.a.O., S. 122f. Als weitere Ziele der Volksmissionsfahrten können noch die Gelegenheit zur persönlichen Erprobung der Kandidaten sowie die gezielte Unterstützung von ehemaligen Finkenwalder Brüdern in ihrem Gemeindedienst angeführt werden. Allen im 16. Rundbrief aus Finkenwalde werden vier geplante Volksmissionen erwähnt, die von den Mitgliedern früherer Kurse angefragt wurden. Unterstützung leisteten aber auch die ehemaligen Kandidaten bei den volksmissionarischen Aktivitäten des Seminars, indem die Regel vereinbart wurde, dass nahewohnende Brüder sich beteiligen sollten. Vgl. DBW Ergänzungsband, S. 300, 428 und 559. 421 DBW 14, S. 514. 422 Vgl. a.a.O., S. 255. 423 A.a.O., S. 513–517. 424 Vgl. Bonhoeffer (1996a) a.a.O., S. 514 und 531.

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Stationen von Bonhoeffers gemeindepädagogischem Wirken

Bei der Durchführung der Volksmissionsfahrten nahmen die Finkenwalder Brüder erhebliche Anstrengungen auf sich, wie aus dem Finkenwalder Rundbrief Nr. 14 aus dem Jahr 1936 deutlich wird: »Es war ja diesmal eine ziemlich unkirchliche Gegend und doch hatten wir Abend für Abend eine volle Kirche, gute Kollekten und viel Schriftenverkauf. Fast das ganze Dorf wurde durchbesucht.«425 Ähnlich äußerte sich drei Monate später Bethge als Verfasser des 17. Rundbriefs: »Durch intensive Hausbesuche des ganzen Dorfes hatten wir es erreicht, dass die Kirche von Abend zu Abend voller wurde, am letzten Abend ganz besetzt war. Aber es ist eine schwere Arbeit, wenn es in einem Ort nicht einen kleinen betenden Kreis gibt, sei es ein Gemeinschaftskreis oder irgendeine Gebetsgemeinschaft.«426 Die Zusammenarbeit mit den örtlichen Pfarrämtern und der hohe Stellenwert der Hausbesuche finden sich bereits in der Volksmissionspraxis der Berliner Stadtmission unter Adolf Stoecker.427 In Bezug auf die Hausbesuche zeigt sich auch eine gewisse Kontinuität der eigenen gemeindepädagogischen Praxis Bonhoeffers. Sie erinnert an Bonhoeffers Aufbau des Kindergottesdienstes in Barcelona, auch wenn er dort die Hausbesuche der Teilnahme am Kindergottesdienst folgen ließ.428 Zweifellos hatte er den Zusammenhang zwischen der privaten Begegnung und der Teilnahme am Gottesdienst erkannt und als bewährt empfunden. Bonhoeffer beschreibt den Ablauf einer Volksmission folgendermaßen: »Das heißt es gehen mindestens 4 Brüder immer zusammen, sprechen an jedem Abend je 10 Minuten, und besuchen im Laufe des Tages das ganze Dorf, halten Andachten in den Häusern und Kinderstunden. […]. Aber es ist unendlich schwer, dort wo es einmal nicht ›Brauch‹ ist damit [mit Bibellesen und Gebet in den Häusern] einzubrechen. Es fehlt auch weithin an Material, das man den Leuten geben könnte. […] Besonders auch für Jugendliche fehlt es.«429

Der gemeindepädagogische Ansatz, der der Volksmission zugrunde liegt, kann als ›Gemeinschaft für die Gemeinschaft‹ umschrieben werden. Es sind keine Einzelpersonen, die sich den Herausforderungen einer Volksmission stellen. Die Volksmission umfasst alle Altersgruppen und geschieht in der Ortsgemeinde und zuhause. Das von Bonhoeffer genannte Ziel des Bibellesens und des Gebets enthält eine besonders nachhaltige Komponente, die beim Priestertum aller Gläubigen ansetzt. Geistliches Wachstum wird in der persönlichen Begegnung angestoßen und der Eigenverantwortung des Christen übertragen. Angesichts 425 426 427 428 429

DBW Ergänzungsband, S. 237. A.a.O., S. 316. Vgl. Teschner (2003), S. 266f. Vgl. DBW 10, S. 27 und 42. DBW 14, S. 255.

Illegale Theologenausbildung

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der personellen Unterbesetzung in vielen Bekenntnisgemeinden ist dies ein sinnvoller Ansatz, der allerdings durch die fehlende Unterstützung bei der Einübung von Bibellese und Gebet gefährdet ist.

4

Stationen des Kirchenverständnisses von Bonhoeffer

4.1

Die Italienreise

In diesem Kapitel sollen wichtige Dokumente aus verschiedenen Lebensabschnitten Bonhoeffers auf sein Kirchenverständnis hin analysiert werden. Die Zahl rein ekklesiologischer Schriften bei Bonhoeffer ist gering im Vergleich zu den vielen Äußerungen über kirchliche Zusammenhänge in anderen Kontexten. Aus diesem Grund werden in diesem Kapitel auch Schriften Bonhoeffers berücksichtigt, die nicht primär ekklesiologisch ausgerichtet sind, aber interessante Aspekte seines Kirchenverständnisses aufweisen. Die Darstellung des Kapitels gestaltet sich als reine Analyse der Schriften Bonhoeffers, die immer wieder durch erhellende Verweise aus der Sekundärliteratur ergänzt wird. Der Fokus der Arbeit und die – auch durch ihre stufenweise Entwicklung bedingte – Komplexität der Ekklesiologie Bonhoeffers lassen an dieser Stelle keine tiefer gehende Auseinandersetzung zu. In diesem Zusammenhang sei auf die Verbindungen zwischen Bonhoeffers Kirchenverständnis und seinem gemeindepädagogischen Wirken im folgenden Kapitel verwiesen, anhand derer die Auseinandersetzung mit zentralen Elementen seiner Ekklesiologie stattfinden soll. Bonhoeffers Italienreise ist bedeutsam, weil ihn sein dortiges Erleben der »Schwesterkirche«430, wie er sie später bezeichnet, tief beeindruckte und zu ekklesiologischen und sozialethischen Überlegungen bewegte. In einem Brief an seine Zwillingsschwester Sabine vom 05. 02. 1924 kündigte Bonhoeffer an, ein Semester in Rom studieren zu wollen.431 Vorausgegangen war nach Bethge ein Besuch der Eltern in Tübingen, bei dem Bonhoeffer ihnen gegenüber den Wunsch aussprach, an die Tradition von Italienreisen in der eigenen Familie anknüpfen zu wollen.432 Die Italien-Verbundenheit der Familie Bonhoeffer war 430 DBW 9, S. 583. 431 Vgl. a.a.O., S. 77. 432 Vgl. Bethge (2005), S. 83f.

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Stationen des Kirchenverständnisses von Bonhoeffer

zu dieser Zeit sicherlich kein Einzelfall. Budde weist darauf hin, dass Italien bei den deutschen und englischen Angehörigen des Bürgertums als beliebtes Ziel galt.433 Die Bedeutung der Italienreise für Bonhoeffers Ekklesiologie liegt darin, dass in Rom seine Faszination am Phänomen Kirche begann, die Bonhoeffer bis zum Ende seines Lebens nicht mehr verließ. Ferdinand Schlingensiepen bemerkt, dass diese Faszination vermutlich in der geringen kirchlichen Vorprägung begründet sei, die Bonhoeffer aus seinem Elternhaus mitgebracht habe.434 Von der Italienreise vom April bis Juni 1924 liegen ein Tagebuch sowie mehrere Briefe von Bonhoeffer selbst und seinem älteren Bruder Klaus vor, der ihn auf seiner Reise begleitete. Die Gedanken Bonhoeffers zur Kirche im sogenannten ›Italienischen Tagebuch‹ sind nicht als systematisch-theologische Auseinandersetzungen zu verstehen, sondern spiegeln seine zahlreichen Eindrücke wider. Daher dienen sie als Reflexionshilfe der von Bonhoeffer dokumentierten Erlebnisse. Bonhoeffers erste Besichtigung in Rom führte ihn zu St. Peter. Er beschreibt, wie ihm dessen erster Anblick als »seltsam […] feierliche[r] Augenblick« erschien, von der er sich »schon vom ersten Anblick überwältigt«435 fühlte. Zwei ausführliche Berichte widmete Bonhoeffer der Palmsonntagsmesse in St. Peter und dem Nonnenvespergesang in Trinit/ dei Monti. Den Berichten schließt sich eine viel zitierte Äußerung Bonhoeffers an: »Der Tag war herrlich gewesen, der erste Tag, an dem mir etwas Wirkliches vom Katholizismus aufging, nichts von Romantik usw., sondern ich fange, glaube ich an, den Begriff ›Kirche‹ zu verstehen.«436 Fasst man die bisherigen Beobachtungen Bonhoeffers zusammen, die in dieser Äußerung münden, so sind sie geprägt von einer bewundernden Haltung gegenüber den Erscheinungsformen des römischen Katholizismus in seinen imposanten Bauwerken, dem Gottesdienst mit einer für Bonhoeffer bisher unbekannten liturgischen Form, den chorischen Gesängen und der Entdeckung eines »unerhört unberührten Eindrucks tiefster Frömmigkeit«437 in der Trinit/ dei Monti. Damit versucht Bonhoeffer in seinem Kirchenbegriff, eine Weite zusammenzufassen, deren Grundlage in einem Potpourri von ihn überwältigenden Eindrücken liegt. Der Begriff ›Kirche‹ bekam für Bonhoeffer in Rom eine stark emotional besetzte Färbung. Ein besonderer Impuls für sein Kirchenverständnis, den Bonhoeffer bei der Palmsonntags-Messe in St. Peter 433 Vgl. Budde (1994), S. 96. 434 Vgl. Schlingensiepen, Ferdinand, »Rom, Ziel lebenslanger Sehnsucht«: Die Romreise des 18jährigen Dietrich Bonhoeffer und ihre Spuren in seinem Werk, in: Dietrich Bonhoeffer – Orte seiner Theologie, hg. von: Josef Außermair/Gregor Maria Hoff/Johann Werner Mödlhammer, Paderborn 2008b, S. 31f. 435 DBW 9, S. 82f. 436 A.a.O., S. 89. 437 Ebd.

Die Italienreise

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erhielt und mit dem er sich bis zu seinem Tod immer wieder befasste, ist die Universalität der Kirche. »Fabelhaft wirkt die Universalität der Kirche, Weiße, Schwarze, Gelbe, alle in geistlichen Trachten vereint unter der Kirche, scheint doch sehr ideal.«438 Unter den Eindrücken des römischen Katholizismus sann Bonhoeffer auch über die Gestalt des deutschen Protestantismus und dessen Verhältnis zum Staat nach. Er überlegte, ob es für den Protestantismus besser gewesen wäre, keine Landeskirche zu werden, um sich so die Begeisterung und ernste Frömmigkeit seiner Anhänger zu erhalten.439 Bonhoeffer notiert in seinem Tagebuch Konsequenzen aus seinen Beobachtungen: »Denn nicht der Inhalt des Reformationsevangeliums stößt so ab, sondern die Form, in der man noch immer zu verstaatlichen sucht. […] Vielleicht liegt hier ein Weg zur Abhilfe der schrecklichen Not der Kirche, sie muß beginnen sich zu beschränken und Auswahlen treffen in jeder Beziehung, besonders im Material der geistlichen Erzieher und des Stoffes. Und sich jedenfalls, so bald wie möglich, ganz vom Staat trennen, vielleicht sogar unter Aufgabe des Rechtes des Religionsunterricht[s]. Nicht lange wird es dauern, so kommen die Leute zurück, denn sie müssen etwas haben, und mit neuem Frömmigkeitsbedürfnis. Ob es eine Lösungsmöglichkeit ist?«440

Zusammengefasst lässt sich sagen, dass Bonhoeffer sich durch die äußere Erscheinung des Katholizismus, vor allem in dessen künstlerischen Ausdrucksformen, der Liturgik, der Beichte und dem universalen Charakter beeindrucken ließ. Dennoch betrachtete er den römischen Katholizismus während seiner Italienreise auch kritisch, wie er es im Anschluss an ein Streitgespräch mit einem Priesterseminaristen zum Ausdruck brachte: »Die katholische Dogmatik verhängt alles Ideale am Katholizismus, ohne es zu wissen.«441 Dies treffe nicht nur für die Beichte, sondern auch für das Verständnis von Kirche in der katholischen Dogmatik zu.442 Bonhoeffer möchte zentrale katholische Begriffe für den Protestantismus wirken lassen, sie aber inhaltlich differenzieren. Die Tagebuchform lässt die Gedanken Bonhoeffers wie noch unausgegorene Momentaufnahmen erscheinen, die er in der Zukunft, etwa im Referat ›Die katholische Kirche‹ (siehe Gliederungspunkt 4.2) oder in der Katechetik-Vorlesung (siehe Gliederungspunkt 3.7.2.1) aufgreifen und weiterdenken wird.

438 439 440 441 442

A.a.O., S. 88. Vgl. a.a.O., S. 109f. A.a.O., S. 110. A.a.O., S. 94. Vgl. ebd.

144

4.2

Stationen des Kirchenverständnisses von Bonhoeffer

Verschiedene Arbeiten aus der Zeit des Studiums

Zum Ende seiner Zeit in Rom schrieb Bonhoeffer seinen Eltern, dass ihm die Reise viele Anregungen für ein tiefer gehendes Studium verschafft hätte.443 Allerdings stechen weder das Thema Kirche noch kunstgeschichtliche Bezüge bei Bonhoeffer in den folgenden Semestern in Berlin besonders heraus, wie sich aus den Themen der besuchten Vorlesungen und Seminare sowie der von ihm verfassten kleineren wissenschaftlichen Arbeiten erkennen lässt.444 Aus diesen Arbeiten enthält das Referat ›Kirche und Eschatologie‹ die ausführlichsten Gedanken zur Kirche. Deshalb wird im Folgenden das Referat auf Bonhoeffers Kirchenverständnis hin analysiert. Referat über ›Kirche und Eschatologie‹ Das Referat über ›Kirche und Eschatologie‹445 oder ›Kirche und Reich Gottes‹, wie der alternative Untertitel lautet, verfasste Bonhoeffer für ein Seminar bei seinem Doktorvater Reinhold Seeberg wohl zu Beginn des Jahres 1926, was sich aus dem Korrekturdatum Seebergs rückschließen lässt. Wie aus der Einleitung ersichtlich, ging der Arbeit in den vorherigen Seminarstunden eine Auseinandersetzung mit dem empirischen Kirchenbegriff voraus. Als Zentralbegriff christlicher Eschatologie bestimmt er das Reich Gottes und setzt diesem die Kirche als Gegenstück, zu dem die deutlichsten Beziehungen bestehen, gegenüber. Das Reich Gottes charakterisiert er als »eine Gemeinschaft erlöster Personen und die Mitgliedschaft besteht ausschließlich in der Erwählung durch Gott, die die gehorsame Unterwerfung unter die Gottesherrschaft erwirkt, die Verwirklichung dieser Erwählung geschieht in Christus und seinem pneumatischen Fortwirken, die Liebesverbundenheit der Mitglieder im Wirken des heiligen Geistes.«446

Diese Charakteristika sind deckungsgleich mit Bonhoeffers Beschreibung der wesentlichen Kirche. Es stellt sich nun die Frage, inwieweit Kirche und Reich Gottes inhaltlich gleichgesetzt werden können. Als problematisch erweisen sich die verschiedenen neutestamentlichen Formen des Reiches Gottes, die sowohl einen von einem gegenwärtigen Charakter als auch von einer zukünftigen Vollendung des Reiches Gottes ausgehen. Diese gegensätzlichen Aussagen führt Bonhoeffer christologisch zusammen. Das Reich Gottes ist in Christus veran443 Vgl. a.a.O., S. 134. 444 Vgl. Bethge (2005), S. 95f. und vgl. DBW 9, S. 640f. und 220–482. Die Herausgeber von DBW 9 verweisen darauf, dass der 3. Glaubensartikel vom Wintersemester 1925/26 zum grundlegenden Thema von Bonhoeffers Seminararbeiten wurde. Vgl. a.a.O., S. 628. 445 A.a.O., S. 336–354. 446 A.a.O., S. 338.

Verschiedene Arbeiten aus der Zeit des Studiums

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kert, sowohl in seinem Leben auf der Erde als auch in seinem pneumatischen Weiterwirken. Reich Gottes und Kirche unterscheiden sich nur im Hinblick auf die Beschränkung der Kirche auf einen geschichtlichen Teil, während das Reich Gottes die Weltentwicklung in ihrer Gesamtheit umfasst. Die Kirche in ihrer geschichtlichen Gestalt ist die empirische, das heißt die sichtbare Kirche, die die wesentliche oder auch die unsichtbare Kirche umfasst. Die empirische Kirche enthält über die Glieder der wesentlichen Kirche hinaus noch unerwählte Mitläufer. Allerdings lässt sich aus menschlicher Sicht keine beurteilende Unterscheidung von echten und unechten Mitgliedern vornehmen. Bonhoeffer wehrt sich gegen eine Aufspaltung des Kirchenbegriffs als Konsequenz dieser Beobachtung. Deshalb schafft er eine Verbindung durch den gemeinsamen Zweck von empirischer und wesentlicher Kirche und der zusammenhaltenden Kraft durch Wort und Sakrament. Die empirische Kirche dient als Wegweiser zur unsichtbaren Kirche, sie ist aber nicht von dieser zu trennen. Das Reich Gottes wird sichtbar in der empirischen Kirche, die zur Predigt vom Reich Gottes und zur Sündenvergebung beauftragt ist. In eschatologischer Sicht ist die Identität von empirischer Kirche und Reich Gottes nach dem jüngsten Gericht vollendet, wenn die Unterscheidung zwischen echten und unechten Mitgliedern endgültig sichtbar wird. Bis dahin kommt dem Wort Gottes die trennende Funktion innerhalb der empirischen Kirche zu, indem es ihre Glieder beruft oder verstockt.447 Das Verhältnis zwischen wesentlicher und empirischer Kirche sowie dem Reich Gottes fasst Bonhoeffer mit den folgenden Worten zusammen: »So bringt es [das Wort] durch die empirische Kirche der wesentlichen neue Mitglieder zu. Ziel der Kirche ist die Erweiterung des Gottesreiches, Sammlung und Erhaltung alter und neuer von Christus erlöster Mitglieder.«448 Referat über ›Die katholische Kirche‹ In den Predigten und Ansprachen aus den Jahren 1923–1928 spielen ekklesiologische Inhalte eine kaum nennenswerte Rolle. Dies verwundert, da kirchliche Themen im Studium und Privatleben Bonhoeffers im Vordergrund stehen. Als Grund für diese Diskrepanz ist anzunehmen, dass Bonhoeffer bei seinen Predigten und Ansprachen in den Seminaren bei Mahling und im Helferkreis des Grunewalder Kindergottesdienstes nur wenig Freiraum bei der Themenwahl hatte. Zudem ist im Vergleich zur Anzahl der gehaltenen Ansprachen Bonhoeffers nur ein Bruchteil erhalten geblieben. Bei der Gestaltung des Donnerstags-Kreises hatte er sicherlich einen größeren Freiraum bei der Themenwahl. Hier ist bezeichnend, dass das einzige Referat, das er sich selbst vorbehalten hat, das Thema Kirche zum zentralen Gegenstand hatte. Deshalb soll Bonhoeffers 447 Vgl. a.a.O., S. 337–343. 448 A.a.O., S. 341.

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Stationen des Kirchenverständnisses von Bonhoeffer

Referat ›Die katholische Kirche‹449 auf das ihm zugrunde liegende Kirchenverständnis untersucht werden.450 Zu Beginn des Referats entfaltet er die katholische Soteriologie und das Sakramentsverständnis. Gott offenbart sich und wird täglich Fleisch in der sichtbaren Kirche. Die Sakramente begleiten das ganze Leben des Menschen. Gott hat sich ihm nämlich aus Erbarmen zugewandt und sein Heil bewirkt. Der Mensch muss aber die ihm zuteilgewordene Gnade vermehren, indem er den kirchlichen Geboten folgt. Versagt er dabei und fällt in Sünde, kann der Priester über das Sakrament der Buße die durch die Sünde nichtig gewordenen Verdienste wieder aufleben lassen. Dies führt dazu, dass der Mensch keine Heilsgewissheit erlangen kann. In der Examensklausur über Heilsgewissheit verschärft Bonhoeffer seine Ausführungen: »Die Frage nach der Heilsgewißheit wird also […] zurückgeschlagen auf die Frage nach der Kirche, die Herrin der Gnaden ist. […] Wo also beim Protestanten Gott steht, da steht beim Katholiken die Kirche.«451 Der einzelne Gläubige ist in die Gemeinschaft der Kirche eingebettet, die sich durch das Füreinander im Glauben, in der Liebe sowie der gegenseitigen Hilfe auszeichnet und auf deren Verdienste der Einzelne vor Gott zurückgreifen könne. Mit der Analyse der katholischen Soteriologie und deren Kritik aus protestantischer Perspektive begrenzt Bonhoeffer zugleich den Machtbereich der Kirche und zeigt sein eigenes Kirchenverständnis auf: Bei der Offenbarung Gottes im leidenden Christus handelt es sich um ein einmaliges Geschehen. Der Mensch steht Gott allein gegenüber, er könne keinen Anspruch an Gott stellen. Vielmehr zerbreche der Mensch am göttlichen Willen, weil er diesem nichts entgegenzusetzen habe, bis Gott ihm mit seiner rechtfertigenden Gnade entgegenkomme. Der Mensch ist alleinverantwortlich vor Gott. »Es gibt keine Autorität auf der Welt als allein das Wort von Christus, das wir lesen oder hören, das aber zeugt für sich selbst, ohne Vermittlung. Unsere Kirche ist Kirche des Wortes, [im Text hervorgehoben] sie ruht allein auf dessen Autorität, und alle, die sich gläubig, gehorsam um das Wort versammeln, sind wahrhafte Priester und die wahre Kirche Christi, ganz gleich welcher sichtbaren Kirche sie zugehören.«452

Trotz ihrer kulturell-historischen Verdienste ist nach Bonhoeffer anzufragen, ob die katholische Kirche noch Kirche Christi sei oder als Kirche den Weg zu Christus verstelle. Hier bestätigt sich die zentrale Bedeutung des Wortes in 449 A.a.O., S. 579–584. 450 An dieser Stelle ist anzumerken, dass das Programm des Donnerstagkreises einen Abend dem Thema ›Wozu eine Kirche (Konfirmation?)‹ widmet, dieses Referat wurde vermutlich nicht von Bonhoeffer gehalten. Vgl. Einladung zum Donnerstagskreis, a.a.O., S. 578f. Siehe hierzu auch Gliederungspunkt 3.2.4. 451 DBW 9, S. 482. 452 A.a.O., S. 582.

›Sanctorum Communio‹

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Bonhoeffers Kirchenverständnis: »Sie [die katholische Kirche] hat die Bibel noch und solange sie diese hat, dürfen wir auch in ihr heilige christliche Kirche sehen.«453 Die katholische Kirche ist die »Schwesterkirche«454, das Leben der beiden Kirchen soll friedlich nebeneinander her erfolgen. Aber auch diesem Frieden ist eine Grenze gesetzt, nämlich wenn die evangelische Kirche etwas von dem aufgeben soll, was sie als Wort Gottes erkannt hat. Das Verhältnis der beiden Kirchen zueinander fasst Bonhoeffer mit den folgenden Worten zusammen: »Auf den Namen katholisch oder evangelisch kommt uns nichts an, aber auf ’s Wort Gottes. Wir werden einerseits nie den Glauben eines anderen vergewaltigen wollen […]. Aber wir können und sollen beten, daß unsere Schwesterkirche Einkehr halte und auf nichts schaue als aufs Wort […]. Bis es soweit kommt müssen wir Geduld haben […]. Und solange wir das Wort unseren einzigen Schutz sein lassen, können wir ruhig in die Zukunft sehen.«455

Die Ekklesiologie Bonhoeffers, die dem Referat zugrunde liegt, beinhaltet ein sehr enges und andererseits ein sehr weit gefasstes Verständnis des Kircheseins: Eng ist Bonhoeffers Kirchenverständnis in dem Sinne, dass er wahres Kirchesein daran festmacht, ob eine Kirche das Wort Gottes hat. Sehr weit wird Bonhoeffers Kirchenverständnis, wenn dieses zentrale Kriterium erfüllt ist. Die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Konfession wird dann für ihn nebensächlich. Konsequenzen aus Bonhoeffer Ansatz sind zum einen, dass eine Kirche ihr Kirchesein auch verlieren kann. Zum anderen eröffnet sich für ihn eine überkonfessionelle Weite, die das weitere ökumenische Engagement Bonhoeffers vorbereitet. In seinem späteren Leben gerät Bonhoeffer genau zwischen diese Fronten seines Kirchenverständnisses, als er der Reichskirche ihr Kirchesein abspricht und er auch gegen Widerstände aus den eigenen Reihen die Arbeit in der Ökumene aufrechterhält.

4.3

›Sanctorum Communio‹

Aus Bonhoeffers Briefen lässt sich ableiten, dass sein Entschluss zu einer Promotion vermutlich im Sommersemester 1925 fällt.456 Das Thema von Bonhoeffers Dissertation ›Sanctorum Communio‹ wird den Herausgebern von DBW 1 zufolge »aus den Nachwirkungen des Romaufenthaltes herausgewachsen, an der Berliner Fakultät gereift und durch die Unruhe des theologischen Umbruchs 453 454 455 456

A.a.O., S. 583. Ebd. A.a.O., S. 583f. A.a.O., S. 156.

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Stationen des Kirchenverständnisses von Bonhoeffer

forciert worden sein«457. Die Abgabe der Dissertation erfolgte nur knapp zwei Jahre später im Juli 1927. Neben der Fertigstellung der Dissertation hatte Bonhoeffer sein Studium abgeschlossen sowie sieben Seminararbeiten und mehrere Entwürfe für die praktischen Seminare bei Mahling angefertigt. Hinzu kam sein Engagement für die Kinder des Grunewalder Kindergottesdienstes und die Jungen des Donnerstagkreises. Dieses Pensum bewältigte er, wie Bonhoeffer im Rückblick kritisch mit folgenden Worten konstatierte: »Ich stürzte mich in die Arbeit in sehr unchristlicher und undemütiger Weise. Ein wahnsinniger Ehrgeiz.«458 Dieser Ehrgeiz schien Bonhoeffer bei der Veröffentlichung seiner Dissertation bereits verlassen zu haben. Durch verschiedene Umstände dauerte die Veröffentlichung der Arbeit wesentlich länger als deren Erstellung.459 Mit ›Sanctorum Communio‹ unternahm Bonhoeffer das interdisziplinäre Unterfangen, ein ekklesiologisches Thema von drei Seiten, der Dogmatik, der Soziologie und der Sozialphilosophie anzugehen. »Es handelt sich also darum, die in der Offenbarung in Christus gegebene Wirklichkeit einer Kirche Christi sozialphilosophisch und soziologisch strukturell zu verstehen.«460 Bonhoeffers Methode stellt eine dogmatische Untersuchung der sanctorum communio dar, in die er Ergebnisse philosophischer Begriffsklärungen und soziologisch struktureller Bestimmungen einbezieht. Er wehrt sich gegen das Missverständnis, die Kirche durch von außen an sie herangetragene Maßstäbe zu beurteilen, vielmehr lasse sie sich nur aus ihrem eigenen Anspruch heraus verstehen.461 »Nur aus dem Offenbarungsbegriff kommt man zum christlichen Kirchenbegriff.«462 Von Soosten weist auf einen Bruch zwischen der von Bonhoeffer gewählten Methode und der Anlage der einzelnen Kapitel hin.463 Diese orientieren sich an der inneren Geschichte der Kirche und behandeln Urstand, Sünde und Versöhnung. Im letzten und umfangreichsten Kapitel fließen die von Bonhoeffer gewonnenen Erkenntnisse zur sanctorum communio zusammen. Ein großer Abschnitt ist der empirischen Gestalt der Kirche gewidmet. In diesem finden sich auch praktisch-theologische Überlegungen, die an entsprechender Stelle in den Kapiteln 3 und 5 dieser Arbeit aufgegriffen werden. Zu Beginn seiner Arbeit legt Bonhoeffer begriffliche Grundlagen, indem er eine Verhältnisbestimmung von Sozialphilosophie und Soziologie vornimmt. 457 DBW 1, S. 1. 458 DBW 14, S. 112. 459 DBW 10, S. 106 und vgl. NL A 27, 5: Brief des Verlags Trowitzsch an Karl Bonhoeffer vom 26. 01. 1931. 460 DBW 1, S. 18. 461 Vgl. a.a.O., S. 18 und 84. 462 A.a.O., S. 84. 463 Vgl. a.a.O., S. 44.

›Sanctorum Communio‹

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Danach widmet er sich der Sozialphilosophie: Die Bestimmung eines Gemeinschaftsbegriffes der Kirche erfordert zuvor die Gewinnung eines christlichen Personbegriffes. Da Person im christlichen Verständnis immer in Relation zu Gott und Gemeinschaft gedacht wird, wählt Bonhoeffer den Weg über die vier Schemata sozialphilosophischer Grundbegriffe: Gottesbegriff, Personbegriff, Ich-Du-Beziehung sowie der Gemeinschaftsbegriffe und zeigt deren Zusammenhänge zunächst im philosophiegeschichtlichen Kontext auf.464 Die christlichen Grundbeziehungen bestimmt Bonhoeffer durch das Ich-Du-Verhältnis. Soziale Beziehungen bauen auf der Einzigartigkeit und Geschiedenheit der Personen auf.465 Durch das Wirken Gottes wird »der andere mir zum Du, an dem mein Ich entspringt, m. a. W. jedes menschliche Du ist ein Abbild des göttlichen Du. […] Wie ich aber Gottes ›Ich‹ erst erkenne in der Offenbarung seiner Liebe, so auch den anderen Menschen; hier hat der Kirchenbegriff einzusetzen.«466 Den christlichen Person- und Gemeinschaftsbegriff untersucht Bonhoeffer aus der Sicht von Urstand und Sünde und einer gleichzeitigen Einbeziehung von Sozialphilosophie und Soziologie. Der sozialphilosophische Teil widmet sich dem personalen Sein und seinen Korrelaten von struktureller Offenheit zur Sozialität und struktureller Geschlossenheit, aus denen Bonhoeffer ein Grundverhältnis zwischen Person und Gemeinschaft, beziehungsweise zwischen Einzel- und Kollektivperson, entwickelt.467 Der soziologische Teil befasst sich mit der menschlichen Gemeinschaft, die Bonhoeffer als Willensgemeinschaft versteht. Die Gemeinschaft und ihre Glieder befinden sich in Wechselwirkung mit dem objektiven Geist, der als wirksamer Wille über ihnen steht. Durch den Eintritt der Sünde verändern sich sowohl die Gestalt des Geistes als auch die Grundbeziehungen im Vergleich zum Urstand. Die bisherige Geistform war im Urstand auf Liebe gegründet, mit dem Sündenfall tritt an diese Stelle die Selbstsucht. Dadurch kommt es zu einem Bruch in der Gottes- und in der Menschengemeinschaft. In der Sünde des Einzelnen gegen Gott geschieht die Tat, »die zugleich Tat des menschlichen Geschlechts […] in seiner Person ist. Er fällt hier nicht nur von seiner persönlichen, sondern auch von seiner generellen Bestimmung ab, und so fällt mit jeder Sünde die ganze Menschheit, und keiner von uns unterscheidet sich prinzipiell von Adam […].«468

464 Vgl. a.a.O., S. 19–32 und vgl. Welker, Michael, Bonhoeffers geniale frühe Ekklesiologie, in: Dietrich Bonhoeffer and Sino-Theology, hg. von: Clifford J. Green/Thomas Tseng, Chung Li 2008, S. 40–43. 465 Vgl. DBW 1, S. 32f. 466 A.a.O., S. 33f. 467 Vgl. a.a.O., S. 41 und 48–51. 468 A.a.O., S. 72.

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Dies führt Bonhoeffer dazu, von der Adamsmenschheit als Kollektivperson zu sprechen, der er die Kollektivperson ›Christus als Gemeinde existierend‹ gegenüberstellt. Die durch den ersten Adam und dem Fall der Menschheit in Adam entstandene Trennung des Einzelnen von Gott und den Menschen wird in Christus überwunden. In ihm offenbart Gott seine Liebe und stellt die Gemeinschaft wieder her. Dies geschieht im Prinzip der Stellvertretung, nach dem Christus als Unschuldiger stellvertretend für den schuldig gewordenen Anderen dessen Schuld und Strafe auf sich nimmt.469 In der Einsamkeit des Todes Jesu befindet sich die Kreuzgemeinde, »die in sich den Widerspruch birgt, äußerste Einsamkeit und innigste Gemeinschaft zugleich darzustellen. […] In der Auferstehung Jesu Christi ist sein Tod als des Todes Tod offenbar gemacht, […] die Menschheit Adams zur Kirche Christi geworden. […] Sie ist realisiert, nicht aktualisiert.«470

Die Aktualisierung der Kirche geschieht durch den Heiligen Geist, indem dieser das Wort des gekreuzigten und auferstandenen Christus in die Gemeinde treibt. In der Gemeinde sein und in Christus sein gehören zusammen. Der Mensch gehört durch das Wort der Gemeinde zu Christus und durch Christus zur Gemeinde. Das Wirken des Geistes in der Gemeinde erfolgt in drei verschiedenen Formen: Geistvielheit, Geistgemeinschaft und Geisteinheit. Eine individualistische Komponente herrscht bei der Geistvielheit vor. Bonhoeffer sieht das Wirken des Heiligen Geistes in der Gemeinde als eine Willensbegegnung zwischen mehreren persönlichen Willen, indem der Heilige Geist an die einzelne Person herantritt und diese in die Einsamkeit führt. Durch das Wort kann der Heilige Geist Gottes Liebe in die Herzen der Menschen bringen und sie in die Gottesgemeinschaft hineinführen. Dieses Geschehen wird von Bonhoeffer mit dem Begriff ›Geistgemeinschaft‹ zusammengefasst. Die Gemeinschaft der Heiligen betätigt sich in konkreten sozialen Akten als Liebesgemeinschaft. Aus dem Miteinander der einzelnen Gemeindeglieder, das Christus gesetzt hat, ergibt sich das Füreinander der Glieder nach dem Vorbild Christi und ausgerüstet mit dessen Kraft. Aktualisiert wird das Füreinander in der Tat der Liebe, die Bonhoeffer in verschiedene Möglichkeiten kategorisiert.471 Er unterscheidet »die entsagungsvolle, tätige Arbeit für den Nächsten, das Fürbittegebet, schließlich das gegenseitige Spenden der Sündenvergebung im Namen Gottes«.472 In der Gemeinde treten völlig verschiedene Menschen zusammen, zwischen 469 470 471 472

Vgl. a.a.O., S. 62–76 und 90–100. A.a.O., S. 96. Vgl. a.a.O., S. 100–122. A.a.O., S. 121.

›Sanctorum Communio‹

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denen durch Gottes Willen eine Einheit gesetzt wurde, die trotz sich verschärfender individueller Gegensätze von einer objektiven Einheit überlagert wird. Bonhoeffer unterscheidet in diesem Zusammenhang den Begriff ›Einheit‹ vom Begriff ›Einigkeit‹. Nicht durch Einigkeit der Menschen innerhalb der Gemeinde kann die kirchliche Einheit erzielt werden, sondern durch die göttliche Geisteinheit. Die realisierte und aktualisierte Kirche versteht Bonhoeffer als die gegenwärtig reale Kirche. Die empirische Kirche setzt sich aus Sündern und Heiligen zusammen. Er stellt nun die Frage nach dem Verhältnis des Heiligen Geistes der sanctorum communio zum objektiven Geist der empirischen Gemeinde. Sünde gehört zum objektiven Geist dazu, da auch im Handeln der empirischen Kirche als Ganzes Schuld liegen kann. Der objektive Geist der Gemeinde kann irren und bleibt unvollkommen. Hinzu kommt, dass zur empirischen Kirche immer wieder Unprädestinierte zählen, die den objektiven Geist mitgestalten. Von daher können der objektive Geist der Kirche als Gesamtperson und der Heilige Geist nicht miteinander identifiziert werden. Das Verhältnis zwischen den beiden Geistern bestimmt Bonhoeffer so, dass der Heilige Geist sich den objektiven Geist trotz dessen Unvollkommenheit zu Diensten macht, zugleich aber von diesem getragen wird.473 Die Unterscheidung von objektivem und heiligem Geist bildet die sachliche Grundlage für die Verhältnisbestimmung von empirischer und wesentlicher Kirche. Über die Verhältnisbestimmung von Kirche und dem Reich Gottes gelangt Bonhoeffer dazu, die sichtbare Kirche als Reich Christi zu bezeichnen. Sie befindet sich zwar unter Gottes Herrschafts- und Erlösungswillen, allerdings ist ihre Mitgliederzahl größer als die des Reiches Gottes. Dies ist bedingt durch ihre geschichtliche Gestalt als Volkskirche, bei der mit dem Vorhandensein von Mitläufern zu rechnen ist. Willensgemeinschaft und Volkskirche zugleich kann die empirische Kirche deshalb sein, da sie als sanctorum communio »ebenso die Freiwilligkeitskirche [fordert] und setzt sich selbst immer wieder als solche, d. h. die sanctorum communio trägt gleichsam die andern, in denen die Möglichkeit ›wirkliches‹ Glied der Kirche zu werden, schlummert in Kraft Gottes.«474 Ihre volkskirchliche Erscheinung stellt zugleich eine enorme Kraft für die Kirche dar, kann aber auch hinderlich für sie sein. Bonhoeffer spricht der Kirche das Recht, Volkskirche zu sein, ab, sobald ihre volkskirchliche Erscheinung es ihr verwehrt, zur Freiwilligkeitskirche vorzustoßen. Dennoch muss wahre Liebe die Unvollkommenheit und Schwäche der empirischen Kirche mittragen, da sie in sich die sanctorum communio birgt. Die empirische Kirche besteht historisch gesehen aus Einzelgemeinden. Ihr 473 Vgl. a.a.O., S. 129–132 und 140–146. 474 A.a.O., S. 149.

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Stationen des Kirchenverständnisses von Bonhoeffer

Verhältnis zum Leib Christi ist weder in einem atomistischen Sinne zu verstehen, also dass die Gesamtkirche mehr wert wäre als die Einzelgemeinde, noch in dem Sinne, dass der Leib Christi nur in der Einzelgemeinde zu finden sei. Wo die Einzelgemeinde ist, dort ist der Leib Christi. Aber auch in der kleinsten soziologischen Einheit der sanctorum communio wirkt diese über sich hinaus und zeigt sich dem ganzen Leib Christi zugehörig. In der gottesdienstlichen Versammlung begegnet die Einzelgemeinde dem Wort, das sie zusammenhält und in dem sich die Einheit von empirischer und wesentlicher Kirche darstellt. Bonhoeffer begründet die Versammlung aus dem Gemeinschaftsgedanken und dem Amt der Predigt, welches er als göttlich verordnete Tätigkeit der Gemeinde zum Dienst an der Gemeinde versteht. In der gottesdienstlichen Versammlung wirkt der Heilige Geist und teilt seine Gaben aus. Gegenstand der Predigt ist das Wort. Ohne Geist bleibt das Wort der Bibel und der Predigt Menschenwort, da es erst mit dessen Wirken zum Wort Gottes wird. Der Predigt ist nur in der sanctorum communio Fruchtbarkeit verheißen. Aus dieser Bindung der Wirksamkeit des Wortes an den Geist und an die Gemeinde entwickelt Bonhoeffer sein Verständnis des Predigtamtes. Der Prediger ist »Durchgangspunkt zweier Mächte: des objektiven Geistes der Gemeinde und des heiligen Geistes«475. Damit kann der Zweck der Predigt erreicht werden, ohne dass ein Prediger tatsächlich der sanctorum communio angehört. Das Predigtamt wird von der sanctorum communio getragen, ist in seiner Besetzung aber von ihr unabhängig. Die Amtshandlungen von Predigt und Sakrament verändern die soziologische Struktur der von ihnen betroffenen Gemeindeteile. Bonhoeffer unterscheidet Predigt-, Tauf- und Abendmahlsgemeinde voneinander, die er mit drei konzentrischen Kreisen erklärt. Allen gemeinsam ist, dass sie als Teil der sanctorum communio unter dem Wort Gottes stehen und die soziologische Grundstruktur von Geistvielheit, Geistgemeinschaft und Geisteinheit aufweisen. Die Taufgemeinde umfasst alle der Möglichkeit nach zu ihr gehörenden Glieder der Kirche. In der Abendmahlsgemeinde versammeln sich diejenigen, »die Ernst machen wollen mit der Unterwerfung ihres Willens unter die Gottesherrschaft im Reiche Christi«476 Der Teil der Taufgemeinde, der sich zum Hören des Wortes versammelt, stellt die Voraussetzung der Abendmahlsgemeinde dar. In der Predigt treffen die Glieder der Gemeinde die Entscheidung, sich dem Wort gegenüber zu öffnen oder zu verschließen. Fügen sie sich dem Herrschaftsanspruch des Wortes, bringen sie ihren Gehorsam symbolisch in ihrer Sammlung um den Altar zum Ausdruck. Die Begründung der Kirche auf dem Wort verlangt diesem gegenüber absoluten Gehorsam. Besonders herausfordernd ist für Bonhoeffer der Begriff der 475 A.a.O., S. 161. 476 A.a.O., S. 166.

›Sanctorum Communio‹

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relativen Autorität der Kirche. Die Kirche wird durch das Wort gezwungen, zu den Ereignissen ihrer Zeit zu sprechen, sie darf dies aber erst tun, wenn sie über den eigentlichen Gegenstand ihrer Verkündigung, dem Dienst an der Reinerhaltung von Wort und Predigt, gesprochen hat. Fehlt der Kirche die Möglichkeit des autoritativen Sprechens, so soll sie qualifiziert schweigen. Bonhoeffer schreibt Konzilien und Synoden eine relative Autorität zu und fordert sie auf, diese zu behaupten, um so der Gleichgültigkeit der Welt gegenüber der Kirche entgegenzutreten. Die endgültige Bestimmung der Kirche als soziologischer Typus wird erschwert durch die Wesensbestimmung von Kirche, die von Gott gestiftet und zugleich empirische Gemeinschaft ist. Als religiöse Gemeinschaft gesehen bildet die Kirche einen Mischtyp. Im Gegensatz zur geistbegründeten empirischen Kirche verfügt die religiöse Gemeinschaft über keine einzigartige soziologische Struktur. Die empirische Kirche wird einzigartig durch die Durchdringung der soziologischen Kategorien Gemeinschaft, Gesellschaft und Herrschaftsverband durch das Wirken des Geistes. Aus diesem Grund bezeichnet Bonhoeffer sie als ›Geist‹- und ›Liebesgemeinschaft‹. Die Unterscheidung zwischen Kirche und Sekte ist für Bonhoeffer irrelevant, da er aus soziologischer Sicht keinen wesenhaften Unterschied zwischen beiden konstatieren kann. Er gesteht auch der Sekte zu, Gemeinde Christi zu sein, solange sie das Wort Gottes hat. Dann ist sie Teil der sanctorum communio. Die reine Lehre kann keine konstituierende Bedingung für die sanctorum communio darstellen. Das Streben nach der reinen Lehre und nach einer wahren Kirche erachtet Bonhoeffer aber als notwendig.477 Der letzte Abschnitt aus ›Sanctorum Communio‹, von Bonhoeffer mit ›Kirche und Eschatologie‹ überschrieben, weist neben inhaltlichen Parallelen auch Unterschiede zum gleichnamigen, bereits vorgestellten Referat auf.478 Während im Referat der Reich-Gottes-Gedanke dominiert, stehen in ›Sanctorum Communio‹ Gericht und ewiges Leben im Vordergrund. Bonhoeffer leitet den Abschnitt in seiner Dissertation nicht wie im Referat mit einer längeren Begriffsklärung ein, sondern setzt beim Kampf der sanctorum communio gegen den Antichristen und dem Kampf innerhalb der empirischen Kirche an. Das Endziel dieses Kampfes ist die Scheidung im Endgericht Gottes. Er verbindet den Gemeinschaftsgedanken und seine vorhergehenden Überlegungen dazu mit dem Gerichtsgedanken. Nach Bonhoeffer wird im Gericht nicht nur die Einzelperson, sondern auch die Kollektivperson gerichtet. Wie Einzel- und Kollektivperson allerdings ein verschiedenes Urteil empfangen könnten, lässt er offen. Statt Gemeinschaft erfährt der Einzelne im Gericht die Einsamkeit in 477 Vgl. a.a.O., S. 147–188. 478 Siehe Gliederungspunkt 4.2.

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Stationen des Kirchenverständnisses von Bonhoeffer

seiner Schuld und das Alleinsein als ethische Kommunikationslosigkeit. Und doch steht der sich in der bitteren Situation des Bußschmerzes befindliche Einzelne in der ihn tragenden Gemeinschaft. Damit ist der Gläubige in allen Stationen des irdischen und ewigen Lebens mit der Gemeinschaft verbunden. Während Bonhoeffer im Referat noch Kirche und Reich Gottes gleichsetzte, wird durch die Unterscheidung von Reich Gottes und Reich Christi in ›Sanctorum Communio‹ das Reich Gottes zum Ziel der Kirche: »Hier ist aus dem Reiche Christi das Reich Gottes geworden« und »Nicht ecclesia triumphans, sondern Reich Gottes, das über alle Welt geht, ist hier Wirklichkeit geworden.«479 In diesem Zustand lassen sich objektiver Geist und Heiliger Geist gleichsetzen und die Kirche als Kollektivperson wird zum wirklichen ›Christus als Gemeinde existierend‹. Die Erwartung des Endes der geschichtlichen Kirche und des Endes allen Leidens gibt der gegenwärtigen Kirche Hoffnung und Kraft in ihrem Leiden.480

4.4

›Akt und Sein‹

Mit ›Akt und Sein‹ unternimmt Bonhoeffer in seiner zweiten großen wissenschaftlichen Arbeit erneut einen interdisziplinären Versuch. Dies wird schon erkennbar am Untertitel der Habilitationsschrift: ›Transzendentalphilosophie und Ontologie in der systematischen Theologie‹. Der Diskurs zwischen Theologie und Philosophie beginnt mit dem Akt-Sein-Problem als Erkenntnisproblem. Ziel seiner Arbeit ist es, zu einer »Entscheidung in der Alternative [zu gelangen], vor die eine transzendental-philosophische und eine ontologische Auslegung theologischer Begriffe stellt. […] es soll theologisch interpretiert werden, was ›Sein Gottes in der Offenbarung‹ bedeutet und wie es erkannt wird, wie sich Glaube als Akt und Offenbarung als Sein zueinander verhalten, dementsprechend, wie der Mensch von der Offenbarung aus gesehen zu stehen kommt.«481 Bonhoeffer steigt mit der im Zeitraum von 1929–1930 entstandenen Arbeit mitten in die theologisch-philosophische Diskussion seiner Zeit ein. Dass Bonhoeffer die Begriffe ›Akt‹ und ›Sein‹ in mehrfacher Weise verwendet, hat Christiane Tietz zutreffend herausgearbeitet. So versteht Bonhoeffer ›Akt‹ im Sinne von Bewegung oder Beziehung und ›Sein‹ als In-sich-Bleiben oder Ruhe. Auch wenn er Akt und Sein streng voneinander unterscheidet, stellt er eine 479 DBW 1, S. 198f. 480 Vgl. a.a.O., S. 193–199. 481 Bonhoeffer, Dietrich, Akt und Sein. Transzendentalphilosophie und Ontologie in der systematischen Theologie, hg. von: Hans-Richard Reuter, DBW, Bd. 2, München 1988, S. 22f.

›Akt und Sein‹

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Anordnung der Begriffe voreinander her, indem er die philosophische Erkenntnistheorie dahingehend untersucht, ob sie eine Aktbegründung des Seins oder eine Seinsbegründung des Aktes vornimmt. Schließlich stellt Bonhoeffer die Frage nach dem Sein auch im Hinblick auf die Offenbarung und den Menschen.482 Er nimmt zunächst eine Untersuchung der transzendentalphilosophischen Ansätze des Idealismus und von Kant vor, dessen Ansatz er als echte Transzendentalphilosophie beurteilt. In der echten Transzendentalphilosophie ist objektives Erkennen nicht möglich, das Ich ist sich selbst transzendent und da es im Akt als In-Bezug-auf zu verstehen ist, kann es nicht zu sich selbst kommen. Im Idealismus dagegen wird das Ich zum Ausgangspunkt des Denkens. Als Konsequenz bleibt es bei sich selbst und verliert die Transzendenz. In beiden Ansätzen bleibt die Vernunft bei sich stehen.483 Auf ontologischer Seite setzt sich Bonhoeffer mit zwei weiteren Ansätzen und ihren Vertretern auseinander, der echten Ontologie, die das Sein dem Bewusstsein vorordnet, und der systemischen Ontologie, in der das Sein als bewusstseinstranszendent betrachtet wird. Nur die echte Transzendentalphilosophie und die echte Ontologie sind nach seinem Urteil zum Verständnis des AktSeins-Problems im Hinblick auf die Offenbarung brauchbar, aber sie erschließen jeweils für sich betrachtet nicht die volle Wirklichkeit. Die Auslegung der Offenbarung auf Aktbegriffe hin nach der echten Transzendentalphilosophie ermöglicht es, die Offenbarung als etwas Kontingentes zu denken, das außerhalb der Verfügung des Menschen liegt. Bonhoeffer führt in diesem Zusammenhang den Begriff der Existenz ein, der den Zustand des Menschen als von der Offenbarung betroffen oder nicht betroffen bezeichnet. Die Offenbarung ist für den Menschen nicht verfügbar, allerdings kann er durch den Glaubensakt in Beziehung zur Offenbarung treten, auch wenn er nicht über sie reflektieren kann.484 Diesen Sachverhalt wird Bonhoeffer mit der Unterscheidung von actus directus und actus reflexus im Folgenden noch detaillierter ausführen. Die Aktinterpretation der Offenbarung erfordert auch Seinsbegriffe. So kann die Theologie nur von Gott reden, wenn es ein Sein außerhalb des eigenen Glaubens und Denkens gibt. Das Zugrundelegen von Seinsbegriffen gewährleistet zudem die Kontinuität der Offenbarung, und dass der Mensch sich selbst in der Offenbarung verstehen kann. Die Offenbarung kann auf Seinsbegriffe ausgelegt werden, indem sie als Lehre, psychisches Erlebnis oder als Institution 482 Vgl. a.a.O., S. 21–23 und 29 und vgl. Tietz-Steiding, Christiane, Bonhoeffers Kritik der verkrümmten Vernunft. Eine erkenntnistheoretische Untersuchung. Beiträge zur historischen Theologie, Bd. 112, Tübingen 1999, S. 17–20. 483 Vgl. a.a.O., S. 27–38. 484 Vgl. DBW 2, S. 53–99 und vgl. Tietz-Steiding (1999), S. 242.

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Stationen des Kirchenverständnisses von Bonhoeffer

verstanden wird. Alle drei Möglichkeiten werden dem christlichen Offenbarungsverständnis aber nicht gerecht. Die Gründe dafür sind zum einen, dass der sich offenbarende Gott zum gegenständlichen Seienden wird. Zum anderen wird der Mensch nicht in seiner Existenz getroffen.485 Bonhoeffer löst die Akt-Seins-Problematik im Kirchenbegriff auf, indem er Kirche als Akt-Seins-Einheit versteht. An dieses Verständnis von Kirche trägt er verschiedene Fragen heran, wie die Fragen nach dem Ort des Daseinsverständnisses, die Frage nach der Seinsart von Offenbarung und Mensch sowie die Frage nach den Konsequenzen für den Erkenntnisbegriff. Die Kirche ist der Ort, an dem der Mensch durch die Tat Gottes in das Offenbarungsgeschehen hineingezogen wird. Das Offenbarungsgeschehen vollzieht sich in der Verkündigung von Tod und Auferstehung. Die Offenbarung ist nicht nur als vergangenes Geschehen zu verstehen, sondern als gegenwärtige Verkündigung mit zukünftiger Bedeutung für den Menschen. Christus kann von der Verkündigung der Gemeinde nicht getrennt werden, er ist, wie Bonhoeffer bereits in ›Sanctorum Communio‹ entfaltete, die Gesamtperson der Gemeinde. Deshalb ist der evangelische Kirchenbegriff mit der Offenbarung Gottes in Christus personhaft zu denken. »Kirche ist mithin nicht eine menschliche Gemeinschaft, der sich Christus dann auch gibt oder nicht gibt, bzw. eine Vereinigung solcher, die Christus suchen oder zu haben glauben (nämlich als einzelne) und diesen gemeinsamen ›Besitz‹ pflegen wollen, sondern sie ist von Christus geschaffene, in ihm begründete Gemeinde«486.

Die Gemeinde ist ›Christus als Gemeinde existierend‹. Er ist das handelnde Subjekt der Gemeinde, deshalb sind in der Gemeinde wirkliche EvangeliumsVerkündigung, wirklicher Glaube und wirkliche Vergebung vorhanden. Der Mensch ist nach Bonhoeffer nicht rein individualistisch zu verstehen, sondern er steht in Gemeinschaft – sei es die Gemeinschaft in Adam oder in Christus. Steht er in der Gemeinschaft mit Christus, kann und soll er dem Anderen mit dem Zuspruch der Vergebung durch das Evangelium ein Christus werden. In diesem Offenbarungsverständnis sind die Bedingungen Kontinuität, die Eigenschaft der Offenbarung als weder Seiendes noch Nichtseiendes sowie die von außen betroffene Existenz des Menschen erfüllt. Die Kontinuität der Offenbarung ist in die Gemeinde gelegt, die das Wort der Kirche vom gestorbenen und auferstandenen Christus hört. Die Personhaftigkeit der Gemeinde bewirkt durch ihr Subjekt, Christus, dass der Mensch in seiner Existenz getroffen und in eine neue Existenz versetzt wird. Das Schweben des Offenbarungsverständnisses zwischen Seiendem und Noch-Nicht-Seiendem zeigt sich im Aufeinandertreffen 485 Vgl. DBW 2, S. 90 und 99–105. 486 A.a.O., S. 109.

›Akt und Sein‹

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von Person und Gemeinschaft. Die Gemeinschaft ist die konkret sichtbare Kirche, in der das Wort ergeht und die in Glauben und Liebe handelt.487 Der Mensch wird durch den gottgegebenen Glauben Glied der Kirche. Gleichzeitig wird für den Glauben das Sein in der Kirche vorausgesetzt. Bonhoeffer spitzt diese beiden gegenläufigen Aussagen zu und vereint sie zugleich, indem er formuliert: »nur im Glauben weiß der Mensch das Sein der Offenbarung, sein eigenes Sein in der Kirche Christi, als vom Glauben unabhängig.«488 Das Sein des Menschen in der Gemeinde umfasst auch Sünde und Tod. Allerdings trägt die Gemeinde Sünde und Tod mit, sodass der Einzelne, der in der Gemeinde und damit in Christus ist, statt Sünde und Tod Vergebung und Leben erlebt.489 Als Konsequenzen für den Erkenntnisbegriff unterscheidet Bonhoeffer drei Erkenntnisweisen innerhalb der Kirche. Entsprechend ihren Funktionen benennt er sie als glaubendes, predigendes und theologisches Erkennen. Das glaubende Erkennen findet sich bei ihm unter der Bezeichnung des existenziellen Erkennens. Das predigende und das theologische Erkennen bezeichnet er auch als kirchliches Erkennen. »Ist der Gegenstand des Glaubenserkennens das lebendige Wort Christi, so der des theologischen Erkennens das gesprochene Wort, so der des predigenden Erkennens das eben jetzt zu sprechende Wort der Verkündigung an die Gemeinde.«490 Im glaubenden Erkennen wird der Einzelne in seiner Person durch die Christusperson getroffen. »Glaubendes Erkennen heißt sich von der Christusperson überwunden und begnadigt wissen.«491 Die Christusperson gibt sich dem Einzelnen durch ihr Wort im Glaubensakt. Christus ist als Außen zu verstehen, der aber nur als solches von dem verstanden werden kann, der bereits in Christus ist. Das Außen der Christusperson lässt die Außenwelt des Einzelnen neu erscheinen, er ist nun in die soziale Existenz gestellt. Mit diesem Personverständnis bringt Bonhoeffer Ontologie und Transzendentalphilosophie in der Kirche zusammen: »Nur im sich gebenden Akt ›ist‹ Person. Dennoch ›ist‹ Person frei von dem, dem sie sich gibt.«492 Das In-Bezug-auf des Aktes bedeutet, Christus im Glauben zu haben. Christus ist zugleich Herr und Schöpfer des Glaubens durch die Gabe des Heiligen Geistes. Glaube ist als actus directus zu verstehen, der nur Gott, aber nicht der eigenen Reflexion zugänglich ist. Der eigenen Reflexion zugänglich sind dagegen das predigende und das theologische Erkennen. Das predigende Erkennen wird in der Verkündigung des 487 488 489 490 491 492

Vgl. a.a.O., S. 107–111. A.a.O., S. 115. Vgl. a.a.O., S. 113–121. A.a.O., S. 132. A.a.O., S. 123. A.a.O., S. 125.

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Stationen des Kirchenverständnisses von Bonhoeffer

Evangeliums und in der Vergebung der Sünden in Predigt und Sakrament sichtbar. Der Prediger muss Wissen über den Gegenstand der Predigt haben. Dieses Wissen reicht aber nicht aus, der Predigt muss auch Kraft verliehen werden. Die Predigt stützt sich auf die Kraft Christi, und auf die Kraft des gemeindlichen Glaubens, da der Gemeinde das Predigtamt gegeben ist. Die Worte der Predigt sind die Reflexion des Predigers über das göttliche Geschehen. Diese bloße Reflexion wird zum lebendigen Wort der Christusperson, das sich den Hörenden erschließt, wenn der Prediger die rechte Lehre verkündigt. Erachtete Bonhoeffer in ›Sanctorum Communio‹ durch die Bedeutung des Predigtamtes es noch als nicht notwendig, dass der Prediger der sanctorum communio zugehören müsse, so verschärft er an dieser Stelle seine Anforderung an die Person des Predigers.493 Der Prediger muss Theologe sein, denn die Theologie verhelfe ihm zur rechten Lehre. Theologie versteht Bonhoeffer als Funktion und Gedächtnis der Kirche. Das theologische Erkennen ist ebenfalls actus reflexus, da der Theologe über das im Gedächtnis der Kirche bewahrte göttliche Geschehen reflektiert. Theologie stellt das Bindestück zwischen vergangener und zukünftiger Predigt dar : »Die vergangene Predigt soll von der Theologie auf die wirkliche Christusperson, wie sie in der Gemeinde predigt und gepredigt wird, bezogen werden, und es sollen der künftigen Predigt Dogmen vorangestellt werden, auf Grund deren sie christlich recht predigen kann.«494

Die Theologie wandelt Offenbarung zu Seiendem, aus diesem Grund ist Theologie nur in unmittelbarer Nähe der lebendigen Christusperson und mit direktem Predigtbezug zu betreiben. Christus verwirft oder bestätigt die Urteile der Theologie in der Predigt. Die Gemeinde braucht die Theologie, allerdings sind der Theologie auch Grenzen gesetzt, derer sich die Gemeinde bewusst sein soll. Die Begrenzung der Theologie liegt in der fehlenden existenziellen Kraft ihrer Glaubenssätze. Diese Grenzen muss nicht nur die Gemeinde, sondern auch der einzelne Theologe erkennen. Er muss seine Theologie in die Gemeinde hineinstellen und ihr durch die Gemeinde Sinn verleihen.495 Zusammenfassend lässt sich sagen, dass bei Bonhoeffers Kirchenverständnis in ›Akt und Sein‹ der interdisziplinäre Blickwinkel von Soziologie und Sozialphilosophie zurücktritt. Er verstärkt stattdessen seinen Fokus auf Ontologie und Transzendentalphilosophie. Bonhoeffers ekklesiologische Lösung des AktSeins-Problems baut auf den Grundlagen von ›Sanctorum Communio‹ auf, spezifiziert aber die Möglichkeiten der Erkenntnis und des Seins in Christus. 493 Vgl. DBW 1, S. 160. 494 DBW 2, S. 128. 495 Vgl. a.a.O., S. 123–134.

Vorlesungen

4.5

159

Vorlesungen

4.5.1 ›Das Wesen der Kirche‹ Die zweistündige Morgenvorlesung ›Das Wesen der Kirche‹496 aus dem Sommersemester 1932 bezeichnet Bethge als »den ersten Wurf einer Vorlesung unter dem Thema, mit dem er [Bonhoeffer] einst angetreten war: dem der Kirche«.497 Bonhoeffer selbst bereitete die Vorlesung große Mühe, wie er in einem Brief eingestand.498 Die Vorlesung liegt nur noch in Hörermitschriften vor, die aber von den Herausgebern von DBW 11 als zuverlässig in ihren wesentlichen Gedanken angesehen werden.499 Die Konzeption der Vorlesung besteht aus zwei Teilen, denen Bonhoeffer eine Einleitung voranstellt. Der erste Teil behandelt die Frage nach dem Ort der Kirche in der Welt, in der Christenheit und in der dogmatischen Theologie. Der Abschnitt zum Ort der Kirche ist ein besonderes Merkmal der Ekklesiologie dieser Vorlesung und wird in diesem Umfang wie an keiner anderen Stelle in Bonhoeffers schriftlicher Hinterlassenschaft ausgeführt. Es schließt sich ein größerer zweiter Teil an, der sich mit der Gestalt der Kirche befasst. In diesen zweiten Teil finden sich vermehrt Inhalte von ›Sanctorum Communio‹. Vereinzelt greift Bonhoeffer auch Gedanken aus ›Akt und Sein‹ auf. Wie in ›Akt und Sein‹ beginnt Bonhoeffer mit einer Darstellung der thematisch aktuellen Diskussion seiner Zeit. Allerdings nimmt er keine Abhandlung einzelner Theologen und Philosophen vor, sondern gibt die Antworten verschiedener gesellschaftlicher Gruppierungen auf die Frage nach der Brauchbarkeit der Kirche in seiner Zeit wieder. Diese Frage ist nach ihm allerdings als sinnlos zu beurteilen. Daher verweist er nur auf die Not der Kirche. Von Bedeutung sei vielmehr die Frage nach der Kirche Christi als Offenbarung Gottes, die Bonhoeffer, wie auch in seinen beiden vorangegangenen großen akademischen Arbeiten, als solche voraussetzt. In der Kirche rede und zeige sich Gott. Dabei müssen Akt und Sein zusammen berücksichtigt werden.500 Der eigentliche Ort der Kirche kann nicht genau bestimmt werden, es ist der Ort des gegenwärtigen Christus. Bonhoeffer zeigt als bevorzugte Orte der empirischen Kirche in der Welt, im Christentum und in der dogmatischen Theologie auf, dass sich die Kirche in allen Bereichen in der Peripherie befindet. In der Welt nimmt die Kirche lediglich bevorzugte Orte ein, im Christentum beschränkt sie sich auf die Feiern an den Höhe- und Wendepunkten des Lebens 496 497 498 499 500

DBW 11, S. 239–303. Bethge (2005), S. 258. Vgl. DBW 11, S. 88. Vgl. a.a.O., S. 240, Anmerkung 1. Vgl. a.a.O., S. 240–243, vgl. DBW 1, S. 18 und vgl. DBW 2, S. 105–134.

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und in der dogmatischen Theologie ist die Kirche von der Gemeinde isoliert. Der eigentliche Ort muss der empirischen Kirche von Gott gezeigt werden. Wenn Kirche sich ihrer Ortlosigkeit bewusst ist, so weiß sie, dass Gott sich zu einem Ort bekennt und ihr mit sich einen Ort an der kritischen Mitte der Welt verleiht. Die Mitte der Christenheit befindet sich dort, wo das Wort Gottes aufbricht: »Kirche ist Gemeinde, ist dort, wo dem Wort geglaubt und gehorcht wird; dort ist die Mitte. Kirche ist die Mitte der Welt, ist die Gemeinde Gottes.«501 Das Christentum kann nicht als von der Welt isoliert gesehen werden, genauso können Kirche und Welt nicht voneinander getrennt werden. Die Frage nach dem Ort der Kirche in der dogmatischen Theologie formuliert Bonhoeffer um zur Frage nach dem Ort der dogmatischen Theologie in der Kirche. Die von ihm selbst gegebene Antwort stammt aus ›Akt und Sein‹: Theologie ist eine Funktion der Kirche. Die Dogmatik hat die Kirche zugleich als Gegenstand und Voraussetzung ihrer Arbeit.502 »Dogmatik muss einsetzen mit der Kirche als [dem] Ort der Offenbarung.«503 Mit diesem Verständnis kann nach Bonhoeffer ein falsch verstandener protestantischer Subjektivismus überwunden werden. Den zweiten Teil der Vorlesung, der die Gestalt der Kirche zum Thema hat, beginnt Bonhoeffer mit Vorbemerkungen zum Gestaltbegriff. Der Mensch im Urstand kann in seinem Denken echte Gestalten nicht fassen. Die Kirche als echte Gestalt bleibt für ihn unsichtbar und zeigt sich nur im Glauben. Kennzeichnend für die Gestalt der Kirche ist ihr Sein von Gott als Offenbarungsgestalt und ihre echte Einheit. Kirche ist auch Kollektivgestalt. Wie bereits in ›Sanctorum Communio‹ entfaltet Bonhoeffer diesen Begriff an Adam und Christus, die beide sowohl als Einzelne als auch als Menschheit zu verstehen sind. Die Sünde von Adam ist nicht nur seine Sünde, sondern auch die der ganzen Menschheit in ihm. Die Adamsmenschheit wird durch das Kreuz Christi überwunden, das eine Scheidung der Menschheit vornimmt. In Christus ersteht eine neue Menschheit als Kirche, die mit ihm gekreuzigt und auferstanden ist.504 Die Kirche ist begründet durch das stellvertretende Handeln Christi, das sich in vier Stufen vollzieht. Auch diesen Sachverhalt entfaltet Bonhoeffer in ähnlicher Weise wie in ›Sanctorum Communio‹. An Christus wird Gottes Urteil vollzogen, indem Gott Mensch wird und in Christus in die Volksgemeinschaft Israels eintritt. Christus erfüllt das Gesetz und nimmt den Zorn des Gesetzes auf 501 DBW 11, S. 250. 502 Vgl. a.a.O., S. 247–260 und vgl. DBW 2, S. 128. 503 DBW 11, S. 258. Diese Forderung war in ›Sanctorum Communio‹ von Bonhoeffer noch als Vorschlag formuliert worden: »Es wäre gut, eine Dogmatik einmal nicht mit der Gotteslehre, sondern mit der Lehre von der Kirche zu beginnen, um über die innere Logik des dogmatischen Aufbaus Klarheit zu gewinnen.«, DBW 1, S. 85. 504 Vgl. DBW 11, S. 261–265 und vgl. DBW 1, S. 69–76.

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sich, dem zuvor Israel durch die Übertretung des Gesetzes ausgesetzt war. Die Übertretung des Gesetzes hat die Gemeinschaft zerbrochen und den einzelnen Menschen in die Isolierung geführt. Der dritte Schritt des stellvertretenden Handelns ist der Tod Christi am Kreuz als stellvertretendes Personopfer, in dem die Zerrissenheit überwunden wird. In ihm und mit ihm wird die Menschheit am Kreuz von Gott gerichtet und nimmt an seinem Leiden teil. In der Auferstehung Christi wird sein stellvertretendes Handeln zum Abschluss gebracht. Jetzt ist die Menschheit gerechtfertigt und ihre Gerechtigkeit ist gerichtet. Kirche erfüllt nun drei gegensätzliche Bedingungen, die nur ineinander zu verstehen sind: Durch seine Stellvertretung, die nur Jesus leisten konnte, ist er der Herr der Gemeinde. Gleichzeitig ist er ihr Bruder, da mit ihm die Gemeinde handelt und leidet. Die dritte Bedingung ist seine Existenz als Gemeinde.505 Bonhoeffer bezieht gegen die Position Stellung, dass Jesus als reiner Religionsgründer zu verstehen sei. »Er ist der Erlöser, der Grund der Kirche, nicht der Gründer. […] Christus ist der Grund und Anfänger und Vollender der Kirche zugleich.«506 Die von Jesu zu seinen Lebzeiten angefangene messianische Gemeinde zerbricht am Kreuz. Am Kreuz geschieht aber zugleich die Neuerschaffung der Gemeinde als Auferstehungsgemeinde. Hat Christus die Gemeinde realisiert, so wird diese durch den Heiligen Geist und das Pfingstereignis aktualisiert. Im Heiligen Geist wird die Tat Christi gegenwärtig und der Heilige Geist bezeugt der Gemeinde die Gegenwart Christi. Wie bereits in ›Sanctorum Communio‹ nimmt Bonhoeffer eine Unterscheidung von Kirche und religiöser Gemeinschaft vor. Ist die religiöse Gemeinschaft nur ein Erlebnisideal, so ist die Kirche als Wirklichkeit des Glaubens zu verstehen. Kirche kann nicht erfahren werden, sondern muss aufgrund ihrer Realisierung in Christus durch den Glauben an Christus geglaubt werden.507 Im Bekenntnis bezeugt die Gemeinde ihre Konstitution durch das Wort. Die Gemeinde kann nicht neutral bleiben, sie muss das Wort bekennen oder verleugnen. Ein Gottesdienst ohne Bekenntnis ist nach Bonhoeffer nicht möglich. Er beschreibt das Bekenntnis als Verfassung der Gemeinde mit folgenden Worten: »Das Bekenntnis ist [die] einzig genuine Verfassung, im Bekenntnis scheidet sich die Gemeinde von der Welt. Das Bekenntnis muss ganz wahr sein. Es ist Antwort auf das wahre Wort Gottes. Es ist Sache unmittelbarer Gegenwart!«508 Das Bekenntnis ist im Gottesdienst als Arkanum anzusiedeln. Vor der Welt bekennt die christliche Gemeinde dagegen in Form der Tat. Erst danach dürfe das Wortbekenntnis erfolgen. Der Bogen zwischen Mensch und Gott wird in 505 506 507 508

Vgl. DBW 11, S. 266–269. A.a.O., S. 271. Vgl. a.a.O., S. 277–280 und vgl. DBW 1, S. 79–83 und 189. DBW 11, S. 283.

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vertikaler Hinsicht gespannt durch die »lückenlose Reihe«509 von Wort, gottesdienstlicher Versammlung, Predigtamt und Bekenntnis. In horizontaler Hinsicht stellt sich die Gemeinde als Gemeinschaftsstruktur dar. Die Aktualisierung der Gemeinde durch den Geist erfolgt aber nur dort, wo das Evangelium in rechter Weise gepredigt wird. Aufgabe der Theologie ist es, die Grundlage für die rechte Lehre zu schaffen. Theologie zu betreiben ist – abgesehen vom Kultus – die vorrangige Aufgabe der Kirche. Die Theologie nimmt Gestalt an im Dogma. Dieses kann allerdings nicht durch einzelne Theologen geschaffen werden, sondern nur durch die Kirche in Form eines Konzils. Das Dogma unterstützt die Predigt und das Bekenntnis. Nur die Gemeinde kann als Gegenüber des Konzils gegen das Dogma Einspruch erheben. Versammlung, Predigtamt und Bekenntnis sind von ihrer Begründung von Christus und seinem Wort her zu verstehen. Bonhoeffer bezeichnet sie als ›Dreiheit‹, der eine weitere Dreiheit zur Sicherung der rechten Lehre in Form von Theologie, Konzil und Dogma zu Diensten steht.510 Der letzte Abschnitt zur handelnden Gemeinde und zum handelnden Christus widmet sich dem allgemeinen Priestertum, das inzwischen nach Bonhoeffer hauptsächlich als Rechtfertigung des Rückzugs in die private Religiosität verstanden werde. Dieses Verständnis habe Luther aber nie beabsichtigt: »[Die] entscheidende Funktion des Priesters muß allen zukommen […]. Jeder braucht den anderen als Priester. Jeder [ist] auf den anderen angewiesen […]. Christus ist der Bruder als Mensch, der in der Gemeinde Christi steht […]. Im Bruder habe ich den Christus, in Christus vernehme ich [den] Hinweis auf [den] Bruder. Keine Individualisierung der Kirche!«511

Wie in ›Sanctorum Communio‹ führt Bonhoeffer den Begriff der Liebesgemeinschaft ein, deren Akte im strukturellen Miteinander und im strukturellen Füreinander zu finden sind.512 Da die Vorlesungsmitschrift in diesem Zusammenhang weitestgehend eine Orientierung Bonhoeffers an den Inhalten von ›Sanctorum Communio‹ aufzeigt,513 soll an dieser Stelle nur auf die Beichte eingegangen werden, die noch keine besondere Berücksichtigung in Bonhoeffers Dissertation erfahren hatte. Bonhoeffer äußert sich zur Beichte im Zusammenhang mit der Sündenvergebung als dem dritten Element des strukturellen Füreinanders der Gemeindeglieder. Die Beichte ist mit dem Sakrament, insbesondere dem Abendmahl, verbunden. Das Sakrament trägt Predigt und Beichte und wird vom Pfarrer verwaltet. Werden die Sakramente nicht mehr 509 510 511 512 513

A.a.O., S. 285. Vgl. a.a.O., S. 280–287. A.a.O., S. 288. Vgl. a.a.O., S. 289–298 und vgl. DBW 1, S. 113–128. Siehe Gliederungspunkt 4.3.

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durch die Kirche gespendet, führt dies zum Verlust von Predigt und Beichte.514 In der Beichte bekennt die Gemeinde ihre Sünde, wird gerichtet und bekommt Vergebung zugesprochen. Das Hören der Beichte versteht Bonhoeffer als Amt der Gemeinde. Die Beichte ist in der Stellvertretung Christi begründet. Der Hörende der Beichte nimmt die Sünde des Bruders auf sich im Wissen, dass Christus die Sünde trägt. Der Beichtende empfängt dabei die Wahrheit Gottes. Bonhoeffer urteilt: »Das ist [das] Zentrum der Gemeinde. Es gibt keine Gemeinde, wenn nicht gebeichtet wird.«515 Die Vorlesungsabschnitte zur Christlichkeit und Weltlichkeit der Kirche sowie zu ihren Grenzen stellen ebenfalls neue Bestandteile in Bonhoeffers Ekklesiologie dar. Allerdings scheint Bonhoeffer zeitliche Probleme gehabt zu haben, diese Themen auszuführen, da sie in den Vorlesungsmitschriften im Vergleich zu den anderen Abschnitten einen wesentlich geringeren Umfang einnehmen. Die empirische Kirche gibt Zeugnis von Christi Gegenwart. Dennoch ist sie nicht ideal. Die Kirche ist ganz Welt und übt freiwilligen Verzicht auf alles bis auf das Wort Christi. Sie verzichtet auf das Ideal der Reinheit und bekämpft die Versuchung, das Reich Gottes an sich zu reißen und es in der Heiligkeit der Menschen sichtbar zu machen. Durch den Verzicht auf das Ideal der Reinheit macht sich die Kirche von der Welt frei und kann bei allen Gruppen in der Welt sein. Zugleich aber muss die Kirche nach Reinheit in der Lehre streben und darf auch vor der Exkommunikation um der Gemeinde und ihrer Glieder willen nicht zurückschrecken. Die Kirche verzichtet zudem auf ihre Darstellung in der Einheit der Wahrheit und trägt ihre Zerrissenheit als Kreuz. Gleichzeitig ist sie sich im Glauben bewusst, dass sie als una sancta berufen ist. Aber wie auch beim Verzicht auf das Ideal der Reinheit ist die Kirche um sich und um der Welt willen aufgefordert zur sichtbaren Einheit. Wenn Kirche ihre Weltlichkeit auf Grundlage ihrer Göttlichkeit ernst nimmt, dann lässt sich nach Bonhoeffer von der ›Christlichkeit‹ der Kirche sprechen. Die Grenzen der Kirche sind begründet in der Weltlichkeit der Kirche. Bonhoeffer definiert sie als das »Wort von Christus und die ihr gegebene Verheißung«516. Sie verlaufen gegen die neue Welt als Reich Gottes oder Prädestination und auf der anderen Seite gegen die alte Welt, das heißt den Staat. Kirche steht zwischen beiden als Ort der an die Offenbarung Christi glaubenden Gemeinde. Die Kirche grenzt sich aufgrund ihrer Weltlichkeit vom Reich Gottes ab, erst in ihrer Vollendung wird sie mit diesem identisch sein. Bis dahin weiß sie nicht um die Dazugehörigen, stattdessen richtet sie ihren Blick auf das Kreuz und betet, 514 Vgl. DBW 11, S. 296, Anmerkung 395. 515 A.a.O., S. 298. 516 A.a.O., S. 302.

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dass Gott ihr neue Mitglieder zuführt. Die Grenze der Kirche gegenüber dem Staat ist der Kirche als Erinnerung gesetzt, dass ihr von Gott nicht das richtende Schwert der Gewalt, sondern das Wort und das Gebet gegeben ist. Mit diesem Schwert dient sie dem Staat. Bonhoeffer steht in den Linien von Luthers ZweiReiche-Lehre, wenn er Kirche und Staat als einander nebengeordnet ansieht. Die Kirche darf den Staat nicht bestimmen, aber sie soll Kritik am Staat verlauten lassen, wenn dieser das Wort bedroht.517

4.5.2 Christologie In den vorangegangenen Ausführungen Bonhoeffers wurde erkennbar, dass Ekklesiologie und Christologie bei ihm in greifbare Nähe rücken. Aus diesem Grund soll die Vorlesung über Christologie518, die Bonhoeffer im Sommersemester 1933 las, auf sein Kirchenverständnis hin untersucht werden. Bethge bezeichnet diese Vorlesung als den Höhepunkt von Bonhoeffers akademischem Wirken, an dem dieser eine Zusammenführung und Überprüfung seines bisherigen Schaffens vorgenommen habe.519 Diese Vorlesung wurde, wie alle Vorlesungen Bonhoeffers, aus Hörermitschriften rekonstruiert. Von Bonhoeffer selbst liegen zwei Seiten mit Notizen zur altprotestantischen Christologie vor. Auffallend sind die Parallelen in der Gliederung zwischen der Vorlesung ›Das Wesen der Kirche‹ und der Christologie-Vorlesung. Beide Vorlesungen bestehen aus einer Einleitung und zwei großen Teilen. Darüber hinaus geben beide Vorlesungen dem Orts- und Gestaltsbegriff einen besonderen Stellenwert. In der Christologie-Vorlesung werden diese Begriffe im ersten Teil behandelt, der sich mit dem gegenwärtigen Christus befasst. Dem schließt sich der zweite Teil über den geschichtlichen Christus an. Die Vorlesung beginnt mit der Entfaltung der christologischen Frage. Diese kann nur in der Kirche bearbeitet werden, da Christus sich in ihr offenbart hat. Nur durch die Offenbarung kann sich dem Einzelnen Person und Werk Christi erschließen.520 Christus ist der Gekreuzigte und Auferstandene und damit der gegenwärtige geschichtliche Christus. Er ist in der Kirche als Person gegenwärtig. »Nur weil Christus der gegenwärtige Christus ist, können wir ihn noch befragen. Nur weil sich in der Kirche die Verkündigung und das Sakrament vollzieht, darum kann nach Christus gefragt werden.«521 Aus der Gegenwart Jesu Christi folgt seine 517 518 519 520 521

Vgl. a.a.O., S. 298–303. DBW 12, S. 279–348. Vgl. Bethge (2005), S. 265. Vgl. DBW 12, S. 279–291. A.a.O., S. 292.

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doppelte Bestimmung als Gott-Mensch, der der Ausgangspunkt der Christologie ist. Die Gegenwart Christi ist verhüllt, sie trägt die Gestalt des Ärgernisses. »Die Verhüllung des gegenwärtigen Christus besteht für uns in der Verkündigung der Kirche. Jesus Christus als der schon seiende Gott-Mensch ist der Kirche allein gegenwärtig in der Gestalt ihrer Verkündigung. […] Die Ärgerlichkeit liegt nicht in der Verhüllung Gottes, sondern in der Verhüllung des Gott-Menschen.«522

Die Frage nach der Gestalt Christi ist laut Bonhoeffer die Wer-Struktur, innerhalb der sich die Wo-Struktur befindet, die als Frage nach dem Ort Christi zu verstehen ist. Zur Wer-Struktur gehört die Personstruktur des gegenwärtigen Christus in der Gemeinde als pro me. Christus zeigt sich in dreifacher Gestalt als Wort, Sakrament und Gemeinde. Für das Verhältnis von Christus und Gemeinde bedeutet die Pro-me-Struktur zum einen, dass Christus ihr Haupt ist. Zum anderen ist er derjenige, der stellvertretend und zugleich als Gemeinde den Kreuzestod auf sich nimmt und ihre Sünde trägt. Durch sein Handeln ist sie die neue Menschheit in ihm und er in ihr. Die Gestalt Christi als Wort bedeutet, dass er die zerstörende und schaffende Wahrheit ist. Gott hat sich in diesem Wort gebunden. Sein Wort ist Anrede an den Menschen, das als Wahrheit in den konkreten Augenblick hereinbricht, Gemeinschaft begehrt und den Menschen zur Verantwortung zieht. Christus ist das personhafte Wort Gottes, das als Wort und im Wort der Kirche, das heißt in Sakrament und Predigt, gegenwärtig ist. »Die Predigt ist die Gestalt des gegenwärtigen Christus, an die wir uns zu halten haben. Ist nicht der ganze Christus in der Predigt, dann zerbricht die Kirche.«523 Christus will als Mensch in der Kirche gegenwärtig sein, wie er es bei der Einsetzung des Abendmahls verkündet hat. Christus ist in Wort und Sakrament als Gemeinde gegenwärtig durch sein Pro-me-Sein. Christus handelt als neue Menschheit, in ihm hängen Wort, Sakrament und Gemeinde zusammen. Das Wort schafft sich die Gestalt der Gemeinde, es ist in der Gemeinde, wenn die Gemeinde es empfängt. Das Sakrament geht über das Wort hinaus durch seine leibliche Gestalt. »Diese Gestalt seiner [des Sakraments] Verleiblichung ist der Leib Christi selbst und als solcher zugleich die Gestalt der Gemeinde. Sie ist kein bloßes Bild, die Gemeinde ist Leib Christi.«524 Die Wo-Struktur Christi zeigt nach Bonhoeffer, dass Christus der In-derMitte-Seiende ist. Er befindet sich in der Mitte der menschlichen Existenz, der Natur und der Geschichte. Wie Christus Mitte und Grenze der Geschichte ist, so ist die Kirche die Mitte und die Grenze des Staates. Kirche ist die verborgene Mitte des Staates und die Mitte der durch den Staat gestalteten Geschichte. Durch das Kreuz wird die Kirche zur Grenze und zur Erfüllung des Staates. Am 522 A.a.O., S. 295. 523 A.a.O., S. 299. 524 A.a.O., S. 306.

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Kreuz bejaht die Kirche sowohl die Ordnung als auch deren Aufhebung durch das Leben und Sterben Gottes in der Geschichte. Somit verändert das Kreuz das Verhältnis von Staat und Kirche, da die Gestalt Christi in diese beiden Reiche zerrissen wird. Christus ist Mitte und Mittler zwischen Gott und Kirche, aber als Kirche zugleich auch Mitte und Mittler zwischen Staat und Gott. Die positive Christologie, die Bonhoeffer im letzten Abschnitt der Vorlesung entfaltet, ist im Wesentlichen dadurch bestimmt, dass Christus der ganz Menschgewordene, der Erniedrigte und der Erhöhte ist. Die Erniedrigung Christi bedeutet sein Eingehen in die von Sünde und Tod gezeichnete Welt. Die Kirche nimmt Anteil an der Erniedrigung Christi. Sie soll weder ihre Stärke herausstellen noch sich ihrer Schwäche rühmen, sondern sich auf die Vergebung ihrer Sünde ausrichten. Sie ist die Gegenwart Christi in seiner Menschwerdung, Erniedrigung, Auferstehung und Erhöhung. Auch wenn sie wie Christus täglich erfahren muss, dass sich Menschen an ihr ärgern, ist sie herausgefordert, sich selbst nicht an Christus zu ärgern.525

4.6

Das Kirchenverständnis in Ökumene und Kirchenkampf

Die ökumenische Zusammenarbeit mit der katholischen Kirche, die zu dieser Zeit kaum für möglich gehalten wurde, geriet bei Bonhoeffer schon vergleichsweise früh in den Fokus.526 Die Berliner Theologische Fakultät galt als führendes Zentrum der ökumenischen Bewegung in Deutschland. Dennoch gelang es den dortigen Ökumenikern, mit denen Bonhoeffer nur oberflächlichen Kontakt pflegte, nicht, ihn für die ökumenische Arbeit zu begeistern. Der Anstoß dazu kam stattdessen von Max Diestel, der Bonhoeffer zur Vorbereitung für sein Studienjahr in den USA schon mit ökumenischer Literatur ausgestattet hatte, und ihn nun als Mitglied der deutschen Jugenddelegation für die Jahrestagung des Weltbundes für Freundschaftsarbeit der Kirchen im September 1931 in Cambridge gewinnen konnte. Mit der Wahl zu einem von drei internationalen Jugendsekretären fand Bonhoeffer Zugang zum inneren Kreis des Weltbundes und zum Rat für Praktisches Christentum (Life and Work). Bonhoeffers pazifistisches Denken führte dazu, dass er trotz theologischer Vorbehalte in der 525 Vgl. a.a.O., S. 291–297, 300–310 und 340–348. 526 Vgl. DBW 10, S. 258f. und vgl. Bethge (2005), S. 232–246. Manfred Krissler betont, dass Bonhoeffers ursprüngliches Ziel nicht darin bestand, ökumenische Theologie zu betreiben, sondern in praktischer Weise aktiv zu werden. Die Notwendigkeit eines theologischen Fundaments sei Bonhoeffer erst im zweiten Schritt wichtig geworden. Vgl. Krissler, Manfred, Dietrich Bonhoeffer und die Ökumene, wie wir sie kennen und heute leben, in: Bonhoeffer Rundbrief. Mitteilungen der Internationalen Bonhoeffer-Gesellschaft Sektion Bundesrepublik Deutschland 89, 2009, S. 43ff.

Das Kirchenverständnis in Ökumene und Kirchenkampf

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ökumenischen Bewegung blieb und sich dort einbrachte. Seine Verbindungen zur Ökumene sollten im Kirchenkampf eine entscheidende Rolle spielen und die damit verbundenen Fragen wurden von Bonhoeffer immer wieder zusammenhängend ekklesiologisch durchdacht. Aus diesem Grund soll Bonhoeffers Kirchenverständnis in diesem Abschnitt im Kontext von Ökumene und Kirchenkampf beleuchtet werden. In biografischer Hinsicht werden vor allem die Jahre 1932–1935, in denen Bonhoeffer sich in Berlin und London aufhielt, berücksichtigt. Konrad Raiser nimmt im Anschluss an Jørgen Glenthøj eine Einteilung von Bonhoeffers ökumenischem Engagement in vier Hauptphasen vor, denen jeweils zentrale Texte zugeordnet werden. Die erste Phase beginnt mit der Anregung Diestels für das Studienjahr in den USA und der Teilnahme an der Tagung des Weltbundes in Cambridge 1931. Die zweite Phase wird eingeleitet durch Hitlers Machtübernahme 1933. Die dritte Phase ist bestimmt durch Bonhoeffers Übernahme des Finkenwalder Predigerseminars im Jahr 1935, in der er sich 1937 schließlich aus der ökumenischen Arbeit zurückzog. Die vierte und letzte Phase wird eingeleitet durch Bonhoeffers Verbindung zum Widerstand, für den er seine ökumenischen Kontakte weiter pflegte.527 Gegenstand dieses Abschnitts sind die beiden ersten Phasen von Bonhoeffers ökumenischem Wirken. Die von Glenthøj und Raiser in der dritten Phase verorteten Aufsätze ›Die Bekennende Kirche und die Ökumene‹ und ›Zur Frage nach der Kirchengemeinschaft‹ werden im Kontext von anderen Schriften aus Finkenwalde im Gliederungspunkt 4.8.3 behandelt. Da die vierte Phase einen Lebensabschnitt Bonhoeffers darstellt, in dem er gemeindepädagogisch wenig aktiv war, werden kleinere Schriften zum Kirchenverständnis528 zugunsten zentraler Gedanken seiner Theologie, wie sie in der ›Ethik‹ (siehe Gliederungspunkt 4.9) zum Ausdruck kommen, vernachlässigt. Aus der Vielzahl der von Bonhoeffer mit vorbereiteten und besuchten Konferenzen in den Jahren von 1932 bis zu seiner Rückkehr aus London 1935 soll hier nur eine Auswahl vorgestellt werden, die sein Kirchenverständnis auf ökumenischer Ebene und seine Positionierung in der Auseinandersetzung mit den Deutschen Christen, aber auch innerhalb der Bekennenden Kirche verdeutlichen. Die beiden noch vor der Machtergreifung Hitlers entstandenen Aufsätze ›Zur theologischen Begründung der Weltbundarbeit‹ und ›Was ist Kirche?‹ zeigen, wie sorgfältig sich Bonhoeffer um ein ekklesiologisches Fundament bemühte und wie sehr ihn die Frage nach dem Wort der Kirche an die Welt umtrieb. 527 Vgl. Raiser, Konrad, Bonhoeffer und die ökumenische Bewegung, in: Ökumenische Rundschau Nr. 2, Jg. 54/2005, S. 206–209 und vgl. Glenthøj, Jørgen, Bonhoeffer und die Ökumene, in: Die Mündige Welt 2, München 1956, S. 116–203. 528 Vgl. zum Beispiel die Vortragsskizze ›Theologie und Gemeinde‹, DBW 16, S. 493–598 und ›Theologisches Gutachten: Staat und Kirche‹, a.a.O., S. 506–535.

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›Zur theologischen Begründung der Weltbundarbeit‹ Auf der Internationalen Jugendfriedenskonferenz im slowakischen Ciernohorsk8 Kfflpele im Juli 1932 vertrat Bonhoeffer den erkrankten Diestel. Der vorliegende Vortrag529 ist vermutlich der jüngste aus Bonhoeffers ökumenischer Tätigkeit. Im Vortrag wird die Sorgfalt und Ernsthaftigkeit sichtbar, mit der Bonhoeffer die theologischen Fundamente der ökumenischen Arbeit wahrnahm und bearbeitete.530 Ausgangspunkt des Vortrages ist Bonhoeffers Verständnis der Theologie als »Selbstverständigung der Kirche über ihr eigenes Wesen auf Grund ihres Verständnisses der Offenbarung Gottes in Christus«531. Mit einem Wandel dieses Selbstverständnisses müsse zugleich eine neue Theologie hervorgebracht werden. Daran entscheide sich, ob es sich bei der ökumenischen Bewegung um die Kirche Christi oder lediglich eine kirchliche Zweckorganisation handle, da letztere auch ohne eine eigene Theologie auskäme. Bonhoeffer fordert nun, der bereits erkannten Ratlosigkeit zu begegnen, indem man die grundlegenden theologischen Linien von innen her erarbeite. Die Vollmacht der Kirche in der Verkündigung ihres Anspruchs Christi an die ganze Welt liegt darin begründet, dass die Kirche der gegenwärtige Christus ist. Ihr Wort hat Vollmacht, da es das Wort Christi ist. Der Inhalt dieses Wortes an die Welt, der Bonhoeffer bei der Verfassung seiner Ethik-Manuskripte noch beschäftigen sollte, ist das Evangelium und das Gebot Gottes.532 Das Wort der Kirche an die Welt bedarf der Kenntnis der Welt und der gegenwärtigen Lage und es muss das heute wahre Gebot konkret verkündigen. Damit ist die Kirche vor eine große Herausforderung gestellt, der sie im Wagnis begegnen sollte, entweder durch bewusstes Schweigen oder durch das Aussprechen des konkreten Gebotes. Dies geschieht im Bewusstsein, dass sie dabei Sünde auf sich laden kann, aber dass auch ihr die Sündenvergebung gilt. Die Erkenntnis über das Gebot Gottes empfängt die Kirche in einem Akt der Offenbarung. »Das Gebot kann nirgends anders herkommen, als wo die Verheißung und Erfüllung herkommt, von Christus.«533 Die Ordnungen der Welt sind nicht Schöpfungsordnungen, sondern Erhaltungsordnungen, die solange erhalten werden, wie sie offen für die Offenbarung Gottes bleiben. Auf diese Weise kann die Kirche über die Ordnungen der Welt ihr Urteil sprechen. Als heutiges Gebot Gottes habe der Weltbund die Ordnung des internationalen Friedens erkannt. Die Kirche als Kirche des

529 DBW 11, S. 327–347. 530 Vgl. auch Bonhoeffers Kritik an der Jugendkonferenz des Weltbundes in Epsom, DBW 11, S. 315f. 531 A.a.O., S. 328. 532 Vgl. DBW 6, S. 392–412 und vgl. DBW 11, S. 328–332. 533 A.a.O., S. 336.

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Evangeliums kommt im Weltbund zusammen und spricht das Gebot Gottes gegenüber der Christenheit und der Welt aus.534 ›Was ist Kirche?‹ Bonhoeffer leitet den Aufsatz535 mit der Frage nach dem Wesen der Kirche ein, dessen Doppelheit aus göttlicher und aus menschlicher Perspektive verstanden werden muss, wie er an verschiedenen Beispielen aufzeigt. Mit seinen Ausführungen über die Weltlichkeit und die Christlichkeit der Kirche wiederholt Bonhoeffer das Novum seiner Ekklesiologie aus der Vorlesung ›Das Wesen der Kirche‹. Sprach Bonhoeffer in ›Sanctorum Communio‹ lediglich vom Riss, der die empirische Kirche durchläuft und sie in die geschichtlichen Gegensätze sanctorum communio und Antichristen spaltet,536 so werden seine Äußerungen nun ein Stück weltbezogener und differenzierter : »Kirche ist ein Stück Welt, […] ja ewig verlorene, antichristliche Welt schlechthin, wenn sie aus der letzten Solidarität mit der bösen Welt heraustritt und sich gegen die Welt aufspielt, rühmt. Aber : Kirche ist ein Stück qualifizierte Welt, qualifiziert durch Gottes eigenes Eintreten in sie und für sie«537.

Hatte Bonhoeffer in der Vorlesung ›Das Wesen der Kirche‹ noch davon gesprochen, dass Kirche »ganz Welt«538 sei, so mag es jetzt verwundern, dass Bonhoeffer das Wesen der Kirche nun lediglich als »ein Stück Welt«539, bezeichnet, also einen gedanklichen Rückschritt vorzunehmen scheint. Bonhoeffers Fokus liegt allerdings nicht auf dem Grad der Verweltlichung der Kirche. Seine Absicht ist es nicht, die Welt und mit ihr die weltgewordene Kirche in den Abgrund zu stoßen, sondern an der Kirche als Ort der Gegenwart Gottes in der Welt festzuhalten. Die göttliche Berufung der Kirche ist der Grund, dass es in der Welt nur eine Kirche gibt. Das Wesen der Kirche charakterisiert Bonhoeffer darüber hinaus als Institution, die ihren Dienst in der Erhaltung von christlicher Frömmigkeit und christlicher Sitte versieht. Auch wenn sie keine ruhmvolle Institution darstellt, soll nicht vergessen werden, dass die Kirche ihr gottgegebenes Amt der Verkündigung ausübt. Die Doppelheit ihres Wesens zeigt Bonhoeffer auch an der Kirche als Gemeinschaft auf: Erscheint die Kirche aus menschlicher Sicht als eher uninteressante Vereinigung von Menschen, die meistens einer bestimmten Gesellschaftsschicht entstammen, so ist die Kirche aus göttlicher Sicht Gemeinschaft 534 535 536 537 538 539

Vgl. a.a.O., S. 332–343. DBW 12, S. 235–239. DBW 1, S. 193. DBW 12, S. 235f. DBW 11, S. 298. DBW 12, S. 235.

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der Heiligen. Die Doppelheit des kirchlichen Wesens darf nicht als ›ist‹ und ›soll‹ missverstanden werden, sondern nur als ›ist‹, das sich den menschlichen Reformbemühungen entzieht. Nur Gott unterliegt die Veränderung der Kirche. Die Kirche erfüllt ihren Auftrag in der Welt, indem sie dort das Evangelium verkündigt. Sie tut dies im Bewusstsein, dass ihre Botschaft als Ärgernis vernommen wird und dass sie sich an der Grenze der menschlichen Möglichkeiten befindet, an der sie auf die politischen Ordnungen verweist. Sie ruft auf zur Erkenntnis der eigenen endlichen Grenzen. Dies ist ihr erstes politisches Wort. Die Frage, ob die Kirche ein zweites politisches Wort sprechen dürfe, das als konkretes Gebot in politischen Fragen zu verstehen sei, ist strittig. Einerseits könne die Kirche mit dem zweiten politischen Wort ihr erstes politisches Wort gefährden, andererseits dürfe sie das konkrete Gebot nicht grundsätzlich ausschließen. Bonhoeffer ruft die Kirche auf, ihrer politischen Verantwortung nachzukommen und eine Entscheidung zu treffen.540 ›Die Kirche vor der Judenfrage‹ Bei den Kirchenwahlen innerhalb der Altpreussischen Union von 1932 konnten die Deutschen Christen als kirchenpolitischer Teil der NSDAP mehr als ein Drittel der Sitze erringen. 1933 hatten sich ihnen schon 20 % der evangelischen Pfarrer und ein noch größerer Teil von Laien angeschlossen. Die Auseinandersetzungen zwischen den evangelischen Landeskirchen und dem NS-Staat wurden von den Deutschen Christen nach der Machtergreifung Hitlers deutlich beeinflusst. Im April 1933 trat auf staatlicher Seite das ›Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums‹ – auch bekannt unter der Bezeichnung ›Arierparagraf‹ – in Kraft. Als der Arierparagraf auch auf die Geistlichen innerhalb der Landeskirchen angewandt werden sollte, erhob sich zunehmender Protest. Bonhoeffers Aufsatz ›Die Kirche vor der Judenfrage‹541 stellt die intensivste theologische Auseinandersetzung seiner Zeit mit der Forderung nach der Ausdehnung des Geltungsbereichs des Arierparagrafen auf die evangelische Kirche dar.542 Die sozialethischen Fragen, die die nationalsozialistische Ideologie und Gesetzgebung in Bezug auf die Behandlung der Juden – insbesondere durch den Arierparagrafen – aufwarfen, versuchte Bonhoeffer, vom Kirchenbegriff aus zu beantworten. In diesem Aufsatz finden sich grundlegende Thesen, die Bonhoeffer in ähnlicher Weise auch an anderen Stellen vertritt.543 Von ihrer reformatorischen Grundlage her betrachtet die Kirche den Staat als göttliche Erhaltungsordnung 540 Vgl. a.a.O., S. 235–239. 541 A.a.O., S. 349–358. 542 Vgl. Denzler, Georg/Fabricius, Volker, Christen und Nationalsozialisten. Darstellung und Dokumente. Mit einem Exkurs: Kirche im Sozialismus, Frankfurt am Main 1993, S. 40–49. 543 Vgl. z. B. DBW 12, S. 359–361 und 408–415.

Das Kirchenverständnis in Ökumene und Kirchenkampf

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in der Welt, in dessen Handeln sie nicht eingreift. Ihre Aufgabe besteht darin, den Staat auf die Rechtmäßigkeit seines moralischen Handelns zu befragen und ihm seine Verantwortlichkeit vor Augen zu führen. Sie achtet darauf, ob der Staat seiner gottgegebenen Aufgabe, der Erhaltung von Recht und Ordnung, nachkommt. Die Kirche weiß sich zum Reden gezwungen, wenn der Staat dieser Aufgabe nicht nachkommt, indem er etwa eine soziale Gruppe rechtlos macht oder die Kirche in ihrer Verkündigung behindert. Das kirchliche Handeln gegenüber dem Staat in einer solchen Situation besteht aus drei Möglichkeiten: Neben der Frage nach der Legitimität seines Handelns an den Staat weiß sie sich auch den Opfern des staatlichen Handelns verpflichtet. Die dritte Möglichkeit, ist im Gegensatz zu den vorhergegangenen freien Möglichkeiten, als unmittelbares politisches Handeln der Kirche zu sehen, da die Kirche in das Handeln des Staates eingreift, um diesen vor sich selbst zu schützen. In Bezug auf die Judenfrage sieht Bonhoeffer die ersten beiden Möglichkeiten als verpflichtend für die Kirche seiner Zeit an, das unmittelbare politische Handeln dürfe jedoch nur von einem evangelischen Konzil entschieden werden. Über das Handeln der Kirche an ihren eigenen Gliedern darf der Staat nicht verfügen. Die Juden in ihren eigenen Reihen darf die Kirche nicht ausschließen, sie würde sich dadurch ›judenchristlich‹ machen, indem sie die Zugehörigkeit zur Kirche an einem als göttliches Gesetz erkanntem Kriterium festmacht. Die heidenchristliche Kirche, die die Zugehörigkeit eines Menschen zur Kirche allein an dem gehörten Ruf Gottes im Wort Christi festmacht, muss sich dem Anspruch versagen, judenchristliche Kirche zu werden. Vielmehr zeigt sich Kirche daran, ob Juden und Christen unter dem Wort Gottes zusammenkommen können.544 ›Kirche und Völkerwelt‹ Nicht nur der Arierparagraf, sondern auch die Bestrebungen, eine Reichskirche einzurichten und das dazugehörige Amt des Reichsbischofs zu besetzen, sorgten für eine angespannte kirchenpolitische Situation. Das mit der neuen Kirchenverfassung einhergehende Reichsgesetz sah zudem kirchliche Neuwahlen vor, bei denen die Deutschen Christen mit staatlicher Hilfe und Repressalien über 70 % der Stimmen erzielten und so ihre Machtposition ausbauen konnten.545 In diesem Zeitraum erging durch Oberkonsistorialrat Heckel die Anfrage an Bonhoeffer, ein Auslandspfarramt in London anzunehmen, das Bonhoeffer vom Oktober desselben Jahres bis zum April 1935 versah. Bonhoeffer erhoffte sich einen Rückzug aus der konfliktbeladenen Situation in Deutschland, auch wenn er im Vorfeld noch offiziell ablehnte, die Sache der Deutschen Christen in 544 Vgl. a.a.O., S. 349–358. 545 Vgl. Denzler/Fabricius (1993), S. 42–47 und vgl. DBW 12, S. 99f. und 513.

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Stationen des Kirchenverständnisses von Bonhoeffer

London zu vertreten.546 Sein Rückzugsversuch mündete allerdings in einer intensiven Beteiligung von London aus an dem Geschehen in der Heimat, in dem Bonhoeffers Kirchenverständnis die theologische Grundlage für die zu treffenden Entscheidungen bildete. Und hier zeigt sich, dass Bonhoeffers Engagement in der Ökumene und sein Einsatz im Kirchenkampf nicht voneinander zu trennen sind. Gerade in London nutzte Bonhoeffer seine Kontakte in der Ökumene, um seine Position im Kirchenkampf deutlich zu machen. An Barth schrieb er : »Und dann hoffe ich ja auch, daß sich mir hier nun die Fragen der Ökumene wirklich klären werden. Denn diese Arbeit will ich hier weitertreiben. Vielleicht kann man auf diesem Wege der deutschen Kirche noch einmal wirklich in etwas beistehen.«547 Deshalb traf es Bonhoeffer besonders, dass die Ökumene sich schwertat, der kirchlichen Opposition in Deutschland beizustehen. Er ging soweit, das Kirchesein der Ökumene an ihrem Handeln festzumachen: »Wenn nicht die Ökumene das jetzt begreift und wenn da nicht ein paar ›Stürmer sind, die das Himmelreich an sich reißen‹ Matth. 11, 12, dann ist die Ökumene nicht mehr Kirche, sondern ein nichtsnutziger Verein, in dem schöne Reden gehalten werden.«548 Für die gemeinsame Arbeitstagung von Ökumenischem Rat und Weltbund 1934 im dänischen Fanø wurden Bonhoeffer im Vorfeld Leitfragen zu seinem Vortrag ›Kirche und Völkerwelt‹ zugesandt. Die Leitfragen befassen sich mit der Legitimation von Kirche, zu internationalen Problemen Stellung zu nehmen sowie den Mitteln, die sie dabei zur Verfügung hat. Es werden aber auch die Grenzen berücksichtigt, die der Kirche dabei gesetzt werden. Bonhoeffers eingereichte Thesen mit ihrer besonderen Beachtung des Kriegsproblems stießen zunächst auf Vorbehalte.549 Mit seinem Thesenpapier550 bezieht Bonhoeffer Stellung zur theologischen Grundlegung der Arbeit des Weltbundes. Zentral ist die Frage, ob sich der Weltbund als Kirche oder lediglich als Zweckverband versteht. Beiden möglichen Ausrichtungen legt er eine Definition zugrunde, die für das Verständnis von Kirche die Grundlage »im gehorsamen und gemeinsamen Hören und Verkündigen des Wortes Gottes«551 sieht. Der Zweckverband unterscheidet sich dadurch von einem bloßen Streben nach der Verwirklichung verschiedener Zwecke und Zuständigkeiten, der im Gegensatz zur Kirche über keine Vollmacht verfügt. Ziel der Weltbundarbeit stellt der Einsatz für den Frieden unter den Völkern dar. Bonhoeffers Thesen greifen die Argumente, die den Krieg recht546 547 548 549 550 551

Vgl. a.a.O., S. 101ff., 145ff. und vgl. DBW 13, S. 12ff. DBW 13, S. 14f. A.a.O., S. 120. Vgl. a.a.O., S. 151 und 184. DBW 13, S. 295–305. A.a.O., S. 295.

›Nachfolge‹

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fertigen, und die entgegengebrachten Argumente des säkularen Pazifismus auf. Beiden Seiten bringt Bonhoeffer eine kirchliche Antwort entgegen. Die Rede auf der Fanø-Konferenz leitet Bonhoeffer mit einem Zitat aus Ps 85, 9 und einer Situationsanalyse ein, die die ökumenische Christenheit im Spannungsfeld von Nationalismus und Internationalismus verortet. Den Auftrag des Weltbundes sieht er darin, den Frieden als Gebot Gottes an die Völker auszurichten. Den Ruf zum Frieden begründet Bonhoeffer christologisch und ekklesiologisch. Christus ist die Kirche in der Welt, um derentwillen die Welt noch erhalten bleibt. In der Kirche geschieht die Verbindung zwischen Menschen über soziale und nationale Schranken hinweg. Wenn die Glieder der Kirche ihre Waffen aufeinander richten, dann werden ihre Waffen auch auf Christus gerichtet Dieser Gedanke ist die pazifistische Weiterführung der Theologie aus ›Sanctorum Communio‹. Der Friede kann nur als Wagnis im Gehorsam und Glauben erreicht werden. Ein einzelner Christ oder eine einzelne Kirche können den Ruf zum Frieden erheben, ihre Stimme könnte aber von den Mächten der Welt übergangen werden. Lediglich einem großen ökumenischen Konzil gesteht Bonhoeffer die Autorität zu, mit der die Welt den Ruf zum Frieden vernehmen kann. Mit der Fanø-Konferenz sieht Bonhoeffer das ökumenische Konzil als versammelt an und fordert dieses auf, nicht ängstlich zu zögern, sondern mutig zur Welt zu reden.552

4.7

›Nachfolge‹

Eine erste Erwähnung von Bonhoeffers ›Nachfolge‹ findet sich bereits 1934 in einem von London aus geschriebenen Brief an Erwin Sutz, in dem Bonhoeffer das Schicksal der Kirche mit der Bergpredigt in Zusammenhang bringt.553 Auch in einem Brief an seinen Bruder Karl-Friedrich wird diese Verbindung sichtbar : »Die Restauration der Kirche kommt gewiß aus einer Art neuen Mönchtums, das mit dem alten nur die Kompromißlosigkeit eines Lebens nach der Bergpredigt in der Nachfolge Christi gemein hat. Ich glaube es ist an der Zeit, hierfür die Menschen zu sammeln.«554

Die ›Nachfolge‹ ist nicht als reine Exegese der Bergpredigt zu verstehen, sondern ist dem Kontext des Kirchenkampfes entwachsen und weist Bezüge dazu auf. Die gedanklichen Anfänge zur ›Nachfolge‹ nehmen in der Theologenausbildung der Bekennenden Kirche in Finkenwalde, die Bonhoeffer nach seinem Weggang aus London im April 1935 begann, Gestalt an. Die ›Nachfolge‹ wurde zunächst als 552 Vgl. a.a.O., S. 298–301. 553 Vgl. a.a.O., S. 128f. 554 A.a.O., S. 273.

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Stationen des Kirchenverständnisses von Bonhoeffer

Vorlesung in den Jahren 1935–1936 auf dem Zingsthof, später in Finkenwalde und ein Semester lang parallel auch an der Berliner Universität gehalten. Die Umarbeitung zu einem Buchmanuskript fand wohl erst Mitte des Jahres 1936 statt, das Buch konnte gegen Ende des folgenden Jahres veröffentlicht werden.555 Aufgrund dieses zeitlich umfassenderen Entstehungs- und Umarbeitungsprozesses soll Bonhoeffers Kirchenverständnis in der ›Nachfolge‹ separat behandelt werden, statt im Kontext der Finkenwalder Vorlesungen (siehe Gliederungspunkt 4.8.2). In einem Bericht der pommerschen Kandidaten findet sich eine prägnante Definition von Bonhoeffers Nachfolgeverständnis: »Die Nachfolge ist die inhaltlich in keiner Weise zu umreißende unbedingte und alleinige Bindung an Jesus Christus und damit an das Kreuz. Der Ort, an die Kirche gerufen ist, ist das Kreuz, die Form, in der die Kirche allein existieren kann, ist die Nachfolge.«556

Die Kirche ist ein zentrales Thema der ›Nachfolge‹, ihr hat Bonhoeffer den zweiten und letzten Hauptabschnitt des Buches gewidmet. Das erste Kapitel leitet Bonhoeffer ein, indem er den Todfeind der Kirche, die billige Gnade, benennt. Er definiert diese als »Rechtfertigung der Sünde und nicht des Sünders.«557 Wenn die Kirche sich diese Gnadenlehre zu eigen macht, gesteht sie der Welt um sie herum eine Bedeckung ihrer Sünde ohne Reue und Lebensänderung zu. Bonhoeffer stellt die Zuwendung zur billigen Gnade mit der Leugnung des Wortes Gottes gleich. Das Leben von der billigen Gnade hat unmittelbare Folgen für die Sakramente der Gemeinde: Die Predigt kündigt dann von der Vergebung, ohne zur Buße aufzufordern, die Taufe geschieht dann ohne Gemeindezucht und das Abendmahl wird ohne Sündenbekenntnis und Absolution eingenommen. Als zu erreichendes Gegenstück sieht Bonhoeffer die Lehre von der teuren Gnade. Sie verdammt die Sünde, sie kostet nicht nur das menschliche Leben, wenn Menschen in die Nachfolge gerufen werden, sondern sie kostete auch das Leben Jesu Christi. Die teure Gnade muss hoch geschätzt und darf nicht an die Welt verschleudert werden. In der teuren Gnade spricht Gott sein lebendiges Wort. Als Ursache des Verlustes der teuren Gnade und der Hinwendung zur billigen Gnadenlehre sieht Bonhoeffer die Verweltlichung der Kirche im Zuge der Ausbreitung des Christentums. Lediglich im Mönchtum, das aber nur einen untergeordneten Teil des kirchlichen Lebens ausmacht, wurde die Ausrichtung an der teuren Gnade, wenn auch zum Verhängnis der Kirche, bis zu Luther lebendig gehalten. Indem Luthers Lehre von der Rechtfertigung des Sünders – von Luther als Abschluss seiner Gnadenlehre beabsichtigt – zur Voraussetzung 555 Vgl. DBW 4, S. 10–13. 556 DBW 14, S. 71. 557 DBW 4, S. 29.

›Nachfolge‹

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einer Gnadenlehre gemacht wurde, verbreitete sich die billige Gnade auf Kosten der Nachfolge und bescherte als Konsequenz den Niedergang der organisierten Kirchen.558 Die Kirche seiner Zeit bezeichnet Bonhoeffer als »rechtgläubige Kirche der reinen Lehre von der Gnade«, aber nicht mehr als »nachfolgende Kirche«559. Der erste Schritt in die Nachfolge beinhaltet eine grundsätzliche Veränderung der eigenen Existenzweise. Dieser erste Schritt darf sich aber nicht als reines Werk zur Erlangung einer gesetzlichen Gerechtigkeit verstehen. Er muss auf das Wort Jesu und dem Gehorsam ihm gegenüber ausgerichtet sein. Ausgehend von Mt 5, 13–16 entwickelt Bonhoeffer Kriterien einer sichtbaren Gemeinde. Die Jesu-Worte vom Salz und Licht der Welt deutet Bonhoeffer als Zuspruch ihrer Wirksamkeit, nicht als noch anzustrebendes Ziel. Die sichtbare Gemeinde besteht aus dem Sein und Tun der Nachfolgenden. Flieht die Gemeinde in die Unsichtbarkeit, gibt sie auch die Nachfolge auf. Stattdessen sollen die guten Werke der Gemeinde im Licht des Kreuzes sichtbar werden und dadurch soll Gott gepriesen werden. Für die Heiden sichtbar sind das Kreuz und die Kreuzgemeinde.560 Dass die ›Nachfolge‹ auf die ekklesiologischen Grundlagen von ›Sanctorum Communio‹ zurückgreift, wird wiederholt sichtbar an ähnlichen Argumentationen oder der Verwendung bestimmter Begriffe aus Bonhoeffers Erstlingswerk. Die Kreuzgemeinde ist ein Beispiel dafür. Der Begriff wurde von Bonhoeffer in ›Sanctorum Communio‹ eingeführt als Begriff für die Gemeinde Jesu, die an seinem Kreuz die äußerste Einsamkeit, aber auch die innigste Gemeinschaft erfährt. Dieser Begriff wird nun um den Aspekt der Nachfolge erweitert.561 Die Gemeinde zeichnet die am Kreuz erwiesene Liebe Jesu Christi aus. Ihr Tun in der Nachfolge Christi wird sichtbar im einfachen Gehorsam gegenüber Christi Willen und bewährt sich in der Teilhabe an Christi Leiden.562 Die Gemeinde der Nachfolger Christi ist nicht durch ihren eigenen Willen, sondern durch ihren Ruf in die Nachfolge getrennt von den Menschen um sie herum. Aber auch innerhalb der Gemeinde Christi wird eine Scheidung vollzogen. Inmitten ihrer Schar befinden sich Menschen, die sich vom Teufel und eigenen Wünschen in die Gemeinde haben treiben lassen. Um dem gegenseitigen Misstrauen in der Gemeinde vorzubeugen, wer wohl zu dieser Gruppe gehören mag, verweist Bonhoeffer auf Jesu Worte über die Zeit des Fruchttragens

558 559 560 561 562

Vgl. a.a.O., S. 30–40. A.a.O., S. 42. Vgl. a.a.O., S. 55 und 110–115. Siehe Gliederungspunkt 4.3 und vgl. DBW 1, S. 95f. Vgl. DBW 4, S. 147ff.

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Stationen des Kirchenverständnisses von Bonhoeffer

als Zeit der Entlarvung.563 Die Scheidung innerhalb der Gemeinde wird durch das Wort Jesu vollzogen. Gleichzeitig ist es auch sein Wort des Erkennens, das den Menschen innerhalb der Gemeinde bleiben lässt. Der Ruf Jesu wird damit zum Beginn und zum Ende der Nachfolge. Die Kirche ist Mittelpunkt des letzten Teils der ›Nachfolge‹. Sie ist der Ort, an dem Christi Ruf zur Nachfolge ergeht. Der Ruf ereignet sich in ihrem Wort und ihren Sakramenten, da Christus darin gegenwärtig ist. Der einzelne Mensch benötigt keine persönliche Offenbarung, die ihn auffordert, in die Nachfolge zu treten, er muss sich lediglich auf den Weg zur Kirche machen, wo er zum Hörer der Predigt und Empfänger des Sakramentes wird. Die Sakramente sind im Leib Christi begründet. Die Taufe geschieht nicht als Angebot des Menschen, sondern als Angebot Christi. Der Getaufte wird dem Einflussbereich Satans entrissen und gehört nun zu Christus, so wird zugleich Gemeinde neu gebildet. Dieser Schritt zu Christus und in die Gemeinde hinein geschieht in sichtbarer und öffentlicher Form. Der Nachfolgende tritt einen Schritt aus seinem bisherigen Leben heraus. Was er hinter sich lässt, wird ihm wieder in der Gemeinde zuteil.564 Die Taufe kann nur in einer lebendigen Gemeinde erteilt werden, denn »die erinnernde Wiederholung des Glaubens an die ein für allemal vollbrachte Heilstat [muss] gewährleistet werden«565. Die Nachfolgenden haben nicht nur an der Lehre Christi teil, sondern sie werden durch ihr Leben und Leiden auch Teil seines Leibes. Tritt der Nachfolgende mit der Taufe in den Leib Christi ein, so erhält er die Gemeinschaft mit dem Leib, das heißt mit Christus und der Gemeinde, durch das Abendmahl. Implizit legt Bonhoeffer hier seine These ›Christus als Gemeinde existierend‹ aus ›Sanctorum Communio‹ zugrunde.566 Die Kirche hat den Raum Christi nach dessen Himmelfahrt eingenommen und ist zum gegenwärtigen Christus geworden. Die Kirche hat damit nicht einen ausschließlich institutionellen Charakter, sondern auch einen personalen. Die Kirche ist der neue Mensch, sie ist ein Ganzes, der Mensch außerhalb der Kirche ist dagegen zerrissen. Als neuer Mensch tritt sie an die Stelle des gefallenen Adams und ist Ebenbild Gottes. Die Wesensmerkmale der Kirche sind Einheit, Vielheit und ihre Glieder leben in Gemeinschaft zusammen. Die Einheit zwischen Christus und Kirche ist allerdings keine gleichrangige, sondern Christus ist Haupt und Herr seines Leibes.567 563 In ›Sanctorum Communio‹ argumentierte Bonhoeffer bereits ähnlich, siehe Gliederungspunkt 4.3 und vgl. DBW 1, S. 149. 564 Vgl. DBW 4, S. 183–189 und 215–224. 565 A.a.O., S. 225f. 566 Vgl. zum Beispiel DBW 1, S. 76. 567 In ähnlicher Form hatte Bonhoeffer auch in ›Sanctorum Communio‹ eine Unterscheidung von drei Formen der Aktualisierung der Kirche vorgenommen, vgl. DBW 1, S. 103, 106 und 128 und vgl. DBW 4, S. 234, Anmerkung 7.

›Nachfolge‹

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Jedes Glied am Leib bleibt beständig, es kann nur von der dienenden Gemeinschaft der Glieder als Leib her verstanden werden. Der Heilige Geist führt den einzelnen Menschen Christus zu, erbaut dadurch die Gemeinde und bewirkt die Gemeinschaft.568 Die Kirche nimmt Anteil sowohl an der Verklärung als auch am Leiden Christi, das trotz seines stellvertretenden Leidens noch nicht abgeschlossen ist. Dabei leidet der Einzelne nach dem Prinzip der Stellvertretung für die Gemeinde, wie auch Christus stellvertretend gelitten hat.569 Christus möchte in den Gliedern seiner Gemeinde Gestalt annehmen. Mit seiner Menschwerdung auf der Erde hat Christus bereits Raum angenommen, dies verweist auf die Sichtbarkeit seines Leibes. Seine menschliche Gestalt ist sichtbar, seine göttliche Gestalt ist Gegenstand des Glaubens. Der menschgewordene Christus benötigt Menschen, die ihm nachfolgen, mit denen er eine sichtbare Gemeinschaft pflegt. Auch nach seiner Auferstehung ist der Leib Christi als Gemeinde sichtbar. Die Sichtbarkeit des Leibes geschieht im Wort und Sakrament der Kirche. Das Wort Gottes sucht sich einen Weg von selbst in die Gemeinde, der Prediger ist aufgefordert, diesem Wort zu dienen und seinen Weg nicht zu verstellen. Der Heilige Geist bewirkt in den Hörern den Glauben an die Gegenwart Christi in der Predigt. In der Predigt wird die Gemeinde angenommen. Sie erfährt täglich darin die Gewissheit ihrer Annahme. Mit der Predigt geht die Sichtbarkeit in Taufe und Abendmahl einher. Sowohl in der Taufe als auch im Abendmahl wird der Tod Christi als Gabe für die Gemeinde verkündigt. Beide Sakramente gehen über die Bedeutung der Sündenvergebung hinaus, da sie die Zugehörigkeit zum Leib Christi bewirken.570 Von daher sind die beiden Sakramente an kein Amt gebunden, sondern sie gehören der Gemeinde. »So ist die christliche Gemeinde im eigentlichen Sinn Tauf- und Abendmahlsgemeinde, und erst von hier aus Predigtgemeinde.«571 Von der Ordnung des Leibes nach paulinischer Lehre leitet Bonhoeffer die Gemeindeordnung ab. Sie ist göttlicher Herkunft und nicht zur Herrschaft, 568 A.a.O., S. 234f. 569 Vgl. a.a.O., S. 229–236. Der Begriff ›Stellvertretung‹ wurde von Bonhoeffer bereits in ›Sanctorum Communio‹ eingeführt, vgl. Gliederungspunkt 4.3 und DBW 1, S. 92–95, 99f. und 121f. Auch in ›Sanctorum Communio‹ findet sich sowohl die Unterscheidung von der Stellvertretung Christi für die Menschheit als auch von der Stellvertretung eines Gemeindeglieds für das Andere, was mit dem Gedanken des Leidens verknüpft ist. 570 Vgl. DBW 4 Bonhoeffer (2002), S. 241–244. 571 A.a.O., S. 245. In ›Sanctorum Communio‹ traf Bonhoeffer unter dem Gesichtspunkt der soziologischen Bedeutung der jeweiligen Amtshandlungen bereits dieselbe Unterscheidung. Vgl. DBW 1, S. 163–168. Da das Wort für Bonhoeffer als Wort der Kirche, das sich auch an die Welt richtet, inzwischen einen besonderen Stellenwert erhalten hat (siehe hierzu Gliederungspunkt 4.6), nimmt er nun eine andere Gruppierung der Gemeindestrukturen vor. In inhaltlicher Hinsicht bleibt dies allerdings ohne Konsequenzen.

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Stationen des Kirchenverständnisses von Bonhoeffer

sondern zum Dienst füreinander ausgerichtet. Die Ämter stehen im Dienst an der Gemeinde und sie werden durch die Gemeinde gestaltet. Wird diese Freiheit der Gemeinde von außen angetastet, »so ist damit die sichtbare Gestalt des Leibes Christi selbst angetastet.«572. Besondere Sorge ist für die Austeilung von Wort und Sakramente zu tragen, welche nicht verfälscht werden darf. In ihrer Vielfalt darf die Verkündigung nicht zur Irrlehre werden. Wird eine Irrlehre deutlich, so sind ihre Verkündiger aus der christlichen Gemeinschaft auszustoßen.573 Die Gestalt der Gemeinde ist noch nicht eindeutig festgelegt, sie fordert vielmehr weiteren Raum in der Welt. Diese Forderung untermauert Bonhoeffer mit dem Begriff ›Lebensraum‹ als Raum auf Erden, den »die Gemeinde nicht nur für ihren Gottesdienst und ihre Ordnung, sondern auch für das tägliche Leben ihrer Glieder […] beansprucht.«574 Die besondere Hervorhebung im Text lässt die Anspielung auf den nationalsozialistisch verbreiteten Gebrauch des Begriffs erahnen, den Bonhoeffer nun ekklesiologisch besetzt und stattdessen selbst Anspruch erhebt gegen die Bedrängung der Kirche seiner Zeit. Die Gemeinschaft der Glieder im Leib Christi verortet Bonhoeffer im Anschluss an Apg 2, 42ff. und 4, 32ff. zwischen dem Wort und dem gemeinsamen Abendmahl. »Alle christliche Gemeinschaft lebt zwischen Wort und Sakrament, sie entspringt und sie endet im Gottesdienst. Sie wartet auf das letzte Abendmahl mit dem Herren im Reiche Gottes. Eine Gemeinschaft, die solchen Ursprung und solches Ziel hat, ist völlige Gemeinschaft, in der auch die Dinge und die Güter des Lebens sich einordnen.«575

Das Leben der Gemeinde als Leib kann nicht vom Leben einzelnen Glieder getrennt werden. Alle Lebensbereiche vollziehen sich in der Präsenz des Leibes. Jeder Christ hat durch seine Taufe Anteil am Leben des Leibes. Bonhoeffer warnt davor, die Gemeinschaft auf die reine Gottesdienstteilnahme zu reduzieren. Vielmehr sollen den getauften Brüdern neben den ewigen Gaben auch irdische Gaben zuerkannt werden. Jedes Glied der Gemeinde behält durch die Taufe seinen Stand zwar bei, aber das gemeinsame Leben verändert sich: Dem Rangniederen der Welt wird in der Gemeinde gedient und dem Verachteten in der Welt wird in der Gemeinde Liebe und Aufmerksamkeit zuteilwerden. Im Dienst am Bruder gibt das einzelne Glied der Gemeinde die Gemeinschaft mit der Welt auf.576 Die Glieder der Gemeinde sind dem Machtbereich der Welt entrissen. Sie sind zu einem Leib geworden und bilden als Kirche einen eigenen Herrschaftsbe572 573 574 575 576

DBW 4, S. 246. Vgl. a.a.O., S. 246f. A.a.O., S. 248. A.a.O., S. 249. Vgl. a.a.O., S. 248–253.

›Nachfolge‹

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reich. Die Gemeinde ist heilig und durch Gott abgesondert. Die Hineinführung des Einzelnen aus der Welt in die Gemeinde geschieht in der Rechtfertigung, die Sünder und Sünde trennt. Mit dem Tod Christi wurde die Trennung des Sünders von der Sünde vollzogen und er gehört nun in die Gemeinde der Heiligen. Rechtfertigung und Taufe sind einmalige Geschehen, die im Gedächtnis wiederholt erinnert werden. Während diese in die Vergangenheit gerichtet sind, ist die Heiligung des Menschen auf die Gegenwart und die Zukunft gerichtet. Die Heiligung erfolgt nur innerhalb der Gemeinde und zeigt sich in dreifacher Hinsicht. Zuerst wird sie als Absonderung von der Welt erkennbar, dann als Bewährung im Lebenswandel und schließlich im Warten auf die Wiederkunft Christi. Die Kirche ist zwar abgesondert von der Welt, hat aber immer noch einen Teil der Welt in sich. Aus diesem Grund ist der Wandel der Gläubigen bedeutsam, der sich dem Evangelium würdig erweisen soll. »Die Gemeinde der Heiligen ist nicht die ›ideale‹ Gemeinde der Sündlosen und Vollkommenen. Es ist nicht die Gemeinde der Reinen, die dem Sünder keinen Raum zur Buße mehr gibt. Sie ist vielmehr gerade die Gemeinde, die sich des Evangeliums von der Sündenvergebung würdig erweist«577.

Die Vergebung Jesu gewinnt Raum, wenn die Glieder der Gemeinde einander vergeben. Die Predigt der Vergebung erfordert gleichfalls die Predigt der Buße. Sünde muss benannt werden, will sie nicht aus teurer Gnade billige Gnade machen. Die Trennung der Gemeinde von der Welt geschieht in der Heiligung, die Trennung von der Welt in der Gemeinde geschieht in der Gemeindezucht. Die Gemeindezucht dient der Erhaltung der Gemeinde, sie bewahrt den Sünder vor dem Verlust seines Heils und lässt ihn an der Tauf- und Abendmahlsgnade Anteil haben. Gewissheit über die Vergebung seiner Sünden und Empfang der teuren Gnade Gottes empfängt der Sünder in der Beichte. Gemeindezucht vollzieht sich in einer barmherzigen Intention in mehreren Schritten. Sie beginnt in der Verkündigung des Wortes und wird gefolgt von der Ermahnung der Gemeindeglieder untereinander. Bleibt dieser Schritt erfolglos, muss sich die Gemeinde von dem in Sünde lebenden Gemeindeglied trennen. Dabei soll keine absolute Loslösung, die vielleicht zeitweise notwendig sein kann, erfolgen. Gemeindezucht geschieht im pädagogischen Sinne. Ziel der Gemeindezucht ist die Versöhnung und Buße sowie das Bestehen der Gemeindeglieder bis zum Tage Christi.578

577 A.a.O., S. 285. 578 Vgl. a.a.O., S. 269–291ff.

180

4.8

Stationen des Kirchenverständnisses von Bonhoeffer

Das Kirchenverständnis in weiteren Schriften der Theologenausbildung

4.8.1 Vorbemerkung Bonhoeffers Verständnis von Kirche in der Zeit der illegalen Theologenausbildung 1935–1940 zeigt sich unter verschiedenen Gesichtspunkten. Die Herausgeber des DBW-Bandes 14 sehen die theologische Mitte der Kandidatenausbildung in der ›Nachfolge und beschreiben die Ausbildung als »Hören auf den Ruf, der aus falschen Bindungen löst und hineinführt in die Gemeinschaft des Leibes Jesu Christi, der Kirche«.579 Diese theologische Mitte lässt sich mit einer persönlichen Veränderung Bonhoeffers in Zusammenhang bringen. Die Veränderung wird sowohl sichtbar in seiner Einstellung zur Bibel als auch in seiner Haltung der Kirche gegenüber. In einem Brief an die befreundete Theologin Elisabeth Zinn bringt er zum Ausdruck: »Ich war bei aller Verlassenheit ganz froh an mir selbst. Daraus hat mich die Bibel befreit und insbesondere die Bergpredigt. […] Das war eine große Befreiung. Da wurde es mir klar, daß das Leben eines Dieners Jesu Christi der Kirche gehören muß und Schritt für Schritt wurde es mir deutlicher, wie weit das so sein muß. Dann kam die Not von 1933. Das hat mich darin bestärkt. Ich fand nun auch Menschen, die dieses Ziel mit mir ins Auge faßten. Es lag mir nun vor allem an der Erneuerung der Kirche und des Pfarrerstandes.«580

Die kirchliche Erneuerung sah Bonhoeffer durch den eingeschlagenen Weg der Reichskirche gefährdet. In einem Brief an Leonard Hodgson, den Generalsekretär von ›Faith and Order‹, unterschied Bonhoeffer die Stellung der Bekennenden Kirche zu anderen christlichen Kirchen von der Haltung zur Reichskirche, die er als eine Kirche ansah, von der bewiesen ist, »that this church does no longer serve Christ but that it serves the Antichrist.«581 Da sich die Reichskirche durch das Handeln ihrer führenden Mitglieder von der christlichen Kirche trennte, verlangte Bonhoeffer ein Urteil und das Handeln der Ökumene.582 Die Spannungen des Kirchenkampfes wie auch die Spannungen innerhalb der Bekennenden Kirche waren für die Angehörigen des Finkenwalder Predigerseminars – sowohl während als auch nach ihrer Zeit in Finkenwalde – voll zu spüren. Die Rundbriefe wurden zu einem besonderen Instrument, um sowohl am gegenseitigen Ergehen teilzuhaben als auch Stellung in kirchlichen Fragen zu 579 580 581 582

DBW 14, S. 1. A.a.O., S. 113. A.a.O., S. 54. Vgl. a.a.O., S. 55f.

Das Kirchenverständnis in weiteren Schriften der Theologenausbildung

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beziehen. Auch die Lehrveranstaltungen am Seminar sind in ihrer ekklesiologischen Bedeutung nicht zu unterschätzen.583 In jedem Kurs behandelte Bonhoeffer in dogmatischen oder neutestamentlichen Vorlesungen ekklesiologische Fragen. Diese wurden immer wieder auch an den Bekenntnissen erarbeitet. In Aussprachen wurden die jeweiligen Diskussionen aufgenommen und weitergeführt.584 Daneben nahm Bonhoeffer in verschiedenen Aufsätzen und Vorträgen zu den kirchlichen Vorgängen Stellung. Im Folgenden sollen die wesentlichen ekklesiologischen Gedanken dieser Dokumente erarbeitet werden. Dabei gilt, wie schon im Gliederungspunkt 3.7.2 angesprochen, dass die Finkenwalder Vorlesungen nur noch aus den Mitschriften der Kursteilnehmer rekonstruiert werden können, da Bonhoeffers Manuskripte nahezu alle verloren gingen.585 Die Vorträge und Aufsätze wurden in einen separaten Gliederungspunkt aufgenommen, da sie im Gegensatz zu den Vorlesungen vollständig von Bonhoeffers Hand vorliegen und seine Worte präziser und unmissverständlicher wiedergeben. Da sich in vielen Vorträgen und Aufsätzen Gedanken Bonhoeffers zur Kirche finden, muss eine Auswahl der zu betrachtenden Texte vorgenommen werden. Kriterium für die Berücksichtigung ist die wesentliche Behandlung von ekklesiologischen Gedanken, die nicht erschöpfend an anderer Stelle betrachtet werden. Die vorgestellten Dokumente der beiden Gliederungspunkte sind in sich chronologisch geordnet.

4.8.2 Vorlesungen Vorlesung über Kirchenverfassung Die Aufnahme der Vorlesung über Kirchenverfassung586 im Sommer 1935 sollte den Kandidaten zu einem tieferen Verständnis der wichtigsten Artikel lutherischer Bekenntnisschriften verhelfen. Keiner Vorlesung in diesem Kurs widmete Bonhoeffer so viele Stunden. Trotz des zeitlichen Umfangs der Vorlesung sind die Notizen der Mitschreiber sehr lückenhaft, weshalb nur wenige Teile der Vorlesung verwertbar sind.587 Bethge berichtet, wie spannungsgeladen er die Vorlesung empfunden habe, da Bonhoeffer sich nicht auf eine rein kirchen583 Die Herausgeber von DBW 14 stellen dazu fest: »Die scheinbare theologische Engführung in jenen Jahren [1935–1937] war nichts anderes als eine entschlossene Konzentration auf zentrale Wahrheiten des Evangeliums. Solche Konzentration erwies sich als notwendig für die fällige Erneuerung der Kirche.«, a.a.O., S. 23. 584 Vgl. DBW Ergänzungsband Bonhoeffer, Dietrich u. a., Die Finkenwalder Rundbriefe. Briefe und Texte von Dietrich Bonhoeffer und seinen Predigerseminaristen 1935–1946, hg. von: Ilse Tödt, DBW Ergänzungsband, Gütersloh 2013, S. 41f. 585 Vgl. DBW 14, S. 27f. und 70. 586 A.a.O., S. 307–316. 587 Vgl. a.a.O., S. 25f.

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Stationen des Kirchenverständnisses von Bonhoeffer

kundliche Darbietung des Stoffes beschränkte, sondern tagesaktuell auf die ekklesiologischen Kontroversen mit den Deutschen Christen Bezug nahm.588 Die Anordnung der Dokumente zu dieser Vorlesung in DBW 14 beginnt mit einem Vorbereitungsmanuskript Bonhoeffers zum Thema Konfession. Er zeigt zunächst verschiedene Positionen und Aspekte des Konfessionsbegriffs auf, darunter die römisch-katholische Position des konfessionellen Risses, nach der es keine Konfessionen neben der einen wahren Kirche gebe. Der ökumenische Ansatz gehe dagegen von verschiedenen miteinander verbundenen Konfessionen aus. Diese seien vergleichbar mit dem Bild eines Baumes, dessen Äste die einzelnen Konfessionen darstellten. Ein anderes Verständnis liegt dem amerikanischen Modell zugrunde, das keine Konfessionen mehr vorsehe. Nach dieser Position gibt es lediglich Denominationen, deren Bekenntnisbindung eine untergeordnete Rolle spielt. Aus systematischer Perspektive ist die Konfession als Bekenntnis zu verstehen, in dem die Gemeinde ihre erkannte Wahrheit ausspricht und sich gegen Irrlehre abgrenzt. Den aufgezeigten Positionen ist gemein, dass sie unerwünschte Folgen haben und im kirchlichen Kampf nicht zusammen denkbar sind. Das sichtbare Zeichen der Ökumenizität, in der die Vertreter aller drei Positionen sich zusammenfinden, ist die Buße vor Gott und die gegenseitige Anerkennung der Taufe. Die Unterschiede in der Lehre kennzeichnet Bonhoeffer als schul- und als kirchenbildende Gegensätze, die verschiedene Konsequenzen haben. Eine Kirchenspaltung tritt dann ein, wenn eine gemeinsame Front gegen eine bestimmte Lehre innerhalb der Kirche nicht mehr erreicht werden kann, also ein kirchenbildender Gegensatz besteht und den status confessionis hervorruft. Eine Kirchenwiedervereinigung ist dann denkbar, wenn eine gemeinsame Front gegen Irrlehren möglich ist, ohne wesentliche Elemente des konfessionellen Wahrheitsbewusstseins zu verletzen. In diesem Fall spricht Bonhoeffer von einem schulbildenden Gegensatz.589 Der Vorlesungsteil zum Verhältnis von Amt und Gemeinde liegt als Mitschrift Bethges vor, die ergänzt wird durch Ausführungen von Joachim Kanitz.590 Das Verhältnis von Amt und Gemeinde wird von Bonhoeffer unter dem Gesichtspunkt der Vorrangigkeit bzw. ihres Ursprungs entfaltet. Daraus ergeben sich zwei gegensätzliche Thesen: Nach der ersten These wurde das Amt von Christus 588 Der Position der Deutschen Christen, dass das Wesen der Kirche unabhängig von Verfassungsfragen sei, begegnete Bonhoeffer beispielsweise mit folgender These: »Verfassung kommt aus der Inkarnation Christi. Wenn Recht nicht zum Wesen der Kirche gehört, ist es in der Tat disponibel, und die Kirche kann dann beliebig nationalsozialistischen Herrschaftsformen unterworfen, das heißt zerstört werden. Hängen aber die Gestalt der Kirche, ihr Recht und ihre Verfassung mit der Inkarnation Christi zusammen, dann werden diese in jedem Stück wichtig und müssen bei einer Gefährdung der Kirche von außen zu einer Sache des Bekenntnisses werden.«, a.a.O., S. 25. 589 Vgl. a.a.O., S. 307ff. 590 Vgl. a.a.O., S. 310, Anmerkung 20.

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eingesetzt, aus diesem entspringt die Gemeinde. Die Gegenthese betont die Vorrangigkeit der Gemeinde, da diese das Amt setze. Die erste These beleuchtet Bonhoeffer aus römisch-katholischer und lutherisch-hochkirchlicher Perspektive. Während im römischen Katholizismus die Kontinuität des Amtes durch apostolische Sukzession in der Geschichte als gegeben angesehen werde, betone Vilmar als Vertreter des hochkirchlichen Luthertums, dass sich das Amt von Christus herleite und über rechte Amtsträger weitergegeben werde. Die Wirksamkeit der Gnadenmittel an das Amt zu knüpfen, lasse sich nach Bonhoeffer nicht mit dem alttestamentlichen Amtsverständnis bekräftigen und führe zu einem Fehlschluss. Die zweite These entwickelt Bonhoeffer aus der reformierten Tradition unter Berücksichtigung der Lehre der Ämter von Pastoren, Lehrer und Diakonen, die als gleichberechtigt und nebeneinanderstehend anzusehen sind. Aber auch diese Position lasse einen Fehlschluss erkennen. Das Verhältnis von Amt und Gemeinde sei unter dem Gesichtspunkt der Gleichursprünglichkeit zu bewerten. Amt und Gemeinde können nicht voneinander getrennt existieren. Das allgemeine Priestertum beinhaltet nach lutherischer Sicht das Amt, das unabhängig vom allgemeinen Priestertum gedacht werden muss. Dies wird darin begründet, dass das allgemeine Priestertum den Glauben des Einzelnen bedingt. Im Gegensatz dazu ist das Amt unabhängig vom Glauben des Einzelnen, da es am Glauben der Kirche, das heißt an den Verheißungen für die Kirche, hängt. Rechtmäßige Träger des Amtes sind diejenigen, die durch den heiligen Geist und damit durch die Kirche berufen sind. Gründe für eine Amtsenthebung können in fehlenden Gaben, einer falschen Lehre oder einem schlechten Lebenswandel liegen, sind aber unterschiedlich zu gewichten. Die Weitergabe einer falschen Lehre stellt den wichtigsten Grund für eine Amtsenthebung dar, da sie die Substanz der Kirche angreift, muss sie aus der Kirche verbannt und der Amtsträger seines Amtes enthoben werden. Bei einem falschen Lebenswandel des Amtsträgers hat die Gemeinde aufgrund ihres Wesens und ihrer Struktur das Recht zur Amtsenthebung, bei fehlenden Gaben darf sie aber nur darum bitten. Die Entscheidung über Ein- und Absetzung der Amtsträger unterliegt dem Kirchenregiment, wobei der Gemeinde ein Vetorecht zustehe. In Auseinandersetzung mit den Deutschen Christen fordert Bonhoeffer die Gemeinde dazu auf, ihr Recht auf Absetzung wahrzunehmen, wenn das Kirchenregiment aus Irrlehrern bestehe.591 ›Sichtbare Kirche im Neuen Testament‹ Im ersten Kurs wurde diese Vorlesung592 noch unter der Überschrift ›Nachfolge‹ begonnen, wurde aber schon im zweiten Kurs unter das Thema ›Sichtbare Kirche 591 Vgl. a.a.O., S. 313–316. 592 A.a.O., S. 422–466.

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im Neuen Testament‹ gestellt. In den darauffolgenden Kursen entwickelte Bonhoeffer einzelne Thesen der Vorlesung aus dem zweiten Kurs weiter, wie es zum Beispiel im dritten Kurs mit den Vorlesungen ›Das neue Leben bei Paulus‹, im vierten Kurs ›Konkrete Ethik bei Paulus‹ und im fünften Kurs als ›Gemeindeaufbau und Gemeindezucht im Neuen Testament erfolgte‹. Für die Herausgeber von DBW 14 ist ein besonderes Charakteristikum der Vorlesung die enge Verknüpfung von Ekklesiologie und Christologie mit deren Ausrichtung auf die christliche Ethik.593 Wie andere Vorlesungen Bonhoeffers liegt auch diese Vorlesung nur in fragmentarischer Form vor. Sie wurde aus verschiedensten Unterlagen wie Vorbereitungsmanuskripten, Vorbereitungsblättern sowie Mitschriften rekonstruiert. Ausgangspunkt ist für Bonhoeffer die theologische Auseinandersetzung mit dem Staat, die er als folgende Frage formuliert: »Nimmt die Kirche des Wortes Gottes einen Raum ein in der Welt, und welcher Art ist er?«594 Diese Frage wird durch die Gliederung der Vorlesung konkretisiert, indem er die Raumfrage für die kirchliche Verkündigung, das Bekenntnis, die Ämter und die Gaben für das christliche Leben stellt. Die theologische Auseinandersetzung seiner Zeit bewege sich zwischen zwei Extremen, die Bonhoeffer als ›Gefahren‹ charakterisiert. Von der einen Seite drohe die Gefahr einer idealistisch-doketischen Ekklesiologie, nach der die Kirche keinen Anspruch auf Raum in der Welt habe. Auf der anderen Seite rühre Gefahr her von einer magisch-sakramentalen Ekklesiologie, die die Kirche als Verteidigerin der christlich-abendländischen Kultur verstehe. Konkrete politische Entscheidungen, wie die Ariergesetzgebung, hätten der Kirche die Grenzen ihres Leibes in schmerzhafter Weise aufgezeigt. Die Frage nach dem Raum der Kirche in Abgrenzungen zu den anderen Räumen, besonders zum Raum des Staates, will Bonhoeffer mit Blick auf die sichtbare Kirche im Neuen Testament beantworten. Die Gründung der Kirche muss im Licht des Alten und des Neuen Testaments betrachtet werden. Bonhoeffer unterscheidet zwischen der Kirche des Alten und des Neuen Testaments. Beide Kirchen sind Kirche der Verheißungen Gottes. Sie bilden eine Einheit, da sie vom selben Gott ins Leben gerufen wurden, einen Glauben und ein Wort haben. Die Kirche des Alten Testaments unterscheidet sich von der des Neuen Testaments nur darin, dass sie noch auf den Heiligen Geist wartet, während die Kirche des Neuen Testaments »in der Freude der Erfüllung«595 lebt und nur noch auf Christi Wiederkunft wartet. Anhand von Apg 2 erklärt Bonhoeffer das Werden der Versammlung zur Kirche durch den Geist. Die Gründung der Kirche erfolgt sichtbar für die Außenwelt, indem der 593 Vgl. a.a.O., S. 27. 594 A.a.O., S. 422. 595 A.a.O., S. 425.

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Geist der Kirche Raum in der Welt schafft. Im Geist ist die Kirche des Neuen Testaments an Israel und an das Alte Testament gebunden. Die Kirche wird schon bei ihrer sichtbaren Gründung dem Urteil der Welt ausgesetzt. Diesem Urteil sollte sie sich nicht entziehen, indem sie sich in die Unsichtbarkeit begibt, sondern sie sollte das spottende Urteil der Welt als Zeichen der Suche nach dem richtigen Weg verwenden. Die Verkündigung der Gnade ruft die Menschen zur Buße und zur Umkehr auf, sie werden aus konkreten geschichtlichen Ordnungen in die Kirche gerufen. Mit der Gründung der Kirche schafft der Heilige Geist ein Stück neue Welt. Die Kirche richtet sich nun im Gehorsam am Wort und Tun Gottes aus. In ihrem Gehorsam ist die Kirche begründet und nicht durch das Dogma. Christologie und Ekklesiologie haben bei Bonhoeffer wie in ›Sanctorum Communio‹ eine zentrale Schnittmenge, die nun eine sozialethische Dimension erhält: »Der Raum Christi in der Welt wird eingenommen durch die Kirche, sie ist der gegenwärtige Christus.«596 Die Kirche ist der Leib Christi, in der Gemeinde ist Christus durch den Heiligen Geist gegenwärtig. Die Existenz Christi beschränkt sich nicht auf das verkündigte Wort, sondern umfasst das sichtbare Leben der Gemeinde und ihrer Glieder. Die Heiligkeit der Gemeinde hat Konsequenzen: Wer gegen die Gemeinde sündigt, muss aus ihrem Gesamtleben ausgestoßen werden. Das Verhältnis von Christus und Gemeinde darf nicht als Identifikation der beiden verstanden werden. Die Gemeinde bleibt Subjekt und Person. Christus ist in der Gemeinde und zugleich derjenige, auf dessen Wiederkunft die Gemeinde wartet. Im Leib Christi werden die Leibesbeziehungen der Glieder auf Erden erfasst, der Lebensraum der Gemeinde aber ist der Himmel. Das Verhältnis zwischen Christus und Gemeinde lässt sich in Anlehnung an das biblische Verhältnis von Mann und Frau beschreiben. Christus und die Gemeinde stehen einander gegenüber, gleichzeitig ist er das Haupt der Gemeinde und diese ist ihm untertan. Christus gibt sein Leben für sie hin, da er die Gemeinde wie sich selbst liebt. Christus ist in der Gemeinde auch im Fleisch gegenwärtig, im Abendmahl geschieht die Vereinigung Christi mit der Gemeinde. Das Verhältnis zwischen Heiligem Geist, Christus und der Gemeinde lässt sich so ausdrücken, dass Christus der Leib der Gemeinde ist, der vom Heiligen Geist durchwaltet wird. Der Heilige Geist wird der Gemeinde als Gabe Christi zuteil und versieht in ihr ein zweifaches Amt: Er schafft zum einen Gemeinschaft zwischen Gott und Mensch durch das Wort und Hervorrufen des Glaubens. Zum anderen schafft er Gemeinschaft zwischen den Gliedern der Gemeinde durch die Bruderliebe. Mithilfe des Heiligen Geistes kann die Gemeinde glauben, erkennen und bekennen, dass Christus ihr Herr ist. Die Gemeinde bekennt sich zu Jesus als Christus und Herr, womit sie sich von der Welt abgrenzt und Gott zuwendet. 596 A.a.O., S. 435.

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Unterschiede in der Lehre sind vertretbar, solange die Gemeinde nicht auf ihre Differenzen, sondern auf den einen Christus sieht. Christus ist das eine Werk der Verkündiger, das die Gemeinde in die Einheit führen soll. Ein Riss in der Gemeinde ist nach Paulus erst dann als notwendig anzusehen, wenn die Gläubigen von den Ungläubigen unterschieden werden sollen.597 Die sichtbare Gemeinde besitzt auch eine sichtbare Gliederung: Grundstrukturen sind die Einheit, die Gemeinschaft und die Einzelheit. Die Gliederung des Leibes ist gottgesetzt. Der gegenwärtige Christus ist fleischgeworden, er ist der gegliederte sichtbare Leib. Leib und Gliederung dürfen deshalb nicht voneinander unterschieden werden. Der Leib Christi in seiner sichtbaren Gliederung und die Verkündigung dürfen ebenfalls nicht voneinander getrennt betrachtet werden. Der in den Tod gegangene Christus hat sich der Gemeinde zum Dienst gegeben. Das Gesetz des Dienstes ordnet nun den Leib, der Dienst ist auf die Gemeinschaft ausgerichtet und wird durch den Einzelnen vollzogen. Mit dem Charisma wird den Gliedern der Gemeinde die subjektive Voraussetzung gegeben, um den objektiven Dienst zu versehen. Dass die Ordnung in der Gemeinde erhalten bleibt, dafür sorgen die von Gott gesetzten Ämter in der Gemeinde. Wer die vocatio erhalten hat, darf auch ein Amt versehen. Der Heilige Geist wirkt in der sichtbaren Gliederung der Gemeinde und wird in Amt und Charisma sichtbar. Ziel der Ordnungen ist, dass Christus Herr der Gemeinde bleibt und sein Herrschaftsbereich unbeschränkt bleibt. Die Not der Gemeinde ist der einzige Grund, den Bonhoeffer anerkennt, um die Ordnung der Gemeinde zu verändern, dies darf aber dann nur in der Gewissheit des Heiligen Geistes erfolgen. Wer die Ordnung der Gemeinde von außen her verändert, tastet die sichtbare Gestalt des Heiligen Geistes an. Der letzte Abschnitt der Vorlesung befasst sich mit dem Raum des christlichen Lebens. Die Kirche versammelt die aus der Welt Herausgerufenen um sich. Ihr Leben vollzieht sich in einem Raum, der alle Lebensbereiche und Beziehungen der Gemeindeglieder umfasst. Dies wird bedingt durch den menschgewordenen Christus, der Anspruch auf den ganzen Menschen, den er in seine Nachfolge ruft, hat. Der Raum der Gemeinde und der Raum der Welt sind voneinander getrennt, beide Räume haben ihre eigenen Gebote. Christus ist das Gesetz der Gemeinde. Das Gesetz der Welt besteht aus Satzungen, die die Gemeinde hält, von denen sie sich aber durch ihre alleinige Bindung an Christus letztendlich frei weiß. Christus bestimmt den Lebensraum der Gemeinde, er vereint den Gottesdienst und den Dienst am Bruder in sich. Bonhoeffer begründet diese Vereinigung mit der Menschwerdung Christi, dem Kreuz und der Kreuzesgnade als dem Gesetz Christi. Die Gemeinde hat sichtbar am Kreuz Anteil, der Einzelne drückt das in seiner Liebe zum Bruder aus. Die ganze 597 Vgl. a.a.O., S. 423–450.

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Gemeinde ist in das Leiden und Sterben Christi hineingezogen und trägt es als ganzer Leib mit.598

Gemeindeaufbau und Gemeindezucht im Neuen Testament Auf einer Arbeitstagung im Mai 1937 über Gemeindeaufbau und Gemeindezucht übernahm Bonhoeffer ein Referat599 zu diesem Thema, das als richtungsweisend für den gesamten fünften Kurs in Finkenwalde galt. Ein entsprechender inhaltlicher Abschnitt findet sich auch in der ›Nachfolge‹, der durch die Vorlesung über Gemeindeaufbau und Gemeindezucht vorbereitet wurde.600 Erhalten als Mitschrift aus dem fünften Kurs von 1937 sind die Teile zum ›Raum der Verkündigung‹ und zum ›Raum der Ämter‹.601 Aus Gründen des inhaltlichen Zusammenhangs soll hier zugleich auch Bonhoeffers Vortrag mit dem Titel ›Sätze über Schlüsselgewalt und Gemeindezucht im Neuen Testament‹602 berücksichtigt werden. Der Raum der Verkündigung nach dem Neuen Testament ist die Synagoge. Bonhoeffer positioniert sich angesichts der Judenverfolgung seiner Zeit erstaunlich klar mit den Worten: »Christliche Gemeinde will gerade auch in der Frage des äußeren Raumes der legitime Nachfolger des alttestamentlichen Volkes sein.«603 Bonhoeffer zufolge hätten die ersten Christen erst mit steigendem Widerstand den Raum der Verkündigung auf die Privathäuser verlagert. Dies sei allerdings in dem Bewusstsein erfolgt, das räumliche Erbe der Synagoge anzutreten und wohl auch die jüdische Form des Gottesdienstes beizubehalten. Zur Verkündigung gehört auch der Gebrauch der Sakramente. Sowohl Taufe als auch Abendmahl sind in der Gegenwärtigkeit des Leibes Christi begründet. Die Taufe begründet die Einheit des Leibes Christi, das Abendmahl die Gemeinschaft. Der Raum des Leibes Christi bleibt nach Bonhoeffer aber nicht auf Verkündigung, Sakrament, Ämter und Ordnungen der Kirche beschränkt, sondern reicht in das alltägliche Leben eines Christen hinein und wirkt sich auf dessen Handeln und Denken sowie die Beziehungen zu seinen Mitmenschen aus. Die Kirche ist durch Christus auf der Erde zur Sündenvergebung bevollmächtigt, aber auch dazu, die Sünden zu behalten. 598 Vgl. a.a.O., S. 452–465. Die Mitschrift zur Vorlesung über ›Gemeindeaufbau und Gemeindezucht im Neuen Testament‹ gibt Ausführungen Bonhoeffers zum Raum der Ämter und den Charismata wieder (a.a.O., S. 824–829), welche bereits in der Vorlesung ›Sichtbare Kirche im Neuen Testament‹ angesprochen wurden, die aber an dieser Stelle nicht noch einmal ausgeführt werden sollen. 599 A.a.O., S. 285. 600 Vgl. DBW 4, S. 286–291 und siehe Gliederungspunkt 4.7. 601 DBW 14, S. 820–829. 602 A.a.O., S. 829–844. 603 A.a.O., S. 821.

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»Wer unter dem Wort der Verkündigung vom sündigen Wege umkehrt, Buße tut, der empfängt die Vergebung. Wer bei seiner Sünde beharrt, empfängt das Gericht. Die Kirche kann nicht den Bußfertigen von der Sünde lösen ohne den Unbußfertigen bei der Sünde zu behaften.«604

Bonhoeffer fordert von daher die Kirche auf, Sünde als solche zu benennen, um mit ihrer Botschaft der Sündenvergebung und Rettung aus der Verdammnis ernst genommen zu werden. Gleichzeitig soll sie auch ihren gottgegebenen Auftrag erfüllen, wenn sie diesen und die damit einhergehenden Verheißungen nicht verlieren möchte. Das Schlüsselamt der Kirche wird ausgeführt in der öffentlichen Predigt und in der Privatbeichte. In der öffentlichen Predigt wird denjenigen, die Buße tun, die Vergebung ihrer Sünden zugesagt und denjenigen, die keine Buße tun, Gericht und Verdammnis gepredigt. In der Privatbeichte kann die Kirche sich der Aufrichtigkeit der Buße vergewissern und kann mit ihr dem Einzelnen Gewissheit über seine Absolution geben. Die Vergebung darf nicht leichtfertig verschleudert werden. Wird die Absolution an Unwürdige erteilt, werden sich diese schlussendlich gegen die Kirche wenden: »Die Welt, der die Gnade als Schleuderware hingeworfen wird, wird ihrer überdrüssig, zertritt nicht nur das Heilige, sondern zerreißt auch die, die es ihr aufdrängen.«605 Bußpredigt und Bindeschlüssel dienen dem Schutz von Gnadenpredigt und Löseschlüssel. Bonhoeffer nimmt eine Unterscheidung zwischen Missions- und Gemeindepredigt vor, die im Neuen Testament noch klar zu erkennen gewesen sei, und weist auf einen unterschiedlichen Gebrauch des Schlüsselamtes in beiden Predigtarten hin: Die Missionspredigt rufe zur Buße und öffne dem Bußfertigen die Tür zur Gemeinde. In die Gemeinde gelangt dieser, indem er sich taufen lasse, seine Sünden bekenne, die Absolution erhalte und ein Bekenntnis zu Jesus Christus spreche. In der Gemeindepredigt werde die Schlüsselgewalt auf andere Weise ausgeübt. An die Bußfertigen ergehe das Wort von der Gnade Gottes, an die Unbußfertigen dagegen das der Gemeindezucht. »Gnadenverkündigung heißt vollen Teil haben an der Gemeinschaft des Leibes Christi. Gemeindezucht heißt der Weg, der zum teilweisen oder gänzlichen Ausschluß aus dieser Gemeinschaft führt. Gemeindezucht ist also Ausübung der Bindegewalt der Kirche an den Gliedern des Leibes Christi. Wie die Bußpredigt der Schutz der Evangeliumsverkündigung [ist], so ist die Wortverkündigung der Schutz der Taufe, so ist die Gemeindezucht der Schutz des Abendmahls.«606

Mit der Taufe tritt der Einzelne in den Leib Christi, die Gemeinde und das Heil ein. Dieser Eintritt ist ein einmaliges Geschehen, das unwiederholbar ist. Als Konsequenz bedeutet nach Bonhoeffer der Ausschluss aus der Gemeinde den 604 A.a.O., S. 830. 605 A.a.O., S. 832f. 606 A.a.O., S. 833.

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Verlust des Heils. Gemeindezucht stelle darum keinen Ausschluss aus der Gemeinde der Getauften, sondern aus der Gemeinschaft der Taufgemeinde dar. Das Abendmahl versteht Bonhoeffer als Speisung der bekennenden Taufgemeinde mit dem wahrhaften Leib und Blut Jesu Christi. Im Abendmahl wird das Bewusstsein für die Gemeinschaft untereinander und mit Christus neu erweckt, gleichzeitig können die einzelnen Glieder auch Vergebung ihrer Sünden erlangen. Vom Abendmahl ausgeschlossen sind alle, die nicht zur Gemeinde der Getauften gehören und diejenigen, die das Abendmahl nicht von einem beliebigen anderen Mahl unterscheiden können. Die Gemeinde, die das Schlüsselamt richtig ausübt, muss auch Gemeindezucht innerhalb der Gemeinde üben. An ihrem Beginn steht die Predigt des Wortes, nicht nur im Gottesdienst, sondern zu jeder Zeit durch den Amtsträger. Auch die Gemeindeglieder sollen einander brüderlich ermahnen, tragen und trösten. Darauf folgt das eigentliche Gemeindezuchtverfahren, das Bonhoeffer anhand verschiedener neutestamentlicher Bibelstellen beschreibt. Sind die Sünden eines Bruders der gesamten Gemeinde offenbar, so soll die Gemeinde den Sünder meiden, ihm aber dennoch wie einem Bruder begegnen und ihn vermahnen. Ist es eine Sünde, die nur einem anderen Gemeindeglied bekannt ist, so soll dieser Bruder den Sünder zur Buße rufen und die Sünde nicht offenbaren. Kehrt der Bruder nicht aus seiner Sünde um, so soll sich der andere Bruder ein oder zwei Zeugen suchen, die Sünde soll auch in diesem Fall nicht offenbar gemacht werden. Schenkt der Bruder auch vor Zeugen dem Ruf zur Umkehr kein Gehör, so wird es im nächsten Schritt Aufgabe der Gemeinde sein, den Sünder zu ermahnen und zusammen mit dem Amtsträger das Schlüsselamt auszuführen. Nach einem öffentlichen Spruch unter Anwesenheit von Gemeinde und Amtsträger empfängt der Sünder die Vergebung Gottes, wenn er aufrichtig Buße tut und seine Sünden öffentlich bekennt. Bleibt er unbußfertig, so wird er aus der Gemeinde ausgestoßen. Dieser Ausschluss geschieht allerdings unter der Prämisse, dass derjenige in die Gemeinde zurückkehren und das Heil erlangen kann. Gemeindezucht versteht Bonhoeffer in diesem Sinne als pädagogisches Handeln. Unterschieden werden von der Gemeindezucht muss die Lehrzucht, die sich gegen den Missbrauch der Lehre durch den Amtsträger richtet. Da auch der Amtsträger zu einem untadeligen Lebenswandel aufgefordert ist, muss an ihm, wenn notwendig, ebenfalls Zucht geübt werden und zwar vorrangig vor den anderen Gemeindegliedern. Gemeindezucht kann nicht ohne Lehrzucht geschehen. Gleichzeitig führt die Lehrzucht zur Gemeindezucht, da Lehrfragen und Fragen des Lebenswandels nicht voneinander getrennt werden können. Sowohl die Ordnung der Ämter als auch das Lehramt müssen intakt sein, wenn in der Gemeinde Gemeindezucht geübt werden soll. Für den Aufbau der Ämter innerhalb der Gemeinde gibt es nach dem Neuen Testament zwar keine festen

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Vorschriften, aber eindeutig ist, dass die Ämter auf dieser Grundlage nicht von außen besetzt werden können.607

4.8.3 Vorträge und Aufsätze ›Die Bekennende Kirche und die Ökumene‹ Dieser Aufsatz608 wurde von Bonhoeffer in der Mitte des Jahres 1935 verfasst, vermutlich im Zusammenhang eines Briefwechsels mit Hodgson. Sowohl der Aufsatz als auch der Briefwechsel befassen sich mit dem Verhältnis der Bekennenden Kirche zu den Kirchen der Ökumene und deren Verhältnis zur Reichskirche. Ausgangspunkt ist die strittige Teilnahme von Delegierten sowohl der Reichskirche als auch der Bekennenden Kirche an einer ökumenischen Konferenz. In einer grundsätzlichen Stellungnahme rief Bonhoeffer die Ökumene auf, an ihrer Entscheidung für die Bekennende Kirche und gegen die Reichskirche festzuhalten. Der Aufsatz stieß zu dieser Zeit aber kaum auf Resonanz, obwohl er nach Raiser als klarste theologische Darstellung von Bonhoeffers ökumenischem Verständnis zu sehen ist.609 Bonhoeffer leitet den Aufsatz mit der Feststellung ein, dass die Bekennende Kirche im Kirchenkampf von Beginn an die Unterstützung ausländischer christlicher Kirchen erfahren habe. Der Kirchenkampf sei entscheidend für die Zukunft der Ökumene, allerdings habe die Bekennende Kirche, anstatt sich über die Unterstützung ihrer Schwesterkirchen zu freuen, sich durch die politische Ächtung des internationalen Denkens beeinflussen lassen. Zugleich wurde das Zeugnis der Heiligen Schrift, nach dem Kirche über nationale und ethnische Schranken hinweg existiere, nicht beachtet. Vielmehr habe man sich der Ökumene lediglich aus kirchenpolitischen Gesichtspunkten her genähert und sei so sündig am Ernst der Ökumenizität geworden. Die Vertreter der Ökumene hätten sich von der Erkenntnis leiten lassen, dass es im Kampf der Bekennenden Kirche vor allem um die Verkündigung des Evangeliums gehe, den sie stellvertretend für die westliche Christenheit führe und erleide. Die Ökumene habe die Bekennende Kirche in ihrem Kampf durch Gebet und Versicherung ihrer Anteilnahme unterstützt. Fruchtbar werde die Begegnung, indem sich beide Seiten voreinander die Existenzfrage stellen, sich rechtfertigen und in Bewegung bringen müssten.610 Die Bekennende Kirche, die im Kirchenkampf gelernt habe, jeden Bereich 607 608 609 610

Vgl. a.a.O., S. 829–843. A.a.O., S. 378–399. Vgl. a.a.O., S. 30, 50–56 und 58–62 und vgl. Raiser (2005), S. 208. Vgl. DBW 14, S. 378–382.

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ihres Daseins vor die Bekenntnisfrage zu stellen, werde auch der Ökumene als Ganzes mit dieser Frage begegnen. Die Bekennende Kirche kenne keinen neutralen, bekenntnisfreien Raum. Sie verlange von ihren Gesprächspartnern die kirchliche Solidarität als Voraussetzung für das ökumenische Gespräch. Ihr Anspruch, mit der die Bekennende Kirche den Kampf um das Christentum und um ihr eigenes Überleben führe, habe eine schwere Krise innerhalb der Ökumene zu Folge, wenn diese den Anspruch der Bekennenden Kirche ernst nehme und sich den an sie gerichteten Fragen stelle. Die erste dieser Fragen befasst sich mit dem Kirchesein der ökumenischen Organisationen. Die Frage geht mit der Anerkennung der Autorität von ökumenischem Reden und Handeln als Kirche einher. Die Ökumene steht wie alle Kirchen zwischen den Alternativen, Kirche Christi zu sein oder zum Reich des Teufels zu gehören. Ihr Streben nach Einheit kann deshalb als Gehorsam gegenüber Christus oder als antichristliche Aktivität verstanden werden. Diese Frage zu klären, stellt den ersten Dienst vonseiten der Bekennenden Kirche gegenüber der Ökumene dar. Indem die Ökumene sich zur Bekennenden Kirche gestellt und die deutsch-christliche Lehre verurteilt habe, sei die Ökumene einem Stück ihres kirchlichen Auftrags nachgekommen. Die zweite Frage der Bekennenden Kirche an die Ökumene lautet, wie die Ökumene sowohl Kirche sein als auch ihren Anspruch darauf vertreten könne. Die Einheit der Kirche und die Einheit im Bekenntnis gehören zusammen. Die Ökumene umfasst aber Kirchen auf verschiedenen Bekenntnisgrundlagen. Der Argumentation vonseiten der Ökumene, nach der die verschiedenen Kirchen als Äste am Baum der einen heiligen ökumenischen Kirche der Schrift zu verstehen seien, muss sich die Bekennende Kirche entgegenstellen. Es muss nicht nur die Wahrheit in der Einheit, sondern auch die Einheit in der Wahrheit berücksichtigt werden. Sucht die Kirche Einheit mit einer anderen Kirche außerhalb der Wahrheit, gibt sie die Wahrheit auf. Diese Wahrheitsfrage kann auch als Bekenntnisfrage verstanden werden, mit der bestimmte Lehren bekannt oder verdammt werden müssten. Die europäischen Kirchen müssen die Erfahrung der Bekennenden Kirche ernst nehmen, »daß eine Kirche ohne Bekenntnis eine wehrlose und verlorene Kirche ist, und daß eine Kirche im Bekenntnis die einzige Waffe hat, die nicht zerbricht.«611 Diese Erkenntnis erschwert den Weg zur Suche nach Einheit der verschiedenen Kirchen, die alle letztlich absolute Wahrheitsansprüche vertreten und stellt sie vor das Problem des Abbruchs zwischenkirchlicher Beziehungen. Am Beispiel der Bekennenden Kirche und der deutschchristlichen Kirche veranschaulicht Bonhoeffer diese Situation, welche grundlegend vom Verhältnis zwischen der Bekennenden Kirche und den bekenntnisfremden Kirchen zu trennen ist. Während die Bekennende Kirche gegen ihren Todfeind, die deutsch-christliche Kirche, bekennt, muss sie in den Riss in der 611 A.a.O., S. 391.

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Beziehung zu den bekenntnisfremden Kirchen eintreten, ihre eigene Schuld erkennen und den Ruf zur Buße hören. An die Bekennende Kirche richten sich nun die Fragen der Ökumene. Sprach die Bekennende Kirche die Ökumene zuvor auf ihr Kirchesein an, so spricht die Ökumene die Bekennende Kirche darauf hin an, ob sie bereit ist, in den Riss zu den bekenntnisfremden Kirchen zu treten und das Bekenntnis der Buße und Sünde zu sprechen. Die Glaubwürdigkeit der anderen Bekenntnisse, auf die sie sich stützt, wird sichtbar, wenn sie sie zuerst in ihren eigenen Reihen verwirft und bekennt. Durch ihre bloße Existenz stellt die Ökumene der Bekennenden Kirche die Frage, ob sie bereit ist, sich ihr anzuschließen oder ob sie ihren Bekenntnisanspruch so absolut setzt, dass sie sich dem Gespräch mit den bekenntnisfremden Kirchen völlig verweigert. Tritt dieser Fall ein, dann »würde sich allen Ernstes die Frage erheben, ob in der Bekennenden Kirche selbst noch Kirche Christi sei.«612 Die Antwort der Bekennenden Kirche auf diese Frage zeigt sich in der aktiven Teilnahme an der theologischen und praktischen Arbeit der Ökumene. Sie weiß um ihre Verbindung zu den anderen christlichen Kirchen durch die Taufe und ist bereit, Hilfe und Warnung von ihren christlichen Brüdern anzunehmen.613 ›Zur Frage nach der Kirchengemeinschaft‹ Im Gegensatz zum vorhergehenden Aufsatz wurde Bonhoeffers Artikel ›Zur Frage nach der Kirchengemeinschaft‹614, der im Juni-Heft der Zeitschrift ›Evangelische Theologie‹ 1936 erschien, mehr Aufmerksamkeit zuteil als ihm lieb war. Bonhoeffer fasst die Reaktionen darauf mit folgenden Worten zusammen: »Leider bin ich zur Zeit in einen heftigen Streit über meinen Artikel über die Kirchengemeinschaft hineingezogen. Man regt sich furchtbar darüber auf. Und ich hatte gemeint, eigentlich etwas selbstverständliches zu schreiben.«615 Dem Aufsatz liegt ein Vortrag Bonhoeffers auf der Freizeit der Teilnehmer des ersten Kurses im April 1936 zugrunde.616 Nachdem die staatlichen Kirchenausschüsse eingerichtet wurden, in denen eine Kirchengemeinschaft von Deutschen Christen, Neutralen und Christen der Bekennenden Kirche erzielt werden sollte, quälten sich einige Kandidaten aus Finkenwalde mit der Entscheidung, sich den Kirchenausschüssen zu unterstellen. Es stellte sich nun die Frage, wie man sich denjenigen gegenüber verhalten sollte, die eine Entscheidung für die Kirchenausschüsse getroffen hatten. Da die Synode in Bad Oeynhausen sich nicht klar zu dieser Situation geäußert hatte, wurde es Bonhoeffer 612 613 614 615 616

A.a.O., S. 396. Vgl. a.a.O., S. 383–398. A.a.O., S. 655–700. A.a.O., S. 238. Vgl. DBW Ergänzungsband, S. 134.

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besonders wichtig, seinen Finkenwalder Brüdern gegenüber deutlich Stellung zu beziehen. Die Kandidaten ermutigten Bonhoeffer schließlich zur Veröffentlichung des Vortrages, welcher besonders die Gemüter innerhalb der Bekennenden Kirche erregte.617 Bonhoeffer setzt seine Ausführungen beim reformatorischen Kirchenbegriff an, der eine Trennung von Kirchenbegriff und Kirchenzugehörigkeit vornehme. Der lutherische Begriff von Kirche richte sich vor allem auf die Heilstat Gottes und betrachte Kirche als den Ort, an dem das Evangelium und die Sakramente zu finden seien. Die Entscheidung über die Kirchenzugehörigkeit wird ins Eschaton vertagt. »Niemals kann also die wahre Kirche von sich aus feststellen wollen, wo die sind, die nicht zu ihr gehören, niemals ist ihr Anspruch die Kirche zu sein so gemeint, daß nun die Absonderung der Gerechten von den Ungerechten stattfinden soll. Vielmehr ist dieser Anspruch: Hier ist die Kirche, gerade selbst der Heilsruf, der an alle Welt geht.«618

Wer diesen Ruf nicht als Heilsruf vernimmt, für den wird dieser Ruf Gesetz. Da die Frage nach der Grenze der Kirche weder von reformierter noch von lutherischer Seite beantwortet wird, verortet Bonhoeffer diese Frage in der Missachtung ihres Rufes: »Wo der Heilsruf nicht vernommen wird, wird der Anspruch der Kirche zum Gericht, zur Scheidung derer, die dazu gehören und derer, die nicht dazu gehören.«619 Letztendlich kann der Umfang der Kirche nur von Gott selbst erfasst werden. Die Kirche ist dazu aufgerufen, mit ihrer Verkündigung diesen Umfang immer wieder zu vergrößern, wie es ihrem Wesen entspricht. Nur ein gesetzliches, von außen an sie herangetragenes Verständnis stellt die Frage nach Umfang und Grenzen der Kirche sowie der Kirchengemeinschaft. Die Kirche setzt sich die Grenzen nicht selbst, sondern sie erfährt deren Verlauf an den Orten, an denen ihr Heilsruf nicht mehr vernommen wird. Sie muss eine Entscheidung treffen, ob sie die von der Welt gezogene Grenze bestätigt. Träfe die Kirche diese Entscheidung im Voraus, wäre diese rein subjektiv und willkürlich.620 Die Taufe gibt der Kirche einen Maßstab, wenn auch einen problematischen, für ihre Entscheidung: Nicht alle der Kirche Zugehörigen sind auch getauft. Zugleich befinden sich in den Reihen der Getauften auch Irrlehrer und tote Glieder, die der Kirche nicht zugerechnet werden können. »So weiß die Kirche einerseits um eine relative äußere Grenze, die mit der Taufe gegeben ist, und zugleich um eine innere Grenze, die nur einen Teil der Getauften 617 618 619 620

Vgl. DBW 14, S. 30f. A.a.O., S. 659. Ebd. Vgl. a.a.O., S. 655–661.

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umschließt. Die Kirche hat gelernt, diese innere Grenze durch den Begriff der Lehre und des Bekenntnisses zu bestimmen. Das Bekenntnis der Kirche ist konstitutiv für die Kirchengemeinschaft.«621

Allerdings herrscht ein Spannungsverhältnis zwischen der Vorstellung eines gemeinsamen Bekenntnisgutes und dem Auseinanderbrechen der Kirchengemeinschaft über einzelnen Bekenntnisartikeln.622 Diesem Spannungsverhältnis entnimmt Bonhoeffer vier Feststellungen: Die evangelische Kirche erkenne zum einen die Grenze an, die von den anderen Kirchen gezogen werde, und rufe ihnen den Heilsruf zu, dass sie das rechte Bekenntnis habe. Zum anderen erhält die Kirchengemeinschaft einen totalen Charakter : Sofern in einem Punkt Differenzen bestünden und kein Konsens erzielt werde, könne keine Kirchengemeinschaft stattfinden. Die Bekenntniseinheit, die durch solch einen Konsensus erzielt werden kann, ist eine Glaubensentscheidung der Kirche. Der Konsens an sich, der zur Bekenntniseinheit führt, stellt einen Akt kirchlicher Entscheidung dar. Bonhoeffers dritte Feststellung lautet, dass das Aufweisen von Differenzen zwischen den Bekenntnissen ebenfalls Akte kirchlicher Entscheidung seien. Da die Kirche selbst entscheide, wo sie ihre Schlachten schlage, müsste nicht derselbe Artikel zu jeder Zeit zu einer Kirchenspaltung führen. Dies sei nur der Fall, wenn eine Kirche in gesetzlicher Intention selbst ihre Grenzen festlege. Sie sage sich damit aber von ihrem Auftrag los, den Heilsruf ertönen zu lassen. Viertens muss zwischen Dogmatik und Bekenntnis klar unterschieden werden: Das Bekenntnis sei keine »Zusammenstellung dogmatischer Sätze, aus denen nun sämtliche Konsequenzen zu ziehen sind. […] Die Theologie liefert der ganzen Armee die Waffen, damit sie jederzeit und an jedem Ort schlagbereit ist. Der Kampf nach außen aber wird nicht mit der Theologie, sondern mit dem Bekenntnis geführt. […] Das Bekenntnis ist auf Grund der Theologie von der Kirche vollzogene Entscheidung über ihre Grenzen. Es ist nicht Darstellung des Lehrganzen, sondern auf Grund des Lehrganzen getroffene Entscheidung der Kirche an einem bestimmten Ort den Kampf aufzunehmen. Im Bekenntnis wird die Theologie durch kirchliche Entscheidung aktuell.«623

Aus dem Unterschied zwischen schulspaltenden und kirchenspaltenden Gegensätzen ergibt sich, dass das Bekenntnis ungeeignet für eine definitive Bestimmung der Kirchengemeinschaft ist. Irrlehre allein kann nach Bonhoeffer kein Kriterium für den Bruch der Kirchengemeinschaft sein. Hinzu kommt die Kampfbereitschaft gegenüber der wahren Kirche. Als Kampfmittel kann auch die wahre Lehre in der Hand des Angreifers Irrlehre werden. Zu unterscheiden ist die Ökumene, in der kein Vernichtungswille gegenüber der wahren Kirche 621 A.a.O., S. 661. 622 Vgl. a.a.O., S. 657–662. 623 A.a.O., S. 664.

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vorliegt und jene, in der die Kirchen an ihrer Zerrissenheit mittragen. In dieser Situation ist es durchaus legitim, sich über das gemeinsame Bekenntnisgut der Einheit anzunähern. Nach Bonhoeffer müssen je nach Grenzen der Kirche verschiedene Formen der Kirchengemeinschaft unterschieden werden. Diese sind aber nur Übergangsstadien auf dem Weg zur vollen Kirchengemeinschaft oder deren endgültiger Aufhebung. Die Kirche muss diesen Akt der Entscheidung vollziehen. Es ist ein Akt der Barmherzigkeit, da er eine letzte Möglichkeit darstellt, den Heilsruf zu verkünden.624 Im zweiten Teil des Aufsatzes nimmt Bonhoeffer die Anwendung des ersten theoretischen Teils auf die kirchliche Lage seiner Zeit vor. Mit der Barmer Bekenntnissynode im heutigen Wuppertal sind Teile der Lehre der Deutschen Christen als Irrlehre herausgestellt worden. Auf der Bekenntnissynode in BerlinDahlem wurde festgestellt, dass sich die Regierung der Reichskirche mit ihrer Lehre und Tat selbst von der christlichen Kirche separiert habe. Mit der Bildung einer eigenen Kirchenleitung hat die Bekennende Kirche die Stelle der einen wahren Kirche in Deutschland eingenommen. Da auf den Synoden in Barmen und Dahlem das Wort Gottes laut geworden ist, könne man laut Bonhoeffer nicht mehr hinter diese Entscheidungen zurück. Bonhoeffer fordert, dass Antworten gegeben werden, was die Beschlüsse von Barmen und Dahlem für Gemeinden und Amtsträger bedeuten. Das Wort Gottes verlangt Gehorsam, von daher wehrt sich Bonhoeffer gegen den Begriff ›Konsequenz‹. Jede der aufgeworfenen Fragen muss daher einzeln geklärt werden. Die derzeitige Unklarheit richte nach Bonhoeffer nur Schaden an. Neben der Trennung von Reichskirchenregierung und wahrer Kirche Christi zeigt Bonhoeffer einen zweiten Prozess der Entwicklung auf: Lutherische und reformierte Kirchen nähern sich einander an und bilden trotz früher kirchenspaltender Bekenntnisgegensätze eine Bekenntnissynode. Beide Entwicklungen sieht Bonhoeffer als bedeutsam für den Kirchenbegriff an. Zusammen zeigt die Begegnung von Bekennender Kirche und Ökumene, dass die Bekennende Kirche das Gespräch mit anderen irrenden ›Kirchen‹ suchen kann, dieses aber mit der Reichskirche abgebrochen hat. Diese Entwicklungen sind für Angehörige sowohl der konfessionellen Orthodoxie als auch für Bekenntnislose nur schwer fassbar. Beide Gruppen verwechselten nach Bonhoeffer das Bekenntnis mit dem theologischen System (Orthodoxie) bzw. mit dem Zeugnis der Frömmigkeit (Bekenntnislose).625 Die scheinbar fehlende Konsequenz der Bekennenden Kirche in ihrer Entscheidung über die Kirchengemeinschaft erklärt Bonhoeffer mit dem Weg der Bekennenden Kirche. Sie treffe auf dem Weg mit ihrem Heilsruf auf Freunde und Feinde: 624 A.a.O., S. 662–667. 625 Vgl. a.a.O., S. 667–672.

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Stationen des Kirchenverständnisses von Bonhoeffer

»Ob Freund oder Feind wird die Kirche am Bekenntnis erkennen, aber das Bekenntnis ist nicht letzter, eindeutig zu handhabender Maßstab. Die Kirche muß entscheiden, an welchem Ort der Feind steht. Weil er einmal bei der Abendmahlslehre, ein anderes Mal bei der Rechtfertigungslehre, ein drittes Mal bei der Lehre von der Kirche stehen kann, darum muß die Kirche entscheiden. Und indem sie entscheidet, bekennt sie.«626

Die Kirche kann damit über die Frage der Kirchengemeinschaft nur von Fall zu Fall entscheiden. Im Folgenden nimmt Bonhoeffer nun selbst eine Klärung der Fragen nach der Stellung der deutschchristlichen Amtsträger, den Gemeinden, den Neutralen und der Unterstellung unter die Kirchenausschüsse vor, die die gegenwärtige Diskussion bewegen. Gleichzeitig fordert er die Kirchenleitung der Bekennenden Kirche auf, selbst diese Entscheidungen zu treffen.627 Den dritten und letzten Teil seines Aufsatzes leitet Bonhoeffer mit Ausführungen zu dem auf Cyprian zurückgehenden Ausspruch ›extra ecclesiam nulla salus‹ ein. Bonhoeffer setzt Kirchen- und Heilsgemeinschaft gleich und gelangt zu der Schlussfolgerung, für die er nach Erscheinen des Aufsatzes wiederholt angegriffen wurde: »Wer sich wissentlich von der Bekennenden Kirche trennt, trennt sich vom Heil.«628 Bonhoeffer hebt in seiner Analyse dieses Satzes verschiedene Aspekte hervor. Das extra ecclesiam ist nach Bonhoeffer eine Glaubensaussage, die nur über das Gnadenangebot der wahren Kirche aussagen und keine »theoretische Wahrheit über Gerettete und Verlorene«629 sein soll. Der menschliche Glaube ist an Gottes Heilsoffenbarung gebunden, dieses Heil ist der Kirche verheißen. Die Verheißung und die lautere Verkündigung des Evangeliums gehören zusammen. Bonhoeffer behauptet, dass die lautere Verkündigung des Evangeliums in einzelnen Gemeinden und in der Großkirche nicht voneinander zu trennen seien. Dem kritischen Einwand, ob es nicht auch in einer gefallenen Kirche echte Christen gebe, begegnet Bonhoeffer mit den Rückfragen, warum diese sich dann noch in dieser Kirche befänden und dass es anmaßend sei, über die Frömmigkeit anderer Menschen zu richten. Zudem schaffe nur der Heilige Geist Kirche. Der einzelne Christ begehe eine schlimme Lästerung, wenn er selbst Kirche gründen und abgrenzen wolle und dabei die wahre Kirche leugne und zerstöre. Die Kirche soll ihre Grenzen, auf die sie stößt, anerkennen. Nicht in der Leugnung, sondern in der Anerkenntnis dieser Grenzen liegt ein Akt der Liebe. Die wahre Kirche ist nur in der sichtbaren Kirche erkennbar, da dort die Verheißung Gottes ruht. Es ist nicht der Auftrag der Christen, ausgehend vom extra ecclesiam, über Gerettete und Verlorene zu spekulieren, sondern sich nicht 626 627 628 629

A.a.O., S. 673. A.a.O., S. 673–676. A.a.O., S. 676. A.a.O., S. 677.

Das Kirchenverständnis in weiteren Schriften der Theologenausbildung

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von solchen Fragen anfechten zu lassen und zur wahren Kirche zu fliehen, in der Gottes Heil offenbart ist.630 Bonhoeffer resümiert: »Die Frage nach den Grenzen der Kirche kann dem Glauben zu Anfechtung werden. Sie soll ihm aber allein dienen zur Gewißheit. Es ist Sache der Kirche, dies immer deutlich zu machen und in jeder Entscheidung über ihre Grenze die Gemeinde ihres Heils gewisser werden zu lassen.«631

Gutachten über Irrlehre in der Bekennenden Kirche Für den Pommerschen Bruderrat verfasste Bonhoeffer im Juni 1936 ein Gutachten632, das auch dem Finkenwalder Rundbrief beigelegt wurde. Die Streitfrage nach der Anerkennung der staatlichen Kirchenausschüsse führte zum Vorwurf der Irrlehre, die in der Erklärung über die Kirchenleitung der Oeynhausener Synode erkennbar werde. Dieser Vorwurf kam vonseiten der lutherischen Gruppierung innerhalb der Bekennenden Kirche, die durch ihr Obrigkeitsverständnis eine Unterstellung unter die Kirchenausschüsse befürwortete. Begleitet wurde die Irrlehre-Anklage durch die Behauptung, der lutherische Teil der Bekennenden Kirche müsse von der reformierten Überfremdung und deren Gesetzlichkeit befreit werden. In Oeynhausen wurde den Kirchenausschüssen das Recht der Kirchenleitung mit Begründung auf Bibel und Bekenntnis abgesprochen.633 Den Satz aus der Erklärung von Oeynhausen: »Die Kirchenleitung hat das Amt der Kirche. Sie kann darum nur von der Kirche berufen und gesetzt werden.«634 belegt Bonhoeffer im Folgenden aus Schrift und Bekenntnis. Aus dem Neuen Testament leitet Bonhoeffer aus verschiedenen Bibelstellen ab, dass es keine Einsetzung von kirchlichen Ämtern durch außerkirchliche Autoritäten geben kann. Für den Beweis aus den Bekenntnisschriften beruft sich Bonhoeffer auf Artikel 28 der Confessio Augustana und auf Traktate von Philipp Melanchthon und schlussfolgert: »Zwischen dem Staatsmann und der Kirche steht die Bindung an das Bekenntnis.«635 Eine eindeutige Ablehnung der Unterstellung der Kirche unter ein (teil-)staatliches Kirchenregiment geht auch aus der Kundgebung des lutherischen Rats von 1935 hervor, die Bonhoeffer zum Ende des Abschnittes zitiert. Im Anschluss setzt sich Bonhoeffer mit der Autorität der Kirchenleitung auseinander und begegnet den Vorwürfen, die Oeynhausener Synode strebe zum einen die Aufrichtung einer päpstlichen Gewaltherrschaft an und hätte zum 630 631 632 633 634 635

Vgl. a.a.O., S. 676–679. A.a.O., S. 679f. A.a.O., S. 700–713. Vgl. a.a.O., S. 700f. Zitiert nach a.a.O., S. 702. A.a.O., S. 703.

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Stationen des Kirchenverständnisses von Bonhoeffer

anderen keine gottgegebene Autorität in Dingen, die der kirchlichen Ordnung zuzurechnen sind. Bonhoeffer entgegnet dem ersten Vorwurf, dass die Oeynhausener Synode ausdrücklich die Bindung der Kirchenleitung an Schrift und Bekenntnis erklärt habe. Wenn sich die Kirchenleitung davon löse, verliere sie auch ihr Amt. Im Gegensatz dazu habe der Papst den entscheidenden Auslegungsmaßstab selbst in der Hand. Auf den zweiten Vorwurf antwortet Bonhoeffer mit einem Zitat aus Artikel 28 der Confessio Augustana. Die Ablehnung der Kirchenausschüsse begründet er mit dem Lehrurteil, das aus der Predigt des Evangeliums folge, die die Abwehr von falscher Lehre zur Aufgabe habe.636 Der dritte Abschnitt des Gutachtens widmet sich dem Bekenntnis und der Ordnung der Kirche. Der Widerstand von lutherischer Seite richtet sich gegen das gesetzliche Festhalten an der Ordnung. Der Ordnung gegenüber sei kein absoluter Gehorsam vonnöten. Dagegen argumentiert Bonhoeffer, dass sich die kirchliche Ordnung im Dienst der Verkündigung befinde. Er unterscheidet zunächst zwischen Bekenntnis und Ordnung und fügt an, dass Bekenntnis und Ordnung nicht voneinander getrennt werden können. Wird die Kirche von außen angegriffen, so werden Ordnung und Kirche im Bekenntnisstand eins. Diese der lutherischen Lehre entnommenen Thesen belegt Bonhoeffer wiederum aus dem Neuen Testament sowie mit verschiedenen Auszügen aus Bekenntnisdokumenten. In einem zweiten Gegenargument bezieht sich Bonhoeffer auf die Aufgaben der Kirchenleitung, die für den Erhalt der reinen Lehre und gegen Irrlehre einstehen muss. Daraus ergebe sich die Sorge der Kirchenleitung für die Theologenausbildung und Ordination. »So schließt das Amt der Lehrzucht an dieser Stelle die Stelle der Ordnung ein. Damit ist aber nur der Anfang bezeichnet für das ganze kirchliche Ordnungshandeln.«637 Pfarrer und Gemeinden haben der Kirchenleitung gegenüber sowohl im status confessionis als auch im Normalfall Gehorsam zu leisten. Seine Grenze findet der Gehorsam am Evangelium. Im darauffolgenden Abschnitt bezieht Bonhoeffer direkt aus lutherischer Sicht zu den Kirchenausschüssen Stellung. Die Bekenntniswidrigkeit der Kirchenausschüsse als Kirchenleitung zeigt Bonhoeffer ebenfalls aus den Bekenntnisschriften auf. Er tut dies unter den Gesichtspunkten Einsetzung, Zusammensetzung und Grundsätze der Kirchenausschüsse. Er legt dar, dass die Einsetzung der Kirchenausschüsse nicht rechtmäßig ist, da sie nicht durch die Kirche vorgenommen wurde. Zudem befinden sich in den Kirchenausschüssen nicht nur Irrlehrer, vielmehr verfolgen die Kirchenausschüsse in ihrer Gesamtheit nicht die rechte Lehre. Als Beispiel für die Irrlehre aus den Reihen der Kirchenausschüsse führt Bonhoeffer den Wahlaufruf durch den Vorsitzenden 636 Vgl. a.a.O., S. 704ff. 637 A.a.O., S. 710.

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des Reichkirchenausschusses Wilhelm Zoellner sowie den Brief des Vorsitzenden des Landeskirchenausschusses der Altpreussischen Union Johannes Eger an den Bischof von Breslau Otto Zänker an.638 Die Theologie der Deutschen Christen finde sich zwangsläufig bei den Kirchenausschüssen wieder. Eine Vermittlungstheologie zwischen der Bekennenden Kirche und den Deutschen Christen ist nach Bonhoeffer abzulehnen, da sie immer noch mit Elementen deutsch-christlicher Theologie durchsetzt wäre. Die Lehrentscheidung des Reichskirchenausschusses gegenüber Ludwig Müller ist relativ zu werten, da sie sich nur gegen eine Einzelperson und nicht gegen das System deutsch-christlicher Theologie richtet. Eine solche Entscheidung ist aufgrund der Zusammensetzung der Ausschüsse allerdings nicht zu erwarten. Die Schlussbemerkung widmet Bonhoeffer den im Kirchenkampf von Deutschen Christen und Ausschussfreunden aufgegriffenen Lehrdifferenzen von Reformierten und Lutheranern. Bonhoeffer minimiert die für die Diskussion relevante Lehrdifferenz und weist auf die zentralen Gemeinsamkeiten von Lutheranern und Reformierten hin: Die Bekenntnisgebundenheit der Ordnungen und das Festhalten daran im status confessionis.639 ›Krieg und Frieden‹ Als Ausschussmitglied verfasste vermutlich Bonhoeffer den Abschnitt zum Thema ›Krieg und Frieden‹640 für eine offizielle Stellungnahme der Bekennenden Kirche zur Weltkirchenkonferenz 1937 in Oxford. Die Kirche muss das Evangelium als Botschaft des Friedens innerhalb und außerhalb der Kirche verkündigen. Sie bezeugt, dass sie sich auch innerhalb von Trennungen und Spannungen an das Gebot hält, mit allen Menschen, sofern es möglich ist, Frieden zu haben. Ihr Ruf ergeht an andere Völker, die Anbetung anderer Götter aufzugeben und Gott gehorsam zu sein sowie Zeugnis vom Kreuz zu geben, das rettet und Ursprung des Friedens ist. In ihrer Verkündigung muss die Kirche die Gefahr unterschiedlichster Ideologien und eines steigenden Nationalbewusstseins berücksichtigen, das eine Spaltung der Völker hervorruft. Die Kirche muss, auch wenn sie Volk und Staat Dienst und Opfer schuldet, auf die Gefahr und das Leid eines erneuten Weltkrieges hinweisen. Sie kann die ernsthaften Versuche von Politikern, Konflikte auf friedlichem Wege zu lösen, nur unterstützen. In ihrem Aufruf an die Völker zum Frieden darf die Kirche nicht verschweigen, dass ein äußerer Friede nicht zwangsläufig mit der Einhaltung der Gebote Gottes einhergeht. Bis zur Wiederkunft Christi stellt der Friede auf Erden Teil der christlichen Hoffnung dar. Im Falle eines Krieges ist die Kirche beson638 Vgl. a.a.O., S. 706–711. 639 Vgl. a.a.O., S. 711ff. 640 A.a.O., S. 280ff.

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Stationen des Kirchenverständnisses von Bonhoeffer

ders angefochten, sie muss in dieser Situation ihren Glauben und ihren Gehorsam bewähren. Als besonders stark müssen sich die durch den Heiligen Geist gestifteten Bande der Ökumene und ihrer Kirchen erweisen.641

4.9

›Ethik‹

Im Gegensatz zur ›Nachfolge‹, deren Entstehung von einem regen Austausch in Finkenwalde begleitet wurde, entstand die ›Ethik‹, ohne dass Bonhoeffer größere Auszüge davon mit Anderen diskutierte.642 Die im Herbst 1940 aufgenommene Arbeit an der ›Ethik‹, die Bonhoeffer noch als Lebensaufgabe sah, wurde durch die Verhaftung im April 1943 unterbrochen. Er setzte die gedankliche Weiterarbeit an den einzelnen Themen der ›Ethik‹ allerdings im Gefängnis fort. Gemäß seiner Arbeitsweise ging Bonhoeffer beim Entwurf nicht nach einem bestimmten Plan vor, sondern arbeitete an einzelnen Aspekten, die sich allmählich zu einem Ganzen zusammenfügen sollten. Da Bonhoeffer die Fertigstellung der ›Ethik‹ nicht mehr selbst erreichen konnte, nahm Bethge die posthume Ordnung der einzelnen Fragmente und deren Veröffentlichung vor.643 Wie bereits zuvor soll aus den einzelnen Ethik-Manuskripten das ekklesiologische Gedankengut Bonhoeffers analysiert werden. Es bleibt zum einen der fragmentarische Charakter der einzelnen Manuskripte sowie die Gattung einer theologischen Ethik zu berücksichtigen.644 Im Manuskript ›Christus, die Wirklichkeit und das Gute. Christus, Kirche und Welt‹645 revidiert Bonhoeffer die traditionelle christliche Ethik und deren Auffassung eines weltlichen und eines christlichen Raumes, die voneinander zu unterscheiden sind. Christus als Offenbarungswirklichkeit Gottes ist nicht auf einen der beiden Räume zu reduzieren, vielmehr gibt es »nur einen Raum der Christuswirklichkeit, in dem Gottes- und Weltwirklichkeit miteinander vereinigt sind.«646 In Christus sind Gott und Welt miteinander versöhnt. Die neutestamentlichen Aussagen, die das Verständnis von Kirche als einem Raum in der Welt nahelegen, interpretiert Bonhoeffer so, dass diese keinen in sich abgeschlossenen Raum der Kirche meinten. Die Kirche ist vielmehr als Ort bezie641 642 643 644

Vgl. ebd. Vgl. Bethge (2005), S. 804. Vgl. a. a. O, S. 804 und 1058f. und vgl. DBW 6, S. 8ff. Eva Harasta kommt in diesem Zusammenhang sogar zu einem Verständnis von Bonhoeffers ›Ethik‹ als »ekklesiologischer Entwurf mit einem spezifisch ethischen und christlichen Profil.«, Harasta Eva, Dietrichs Bonhoeffers Ethik als ekklesiologischer Entwurf ?, in: Schwerpunktthema: Protestantische Identität im Europäischen Kontext, hg. von: Gottfried Adam, Münster 2008, S. 125. 645 DBW 6, S. 31–61. 646 A.a.O., S. 43f.

›Ethik‹

201

hungsweise Raum in der Welt zu verstehen, an dem sie Zeugnis von Christus gibt. Indem sie Zeugnis gibt, wirkt sie in die Welt hinaus und durchbricht ihren Raum. Die Kirche könne nach Bonhoeffer den Raum, den sie in der Welt habe, nur bewahren, wenn sie einen Kampf um das Heil der Welt führe. Kämpft sie stattdessen für ihren Raum, dann wird sie zur Religionsgemeinschaft und verliert ihr Sein als Kirche Gottes in der Welt. Die Welt wehrt allerdings die Versöhnung Gottes ab und kämpft gegen die Gemeinde. Bonhoeffer fordert: »Dennoch ist es der Auftrag und das Wesen der Gemeinde, gerade dieser Welt ihre Versöhnung mit Gott zuzusprechen und ihr die Wirklichkeit der Liebe Gottes zu enthüllen, gegen die sie blind wütet. So wird auch gerade die verlorene und gerichtete Welt unaufhörlich in das Christusgeschehen hineingezogen.«647

Auch wenn die Welt sich dessen nicht immer bewusst ist, steht sie in Beziehung zu Christus. Diese Beziehung zeigt sich in der Welt in den vier Mandaten Gottes: Arbeit, Ehe, Obrigkeit und Kirche. Alle vier Mandate sind weniger als göttliche Ordnungen, sondern als Aufträge zu verstehen, die durch Christus, in Christus und auf Christus hin zu erfüllen sind. Das Mandat der Kirche unterscheidet sich von den anderen Mandaten dadurch, dass es sich über alle anderen Mandate erstreckt. Inhalt dieses Mandates ist es, die Wirklichkeit Christi in der Welt wirklich werden zu lassen und deren Einheit in Christus zu bezeugen.648 Das Manuskript ›Ethik und Gestaltung‹649 setzt beim derzeitig fehlenden Interesse der Gesellschaft an einem theoretischen Ethik-System an. Alle Versuche, der Fülle an ethischen Fragen zu begegnen, seien nach Bonhoeffer zum Scheitern verurteilt. Zudem ist der Blick des Menschen auf Gott und Welt zerrissen. Blickt der Mensch auf den Ort der Versöhnung von Gott und Welt in Christus, wird diese Zerrissenheit überwunden. Im Menschen gewinnt Christus Gestalt, indem er den Menschen nach seiner eigenen Gestalt prägt. Diesen Ansatz führt Bonhoeffer in Bezug auf die Kirche weiter : »Die Kirche ist nichts als das Stück der Menschheit, in dem Christus Gestalt wirklich gewonnen hat. […] Die Kirche ist der menschgewordene, gerichtete, zu neuem Leben erweckte Mensch in Christus.«650 Christi Gestalt in der Kirche wird zum Ausgangspunkt einer christlichen Ethik der Gestaltung, da sie der Ort der Gestaltwerdung Christi und deren Verkündigung ist. Kernpunkt einer solchen Ethik ist nicht die Frage nach dem Guten, sondern »wie Christus unter uns heute und hier Gestalt gewinne.«651 Die Bedrohung, der sich das gegenwärtige Abendland gegenübergestellt sieht, zeigt Bonhoeffer im Manuskript ›Erbe und Verfall‹ auf. Das geschichtliche Erbe 647 648 649 650 651

A.a.O., S. 52. Vgl. a.a.O., S. 41–60. A.a.O., S. 62–90. A.a.O., S. 84. A.a.O., S. 87.

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Stationen des Kirchenverständnisses von Bonhoeffer

des Abendlandes, seine Einheit in Christus, befindet sich im Begriff der Auflösung. Der Abfall des Abendlands in das Nichts, unter dem Bonhoeffer Gewalt, Gottes- und Menschenfeindlichkeit versteht, kann nur durch zwei Dinge aufgehalten werden: die erneute Erweckung des Glaubens sowie eine starke staatliche Ordnungsmacht. Während sich die staatliche Ordnung noch rudimentär gegen den Verfall stützen kann, ist die Aufgabe der Kirche umso größer. Sie steht einer christusfeindlichen Welt gegenüber, der sie Zeugnis von Christus geben muss.652 Nach dem Manuskript ›Schuld, Rechtfertigung und Erneuerung‹653 ist die Kirche nicht nur der Ort von Christi Gestaltwerdung, sondern auch der Ort des Schuldbekenntnisses. In der Kirche finden sich die Menschen zusammen, die durch Christus zur Schulderkenntnis geführt wurden. Ihre Schuld bekennen sie in der Kirche, auf die nun die ganze Schuld der Welt fällt, und erhalten die Möglichkeit der Vergebung. Das Bekenntnis der persönlichen Schuld schließt die Einzelnen zusammen im Schuldbekenntnis der Kirche.654 Der Einzelne und die Kirche werden in ihrer Schuld gerichtet, aber auch gerechtfertigt. Die Rechtfertigung und Erneuerung der Kirche geschieht durch ihren Glauben an Christus. Die Rechtfertigung und Erneuerung des Abendlandes muss alle Völker umfassen und kann nur in Form eines Heilungsprozesses erfolgen, indem das Unrecht vernarbt sowie Recht und Ordnung wieder hergestellt werden. Die Kirche nimmt dann als Ursprung der Vergebung in Christus einen eigenen Raum unter den Völkern ein.655 Nachdem Bonhoeffer aufgrund von Verdächtigungen in seiner Tätigkeit für die Abwehr in den letzten Monaten des Jahres 1942 nicht mehr reisen konnte, blieb er in Berlin und arbeitete dort am Manuskript ›Kirche und Welt I‹656. In seine Worte fließt der Eindruck einer durch das NS-Regime bedrängten Kirche ein, an die sich Vertreter menschlicher Werte wenden, um in ihr Zuflucht und Bundesgenossenschaft zu finden.657 Diese Entwicklung deutet Bonhoeffer hoffnungsvoll als Rückkehr der entlaufenen Kinder zu ihrem mütterlichen Ursprung. Christus stellt Ursprung und Zentrum dar, er ist der letzte Halt. Ausgehend vom Jesus-Wort in Mt 12, 30: »Wer nicht wider uns ist, der ist mit uns« zeigt Bonhoeffer den Ausschließlichkeitsanspruch und den Ganzheitsanspruch 652 Vgl. a.a.O., S. 93–124. 653 A.a.O., S. 125–136. 654 An dieser Stelle arbeitet Bonhoeffer mit dem in ›Sanctorum Communio‹ eingeführten Gedanken von Einzel- und Kollektivperson, indem er die einzelnen Kirchenglieder vom Gesamt-Ich, welches das kirchliche Schuldbekenntnis spricht, unterscheidet. Vgl. DBW 6, S. 128 und vgl. DBW 1, S. 74ff. 655 Vgl. DBW 6, S. 132–136. 656 A.a.O., S. 342–353. 657 Vgl. a.a.O., S. 430 und vgl. Bethge (2005), S. 878f.

›Ethik‹

203

dieses Satzes auf und deren Konsequenzen, wenn nur einer der Ansprüche in der Kirche geltend gemacht wird. Die Folgen eines alleinigen Ausschließlichkeitsanspruches führt die Kirche in den isolierten Fanatismus, berücksichtigt sie dagegen nur den Ganzheitsanspruch verweltlicht die Kirche und gibt sich selbst preis. Die konkrete Verfolgung treibt Menschen in die Gemeinde Jesu hinein und überträgt dieser eine große Verantwortung.658 Im Text ›Über die Möglichkeit des Wortes der Kirche an die Welt‹659 geht Bonhoeffer der Frage nach, ob und wie die Kirche angesichts der vielfältigen Probleme der Welt zu dieser sprechen kann. Der vor allem im angelsächsischen Raum verbreiteten Auffassung, die Kirche müsse sich bemühen, für alle weltlichen Probleme eine Lösung zu finden, entgegnet Bonhoeffer, dass das Wort Jesu nicht auf die Lösung weltlicher Probleme, sondern auf die Erlösung der Welt ziele. Mit der Erlösung werde sich auch eine Lösung einstellen. Zudem gäbe es menschliche Probleme, die unlösbar seien und die als Gottes Hinweis auf Sündenfall und Erlösung verstanden werden müssten. Auch gibt es wiederholt Fälle in der Geschichte, in der die Kirche mit ihren Lösungsansätzen mehr Schaden als Nutzen angerichtet habe. Hauptaufgabe der Kirche sei folglich nicht, die Probleme der Welt zu lösen, sie könne sich dieser Aufgabe aber auch nicht komplett entziehen. Das Verhältnis der Kirche zur Welt gestaltet sich durch das Evangelium. Sie muss ihrer Verantwortung nachkommen, das Evangelium und Gesetz in Wort und Tat zu bezeugen und diesem in der Welt Raum zu schaffen. Auch wenn sie es selbst nicht herbeiführen kann, so muss die Kirche Christus in der Welt den Weg bereiten und in diesem Zusammenhang stößt sie immer wieder auf die weltlichen Ordnungen. »Also: allein aus der Christuspredigt folgt das Wort der Kirche über die irdischen Ordnungen, nicht aber gibt es eine eigene, an und für sich gültige Lehre der Kirche über ewige Ordnungen und Rechte der Natur und der Menschen, die auch unabhängig vom Glauben an Christus Anerkennung fordern könnte.«660

Ausgehend davon zeigt die Kirche auch ein bestimmtes Interesse an den weltlichen Bereichen, die dem Glauben an Christus hinderlich oder förderlich entgegentreten. Sie reagiert darauf mit einem zweifachen Verhalten: Zum einen verwirft sie in der Ausübung des Amtes die dem Glauben hinderlichen Bereiche mit der Autorität des göttlichen Wortes, zum anderen leistet sie aus diakonischer Perspektive ihren Beitrag zur Neuordnung dieser Bereiche.661 Aus den Druckfahnen von Barths Kirchlicher Dogmatik Bd. II/2 empfing 658 659 660 661

Vgl. DBW 6, S. 346ff. A.a.O., S. 354–364. A.a.O., S. 362f. Vgl. a.a.O., S. 355–364.

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Stationen des Kirchenverständnisses von Bonhoeffer

Bonhoeffer die Anregung, sich mit dem Gebot Gottes als dem Gegenstand christlicher Ethik auseinanderzusetzen. Im Manuskript ›Das ›Ethische‹ und das ›Christliche‹ als Thema‹‹662 verleiht Bonhoeffer dem in Christus offenbarten Gebot Gottes den Stellenwert der einzigen Ermächtigung zur ethischen Rede.663 Er schafft eine Verknüpfung zu seiner Mandatelehre, indem das Gebot an die vier Mandate Kirche, Familie, Arbeit und Obrigkeit ergeht. Die Mandate müssen sich selbst begrenzen, »indem sie neben- und miteinander jedes in seiner Weise das Gebot Gottes zur Geltung bringen, sind sie von oben her zur Rede ermächtigt.«664 Wie dieses Neben- und Miteinander der Mandate in Bezug auf das Gebot Gottes zu verstehen ist und welche Rolle das Gebot Gottes im Mandat der Kirche spielt, entfaltet Bonhoeffer ausführlicher im Manuskript ›Das konkrete Gebot Gottes und die göttlichen Mandate‹665. Das Gebot Jesu eint und begegnet in den vier Mandaten. Die Träger der Mandate nehmen die Stellung von Platzhaltern Gottes in der Welt ein. Das Mandat wird durch Gott, die anderen Mandate und das Untensein begrenzt. Der göttliche Charakter der Mandate wird an ihrem Für-, Mit- und Gegeneinander sichtbar. Im Mandat der Kirche zeigt sich die Gestalt des Gebotes Gottes in Predigt und in der Beichte bzw. Gemeindezucht. Beide Gestalten sind von gleich großer Bedeutung für die Kirche und beide stellen die Verkündigung der göttlichen Offenbarung dar. Die Oben-untenStruktur gestaltet sich im Mandat der Kirche von oben durch das Amt der Verkündigung, von unten durch die hörende Gemeinde. Das Predigtamt ist von Gott ein- und in die Gemeinde hineingesetzt. Wird das Predigtamt ernsthaft ausgeübt, so bringt es in der Gemeinde die Früchte des Glaubens und Dienstes. Die kirchliche Verkündigung ist Christusverkündigung und kann nicht in Welt und Gemeinde aufgeteilt werden. Die Kirche verkündigt das eine Gebot Gottes, indem sie Christus bezeugt und in die Gemeinschaft mit ihm ruft. Als eigenes Gemeinwesen steht die Kirche in einer doppelten Ausrichtung, wie Bonhoeffer am Begriff der Stellvertretung verdeutlicht: »Die christliche Gemeinde steht an der Stelle, an der die ganze Welt stehen sollte; insofern dient sie stellvertretend der Welt, ist sie um der Welt willen da. Andererseits kommt die Welt dort zu ihrer eigenen Erfüllung, wo die Gemeinde steht, die Gemeinde ist […] das Ziel der Wege Gottes auf Erden.«666

662 663 664 665 666

A.a.O., S. 365–391. Vgl. a.a.O., S. 381 und 431. A.a.O., S. 384. A.a.O., S. 392–412. A.a.O., S. 408.

Gefängnisschriften

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4.10 Gefängnisschriften In den Schriften, die Bonhoeffer in seiner zweijährigen Inhaftierung verfasste, spielen ekklesiologische Gedanken nur teilweise eine Rolle. Hervorzuheben ist Bonhoeffers Entwurf einer Arbeit vom August 1944 und der nur wenige Monate zuvor aufgenommene Briefwechsel mit seinem Freund Eberhard Bethge. Die Briefe zwischen Bonhoeffer und Bethge konnten mithilfe eines Wachmanns an der Zensur vorbeigeführt werden, bedienen sich aber dennoch aus Vorsichtsgründen bei bestimmten Themen – vor allem der Konspiration – einer verschlüsselten Sprache.667 In den Briefen tauschten sich die beiden Freunde nicht nur auf persönlicher, sondern auch auf theologischer Ebene aus. Die Briefe geben Zeugnis von der theologischen Gedankenwelt Bonhoeffers, die auch die Kirche mit einschließt. Ausgangspunkt ist Bonhoeffers Frage »was das Christentum oder auch wer Christus heute für uns eigentlich ist.«668 Er nimmt eine Analyse seiner Zeit vor, deren Kennzeichen eine fehlende Empfänglichkeit des Menschen für Religiöses ist. Er prognostiziert eine vollkommen religionslose Zeit, in der das Fundament der christlichen Verkündigung – das religiöse Apriori des Menschen – seine Tragfähigkeit verlieren könne. Die Herausforderung besteht darin, von Gott zu sprechen aus dem Verständnis heraus, nicht religiös bevorzugt, sondern ganz der Welt zugehörig zu sein. Das Reden von Gott fällt Bonhoeffer gegenüber Religionslosen leichter, da bei ihnen Gott nicht die Funktion einer zu füllenden Leerstelle einnimmt, wie Bonhoeffer es im Gespräch mit religiösen Menschen zuvor erlebte. Er schreibt: »ich möchte von Gott nicht an den Grenzen, sondern in der Mitte, nicht in den Schwächen, sondern in der Kraft, nicht also bei Tod und Schuld, sondern im Leben und Guten des Menschen sprechen.«669 Bonhoeffers Religionskritik hat Konsequenzen für sein Verständnis von Kirche: Wie Gott »mitten in unserem Leben jenseitig« ist, so soll auch die Kirche »nicht dort, wo das menschliche Vermögen versagt, an den Grenzen, sondern mitten im Dorf«670 stehen. Bonhoeffers Kritik richtet sich auch gegen die bestehende Kirche seiner Zeit, deren Kämpfe sich in den Jahren zuvor ausschließlich um ihre Selbsterhaltung gedreht hätten und die ihre Fähigkeit verloren habe, der Menschheit und der Welt das Wort der Versöhnung und der Erlösung zu bringen. Im Taufbrief an seinen Großneffen Dietrich Bonhoeffer vom Mai 1944 skizziert Bonhoeffer seine Vision einer umgekehrten und geläuterten Kirche. Er kündigt eine Zeit an, in der 667 668 669 670

Vgl. DBW 8, S. 643 und vgl. Bethge (2005), S. 951. DBW 8, S. 402. A. a. O, S. 407f., vgl. auch a.a.O., S. 454. A.a.O., S. 408.

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Stationen des Kirchenverständnisses von Bonhoeffer

Menschen wieder befähigt werden, das Wort Gottes in einer neuen – vielleicht gänzlich unreligiösen – Sprache so zu verkündigen, dass eine Erneuerung der Welt geschehe.671 Im ›Entwurf für eine Arbeit‹ greift Bonhoeffer diese Thematik auf und formuliert Konsequenzen für die Kirche. Aufgabe der Kirche soll nicht ihre Selbsterhaltung sein, sondern ihr Dasein für Andere. Darin zeigt sich ihr Wesen als wahre Kirche: »Die Kirche ist nur Kirche, wenn sie für andere da ist«.672 Das Dasein für andere begründet Bonhoeffer christologisch. Die Erfahrung des Fürandere-Daseins Jesu ermögliche dem Menschen die Erfahrung des Transzendenten. Im Glauben nehme der Mensch an diesem Sein Jesu teil und gestalte sein Verhältnis zu Gott als neues Leben im Dasein für andere. Aus dem Menschsein für andere resultiert das Für-andere-Dasein der Kirche. Bonhoeffer konkretisiert diese Forderung, indem er verlangt, die Kirche müsse ihr Eigentum hergeben und die Pfarrer von den Gaben ihrer Gemeinde leben lassen. Auch in ihrer Verkündigung müsse die Kirche deutlich machen, was es bedeute, für andere da zu sein. Kirche dürfe sich nicht auf ihren eigenen Bereich zurückziehen. Vielmehr sei gerade in den weltlichen Bereichen des menschlichen Lebens in der Gemeinschaft mit anderen die Aufgabe der Kirche, daran in helfender und dienender Weise teilzuhaben. Kirche dürfe ihre Vorbildfunktion nicht unterschätzen, durch die sie ihrem Wort Kraft verleihe.673

671 Vgl. a.a.O., S. 435f. 672 A.a.O., S. 560. 673 Vgl. a.a.O., S. 558ff.

5

Konkretionen des Ineinandergreifens von Bonhoeffers Kirchenverständnis und gemeindepädagogischem Wirken

5.1

Die ekklesiologische Begründung christlicher Erziehung

In diesem Kapitel der Arbeit sollen Verbindungen zwischen Bonhoeffers Kirchenverständnis und seinem gemeindepädagogischen Wirken aufgezeigt werden. Folgende Annahmen sind dabei leitend: Auf der einen Seite ist davon auszugehen, dass Bonhoeffers Kirchenverständnis Einfluss auf sein gemeindepädagogisches Wirken hatte. Auf der anderen Seite wird der Eingang von Bonhoeffers gemeindepädagogischem Wirken in seine Ekklesiologie vorausgesetzt. Es wäre allerdings ein Irrtum anzunehmen, dass die beiden Einflussrichtungen genau unterscheidbar sind. Vielmehr sind auch wechselseitige und zirkulare Einflüsse sowie Einflüsse von dritter Seite denkbar. Anhand gemeinsamer Themen soll die Schnittmenge von Gemeindepädagogik und Ekklesiologie auf ihre Charakteristika hin untersucht werden, indem themenspezifische Äußerungen Bonhoeffers miteinander ins Gespräch gebracht werden. Die Notwendigkeit christlicher Erziehung ist in Bonhoeffers Ekklesiologie verankert. Am Deutlichsten lässt sich ein Begründungsmuster in Bonhoeffers frühester und ausführlichster ekklesiologischer Schrift, der Dissertation ›Sanctorum Communio‹ von 1929, erkennen. Ausgangspunkt von Bonhoeffers Denken ist die Kirche als Offenbarungsgestalt Gottes. Bonhoeffers Auseinandersetzung mit dem evangelischen Theologen und Philosophen Heinrich Scholz fällt in diesem Kontext auf, da sie sich mit dem Zusammenhang zwischen Offenbarung und religiöser Erziehung befasst. Scholz untersucht das Verständnis von Religion als Ausdruck eines Gottesbewusstseins, das Offenbarung voraussetzt. Seine beiden Axiome lauten, dass Religion erstens ponderabel, also für den menschlichen Geist fassbar sei, und dass zweitens jede Religion sich nicht als menschliche Schöpfung, sondern als Verbindung mit dem Göttlichen verstehe, die auf der Offenbarung beruhe.674 Demnach könne Reli674 Vgl. Scholz, Heinrich, Religionsphilosophie. Photomechanischer Nachdruck der zweiten, neuverfassten Ausgabe, Berlin 1974 [1922], S. 42 und 89.

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Konkretionen des Ineinandergreifens

gion nicht mehr als »Apriori des menschlichen Geistes«675 betrachtet werden. Und Scholz folgert: »Wenn die Religion auf der einen Seite ebenso zu den Ponderabilien des menschlichen Geistes gehört, wie auf der andern Seite nicht zu seinem apriorischen Besitztum, so muß es eine religiöse Erziehung geben. Erziehung aber setzt Überlieferung voraus, und Überlieferung ist nicht denkbar ohne Gemeinschaft. Es muss also eine religiöse Gemeinschaft geben, weil es eine religiöse Überlieferung geben muß. Es muß eine religiöse Überlieferung geben, weil es eine religiöse Erziehung geben muß. Und es muß eine religiöse Erziehung geben, weil die Religion kein Apriori des menschlichen Geistes und der religiöse Autochthone die Ausnahme ist.«676

Über die Erziehung leitet Scholz also indirekt den Gemeinschaftsgedanken von Religion her und bezeichnet die Elemente dieses Zusammenhangs als soziologische Kategorien.677 Diese Erkenntnis erklärt Bonhoeffers Auseinandersetzung mit Scholz, da er sich in ›Sanctorum Communio‹ dem Kirchenbegriff unter anderem von soziologischer Seite her nähert und dem Gemeinschaftsgedanken in seiner Ekklesiologie einen großen Stellenwert verleiht. Bonhoeffer kritisiert an Scholz zum einen dessen Offenbarungsbegriff. Zum anderen fragt er nach religiöser Erziehung im Offenbarungsverständnis von Scholz. Nach Scholz könne wohl nur religiöses Wissen vermittelt werden. Bonhoeffer kommt zu folgender Beurteilung: »Das scheint aber noch keine spezifische Erziehung in oder zur Religion zu sein, und der Träger solcher Erziehung, die die Überlieferung bewahrende Gemeinschaft, hat als solche keine Qualifikation als spezifisch-religiöse Gemeinschaft, geschweige denn als Kirche. […] Scholz sagt uns im Grunde nicht mehr, als daß Religion der Übermittlung an andere fähig ist […] und insofern gewisse soziale Wirkungen ausübt. Damit ist aber nichts Neues und auch nichts wesentlich zur Religion Gehöriges gesagt, sondern eine historische Selbstverständlichkeit.«678

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Scholz’ Ansatz für Bonhoeffers Verständnis einer Notwendigkeit der Gemeinschaftsform von Kirche nicht ergiebig genug ist. Allerdings lässt er den von diesem aufgezeigten Zusammenhang von Offenbarung, Tradition und religiöser Erziehung stehen und bestreitet weder die Gegebenheit noch die sozialen Aspekte religiöser Erziehung. Für Bonhoeffer ist die religiöse Erziehung – das bedeutet in diesem Kontext die christliche Erziehung – im Wesen der kirchlichen Gemeinschaft verankert. Diese Verbindung gilt es zu analysieren. Die Kirche ist geschichtliche Gemeinschaft und gottgesetzt. Bonhoeffer warnt 675 676 677 678

A.a.O., S. 115. Ebd. Vgl. a.a.O., S. 116. DBW 1, S. 83.

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aber davor, sie im historisierenden Sinne misszuverstehen. Kirche dürfe nicht mit religiöser Gemeinschaft verwechselt werden, wie er es der Religionsphilosophie von Scholz vorwirft.679 Bonhoeffer gelangt zu dieser Schlussfolgerung über die Zuhilfenahme der Religionssoziologie, mit der er die Gemeinschaftsstrukturen der empirischen Kirche beleuchtet, um die gewonnen Erkenntnisse dogmatisch fruchtbar zu machen. Während die religiöse Gemeinschaft keine spezifische soziologische Struktur besitzt, erkennt Bonhoeffer in der geistbegründeten empirischen Kirche die soziologischen Typen Herrschaftsverband, Gemeinschaft und Gesellschaft, deren Durchdringung durch den Geist verwirklicht wird. Relevant für die christliche Erziehung sind für ihn alle drei Typen, die letzten beiden sind in der Kirche allerdings nicht in Reinform vorhanden. Der Typus des Herrschaftsverbandes bedeutet, dass in der sanctorum communio der göttliche Wille herrscht. Der Wille Gottes ist auf den einzelnen Menschen und die Kirche gerichtet. Wird der Wille Gottes verwirklicht, wächst die Kirche. Diese Verwirklichung wurde durch die Tat Christi bereits vollendet, muss aber in einer persönlichen Aneignung des Einzelnen geschehen. Bemerkenswert ist, dass die Auseinandersetzung Bonhoeffers mit den soziologischen Typen der Gemeinschaft und Gesellschaft von der Frage mitbestimmt wird, inwieweit sie dem Vorhandensein von Kindern und dem kirchlichen Handeln an ihnen gerecht wird. Der Wille der Zugehörigkeit zur Gemeinschaft wird ausgedrückt durch die bewusste Teilnahme daran und kann auch schon von jüngeren Kindern erfolgen. Bis diese imstande sind, ihren eigenen Willen auszudrücken, stellt dieser einen Teil des Willens ihrer Eltern dar. Die Gesellschaft ist als Verband rationalen Handelns zu verstehen, die der Einzelne zur Verwirklichung und Wahrung seiner Interessen gebraucht. Die persönliche Komponente der Gemeinschaft fehlt der Gesellschaft. Zudem erfordert sie im Gegensatz zur Gemeinschaft einen ausgesprochenen und vertraglich festgehaltenen Eintritt.680 Die Gesellschaft kann in der Form der Anstalt oder des Vereins existieren. Für Bonhoeffer vernachlässigt der Anstaltsbegriff allerdings den Gemeindegedanken. Kritikpunkte Bonhoeffers an der Konstruktion von Kirche als Verein sind neben der Lehre die äußere Organisation. Der öffentliche Charakter der kirchlichen Versammlungen könnte in einem Verein nicht gewahrt werden, zudem fehlten im Verein Tradition und sinnerfüllte Formen. Ein besonderer Kritikpunkt Bonhoeffers bezieht sich auf die Aufnahme von Säuglingen und Kindern in einen Verein, die er als sinnlos erachtet. Damit wäre die Kindertaufe infrage gestellt.681 Eine weitere Konsequenz 679 Vgl. a.a.O., S. 79 und S. 84. 680 Vgl. a.a.O., S. 58f. 681 Vgl. a.a.O., S. 16ff, 58f., 87f., 116, 174–177 und 183.

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wäre die Ausklammerung von Kindern aus der christlichen Erziehung im Verein, die folglich nur mündige Mitglieder berücksichtigen dürfte, was von Bonhoeffer aber abgelehnt wird. Die bisherige Analyse führt zu Bonhoeffers Hauptansatzpunkt in seiner Begründung der christlichen Erziehung. Bonhoeffer versteht die Taufe als Handeln der Gemeinde, das sich in der Form der Kindertaufe ereignet. Einen Grund dafür führt er nicht an, er bezeichnet lediglich die Kindertaufe als Mittel zur Volkskirche, durch das man zur freiwilligen Kirche durchdringen könne.682 Unter bestimmten Bedingungen gesteht er eine Abweichung von dieser Art der Taufe zu.683 Die Taufe hat für Bonhoeffer eine zweifache Bedeutung: Zum einen ist sie »wirksames göttliches Handeln in der Gnadengabe, durch die das Kind in die Gemeinde Christi hineingestellt wird«684, zum anderen geht mit ihr der Anspruch nach dem Verbleib des Kindes in der Gemeinde einher. Dieser Anspruch stützt sich darauf, dass das Sakrament der Taufe den Glauben erfordert, über den das Kind bei der Taufe aber nicht verfügt. Der Glaube kommt vielmehr von der Gemeinde, die das Kind in der Taufe aufnimmt und in diesem glaubt. In der Taufe nimmt die Erziehung vonseiten der Kirche ihren Anfang, indem die Gemeinde gelobt, das Kind in der christlichen Lehre zu erziehen, wie es beispielsweise im Kindergottesdienst und Konfirmandenunterricht geschieht.685 Ziel ist das spätere Mitwirken des Kindes in der Gemeinde.686 Mit der Konfirmation kommt es zu einer öffentlichen Bestätigung des gemeindlichen Unterrichts durch die Konfirmanden. Gleichzeitig bezeugen sie den Beginn ihres eigenen Wollens als Glieder der Gemeinde.687 Dass Bonhoeffers Fokus bei der Begründung der christlichen Erziehung auf dem Handeln der Gemeinde im Taufgeschehen liegt, bestätigt die acht Jahre später gehaltene Katechetik-Vorlesung. Die nur noch als Mitschrift existierende Vorlesung aus dem zweiten Kurs 1935/36 der illegalen Predigerausbildungsstätte der Bekennenden Kirche in Finkenwalde gilt als Bonhoeffers umfassendste Beschäftigung mit Gemeindepädagogik. Diese gibt Bonhoeffers theologische Begründung der christlichen Erziehung mit folgenden Worten wieder :

682 Vgl. a.a.O., S. 283, Anmerkung 329. 683 Bonhoeffer schreibt dazu: »Damit ist aber dem Sinn der Kindertaufe dort die Grenze gesetzt, wo die Gemeinde nicht mehr ernsthaft daran denken kann, das Kind zu ›tragen‹, wo die Kirche innerlich zerrüttet ist und es gewiß ist, daß das Kind das erste und letztemal mit ihr in Berührung tritt. […] hier aber muß rechtzeitig erkannt werden, wo eine Kirche nicht mehr Volks-, sondern Missionskirche geworden ist.«, DBW 1, S. 165. 684 A.a.O., S. 164. 685 Vgl. ebd. und a.a.O., S. 282f., Anmerkung 329. 686 Vgl. a.a.O., S. 286, Anmerkung 378. 687 Vgl. a.a.O., S. 165, Anmerkung 109.

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»Es ist ein Teil der christlichen Erziehung, die ein Teil christlicher Verkündigung, die jeden Menschen darauf anredet, daß er immer schon von Gott in Beschlag gelegt ist, sei es durch das Gericht Gottes (Heide), oder durch die Gnade (Taufe: an die Gemeinde). Hier redet also die Kirche vor allem andern das Kind auf seine Taufe an, auf seine Zugehörigkeit zur Kirche.«688

Wie schon in ›Sanctorum Communio‹ bildet hier das Taufgeschehen den Grund der christlichen Erziehung. Allerdings hat sich Bonhoeffers Argumentationsweise durch die Geschehnisse des Kirchenkampfs verschoben. In ›Sanctorum Communio‹ setzt er noch bei der Selbstverständlichkeit christlicher Erziehung in der Kirche als Geistgemeinschaft an, die in der Taufe das Kind im Glauben trägt und das Versprechen abgibt, es in der christlichen Lehre zu erziehen, bis es zur Bekundung des eigenen Glaubens fähig ist. In der Katechetik-Vorlesung steht dagegen die Würde der Kirche im Vordergrund, die sich nicht im Kampf um die Jugend gegen den Staat zu behaupten meinen muss. Vielmehr soll sie die jungen Menschen in der Verkündigung auf ihre Taufe hinweisen, durch die sie sich schon unter der Herrschaft Gottes befinden.689 Dass Bonhoeffer durch den Kirchenkampf etwas von seinem Vertrauen in die Gemeinde eingebüßt hat, zeigt die sich gewandelte Formulierung in den Taufreden aus dem vierten Finkenwalder Kurs 1936/37. War es in ›Sanctorum Communio‹ noch die Gemeinde gewesen, die das Kind in der Taufe trägt, so ist es in den Taufreden nun Gott, der das Kind trägt.690 Bonhoeffers Anspruch an die Gemeinde bleibt aber nach wie vor bestehen. Im Vortrag Bonhoeffers über ›Schlüsselgewalt und Gemeindezucht im Neuen Testament‹, der im darauffolgenden Kurs gehalten wurde, betont Bonhoeffer, dass die Gemeinde die Verantwortung trage, das Kind durch die Unterweisung der Gemeinde zuzuführen.691 Im Schlussteil der Katechetik-Vorlesung von 1935 stellt Bonhoeffer seinen Entwurf einer vereinheitlichten und am altkirchlichen Katechumenat orientierten kirchlichen Unterweisung vor. Sein Ziel für die Erziehung innerhalb der Kirche ist die Teilnahme am Gottesdienst der Gemeinde.692 Auch diese Ausrichtung kirchlicher Erziehung lässt sich mit Bonhoeffers Ekklesiologie, genauer gesagt mit seinem Verständnis des Gottesdienstes, in ›Sanctorum Communio‹ begründen: Die Kirche als Einzelgemeinde wird zusammengehalten durch die Versammlung um das Wort. Die Gemeinde wird durch das Wort zusammengerufen und sammelt sich um das Wort, um es zu hören. Das Wort schafft die Gemeinde 688 689 690 691 692

DBW 14, S. 531. Vgl. ebd. Vgl. DBW 1, S. 164f. und DBW 14, S. 741. Vgl. DBW 14, S. 835. Vgl. a.a.O., S. 552.

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und die Einheit von empirischer und wesentlicher Kirche.693 Neben der Einheitsbildung durch das Wort ist dessen Erscheinung in der Gemeinde als gepredigtes Wort der Grund, dass die empirische Kirche ihre Funktion, den Predigt- und Sakramentgottesdienst, erfüllen muss. Die »Predigt ist gottverordnete Tätigkeit der Gemeinde für die Gemeinde.«694 Der Predigt kommt in der Gemeinde folgende Bedeutung zu: Das Wort wirkt durch den Heiligen Geist auf unterschiedliche Weise und führt die Aktualisierung der Kirche herbei. Die Predigt soll auf die Hörenden wirken, sie unter die Gottesherrschaft ordnen und sie in die sanctorum communio hineinstellen.695 Auch wenn die Predigt nur in der sanctorum communio wirksam ist, greift das Wort in der Predigt über die sanctorum communio hinaus. Da eine Scheidung der Mitglieder der sanctorum communio von den Mitgliedern der peccatorum communio in der empirischen Kirche erst im Jüngsten Gericht möglich gemacht wird, wendet sich das Wort an alle, die möglicherweise zur sanctorum communio gehören könnten und damit an die gesamte Zuhörerschaft.696 Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Bonhoeffer bei der Begründung der christlichen Erziehung die Kirche als Offenbarungsgestalt vor Augen hat. Sie ist als empirische Kirche sanctorum communio und Geistgemeinschaft. Für Bonhoeffer ist es bei der Bestimmung der soziologischen Struktur der Kirche relevant, ob die einzelnen Typen die Taufe und religiöse Erziehung von Kindern stimmig erscheinen lassen. Die Kindertaufe stellt das Bindeglied zwischen Bonhoeffers Ekklesiologie und seinem Verständnis der Erziehung innerhalb der Kirche dar. In der Taufe wird das Kind in die Gemeinde und deren Glauben hineingestellt. Gleichzeitig ist die Taufe der Ausgangspunkt der christlichen Unterweisung, zu der sich die Gemeinde verpflichtet. Der Gottesdienst, dem Bonhoeffer in seiner Ekklesiologie mit dem Wirken des Wortes eine besondere Stellung zuweist, wird damit für die christliche Erziehung zentral. Mit ihrer Hilfe soll der junge Mensch zur Teilnahme am Gottesdienst geleitet werden, um dort an der sich ereignenden Aktualisierung der Kirche teilzuhaben.

693 694 695 696

Vgl. DBW 1, S. 154f. A.a.O., S. 155. Vgl. a.a.O., S. 154f. und 161. Vgl. a.a.O., S. 100–106, 138f., 149 und 159.

Gemeindepädagogisches Wirken zwischen Wort und Sakramenten

5.2

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Gemeindepädagogisches Wirken zwischen Wort und Sakramenten

5.2.1 Von der Taufgemeinde zur Abendmahlsgemeinde Nachdem die Begründung der kirchlichen Erziehung ausgehend von Bonhoeffers Ekklesiologie dargelegt wurde, soll die Beobachtung berücksichtigt werden, dass Bonhoeffer in ›Sanctorum Communio‹ verschiedene Amtshandlungen unterscheidet, die Auswirkungen auf die soziologische Struktur der Gemeinde haben. Die Taufgemeinde bildet den äußeren Ring von drei konzentrischen Kreisen. Sie umschließt die Predigtgemeinde und diese wiederum die Abendmahlsgemeinde. Allen drei Gemeindestrukturen ist gemeinsam, dass sie unter dem Wort stehen und sich in ihnen das Wirken des Heiligen Geistes ereignet.697 Der äußere und der innere Kreis umschließen mit den in ihnen sich ereignenden Sakramenten Taufe und Abendmahl die Predigtgemeinde. Die ineinander liegenden Kreise befürworten die Annahme, dass sich kirchliche Erziehung bei Bonhoeffer zwischen Wort und Sakramenten bewegt. Die Bewegung eines Menschen durch die soziologischen Gemeindestrukturen hindurch in Richtung des Kreisinneren muss somit ein grundlegendes gemeindepädagogisches Interesse Bonhoeffers darstellen. Dafür sollen zunächst die einzelnen soziologischen Gemeindestrukturtypen kurz vorgestellt werden. Wie das Bild der drei konzentrischen Kreise in Zusammenhang mit Bonhoeffers Verständnis kirchlicher Erziehung zu bringen ist, wird im Anschluss anhand von Konfirmation und Volksmission veranschaulicht. Interessanterweise wird das Wort ›Taufgemeinde‹ in ›Sanctorum Communio‹ nur an einer einzigen Stelle, nämlich in Bonhoeffers Unterscheidung von Tauf-, Predigt- und Abendmahlsgemeinde gebraucht. Damit wird ersichtlich, dass er der Taufgemeinde im Vergleich zu den beiden anderen Gemeindestrukturen keinen besonderen Wert beilegt. Die Mitglieder der Taufgemeinde lassen sich verstehen als »alle der Möglichkeit nach der Kirche Gehörigen«698. Durch die volkskirchliche Praxis der Kindertaufe umfasst diese Gruppe getaufte Kinder, die sie in ihrem Glauben tragenden Gemeindeglieder sowie getaufte Glieder, die der Kirche noch unentschlossen oder schon ablehnend gegenüberstehen.699 In

697 Vgl. a.a.O., S. 163. 698 A.a.O., S. 166. 699 Bonhoeffer äußert sich nicht klar dazu, ob alle Getauften auch zum Leib Christi gehören. In seinem Verweis auf die zuvor vorgenommen Klärung der Frage bezieht er sich vermutlich auf seine Behandlung der Frage, ob der ganze Leib Christi in der allgemeinen Kirche vorhanden sei. Dabei macht er deutlich, dass der Leib Christi an dieser Stelle kein Gestaltbegriff, sondern ein Funktionsbegriff sei. Auf die Taufe übertragen bedeutete dies, dass

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der Predigtgemeinde befinden sich im Gegensatz zur Taufgemeinde keine unmündigen Kinder mehr, da sich das in ihr ergehende Wort nur an geistig entscheidungsfähige Menschen richtet.700 Von ihrem Umfang her ist die Predigtgemeinde kleiner als die Taufgemeinde, da sich wohl nicht alle Getauften zum Gottesdienst versammeln.701 Unter Berücksichtigung der vorangegangenen Ausführungen (siehe auch Gliederungspunkte 5.1 und 5.2) lässt sich feststellen, dass Gemeindepädagogik nach Bonhoeffer in der Taufgemeinde begründet werden kann und auf die Zugehörigkeit zur Predigtgemeinde und von dort zur Abendmahlsgemeinde hinzielt. Nachdem in der Predigtgemeinde durch das Wort eine Entscheidung bewirkt wurde, wird diese Entscheidung in der Abendmahlsgemeinde sichtbar. Diejenigen, die sich zum Abendmahl versammeln, bekunden ihre Bereitschaft, sich unter die Gottesherrschaft zu stellen. Zahlenmäßig stellt die Abendmahlsgemeinde damit den kleinsten der drei konzentrischen Kreise dar. Die im Abendmahl versammelte Gemeinde bekennt sich zu Gott und zur Gemeinde. Dieses Bekenntnis geschieht im Gehorsam und zeigt sich als symbolisches Handeln.702 Die Bedeutung der Abendmahlsgemeinde liegt darin, dass sie »sowohl Quellpunkt der gemeindlichen Wirksamkeit [ist], wie andererseits in ihr alles Leben zusammenströmt; in dieser Doppelseitigkeit besteht ihre Lebendigkeit, die die Lebendigkeit der Kirche ist, Zielpunkt und Werkzeug Gottes zugleich zu sein.«703 Auch wenn die Abendmahlsgemeinde als Ideal gilt, bleibt sie empirische Kirche und ist nicht als sanctorum communio in reiner Gestalt zu verstehen.704 Bonhoeffers Hochschätzung des Abendmahls als zentraler Wirkungspunkt gemeindlichen Lebens verlangt einen genaueren Blick auf die Bedeutung des Abendmahls in seinem Verständnis kirchlicher Unterweisung. Um unterschiedliche Gruppen in der Gemeindearbeit zu berücksichtigen, soll zunächst der erste Abendmahlsgang bei der Konfirmation als Beispiel aus Bonhoeffers Jugendarbeit und im Anschluss das Abendmahl bei der Volksmission genauer betrachtet werden.

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die Taufe die Funktion der Eingliederung in den Leib Christi erfülle, die tatsächliche Eingliederung aus ihr nicht ersichtlich werden könne. Vgl. a.a.O., S. 166 und 153. Vgl. DBW 1, S. 163 und 169. In diesem Zusammenhang soll die Frage berücksichtigt werden, ob eine Zugehörigkeit zur sanctorum communio außerhalb der Versammlung zum Gottesdienst möglich ist. Bonhoeffer streitet dies nicht ab, sodass zum Beispiel kranke Menschen, die aufgrund ihrer körperlichen Verfassung nicht an den Gottesdiensten teilnehmen können, dennoch zur sanctorum communio gerechnet werden können. Die Versammlung der Gemeinde ist nicht heilsnotwendig, aber ihr kommt für die Gemeinde eine ganz besondere Bedeutung zu. Vgl. DBW 1, S. 155ff. Vgl. a.a.O., S. 163–167. A.a.O., S. 169f. Vgl. a.a.O., S. 168.

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5.2.2 Das Abendmahl in der kirchlichen Unterweisung 5.2.2.1 Das Abendmahl bei der Konfirmation Der Konfirmandenunterricht ist das Mittel, mit dem die Gemeinde ihrer Verpflichtung, das Kind in der christlichen Lehre zu unterweisen, nachkommt, die sie bei der Kindertaufe eingegangen ist. Bonhoeffer erachtet es in ›Sanctorum Communio‹ als kritisch, den Konfirmandenunterricht mit der Konfirmation als Bekenntnis des Glaubens in Verbindung zu bringen: »Mir erscheint eine derartige Auffassung der Konfirmation dem, was die Gemeinde als solche tun kann, nicht gerecht zu werden.«705 Er schlägt eine alternative Deutung der Konfirmation vor, die zu einer Neubewertung des ersten Abendmahlganges führt. Statt einem Bekenntnis des Glaubens könne die Konfirmation eine Bestätigung über den erhaltenen Unterricht sowie einen Ausdruck des Dankes gegenüber der Gemeinde darstellen. Die Gemeinde könne wiederum ein erneutes Versprechen abgeben, die Konfirmanden in die Gemeinde aufzunehmen und für sie zu bitten im Bewusstsein ihrer Verantwortung als Gemeinde für die Konfirmanden. Statt eines Glaubensbekenntnisses könnte man ein Bekenntnis der Konfirmanden erwarten, weiterhin mit der Gemeinde verbunden sein zu wollen. Indem man eine Trennung zwischen Konfirmation und erstem Abendmahlsgang vornehme, könne das Bekenntnis des Glaubens im ersten frei gewählten Abendmahlsgang des Konfirmanden erfolgen. Mit dieser Forderung bewegte Bonhoeffer sich in der Diskussion seiner Zeit.706 Es ist gut möglich, dass Bonhoeffer in seiner 705 A.a.O., S. 165, Anmerkung 109. 706 Vgl. ebd. Ein Literaturüberblick zur Konfirmationsfrage vom Ende des 19. Jahrhunderts an findet sich bei Hausschildt, vgl. Hausschildt, Karl, Zur Geschichte und Diskussion der Konfirmationsfrage vom Pietismus bis zum 20. Jahrhundert, in: Confirmatio. Forschungen zur Geschichte und Praxis der Konfirmation, hg. von: Kurt Frör, München 1959, S. 47–60. Bonhoeffers Position, mit der er selbst auf Ludwig Thimme verweist, existiert in ähnlicher Form noch Jahrzehnte später bei anderen Vertretern in der Diskussion um die Konfirmation. Im Kirchbüchlein der Bekennenden Kirche Altpreußens, das 1941 von Otto Dibelius und Oskar Hammelsbeck herausgegeben wurde, finden sich inhaltliche Parallelen zum aufgezeigten Konfirmations- und Kirchenverständnis Bonhoeffers, vgl. DBW 14, S. 1022ff. Mit Hammelsbeck hatte Bonhoeffer von 1939 an über mehrere Jahre hinweg regelmäßigen Kontakt (siehe Gliederungspunkt 6.3). Die Ordnung des kirchlichen Lebens in der Bekennenden Kirche sieht kein Konfirmationsgelöbnis mehr vor. Stattdessen bestätigt die Gemeinde dem Konfirmanden, dass er Kenntnisse über den Glauben der Gemeinde, die Bedeutung der Taufe und des Abendmahls erlangt habe. Die Konfirmation stellt einen Übergang zu weiteren Lernformen dar und schließt den kirchlichen Unterricht nicht ab. Mit der Konfirmation ist der Konfirmand zum Abendmahl zugelassen, vgl. Stein, Albert, Das »Kirchbüchlein« der Bekennenden Kirche Altpreußens, eine evangelische Lebensordnung der Kirchenkampfzeit, in: Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte, Bd. 43/1977, S. 309f. Das Bedürfnis nach einer Entscheidung des Konfirmanden in der Unterstützung der Gemeinde klingt an in den Worten: »Sie [die Gemeinde] erwartet und betet darum, daß der junge Christ willens bleibe, bei diesem Glauben zu stehen und ein

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Konkretionen des Ineinandergreifens

Position von Friedrich Mahling in den Praktisch-Theologischen Seminaren in Berlin beeinflusst wurde, da dieser schon 1899 gefordert hatte, die bisherige Konfirmationspraxis aufzugeben, kein Bekenntnis oder Gelübde zu verlangen sowie gegebenenfalls den ersten Abendmahlsgang von der Konfirmationsfeier zu trennen. Stattdessen solle eine Unterweisung der Jugendlichen mit anschließender Prüfung, Fürbitte und Einsegnung stattfinden.707 Mit seiner Forderung befindet sich Bonhoeffer auch in inhaltlicher Nähe zu Achelis, mit dem er sich nachweislich zwar erst in Finkenwalde befasste, der ihm aber mit seinem klassischen Lehrbuch der Praktischen Theologie schon früher geläufig gewesen sein musste.708 Es soll nun untersucht werden, inwieweit sich das Abendmahl als Ausdruck des Bekenntnisses zum christlichen Glauben in der eigenen Konfirmationspraxis Bonhoeffers wiederfindet und inwiefern ihm auch später noch in seinem gemeindepädagogischen Denken ein Platz zukommt. Betrachtet man die zwei erhaltenen Konfirmationspredigten Bonhoeffers unter dem Gesichtspunkt von Bekenntnis und Abendmahl bei der Konfirmation, lassen sich verschiedene Erkenntnisse gewinnen: Beiden Konfirmationspredigten709 liegt der inhaltliche Schwerpunkt einer Kampfsituation zugrunde. Für seine Berliner Konfirmanden wählte Bonhoeffer 1932 Jakobs Kampf am Jabbok (Gen 32, 25–32) als Predigttext aus und bei der Konfirmation von 1938 im pommerschen Kieckow thematisierte er den Kampf ausgehend vom Hilferuf des Vaters eines besessenen Jungen (Mk 9, 24). Die Berliner Konfirmanden mahnte Bonhoeffer : »Man kann nicht so mir nichts, dir nichts ins gelobte Land einziehen. Man kann auch so mir nichts, dir nichts Glied der christlichen Gemeinde werden, das heißt aber zur Konfirmation gehen. Warum denn nicht? Weil da Gott dazwischen tritt und sein Land bewacht und heilig hält und nicht will, daß wir da unheilig hineingehen.«710

Die Konfirmanden sollen wie Jakob um den Segen Gottes ringen, um in der Gemeinde nicht nur Gott, sondern auch die brüderliche Gemeinschaft zu finden. Auch zu den namentlich bekannten Kieckower Konfirmanden, drei Enkeln von Ruth von Kleist-Retzow, spricht Bonhoeffer über die ihnen bevorstehenden

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treues Glied seiner Kirche zu werden. In solcher Erwartung und Fürbitte spricht sie ihm den Segen zu.«, vgl. a.a.O., S. 255. Vgl. Mahling, Friedrich, Hefte der freien kirchlichen-sozialen Konferenz, 8, auszugsweise abgedruckt in: Bonhoff, Carl, Die Unhaltbarkeit der Forderung des Konfirmationsgelübdes. Leipzig 1908. S. 50ff. Vgl. a.a.O., S. 1107 und vgl. Achelis (1911), S. 327ff. Vgl. DBW 11, S. 408–414 und DBW 15, S. 476–481. Eine weitere Konfirmationsansprache findet sich in DBW Ergänzungsband, S. 311–313, diese muss aber, wie aus der Titelbemerkung hervorgeht, Kanitz zugeordnet werden. Auch dieser Konfirmationspredigt liegt eine Kampfsituation zugrunde, da sie sich auf Jesu geistliches Ringen im Garten Gethsemane ausrichtet. DBW 11, S. 411.

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Kämpfe des Glaubens: »Nicht nur Versuchung und Leiden, sondern vor allem Kampf wird euch euer Glaube bringen. Konfirmanden sind heute wie junge Soldaten, die in den Krieg ziehen, in den Krieg Jesu Christi gegen die Götter dieser Welt. Dieser Krieg fordert den Einsatz des ganzen Lebens.«711 Es scheint, dass Bonhoeffers Konfirmationsverständnis den Beginn einer Bewährungsprobe beinhaltet, in denen der junge Mensch mit den Kosten des Christseins konfrontiert wird. Dabei weisen die beiden Predigten unterschiedliche Akzente auf. Die erste Predigt ist unter dem Gesichtspunkt der von den Konfirmanden selbst gewünschten Vermahnung zu sehen. Ausgehend davon warnt Bonhoeffer sie vor einem leichtfertigen Verständnis des christlichen Lebens. Die zweite Predigt steht ganz in der Situation des Kirchenkampfes und wird von den Gedanken aus der ›Nachfolge‹ untermauert. Die Gedanken der Kieckower Konfirmationspredigt stützen den Ansatz von Bobert-Stützel, die Bonhoeffers christliche Unterweisung primär im Kampf der Bekennenden Kirche und ihrer Mitglieder gegen die häretische Kirche und den totalitären Staat verortet.712 Die verschiedene Akzentuierung des Kampfgedankens der beiden Predigten führt im Hinblick auf den Abendmahlsgang zu unterschiedlichen Ergebnissen. In der früheren Konfirmationspredigt lässt sich eine zeitliche Trennung von Konfirmation und erstem Abendmahlsgang um zwei Tage erkennen. Hier scheint Bonhoeffer seine Forderung aus ›Sanctorum Communio‹ umgesetzt zu haben, Konfirmation und ersten Abendmahlsgang zu trennen und ein Bekenntnis des Glaubens nicht bei der Konfirmation zu verlangen.713 Es ist anzumerken, dass Bonhoeffer sich mit dieser Entscheidung wohl in der gängigen Praxis bewegte.714 Aus der Konfirmationspredigt von 1938 lässt sich keine Trennung von Konfirmationsfeier, Bekenntnis des Glaubens und Abendmahl 711 DBW 15, S. 481. 712 Vgl. Bobert-Stützel (1995), S. 323ff. Eine ausführlichere Darstellung findet sich in Kapitel 2 dieser Arbeit. 713 Vgl. DBW 11, S. 411 und vgl. DBW 1, S. 165, Anmerkung 109. 714 Vgl. Generalsynode der Landeskirche, Agende für die Evangelische Landeskirche. Zweiter Teil. Kirchliche Handlungen, Berlin 1895, S. 30–36. Während die Agende für die Evangelische Landeskirche von 1895 bei der Konfirmationsfeier das Apostolikum sowie ein Gelübde vorsah und den Anschluss der Abendmahlsfeier unmittelbar an die Konfirmationsfeier als möglich ansah, findet sich im 1931 vorgelegten Entwurf zur Revision der bisherigen Agende folgender Hinweis: »Vorfeier (Prüfung der Konfirmanden), Konfirmation und Abendmahlsfeier sind als getrennte Handlungen gedacht. Wo in besonderen Fällen, etwa in räumlich ausgedehnten Diasporagemeinden die Zusammenlegung von zwei oder drei Handlungen sich nicht vermeiden läßt, ist auf angemessene Kürzung der dargebotenen Formen zu halten, ohne dadurch die Hauptstücke eine Beeinträchtigung erleiden.«, o. A., Agende für die Evangelische Kirche der Altpreußischen Union. Entwurf (Vorlage an die Provinzialsynoden), Berlin o. J., S. 288. Die Agende wurde allerdings nur zum Gebrauch freigegeben und nie offiziell verabschiedet, vgl. Niebergall, Alfred, Art. Agende, in: Theologische Realenzyklopädie, Bd. 2, hg. von Gerhard Krause/Gerhard Müller, Berlin 1978, S. 70.

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mehr entnehmen. Die Konfirmanden bekannten ihren Glauben zwischen Konfirmationspredigt und Konfirmationsfrage.715 Das Abendmahl wurde an der Konfirmationsfeier selbst eingenommen und hat das zeitlich getrennte Bekenntnismoment verloren. Bonhoeffer verlieh dem Abendmahl bei der Konfirmation stattdessen eine tröstende Bedeutung in den Glaubenskämpfen des Lebens: »Er [Gott] hat mitten in Versuchung, in Leiden und Kampf eine Freistatt des Friedens geschaffen. Das ist sein Heiliges Abendmahl. Hier ist Vergebung der Sünde, hier ist Überwindung des Todes, hier ist Sieg und Friede.«716 Im Unterschied zu den Konfirmanden von 1932 waren die drei Konfirmanden und ihre Familien Bonhoeffer schon länger persönlich bekannt. Die Konfirmanden in Kieckow hatten mit ihrer Entscheidung am Konfirmandenunterricht in einer bedrängten Kirche teilzunehmen, bereits ein Bekenntnis abgelegt. Eine Abstufung des Bekenntnisses als Bekenntnis der Konfirmanden zur Gemeinde vor dem Abendmahl ist so aus Bonhoeffers Sicht nicht mehr nötig. Die Kieckower Konfirmanden haben ihren Glauben bekannt und sind nun »zum Abendmahl berufen«717. Der Konfirmandenunterrichtsplan718 bekräftigt den Wandel in Bonhoeffers Haltung zum Bekenntnis des Glaubens an der Konfirmation: Hier fordert er in einer Soll-Formulierung ein dreifaches Bekenntnis des Konfirmanden in der Konfirmation. Die ersten zwei Bekenntnisse sind vergangenheitsorientiert, sie beinhalten das Bekenntnis zur erhaltenen Taufgnade und zum Empfang der christlichen Unterweisung. Das dritte Bekenntnis kommt den in ›Sanctorum Communio‹ zum Ausdruck gebrachten Vorstellungen Bonhoeffers noch am nächsten. Dieser Bekenntnischarakter der Konfirmation fehlte noch in Bonhoeffers erstem Katechismusentwurf von 1932. Der Aufruf an den Konfirmanden beschränkte sich dort ebenfalls auf drei Soll-Formulierungen, von denen aber nur die letzte bekenntnisartigen Charakter hat. Die erste Soll-Formulierung beinhaltet den Dank für das Evangelium, die zweite die Bitte um die Treue des eigenen Glaubens und die dritte lautet: »Du sollst Gott geloben, dass du dein Leben auf sein Wort wagst.«719 Wie die Konfirmationspredigt in Kieckow erkennen lässt, ist das Bekenntnis bei der Konfirmation für Bonhoeffer allerdings nicht mit der individuellen 715 716 717 718

Vgl. DBW 15, S. 477 und 482. A.a.O., S. 481. Ebd. In Kapitel 3.7.4 wurde der Konfirmandenunterrichtsplan Bonhoeffers gemeindepädagogischem Wirken unter Erwachsenen zugeordnet. An dieser Stelle wird der Konfirmandenunterrichtsplan für Bonhoeffers gemeindepädagogische Arbeit unter Jugendlichen herangezogen, da nicht die Adressaten Gegenstand der Betrachtung sind, sondern die inhaltlichen Aussagen zur Konfirmation. 719 DBW 11, S. 236f.

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Glaubensentscheidung gleichsetzen. Bei der Konfirmation ist der zu bekennende Glaube des Einzelnen, wie auch bei seiner Taufe, in der Gemeinde verankert. Bonhoeffer forderte die Konfirmanden auf: »daß ihr anfangt zu verstehen, daß euer Glaube eure eigene, allereigenste Entscheidung sein muß. Aus dem ›Wir glauben‹ muß nun immer mehr das ›Ich glaube‹ werden.«720 Hier lässt sich eine Verbindung zur Finkenwalder Katechetik-Vorlesung herstellen, in der Bonhoeffer den Erzieher aufforderte, sich mit den Kindern im Protest gegen die Taufgnade, in der Verkündigung des pro nobis und im Bekenntnis solidarisch zu zeigen.721 In beiden Fällen geht der individuellen Glaubensentscheidung der kollektive Glaube voraus. Aus gemeindepädagogischer Sicht ist der Konfirmand mit der Konfirmation an einer Schwelle angelangt, von der aus er alleine – aber in der Begleitung der Gemeinde – weitergeht. Die Gründe für Bonhoeffers gestiegene Erwartungshaltung an das Konfirmationsgeschehen lassen sich zum einen aus der angespannten kirchlichen und politischen Lage erkennen: Mit den Entwicklungen im Kirchenkampf wird bei Bonhoeffer ein grundlegendes Verlangen nach klaren Entscheidungen deutlich, die er in dieser Zeit nicht nur von Einzelnen, sondern auch von der Bekennenden Kirche und der Ökumene erwartete.722 Zum anderen ist Bonhoeffer an der geistlichen Entscheidungsfähigkeit des Menschen gelegen. Das Ziel für die Kieckower Konfirmanden ist schließlich, »daß ihr mündig werdet im Umgang mit Gottes Wort und im Gebet«723.

5.2.2.2 Das Abendmahl in der Volksmission Dass die Volksmission, wie sie in Finkenwalde praktiziert wurde, Bonhoeffers gemeindepädagogischem Wirken zuzuordnen ist, wurde in Gliederungspunkt 3.7.5 bereits dargelegt. Auch wenn die Finkenwalder Brüder während ihren Volksmissionsfahrten Kinder- und Konfirmandenstunden veranstalteten, fand doch ein großer Teil der Arbeit unter Erwachsenen statt. Dabei bleibt zu berücksichtigen, dass Bonhoeffer nicht bei allen Volksmissionsfahrten zugegen war und auch die Vorbereitungen nicht immer federführend übernahm. Allerdings kann ihm durch die von ihm gehaltenen Veranstaltungen, die persönlichen Beziehungen zu den Brüdern im Bruderhaus und Seminar sowie durch seine 720 DBW 15, S. 478. 721 Vgl. DBW 14, S. 535 und 538. 722 Gerade in den Finkenwalder Jahren bemüht Bonhoeffer sich intensiv um klare kirchliche Entscheidungen, wie es in den Aufsätzen ›Die Bekennende Kirche und die Ökumene‹ in DBW 14, S. 378–399 und ›Zur Frage nach der Kirchengemeinschaft‹ a.a.O., S. 655–680 erkennbar wird. 723 DBW 15, S. 479.

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Eigenschaft als Seminardirektor ein bestimmter Einfluss nicht abgesprochen werden. Die Struktur von Tauf-, Predigt- und Abendmahlsgemeinde kann auch für die Volksmission als Beispiel für die Arbeit mit Erwachsenen in der kirchlichen Erziehung herangezogen werden. Die Taufe bildet die Grundlage, auf die der Mensch angesprochen werden kann und die ihn zum Adressaten volksmissionarischer Bemühungen macht. Ziel ist es, den der Taufgemeinde zugehörigen Menschen in die Predigtgemeinde zu führen, damit das Wort an ihn ergehen kann. Dieser Zusammenhang wird bestätigt durch Bonhoeffers wortzentriertes Verständnis der Volksmission, das er, ausgehend von den biblischen Grundlagen und in Abgrenzung zur volksmissionarischen Auffassung der Deutschen Christen, zum Ausdruck bringt. Das Wort allein müsse wirken, dieses Wirken könne nicht erzwungen werden. Die Wortverkündigung sei das Proprium der Volksmission: »Unter allen Umständen muß Gottes Wort verkündigt werden; nur darin kann die Kraft der Predigt liegen.«724 Die Predigt, die an die aus dem Dorf Versammelten ergehen soll, habe den Charakter einer »Entscheidungspredigt […]; das Wort ist wie ein Platzregen, der noch einmal niedergeht. Unter diesem Wissen müssen wir predigen.«725 Dass die Predigt die Form einer Entscheidungspredigt in der volksmissionarischen Situation einnehmen soll, liegt an Bonhoeffers fehlendem Zutrauen in den Gemeindegottesdienst seiner Zeit. Der herkömmliche Gemeindegottesdienst mit seiner Ausrichtung auf reifere Christen im Glauben könne in missionarischer Hinsicht nur wenig bewirken. Bonhoeffers Lösungsansätze zu dieser Problematik führen in die Bereiche des kirchlichen Unterrichts und der Gottesdienstgestaltung: Im Katechumenatsentwurf726 bildete die Unterweisung über die ursprüngliche Gestalt der Gemeinde das Instrument zur Überwindung des gottesdienstlichen Mankos. Im Einschub zur Homiletik-Vorlesung sah Bonhoeffer die Lösung in der Entscheidungspredigt im Rahmen der Volksmission. Er unterscheidet die Predigt in der Volksmissionssituation von der Predigt gegenüber Nichtchristen, da diese sich an die getauften, aber der Gemeinde mehr oder weniger entfremdeten, Gemeindeglieder richtet. Durch das Taufgeschehen könnten sie noch angesprochen werden. Es handelt sich aber um eine letzte Entscheidungsmöglichkeit, da eine Ablehnung des Wortes, und damit auch der Kirche, Folgen haben müsse.727 724 725 726 727

A.a.O., S. 514f. A.a.O., S. 514. Vgl. DBW 14, S. 552. Die letztmalige Verkündigung des Evangeliums wird auf dem Hintergrund der ›Nachfolge‹ verständlich. In der Auslegung von Mt 10, 5ff. schreibt Bonhoeffer : »Das ist evangelische Predigt. […] Nichts ist unbarmherziger als den Menschen vorzuspiegeln, daß sie noch Zeit hätten zur Umkehr. Nichts ist barmherziger, nichts ist frohere Botschaft als dies, daß die

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In ›Sanctorum Communio‹ umfasst die Abendmahlsgemeinde alle Glieder der Predigtgemeinde, die ihre durch das Predigtwort erwirkte Entscheidung sichtbar zum Ausdruck bringen. In Bonhoeffers Begriff des Gemeindekernes lässt sich, ebenso wie im Modell der Abendmahlsgemeinde, das Bild eines inneren Zentrums erkennen, in dem sich diejenigen versammeln, die sich mit vollem Ernst zu Gott und zur Gemeinde bekennen.728 Die volksmissionarischen Akteure in der Volksmissionsarbeit forderte Bonhoeffer auf, den Anschluss an den Gemeindekern vor Ort zu suchen, ihn in die Verantwortung zu nehmen und in die Nacharbeit einzubinden.729 Wie sich aus dem 9. Finkenwalder Rundbrief entnehmen lässt, wurde die erste Volksmission im westpommerschen Belgard mit Abendmahlsfeiern in den Schlussgottesdiensten beendet, wobei auch die »geradezu erstaunlichen Besucherzahlen«730 beim Abendmahl angemerkt wurden. Thematisch verankert wurde das Abendmahl in der Sammlung der Volksmissionsthemen aus Finkenwalde an mehreren Stellen.731 Der Kandidat des zweiten Kurses, Hans-Dietrich Pompe, stellt allerdings klar, dass die Themen weniger aus einer zeitgenössischen Perspektive und aktuellem Anlass heraus

728

729 730 731

Sache eilt, daß das Reich sehr nahe ist. Der Bote kann nicht warten, bis es jedem immer wieder und jedem in seiner Sprache gesagt ist. Gottes Sprache ist klar genug. […] Weil aber die Jünger nichts gegen das Wort und über das Wort hinaus erzwingen können noch sollen, weil es in ihrem Auftrag nicht um heroischen Kampf, nicht um fanatische Durchsetzung einer großen Idee, einer ›guten Sache‹ geht, darum bleiben sie nur dort, wo das Wort Gottes bleibt. Wird es verworfen, so lassen sie sich mit ihm verwerfen.«, DBW 4, S. 202f. Unter diesem Gesichtspunkt gesteht Bonhoeffer die Durchführung der Volksmission zu, auch wenn er mutmaßt, das deutsche Volk habe die Predigt bereits gehört, sie verworfen und sei nun durch den Zorn Gottes verstockt worden. Vgl. DBW 14, S. 514. Im Kontext der Äußerungen zur Abendmahlsgemeinde in ›Sanctorum Communio‹ warnt Bonhoeffer vor einem unvorsichtigen Umgang mit dem Begriff der Kerngemeinde, da er diese nicht mit der wesentlichen Kirche, sondern der empirischen Kirche gleichsetzt, vgl. DBW 1, S. 166ff. Aus diesem Grund findet sich in der Nachschrift zur Volksmission wohl nicht der Begriff der ›Kerngemeinde‹, sondern der des ›Gemeindekerns‹, vgl. DBW 14, S. 515. Vgl. ebd. und vgl. hierzu auch Bonhoeffers Rückgriff auf Schreiner, Helmuth, Geist und Gestalt. Vom Ringen um eine neue Verkündigung, Schwerin 1927, S. 277ff. DBW Ergänzungsband, S. 160. Vgl. a.a.O., S. 433–437 und vgl. Henkys, Jürgen, Hans-Dietrich Pompe über die Finkenwalder Volksmissionswochen. Einführung – Dokumentation – Kommentar, in: Dietrich Bonhoeffer-Jahrbuch 5, hg. von: Victoria Barnett u. a., Gütersloh 2012, S. 81–87. Es scheint sich bei den Themen, wie sich nach Pompe aus dem Einsatz bei verschiedenen Volksmissionsfahrten erkennen lässt, um 5 Blöcke zu handeln, die jeweils zentrale Themen des christlichen Glaubens auflisten. Das Abendmahl findet sich in drei Blöcken unter den Gliederungspunkten: I.3.) Christus lebt in seiner Gemeinde […] c. Apostelgeschichte 2,42 Bleiben im Brotbrechen (Abendmahl); III.3.) Wo ist die Kirche? Apg 2,42. […] b. Abendmahl; IV.2.) Der Hirte der Gemeinde […] c.) Ps. 23,1–2 Die Speise des Hirten (Wort und Sakrament).

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ausgewählt wurden. Stattdessen sollen sie die Grundfragen des Glaubens mit ihrer biblischen Antwort ansprechen.732

5.3

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5.3.1 Inhaltliche Dimensionen des Gemeinschaftsbegriffs In Bonhoeffers Schriften findet sich kontinuierlich und häufig der Gebrauch des Begriffs ›Gemeinschaft‹. Schon Bonhoeffers wissenschaftliches Frühwerk, seine Dissertation ›Sanctorum Communio‹, untersucht den Gemeinschaftsbegriff ausgehend von einem interdisziplinären Ansatz, um daraus Erkenntnisse für die Kirche als Gemeinschaft der Heiligen zu gewinnen. Die Gemeinschaft, die in der empirischen Kirche vorzufinden ist, kann allerdings nicht mehr mit der Gemeinschaft vor dem Sündenfall gleichgesetzt werden. Die Erkenntnisse aus ›Sanctorum Communio‹ spiegeln sich auch in seiner Habilitationsschrift wider, in der Bonhoeffer die Kirche als von und in Christus gegründete Akt-SeinsEinheit versteht, in deren sichtbare Gemeinschaft die Kontinuität der Offenbarung gelegt ist.733 Bonhoeffers ökumenisches Engagement veränderte seinen Blick auf die Gemeinschaft, da er sie nun aus der Perspektive der Gemeinschaft unterschiedlicher Kirchen im Weltbund betrachtete.734 Die Frage nach der Gemeinschaft zwischen verschiedenen Kirchen spitzte sich im Kirchenkampf mit dem Verhältnis zur Reichskirche zu. Zusammen mit der Frage, ob und in welcher Form eine Gemeinschaft mit der Reichskirche aufrechterhalten werden kann, richtete sich Bonhoeffers Blick nun auf den Einzelnen in der Nachfolge Christi.735 An einen unbekannten Empfänger oder Empfängerkreis schrieb Bonhoeffer vermutlich Mitte des Jahres 1934 von London aus: »[Wir müssen] wissen, daß nur eine ganz klare eindeutige unerschütterlich sachliche und fröhliche Haltung dazu helfen wird, den Kirchenkampf auch innerlich zu gewin732 Nach der Erinnerung Pompes »wurde nicht gegen ›Blut und Boden-Ideologie‹ polemisiert, weniger aus Sorge vor Eingriffen der Nationalsozialisten – sondern weil die einfältige, von Vertrauen zu Gottes Wort getragene Predigt an sich schon deutlich genug von aller Ideologie abgrenzte und spüren ließ, wo ein Christ 1938 zu stehen hatte.«, a.a.O., S. 81. 733 Vgl. DBW 2, S. 109ff. Mit der Gemeinschaft, wie sie im Urstand sowohl zwischen Gott und Mensch als auch zwischen Mann und Frau herrschte, und mit ihrer Beeinträchtigung durch den Sündenfall befasste sich Bonhoeffers Auslegung der ersten Kapitel der Genesis in ›Schöpfung und Fall‹ in: Bonhoeffer, Dietrich, Schöpfung und Fall, hg. von: Martin Rüter/ Ilse Tödt, DBW, Bd. 3, München 22002, S. 89–136. 734 Vgl. zum Beispiel Bonhoeffers Ansprache 1932 auf der internationalen Jugendkonferenz in Gland, DBW 11, S. 350–357. 735 Vgl. DBW 13, S. 105 und 239.

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nen. Ich glaube mehr, was bisher geschah, ist Vorgeplänkel, der 2. eigentliche Kampf kommt und entbrennt an ganz anderer Stelle […]. Er wird in die völlige Vereinsamung führen, er wird die Verwechslung von Kirche und kirchenpolitischer Gemeinschaft unmöglich machen, es wird wieder alles auf dem Einzelnen stehen wie zum Beginn. Man wird den Einzelnen wieder entdecken und mit dem Einzelnen – und allein so – wird man wieder entdecken, was Nachfolge heißt.«736

Der Einzelne befindet sich allerdings nicht alleine in der Nachfolge Christi, er steht inmitten einer Gemeinschaft. In den Jahren der illegalen Theologenausbildung lebte und entwickelte Bonhoeffer ein besonders umfassendes Verständnis dieser Gemeinschaft. Diese Gemeinschaft zeigt sich nicht als »klösterliche Abgeschiedenheit, sondern innerste Konzentration für den Dienst nach außen«737. In der Nachfolge bleibt die Gemeinschaft auch vor Leiden und Zerstörung der Gemeinschaft nicht verschont. Unter bestimmten Bedingungen kann nicht nur die Gemeinschaft mit einer Kirche, sondern auch mit einzelnen Gliedern der Gemeinschaft ausgesetzt werden, wie es Bonhoeffers Aufsatz ›Zur Frage nach der Kirchengemeinschaft‹738 und der Vortrag über ›Schlüsselgewalt und Gemeindezucht im Neuen Testament‹739 nahelegen. In Bonhoeffers ›Ethik‹ verwendet er den Begriff der Gemeinschaft ebenfalls in vielfältigen Kontexten, allerdings nicht mehr in solch einer tiefen Auseinandersetzung wie zuvor noch in Finkenwalde. Beim Lesen der ›Ethik‹ fällt auf, dass Bonhoeffers Sicht auf die Gemeinschaft nicht mehr vorwiegend im inner- und zwischenkirchlichen Bereich angesiedelt ist, sondern er nun das Verhältnis und die Gemeinschaft mit der Welt im Blick hat.740 Schließlich nehmen die Gefängnisschriften den Gedanken des Dienstes der Gemeinschaft an der Außenwelt auf, wie sie in Bonhoeffers Formel der ›Kirche für andere‹741 erkennbar wird. Interessant ist, dass sowohl die Briefe an Eberhard Bethge als auch die literarischen Versuche die Gemeinschaft mit Schwachen und Außenseitern berücksichtigen, wie sie Bonhoeffer wohl im Gefängnis in einer ihm bisher unbekannten Art und Weise erfahren hat.742 Auf die soziale Komponente von Bonhoeffers Theologie als einer Theologie der Sozialität ist in der Bonhoeffer-Forschung bereits wiederholt und ausführlich hingewiesen worden.743 Aus praktisch-theologischer Perspektive ist zu ergänzen, dass Bonhoeffers kontinuierliche theologische Auseinandersetzung mit 736 737 738 739 740 741 742 743

A.a.O., S. 177. DBW 14, S. 77. A.a.O., S. 655–680. A.a.O., S. 829–843. Vgl. zum Beispiel DBW 6, S. 46–50. Vgl. DBW 8, S. 560. Vgl. a.a.O., S. 29 und vgl. DBW 7, S. 103 und 123. Green, Clifford J., Freiheit zur Mitmenschlichkeit. Dietrich Bonhoeffers Theologie der Sozialität, Gütersloh 2004 und Soosten (1992).

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Gemeinschaft sich in einer aktiven Bemühung um Gemeinschaft niederschlägt. Die Gemeinschaft der Heiligen bleibt keine abstrakte Komponente in Bonhoeffers Denken, sondern erhält einen festen Platz in seinen gemeindepädagogischen Bemühungen. Dies entspricht der grundsätzlichen Feststellung einer Verbundenheit zwischen Theologie und Biografie bei Bonhoeffer. Hier verbindet sich Bonhoeffers Ekklesiologie mit praktischer Gemeindearbeit. Gerade in der Kinder- und Jugendarbeit, aber auch in der Theologenausbildung, ermöglichte Bonhoeffer wiederholt Räume, in denen sich das Erleben von Gemeinschaft ereignen konnte. Gründe dafür liegen wahrscheinlich sowohl in Bonhoeffers eigenen positiven Gemeinschaftserfahrungen in seiner Familie als auch in seinen Beobachtungen zeitgenössischen Gemeinschaftslebens, beispielsweise in der Jugendbewegung (siehe Gliederungspunkt 5.3.4). Diese bildeten wohl eine ideale Grundlage, sich auch theologisch verstärkt mit der Gemeinschaft zu beschäftigen. Mit der praktischen Umsetzung erlebten wiederum seine theologischen Erkenntnisse eine Bewährungsprobe. Der Gemeinschaftsgedanke wäre in Bonhoeffers Theologie über so viele Jahre sicherlich nicht bedeutsam geblieben, wenn er ihn nicht als umsetzbar eingeschätzt und bereichernd erfahren hätte.

5.3.2 Herstellung der kirchlichen Gemeinschaft durch die Fürbitte Als Bonhoeffer im Februar 1928 sein Vikariat in der deutschen Auslandsgemeinde in Barcelona aufnahm, gewährte er in seinem ›Spanischen Tagebuch‹ einen recht emotionalen Einblick in seine Verabschiedung aus dem Grunewalder Kindergottesdienst und der Grunewaldkirche: »Am nächsten ging mir wohl der Abschied aus der kirchlichen Arbeit: Am 18. Januar waren wir Helfer aus dem Kindergottesdienst mit Pfarrer Meumann das letzte Mal zusammen. […] Dann kam am 22.1. der letzte Kindergottesdienst. Ich sprach über den Gichtbrüchigen […]. Dann kam der Abschied. Pfarrer Meumann nahm mich in sein allgemeines Gebet auf und – ist mir schon lange das Gemeindegebet eine Sache, die mich’s oft kalt überlaufen läßt, so unvergleichlich mehr die Schar der Kinder, unter denen [ich] zwei Jahre gewesen war, für mich eintrat. Wo ein Volk betet, da ist Kirche und wo Kirche ist, da ist nie Einsamkeit.«744

Diese Stelle zeigt in besonderer Weise die Verbundenheit Bonhoeffers mit der Arbeit im Kindergottesdienst auf, wie sie auch bei der darauffolgenden Einrichtung des Kindergottesdienstes in Barcelona deutlich wurde. Bonhoeffers Tagebucheintrag weist auf die soziale Ausrichtung des Kindergottesdienstes hin, in der das Erleben von Gemeinschaft ermöglicht wird. Seinen Höhepunkt findet diese Ausrichtung im gemeinsamen Gebet füreinander. Der Zusammentritt zum 744 DBW 10, S. 20f.

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gemeinsamen Gebet geht einher mit dem Sein von Kirche. Kirche hat nach Bonhoeffers Verständnis einen lebendigen Charakter. Der Zusammentritt als Kirche holt den Einzelnen aus seiner Isolation und bettet ihn in eine Gemeinschaft ein. Im Gebet verschränken sich Ekklesiologie und Gemeindepädagogik bei Bonhoeffer : In ›Sanctorum Communio‹ formuliert er in gewichtigen Worten: »So ist es für die Kirche von entscheidender Bedeutung, dem Gemeindegebet den Zentralplatz einzuräumen, der ihm gebührt. Sie, die ein Leben führt, muss auch ein Gebet haben und üben. In ihm nimmt sie auf sich die Last der vielen Einzelnen, die schon oder noch zu ihr gehören und trägt sie zu Gott.«745

Dass Bonhoeffer dabei einen besonderen Fokus auf die Fürbitte legt, wird aus dem Kontext ersichtlich und spitzt sich zu in einem von Bonhoeffer übernommenen Zitat Alexei Chomiakovs: »Das Blut aber der Kirche ist das Gebet füreinander«.746 Bonhoeffers Begegnung mit russischer Literatur führt Bethge auf Holl zurück, der neben den dialektischen Theologen und ihrer Beschäftigung mit Dostojewski Bonhoeffers Interesse am östlichen Christentum nach dessen Rom-Aufenthalt zu wecken begann.747 Chomiakov geht vom paulinischen Bild des Leibes aus, um die Kirche zu beschreiben. Er betont, die Kraft, aber auch die Notwendigkeit des Gebets füreinander. Weigert sich ein Glied, Teil der betenden Gemeinschaft zu sein, so fügt es sich selbst und dem Leib Schaden zu: »Wenn aber die Hand sagt, daß sie das Blut des übrigen Körpers nicht braucht und daß sie ihr eigenes Blut ihm nicht geben wird, so wird die Hand verdorren.«748 Wie Chomiakov verleiht Bonhoeffer dem Gebet ebenfalls eine erhaltende Funktion für die Kirche, die sich bei ihm über das Bild des Leibes hinaus auch im Gedanken von Realisierung und Aktualisierung findet: Die kirchliche Gemeinschaft wurde durch Christus als Miteinander realisiert. Die Aktualisierung der kirchlichen Gemeinschaft als Füreinander geschieht durch den Heiligen Geist in drei Möglichkeiten des Füreinanderwirkens: in der entsagungsvollen Arbeit für den Nächsten, in der gegenseitigen Spende der Sündenvergebung und im Fürbittgebet. Alle drei Möglichkeiten sind vom Stellvertretungsgedanken durchzogen. Durch die Fürbitte wird der Einzelne in die kirchliche Gemeinschaft hineingezogen. Damit ist ihrer Wirksamkeit zugleich auch eine Grenze gesetzt, wenn eine Eingliederung in die Gemeinde nicht möglich ist.749 In der 745 DBW 1, S. 126. 746 DBW 1, S. 123, zitiert nach Arseniew. Bei Arseniew lautet das vollständige Zitat Chomiakovs: »Das Blut aber der Kirche ist das Gebet füreinander und ihr Atem ist Lobpreisung des Herrn.« Arseniew, Nikolaj S., Die Kirche des Morgenlandes. Weltanschauung und Frömmigkeitsleben, Berlin 1926, S. 88. 747 Vgl. Bethge (2005), S. 98. 748 Arseniew (1926), S. 88. 749 Vgl. DBW 1, S. 117–124.

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Fürbitte zeigen sich menschliches Tun und göttlicher Wille. Die Stellvertretung zeigt sich, indem im menschlichen Tun der Fürbitte ein Versetzen der eigenen Person an die Stelle der Schuld und Not des Menschen geschieht, der Gegenstand der Fürbitte ist. Aber die Fürbitte reicht noch weiter. Bonhoeffer formuliert dies so: »Er [der Betende] kann dem Nächsten in seiner Fürbitte ein Christus werden. So wird in der Fürbitte dem Menschen nicht der traurige Trost gegeben, daß andere auch in seiner Lage seien, sondern es wird ihm, wenn Gott es will und er es hinnimmt, seine Schuld vergeben, seine Sünde abgenommen […]. Seine Schuld aber trägt die Gemeinde – Christus.«750

Bonhoeffer fordert, dass die Gemeinde das Beten und insbesondere das Gemeindegebet wieder erlernt.751 Es stellt sich die Frage, wie Bonhoeffer das Lernen des Gebetes gemeindepädagogisch umsetzte. Die erhaltenen Ansprachen und Katechesen der Grunewalder Kindergottesdienstzeit geben keine Auskunft über eine Gebetspraxis, aber es existieren mehrheitlich direkte oder indirekte Verweise auf das Gebet. Zwei der Ansprachen widmen sich sogar ganz dem Gebet. Zwar ist davon auszugehen, dass Bonhoeffer als Teil eines Helferkreises bei der thematischen Auswahl nicht völlig freie Hand hatte, aber das Gebet, insbesondere die Fürbitte, scheint demnach für Bonhoeffer ein wichtiger Inhalt des Kindergottesdienstes gewesen zu sein. Einen genaueren Einblick ermöglicht die unveröffentlichte Ansprache Bonhoeffers über das Gebet752. Sie beginnt mit einer längeren Aneinanderreihung von Jesus-Worten über das Gebet. Es folgt die Begründung des Gebets als Antwortmöglichkeit auf das Reden Gottes im Bewusstsein der Kindschaft Gottes. Bonhoeffer entfaltet die verschiedenen Arten des Gebets und unterlegt diese mit Beispielen aus der Lebenswelt der Kinder. Der Bitte und dem Dank schließen sich das trostspendende Gebet und das Gebet um Vergebung der Schuld an. Auch der Fürbitte widmet Bonhoeffer an zentraler Stelle einen Teil der Ansprache: »Nun kann man aber nicht nur für das bitten, was einen selbst angeht, sondern auch für einen anderen, den man sehr liebhat, nicht wahr. Habt ihr wohl schon einmal dafür gebetet, daß Gott auch euren Eltern und Geschwistern und Lehrern beistehen möchte, denn seht, das brauchen wir alle. Einer soll für den anderen Gott darum anflehen, daß er ihm hülfe und ihm, wenn er nicht recht tue, trotzdem verzeihe. Das können die Kinder so gut wie die Erwachsenen.«753

750 751 752 753

A.a.O., S. 125. Vgl. a.a.O., S. 124 und 135. Vgl. NL A 15, 9, Ansprache über Mt 6, 28, Transkription von Hans Pfeifer. A.a.O., S. 30f.

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Diese Ausführungen münden in einem Appell an die Kinder, die Fürbitte zu praktizieren, auch über den Kreis von ihnen nahestehenden Personen hinaus. Sündenvergebung und Fürbitte stehen somit für Bonhoeffer, wie auch in ›Sanctorum Communio‹, in einem engen Zusammenhang. In Bezug auf die Fürbitte verleiht Bonhoeffer Kindern den Status von Erwachsenen, sie stehen damit in der kirchlichen Gemeinschaft und organisieren sich mit dieser zum Gebet. Bonhoeffers Position hat ihren Ursprung in der Hochachtung des Kindes, wie Jesus sie in den Evangelien zum Ausdruck bringt. An anderer Stelle von ›Sanctorum Communio‹ führt Bonhoeffer diesen Gedanken fort: Selbst das unmündige Kind könne Teil der Gemeinschaft sein, es sei in den Willen der Eltern integriert. Das Kind könne aber seine Zugehörigkeit zur Gemeinschaft durch einen eigenen Akt bestätigen, etwa in Form von Liebe, Vertrauen oder Gehorsam.754 Damit dient das Gebet nicht nur der persönlichen Glaubenspraxis, es erhält vielmehr eine ekklesiologische Bedeutung, indem das Kind mit der Fürbitte Teil der kirchlichen Gemeinschaft wird. Als Teil der kirchlichen Gemeinschaft ist es mit dieser aufgefordert, Beten zu lernen und das Gemeindegebet zu praktizieren. Dass Bonhoeffers Bemühungen in dieser Hinsicht von Erfolg gekrönt waren, wird aus dem oben angeführten Tagebucheintrag deutlich. Auch in der Gemeindearbeit mit Erwachsenen versuchte Bonhoeffer, die ekklesiologische Bedeutung der Fürbitte im selben Zeitraum zu veranschaulichen. Dies wird erkennbar aus der Predigt über 1. Kor 12, 26f.755, die Bonhoeffer in Barcelona ein halbes Jahr nach dem oben angeführten Tagebucheintrag hielt. Bonhoeffers Worte entsprechen, wenn auch mit einer Akzentverschiebung, in Sprache und Struktur seinen Ausführungen in ›Sanctorum Communio‹: Er spricht der Gemeinde zu, Kirche zu sein, die als Volk Gottes »für- und miteinander«756 wirkt. Im Volk Gottes seien nun als Gabe Gottes drei Kräfte am Werk, die den drei Möglichkeiten des Füreinanders in ›Sanctorum Communio‹ entsprechen. Während Bonhoeffer in ›Sanctorum Communio‹ darauf verweist, dass alle drei Möglichkeiten als »Preisgabe des Ich ›für‹ den Nächsten, zu dessen Nutzen«757 geschehen und – wenn nötig – ein stellvertretendes Opfer erfordern, entfaltet er in der Predigt alle drei Möglichkeiten unter dem Gesichtspunkt des Opfers. Die »entsagungsvolle, tätige Arbeit für den Nächsten«758 aus ›Sanctorum Communio‹ wird in diesem Wortlaut in der Predigt selbst nicht erwähnt, son-

754 DBW 1, S. 58. 755 DBW 10, S. 486–492. 756 A.a.O., S. 488. Zur Struktur des Für- und Miteinanders in ›Sanctorum Communio‹ siehe DBW 1, S. 117–128. 757 A.a.O., S. 121. 758 Ebd.

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dern nur als »Kraft des Opfers«759 dargestellt, die das freudige, lebensqualifizierende Opfer für Gott und Menschen beinhaltet. Die Kraft der Fürbitte als zweite Möglichkeit des Füreinanders erklärt Bonhoeffer mit dem Bild eines Altars, auf dem pausenlos und millionenfach die Gebete der Gemeinde dargebracht werden. Während Bonhoeffer mit seinen Ausführungen zur ›Kraft des Opfers‹ wahrscheinlich seine Zuhörer überfordert hat, gelingt es ihm besser, den betriebswirtschaftlich denkenden Kaufleuten der Kolonie den Nutzen der Fürbitte zu verdeutlichen: Die Fürbitte stelle das Netz dar, das die Gemeinde zusammenhält und spende dem Einzelnen in seiner Not Kraft, da für ihn ein anderer im Gebet eingestanden sei.

5.3.3 Wiederherstellung der kirchlichen Gemeinschaft Bonhoeffer sieht die Kirche gekennzeichnet durch Zerrissenheit und die Realität von Sünde. Mit dem Sündenfall wurde die Gemeinschaft zwischen Gott und Mensch sowie zwischen Mensch und Mensch zerbrochen. Der Bruch der sozialen Gemeinschaft, in der der Mensch steht, hat seine Isolation zur Folge. Die Schulderkenntnis des Menschen führt zur Anerkennung seiner Isolation. Durch Christi stellvertretendes Handeln und durch das Wirken des Geistes kann der Riss, der durch die Sünde entstanden ist, geschlossen werden und zu neuen sozialen Beziehungen führen. Die von Gott gewollte Gemeinschaft ist Liebesgemeinschaft, die sich nicht nur in den bereits genannten Möglichkeiten des Füreinanders als Arbeit für den Nächsten und als Fürbitte zeigt, sondern sich auch in der gegenseitigen Spende der Sündenvergebung bestätigt.760 Die Vergebung der Sünden steht nur Christus zu. Aber das einzelne Glied der Gemeinde Christi nimmt nach Bonhoeffers Stellvertretungsverständnis »dem anderen seine Schuld vom Gewissen und legt sie auf sich, kann das aber doch nur, indem er sie wieder auf Christus legt.«761 Die durch Sünde und Isolation zerbrochene kirchliche Gemeinschaft kann also im stellvertretenden Handeln aneinander und in Ausrichtung auf Christus wieder hergestellt werden. Jedes Mitglied kann im gegenseitigen Füreinanderwirken an diesem Prozess beteiligt werden. Die gegenseitige Spende der Sündenvergebung in priesterlicher Vollmacht findet sich in ›Sanctorum Communio‹ lediglich in konzeptueller und noch nicht in ausgestalteter Form. Erste konkrete Vorstellungen Bonhoeffers, die allerdings nicht mehr in die Neufassung für den Druck der Dissertation 1930 einflossen, tauchen in seiner Predigt über 1. Kor 12 aus dem Jahr 1928 auf. In der Predigt, die 759 DBW 10, S. 489. 760 Vgl. DBW 1, S. 77–117. 761 DBW 1, S. 126.

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sich mit den drei Möglichkeiten des Füreinanders befasst, verwendet Bonhoeffer in diesem Kontext erstmals den Begriff der Beichte. Die freiwillige Beichte könne gegenüber einem Familienmitglied oder einem Freund erfolgen. Bonhoeffer beklagt, dass die Sündenvergebung in der Gemeinde zwar »das tiefste und ernsteste [ist,] was es im christlichen Gemeindeleben gibt«762, sie aber zugleich zu den Dingen zähle, die in der Gemeinde am meisten in Vergessenheit geraten seien. Im Finkenwalder Predigerseminar und im Bruderhaus erlangte die Privatbeichte in Bonhoeffers Theologie, in seinem gemeindepädagogischen Verständnis und für die christliche Lebensgemeinschaft eine besondere Bedeutung. Im Folgenden soll anhand einzelner Stationen die Entwicklung von Bonhoeffers theologischem und gemeindepädagogischem Beichtverständnis und dessen Implikationen für die Gemeinschaft herausgearbeitet werden. Bonhoeffers Hochachtung der Beichte hat bereits ihren Ursprung in seiner Italienreise von 1924. Interessanterweise stehen in Bonhoeffers ›Italienischem Tagebuch‹ die Beobachtungen zur Beichte an beiden Stellen im Kontext seiner Überlegungen zur Beichterziehung und seiner Faszination von Kirche.763 Fulvio Ferrario verweist auf die Diskrepanz zwischen dem Bild vom Katholizismus, das im deutsch-bürgerlichen Protestantismus vorherrschte, und dem geistlichen Ernst, den Bonhoeffer in der Basilika Santa Maria Maggiore auszumachen glaubte. Der Andrang auf die Beichtstühle, der Bonhoeffer so beeindruckte, führt Ferrario auf die damals nur an Ostern erteilte Kommunion für Laien zurück.764 Bonhoeffer sah unter diesen Eindrücken das Ideal einer Beichtpraxis verwirklicht, die einem persönlichen Bedürfnis heraus entspringe, dem einfachen Menschen die Möglichkeit zum Gespräch mit Gott gebe und dem religiös gebildeten Menschen die »Idee der Kirche, die sich in Beichte und Absolution vollzieht«765 verdeutliche. Demgegenüber verurteilte er ein Beichtbedürfnis, das von einer perfektionistischen Haltung begleitet wird, die er als Skrupulosität bezeichnete. Eine solche skrupulöse Beichthaltung kann durch die Erziehung hervorgerufen werden, was Bonhoeffer als das »größte Verbrechen, was man an einem Kind tun kann in kirchlicher Beziehung«766 bezeichnet. Ferrario muss zugestimmt werden, wenn er Bonhoeffer mit dieser Überzeugung in das Gefolge von Luthers ›Eine kurze Vermahnung zur Beichte‹ im Großen Katechismus stellt.767 Die dreifache Kritik Luthers am Zwang zur Beichte, der Belastung des Gewissens, keine be762 763 764 765 766 767

DBW 10, S. 490. Vgl. DBW 9, S. 89f. Vgl. Ferrario, Fulvio, Dietrich Bonhoeffer. Italienreise 1924, Gütersloh 2012, S. 20f. DBW 9, S. 90. Ebd. Vgl. Ferrario (2012), S. 21.

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gangene Sünde zu vergessen und die Unkenntnis über Nutzen und Trost der Beichte, klingt in den Worten Bonhoeffers an.768 Der angezeigte Tagebucheintrag belegt, wie eng bei Bonhoeffer die gedankliche Auseinandersetzung mit dem Kirchenbegriff und die daraus gezogenen Konsequenzen für die kirchliche Erziehung beieinanderliegen. In ›Sanctorum Communio‹ reflektierte Bonhoeffer diese Beobachtung in der Praxis der Sündenvergebung, zu der die Gemeinde aufgefordert sei. Da die Beichte in Bonhoeffers eigenem kirchlichen Hintergrund nur eine untergeordnete Rolle spielte, verwendete er dem evangelischen Kontext eher konformen Begriff der ›Sündenvergebung‹. Im Referat ›Die katholische Kirche‹ für den Donnerstagskreis von 1927 (siehe auch Gliederungsabschnitte 3.2.4 und 4.2) scheint sich eine deutlich stärkere Wahrnehmung einer Skrupulosität durchgesetzt zu haben. Bonhoeffer nimmt hier eine eher kritische Haltung gegenüber dem katholischen Gottesverständnis und Bußsakrament ein und betont, dass nur die Sakramente Taufe und Abendmahl sich direkt von Christus ableiteten.769 Auch in den erhaltenen Ansprachen aus der Zeit des Grunewalder Kindergottesdienstes spielte das Thema Sündenvergebung keine Rolle, mit Ausnahme der Katechese für das zweite theologische Examen (siehe Gliederungsabschnitt 3.2) über die fünfte Bitte des Vaterunsers. Das Thema wurde Bonhoeffer allerdings zugeteilt.770 Bonhoeffer gestaltete die Katechese, wie er in der vorausgehenden Meditation erklärte, ausgehend von der Schuld des Menschen gegenüber Gott und dessen Vergebung. Diese mit der Gewissensschulung des Kindes einhergehende Erkenntnis solle zum Verständnis führen, dass es notwendig sei, auch selbst zu vergeben. Bonhoeffer verweist an dieser Stelle explizit auf Luthers Kleinen Katechismus, an dessen Gedankengang er sich stark orientiert. Eine vertiefte Behandlung der fünften Bitte des Vaterunsers behielt er sich für den Konfirmandenunterricht vor.771 Fehlte in der Examenskatechese nach Bonhoeffers didaktischer Reduktion in Anlehnung an Luthers Kleinen Katechismus der Bezug zur kirchlichen Gemeinschaft und zur Beichte, so wird im Katechismus-Entwurf Bonhoeffers und Hildebrandts von 1931 erkennbar, dass kirchliche Gemeinschaft und Vergebung zusammengehören. Die Einzelbeichte wird nicht direkt angesprochen. Bonhoeffer und Hildebrandt bewegen sich mit ihren Ausführungen eng an ›Sanctorum Communio‹: »Du suchtest die Gemeinschaft, wo einer für den anderen im Gebet steht, ihm alles sagt und alles vergibt, und die Verheißung, daß hier einer 768 Vgl. Luther, Martin, Der Große Katechismus. Eine kurze Vermahnung zur Beichte, in: Luther Deutsch. Die Werke Luthers in Auswahl, Band 3, hg. von: Kurt Aland, Göttingen 4 1983b, S. 145. 769 Vgl. DBW 9, S. 579–582. 770 Vgl. DBW 10, S. 181, Anmerkung 2. 771 Vgl. DBW 10, S. 549f.

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dem andern ein Christus werden darf.«772 Im Vergleich zu ›Sanctorum Communio‹ tritt jedoch die entsagungsvolle Arbeit für den Nächsten im Vergleich zur Fürbitte und zur Sündenvergebung in den Hintergrund. Trotz der Hochachtung Luthers blieb bei Bonhoeffer die Privatbeichte bis 1932 eher im Hintergrund. Von da an aber stellt sie ein Beispiel dar für die parallele Entwicklung von Theologie und Gemeindepädagogik mit ekklesiologischer Schnittstelle. Theologisch präsenter wurde die Privatbeichte bei Bonhoeffer erstmals im ekklesiologischen Zusammenhang, nämlich in der Vorlesung von 1932 ›Das Wesen der Kirche‹. Dort zitiert ihn die Mitschrift: »Die Beichte ist nicht überflüssig, sondern notwendig.«773 Die Fokussierung auf die Beichte stellt keine neue Kursbestimmung dar, sondern ergänzt Bonhoeffers Gedanken aus ›Sanctorum Communio‹ (siehe auch die ausführlichere Darstellung in Gliederungspunkt 4.5.1). Die Privatbeichte darf nicht als rein seelsorgerlich-therapeutische Angelegenheit verstanden werden, sondern sie zielt darauf ab, dass Gottes Wahrheit sich ereignen kann. Damit erhält die Beichte für die Gemeinde eine existenzielle Bedeutung. Bonhoeffer leitete hieraus sogar eine gemeindepädagogische Zielstellung ab: »Wir müssen wieder die Gemeinde und die Kirche richtig sehen und glauben lernen. Wir glauben nicht, daß die Wahrheit in der Kirche gesagt wird. Wir müssen wieder lernen, was Beichte ist.«774 Ein Hinweis auf erste Umsetzungsversuche dieser Zielstellung vor der Eröffnung des Predigerseminars in Finkenwalde findet sich bei Bethge. Ihm zufolge habe Bonhoeffer bereits auf Freizeiten im Jahr 1932 mit seinen Berliner Studenten über den praktischen Vollzug der Beichte gesprochen. Als Lehrer der Beichte waren Bonhoeffers Bemühungen nicht unmittelbar von Erfolg gekrönt. Er erntete ironische Bemerkungen und Unverständnis. Auch in Zingst waren die Seminaristen mit der Einführung der Privatbeichte untereinander als Vorbereitung auf das Abendmahl zunächst überfordert. Obwohl Bonhoeffer die Abendmahlsfeier in der Woche vorher kontinuierlich in das Gebet aufnahm, frühzeitig auf die Versöhnung untereinander als Voraussetzung für die Teilnahme am Abendmahl hinwies und die praktische Arbeit am Samstag entfallen ließ, um Freiraum zu schaffen, wurde eine private Beichte kaum wahrgenommen und es herrschte eine beklommene Atmosphäre.775 Mit dem zweiten Kurs in Finkenwalde versuchte Bonhoeffer es in einer anderen Form, ein Bewusstsein für die Bedeutsamkeit der Beichte zu schaffen. Er wählte die Finkenwalder Kanzel, auf der er nur zu besonders ausgewählten Anlässen predigte, um in einer Aus-

772 773 774 775

DBW 11, S. 236. A.a.O., S. 287f. DBW 11, S. 298. Vgl. Bethge (2005), S. 248 und 532.

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legung von Mt 18, 21–35 über die zerbrochene zwischenmenschliche Gemeinschaft und deren Wiederherstellung mit der Sündenvergebung zu sprechen.776 Die ausführlichste und bekannteste Abhandlung von Bonhoeffers Beichtverständnis findet sich in der Schrift ›Gemeinsames Leben‹, die von Bonhoeffer nach der Schließung des Finkenwalder Predigerseminars 1938 als verdichteter Erfahrungsbericht verfasst wurde.777 Bonhoeffers Beichtverständnis schließt an sein Gemeinschafts- und Abendmahlsverständnis an. Er stellt fest: »Wer mit seinem Bösen allein bleibt, der bleibt ganz allein. Es kann sein, daß Christen trotz gemeinsamer Andacht, gemeinsamen Gebetes, trotz aller Gemeinschaft im Dienst allein gelassen bleiben, daß der letzte Durchbruch zur Gemeinschaft nicht erfolgt, weil sie zwar als Gläubige, als Fromme Gemeinschaft miteinander haben, aber nicht als die Unfrommen, die Sünder.«778

In die Gemeinschaft hinein ist nun der besondere Segen Christi gelegt. Christus, der zum Bruder im Fleisch wurde, ermöglicht nun, dass ein Bruder der Gemeinschaft das Bekenntnis der Sünde anhört und dem Bekennenden seine Sünde an Christi statt vergibt. In dem Beichthörer begegnet der Sünder der ganzen Gemeinschaft, die seine Sünde trägt. In der Beichte geschieht der Durchbruch zur Gemeinschaft, aber auch der Durchbruch zum Kreuz, zum neuen Leben und zur Gewissheit im Bekenntnis und der Vergebung konkreter Sünden. Mit der Beichte soll sich die Gemeinschaft in erster Linie auf das Abendmahl vorbereiten. Im Abendmahl erhält die Gemeinschaft das Geschenk »neue[r] Gemeinschaft mit Gott und Menschen […]. Die Gemeinschaft des heiligen Abendmahls ist die Erfüllung der christlichen Gemeinschaft überhaupt.«779 Aber nicht nur für die christliche Lebensgemeinschaft in Finkenwalde erachtete Bonhoeffer eine gelebte Beichtpraxis als notwendig. Er verortet sie zudem in seinem Gesamtkonzept der christlichen Unterweisung. Im Mitschrieb zum Katechumenatsentwurf aus dem ersten Kurs der illegalen Theologenausbildung von 1935 kennzeichnet Bonhoeffer die dritte und höchste Katechumenatsstufe als »gemeinsame[s] brüderliche[s] Leben als Gemeinde«780, die von Gebet, Bekenntnis und Beichte Gebrauch macht und in deren Zentrum sich Gottesdienst und Sakramente befinden. Auch hier steht in komprimierter Form die Beichte in enger Verbindung zu Bonhoeffers Gemeinschafts- und Abendmahlsverständnis. Der Konfirmandenunterrichtsplan als Dokument der Finkenwalder Erwachsenenbildung, in dem Bonhoeffer einen zweiten Katechis776 777 778 779 780

Vgl. DBW 14, S. 905–911 und 1035. DBW 5, S. 93–102. A.a.O., S. 93. A.a.O., S. 102. DBW 14, S. 553.

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musentwurf vornimmt, verleiht der Beichte viel Raum. Fast die Hälfte der Fragen aus dem Abschnitt über Taufe, Predigt, Abendmahl und Beichte befassen sich mit der Beichte.781 Dies bestätigt die Bedeutsamkeit der Beichte für Bonhoeffer im gemeindepädagogischen Kontext, zeigt aber auch, dass noch grundlegender Klärungsbedarf sowohl bei den Kandidaten selbst als auch bei ihren zukünftigen Konfirmanden besteht. Die Einordnung der Beichte in diesen Abschnitt lässt die Grundstruktur der dritten Katechumenatsstufe erahnen. Im Vergleich zu Bonhoeffers Beichtverständnis in ›Gemeinsames Leben‹ tritt hier die direkte Rolle der Beichte für die christliche Gemeinschaft zurück. Bonhoeffer stellt stattdessen die Sakramente in den Vordergrund, die die Teilhabe des Einzelnen an der Gemeinde als dem Leib Christi ermöglichen. Dass Bonhoeffer mit seiner Wiederentdeckung der Privatbeichte, vor allem in der Gemeindepädagogik, eine Sonderstellung innerhalb der Bekennenden Kirche einnahm, lässt ein Bericht der Zingst-Freizeit von 1938 erahnen, in dem ein Teilnehmer formuliert: »Daß in den Konfirmandenunterricht auch die Beichtunterweisung gehört, haben wir vielleicht immer noch nicht genug beachtet.«782

5.3.4 Besondere Aktivitäten in der Gemeinschaft Bonhoeffers gemeindepraktische Arbeit mit Kindern und Jugendlichen blieb nie auf das reine Abhalten von Kindergottesdienst- und Konfirmandenstunden beschränkt. Die ersten Einladungen zum Spielen und Verweise auf gemeinsame Ausflüge finden sich bereits zu Beginn von Bonhoeffers Engagement im Kindergottesdienst in Berlin-Grunewald. Schlingensiepen berichtet, dass die Jungen aus Bonhoeffers Bereich ihre Schwestern und deren Freundinnen mitbrachten, damit Bonhoeffers Schwester Susanne eine Mädchengruppe übernehmen konnte.783 Daraus lässt sich ableiten, dass die Kinder sich untereinander kannten, was die Gemeinschaftsbildung der Gruppen erleichterte. Es wirft aber auch ein positives Licht auf die bisher geleistete Arbeit Bonhoeffers, wenn die Jungen seiner Gruppe andere Kinder zur Teilnahme mobilisieren. Die Intention Bonhoeffers, besondere Aktivitäten durchzuführen, ist nicht bekannt. Natürlich darf hier sein eigenes Erleben einer intensiven familiären Gemeinschaft und sein geselliges Wesen nicht verschwiegen werden.784 Des 781 782 783 784

Vgl. a.a.O., S. 816ff. DBW 15, S. 47. Vgl. Schlingensiepen (2006), S. 50. Bethge beschreibt Bonhoeffer als jemanden, der sich in einem kleinen Kreis von Menschen wohler fühlte als in größeren Menschenansammlungen. Im kleinen Kreis konnte er sich besser auf sein Gegenüber einstellen und sich mit diesem identifizieren, wie es seiner Gewohnheit entsprach. Vgl. Bethge (2005), S. 19f.

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Weiteren sind uns keine genauen Details dazu überliefert, wie Bonhoeffer die Ausflüge gestaltete. Bekannt ist allerdings, dass die Ausflüge mit Bonhoeffers Aufbau des Kindergottesdienstes einhergingen. Als ihm in Barcelona die Errichtung eines Kindergottesdienstes aufgetragen wurde, findet sich schon früh die Ankündigung eines Spazierganges mit den Kindern, was in der Auslandsgemeinde wohl für Aufsehen sorgte.785 Zudem erwähnte Bonhoeffer mehrfach Ausflüge in die Berge, die er mit Kindern unternehmen wollte.786 Die Ausflüge geschahen nicht aus reinem Selbstzweck, sondern standen in Verbindung zur regulären Kindergottesdienstarbeit Bonhoeffers. Die Ausflüge boten eine Fülle von Gesprächsmöglichkeiten mit den Kindern, wie der folgende Auszug einer Berliner Ansprache erkennen lässt: »Auf demselben Ausflug, auf dem wir uns miteinander darüber unterhielten, was denn eigentlich mit dem heiligen Geist sei, sprachen wir noch über etwas anderes. Wir sprachen vom Weltuntergang und von den Menschen, die nichts tun als ins Kino und in Tanzlokale zu gehen und dann erzähltet ihr von den Indern und der Seelenwanderung.«787

Bonhoeffer gelang es, in seinen Ansprachen immer wieder solche Gespräche aufzunehmen, wie in der Ansprache zum Totensonntag vom November 1926: »Wir haben neulich abend auf einem Ausflug mal vom Weltuntergang gesprochen und was da werden wird. Daran wollen wir heute mal anknüpfen. Ihr wißt, Jesus hat oft von den Dingen gesprochen, die am Weltende sich zutragen werden.«788 Besondere Aktivitäten finden sich nicht nur in Bonhoeffers Kinderarbeit, sondern auch in seiner Jugendarbeit sowie in der Theologenausbildung in Universität und Predigerseminar. Es lässt sich sagen, dass die Aktivitäten den lokalen Gegebenheiten angepasst waren und die soziale Struktur der jeweiligen Kreise berücksichtigten. Einen deutlichen Kontrast bilden die Aktivitäten des Donnerstagskreises im Vergleich zu Bonhoeffers vorherigen Aktivitäten im Grunewalder Kindergottesdienst. Die gemeinsamen Konzert- und Opernbesuche sind wohl den kulturell-intellektuell ausgerichteten Teilnehmern zu verdanken, deren Interessen sich sicherlich mit Bonhoeffers eigenen überschnitten. In Barcelona schaffte Bonhoeffer mit dem Krippenspiel und den Wanderungen dagegen ein Potpourri aus künstlerisch-musikalischen und sportlichen Aktivitäten, in dem die bisherigen Pole zusammengebracht werden. Zusätzlich wird eine seelsorgerlich-diakonische Komponente in den gemeindepädagogischen

785 786 787 788

Vgl. DBW 10, S. 40. Vgl. a.a.O., S. 44f. DBW 9, S. 555, Anmerkung 15. A.a.O., S. 550.

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Aktivitäten in Barcelona deutlich, die sich beispielsweise in der Fürsorge Bonhoeffers für Köttgen zeigt.789 Zurück in Berlin entstanden gleich zwei Kreise um Bonhoeffer mit regelmäßigen und über den kirchlich-universitären Kontext hinausgehenden Aktivitäten. Zum einen entwickelte sich aus den zehn bis fünfzehn Studenten, die seine Veranstaltungen besuchten, der sogenannte Bonhoefferkreis (siehe Gliederungspunkt 3.5.1). Die Treffen gestalteten sich als Diskussionsabende mit persönlicher Aussprache, die auch aktuelle Themen aufgriffen. Hinzu kamen gemeinsame Ausflüge.790 Der zweite Kreis entstand aus dem Unterricht für eine Konfirmandenklasse in der Zionsgemeinde, die Bonhoeffer zum Ende des Jahres 1931 übernahm (siehe Gliederungspunkt 3.5.4).791 Die Treffen bei Bonhoeffer verbanden Spiel, Bildung – auch in religiöser Hinsicht – und Seelsorge miteinander. Dasselbe lässt sich für die gemeinsamen Ausflüge nach Biesenthal und die Konfirmandenfreizeit in Friedrichsbrunn annehmen. Beachtlich ist, dass schon innerhalb der ersten vier Monate nach Bonhoeffers Ordination mindestens drei mehrtägige Fahrten mit Studenten und Konfirmanden nachzuweisen sind.792 Zusammengefasst lässt sich sagen, dass die Aktivitäten im gemeindepädagogischen Kontext von Bonhoeffers Kinder- und Jugendarbeit sowie seiner Arbeit unter jungen Erwachsenen auch eher kirchendistanziertere Gruppierungen einbezogen, wie es beispielsweise bei den Teilnehmern am Donnerstagskreis und den Berliner Konfirmanden der Fall war. Die Aktivitäten der einzelnen Kreise setzten bei den Interessen der Teilnehmer an und wurden entsprechend ausgestaltet. Sie boten einen Rahmen, in dem sich Gespräche zu religiösen und kirchenpolitischen Themen ereignen konnten. Die Teilnehmer erlebten Gemeinschaft mit ähnlich gesinnten Gleichaltrigen, keiner der Kreise war auffallend heterogen zusammengesetzt. Dadurch fanden die Teilnehmer neben einer geistigen Heimat, möglicherweise eine geistliche und stundenweise eine soziale Heimat. Es stellt sich nun die Frage nach dem Ursprung einer derartigen Gestaltungsform der einzelnen Kreise bei Bonhoeffer. Zum einen finden sich besondere Aktivitäten schon in Bonhoeffers Elternhaus, etwa bei Hausmusikabenden, Spaziergängen und in der gemeinsamen Vorbereitung von Familienfeiern. Bonhoeffer selbst musste diese Aktivitäten in positiver Form erlebt haben, zudem kamen sie seinem geselligen und aktiven Naturell entgegen, sodass er sie in ähnlicher Form bereitwillig fortführte. Auch wenn sich bei den gemeinsamen 789 790 791 792

Vgl. zum Beispiel DBW 17, S. 82f. und vgl. DBW 10, S. 145–149. Vgl. Zimmermann (1965), S. 46–49. Vgl. Schulz (2010), S. 257f. Vgl. DBW 11, S. 488ff.

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Aktivitäten gewisse Parallelen zur Jugendbewegung aufdrängen, wurde diese doch energisch abgelehnt, wie es Susanne Dreß bei ihrer Schilderung von Wanderungen der Bonhoeffer-Kinder und deren Freunden betont: »Manchmal geht eine Gitarre mit; wir tragen Zöpfe und Beinwandkleider ; kurze Lederhosen und Joppen; aber Wandervögel sind wir beileibe nicht. Wir sind gar kein Verein; wir haben mit der Jugendbewegung nichts zu tun, sind ganz privat und arrogant, und alle bündischen Gruppen gelten als unmöglich für uns. Aber wir sind für andere wohl gar nicht so sehr zu unterscheiden von den Jugendbewegten, wenn wir auch ein Individualistenclub sind.«793

Hilfreich für eine Einordnung der besonderen Aktivitäten Bonhoeffers aus pädagogischer Perspektive ist der Rückgriff auf den Erlebnisbegriff, der nach Bernd Heckmair und Werner Michl zum »Modewort des beginnenden 20. Jahrhunderts«794 wurde. Die pädagogische Dimension des Erlebnisbegriffs verweist auf die Erlebnispädagogik, deren Grundlagen in der Reformpädagogik liegen, die sich zur Zeit Bonhoeffers entwickelte. Auch wenn hierin die Gefahr eines vorgreifenden Anachronismus liegt, sollen die oben dargestellten besonderen Aktivitäten aus modern erlebnispädagogischer Sicht betrachtet werden, um vorhandene Überschneidungen und Unterschiede zu veranschaulichen.795 Heckmair und Michl definieren Erlebnispädagogik in Anlehnung an den führenden Reformpädagogen Kurt Hahn und unter Berücksichtigung aktueller Entwicklungen als »handlungsorientierte Methode, in der die Elemente Natur, Erlebnis und Gemeinschaft pädagogisch zielgerichtet miteinander verbunden werden.«796 Die aufgeführten Elemente Natur, Erlebnis und Gemeinschaft sind allesamt bei den besonderen Aktivitäten Bonhoeffers zu finden. Nimmt man die von Bonhoeffer initiierten Krippenspiele in Barcelona und London, dann ermöglichten diese den teilnehmenden Kindern einen ganzheitlichen Zugang zum biblischen Stoff und Brauchtum, der in einem Handlungsprodukt in Form einer Aufführung mündete. Im Zuge der Vorbereitung konnte ein praktisches Lernen mit vielen Sinnen erfolgen, das gleichzeitig die sozialen Kompetenzen der Be793 Zitiert nach Schlingensiepen (2006), S. 51. Siehe hierzu auch Pfeifer, Hans, Die Bedeutung der Jugendbewegung für Dietrich Bonhoeffer, in: Dietrich Bonhoeffer Jahrbuch, hg. von: Victoria Barnett u. a., Gütersloh 2003, S. 74–92. 794 Heckmair, Bernd/Michl, Werner, Erleben und Lernen. Einstieg in die Erlebnispädagogik, Neuwied 2002, S. 18. 795 Der Begriff der Erlebnispädagogik wurde erst Anfang der 1980er-Jahre in sozialpädagogischen Theorien verwendet und diskutiert. Vgl. a.a.O., S. 39. Mit den als Vorreitern der Erlebnispädagogik geltenden Vertretern wie beispielsweise Jean-Jacques Rousseau und John Dewey lässt sich eine Beschäftigung Bonhoeffers nachweisen, allerdings nicht immer zeitgleich mit seinem gemeindepädagogischen Engagement und eher unter philosophischen Gesichtspunkten. Kurt Hahn war der Familie Bonhoeffer bekannt, wie sich aus einem Brief Julie Bonhoeffers entnehmen lässt. Vgl. DBW 14, S. 88. 796 Heckmair (2002), S. 90.

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teiligten förderte. Inwieweit dieses Lernen in Eigenverantwortung geschah und zu einem eingreifenden Handeln in das gesellschaftliche Umfeld führte, ist fraglich.797 Ebenfalls unklar ist, ob die oben angeführten Elemente der Erlebnispädagogik von Bonhoeffer in pädagogisch zielgerichteter Weise eingesetzt wurden. Dagegen lassen sich verschiedene Argumente anführen: Erstens war Bonhoeffer angesichts seiner vielfältigen Verpflichtungen immer wieder zu improvisiertem Handeln gezwungen und hätte eine zeitaufwendige Vorbereitung von ganzheitlich und komplex angelegten Erlebnissituationen nur schwer leisten können. Zweitens steht Bonhoeffers Art, nach der er immer wieder dazu neigte, den Kindern in gemeindepädagogischen Kontexten zu predigen und zu moralisieren, konträr zum Ansatz eines eigenständigen reflektierten Erlebens und Entdeckens. Zudem findet sich bei Bonhoeffer immer wieder eine grundsätzliche Skepsis gegenüber Methoden (siehe Gliederungspunkte 3.2.3 und 3.4). In diesem Sinne lassen sich die besonderen Aktivitäten eher als pädagogisch erlebnisorientiert klassifizieren.

5.3.5 Bonhoeffers Erlebnis- und Gemeinschaftskritik Der Erlebnisbegriff, wie er zu Beginn des 20. Jahrhunderts aufgenommen wurde und wie er als richtungsweisend für die Erlebnispädagogik werden sollte, entstammte nicht dem pädagogischen, sondern dem psychologischen Kontext. Er ging einher mit einem individuellen Zugang und wehrte die dominierenden objektivistischen Ansätze in den Geisteswissenschaften ab. Gespeist wurde diese Wiederentdeckung des Subjekts und seines Erlebens von zwei wesentlichen Strömungen, zum einen von einer christlichen Tradition, die an der ›Seele‹ festhielt, und zum anderem vom Idealismus.798 Dieser geisteswissenschaftliche Paradigmenwechsel hat sich in Bonhoeffers Kritik am Erlebnis, wie es in seinen ekklesiologischen Schriften aus den Jahren 1925–1930 zum Ausdruck kommt, noch nicht vollzogen. Die Kritik am Erlebnis steht im Kontext von Bonhoeffers Offenbarungs- und Gemeinschaftsverständnis, das von der Dialektischen Theologie geprägt ist. Das Anliegen der alleinigen Ehre Gottes führte unter den Theologen der Krisis zu einer grundlegenden Skepsis gegenüber der Betonung 797 An dieser Stelle wurden für die Überprüfung der handlungsorientierten Methode die Kriterien des handlungsorientierten Religionsunterrichtes zugrunde gelegt, da diese sich ebenfalls am christlichen Lerngegenstand ausrichten und in der gemeindepädagogischen Theorie nicht so klar ausgestaltet zu finden sind. Vgl. Bahr, Matthias, Handlungsorientiertes Lernen, in: Religionsdidaktik, hg. von: Georg Hilger u. a., München 2001, S. 542ff. 798 Vgl. Oelkers, Jürgen, Erlebnispädagogik: Ursprünge und Entwicklungen, in: Erlebnispädagogik. Geschichtliches. Räume. Facetten. Kritisches, hg. von: Hans Günther Homfeldt, Hohengehren 21995, S. 7–10 und vgl. Heckmair (2002), S. 89.

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von Gemeinschaft, insbesondere religiöser Gemeinschaft. Die Verkündigung des Wortes Gottes darf demnach nicht durch Stimmungen oder besondere Erlebnisse gefährdet werden. Cord Cordes, ein Zeitgenosse Bonhoeffers, schrieb in seiner Untersuchung über den Gemeinschaftsbegriff der Dialektischen Theologie: »Alles, was im Bereiche menschlicher Möglichkeiten liegt, muß durchgestrichen werden. Gleiches religiöses Erleben, ›Erlebnis der Gemeinschaft‹, Gefühlsgemeinschaft, gemeinsame feierliche Stimmung, ›Berührung der Seelen‹, gegenseitige Ergänzung, Versenkung ineinander, Mitfühlen, Mitleiden – das alles ist nur eine Gefahr für die Reinheit der Gottesverehrung. Die einzige Form der Mitteilung zwischen Ich und Du – sowohl zwischen Gott und Mensch als zwischen Mensch und Mensch – ist das Wort. Alles, was darüber hinausgeht, ist bedenklich und soll lieber gemieden werden.«799

Dieses Verständnis ist auch in ›Sanctorum Communio‹ sichtbar : Für Bonhoeffer ist Gott nicht im religiösen Erlebnis zu finden, da es im Sinne Barths erstens zu einer Vereinnahmung Gottes durch den Menschen führen und zweitens das religiöse Erlebnis allein die Existenz des Menschen nicht berühren würde.800 In der Versammlung der Gemeinde spielt das Erlebnis eine nachgeordnete Rolle, da der Gegenstand der Verkündigung nicht als persönliches Erlebnis, sondern als Wille Gottes zu sehen sei.801 Wenn man aus diesen Äußerungen eine Grundhaltung Bonhoeffers zum Erlebnis ableitet, versteht dieser das Erlebnis als eine relative und subjektive Perspektive, die die Absolutheit Gottes nicht fassen kann und darf. Vom Absolutheitsgedanken ausgehend wehrte sich Bonhoeffer gegen eine Vermischung von Erlebnis und Kirche und stellt sich damit auch gegen die Erlebnisorientierung der Jugendbewegung. In ›Sanctorum Communio‹ schrieb Bonhoeffer : »Aber man vergißt heutzutage allzuoft, daß nicht erst das Erlebnis die Kirche macht. Überall dort, wo man von der Jugendbewegung herkommend, von der Kirche redet, wird der Ernst der Realität der Kirche, d. h. ihrer Gottgegründetheit, ihres Vorhandenseins grundsätzlich ›vor‹ allem Erleben, verkannt.«802

Bonhoeffers Ablehnung subjektiven und gefühlsgeleiteten Gemeinschaftsempfindens findet sich in ähnlicher Form, allerdings mit anderer Zielsetzung, auch in der Schrift ›Gemeinsames Leben‹. In dieser Schrift fasste er 1938 seine Erfahrungen mit gelebter christlicher Gemeinschaft zusammen und bezeichnete überbetonte intensive Gemeinschaftserlebnisse kritisch als »Rausch der Ge799 Cordes, Cord, Der Gemeinschaftsbegriff im deutschen Katholizismus und Protestantismus der Gegenwart, Leipzig 1931, S. 26f. 800 Vgl. DBW 2, S. 100f. 801 Vgl. DBW 1, S. 157. 802 A.a.O., S. 189.

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meinschaft«803. Ein solcher Rausch entstehe vor allem auf mehrtägigen Freizeiten. Eine christliche Lebensgemeinschaft, wie sie im Finkenwalder Predigerseminar und Bruderhaus praktiziert wurde, könne dem permanenten Anspruch der kurzzeitig erlebten intensiven Gemeinschaft nicht standhalten. »Wo nicht leiblich-familiäre Gemeinschaft oder die Gemeinschaft ernster Arbeit, wo nicht das alltägliche Leben mit allen Ansprüchen an den Menschen in die geistliche Gemeinschaft hineinragt, dort ist besondere Wachsamkeit und Nüchternheit am Platz. […] Nichts ist leichter als den Rausch der Gemeinschaft in wenigen Tagen gemeinsamen Lebens zu erwecken, und nichts ist verhängnisvoller für die gesunde, nüchterne brüderliche Lebensgemeinschaft im Alltag.«804

Deshalb unterschied Bonhoeffer zwischen der seelischen – auch psychisch genannten – und der geistlichen Gemeinschaft, die er auch als pneumatisch bezeichnete. Bonhoeffers Auffassung aus ›Sanctorum Communio‹ »Die Einheit der Kirche […] ist nicht Ideal, sondern Wirklichkeit.«805 behielt er konsequent und in ähnlichem Wortlaut für die seelische Gemeinschaft bei: »Erstens, christliche Bruderschaft ist kein Ideal, sondern göttliche Wirklichkeit. Zweitens, christliche Bruderschaft ist eine pneumatische und nicht eine psychische Wirklichkeit.«806 Verfolgten die in Gemeinschaft lebenden Menschen ein Ideal, sei die Wahrscheinlichkeit hoch, dass die Gemeinschaft daran zerbreche. Menschliche Ideale von Gemeinschaft, die in diese hineingetragen würden, müssten sogar zerbrochen werden, da sie für die echte Gemeinschaft hinderlich seien. Die Gemeinschaft werde zur pneumatischen Wirklichkeit durch ihre Begründung auf Jesus Christus, darin unterscheide sie sich von allen anderen Gemeinschaften. Die seelische und die geistliche Gemeinschaft unterschieden sich darüber hinaus in ihrer Bindung an das Wort, in der Art der in ihr vorherrschenden Liebe und im Verhältnis der Menschen zueinander. Im Großen und Ganzen geht es Bonhoeffer in seiner Unterscheidung der beiden Gemeinschaftsformen um den Schutz der christlichen Lebensgemeinschaft, die ein Stück der Kirche darstellt. Wird die geistliche Gemeinschaft von seelischen Elementen befallen, so verliert sie einen Teil ihrer Kraft.807 Es stellt sich die Frage, wie die Spannung zwischen Bonhoeffers theologischer Erlebniskritik und seinem erlebnisorientierten Ansatz in der gemeindepraktischen Arbeit erklärt werden kann. Eine Erklärungsmöglichkeit könnte in einer unterschiedlichen Bewertung des Gemeinschaftserlebens in der Bruderschaft und im gemeindepädagogischen Handlungsfeld durch Bonhoeffer liegen. Im 803 804 805 806 807

DBW 5, S. 33. A.a.O., S. 33f. DBW 1, S. 133. DBW 5, S. 22. Vgl. a.a.O., S. 23–33.

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ersten Fall ist die christliche Bruderschaft mit göttlich gestifteter Gemeinschaft gleichzusetzen und muss besonders geschützt werden. Im gemeindepädagogischen Kontext geht es dagegen um eine bewusste Gestaltung, damit Kinder und Jugendliche christliche Gemeinschaft erleben können. Das Gemeinschaftserleben steht dann im Fokus gemeinschaftlichen Lernens. Den Beteiligten kann so eine Vorahnung davon vermittelt werden, was Leben in der christlichen Gemeinschaft bedeuten kann und es lässt sich Begeisterung dafür wecken. Hierzu ist auch der Einsatz von besonderen Aktivitäten mit Erlebnischarakter legitim. Diese Vermutung lässt sich mit Bonhoeffers dreistufigem Katechumenatsentwurf (siehe Gliederungsabschnitt 5.5.2) stützen: In der ersten Stufe seines Gesamtkonzeptes der christlichen Erziehung geht es Bonhoeffer darum, die zu Unterweisenden mit der ursprünglichen Gestalt der christlichen Gemeinde bekannt zu machen. Hierzu gehört mit Sicherheit auch das gemeinschaftliche Leben der Urgemeinde. Erst bei der dritten Stufe des Katechumenatsentwurfs spricht Bonhoeffer vom brüderlichen Leben der Gemeinde.808 Auf dieser Stufe gelten die Maßstäbe, die in ›Gemeinsames Leben‹ für die christliche Lebensgemeinschaft aufgezeigt werden. Eine reine Erlebnisausrichtung wäre auf dieser Stufe irreführend. Denn die Gemeinschaft ist in ihrer Nachfolge vom Leiden gekennzeichnet. Um diesem standzuhalten, benötigt sie eine andere und tragfähigere Grundlage. Aber auch hier muss berücksichtigt werden: Besondere Aktivitäten und Erlebnisse blieben auch ein Teil der gemeinschaftlichen Lebensgestaltung in Finkenwalde, sie wurden allerdings von einer vorsichtigen Grundhaltung Bonhoeffers umrahmt.

5.4

Überschneidungen ekklesiologischer und gemeindepädagogischer Grundlagen

5.4.1 Die Grundlage der Bibel Bonhoeffer versteht die Bibel in ihrer Gesamtheit als das Buch der Kirche.809 Als Buch der Kirche kommt ihr bei der christlichen Erziehung eine besondere Bedeutung zu. Es soll in diesem Abschnitt aufgezeigt werden, dass Bonhoeffers persönlicher Zugang zur Bibel sich in seinem gemeindepädagogischen Wirken wiederfindet. Hierbei kann allerdings nicht von einem konstanten Zugang und gleichbleibenden Auswirkungen gesprochen werden, vielmehr soll eine Entwicklung von Bonhoeffers Verständnis der Bibel und seinem Umgang mit ihr im gemeindepädagogischen Kontext dargestellt werden. Gleichzeitig soll veran808 Vgl. DBW 14, S. 553f. 809 Vgl. zum Beispiel DBW 3, S. 22.

Überschneidungen ekklesiologischer und gemeindepädagogischer Grundlagen

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schaulicht werden, wie bei Bonhoeffers Haltung zur Bibel seine Ekklesiologie und sein gemeindepädagogisches Wirken ineinandergreifen. In ›Sanctorum Communio‹ besticht Bonhoeffers Ekklesiologie noch durch ein eher wort- als durch ein bibelorientiertes Verständnis. Nur innerhalb der sanctorum communio dürfen nach ihm Bibel und Wort gleichgesetzt werden. Das Wort existiert dort vor allem in der Form des Predigtwortes, ist aber auch als Schriftwort vorhanden.810 Diese Wortorientierung entspringt Bonhoeffers Begegnung mit der Dialektischen Theologie und lässt sich auch in seiner Vorlesung ›Das Wesen der Kirche‹ von 1932 finden.811 In seinen ersten gemeindepädagogischen Wirkungsfeldern weist Bonhoeffers Umgang mit der Bibel noch zwei besondere Charakteristika auf: Zum einen lehnte er sich bei der Begegnung mit dem biblischen Material an die zu Hause erlebten Religionsstunden bei seiner Mutter an. Dies zeigt sich vor allem im Einsatz der häuslichen Bilderbibel von Schnorr von Carolsfeld, die sich Bonhoeffer auch nach Barcelona schicken ließ.812 Zum anderen ist bei ihm ein sehr freier Umgang mit dem biblischen Text erkennbar, da er wiederholt während der Nacherzählung Ausschmückungen vornimmt und mehrfach für eine Verwebung von Bibeltext mit weiteren Geschichten sorgt. Zusammengefasst lässt sich sagen, dass in Bonhoeffers frühem gemeindepädagogischem Wirken die erzählerische Wirkung des Bibeltextes sowie die Veranschaulichung biblischer Inhalte durch eigene Beispiele im Vergleich zum biblischen Wort im Vordergrund standen.813 Eine neue Facette in Bonhoeffers Haltung zur Bibel zeigt sich bei der internationalen Jugendkonferenz 1932 im schweizerischen Gland, bei der Bonhoeffer in seiner Ansprache über die Lage der Kirche folgende persönliche Sorge vorbringt: »ist es nicht in allem, was wir hier miteinander geredet haben, immer wieder erschreckend deutlich geworden, daß wir der Bibel nicht mehr gehorsam sind? Wir haben unsere eigenen Gedanken lieber als die Gedanken der Bibel. Wir lesen die Bibel nicht mehr ernst, wir lesen sie nicht mehr gegen uns, sondern für uns.«814

810 811 812 813

Vgl. DBW 1, S. 159. Vgl. DBW 11, S. 280ff. Vgl. Bethge (2005), S. 143. Vgl. für eine detailliertere Betrachtung Gliederungspunkt 3.2.2 über Bonhoeffers eigene Ansprachen aus der Zeit des Grunewalder Kindergottesdienstes. 814 DBW 11, S. 353. Es ist anzunehmen, dass Bonhoeffer sich in einer Rückschau, die er in einem Brief an Elisabeth Zinn zu Beginn des Jahres 1936 vornimmt, auf den Zeitraum des Jahres 1932 bezieht. »Damals war ich furchtbar allein und mir selbst überlassen. Das war sehr schlimm. Dann kam etwas, was mein Leben bis heute verändert hat und herumgeworfen hat. Ich kam zum ersten Mal zur Bibel. […] Ich hatte auch nie, oder doch sehr wenig gebetet. Ich war bei aller Verlassenheit ganz froh an mir selbst. Daraus hat mich die Bibel befreit und insbesondere die Bergpredigt.« DBW 14, S. 113.

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Die Predigten, die aus diesem Zeitraum erhalten sind, geben ab Ende des Jahres 1931 Zeugnis von der neuen hermeneutischen Lesart Bonhoeffers, nach der biblische Wahrheiten als unbequem und herausfordernd herausgearbeitet werden.815 Besonders deutlich wird dies in der Predigt über Psalm 63, 4. In ihr spricht Bonhoeffer über die »wunderliche Welt der Bibel, die uns wieder einmal in ihrer ganzen Fremdheit erschreckt und ärgert, soweit wir überhaupt noch auf ihr Wort hinhören und gegen die Wirklichkeit der Bibel nicht schon ganz stumpf geworden sind.«816 Dass die Einsicht Bonhoeffers ihren Platz in seiner Hermeneutik gefunden hat, zeigt er im Vortrag vom August 1935 in Finkenwalde zur ›Vergegenwärtigung neutestamentlicher Texte‹. Er unterscheidet zwei Möglichkeiten der Vergegenwärtigung der Bibel, die in entgegengesetzte Richtungen zielen. Die erste Möglichkeit der Vergegenwärtigung zielt auf die Rechtfertigung der biblischen Botschaft gegenüber der Gegenwart. Bonhoeffer lehnt dieses Verständnis der Vergegenwärtigung ab. Die Botschaft der Bibel dürfe nicht durch Erkenntnisse ihrer Zeit gefiltert werden. Stattdessen bedarf es einer Rechtfertigung der gegenwärtigen Zeit vor der biblischen Botschaft. Mit der theologischen Bestimmung der Gegenwart formuliert Bonhoeffer als Konsequenz, welche biblische Botschaft die Gegenwart zu durchdringen hat: »das fremde Evangelium, nicht das bekannte Evangelium wird das gegenwärtige Evangelium sein. Anknüpfungspunkt des Ärgernisses.«817 Die Grundlage von Bonhoeffers Verständnis des Ärgernisses findet sich in seiner Christologie und ist dort mit einem ekklesiologischen Akzent versehen. Christi Sein ist sowohl sein Wort als auch seine Gemeinde. Beide Seinsarten Christi wirken in der noch von Sünde beherrschten Welt als Gestalt des Ärgernisses.818 »Jesus Christus als der schon seiende Gott-Mensch ist der Kirche allein gegenwärtig in der Gestalt ihrer Verkündigung. Der verkündigte Christus ist der wirkliche Christus. Die Ärgerlichkeit liegt nicht in der Verhüllung Gottes, sondern in der Verhüllung des Gott-Menschen. […] Ärgerlich ist Jesus Christus allein als der Erniedrigte.«819

Bonhoeffer wehrt sich dagegen, die Lehre vom Ärgernis bei der Menschwerdung Christi anzusetzen. Vielmehr sei sie in der Lehre von der Erniedrigung des Gott-

815 Vgl. zum Beispiel DBW 11, S. 388f. und 415. 816 A.a.O., S. 378. Die Predigt wurde zwar von Bethge schon auf Oktober 1931 datiert, allerdings ist die Datierung mit einem Fragezeichen versehen. 817 DBW 14, S. 405. 818 Vgl. DBW 12, S. 306. 819 A.a.O., S. 295.

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Menschen und dem leeren Grab zu verorten. Mit Christus geht auch die Kirche in die Erniedrigung und wird zum Ärgernis für die Menschen um sie herum.820 In der Finkenwalder Katechetik-Vorlesung greift Bonhoeffer auf sein Konzept des Ärgernisses zurück und wählt es als methodischen Ansatzpunkt der christlichen Unterweisung. Das Sein des Menschen ist aus christlicher Sicht durch die iustitia aliena bestimmt, von der dem Kind in der christlichen Erziehung berichtet werden müsse. Das Kind ist von Gott durch die Taufe in die Kirche hineingestellt worden. Wenn die Voraussetzung der Taufe dem Kind deutlich genug gemacht werde, müsse sich gegen diese empfundene Vereinnahmung der Protest des Kindes regen. An dieser Stelle verleiht Bonhoeffer seiner hermeneutischen Entdeckung der Fremdheit der Bibel eine pädagogische Bedeutung. Die Fremdheit der Bibel soll das Aufmerken des Kindes bewirken. Gleichzeitig führt dieses Verständnis der Bibel zusammen mit dem Konzept des Ärgernisses zur methodischen Entscheidung Bonhoeffers, bei der Vermittlung des Wissens an Ungleiches anzuknüpfen. In der Bezeichnung dieses Ansatzes als »Anknüpfung durch Ärgernis«821 wird die Ähnlichkeit zu den obigen christologischen und hermeneutischen Vorüberlegungen Bonhoeffers erkennbar. Das Kind mit der Botschaft des Skandalons zum Ärgernis zu führen, stellt den ersten Schritt dar. Das Ärgernis lässt sich allerdings nicht gezielt herbeiführen, zudem kann dessen Eintritt nicht überprüft werden. Um vom Ärgernis zur Verkündigung zu gelangen, soll sich der Erzieher mit den Kindern in ihrem Protest solidarisch zeigen. Dann kann er sie vom Christus pro te zum pro nobis leiten und mit ihnen das Bekenntnis erarbeiten und sprechen.822 In der Anlage des Unterrichts selbst führt dieser Ansatz zu mehren Konsequenzen: Bonhoeffer lehnt zum einen den Einsatz moderner Bibelübersetzungen bzw. Übertragungen ab und gesteht in der Unterweisung nur die Verwendung der Lutherbibel zu. Die Vorlesungsmitschrift gibt seine Forderungen mit den folgenden Worten wieder : »Die Geschichte auswendig erzählen, im Luthertext lernen lassen: Die Kinder sollen wissen, daß sie nicht Märchen hören. Nicht Literatur, sondern Gottes Wort, wo der Wortlaut ernst genommen werden muss. Ferner sollen sie wissen, daß sie keine modernen Weisheitslehren mitgeteilt bekommen, wo nur der Gehalt wesentlich wäre. Und die Kinder müssen von vorneherein erfahren, daß Gottes Wort in geschichtlicher Gestalt und in Gebundenheit, als Wort der Kirche da ist, für uns also in der Lutherbibel.«823

820 821 822 823

Vgl. ebd. und S. 347f. DBW 14, S. 537. Vgl. a.a.O., S. 531–539. A.a.O., S. 536.

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Nicht nur für den Erzieher fordert Bonhoeffer das Auswendiglernen, sondern auch für die Kinder. Bibelworte sollen auswendig gelernt werden, und zwar in größerem Umfang als Katechismusteile und Gesangbuchverse.824 Der im Sommer 1931 entstandene erste Katechismusentwurf von Bonhoeffer und Hildebrandt verortet die Bibel in ihrer Bedeutung für den christlichen Unterricht noch stärker im Hintergrund. Erwähnt wird sie in den Abschnitten über den wahren Gott und den Abschnitt vom Glauben. Sie wird als eine der Quellen benannt, durch die der Konfirmand von Gott weiß, sie wird aber erst an dritter Stelle nach Taufe und Kirche genannt. Ihr kommt für das Wissen über Gott eine indirekte Rolle zu. Die Bibel diene als Grundlage der Predigt und werde dadurch zur Kraftquelle der Kirche.825 Neben den heidnischen Schriften gebe die Bibel zudem vielfach Zeugnis von Jesu Existenz. Die Frage »Hat Jesus gelebt?«826 ist die einzige Frage des Katechismusentwurfs, bei der Bonhoeffer und Hildebrandt auf konkrete Bibelstellen verweisen. Die angeführten markanten Jesusworte sollen die Existenz des historischen Jesu belegen. Aber letztendlich hänge der Glaube nicht an »toten Buchstaben, sondern an dem lebendigen Herrn, der über allem Zweifel an der Bibel und ihren Geschichten sich gebietend vor uns stellt.«827 Dass die Bibel im ersten Katechismusentwurf eine eher untergeordnete Rolle spielt, ist vermutlich dem Anliegen von Bonhoeffer und Hildebrandt geschuldet, wesentliche Glaubensinhalte einer wohl eher kritisch eingestellten Leserschaft zu präsentieren und Antworten auf Zeitfragen zu finden. Da der Katechismusentwurf schon vor Bonhoeffers intensiver Konfirmandenarbeit in Berlin-Mitte entstand, ist der Entwurf weniger als Antwort auf die Fragen, die dem Konfirmandenunterricht entstammen, zu verstehen.828 Zugleich wurde der Katechismusentwurf wohl nicht für die Durchführung des Konfirmandenunterrichts herangezogen, wie es sich aus einem Brief Bonhoeffers ableiten lässt. Statt Katechismuslernen habe er im Unterricht auf »den rein biblischen Stoff und das Hinausweisen auf die große Hoffnung, die wir haben«829 gesetzt. Und auch in Bonhoeffers Londoner Konfirmandenunterricht fand der 824 825 826 827 828

Vgl. ebd., S. 536. Vgl. DBW 11, S. 63 und S. 228–237. DBW 14, S. 233. DBW 11, S. 233. Während des Vikariats in Barcelona hatte Bonhoeffer bereits im November 1928 als Urlaubsvertretung den Konfirmandenunterricht von Friedrich Olbricht übernommen. Ebenfalls vertretungsweise gab Bonhoeffer nach seiner Rückkehr aus Barcelona Konfirmandenunterricht in seiner Heimatgemeinde in Berlin-Grunewald. Zur Arbeit in den beiden Konfirmandengruppen selbst gibt es keine näheren Hinweise. Vgl. DBW 10, S. 108, 134 und 178. Anders vgl. Plant, Stephen/Burrowes-Cromwell, Toni, Letters to London. Bonhoeffer’s previously unpublished correspondence with Ernst Cromwell, 1935–6, London 2013, S. 3. 829 DBW 11, S. 65.

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Katechismusentwurf keine Verwendung, wenn der Einzelunterricht von Ernst Cromwell von 1934–1935 als Maßgabe herangezogen wird.830 Cromwell berichtete im Interview mit Stephen Plant, dass Bonhoeffer sich in den morgendlichen Sitzungen mit ihm ausschließlich auf das Neue Testament bezogen habe. Er erinnerte sich vor allem an die Wundergeschichten und die Bergpredigt, denen er bei Bonhoeffer in simpler Form begegnet sei: »Well, he would read a New Testament and that was it. He introduced me to the New Testament, you see and that was it really. The New Testament did the trick for him.«831 Aus dem anschließenden Briefwechsel zwischen Bonhoeffer und Cromwell geht hervor, dass Bonhoeffer Cromwell ermutigt hatte, Notizen seiner täglichen Bibellese anzufertigen und diese Bonhoeffer zuzusenden.832 Die Bergpredigt als Gegenstand des Konfirmandenunterrichts passt in den zeitgleichen Entstehungsprozess der ›Nachfolge‹ und kann als gemeindepädagogische Konsequenz dieser Entdeckung Bonhoeffers verstanden werden.833 Vergleicht man den ersten Katechismusentwurf von 1931 mit dem zweiten Katechismusentwurf von 1936 fällt im Hinblick auf die Rolle der Bibel eine grundlegende Verschiebung auf. Allerdings muss bei der Analyse die nicht abgeschlossene Fassung des Plans berücksichtigt werden. Ein großer Teil der Fragen ist mit Bibelstellen versehen, diese sind vermutlich als Vorbereitungshilfe für den Unterrichtenden gedacht. Die Vielzahl der Bibelstellen muss und kann nicht vollumfänglich im Unterricht behandelt werden. Der zweite Katechismusentwurf enthält, wie traditionell üblich, den Dekalog als Hauptstück, der im ersten Entwurf fehlte. Erweckte der erste Katechismusentwurf eher den Eindruck, die Bibel als möglichen Stein des Anstoßes für den Konfirmanden im Hintergrund zu halten, so schreibt ihr der Konfirmandenunterrichtsplan nicht nur in der Form, sondern auch inhaltlich eine weit größere Bedeutung zu. Die Eingangsfrage »Warum kommst du in den Konfirmandenunterricht?« wird unter anderem mit der Aussage beantwortet: »Weil ich wissen muß, was es heißt, ein Christ zu sein.« Diese Antwort wird wenig später mit den folgenden Worten ergänzt: »Willst du wissen, was es heißt, ein Christ zu sein, so mußt du mit Ernst lernen und üben. Du mußt täglich beten und die Bibel lesen, du mußt jeden Sonntag die Predigt

830 Maclear, die von Bonhoeffer 1934 in Sydenham konfirmiert wurde, erwähnt in ihren Erinnerungen an die behandelten Themen des Konfirmandenunterrichts die großen Religionen und die Geschichte des Christentums. Vgl. Maclear (2006), S. 58f. 831 Plant (2013), S. 32. 832 Vgl. a.a.O., S. 65, Anmerkung 2. 833 Die früheste Erwähnung der Auseinandersetzung mit der Bergpredigt findet sich in einem Brief vom 28. April 1934, den Bonhoeffer von London aus verfasste. DBW 13, S. 128f.

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hören, du mußt wissen, daß alles Lernen mit dem Kopf nichts hilft, wenn du nicht mit dem Herzen und der Tat gehorchen willst.«834

Auf diese einleitende Ausrichtung auf die Bibel als wesentlicher Bestandteil der geistlichen Lebenspraxis folgen vier Fragen, die sich ausschließlich der Bibel widmen: »Was ist die heilige Schrift?«, »Was ist das Alte Testament?«, »Was ist das Neue Testament?«, »Für wen ist die heilige Schrift geschrieben?«835 Die beiden Fragen nach dem Alten und dem Neuen Testament werden interessanterweise zunächst mit denselben Worten beantwortet. Beide Testamente sind als Gottes Wort und sein Zeugnis zu verstehen. Damit sind sie gleichwertig in ihrer Bedeutung. Die Formulierungen verweisen auf eine entschiedene Abwehr der Abwertung des Alten Testaments, wie sie von deutschchristlichen Kreisen vorgenommen wurde. Gleichzeitig wird in den vier Abschnitten die ekklesiologische Dimension von Bibel und christlicher Erziehung sichtbar. Die Bibel als Gottes Wort ist für die Kirche geschrieben, durch sie soll Christus verkündigt werden, die Bibel ist die alleinige Grundlage der Predigt, sie ist Maßstab der Wahrheit. Die Bibel ist für den Einzelnen geschrieben, damit er das Wort Gottes hören, lernen und danach handeln kann.836 Zusammenfassend lässt sich sagen, dass mit Bonhoeffers Entdeckung der Bibel diese gerade in ihrer Fremdheit und ihrem Anspruch an den Menschen zum Ansatzpunkt in seinem Verständnis kirchlicher Unterweisung wurde. Die Katechetik-Vorlesung und der Konfirmandenunterrichtsplan zeigen den Höhepunkt einer Entwicklung Bonhoeffers auf, die die Bibel zur Grundlage und Begrenzung der Gemeindepädagogik werden lässt. Sie fordert den Einzelnen nicht nur persönlich heraus, sondern muss im ekklesiologischen Kontext betrachtet werden.

5.4.2 Die Grundlage des Bekenntnisses Die Grundlagen von Bibel und Bekenntnis als Grundlagen der christlichen Erziehung leitet Bonhoeffer direkt aus dem Kirchenbegriff ab. Voraussetzungen der Erziehung in der Religion sind in ›Sanctorum Communio‹ eine Überlieferung und eine Gemeinschaft.837 Die Überlieferung findet sich in Bibel und Bekenntnis, auf die Bonhoeffer besonders in der Katechetik-Vorlesung ein besonderes Gewicht legt. In der Katechetik-Vorlesung orientierte sich Bonhoeffer bei der Vermittlung 834 835 836 837

DBW 14, S. 786 und 788. A.a.O., S. 790. Vgl. a.a.O., S. 789f. DBW 1, S. 83.

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des Unterrichtsstoffes an den Herbartschen Formalstufen, die er unter Berücksichtigung des Skandalons umformte. In der Mitschrift von Bethge werden diese als ›Theologische Stufen‹ bezeichnet. Die Unterweisung verläuft demnach in folgenden Schritten: Zuerst findet die Verkündigung des Evangeliums als Skandalon statt, auf die der Protest der zu Unterweisenden folgt. Im dritten Schritt verkündet der Erzieher das pro nobis, dem sich die gemeinsame Erarbeitung und das Sprechen des Bekenntnisses anschließt.838 Unter den erhaltenen Büchern aus der Finkenwalder Bibliothek befindet sich der ›Katechismus-Unterricht‹ von Schieder, den Bonhoeffer mit seinen eigenen ›Theologischen Stufen‹ weiterdachte. Schieder kritisierte die in der christlichen Unterweisung vielfach eingesetzten Formalstufen von Herbart-Ziller unter anderem aufgrund ihres idealistischen Bezuges und ihrer Formorientierung, die dem christlichen Inhalt nicht mehr gerecht würden. Schieders Entwurf enthält ebenfalls vier Sachstufen, die sich von der Suche nach dem Handeln Gottes ableiten. Diese Stufen werden bei Schieder durch eine Oppositionsstufe und gegebenenfalls durch eine kirchliche Stufe ergänzt. Parallelen zwischen Bonhoeffer und Schieder finden sich bei der Orientierung am Handeln Gottes, das auch im Hinblick auf die Kirche betrachtet wird. Auch eine Protestreaktion vonseiten der Zuhörer berücksichtigen beide. Bei Bonhoeffer sind allerdings die aufgeführten ähnlichen Elemente deutlich enger gefasst als bei Schieder. Das Handeln Gottes ist bei Bonhoeffer auf die Taufgnade präzisiert, gegen die sich auch der Protest des Kindes richtet. Schieders Oppositionsstufe lässt eine breitere Füllung zu, zum Beispiel könne sich der Widerstand des Kindes an der Höhe und den persönlichen Anspruch der Forderungen Gottes oder am Christusglauben als einzigen Lebenszweck entfachen.839 Das entscheidende Novum in Bonhoeffers Ansatz betrifft das Bekenntnis. Es stellt sich nun die Frage, welche Aspekte des Bekenntnisses an dieser Stelle für Bonhoeffer vorrangig sind. Die Mitschrift Bethges erklärt in diesem Kontext: »Bekenntnis meint ›Katechismus und heutiges Bekenntnis‹«840. Das Bekenntnis erhält einen dynamischen Charakter, indem es als Gegenwartsbekenntnis des Glaubens in die jeweilige Zeit hinein verstanden wird. Zugespitzt formuliert wird dies in der stenografierten Forderung Bonhoeffers: »Dem fremden Wort der Bibel folgt das heutige Bekenntnis. Wir können nicht Katechismus geben ohne Ansätze zur neueren Bekenntnisbildung sichtbar werden zu lassen.«841 Bonhoeffers Rückkehr zu einem protestantischen Katechismusverständnis als

838 Vgl. DBW 14, S. 537ff. 839 Vgl. a.a.O., S. 536–539 und vgl. Schieder, Julius, Katechismus-Unterricht, München 21934, S. 16–40. 840 DBW 14, S. 538, Anmerkung 32. 841 A.a.O., S. 536.

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dogmatisch-normative Schrift wird in seinem zweiten Katechismusentwurf, dem Konfirmandenunterrichtsplan, deutlich: »Was ist der Katechismus? Der Katechismus ist ein Bekenntnis meiner Kirche, in dem die Botschaft der heiligen Schrift zusammengefaßt ist. Er enthält die lautere Lehre des Evangeliums nach der Erkenntnis der Schrift, wie sie der Heilige Geist unserer Kirche gegeben hat.«842

Mit dem Bekenntnis antworte die Kirche, wie es auf die nächste Frage hin heißt, auf das in der Predigt gehörte Wort Gottes. Ihre Antwort richte sich an die Irrlehrer und Feinde, mit denen sie es zu tun habe.843 Eine wichtige Rolle spielt im Konfirmandenunterrichtsplan die Barmer Theologische Erklärung von 1934, die Bonhoeffer schon im Einleitungsabschnitt unter den Bekenntnissen der Bekennenden Kirche anführte und deren Inhalt er in mehreren Fragen aufgriff.844 Im ersten Katechismusentwurf fehlt diese Bekenntnisorientierung zum einen in inhaltlicher Form, sie ist zum anderen auch in der Anlage des Katechismus deutlich weniger zu erahnen. Inhaltlich halten sich Bonhoeffer und Hildebrandt eher bedeckt, wenn sie lediglich von einem Versuch sprechen, »zu formulieren, was Lutherischer Glaube heute sagt«845. Im Vergleich zu einem Bekenntnis kann der erste Katechismusentwurf nicht als in sich abschließend gültig betrachtet werden, da er noch im Unterricht ergänzt und erklärt werden soll.846 In der Anlage des ersten Katechismusentwurfs fehlt auch das Apostolikum. Bonhoeffer und Hildebrandt hatten ganz darauf verzichtet und ein Bekenntnis eingefügt, das einer Katechismuspredigt Luthers entstammt, und sich auch in Hildebrandts Dissertation findet. Im Konfirmandenunterrichtsplan wird das Apostolikum explizit als kirchliches Glaubensbekenntnis angeführt und in etlichen Fragen behandelt.847 Eine Mitschrift von Zimmermann gibt stichwortartig einen Entwurf Bonhoeffers zu Ziel und Aufbau des Konfirmandenunterrichts wieder. In der Einführung zum Konfirmandenunterricht unterscheidet Bonhoeffer diesen in der Frage des Aufbaus vom Katechismusunterricht. Er wehrt sich gegen eine apo842 A.a.O., S. 790. 843 Gerlach sieht den Konfirmandenunterrichtsplan in seinem abgrenzenden Anliegen in inhaltlicher Nähe zur Hitler-Denkschrift vom Mai 1936. Allerdings habe Bonhoeffer nicht nur Stellung gegenüber dem NS-Staat und den Deutschen Christen, sondern auch innerhalb der Bekennenden Kirche beziehen müssen, vgl. Gerlach (2003), S. 332–389. 844 Vgl. DBW 14, S. 790, 811f., Anmerkungen 161f. 845 DBW 11, S. 228. 846 Vgl. a.a.O., S. 228. Gerlach begründet den nachrangigen Bekenntnischarakter des Katechismusentwurfs mit einem durch Hildebrandt und Bonhoeffer vorgenommenen Vorsatz zu Luthers freiem Bekenntnis. Der Vorsatz greife die nachfolgende Frage mit inhaltlichem Bezug zum Apostolikum auf und verweise auf ein »eher um das rechte Zur-Sprache-Bringen der Sache Gottes«, Gerlach (2003), S. 57. 847 Vgl. DBW 11, S. 229, Anmerkung 6 und vgl. DBW 14, S. 800–815.

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logetische Anlage des Unterrichts. Stattdessen drängt er darauf, die Fragen des Konfirmanden aufzunehmen und in die Verkündigung einfließen zu lassen. Es erstaunt nicht, dass gerade das Bekenntnis Gegenstand der ersten Unterrichtsstunde wird.848 Bonhoeffer leitet die Stunde mit zwei Liedvorschlägen und dem von ihm so geschätzten Auswendiglernen-Lassen eines Verses ein. Es folgt die Schriftlesung mit dem Christusbekenntnis von Petrus (Mt 16, 16), beziehungsweise der Worte der Apostel vor dem Hohen Rat (Apg 5). Dem schließt sich eine Veranschaulichung aus der Zeit der Reformation, aber auch aus dem zeitgenössischen Kontext an. Bonhoeffer verweist im zeitgenössischen Kontext auf die Hitlerjugend und den Kirchenkampf. Den Unterrichtsstoff ordnet er an, indem er, ausgehend vom Bekenntnis Petrus’, auf das Glaubensbekenntnis der Väter und dann auf das eigene Bekenntnis zu sprechen kommt. In diesem Zusammenhang betont Bonhoeffer besonders den freiwilligen Charakter des Bekenntnisses, wie es im Konfirmandenunterricht erfolgen könne. Ein solches Bekenntnis schließt die Stunde in skizzenhafter Weise ab: »Jesus soll mein Herr sein […], er allein. […] Ich erkenne andere Herren, die neben ihm Gewalt haben wollen, in mir und draußen. Dagegen richtet sich mein Bekenntnis.«849 Dieses Bekenntnis kann nun zum Confiteor und zum Credo des Konfirmanden werden.850 Welche Bedeutung das Bekenntnis in der christlichen Unterweisung und zugleich auch für die Kirche selbst einnimmt, zeigt sich in Bonhoeffers Katechumenatsentwurf einer vereinheitlichten christlichen Erziehung innerhalb der Kirche. In Anlehnung an den altkirchlichen Katechumenat nimmt Bonhoeffer einen Aufbau in drei Stufen vor. Das Bekenntnis ist ausdrücklicher Bestandteil von zwei Stufen. Auf der zweiten Stufe soll dogmatischer Unterricht auf Grundlage von Bibel und Bekenntnis erteilt werden. Dies soll in Bezug auf die Gemeinde geschehen. Auf der dritten Stufe wird die oikodomische Absicht erkennbar, die Bonhoeffer in diesen Ansatz legt. Bekenntnis, Gebet und Beichte sind zu selbstverständlichen Bestandteilen einer Gemeinde geworden, die in brüderlicher Weise das Leben miteinander teilt.851

5.4.3 Die diakonische Grundlage: ›Kirche für andere‹ Die Formulierung ›Kirche für andere‹ taucht im ›Entwurf für eine Arbeit‹ auf und wurde von Bethge auf Anfang August 1944 datiert.852 Der Entwurf lässt eine 848 849 850 851 852

Vgl. a.a.O., S. 627f. A.a.O., S. 628. Vgl. ebd. Vgl. a.a.O., S. 552ff. Vgl. DBW 8, S. 556, Anmerkung 1.

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Dreiteilung der Arbeit erkennen: Der Beginn solle laut Bonhoeffer eine Bestandsaufnahme des Christentums umfassen. Dazu gehöre auch die Kritik an der bestehenden Kirche und ihren Rettungsversuchen. In der Bekennenden Kirche sei nur wenig persönlicher Glaube an Christus zu finden. Sie sei vor allem auf ihre Selbstverteidigung beschränkt und wage nichts für andere. Der zweite Teil solle der Frage nachgehen, was Glaube sei. Bonhoeffers christologische Ausführungen bereiten ekklesiologische Konsequenzen vor: Jesu Sein zeige sich in seinem Für-andere-Dasein. In der Begegnung mit diesem Sein ereigne sich für den Menschen die Transzendenzerfahrung und bewirke, dass sich alles menschliche Sein umkehre. Nur im Dasein für andere, in der Teilnahme am Sein Jesu, gestalte sich das Verhältnis zu Gott. Von diesem Zusammenhang aus seien die zentralen biblischen Begriffe zu interpretieren. Einer der bekanntesten Sätze aus Bonhoeffers Theologie leitet seine skizzenhaften Folgerungen ein: »Die Kirche ist nur Kirche, wenn sie für andere da ist.«853 Er führt konkrete Maßnahmen an, die eine solche Kirche zu treffen habe. Zuerst müsse sie ihr gesamtes Eigentum den Armen schenken. Die Gemeindepfarrer sollten auf die finanzielle Unterstützung ihrer Gemeinden angewiesen sein und parallel eventuell einem weltlichen Beruf nachgehen. »Sie [die Kirche] muß an den weltlichen Aufgaben des menschlichen Gemeinschaftslebens teilnehmen, nicht herrschend, sondern helfend und dienend.«854 Die in diesem Kontext noch unkonkreten Vorstellungen verweisen auf Bonhoeffers Hochachtung der Gemeinschaft und dem in ihr stattfindenden Leben, zu der auch die Kirche – nicht nur in ihren eigenen Reihen – einen Beitrag leisten soll. Als säkulare Pflichten des Gemeinschaftslebens sind beispielsweise Bildung oder Fürsorge denkbar. Der Gedanke des Für-andere-Daseins der Kirche mit ihrem christologischen Bezug ist keine Neuerscheinung in Bonhoeffers Gefängnistheologie. Er steht in theologischer Kontinuität mit früheren Überlegungen Bonhoeffers, beispielsweise aus ›Sanctorum Communio‹ und der ›Nachfolge‹. In ›Sanctorum Communio‹ zeigt Bonhoeffer drei Möglichkeiten des Füreinanderwirkens auf: Der uneigennützige Dienst am Nächsten, die Fürbitte und die gegenseitigen Spende der Sündenvergebung. Die Möglichkeiten des Füreinanderwirkens stellen innerhalb der Gemeinde als Gemeinschaft der Heiligen Liebestaten dar, die im stellvertretenden Handeln Christi begründet sind. Ein solches stellvertretendes Handeln wird auch als uneigennütziger Dienst der Gemeindeglieder aneinander verlangt.855 Verfolgt man den Gedanken der Parallelität von ekklesiologischen Überlegungen und gemeindepädagogischem Wirken bei Bonhoeffer weiter, dann müssten sich in Bonhoeffers gemeindepraktischer Tätigkeit 853 A.a.O., S. 560. 854 Ebd., S. 560. 855 Vgl. DBW 1, S. 120ff.

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Elemente des Dienstes der Gemeindeglieder aneinander finden lassen. Es ist davon auszugehen, dass die Kindergottesdienstkinder und Konfirmanden aufgrund der empfangenen Taufe den Gemeindegliedern zugerechnet werden können. Es ist bemerkenswert, dass diese drei Elemente des Füreinanderwirkens, allerdings nicht im identischen Wortlaut, in Bonhoeffers ›Thesen zur Jugendarbeit in der Kirche‹ (siehe Gliederungspunkt 3.5.6) zu finden sind. Diese Elemente machen das brüderliche Handeln der Gemeinde aus, in der die Jugend ohne Bevorzugung ihren Dienst leistet. Ihr Dienst an der Gemeinde besteht im Hören, Lernen und Umsetzen des Wortes.856 Im Hinblick auf den Zusammenhang vom Für-andere-Dasein der Kirche und Gemeindepädagogik bedeutet diese Aussage, dass Jugendarbeit vom diakonischen Handeln in der Gemeinde nicht ausgeschlossen ist. Der Dienst der Jugendlichen an der Gemeinde berücksichtigt das Lernstadium, in dem die Jugendlichen sich noch befinden. In der 1926 gehaltenen Ansprache über den Dekalog findet sich schon ein frühes Beispiel, wie Bonhoeffer, wenn auch mit Ausrichtung auf den Gehorsam gegenüber Gottes Gebot, das Für-andere-Dasein im menschlichen Miteinander angeht. Ein wesentlicher Gedanke, den Bonhoeffer in der Ansprache anhand von zahlreichen Beispielen den Kindergottesdienstkindern verdeutlicht, bezieht sich auf die Haltung, mit der eine Aufgabe erledigt werden soll. Aus dem Gefühl heraus, zu Hause zu sein und der Liebe gegenüber den eigenen Familienangehörigen werden Pflichten freiwillig erfüllt und zusätzliche Dienste, wie der Besuch beim erkrankten Vater, gerne verrichtet. Dieselbe Haltung gelte auch Gott und seinen Geboten gegenüber. Ein solches Handeln aus eigenen Bemühungen heraus sei aber nicht auf Dauer von Erfolg gekrönt und bedürfe der Führung und der Kraftspende Jesu.857 Aber auch in Bonhoeffers Leben selbst gibt es zahlreiche Beispiele, in denen sein Für-andere-Dasein im gemeindepädagogischen Kontext erkennbar wird. Behm, eine ehemalige Berliner Konfirmandin Bonhoeffers, berichtete, wie er nicht nur neue Kleidung für die Einsegnung ermöglichte, sondern auch regelmäßig Essen zu den Konfirmandenstunden mitbrachte.858 Selbst wenn man an dieser Stelle anmerken muss, dass das diakonische Engagement Bonhoeffers ohne die Unterstützung seiner Eltern wohl nur sehr begrenzt möglich gewesen wäre, so darf man nicht die Zeit unterschätzen, die er trotz vielfältiger anderer Verpflichtungen beispielsweise diesen Konfirmanden widmete. Bonhoeffer selbst begründete seinen Einsatz mit dem Wunsch nach gelebter Authentizität 856 Vgl. DBW 12, S. 509. Bonhoeffer verwendet hier die Begriffe ›Opfer‹ (Dienst am Nächsten), ›Fürbitte‹ und ›Beichte‹ (Sündenvergebung). Es ist anzumerken, dass die Thesen von einem sehr pessimistischen Bild jugendlicher Anthropologie durchdrungen sind. 857 Vgl. DBW 9, S. 491–496. 858 Vgl. Behm, Margarete, So oder so ist das Leben. Eine Jahrhundertfrau erzählt, Hamburg 2004, S. 249f.

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der christlichen Botschaft: »Es ist doch auch Unrecht, ihnen [den Jungen], immer nur von Nächstenliebe zu erzählen und nichts zu tun.«859 Das von Nächstenliebe geleitete Handeln als Dasein für andere bleibt aber nicht auf fürsorgliches Handeln beschränkt. Zum diakonischen Handeln gehört zugleich auch seelsorgerliches Handeln. Bekannt sind die wiederholten Einzelgespräche in Bonhoeffers Kinder- und Jugendarbeit.860 Über deren Gehalt gibt in ausführlicherer Form der Besuch eines der Jungen aus dem Kindergottesdienst in Barcelona bei Bonhoeffer Auskunft. Bonhoeffer berichtete seinem Schwager Walter Dress, wie ihn dieses seelsorgerliche Gespräch in seiner Einmaligkeit noch immer beschäftige. Der zehnjährige Junge habe Bonhoeffer aufgesucht und seinen Kummer über seinen eben verstorbenen Schäferhund geklagt. Bonhoeffer habe den Jungen einfach erzählen lassen bis er seine Ungewissheit äußerte, ob der Hund wohl in den Himmel käme. Bonhoeffer schildert sein eigenes Unbehagen angesichts der Expertise, die in dieser Situation von ihm erwartet wurde: »Da stand ich da und sollte antworten: ja oder nein; nein, das wissen wir nicht, hätte ›nein‹ bedeutet. Da war einer, der Bescheid wissen wollte, und das ist immer bös.«861 Bonhoeffers Antwort zeigt, dass er die Trostbedürftigkeit des Jungen höher einordnete als die dogmatische Korrektheit seiner Aussage. Er erklärte dem Jungen Gottes Liebe, die sicher zusammenhalten wolle, was sich liebe. Man könne aber keine genaue Aussage darüber treffen, wie dies vonstattengehe. Die bewusst offen gehaltene Antwort wurde vom Jungen in dem Sinne gedeutet, dass er den Hund im Himmel wieder sehen würde und das erfüllte ihn mit großer Zuversicht.862 Anhand von Bonhoeffers Leitung der Jugendstube wird deutlich, dass Bonhoeffers Jugendarbeit in diesem Zeitraum in ihrer diakonischen Komponente nicht nur auf die Jugendarbeit in den Reihen der Kirche beschränkt blieb. Der zur Verfügung gestellte Aufenthaltsraum und das Angebot berufsvorbereitender Tätigkeiten für arbeitslose Jugendliche kann dem notlagenorientierten Aufgabenbereich der Diakonie zugerechnet werden. Ein Teil der Besucher, aber auch der Mitarbeiter, stammten aus nicht protestantischen Kreisen. Das von Bonhoeffer gepachtete Biesenthaler Grundstück kam nicht nur seinen Studenten und Konfirmanden zugute, sondern auch den kommunistischen Mitgliedern der Jugendstube, die dort vorübergehend Zuflucht vor der Bedrängung durch die Nazis finden konnten.863 Während Bonhoeffers soziales Engagement in Berlin sich besonders auf die proletarische Jugend ausrichtete, waren es die rassisch und politisch verfolgten Emigranten aus Deutschland, denen er sich immer 859 860 861 862 863

DBW 11, S. 47. Vgl. zum Beispiel a.a.O., S. 64. DBW 17, S. 83. Vgl. a.a.O., S. 82f. Vgl. DBW 11, S. 112f. und vgl. Bethge (2005), S. 276f.

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wieder in London widmete. Auffallend ist, dass sich seine Fürsorge dabei nicht nur auf seine eigenen zeitlichen und finanziellen Ressourcen erschöpfte. Hatte er zuvor immer wieder auf die Unterstützung seiner Familie zurückgegriffen, so nutzte er nun sein Beziehungsnetzwerk, das bis in die USA reichte. Daneben konnte er auf die Infrastruktur der eigenen Kirchengemeinde zurückgreifen.864 Sehr deutlich weisen die Herausgeber des DBW-Bandes ›Fragmente aus Tegel‹ darauf hin, dass Bonhoeffer gerade bei der Hilfe an den Verfolgten des NSRegimes das Scheitern der ›Kirche für andere‹ erleben musste. Unterstützung habe er vor allem bei seinen Familienangehörigen und anderen Mitstreitern im Widerstand gefunden, welche der Kirche aber nicht sehr nahe standen.865 In der ›Nachfolge‹ sind die großen Linien aus dem ›Entwurf für eine Arbeit‹ schon erkennbar. Bonhoeffer charakterisiert dort den Dienst des Einzelnen und der Kirche in der Nachfolge Jesu. In seiner Auslegung von der Aussendung der zwölf Jünger (Mt 10, 5–15) streicht Bonhoeffer heraus, dass die selbst gewählte Armut zum Dienst im biblischen Sinne gehöre. Zur Freiwilligkeit der Armut zähle aber zugleich die Freiheit, Unterkunft und Nahrung anzunehmen. Beide Aspekte finden sich, deutlich weiter gedacht und in konkreter Form, bei Bonhoeffers Beschreibung der ›Kirche für andere‹, die ihr Eigentum verschenkt und ihre Pfarrer von außerhalb versorgen lässt. Und in beiden Schriften stehen der Dienst der Gemeinde und der Dienst Christi entsprechend der Formel ›Christus als Gemeinde existierend‹ aus ›Sanctorum Communio‹ in enger Verbindung zu einander.866 Der Ausbildungskonzeption in Finkenwalde kommt bei der Hinführung und Ausübung des Dienstes aneinander und für andere als Schnittstelle von gemeindepädagogischem Wirken und Ekklesiologie bei Bonhoeffer eine herausragende Stellung zu. Bemerkenswert ist die Wortwahl Bonhoeffers im Brief an Wolfgang Staemmler vom Juni 1936, in dem er die wesentlichen Ausbildungsziele des Seminars vermittelt. Alle Ziele, die er anführt, sind unmittelbar mit dem Begriff des Dienstes verbunden: Die Seminaristen sollen zuerst das Leben in der Gemeinschaft erlernen »in der Übung im geringsten und im höchsten Dienst, den christliche Brüder einander leisten sollen; sie müssen die Kraft und die Befreiung, die im brüderlichen Dienst und in dem gemeinsamen Leben einer christlichen Gemeinde liegt, erkennen lernen. […] Zweitens sollen sie lernen, der Wahrheit allein zu dienen«867.

Da der Dienst aneinander der Anleitung und der Übung bedarf und es in dessen Ausübung zu Fehlentwicklungen kommt, verwundert es nicht, dass Bonhoeffer 864 865 866 867

Vgl. zum Beispiel DBW 10, S. 116 und vgl. DBW 13, S. 169f., 267ff. und 280f. Vgl. DBW 7, S. 239. Vgl. DBW 4, S. 197–203, 210f. und 282, vgl. DBW 8, S. 558ff. und vgl. bspw. DBW 1, S. 76. DBW 14, S. 175.

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in seiner Schrift ›Gemeinsames Leben‹ dem Dienst ein ganzes Kapitel gewidmet hat.868 Der Dienst aneinander soll aber nicht Selbstzweck sein, sondern er ist auf den Dienst außerhalb der Gemeinschaft ausgerichtet, wie es die schriftliche Bitte zur Einrichtung eines Bruderhauses an den Rat der Evangelischen Kirche der Altpreussischen Union ausdrückt.869 Die Adressaten des Dienstes an der Außenwelt des Seminars waren aber vor allem im Umkreis von Finkenwalde unter Pfarrern, Gemeinden und Studenten der Bekennenden Kirche und noch nicht im säkularen Raum zu verorten, wie der ›Entwurf für eine Arbeit‹ es nahelegt.

5.4.4 Die ökumenische Grundlage: Universalität der Kirche Der Ausdruck der ›Universalität‹ findet sich an den zeitlichen Rändern von Bonhoeffers Beschäftigung mit der Kirche. Der Beginn von Bonhoeffers Frage nach der Kirche auf seiner Romreise 1924 wird begleitet vom Eindruck, den die Palmsonntags-Messe im Petersdom auf ihn machte: »Fabelhaft wirkt die Universalität der Kirche, Weiße, Schwarze, Gelbe, alle in geistlichen Trachten vereint unter der Kirche, scheint doch sehr ideal.«870 Auch die letzten überlieferten Worte Bonhoeffers beinhalten den Begriff der Universalität. Er richtete diese am 8. April 1945, dem Tag vor seiner Hinrichtung, an seinen Mitgefangenen Payne Best. Sie enthielten die Bitte, die folgende Nachricht an George Bell, den Bischof von Chicester weiterzuleiten: »tell him that this is for me the end, but also the beginning – with him I believe in the principle of our Universal Christian brotherhood which rises above all national hatred and that our victory is certain – tell him too, that I have never forgotten his words at our last meeting.«871

Da Bonhoeffer mit großem Ernst die Nachricht wortgetreu wiederholte, ging der im Umgang mit Codes besonders geschulte Best als Angehöriger des British Secret Intelligence Service davon aus, dass es sich hierbei um einen Code handeln müsse. Bell erreichte die vollständige Nachricht aufgrund der antideutschen Stimmung nach der Befreiung des Konzentrationslagers Bergen-Belsen und durch weitere unglückliche Umstände erst im Jahr 1953. Er teilte Best mit, dass Bonhoeffers Nachricht keine verschlüsselte Botschaft enthalten habe.872 868 869 870 871 872

DBW 5, S. 77–92. Vgl. DBW 14, S. 77ff. DBW 9, S. 88. DBW 16, S. 468. Vgl. Schlingensiepen (2006), S. 391 und 415, Anmerkung 1, vgl. Schlingensiepen, Ferdinand, Payne Best’s Encounter with Dietrich Bonhoeffer, Their Detention in Buchenwald Concentration Camp and Subsequent Transfer to Regensburg and Schönberg. Introduc-

Überschneidungen ekklesiologischer und gemeindepädagogischer Grundlagen

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Interessanterweise finden sich schon im Juli 1945 – also vor Überbringung der Botschaft – Parallelen zwischen Bonhoeffers letzten Worten und der Ansprache Bells anlässlich des Londoner Gedenkgottesdienstes für Dietrich Bonhoeffer : »For him and Klaus […] there is the resurrection from the dead; for Germany redemption and resurrection, if God pleases to lead the nation through men animated by his spirit, holy and humble and brave like him; for the Church, not only that Germany which he loved, but the Church Universal which was greater to him than nations, the hope of a new life.«873

Die Ähnlichkeiten liegen im Bezug zu einem neuen Anfang in einer neuen Welt, vor allem aber in der Erwähnung einer universalen kirchlichen Gemeinschaft, die auch nationale Grenzen überwinden könne. Hierin zeigt sich ein grundsätzliches Anliegen von Bell und Bonhoeffer, das einen wesentlichen Teil ihrer gemeinsamen Arbeit bestimmt hatte. Die Formulierung »universal church«874 tauchte wiederholt im Briefwechsel zwischen Bonhoeffer und Bell auf. Bonhoeffer und Best befanden sich vom 24. Februar bis zum 08. April sowohl im KZ Buchenwald als auch auf dem Transport nach Schönburg bei Passau in unmittelbarer Nähe zueinander.875 Nicht zuletzt aufgrund der erleichterten Haftbedingungen in Buchenwald hätte Bonhoeffer die Gelegenheit gehabt, Best eine Nachricht für Bell schon in dieser Zeit zukommen zu lassen. Dass er es nicht tat, liegt vermutlich an seinem Bestreben, sich und andere durch Bests zusätzliches Wissen nicht in Gefahr zu bringen. Auch wenn Best sich als loyal erwies, hätte doch die Möglichkeit bestanden, dass er in einer Notsituation oder unter Folter andere damit belastete. Es ist mit hoher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass die Nachricht an Bell keinem spontanen Impuls entstammte, sondern vielmehr gut überlegt war. Dafür sprechen der komprimierte Inhalt und die wortwörtliche Wiederholung der Botschaft. Pfeifer geht angesichts der Wortwahl der Frage nach, ob die Nachricht an Bell nicht doch eine verschlüsselte Botschaft enthalten habe. Die Formulierung »Universal Christian brotherhood«876 sei in der ökumenischen Bewegung sehr verbreitet, für Bonhoeffer dagegen eher ungewöhnlich gewesen. Bonhoeffer habe eventuell mit seinen Worten seine Haltung zum Beitrag der Kirchen bei

873 874 875

876

tion, in: Dietrich Bonhoeffer Jahrbuch 3, hg. von: Victoria Barnett u. a., Gütersloh 2008a, S. 115, Anmerkung 1 und vgl. DBW 16, S. 468, Anmerkung 1. Zitiert nach Bethge (2005), S. 1042. DBW 13, S. 57 und 159. Vgl. DBW 16, S. 740f. und vgl. Best, Payne, Payne Best’s Encounter with Dietrich Bonhoeffer, Their Detention in Buchenwald Concentration Camp and Subsequent Transfer to Regensburg and Schönberg. Excerpts, in: Dietrich Bonhoeffer Jahrbuch 3, hg. von: Victoria Barnett u. a., Gütersloh 2008, S. 122ff. DBW 16, S. 468.

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einer Neuordnung nach dem Krieg bestätigen wollen. Mit diesem Beitrag der Kirchen und ihrem Zeugnis einer durch Gott erlösten Welt in ihrer Wirklichkeit könne der Weg zu Frieden und Gerechtigkeit in Europa geebnet werden.877 Der ökumenische Bezug von Bonhoeffers Ekklesiologie wurde bereits herausgearbeitet (siehe Gliederungspunkt 4.6). Es soll nun untersucht werden, ob der Gedanke der Universalität der Kirche in seinen gemeindepädagogischen Bemühungen erkennbar wird. Das früheste Beispiel für die Auseinandersetzung mit überkonfessionellen Inhalten in Bonhoeffers gemeindepraktischer Arbeit stellt das Referat ›Die katholische Kirche‹878 von 1927 dar. Da das Referat bereits als Bestandteil des Donnerstagskreises (siehe Gliederungspunkt 3.2.4) und unter ekklesiologischen Gesichtspunkten (siehe Gliederungspunkt 4.2) betrachtet wurde, soll an dieser Stelle nur das Augenmerk darauf gelegt werden, wie Bonhoeffer ökumenisches Gedankengut vermittelte. Zu erwarten gewesen wäre, dass Bonhoeffer den gewaltigen Eindruck römisch-katholischen Christseins, dem er auf seiner Romreise begegnete, auch den Jungen gegenüber schilderte. Dazu fehlen Erklärungen zentraler Begriffe aus dem ökumenischen Kontext. Eventuell befand sich etwas davon auf der ersten Seite des Referats, die als verloren gilt.879 Vielleicht wurden in den vorhergehenden Referaten bereits Grundlagen gelegt, da das christliche Gottesbild sowie die Gottesvorstellungen anderer Religionen bereits an mehreren Abenden im Vorfeld behandelt wurden. Zudem war die Kirche bereits Gegenstand eines Abends.880 In didaktischer Hinsicht ist das Referat nicht sehr überzeugend, es hat eher Vorlesungscharakter und enthält kaum veranschaulichende Beispiele. Was Bonhoeffer bei diesem Referat seinen Zuhörern unter dem Gesichtspunkt der Universalität der Kirche vermittelt, zeigt sich zunächst als katholische Konfessionskunde in Abgrenzung zum evangelischen Verständnis. Dennoch bleibt das Referat nicht bei einer Vermittlung rein dogmatischer Inhalte stehen, sondern zielt auf die Bildung ökumenischen Denkens. Bonhoeffer gelingt dies, indem er von der Kritik am katholischen Gottes- und Kirchenverständnis zur Würdigung der römisch-katholischen Kirche und ihrer Verdienste übergeht. Sie hat gerade als universale Kirche Vorbildcharakter. Trotz der Bedenken, die gegenüber ihrem Anspruch und an ihrem Auftreten zu äußern sind, legt Bonhoeffer die Basis für eine ökumenische Offenheit der Jugendlichen. Die römisch-katholische Kirche ist die ›Schwesterkirche‹, zu der eine Verbindung besteht aufgrund von gemeinsamer Tradition, Glaubensbekenntnis und Vaterunser. Da sie die Bibel noch habe, 877 Vgl. Pfeifer, Hans, Enthielt Dietrich Bonhoeffers letzte Botschaft an Bischof Bell eine verschlüsselte Nachricht?, in: Dietrich Bonhoeffer Jahrbuch 3, hg. von: Victoria Barnett u. a., Gütersloh 2008b, S. 355–358. 878 DBW 9, S. 579–584. 879 Vgl. a.a.O., S. 579, Anmerkung 1. 880 Vgl. a.a.O., S. 578f.

Überschneidungen ekklesiologischer und gemeindepädagogischer Grundlagen

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dürfe man »auch in ihr heilige christliche Kirche glauben«881. Besonders pragmatisch sind die Ratschläge, die Bonhoeffer den Jungen im Hinblick auf den Umgang mit der katholischen Kirche erteilt: Sie beinhalten das Gebet für die katholische Kirche und ihre Haltung zum Wort, das geduldige Ertragen des Anathemas sowie die Aufforderung, am Wort festzuhalten. Mit dem Hinweis auf das Wort gibt Bonhoeffer den Jungen einen Maßstab für die Beurteilung wahren Kircheseins mit.882 Die Aspekte des Wortes als Maßstab und das geduldige Warten auf die Einheit, die der Kirche geboten sind, finden sich auch im ersten Katechismusentwurf von Bonhoeffer und Hildebrandt.883 Allerdings tritt der Gedanke der Universalität bzw. der Katholizität, wie er bei einer traditionellen Anlage mit dem Hauptstück des Apostolikums naheliegend gewesen wäre, in den Hintergrund. Mit der Wiederaufnahme des Apostolikums im zweiten Katechismusentwurf werden auch Bonhoeffers Worte deutlicher. Zwar findet sich dieselbe Frage nach der Vielzahl der Kirchen in der Welt im Konfirmandenunterrichtsplan. Ihre Antwort gibt aber nun Zeugnis von den schmerzhaften Erfahrungen des Kirchenkampfes. Es gibt neben der einen weltweiten wahren Kirche auch irrende und falsche Kirchen. Während Bonhoeffer und Hildebrandt 1931 noch »auf eine neue Gemeinschaft aller Christen«884 drängten, war diese allumfassende Gemeinschaft 1936 nicht mehr erstrebenswert. Eine Gemeinschaft sei nur noch mit den irrenden Kirchen möglich, nicht aber mit der falschen Kirche. Für zeitgenössische Ohren beinahe provokant klingen Frage und Antwort zu ›Catholica‹: »Worin besteht die Allgemeinheit der bekennenden Kirche? Die bekennende Kirche umfaßt alle Völker und Rassen der ganzen Erde. Sie ist in Wahrheit katholische Kirche.«885 Hierin liegt eine klare Absage an den Arierparagrafen und an das deutsche Überlegenheitsdenken, wie es von der NS-Ideologie und ihren Vertretern forciert wurde. Wenn alle Völker und Rassen in der Kirche vereint sind, lassen sich schwerlich Rassenordnungen und Kriege rechtfertigen. In der Universalität der Kirche liegt das Potenzial für ein friedlicheres menschliches Zusammenleben. Die Ausbildung im Finkenwalder Predigerseminar gibt immer wieder Zeugnis von den Bemühungen Bonhoeffers, als gesamtes Seminar ökumenische Kontakte zu pflegen und zu gestalten. Schon zu Beginn des ersten Kurses trat Bonhoeffer im Rahmen eines Entwurfs zum Aufbau eines ökumenischen Amtes der Bekennenden Kirche für einen Austausch von Studenten und Kandidaten

881 882 883 884 885

A.a.O., S. 583. Vgl. a.a.O., S. 581–584. Vgl. DBW 11, S. 235f. A.a.O., S. 235. DBW 14, S. 812.

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Konkretionen des Ineinandergreifens

mit England und Schweden ein.886 Konkretisiert wurden diese Vorstellungen in einem Memorandum Bonhoeffers ein gutes halbes Jahr später. In der Präambel des Memorandums formulierte Bonhoeffer seine Motivation für einen solchen Austausch. Die Gründe liegen in der Suche der Bekennenden Kirche nach ihrem eigenen Fundament, die sie zur Suche nach Gemeinschaft mit anderen Kirchen bewege. In Erkenntnis ihres Wesens wachse ihr Wille zur Ökumene. Ein wichtiger Grund sei auch die derzeitige Bedrängung der Kirche, in der die einzelnen Kirchen ein Verhältnis pflegen müssten, das noch stärkeres Aufeinander-Hören und Voneinander-Lernen erforderlich mache. Finkenwald zeichne sich aufgrund seines ökumenischen Bewusstseins und seines brüderlichen Lebens dafür besonders aus. Wie ernst es Bonhoeffer mit diesem Austausch war, brachte er in einer datierten Einladung nach Finkenwalde abschließend zum Ausdruck.887 Einen Erfolg seiner Bemühungen stellte die Schwedenreise des Seminars vom 29. Februar bis zum 10. März 1936 dar. Sie war zwar nur wenige Wochen zuvor durch die Kandidaten angeregt worden, fügte sich aber gut in Bonhoeffers Vorliebe für gemeinsame Fahrten sowie sein ökumenisches Interesse ein. Was der Aufenthalt in Schweden für die Teilnehmer bedeutete, klingt in dem bereits erwähnten Memorandum nach. Sie lernten kirchliches Leben und kirchliche Institutionen in Schweden kennen, in denen sie sich schnell heimisch fühlten, fanden Inspiration, brachten aber zugleich selbst neue Impulse und erlebten Zuspruch in der Bedrängung, die sie innerhalb der Bekennenden Kirche in Deutschland erlebten.888 Der Jahresbericht von 1936 aus Finkenwalde zeigt die Einmaligkeit der Erfahrungen, die die Schwedenreise ermöglichte: »Für die meisten war diese Reise die erste Begegnung mit der Kirche Christi jenseits der deutschen Grenze, der Ökumene.«889 Der Erfolg, mit der Schwedenreise in der Ausbildung in Finkenwalde ein Stück der Universalität der Kirche erleben zu lassen, beförderte zugleich den Niedergang weiterer Bemühungen. Der schwedische Erzbischof Eidem, der durch den offiziellen Charakter der Reise unter Druck geraten war, hielt sich mit weiteren Aktionen zurück. Auch gerieten Bonhoeffer, der nun seine Lehrerlaubnis verlor, sowie der illegale Status von Finkenwalde in das Blickfeld der Behörden.890 Abschließend lässt sich sagen, dass Bonhoeffers Ausrichtung auf die Universalität der Kirche in seiner Theologie durchgängig vorhanden ist, wenn auch in unterschiedlicher Ausprägung. Seine ökumenischen Bemühungen sind ein weiteres Beispiel dafür, wie bei ihm Ekklesiologie und gemeindepädagogisches Wirken ineinandergreifen. In der gemeindepraktischen Arbeit ist die Univer886 887 888 889 890

Vgl. a.a.O., S. 42. Vgl. a.a.O., S. 267–270. Vgl. a.a.O., S. 117, 119, 127 und 132f. A.a.O., S. 261. Vgl. Bethge (2005), S. 578–586.

Der Katechumenat als Reformprogramm kirchlicher Erziehung

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salität der Kirche nicht das vorrangigste Thema Bonhoeffers, sie lässt sich aber durchaus früh wie im Referat ›Die katholische Kirche‹ oder im ersten Katechismusentwurf nachweisen. Mit dem Kirchenkampf erhielten die ökumenischen Beziehungen eine neue und umfassendere Bedeutung für die Bekennende Kirche, die vom erhofften Beitrag bei einer Neuordnung nach dem Krieg noch übertroffen wurde. In dieser Bedeutungssteigerung der ökumenischen Beziehungen verwundert es nicht, dass sie den Geist in Bonhoeffers Theologenausbildung mit bestimmten. Zugleich wurden sie dort einem erhöhten Druck von außen ausgesetzt. Gerade deshalb war Bonhoeffer bereit, auch unter der Gefahr persönliche Nachteile zu erleiden, der nächsten Pfarrergeneration ökumenische Erfahrungen mitzugeben.

5.5

Der Katechumenat als Reformprogramm kirchlicher Erziehung

Bonhoeffers Rezeption des altkirchlichen Katechumenats891 in der Finkenwalder Katechetik-Vorlesung (siehe Gliederungspunkt 3.7.2.1) legt nahe, dass seine Ausführungen zum altkirchlichen Katechumenat als Argumentationsgrundlage für den zweiten Teil des Vorlesungsabschnittes892 dienen sollen, in dem er aus dem altkirchlichen Katechumenat Forderungen für den kirchlichen Unterricht seiner Zeit zieht. Damit besetzte Bonhoeffer den Begriff ›Katechumenat‹ in den Linien von Achelis und von Zezschwitz in zweifacher Hinsicht: Der Katechumenat blieb für ihn keine einmalige historische Erscheinung der frühen Kirche, sondern sollte zum Reformprogramm für die kirchliche Erziehung der Bekennenden Kirche werden. Die Mitschrift über die Bedeutung des altkirchlichen Katechumenats für den heutigen Unterricht beginnt mit einer Situationsanalyse, in der drei signifikante Unterschiede zwischen seiner Zeit und der Zeit der frühen Kirche herausgestellt werden. Diese Unterschiede betreffen die Bereiche Religionsunterricht, Gottesdienst und Taufe, zu denen mehrere Forderungen Bonhoeffers formuliert werden. Im Anschluss an diese Forderungen findet sich Bonhoeffers eigener Katechumenatsentwurf. Die erste Forderung gilt der alleinigen Übernahme der christlichen Erziehung durch die Kirche und schließt den Religionsunterricht mit ein. Um diese Forderung zu verstehen, ist es erforderlich, die angespannte Lage des Religionsunterrichts zur Zeit Bonhoeffers zu erläutern: Die bisher noch in der Praxis ausgeübte geistliche Schulaufsicht wurde durch die Weimarer Reichsverfassung 891 DBW 14, S. 546–551. 892 A.a.O., S. 552ff.

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Konkretionen des Ineinandergreifens

(WRV) 1919 endgültig aufgehoben und dem Staat übertragen. In diesem Zuge sollte der Religionsunterricht als verpflichtendes Unterrichtsfach abgeschafft werden. Nach massivem Widerstand wurde der Religionsunterricht mit folgendem Wortlaut in der WRV verankert: »Der Religionsunterricht wird in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der betreffenden Religionsgesellschaft unbeschadet des Aufsichtsrechts des Staates erteilt« (Art 149 S. 3 WRV). Gleichzeitig nahm man das ebenfalls durch die WRV zugesicherte Recht zur Einrichtung von Bekenntnisschulen in Anspruch. Die Bekenntnisschule fand deshalb eine weite Verbreitung. Detailliertere Regelungen im Sinne eines Reichsschulgesetzes kamen nie zustande und es blieb der Eindruck einer zumindest zeitweise kirchenfeindlichen Republik in vielen evangelischen Kreisen bestehen.893 Das ›Gesetz zur Behebung der Not von Volk und Reich‹ von 1933 ermöglichte das Übergehen der bestehenden Verfassung in nahezu allen Punkten, dennoch erfolgte weder durch die Reichs- noch durch Landesregierungen jemals eine formelle Aufhebung des Religionsunterrichts.894 Mit dem Erstarken der nationalsozialistischen Diktatur wurde der Religionsunterricht zu einem Feld von politischer Instrumentalisierung und Missbrauch. Die Oeynhausener Bekenntnissynode formulierte 1936 die Erkenntnis: »Um die Schule ringen zwei einander ausschließende Glaubenshaltungen.«895 Sie verlangte von den Gemeinden und Eltern, »darüber zu wachen, ob in ihrer Schule die auf den Namen Jesu Christi getauften Kinder zu ihrem Herrn geführt oder ihm entfremdet werden. Wo sie erkennt, daß alle Versuche fehlgeschlagen sind, den Mißbrauch des Religionsunterrichts abzustellen, müssen die Eltern um des Gewissens willen ihre Kinder einem solchen Unterricht entziehen und einer eigenen kirchlichen Unterweisung zuführen.«896

Der Kampf um den Religionsunterricht stand Bonhoeffer vermutlich vor Augen, als er forderte, dass die Kirche die alleinige Verantwortung und Durchführung für die christliche Erziehung übernehmen müsse. Dem staatlichen Anspruch setzt die Mitschrift die Worte Bonhoeffers entgegen: »Christlicher Staat [wird] nicht dadurch [dazu], daß er selbst religiösen Unterricht übernimmt, sondern gerade dadurch, daß er den Unterricht abtritt in Erkenntnis

893 Vgl. Hermle, Siegfried, Bekennende Kirche und Religionsunterricht. Monatshefte für Evangelische Kirchengeschichte des Rheinlandes. 53. Jahrgang/2004, S. 236f. 894 Vgl. Bloth, Peter C., Kreuz oder Hakenkreuz? Zum Ertrag evangelischer Religionsdidaktik zwischen 1933 und 1945, in: Schule und Unterricht im Dritten Reich, hg. von: Reinhard Dithmar/Wolfgang Schmitz, Ludwigsfelde 2001, S. 271. 895 Immer, Karl, Vierte Bekenntnissynode der Deutschen Evangelischen Kirche. Bad Oeynhausen. 17.–22. Februar 1936, Wuppertal-Barmen 1936, S. 11. 896 A.a.O., S. 13.

Der Katechumenat als Reformprogramm kirchlicher Erziehung

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seiner Grenzen. [Die] Kirche kann nicht verwehren, daß der Staat Unterweisung erteilt [, sie darf sie] aber nicht abtreten, nie und nimmer.«897

Vielleicht waren diese Worte Bonhoeffers nicht nur als Mahnung an die Bekennende Kirche gedacht, sondern sind später als grundlegende Gedanken für eine Neuordnung der kirchlichen Unterweisung nach dem Fall der nationalsozialistischen Diktatur zu verstehen. Bethge geht davon aus, dass Bonhoeffer bereits Anfang 1938 über den politischen Widerstand informiert war und diesen billigte.898 Dieser Zeitraum fällt mit den letztmaligen Vorträgen der KatechetikVorlesung im Sammelvikariat durch Bonhoeffer zusammen. Die Orientierung des kirchlichen Unterrichts am Gemeindegottesdienst als zweite Forderung Bonhoeffers wurde schon in seiner Rezeption des altkirchlichen Katechumenats aufgezeigt. Diese Orientierung forderte Bonhoeffer in ähnlicher Form übrigens ebenfalls in der Homiletik-Vorlesung.899 Der Fokus auf den Gottesdienst findet sich auch bei von Zezschwitz.900 Bonhoeffer spitzte diesen Gedanken allerdings noch zu, indem er die Teilnahme am Gottesdienst zum Ziel der christlichen Unterweisung machte und ließ ein Stück der Arkandisziplin mit hineinspielen. Gottesdienst müsse als Gottesdienst der Gemeinde sowie als Mittelpunkt des gemeindlichen Lebens und nicht im primären Sinne als öffentlicher Gottesdienst verstanden werden. Die dritte Forderung Bonhoeffers, die sich auf die Taufe bezieht, wird in der Mitschrift nicht eindeutig als Forderung formuliert. Sie wirft stattdessen eine Offenheit bezüglich des ersten Zugangs zur Kirche auf. Da die Bedeutung der Taufe erst mit der Ausrichtung des Katechumenats ersichtlicher wird und da diese von der Mitschrift ebenfalls zurückgestellt wird, soll zunächst auf Bonhoeffers Katechumenatsentwurf eingegangen werden. Der Katechumenatsentwurf besteht aus drei Stufen, die gleiche Anzahl von Stufen, wie sie auf dem Höhepunkt des altkirchlichen Katechumenats und bei den von Bonhoeffer angeführten Zeugnissen von Origenes, Tertullian und Cyrill von Jerusalem zu finden sind. Mit der ersten Stufe nimmt Bonhoeffer eine Adaption an den Verfall des Gemeindelebens seiner Zeit vor, das nach der Mitschrift nur noch im Gottesdienst als »isolierter Restbestand«901 existiert. Was im altkirchlichen Katechumenat noch als lebendige Gemeinde erfahrbar war, muss dem heutigen Katechumenen erst ins Bewusstsein gerufen werden. Gegenstand der zweiten Stufe ist der dogmatische Unterricht auf Grundlage von Bibel und Bekenntnis, die beide in Bonhoeffers bisherigem gemeindepäda897 898 899 900 901

DBW 14, S. 552. Vgl. Bethge 2005, S. 700f. Vgl. DBW 14, S. 524. Vgl. Zezschwitz (1863), S. 116. DBW 14, S. 553.

262

Konkretionen des Ineinandergreifens

gogischem Wirken eine wichtige Bedeutung erhalten. Die Arkandisziplin verankerte Bonhoeffer auf der zweiten Stufe, da er Bibel und Bekenntnis als der Gemeinde zugehörig betrachtete. Die Herausgeber von DBW 14 verweisen an dieser Stelle unter anderem auf die von Bonhoeffer 1932 gehaltene Vorlesung ›Das Wesen der Kirche‹, in der Bonhoeffer zwischen dem Tat- und dem Wortbekenntnis der Gemeinde unterschied. Während die Tat für die Welt bestimmt sei, gehöre das Wortbekenntnis als Arcanum in den Gottesdienst.902 Die dritte Stufe umfasst das gemeinsame brüderliche Leben der Gemeinde. Die Mitschrift beschreibt Elemente dieses Lebens mit den folgenden Worten: »Wo die Gemeinde ihr Gesetz hält. Wo Gebet und Bekenntnis und Beichte als Eigentum der Gemeinde gewahrt bleiben. Wo Gottesdienst und Sakramente wieder die Mitte des Gemeindelebens werden, woher und wohin alles geschieht.«903 Auf der letzten Stufe von Bonhoeffers Katechumenats-Entwurf ist diese Zielsetzung erreicht. Aber im Gegensatz zum altkirchlichen Katechumenat, der mit der Taufe – abgesehen von den Fällen des lebenslangen Taufaufschubs – beendet wurde, scheint dieser dritten Stufe kein abschließendes Ereignis innezuwohnen. Sie beschreibt vielmehr einen idealen Zustand gemeindlichen Lebens. Der Katechumenat erhält für die Kirche eine restaurative Funktion. Zugleich vereinen sich Gemeindeleben und Katechumenat in dessen letzter Stufe. Nun kann auch erklärt werden, warum Bonhoeffer am eigentlichen Ziel des altkirchlichen Katechumenats, der Taufe, so wenig Interesse zeigt. Seine Katechumenen sind bereits getauft, sie werden von der Kirche auf ihre Kindertaufe hin angesprochen. Bonhoeffers Entwurf wandelt das altkirchliche Proselytenkatechumenat in ein kirchenaufbauendes Getauftenkatechumenat um. Allerdings lässt Bonhoeffer offen, ob die Taufe zwangsläufig als einzige Grundlage seines Katechumenatsentwurfs zu verstehen sei und ob der Zugang nicht eventuell auch durch die Handauflegung geschehen könne. Von Zezschwitz erwähnt, dass die Handauflegung im altkirchlichen Katechumenat als Symbol der Katechumenenannahme gegolten habe.904 Mit dieser offenen Anfrage geht Bonhoeffer einen Schritt über den Beginn der Katechetik-Vorlesung hinaus, in der er den christlichen Unterricht ausschließlich über die Taufe begründet hatte.905 Mit einer Bemerkung zur Umsetzung seines Katechumenatsentwurfs schließt Bonhoeffer den Abschnitt ab und fordert eine einheitliche Unterweisung, da der derzeitige kirchliche Unterricht in viele verschiedene Bereiche zersplittert sei. 902 903 904 905

Vgl. a.a.O., S. 553 Anmerkung 59 und vgl. DBW 11, S. 285. DBW 14, S. 553. Vgl. Zezschwitz (1863), S. 125ff. Vgl. DBW 14, S. 531.

Der Katechumenat als Reformprogramm kirchlicher Erziehung

263

Der Katechumenatsentwurf verweist nicht nur auf Bonhoeffers Verständnis des altkirchlichen Katechumenats, sondern steht auch in enger Verbindung mit seinem Kirchenverständnis. Ruth Gütter unterscheidet in ihrer Dissertation zwischen Bonhoeffers früher, mittlerer und später Ekklesiologie. Die drei Phasen sind allerdings nicht inhaltlich in sich abgetrennt zu beurteilen. Für die Finkenwalder Zeit hebt Gütter die ekklesiologischen Themen Nachfolge, Heiligung, Sichtbarkeit und Raum der Kirche sowie den Kampf der Kirche nach innen und ihr Verhältnis zur Welt hervor.906 Mit einem Teil dieser Themen setzte sich Bonhoeffer in der ›Nachfolge‹ auseinander. Zudem lassen sich aufgrund der zeitgleichen Entstehung des Katechumenatsentwurfs und der ›Nachfolge‹ inhaltliche Zusammenhänge vermuten. Exemplarisch soll nun für die Verbindungen zwischen Bonhoeffers gemeindepädagogischem Denken und seinem Kirchenverständnis herausgearbeitet werden, dass zentrale Themen der ›Nachfolge‹ im Katechumenatsentwurf zu finden sind und dieser aus der Perspektive des Kirchenverständnisses der ›Nachfolge‹ zu betrachten ist. Teure Gnade und die Kirche in der ›Nachfolge‹ Die Vorlesung über die ›Nachfolge‹ hielt Bonhoeffer in den Jahren 1935–1936 unter anderem in Finkenwalde, bevor er die Vorlesung zu einem Buch umarbeitete, das Ende 1937 veröffentlicht wurde.907 Während Bonhoeffer im ersten Teil verschiedene Aspekte der Nachfolge beschreibt und eine Auslegung der Bergpredigt vornimmt, widmet sich der zweite Teil ganz der Kirche in der Nachfolge. Die Kandidaten definieren diesen Begriff für einen Bericht in folgender Weise: »Die Nachfolge ist die inhaltlich in keiner Weise zu umreißende unbedingte und alleinige Bindung an Jesus Christus und damit an das Kreuz. Der Ort, an den die Kirche gerufen ist, ist das Kreuz, die Form in der die Kirche allein existieren kann, ist die Nachfolge.«908

Auch wenn Bonhoeffer in seinem Katechumenatsentwurf den Begriff ›Nachfolge‹ nicht verwendet, so gibt es doch Hinweise auf einen inhaltlichen Zusammenhang zum Kirchenverständnis der ›Nachfolge‹. Der erste Hinweis auf einen solchen Zusammenhang findet sich in Bonhoeffers Forderung, dem Katechumenen von der »Not unserer Kirche«909 zu berichten. Sein Verständnis von ›Not‹ wird im Katechumenatsentwurf nicht weiter ausgeführt, aber im ersten 906 Vgl. Gütter, Ruth, Innerste Konzentration für den Dienst nach außen. Grundlinien der mittleren und späten Ekklesiologie Bonhoeffers in ihrer systematischen Bedeutung für die Ökumenische Bewegung heute, Frankfurt 2000, S. 29–44 und S. 49–97. 907 Vgl. DBW 4, S. 10f und 13. Siehe hierzu auch Gliederungspunkt 4.7. 908 DBW 14, S. 71. 909 A.a.O., S. 553.

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Konkretionen des Ineinandergreifens

Kapitel der ›Nachfolge‹ erklärt er diese mit folgenden Worten: »Immer deutlicher erweist sich die Not unserer Kirche als die eine Frage, wie wir heute als Christen leben können.«910 Diese Worte stehen im Kontext von Bonhoeffers Ausführungen über die billige und die teure Gnade. Die billige Gnade ist nach Bonhoeffer der Todfeind von Kirche und Nachfolge, da sie nicht den Sünder, sondern die Sünde rechtfertigt. Als Gegenstück sieht Bonhoeffer die teure Gnade. Sie verdamme die Sünde, sie koste nicht nur das Leben eines Menschen, wenn er in die Nachfolge gerufen werde, sondern sie kostete auch das Leben Jesu Christi. Die teure Gnade müsse hoch geschätzt und dürfe nicht an die Welt in Form von billiger Verkündigung und billigen Sakramenten verschleudert werden. Mit der Ausbreitung des Christentums sei aus teurer Gnade billige Gnade ohne Nachfolge geworden.911 Die Kirche seiner Zeit bezeichnete Bonhoeffer als »rechtgläubige Kirche der reinen Lehre von der Gnade«, aber nicht mehr als »nachfolgende Kirche«912. Dass Bonhoeffers Katechumenatsentwurf im Geist der Nachfolge zu sehen ist, deutet Bonhoeffer selbst in diesem ersten Kapitel der ›Nachfolge‹ an: »Wo blieben die Erkenntnisse der alten Kirche, die im Taufkatechumenat so sorgsam über der Grenze zwischen Kirche und Welt, über der teuren Gnade wachte?«913 Die erste Stufe des Katechumenatsentwurfs ist folglich so zu verstehen, dass dem Katechumenen die Abwendung von der teuren Gnade und der Verfall der kirchlichen Nachfolge bewusst gemacht wird. Dies geschieht, indem er über die urchristliche Gemeinde und die Gemeinden der alten Kirche unterrichtet wird, die noch in diesem Bewusstsein lebten. Die leidende Kirche Die teure Gnade kommt nicht nur Gott teuer, da sie das Leben Christi kostete, sondern ist auch teuer für den Menschen, da sie sein Leben verlangt, wenn er in die Nachfolge tritt. Nachfolge kann also nicht ohne Leiden gesehen werden. Das Leiden des Jüngers in der Nachfolge Jesu begründet Bonhoeffer unter anderem in der Auslegung von Mk 8, 31–38 mit Jesu Leidensankündigung. Christus muss verworfen werden und leiden, sein Leiden erfülle sich im Kreuzestod. Den Einwand von Petrus deutete Bonhoeffer als Anstoßnehmen der gefallenen Kirche am Leiden Christi: »Sie [die Kirche] will einen solchen Herrn nicht, und sie will sich als Kirche Christi nicht das Gesetz des Leidens durch ihren Herrn aufzwingen lassen.«914 Der Einzelne nimmt in seiner Bindung an Christus auch an seinem Leiden und seinem Kreuz teil. Da die Kirche sich unter dem Kreuz 910 911 912 913 914

DBW 4, S. 42. Vgl. a.a.O., S. 29–36 und 40. A.a.O., S. 42. A.a.O., S. 40f. A.a.O., S. 77f.

Der Katechumenat als Reformprogramm kirchlicher Erziehung

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befindet, hat sie ebenfalls am Leiden Christi teil.915 »In der Gemeinschaft des gekreuzigten und verklärten Leibes Jesu Christi nehmen wir teil an Christi Leiden und Verklärung. Christi Kreuz liegt auf dem Leibe der Gemeinde. Was sie unter diesem Kreuz leidet, ist Christusleiden.«916 Innerhalb der Gemeinde leidet aber nun der Einzelne in Stellvertretung für die Gemeinde.917 Dies ist eine Zuspitzung von Bonhoeffers Gedanke in ›Sanctorum Communio‹, nach dem die Glieder der Gemeinde füreinander tätig werden, indem sie die Lasten und Leiden des Bruders tragen.918 Vor diesem Hintergrund kann man die Forderung Bonhoeffers verstehen, wenn er verlangt, dem Katechumenen in der ersten Stufe auch vom Leiden der Gemeinden zu berichten.919 Sein Katechumenatsentwurf fordert vom Katechumenen schon von Beginn an ein Bewusstsein für das Leiden der Gemeinde und des Einzelnen, das zum Leben in der Nachfolge als Bindung an Christus und an sein Leiden gehört. Ausrichtung auf den Gottesdienst Die Fokussierung auf Wort und Sakrament im Gottesdienst wird im Katechumenatsentwurf als »Ziel und Mittelpunkt und Gruppierung um dem Gottesdienst« formuliert. Sie erreicht ihren Höhepunkt in der dritten Katechumenatsstufe, auf der »Gottesdienst und Sakramente wieder die Mitte des Gemeindelebens werden, woher und wohin alles geschieht.«920 Diese Fokussierung auf Wort und Sakrament kann auch aus der ›Nachfolge‹ interpretiert und ausgeführt werden. Im Kapitel über die sichtbare Gemeinde setzt Bonhoeffer bei der sichtbaren Gemeinschaft der Jünger mit dem fleischgewordenen Wort Gottes an. Er fährt fort, dass auch der auferstandene Christus in der Gestalt der Gemeinde durch die Predigt des Wortes sichtbar werde. Der Gemeinde gehe das Wort zu und mit diesem der Heilige Geist, der den Glauben bei den Hörenden bewirke. Das Wort schaffe sich eine sichtbare Gemeinde. Der Leib Christi werde nicht nur im Wort sichtbar, sondern auch in Taufe und Abendmahl, in der die leibliche Gemeinschaft von Christus und der Gemeinde als Glieder seines Leibes geschehe. Somit ist der »Leib Christi sichtbar in der um Wort und Sakrament versammelten Gemeinde.«921 Die leibliche Präsenz Christi fordere den leiblichen Einsatz des Jüngers in der Nachfolge, wie es in der Gemeinschaft geschehe. Wie es über die Urgemeinde berichtet wird, so gehöre es zum Wesen jeder christli915 916 917 918 919 920 921

Vgl. a.a.O., S. 77–84. A.a.O., S. 235. Vgl. a.a.O., S. 236f. Vgl. DBW 1, S. 117. Vgl. DBW 14, S. 554. Ebd. A.a.O., S. 245.

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Konkretionen des Ineinandergreifens

chen Gemeinschaft zwischen Wort und Abendmahl zu sein.922 »Alle christliche Gemeinschaft lebt zwischen Wort und Sakrament, sie entspringt und sie endet im Gottesdienst. Sie wartet auf das letzte Abendmahl mit dem Herren im Reiche Gottes.«923 Daraus lässt sich folgen, dass Bonhoeffers Heraushebung des Gottesdienstes in seinem Katechumenatsentwurf auf dem ekklesiologischen Verständnis gründet, dass der Gottesdienst der Ort der Verkündigung und der Sakramente ist, an dem die Gemeinschaft des Leibes Christi ihren Ursprung und ihr Wachstum erlebt. Als solcher Raum muss der Gottesdienst geschützt werden, dies geschieht zum einen durch die Ordnung der Gemeinde mit ihren Ämtern, dies kann aber auch durch die Gemeindezucht geschehen.924 An dieser Stelle soll auf die Praxis des altkirchlichen Katechumenats verwiesen werden, in dem der Gottesdienst durch eine nur schrittweise Zulassung der Katechumenen geschützt wurde. Dieses schrittweise Zulassen lässt sich Bonhoeffers Katechumenatsentwurf ebenfalls in Ansätzen entnehmen, da er auf der zweiten Stufe über das Bekenntnis im Gottesdienst unterrichtet und erst auf der dritten Stufe die Teilnahme am gottesdienstlichen Leben berichtet wird. Der Gottesdienst als »isolierter Restbestand aufgelösten Gemeindelebens«925, wie Bonhoeffer den Gottesdienst seiner Zeit beurteilt, darf nicht noch weiter gefährdet werden. Er muss vielmehr gestärkt werden, dies geschieht durch den Katechumenat und die Gemeinde in der Nachfolge.

922 923 924 925

DBW 4, S. 248. A.a.O., S. 248f. A.a.O., S. 245ff. und 286–291. DBW 14, S. 553.

6

Bonhoeffers gemeindepädagogisches Wirken im Vergleich mit zeitgenössischen Ansätzen

6.1

Der Hinweis auf Christus versus die Lehrbarkeit von Religion – Bonhoeffer und die Liberale Religionspädagogik von Richard Kabisch

Die Wurzeln der kirchlichen Unterweisung in der Zeit Bonhoeffers liegen in der Katechetik als Lehre der Kirche für Taufwillige. Mit Friedrich Schleiermachers Unterscheidung von kirchlichem und schulischem Unterricht und den Ausführungen anderer Pädagogen, wie Jean-Jacques Rousseau und Johann Heinrich Pestalozzi, wurde die kirchengebundene Katechetik durch die Religionspädagogik verdrängt, die aber als eigentlicher Fachbegriff erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts auftaucht.926 Um Bonhoeffers gemeindepädagogisches Wirken im zeitgenössischen Vergleich betrachten zu können, muss auf religionspädagogische und allgemeine pädagogische Vorläufer der Gemeindepädagogik zurückgegriffen werden. Den ausgewählten Richtungen ist gemeinsam, dass ihnen ein eigenes Verständnis christlicher Erziehung in Schule und Kirche zugrunde liegt, das die Erziehungsbemühungen ihrer Zeit maßgeblich geprägt hat. Zunächst erfolgt eine Untersuchung, inwieweit Verbindungen Bonhoeffers zu Vertretern der jeweiligen Richtungen nachweisbar sind. Exemplarisch werden im Anschluss ausgewählte Vertreter mit ihren Ansätzen vorgestellt. Diese werden mit Bonhoeffers gemeindepädagogischer Theorie und Praxis, aber auch seinem theologischen Verständnis zentraler Begriffe konfrontiert, um zu Überschneidungen, Abgrenzungen und Alleinstellungsmerkmalen zu gelangen. Die sich zu Beginn des 20. Jahrhunderts verbreitende Liberale Religionspädagogik fällt zeitgeschichtlich als erste Strömung in das Leben Bonhoeffers. Zu ihren beiden Hauptvertretern Kabisch und Niebergall gibt es Bezugnahmen Bonhoeffers, die aber eher unterschwelliger Natur sind. Mit Niebergall be926 Vgl. Wegenast, Klaus, Geschichte der Religionspädagogik. in: Neues Handbuch religionspädagogischer Grundbegriffe, hg. von: Gottfried Bitter u. a., München 2002, S. 40f.

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Bonhoeffers Wirken im Vergleich mit zeitgenössischen Ansätzen

schäftigte sich Bonhoeffer wohl intensiver als mit Kabisch. Seine Auseinandersetzung mit Niebergall spielte sich aber nicht auf religions- und gemeindepädagogischer Ebene, sondern in anderen Bereichen der Praktischen Theologie ab. In der Homiletik und Seelsorge grenzte sich Bonhoeffer deutlich von der Position Niebergalls ab, erwähnte ihn aber nur selten namentlich.927 Dudzus u. a. kommen zum Ergebnis eines Bruchs, den Bonhoeffer mit den durch Liberalismus und soziale Bewegung beeinflussten Vertretern der Praktischen Theologie, darunter auch mit Friedrich Niebergall, vollzogen habe.928 Es bleibt zu untersuchen, ob dieser Bruch auch den Bruch mit der Liberalen Religionspädagogik einbezieht. Dazu soll eine Spur der Finkenwalder Vorlesung über Katechetik weiter verfolgt werden. Dort überliefert die Mitschrift Bonhoeffers Worte: »Über Lehrbarkeit von Religion mag man sich streiten.«929 Diese Äußerung belegt, dass Bonhoeffer die Lehrbarkeitsdebatte von Religion zur Kenntnis genommen hat, wie sie durch Richard Kabisch aufgenommen und beeinflusst wurde.930 Kabischs Hauptwerk ›Wie lehren wir Religion?‹ wurde mehrfach aufgelegt. Bis zu seinem Tod 1914 kam es zur dritten Auflage, die im Vergleich zu den vorangegangenen Ausgaben geringfügig erweitert wurde. Nach dem Tod Kabischs wurden weitere Auflagen von Hermann Tögel verantwortet, bei denen er aber immer stärkere Eingriffe in den Text selbst vornahm.931 Die Gegenüberstellung der Ansätze von Bonhoeffer und Kabisch stützt sich auf Kabischs dritte Auflage von 1913, da sie die jüngste in Bonhoeffers Leben fallende Ausgabe ohne fremde Texteingriffe ist. Kabisch, als Vertreter des Kulturprotestantismus, geht von einem grundsätzlichen Wert aus, den die Religion für das menschliche Leben und die Kultur einnimmt. Die religiöse Erziehung begründet er damit, dass das Kind ein Recht auf Religion besitze, für das notfalls der Staat eintreten müsse. Kabisch legt einen wissenschaftsorientierten Entwurf vor, der sich auf Erkenntnisse aus der Psy927 Vgl. Bonhoeffer, Dietrich, Barcelona, Berlin, Amerika, hg. von: Reinhart Staats u. a., DBW, Bd. 10, München 22005b, S. 349, Anmerkung 2, vgl. DBW 14, S. 743, Anmerkung 37 und S. 559, Anmerkung 15. 928 Vgl. a.a.O., S. 1012. 929 A.a.O., S. 534. 930 Vgl. Kabisch, Richard, Wie lehren wir Religion? Versuch einer Methodik des evangelischen Religionsunterrichts für alle Schulen auf psychologischer Grundlage, Göttingen 31913, S. 23f. 931 Vgl. Bockwoldt, Gerd, Interpretation und Editionsgeschichte von Kabischs »Wie lehren wir Religion?« im Rahmen der Reformpädagogischen Bewegung, in: Documenta Paedagogica. Richard Kabisch. »Wie lehren wir Religion?«, hg. von: Rudolf Keck, Hildesheim 1998, S. XX. Plagentz und andere Autoren gehen von einer zweiten Phase im Werk Kabischs aus, in dem sich ab 1910 auch reformpädagogische Elemente finden. Vgl. zum Beispiel Plagentz, Achim, Religion lehren? Eine theoriegeschichtliche Untersuchung zur liberalen Religionspädagogik im Kontext der Reformpädagogik. Münster 2006, S. 173–198. Diese Elemente werden in Gliederungspunkt 6.1 nicht berücksichtigt.

Bonhoeffer und die Liberale Religionspädagogik von Richard Kabisch

269

chologie nach Wilhelm Wundt stützt. Demnach versteht Kabisch Religion als »Lebensprozeß, nämlich das Eintreten einer neuen, aus der nicht erkennbaren Welt durch das Unterbewußtsein in das Bewußtsein einströmenden Lebenskraft, die durch die Gehobenheit des Gefühls als unmittelbar wirklich erfahren wird.«932 Dies gelte nicht nur für die christliche Religion, auch wenn Kabisch sich in seinen Ausführen vorwiegend auf christliche Inhalte beschränkt. Die Begegnung des Ichs mit der höheren Welt sei ein religiöses Erlebnis, das aus einer Herabsetzung und anschließenden Erhebung des Ichs bestehe, das zu religiösen Handlungen führe. Lehrbar sei Religion dann, wenn jemand die eigene Unzulänglichkeit gefühlsmäßig erlebe und durch die jenseitige Welt eine Steigerung seiner Lebenskraft erfahre. Der religiöse Prozess dabei sei aber individuell verschieden. Es handle sich um Erfahrungsreligion, die Kabisch in seiner Charakterisierung der kindlichen Religion von der Fantasiereligion unterscheidet. Die Erfahrungsreligion umfasse die selbstständigen religiösen Erfahrungen des Kindes, welche es vor allem in den Bereichen von Natur und Moral sammle. Schon ein Säugling empfinde in seiner Hilflosigkeit die eigene Unzulänglichkeit. Wenn sich seine Eltern ihm zuwendeten, komme dies einem religiösen Erlebnis gleich. Dem gegenüber stehe die Fantasiereligion, die intensive Gefühle hervorrufe, die ebenfalls in Handlungen münden könnten. Sie sei aber von Dichtung und Symbolen anstatt von Wirklichkeit und Erlebnis bestimmt und könne deshalb der Erfahrungswelt nicht standhalten. Für das Kind sei es von großer Bedeutung, die eigenen Fantasievorstellungen als solche zu erkennen, damit diese nicht an den persönlichen Erfahrungen zerbrächen und somit die Erfahrungsreligion gefährdeten. Kabisch führt als weitere Unterscheidung die der objektiven von der subjektiven Religion ein. In der gesamten religiösen Erziehung, ob sie sich nun im Elternhaus, in der Schule oder in der Kirche ereigne, werde objektive Religion vermittelt, um beim Menschen die subjektive Religion zu erzeugen. Die objektive Religion diene zugleich dazu, die subjektive Religion des Kindes zu reinigen und zu festigen. Für den Unterricht nimmt Kabisch bestimmte Einschränkungen in der Auswahl und dem Erzählschwerpunkt biblischer Geschichten vor. Beispielsweise fordert er, sich auf Geschichten zu beschränken, in denen Gott sich gleich bleibe und im Unterricht zu betonen, dass verschiedene Gottesbilder lediglich der jeweiligen Wahrnehmung und Erregung der Menschen in ihrer Begegnung mit Gott zuzuschreiben seien.933 Kabisch möchte, dass der Religionsunterricht nicht nur reines Wissen vermittle, sondern auch Erlebnisse schaffe. Für das Wissen, das Gegenstand des Religionsunterrichts sei, bedeute dies, dass es Gefühle auslöse und Erlebnisse ermögliche. Das könne nur mit einem Unterrichtsstoff gelingen, der ge932 Kabisch (1913), S. 38. 933 Vgl. a.a.O., S. 1–19, 38–41, 63–71 und 94–117.

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Bonhoeffers Wirken im Vergleich mit zeitgenössischen Ansätzen

schichtlicher Art sei. Lyrische Inhalte hätten nur ihre Berechtigung in einer gefühlserfüllten Darstellung. Dogmatischer Stoff diene lediglich dazu, die aus den Erlebnissen hervortretenden Gefühle und Vorstellungen zu systematisieren und Erfahrungs- von Fantasiebestandteilen zu trennen. Die von biblischen Gestalten empfundenen Gefühle von Schwäche und belebender Kraft sollten beim Zuhörer zu eigenen Gefühlserregungen führen. Kabischs Methodik ist deshalb darauf ausgerichtet, die dichterische Kraft zu fördern, die in der Erzählung Vergangenes wieder lebendig zu machen vermag. Aus der vorwiegenden Existenz geschichtlicher Stoffe im Unterricht folgert Kabisch, besondere Erlebnisse und Inhalte mit deren geschichtlichem Ort zu verknüpfen. So gehörte der Dekalog zur Gesetzgebung und das Vaterunser in das Leben Jesu. Eine zusammenhängende Glaubenslehre erfolge erst zum Ende des erteilten Unterrichts. Für die ersten Schuljahre befürwortet Kabisch eine Anordnung des Stoffes in konzentrischen Kreisen, nach der bereits Gelerntes aufgegriffen und geringfügig in unterschiedliche Richtungen erweitert werde. Sie biete den Vorteil, dass besonders jüngere Kinder die Wiederholung von vertrauten Stoffen liebten. Zudem helfe diese Art der Anordnung gerade schwächeren Schülern, den Stoff besser zu behalten. Die Stoffanordnung in konzentrischen Kreisen stehe im Gegensatz zu Zillers kulturhistorischen Stufen, die Kabisch als überholt ansieht. Stattdessen schlägt Kabisch psychologische Stufen mit fließenden Übergängen und Konsequenzen für die Anordnung des Unterrichtsstoffes vor. Das Kind habe etwa auf der ersten Stufe noch kein Gespür für den historischen Kontext und innere Zusammenhänge. Es ergänze sie bei Bedarf aus der eigenen Fantasie. Von daher reiche es aus, wenn man die Geschichten wie Märchen einzeln nebeneinanderstelle. Das Hauptaugenmerk im Unterricht liege in der vorhergehenden Vorbereitung und Erzählung der biblischen Geschichte. In vergangenen Zeiten sei man davon ausgegangen, dass eine enge Orientierung am biblischen Wortlaut die beste Wirkung erziele. Das sei falsch: »Die Ehrfurcht vor der Bibel beweise ich am tiefsten dadurch, daß ich ihren Geist am lebendigsten löse, um ihn den Seelen fruchtbar zu machen. Ich rede ja auch nicht hebräisch mit den Leuten, sondern übersetze den Wortlaut der Bibeltexte in unsere Sprache. Die Übersetzung geht aber für Ungelehrte und Kinder noch weiter ; es muß auch in ihre Redeweise, ja wegen der Kürze und grandiosen Geistigkeit der biblischen Berichte in ihre konkrete Denkart übersetzt werden«934.

Zu einer gut erzählten, den Anforderungen der Lehrbarkeit von Religion genügenden Geschichte, gehört für Kabisch, dass die Gefühle und Stimmungen im Erleben der biblischen Personen den durch die Erzählung bewirkten Gefühlen 934 A.a.O., S. 186.

Bonhoeffer und die Liberale Religionspädagogik von Richard Kabisch

271

und Stimmungen entsprechen. Inhaltliche Zusätze seien daraufhin zu überprüfen, ob sie dazu beitragen, die Geschichte für den kindlichen Geist zu veranschaulichen. Selbst wenn die Form der Erzählung dem Märchen ähnle, dürfte der Inhalt der Geschichte nicht ins märchenhafte abgleiten. Der Inhalt der Geschichte müsse auch bei alttestamentlichen Erzählungen einen christlichen Bezug aufweisen. Da der Spannungsbogen der Geschichte in der folgenden Besprechung nicht aufrechterhalten werden könne, müsse sich die Besprechung straff und zielgerichtet gestalten. Ihre Aufgabe bestehe darin, den behandelten Stoff zu wiederholen, zu klären und die erweckten religiösen Gefühle zu festigen. In der Anwendung sollten dann Verbindungen zwischen Fantasie und Erfahrung geschaffen und Ansatzmöglichkeiten zum religiösen Handeln aufgezeigt werden.935 Kabisch widmet sich der religiösen Erziehung vor allem unter dem Fokus des schulischen Religionsunterrichts. Lehrpläne und Unterrichtsmaterialien erweckten aus seiner Sicht den Eindruck, als ob der Konfirmandenunterricht nicht existiere. Kabisch erachtet dies als falsch und versucht, dem Konfirmandenunterricht ein eigenes Aufgabengebiet zu verschaffen, da die kirchliche Jugendarbeit nicht aufgegeben werden solle. Als Zielsetzung der beiden Bereiche formuliert er : »Der Schulunterricht erzieht zur religiösen Selbständigkeit des Individuums innerhalb seiner Kulturwelt, der pfarramtliche Unterricht zur religiösen Betätigung des Gemeindegliedes innerhalb der kirchlichen Gemeinschaft.«936 Er unterstützt den vielfach vertretenen Vorschlag, den Katechismus über die im Unterricht behandelten Bestandteile hinaus zum Gegenstand des kirchlichen Unterrichts zu machen. Das Auswendiglernen der neuen Stoffe hält Kabisch allerdings für überflüssig, da dies auf längere Sicht für die geistliche Bildung wertlos bleibe. Er differenziert zwischen dem schulischen Ansatz, der den Katechismus als eine mögliche Form religiöser und moralischer Gefühle verstehe und dem kirchlichen Verständnis, das den Katechismus als Bekenntnis und eigenständige Größe betrachtet. Darüber hinaus benötige der kirchliche Unterricht weitere Aufgaben in Ergänzung zum schulischen Unterricht. Die Schüler seien durch den schulischen Religionsunterricht bereits in einem solchen Maße vorgeprägt, dass die erhaltenen Konfirmationsstunden wenig inhaltliche Auswirkungen zeigten. Deshalb fordert Kabisch als Ausrichtung des Konfirmandenunterrichts, dass dort ein persönliches Verhältnis zwischen Pfarrer und Konfirmanden entstehe. Dieses sei viel bedeutsamer als jeder Stoff, der im Konfirmandenunterricht vermittelt würde. Der Pfarrer verkörpere in den Augen der jungen Menschen die Gemeinde und bringe ihnen diese mit seiner Person nahe. Im besten Fall führe dies zu 935 Vgl. a.a.O., S. 120ff., 154–163, 186–196 und 212–221. 936 A.a.O., S. 304.

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Bonhoeffers Wirken im Vergleich mit zeitgenössischen Ansätzen

einem Kreis von Konfirmanden, der sich um den Pfarrer schart und zur eigenen Betätigung in der Gemeinde heranreift.937 Wirft man einen Blick in Bonhoeffers eigene Praxis, so lassen die frühen Entwürfe für den Kindergottesdienst keinen eindeutigen Einfluss der Liberalen Religionspädagogik in den Linien Kabischs erkennen. Dies wird besonders deutlich anhand der Ansprachen, die in ihrer Entstehung der Zeit vor Beginn der Katechetischen Seminare bei Mahling zugeordnet werden.938 Mit Aufnahme der Katechetischen Seminare lässt sich in Bonhoeffers Ansprachen, die vermutlich in dieser Zeit verfasst wurden, eine größere Nähe zu den Vorgaben Kabischs nachweisen: Die biblischen Geschichten nehmen innerhalb der Ansprache mehr Raum ein, die Situation der Beteiligten und ihre emotionalen Zustände, aber auch deren innere Wandlung werden anschaulich herausgearbeitet. Sie reichen von einem emotionalen Tiefpunkt zu einer hoffnungs- und kraftspendenden Wende.939 Diese Änderung betrifft allerdings nur den Schwerpunkt und die Erzählart der biblischen Geschichten innerhalb der Ansprachen. Ansonsten behält Bonhoeffer einen eigenen Stil bei, der sich durch die Aneinanderreihung von Geschichten als Erklärungshilfe und durch stellenweise belehrend-moralisierend wirkende Formulierungen auszeichnet. Bonhoeffers Texte, die er für das Katechetische Seminar verfasste, unterscheiden sich in der Hinsicht von den Vorhergehenden, dass er die Vorgaben Mahlings umsetzen musste. Die psychologische Orientierung und die Hochschätzung der Persönlichkeit durch die Liberale Religionspädagogik lassen sich in Bonhoeffers Exegese und Katechese über Lk 9, 57–62 aus dem Jahr 1926 nachweisen. In seiner Auslegung des Bibeltextes skizziert er die Persönlichkeit der drei Menschen, die mit dem Eintritt in die Nachfolge Jesu konfrontiert werden, aber sich noch von persönlichen Angelegenheiten zurückhalten lassen. Dabei verwendet er mit der klassischen Temperamentenlehre die Typologie Wundts, an der sich bereits Kabisch orientiert hatte. Jesu Worte in den drei Begegnungen deutet Bonhoeffer als erforderliche psychologische Reaktion auf die verschiedenen Persönlichkeitstypen. Diese lässt er in der Katechese analysieren und die Gefühlszustände der Beteiligten beschreiben. In diesem Kontext muss allerdings ergänzt werden, dass 937 Vgl. a.a.O., S. 300–307. 938 Vgl. zum Beispiel die Ansprache über den Dekalog in DBW 9, S. 491–497. Kabisch legt nahe, den Dekalog mit seinem geschichtlichen Ort in der Bibel zu verknüpfen. Eine Verknüpfung mit der Person Mose nimmt Bonhoeffer an dieser Stelle nur in wenigen Zeilen und ohne Namensnennung vor. Am ehesten den Vorgaben Kabischs entspricht der von Bonhoeffer vorgenommene Hinweis auf Christus bei alttestamentlichen Themen, vgl. Kabisch (1913), S. 129. 939 Vgl. beispielsweise die Ansprachen zu Lk 9, 57–62 in NL A 15, 3 und zu Joh 19 in DBW 9, S. 573–577.

Bonhoeffer und die Liberale Religionspädagogik von Richard Kabisch

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Bonhoeffers katechetische und psychologische Kenntnisse bei der Erstellung seiner ersten Examenskatechese stark bemängelt wurden und ihm eine Weiterbildung in diesen Bereichen nahegelegt wurde.940 Trotz seiner grundsätzlichen Skepsis941 gegenüber Psychologie und Psychotherapie scheint Bonhoeffer in der Finkenwalder Katechetik-Vorlesung das Anliegen Liberaler Religionspädagogik aufgenommen zu haben.942 Neben grundsätzlichen Überlegungen zur kirchlichen Unterweisung widmet er einen von zehn Vorlesungsabschnitten der kindlichen und jugendlichen Psychologie und ihrer Religiosität.943 Bonhoeffer stimmt mit Kabisch darin überein, dass das Kind in seiner Umwelt Erfahrungen macht, die bei ihm ein Ohnmachtsgefühl hervorrufen. Bei Bonhoeffer liegt diese empfundene Hilflosigkeit im Scheitern des Kindes begründet, seine eigene Welt zu bauen und diese zu beherrschen. Bonhoeffers psychologischer Befund des Kindes trägt Züge seiner theologischen Anthropologie. Während Bonhoeffer in ›Akt und Sein‹ das Kind noch in seinen zukünftigen Möglichkeiten sah (siehe Gliederungspunkt 6.2), setzt er das Kind nun in unmittelbare Nähe zu den ersten Vertretern der gefallenen Menschheit. In seiner Charakterisierung des Kindes finden sich Bezüge zum zweiten Schöpfungsbericht und dem Sündenfall: Das Kind baut sich seine Welt auf, über die es herrscht, stößt darin aber an eine Grenze. Bei diesem Versuch ist es der Sicut-Deus-Verheißung erlegen, seine Wirklichkeit hat sich im Ungehorsam gespalten, die dem Kind bisher nur als Einheit bekannt war. Es tritt in die Wirklichkeit zwischen Gott und Götzen und wird zum Götzendiener. Es ist damit zum Tyrannen einer Umwelt geworden, die von ihm massiv bedrängt wird. Diese Begriffe und Zusammenhänge finden sich sowohl in Bonhoeffers psychologischem Befund des Kindes als auch in ›Schöpfung und Fall‹.944 In Kabischs psychologischen Ausführungen fehlt diese theologische Deutung mit Zügen des gefallenen Menschen. Ihm geht es mehr um die Wirkung auf den Menschen. Schöpfung und Sündenfall sind für ihn »uralte Geschichten, man weiß nicht, ob es Gleichnisse sind oder Fabeln und Sagen. Aber das wissen wir

940 Vgl. DBW 9, S. 186f. und 517–532. 941 Green weist bei Bonhoeffer »a consistent disinterest in exploring any insights which theology might gain from psychology« nach, Green, Clifford J., Two Bonhoeffers on Psychoanalysis, in: A Bonhoeffer Legacy. Essays in Understanding, hg. von Abram Klassen, Michigan 1981, S. 66. 942 Bobert-Stützel sieht den Grund für die Aufnahme eines psychologischen Abschnittes im seelsorgerlichen und pädagogischen Interesse Bonhoeffers begründet, vgl. Bobert-Stützel (1995), S. 333. 943 DBW 14, S. 540–546. 944 Vgl. DBW 14, S. 540ff. und vgl. DBW 3, S. 62f., 104f. und 131f.

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Bonhoeffers Wirken im Vergleich mit zeitgenössischen Ansätzen

ganz genau: wenn wir sie andächtig lesen, können wir fromm dadurch werden.«945 Einig sind sich Bonhoeffer und Kabisch in der Gefahr, die sie der Fantasiewelt des Kindes für dessen Religion zuschreiben, auch wenn sie daraus unterschiedliche Schlussfolgerungen ziehen. Im Gegensatz zu Kabisch, der die Fantasie des Kindes anregen und mit der Erfahrungsreligion verbinden möchte, lehnt Bonhoeffer die Anknüpfung an die Fantasie in der religiösen Erziehung völlig ab. Es dürfe keine Vermischung von religiösem Aberglauben und Gott geben. »Formal müssen wir natürlich anknüpfen an die Sprache, Vorstellungswelt und so weiter des Kindes. Aber inhaltlich ist Christus etwas ganz anderes, als wir von Natur im Herzen haben«946. Bonhoeffers Kritik an Kabischs Fokussierung auf die Religion ist beeinflusst durch seine Beschäftigung mit Barth. Dieser hatte es schon 1917 in seinem Vortrag ›Religion und Leben‹947, der bemerkenswerterweise von der Grundfrage christlicher Unterweisung und Verkündigung ausgeht, abgelehnt, Religion auf eine reine Innerlichkeit und Stimmung zu beschränken. Deutlich weiter entwickelte Barth seine Religionskritik in der zweiten Fassung seines RömerbriefKommentars, in der er Religion als letzte Möglichkeit des Menschen sieht und den Abstand zwischen Gott und Mensch betont. Barth erteilt zugleich auch der kulturdienlichen Funktion von Religion, wie Kabisch sie befürwortet, eine deutliche Absage.948 Bestätigt wird die Aufnahme der Gedanken Barths – und mit einer klaren Christuszentrierung durch Bonhoeffer versehen – von der Vorlesungsmitschrift, die im Kontext der Äußerung über den Streit um die Lehrbarkeit von Religion formuliert: »Religion ist das, was von innen her kommt, Christus ist das, was von außen herkommt, ist lehrbar und muß gelehrt werden.«949 Auch wenn Bonhoeffer und Kabisch beide dem Gedanken der Lehrbarkeit in der Unterweisung zustimmen, so ist doch deren Begründung grundsätzlich verschieden. Bonhoeffer hebt Kabischs Fokussierung in der religiösen Unterweisung auf den inneren Zustand und die innere Bildung des Menschen auf. Er weist auf die Gefahren der Religiosität in seinem psychologischen Befund des Jugendlichen hin. Unter dem Eindruck der Verführbarkeit der Jugend seiner Zeit für das nationalsozialisti945 Kabisch (1913), S. 230. 946 DBW 14, S. 538f. 947 Barth, Karl, Religion und Leben, in: Karl Barth Gesamtausgabe, III. Vorträge und kleinere Arbeiten 1914–1921, hg. von: Hans-Anton Drewes/Friedrich-Wilhelm Marquardt, Zürich 2012, S. 409–434. 948 Vgl. Barth, Karl, Der Römerbrief (Zweite Fassung), Karl Barth Gesamtausgabe, II. Akademische Werke 1922, hg. von: Cornelis Van der Kooi/Katja Tolstaja, Zürich 2010, S. 316– 371. 949 A.a.O., S. 534.

Bonhoeffer und die Liberale Religionspädagogik von Richard Kabisch

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sche Gedankengut zeigt Bonhoeffer auf, wohin jugendliche Religiosität führen kann und fordert zu einer klaren Trennung von Religiosität und christlicher Verkündigung auf.950 So distanziert sich Bonhoeffer von Barth herkommend von Kabischs allgemein gefasstem Religionsbegriff. Hinzu kommt Bonhoeffers Erlebniskritik (siehe Gliederungspunkt 5.3.5), die er schon in ›Sanctorum Communio‹ formulierte und die er nachweislich bis 1938 beibehielt. Bonhoeffers Kritik am religiösen Erlebnis hängt mit seiner Offenbarungsauffassung zusammen, die sich ebenfalls von Barth herleitet. Im Gegensatz zur Offenbarung kann das religiöse Erlebnis den Menschen in seiner Existenz nicht treffen.951 Damit wird ein weiterer Unterschied im Denken Kabischs und Bonhoeffers deutlich, der sich auf ihr Verständnis des Erziehers auswirkt. Bei beiden nimmt der Erzieher eine zentrale Rolle im christlichen Unterricht ein. Für Kabisch liegt die Bedeutung des Erziehers zunächst darin, dass er in seiner Unterrichtsgestaltung religiöse Erlebnisse schafft. Darüber hinaus verkörpert er für Kabisch die äußere Form der Offenbarung, die er vom Gewissen als innere Offenbarung unterscheidet. Wenn der Lehrer den Kindern gegenüber in Liebe die Geltung des göttlichen Willens vermittle, handle es sich um göttliche Offenbarung.952 Für Bonhoeffer besteht die Notwendigkeit des Erziehers in der Kirche darin, dass er gegenüber dem Kind das durch die Offenbarung ergehende Wort verkündigt. »Christliche Erziehung ist Hinweis auf das Wort, das die Existenz des Kindes schon begründet und immer wieder begründet, und zwar solcher Hinweis in Rede und Leben.«953 Bei Bonhoeffer wirkt das Wort in der christlichen Erziehung, bei Kabisch ist es die dichterische Kraft des Lehrers, die dem Kind mit vergangenen Geschichten zu religiösen Erlebnissen verhilft.954 Auch bei der Begründung und Zielsetzung christlichen Unterrichts wird die Verschiedenheit in den Ansätzen von Kabisch und Bonhoeffer deutlich: Bonhoeffer begründet die religiöse Erziehung auf der Taufe, damit geht er zwangsläufig von einer konfessionell gebundenen Erziehung aus. Kabisch versteht Religion als Kulturgut, auf das jeder Mensch ein Recht habe. Damit setzt er zunächst eine allgemeine religiöse Erziehung voraus, die konfessionelle Gestalt annehmen kann, aber nicht muss.955 Für ihn ist Religion Kulturgut, sein religiöser Unterricht zielt auf die »Selbständigkeit und Dauerhaftigkeit religiösen

950 951 952 953

Vgl. a.a.O., S. 546. Vgl. DBW 2, S. 100f. Vgl. Kabisch (1913), S. 108. DBW 14, S. 533. Die Begriffe ›Christliche Erziehung‹, ›Wort‹, ›Rede‹ und ›Leben‹ sind im Original hervorgehoben. 954 Vgl. Kabisch (1913), S. 122. 955 Vgl. a.a.O., S. 2f. und vgl. DBW 14, S. 531 und 535.

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Bonhoeffers Wirken im Vergleich mit zeitgenössischen Ansätzen

Lebens innerhalb der übrigen ihm erreichbaren Kultur«956. Bonhoeffer wehrt sich gegen eine »Volkserziehung«957 – wie sie im Nationalsozialismus praktiziert wurde – als Ziel der christlichen Unterweisung. Es geht ihm nicht um die Formung des Menschen und dessen Persönlichkeit, sondern um die Erneuerung der Kirche.958 Kabischs einziger Ansatzpunkt für die Erneuerung kirchlichen Lebens ist der persönliche Kontakt zwischen Pfarrer und Konfirmanden im Konfirmandenunterricht, der diese als künftige aktive Gemeindeglieder an das kirchliche Leben binden könne. Der Pfarrer müsse »gemeinschaftsbildend«959 wirken. Bonhoeffer setzte diese Forderung in seinem eigenen Konfirmandenunterricht um. Aber die Gemeinschaft bleibt bei ihm nicht auf die Person des Pfarrers konzentriert, sie ist auf die Gemeinde ausgerichtet und bildet einen wesentlichen Pfeiler seiner Theologie sowie seiner gesamten gemeindepraktischen Arbeit (siehe Gliederungspunkt 5.3). Es geht ihm nicht um einen isolierten Unterricht junger Menschen innerhalb der Kirche, sondern um ein einheitliches System christlicher Unterweisung, das diese gemäß den soziologischen Strukturen in ›Sanctorum Communio‹ von der Taufgemeinde in die Predigt- und Abendmahlsgemeinde begleitet.960 Diese Unterweisung müsse allein in den Händen der Kirche liegen, da nur sie dafür berechtigt und befähigt sei. Kabisch versteht dagegen den Staat als Erfüllungsgehilfen bei der religiösen Erziehung, der ein eigenes Interesse an einer derartigen Bildung seiner Bürger habe. Es sei zwar vorrangig Aufgabe der religiösen Gemeinschaften, Religionsunterricht zu erteilen, aber diese befänden sich nicht immer in Übereinstimmung mit der Kultur und ihren Gütern. Um so wichtiger sei es, dass der Religionsunterricht von staatlichen Lehrern erteilt werde, die sich nicht nur als Glieder der Kirche, sondern zugleich als Staatsdiener verstehen.961 Er folgert: »Weil doch die Kirche zugleich wünschen muß, daß ihre Religion von lebendigen Menschen, die zugleich in der Kulturwelt zu leben pflegen, lebendig erlebt werde, so ist es möglich, daß die Kirche die religiöse Erziehungsarbeit des Staats, der zugleich über die weltliche Kultur der Zeit verfügt, als heilsam für sich selbst erkennt […] und ihm sowohl die Vermittlung der Kenntnis der objektiven Religion wie ihre Verschmelzung mit dem übrigen Kulturerleben des Individuums überläßt.«962

Bonhoeffer hat allerdings den Staat in der Überschreitung seiner Grenzen gegenüber der Kirche und der christlichen Erziehung kennengelernt. Dennoch 956 957 958 959 960 961 962

Kabisch (1913), S. 7f. DBW 14, S. 552 und vgl. DBW 11, S. 144f. Vgl. DBW 14, S. 532f. und 552f. Kabisch (1913), S. 305. Vgl. DBW 1, S. 163–170. Vgl. Kabisch (1913), S. 1–9. A.a.O., S. 10.

Bonhoeffer und die Reformpädagogik von Ellen Key

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gesteht er wie Kabisch dem Staat eine eigene Art der Unterweisung zu, fordert aber, dass sie ihm vonseiten der Kirche nicht einfach überlassen werden dürfe.963 Die Frage nach einem Bruch Bonhoeffers mit der Liberalen Religionspädagogik kann auch für sein gemeindepädagogisches Wirken bestätigt werden. Es konnte nachgewiesen werden, wie Bonhoeffer von seiner Studienzeit bis hin zum Predigerseminar in Finkenwalde Elemente Liberaler Religionspädagogik aufgenommen und verarbeitet hat. Er legt in der Katechetik-Vorlesung ein Verständnis in Fragen religiöser Unterweisung dar, das den Lehrbarkeitsgedanken anders begründet und mit Kabischs Ansatz und zentralen Begrifflichkeiten darin nicht mehr kompatibel ist. Ob es sich um einen bewussten Bruch Bonhoeffers mit dem Gedankengut Liberaler Religionspädagogik in der Finkenwalder Zeit handelt oder sich dort lediglich das Ergebnis einer schleichenden Entwicklung zeigt, muss offenbleiben.

6.2

Die Berufung des Menschen zum Kind versus die Pädagogik vom Kinde aus – Bonhoeffer und die Reformpädagogik von Ellen Key

Bonhoeffer fällt in seiner Wirkungszeit nicht nur in die Zeit der Liberalen Religionspädagogik, sondern auch in die Zeit der Reformpädagogik, die als internationale Bewegung im ausgehenden 19. Jahrhundert begann und unterschiedliche pädagogische Ansätze und Aufbrüche umfasst.964 Diesen ist die Bestrebung gemeinsam, in Bindung an den Erzieher bzw. in erzieherischer Selbstbestimmung eine geistige Mündigkeit des Menschen zu erreichen. Dem Kind soll Raum für spontane Aktivitäten gewährt werden, mit dem die in ihm vorhandenen guten Kräfte zum Ausdruck gebracht werden. Lernen bedeutet keine reine Wissensvermittlung, sondern beinhaltet die Erkundung des eigenen Lebensraumes und führt durch kontinuierliche Auseinandersetzung mit der Umwelt und ihren Problemen zu neuen Erfahrungen. Zu den reformpädagogi-

963 Vgl. a.a.O., S. 1ff. und vgl. DBW 14, S. 552. 964 Eine präzise zeitgeschichtliche Datierung der Reformpädagogik erscheint inzwischen aus mehreren Gründen nicht mehr sinnvoll. Hierzu gehören die Schwierigkeiten, einen Anfangs- und Endpunkt zu bestimmen, sowie das Vorhandensein von Phasen einer kontinuierlichen bzw. diskontinuierlichen Entwicklung mit internationalen Unterschieden. Vgl. hierzu Collmar, Norbert/Koerrenz, Ralf, Die Religion der Reformpädagogen. Einleitende Perspektiven, in: Die Religion der Reformpädagogen. Ein Arbeitsbuch, hg. von: Norbert Collmar/Ralf Koerrenz, Weinheim 1994, S. 15ff.

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Bonhoeffers Wirken im Vergleich mit zeitgenössischen Ansätzen

schen Ideen gehört nicht nur die Reform von Erziehung und Schule, sondern auch eine Veränderung der Lebensgestaltung.965 Eng mit der Reformpädagogik ist die Jugendbewegung verbunden. Die Verflechtung der beiden zeigt sich darin, dass wesentliche reformpädagogische Entwicklungen von einem mit der Jugendbewegung verbundenen Personenkreis getragen wurden und Angehörige der Jugendbewegung bei Reformpädagogen Orientierung suchten.966 Deshalb soll in diesem Zusammenhang kurz auf Bonhoeffers Verhältnis zur Jugendbewegung eingegangen werden: In Unternehmungen seiner Familie zeigten sich bei Wanderungen der Bonhoeffer-Kinder und ihren Freunden (siehe Gliederungspunkt 5.3.4) Parallelen zu Aktivitäten der Jugendbewegung, auch wenn diese selbst deutlich abgelehnt wurde. Bis in die Finkenwalder Zeit hinein weist Pfeifer solche gestalterischen als auch inhaltliche Elemente der Jugendbewegung bei Bonhoeffer nach. Hierzu gehören etwa die praktizierte Erziehung innerhalb und durch die Gruppe oder Bonhoeffers Gruppenleitung mit seiner charismatischen Persönlichkeit, wie sie zum Führungsverständnis der Bündischen Jugend gehörte. Pfeifer betont allerdings, gerade für die Finkenwalder Zeit, dass die Jugendbewegung nur eine von mehreren Inspirationsquellen für Bonhoeffer darstellte und er weit über deren Anliegen hinausdachte.967 Robert Held, ein Studienfreund Bonhoeffers, urteilt, dass Bonhoeffer die Formen der Jugendbewegung zunächst praktiziert und geschätzt habe, sich aber 1925 innerlich davon losgesagt habe.968 Es bleibt zu untersuchen, ob und inwieweit ein Einfluss auf Bonhoeffer von bedeutenden Reformpädagogen wie John Dewey, Otto Eberhard, Kurt Hahn, Ellen Key und Herman Nohl erfolgte. Direkte Hinweise auf eine Beschäftigung mit den pädagogischen Anliegen einzelner Reformpädagogen sind bei Bonhoeffer allerdings nicht vorhanden. Gründlich auseinandergesetzt hat sich Bonhoeffer während seines Studienaufenthaltes in New York mit Dewey, um zu einem besseren Verständnis der amerikanischen Theologie zu gelangen.969 Die Beschäftigung erfolgte allerdings nur mit der Philosophie Deweys, nicht mit dessen reformpädagogischen Ansätzen. In der Katechetik-Vorlesung stellte sich Bonhoeffer gegen die selbstständige Entwicklung durch das Kind. Ausdrücklich bezog er in diesem Zusammenhang Stellung gegen die Verwendung der Arbeitsschulmethode im christlichen Unterricht, wie sie Eberhard dort einzubringen versuchte. Der Name Hahns wird von Julie Bonhoeffer in einem Brief an 965 Vgl. Röhrs, Hermann, Die Reformpädagogik. Ursprung und Verlauf in Europa, Hannover 1980, S. 48–51. 966 Vgl. Mogge, Winfried, Jugendbewegung, in: Handbuch der Reformpädagogik in Deutschland (1890–1933), hg. von: Wolfgang Keim; Ulrich Schwerdt, Frankfurt 2013, S. 215f. 967 Vgl. Pfeifer (2003), S. 79–92 und Gliederungspunkt 5.3.4 dieser Arbeit. 968 Vgl. DBW 9, S. 621, Anmerkung 40. 969 Vgl. DBW 10, S. 268ff.

Bonhoeffer und die Reformpädagogik von Ellen Key

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Dietrich erwähnt, was auf eine gewisse Bekanntheit seiner Person in der Familie Bonhoeffer schließen lässt.970 Es gibt aber auch hier keinen Hinweis auf eine pädagogische Auseinandersetzung mit ihm vonseiten Dietrich Bonhoeffers. Auch mit Nohl befasste sich Bonhoeffer lediglich unter ethischen Gesichtspunkten.971 Bei der Reformpädagogik handelt es sich zwar um eine allgemeine pädagogische Gruppierung, aber Koerrenz verweist darauf, dass in neueren Publikationen zur Reformpädagogik der Bereich Religion zu Unrecht ausgeklammert werde. Etliche Reformpädagogen, darunter auch Key, seien ohne ihren religiösen Hintergrund nicht verständlich.972 Zudem wurden zu Beginn des 20. Jahrhunderts die reformpädagogischen Neuansätze in Erziehung, Unterricht und Schule von unterschiedlichen Religionspädagogen aufgegriffen.973 Bonhoeffers gemeindepädagogisches Wirken soll nun mit dem reformpädagogischen Denken konfrontiert werden. Exemplarisch wurde hierfür aus mehreren Gründen Key und ihr Werk ›Das Jahrhundert des Kindes‹ ausgewählt: Es gilt als Meilenstein der Reformpädagogik und enthält eine sehr detaillierte, wenn auch kritische Auseinandersetzung Keys mit religiöser Erziehung. Des Weiteren vermuten die Herausgeber der Dietrich Bonhoeffer Werke, dass Bonhoeffer sich in seiner Faszination des Kindes möglicherweise von lebensphilosophischen Ideen wie bei Key habe inspirieren lassen.974 Key zeichnet ihre Zukunftsvorstellungen an der Schwelle vom 19. zum 20. Jahrhundert auf. Die pessimistische Einschätzung ihrer Zeit veranlasst sie, ihre Hoffnungen auf eine veränderte Menschheit auszudrücken, die die christliche Lebensanschauung hinter sich gelassen und sich stattdessen jahrtausendealtem Gedankengut zugewandt haben wird. Es sei hierbei erforderlich, den Kindern die besten Startbedingungen ins Leben mitzugeben. Dazu gehören auch sehr problematische Ansichten Keys zur Ontogenie und Rassenhygiene, durch die eine erbliche Beeinträchtigung der Kinder verhindert würde.975 Im Wesen jedes Kindes liege ein guter Kern, dem aber in der Erziehung ihrer Zeit nicht genügend Beachtung geschenkt werde. Stattdessen versuche man, die Leidenschaften des Kindes zu unterdrücken, und berücksichtige nicht die Ge970 Vgl. DBW 14, S. 88 und 534f. 971 In den Ethik-Manuskripten lassen sich wiederholt Bezüge zu Herman Nohls 1939 erschienenem Werk ›Die sittlichen Grunderfahrungen. Eine Einführung in die Ethik‹ nachweisen, vgl. z. B. DBW 6, S. 195, Anmerkung 2 und S. 254, Anmerkung 26. 972 Vgl. Collmar (1994), S. 4. 973 Vgl. Koerrenz, Ralf (2001), Art. Reformpädagogik, in: Lexikon der Religionspädagogik, Bd. 2, hg. von: Norbert Mette/Folkert Rickers, Neukirchen-Vluyn, Sp. 1694. 974 Vgl. DBW 2, S. 179, Anmerkung 39. Eine grundsätzliche Beschäftigung Bonhoeffers mit Ellen Key lässt sich aber nicht direkt nachweisen. 975 Vgl. Key, Ellen, Das Jahrhundert des Kindes. Nach der Erstausgabe im S. Fischer Verlag, Berlin, Königstein 1978 [1902], S. 5–26.

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Bonhoeffers Wirken im Vergleich mit zeitgenössischen Ansätzen

nialität, die sich dahinter verstecke. Es sei vielmehr erforderlich, dem Kind zu einer eigenständigen Beherrschung seiner Leidenschaften zu verhelfen und seinen Mut zur individuellen Entwicklung zu stärken. Unter diesen Gesichtspunkten sei der wahrgenommene Egoismus des Kindes berechtigt. Man müsse dem Kind seinen Frieden lassen und solle Fehler des Kindes übergehen, anstatt dieses zur Befolgung bestimmter Ideale zu erziehen. Dem Kind müsse zu einem gesunden Selbstbewusstsein und zu einer Eigenständigkeit verholfen werden, anstatt es unter die Ideale von Demut und Gehorsam zu beugen. Es sei nach Key erstrebenswerter, als Erzieher die Umgebung des Kindes und sich selbst zu erziehen. Somit werde man »eine halbwegs gute Gesellschaft für seine Kinder«976. Key kritisiert die Ausprägungen christlicher Erziehung, die sich auf den Glauben an die Erbsünde und deren Auswirkungen stützen, welche es demnach zu unterdrücken gelte. Key beklagt, dass die Schule den Wissensdurst, die Selbstständigkeit und die Beobachtungsgabe von Kindern verschwinden ließe. Das Resultat sei eine Unlust, sich neues Wissen anzueignen oder die reine Hinwendung zum Praktischen. Key fordert einen Unterricht, der das Individuum im Blick habe, aber über Geschlechter- und Gesellschaftsgrenzen hinausgehe. Der Unterricht solle gruppenweise erfolgen, anschaulich sein, zur Selbsttätigkeit anleiten und in methodischer Vielfalt durchgeführt werden. Für ihren Traum von einer Schule der Zukunft erhebt Key nicht den Anspruch eines Reformprogramms. Ein wesentlicher Bestandteil ihrer Zukunftsvorstellungen ist es, Kindern zunächst einen häuslichen Unterricht zu ermöglichen. Schule solle darauf zielen, sich selbst überflüssig zu machen, indem sie die individuelle Entwicklung und selbstständiges Lernen fördere. Der Lehrer solle nur noch für eine indirekte Anleitung sorgen und den Lernfortschritt in unangekündigter Weise überprüfen. Die ideale Schule müsse ohne Zeugnisse, Belohnungen und Examina auskommen. Zur Ausstattung der Schule gehörten ein eigener Garten und Möglichkeiten für sportliche und handwerkliche Aktivitäten.977 Es ist bezeichnend, dass Key im Anschluss an die Schilderung der Schule ihrer Träume den nächsten Abschnitt ihres Buches dem Religionsunterricht widmet. Schon die einführenden Sätze zeigen den Kontrast zwischen ihren vorherigen Idealen und der von ihr empfundenen Realität auf: »Das im jetzigen Augenblick demoralisierendste Moment der Erziehung ist der christliche Religionsunterricht. Mit diesem meine ich in erster Linie Katechismus und biblische Geschichte, Theologie und Kirchengeschichte.«978 Selbst ein lebendiger Religionsunterricht sei für Kinder schädlich. Denn das Kind nehme die Widersprüche zu den Erzählungen anderer Religionen und zur Naturwissenschaft wahr. Die Schule 976 A.a.O., S. 52. 977 Vgl. a.a.O., S. 49–60, 95–98 und 119–123. 978 A.a.O., S. 135.

Bonhoeffer und die Reformpädagogik von Ellen Key

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müsste sich entscheiden, welche Weltanschauung sie lehre. Wenn sie biblische Geschichten vermittle, dann sollten dogmatische oder pädagogische Erklärungen ganz unterbleiben. Diese dürften dem Kind nur zu Hause gegeben werden. Aber auch beim christlichen Leben entdecke das Kind Widersprüche. Key gesteht zu, dass Religiosität erforderlich sei, um Ideale zu verfolgen und zu verwirklichen. Kinder reagierten aber sehr sensibel darauf, ob ihre Umwelt ihren Idealen auch nachfolgte. Die christliche Ethik bleibe ein Ideal, das nicht umgesetzt werden könne. Dies führe dazu, dass sich dem Kind einpräge, dass Handlungen und Prinzipien im Leben nicht miteinander in Einklang zu bringen seien. Ein Kind könne und müsse Widersprüche verarbeiten und klären lernen, dies gehöre zu seiner Entwicklung im Leben dazu. Die dogmatischen Antworten, die das Christentum gebe, führten aber zu einer Abstumpfung des kindlichen Rechtsgefühls und der kindlichen Logik. Vermittle man Kindern den christlichen Vorsehungs- und Versöhnungsgedanken nicht mehr, dann müssten sie sich nicht mehr in Demut beugen, sondern würden ihr Leben in eigener Weise, Kraft und Freiheit gestalten können. Ein falsch verstandener Protestantismus habe dazu geführt, dass Menschen in allen Lebensbereichen schweigsam gegenüber Missständen würden und ihr Denken und Handeln Befehlen Anderer unterstellten.979 Im Denken Bonhoeffers und Keys nimmt das Kind eine Schlüsselposition ein, auch wenn diese sich ihm von verschiedenen Seiten nähern. Dabei kommt es zu gravierenden Unterschieden, aber auch zu Überschneidungen. Key sieht durch das Kind die Möglichkeit zum Wandel einer Gesellschaft gegeben, sie solle dazu wesentliche Bereiche, die das Kind betreffen, zu ihrer zentralen Aufgabe machen. Dies erfordere einen Bewusstseinswandel, der die »Heiligkeit der Generation«980 ernst nehme. Key argumentiert vom Standpunkt eines evolutionistischen Monismus aus, der auch als ›Lebensglaube‹ bezeichnet wird. Mit ihrem evolutionistischen Monismus befindet sie sich immer wieder in Gegnerschaft zur christlichen Lehre.981 In Bonhoeffers Denken ist die Faszination am Kind dagegen theologisch begründet. Sie steht nicht nur in Verbindung mit seiner Ekklesiologie, wie bereits in Kapitel 5 aufgezeigt wurde, sondern ihr kommt auch ein eschatologischer Gehalt zu. 1928 brachte Bonhoeffer dies mit seinem Interesse an einer Arbeit über das ›Problem des Kindes in der Theologie‹ zum Ausdruck.982 Einen Niederschlag fand dieses Interesse im Schlusskapitel von ›Akt und Sein‹ (siehe 979 Vgl. a.a.O., S. 135–146. 980 A.a.O., S. 5. 981 Vgl. Dräbing, Reinhard, Der Traum vom »Jahrhundert des Kindes«. Geistige Grundlagen, soziale Implikationen und reformpädagogische Relevanz der Erziehungslehre Ellen Keys, Frankfurt 1990, S. 57–65. 982 Vgl. DBW 10, S. 92.

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Gliederungspunkt 4.4), wo er sich dem glaubenden Kind widmet.983 Die volle Reflexion des Glaubens, die dem Kind bei der Kindertaufe fehle, mache die Taufe des Kindes in theologischer Hinsicht problematisch. Mithilfe der aus der altprotestantischen Orthodoxie stammenden Unterscheidung von actus directus und actus reflexus löst Bonhoeffer diese Spannung auf. Bei der Taufe liege ein actus directus vor, bei dem Gott direkt im Kind wirke ohne dessen reflektierenden Glaubensakt. Erst der erwachsene Mensch verfüge über diese Fähigkeit, während das Kind einfach nur annehme, was ihm gegeben werde. Der Mensch sei aber bestimmt zu einer Existenz im Glauben ohne Reflexion. Bonhoeffer spricht deshalb von der Taufe als »eschatologisch zu verstehende Berufung des Menschen zum Kind.«984 Sowohl Bonhoeffer als auch Key bringen damit das Kind mit den zukünftigen Möglichkeiten des Menschseins in Verbindung. Zieht man nun Bonhoeffers Ekklesiologie hinzu, so ergibt sich eine weitere Parallele. Das Kind steht in einer Gemeinschaft, für dessen Erziehung die Gemeinschaft die Verantwortung trägt. Sei es nun die kirchliche Gemeinschaft wie bei Bonhoeffer oder die familiäre und schulische Gemeinschaft wie bei Key, so erlebt diese im Erziehungsprozess eine Erneuerung. Bei Key zielt die Erneuerung der Gemeinschaft auf die ganze Menschheit, bei Bonhoeffer auf die Erneuerung der bedrängten Kirche. Sowohl Key als auch Bonhoeffer lehnen ein bestimmtes Ideal ab, das durch die Erziehung des Menschen erreicht werden solle. Der Erzieher dürfe sich nicht anmaßen, sich über das Kind zu stellen und sein Wesen in einer bestimmten Richtung zu formen. Key begründet ihre Forderung mit ihrer grundsätzlich positiven Sichtweise des kindlichen Wesens und dessen Individualität. Erziehung dürfe nur die individuellen Anlagen des Kindes weiter ausbilden. Auch wenn Bonhoeffer sich in seiner Ablehnung, den Menschen nach einem bestimmten Ideal zu formen, in enger Nähe zu Key befindet, grenzt er sich in seiner Begründung doch deutlich von ihrer Position ab. Seine Idealismuskritik kann auch auf Keys Argumentation übertragen werden: Es ist nicht das Sein des Kindes, dem eine bestimmte Qualität zugeschrieben wird, sondern dieses Sein wird dem Kind von Außen durch das Wort Gottes in der Taufe zugesprochen.985 Aus ihrer Anthropologie heraus bestimmen sich damit weitere Unterschiede zwischen Key und Bonhoeffer : Dass der Mensch seiner eigenen Verwirklichungsmöglichkeiten beraubt wird und die iustitia aliena benötigt, kann Key nicht stehen lassen. Während Bonhoeffer als Konsequenz die christliche Erziehung sieht, die den Hinweis auf Christus geben und zum Leben unter der Herrschaft Christi und in der Nachfolge anleiten muss, spricht Key der christ983 Vgl. DBW 2, S. 157–161 und vgl. Tietz (2012), S. 188–203. 984 DBW 2, S. 159. 985 Vgl. Key (1978)/[1902], S. 49f. und 62 und vgl. DBW 14, S. 532f.

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lichen Botschaft von Versöhnung und Vorsehung jeden Nutzen für die Erziehung ab. Diese verhindere, dass Kinder ihr Leben in eigener Weise, Kraft und Freiheit gestalten könnten. Für Bonhoeffer liegt dagegen die Freiheit bei Gott, den Menschen nach seinem Bild zu gestalten. Der Mensch erkennt die Autorität Gottes in seinem Leben an, wenn er in die Nachfolge Christi tritt. Diese Nachfolge ist nach Key zum Scheitern verurteilt, da der größte Teil der Christenheit durch das Evangelium in einer Art Doppelmoral gefangen sei und keine Heiligung erreiche. Dadurch lerne das Kind, hohe Ideale nicht besonders ernst zu nehmen.986 Da Key den guten Kern des Kindes als so anfällig für äußere Umstände betrachtet, ist sie in ihrer Argumentation weniger konsequent als Bonhoeffer. Für Bonhoeffer bleibt das äußere Handeln Gottes am Menschen beständig. Mit der Rechtfertigung wird der Mensch aus seiner sündigen Vergangenheit befreit, die Heiligung lässt ihn in Glauben und Liebe wachsen. Das Geschehen der Rechtfertigung und Heiligung ist eng mit der christlichen Gemeinschaft verbunden. Die Rechtfertigung versetzt den Menschen in die Gemeinde, die Heiligung bewahrt ihn dort. Aber Bonhoeffer bleibt realistisch in Bezug auf das menschliche Versagen, wenn er das Heiligungsgeschehen in der sichtbaren Kirche verortet. Zur Gemeinde der Heiligen gehörten nach wie vor Sünde und Unvollkommenheit. Die Gemeinde müsse im Bewusstsein, selbst die Gnade Gottes erfahren zu haben, die Vergebung Gottes anstelle menschlicher Selbstvergebung verkündigen.987 Die christliche Erziehung, wie Bonhoeffer sie vorrangig versteht, ist kirchliche Erziehung und Teil einer an Bibel und Bekenntnis ausgerichteten Verkündigung.988 Keys Verständnis, das monistische und agnostische Züge trägt und das ihre religiösen Erziehungsbemühungen leitet, enthält dagegen nur noch Spuren christlicher Lehre. Sie schreibt: »Wenn ich einem Kinde die Grundzüge der religiösen Lehre darzustellen hätte, die ich für die Wahrheit halte, dann würde ich ihm sagen: Wir sind in diese Welt gekommen und leben hier, nicht durch eigenen Willen, sondern durch den eines andern, den wir Gott nennen. Darum handeln wir nur dann recht, wenn wir dem Willen dieses Wesens folgen. Dieser Wille besteht darin, dass wir alle glücklich seien, aber um dieses Ziel zu erreichen, giebt [sic!] es nur ein Mittel: dass jeder Mensch gegen den anderen so handelt, wie er wünscht, dass andere gegen ihn handeln mögen. Auf die Fragen: Wie ist die Welt entstanden? Was erwartet uns nach dem Tode? Antworte ich auf die erste, dass ich es nicht weiss, und dass im übrigen die ganze Frage bedeutungslos ist. Auf die

986 Vgl. a.a.O., S. 533f. und vgl. Key (1978), S. 136ff. 987 Vgl. DBW 4, S. 274–285. 988 Vgl. DBW 14, S. 531f.

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zweite antworte ich, dass der Wille dessen, der uns um unseres Glückes willen ins Leben gerufen hat, es wohl auch nach dem Tode vermag, uns demselben Ziele zuzuführen.«989

Trotz inhaltlicher Unterschiede ist Key und Bonhoeffer gemeinsam, dass sie im Gespräch mit jungen Menschen Raum für Fragen geben, die Fragen in der Erziehung aufgreifen und ernsthaft aus ihrer Zeit heraus zu beantworten suchen. Bonhoeffer verwendet darüber hinaus mit dem Instrument des Katechismus eine schriftliche Form, die sich an Konfirmanden und Konfirmatoren richtet. Dass junge Menschen in ihrer Auseinandersetzung mit den Inhalten des christlichen Glaubens schon früh Widersprüchlichkeiten und Opposition erleben, ist Bonhoeffer genauso wie Key bewusst. Beide widmen sich in diesem Kontext dem Verhältnis von Glaube und Naturwissenschaft. Während Key sich an anderer Stelle als Verfechterin eines entdeckenlassenden und selbstgesteuerten Lernens präsentiert, fordert sie nun eine Entscheidung der Schule für den Darwinismus oder die christliche Schöpfungslehre. Eine Vermittlung zwischen beiden Anschauungen lehnt sie ab, zumal sie sich selbst als Verfechterin der naturwissenschaftlichen Position betrachtet.990 Die beiden Katechismusentwürfe belegen, wie Bonhoeffer auch weitere dringliche Fragen seiner Zeit aufgreift und klar Stellung bezieht. Während der erste Katechismusentwurf991 sich noch als Versuch präsentiert, Antworten Hildebrandts und Bonhoeffers auf Fragen ihrer Zeit aus lutherischer Sicht zu geben, versteht sich der zweite Katechismusentwurf992 als Bekenntnis. Im Gegensatz zu Key rüstet Bonhoeffer mit letzterem seine Vikare und deren zukünftige Konfirmanden dafür aus, sich im Spannungsfeld von christlichem Glauben und anderen Ideologien klar zu positionieren, anstelle im Vorfeld eine Reduktion der Inhalte vorzunehmen. Nachdem nun Ausgangspunkt und spezielle Charakteristika der beiden Ansätze untersucht wurden, sollen sich die folgenden Ausführungen grundsätzlichen reformpädagogischen Elementen in Keys Werk und eventuellen Bezügen zu Bonhoeffers gemeindepädagogischem Wirken widmen. In der Wiederaufnahme Rousseaus wurde von Key, wie auch von anderen Reformpädagogen, die Kindheitsphase entdeckt und daraus eine vom Kind ausgehende Pädagogik entwickelt.993 Bei Key führt dies zu einer Hochachtung vor dem Kind, das sie mit den Begriffen ›Hoheit‹ und ›Majestät‹ bezeichnet und vor dem sich die Eltern beugen müssten.994 989 990 991 992 993 994

Key (1978)/[1902], S. 142. Vgl. a.a.O., S. 119, 123 und 139f. und vgl. DBW 11, S. 231. DBW 11, S. 228–237. DBW 14, S. 786–819. Vgl. Dräbing (1990), S. 224. Vgl. Key (1978)/[1902], S. 79.

Bonhoeffer und die Reformpädagogik von Ellen Key

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Trotz Bonhoeffers Wertschätzung gegenüber Kindern in der persönlichen Begegnung, ist sein Bild vom Kind in seiner Theologie nicht durchgängig positiv gefärbt, wie bereits in der Finkenwalder Katechetik-Vorlesung mit ihrer kindlichen Anthropologie und deren Bezügen zu ›Schöpfung und Fall‹ aufgezeigt wurde. Er berücksichtigt aber, anderen Ansätzen seiner Zeit entsprechend, eine eigene Phase der Kindheit und der Jugend.995 Bemerkenswert ist, dass diese psychologischen Erkenntnisse im Gang der Vorlesung Bonhoeffers am Ende stehen und somit eher isoliert wirken. Eine inhaltliche Verbindung zu vorherigen Vorlesungsabschnitten lässt sich schwer herstellen. Zudem differenziert Bonhoeffer in seinen Ausführungen nur vereinzelt zwischen Kindern und Jugendlichen. Zu der vom Kinde ausgehenden Pädagogik gehört für Key, dass die Erziehung in Form eines Wachsenlassens des Kindes stattfindet. Dies bedeute die Selbstbestätigung des Kindes, die Berücksichtigung seiner Individualität und das Fernhalten von Einflüssen, die sein Wesen verkümmern ließen.996 Dass in Bonhoeffers Theologie im Kind bereits das angelegt ist, was es werden soll, und es nicht mehr der Erziehung auf ein bestimmtes Ideal hin bedürfe, wurde bereits dargelegt. Eine ausgesprochene Selbstbestätigung und direkte Berücksichtigung der Individualität findet sich bei Bonhoeffer nicht. Er nahm junge Menschen und ihre Bedürfnisse und Schwierigkeiten in einzelnen Begegnungen ernst und führte in Gruppen immer wieder Einzelgespräche.997 In seinem Denken scheint er dagegen der Berücksichtigung der Individualität eher kritisch gegenüberzustehen. So verweist er auf den Widerspruch zwischen Individualismus und Gemeinschaft.998 Und der völlige Individualismus des Jugendlichen ist eine der Verhaltensweisen, die den inneren Zustand des Jugendlichen in Bonhoeffers psychologischem Befund beschreiben. Mit den Verhaltensweisen nach innen und nach außen versuche der Jugendliche, die durch ihre Entzweiung verloren gegangene Welt zurückzubekommen. Er müsse aber in seinem Versuch, darunter auch in seinem Individualismus, scheitern, um in das Stadium des Erwachsenen einzutreten. Die Rolle des Erziehers ist problematisch, da sie nicht den Individualismus des Jugendlichen fördert, sondern diesem entgegenwirkt: »an welcher Stelle muß, soll das Unternehmen des Jugendlichen zum Scheitern 995 Vgl. Schweitzer, Friedrich, Die Religion des Kindes. Zur Problemgeschichte einer religionspädagogischen Grundfrage, Gütersloh 1992, S. 298–301. Schweitzer konstatiert dies vor allem für die reformpädagogisch orientierte Religionspädagogik, die sich an einer kinderund jugendpsychologischen Betrachtungsweise orientierten. Der um 1920 aufkommenden Evangelischen Unterweisung wird der Vorwurf gemacht, diese Perspektive auf das Kind vergessen zu haben, wobei dies nach Schweitzer nicht für alle ihrer Vertreter gelte. 996 Vgl. Dräbing (1990), S. 236f. 997 Vgl. zum Beispiel DBW 17, S. 82f. und DBW 11, S. 64. 998 Vgl. DBW 1, S. 124.

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Bonhoeffers Wirken im Vergleich mit zeitgenössischen Ansätzen

gebracht werden, wie helfe ich ihm über die Erkenntnis hinweg, daß seine Welt zum Scheitern kommen muß.«999 Die Erziehung als Wachsenlassen geht für Key mit einer geduldigen Haltung ohne direkte Eingriffe bei Fehlern und mit der Vorbildfunktion des Erziehers einher, der seine eigene Person zum Gegenstand seiner Erziehungsbemühungen werden lässt und durch sein Verhalten Maßstäbe setzt. Keys Ausführungen sind zwar in erster Linie auf Kinder bezogen, lassen sich aber in ähnlicher Form für Jugendliche herauslesen.1000 Sie weisen interessante Parallelen zu Bonhoeffers Umgang mit den Konfirmanden von 1931 auf, wenn man Rothers Bericht über die erlebte Berliner Konfirmandenzeit heranzieht. So habe Bonhoeffer das unangemessene Verhalten eines Mitkonfirmanden im Unterricht alleine über einen anhaltenden und freundlichen Blickkontakt beenden können. Rother selbst sei durch Bonhoeffers Beispiel nachhaltig beeindruckt worden, als dieser sich in der Krankheitsphase und Operation besonders hingebungsvoll um einen schwer erkrankten Konfirmanden aus der Gruppe gekümmert habe.1001 Gleichzeitig weist Mottu darauf hin, dass Bonhoeffer seinem eigenen Vorbild im Verhältnis zu seinen Schülern misstraut habe. Er hätte deshalb in seinen Überlegungen zur christlichen Gemeinschaft gefordert, dass »Christus als ein Dritter zwischen dem Meister und seinem Schüler steht«1002. Resümierend bleibt zu sagen, dass sich in Bonhoeffers Umgang mit jungen Menschen mehr reformpädagogische Bezüge als in seinem Denken finden. Die Kontakte mit Reformpädagogen seiner Zeit haben keine Spuren in Bonhoeffers gemeindepädagogischem Wirken hinterlassen, während seine Begegnung mit der Jugendbewegung nur an einzelnen Punkten, aber nicht maßgeblich nachwirkt. Bei der Gegenüberstellung der Ansätze von Key und Bonhoeffer werden die unterschiedlichen Perspektiven trotz einer gemeinsamen intensiven Auseinandersetzung mit dem Kind erkennbar. Key und Bonhoeffer nähern sich einander zwar über die Bedeutung des Kindes für das Menschsein und über ihre Ablehnung bestimmter zu verfolgender Ideale in der Erziehung an, bleiben aber in

999 DBW 14, S. 544. 1000 Vgl. Key (1978)/[1902], S. 52 und 128f. Die Phase der Jugend wird von Key im ›Jahrhundert des Kindes‹ nicht klar von der Kindheitsphase abgegrenzt und insgesamt nur tangiert. Vgl. auch Dräbing (1990), S. 246, 255 und 261. 1001 Vgl. Rother (1965), S. 42ff. Siehe auch Gliederungspunkt 3.5.4 zu Bonhoeffers Konfirmandenunterricht. 1002 Mottu, Henry, Das Thema »Vorbild« bei Dietrich Bonhoeffer und seine Tragweite. Gedanken über das Lehrer-Schüler-Verhältnis, in: Religion im Erbe. Dietrich Bonhoeffer und die Zukunftsfähigkeit des Christentums, hg. von: Christian Gremmels/Wolfgang Huber, Gütersloh 2002, S. 201. Mottu legt an dieser Stelle Bonhoeffers Unterscheidung der psychischen von der pneumatischen Gemeinschaft aus, vgl. DBW 5, S. 20–28.

Bonhoeffer und die Evangelische Unterweisung von Oskar Hammelsbeck

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ihrer Anthropologie und ihrer Auffassung über die Gestaltung religiöser Erziehung weit von einander entfernt.

6.3

Der Katechumenat versus missionierender und gemeindlicher Unterricht – Bonhoeffer und die Evangelische Unterweisung von Oskar Hammelsbeck

In den 1920er-Jahren trieb die Dialektische Theologie eine radikale Erneuerung aller Bereiche christlicher Erziehung voran. Ziel und Inhalt des christlichen Unterrichts wurde die in die Entscheidung führende Verkündigung des Wortes Gottes.1003 Der Begriff der ›Evangelischen Unterweisung‹ wurde aber erst 1947 durch Helmuth Kittel programmatisch und mit großer Breitenwirkung eingeführt. Zu den Zeitgenossen Bonhoeffers und Vertretern dieser auch als ›Evangelische Pädagogik‹ bezeichneten Richtung gehören Gerhard Bohne, Oskar Hammelsbeck, Theodor Heckel und Hans Lokies. Für eine Verbindung Bonhoeffers zu Kittel, dem Namensgeber der Evangelischen Unterweisung, gibt es keinen Nachweis.1004 Ähnliches trifft auch für Bohne zu, der zuerst den Neuansatz der Dialektischen Theologie auf die Religionspädagogik übertrug.1005 Zahlreich belegt sind dagegen die persönlichen Kontakte Bonhoeffers zu Lokies1006, He-

1003 Vgl. Wegenast (2002), S. 41f., und vgl. Schulte, Andrea/Wiedenroth-Gabler, Ingrid, Religionspädagogik, Stuttgart 2003, S. 58–61 und 66–75. 1004 Bonhoeffer distanzierte sich vielmehr von den Herausgebern der ›Deutschen Theologie‹, zu denen auch Kittel gehörte. Vgl. DBW 13, S. 63 und ebd. Anmerkung 4. Dennoch gibt es erstaunliche Ähnlichkeiten zwischen Kittels – erst nach Bonhoeffers Tod erschienenen – Werken und Bonhoeffers Vorlesungen aus Finkenwalde, die beispielsweise den kirchlichen Erzieher sowie die Gestaltung des Unterrichts betreffen. 1005 Dudzus u. a. vermuten eine indirektes Gespräch Bonhoeffers mit Bohnes ›Das Wort Gottes und der Unterricht‹ bei den Abschnitten der Katechetik-Vorlesung zum psychologischen Befund des Kindes und des Jugendlichen, vgl. DBW 14, S. 540, Anmerkung 40. Diese These kann für Bonhoeffers Äußerungen zum Kind nicht bestätigt werden, dagegen gibt es beim psychologischen Befund des Jugendlichen deutlich mehr inhaltliche Überschneidungen zwischen Bohne und Bonhoeffer, siehe DBW 14, S. 540–546 und Bohne, Gerhard, Das Wort Gottes und der Unterricht. Zur Grundlegung einer evangelischen Pädagogik, Berlin 21932, S. 161–172. In Bonhoeffers Nachlass fehlen allerdings jegliche Hinweise auf eine persönliche Bekanntschaft oder Beschäftigung mit Bohne. 1006 Mit Lokies, der als Leiter der Goßner Mission die Schulpolitik der Bekennenden Kirche im Widerstand gegen den Nationalsozialismus entscheidend beeinflusste, verband Bonhoeffer eine engere Beziehung. Der Name Lokies fällt häufig in den Briefwechseln von Bonhoeffer und Bethge, in erster Linie allerdings im Zusammenhang mit organisatorischen Fragen. Von einem Austausch über katechetische Fragen, die Lokies durch die katechetische Ausbildung von Vikaren im Haus der Goßner Mission mit betrafen, ist

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ckel1007 und Hammelsbeck. Hammelsbecks Veröffentlichung ›Der kirchliche Unterricht‹ wird von Dudzus u. a. als katechetisches »Hauptwerk aus der Bekennenden Kirche« bezeichnet, zu dem Bonhoeffers Katechetik-Vorlesung von 1935 »eine bemerkenswerte Vorstufe« bilde.1008 ›Der Kirchliche Unterricht‹ war Bonhoeffer bekannt, wie sich aus einem Brief von Bethge erschließen lässt.1009 Es gibt jedoch keine Belege für eine weitere Beschäftigung Bonhoeffers damit, was sich aber durch dessen zunehmende Verwicklung in den Widerstand erklären lässt. Mit Hammelsbeck, der sich selbst als theologischen Autodidakten bezeichnete, pflegte Bonhoeffer einen intensiveren persönlichen Austausch als mit anderen Vertretern der Evangelischen Unterweisung. Die Gespräche Bonhoeffers mit Hammelsbeck, die sich mit Theologie, Philosophie oder Pädagogik befassten, begannen 1937 und erstreckten sich bis 1943. Hammelsbeck berichtet von stunden- und tageweisem Beisammensein, das meist zu zweit, aber auch mit weiteren Freunden stattgefunden habe. Es entstand ein solches Vertrauensverhältnis, dass Bonhoeffer Hammelsbeck sogar in seine Beteiligung am Widerstand einweihte. Berufliche Überschneidungen ergaben sich mit Hammelsbecks Übernahme eines Katechetischen Seminars für Vikare der Bekennenden Kirche, das wie das Finkenwalder Predigerseminar nach 1937 in Form der sogenannten Sammelvikariate fortgesetzt wurde. So konnte Hammelsbeck für Bonhoeffer während dessen zweiter Amerikareise im pommerschen Sammelvikariat die Vertretung übernehmen. Gegenstand der ersten Gespräche zwischen beiden seien nach Hammelsbecks Erinnerung die Katechismusentwürfe Bonhoeffers gewesen. Zudem habe Bonhoeffer an Hammelsbecks Vorarbeiten über Pestalozzi für sein Katechetisches Seminar reges Interesse gezeigt. Dass Bonhoeffer sich mit Pestalozzis Anthropologie befasst hat, bringt er zu Beginn des Jahres 1939 in einem Brief an nichts bekannt. Vermutlich wurden katechetische Fragen zwischen Bonhoeffer und Lokies bei persönlichen Treffen diskutiert. 1007 Mit Heckel, Oberkonsistorialrat im Berliner Kirchenbundesamt und dem späteren Leiter des Außenamtes der Reichskirche, setzte sich Bonhoeffer sehr intensiv auseinander. Auf ökumenischer Ebene und in der Frage der Lossagung der auslandsdeutschen Gemeinden in London von der Reichskirche wurde Heckel zu Bonhoeffers Gegenspieler, was Bonhoeffer nicht leicht fiel, vgl. DBW 13, S. 241. Dennoch konnte Bonhoeffer die sachliche von der persönlichen Ebene trennen und verwendete Heckels Werk ›Zur Methodik des evangelischen Religionsunterrichts‹ in der Vorbereitung der Katechetik-Vorlesung, vgl. DBW 14, S. 1111. 1008 A.a.O., S. 554f., Anmerkung 102. 1009 Vgl. DBW 16, S. 112. Die folgenden Ausführungen beziehen sich auf die erste Auflage von Hammelsbeck, Oskar, ›Der kirchliche Unterricht‹ Aufgabe – Umfang – Einheit, München 1939. Die zweite Auflage kann Bonhoeffer nicht mehr gekannt haben, zudem ist sie in Aufbau und Inhalt bis auf Kürzungen identisch mit der ersten Auflage. Vgl. Hammelsbeck, Oskar, Der kirchliche Unterricht. Aufgabe, Umfang, Einheit, München 21947, S. 6ff.

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Theodor Litt zum Ausdruck.1010 Eine weitergehende Beschäftigung Bonhoeffers mit dem Werk Pestalozzis in der Haft konnte ihm nicht mehr ermöglicht werden.1011 Hammelsbeck schreibt, er habe in der Ethik-Ausgabe von 1949 einen Widerschein mancher Gespräche mit Bonhoeffer entdeckt.1012 Nach Duzdus u. a. ist es aber nicht nur zu einer Beeinflussung von Bonhoeffers Ethik-Fragmenten durch Hammelsbeck gekommen. Bonhoeffer habe Hammelsbeck auch mit seiner Katechetik Impulse gegeben.1013 Die Inspiration durch Bonhoeffer gewinnt an Bedeutung, wenn man die spätere Bedeutung von Hammelsbecks ›Kirchlichem Unterricht‹ berücksichtigt. Ausgehend von diesem Hintergrund sollen nun die Ansätze von Hammelsbeck und Bonhoeffer zum kirchlichen Unterricht miteinander verglichen werden. Die These von Duzdus u. a. über den Einfluss von Bonhoeffers Katechetik-Vorlesung auf Hammelsbecks Werk soll erläutert und überprüft werden. Auf den ersten Blick lässt sich der Einfluss Bonhoeffers auf Hammelsbecks Werk nicht sehr deutlich erkennen. Unter den Personen, denen Hammelsbeck im Vorwort für die anregenden Gespräche dankt, die zur Entstehung des Buches beigetragen haben, findet sich der Name Wilhelm Rotts, dem Studieninspektor aus Finkenwalde, nicht aber der Name Bonhoeffers. Auch im Personenverzeichnis fehlt der Name Bonhoeffers.1014 Hammelsbecks Ansatz zielt auf einen umfassenden kirchlichen Unterricht für unterschiedlichste Altersgruppen. Unterricht könne nach ihm nicht auf eine bestimmte Dauer und die Behebung spezieller Mängel ausgerichtet sein. Vielmehr bedeute Unterricht, sich ›unter‹ die Korrektur Christi zu stellen und sich danach auszu-›richten‹. Aus den letzten Versen des Matthäus-Evangeliums leitet Hammelsbeck einen dreifachen Befehl Jesu an die Kirche ab: Den Missionsbe1010 Vgl. DBW 15, S. 112ff. Mit Litts ›Individuum und Gemeinschaft‹ hatte sich Bonhoeffer vor allem in ›Sanctorum Communio‹ befasst, vgl. zum Beispiel DBW 1, S. 65, Fußnote 32. 1011 Vgl. DBW 8, S. 611 und 614. 1012 Vgl. Hammelsbeck, Oskar, Mit Bonhoeffer im Gespräch, in: Begegnungen mit Dietrich Bonhoeffer. Ein Almanach, hg. von: Wolf-Dieter Zimmermann, München 21965, S. 157– 168. 1013 Vgl. DBW 16, S. 1022ff. 1014 Vgl. Hammelsbeck (1939), S. 5 und 379ff. Es ließe sich einwenden, dass Hammelsbeck Bonhoeffer, der schon durch den Entzug der venia legendi 1936 und der Schließung des Finkenwalder Predigerseminars im September 1937 unter Beobachtung stand, nicht noch mehr gefährden wollte. Hammelsbeck schreibt über den Widerstand der Bekennenden Kirche und die Evangelische Unterweisung: »Aber die meisten Quellen haben wir selber verstopft und Dokumente vernichtet. Den Spürnasen der Gestapo musste entzogen werden, was für einen Ertrag zu buchen gewesen wäre.« Hammelsbeck, Oskar, Ertrag des Kirchenkampfes für Unterweisung und Leben, in: Religionspädagogik in Selbstdarstellungen II, hg. von: Bernhard Albers, Aachen 1981, S. 48. Eine weitere Äußerung Hammelsbecks bestätigt diesen Einwand, nach der Bonhoeffer und er vereinbart hätten, keine Briefe miteinander zu wechseln. Vgl. Hammelsbeck (1965), S. 167.

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fehl für die Menschen außerhalb der Kirche, den Taufbefehl, dem mit der Kindertaufe auch die Eltern nachkommen können, sowie den Heiligungsbefehl, der dazu verhelfen soll, am christlichen Glauben festzuhalten. Die Kirche habe es in ihrer Geschichte versäumt, den Heiligungsbefehl umzusetzen, und sei nun in den Zustand der Missionierung zurückgeworfen. Eine weitere problematische Entwicklung sei die Vorherrschaft einer Pastorenkirche, in der die Gemeindearbeit auf den Pfarrer konzentriert sei. Kirchlicher Unterricht als individueller Unterricht und kirchlicher Unterricht ohne eine Gemeinde, die sich zur biblischen Lehre halte, seien nicht zulässig. Anzustreben sei die Gemeindekirche, in der die einzelnen Einrichtungen in Querverbindung mit dem Gemeindeaufbau stünden. Um eine Isolierung der einzelnen Bereiche zu vermeiden, fordert Hammelsbeck die Einsetzung eines Helferkreises für Pfarrer, Älteste und Mitarbeiter, der zwischen den verschiedenen Kreisen für Abstimmung sorge. Das Tun der Gemeinde könne sowohl Mission als auch Heiligung umfassen. Daraus ergebe sich eine Aufteilung des kirchlichen Unterrichts in den missionierenden und den gemeindlichen Unterricht, die beide notwendig seien. Ziel des kirchlichen Unterrichts sei es, die Menschen von der Unmündigkeit zur Mündigkeit zu führen. Unter Mündigkeit versteht Hammelsbeck, auf das Wort Gottes mit einem ›Amen‹ Antwort geben zu können. Die geistliche Mündigkeit sei die Voraussetzung für die Bekleidung und Ausübung von kirchlichen Ämtern. Die einzelnen Bereiche des kirchlichen Unterrichts sollten die Mündigkeit bzw. Unmündigkeit der an ihm teilnehmenden Menschen berücksichtigen. Zum missionierenden Unterricht zählt er den Religions- und Konfirmandenunterricht, den Kindergottesdienst sowie die Vermittlung von christlichen Grundlagen in Elternhaus und Kinderlehre. Der gegenwärtige Religionsunterricht habe versagt, wie Hammelsbeck folgendermaßen zusammenfasst: »Aus all diesen Faktoren ergibt sich als Gesamtbild, daß der Religionsunterricht in seiner Winkelstellung zerstört worden ist von der Überlagerung der Inhalte und Methoden anderer Fächer, denen er dialektisch hätte gegenüberstehen sollen, aus der Loslösung der Lehrer aus der Gemeinde und dem Fehlen der kirchlichen Ausrichtung im ganzen.«1015

Beim Konfirmandenunterricht handle es sich um missionierenden Unterricht, der den Taufunterricht an den getauften Kindern nachhole. Allerdings sei das Fehlen einer Gemeinde, in die der Konfirmandenunterricht eingebettet werden könne, problematisch. Der Konfirmandenunterricht dürfe deshalb nicht als eine Stufe des Gemeindeaufbaus betrachtet werden. Stattdessen solle sich dem herkömmlichen Unterricht ein weiteres Jahr des gemeindlichen Unterrichts anschließen, der auf freiwilliger Teilnahme der Konfirmanden beruhe. 1015 Hammelsbeck (1939), S. 67f.

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Der Kindergottesdienst müsse seinen Platz in der Einheit des kirchlichen Unterrichts finden. Seine Berechtigung habe er darin, wenn er sich auf die Unmündigkeit der Kinder ausrichte und auf Christus hinweise. Den Kindern solle es ermöglicht werden, als Zeichen ihrer Verbindlichkeit in der Kirche einzelne Aufgaben zu übernehmen. Dass in den Elternhäusern ein Teil der christlichen Erziehung übernommen werde, sei aufgrund der fehlenden Verwurzelung vieler Eltern in der Kirche nicht mehr als selbstverständlich zu erachten. Zusammen mit der Lage des Religionsunterrichts, in dem ebenfalls die Reinheit der christlichen Lehre nicht mehr gewährleistet werden könne, resultiere dies in der Notwendigkeit, eine Kinderlehre einzurichten. Die Kinderlehre müsse Eltern und Gemeinde einbeziehen. Mit einem Erstarken der Kinderlehre könne sich der spätere Konfirmandenunterricht in seinem Charakter vom missionierenden zum gemeindlichen Unterricht wandeln. Zum gemeindlichen Unterricht zählt Hammelsbeck das bereits erwähnte Nachkonfirmandenjahr, das einen Übergang vom Konfirmandenunterricht über die Gemeindejugendarbeit in die Gemeinde ermögliche. Die evangelische Jugendarbeit, die sich in ihrer Eigenständigkeit zunächst in Verbände verlagert habe, sei nach ihrer staatlichen Eingliederung der Kirche entfremdet worden. Es gelte, die Jugendarbeit wieder in die Kirche zurückzuführen, das erfordere aber eine kontinuierliche Öffnung der Gemeinde für die Jugend. Da auch die Mündigkeit des erwachsenen Gemeindeglieds noch reifen müsse, legt Hammelsbeck die Einrichtung nachbarschaftlicher Bibelkreise nahe. Der Bibelkreis stehe in Verantwortung für die Gemeinde und deren Vorankommen im kirchlichen Unterricht. Zugleich ermögliche er eine Veränderung der Gemeindestruktur von der Pastorenkirche hin zu Gemeindekirche. Voraussetzung für die Teilnahme am Gottesdienst sei, dass jeder Gottesdienstbesucher jeden Bestandteil des Gottesdienstes nachvollziehen und mitfeiern könne. Damit der Gottesdienstbesucher nicht nur Zuschauer bliebe, müssten der kirchliche Unterricht und seine Bestandteile auf die Kenntnis der Lieder sowie das Verständnis von Liturgie und Predigt hinarbeiten. Gerade im Hinblick auf die Liturgie sei eine Vereinfachung undenkbar : »Es hat gar keinen Sinn, aus Gründen der Apologie, der Pädagogie, der Resignation und dergleichen die unerzogene Gemeinde von heute mit geringeren Ansprüchen zufriedenzustellen. Von der ›Pädagogik‹ her können wir in der Kirche eben immer nur denken, wie man es der unmündigen Gemeinde erleichtern könnte; pädagogisch gibt es immer nur Abbau in der Kirche. So zu denken ist uns einfach verboten.«1016

Getreu dem herkömmlichen evangelischen Verständnis sieht Hammelsbeck die Predigt als Zentrum des Gottesdienstes. Da mit ihr die Gemeinde unter das Wort 1016 A.a.O., S. 218.

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gestellt und gelehrt wird, steht sie unter dem Auftrag des kirchlichen Unterrichts. In ihr vereinen sich Elemente des missionierenden und gemeindlichen Unterrichts. Auch wenn es das Anliegen der Predigt ist, in der Gemeinde der Getauften den rechten Glauben zu wecken, dürfe sie nicht dem missionierenden Unterricht zugerechnet werden. Der kirchliche Unterricht stelle verschiedene Anforderungen an seine im missionierenden oder gemeindlichen Dienst tätigen Lehrer: »Ein kirchliches Amt gibt es nur von der Gemeinde aus und um der Gemeinde willen. Darum auch alles Tun, was als im Amt geschehen müßte, wie alles geordnete Lehren von Christus, ohne Amt und ohne Gemeinde haltlos und irrig werden muß.«1017 Spezialaufgaben hätten ihre Berechtigung, wenn sie nicht zur Isolierung oder Vernachlässigung anderer Bereiche des kirchlichen Unterrichts führten, sondern an das Pfarramt gebunden blieben und in Beziehung zum Gemeindeaufbau stünden. Bonhoeffer und Hammelsbecks gemeinsames Anliegen ist es, ein System kirchlich verantworteten Unterrichts zu entwickeln und zu etablieren. Während Hammelsbecks ›Der kirchliche Unterricht‹ diese Ordnung ausführlich beschreibt und Hilfestellungen zu ihrer Umsetzung gibt, sind in Bonhoeffers Schlussfolgerungen aus dem altkirchlichen Katechumenat für den gegenwärtigen Unterricht1018 nur die Zielstellung einer Vereinheitlichung der kirchlichen Unterweisung und der Hinweis auf deren praktische Schwierigkeiten aufgrund ihrer vorliegenden Gestalt angeführt. Bonhoeffers Orientierung des kirchlichen Unterrichts am altkirchlichen Katechumenat spiegelt Überlegungen seiner Zeit wider, die innerhalb der Bekennenden Kirche diskutiert wurden. Nach Hans Lokies kam es zu einer Wiederbelebung des kirchlichen Katechumenats im Zuge des Niederlegungsaufrufes durch den nationalsozialistischen Lehrerbund im Dezember 1938, dem zahlreiche Religionslehrer folgten. Schon zuvor hatte die Bedrängnis des Religionsunterrichtes in den Schulen, wie oben bereits angeführt, eine Intensivierung des kirchlichen Unterrichts bewirkt. Gefördert wurde der kirchliche Unterricht durch die ›Arbeit der Schulkammer bei der Vorläufigen Kirchenleitung der Bekennenden Kirche‹, deren Vorsitz Martin Albertz innehatte. Albertz gehörte mit Bernhard Forck zu den Herausgebern eines gemeinschaftlich erarbeiteten Altersstufenlehrplans, dem weitere Beihefte zum kirchlichen Unterricht mit unterschiedlichen Altersgruppen folgten.1019 Hammelsbeck rief 1938 im Vorwort

1017 A.a.O., S. 315. 1018 DBW 14, S. 552ff. 1019 Vgl. Lokies, Hans, Vom Katechumenat der Kirche, in: Die Stunde der Kirche, hg. von: Generalsuperintendenten der Evangelischen Kirche in Berlin-Braunschweig, Berlin 1950, S. 161–164 und vgl. Hunsche, Klara, Der Kampf um die christliche Schule und Erziehung

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der Zeitschrift ›Haus und Schule‹ zu einer Auseinandersetzung mit der Ordnung eines Gesamtkatechumenats auf, dessen einheitliche Zielsetzung den christlichen Unterricht aller Altersgruppen in Haus, Schule und Gemeinde umfasse.1020 In ›Der kirchliche Unterricht‹ distanzierte er sich allerdings von dem Katechumenatsbegriff, den Bonhoeffer im Schlussteil der Katechetik-Vorlesung 1935 zugrunde gelegt hatte: Es »wird mit voller Absicht das zungenbrecherische Fachwort ›Katechumenat‹ und erst recht das noch ungehobeltere ›Gesamtkatechumenat‹ vermieden; einmal, weil damit herkömmlich doch nur ein engerer Bereich umschrieben wird, und dann, um es auch, selbst wenn keine Begriffserweiterung gelingen wollte, nicht im Sprachgebrauch zu bestärken.«1021 Eine genauere Erklärung der Begriffsbeschränkung liefert Hammelsbeck allerdings nicht. Beiden Ansätzen liegt ein diskursiver Ursprung zugrunde. Hammelsbeck verweist ausdrücklich auf den Austausch und die praktischen Erfahrungen mit Anderen, die die Gedankengänge des Buches beeinflusst hätten. Bei Bonhoeffer geben die Finkenwalder Gesprächskultur und die brieflichen Zeugnisse Hinweise auf die persönlichen Auseinandersetzungen, die die Entstehung der Katechetik-Vorlesung wohl begleitet haben. Sowohl Hammelsbeck als auch Bonhoeffer gehen in ihrem System von ihren Erlebnissen einer bedrängten Kirche mit zerstörtem Gemeindeleben aus. Sie schreiben dem kirchlichen Unterricht, der mehr als Kindergottesdienst und Konfirmandenunterricht umfasst, eine oikodomische Ausrichtung zu. Das Fehlen einer intakten Gemeinde erachten beide als problematisch, gerade auch im Hinblick auf den Konfirmandenunterricht. Sie begegnen diesem Problem allerdings in unterschiedlicher Weise: Hammelsbeck setzt auf den freiwilligen Besuch eines zusätzlichen Unterrichtsjahres im Anschluss an die Konfirmation. Indem Bonhoeffer für seine erste Katechumenatsstufe fordert, von den Anfängen und dem Verfall der Gemeinde in seiner Zeit zu berichten, macht er die Kirche in ihrer ursprünglichen und gegenwärtigen Gestalt zum Gegenstand der Unterweisung. Während bei Hammelsbeck alle Bereiche in einer Querverbindung zum Gemeindeaufbau stehen, findet sich diese Struktur bei Bonhoeffer nicht. Er bevorzugt eine rein vertikale Struktur mit aufeinander aufbauenden Stufen in Anlehnung an den altkirchlichen Katechumenat. Gegen diese Assoziation wehrt sich Hammelsbeck und vermeidet den Katechumenatsbegriff. Dennoch weisen Bonhoeffers Stufen und Hammelsbecks Bereiche des kirchlichen Unterrichts in dieselbe Richtung: Sie sollen dem Menschen bei der Entwicklung seiner geist1933–45, in: Kirchliches Jahrbuch für die evangelische Kirche in Deutschland, 76. Jahrgang, Gütersloh 1949, S. 479, 489 und 501. 1020 Vgl. Hammelsbeck, Oskar, Vorwort, in: Haus und Schule. Monatsblätter für ChristlichEvangelische Erziehung in Haus und Schule, 34. Jahrgang Nr. 7/1938, S. 13. 1021 Hammelsbeck (1939), S. 13.

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lichen Mündigkeit helfen, damit er auf das Wort Gottes verwiesen und eine Entscheidung für oder gegen dessen Anspruch zum Ausdruck – etwa durch die Teilnahme am Abendmahl – bringen kann. In diesem Kontext ist bei beiden der Gottesdienst von zentraler Bedeutung für die Unterweisung. Wie Bonhoeffer schon in ›Sanctorum Communio‹ ausführte, hat die Predigt den Zweck, »auf subjektive Geister einzuwirken, diese der Gottesherrschaft unterzuordnen und der sanctorum communio einzugliedern«1022. Dies ist der Hintergrund, vor dem er als Ziel der Unterweisung die Teilnahme am Gottesdienst fordert. Bei Hammelsbeck findet sich dieser Zusammenhang ähnlich formuliert: »Das unterrichtliche Tun in der Predigt bezieht sich also immer auf den jetzt und hier lebenden Menschen, indem sie ihm Mahnung und Trost (Paraklesie) zugleich zuspricht und vom Worte Gottes aus ihn unter das Wort richtet, aber so, daß er in die Gemeinde der in ihrem Glauben überwindenden Christen wächst.«1023

Dieses Geschehen ist auf die sanctorum communio ausgerichtet und bedarf wohl eines geschützten Raumes. Von daher präzisiert Bonhoeffer seine Forderung im Hinblick auf den Gottesdienst als Gemeindegottesdienst und nicht als öffentlichen Gottesdienst.1024 Hammelsbeck nimmt eine Abgrenzung vor, indem er den Gottesdienst dem gemeindlichen und nicht dem missionierenden Unterricht zuordnet. Beide streben ein Verständnis des Gottesdienstes durch den kirchlichen Unterricht an, zeigen dabei aber verschiedene Aspekte auf. Bonhoeffer möchte den Gottesdienst als Teil des gemeinschaftlichen Lebens verstanden wissen, Hammelsbeck legt besonderen Wert auf das Verständnis der Liturgie. Die Unterweisung bleibt nicht nur auf den Gottesdienst und das sich ereignende Wort ausgerichtet, das Predigtwort verweist bei beiden auf die Unterweisung. Hammelsbeck empfiehlt die Auseinandersetzung mit dem Predigttext durch den Bibelkreis im Beisein des Pfarrers, um ein Gespür seiner Gemeinde im Hinblick auf die kommende Predigt zu erhalten.1025 Bonhoeffer rät in der HomiletikVorlesung dazu, »die gehaltene Predigt als wichtige Grundlage für die Gemein-

1022 DBW 1, S. 161. 1023 Hammelsbeck (1939), S. 224. 1024 Die Einsicht einer Schutzbedürftigkeit des Gemeindegottesdienstes ist wohl nicht nur der zeitgeschichtlichen Bedrängung der Kirche zu verdanken, sondern sie wird auch aus Bonhoeffers Beschäftigung mit dem altkirchlichen Katechumenat und der Arkandisziplin gespeist, vgl. zum Beispiel DBW 4, S. 40f. und DBW 14, S. 526 und 549ff. 1025 Dieser Vorschlag findet sich mit ähnlicher Zielsetzung auch in Langes späterer Homiletik, vgl. Lange, Ernst, Zur Theorie und Praxis der Predigtarbeit, in: Predigen als Beruf. Aufsätze zu Homiletik, Liturgie und Pfarramt, hg. von: demselben, München 1982, S. 46.

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dearbeit der kommenden Woche im Auge [zu] behalten. Die Gemeindearbeit kommt von der Predigt her und wird sie brauchen.«1026 Hammelsbeck betont ausdrücklich, dass die Gemeinde als Gemeindekirche Trägerin des kirchlichen Unterrichts sei. Bei Bonhoeffer fehlt die Unterscheidung zwischen der Gemeindekirche und der Pastorenkirche. Seine Forderung, dass die Kirche alleine die christliche Unterweisung zu übernehmen habe, bezieht sich nicht auf den Beitrag der Gemeinde zum Unterricht, sondern ist als Abwehr einer staatlichen Übernahme religiöser Erziehung zu verstehen. Hinzu kommt, dass Bonhoeffers eigenes Zutrauen in die Gemeinde als Trägerin des Kindes in der Taufe wohl in negativer Hinsicht von den Erfahrungen des Kirchenkampfes beeinflusst wurde. In diesem Zusammenhang muss auf die zeitliche Differenz der beiden Ansätze hingewiesen werden: Bonhoeffer steht 1935 voll in den Auseinandersetzungen außerhalb und innerhalb der Bekennenden Kirche. Seine Bemühungen um die Auswirkungen kirchlichen Unterrichts befinden sich erst am Anfang, während Hammelsbeck 1939 schon von »der Freude und dem Dank erfahrener Erneuerung«1027 sprechen kann. Im Hinblick auf die Sakramente im Kontext des kirchlichen Unterrichts vertreten Bonhoeffer und Hammelsbeck ähnliche Haltungen. Die Praxis der Kindertaufe, die sie aber an bestimmte Bedingungen knüpfen, gestehen beide der Kirche zu. Die Kindertaufe steht in enger Beziehung zum kirchlichen Unterricht, allerdings erfolgt die Argumentation in unterschiedlicher Richtung: Bei Hammelsbeck ist sie rückwärtsgewandt, indem die Kinder durch den Unterricht zur »mündigen Erkenntnis ihrer Taufe […] hingeleitet werden«1028. Bonhoeffers Ansatz weist von der Taufe ausgehend auf den zukünftigen Unterricht hin, da der Mensch auf seine Taufe angesprochen werden könne und damit »dem würdelosen Nachlaufen der Kirche hinter der Jugend gewehrt«1029 würde. Verwandte Positionen finden sich bei beiden im Hinblick auf das Abendmahl bei der Konfirmation. Hier muss allerdings angemerkt werden, dass dies zwar noch für Bonhoeffers Schrift ›Sanctorum Communio‹ zutrifft, sich aber in seiner späteren Praxis eine Abweichung davon abzeichnet. Konfirmation und Abendmahlsgang sollten Bonhoeffers Meinung nach nicht zwangsläufig miteinander verbunden sein. Einer Erhöhung des Konfirmationsalters stehen beide eher ablehnend gegenüber : Hammelsbeck sieht das aufrichtige Begehren des Abendmahls in relativ geringem Zusammenhang mit dem Alter. Bonhoeffer argumentiert anders: Zuerst müsse sich die Gemeinderealität verändern, sonst bliebe eine Erhöhung des Konfirmationsalters sinnlos. 1026 1027 1028 1029

DBW 14, S. 502. Hammelsbeck (1939), S. 9. A.a.O., S. 35. DBW 14, S. 531.

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In der damit zusammenhängenden Frage des Bekenntnisses gelangen beide zu ähnlichen Ergebnissen: Der Konfirmand könne sein Bekenntnis des Glaubens im ersten frei gewählten Abendmahlsgang zum Ausdruck bringen, ein solches dürfe ihm aber nicht bei der Konfirmationsfeier abverlangt werden. Vielmehr sollten die Konfirmanden bestätigen, dass sie von der Gemeinde unterrichtet worden seien. Es muss ergänzt werden, dass Hammelsbeck und Bonhoeffer beim Bekenntnis im Kontext des Unterrichts unterschiedliche Positionen vertreten: Hammelsbeck möchte kein Bekenntnis im missionierenden Unterricht, der Unterricht solle nur auf Christus hinweisen. Bonhoeffers Katechetik-Vorlesung kennt den Unterschied zwischen missionierendem und gemeindlichem Unterricht nicht. Sein Unterricht zielt auf die Anleitung zum Bekenntnis. Allerdings gehört für Bonhoeffer das Leben in der Nachfolge, das Überschneidungen zu Hammelsbecks Haltenlernen der Gebote aufweist, zur christlichen Erziehung.1030 Auch bei der weiteren Unterrichtsgestaltung finden sich Parallelen zwischen Hammelsbeck und Bonhoeffer : Beide üben methodische Zurückhaltung. Die Methode bleibt bei Hammelsbeck vor allem auf die Frage nach dem Skopus in dessen christologischer Ausrichtung begrenzt. Er steht dem Einsatz der Formalstufen deutlich skeptischer gegenüber als Bonhoeffer : Er gesteht allenfalls die Verwendung von Leonhard Fendts katechetischem Dreischritt zu. Besonders warnt er vor der Formalstufe der Anwendung im Unterricht, die darin resultiere »ihn in eine banale Ethik zu verfälschen«1031. Bonhoeffer gesteht den Formalstufen als Methode der Analogie ihre Berechtigung zu, empfindet aber die Anknüpfung an das Ärgernis in seiner Entsprechung gegenüber dem Skandalon als angemessener. Interessanterweise findet sich der Begriff des Ärgernisses auch bei Hammelsbeck. Es steht dort zwar im selben Kontext der Taufgnade wie bei Bonhoeffer, erhält aber keine weitere Bedeutung für die Unterrichtsgestaltung. Einig sind sich beide in ihrer unterschiedlich begründeten Ablehnung der Arbeitsschulmethode: Bonhoeffer lehnt die Arbeitsschulmethode ab, da sich die auf der Offenbarung beruhende Struktur christlicher Inhalte nicht selbstständig erschließen lasse. Hammelsbeck wehrt sich dagegen, da die Arbeitsschulmethode nicht Anspruch und Zuspruch Gottes an den Menschen zum Zentrum des Unterrichts mache, sondern Gesetz und Evangelium auf deren ethische Verwertbarkeit reduziere. Für den Unterricht selbst fordern sowohl Bonhoeffer als auch Hammelsbeck, dass er Raum für die Fragen der Kinder und Jugendlichen lasse.1032 Den Fragen 1030 Vgl. Hammelsbeck (1939), S. 77f. und 101ff., vgl. DBW 1, S. 165, Anmerkung 109 und vgl. DBW 14, S. 533, 538 und 624f. 1031 Hammelsbeck (1939), S. 63. 1032 Vgl. Hammelsbeck (1939), S. 50, 64, 70 und 153 und vgl. DBW 14, S. 534–539.

Bonhoeffer und die Evangelische Unterweisung von Oskar Hammelsbeck

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im Unterricht Raum zu geben, bedeutet für Bonhoeffer nicht zugleich, sich als Lehrperson zurückzunehmen. Seine Ansprachen im Kindergottesdienst und sein eigenes Schildern des Berliner Konfirmandenunterrichts geben davon Zeugnis, dass er sich nicht gescheut habe, »sehr oft einfach die Kinder anzupredigen«1033. Derselbe Begriff findet sich bei Hammelsbeck, allerdings in kritischem Sinne: Niemand, auch nicht die Jugend, wolle sich anpredigen lassen. Damit ginge das Wesentliche in einer Wortflut unter. Für die Predigt habe zu gelten, dass sie ansprechend sei.1034 Beide fordern die Lesung des Bibeltextes im Unterricht in der Übersetzung Luthers. Für die Vorbereitung schlägt Hammelsbeck zudem die Zuhilfenahme einer modernen Übersetzung vor, vor allem wenn der Unterrichtende den Urtext nicht lesen könne. Das Auswendiglernen, vor allem von Bibelversen, aber auch von Katechismusteilen und Gesangbuchversen, ist besonders für Bonhoeffer von Bedeutung. Hammelsbeck behält sich eine differenziertere Meinung hierzu vor. Er halte es für selbstverständlich, dass junge Menschen einen gewissen Schatz an Liedern, Gesängen und Bibelversen erlernten. Während dies früher durch die reine Anwesenheit im Gottesdienst erfolgte, könne man ein solches Vorwissen aufgrund eines veränderten Gottesdienstbesuches nicht mehr voraussetzen. Allerdings sei es falsch, die vorhandenen Lücken über reines Auswendiglernen schließen zu wollen, weil das nur zur Ablehnung gegenüber der Sache führe.1035 Während der Einfluss der Liberalen Religionspädagogik und der Reformpädagogik nur an einzelnen Stellen nachweisbar ist, kann Bonhoeffers gemeindepädagogisches Wirken in große Nähe zur Evangelischen Unterweisung gerückt werden. Zwischen Bonhoeffers Katechetik-Vorlesung von 1935 und Hammelsbecks ›Der kirchliche Unterricht‹ von 1939 konnten so große Ähnlichkeiten im System und in der Ausgestaltung kirchlich verantworteten Unterrichts aufgezeigt werden, dass Bonhoeffer Hammelsbeck wohl stärker beeinflusst oder bestätigt hat als es Hammelsbeck in Erinnerung geblieben ist. Damit wurden über Hammelsbeck Teile von Bonhoeffers gemeindepädagogischem Wirken weiter in die Bekennende Kirche hineintransportiert, als es Bonhoeffer über die Theologenausbildung möglich war.

1033 DBW 11, S. 65. 1034 Vgl. Hammelsbeck (1939), S. 174f. 1035 Vgl. a.a.O., S. 80f., 107 und 154 und vgl. DBW 14, S. 535f.

7

Resümee und Ausblick

7.1

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In diesem Abschnitt sollen die bisherigen Ausführungen zu Bonhoeffers gemeindepädagogischem Wirken im Rahmen seiner Ekklesiologie verdichtet und weitergedacht werden. Es konnte gezeigt werden, wie die in der BonhoefferForschung bisher fehlende umfassende Darstellung seines gemeindepädagogischen Wirkens unter der besonderen Perspektive seines Kirchenverständnisses zu neuen Erkenntnissen führt. An mehreren Phasen seines Lebens konnte veranschaulicht werden, wie Bonhoeffers ekklesiologische Gedanken mit seinem gemeindepädagogischen Wirken einhergehen und beide Bereiche sich gegenseitig befruchten. Konkretisiert werden konnte dieses Ineinandergreifen etwa an seiner Verortung der kirchlichen Erziehung zwischen den Sakramenten, dem Niederschlag seines Gemeinschaftsdenkens in der Gemeindearbeit oder der gemeindepädagogischen Umsetzung der ›Nachfolge‹. Bestätigt werden konnte auch die Finkenwalder Predigerausbildung als herausragender Bestandteil von Bonhoeffers gemeindepädagogischem Wirken. Sie ist als Ergebnis eines Prozesses anzusehen, dem zahlreiche Erkenntnisse und Erfahrungen Bonhoeffers im gemeindepädagogischen Bereich vorangegangen sind. Somit dürfte es künftig schwerfallen, die Katechetik-Vorlesung isoliert und als reines Produkt des Kirchenkampfes zu klassifizieren. Vielmehr zeigt sich im Vergleich mit zeitgenössischen Ansätzen die Nähe Bonhoeffers zur Evangelischen Unterweisung in den Linien der Dialektischen Theologie Barths. Zuvor finden sich mit Aufnahme der katechetischen Seminare bei Mahling noch Einflüsse Liberaler Religionspädagogik in seinem gemeindepädagogischen Wirken, die allerdings in der Vorlesung über Katechetik zugunsten Bonhoeffers Ansinnen einer christuszentrierten Unterweisung zurücktreten. Trotz seiner Kontakte zu führenden Reformpädagogen kam es zwischen Bonhoeffer und ihnen nicht zu einem Austausch pädagogischer Anliegen. Auch die Begegnung mit der Jugendbewegung wirkte auf Bonhoeffer nur unterschwellig und nicht nachhaltig. Unterschätzt werden

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Resümee und Ausblick

sollte zukünftig dagegen nicht mehr der Einfluss Bonhoeffers auf die Bekennende Kirche. Dieser lässt sich nicht auf sein grundsätzliches Engagement und seine Theologie reduzieren, sondern sollte auch seine katechetischen Überlegungen mit einbeziehen. Die Parallelen zwischen Hammelsbeck und Bonhoeffer zu einem kirchlich verantworteten und oikodomisch ausgerichteten Unterricht zeigen, dass Bonhoeffer Hammelsbeck in seinen Ansichten beeinflusst oder zumindest bestätigt hat. Über Hammelsbeck verbreiteten sich Bonhoeffers Gedanken innerhalb der Bekennenden Kirche und über ihre Zeit hinaus. Eine Zusammenschau der Erkenntnisse dieser Arbeit bringt verschiedene Dimensionen von Bonhoeffers gemeindepädagogischem Wirken zum Vorschein. Erkennbar wird eine biografisch bedingte Dimension, die individuelle Züge seines gemeindepädagogischen Engagements unter Berücksichtigung seiner Persönlichkeit und Prägung aufzeigt. Trotz einer grundsätzlichen Methodenskepsis Bonhoeffers wird im Folgenden eine methodische Dimension berücksichtigt. Diese ist erforderlich, um in einem weiteren Sinne des Begriffs ›Methode‹ die Art und Weise des von Bonhoeffer gedachten und erteilten christlichen Unterrichts sowie damit einhergehende didaktische Entscheidungen zu veranschaulichen. Anschließend wird die soziale Dimension von Bonhoeffers gemeindepädagogischem Wirken betrachtet, die ebenfalls kennzeichnend für sein Leben und Werk ist. Den Schwerpunkt dieser Arbeit bildet die ekklesiologische Dimension, die für Bonhoeffers Verständnis von Gemeindepädagogik grundlegend und richtungsweisend ist. Diese Dimension berücksichtigt weitere zentrale Inhalte des christlichen Unterrichts, die ebenfalls in Verbindung mit Bonhoeffers Ekklesiologie stehen. Die einzelnen Dimensionen sind nicht isoliert voneinander und in sich abschließend zu betrachten. Sie geben vielmehr, wie die Achsen eines mehrdimensionalen Koordinatensystems, Orientierungshilfen bei der Standortbestimmung. Die Verdichtung der Erkenntnisse mag zu der Annahme verleiten, dass die aufgezeigten Charakteristika innerhalb der Dimensionen eine gewisse Allgemeingültigkeit besitzen. Es darf aber nicht vergessen werden, dass die Erkenntnisse auf einer Analyse von Bonhoeffers Biografie und Werk beruhen, die aufgrund der Kürze seines Lebens und der Quellenlage an etlichen Stellen fragmentarisch bleiben müssen. Auch wenn bestimmte Punkte von Bonhoeffers gemeindepädagogischem Wirken sich in Biografie und Theologie wiederholen, so gibt es auch Entwicklungen und Schwerpunktverlagerungen. Aus diesem Grund ist es angemessener, die Charakteristika der einzelnen Dimensionen als Ansätze oder Tendenzen Bonhoeffers zu bezeichnen. Die biografisch bedingte Dimension Gerade Bonhoeffers erste Tätigkeiten in der kirchlichen Kinder- und Jugendarbeit weisen etliche inhaltliche und formale Elemente auf, die neben theolo-

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gischen Entdeckungen seine bildungsbürgerliche Herkunft und Erziehung sowie sein Naturell widerspiegeln. Die eigene Familie war nicht nur an mehreren Lebensabschnitten in Bonhoeffers gemeindepädagogische Aktivitäten eingebunden, indem sie sein Engagement mit Rat und Tat unterstützte, sondern sie beeinflusste auch deren Gestaltung: In seinen Ansprachen finden sich Themen wie Pflichterfüllung, Gehorsam, Arbeits- und Leistungsethos, welche die typisch bürgerlichen Wertvorstellungen seiner Familie widerspiegeln. Die Mutter als dominierende Figur in der allgemeinen und religiösen Erziehung hinterließ in Bonhoeffers gemeindepädagogischem Wirken die deutlichsten Spuren, wie beispielsweise in seiner Art und Weise, biblische Geschichten zu erzählen. Der Einfluss in der Erziehung der Bonhoeffer-Kinder blieb aber nicht nur auf sie beschränkt. Wie in anderen bürgerlichen Familien übernahmen neben ihr und dem Vater auch die älteren Geschwister, die im Haushalt lebende Großmutter und die Hausangestellten Erziehungsaufgaben. Die Beschäftigung der Schwestern Horn brachte ein Stück der für die preußische Oberschicht charakteristischen brüderischen Verbundenheit in der Familie Bonhoeffer zum Ausdruck. Trotz einer lebenslangen Zuneigung der Familie zu den beiden Schwestern kam es zu keiner persönlichen Aneignung der Herrnhuter Frömmigkeit. Bonhoeffer behielt sich lediglich einzelne Elemente bei. Ungeachtet der eher kirchendistanzierten Haltung der Familie konnte Bonhoeffers erste Begegnung mit kirchlichem Unterricht und dem in dieser Zeit gereiften Entschluss, Pfarrer zu werden, eine nachhaltige Wirkung erzielen. Von Beginn seiner kirchlichen Kinder- und Jugendarbeit an brachte Bonhoeffer sich stets mit seiner ganzen Person dort ein. Bestärkend wirkte seine Freude am Umgang mit jungen Menschen und seine Neigung zur Gemeindearbeit, in die es ihn trotz seiner wissenschaftlichen Ausrichtung bereits zum Ende des Vikariats immer stärker hinzog. Die in der Familie praktizierte Förderung von Intellekt und musischen Fähigkeiten sowie die besondere Gestaltung von Aufführungen im Familienkreis ließ Bonhoeffer auch in sein eigenes gemeindepädagogisches Wirken einfließen. Sein musikalisches Talent hinterließ immer wieder Eindruck bei den Gruppen, mit denen er gemeindepädagogisch arbeitete. Vor allem aus dem Donnerstagskreis sowie der Zeit in Barcelona und London ist bekannt, dass Bonhoeffer musikalische Elemente mit der praktischen Arbeit zusammenbrachte. Zugute kam Bonhoeffer seine erzählerische Begabung, mit der er in den Ansprachen Situationen ausschmückte und sich in das Handeln biblischer Personen hineinzuversetzen verstand. Auch mit seiner wenig emotionalen und fast leidenschaftslosen Vortragsweise, von der aus dem Berliner Bonhoefferkreis berichtet wird, schaffte es Bonhoeffer mit seinen Gedankengängen, die Studenten zu faszinieren. Bonhoeffers Persönlichkeit spielt eine wichtige Rolle beim Erfolg seiner Arbeit mit jungen Menschen. Richard Rother hebt in diesem Zusammenhang Bonhoeffers Ausgeglichenheit hervor

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und die Fähigkeit, den problematischen Jungen seiner Konfirmandengruppe Vertrauen entgegenzubringen. Hilfreich war seine Bereitschaft, sich auf die Situation seiner Konfirmanden einzulassen und von der ersten Stunde an persönliche Erlebnisse mit ihnen zu teilen. Die für seine Zeit eher ungewöhnliche Breite an Erfahrungen im Ausland machte ihn für die Jungen zu einem interessanten Gesprächspartner. Zum gelungenen Umgang Bonhoeffers mit jungen Menschen trägt ebenfalls seine bewusste und kontinuierliche Entscheidung bei, sich in zeitlicher Hinsicht für sie zu einzubringen und sie als Gegenüber ernst zu nehmen. Dass er als Wissenschaftler sogar stellenweise die Vorbereitung seiner Lehrveranstaltungen vernachlässigte, um Zeit mit seinen Konfirmanden verbringen zu können, zeigt die hohe Priorisierung der Begleitung der Konfirmanden. Auch an Bonhoeffers Studentenarbeit wird ersichtlich, wie eng bei ihm zeitlicher Einsatz und Erfolg miteinander verbunden sind. Während es mit den Berliner Studenten zu einem intensiven Austausch und regelmäßigen Treffen kam, beschränkten sich die Begegnungsmöglichkeiten an der Technischen Hochschule auf eine Sprechstunde und Kurzandachten beziehungsweise Vorträge. Hierbei soll darauf hingewiesen werden, dass zu Bonhoeffers Scheitern an der Technischen Hochschule auch noch andere Faktoren beitrugen. Die briefliche Kontaktpflege mit zahlreichen Menschen unterschiedlichen Alters, denen er in Gemeinde und Universität begegnete, ist eine weitere Ausprägung der Entscheidung Bonhoeffers, zeitlich und kontinuierlich in andere Menschen zu investieren. Der briefliche Austausch bestand teils über Jahre hinweg und wurde in Form der Rundbriefe zu einem besonderen Kennzeichen des Finkenwalder Predigerseminars. Die methodische Dimension Bonhoeffers Beliebtheit bei jungen Menschen im gemeindepädagogischen Kontext verdankte sich zunächst wohl mehr seinen persönlichen als seinen methodischen Fähigkeiten. Von seinen ersten Schritten in der gemeindepraktischen Arbeit an findet sich bei ihm eine Tendenz zu einer zeitweise langatmigen, monologisierenden und moralisierenden Vortragsweise. Im Berliner Konfirmandenunterricht verfiel Bonhoeffer – vermutlich auch mangels ausreichender Vorbereitungsmöglichkeiten – in Predigten von über einer halben Stunde Dauer. In den Andachten aus der Studentenarbeit zeigte sich Bonhoeffer dagegen weniger belehrend und formulierte vorsichtiger. Auch wenn Bonhoeffer auf der einen Seite seine Zuhörer mit herausfordernden Themen ansprach, überschritt er wohl auf der anderen Seite mehrfach die Grenze zur Überforderung. Dies betrifft auch die Arbeit mit Erwachsenen, wie sich an den Vorträgen im Vikariat erkennen lässt. Da ein Teil der Ansprachen ohne methodische und didaktische Vorkenntnisse erstellt wurde, muss die überwiegend negative Beurteilung der Ansprachen in

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der Sekundärliteratur durch weitere Aspekte ergänzt werden. Vor dem Besuch der katechetischen Seminare sind die Entwürfe für den Kindergottesdienst von einer induktiven Vorgehensweise bestimmt. Neben den bereits erwähnten Schwächen gelang es Bonhoeffer jedoch mit seinem erzählerischen Talent und seiner sorgfältigen Planung, Beispiele und Vergleiche aus der Lebenswelt der Kinder anschaulich zu gestalten und zum Ausgangspunkt der Entwürfe zu machen. Die Ansprachen zeigen eine thematische Breite auf, wobei sie das Thema Kirche nicht berücksichtigen, was aber mit Themenabsprachen und dem Verlust von zahlreichen Entwürfen zu erklären wäre. Wie bereits erwähnt, sind in den Ansprachen bürgerliche Werte präsent. Darüber hinaus gibt es zahlreiche christologische Bezüge oder Hinweise auf das Evangelium. Schon die frühen Ansprachen verweisen – auch bei alttestamentlichen Themen – auf Christus. Kritisch zu betrachten ist der gelegentlich unreflektierte Bezug auf den militärischen Kontext, den Bonhoeffer in seinem späteren Leben mit einem erstarkten pazifistischen Bewusstsein und unter dem Eindruck der NS-Diktatur vermutlich anders formuliert hätte. Die Ansprachen für den Kindergottesdienst weisen mit Aufnahme der katechetischen Seminare nur geringe Veränderungen auf. Abgesehen von einer Zunahme der biblischen Grundlagen innerhalb der Entwürfe kann nicht von einem eindeutig erkennbaren Einfluss der katechetischen Seminare auf Bonhoeffers Kindergottesdienst-Vorbereitung ausgegangen werden. In den Katechesen für die Seminare bei Mahling und für die Examina wird die Orientierung an der katechisierenden Methode von Achelis erkennbar. Trotz der Bonhoeffer vorgeworfenen geringen Auseinandersetzung mit Methodik und Didaktik scheinen die formalen Anforderungen erfüllt worden zu sein. Das im Studium erlernte und angewandte Frage-Antwort-Schema spielte in den eigenen Ansprachen eine sehr untergeordnete Rolle und wurde in der Predigerausbildung in Finkenwalde auch nicht von anderen verlangt. Es scheint, dass sich der Stil von Bonhoeffers Katechesen in Finkenwalde im Hinblick auf eine deutlichere Fokussierung und eine Reduktion von Appellen und Belehrungen verändert hat. Angesichts des Entwurfscharakters der Katechesen ist das aber nicht mit Sicherheit zu sagen. Die internationalen Erfahrungen auf gemeindepädagogischen Arbeitsfeldern führten bei Bonhoeffer zu einer Horizonterweiterung. Gleichzeitig trieben die Erlebnisse in der Gemeindearbeit in unterschiedlichen Denominationen in den USA die Positionierung Bonhoeffers voran. Wichtig wurden ihm eine Lebendigkeit sowie ein geistlicher Gehalt des Unterrichts, welche nicht durch Methodik und Aktionismus ersetzt werden können. Bonhoeffers Umgang mit der Bibel ist ein deutliches Beispiel für einen Veränderungsprozess, den er in seinem gemeindepädagogischen Wirken durchlief. Dies zeigt die stückweise Korrektur der eigenen Praxis. Seine zu Beginn noch

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sehr freie und erzählerische Weise, mit der er biblische Stoffe behandelte, tritt allmählich in den Hintergrund. Mit dem Ärgernis als methodischen Ausgangspunkt in der Katechetik-Vorlesung kristallisiert sich der Anspruch Bonhoeffers heraus, dass die Bibel in der Unterweisung dem Menschen in ihrer Fremdheit und ihrem Anspruch an ihn begegnen soll. Mit seinem Stufenmodell als Gegenstück zu den Formalstufen von Herbart-Ziller knüpft Bonhoeffer bewusst an die Fremdheit der christlichen Botschaft in Form des Skandalons an. In der Konsequenz dieses Ansatzes gelangt Bonhoeffer zu einer Ausrichtung am Wortlaut der Bibel, die auch das Auswendiglernen von Bibelworten beinhaltet und zur regelmäßigen Bibellese anleitet. Die beiden Katechismusentwürfe Bonhoeffers stellen Instrumente dar, um christlichen Glauben in die aktuelle Zeit hinein sprechen zu lassen. In Bonhoeffers zweitem Katechismusentwurf tritt zu den dogmatischen Aktualisierungsbemühungen der Bekenntnischarakter des Katechismus hinzu, der den Unterweisenden bei der Vorbereitung und Durchführung des Unterrichts leiten soll. Das Anliegen hinter den Katechismusentwürfen ist eher dogmatischer als pädagogischer Natur. Bonhoeffer grenzt sich von einem reinen Katechismusunterricht und konfrontativ-apologetischer Unterweisung ab. Er verfolgt vielmehr einen solidarisch-kommunikativen Ansatz, bei dem der Unterweisende den Unterrichtsprozess solidarisch mit seiner Gruppe begleitet und deren Fragen in das Unterrichtsgeschehen einfließen lässt. Die Orientierung an den jungen Menschen, mit denen er arbeitet, zeigt sich schon früh im Rahmen der Eigenverantwortung, die Bonhoeffer den Teilnehmern des Donnerstagskreises und des freiwilligen Religionsunterrichts zugesteht. Sie wurden nicht nur aufgefordert, eigene Fragen mitzubringen, sondern beteiligten sich auch mit eigener Vorbereitung maßgeblich an der Gestaltung der Treffen. Die Theologenausbildung in Finkenwalde ist bestimmt durch das Leben in Gemeinschaft, in die sich Bonhoeffer, wie in anderen Phasen seines gemeindepädagogischen Wirkens, mit seiner ganzen Person einbringt. Dieses Leben in Gemeinschaft muss in jedem Kurs neu eingeübt werden, was Bonhoeffer durch die Einrichtung des Bruderhauses unterstützt. Lernen geschieht bei ihm auch durch eigenes, vorbildhaftes und unkommentiert bleibendes Handeln. Hinzu kommt eine stetige Auseinandersetzung mit aktuellen Fragen, die, wie in der Berliner Studentenzeit, in einem diskursiven Setting erfolgte. Die gemeindepädagogische Ausbildung der Seminaristen erfolgt durch katechetische Veranstaltungen und Übungen. Zusätzlich bieten die Mitarbeit in der Finkenwalder Bekenntnisgemeinde, Freizeiten sowie Korrespondenz durch Rundbriefe, persönliche Briefe und Begegnungen Möglichkeiten zum Austausch über gemeindepädagogische Fragen. An der Zeit im Finkenwalder Predigerseminar wird noch einmal ersichtlich, dass Bonhoeffers gemeindepädagogisches Wirken nicht nur Kinder und Jugendliche berücksichtigt. Davon zeugen die Ausbildung und

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einzelne Elemente von Bonhoeffers Arbeit mit Erwachsenen. Hierzu gehören der Konfirmandenunterrichtsplan als Vorbereitungshilfe für den Konfirmandenunterricht und die Volksmission, in der mit den Hausbesuchen wieder zu Bibellese, Gebet und Gottesdienstbesuch angeleitet werden soll. Die soziale Dimension Bonhoeffers kontinuierliche Beschäftigung mit der Gemeinschaft in seiner Theologie schlägt sich in einer aktiven Bemühung um Gemeinschaft nieder. Dabei findet sich die Berücksichtigung menschlicher Individualität eher in Bonhoeffers Umgang mit jungen Menschen als in seinem Denken. Während er in seinem psychologischen Befund über den Jugendlichen verlangt, individualistischem Verhalten entgegenzuwirken, sind die persönlichen Begegnungen im gemeindepädagogischen Kontext von einer wertschätzenden, vorbildhaften und geduldigen Haltung gekennzeichnet, in der Bonhoeffer auch auf die individuellen Bedürfnisse seines Gegenübers eingeht. In unterschiedlichsten Altersgruppen fällt schon zu Beginn von Bonhoeffers gemeindepraktischer Arbeit die Schaffung von Räumen auf, in denen Gemeinschaft erlebbar wird. Auch unter vielfältigen Anforderungen verbrachte Bonhoeffer mit seinen Gruppen über die regulären Treffen hinaus Zeit, ermöglichte diesen einen Einblick in sein Leben, gab ihnen praktische und seelsorgerliche Hilfestellung und verband dies mit der christlichen Botschaft. Die besonderen Aktivitäten in Bonhoeffers gemeindepraktischer Arbeit berücksichtigen die soziale Struktur der jeweiligen Kreise, indem sie sich an Alter, Interessen und sozialer Herkunft der Teilnehmer orientieren. Ein beliebtes Setting gemeinsamer Aktivitäten sind Freizeiten oder Ausflüge. Die Freizeiten ermöglichten zusammen mit einer kontinuierlichen brieflichen Korrespondenz einen Erfahrungsaustausch sowie ein Stück gemeinsamen Lebens aus der Entfernung. Die geknüpften Beziehungen erstarben nicht mit dem nächsten Aufgabenwechsel Bonhoeffers, sondern bestanden oft noch jahrelang fort. Als fruchtbar für Bonhoeffers Arbeit erwies sich zudem sein Bestreben, Eltern und Lehrer der Teilnehmer aufzusuchen, sich der Unterstützung seiner Arbeit zu versichern und diese in wichtige Entscheidungsprozesse einzubeziehen. Hausbesuche finden sich durchweg in Bonhoeffers gemeindepädagogischem Wirken wieder und sind nicht nur auf Kinder und Jugendliche ausgerichtet. Auch in der Finkenwalder Volksmission setzte Bonhoeffer gezielt Hausbesuche ein, um Erstkontakte zu schaffen und die Arbeit mit Erwachsenen vorzubereiten. Die kirchliche Unterweisung versteht Bonhoeffer – wie man es etwa seinem Katechumenatsentwurf entnehmen kann – als bedeutsam für die Entwicklung des gemeinschaftlichen Lebens. Dieses gemeinschaftliche Leben ist gekennzeichnet vom Gedanken der Nachfolge im Verständnis der Bergpredigt, der Wiederherstellung und der Korrektur der Gemeinschaft durch die Beichte, der

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Ausrichtung auf das biblische Wort mit persönlicher Schriftmeditation und festen Gebetszeiten. In Bonhoeffers Ansatz beschränkt sich die Unterweisung durch die kirchliche Gemeinschaft jedoch nicht auf den Einzelnen in der Unterweisung, sondern strahlt mit einer restaurativen Funktion wiederum auf die Gemeinschaft zurück: Indem die Unterweisung der Kirche zur Erneuerung der Gemeinschaft beitragen soll, wird Gemeindepädagogik bei Bonhoeffer mit einem oikodomischen Akzent versehen. Bonhoeffer warnt zugleich vor einem rein erlebnisorientierten und gefühlsgeleiteten Gemeinschaftsempfinden. Die besonderen Aktivitäten in Bonhoeffers praktischer Arbeit stehen somit in Spannung zu seiner theologischen Erlebniskritik. Die Kritik am Erlebnis entstammt dem Kontext von Bonhoeffers Offenbarungs- und Gemeinschaftsverständnis, welches von der Dialektischen Theologie geprägt ist. Diese Spannung lässt sich mit dem Anliegen Bonhoeffers erklären, sowohl die göttlich gestiftete Gemeinschaft zu schützen als auch junge Menschen die christliche Gemeinschaft erleben zu lassen. Die soziale Dimension seines gemeindepädagogischen Wirkens ist neben der gemeinschaftlichen Ausrichtung gekennzeichnet von diakonischem Handeln. Es greift auf die Ressourcen von Bonhoeffers sozialem Netzwerk zurück, wird vom Gedanken der Nächstenliebe geleitet und bleibt nicht auf den innerkirchlichen Kreis und die eigene Konfession beschränkt. Bonhoeffer suchte, gerade auch in der Bedrängung, die Gemeinschaft mit anderen Kirchen. Einzelne Hinweise bezeugen, wie Bonhoeffer schon früh, wenn auch nicht vorrangig, in der Kinderund Jugendarbeit zu ökumenischem Denken anleitete und ökumenische Erfahrungen für Studenten und Kandidaten anstrebte. Der Dienst aneinander geht mit dem Dienst außerhalb der Gemeinschaft einher. Ein besonderes Anliegen von Bonhoeffer stellt der Einsatz für die Arbeiterjugend dar, der mit den Erfahrungen im Berliner Konfirmandenunterricht seinen Anfang nahm. Über die Zeit im Konfirmandenunterricht hinaus erstreckte sich dieser Einsatz, wie er beispielsweise in der Pacht des Biesenthaler Grundstückes oder der Leitung der Jugendstube erkennbar wird. Die Jugendstube verbindet eine Begegnungsstätte für arbeitslose Jugendliche mit beruflicher Bildung. Dem Gedanken des Dienstes einer Gemeinschaft an ihrer Umwelt kann auch die Finkenwalder Volksmission zugeordnet werden. Bei den volksmissionarischen Aktivitäten geht es um den Einsatz einer Gemeinschaft für eine Gemeinschaft, die einen vorhandenen Gemeindekern stärken möchte und diesem neue oder entfremdete Mitglieder zuführen will. Die ekklesiologische Dimension Die Auseinandersetzung mit der Kirche und deren Gestaltung ist nicht von Beginn an in Bonhoeffers gemeindepädagogischem Wirken erkennbar. Stattdessen gelangte sie erst nach und nach zu ihrer vollen Entfaltung. Dem Wort-

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bestandteil ›Gemeinde‹ im heutigen Begriff ›Gemeindepädagogik‹ würde Bonhoeffer vollauf zustimmen. Die Erziehung im christlichen Glauben findet nach seinem Verständnis in, durch und für die Gemeinde statt. Die Gemeinschaft der Heiligen bleibt keine abstrakte Komponente in seinem Denken, sondern erhält einen festen Platz in seinen gemeindepädagogischen Bemühungen. Die Voraussetzung für die Erziehung der Kinder in der Gemeinde ist die Taufe. Bonhoeffer lehnt ein idealistisches Erziehungsverständnis ab, nach dem ein bestimmtes Ideal des Menschen verwirklicht werden soll. Stattdessen geht es im kirchlichen Unterricht um die Weiterentwicklung des durch die Taufe in den Menschen hineingelegten ›Seins‹. Aus dem Taufgeschehen ergibt sich nach Bonhoeffer im Hinblick auf die Gemeindepädagogik ein zweifacher Anspruch an die Gemeinde: Zunächst ergeht der Anspruch an die Gemeinde, das Kind in der christlichen Lehre zu erziehen. Dazu bekundet sie bei der Taufe ihre Bereitschaft. Dieses Fundament gemeindepädagogischer Arbeit findet sich bei Bonhoeffer schon vor dem Kirchenkampf, neben ›Sanctorum Communio‹ auch in den ›Thesen zur Jugendarbeit in der Kirche‹. Einer Änderung unterliegt – vermutlich unter dem Eindruck des Versagens der Gemeinde im Kirchenkampf – Bonhoeffers Antwort auf die Frage, wie die Kindertaufe trotz des fehlenden Glaubens eines Kindes möglich ist. War es in Bonhoeffers früher Ekklesiologie noch die Gemeinde, die das Kind mit ihrem eigenen Glauben in der Taufe trägt, so nimmt in seinen späteren Überlegungen Gott diesen Platz ein. Mit der Schwächung der Gemeinde erhält für Bonhoeffer der zweite Anspruch im Hinblick auf die kirchliche Erziehung einen besonderen Stellenwert im Taufgeschehen: In der Taufe wird der Mensch unter die Gnadenherrschaft Gottes gestellt. Die Kirche kann nun den Anspruch Gottes an den Menschen zum Ausgangspunkt ihrer christlichen Unterrichtsbemühungen machen. Die Konzentration auf die Menge der Getauften gibt der Gemeinde in ihrem Erziehungsanliegen ein Arbeitsfeld, das, wenn auch nicht immer leicht zu bearbeiten, doch klar abgegrenzt ist. Die christliche Unterweisung innerhalb der Kirche gehört für Bonhoeffer zur Verkündigung und ist darauf ausgerichtet, den jungen Menschen zu einer geistigen Entscheidungsfähigkeit und in den Gottesdienst der Gemeinde zu führen. Im Unterricht soll das für das Verständnis der christlichen Verkündigung notwendige Wissen vermittelt werden. Bonhoeffers ›Thesen zur Jugendarbeit in der Kirche‹ sind zwar nicht als gemeindepädagogische Leitlinien, sondern als Grundsätze für das Verhältnis zwischen der Jugend innerhalb der Bekennenden Kirche und der Bekennenden Kirche zu verstehen und sollen Fehlentwicklungen aufzeigen. Sie bekräftigen andere ekklesiologische Überlegungen Bonhoeffers. In den Thesen verlangt er von der kirchlichen Jugendarbeit, mit der Verkündigung des Wortes ihrer ersten Aufgabe nachzukommen. Die erste Aufgabe der Jugend sei nicht die Umgestaltung der Kirche, sondern das Hören auf Gottes Wort. Dies steht in Ergänzung zu Bonhoeffers Aussagen, dass

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der Unterrichtende im Dienst des Wortes Gottes steht und dieses Wort den Einzelnen in die Gemeinschaft führt. Darin liegt die Bedeutung des Wortes für den christlichen Unterricht und führt zu Bonhoeffers Ekklesiologie zurück. Das Wort eröffnet die Möglichkeit, im Glauben die Herrschaft Gottes anzuerkennen und an der Aktualisierung der Kirche durch das Wirken des Geistes teilzuhaben. Schon Bonhoeffers frühe Ekklesiologie ist mit der Notwendigkeit christlicher Erziehung verbunden. Die Frage nach den Konsequenzen und Möglichkeiten kirchlicher Unterweisung ist mitentscheidend für seine Zuordnung der empirischen Kirche zu bestimmten soziologischen Typen. Seine Entscheidung für einen bestimmten soziologischen Typ ist geleitet von der Überlegung, dass die Aufnahme von Kindern, ihr Verbleib in der Gemeinde sowie die Kindertaufe nicht ausgeschlossen werden dürfen. Bringt man seine soziologische Unterscheidung von Gemeindestrukturen mit weiteren Aussagen Bonhoeffers zusammen, so lässt sich erkennen: Kirchliche Erziehung bewegt sich zwischen den Sakramenten. Sie nimmt ihren Ausgangspunkt bei der Taufe und zielt auf die Teilnahme am Abendmahl. Bonhoeffers Unterteilung der Gemeinde nach ihren Amtshandlungen und deren Auswirkungen auf die soziologische Struktur stellt sich in drei konzentrischen Kreisen dar. Im Hinblick auf die Gemeindepädagogik ergibt sich demnach die Begründung in der Taufgemeinde. Der junge Mensch soll in die Predigtgemeinde geführt werden, damit dort an ihn das Wort ergeht und eine Entscheidung bewirkt wird, die er in der Abendmahlsgemeinde zum Ausdruck bringen kann. Bonhoeffers Unterscheidung der Tauf-, Predigtund Abendmahlsgemeinde als drei konzentrische Kreise lässt sich auch auf die Finkenwalder Volksmission übertragen: Die Volksmission muss bei der Taufe des Menschen ansetzen. Da dieser sich aber der Gemeinde mehr oder weniger entfremdet habe, benötige es statt der Predigt im Gemeindegottesdienst eine Entscheidungspredigt. Aber auch hier besteht die Möglichkeit, die getroffene Entscheidung mit der Teilnahme am Abendmahl zum Ausdruck zu bringen. Diese soziologische Struktur führt zu einer gesonderten Betrachtung des Abendmahls im Hinblick auf ein Bekenntnis des Konfirmanden zum christlichen Glauben. Schon in seinem frühen Denken möchte Bonhoeffer das Abendmahl bei der Konfirmationsfeier nicht mit dem Anspruch überlasten, der Zeitpunkt für eine individuelle und öffentlich bekundete Glaubensentscheidung zu sein. Dennoch ist ihm ein Bekenntnis im Zusammenhang mit der Konfirmationsfeier wichtig. Dieses Bekenntnis findet sich bei ihm in unterschiedlichen Varianten, wobei während des Kirchenkampfes eine gesteigerte Erwartungshaltung an die Konfirmanden im Vergleich zu früheren Aussagen Bonhoeffers erkennbar wird. Im Kontext der kirchlichen Unterweisung versteht Bonhoeffer das Bekenntnis als Gegenwartsbekenntnis, das den christlichen Glauben in bekräftigender, aber auch abgrenzender Weise zu seiner Zeit formuliert. Der Unterweisung kommt

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die Aufgabe zu, zu einem solchen Bekenntnis anzuleiten. Der Konfirmandenunterrichtsplan zeigt, wie Bonhoeffers Anstoß zur Bekenntnisbildung im Unterricht Gestalt annimmt. Bonhoeffer sieht einen wichtigen Beitrag der kirchlichen Unterweisung darin, das Bekenntnis zusammen mit Beichte und Gebet zu selbstverständlichen Bestandteilen des Gemeindelebens werden zu lassen. Während Bonhoeffer dem Bekenntnis erst mit der Katechetik-Vorlesung einen deutlichen Platz in der Unterweisung der Kirche zuteilt, geht bei ihm die Beichte schon seit der Romreise mit Fragen der christlichen Erziehung einher. Aber erst ab 1932 stellt sie ein Beispiel dar für die parallele Entwicklung von Theologie und Gemeindepädagogik mit ekklesiologischer Schnittstelle. Seine für protestantische Verhältnisse eher ungewöhnliche Hochachtung der Beichte verortet er als Beichtunterweisung schließlich sogar im Konfirmandenunterricht und gibt in der Theologenausbildung immer wieder Impulse für eine gelebte Beichtpraxis. Früh erkennbar ist bei Bonhoeffer die theologische Wertschätzung der Fürbitte im Hinblick auf die Gemeinschaft. Im Gebet kommt es bei Bonhoeffer zu einer Verschränkung von Ekklesiologie und Gemeindepädagogik. Zur Aufgabe der Gemeindepädagogik wird es deshalb, die Gemeinde zu einem aktiven Gebetsleben zu führen und dem Gebet in der Gemeinde einen zentralen Platz zuzuweisen. Sein persönlicher Zugang zur Bibel sowie dessen Weiterentwicklung lässt sich in seinem gemeindepädagogischen Wirken wiedererkennen. Von Beginn an ist Bonhoeffer an einem engen Bezug zwischen aktuellen Fragen und dem biblischen Zeugnis gelegen. Während in seiner frühen Gemeindearbeit die erzählerische Wirkung des Bibeltextes sowie die Veranschaulichung biblischer Inhalte durch eigene Beispiele im Vordergrund stehen, beeinflusst ab 1931 Bonhoeffers hermeneutische Lesart von der Fremdheit und dem Anspruch der Bibel an den Menschen sein Verständnis christlicher Unterweisung. Die Katechetik-Vorlesung und der Konfirmandenunterrichtsplan zeigen den Höhepunkt einer Entwicklung Bonhoeffers auf, die die Bibel zur Grundlage und zur Begrenzung der Gemeindepädagogik werden lässt. Als Buch der Kirche ist sie Grundlage der Verkündigung, Maßstab der Wahrheit und fordert den Einzelnen zum Lernen und Handeln im Hören auf das Wort Gottes heraus. Bonhoeffers eigenes Konzept kirchlicher Unterweisung in der Theologenausbildung greift die bereits aufgeführten Aspekte auf. Es ist bestimmt von seiner Rezeption des altkirchlichen Katechumenats und von seinem Verständnis der Kirche in der ›Nachfolge‹. Sein Entwurf wandelt das altkirchliche Proselytenkatechumenat in ein kirchenaufbauendes Getauftenkatechumenat um. Sein Ansatz spiegelt zeitgenössische Überlegungen wider, die innerhalb der Bekennenden Kirche diskutiert wurden. Statt einer reinen Reform des bisher erteilten Unterrichts geht es ihm um eine Veränderung der Gemeindewirklichkeit. Er strebt ein System von kirchlich verantwortetem Unterricht an, das die Ent-

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wicklung gemeinschaftlichen Lebens in der Gemeinde vorantreibt und eine restaurative Funktion hat. Gemeindepädagogik erhält bei Bonhoeffer damit einen oikodomischen Akzent. Wie sehr ihm am Wiederaufbau der bedrängten Kirche gelegen ist, zeigen übrigens seine umstrittenen Überlegungen zu einer Kirchenzucht, die schon im Hinblick auf die Konfirmation angewandt werden kann. Der oikodomische Akzent von Gemeindepädagogik beschränkt sich nicht nur auf Bonhoeffers Entwurf, sondern wird schon in der Theologenausbildung selbst erkennbar. Bonhoeffer hält die Ausbildung der Seminaristen fern vom Einfluss deutschchristlicher und nationalsozialistisch beeinflusster Ausbildungsstätten als unabdinglich für das Überleben der Bekennenden Kirche. Eine Ausbildung wie in Finkenwalde ermöglicht den Freiraum, in dem durch gemeinsames Leben und Lehre zu einer bekenntnistreuen Haltung angeleitet werden kann. Mit der Öffnung des Finkenwalder Seminars für Besucher und Gemeinden von außerhalb, der Gemeindearbeit während der Ausbildung sowie durch den eigenen späteren Pfarrdienst der Kandidaten geschieht eine breite Weitergabe der Bestandteile der Finkenwalder Predigerausbildung. Damit bekommt Bonhoeffers Theologenausbildung im kirchlichen Leben und in gemeindepädagogischer Hinsicht eine wichtige Bedeutung für die Bekennende Kirche. Weitere Elemente, die sich sowohl in Bonhoeffers Ekklesiologie als auch in seinem gemeindepädagogischen Wirken finden, sind der Gedanke der ›Kirche für andere‹, den Bonhoeffer in seinen Gefängnisbriefen zum Ausdruck brachte und der Gedanke der Universalität der Kirche. Die Formulierung der ›Kirche für andere‹ steht in Kontinuität mit früheren Überlegungen Bonhoeffers und zeigt sich als diakonisches Handeln in der gemeindepraktischen Arbeit. Das Fürandere-Dasein im gemeindepädagogischen Kontext ist bei Bonhoeffer durch den Wunsch nach gelebter Authentizität der christlichen Botschaft motiviert. Der Gedanke der Universalität der Kirche steht am Beginn und am Ende von Bonhoeffers Beschäftigung mit der Kirche. In seiner Gemeindearbeit steht dieses Thema zwar nicht unmittelbar im Vordergrund, es lässt sich aber durchaus früh, wie im Referat ›Die katholische Kirche‹ nachweisen. Mit dem Kirchenkampf erhielten die ökumenischen Beziehungen eine neue und umfassende Bedeutung für die Bekennende Kirche, die mit dem erhofften Beitrag der Ökumene bei einer Neuordnung nach dem Krieg noch höher eingeschätzt wurde. Bonhoeffers Wertschätzung ökumenischer Beziehungen bestimmten den Geist in der Theologenausbildung mit, trotz der Gefahr, persönliche Nachteile zu erleiden. Ausgewählte Erkenntnisse der angeführten Dimensionen werden in einem Ausblick im zweiten Teil dieses Kapitels hinsichtlich ihrer gemeindepädagogischen Bedeutung veranschaulicht.

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Einzelne Aspekte aus Bonhoeffers gemeindepädagogischem Wirken sollen nun mit aktuellen Anliegen und Herausforderungen der Gemeindepädagogik zusammengebracht und weitergedacht werden. Dabei gilt es, die zeitliche Differenz von mehr als achtzig Jahren zwischen Bonhoeffers Wirken und der heutigen Zeit nicht zu übersehen. Angesichts völlig unterschiedlicher gesellschaftlicher, politischer, kirchlicher und pädagogischer Rahmenbedingungen sowie der Fülle an gemeindepädagogischen Fragen und Arbeitsfeldern lässt sich kein zufriedenstellender Gesamtvergleich zwischen Bonhoeffers gemeindepädagogischem Wirken unter besonderer Berücksichtigung seiner Ekklesiologie und heutiger gemeindepädagogischer Arbeit erreichen. Zudem kann die vorgenommene Rekonstruktion seines Ansatzes in ihrer Gesamtheit mit den enthaltenen Weiterentwicklungen, Brüchen und angesichts der Quellenlage nur fragmentarisch bleibender Punkte nicht einfach mit einem umfassenden und in sich stimmigen heutigen gemeindepädagogischen Konzept verglichen werden. Die zahlreichen Praxisbeispiele unserer Zeit lassen wiederum keinen Vergleich mit den theologischen Erkenntnissen Bonhoeffers zu, die sein gemeindepädagogisches Wirken begleiteten und bestimmten. Es empfiehlt sich deshalb, über einzelne Themen eine Brücke von Bonhoeffers Zeit in unsere zu schlagen und Bestandteile der in Abschnitt 7.1 aufgezeigten Dimensionen seines gemeindepädagogischen Wirkens ins Gespräch mit heutigen Ansätzen zu bringen. Wie bereits in Kapitel 1 dieser Arbeit erwähnt, clustert Bubmann die Herausforderungen, die sich der Gemeindepädagogik derzeit stellen, und ordnet sie den Bereichen Pädagogik, Subjekte und Lebenswelten, sowie der Professions- und Gemeindetheorie zu.1036 Die Themen des folgenden Teils entstammen jeweils einem oder mehreren dieser Bereiche. Die getroffene Themenauswahl erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit, sondern greift exemplarisch in den aktuellen gemeindepädagogischen Diskurs eingebrachte Aspekte auf, zu denen sich ein Bezug von Bonhoeffers gemeindepädagogischem Wirken herstellen lässt. Evangelische Unterweisung und absichtslose Gemeindepädagogik Wie bereits in Gliederungspunkt 6.3 herausgearbeitet wurde, steht Bonhoeffers gemeindepädagogisches Wirken in großer Nähe zur Evangelischen Unterweisung. Damit liegt die Versuchung nahe, sein Denken und Handeln in diesem Bereich derselben pauschalen Verurteilung zu unterziehen, die andere Vertreter der Evangelischen Unterweisung mit ihren Ansätzen erfahren haben. Selbst Gerhard Büttners Versuch, der Evangelischen Unterweisung heute zu neuen 1036 Vgl. Bubmann (2014), S. 49–58.

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Zugängen zu verhelfen, kommt nicht an deren Schwächen vorbei: Die Ausrichtung am Evangelium habe zu einem häufig autoritär-normativen Unterricht geführt, der mit seinem wenig informativen und diskursiven Charakter als unbeliebt gegolten und sich in die Isolierung gebracht habe. Hinzu kommt der Vorwurf an die Vertreter der Evangelischen Unterweisung, mit der Orientierung an der Dialektischen Theologie zugleich historische und humanwissenschaftliche Forschungsergebnisse sowie die konkreten Lebensbedingungen von Schülern gering zu schätzen.1037 Die auf die Evangelische Unterweisung folgenden religionspädagogischen Ansätze zeigen das Bemühen, sich kritisch von der Evangelischen Unterweisung abzusetzen und diese laut Büttner als eine »glücklicherweise überwundene Epoche«1038 aufzufassen. Inzwischen wird das Bild der Evangelischen Unterweisung allerdings nicht mehr ausschließlich negativ bewertet. Beispielsweise widmet Gerd Theißen in seiner Bibeldidaktik der Evangelischen Unterweisung eine differenzierte Betrachtungsweise, indem er zwar für seine eigene offene Bibeldidaktik plädiert, jedoch das kerygmatische Anliegen würdigt, die Bibel als nicht planbare, aber mögliche Lernchance der Kontaktaufnahme mit Gott und von religiöser Erfahrung zu sehen.1039 Dies ist nach Büttner auch der pragmatischen Perspektive der Postmoderne zu verdanken, die es ermöglicht, erneut einen Blick auf den Gehalt verschiedener Richtungen zu werfen.1040 Gerade aus Bonhoeffers Umgang mit der Bibel im gemeindepädagogischen Kontext, der auch für die Evangelische Unterweisung charakteristisch ist, lassen sich Bezüge zu aktuellen gemeindepädagogischen Tendenzen aufzeigen. Zunächst führt Heiner Süselbeck zu Bonhoeffers Verteidigung an, dass diesem »damals nicht die Zahl der sich heute anbietenden Methoden (z. B. Bibliodrama, Bibliolog, Bibelteilen usw.) für den Umgang mit der Bibel zur Verfügung [stand].« Er stellt darüber hinaus fest: »Trotzdem ist es hilfreich, die von ihm empfohlenen elementaren Schritte für den geistlichen Umgang mit der Bibel zu bedenken.«1041 Süselbeck zielt hier auf Bonhoeffers Praxis des meditativen und zweckungebundenen persönlichen Lesens der Heiligen Schrift. Jedoch gilt es zu berücksichtigen, dass die Schriftmeditation für die Kandidaten des Prediger1037 Vgl. Büttner, Gerhard, Praxisspuren, in: Die Praxis der Evangelischen Unterweisung. Neue Zugänge zu einem »alten« Konzept, hg. von: demselben, Jena 2004b, S. 153 und vgl. Büttner, Gerhard, Die Praxis der Evangelischen Unterweisung. Einleitende Überlegungen zu einem Problemkomplex, in: Die Praxis der Evangelischen Unterweisung. Neue Zugänge zu einem »alten« Konzept, hg. von: demselben, Jena 2004a, S. 5f. 1038 A.a.O., S. 6. 1039 Vgl. Theißen, Gerd, Zur Bibel motivieren. Aufgaben, Inhalte und Methoden einer offenen Bibeldidaktik, Gütersloh 2003, S. 94–115. 1040 Vgl. Büttner (2004a), S. 7. 1041 Süselbeck, Heiner, »Es gehen mir täglich mehr Rätsel auf.« Dietrich Bonhoeffer und die Bibel, in: Deutsches Pfarrerblatt, 7/2004, S. 345.

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seminars als Ergänzung zum Bibelstudium für die Gemeindearbeit gedacht war. Heute wird allerdings immer wieder angestrebt, einer religiösen Alphabetisierung den Vorrang zu geben, da das Wissen über biblische Inhalte nicht mehr als selbstverständlich vorausgesetzt werden kann. Wenn Bernhard Mutschler und Gerhard Hess als eine Perspektive der gegenwärtigen praktizierten Gemeindepädagogik das gegenwartsorientierte Lesen lernen der Bibel fordern, bringen sie damit verschiedene Anliegen Bonhoeffers zusammen. Zu ihrer Forderung gehört die Anleitung zum eigenen Bibelstudium, das nicht nur für die eigene Seele sorgt, sondern auch historische, theologische und hermeneutische Überlegungen umfasst.1042 Die Gegenwartsorientierung in Bonhoeffers gemeindepädagogischem Wirken in Verbindung zu heutigem Denken soll an späterer Stelle noch einmal aufgegriffen und vertieft werden. Die Perspektive eines gegenwartsorientierten Lesen Lernens der Bibel nach Mutschler und Hess bleibt aber im Gegensatz zu Bonhoeffers Schriftmeditation funktional ausgerichtet. Die Frage der Funktionalität stellt Piroth nun nicht nur für einen gemeindepädagogischen Teilbereich, sondern für das Gesamtverständnis von Gemeindepädagogik. In leider nur sehr knappen Ausführungen plädiert sie in Anlehnung an Englerts absichtsloser Religionspädagogik für eine absichtslose Gemeindepädagogik.1043 Damit steht sie in entgegengesetzter Position zum normativen Anspruch der Evangelischen Unterweisung, in der der Mensch in die Entscheidung gerufen werden soll. Aus Nicole Piroths Plädoyer für eine absichtslose Gemeindepädagogik ergeben sich kritische Anfragen an Bonhoeffers Ansatz. So muss beispielsweise gefragt werden, ob das Herbeiführen und Aushalten solcher Entscheidungssituationen die gemeindepädagogischen Akteure nicht auf Dauer in die Überforderung und die Isolation drängt. Hinzu kommt die Anfrage, ob Bonhoeffers Ansatz sich nur für bestimmte Zielgruppen eignet und damit andere potenzielle Adressaten der Gemeindepädagogik aus dem Blick verliert. Kirchliche Modelle von Milieu- und Lebensstilanalysen kommen zum Ergebnis, dass stärker ausgeprägte Dimensionen wie Traditionsbindung, eine Vorliebe für soziale Nähe und das Interesse an komplexen Erlebnissen zu einer wahrscheinlicheren Annahme kirchlicher Angebote führen.1044 Auch wenn 1042 Vgl. Hess, Gerhard/Mutschler, Bernhard, Resümee: Konsequenzen, Kompetenzen und Perspektiven. Zusammenfassende Überlegungen für Studium und Praxis der Gemeindepädagogik, in: Gemeindepädagogik. Grundlagen, Herausforderungen und Handlungsfelder der Gegenwart, hg. von: denselben, Leipzig 2014, S. 246f. 1043 Vgl. Piroth, Nicole, Ambivalenzen und Antinomien gemeindepädagogischen Handelns, in: Gemeindepädagogik, hg. von: Peter Bubmann u. a., Berlin 2012, S. 178f. 1044 Vgl. Schulz, Claudia, Kirchliche und gemeindliche Bildungsarbeit zwischen Milieuorientierung und »Einheitsbildung«, in: Gemeindepädagogik, hg. von: Peter Bubmann u. a., Berlin 2012, S. 236–250.

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Bonhoeffer selbst zu einem vorsichtigen Umgang mit dem Begriff der Kerngemeinde ermahnte1045 und sich vom Gedanken, dass Kirche für andere da sein müsse, leiten ließ, beschränkt sich sein gemeindepädagogisches Wirken vorwiegend auf die oben angeführten Milieu- und Lebensstiltypen. Eine Ausrichtung auf die Vergewisserung und Vertiefung von Glaubensfragen, wie sie bei Bonhoeffer immer wieder zu finden ist, ermöglicht jedoch weniger Erst- und Wiederbegegnungskontakte, sondern erreicht vielmehr diejenigen, bei denen bereits kirchliche Bindungen vorhanden sind. Wenn Gemeindepädagogik als Teil einer ›Kirche für andere‹ ihren Auftrag ernst nimmt, darf sie sich aber nicht nur auf bestimmte Milieus beschränken. Eine milieuoffenere und in diesem Sinne absichtslose Gemeindepädagogik könnte einer solchen Verengung entgegenwirken. Der Begriff einer absichtslosen Gemeinde-pädagogik nach Piroth, wie sie ihn von Rudolf Englerts Verständnis einer absichtslosen Religionspädagogik ableitet, darf allerdings nicht im Sinne einer völligen gemeindepädagogischen Absichts- und Ziellosigkeit verstanden werden. Stattdessen stellt eine solche Gemeindepädagogik »die menschlichen und sozialen Bedingungen bereit, die verstehen lassen, was mit ›Gott‹ gemeint ist. Soweit hier religiöse Entdeckungen gemacht werden, vollziehen sie sich als integrierte Momente eines umfassenderen Begegnungsgeschehens.«1046 Dazu gehören nach Englert und Piroth nicht auf sich selbst gerichtete christliche Gemeinschaften, die bereit sind, sich für diejenigen zu öffnen, die sich nicht durch herkömmliche Formen christlicher Kommunikation ansprechen lassen. Von diesen Gemeinschaften wird die Bereitschaft verlangt, vor Ort präsent zu sein, um an lebensweltlicher Kompetenz im Umgang mit einer ihnen bisher fremden Klientel zu gewinnen. Das verlangt von ihnen, am Leben und Leiden dieser Menschen teilzuhaben und Nähe zuzulassen.1047 Sowohl das Denken Bonhoeffers, auf das Englert explizit verweist, als auch einzelne Aktivitäten Bonhoeffers, wie sie sich beispielsweise mit dem Studentenpfarramt an der Technischen Hochschule, aber auch in der Haftzeit ereigneten, zeugen davon, dass er durchaus Übereinstimmungen mit dem Ansinnen absichtsloser Gemeindepädagogik aufzeigt. Es bleibt wohl der Entwicklung der gesellschaftlichen und kirchenpolitischen Verhältnisse seiner Zeit zuzuschreiben, dass er sich in seinem gemeindepädagogischen Wirken nicht stärker kirchenferneren Milieus zuwandte und sich stattdessen auf Gruppen mit bereits

1045 Vgl. DBW 1, S. 168. 1046 Englert, Rudolf, Gott Raum schaffen. Umrisse einer absichtslosen Religionspädagogik, http://duepublico.uni-duisburg-essen.de/servlets/DerivateServlet/Derivate-21709/englertgott+raum.pdf, S. 2 (letzter Zugriff: 05. 04. 2018). 1047 Vgl. a.a.O., S. 2–6 und vgl. Piroth (2012), S. 178f.

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vorhandenen kirchlichen Bindungen konzentrierte, um diese zur Vergewisserung und Vertiefung von Glaubensfragen anzuleiten. Fragen im Unterricht Beim näheren Blick auf Bonhoeffers gemeindepädagogisches Wirken lässt sich feststellen, dass Fragen in seinem Unterricht eine ganz unterschiedliche Rolle einnehmen. Zum einen stellte Bonhoeffer im Kontext des kirchlichen Unterrichts selbst viele Fragen, die von einer variierenden Erwartungshaltung an seine Zuhörer begleitet sind. Neben eher rhetorisch bleibenden oder auf den Unterrichtsgegenstand einstimmenden Fragen befinden sich in den Ansprachen auch Fragen, die nach den Anforderungen der katechisierenden Methode von Achelis formuliert wurden. Während Bonhoeffer im ersten Fall keine Antwort erwartet haben dürfte, konnten sich die Kinder und Jugendliche im zweiten Fall mit ihren eigenen Ideen und Erfahrungen einbringen. Bei der katechisierenden Methode sind dagegen aufgrund der kunstvollen Frageform die Antworten bereits in der Vorbereitung festgelegt und lassen somit wenig Freiraum zu. Es lässt sich folgern, dass die Anlage des Unterrichts in diesem Fall Einfluss auf die Frage nimmt. Diese Kausalität findet sich genau umgekehrt in Bonhoeffers Donnerstagskreis und in der Berliner Konfirmandenarbeit, wo die eingebrachten Fragen Einfluss auf den Verlauf des Unterrichts nehmen. Besonders aus dem Berliner Konfirmandenunterricht wird ersichtlich, dass diese Art der Unterrichtsgestaltung aus mangelnden Vorbereitungsmöglichkeiten entstand und nicht von pädagogischen Überlegungen gesteuert wurde. Die Distanzierung von der katechisierenden Methode in Finkenwalde legt ebenfalls nahe, dass Bonhoeffer auf einen Mittelweg zwischen beiden Extremen ausgerichtet war. Ihm war daran gelegen, Freiräume für religiöse Fragen auch außerhalb des Unterrichts zu ermöglichen und die Fragen von Kindern und Jugendlichen in die Unterweisung mit hineinzunehmen. Er hatte es in Barcelona selbst als Missstand erlebt, wenn ein Pfarrer ungehalten auf die Fragen und Zweifel seiner Konfirmanden reagierte. Hinzu kommt, dass Bonhoeffer sein Leben lang selbst als Fragender verstanden werden muss. Dies betrifft nicht nur sein eigenes gemeindepädagogisches Wirken, wie der Briefwechsel mit Widmann aus der Grunewalder Kindergottesdienstzeit nahelegt. Bonhoeffer sah sich gerade durch die Herausforderungen seiner Zeit veranlasst, bei den existenziellen Fragen des Glaubens kontinuierlich nach Antworten zu verlangen. Eine der spätesten und bekanntesten Fragen seines Lebens dieser Art beinhaltet der im April 1944 in der Haft entstandene Brief an Bethge: »Was mich unablässig bewegt, ist die Frage, was das Christentum oder auch wer Christus für uns heute eigentlich ist.«1048 1048 DBW 8, S. 402.

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In den beiden Katechismusentwürfen Bonhoeffers werden pädagogische Intentionen mit dogmatischen Fragen zusammengebracht. Aus ekklesiologischer Sicht heraus dienen sie, und das gilt besonders für den Konfirmandenunterrichtsplan, der Reinheit der kirchlichen Lehre und als Bekenntnis. Mit der Verwendung im kirchlichen Unterricht konnte die Tradition an die folgende Generation weitergegeben werden. Während der Konfirmandenunterrichtsplan mit seinem Bekenntnischarakter auf eine stärkere Abgrenzung zur Umwelt und ihren Antworten auf existenzielle Fragen ausgerichtet ist, verfolgt der erste Katechismusentwurf das Anliegen, Inhalte lutherischen Glaubens aktuell zu verdeutlichen. Beiden Katechismusentwürfen ist somit gemeinsam, Glaubensfragen aufzugreifen und mit ihren Antworten in die Gegenwart hineinzusprechen. In den Katechismusentwürfen will Bonhoeffer Antworten auf die existenziellen Fragen seiner Zeit geben. Auch heute werden von jungen Menschen in Schule und Gemeinde bei persönlichen Begegnungen immer wieder Fragen gestellt. Zusätzlich ist das Internet zu einer Form geworden, die auch anonyme Fragen zulässt, sei es in Foren, bei Suchmaschinenanfragen oder mit dem Rückgriff auf bereits vorformulierte FAQ (frequently asked questions). Es besteht nach wie vor die Aufgabe, diese FAQ junger Menschen nach den großen Fragen des Lebens ausfindig zu machen und zu beantworten. Ein besonderes Interesse an diesen Fragen junger Menschen ist derzeit in der Kinder- und Jugendtheologie zu finden. Bonhoeffer lässt sich im Gegensatz zu einigen ihrer Vertreter nur schwer eine Suche nach einer allgemeinen Religion unterstellen, die sich jenseits von Tradition und Dogmatismus bewegen soll. Auf der anderen Seite findet sich bei ihm schon eine wichtige Erkenntnis der gegenwärtigen Pädagogik, die sich darum bemüht: »Kinder nicht mehr als das ›Werdende‹, sondern als das ›Seiende‹ zu betrachten. Nicht das, was sie werden sollen, sondern das, was sie sind. Kinderfragen zeigen an, was Kinder jetzt bewegt und beschäftigt.«1049 Wenn es um Fragen des Glaubens geht, spielen Katechismen in der gegenwärtigen religions- und gemeindepädagogischen Diskussion eine umstrittene Rolle. Neben neuen Zugängen zum Einsatz von bereits vorhandenen Katechismen im Unterricht, wie zum Beispiel Luthers Kleinem Katechismus, gibt es auch Beispiele für die Neuschöpfung von Katechismen aus der Zeit nach Bonhoeffers und Hildebrandts Katechismusentwurf.1050 Abgelehnt werden Katechismen dort, 1049 Schmidt, Heinz, Kinderfrage und Kindertheologie im religionspädagogischen Kontext, in: Theologisieren mit Kindern, hg. von: Gerhard Büttner/ Hartmut Rupp, Stuttgart 2002, S. 16. 1050 Vgl. beispielsweise Schoberth, Ingrid, Religionsunterricht mit Luthers Katechismus, Göttingen 2006. Als aktuelles und erfolgreiches Beispiel eines modernen Katechismus muss der 2011 in der römisch-katholischen Kirche in über 40 Sprachen erschienene und

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wo sie mit methodisch starren Formen von Katechismusunterricht oder der katechisierenden Methode gleichgesetzt werden. Wenn es um die Behandlung von grundlegenden Fragen im Unterricht geht, kann dies im Hinblick auf die vorherigen Beobachtungen zu Bonhoeffers Praxis auch nicht seine Absicht gewesen sein. Meyer-Blanck verweist darauf, dass es selbst Luther beim Kleinen Katechismus nicht um den reinen überlieferten Text gegangen sei, sondern um einen gemeinsam beschrittenen Prozess von Hören, Nachdenken und Antworten. Luther habe zwar die Gewissheit des Glaubens als etwas persönlich zu Erschließendes betrachtet, gleichzeitig habe er eine davon unabhängige objektive Geltung – noch einfacher als es in der Postmoderne der Fall ist – voraussetzen können. Er folgert, dass der Katechismus im Unterricht nur subjektiv erschlossen werden könne. Dabei bedürfe man der großen Glaubenserfahrungen sowie des Bezugs der Christologie und der Trinität, um Klärung und Anregung zu erreichen.1051 Bonhoeffer kann hier als Bindeglied zwischen den aufgezeigten Positionen verstanden werden, in der er nicht mehr von einer selbstverständlichen und allgemeinen Geltung der Tradition ausgeht. Dennoch steht er nicht in Gefahr einer Überbetonung der Subjektivität. Stattdessen gibt er Hilfestellung, wie Glaubensinhalte in Auseinandersetzung mit seiner Zeit zum Ausdruck gebracht werden können. Er leistete damit einen Beitrag zur Sprachfähigkeit des Glaubens. Begleitung von Jungen und jungen Männern Die Ergebnisse des Forschungsprojektes der beiden großen Kirchen von 2008 zur Männerentwicklung in Deutschland weisen für die männliche Bevölkerung im Vergleich zur weiblichen einen Anstieg des religiösen Gesamtpotenzials aus.1052 Eine Gefährdung dieses Potenzials ergibt sich bei der erlebten religiösen Erziehung in der Kindheit, die zur Formung der persönlichen Religiosität beiträgt. Die religiöse Erziehung werde nach der Studie in der Regel maßgeblich von Müttern und Großmüttern bestimmt, die dafür aber zunehmend ausfielen. Die

millionenfach verkaufte Jugendkatechismus YOUCAT erwähnt werden. Ihm folgte 2016 der ebenfalls an Jugendliche gerichtete Sozialkatechismus DOCAT. Vgl. http://www.pfarr briefservice.de/article/docat-was-tun-die-soziallehre-der-kirche (letzter Zugriff: 05. 04. 2018). 1051 Vgl. Meyer-Blanck, Michael, Die Untauglichkeit des Katechesebegriffs und die Chancen des Katechismus aus evangelisch-theologischer Sicht, in: Christliche Katechese unter den Bedingungen der »flüchtigen Moderne«, hg. von: Stefan Altmeyer u. a., Stuttgart 2016, S. 146f. 1052 Vgl. Volz, Rainer, Zulehner, Paul M., Männer in Bewegung. Zehn Jahre Männerentwicklung in Deutschland. Ein Forschungsprojekt der Gemeinschaft der Katholischen Männer Deutschlands und der Männerarbeit der Evangelischen Kirche in Deutschland, hg. vom: Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Baden-Baden 2009, S. 213.

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Studie rät den Kirchen neben der verstärkten Motivation und Qualifizierung von Vätern und Großvätern in der religiösen Erziehung, sich »künftig nicht nur auf die familiale religiöse Erziehung zu verlassen, sondern sich auch über ihr eigenes (haupt- oder ehrenamtliches) Personal und ihre gemeindlichen Netzwerke um die religiöse Formung der nachwachsenden Generation zu kümmern. Sich allein auf die Familien und hier wieder die Frauen zu verlassen, würde vorhersehbar zu einer nachhaltigen Schwächung der sozioreligiösen Dimension der Kultur in Deutschland führen. Insofern könnten die auf der Liste seltener genannten Personen (Priester, Pfarrerinnen und Pfarrer, Religionslehrerinnen und Religionslehrer, Jugendleiterinnen und Jugendleiter […]) künftig eine größere Bedeutung gewinnen.«1053

Mit diesem prognostizierten Bedeutungszuwachs könnte Bonhoeffer als Inspiration für Hauptamtliche in der kirchlichen Erziehung, gerade auch von Jungen und jungen Männern, bereichernd werden. Aus Sicht der heutigen Gemeindepädagogik muss neben dem methodischen Bereich der teilweise unvorsichtige Umgang Bonhoeffers mit eher männlich besetzten Themen wie Militär, Krieg und Kreuzzüge kritisch hinterfragt werden. Dennoch ist nicht von der Hand zu weisen, dass er in der kirchlichen Erziehung beachtliche Erfolge vorzuweisen hatte. Wiederholt umfasste seine Arbeit den Umgang mit Kindern, jungen Menschen und Erwachsenen männlichen Geschlechts. Dies erfolgte aber nicht aus einer erkannten Notwendigkeit heraus, sondern war den vorhandenen Rahmenbedingungen und der gängigen Praxis eines häufig geschlechtergetrennten Unterrichts zu verdanken. Steffen Jung leitet, ausgehend von der in 2. Kön 6, 1–7 geschilderten Begebenheit über Elisa und seine Prophetenschüler, Grundlagen einer gelingenden evangelischen Jungenarbeit ab.1054 Es liegt fern, Bonhoeffer in glorifizierender Weise mit einer biblisch bedeutsamen Figur wie Elisa gleichsetzen zu wollen. Dennoch gibt es nicht von der Hand zu weisende Parallelen zwischen Jungs Erkenntnissen auf der einen Seite und der Person und dem Handeln Bonhoeffers in der kirchlichen Unterweisung auf der anderen Seite. Die Parallelen zeigen, wie die von Jung erarbeiteten Prinzipien in der Gemeindepraxis Gestalt annehmen können. Jung charakterisiert Elisa als eine charismatische Leiterfigur, die bereit zum religionspolitischen Handeln ist, sich als ganze Person einbringt und sich der Gemeinschaft nicht entzieht. Um Elisa findet sich ein Kreis von Schülern, die neben einer theologischen Schulung die Grundlagen religionspolitischen Handelns sowie die Analyse der gegebenen Situation erlernen. Die Schüler sind beauftragt, die Tradition weiterzugeben, diese aber – wenn erforderlich – in kritischer Weise zu transformieren. Aus der 1053 A.a.O., S. 217. 1054 Vgl. Jung, Steffen, Jungen auf dem Weg in die Freiheit begleiten. Eine biblische Provokation zur theologischen und pädagogischen Arbeit mit Jungen, in: Praxis Gemeindepädagogik, 1/2010, S. 14ff.

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Bewältigung der Herausforderungen des gemeinsamen Alltags sollen die jungen Menschen in die individuelle Mündigkeit entlassen werden. Dabei gilt es im vertrauensvollen Verhältnis, empfänglich für deren Nöte zu sein und die Begleitung nicht völlig abbrechen zu lassen. Diese Punkte lassen sich zum großen Teil in Bonhoeffers Umgang mit den Berliner Konfirmanden aufzeigen. Noch deutlicher werden sie in der Finkenwalder Theologenausbildung, in der es zu einer Intensivierung des gemeinsamen Lebens und der kontinuierlichen Auseinandersetzung mit kirchenpolitischen Fragen kommt. Die zahlreichen persönlichen Briefe und Rundbriefe dieser Zeit dokumentieren eindrucksvoll sowohl die mit den ersten gemeindepraktischen Erfahrungen einhergehenden Herausforderungen der (ehemaligen) Kandidaten als auch die Begleitung durch Bonhoeffer und die Mitglieder des Bruderhauses im offenen Austausch. Erneuerung der Gemeinde und Ausrichtung auf den Gottesdienst In Bonhoeffers Katechumenatsentwurf, aber auch schon in anderweitigen und früheren Äußerungen, wird seine Auffassung einer engen Verbindung zwischen Gemeindepädagogik und Gemeindegottesdienst sichtbar. Für ihn steht die Gemeindepädagogik im Dienste des Gemeindegottesdienstes, indem sie zur Teilnahme am Gottesdienst hinführt, diesen aber auch in der sich anschließenden Gemeindearbeit nachbereitet. Bonhoeffers Entscheidung, den Gottesdienst ins Zentrum zu nehmen, ist ekklesiologisch begründet. Aus religionssoziologischer Sicht wird sein Fokus von allen Studien der letzten Jahrzehnte gestützt, nach denen der Gottesdienstbesuch nicht nur »Rückschlüsse […] auf die Grundverbundenheit mit der eigenen kirchlichen Gemeinschaft zu[lässt], sondern auch auf Religiosität wie Religion einer Person.«1055 Ein besonderes Problemfeld der Gemeindepädagogik in Bezug auf den Gottesdienstbesuch stellt in der aktuellen Diskussion der Konfirmandenunterricht dar. Nach Ansicht von Schweitzer u. a., den Herausgebern der Ergebnisse zur zweiten deutschen Konfirmandenstudie, handelt es sich bei der Einführung von Kindern und Jugendlichen in den Gemeindegottesdienst um ein Desiderat der Forschung. Im Vergleich zur ersten Studie ist zwar eine Zunahme der Zufriedenheit der Konfirmanden mit dem erlebten Gottesdienst zu verzeichnen, gleichzeitig begegnen sie diesem nach wie vor mit einer deutlichen Skepsis. Die Autoren resümieren, dass man sich trotz positiver Tendenzen immer noch um die Gottesdiensterfahrungen von Konfirmanden sorgen müsse. Ein besonderes Augenmerk richten sie auf die Einschätzung der Predigt vonseiten der Konfirmanden, die für die Bewertung des gesamten Gottesdienstes nahezu ausschlaggebend sei, sowie das Erlebnis einer Gottesdienstgemeinschaft. Deshalb fordern sie als Handlungsperspektive, der Gottesdienstgemeinschaft innerhalb 1055 Volz (2009), S. 257.

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und außerhalb des Gottesdienstes mehr Aufmerksamkeit zu schenken. Die von den Konfirmanden häufig unterschätzte inhaltliche Relevanz der Predigt sei auch von veränderten medialen Kommunikationsformen beeinflusst, die die Gewöhnung an längere Vorträge nicht mehr gewährleisteten. Damit werde das protestantische Gottesdienstverständnis stark herausgefordert.1056 Karlo Meyer denkt das aufgezeigte Problemfeld unter zukünftigen Gesichtspunkten aber noch weiter : »Es spricht vieles dafür, dass dieses [die Konfirmationserfahrung als Grunderfahrung mit der Kirche] mehr denn je für die Erfahrung mit dem Gottesdienst gilt, den viele heute erst mit der Konfirmandenarbeit erleben. Hier positive und damit weiter tragende Erfahrungen zu schaffen, muss also ein Grundinteresse einer christlichen Gemeinschaft sein, die die stärkende Erfahrung von Gottesdiensten der nächsten Generation nahe bringen will und Wert auf die eigene Spiritualität der Jugendlichen legt […].«1057

Die aufgezeigten Beobachtungen sind mit Sicherheit kein rein aktuelles Phänomen, da in den Studien Aspekte aufgezeigt werden, die Überschneidungen zu Bonhoeffers Wirken erkennen lassen. Bonhoeffer nahm bereits das zerstörte Gemeindeleben wahr und gelangte zu einer negativen Einschätzung der Gottesdienste seiner Zeit. Der von Friedrich Schweitzer u. a. aufgezeigte Lösungsversuch, Konfirmanden mehr jugendgemäße Gottesdienste erleben zu lassen und sie durch eigene Beteiligung zu einer positiveren Einschätzung des Gottesdienstes gelangen zu lassen, ist bei Bonhoeffer nicht nachzuweisen. Seine Reformvorschläge berücksichtigen vielmehr das von Schweitzer u. a. erkannte Bedürfnis der Konfirmanden nach Gemeinschaft im Gottesdienst, das sich nicht unbedingt auf die Gemeinschaft mit Gleichaltrigen reduzieren lässt. Bonhoeffers Katechumenatsentwurf und seine eigenen Bestrebungen lassen erkennen, wie wichtig ihm die Gemeinschaft über den Gottesdienst hinaus für den Wiederaufbau des kirchlichen Lebens ist. Sein Gemeinschaftsverständnis entspringt im Gottesdienst und führt wieder dorthin. Bonhoeffers Ansatz befindet sich in gar nicht so weiter Entfernung von Meyers Vorschlag, mit dem dieser die fehlende Auffassungskapazität von Teenagern für die Botschaft des Gottesdienstes zu überwinden sucht: Während Predigtthemen kaum in Erinnerung blieben, könne sich die Botschaft aber »durch erzählte, diskutierte und erlebte soziale, koinonische Erfahrungen hindurch realisieren. Hier gilt es anzusetzen.«1058 Bei Bonhoeffer finden sich bereits zwei der Wege, die Meyer vorschlägt. Zum einen sind 1056 Vgl. Schweitzer u. a., Friedrich, Konfirmandenarbeit im Wandel – Neue Herausforderungen und Chancen. Perspektiven aus der zweiten bundesweiten Studie, Gütersloh 2015, S. 85–88. 1057 Meyer, Karlo, Gottesdienst in der Konfirmandenarbeit. Eine triangulative Studie, Göttingen 2012, S. 49. 1058 A.a.O., S. 655.

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es die erzählten Erfahrungen der urkirchlichen Gemeinschaft, mit denen er den Gemeinschaftsgedanken im Katechumenatsentwurf zu vermitteln plante, zum anderen sind es die vielfältigen Gemeinschaftsangebote, die er immer wieder für Kinder, Jugendliche und Erwachsene schuf. Weitere Beispiele, wie sich von Bonhoeffers gemeindepädagogischem Wirken unter Berücksichtigung seiner Ekklesiologie Verbindungen zu heutigen Fragen und Herausforderungen der Gemeindepädagogik herstellen lassen, ließen sich noch beliebig ergänzen. Sie bilden aber letztlich nur den Ausblick einer Untersuchung, deren Schwerpunkt darin lag, Bonhoeffers gemeindepädagogisches Wirken – auch im zeitgenössischen Vergleich zu anderen Ansätzen – herauszuarbeiten, wesentliche Elemente seiner Ekklesiologie darzustellen und konkret aufzuzeigen, wie bei ihm beide Bereiche ineinandergreifen.

Abkürzungsverzeichnis

Die in der Arbeit vorliegenden Abkürzungen orientieren sich am Verzeichnis der Abkürzungen in 4RGG. Darüber hinaus werden folgende Abkürzungen verwendet: a.a.O. abtest. CVJM DBW DCSV FAQ ff. KUP KZ Matth. NL A NL B NS NSDAP o. A. Sp. St. test. u. a. YOLO

am angegebenen Ort Abtestat(e) Christlicher Verein Junger Männer Dietrich Bonhoeffer Werke Deutsche Christliche Studentenvereinigung frequently asked questions folgende Seiten Konfirmandenunterrichtsplan Konzentrationslager Matthäus Dietrich Bonhoeffer Nachlass mit Akten- oder Fiche-Nummer A Dietrich Bonhoeffer Nachlass mit Akten- oder Fiche-Nummer B Nationalsozialismus Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei ohne Angabe Spalte Sankt/Saint Testierung(en) und andere(n) you live only once

Literaturverzeichnis

Schriften Dietrich Bonhoeffers Bonhoeffer, Dietrich, Über Lk 19, 1–9, NL A 14, 3, unveröffentlicht. Bonhoeffer, Dietrich, Über Lk 9, 57–62, NL A 15, 3, unveröffentlicht. Bonhoeffer, Dietrich, Ansprache zum 4. Advent, NL A 15, 7, unveröffentlicht. Bonhoeffer, Dietrich, Ansprache über Mt 6, 28, NL A 15, 9, unveröffentlicht. Bonhoeffer, Dietrich, Notizen, NL A 15, 12, unveröffentlicht. Bonhoeffer, Dietrich, Katechetik, Nachschrift von Dr. Heinz Bluhm (?), NL B 12, 6, unveröffentlicht. Bonhoeffer, Dietrich, Jugend und Studium 1918–1927, hg. von: Reinhart Staats u. a., DBW, Bd. 9, München 1986. Bonhoeffer, Dietrich, Gemeinsames Leben. Das Gebetsbuch der Bibel, hg. von: Gerhard Müller/Albrecht Schönherr, DBW, Bd. 5, München 1987. Bonhoeffer, Dietrich, Akt und Sein. Transzendentalphilosophie und Ontologie in der systematischen Theologie, hg. von: Hans-Richard Reuter, DBW, Bd. 2, München 1988. Bonhoeffer, Dietrich, Schöpfung und Fall, hg. von: Martin Rüter/Ilse Tödt, DBW, Bd. 3, München 22002. Bonhoeffer, Dietrich, Ethik, hg. von: Ilse Tödt u. a., DBW, Bd. 6, München 1992a. Bonhoeffer, Dietrich, Brautbriefe Zelle 92, hg. von: Ruth-Alice von Bismarck/Ulrich Kabitz, München 1992b. Bonhoeffer, Dietrich, Fragmente aus Tegel, hg. von: Renate Bethge/Ilse Tödt, DBW, Bd. 7, Gütersloh 1994a. Bonhoeffer, Dietrich, Ökumene, Universität, Pfarramt 1931–1932, hg. von: Eberhard Amelung/Christoph Strohm, DBW, Bd. 11, Gütersloh 1994b. Bonhoeffer, Dietrich, London 1933–1935, hg. von: Hans Godeking/Martin Heimbucher/ Hans-Walter Schleicher, Bd. 13, Gütersloh 1994c. Bonhoeffer, Dietrich, Illegale Theologenausbildung: Finkenwalde 1935–1937, hg. von: Otto Dudzus, DBW, Bd. 14, Gütersloh 1996a. Bonhoeffer, Dietrich, Konspiration und Haft 1940–1945, hg. von: Jørgen Glenthøj/Ulrich Kabitz/Wolf Krötke, DBW, Bd. 16, Gütersloh 1996b. Bonhoeffer, Dietrich, Berlin 1932–1933, hg. von: Carsten Nicolaisen/Ernst-Albert Scharffenorth, DBW, Bd. 12, München 1997.

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Zimmerling, Peter, Bonhoeffer als Praktischer Theologe, Göttingen 2006. Zimmerling, Peter, Bonhoeffers Bedeutung für die aktuelle Praktische Theologie. in: Bonhoeffer und Luther. Zentrale Themen ihrer Theologie, hg. von: Klaus Grünwald u. a., Hannover 2007, S. 203–223. Zimmermann, Wolf-Dieter, Berliner Jahre, in: Begegnungen mit Dietrich Bonhoeffer. Ein Almanach, hg. von: Wolf-Dieter Zimmermann, München 21965, S. 44–53.

Sachregister

Abendmahl 76, 127, 133, 162, 165, 174, 176–179, 185, 187–189, 196, 213–219, 221, 230–233, 265f., 294f., 308 Abendmahlsgang 129, 214–217, 296 Abendmahlsgemeinde: siehe Gemeinde absichtslos 311, 313f. Absolution 174, 188, 229 actus directus 155, 157, 282 actus reflexus 155, 158, 282 allgemeine Pädagogik: siehe Pädagogik ärgern 62, 110, 166 Ärgernis 27, 36, 121f., 165, 170, 242f., 296, 304 Akt 154–159, 222 ›Akt und Sein‹/Habilitation 21, 36, 38, 154–160, 222, 273, 281 Aktivität 14, 20, 33, 48, 57f., 88f., 100, 111, 129, 137, 233–237, 240, 277, 278, 280, 301, 305f., 314 aktualisierte Kirche: siehe Kirche Aktualität/aktuell 17, 30, 32, 34, 92, 97, 107, 117, 119, 159, 182, 194, 221, 235, 304, 309, 311f., 316, 319 Altersgruppe: siehe Gruppe Altes Testament: siehe Bibel Altpreussische Union 170, 199, 217, 254 Amerikareise: siehe Reise Amt 29, 57, 118, 163, 169, 177f., 182–184, 186, 189f., 197, 266 – Predigtamt 152, 158, 162, 204 – Schlüsselamt 188f. Analogie 31, 121, 296

Analyse 35, 77, 82f., 90, 122, 146, 173, 196, 205, 259, 313, 318 Andacht 104f., 109, 115, 130, 138, 232, 302 – Andacht zu Dan 10 105 – Andacht zu Joh 8, 31–32 105 – Andacht zu Lk 4, 3–4 104f. – Andacht zu Lk 4, 5–8 104f. Angst 45, 105, 124 Anknüpfung 28, 30, 33, 35f., 62, 79, 121, 131, 243, 274 Ansprache 61–63, 65–68, 73–76, 82, 84, 87, 100, 105f., 129, 132, 145, 226, 272, 297, 301–303, 315 – Ansprache über das erste Gebot 61, 63f., 75 – Ansprache über den Dekalog 61–64, 75, 251 – Ansprache über Jer 27–28 71f., 75, 91 – Ansprache über Joh 19 71f., 75 – Ansprache über Lk 9, 57–62 68–71, 77f., 95 – Ansprache über Mt 6, 28 61, 66–68 – Ansprache über Mt 21, 28–31 61, 64– 66 – Ansprache zu Ps 24,7 70f. – Ansprache zum 4. Advent 71 – Ansprache zum Totensonntag 72f., 86f. – Ansprache zum Totensonntag über Lk 12, 35ff 55, 59, 65, 70, 234 Anspruch 80, 82, 91, 93, 95, 104, 113, 130, 135, 146, 152, 168, 171, 184, 186, 191,

336 192f., 202f., 210f., 239, 246f., 256, 280, 294, 296, 304, 307–309, 313 Anthropologie 28, 36, 251, 273, 282, 285, 287 Apologetik/Apologie 30, 98, 129, 136, 291, 304 Apostolikum: siehe Bekenntnis Appell 65, 70f., 74, 80, 105, 111, 132, 227, 303 Apriori 205, 208 Arbeit 48, 62, 65, 68, 106, 119, 148, 201, 204, 301 Arbeiterjugend 112, 306 arbeitslos/arbeitssuchend 108, 112, 116, 252 Arbeitsschulmethode: siehe Methode Arierparagraf/Ariergesetzgebung 114, 170f., 184, 257 Arkandisziplin/Arkanum 30, 126, 161, 261f., 294 Armut 108, 110f., 250, 253 Auferstehung 72, 81, 150, 156, 161, 166, 177 Auflehnung 29, 40 Aufmerksamkeit 84, 100, 102, 109, 110 Aufsatz – ›Die Bekennende Kirche und die Ökumene‹ 167, 219 – ›Die Kirche vor der Judenfrage‹ 15, 170f. – ›Krieg und Frieden‹ 199f. – ›Was ist Kirche?‹ 15, 169f. – ›Zur Frage nach der Kirchengemeinschaft‹ 167, 192–197, 219, 223 – ›Zur theologischen Begründung der Weltbundarbeit‹ 167–169 Auftrag 19, 27f., 91, 170, 191, 194, 196, 201, 221, 292, 314 Ausbildung/Theologenausbildung 15– 18, 20, 42, 112, 116–118, 173, 180, 198, 224, 234, 253, 257f., 287, 297, 299, 304, 309f., 319 Ausflug 49f., 59, 70, 73, 88, 103, 111, 115, 234f., 305 Auslandspfarramt: siehe Pfarramt Ausschmückung 65–68, 80, 83, 241, 301

Sachregister

Aussprachezirkel 89 Auswendiglernen 31, 52, 121, 130, 134, 243f., 249, 271, 297, 304 Autorität 29, 32, 49f., 120, 123, 127, 146, 153, 191, 197f., 203, 283 Barmer Theologische Erklärung: siehe Bekenntnis Beeinflussung/Einfluss 15, 23, 26, 35, 37, 39, 45, 50, 53, 54f., 58, 61, 75, 85, 96, 99, 103, 116, 124, 170, 190, 207, 216, 272, 274, 278, 289, 295, 297, 299–301 Beichte 31, 41f., 122, 128, 133, 143, 162f., 179, 188, 204, 229–233, 249, 251, 262, 305, 309 Beichterziehung/Beichtunterweisung 130, 229, 233, 309 Bekehrung 28, 129 Bekennende Kirche 15, 27, 29f., 32, 35, 57, 114, 116–118, 133–136, 167, 180, 190–192, 195–197, 199, 215, 217, 219, 233, 250, 257–259, 287–289, 292, 295, 297, 300, 307, 310 Bekenntnis 27, 29–32, 121f., 127, 129, 130, 134f., 161f., 181f., 184f., 191f., 194–198, 214, 216, 218f., 221, 243, 246– 249, 261f., 266, 271, 283f., 296, 308f., 316 – Apostolikum/Apostolisches Glaubensbekenntnis 30, 34, 78, 107, 133, 144, 217, 248, 257 – Barmer Theologische Erklärung 30, 133, 135, 248 – Bekenntnis des Glaubens 107, 127, 215–219, 249, 256, 296, 308 – Bekenntnis des Konfirmanden 30, 135, 215–219, 296, 308 – Betheler Bekenntnis 114 – Confessio Augustana 197f. – Schuldbekenntnis/Sündenbekenntnis 163, 174, 192, 202, 232 Bekenntnisgemeinde: siehe Gemeinde Bergpredigt 79, 99, 117, 173, 180, 241, 245, 263, 305 Berufung 58, 91, 169, 183, 282

Sachregister

Berufstheorie/Professionstheorie 16f., 21, 311 Besuch/Hausbesuch 61, 110f., 117, 138, 252, 305 Betheler Bekenntnis: siehe Bekenntnis Bibel/Heilige Schrift 25, 27–29, 31, 34f., 56, 64, 66, 80, 110, 113, 118, 121f., 127, 129f., 132, 145–147, 152f., 165, 180, 190, 197, 211, 222, 236, 240, 241–249, 256, 261f., 270, 272, 283, 290, 303f., 306, 309, 312 – Altes Testament 68, 91f., 183, 185, 246, 271f., 303 – Neues Testament 79f., 84, 93, 96, 125, 144, 181, 184f., 187–189, 197f., 211, 223, 242, 245f. Bibelkreis/Bibelstunde 100, 119, 291 Bibellese/Bibelstudium 58, 130, 137–139, 245, 304, 306, 313 Bibelstunde: siehe Bibelkreis Bibeltext 31, 51f., 62, 65–68, 71–74, 77, 80, 82, 86f., 105, 111, 113, 119, 134, 241, 244f., 270, 297, 304, 309 Bibelübersetzung 270, 297 – Luthertext/Lutherübersetzung 30, 34, 121, 243, 297 biblische Geschichte: siehe Geschichte biblisches Wort: siehe Wort Bilderbibel 34, 51f., 68, 241 Bildung 48, 51, 75, 85, 235, 250, 271, 274, 276, 306 Bildungsbürgertum: siehe Bürgertum billige Gnade: siehe Gnade Bindegewalt: siehe Gewalt Bischof 171, 199, 254, 258 Bonhoefferkreis/Studentenkreis 103, 117, 235, 301 Botschaft/Evangelium 33, 35f., 73f., 81, 93, 100, 104f., 107, 122, 143, 156, 158, 162, 168, 170, 179, 181, 188, 190, 193, 196, 199, 203, 218, 220, 242f., 247f., 283, 296, 303f., 312 Brief 20f., 45, 54, 59, 86, 88, 101, 107f., 116, 190, 245, 255, 289, 293, 302, 304f., 319

337 – Finkenwalder Rundbriefe 102, 117, 119, 138, 197, 221, 302, 304, 319 – Gefängnisbriefe 14, 23, 94, 205, 223, 310 Bruch 13f., 16, 31, 65, 123, 148f., 194, 228, 268, 277 Bruder 30, 106, 118, 161–163, 178, 185f., 189, 192, 219, 232, 253, 258 Brüdergemeine/brüderisch 53–56, 301 Bruderhaus 117, 219, 229, 239, 254, 304, 319 brüderisch: siehe Brüdergemeine Bürgertum 47–50, 52f., 79, 106, 142, 301, 303 – Bildungsbürgertum 46, 53, 85, 98, 301 Buße 71, 113, 146, 174, 179, 182, 185, 188f., 192 Christenlehre 16, 26 Christentum 77, 79, 84, 89f., 92f., 95–97, 115, 121, 126, 174, 191, 205, 225, 245, 250, 264, 281 christliche Erziehung: siehe Erziehung christlicher Unterricht: siehe Unterricht Christologie 14, 74, 106, 144, 164–166, 173, 184f., 206, 242, 250, 296, 303, 317 Christus 30, 32, 39, 66–72, 77f., 80, 92f., 95, 104–106, 113, 121f., 130f., 144–148, 150, 154, 156–166, 168, 173f., 176f., 182f., 185–189, 191, 200–205, 221f., 225f., 228, 230–232, 239, 242f., 246, 250, 263–265, 272, 274, 282, 286, 291, 296, 299, 303, 315 Christuspredigt: siehe Predigt Confessio Augustana: siehe Bekenntnis Dankgebet: siehe Gebet Dasein: siehe Sein DCSV/Deutsche Christliche Studentenvereinigung 104f. Dekalog/Zehn Gebote 31, 61–64, 75, 107, 133, 245, 251, 270, 272 Denkschrift 134, 248 deutsch/Deutschland 16, 20, 36, 43, 52, 86, 88f., 94, 99, 101, 103, 112, 114, 116,

338 135, 142f., 166, 172, 182f., 221, 224, 229, 252, 257, 317–319 Deutsche Auslandsgemeinde: siehe Gemeinde Deutsche Christen 133, 135f., 167, 170f., 191f., 195f., 199, 220, 246, 248, 310 Deutsche Christliche Studentenvereinigung: siehe DCSV Deutschland: siehe deutsch Diakonie 17, 203, 234, 251f., 306, 310 Dialektische Theologie: siehe Theologie Didaktik 29, 33–37, 62f., 77, 79f., 82, 108, 126, 132, 134, 230, 256, 300, 302f., 312 Dienstboten/Hausangestellte 46f., 53, 301 Diskussion 84, 101, 112f., 117, 181, 235 Dissertation/›Sanctorum Communio‹ 14, 21, 29, 34, 36, 58f., 76, 113, 129, 147– 154, 156, 158–162, 169, 173, 175, 177, 185, 202, 207f., 211, 213, 215, 217f., 221f., 225, 227f., 230f., 238f., 241, 246, 250, 253, 265, 275f., 289, 294f., 307 Disziplinschwierigkeit/undiszipliniert 39, 108f. DOCAT: siehe Katechismus Dogma 126, 162, 185 Dogmatik 30, 118, 143, 148, 159f., 181, 194, 209, 248f., 252, 256, 261, 270, 281, 304, 316 Donnerstagskreis 14, 71, 83–85, 146, 148, 230, 234, 256, 301, 304 Dozent/Dozentur 14, 34, 102, 104 Ehre 78f., 81, 93f., 104, 237 Einfluss: siehe Beeinflussung Einzelgemeinde: siehe Gemeinde Einzelperson: siehe Personbegriff Ekklesiologie/Kirchenverständnis 14, 16, 18–21, 23f., 30, 43, 58, 74, 129, 141f., 145, 147f., 159, 164, 167, 169, 173, 175, 178, 181f., 184f., 200, 205, 207f., 211– 213, 224f., 227, 231, 241f., 246, 250, 253, 256f., 258, 263, 266, 281f., 299f., 306– 311, 316, 319, 321 Eltern 29, 49, 53, 110, 115, 209, 226f., 260, 269, 284, 290f., 305

Sachregister

Emotion/Gefühl 41, 48, 51f., 62, 65, 72, 91, 98, 102, 106, 123f., 142, 224, 238, 269–273, 281, 301, 306 empirische Kirche: siehe Kirche englisch 20, 38, 110, 142 Entscheidung 41, 45, 69, 83, 92f., 96, 115, 152, 154, 170, 194–197, 199, 214f., 218– 221, 287, 294, 300, 305, 307, 313 Entscheidungspredigt: siehe Predigt ›Entwurf für eine Arbeit‹ 15, 205f., 249, 253f. Erfahrungsreligion: siehe Religion Erkenntnis 30, 38, 104, 121, 154–158, 224, 242, 248, 295 Erlebnis 62, 71, 74, 79, 82, 93, 110, 155, 236–238, 240, 269f., 275, 302, 303, 313, 319 Erlebniskritik 239, 275, 306 erlebnisorientiert 237, 239, 306 Erlebnispädagogik: siehe Pädagogik Erlösung 78, 144f., 151, 203, 205, 256 Erniedrigung 166, 242f. Erotik 124 Erwachsene 20, 47, 60, 116, 135, 218–220, 226f., 282, 291, 302, 305, 318, 321 Erwachsenenarbeit: siehe Gemeindearbeit Erzählung/Geschichte 30f., 34, 39, 51, 61, 64–70, 72–74, 77f., 87, 109f., 121, 241, 243, 252, 269–271, 301, 303, 320f. Erzieher/Lehrer 13–15, 29f., 36, 46f., 51, 53f., 60, 86, 89, 99, 116, 121–123, 143, 183, 219, 226, 231, 243f., 247, 275–277, 280, 282, 286, 290, 292, 305, 318 Erziehung – allgemeine Erziehung 45–48, 50, 53, 111, 117, 278, 282, 285f., 301 – christliche Erziehung/kirchliche Erziehung/religiöse Erziehung 14, 27f., 35f., 45, 49, 51f., 58, 120f., 137, 207– 213, 220, 240, 246, 249, 259f., 267f., 271, 274f., 279f., 282, 291, 295, 299, 301, 307–309, 317f. – Volkserziehung 27, 276 Eschatologie 40, 63, 109–111, 144f., 281f. Ethik 15, 34, 90, 93–99, 141, 154, 170, 184f., 200f., 204, 279, 281, 296

Sachregister

›Ethik‹-Fragmente/›Ethik‹-Manuskript 23, 167f., 200–204, 223, 279, 289 Evangelium: siehe Botschaft evangelisch 16, 18, 25, 53, 105, 147, 156, 170f., 194, 207, 220, 230, 256, 260, 291, 318 Evangelische Unterweisung 34f., 285, 287–289, 299, 311–313 ewiges Leben 70, 153 Examen 33, 46, 51, 59, 73, 80–83, 146, 230, 273 Exegese 76, 82, 118, 125f., 173, 272 Existenz 120f., 155–157, 161, 165, 175, 185, 192, 238, 275, 282 Fahrt/Freizeit 30, 41, 88, 109, 111, 118, 130, 132, 192, 231, 233, 235, 258, 304f. Fakultät 75, 116, 147, 166 Familie 20, 39, 45–58, 62, 74, 86f., 108, 141, 204, 218, 224, 229, 233, 235f., 239, 251, 253, 278f., 282, 301, 318 Fanatismus 203, 221 Fantasie 51, 72, 74, 271, 274 Fantasiereligion: siehe Religion Feindesliebe: siehe Liebe Finkenwalder Rundbriefe: siehe Brief Formalstufe: siehe Stufe Frage 27, 34, 59, 64, 67f., 70, 72, 74, 76f., 80–84, 86, 88, 90, 92, 106f., 109, 111, 117f., 129, 130, 132–134, 156, 169, 184, 191, 201, 205, 213f., 233, 244–246, 249, 257, 264, 283f., 296, 304, 307, 315f. Frage-Antwort-Schema 18, 30, 67, 76–82, 132, 303 Fragment 66, 118, 128, 131, 184, 200, 300, 311 Frau 46, 51, 185, 222, 318 Freiheit 62, 96, 121, 178, 253, 281, 283 Freiwilligkeitskirche: siehe Kirche Freizeit: siehe Fahrt Fremdheit 121f., 242f., 246, 304, 309 Frieden 24, 35, 100, 106, 108, 147, 168, 172f., 199, 218, 256f. Frömmigkeit 53, 55f., 142f., 195f., 301 Fürbitte: siehe Gebet

339 Gabe 88, 127, 152, 157, 177f., 183–185, 206, 210 Gebet 31, 41, 49, 52, 54, 66–68, 73, 79f., 111, 118, 126f., 129, 133, 137, 138f., 164, 190, 219, 224–228, 230–232, 241, 249, 257, 262, 305f., 309 – Dankgebet 226 – Fürbitte 28, 67, 119, 150, 216, 224–228, 231, 250f., 309 – Gebet um Vergebung 67, 81, 226 – Gemeindegebet 126f., 224f., 249, 262, 309 – Vaterunser 31, 52, 81f., 107, 133, 230, 256, 270 Gebot 49, 64, 79, 91, 96, 123, 127, 131– 133, 146, 168–170, 173, 186, 199, 204, 251, 296 Gefängnis/Haft 15, 23, 45, 52, 54f., 200, 205, 223, 289, 315 Gefängnisbriefe: siehe Brief Gefühl: siehe Emotion Gegenwart 32, 77, 89f., 92, 97, 101, 121, 144, 154, 156, 168, 179, 196, 201, 242, 247, 290, 292f., 308, 313, 316 Gehorsam 29, 47, 65, 77, 96, 131, 133, 144, 146, 152, 172f., 175, 185, 191, 195, 198f., 214, 227, 241, 251, 280, 301 Geist 40, 153, 209, 228, 270, 294 – Heiliger Geist 41, 59, 144, 150–152, 154, 157, 161f., 177, 183–186, 196, 200, 212f., 225, 234, 248, 265, 308 – menschlicher Geist 40, 207f., 271 – Objektiver Geist 149, 151, 154 Geistgemeinschaft: siehe Gemeinschaft geistlich 56, 90, 101, 118, 138, 143, 216, 219, 229, 235, 239, 246, 254, 259, 271, 290, 303, 312 Geistlicher/Pfarrer 14f., 32, 34f., 41, 49, 57–59, 85, 104, 110, 117, 135, 162, 170, 180, 198, 206, 250, 253f., 259, 271f., 276, 290, 294, 301, 315 Gemeinde 18, 27, 29f., 32, 35, 40, 93, 109, 113, 118, 125f., 128, 133, 135–138, 150, 152–154, 156–158, 160f., 163, 165, 174– 179, 182f., 185–189, 195–197, 201, 203f., 209–211, 213–215, 218–221, 226,

340 228–233, 238, 240, 242, 249f., 253f., 260, 262, 265f., 271f., 276, 283, 290–296, 302, 307, 309f., 316, 319 – Abendmahlsgemeinde 152, 177, 213f., 220f., 276, 308 – Bekenntnisgemeinde 57, 129, 139 – Deutsche Auslandsgemeinde 116, 288 – Gemeinde in Barcelona 20, 26, 85f., 88f., 92, 97, 99f., 114, 138, 224, 234 – Gemeinde in London 35, 114f., 171, 253, 288 – Einzelgemeinde 151f., 211 – Gemeinde in Berlin – Grunewald 14, 26, 57f., 72, 81, 83, 100, 224, 244 – Zionsgemeinde 34, 108, 112, 235 – Gemeinde in Finkenwalde 119, 304 – Gemeinde in den USA 101 – Gemeinde in Harlem 100, 107 – Kreuzgemeinde 150, 175 – Predigtgemeinde 152, 177, 213f., 220f., 276, 308 – Taufgemeinde 152, 177, 189, 213f., 220f., 276, 308 Gemeindearbeit/gemeindepraktische Arbeit 14, 16, 18–20, 59, 85, 118f., 137, 214, 224, 239, 256, 258, 276, 290, 295, 299, 302f., 305, 309f., 313, 319 – Erwachsenenarbeit 20, 50, 135, 218– 220, 227, 232, 235, 302, 305, 318 – Jugendarbeit 26, 33, 35, 37–41, 43, 84, 89, 113, 115, 135, 214, 224, 233–235, 251f., 291, 301, 306f. – Kinderarbeit 35, 43, 52, 89, 99, 115, 135, 224, 227, 233–235, 252, 301, 306 Gemeindeaufbau/oikodomisch 137, 187, 249, 290, 292f., 300, 306, 310 Gemeindegebet: siehe Gebet Gemeindeglied/Mitglied 16, 90, 99, 115, 125, 137, 144f., 150–152, 157, 162–164, 171, 173, 176–180, 185f., 188f., 202, 210, 212f., 216f., 220f., 223, 225, 228, 250f., 265, 271, 276, 291, 306 Gemeindekern 221 Gemeindekirche: siehe Kirche

Sachregister

Gemeindeleben 127, 229, 261f., 266, 293, 309, 320 Gemeindepädagoge 16–18, 21, 25f., 45 Gemeindepädagogik 13–23, 25f., 42f., 57, 77, 79, 89, 91, 114, 118, 130, 135, 137f., 207, 210, 213f., 216, 218f., 225f., 229, 231, 233–237, 239–241, 245f., 251, 256, 258, 263, 267, 277, 279, 284, 286, 297, 299–307, 309–315, 318f., 321 gemeindepraktische Arbeit: siehe Gemeindearbeit Gemeindetheorie 17, 21, 311 Gemeindezucht: siehe Zucht ›Gemeinsames Leben‹ 15, 21, 37, 40f., 55, 232f., 240, 254 Gemeinschaft 30, 34f., 41, 53f., 59, 79, 100f., 106, 109, 111, 118f., 123, 144, 149f., 152–154, 156f., 161f., 165, 175– 178, 180, 185–189, 204, 206, 208, 216, 222f., 230, 232f., 235–240, 246, 250, 253f., 257, 265f., 276, 282f., 285f., 299, 305–309, 314, 318, 319–321 – Geistgemeinschaft 150, 152, 211f. – Gemeinschaft der Heiligen/sanctorum communio 101, 148, 151–153, 158, 169, 209, 212, 214, 224f., 227, 241, 250, 294, 307 – Gemeinschaft mit der Welt 178, 222 – Kirchengemeinschaft 167, 192–196, 219, 223, 258 – kirchliche Gemeinschaft 40f., 74, 121, 125, 129, 146, 228, 230, 255, 271, 306, 319 – Lebensgemeinschaft 15, 229, 232, 239, 304 – religiöse Gemeinschaft 54, 153, 161, 208f., 238, 276 – Willensgemeinschaft 149, 151 Gemeinschaftskritik 237, 239 Generation 26, 40, 47, 259, 316, 318 Gerechtigkeit 35, 131f., 161, 175, 256 – iustitia aliena 120, 243, 282 Gericht 131, 145, 153, 161, 163, 188, 193, 201f., 211f. Gesangbuch 55, 63, 66, 73, 121, 244, 297 – Kindergesangbuch 63, 73

Sachregister

Geschichte: siehe Erzählung – biblische Geschichte 34, 49, 51, 62f., 65, 69f., 72, 75, 77, 82, 109, 111, 270, 272, 280f., 301 Geschwister 46f., 50, 53, 57, 226, 301 Gesellschaft 26, 32, 34, 37, 47, 51, 70, 83, 90–92, 153, 159, 201, 209, 237, 280f., 311, 314 Gesetz 63, 96, 120, 160f., 170f., 184, 186, 193, 203, 260, 262, 264, 270, 296 Gespräch 30, 39, 59, 70, 72, 88, 98, 103f., 109f., 115, 143, 191f., 195, 205, 229, 234f., 252, 285, 288f., 302 Gestalt 91, 93, 135, 149, 162, 164, 186, 204, 243 – Gestalt Christi 165f., 177f., 201f., 242 – Gestalt der Gemeinde 127, 178, 214, 220, 240, 265 – Gestalt der Kirche 19, 145, 148, 159f., 182, 212, 293 getauft 27, 114, 134, 176, 178, 189, 193, 213f., 220, 260, 262, 290, 292, 307, 309 Gewalt 69f., 164, 197, 202, 249 – Bindegewalt 188 – Schlüsselgewalt 125, 187f., 211, 223 gewaltlos/pazifistisch 34, 74, 106, 116 Gewissen 81, 131, 228–230, 260, 275 Glaube 13–15, 24, 33–36, 40f., 54, 78, 93, 107f., 131, 133f., 146f., 154–158, 160f., 163, 176f., 183–185, 196f., 200, 202– 204, 206, 210–213, 217–223, 231, 244, 247f., 250, 260, 265, 280–284, 290, 292, 304, 307f., 316f. Gnade 78, 97, 120f., 146, 174f., 179, 185f., 188, 196, 210f., 218, 264, 283, 307 – billige Gnade 40, 174f., 179, 264 – Taufgnade 211, 218f., 247, 296 – teure Gnade 40f., 174, 179, 263f. Gott 28f., 34–36, 40, 61–67, 70, 72f., 78– 80, 84, 90f., 93–97, 101–105, 107, 111, 113, 120–122, 129–132, 144, 146f., 149– 152, 155–157, 159–161, 163–166, 168– 171, 173, 175f., 179, 182, 184–186, 188, 193, 196–209, 211f., 214, 216, 218, 221f., 226–232, 237f., 242–244, 247, 250–252, 256, 264, 269, 273f., 283, 307, 312, 314

341 – Wort Gottes: siehe Wort Gottesdienst 30, 49, 57f., 100, 108, 119, 126–128, 138, 142, 152, 161, 178, 187, 189, 212, 214, 220, 232, 255, 262, 265f., 294, 297, 305, 308, 319f. Gottesherrschaft 120f., 144, 151f., 211f., 214, 294, 307f. Gottesreich/Himmelreich 70f., 80, 87, 97, 107, 144f., 151, 153f., 163, 172, 178, 221, 266 Grenze 13, 16, 27, 29, 79, 122, 127, 147, 158, 163–165, 170, 172, 184, 193–198, 205, 210, 225, 255, 258, 261, 264, 273, 276, 280 Großer Katechismus: siehe Katechismus Gruppe 30, 58, 60, 114, 130, 136, 163, 171, 175, 195, 213f., 233, 236, 244, 278, 280, 285, 304f., 314 – Altersgruppe 17f., 42, 85, 138, 289, 292f., 305 – Zielgruppe 17, 85, 313 Gutachten – Gutachten über Irrlehre in der Bekennenden Kirche 197–199 – ›Theologisches Gutachten: Staat und Kirche‹ 167 Habilitation: siehe ›Akt und Sein‹ Haft: siehe Gefängnis Handlungsfeld 16f., 239 Hausangestellte: siehe Dienstboten Hausbesuch: siehe Besuch Hausunterricht: siehe Unterricht Heer 69, 76f., 82, 95 Heidelberger Katechismus: siehe Katechismus Heidenmission: siehe Mission Heil 57, 84, 107, 146, 176, 179, 189, 193– 197, 201, 214 Heilige Schrift: siehe Bibel Heiliger Geist: siehe Geist Heiligung 113, 179, 263, 283, 290 Heilsgeschichte 62f. Heilsgewissheit 84, 146 Held 27, 69, 133

342 Herausforderung 16f., 22, 41, 109, 136, 138, 168, 205, 311, 319, 321 Hermeneutik 242f., 309, 313 Herrschaftsverband 153, 209 Himmel 71, 99, 185, 252 Himmelreich: siehe Gottesreich Hinrichtung 15, 254 Hitlerjugend 112 Hochschule/Universität 14, 51, 102–106, 116f., 137, 174, 234, 302, 314 Hoffnung 16, 55, 89, 99, 109f., 154, 199, 244, 272, 279 Homiletik 18, 20, 25, 28, 118, 137, 268, 294 Ideal 49f., 61, 121, 143, 161, 163, 179, 214, 224, 229, 239, 262, 280–283, 285f. Idealismus 36, 41, 120, 155, 184, 237, 247, 307 Ideologie 37, 136, 170, 199, 222, 257, 284 illegal 116, 118, 180, 210, 223, 232, 258 Indienreise: siehe Reise Individualismus 150, 156, 236, 285, 305 Individualität 282, 285, 305 Irrlehre/Irrlehrer 134f., 178, 182, 193– 195, 197f., 248 Italienisches Tagebuch: siehe Tagebuch Italienreise: siehe Reise iustitia aliena: siehe Gerechtigkeit Jesus 93, 244 Jude 15, 38, 80, 83, 112, 170f., 187 Jugend/Jugendlicher 20, 28, 33–35, 37, 39–43, 46–48, 54, 61, 78–80, 83, 89, 102, 112–115, 120, 122–124, 129, 138, 211, 216, 218, 233, 240, 251, 256, 273–275, 278, 285–287, 291, 295–297, 304f., 307, 315, 317, 319, 320f. Jugendarbeit: siehe Gemeindearbeit Jugendbewegung 39, 85, 94, 103, 224, 236, 238, 278, 286, 299 – Wandervogel 85, 236 Jugendkonferenz 168, 222, 241 Jugendlicher : siehe Jugend Jugendsekretär 14, 33, 35, 166 Jugendstube 26, 34, 112, 252, 306

Sachregister

Kampf 69, 91, 97, 106, 111, 131, 153, 194, 201, 211, 216–219, 221, 223, 260 Kandidat/Seminarist 31f., 85, 100, 117f., 121, 126, 129–131, 133, 135, 137, 174, 180f., 192f., 221, 231, 253, 257f., 263, 304, 306, 310, 312, 319 Katechese 15, 18, 25, 30, 68, 82f., 105, 110, 118, 130–132, 134, 226, 303 – Examenskatechese 33, 73, 76, 81f., 230, 273 – Katechese über die ›Ehre‹ 78–80 – Katechese über Lk 9, 57–62 76–78, 272 – Katechese über Mt 8, 5–13 80f. – Katechetischer Entwurf über den zweiten Glaubensartikel 78 Katechet 25, 28f. Katechetik 16, 18, 21, 25–28, 32f., 35–37, 42, 61, 64, 66, 68, 75–78, 82, 108, 118f., 130f., 267, 272f., 287–289, 296, 299f., 303f. Katechetisches Seminar : siehe Seminar katechisierende Methode: siehe Methode Katechismus 121, 134f., 244, 247f., 271, 280, 284, 297 – DOCAT 317 – Heidelberger Katechismus 31, 134 – Katechismus von Lukas Christ 132– 134 – Luthers Katechismen 31 – Großer Katechismus 229 – Kleiner Katechismus 81f., 133, 230, 316f. – YOUCAT 317 Katechismusentwurf 15, 18, 20, 288, 304, 316 – ›Glaubst du, so hast du‹ 26f., 30, 33f., 106–108, 133f., 218, 230, 244f., 248, 257, 284, 316 – Konfirmandenunterrichtsplan/KUP 31f., 34, 107, 132–135, 218, 232, 245, 248, 257, 284, 304f., 316 Katechismusunterricht 109, 135, 247f., 304, 317 Katechumenat 16, 27, 29, 32f., 124–127, 233, 249, 259, 261–264, 266f., 292–294, 309

Sachregister

Katechumenatsentwurf 37, 119, 124–128, 211, 220, 232, 240, 259, 261–266, 305, 319–321 Katechumenatsstufe: siehe Stufe Katechumene 127f., 261f., 264–266 Katholizismus 84, 105, 142f., 146f., 166, 182f., 229f., 256f., 316 Kind 20, 27–30, 33–35, 37, 39f., 45–55, 57, 59f., 61–67, 70–78, 80–83, 85–88, 91, 93, 99, 101, 105, 115, 120–124, 129, 148, 202, 209–215, 224, 226f., 229f., 233f., 236f., 240, 243f., 247, 252, 260, 268–271, 273–275, 277–287, 290f., 295–297, 301, 303–308, 315, 318f., 321 Kinderarbeit: siehe Gemeindearbeit Kindergesangbuch: siehe Gesangbuch Kindergottesdienst/Sonntagsschule 14, 17, 26, 57–59, 61, 67–69, 72f., 77, 81, 83– 88, 98–101, 105f., 108, 115, 119, 128, 138, 145, 148, 224, 226, 230, 234, 241, 251f., 272, 290, 293, 297, 303 Kindertaufe: siehe Taufe Kindheit 39, 48, 56, 58, 61, 80, 123, 285f., 317 Kirche 14–16, 19, 27, 29, 34f., 37, 40–43, 51, 74, 94, 97, 104–107, 113f., 118, 120f., 125–129, 134–136, 138, 142–154, 156– 188, 190–192, 195–214, 216–218, 220, 222–225, 227–229, 231, 238–240, 242– 244, 246–248, 250, 252–259, 264, 267, 269, 275–277, 282, 289–291, 293–295, 303, 306f., 309f., 316–318 – aktualisierte Kirche 150f., 161f., 176, 212, 225, 308 – empirische Kirche 145, 148, 151–153, 159f., 163, 169, 209, 212, 221f. – Freiwilligkeitskirche 151, 210 – Gemeindekirche 290f., 295 – ›Kirche für andere‹ 206, 223, 250f., 253, 310, 314 – Landeskirche 143, 170, 217 – Missionskirche 210 – Pastorenkirche 290f., 295 – realisierte Kirche 150f., 161, 225 – Schwesterkirche 84, 141, 147, 190, 256

343 – sichtbare Kirche 30, 145f., 151, 157, 175, 183f., 187, 196, 263, 265, 283 – unsichtbare Kirche 145, 160 – Volkskirche 27, 129, 151 – wesentliche Kirche 144f., 151f., 212, 221 Kirchenausschuss 89, 192, 196–199 Kirchenbegriff 114, 142, 144f., 148, 149, 156, 170, 193, 195, 208, 230, 246 kirchendistanziert 49, 105, 235 kirchenfeindlich 95, 260 Kirchengemeinschaft: siehe Gemeinschaft Kirchengeschichte 20, 56, 125, 132, 280 Kirchenkampf 27, 32, 42, 57, 116, 135f., 166, 167, 172f., 180, 190, 199, 211, 217, 219, 222, 249, 257, 259, 307f., 310 kirchenpolitisch 15, 19, 26f., 32, 113f., 117, 170f., 190, 223, 235, 314, 319 Kirchenspaltung 182, 194 Kirchenverständnis: siehe Ekklesiologie Kirchenzucht: siehe Zucht Kirchesein: siehe Sein kirchliche Erziehung: siehe Erziehung kirchliche Gemeinschaft: siehe Gemeinschaft Kleiner Katechismus: siehe Katechismus Kollektivperson: siehe Personbegriff Kommunist 112, 252 Konfession 13, 112, 147, 182, 195, 256, 275, 306 Konfirmand 34–36, 38, 50, 83, 88, 107, 109–112, 115, 129f., 135, 210, 215–219, 233, 235, 244, 249, 251f., 271f., 276, 284, 286, 290, 296, 302, 306, 319f. Konfirmandenarbeit/Konfirmandenklasse/Konfirmandenstunde/Konfirmandenunterricht 14f., 17, 26f., 30f., 33, 39, 57f., 85, 88, 100, 107–111, 115f., 128–130, 134f., 210, 215, 218f., 230, 233, 235, 244f., 249, 251, 271, 276, 286, 290f., 293, 297, 302, 305f., 309, 315, 320 Konfirmandenunterrichtsplan: siehe Katechismus Konfirmation 30, 49, 57, 71, 111, 126– 129, 134, 146, 213–219, 293, 295f., 308, 310, 320

344 Konfirmationsalter 129, 295 Konfirmationspredigt 111, 216–218 Konfirmationszucht: siehe Zucht Konspiration/Widerstand 38, 167, 205, 253, 261, 287f. Konzil 24, 153, 162, 171, 173 Kreuz 32, 34, 41, 63, 78, 94, 105, 131, 150, 160f., 163, 165f., 174f., 186, 199, 232, 263–265 Kreuzgemeinde: siehe Gemeinde Krieg 27, 70, 79, 94, 98, 100, 106f., 133, 172, 199, 217, 257, 259, 318 – Weltkrieg 199 – Erster Weltkrieg 39, 51, 58, 76, 85, 87, 97, 136 – Zweiter Weltkrieg 23, 32, 34, 38, 40, 112, 256, 310 Krippenspiel 88, 115, 234, 236 Krise 28f., 52, 90, 97, 116, 123, 191 Kultur 46, 48, 83f., 100, 146, 184, 234, 268, 271, 274–276, 318 Kultus 117, 162 KUP: siehe Katechismusentwurf Landeskirche: siehe Kirche Last 72, 91, 103, 225, 265 Lebensgemeinschaft: siehe Gemeinschaft Lebensphilosophie: siehe Philosophie Lebenswelt/Lebenswirklichkeit 28, 47, 51, 62–64, 67, 74, 78f., 105, 226, 303, 311 Lehrbarkeit 120f., 267–270, 274, 277 Lehre 39, 62, 68, 75, 77, 117, 119, 122, 133, 135, 153, 155, 158, 160, 162f., 174–177, 182f., 186, 189, 191, 194–196, 198, 203, 209f, 215, 242f., 248, 258, 264, 267, 270, 281, 283, 290f., 307, 310, 316 Lehrer: siehe Erzieher Lehrplan 117, 271, 292 Lehrzucht: siehe Zucht Leib 152, 165, 176–178, 180, 184–189, 213, 225, 233, 265f. Leiden 32, 41, 87, 91, 104f., 133, 146, 154, 161, 175–177, 187, 217f., 223, 240, 259, 264f., 314 Lernen 13, 34, 60, 72, 109, 113, 118, 130, 226f., 231, 236f., 240, 244–246, 251, 253,

Sachregister

258, 277, 280f., 284, 296, 304, 309, 313, 318 Lernort 17f. Liberale Religionspädagogik: siehe Religionspädagogik Liebe 35, 41, 45, 60f., 63, 93, 107, 121f., 132, 144, 146, 149–151, 157, 175, 178, 185f., 196, 201, 227, 239, 251f., 275, 283 – Feindesliebe 79 – Nächstenliebe 252, 306 Lied 31, 51f., 55f., 62f., 65f., 68, 73, 80, 130, 249, 291, 297 Liturgie 101, 125f., 142, 291, 294 Liturgik 18, 25, 118, 143 Losungen 55f. lutherisch 31, 34, 106–108, 133, 183, 193, 195, 197f., 248, 284, 316 Luthertext: siehe Bibelübersetzung Macht/Vollmacht 46, 80, 93, 123f., 146, 168, 171f., 202, 228 Machtergreifung 112, 167, 170 Mandat 201, 204 Märchen 243, 270f. Meditation/Schriftmeditation 78f., 81, 118f., 230, 306, 312f. Mensch 28f., 34, 36, 38, 40–42, 45, 56, 62, 70, 73, 79, 87, 91–94, 96f., 104, 106, 113, 120–124, 131f., 137, 146, 149f., 155– 157, 160f., 165, 174–177, 185f., 201– 203, 205f., 211, 214, 219f., 222, 226, 228–230, 232f., 238f., 243, 246, 250, 264, 269, 273–277, 281–283, 286, 290, 294, 302, 304f., 307, 313 menschlicher Geist: siehe Geist Menschsein: siehe Sein Menschwerdung 166, 177, 186, 242 Methode/Methodik 20f., 27, 31, 34, 36f., 61, 64, 67, 73, 75, 80, 82, 101, 122, 131, 148, 236f., 243, 270, 280, 296, 300, 302– 304, 312, 317f. – Arbeitsschulmethode 30, 121, 278, 296 – katechisierende Methode 76f., 303, 315, 317 Mission 53, 136, 289f.

Sachregister

– Heidenmission 137 – Volksmission 119, 136–138, 213f., 219–221, 305f., 308 missionierender Unterricht: siehe Unterricht Missionskirche: siehe Kirche Mitglied: siehe Gemeindeglied Mitschrift 119f., 124–128, 130, 159, 162– 164, 181f., 187, 210, 231, 243, 247f., 259–262, 268, 274 Mönchtum 173f. Moralisierung 65, 68, 70, 74, 237, 272, 302 Mündigkeit 210, 214, 219, 227, 277, 290f., 294f., 319 Musik 18, 48, 52, 114f., 234f., 301 ›Nachfolge‹ 15, 21, 37, 40, 173–179, 180, 187, 200, 217, 220, 245, 250, 253, 263– 265, 299, 309 Nachfolge 32, 36, 40f., 68f., 77, 101, 105, 120f., 173–177, 186f., 222f., 240, 253, 263–266, 272, 282f., 296, 305 Nachkriegszeit 25 Nächstenliebe: siehe Liebe Nationalsozialismus 15, 27–29, 36f., 56, 74, 102, 109, 170, 178, 182, 222, 260, 274–276, 287, 292, 310 Nazi 40, 252 Neues Testament: siehe Bibel Neuordnung 256, 259, 261, 310 Not 55, 89, 97, 112, 118, 143, 159, 180, 186, 226, 228, 255, 260, 263f. NSDAP 102, 136, 170 NS-Diktatur/NS-Regime/NS-Staat 27, 74, 202, 248, 253, 260f., 303 Objektiver Geist: siehe Geist Obrigkeit 133, 197, 201, 204 Ökumene 14, 16, 35, 84, 108, 147, 166– 168, 172f., 182, 190–192, 194f., 200, 219, 222, 254–259, 288, 306, 310 Offenbarung 64, 93, 146, 148–150, 154– 156, 158–160, 163f., 168, 176, 189, 196f., 200, 204, 207f., 212, 237, 275, 296, 306 oikodomisch: siehe Gemeindeaufbau Ontologie 154f., 157f.

345 Opfer 34, 106, 161, 199, 227f., 251 Ordnung 96, 101, 121, 123, 126, 131, 166, 168, 170f., 177f., 185–187, 189, 198, 201–203, 266, 292f. Ort 56, 67, 94, 117, 156, 159f., 163–165, 169, 174, 176, 193f., 196, 200–202, 263, 266, 270 Orthodoxie 195, 282 Pädagoge 267 – Reformpädagoge 236, 278f., 284, 286, 299 Pädagogik 17, 25f., 28, 51, 66, 73, 123, 179, 189, 236f., 243, 273f., 277–279, 281, 284f., 287f., 291, 299, 304, 311, 315f. – allgemeine Pädagogik 22, 267 – Erlebnispädagogik 236f. – Reformpädagogik 36, 268, 277–279, 281, 284–286, 297 Parole 69, 77f., 82, 95 Pastoraltheologie: siehe Theologie Pastorenkirche: siehe Kirche pazifistisch: siehe gewaltlos Personbegriff 149 – Einzelperson 149, 153, 202 – Kollektivperson 149f., 153f., 202 Pfadfinder 57 Pfarramt 32, 114, 271, 292 – Auslandspfarramt 114, 171 – Studentenpfarramt 103f., 137, 314 Pfarrer: siehe Geistlicher Pflicht/Verpflichtung 32, 39, 47, 50f., 59, 62f., 83, 104, 109–111, 126, 171, 212, 215, 237, 250f., 260, 301 Phase 13–15, 20, 23, 29, 43, 48, 58, 122, 167, 268, 277, 284–286, 299, 304 Philosophie 79, 85, 93f., 154f., 159, 207, 236, 278, 288 – Lebensphilosophie 279 – Religionsphilosophie 209 – Sozialphilosophie 148f., 158 – Transzendentalphilosophie 154f., 157f. Poimenik/Seelsorge 17f., 25, 28, 33, 118, 235, 268 politisch 27, 34, 107f., 113f., 116f., 136, 170f., 184, 190, 219, 252, 260f.

346 Postmoderne 40, 312, 317 Praktische Theologie: siehe Theologie Praktisch-Theologisches Seminar : siehe Seminar Predigt 20f., 58, 64, 68, 70, 74, 82, 99, 100f., 104, 107, 109f., 111, 114, 118, 122, 129, 133f., 137, 145, 152f., 157f., 162f., 174, 176f., 179, 188f., 198, 204, 212, 217, 220–222, 227f., 231, 233, 237, 241f., 245f., 248, 265, 291f., 294f., 297, 302, 308, 319f. – Christuspredigt 165, 203 – Entscheidungspredigt 220, 308 Prediger 117, 152, 158, 177 Predigerseminar : siehe Seminar Predigtamt: siehe Amt Predigtgemeinde: siehe Gemeinde Predigtwort: siehe Wort Priestertum 138, 162, 183 Privatdozent 14, 102, 104 Professionstheorie: siehe Berufstheorie Propaganda 27 Prophet/Prophetentum 71, 89, 90–92, 318 Protest 113, 121f., 170, 219, 243, 247 Protestantismus 98, 134, 143, 146, 164, 229, 252, 268, 281, 309, 320 Psychiatrie 46, 124 psychisch 28, 155, 239 Psychoanalyse 124 Psychologie 28, 33, 37, 92f., 122–124, 237, 270, 272–274, 285, 287, 305 Rasse 27, 133, 257, 279 Raum 176–178, 184–187, 191, 200–203, 263 realisierte Kirche: siehe Kirche Recht 27, 30, 106, 113, 126f., 143, 151, 171, 182f., 202f., 260, 268, 275 Rechtfertigung 28, 120, 179, 196, 202, 283 Referat 84 – ›Die katholische Kirche‹ 84, 143, 145– 147, 230, 256, 259, 310 – ›Kirche und Eschatologie‹ 144f., 153f. – Gemeindeaufbau und Gemeindezucht im Neuen Testament 187–190

Sachregister

Reflexion 123f., 157f., 282 Reform 129, 259, 278, 280, 309, 320 Reformation 80, 128, 143, 249 reformatorisch 30, 170, 193 reformiert 31, 114, 183, 193, 195, 197, 199 Reformpädagoge: siehe Pädagoge Reformpädagogik: siehe Pädagogik Reichskirche 27, 35, 116, 147, 171, 180, 190f., 195, 199, 222, 288 Reise 49, 88, 202 – Amerikareise 81, 288 – Indienreise 106, 116 – Italienreise/Romreise 141–144, 229, 254, 256, 309 – Schwedenreise 258 Religion 41, 92–94, 97, 105, 120, 207f., 246, 256, 268–270, 274–276, 279f., 316, 319 – Erfahrungsreligion 269, 274 – Fantasiereligion 269 Religionskritik 13, 205, 274 Religionspädagoge 33, 37, 42, 279 Religionspädagogik 16–18, 22, 25, 33–35, 37, 79, 267f., 285, 312–314, 316 – Liberale Religionspädagogik 267f., 272f., 277, 297 Religionsphilosophie: siehe Philosophie Religionssoziologie: siehe Soziologie Religionsunterricht 16f., 25, 51, 79, 85, 88f., 101, 115, 127f., 143, 237, 241, 259f., 271, 276, 280, 290–292, 304 religiös 51, 55, 61, 89f., 122f., 153, 205, 208, 229, 235, 238, 260, 269, 271, 274f., 279, 283, 312–315, 317f. – religiöse Erziehung: siehe Erziehung – religiöse Gemeinschaft: siehe Gemeinschaft Religiosität 28, 273–275, 281, 317, 319 Rezeption 24, 26, 126, 259, 261, 309 Romreise: siehe Reise Ruf 41, 93, 96, 121, 171, 173, 175f., 180, 189, 192–195, 199 Sakrament 31, 84, 125f., 128, 145f., 152, 158, 162, 164f., 174, 176–178, 187, 193,

Sachregister

210, 212f., 230, 232f., 262, 264–266, 295, 299 Säkularisierung 32, 92, 173, 250, 254 Sammelvikariat: siehe Vikar ›Sanctorum Communio‹: siehe Dissertation sanctorum communio: siehe Gemeinschaft Säugling 209, 269 Schlüsselamt: siehe Amt Schlüsselgewalt: siehe Gewalt Schöpfung 62, 73, 87, 107, 207, 273, 284 ›Schöpfung und Fall‹ 222, 273, 285 Schriftmediation: siehe Meditation Schuld 67, 81, 94, 150f., 154, 192, 202, 205, 226, 228, 230 Schuldbekenntnis: siehe Bekenntnis Schule 14, 17, 20, 46–48, 50, 52f., 62, 64f., 67, 71, 74, 79f., 82, 85f., 88f., 101, 260, 267, 269, 271, 278–280, 282, 284, 292f., 316 Schwedenreise: siehe Reise Schwesterkirche: siehe Kirche Seele 71, 81, 118, 124, 237f., 270, 313 Seelsorge: siehe Poimenik seelsorgerlich 24, 34, 50, 99, 116, 119, 234, 252, 273, 305 Segen 55, 216, 232 Sein 120, 131, 149, 154–157, 159f., 165, 201, 206, 242, 250 – Dasein 156, 206, 250–252, 310 – Kirchesein 147, 225, 257 – Menschsein 243, 282, 286 Seminar/Seminary – Katechetisches Seminar/Praktisch-Theologisches Seminar 33, 61, 64, 66, 68, 75f., 78, 82, 145, 148, 216, 272, 299, 303 – Predigerseminar 116 – Predigerseminar in Blöstau 27 – Predigerseminar in Brandenburg 32 – Predigerseminar in Zingst/Finkenwalde 15, 37, 42, 85, 117f., 130– 132, 136f., 167, 181, 219, 229, 231f., 234, 253f., 257f., 277, 288f., 302, 304, 310, 312f.

347 – Union Theological Seminary 100f., 103 Seminarist: siehe Kandidat Seminary : siehe Seminar sexuell 97f. sichtbare Kirche: siehe Kirche Skandalon 31, 36, 122, 243, 247, 296, 304 Sonntagsschule: siehe Kindergottesdienst sozial 29, 46, 53, 104, 108, 112, 116, 123, 150, 157, 171, 173, 208, 223f., 228, 234– 236, 252, 268, 300, 305f., 313f., 320 Sozialphilosophie: siehe Philosophie Soziologie 148f., 152f., 158, 177, 208, 212f., 276, 308 – Religionssoziologie 209, 319 Spanisches Tagebuch: siehe Tagebuch Spiel 51, 57, 59, 65, 77, 110, 233, 235 Spiritualität 25, 32, 320 Staat 16, 27, 29, 126f., 143, 163–166, 171, 184, 199, 202, 260f., 268, 276f., 295 – NS-Staat: siehe NS-Diktatur status confessionis 182, 198f. Stellvertretung 40, 150, 161, 163, 177, 204, 225f., 228, 265 Struktur 19, 31, 67, 135, 148, 152f., 162, 165, 177, 183, 186, 204, 209, 212f., 220, 227, 233f., 276, 291, 293, 296, 305, 308 Student 53, 101–105, 110f., 116f., 231, 235, 252, 254, 257, 301f., 306 Studentenkreis: siehe Bonhoefferkreis Studentenpfarramt: siehe Pfarramt Studium 14, 26, 36, 51, 53, 55, 58f., 64, 100, 144f., 148, 303 Stufe 29–31, 122, 125–127, 160, 240, 247, 249, 261f., 264–266, 270 – Formalstufe 31, 121, 247, 296, 304 – Katechumenatsstufe 126, 232f., 265, 293 – Stufenmodell 122, 304 – ›Theologische Stufen‹ 31, 130, 247 Sünde/Sünder 60, 78, 94, 113, 146, 148f., 151, 157, 160, 163, 165f., 168, 174, 179, 187–189, 192, 218, 226, 228, 230, 232, 242, 264, 280, 283 Sündenbekenntnis: siehe Bekenntnis Sündenfall 149, 222, 228, 273

348 Sündenvergebung 109, 145, 150, 158, 162, 168, 177, 187f., 225–232, 250f. Sünder : siehe Sünde Synagoge 187 Synode 153, 192, 195, 197f., 260 Systematische Theologie: siehe Theologie Tagebuch – ›Italienisches Tagebuch‹ 142f., 229f. – ›Spanisches Tagebuch‹ 87f., 224, 227 Taufe 27f., 36, 113, 120, 126–130, 133, 137, 174, 176–179, 182, 187f., 192f., 210–215, 219f., 230, 233, 243f., 251, 259, 261f., 265, 275, 282, 308 – Kindertaufe 27, 49, 126f., 209–213, 215, 262, 282, 290, 295, 307f. Taufgemeinde: siehe Gemeinde Taufgnade: siehe Gnade teure Gnade: siehe Gnade Textkritik 80f. Theater 48, 52 Theologe 13, 33, 40, 117f., 134, 158f., 162, 207, 225, 237 Theologenausbildung: siehe Ausbildung Theologie 13, 23–25, 29, 32, 35, 38f., 42f., 85, 93, 119, 155, 158–160, 162, 166–168, 173, 194, 199, 224, 229, 231, 250, 258, 276, 278, 280, 285, 288, 300, 305f., 309 – Dialektische Theologie/Wort-GottesTheologie 28, 31, 33, 35, 37, 96, 223, 237 f. , 241, 287, 299, 306, 312 – Pastoraltheologie/pastoraltheologisch 25f., 32, 42 – Praktische Theologie/praktisch-theologisch 14, 19f., 25, 33, 42, 75, 125, 148, 216, 268 – Systematische Theologie/systematischtheologisch 19f., 42, 119, 142, 154 – Theologie der Sozialität 149, 223 ›Theologische Stufen‹: siehe Stufe These 43, 68, 78, 170, 172, 176, 182–184, 198, 289 ›Thesen zur Jugendarbeit in der Kirche‹ 26, 35, 39f., 113f., 251, 307 Tod 23, 39, 54, 58, 63, 69f., 72f., 78, 81, 87, 91, 108, 131f., 143, 150, 156f., 161,

Sachregister

165f., 177, 179, 186, 205, 218, 268, 283f., 287 Tradition 17, 19, 30f., 34, 39, 53, 57, 107, 133f., 141, 183, 200, 208f., 237, 245, 256f., 316–318 – Traditionsabbruch 16 – Traditionsbindung 313 Transzendentalphilosophie: siehe Philosophie undiszipliniert: siehe Disziplinschwierigkeiten Ungehorsam 121, 123, 65, 241 Union Theological Seminary : siehe Seminar Universalität 143, 254–258, 310 Universität: siehe Hochschule unsichtbare Kirche: siehe Kirche Unterricht 27, 33, 51, 110, 279f., 318 – Beichtunterweisung: siehe Beichterziehung – christlicher Unterricht 14–17, 27–31, 33–37, 46, 81, 101, 107, 120, 125–128, 220, 243f., 247–249, 259, 261f., 264, 266, 269f., 275–278, 287, 289–297, 300f., 303f., 307, 312, 315–317 – gemeindlicher Unterricht: siehe christlicher Unterricht – Hausunterricht 50–52, 241, 290, 293 – kirchlicher Unterricht: siehe christlicher Unterricht – Konfirmandenunterricht: siehe Konfirmandenarbeit – missionierender Unterricht 287, 290, 292, 294, 296 Unterrichtsstoff 29, 81, 116, 121f., 125f., 129, 131f., 143, 182, 244, 247, 249, 269– 271 urchristliche Gemeinde 30, 240, 264f., 321 Urstand 148f., 222 Vaterunser : siehe Gebet Verantwortung 84, 137f., 165, 170, 203, 215, 221, 237, 260, 282, 291, 304 Verein 114, 172, 209f., 236

Sachregister

Verfolgung 87, 126, 187, 203 Verhaftung 14f., 20, 45, 52, 200 Verheißung 70, 105, 123, 137, 168, 183f., 188, 196, 230, 273 Verkündigung 27, 29f., 34–36, 91, 104, 113, 120–122, 127, 129, 137, 153, 156– 158, 164f., 168f., 171, 177–179, 184– 188, 190, 193, 196, 198f., 201, 204–206, 211, 219f., 238, 242f., 246f., 249, 266, 274f., 283, 287, 307, 309 Verpflichtung: siehe Pflicht Versöhnung 35, 81, 179, 201, 205, 231, 281, 283 Versprechen 30, 211, 215 Versuchung 65, 74, 104, 163, 217f. Vikar/Vikariat 33f., 59, 85, 99, 107, 224, 244, 284, 287f., 301f. – Sammelvikariat 42, 118, 124, 132, 136, 261, 288 Volk 71, 92, 96f., 106, 137, 199, 221, 224, 227, 260 – Volk Israel 63, 72, 80, 91, 160, 187 Volkserziehung: siehe Erziehung Volkskirche: siehe Kirche Volksmission: siehe Mission Vollmacht: siehe Macht Vorbild 60f., 69, 206, 256, 286, 304f. Vorlesung 102–104, 144, 181 – Christologie 39, 61, 119, 164–166 – ›Das neue Leben bei Paulus‹ 184 – ›Das Wesen der Kirche‹ 14, 21, 159– 164, 169, 231, 241, 262 – ›Gemeindeaufbau und Gemeindezucht im Neuen Testament‹ 184, 187–190 – Homiletik-Vorlesung 118, 137, 220, 261, 294 – Katechetik-Vorlesung 15, 18, 25f., 28, 30, 35–37, 42, 114, 118–128, 130, 135, 137, 143, 210f., 219, 243, 246, 259, 261f., 268, 273, 277f., 285, 287–289, 293, 296f., 299, 304, 309 – ›Konkrete Ethik bei Paulus‹ 184 – Nachfolge 36, 68, 118, 174, 183, 263 – ›Sichtbare Kirche im Neuen Testament‹ 183–187

349 – Vorlesung über Kirchenverfassung 181–183 – Vorlesung über Konfirmandenunterricht 15, 18, 21, 125, 128–130 Vortrag 55f., 89, 103, 105, 113, 119, 167, 192f. – ›Die Tragödie des Prophetentums und ihr bleibender Sinn‹ 89–92 – ›Grundfragen einer christlichen Ethik‹ 95–99 – ›Jesus Christus und vom Wesen des Christentums‹ 92–95 – ›Kirche und Völkerwelt‹ 171–173 – ›Sätze über Schlüsselgewalt und Gemeindezucht im Neuen Testament‹ 125, 187, 211, 223 – ›Zur theologischen Begründung der Weltbundarbeit‹ 168f. Wandervogel: siehe Jugendbewegung Weihnachten 71, 81, 88, 99, 111 Welt 32, 64, 67, 69f., 93, 96, 105f., 126, 146, 153f., 159–161, 163, 166–171, 173– 175, 177–179, 184–186, 188, 193, 200– 206, 217, 223, 242, 250, 255–257, 262– 264, 276, 283 Weltkrieg: siehe Krieg Weltlichkeit 163, 169 Wert 46, 48f., 51, 93, 102, 202, 268, 301, 303 Wesen – Wesen der Gemeinde/Kirche 14, 19, 113, 159, 168–170, 182f., 193, 201, 206, 208, 258, 265 – Wesen der Religion/des Christentums 84, 89, 93, 105 – Wesen des Menschen 60f., 65, 103, 233, 258, 279, 282, 285 – Wesen Gottes 35, 104 wesentliche Kirche: siehe Kirche Widerstand: siehe Konspiration ›Widerstand und Ergebung‹ 23f. Wille – Wille Christi/Wille Gottes 66f., 87, 91, 96, 101, 103, 107, 146, 151, 175, 209, 226, 275, 283f.

350 – Wille des Menschen 149f., 152, 209, 227 – Willensgemeinschaft: siehe Gemeinschaft Wirklichkeit 148, 154f., 161, 200f., 239, 256, 269, 273, 309 – Lebenswirklichkeit: siehe Lebenswelt Wissen 30, 32, 75, 83, 118, 120–122, 158, 243f., 269, 280, 313 Wissenschaft 14, 16, 18, 33, 37, 100, 105, 107, 116, 237, 268, 284, 312 Wissensvermittlung 30, 49, 121, 208, 243, 269, 277, 307 Wort 118, 137, 145–147, 150, 152f., 157, 160–162, 164f., 176–179, 184, 188, 203, 211–214, 220f., 238f., 241f., 251, 257, 265f., 275, 291, 294, 308 – biblisches Wort 64, 121, 241, 247, 306 – Predigtwort 104, 137, 152, 158, 189, 212, 221, 241, 294 – Wort Christi 80, 146, 150, 157f., 162f., 165, 168, 171

Sachregister

– Wort Gottes 28f., 34f., 66, 80, 113, 121f., 129, 134, 145, 147, 152, 160f., 165, 171f., 174, 177, 184f., 195, 206, 219–221, 238, 243, 246, 248, 265, 282, 287, 290, 294, 308f. – Wort-Gottes-Theologie: siehe Theologie – Wort der Kirche 34, 121, 156, 165, 167f., 170, 177, 243 YOUCAT: siehe Katechismus Zehn Gebote: siehe Dekalog Zielgruppe: siehe Gruppe Zucht 29 – Gemeindezucht/Kirchenzucht 125, 129, 174, 179, 184, 187–189, 204, 266, 310 – Konfirmationszucht 129 – Lehrzucht 189, 198 Zwang 62f., 229