370 44 8MB
German Pages XXIV, 505 [524] Year 2020
Unternehmensführung & Controlling Wolfgang Becker · Patrick Ulrich Hrsg.
Stefan Rech
Dienstleistungscontrolling Ein wertschöpfungsorientierter Beitrag zur konzeptionellen, theoretischen und empirischen Fundierung
Unternehmensführung & Controlling Reihe herausgegeben von Wolfgang Becker, Bamberg, Deutschland Patrick Ulrich, Aalen, Deutschland
Die inhaltliche Zielsetzung der Reihe ist es, den Gesamtkontext von Unternehmensführung und Controlling im Spiegelbild seiner historischen Entwicklung, aber auch im Lichte der aktuellen Anforderungen an eine zukunftsorientierte betriebswirtschaftliche Managementlehre abzubilden. Das Controlling wird in diesem Zusammenhang als integrativer Bestandteil der Unternehmensführung aufgefasst. In dem damit hier zugrunde gelegten wertschöpfungsorientierten Verständnis des Controlling stehen eine originäre Lokomotionsfunktion sowie derivative Informations- und Abstimmungsfunktionen im Vordergrund dieser funktional geprägten Controllingauffassung. Die führungsnahe Lokomotionsfunktion dient dem initialisierenden Anstoßen der Wertschöpfung sowie der Ausrichtung aller unternehmerischen Aktivitäten auf den Wertschöpfungszweck. Diese Funktion wird erst möglich, wenn die derivativen Informations- und Abstimmungsfunktionen erfüllt sind. Die Reihe strebt die Generierung fundierter, praxisnaher, aber auch theoretisch auf State-of-the-ArtNiveau stehender wissenschaftlicher Erkenntnisse an, die Unternehmensführung und Controlling auch im Forschungsbereich eine wachsende Bedeutung zuschreiben. Die Reihe hat einen hohen theoretischen Anspruch, ist letztlich jedoch immer im praxeologischen Sinne anwendungsorientiert ausgerichtet und zudem ausdrücklich offen für neue inhaltliche und publizistische Formate. Sie nutzt die bildhafte Vermittlung als Gestaltungsinstrument und bietet zeitgemäße, wissenschaftlich solide, dabei aber verständliche und zugleich praxisorientierte Publikationen. Die Autorinnen und Autoren sind ausgewiesene Experten aus Theorie und/oder Praxis der von ihnen bearbeiteten Themengebiete und somit ausgezeichnete Kenner von Unternehmensführung und Controlling. Die Grundlage für die Inverlagnahme bildet ein Exposé, das über den inhaltlichen Aufbau des Werkes, den geschätzten Manuskriptumfang, den Termin der Ablieferung des Manuskriptes an den Verlag sowie die Zielgruppe und mögliche Konkurrenzwerke Auskunft gibt. Dieses wird von den Herausgebern der Reihe sowie dem Verlag einem kritischen Review unterzogen. Die Schriftenreihe präsentiert Ergebnisse der betriebswirtschaftlichen Forschung im Themenfeld Unternehmensführung und Controlling. Die Reihe dient der Weiterentwicklung eines ganzheitlich geprägten Management-Denkens, in dem das wertschöpfungsorientierte Controlling einen für die Theorie und Praxis der Führung zentralen Stellenwert einnimmt. Herausgegeben von Univ.-Prof. Dr. Dr. habil. Wolfgang Becker Lehrstuhl für Betriebswirtschaftslehre insbes. Unternehmensführung & Controlling Otto-Friedrich-Universität Bamberg Bamberg, Deutschland
Prof. Dr. Patrick Ulrich Professur für Unternehmensführung und -kontrolle Hochschule Aalen – Technik und Wirtschaft Aalen, Deutschland
Weitere Bände in der Reihe http://www.springer.com/series/12530
Stefan Rech
Dienstleistungs controlling Ein wertschöpfungsorientierter Beitrag zur konzeptionellen, theoretischen und empirischen Fundierung
Stefan Rech Römerberg, Deutschland Dissertation Otto-Friedrich-Universität Bamberg, 2020
Unternehmensführung & Controlling ISBN 978-3-658-31325-8 ISBN 978-3-658-31326-5 (eBook) https://doi.org/10.1007/978-3-658-31326-5 Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlags. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von allgemein beschreibenden Bezeichnungen, Marken, Unternehmensnamen etc. in diesem Werk bedeutet nicht, dass diese frei durch jedermann benutzt werden dürfen. Die Berechtigung zur Benutzung unterliegt, auch ohne gesonderten Hinweis hierzu, den Regeln des Markenrechts. Die Rechte des jeweiligen Zeicheninhabers sind zu beachten. Der Verlag, die Autoren und die Herausgeber gehen davon aus, dass die Angaben und Informationen in diesem Werk zum Zeitpunkt der Veröffentlichung vollständig und korrekt sind. Weder der Verlag, noch die Autoren oder die Herausgeber übernehmen, ausdrücklich oder implizit, Gewähr für den Inhalt des Werkes, etwaige Fehler oder Äußerungen. Der Verlag bleibt im Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutionsadressen neutral. Planung/Lektorat: Carina Reibold Springer Gabler ist ein Imprint der eingetragenen Gesellschaft Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH und ist ein Teil von Springer Nature. Die Anschrift der Gesellschaft ist: Abraham-Lincoln-Str. 46, 65189 Wiesbaden, Germany
Geleitwort
Die vorliegende Dissertationsschrift greift ein nach wie vor in der Betriebswirtschaftslehre unvollständig bearbeitetes, aber in hohem Maße aktuelles Themenfeld auf. Die Untersuchung beschäftigt sich mit einer spezifischen Ausprägung des Controllings, nämlich dem Dienstleistungscontrolling. Dieses Themenfeld ist angesichts eines auch in Deutschland zunehmend erkennbaren Wandels unserer Wirtschaftsgesellschaft von einer stark ausgeprägten Industriegesellschaft hin zu einer Dienstleistungsgesellschaft von sehr hoher Bedeutung. Mein Schüler Stefan Rech widmet sich daher zu Recht der Frage einer konzeptionellen, theoretischen und empirischen Fundierung des Dienstleistungscontrollings. Das Controlling genießt heute innerhalb der Betriebswirtschaftslehre allgemeine Anerkennung als eine wesentliche Teilfunktion der Unternehmensführung, die vor allem für die Steuerung und Regelung, also Lenkung des Unternehmensgeschehens (mit-)verantwortlich ist. Das Dienstleistungscontrolling hat diese Funktion auch zu erfüllen, kann jedoch als spezifischer Zuschnitt des Controllings auf die sich verändernden Wertschöpfungsstrukturen betrachtet werden. Dies ist gerade in Zeiten der zunehmenden Digitalisierung, die nicht nur die klassische Dienstleistungsproduktion in den Vordergrund schiebt, sondern darüber hinaus auch den Trend zur mehrwertgenerierenden ‚Servitization‘ bedingt, von nicht zu unterschätzender Wichtigkeit für die wissenschaftliche Weiterentwicklung des Controllings, aber auch für die Anwendung des Controllings in der Wirtschaftspraxis. Hinzu kommt, dass Stefan Rech mit seiner Arbeit eine Forschungslücke bedient, die durchaus erstaunlich ist. Trotz des deutlich erkennbaren Trends hin zur Dienstleistung muss der Status quo der betriebswirtschaftliche Forschung zu den begleitenden Fragestellungen als dürftig bezeichnet werden. Eine Ausnahme bilden einige wenige, meist eher ältere Arbeiten, die weitgehend aus
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Geleitwort
der renommierten Schule des an der Ruhruniversität Bochum praktizierenden Wissenschaftlers Professor Dr. Dr. h.c. Werner H. Engelhardt stammen. Die vorliegende Arbeit von Stefan Rech liefert auf diesem also forschungsseitig doch sehr vernachlässigten Gebiet wertvolle Erkenntnisse zu Fragestellungen, die sich auf Unternehmensführung und Controlling von Dienstleistungen beziehen. Im einleitenden Kapitel widmet sich der Autor der Darlegung des Themenfeldes und der diesbezüglichen Problemstellung. Es folgen Ausführungen zur gewählten Forschungskonzeption, die sich am Gegenstromverfahren orientiert. Auf dessen Grundlage sind neue Erkenntnisse durch Konfrontation von deduktiv aus der betriebswirtschaftlichen Theorie und von induktiv durch empirische Forschung abgeleiteten Aussagen zu gewinnen. Im zweiten Kapitel legt Stefan Rech die begrifflichen Grundlagen der Untersuchung. Zunächst erörtert er den bislang vorherrschenden Dienstleistungsbegriff, dann kurz die genutzte Konzeption des wertschöpfungsorientierten Controllings. Auf dieser Grundlage überträgt der Autor die Controllingkonzeption auf Dienstleistungen und differenziert verschiedene Arten des Dienstleistungscontrollings. Im dritten Kapitel der Untersuchung liefert Stefan Rech eine sowohl umfassend, als auch detailreich angelegte, thematisch strukturiere und kritisch fundierte Literaturanalyse. Die Literaturanalyse schließt mit einem Vergleich mit den Ergebnissen bereits vorliegender Literaturanalysen. Im vierten Kapitel beschäftigt sich Stefan Rech mit der Konzipierung des Dienstleistungscontrollings. Dazu greift er geschickt auf vorgefundene generische Ansätze zurück, baut einen konzeptionellen Bezugsrahmen auf und integriert dienstleistungsspezifische Erfordernisse, um so schließlich zu einem eigenen Entwurf für ein wertschöpfungsorientiertes Controlling von Dienstleistungen zu gelangen. Eine fundierte und gründliche Diskussion der theoretischen Fundierung des Bezugsrahmens rundet die diesbezüglichen Ausführungen ab. Im fünften Kapitel geht Stefan Rech auf die induktive Analyse des Themenfeldes ein. Hierzu werden die Ergebnisse einer quantitativ-explorativen Studie zum Dienstleistungscontrolling in der Praxis dargestellt, in die 129 Unternehmen einbezogen wurden. Den inhaltlichen Abschluss dieses Kapitels bilden strukturierende und differenzierende Gestaltungsempfehlungen für die Wirtschaftspraxis. Im abschließenden sechsten Kapitel liefert Stefan Rech eine Zusammenfassung der Erkenntnisse und zeigt auch die Implikationen für die Betriebswirtschaftslehre sowie für die Wirtschaftspraxis auf. Dies rundet die insgesamt äußerst interessante und sehr umfassende Untersuchung zum Dienstleistungscontrolling in sehr gelungener Weise ab.
Geleitwort
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Stefan Rech hat mit seiner Inauguraldissertation eine aus wissenschaftlicher und wirtschaftspraktischer Sicht überaus relevante und zudem aktuelle Untersuchung über das Dienstleistungscontrolling vorgelegt. Die Untersuchung überzeugt durch ihre ausgeprägte Fundiertheit, ihre hohe fachliche Sorgfalt, die zu bescheinigende Praxisnähe und die insgesamt dargelegte Kreativität. Die Untersuchung erweitert zweifellos den Stand der betriebswirtschaftlichen Forschung um besonders aktuelle und praxisrelevante Erkenntnisse zum Dienstleistungscontrolling. Auch die abschließende Ableitung von Handlungsempfehlungen ist vor allem aus der Perspektive einer anwendungsorientierten Betriebswirtschaftslehre sehr wertvoll. Ich wünsche diesem Buch daher eine möglichst weite Verbreitung, eine positive Rezeption in akademischen Kreisen sowie die Beachtung und möglichst konsequente Umsetzung der Erkenntnisse in der unternehmerischen Praxis. Univ.-Professor Dr. Dr. habil. Wolfgang Becker
Vorwort
Die vorliegende Arbeit entstand während meiner Zeit als externer Doktorand am Lehrstuhl für Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Unternehmensführung & Controlling, an der Otto-Friedrich-Universität Bamberg. Den Anstoß für die Promotion lieferte meine berufliche Tätigkeit als Service-Controller eines Softwareunternehmens. Im Rahmen dieser Tätigkeit musste ich feststellen, dass Produkthersteller, die zum Dienstleister transformieren, andere Controllingansätze benötigen, um erfolgreich zu sein. Die damit verbundenen Fragestellungen haben mich gedanklich nie losgelassen und waren letztlich der Grund, mich wissenschaftlich mit dem Thema „Dienstleistungscontrolling“ auseinanderzusetzen. Zum Gelingen meiner Promotion haben zahlreiche Menschen in meinem universitären, beruflichen und privaten Umfeld beigetragen. Ihnen möchte ich gerne Danke sagen. Zunächst danke ich meinem Doktorvater Univ.-Professor Dr. Dr. habil. Wolfgang Becker für die Betreuung der Arbeit, die vielfältige Unterstützung während der Promotion und die Erstellung des Erstgutachtens. Seine wertschöpfungsorientierte Sichtweise auf die Betriebswirtschaftslehre im allgemeinen und auf das Controlling im speziellen haben mein Verständnis tief geprägt. Professor Dr. Patrick Ulrich danke ich für die Anfertigung des Zweitgutachtens, Univ.-Professor Dr. Brigitte Eierle für die Übernahme der Drittprüferin in der Promotionskommission. Ferner danke ich Jutta Eichhorn für das sichere Geleit durch das Promotionsverfahren und ihre Hilfsbereitschaft. In der Reihe der zu dankenden Personen sind weiterhin die ehemaligen und aktuellen Doktorandinnen und Doktoranden des Lehrstuhls für Unternehmensführung & Controlling zu erwähnen, stellvertretend die beiden ehemaligen Habilitanden: Dr. habil. Christian Kunz und Professor Dr. Patrick Ulrich. Unsere
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Vorwort
Diskussionen zu diversen Inhalten und Methoden haben die vorliegende Schrift enorm bereichert. Bei den Teilnehmern der Onlinestudie bedanke ich mich für die Bereitschaft, den Umsetzungsstand des Dienstleistungscontrollings in der Praxis für wissenschaftliche Zwecke offenzulegen. Bei der Abbildung des Online-Fragebogens in der Software Unipark und der Durchführung der Umfrage hat mich M. Sc. Ivan-Matijas Stojic unterstützt. Dafür bin ich ihm außerordentlich verbunden. Dank gebührt zudem Dr. Wolfgang Ritter für seine unermüdliche Bereitschaft die Arbeit kritisch Korrektur zu lesen sowie Dr. Tim Gerhardt für die wertvollen Ratschläge. Privat danke ich in erster Linie meiner Frau Susanne. Ohne ihren Zuspruch und Rückhalt, wäre diese Arbeit nicht entstanden. Danke meinen Kindern Elena und Niclas für ihr Verständnis. Gedankt sei außerdem meinem Onkel und meiner Tante, Ernst und Helga Rech. Ohne ihre Unterstützung vor vielen Jahren, wären die Anfänge meiner akademischen Ausbildung unsicherer verlaufen. Gewidmet ist die Arbeit in dankbarer Erinnerung meinen Großeltern Willi und Else Rech sowie meinem Vater Hans-Dieter Rech. Stefan Rech
Inhaltsverzeichnis
1 Dienstleistungscontrolling: Alles anders – oder doch gleich?. . . . . . . . 1 1.1 Dienstleistungscontrolling zwischen Ablehnung und Eigenständigkeit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 1.2 Forschungskonzeption. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 1.2.1 Dienstleistungscontrolling als Forschungsgegenstand. . . . . 6 1.2.2 Forschungsziel: Konzeptionelle, theoretische und empirische Fundierung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 1.2.3 Forschungsmethoden: Literaturreview, Konzeptualisierung, Feldstudie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 1.2.4 Deduktives und induktives Vorgehen. . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 2 Dienstleistung und Controlling – schillernde Begriffe der Betriebswirtschaft. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 2.1 Der Dienstleistungsbegriff. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 2.1.1 Zum Konsens des Dienstleistungsbegriffs. . . . . . . . . . . . . . 23 2.1.2 Kritik am Konsens. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 2.1.2.1 Untauglichkeit der Immaterialität zur Abgrenzung der Dienstleistung. . . . . . . . . . . . . . . 26 2.1.2.2 Zu weite Auslegung des Dienstleistungsbegriffs durch die Integrativität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 2.1.2.3 Ablehnung des Konsens zum Dienstleistungsbegriff. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 2.1.3 Dienstleistung als Transformationsprozess. . . . . . . . . . . . . 37 2.1.3.1 Der Ansatz von Mengen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 2.1.3.2 Der Ansatz von Rück . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42
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Inhaltsverzeichnis
2.1.3.3 Abschließende Definition des Dienstleistungsbegriffs. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 2.2 Wertschöpfungsorientierter Controllingbegriff. . . . . . . . . . . . . . . . . 48 2.3 Der Begriff des Dienstleistungscontrollings . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 2.3.1 Übertragung des wertschöpfungsorientierten Controllingbegriffs auf Dienstleistungen. . . . . . . . . . . . . . . 50 2.3.2 Auswahl des leistungsbezogenen Dienstleistungscontrollings als Forschungsobjekt. . . . . . . . 53 3 Bestandsaufnahme der Literatur des Dienstleistungscontrollings. . . . 57 3.1 Forschungsziele. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 3.2 Zum Stand bisheriger Literaturanalysen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 3.3 Untersuchungsdesign. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 3.3.1 Auswahl des Forschungsdesigns. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 3.3.1.1 Begriff und Typen der Literaturanalyse . . . . . . . . 70 3.3.1.2 Wahl eines quantitativ-deskriptiven Forschungsdesigns . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 3.3.1.3 Umsetzung mittels quantitativer Inhaltsanalyse. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 3.3.2 Quantitative Datenerhebung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 3.3.2.1 Literatursuche. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 3.3.2.2 Literaturauswahl. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 3.3.2.3 Entwurf des Kategoriensystems. . . . . . . . . . . . . . 103 3.3.2.4 Codierung der Texte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 3.3.3 Deskriptive Datenauswertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 3.3.4 Zur Güte der Literaturanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 3.3.4.1 Reliabilität. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 3.3.4.2 Validität. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 3.4 Forschungsergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 3.4.1 Publikationstätigkeit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 3.4.2 Thematische Schwerpunkte. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 3.4.3 Forschungsmethoden. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 3.4.4 Theoretische Fundierung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 3.4.5 Empirische Fundierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 3.5 Vergleich mit den Ergebnissen qualitativ-analytischer Literaturanalysen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 3.6 Resümee und Limitationen der Literaturanalyse. . . . . . . . . . . . . . . . 161
Inhaltsverzeichnis
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4 Entwurf der Konzeption des Dienstleistungscontrollings. . . . . . . . . . . 167 4.1 Forschungsziele. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 4.2 Begriff der Controllingkonzeption und ihre Elemente. . . . . . . . . . . . 169 4.3 Konzeptioneller Bezugsrahmen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 4.3.1 Zum Begriff des konzeptionellen Bezugsrahmens. . . . . . . 174 4.3.2 Analyse bisheriger Bezugsrahmen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 4.3.3 Dienstleistungseigenschaften. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 4.3.4 Dienstleistungsprozesse. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 4.3.5 Mehrdimensionale Dienstleistungsräume . . . . . . . . . . . . . . 194 4.3.6 Resümee. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 4.4 Theoretischer Bezugsrahmen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 4.4.1 Zum Begriff des theoretischen Bezugsrahmens. . . . . . . . . . 203 4.4.2 Analyse bisheriger Bezugsrahmen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 4.4.3 Sachorientierte Ansätze. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 4.4.3.1 Systemorientierter Ansatz. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 4.4.3.2 Entscheidungsorientierter Ansatz. . . . . . . . . . . . . 215 4.4.3.3 Situativer Ansatz (Kontingenztheorie) . . . . . . . . . 218 4.4.3.4 Produktions- und kostentheoretischer Ansatz. . . . 220 4.4.4 Verhaltensorientierte Ansätze. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224 4.4.4.1 Institutionenökonomische Ansätze. . . . . . . . . . . . 225 4.4.4.2 Verhaltenswissenschaftliche Ansätze . . . . . . . . . . 229 4.4.5 Service-dominant Logic. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 4.4.6 Resümee. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239 4.5 Elemente des Dienstleistungscontrollings. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244 4.5.1 Philosophie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244 4.5.2 Ziele. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 4.5.3 Funktionen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 4.5.4 Objekte. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 258 4.5.5 Aufgaben. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268 4.5.6 Aufgabenträger. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283 4.5.7 Instrumente. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 284 4.5.8 Prozesse. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 303 4.5.9 Erfolg. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 305 4.6 Resümee und Limitationen der Konzeptualisierung . . . . . . . . . . . . . 306 5 Analyse des Umsetzungsstandes der Konzeption in der Praxis. . . . . . 311 5.1 Forschungsziele. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 312 5.2 Abgrenzung zu bisherigen empirischen Studien. . . . . . . . . . . . . . . . 314 5.3 Untersuchungsdesign. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 319
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5.3.1
Auswahl des Forschungsdesigns. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 320 5.3.1.1 Systematisierungen von Forschungsdesigns. . . . . 320 5.3.1.2 Wahl eines deskriptiv-explorativen Forschungsdesigns . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 322 5.3.2 Konstruktion des Fragebogens. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 328 5.3.2.1 Operationalisierung der Konzeption. . . . . . . . . . . 329 5.3.2.2 Auswahl des Skalierungsverfahrens. . . . . . . . . . . 333 5.3.2.3 Struktur und Konstruktionsprozess. . . . . . . . . . . . 335 5.3.2.4 Gütekriterien der Messung. . . . . . . . . . . . . . . . . . 338 5.3.3 Datenerhebung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 342 5.3.3.1 Festlegung der Auswahlgesamtheit. . . . . . . . . . . . 342 5.3.3.2 Durchführung und Rücklauf. . . . . . . . . . . . . . . . . 344 5.3.3.3 Güte der erhobenen Teilgesamtheit. . . . . . . . . . . . 346 5.3.4 Datenauswertung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 351 5.3.4.1 Einteilung der Analysemethoden . . . . . . . . . . . . . 351 5.3.4.2 Deskriptive Statistik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 352 5.3.4.3 Signifikanztests. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 356 5.4 Forschungsergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 363 5.4.1 Merkmale der Stichprobe. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 364 5.4.2 Ziele. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 372 5.4.3 Funktionen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 380 5.4.4 Aufgaben. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 384 5.4.5 Aufgabenträger. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 391 5.4.6 Instrumente. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 397 5.4.7 Prozesse. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 407 5.4.8 Erfolg. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 413 5.4.9 Berücksichtigung von Dienstleistungsbesonderheiten. . . . . 417 5.4.10 Zukünftige Herausforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 421 5.4.11 Zwischenfazit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 426 5.5 Gestaltungsempfehlungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 428 5.5.1 Empfehlungen für die praktische Gestaltung. . . . . . . . . . . . 429 5.5.1.1 Empfehlungen für Unternehmen aller Branchen und Unternehmensgrößen. . . . . . . . . . . 429 5.5.1.2 Empfehlungen für produzierende Unternehmen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 436 5.5.1.3 Empfehlungen für kleine und mittlere Unternehmen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 438
Inhaltsverzeichnis
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5.5.2 Empfehlungen für die konzeptionelle Gestaltung. . . . . . . . 442 5.6 Resümee und Limitationen der empirischen Analyse. . . . . . . . . . . . 446 6 Zusammenfassung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 451 6.1 Ergebnisse und Limitationen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 451 6.2 Implikationen für Wissenschaft und Unternehmenspraxis . . . . . . . . 463 Literaturverzeichnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 465
Abkürzungsverzeichnis
ANOVA Analysis of Variance (Varianzanalyse) BSC Balanced Scorecard CLV Customer Lifetime Value CM Controller Magazin (Zeitschrift) CPV Customer Perceived Value CVA Cash Value Added DB Deckungsbeitrag/Deckungsbudget DBW Die Betriebswirtschaft (Zeitschrift) DEA Data Envelopment Analysis Ders. Derselbe Dies. Dieselbe Diss. Dissertation EE Elektronik- und Elektroindustrie EKAM Europäisches Kompetenzzentrum für Angewandte Mittelstandsforschung FMEA Failure Method Effective Analysis (Fehlermöglichkeits- und Einflussanalyse) FN Fußnote Habil. Habilitation Hrsg. Herausgeber IGC International Group of Controlling ITK Informations- und Telekommunikationsbranche i.V.m. in Verbindung mit Jg. Jahrgang krp Kostenrechnungspraxis (Zeitschrift) MA Maschinen- und Anlagenbau
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Abkürzungsverzeichnis
m.w.N. mit weiteren Nachweisen NPO Non-Profit-Organisation sbr Schmalenbach Business Review (Zeitschrift) Schr. Schrift SLA Service Level Agreement QM Qualitätsmanagement VDMA Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau Univ. Universität VHB Verband der Hochschullehrer für Betriebswirtschaft e. V. WiSt Wirtschaftswissenschaftliches Studium (Zeitschrift) ZfB Zeitschrift für Betriebswirtschaft zfbf Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Forschung ZfCM Zeitschrift für Controlling & Management Zugl. Zugleich
Formelverzeichnis d Effektstärkenmaß; standardisierte Differenz zwischen zwei Stichprobenmittelwerten bei unabhängigen Stichproben dZ Effektstärkenmaß; standardisierte Differenz zwischen zwei Stichprobenmittelwerten bei abhängigen Stichproben H0 Nullhypothese H1 Gegenhypothese MW Mittelwert (arithmetisches Mittel) η2 Effektstärkenmaß Eta-Quadrat RIntra Intracoderreliabilität SDA Standardabweichung Sig. Signifikanzwert µ arithmetisches Mittel (Mittelwert) der Auswahlgesamtheit µ d Differenz der Mittelwerte in der Auswahlgesamtheit
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1.1 Forschung im Gegenstrom nach Becker. . . . . . . . . . . . . . . . . 11 Abbildung 1.2 Anforderungen an Controllingkonzeptionen . . . . . . . . . . . . . 12 Abbildung 1.3 Design der Forschungskonzeption. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 Abbildung 2.1 Dienstleistung als Transformationsprozess. . . . . . . . . . . . . . . 47 Abbildung 2.2 Definitionen des Begriffs Dienstleistungscontrolling. . . . . . . 51 Abbildung 2.3 Arten des Dienstleistungscontrollings . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 Abbildung 3.1 Forschungsfragen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 Abbildung 3.2 Literaturanalysen des Dienstleistungscontrollings. . . . . . . . . 60 Abbildung 3.3 Quellen des leistungsbezogenen Dienstleistungscontrollings in bisherigen Literaturanalysen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 Abbildung 3.4 Merkmale der quantitativ-deskriptiven und qualitativ-analytischen Literaturanalyse. . . . . . . . . . . . . . . . 72 Abbildung 3.5 Phasen der quantitativen Inhaltsanalyse. . . . . . . . . . . . . . . . . 79 Abbildung 3.6 Suchbegriffe des Dienstleistungscontrollings. . . . . . . . . . . . . 84 Abbildung 3.7 Ergebnis der Literatursuche und Literaturauswahl. . . . . . . . . 88 Abbildung 3.8 Monographien des Dienstleistungscontrollings. . . . . . . . . . . 90 Abbildung 3.9 Herausgeberbände zum Dienstleistungscontrolling. . . . . . . . 91 Abbildung 3.10 Aufsätze des Dienstleistungscontrollings in Sammelbänden. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 Abbildung 3.11 Aufsätze in deutschsprachigen Zeitschriften . . . . . . . . . . . . . 97 Abbildung 3.12 Aufsätze in englischsprachigen Journals . . . . . . . . . . . . . . . . 99 Abbildung 3.13 Dissertationen/Habilitationen zu Aspekten des Dienstleistungscontrollings . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 Abbildung 3.14 Kategorien und Subkategorien der Literaturanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104
XIX
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Abbildung 3.15 Entwicklung der Anzahl an Beiträgen in verschiedenen Literaturtypen von 1988 bis 2017. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abbildung 3.16 Häufigkeitsverteilung der Beiträge nach Themen und Literaturtypen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abbildung 3.17 Häufigkeitsverteilung der Beiträge nach Themen und Erscheinungsjahr. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abbildung 3.18 Häufigkeitsverteilung der Beiträge nach Forschungsmethoden und Literaturtypen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abbildung 3.19 Häufigkeitsverteilung der Beiträge nach Forschungsmethoden und Erscheinungsjahr. . . . . . . . . . . . Abbildung 3.20 Häufigkeitsverteilung der Beiträge nach Themen und Forschungsmethoden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abbildung 3.21 Häufigkeitsverteilung der Beiträge nach Theorien und analytischen Forschungsmethoden. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abbildung 3.22 Häufigkeitsverteilung der Beiträge nach Theorien und Themen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abbildung 3.23 Häufigkeitsverteilung der Beiträge nach empirischen Forschungsmethoden und Art des Beitrags. . . . . . . . . . . . . Abbildung 3.24 Häufigkeitsverteilung der Beiträge nach empirischen Forschungsmethoden und Literaturtypen. . . . . . . . . . . . . . . Abbildung 3.25 Häufigkeitsverteilung der Beiträge nach empirischen Forschungsmethoden und Themen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abbildung 4.1 Generische Elemente einer Controllingkonzeption . . . . . . . Abbildung 4.2 Konzeptionelle Bezugsrahmen des Dienstleistungscontrollings. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abbildung 4.3 Problemfelder des Dienstleistungscontrollings nach Reckenfelderbäumer. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abbildung 4.4 Typen von Dienstleistungserstellungsprozessen nach Friedl. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abbildung 4.5 Dienstleistungen vom Typ A und Typ B nach Schäffer/ Weber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abbildung 4.6 Klassifizierung von Serviceprozessen nach Silvestro et al.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abbildung 4.7 Bezugsrahmen für das Dienstleistungscontrolling nach Corsten/Gössinger. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abbildung 4.8 Bezugsrahmen für das Dienstleistungscontrolling nach Bruhn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abbildung 4.9 Konzeptioneller Bezugsrahmen des Dienstleistungscontrollings. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
124 127 135 137 138 140 144 147 149 150 154 172 176 182 188 190 193 196 198 199
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Abbildung 4.10 Dienstleistungsprozesse vom Typ A und Typ B. . . . . . . . . . 201 Abbildung 4.11 Theoretische Bezugsrahmen des Dienstleistungscontrollings. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 Abbildung 4.12 The Service Profit Chain. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 Abbildung 4.13 Zusammenhang von Service Leadership Behavior, OCB und Performance. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 Abbildung 4.14 Theoretischer Bezugsrahmen des Dienstleistungscontrollings. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 Abbildung 4.15 Anwendungsgebiete der verwendeten Theorien. . . . . . . . . 242 Abbildung 4.16 Spannungsverhältnis von Kundenzufriedenheit und Effizienz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247 Abbildung 4.17 Zielkategorien und Zielinhalte des Dienstleistungscontrollings. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248 Abbildung 4.18 Operationalisierung des Ziels „Value in Use“ mit CLV und CPV. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250 Abbildung 4.19 Führungsgrößen des unternehmerischen Handelns . . . . . . 253 Abbildung 4.20 Prozessuale Abstimmung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255 Abbildung 4.21 Schaffung von Informationskongruenz. . . . . . . . . . . . . . . . 257 Abbildung 4.22 Modell der integrativen Leistungserstellung nach Kleinaltenkamp. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262 Abbildung 4.23 Übertragung der Verfügungsrechte am externen Faktor. . . . . 264 Abbildung 4.24 Aktivitätsgrade und Substituierbarkeit der Aktivitäten. . . . 265 Abbildung 4.25 Phasenmodell des Service-Engineering. . . . . . . . . . . . . . . 267 Abbildung 4.26 Aufgabenfelder des Dienstleistungscontrollings nach Becker/Rech. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268 Abbildung 4.27 Aufgaben des Dienstleistungscontrollings. . . . . . . . . . . . . . 282 Abbildung 4.28 Instrumente des Dienstleistungscontrollings . . . . . . . . . . . 302 Abbildung 4.29 Das Controlling-Prozessmodell der International Group of Controlling . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 304 Abbildung 5.1 Phasen des empirischen Forschungsprozesses. . . . . . . . . . 312 Abbildung 5.2 Empirische Studien zum Dienstleistungscontrolling. . . . . . 316 Abbildung 5.3 Steckbrief des empirischen Forschungsdesigns. . . . . . . . . 321 Abbildung 5.4 Mittelstandsdefinition des EKAM . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 330 Abbildung 5.5 Verdichtung der Wirtschaftszweige im Fragebogen. . . . . . 331 Abbildung 5.6 Berechnung der Rücklaufquote . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 345 Abbildung 5.7 Absoluter und relativer Anteil der Unternehmen nach Branchen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 348 Abbildung 5.8 Verteilung der Teilnehmer nach Position im Unternehmen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 364
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Abbildung 5.9 Verteilung der Unternehmen nach dem Zweck des Dienstleistungsangebots. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 365 Abbildung 5.10 Verteilung der Unternehmen nach der Branche. . . . . . . . . 366 Abbildung 5.11 Nennungen nach Branche und Zweck des Dienstleistungsangebotes. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 367 Abbildung 5.12 Verteilung der Unternehmen nach Jahresumsatz . . . . . . . . 368 Abbildung 5.13 Verteilung der Unternehmen nach der Anzahl der Mitarbeiter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 369 Abbildung 5.14 Streuungsdiagramm der Merkmale Jahresumsatz und Anzahl Mitarbeiter. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 370 Abbildung 5.15 Nennungen nach Jahresumsatz und Anzahl Mitarbeiter. . . . 370 Abbildung 5.16 Verteilung der Unternehmen nach Unternehmensgröße. . . . 371 Abbildung 5.17 Nennungen nach Branche und Unternehmensgröße (klassiert). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 371 Abbildung 5.18 Strategische Zielbildung des Dienstleistungscontrollings. . . . 373 Abbildung 5.19 Zielkategorien des Dienstleistungscontrollings . . . . . . . . . 375 Abbildung 5.20 Signifikante Mittelwertunterschiede der Zielkategorien. . . . 375 Abbildung 5.21 Berücksichtigung von Zielbeziehungen in den Zielsystemen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 376 Abbildung 5.22 Ziele des Dienstleistungscontrollings – Unterschiede nach Branchen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 377 Abbildung 5.23 Signifikante Mittelwertunterschiede der Ziele in Abhängigkeit der Branche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 378 Abbildung 5.24 Ziele des Dienstleistungscontrollings – Unterschiede nach Unternehmensgrößen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 379 Abbildung 5.25 Signifikante Mittelwertunterschiede der Ziele in Abhängigkeit der Unternehmensgröße. . . . . . . . . . . . . . . . . 379 Abbildung 5.26 Funktionen des Dienstleistungscontrollings. . . . . . . . . . . . 381 Abbildung 5.27 Signifikante Mittelwertdifferenzen der Funktionen. . . . . . 382 Abbildung 5.28 Funktionen des Dienstleistungscontrollings – Unterschiede nach Branchen und Unternehmensgrößen. . . . . . . . 383 Abbildung 5.29 Aufgaben des Dienstleistungscontrollings. . . . . . . . . . . . . 384 Abbildung 5.30 Signifikante Mittelwertunterschiede der Aufgaben (Auswahl). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 387 Abbildung 5.31 Aufgaben des Dienstleistungscontrollings – Unterschiede nach Branchen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 388 Abbildung 5.32 Signifikante Mittelwertunterschiede der Aufgaben in Abhängigkeit von der Branche. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 389
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Abbildung 5.33 Aufgaben des Dienstleistungscontrollings – Unterschiede nach Unternehmensgrößen. . . . . . . . . . . . . . . 390 Abbildung 5.34 Signifikante Mittelwertunterschiede der Aufgaben in Abhängigkeit von der Unternehmensgröße . . . . . . . . . . . . . 391 Abbildung 5.35 Wer macht Dienstleistungscontrolling: Manager oder Controller? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 392 Abbildung 5.36 Übernimmt das Kundenkontaktpersonal Controllingaufgaben? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 393 Abbildung 5.37 Aufgabenträger des Dienstleistungscontrollings – Unterschiede nach Branchen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 394 Abbildung 5.38 Signifikante Mittelwertunterschiede der Aufgabenträger in Abhängigkeit von der Branche. . . . . . . . 394 Abbildung 5.39 Aufgabenträger des Dienstleistungscontrollings – Unterschiede nach Unternehmensgrößen. . . . . . . . . . . . . . . 396 Abbildung 5.40 Signifikante Mittelwertabstände der Aufgabenträger in Abhängigkeit von der Unternehmensgröße . . . . . . . . . . . . . 397 Abbildung 5.41 Nutzungshäufigkeit der Instrumente. . . . . . . . . . . . . . . . . 398 Abbildung 5.42 Signifikante Mittelwertunterschiede der Instrumente (Auswahl). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 399 Abbildung 5.43 Explorative Faktorenanalyse der Instrumente. . . . . . . . . . . 404 Abbildung 5.44 Instrumente mit signifikanten Mittelwertdifferenzen in Abhängigkeit von der Branche. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 405 Abbildung 5.45 Instrumente mit statistisch signifikanten Mittelwertunterschieden in Abhängigkeit von der Unternehmensgröße . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 406 Abbildung 5.46 Prozesse des Dienstleistungscontrollings. . . . . . . . . . . . . . 407 Abbildung 5.47 Signifikante Mittelwertunterschiede der Prozesse (Auswahl). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 408 Abbildung 5.48 Prozesse des Dienstleistungscontrollings nach Branchen. . . . 410 Abbildung 5.49 Signifikante Mittelwerte der Prozesse in Abhängigkeit von der Branche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 411 Abbildung 5.50 Prozesse des Dienstleistungscontrolling nach Unternehmensgrößen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 412 Abbildung 5.51 Signifikante Mittelwertdifferenzen der Prozesse in Abhängigkeit der Unternehmensgröße. . . . . . . . . . . . . . . . . 412 Abbildung 5.52 Erfolg des Dienstleistungscontrollings. . . . . . . . . . . . . . . . 413 Abbildung 5.53 Signifikante Mittelwertunterschiede der Erfolgsindikatoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 414
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Abbildung 5.54 Erfolg des Dienstleistungscontrollings der Erfolgsindikatoren in Abhängigkeit von der Branche . . . . . . . . . . . 415 Abbildung 5.55 Signifikante Mittelwertabstände in Abhängigkeit von der Branche. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 416 Abbildung 5.56 Erfolg des Dienstleistungscontrollings nach Unternehmensgrößen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 417 Abbildung 5.57 Berücksichtigung von Dienstleistungsbesonderheiten. . . . 418 Abbildung 5.58 Signifikante Mittelwertabstände bei der Berücksichtigung von Dienstleistungsbesonderheiten (Auswahl) . . . . . . . . . . . . 419 Abbildung 5.59 Berücksichtigung von Dienstleistungsbesonderheiten nach Branchen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 419 Abbildung 5.60 Berücksichtigung von Dienstleistungsbesonderheiten nach Unternehmensgrößen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 420 Abbildung 5.61 Herausforderungen des Dienstleistungscontrollings . . . . . 422 Abbildung 5.62 Signifikante Mittelwertunterschiede der Herausforderungen (Auswahl). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 423 Abbildung 5.63 Herausforderungen des Dienstleistungscontrollings nach Branchen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 424 Abbildung 5.64 Herausforderungen des Dienstleistungscontrolling nach Unternehmensgrößen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 425 Abbildung 5.65 Einteilung der Gestaltungsempfehlungen. . . . . . . . . . . . . . . 428 Abbildung 5.66 Empfehlungen für Unternehmen aller Branchen und Unternehmensgrößen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 435 Abbildung 5.67 Gestaltungsempfehlungen für produzierende Unternehmen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 439 Abbildung 5.68 Gestaltungsempfehlungen für kleine und mittlere Unternehmen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 441 Abbildung 5.69 Empfehlungen für die konzeptionelle Weiterentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 445 Abbildung 6.1 Bedeutende Erkenntniszugewinne der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 459
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Dienstleistungscontrolling: Alles anders – oder doch gleich?
1.1 Dienstleistungscontrolling zwischen Ablehnung und Eigenständigkeit Die betriebswirtschaftlichen Teildisziplinen Marketing und Unternehmensführung – vorrangig Produktionswirtschaft – haben seit geraumer Zeit eigenständige Forschungsrichtungen etabliert, unter denen sie die Implikationen von Dienstleistungen erforschen. In Folge der Forschungsanstrengungen sind die Publikationen auf den Gebieten Dienstleistungsmarketing und Dienstleistungsmanagement in den letzten drei Jahrzehnten rasant gestiegen.1 Relativ gesehen dazu, hat sich die betriebswirtschaftliche Teildisziplin Controlling nur sehr zögerlich mit Fragen des Controllings von Dienstleistungen befasst.2 Angesichts dessen verwundert es kaum, dass nicht Fachvertreter des Controllings die ersten waren, die dem Dienstleistungscontrolling hohe Forschungsdefizite bei gleichzeitig hoher praktischer Relevanz konstatierten, sondern Marketingfachleute.3 Von einer eigenständigen Forschungsrichtung Dienstleistungscontrolling innerhalb des akademischen Disziplin Controlling kann bis heute keine Rede sein. Einer der Gründe für das Zögern liegt darin, dass die Vertreter des Faches Controlling bis heute in der Frage uneinig sind, ob es ein eigenständiges Dienstleistungscontrolling geben kann bzw. warum eine spezielle Betrachtung des
1Vgl.
Benkenstein/Holtz (2011), S. 460. Schäffer/Weber (2002), S. 5; Benkenstein et al. (2017), S. 6. 3Vgl. Meffert (2001), S. 945. 2Vgl.
© Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 S. Rech, Dienstleistungscontrolling, Unternehmensführung & Controlling, https://doi.org/10.1007/978-3-658-31326-5_1
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1 Dienstleistungscontrolling: Alles anders – oder doch gleich?
Controllings von Dienstleistungen überhaupt notwendig ist.4 Drei Meinungsbilder hierzu: • Kleinhietpaß empfindet in seinem Artikel mit dem provokanten Titel „Dienstleistungs-Controlling: Alles anders – oder doch gleich?“5 die Unterschiede der verschiedenen Dienstleistungsbranchen für so gravierend, dass er keine gemeinsame Grundlage für ein branchenübergreifendes Dienstleistungscontrolling erkennen kann: „Ein eigenständiges DienstleistungsControlling kann es nicht geben.“6 • Für Reckenfelderbäumer ist der Terminus „Dienstleistungscontrolling“ eine Zeiterscheinung auf dem Weg zum Controlling der Kundenintegration.7 Entsprechend plädiert er für einen Perspektivenwechsel: „Ein spezifisches Dienstleistungscontrolling hat nur so lange eine Existenznotwendigkeit und -berechtigung, wie die elementare und weitreichende Bedeutung der integrativen Leistungserstellung in allen Bereichen der Wirtschaft nicht erkannt und akzeptiert wird – danach erübrigt es sich.“8 • Schäffer/Weber streiten die Eigenständigkeit des Dienstleistungscontrollings nicht völlig ab, obwohl für sie die Unterscheidung in Sach- und Dienstleistung keinen Nutzen stiftet. Sie fordern zumindest, die Debatte um das Dienstleistungscontrolling um den Aspekt geringer und hoher Wissensbeschränkungen des Managements zu ergänzen.9 Ungeachtet solcher Meinungen, die eher gegen als für eine spezielle Betrachtung des Dienstleistungscontrollings sprechen, zeigen neuere Literaturüberblicke, dass die Betriebswirtschaftslehre in den letzten fünfzehn Jahren dem Thema Dienstleistungscontrolling mehr Beachtung schenkt.10 Sieben Monographien11, die im
4Vgl.
Bruhn/Stauss (2006), S. 5. (2012), S. 45 (im Original hervorgehoben). 6Kleinhietpaß (2012), S. 48 (im Original hervorgehoben). 7Vgl. Reckenfelderbäumer (2006), S. 46–48. 8Reckenfelderbäumer (2006), S. 46 (im Original kursiv). 9Vgl. Schäffer/Weber (2002), S. 8. 10Vgl. Weber (Hrsg., 2002), S. 115–116; Bruhn/Stauss (Hrsg., 2006), S. 485–502; Reckenfelderbäumer (2006), S. 39–46; Quitt/Sommer (2010), S. 225–234; Becker/Rech (2014), S. 68–133. 11Vgl. Fischer (2000); Witt (2003); Nagl/Rath (2004); Impuls Management Consulting (2005); Walther (2006); Becker/Rech (2014); Siebold (2014). 5Kleinhietpaß
1.1 Dienstleistungscontrolling zwischen Ablehnung und Eigenständigkeit
3
Titel die Bezeichnung Dienstleistungs- oder Servicecontrolling tragen, sieben Sammelbände12 zum Thema Dienstleistungscontrolling und zwei Ausgaben von Controllingzeitschriften13 mit Schwerpunkt Dienstleistungscontrolling sind inzwischen erschienen. Verschiedentlich widmen sich Aufsätze in Sammelbänden des Dienstleistungsmarketings und -managements sowie in betriebswirtschaftlichen Fachzeitschriften dem Thema.14 Schwerpunktmäßig behandeln die Literaturbeiträge das Controlling in Dienstleistungsbranchen (z. B. Handel, Banken, Versicherungen, Wohnungswesen, Krankenhäuser, öffentliche Verwaltung, Hotel, Kirche, Medien, Beratung, Hochschulen), das Controlling von betrieblichen Dienstleistungsfunktionen (z. B. IT, Personal, Fuhrpark, Facility Management, Beschaffung, Logistik, Vertrieb, Kundendienst) und die Anwendung von Controllinginstrumenten in Dienstleistungsbereichen (z. B. Prozesskostenrechnung, Target Costing, Balanced Scorecard).15 Daneben existiert eine kleine Anzahl an Arbeiten, die versuchen, den gemeinsamen, konzeptionellen Kern des Dienstleistungscontrollings herauszuarbeiten.16 Diese, sich weit in der Unterzahl befindenden Beiträge, gehen im allgemeinen von drei Basisannahmen aus:17 • Eine Reihe von konstitutiven Merkmalen kennzeichnen Dienstleistungen – insbesondere Integrativität und Immaterialität. • Diese charakteristischen Eigenschaften von Dienstleistungen bereiten der erfolgsorientierten Unternehmenssteuerung besondere Probleme. • Die dienstleistungsspezifischen Controllingprobleme erfordern spezielle Lösungen durch das Dienstleistungscontrolling. Die geringe Anzahl an Arbeiten, die sich mit den konzeptionellen Grundlagen des Dienstleistungscontrollings beschäftigt, erklärt, warum der Ruf nach Konzeptionen des Dienstleistungscontrollings nicht verstummt. Fischer und
12Vgl.
Fickert/Meyer (Hrsg., 1995); Strunk (Hrsg., 1996); Weber (Hrsg., 2002); Kinkel/ Jung Erceg/Lay (Hrsg., 2003); Lange/Mackowiak/Völcker (Hrsg., 2004); Bruhn/Stauss (Hrsg., 2006); Gleich/Klein (Hrsg., 2010). 13Vgl. Zeitschrift Controlling, 20. Jg. (2008), Nr. 8/9; 25. Jg. (2013), Nr. 10. 14Vgl. im Einzelnen die Literaturanalyse in Teil 3, Abschnitt 3.3.2.2. 15Vgl. Weber (Hrsg., 2002), S. 115–116; Bruhn/Stauss (Hrsg., 2006), S. 485–502. 16Vgl. Becker/Rech (2014), S. 68–133, m.w.N. 17In Anlehnung an Zeithaml/Parasuraman/Berry (1985), S. 33, zum Dienstleistungsmarketing.
4
1 Dienstleistungscontrolling: Alles anders – oder doch gleich?
Meffert beanstanden bereits früh das Fehlen geschlossener Konzepte für das Controlling in Dienstleistungsunternehmen bzw. von Konzeptionen des Dienstleistungscontrollings.18 2006 stellte Reckenfelderbäumer in seiner Literaturanalyse fest, dass die wissenschaftliche Literatur des Dienstleistungscontrollings ihren Schwerpunkt auf spezielle Branchen und die Übertragung von Controllinginstrumenten auf den Dienstleistungsbereich legt, „es [.] jedoch an einem konzeptionellen Rahmen [fehlt], in den diese Partialansätze eingebunden werden könnten.“19 Zur gleichen Feststellung gelangen Borrmann, Möller/Schwab und Gleich/Petschnig/Schmidt im Hinblick auf das Controlling industrieller bzw. produktbegleitender Dienstleistungen.20 2014 identifizieren Becker/Rech bei der Bestandsaufnahme der Literatur einen gewissen Fortschritt der konzeptionellen Grundlagen des Dienstleistungscontrollings. Gleichwohl bekräftigten sie weiteren Forschungsbedarf hinsichtlich der konzeptionellen, theoretischen und empirischen Basis.21 Relevant ist das Thema Dienstleistungscontrolling nach wie vor in der Unternehmenspraxis, wie Forschungsergebnisse im Bereich der Servicetransformation belegen. In der Dienstleistungsforschung zählt die Servicetransformation zu den prominentesten Forschungsfeldern.22 Servicetransformation bezeichnet den Übergang eines Unternehmens vom reinen Produkthersteller zum Dienstleistungsanbieter bzw. Lösungsanbieter.23 Produzenten sehen sich im Zuge der Transformation zum Dienstleister konfrontiert mit Lokomotions-, Abstimmungs- und Informationsproblemen.24 Autoren berichten von Problemen der strategischen Dienstleistungsplanung25, des Performance Measurement26, der
18Vgl.
Fischer (2000), S. 3; Meffert (2001), S. 950–951. (2006), S. 45. 20Vgl. Borrmann (2003), S. 32; Möller/Schwab (2008), S. 32; Gleich/Petschnig/Schmidt (2010), S. 35–36. 21Vgl. Becker/Rech (2014), S. 254–263. 22Vgl. Ostrom et al. (2010), S. 7–9; Kunz/Hogreve (2011), S. 244; Gebauer/Saul (2014), S. 229; Oliveira/Mendes/Rozenfeld (2015), S. 114; Ostrom et al. (2015), S. 132–134; Benkenstein et al. (2017), S. 15–16. 23Vgl. Bruhn/Hadwich (2016), S. 7. 24Vgl. Engelhardt/Schnittka (2001), S. 933–935; Kinkel (2003), S. 3–7; Engelhardt/ Reckenfelderbäumer (2006), S. 231–240. Zu den Funktionen des Controllings vgl. Becker (1999), S. 7–10. 25Vgl. Neu/Brown (2005), S. 13; Auguste/Harmon/Pandit (2006), S. 42–43. 26Vgl. Brax (2005), S. 152; Harmon/Hensel/Lukes (2006), S. 31–32. 19Reckenfelderbäumer
1.2 Forschungskonzeption
5
Notwendigkeit neuer Preis- und Finanzierungsmodelle27, Fehlentscheidungen aufgrund der Vernachlässigung von Zusammenhängen28, inkompatibler Anreizsysteme von Produkt- und Dienstleistungsgeschäft29 und Nichtbeachtung der Kosten30. Insofern ist es nachvollziehbar, wenn Meffert und Bruhn „leistungsfähigeren Ansätzen des Dienstleistungscontrolling [sic!] [.] in der Zukunft entscheidende Bedeutung“31 beimessen und von „erhebliche[m] Forschungs- und Präzisierungsbedarf“32 in Bezug auf das Dienstleistungscontrolling sprechen.
1.2 Forschungskonzeption Wissenschaftliche Forschung lässt sich als Prozess begreifen.33 Im Forschungsprozess kommt dem Forscher die Aufgabe zu, bestehendes Wissen zu überprüfen sowie zielgerichtet und systematisch nach neuen Erkenntnissen zu einem Forschungsgebiet zu suchen. Der Forscher baut auf dem bisherigen Forschungsstand auf und setzt wissenschaftliche Methoden zur Erkenntnisgewinnung ein. Sowohl den Forschungsprozess als auch seine Ergebnisse dokumentiert der Forscher auf nachvollziehbare Weise.34 Ausgehend von diesem Grundverständnis wissenschaftlicher Forschung nach Döring/Bortz, wird in Abschnitt 1.2 die Forschungskonzeption ausgearbeitet. Unter Forschungskonzeption wird die Gesamtheit aller Entscheidungen über den Forschungsgegenstand (Abschnitt 1.2.1), die Forschungsziele (Abschnitt 1.2.2), die Auswahl der Forschungsmethoden (Abschnitt 1.2.3) und die Art und Weise des Vorgehens (Abschnitt 1.2.4) verstanden.35 Rudolph spricht in diesem Zusammenhang von „zeitlich und inhaltlich nicht irrelevanten Vorarbeiten“36 für den eigentlichen Forschungsprozess.
27Vgl.
Homburg/Fassnacht/Guenther (2003), S. 50–51; Dachs et al. (2014), S. 20. Wise/Baumgartner (1999), S. 135–136. 29Vgl. Brax (2005), S. 151; Neu/Brown (2005), S. 12. 30Vgl. Münkhoff (2013), S. 4–5, 168. 31Meffert/Bruhn (2009), S. 461. 32Bruhn/Meffert (2012), S. 727. 33Vgl. Helfrich (2016), S. 3–4. 34Vgl. Döring/Bortz (2016), S. 7. 35Vgl. Töpfer (2012), S. 24–25; früher bereits Amshoff (1993), S. 9. 36Rudolph (2007), Sp. 548. 28Vgl.
6
1 Dienstleistungscontrolling: Alles anders – oder doch gleich?
1.2.1 Dienstleistungscontrolling als Forschungsgegenstand Forschungsgegenstand ist das Dienstleistungscontrolling, d. h. die erfolgsorientierte Planung, Steuerung und Kontrolle von Dienstleistungen. Dienstleistungen kommen in der Realität in vielen verschiedenen Facetten vor.37 Entsprechend vielschichtig gestaltet sich das Controlling im Kontext unterschiedlicher Dienstleistungsbranchen und betrieblicher Dienstleistungsfunktionen.38 Eine spezielle Betrachtung des Dienstleistungscontrollings erfordert zunächst seine Eingrenzung und Spezifikation.39 Wie in Abschnitt 1.1 skizziert, konzentriert sich die Literatur auf das Controlling in Dienstleistungsbetrieben, das Controlling von betrieblichen Dienstleistungsfunktionen und die Applikation von Controllinginstrumenten auf Dienstleistungsbereiche. Weniger untersucht sind die Gemeinsamkeiten des Controllings in allen Dienstleistungsbereichen. Forschungsgegenstand ist das allgemeine Dienstleistungscontrolling, d. h. dasjenige Dienstleistungscontrolling, das sich von Branchen- und Funktionsbezügen löst.40 Ein solches Controlling rückt die leistungsbezogenen Dienstleistungseigenschaften, wie permanente Bereitstellung der Leistungspotenziale, Mitwirkung des Kunden in der Leistungserstellung und Immaterialität des Outputs, sowie durch sie ausgelöste Lokomotions-, Abstimmungs- und Informationsprobleme in den Mittelpunkt der Betrachtung.41 Forschungsgegenstand ist nicht das spezielle Dienstleistungscontrolling: Weder das Controlling in Hotels, Banken, Versicherungen, Krankenhäusern, Unternehmensberatungen, Hochschulen noch das Controlling der betrieblichen IT, Instandhaltung, des Gebäudemanagements, des Fuhrparks oder der Logistik sind Gegenstand der Analyse. Forschungsgegenstand sind nicht einzelne Instrumente des Dienstleistungscontrollings: Nicht Balanced Scorecard (BSC), Target Costing, Time-Driven Activity-Based Costing,
37Vgl.
Kleinaltenkamp (2001), S. 41–45. Bruhn/Meffert (2012), S. 724; Becker/Rech (2014), S. 53–57. 39Vgl. Rudolph (2007), Sp. 548–549, allgemein zur Eingrenzung des Forschungsproblems. 40Wenn im Folgenden ohne Zusatz von Dienstleistungscontrolling gesprochen wird, ist immer das allgemeine bzw. leistungsbezogene Dienstleistungscontrolling gemeint. 41Vgl. Becker/Rech (2014), S. 142–164. Zur Fruchtbarkeit einer leistungsbezogenen Betrachtungsweise des Dienstleistungscontrollings s. Schäffer/Weber (2002), S. 7, 12; Reckenfelderbäumer (2006), S. 40–41; Becker/Rech (2014), S. 57; mit Bezug zum Dienstleistungsmanagement s. Corsten (2001), S. 58; Stauss (2007), Sp. 296–297. 38Vgl.
1.2 Forschungskonzeption
7
Data Envelopment Analyse (DEA) oder Service Blueprinting werden im Detail analysiert. Untersucht wird die funktionale, institutionale und instrumentale Gestaltung des Dienstleistungscontrollings auf der Grundlage spezifischer Controllingziele.42 Untersuchungsgegenstand ist das Controlling des Dienstleistungsanbieters, nicht das Controlling des Nachfragers der Dienstleistung. Insoweit wird in der Analyse vorrangig eine Anbietersicht eingenommen. Das Forschungsobjekt Dienstleistungscontrolling wird aus der Perspektive der Betriebswirtschaftslehre untersucht. In der Betriebswirtschaftslehre haben insbesondere Dienstleistungsmarketing und Dienstleistungsmanagement Ansätze des Dienstleistungscontrollings entwickelt: „Ansätze des Dienstleistungscontrolling [sic!] stammen weniger aus dem Controllingbereich, sondern sind das Ergebnis konzeptioneller Überlegungen aus anderen Wissenschaftsdisziplinen wie dem Marketing oder auch der Produktionswirtschaft.“43 Unbeschadet der Forschungsergebnisse beider Disziplinen dürfte unstrittig sein: Das Controlling von Dienstleistungen ist ein Teilgebiet des Controllings und fällt in dessen Verantwortung als akademische Disziplin.44 Der Forschungsgegenstand Dienstleistungscontrolling wird deshalb unter dem Blickwinkel des betriebswirtschaftlichen Teildisziplin Controlling betrachtet.
1.2.2 Forschungsziel: Konzeptionelle, theoretische und empirische Fundierung Die Vertreter der Betriebswirtschaftslehre interpretieren die Betriebswirtschaftslehre überwiegend als angewandte Realwissenschaft.45 Damit kommt zum Ausdruck, dass die Wissenschaftsziele der Betriebswirtschaftslehre nicht
42Vgl.
Schweitzer/Friedl (1992), S. 142; Ossadnik (2009), S. 31–34. (2012), S. 727. 44Zur Akzeptanz des Controllings in Wissenschaft und Praxis s. Küpper/Wagenhofer (Hrsg., 2002), S. X; Weber/Hirsch (Hrsg., 2002), S. V–VIII; Küpper (2007a), S. 738; Küpper et al. (2013), S. 3–5; Becker/Baltzer/Ulrich (2014), S. 13–33; Horváth/Gleich/ Seiter (2015), S. 15–29. 45Vgl. Fülbier (2004), S. 267; Schauenberg (2005), S. 54–55; Köhler/Küpper/Pfingsten (2007), Sp. 137–138; Schreyögg (2007), S. 150–153; Wöhe/Döring (2013), S. 4–5; Schweitzer/Schweitzer (2015a), S. 25. Zur Kontroverse zwischen anwendungs- und theorieorientierter Ausrichtung der Betriebswirtschaftslehre s. Behrens (1993), Sp. 4768– 4770. 43Bruhn/Meffert
8
1 Dienstleistungscontrolling: Alles anders – oder doch gleich?
ausschließlich darin bestehen, einen Erkenntnisfortschritt zu erzielen (kognitives Wissenschaftsziel), sondern auch in der Anwendung dieser Erkenntnisse zur Lösung praktischer Probleme liegen (praktisches Wissenschaftsziel).46 Beiden Zielen trägt die Forschungskonzeption Rechnung. Bei der Festlegung der Ziele ist der Ausgangszustand des Forschungsobjektes Dienstleistungscontrolling zu beachten: Heute sind weder die konzeptionelle, theoretische, noch die empirische Basis des Dienstleistungscontrollings ausreichend erforscht.47 Dem kognitiven Wissenschaftsziel wird insofern entsprochen, als die Forschungsarbeit das bisherige Wissen um den Erkenntnisgegenstand Dienstleistungscontrolling systematisch zusammenträgt und kritisch überprüft. Neues Wissen wird gewonnen, indem aufbauend auf dem aktuellen Forschungsstand eine Konzeption für das Dienstleistungscontrolling entwickelt wird, welche die konzeptionelle und theoretische Basis des Dienstleistungscontrollings fundiert. Außerdem wird das Wissen um die empirische Basis verbreitert, in dem der Umsetzungsstand des Dienstleistungscontrollings in der Unternehmenspraxis erhoben wird. Das praktische Wissenschaftsziel berücksichtigt die Arbeit dadurch, dass Unternehmen die entworfene Konzeption bei der Implementierung des Dienstleistungscontrollings in der Praxis als Orientierungsrahmen handlungsleitend nutzen können.48 Anderseits werden – basierend auf der Konzeption und den empirischen Ergebnissen – praktisch-normative Aussagen zur Gestaltung und Weiterentwicklung des Dienstleistungscontrollings in der Praxis abgeleitet.49 Mit den beiden Wissenschaftszielen beabsichtigt das Forschungsvorhaben einen Beitrag zur konzeptionellen, theoretischen und empirischen Fundierung des Dienstleistungscontrollings in der Betriebswirtschaftslehre zu leisten. Drei Forschungsfragen stehen im Zentrum der Analyse: (1) Welchen Forschungsstand hat die wissenschaftliche Literatur auf dem Gebiet des Dienstleistungscontrollings erreicht?
46Vgl.
Schanz (2004), S. 85–90; Neus (2013), S. 12–14. Becker/Rech (2014), S. 254–263, m.w.N. 48Zur praktischen Funktion von heuristischen Bezugsrahmen vgl. Kubicek (1977), S. 17–18; zur Funktion von Controllingkonzeptionen als Orientierungsrahmen vgl. Scherm/ Pietsch (2004), S. 8. 49Zur praxeologischen Aufgabe von Gestaltungsempfehlungen auf Basis des empirischen Wissens und Controllingkonzeptionen vgl. Horváth/Gleich/Seiter (2015), S. 35. 47Vgl.
1.2 Forschungskonzeption
9
(2) Wie muss eine dienstleistungsspezifische Controllingkonzeption gestaltet sein, die sich von Branchen- und Funktionsbezügen löst und auf gemeinsamen konzeptionellen und theoretischen Grundlagen fußt? (3) Wie hat sich das Dienstleistungscontrolling in der Unternehmenspraxis entwickelt und welche Empfehlungen leiten sich aus der Konzeption für die Gestaltung des Dienstleistungscontrollings in der Praxis ab?
1.2.3 Forschungsmethoden: Literaturreview, Konzeptualisierung, Feldstudie Eine Forschungsmethode ist ein systematisches Verfahren der Erkenntnisgewinnung bzw. Problemlösung, das nach definierten Verfahrensregeln abläuft, dessen Verfahrensschritte intersubjektiv nachvollziehbar sind und für das intersubjektiv geprüft werden kann, ob die Ergebnisse durch die richtige Anwendung der Methode entstanden sind.50 Grundsätzlich ist in der Controllingforschung jede wissenschaftliche Methode einsetzbar.51 Zentrales Forschungsziel der Arbeit ist die Gestaltung einer Konzeption für das Dienstleistungscontrolling. Controllingkonzeptionen können deduktiv, induktiv oder durch Kombination der beiden Methoden hergeleitet werden.52 Becker schlägt für den Entwurf einer Controllingkonzeption ein kombiniertes Vorgehen aus theoriebasierter Deduktion und empiriebasierter Induktion vor, das er als Forschung im Gegenstrom bezeichnet (vgl. Abbildung 1.1).53 Der Forschungsprozess orientiert sich an der Forschung im Gegenstrom nach Becker. Er geht deduktiv und induktiv vor.54 Übertragen auf das Dienstleistungscontrolling bedeutet dies, dass die Konzeption des Dienstleistungscontrollings im Wechselspiel von deduktiver und induktiver Vorgehensweise zu entwickeln
50Vgl.
Wild (1975), Sp. 2654–2655. Brockhoff (2002), S. 459. 52Vgl. Scherm/Lindner (2016), S. 29–32. 53Vgl. Becker (1990), S. 296; Becker/Baltzer (2010), S. 2–3; Becker/Baltzer/Ulrich (2014), S. 52; EKAM (2016a); Becker (2017), S. 30. Weitere Controllingvertreter der Forschung im Gegenstrom sind: Ossadnik (2009), S. 5, 8–13; Horváth/Gleich/Seiter (2015), S. 35, 59; Reichmann/Kißler/Baumöl (2017), S. 5–6. 54Deduktion ist das logische Schließen von allgemeinen Sätzen (Axiomen, Prämissen) auf besondere Sätze (Konklusionen, Theoreme), Induktion das logische Schließen von besonderen (Einzelbeobachtungen) auf allgemeine Sätze (Hypothesen, Theorien). Vgl. Wild (1975), Sp. 2660, 2666. 51Vgl.
10
1 Dienstleistungscontrolling: Alles anders – oder doch gleich?
ist: Erkenntnisse des Dienstleistungscontrollings sind aus der betriebswirtschaftlichen Theorie zu deduzieren und aus der betriebswirtschaftlichen Praxis zu induzieren.55 Durch Verknüpfung der nominalen und realen Perspektive zu einer integrierten Sichtweise gelangt man zu neuem Wissen über das Forschungsobjekt. Um eine eigenständige Funktion in der Betriebswirtschaftslehre zu begründen, müssen Controllingkonzeptionen nach Küpper drei Anforderungen erfüllen.56 Sie müssen eine eigenständige Problemstellung behandeln, theoretisch fundiert sein und sich in der Praxis bewähren. Scherm/Lindner detaillieren die Anforderungen von Küpper weiter aus (vgl. Abbildung 1.2).57 Unter anderem geben sie zu bedenken, dass die drei Anforderungen in einem Spannungsverhältnis stehen. Beispielsweise könne man bei Konzeptionen, die neuartige Problemstellungen erforschen, nicht zwangsläufig von einer Bewährung in der Praxis ausgehen.58 In Bezug auf das Dienstleistungscontrolling ist dieses Spannungsverhältnis besonders ausgeprägt, da weder seine konzeptionelle, theoretische, noch seine empirische Basis ausreichend erforscht sind. Wie die Forschungskonzeption die Anforderungen bei der konzeptionellen, theoretischen und empirischen Fundierung des Dienstleistungscontrollings berücksichtigt und dabei deduktives und induktives Vorgehen kombiniert, wird nachstehend erläutert. Deduktives Vorgehen kennzeichnet die Begriffslehre.59 Dienstleistung und Controlling gehören zu den schillerndsten Begriffen der Betriebswirtschaftslehre.60 Die Begriffsvielfalt erschwert die Diskussion zum Thema Dienstleistungscontrolling.61 Umso wichtiger ist es, in einem ersten Schritt zu einem einheitlichen Begriffsverständnis der Begriffe Dienstleistung, Controlling und
55Zur
Deduktion und Induktion sowie ihren Vor- und Nachteile s. mit Bezug zur Betriebswirtschaft Wild (1975), Sp. 2660–2663, 2666–2667; Raffée (1993), S. 15–25; Schneider (2001), S. 325–334; Schweitzer/Schweitzer (2015b), S. 12–14; Helfrich (2016), S. 29–32; mit Bezug zur Controllingforschung s. Zenz (1998), S. 28–33; Wall (2008), S. 469–470; Küpper et al. (2013), S. 12–15. 56Vgl. Küpper (1987), S. 84–86; ders. (1988), S. 163–164; Küpper et al. (2013), S. 10–11. 57Vgl. Scherm/Lindner (2016), S. 35–37, i.V.m. Ahn (2003), S. 30. 58Vgl. Scherm/Lindner (2016), S. 36. 59Zur Begriffslehre s. Chmielewicz (1994), S. 43–79. 60Zum Controllingbegriff vgl. Zenz (1998), S. 28; zum Dienstleistungsbegriff vgl. Engelhardt/Kleinaltenkamp/Reckenfelderbäumer (1993), S. 398–404; Kleinaltenkamp (2001), S. 29. 61Vgl. Reckenfelderbäumer (2006), S. 34.
1.2 Forschungskonzeption
11
Dienstleistungscontrolling zu gelangen. Hierzu werden die Forschungsmethoden der Definition und Klassifizierung eingesetzt.62 Bezugsrahmen der Theorie Deduktion
eigenständiges Problem theoretische Fundierung
nominale Perspektive
bewährte Umsetzung
Controllingkonzeption reale Perspektive
situativ geprägter Interpretationsspielraum
Induktion Bezugsrahmen der Praxis
Abbildung 1.1 Forschung im Gegenstrom nach Becker. (Quelle: Becker (2009), S. 34, auf Basis von Becker (1990), S. 296)
Induktiv geht die Literaturanalyse vor.63 Ziel der Literaturanalyse ist es, den aktuellen Forschungsstand des Dienstleistungscontrollings zu erheben und Forschungslücken zu identifizieren.64 Die Resultate der Literaturanalyse fließen in die Konzeptualisierung des Dienstleistungscontrollings ein. Sie geben Hinweise auf die thematische und theoretische Gestaltung der Konzeption. Aus vorhandenen Untersuchungen zur empirischen Basis des Dienstleistungscontrollings lassen sich Gestaltungshinweise für das empirische Untersuchungsdesign der eigenen Arbeit gewinnen.
62Zu
den Methoden vgl. Schweitzer/Schweitzer (2015b), S. 11–12. Literaturstudium als Erkenntnisquelle s. Kornmeier (2007), S. 107–137. 64Döring/Bortz (2016), S. 186, bezeichnen Literaturreviews als Theoriestudien: „Die Theoriestudie […] präsentiert und bewertet auf der Basis einer Literaturrecherche den Forschungsstand.“ 63Zum
12
1 Dienstleistungscontrolling: Alles anders – oder doch gleich?
Anforderungen an Controllingkonzeptionen
eigenständige Problemstellung
theoretische Fundierung
Vermeidung von Usurpation Vermeidung von Dilettantismus Identifikation eines Problems und Vorschlag einer Lösungsidee Konsistenz und Widerspruchsfreiheit der Aussagen
Übereinstimmung mit Controlleraufgaben Bewährung in der Praxis Lösung praktischer Probleme
Abbildung 1.2 Anforderungen an Controllingkonzeptionen. (Quelle: Scherm/Lindner (2016), S. 36, mit Bezug zu Küpper (1987), S. 84–86; Ahn (2003), S. 30)
Ein deduktives Vorgehen wendet der Forschungsprozess in Bezug auf die wertschöpfungsorientierte Controllingkonzeption an.65 In der Literatur wird mehrheitlich die Meinung vertreten, dass es für die erfolgsorientierte Unternehmenssteuerung von Dienstleistungen nicht notwendig ist, das Dienstleistungscontrolling von Grund auf neu zu konzipieren.66 Stattdessen werden allgemeine Controllingkonzeptionen auf die Besonderheiten von Dienstleistungen übertragen.67 Der Forschungsprozess folgt dieser Praktik. Die meisten der etablierten allgemeinen Controllingkonzeptionen wurden vor mehr als 20 Jahren ent-
65Zur
wertschöpfungsorientierten Controllingkonzeption s. Becker (1999); Becker/Baltzer (2010), S. 12–21; Becker/Baltzer/Ulrich (2014), S. 49–62; Becker (2017), S. 55–74, 86–90. 66Vgl. Engelhardt/Schnittka (2001), S. 935; Corsten/Gössinger (2004), S. 328, 336; Bruhn/ Stauss (2006), S. 27; Bruhn (2008), S. 412; Becker/Rech (2013), S. 515; Corsten/Corsten (2013), S. 444. 67Vgl. Becker/Rech (2013), S. 515, 520; Becker/Rech (2014), S. 135–138, 177, 258, m.w.N.
1.2 Forschungskonzeption
13
wickelt.68 In ihrer Entwicklungshistorie konnten sie mehrfach den Beweis antreten, ob sie den Anforderungen von Küpper standhalten.69 Die Komponenten des Dienstleistungscontrollings werden deshalb hier aus einer allgemeinen Controllingkonzeption deduziert. Die spezifischen Probleme des Dienstleistungscontrollings legen es nahe, ihm ein weites Aufgabengebiet zuzuweisen, was eine Konzeption mit weitem Funktionsumfang erfordert.70 Als Deduktionsbasis für die Komponenten des Dienstleistungscontrollings wird die wertschöpfungsorientierte Controllingkonzeption ausgewählt. Die wertschöpfungsorientierte Controllingkonzeption zählt zu den Konzeptionen mit dem größten Funktionsumfang.71 In gleicher Weise deduktiv geht der Forschungsprozess bei der Anforderung der eigenständigen Problemstellung vor. Eine eigenständige Problemstellung des Controllings verlangt die Abgrenzung seiner Funktion und die wissenschaftliche Spezialisierung, andernfalls sind Usurpation und Dilettantismus die Folge.72 Eine eigenständige Problemstellung liegt vor, wenn die Aufgaben, die das Controlling unter seiner Funktion bündelt, von keiner anderen betriebswirtschaftlichen Funktion wahrgenommen werden.73 Kernfunktion des Controllings in der wertschöpfungsorientierten Controllingkonzeption ist die Lokomotion.74 Die
68Einen
Überblick verschiedener Controllingkonzeptionen vermitteln die Sammelrezensionen von Günther/Niepel (2000); Wall (2008); sowie die Sammelbände von Weber/ Hirsch (Hrsg., 2002); Scherm/Pietsch (Hrsg., 2004). 69Die wertschöpfungsorientierte Controllingkonzeption konnte bereits mehrfach erfolgreich auf speziellere Konzeptionen übertragen werden: TV-Sender: Geisler (2001); Wohnungsunternehmen: Fuchs (2005); Shared Service Center: Becker/Kunz/Meyer (2009); Becker/ Ulrich/Eggeling (2013); Callcenter: Becker et al. (2010); Handel: Ebner (2015). Zur Bewertung inwieweit die wertschöpfungsorientierte Controllingkonzeption die drei Anforderungen von Küpper erfüllt s. Becker/Baltzer/Ulrich (2014), S. 67–68; Baltzer/ Ulrich (2019), S. 112–117. 70Vgl. Bruhn (2008), S. 405; sowie die ausführliche Begründung bei Becker/Rech (2014), S. 176–179. 71Vgl. Becker/Baltzer (2009), S. 26–27. 72Vgl. Scherm/Lindner (2016), S. 35, sowie Abbildung 1.2. 73Vgl. Küpper et al. (2013), S. 10–11. 74Die Lokomotionsfunktion des Controllings besteht darin, den Wertschöpfungskreislauf der Führungsgrößen Erfolgspotenzial, Erfolg und Liquidität anzustoßen und permanent in Gang zu halten. Dies geschieht mit dem Ziel, die Existenz der Unternehmung langfristig zu sichern. Neben dieser primären Funktion des Controllings unterscheidet Becker mit der Abstimmungs- und Informationsfunktion zwei derivative Funktionen des Controllings. Vgl. Becker (1999), S. 4–7; Becker/Baltzer (2010), S. 13–16; Becker/Baltzer/Ulrich (2014), S. 56–60; Becker (2017), S. 72, 86, 88–90, 109–110.
14
1 Dienstleistungscontrolling: Alles anders – oder doch gleich?
Lokomotion kommt keiner anderen betriebswirtschaftlichen Funktion zu.75 Durch die Wahl der wertschöpfungsorientierten Controllingkonzeption als Deduktionsbasis für die Elemente des Dienstleistungscontrollings sollte die Anforderung damit bereits erfüllt sein. Jedoch wird die Anforderung in Bezug auf Dienstleistungen weiter ausgelegt. Eigenständige Problemstellung meint, zusätzlich zu der Anforderung von Küpper, dass die Elemente des Controllings auf die speziell bei Dienstleistungen auftretenden Lokomotions-, Abstimmungs- und Informationsprobleme ausgerichtet werden. Sprachlich präziser wäre es, neben der eigenständigen Problemstellung, von der zusätzlichen Anforderung einer problemorientierten Gestaltung des Dienstleistungscontrollings zu sprechen. Um dieser Anforderung nachzukommen, werden die Problemfelder des Dienstleistungscontrollings aus der Literatur deduziert. Die Anforderung der theoretischen Fundierung des Dienstleistungscontrollings wird ebenso durch Deduktion realisiert. Sie besagt, dass Controllingkonzeptionen auf Basis von Theorien76 Lösungsideen für spezifische Probleme des Controllings entwickeln müssen.77 Scherm/Pietsch stellen mit Blick auf die Controllingforschung fest, dass die theoretische Fundierung des Controllings vor allem darauf beruht, Aussagen bestehender Theorien auf den Gegenstandsbereich des Controllings zu übertragen und weniger in der Entwicklung neuer Theorien.78 Das gilt auch für die wertschöpfungsorientierte Controllingkonzeption.79 Man könnte geneigt sein zu denken: Mit der Verwendung einer allgemeinen Controllingkonzeption als Deduktionsbasis – im vorliegenden Fall der wertschöpfungsorientierten Controllingkonzeption – ist gleichzeitig die Anforderung der theoretischen Fundierung des Dienstleistungscontrollings erfüllt. Becker/ Rech haben die theoretische Basis des Dienstleistungscontrollings anhand von
75Vgl.
Becker/Baltzer/Ulrich (2014), S. 67. einer (Real-)Theorie ist ein wissenschaftliches Aussagesystem zu verstehen, das aus Gesetzesaussagen (nomologische Hypothesen) über empirisch beobachtbare Sachverhalte (empirische Regelmäßigkeiten) besteht und explanatorische und prognostische Funktionen erfüllt. Vgl. Wild (1976), Sp. 3890–3891; ähnlich Chmielewicz (1994), S. 11. 77Vgl. Küpper et al. (2013), S. 10–11; Scherm/Lindner (2016), S. 35. 78Vgl. Scherm/Pietsch (2004), S. 10. 79Becker (1990), S. 296–306, entwirft sein Grundraster eines Controllingsystems auf Basis der Systemtheorie. Vgl. auch Becker/Baltzer/Ulrich (2014), S. 67: „eine deduktive, in ihrem Ursprung systemtheoretisch-kybernetische Argumentation“. 76Untern
1.2 Forschungskonzeption
15
theoretisch-konzeptionellen Arbeiten ergründet.80 Sie sind dabei zum einen auf system- und entscheidungstheoretische Ansätze gestoßen, die aus den zugrundeliegenden allgemeinen Controllingkonzeptionen resultieren. Zum anderen haben sie festgestellt, dass – bis auf einzelne Ausnahmen – die Arbeiten keine Dienstleistungstheorien verwenden, um den Objektbereich des Dienstleistungscontrollings (z. B. die Kunden-Mitarbeiter-Interaktion) in seinen steuerungsrelevanten Zusammenhängen zu erklären. Verhaltensorientierte Theorien fanden sie kaum vor, weder ökonomische noch verhaltenswissenschaftliche, trotz der hohen Bedeutung von Kunden und Mitarbeitern bei Dienstleistungen.81 Angesichts dieses desolaten Zustandes der theoretischen Basis des Dienstleistungscontrollings reicht eine bloße theoretische Fundierung über eine allgemeine Controllingkonzeption nicht aus. Die theoriebildende Aufgabe besteht darin, über die theoretische Basis der zugrundeliegenden allgemeinen Controllingkonzeption hinaus, weitere Theorien zu bewerten und auszuwählen, die geeignet erscheinen, Lösungsideen für die Problemfelder des Dienstleistungscontrollings zu entwickeln. Die dritte Anforderung an Controllingkonzeptionen wird induktiv umgesetzt.82 Mit der Anforderung der Bewährung in der Praxis möchte Küpper sicherstellen, dass die deduktiv abgeleiteten Aufgaben des Controllings mit den Aufgaben des Controllings in der Praxis korrespondieren bzw. Theorie und Praxis sich nicht zu weit voneinander entfernen.83 Ansonsten verliert die Controllingkonzeption ihren Anwendungsbezug. Darin liegt die Gefahr des reinen deduktiven Vorgehens.84 Reine Induktion leitet die Funktionen des Controllings aus den Aufgaben von Controllern empirisch her („Controlling ist, was Controller tun“). Eine auf diese Weise hergeleitete Controllingkonzeption würde zwar die
80Vgl.
Becker/Rech (2014), S. 164–168, 256, 261. herausragenden Bedeutung der Verhaltenssteuerung von Kunden und Mitarbeitern in der Dienstleistungserstellung s. Küpper (1998), S. 380; Corsten/Gössinger (2004), S. 328. 82Wegen der fehlenden Eigenschaft der Induktion, allgemeine Aussagen zu begründen, wird sie in dieser Arbeit nicht als Begründungsmethode, sondern in ihrer heuristischen Funktion als Entdeckungsmethode zur Gewinnung von Hypothesen benutzt. Vgl. Raffée (1993), S. 15–16. Zum Induktionsproblem vgl. Popper (2005), S. 3–6, 16–19. 83Vgl. Küpper et al. (2013), S. 11. 84Vgl. Ossadnik (2009), S. 12–13. 81Zur
16
1 Dienstleistungscontrolling: Alles anders – oder doch gleich?
dritte Anforderung erfüllen. Rein induktives Vorgehen birgt aber die Gefahr, Controllingaufgaben von nicht als Controlling bezeichneten Abteilungen und Stellen (z. B. Managern, Stäben) zu übersehen und Aufgabengebiete dem Controlling zuzuweisen, die im Gegenstandsbereich anderer betriebswirtschaftlicher Funktionen liegen (z. B. Planung, Kontrolle, Rechnungswesen).85 Diskrepanzen zwischen reiner Deduktion und reiner Induktion entstehen dadurch, dass die reine Deduktion das Controlling funktional im Theoriegebäude der Betriebswirtschaftslehre – innerhalb der Führungsfunktion – errichtet und die reine Induktion das Controlling institutional in den Controllingorganisationen der Praxis verortet.86 Um beide Sichten in Einklang zu bringen, wird im Sinne der Forschung im Gegenstrom eine empirische Studie durchgeführt. Sie macht den Umsetzungsstand des Dienstleistungscontrollings in der Praxis transparent. Die daraus gewonnenen Erkenntnisse stellen sicher, dass sich die Konzeption im Kernbereich dessen bewegt, was die Praxis unter Dienstleistungscontrolling versteht.87 Sie deckt außerdem etwaige Anpassungserfordernisse der Konzeption auf.88 Des Weiteren bedeutet die Anforderung der Bewährung in der Praxis, dass die Konzeption dazu beiträgt, praktische Probleme zu lösen.89 Um diesem Aspekt nachzukommen, werden auf der Grundlage des Vergleichs der Konzeption mit der Unternehmenspraxis, Empfehlungen zur praktischen Weiterentwicklung des Dienstleistungscontrollings gegeben.
1.2.4 Deduktives und induktives Vorgehen Die Arbeit gliedert sich in sechs Teile. Die Struktur und die Vorgehensweise der Arbeit sowie die Beziehungen der Teile zueinander illustriert die Abbildung 1.3. Die einzelnen Teile übernehmen im Forschungsprozesses explikative, deskriptive, theoriebildende und praxeologische Funktionen.90
85Vgl.
Küpper et al. (2013), S. 11–15. Scherm/Lindner (2016), S. 29–32; Reichmann/Kißler/Baumöl (2017), S. 5–6. 87Vgl. zu dieser Argumentation Küpper et al. (2013), S. 15. 88Durch die Rückkopplung der Praxis in die Konzeption ähnelt der Forschungsprozess einem Kreislauf von Deduktion-Induktion-Deduktion. Vgl. Töpfer (2012), S. 68. 89Vgl. Scherm/Lindner (2016), S. 36. 90Zu den Funktionen der Realwissenschaft vgl. Wild (1974), S. 161–162; ähnlich Chmielewicz (1994), S. 8–15, 17–18. Den Teilen der Arbeit kommen keine philosophischen Funktionen zu. 86Vgl.
1.2 Forschungskonzeption
17
Teil 2 greift die explikative Funktion auf. Er legt die terminologischen Grundlagen für alle weitergehenden Aussagen zum Gegenstandsbereich Dienstleistungscontrolling. In den Abschnitte 2.1, 2.2 und 2.3 werden nacheinander die Begriffe Dienstleistung, Controlling und Dienstleistungscontrolling erläutert. In Abschnitt 2.1 wird ferner auf charakteristische Eigenschaften der Dienstleistung eingegangen. Der Begriff Controlling wird in Abschnitt 2.2 wertschöpfungsorientiert gedeutet. Neben der Definition des Dienstleistungscontrollings werden in Abschnitt 2.3 verschiedene Arten des Dienstleistungscontrollings klassifiziert. Aus den Arten des Dienstleistungscontrollings wird das leistungsbezogene Dienstleistungscontrolling ausgewählt. Teil 3 übernimmt eine deskriptive Funktion. Er beantwortet die erste Forschungsfrage: Welchen Forschungsstand hat die wissenschaftliche Literatur auf dem Gebiet des Dienstleistungscontrollings erreicht? Zur Beantwortung der Forschungsfrage wird eine systematische Literaturanalyse durchgeführt. In Abschnitt 3.1 werden Forschungsziele abgesteckt und Forschungsfragen formuliert. In Abschnitt 3.2 wird die eigene von bisherigen Literaturanalysen abgegrenzt. Die methodische Vorgehensweise beschreibt Abschnitt 3.3. Suchbegriffe werden bestimmt, Literaturquellen und Datenbanken ausgewählt und ein Kategoriensystem entworfen. In Abschnitt 3.4 werden die Ergebnisse entlang den Analysedimensionen Publikationstätigkeit, thematische Schwerpunkte, Forschungsmethoden, theoretische und empirische Fundierung vorgestellt. In Abschnitt 3.5 werden die Ergebnisse mit denen bisheriger Literaturanalysen verglichen. Schließlich wird in Abschnitt 3.6 ein Fazit zum Stand der Forschung des Dienstleistungscontrollings gezogen und auf Limitationen der Literaturanalyse hingewiesen. Teil 4 ist der zentrale Teil der Arbeit. Ihm sind theoriebildende und praxeologische Funktionen vorbehalten. Er geht der zweiten Forschungsfrage nach: Wie muss eine dienstleistungsspezifische Controllingkonzeption gestaltet sein, die sich von Branchen- und Funktionsbezügen löst und auf einem gemeinsamen theoretischen und konzeptionellen Fundament fußt? In Abschnitt 4.1 wird das Ziel der Konzeptualisierung des Dienstleistungscontrollings erläutert. Mit der Klärung des Begriffs der Controllingkonzeption und der Beschreibung der Bestandteile einer Controllingkonzeption beschäftigt sich Abschnitt 4.2. In Abschnitt 4.3 wird der konzeptionelle Bezugsrahmen für das Dienstleistungscontrolling entwickelt. Er integriert bisherige Bezugsrahmen. Es folgt in Abschnitt 4.4 der Entwurf des theoretischen Bezugsrahmens. In den theoretischen Bezugsrahmen werden Theorien aufgenommen, die Sach- und Verhaltensaspekte von Dienstleistungen erklären. Auf der Grundlage der wertschöpfungsorientierten Controllingkonzeption und den konzeptionellen und theoretischen Bezugsrahmen
18
1 Dienstleistungscontrolling: Alles anders – oder doch gleich?
werden anschließend in Abschnitt 4.5 die Elemente des Controllings dienstleistungsspezifisch gestaltet. Abschnitt 4.6 fasst die wesentlichen Aussagen der Konzeption zusammen und erläutert die Limitationen der Konzeptualisierung. 1
2
3
Dienstleistungscontrolling: Alles anders – oder doch gleich?
Dienstleistung und Controlling – schillernde Begriffe der Betriebswirtschaft
Dienstleistung
Dienstleistungscontrolling zwischen Ablehnung und Eigenständigkeit
4
Controlling
Dienstleistungscontrolling
Bestandsaufnahme der Literatur des Dienstleistungscontrollings
Forschungskonzeption: Gegenstand, Ziele, Methoden, Vorgehen
Entwurf der Konzeption des Dienstleistungscontrollings Funktionen des Controllings
Publikationstätigkeit
Konzeptionelle Fundierung
Thematische Schwerpunkte
Elemente des Dienstleistungscontrollings
Theoretische Basis Theoretische Fundierung
Empirische Basis Forschungsmethoden
Analyse des Umsetzungsstandes der Konzeption in der Praxis
5
6
Zusammenfassung
Umsetzungsstand der Elemente des Dienstleistungscontrollings
Kontextfaktoren
Gestaltungsempfehlungen
Ergebnisse und Limitationen
Anpassung der Konzeption
Implikationen für Wissenschaft und Praxis
Abbildung 1.3 Design der Forschungskonzeption. (Quelle: Eigene Darstellung)
Teil 5 befasst sich mit der dritten Forschungsfrage: Wie hat sich das Dienstleistungscontrolling in der Unternehmenspraxis entwickelt und welche Empfehlungen leiten sich aus der Konzeption für die Gestaltung des Dienstleistungscontrollings in der Praxis ab? Für diesen Zweck werden Primärdaten mittels schriftlicher Befragung auf Basis eines standardisierten Online-Fragebogens erhoben. Abschnitt 5.1 formuliert die Untersuchungsziele. In Abschnitt 5.2 werden bisherige empirische Studien zum Dienstleistungscontrolling kritisch gewürdigt und die eigene Studie davon abgegrenzt. Abschnitt 5.3 dokumentiert das methodische Vorgehen. Abschnitt 5.4 präsentiert und interpretiert den Umsetzungsstand einzelner Elemente des Dienstleistungscontrollings und exploriert Einflussfaktoren auf die Gestaltung des Dienstleistungscontrollings (deskriptive-explorative Funktion). Abschnitt 5.5 leitet
1.2 Forschungskonzeption
19
aus dem Vergleich der Konzeption mit der Praxis potenzielle Anpassungserfordernisse der Konzeption (theoriebildende Funktion) sowie Empfehlungen für die Umsetzung des Dienstleistungscontrollings in der Unternehmenspraxis (praxeologische Funktion) ab. Abschnitt 5.6 fasst den Stand des Dienstleistungscontrollings in der Praxis zusammen und geht auf Limitationen der empirischen Studie ein. Teil 6 resümiert in Abschnitt 6.1 die Ergebnisse und dokumentiert die Limitationen der Untersuchung. Abschnitt 6.2 bewertet die Implikationen der Ergebnisse für die Wissenschaft und Unternehmenspraxis und gibt Empfehlungen für zukünftige Forschungsprojekte.
2
Dienstleistung und Controlling – schillernde Begriffe der Betriebswirtschaft
In Teil 2 werden die Begriffe Dienstleistung (Abschnitt 2.1), Controlling (Abschnitt 2.2) und Dienstleistungscontrolling (Abschnitt 2.3) definiert.1 Chmielewicz bezeichnet Begriffe als die Bausteine von Aussagen.2 In diesem Sinne hängen die Aussagen zum Dienstleistungscontrolling entscheidend von den Begriffen Dienstleistung und Controlling ab.3 Für beide Begriffe ist die Ausgangssituation eine andere.4 Während sich beim Dienstleistungsbegriff ein pragmatischer Konsens in der Betriebswirtschaftslehre abzeichnet, sind alle Versuche der Konsensbildung des Controllingbegriffs bislang gescheitert.5 Das bedeutet: Für den Dienstleistungsbegriff ist zu entscheiden, ob der erreichte
1Zur
selben Definitionsreihenfolge vgl. Reckenfelderbäumer (2006), S. 34–39. Chmielewicz (1994), S. 9–10. 3Zur Bedeutung der Dienstleistungsdefinition für die Ableitung von Implikationen für das Dienstleistungsmarketing und das Dienstleistungsmanagement s. Kleinaltenkamp (2001), S. 29. Kleinaltenkamps Hinweise gelten analog für Controlling-Implikationen. 4Reckenfelderbäumer (2006), S. 34, behauptet, dass beide Begriffe weder eindeutig definiert seien, noch einheitlich verwendet würden. Für den Controllingbegriff ist diese Aussage zutreffend, nur bedingt jedoch für den Dienstleistungsbegriff. Das Problem des Dienstleistungsbegriffs ist weniger seine uneinheitliche Verwendung, als vielmehr seine eindeutige Abgrenzung. 5Vgl. Wall (2008), S. 464, 479; Scherm/Lindner (2016), S. 26; sowie Küpper/Weber/Zünd (1990) als wohl prominentester Versuch der Konsensbildung im Controlling. 2Vgl.
Elektronisches Zusatzmaterial Die elektronische Version dieses Kapitels enthält Zusatzmaterial, das berechtigten Benutzern zur Verfügung steht https://doi.org/10.1007/978-3-658-31326-5_2 © Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 S. Rech, Dienstleistungscontrolling, Unternehmensführung & Controlling, https://doi.org/10.1007/978-3-658-31326-5_2
21
22
2 Dienstleistung und Controlling – schillernde Begriffe …
Konsens verwendet wird oder ein alternativer Dienstleistungsbegriff. Für den Controllingbegriff ist eine Controllingkonzeption zu wählen, die einen für das Controlling von Dienstleistungen zweckmäßigen Controllingbegriff bereitstellt.6
2.1 Der Dienstleistungsbegriff Die Dienstleistung wird im Folgenden als Absatzobjekt betrachtet.7 Unter Absatzobjekt wird allgemein verstanden, „was ein Anbieter an Marktzufuhr und im Marktprozeß [sic!] leisten kann und will“.8 Darüber hinaus wird die Dienstleistung als Objekt des Controllings aufgefasst. Controllingobjekte können grundsätzlich alle der Wertsphäre vorgelagerten Objekte der betrieblichen Leistungssphäre sein.9 Hierzu zählen die Objekttypen Potenziale, Prozesse, Projekte, Produkte, Portfolios und Programme.10 Dienstleistungen kommen zustande, wenn Dienstleistungspotenziale vorgehalten werden und Dienstleistungsprozesse zielgerichtet ablaufen. Dienstleistungen tangieren somit mehrere Objekttypen des Controllings. Ausgehend von dem Verständnis der Dienstleistung als Absatz- und Controllingobjekt wird in den nächsten Abschnitten nach einem Dienstleistungsbegriff gesucht, der es erlaubt, Implikationen für das Controlling abzuleiten. Zu diesem Zweck und in Anbetracht der in Abschnitt 1.2.1 festgelegten betriebswirtschaftlichen Untersuchungsperspektive, werden ausschließlich betriebswirtschaftliche Dienstleistungsdefinitionen untersucht.11
6Wie
bereits in Abschnitt 1.2.3 erläutert, wird die wertschöpfungsorientierte Controllingkonzeption verwendet. Zu unterschiedlichen Controllingbegriffen in der Literatur des Dienstleistungscontrollings s. Becker/Rech (2014), S. 135–138, 176–179. 7Vgl. Rosada (1990), S. 25–27. 8Schneider (1997), S. 322 (kursiv im Original). 9Vgl. Becker (1997), S. 5–7, zu kostenpolitischen Objekttypen. 10Vgl. Becker (2007a), S. 72; ders. (2009), S. 26, 61, 115; Becker/Baltzer/Ulrich (2014), S. 87; Becker (2017), S. 127; zu weiteren Objekten des Controllings, wie betriebliche Elementarfunktionen, Querschnittsfunktionen, Branchen oder spezielle Unternehmenstypen s. Ossadnik (2009), S. 489–556. 11Zum Dienstleistungsbegriff in der Sozialwissenschaft s. Burr/Stephan (2006), S. 25–36; in der Rechtwissenschaft s. Vorbrugg/Berrar (1998); Klunzinger (2013), S. 527–553; in der Volkswirtschaftslehre s. Rück (2000), S. 23–174; Maleri/Frietzsche (2008), S. 8–13.
2.1 Der Dienstleistungsbegriff
23
2.1.1 Zum Konsens des Dienstleistungsbegriffs Nach kontroverser Diskussion hat sich in den letzten Jahren in der Betriebswirtschaftslehre ein pragmatischer Konsens zum Dienstleistungsbegriff herausgebildet. Der Konsens definiert die Dienstleistung über die beiden Merkmale der Immaterialität des Leistungsergebnisses und die Integrativität des Leistungserstellungsprozesses.12 So geben Köhler/Küpper/Pfingsten im Handwörterbuch der Betriebswirtschaftslehre zu Protokoll: „Das zentrale Merkmal von Dienstleistungen besteht neben ihrer Immaterialität darin, dass sie ohne das Objekt als externem Faktor, an dem der Dienst zu vollziehen ist, nicht zustande kommen.“13 Merklichen Anteil an der Konsensbildung haben die von Engelhardt mitbegründete Leistungslehre und der vielbeachtete Artikel von Engelhardt/ Kleinaltenkamp/Reckenfelderbäumer zu Leistungsbündeln als Absatzobjekte.14 Ausgehend von den Abgrenzungsproblemen von Sach- und Dienstleistungen entwickeln Engelhardt/Kleinaltenkamp/Reckenfelderbäumer eine umfassende Leistungstypologie, in die sich jedes Leistungsbündel nach dem Grad der Immaterialität des Ergebnisses und dem Grad der Integrativität des Prozesses einordnen lässt.15 Wie der heutige Konsens in der Literatur belegt, konnten sich die beiden Merkmale Immaterialität und Integrativität zur Kennzeichnung der Dienstleistung durchsetzen, nicht aber die mit der Leistungstypologie ursprünglich verbundene Intention, die Dichotomie von Sach- und Dienstleistungen durch den Verzicht auf das Begriffspaar zu überwinden. Ungeachtet der Abgrenzungsprobleme werden die Begriffe Sach- und Dienstleistung in Theorie und Praxis weiterhin verwendet. Allgemein wird unter Immaterialität des Dienstleistungsergebnisses die fehlende sinnliche bzw. physische Wahrnehmbarkeit der Dienstleistung verstanden.16 Die Dienstleistung „vermag die Sinne des Menschen, wie Tastsinn, Geschmack, Auge, Gehör nicht anzusprechen. Die Dienstleistung ist vielfach
12Vgl.
Rück (2000), S. 177–181; Stauss (2007), Sp. 295; Fließ (2009), S. 9–15; Corsten/ Gössinger (2015), S. 25–30; Meffert/Bruhn/Hadwich (2015), S. 30–35; Haller (2017), S. 7–9. 13Köhler/Küpper/Pfingsten (2007), Sp. 147 (im Original zum Teil kursiv). 14Vgl. Engelhardt (1966); Engelhardt/Kleinaltenkamp/Reckenfelderbäumer (1993); zum Einfluss der Leistungslehre von Engelhardt auf diese Entwicklung s. Benkenstein (2017). 15Vgl. Engelhardt/Kleinaltenkamp/Reckenfelderbäumer (1993), S. 415–418. Zur Kritik s. Schneider (1997), S. 325–327. 16Vgl. Engelhardt (1989), S. 279; Woratschek (1996), S. 60.
24
2 Dienstleistung und Controlling – schillernde Begriffe …
eine unkörperliche, also unsichtbare und ungreifbare, eine geistige Leistung, ein substanzloses Gut.“17 Synonym werden die Begriffe Intangibilität, Unstofflichkeit, Körperlosigkeit und Substanzlosigkeit verwendet.18 Das Merkmal der Integrativität drückt aus, dass es zur Herstellung einer Dienstleistung der Integration von externen Faktoren in den Prozess der Leistungserstellung bedarf.19 Externe Faktoren „sind Produktionsfaktoren, die dem Anbieter einer Leistung vom Nachfrager für eine begrenzte Zeit zur Verfügung gestellt werden und ohne die die Leistungserstellung nicht durchführbar wäre“.20 Synonyme Bezeichnungen für den externen Faktor sind externer Produktionsfaktor, Verfügungsobjekt, Objekt- oder Fremdfaktor.21 Externe Faktorarten können Personen, Sachen, Tiere, Pflanzen, Rechte, Nominalgüter und Informationen des Nachfragers sein.22 Synonym für Integrativität werden die Begriffe Integration des externen Faktors, Kundenintegration, Customer Integration, Kundenmitwirkung, Prosuming sowie Customer oder Client Participation verwendet.23 Beim Konsens handelt es sich weder um eine allgemeingültige, noch um eine eindeutige Abgrenzung der Dienstleistung von anderen Leistungen. Eindeutige Abgrenzungsversuche sind bislang gescheitert, weil keine exklusiven Merkmale für die Dienstleistung gefunden werden konnten, d. h. Merkmale, die sie als einzige Leistungsart kennzeichnen.24 Vielmehr gelten die Immaterialität und die Integrativität als konstitutive Merkmale der Dienstleistung, also Leistungseigenschaften, die in unterschiedlichem Umfang bei verschiedenen Leistungsarten
17Maleri
(1997), S. 97–98. Corsten (1985), S. 91, FN 3; Maleri (1997), S. 95–96. 19Vgl. Berekoven (1983), S. 23–24, 29–31; Meyer (1983), S. 21–23; Corsten (1985), S. 126–134; Forschner (1988), S. 40–43; Hilke (1989), S. 12; Engelhardt (1989), S. 280– 281; Rosada (1990), S. 23–25; Mengen (1993), S. 17–19; Helber (2007), Sp. 303; Maleri/ Frietzsche (2008), S. 104–108. 20Kleinaltenkamp (2007), Sp. 1038. 21Vgl. Corsten/Gössinger (2015), S. 45. 22Vgl. Rosada (1990), S. 15; Kleinaltenkamp (2007), Sp. 1037–1038; Maleri/Frietzsche (2008), S. 112–124. 23Vgl. Kleinaltenkamp (2007), Sp. 1038, m.w.N. 24Eindeutige Abgrenzungen der Dienstleistung sind nur mit exklusiven, nicht aber mit konstitutiven Merkmalen möglich. Vgl. Corsten (1985), S. 86; Rosada (1990), S. 11, 24; Rück (2000). S. 179 (FN 542), 189. 18Vgl.
2.1 Der Dienstleistungsbegriff
25
bzw. Leistungsbündeln auftreten, in besonders hohem Maße aber bei Dienstleistungen.25 Vor allem in der angloamerikanischen Literatur werden der Dienstleistung die IHIP-Eigenschaften zugeordnet: Immaterialität („Intangibility“), Heterogenität („Heterogeneity“), Simultanität von Produktion und Konsumption („Inseperability of Production and Consumptions“) und Nichtlagerfähigkeit („Perishability“).26 Kausal lassen sich diese Merkmale auf die Integrativität und die Immaterialität reduzieren.27 Lediglich ihnen wird Unabhängigkeit bescheinigt.28 Engelhardt/Kleinaltenkamp/Reckenfelderbäumer begründen die Unabhängigkeit mit unterschiedlichen Betrachtungsebenen: Die Immaterialität beziehe sich auf das Ergebnis und die Integrativität auf den Prozess der Leistungserstellung.29 Für gewöhnlich übernehmen die Autoren von Beiträgen des Dienstleistungscontrollings – ohne weitere Prüfung und hinlängliche Begründung – den Konsens des Dienstleistungsbegriffs und leiten daraus Implikationen für das Controlling ab.30 Wenngleich gerne praktiziert, wird dieser Vorgehensweise weder vorschnell noch vorbehaltslos gefolgt. Stattdessen wird der Konsens einer Prüfung unterzogen und – falls erforderlich – nach Alternativen gesucht. Geprüft wird die Allgemeingültigkeit, Eindeutigkeit und Unabhängigkeit der beiden den Dienstleistungsbegriff konstituierenden Merkmale: die Immaterialität des Dienstleistungsergebnisses und die Integrativität des Dienstleistungsprozesses.31
25Vgl.
Engelhardt/Kleinaltenkamp/Reckenfelderbäumer (1993), S. 398–404. Zeithaml/Parasuraman/Berry (1985), S. 33–35; Rushton/Carson (1985), S. 22–23; Rosada (1990), S. 17–18; Fisk/Brown/Bitner (1993), S. 68; Grönroos (2000), S. 47–49; Lovelock/Gummesson (2004), S. 23–25; Kotler/Keller (2006), S. 405–407; Fitzsimmons/ Fitzsimmons (2011), S. 18–22; sowie der Überblick bei Becker/Rech (2014), S. 19–24. 27Vgl. Corsten (1985), S. 89; Engelhardt (1989), S. 278–279; Rosada (1990), S. 11–16; Woratschek (1996), S. 60–61; Kleinaltenkamp (2001), S. 33; Corsten/Gössinger (2015), S. 25. 28Vgl. Meffert (1994), S. 522; Rück (2000), S. 178–181. 29Vgl. Engelhardt/Kleinaltenkamp/Reckenfelderbäumer (1993), S. 404–405. 30Vgl. Becker/Rech (2014), S. 257; zu Beispielen: Schäffer/Weber (2002), S. 6; Reckenfelderbäumer (2006), S. 34; Stebel (2007), S. 7; Bruhn (2008), S. 405. Zur zeitlichen Entwicklung der Dienstleistungsdefinitionen in Schriften des Dienstleistungscontrollings s. Abbildung 8.1 im Anhang 8.1. 31Zu den Anforderungen an Dienstleistungsdefinitionen vgl. Rosada (1990), S. 11, 24; Meffert (1994), S. 521. Zu Anforderungen an Definitionen im allgemeinen s. Chmielewicz (1994), S. 59–64; Kornmeier (2007), S. 68–74. 26Vgl.
26
2 Dienstleistung und Controlling – schillernde Begriffe …
2.1.2 Kritik am Konsens 2.1.2.1 Untauglichkeit der Immaterialität zur Abgrenzung der Dienstleistung Der Konsens führt das Merkmal der Immaterialität auf das Ergebnis der Dienstleistung zurück. Ansätze zur Ableitung der Immaterialität aus dem Dienstleistungspotenzial32 oder dem Dienstleistungsprozess33 fanden wegen der berechtigten Kritik keine Mehrheiten.34 Die Ableitung der Immaterialität aus dem Dienstleistungsergebnis ist auf Allgemeingültigkeit, Eindeutigkeit und Unabhängigkeit zu prüfen. Allgemeingültigkeit liegt vor, wenn das Ergebnis jeder Dienstleistung durch die Eigenschaft der Immaterialität gekennzeichnet ist, Eindeutigkeit, wenn bei keiner anderen Leistungsart (z. B. Sachleistungen) diese Eigenschaft festzustellen ist und Unabhängigkeit, wenn keine andere Eigenschaft der Dienstleistung die Immaterialität verursacht. An der Erfüllung dieser Anforderungen bestehen erhebliche Zweifel.35 Zunächst ist festzustellen, dass unterschiedliche Ansätze zur Ableitung der Immaterialität aus dem Dienstleistungsergebnis in der Literatur existieren:36 • Vornehmlich der Gutenbergschen Produktionstheorie zugewandte Autoren, wie Fandel/Blaga und Maleri/Frietzsche, vertreten die Ansicht, das Dienstleistungsergebnis sei ein immaterielles Gut:37 „Unter Dienstleistungen sollen [.] immaterielle Güter verstanden werden, die als Ergebnisse von Produktionsprozessen hervorgebracht werden.“38
32Vgl. Meyer (1983), S. 21; Hilke (1989), S. 11–12; Meyer (1991), S. 197–199; Mengen (1993), S. 17; Knoblich/Oppermann (1996), S. 15. 33Vgl. Corsten (1985), S. 91–93. 34Zur Kritik s. Forschner (1988), S. 38–39; Rosada (1990), S. 12; Engelhardt/ Kleinaltenkamp/Reckenfelderbäumer (1993), S. 398–399; Rück (1995), S. 8–10; ders. (2000), S. 198–201, 202, FN 622; Kleinaltenkamp (2001), S. 35. 35Vgl. Engelhardt (1989), S. 278–279; Engelhardt/Kleinaltenkamp/Reckenfelderbäumer (1993), S. 400–401; Rück (1995), S. 11–14; Woratschek (1996), S. 60–62; Rück (2000), S. 187–201; Kleinaltenkamp (2001), S. 33–34; Lovelock/Gummesson (2004), S. 25–27. 36Vgl. Rück (1995), S. 11–15; ders. (2000), S. 187–197. 37Vgl. Gutenberg (1983), S. 1; Knoblich/Oppermann (1996), S. 16–17; Fandel/Blaga (2004), S. 6; Helber (2007), Sp. 303; Maleri/Frietzsche (2008), S. 5, 16–20. 38Fandel/Blaga (2004), S. 6. Rück (2000), S. 187, stellt treffend fest, dass es sich bei dieser Art der Interpretation offensichtlich um eine Negativdefinition handelt (im Original kursiv): „Dienstleistungen sind Nicht-Sachgüter.“
2.1 Der Dienstleistungsbegriff
27
• Meyer und Corsten gehen grundsätzlich von der Immaterialität des Dienstleistungsergebnis aus, akzeptieren aber, dass materielle Ergebnisbestandteile vorkommen können:39 „Die grundsätzliche Immaterialität der Dienstleistungsergebnisse ist somit dahingehend zu modifizieren, daß [sic!] die Ergebnisse teilweise zu ihrer Verbreitung materielle Trägermedien benötigen“40. • Forschner, Hilke, Meyer und Mengen unterscheiden zwischen direkten und indirekten Ergebniswirkungen. Sie unterstellen, dass die unmittelbare Ergebniswirkung immateriell und/oder materiell sein kann, in jedem Fall aber die mittelbare Ergebniswirkung immateriell ist:41 „Denn nicht das abgetrennte Bein (das als materiell angesehen werden könnte) stellt das Ergebnis der (ärztlichen) Dienstleistung dar, sondern […] die Lebensrettung des Patienten.“42 An der ersten Auffassung, das Ergebnis der Dienstleistung sei rein immateriell, lässt sich einwenden, dass eine Reihe von Dienstleistungen durchaus materielle Ergebnisse aufweisen, wie z. B. das reparierte Kraftfahrzeug, der gereinigte Anzug, das amputierte Bein, die geschnittenen Haare. Darüber hinaus werden Dienstleistungen zum Teil auf materiellen Trägermedien gespeichert und verteilt, wie z. B. Ergebnisberichte einer Unternehmensberatung, Gutachten zu Immobilien, Untersuchungsergebnisse von Ärzten.43 Ferner gibt es immaterielle Güter, wie z. B. Informationen und Rechte, die nach allgemeinem Verständnis keine Dienstleistung sind:44„Zwar zählen alle Dienstleistungen zu den immateriellen Gütern, nicht jedoch sind umgekehrt alle immateriellen Güter Dienstleistungen.“45 Auf den ersten Blick widerspricht somit die Auffassung, das Dienstleistungsergebnis sei ein rein immaterielles Gut, der Anforderung der Allgemeingültigkeit. Ein Ausweg aus diesem Widerspruch besteht darin, die Dienstleistung auf den immateriellen Teil des Leistungsergebnisses zu beschränken und den materiellen Teil auszuklammern. Maleri/Frietzsche als Vertreter des ersten
39Vgl.
Meyer (1983), S. 20–21; Corsten (1985), S. 90–95, 186. (1985), S. 94. 41Vgl. Forschner (1988), S. 43–47; Hilke (1989), S. 13–15; Meyer (1991), S. 197; Mengen (1993), S. 14, 19–23. 42Hilke (1989), S. 14 (teilweise kursiv im Original), am Beispiel der Beinamputation. 43Vgl. Meyer (1983), S. 20–21; Engelhardt (1989), S. 279; Engelhardt/Kleinaltenkamp/ Reckenfelderbäumer (1993), S. 400; Kleinaltenkamp (2001), S. 33. 44Vgl. Maleri/Frietzsche (2008), S. 34–36. 45Maleri/Frietzsche (2008), S. 34. 40Corsten
28
2 Dienstleistung und Controlling – schillernde Begriffe …
Position räumen ein, dass das Ergebnis der Dienstleistungsproduktion durchaus sichtbar sein könne, der entscheidende Unterschied zur Sachgüterproduktion aber darin bestehe, dass nicht durch den Einsatz von Rohstoffen materielle Güter produziert würden, sondern Veränderungen an den vom Nachfrager eingebrachten Faktoren.46 Folgt man ihrer Argumentation, müsste die Zustandsänderung des externen Faktors im Ergebnis immateriell sein. Das von einem defekten Zustand in einen reparierten Zustand gesetzte Fahrzeug ist aber physisch wahrnehmbar. Das legt den Schluss nahe, dass sich das Ansinnen von Maleri/Frietzsche, die Immaterialität mit der Zustandsänderung des externen Faktors zu legitimieren, auf die Zustandsänderung als Tätigkeit bezieht. In diesem Fall würden sie die Immaterialität aus dem Prozess und nicht aus dem Ergebnis herleiten.47 Nach ihrem Verständnis wäre das eingebaute Ersatzteil kein Bestandteil des Dienstleistungsergebnisses, da materiell, dafür aber die Tätigkeit des Einbaus. Die Tätigkeit des Einbaus lässt sich nur zum Zeitpunkt der Durchführung – im Fall der Autoreparatur sogar physisch – wahrnehmen, nicht aber im Ergebnis direkt beobachten. Vielmehr materialisiert sich die Tätigkeit in der Veränderung des nun reparierten Fahrzeugs.48 Die Rettungsversuche von Maleri/Frietzsche verdeutlichen: Das Leistungsergebnis lässt sich nur gedanklich, nicht aber tatsächlich in einen materiellen und in einen immateriellen Teil aufspalten. Rück hält die Vorstellung der Teilbarkeit des Leistungsergebnisses für eine Fiktion. Er begründet dies damit, dass sich die Dienstleistung nur während des Prozesses beobachten lässt, sobald das Ergebnis aber vorliegt, nur noch in einer Veränderung des Objektes an dem die Leistung vollzogen wird.49 „Die Fiktion, Dienstleistungen seien ‚immaterielle Produkte‘, ist letztlich nichts als eine irreführende Umschreibung der Tatsache,
46Vgl. Maleri/Frietzsche (2008), S. 31–34. Sie begründen die Immaterialität in erster Linie mit dem fehlenden Einsatz materieller Substanzen in Form des internen Produktionsfaktors Rohstoff. Ihre Definition ist folglich eine Negativdefinition, die alle Leistungen ohne Rohstoffeinsatz unter dem Begriff der Dienstleistung subsumiert. Weil diese Auslegung im ersten Schritt deutlich zu weit geht, sind Maleri/Frietzsche (2008), S. 34–36, im zweiten Schritt darum bemüht, Arbeitsleistung, Informationen und Rechte gegenüber der Dienstleistung abzugrenzen. 47Corsten (1985), S. 91–93, geht ebenfalls von der Immaterialität des Dienstleistungsprozesses aus. Berekoven (1983), S. 20, 31, unterstellt dagegen materielle und/oder immaterielle Wirkungen von Dienstleistungsprozessen. 48Vgl. Rück (1995), S. 11–13. 49Vgl. Rück (1995), S. 11–13; ders. (2000), S. 193–194. Rück belegt die Fiktion sehr anschaulich am Beispiel der Ortsveränderung eines Tisches.
2.1 Der Dienstleistungsbegriff
29
daß [sic!] man die Ergebnisse von Dienstleistungen niemals als solche, sondern stets nur in Gestalt der veränderten Zustandseigenschaften ihrer Objekte wahrnehmen kann.“50 Das bedeutet, der Ansatz, das Dienstleistungsergebnis sei ein immaterielles Gut, beruht auf einer fiktiven Unterscheidung, die sich im Ergebnis der Dienstleistung in Wirklichkeit nicht beobachten lässt.51 Die rein gedankliche Aufteilung des Leistungsergebnisses in einen immateriellen und materiellen Bestandteil führt dazu, dass sich die Immaterialität auf der Ergebnisebene schwer messen lässt: „Wie sollte es möglich sein, etwas zu messen, das nur auf einer fiktiven Unterscheidung beruht, nicht aber auf beobachtbarer Wirklichkeit.“52 Eine Operationalisierung wird zudem erschwert, weil das Ausmaß der Beurteilung, was immateriell und materiell ist, abhängt von den Fähigkeiten und Fertigkeiten des jeweiligen Leistungsnehmers.53 Aufgrund der unhaltbaren Fiktion der Aufspaltung des Ergebnisses scheitert der erste Ansatz am Kriterium der Allgemeingültigkeit. Eine zweite Möglichkeit, den Widerspruch materieller Ergebnisbestandteile definitorisch aufzulösen, besteht darin, materielle Ergebnisbestandteile zuzulassen. Das Kriterium der Allgemeingültigkeit ist dann zwar erfüllt, weil sich alle Arten von Leistungen gemäß ihrer Ergebnisbestandteile auf einem Kontinuum von materiell bis immateriell platzieren lassen.54 Es fehlt aber an Trennschärfe: „Wir [haben] davon auszugehen, daß [sic!] es weder vollständig materielle noch vollständig immaterielle Leistungen gibt.“55 Viele Betriebe gehen dazu über, 50Rück
(2000), S. 197. Rück (1995), S. 13: „keinerlei Erkenntniszuwachs“, „kaum operationalisierbar“, „unzweckmäßig“. 52Rück (1995), S. 12–13; zur Kritik an der Messbarkeit des Immaterialitätsgrades s. Schneider (1997), S. 326. Zu Vorschlägen zur Messung der Immaterialität s. Lovelock/ Gummesson (2004), S. 25–27, und die dort angegebene Literatur. 53Vgl. Woratschek (1996), S. 60; Kleinaltenkamp (2001), S. 34. 54Vgl. Shostack (1977), S. 75–77; Zeithaml (1981), S. 186; Rushton/Carson (1985), S. 26–27; Hilke (1989), S. 8; McDougall/Snetsinger (1990), S. 29–30. Leistungstypologien, welche die Stofflichkeit des Leistungsergebnisses als Merkmal verwenden, gehen ebenfalls davon aus, dass sich die verschiedenen Ausprägungen von Leistungen auf einem Kontinuum zwischen materiell und immateriell abtragen lassen. Siehe Engelhardt/ Kleinaltenkamp/Reckenfelderbäumer (1993), S. 405–406, 415–417; Meffert (1994), S. 523–525; Knoblich/Oppermann (1996), S. 16–17. 55Rück (2000), S. 191 (im Original teilweise kursiv). Hilke (1989), S. 8, und im Anschluss daran Engelhardt/Kleinaltenkamp/Reckenfelderbäumer (1993), S. 408–409, 411, sind dagegen der Meinung, dass es vollständig immaterielle Leistungen bzw. Leistungsbündel gibt, wie z. B. ärztliche Beratung oder Haareschneiden. Rück (2000), S. 191, entgegnet 51Vgl.
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2 Dienstleistung und Controlling – schillernde Begriffe …
komplexe Leistungsbündel anzubieten, die sich aus materiellen und immateriellen Leistungsbestandteilen zusammensetzen.56 Die ehemals festen Grenzen zwischen Sach- und Dienstleistungsbetrieben verschwimmen zusehends.57 Was eine Dienstleistung ist oder nicht, unterliegt dann einer gewissen Willkür, insbesondere, wenn man der Argumentation von Rück folgt und sich das Dienstleistungsergebnis nur fiktiv in immaterielle und materielle Ergebnisbestandteile aufspalten lässt. Engelhardt/Kleinaltenkamp/Reckenfelderbäumer sehen sich aus diesem Grund veranlasst, auf eine Trennung in Sach- und Dienstleistungen anhand der Immaterialität des Dienstleistungsergebnisses zu verzichten, erachten aber das Merkmal der Immaterialität wegen den Besonderheiten der Vermarktung für wichtig.58 Wegen der fehlenden Trennschärfe bleibt beim zweiten Ansatz die Anforderung der Eindeutigkeit unerfüllt. Die Immaterialität des Dienstleistungsergebnisses nicht auf den direkten Output, sondern auf die mittelbare Wirkung, den Nutzen des Dienstleistungsergebnisses für den Nachfrager zu beziehen, stellt die dritte Alternative dar, den Widerspruch (direkter) materieller Ergebnisbestandteile aufzulösen. In diesem Fall liegt zwar Allgemeingültigkeit vor, aber eine eindeutige Abgrenzung der Dienstleistung von anderen Leistungen ist nicht möglich:59 „Wirkungen sind stets immateriell, gleichgültig, ob es sich bei der betreffenden Leistung um eine Beratungsleistung oder eine Bohrmaschine handelt. Insofern kann die Immaterialität der Wirkungen auch nicht Sachleistungen und Dienstleistungen im Sinne einer ‚Entweder-oder‘-Entscheidung trennen.“60 Die Ausführungen verdeutlichen: Kein Ansatz zur Ableitung des Merkmals der Immaterialität aus dem Dienstleistungsergebnis ist imstande, die definitorischen Anforderungen der Allgemeingültigkeit und Eindeutigkeit zu erfüllen. Ebenso wird die Unabhängigkeit der Immaterialität angezweifelt. Rosada und Woratschek vertreten die Meinung, die Ursache der Immateriali-
zurecht, dass die ärztliche Beratung medizinische Geräte benötigt und das Haareschneiden eine Schere und einen Kamm. 56Vgl. Becker (2001), S. 86; ders. (2007b), S. 39. 57Vgl. Vandermerwe/Rada (1988), S. 314. 58Vgl. Engelhardt/Kleinaltenkamp/Reckenfelderbäumer (1993), S. 400. 59Vgl. Kleinaltenkamp (2001), S. 33. 60Engelhardt/Kleinaltenkamp/Reckenfelderbäumer (1993), S. 400, FN 27; ähnlich Rück (1995), S. 13–14: „logischer Fehler mit Tradition“ und „völlig inoperabel“.
2.1 Der Dienstleistungsbegriff
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tät sei die Integration des externen Faktors in die Leistungserstellung.61 Für Woratschek hängen die Ergebnis- und die Prozessebene voneinander ab. Sie können seiner Meinung nach nicht getrennt werden, wie das Engelhardt/ Kleinaltenkamp/Reckenfelderbäumer in ihrer Leistungstypologie unterstellen.62 Wegen der Abhängigkeit ließen sich viele ökonomische Konsequenzen, welche der Immaterialität des Dienstleistungsergebnisses zugeschrieben würden, auf die Integrativität des Dienstleistungsprozesses zurückführen.63 Zusammenfassend lässt sich festhalten: Mit dem ersten Ansatz, welcher das Dienstleistungsergebnis als immaterielles Gut erachtet, lässt sich die Immaterialität des Dienstleistungsergebnisses als konstitutives Merkmal der Dienstleistung nicht begründen. Es gibt genügende Gegenbeispiele von Dienstleistungen mit materiellen Ergebnisbestandteilen (z. B. die gewartete Maschine, das gereinigte Bürogebäude, der Transport von Gütern); der erste Ansatz ist nicht allgemeingültig. Begreift man das Dienstleistungsergebnis derart allgemein, dass man materielle Ergebnisbestandteile einbezieht oder auf mittelbare Wirkungen ausdehnt, ergibt sich kein objektiver Unterschied gegenüber Leistungsbündeln. Insofern lässt sich zwar mit dem zweiten und dritten Ansatz die Immaterialität des Dienstleistungsergebnisses als konstitutives Merkmal der Dienstleistung bei gutwilliger Auslegung des Unabhängigkeitskriteriums rechtfertigen, jedoch nicht als exklusives Merkmal. Beiden Ansätzen fehlt jegliche Trennschärfe. Eine eindeutige Abgrenzung der Dienstleistung lässt sich damit nicht erreichen. Wenn aber der Immaterialität des Dienstleistungsergebnisses entweder die Allgemeingültigkeit fehlt oder es derart allgemein interpretiert wird, dass die Eindeutigkeit verloren geht, dann kann die Schlussfolgerung nur lauten, auf dieses Merkmal für Definitionszwecke zu verzichten.64 Zieht man weiterhin – wie Rück das tut – in Betracht, dass die Dienstleistung nur zum Zeitpunkt der Leistungserstellung real zu beobachten ist und sich danach in den veränderten Zustandseigenschaften des Leistungsobjektes dokumentiert, die Aufteilung in immaterielle und materielle Bestandteile des Dienstleistungsergebnisses mithin eine Fiktion darstellt, so muss die zweite Schlussfolgerung
61Vgl.
Rosada (1990), S. 23–24; Meffert (1994), S. 522; Woratschek (1996), S. 60–61 Engelhardt/Kleinaltemkamp/Reckenfelderbäumer (1993), S. 404–405. 63Vgl. Woratschek (1996), S. 60. 64Vgl. zu dieser Argumentation Rück (2000), S. 197–198. 62Vgl.
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2 Dienstleistung und Controlling – schillernde Begriffe …
lauten, von der Abgrenzung der Dienstleistung über die Ergebnisdimension abzusehen und sie stattdessen über die Prozessdimension zu definieren.65
2.1.2.2 Zu weite Auslegung des Dienstleistungsbegriffs durch die Integrativität Der Konsens zum Dienstleistungsbegriff leitet das Merkmal der Integrativität aus dem Dienstleistungsprozess ab. Die Überzeugung, dass es sich dabei um ein konstitutives Merkmal der Dienstleistung handelt, ist in der Literatur weit verbreitet und steht im Vergleich zur Immaterialität deutlich weniger in der Kritik. Es besteht Einigkeit, dass die Erstellung einer Dienstleistung zwingend der Integration externer Faktoren in den Prozess der Leistungserstellung bedarf.66 Insoweit erfüllt das Merkmal der Integrativität in Bezug auf die Dienstleistung das Kriterium der Allgemeingültigkeit. Ob diese notwendige Bedingung für die Erstellung einer Dienstleistung hinreichend ist, um sie eindeutig abzugrenzen, gilt es nun zu prüfen. Problematisch für eine eindeutige Abgrenzung ist die Erkenntnis, dass „es [.] kein Leistungsbündel ohne ein Mindestmaß integrativer Prozesse [gibt]“.67 Engelhardt/Kleinaltenkamp/Reckenfelderbäumer erläutern dies an der Eingriffstiefe des externen Faktors in die Wertschöpfung des Anbieters.68 Hohe Eingriffstiefe liegt zum Beispiel vor, wenn der Nachfrager mit der Forschung und Entwicklung des Anbieters kooperiert, um die Bestandteile und Funktionen einer Sondermaschine im Detail zu spezifizieren. In Relation dazu ist die Eingriffstiefe des externen Faktors in die Wertschöpfung geringer, wenn nur zum Zeitpunkt des Absatzes ein Kontakt zwischen Anbieter und Nachfrager in Form eines Beratungsgespräches zustande kommt. Bei beiden Prozessen handelt es
65Vgl.
Rück (2000), S. 197–198. Siehe bereits Engelhardt (1989), S. 278–279, 285: “Eine dienstleistungsorientierte Betriebswirtschaftslehre erfordert einen Paradigmenwechsel: Der ergebnisorientierte Denkansatz muß [sic!] durch eine prozeßorientierte [sic!] Betrachtung ersetzt werden.“; Rosada (1990), S. 24: „Einzig im finalen Leistungserstellungsprozeß [sic!] gibt es eine Besonderheit, die nur bei Dienstleistungen auftritt.“ 66Vgl. Meyer (1983), S. 22; Forschner (1988), S. 42; Hilke (1989), S. 12; Rosada (1990), S. 24; Mengen (1993), S. 19; Rück (1995), S. 15; ders. (2000), S. 180, 227; Maleri/ Frietzsche (2008), S. 106–108; Corsten/Gössinger (2015), S. 45–50. Uni sono bezeichnen sie die Integrativität als „causa efficiens“ bzw. „conditio sine qua non“ der Dienstleistung. Ausnahmen nennen dagegen Fandel/Blaga (2004), S. 12. 67Engelhardt/Kleinaltenkamp/Reckenfelderbäumer (1993), S. 416; vgl. dort ebenso S. 406, 411. 68Vgl. Engelhardt/Kleinaltenkamp/Reckenfelderbäumer (1993), S. 413.
2.1 Der Dienstleistungsbegriff
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sich um integrative Prozesse, da der Nachfrager Informationen einbringt.69 Kleinaltenkamp muss also zugestimmt werden, wenn er resümiert: „Bei der Kundenintegration handelt es sich […] um ein allgegenwärtiges Phänomen der betrieblichen Leistungsgestaltung und nicht nur um ein Charakteristikum von Dienstleistungen.“70 In der Konsequenz führt die prozessorientierte Sichtweise durch die Verwendung des Merkmals der Integrativität zu einer Ausweitung des Dienstleistungsbegriffs über den allgemeinen Sprachgebrauch hinaus. Jede nach Kundenvorgaben erstellte Leistung erfordert zwingend die Integration von Informationen (z. B. Körpergröße und -umfang beim Anfertigen eines Maßanzuges), stellt per definitionem eine Dienstleistung dar. Kernkraftwerke und Jachten, die nach Vorgaben des Auftraggebers gebaut werden, als Dienstleistung zu betrachten, geht weit über das Verständnis im allgemeinen Sprachgebrauch hinaus. Man bringt sie eher mit Sachleistungen, denn mit Dienstleistungen in Verbindung.71 Vergleichbar den Rettungsversuchen bei der Immaterialität im zweiten und dritten Ansatz, findet man in der Literatur Ansätze, Dienstleistungen über einen hohen Integrativitätsgrad abzugrenzen. Beispiele hierfür sind diverse Leistungs- und Geschäftsprozesstypologien, die am Dienstleistungsbegriff festhalten.72 Sogar Engelhardt und Reckenfelderbäumer, die ansonsten der Verwendung des Dienstleistungsbegriffs skeptisch gegenüberstehen, lassen sich dazu hinreißen, diesen weiter zu verwenden, in dem sie definieren: Dienstleistungen
69Zur
Diskussion um die Information als externer Faktor s. Kleinaltenkamp (1997), S. 351– 352. 70Kleinaltenkamp (1997), S. 350 (Hervorhebung des Verfassers). Aufbauend auf den Gedanken von Engelhardt betrachtet Kleinaltenkamp die Kundenintegration als eigenständigen betriebswirtschaftlichen Problembereich und Kern einer umfassenden Leistungslehre. Vgl. Kleinaltenkamp (1997); ders. (2007). Kleinaltenkamps Sichtweise vertritt in der Literatur zum Dienstleistungscontrolling insbesondere Reckenfelderbäumer (2006), S. 46. 71Vgl. Engelhardt/Kleinaltenkamp/Reckenfelderbäumer (1993), S. 401–404; Meffert (1994), S. 522. 72Vgl. die Leistungstypologien von Meffert (1994), S. 521–525; Knoblich/Oppermann (1996), S. 16; Woratschek (1996), S. 69, und die Geschäftsmodelltypologie der Servicetransformation von Bruhn/ Hepp/Hadwich (2015), S. 33. Zu einem generellen Überblick über Leistungstypologien in der Dienstleistungsliteratur s. Becker/Rech (2014), S. 25; Hadwich/Bruhn (2017).
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weisen „tendenziell, keinesfalls aber allgemeingültig einen vergleichsweise hohen Grad an Integrativität und Immaterialität“73 auf. Häufig bleiben solche Definitionen den Maßstab für einen hohen Integrativitätsgrad schuldig, obwohl in der Literatur Ansätze existieren, die Trennschärfe des Merkmals der Integrativität durch eine entsprechende Operationalisierung zu erhöhen.74 Engelhardt/Kleinaltenkamp/Reckenfelderbäumer unterscheiden integrative Prozesse nach der Eingriffstiefe und Eingriffsintensität.75 Fließ fügt diesem Operationalisierungsansatz die Dimensionen Eingriffsdauer, Eingriffshäufigkeit und Eingriffszeitpunkt hinzu: „Generell wird die Integrativität als umso größer angesehen, je tiefer der externe Faktor in den Leistungserstellungsprozess eingreift, je intensiver dieser Eingriff ist, je länger er dauert, je häufiger externe Faktoren integriert werden und je näher die Eingriffszeitpunkte beieinander liegen.“76 Zweifelsohne helfen diese Konzepte, das Ausmaß der Integration des externen Faktors in die Leistungserstellung genauer zu bestimmen und messbarer zu machen. Die Abgrenzungsprobleme können sie dennoch nicht lösen. Dafür wäre eine Festlegung nach objektiven Maßstäben erforderlich, ab welchem Grad der Eingriffstiefe-, -intensität, -dauer, -häufigkeit und -zeitpunkt eine Dienstleistung vorliegt. Eine derartige Festlegung kann nur willkürlich getroffen werden. Begriffsdefinitionen wie die von Engelhardt/ Reckenfelderbäumer bleiben inhaltlich unpräzise.77 Damit läuft das Merkmal der Integrativität in die gleiche Problematik wie das Merkmal der Immaterialität im zweiten und dritten Ansatz: Es ist zwar in Bezug auf die Dienstleistung allgemein gültig und insoweit ein konstitutives Merkmal der Dienstleistung. Es ist jedoch so allgemeingültig, dass sich die Dienstleistung gegenüber anderen Leistungen nicht eindeutig unterscheiden lässt. In Bezug auf
73Engelhardt/Reckenfelderbäumer
(2006), S. 222. den Überblick bei Büttgen (2006), S. 372–374. 75Vgl. Engelhardt/Kleinaltenkamp/Reckenfelderbäumer (1993), S. 412–415. Die Eingriffstiefe gibt an, an welcher Stelle der betrieblichen Wertschöpfungskette Integration stattfindet. Die Eingriffsintensität bezeichnet das Ausmaß und die Intensität der Integration. Engelhardt/Kleinaltenkamp/Reckenfelderbäumer nutzen das Konzept der Eingriffstiefe und -intensität, um verschiedene Leistungen auf der Integrativitätsachse ihrer Leistungstypologie einzusortieren. 76Fließ (2001), S. 78. 77Engelhardt/Reckenfelderbäumer (2006), S. 220, räumen selbst ein, dass sie den Begriff der Dienstleistung nicht inhaltlich präzise interpretieren, sondern die Definition „als pragmatisches Zugeständnis an den allgemeinen Sprachgebrauch“ verstehen. Das pragmatische Zugeständnis besteht in der Verwendung des Dienstleistungsbegriffs. 74Vgl.
2.1 Der Dienstleistungsbegriff
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die Dienstleistung fehlt dem Merkmal der Integrativität – wie dem Merkmal der Immaterialität – die Exklusivität. War es auf der Ergebnisebene die Erkenntnis, dass jedes Leistungsbündel in gewissem Ausmaß aus immateriellen und materiellen Leistungsbestandteilen besteht, so ist es auf der Prozessebene die Erkenntnis, dass jeder Prozess innerhalb eines Leistungsbündels ein Mindestmaß an integrativen Teilprozessen durchläuft.78 Beide Erkenntnisse zusammengenommen, machen eine eindeutige Abgrenzung der Dienstleistung anhand der Immaterialität und/oder der Integrativität unmöglich.
2.1.2.3 Ablehnung des Konsens zum Dienstleistungsbegriff Was bedeutet das nun für die Untersuchung? Soll trotz der inhärenten Abgrenzungsprobleme der Konsens zum Dienstleistungsbegriff den weiteren Betrachtungen des Dienstleistungscontrollings zugrunde liegen? Oder soll, wie es Engelhardt/Kleinaltenkamp/Reckenfelderbäumer in ihrem wegweisenden Artikel fordern, auf den Dienstleistungsbegriff zugunsten einer allgemeinen Leistungstypologie verzichtet werden?79 Bedenkt man die Abgrenzungsprobleme, erscheint aus theoretischer Sicht die Forderung gerechtfertigt und logisch, das Begriffspaar Dienst- und Sachleistungen zu vermeiden.80 Dem lässt sich entgegenhalten, dass die Begriffe in Theorie und Praxis bis heute geläufig sind.81 Sie werden „trotz ihrer Unschärfe häufig benutzt, ohne daß [sic!] Mißverständnisse entstehen.“82 Richtigerweise macht Rück darauf aufmerksam: „Es gibt den Begriff Dienstleistungen in der Wirklichkeit, er ist ein alltägliches Phänomen, was man als Indiz dafür nehmen kann, daß [sic!] das dahinterstehende Konstrukt auch existiert. Die Vorstellung, daß [sic!] die Wirtschaftswissenschaften nicht in der Lage sein sollten, diesen Begriff für ihre Zwecke sinnvoll zu operationalisieren, muß [sic!] daher als unbefriedigend empfunden werden.“83 Knoblich/Oppermann vertreten einen ähnlichen Standpunkt. Sie halten den Rückzug auf Leistungstypen für eine Flucht vor dem eigentlichen Problem der Operationalisierung des Dienstleistungsbegriffs, dem sich die Betriebswirtschaftslehre als Realwissenschaft nicht verschließen
78Vgl.
nochmals zu den Basiserkenntnissen von Leistungsbündeln Engelhardt/ Kleinaltenkamp/Reckenfelderbäumer (1993), S. 406, 411, 415. 79Vgl. Engelhardt/Kleinaltenkamp/Reckenfelderbäumer (1993), S. 400, 409–410, 416. 80Vgl. Meffert (1994), S. 525, dem ansonsten der Vorschlag zu weit geht. 81Vgl. Maleri/Frietzsche (2008), S. 2. 82Woratschek (1996), S. 69 83Rück (1995), S. 3.
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darf.84 Im Folgenden wird der Argumentation von Woratschek, Rück und Knoblich/Oppermann gefolgt, d. h. der Dienstleistungsbegriff wird weiterverwendet. Damit stellt sich die Anschlussfrage: Soll der Konsens des Dienstleistungsbegriffs benutzt werden? Gegen die Verwendung des Konsenses sprechen die in den vorangegangenen Abschnitten vorgetragenen Kritikpunkte: Der Konsens definiert die Dienstleistung anhand der Immaterialität des Leistungsergebnisses und der Integrativität des Leistungsprozesses. In Bezug auf die Dienstleistung sind beide Merkmale allgemeingütig und insoweit konstitutiv.85 Eine begrifflich saubere Abgrenzung der Dienstleistung erlauben sie nicht. Bei der Immaterialität bestehen zudem Bedenken, ob die Ursache der Immaterialität nicht auf die Integration externer Faktoren zurückzuführen ist. Übrig bliebe dann die Integrativität auf der Prozessebene als singuläres Merkmal zur Abgrenzung der Dienstleistung.86 Zu pragmatisch sieht es Homburg: „Es ist nicht möglich, Dienstleistungen eindeutig zu definieren. Eine eindeutige Definition ist jedoch nicht notwendig für produktive Forschung.“87 Homburgs Meinung wird hier nur zum Teil gefolgt. Ihm ist zuzustimmen, dass die Dienstleistung sich nicht anhand der Merkmale der Immaterialität und der Integrativität eindeutig definieren lässt. Ob dies grundsätzlich nicht möglich ist, bleibt offen. Zumindest dürfte klargeworden sein, dass das Festhalten am Konsens nicht zu einer trennscharfen Abgrenzung des Dienstleistungsbegriffs beiträgt. In Bezug auf die produktive Forschung wird ein anderer Standpunkt vertreten. Wenn die Aussagen auf einem inhaltlich unpräzisen Dienstleistungsbegriff aufbauen, der so allgemein formuliert ist, dass er weit über das hinausgeht, was man im allgemeinen Sprachgebrauch mit Dienstleistungen assoziiert, dann werden die Aussagen, die auf diesem Begriff aufbauen, der Tendenz nach allgemein und ungenau bleiben. Ein diffus definierter Forschungsgegenstand kann einer produktiven Forschung nicht zuträglich sein.88
84Vgl.
Knoblich/Oppermann (1996), S. 13, FN 2. Aussage trifft ausschließlich für den zweiten und dritten Ansatz der Immaterialität zu. Die Interpretation der Dienstleistung als rein immaterielles Gut ist dagegen nicht allgemeingültig. Vgl. nochmal die Kritik am ersten Ansatz in Abschnitt 2.1.2.1. 86Vgl. Meffert (1994), S. 522. 87Vgl. Homburg (2009), S. 5. 88Vgl. Rück (2000), S. 299. 85Diese
2.1 Der Dienstleistungsbegriff
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Zusammengenommen führen die Argumente zu dem Schluss, den Konsens des Dienstleistungsbegriffs für die weiteren Betrachtungen zum Dienstleistungscontrolling abzulehnen und stattdessen im kommenden Abschnitt nach einer trennschärferen Lösung zu suchen. An diese Lösung wird nicht die Anforderung gestellt, das Kriterium der Eindeutigkeit vollumfänglich zu erfüllen. Das wäre angesichts der genannten Abgrenzungsprobleme zu viel verlangt. Sie sollte dem Dienstleistungsbegriff aber zumindest mehr Kontur verleihen als der Konsens.
2.1.3 Dienstleistung als Transformationsprozess 2.1.3.1 Der Ansatz von Mengen Auf der Suche nach einer trennschärferen Definition des Dienstleistungsbegriffs erscheint die Dissertation von Mengen besonders erwähnenswert.89 Mengen beschäftigt sich im Rahmen der Luftfrachtdienstleistung mit der begrifflichen Abgrenzung von Dienst- und Sachleistung.90 Differenzierter als frühere Ansätze arbeitet er drei Aspekte heraus:91 • Auf der Ergebnisebene unterscheidet er sichtbar zwischen einer direkten Ergebnisphase und einer indirekten Nutzenphase. • Den tradierten Leistungskategorien Sach- und Dienstleistung fügt er mit der Auftragsleistung eine dritte Leistungskategorie hinzu, die er zwischen Sachund Dienstleistung positioniert.92 Sie fängt viele Grenzbereiche ab. • Zur Abgrenzung von Auftrags- und Dienstleistung verwendet er auf der Prozessebene eine Typologie, die unter anderem nach der Eindringtiefe des externen Faktors in die Leistungserstellung zwischen Integration und Transformation abstuft.
89Der
Ansatz von Mengen ist nach Rück (2000), S. 221, der „vorläufige Schlußpunkt [sic!] der betriebswirtschaftlichen Bemühungen um eine Operationalisierung des Konstruktes Dienstleistung.“ 90Vgl. Mengen (1993), S. 10–34. 91Vgl. Mengen (1993), S. 14–31. 92Mengen versteht unter einer Auftragsleistung eine stets im Auftrag des Nachfragers erstellte, individuelle Leistung, welche die Integration externer Faktoren (z. B. spezielle Kundenwünsche) erfordert und deren Produktionsergebnis ein materielles Gut darstellt. Die Auftragsleistung ist für ihn das Bindeglied zwischen Sach- und Dienstleistung. Vgl. Mengen (1993), S. 24–25.
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2 Dienstleistung und Controlling – schillernde Begriffe …
Mengen kennzeichnet sowohl die Dienstleistung als auch die Auftragsleistung in der Potenzialphase durch die Eigenschaft der Immaterialität des Leistungsangebotes.93 Die Potenzialphase trägt demzufolge zu keiner eindeutigen Abgrenzung bei.94 Auch die Ergebnisphase besitzt in Mengens Systematik wenig Trennschärfe: Er geht von einem materiellen und immateriellen Produktionsergebnis aus.95 Wie die Diskussionen um den zweiten Ansatz der Immaterialität in Abschnitt 2.1.2.1 verdeutlicht haben, sind diese Eigenschaften in Bezug auf die Dienstleistung zwar allgemeingültig, keinesfalls aber eindeutig. In der Nutzenphase kommt Mengen zu dem Schluss, dass ein Dienstleister in Form der Nutzenstiftung immer ein immaterielles Gut produziert.96 Diese Eigenschaft trifft auf Sach- und Auftragsleistung in gleicher Weise zu.97 Allenfalls Mengens Hinweis, dass die Quelle der Nutzenstiftung bei der Dienstleistung sowohl der Prozess als auch das Ergebnis sein kann, während sie bei der Sach- und Auftragsleistung stets das Ergebnis ist, trägt zu mehr Klarheit bei.98 Alles in allem grenzt Mengen die Dienstleistung in der Potenzial-, Ergebnis- und Nutzenphase zu allgemein ab. Seine Definition trägt damit auf diesen Ebenen zu keiner genaueren Abgrenzung der Dienstleistung bei. Im Gegenteil: Sie sorgt für eine zu weite Auslegung des Dienstleistungsbegriffs.99 Wo er allerdings den Dienstleistungsbegriff trennschärfer abgrenzt als bisherige Ansätze100, ist auf der Prozessebene.101 Mengen differenziert nach der Art des externen Faktors in Objekte (Lebewesen, materielle Güter, Nominalgüter) und Informationen. Diese Einteilung hilft ihm vier Basisfälle im Grenzbereich
93Vgl.
Mengen (1993), S. 14–17, 29–31. generellen Kritik am potenzialorientierten Ansatz s. nochmals die Literatur in FN 34. 95Vgl. Mengen (1993), S. 19–22, 29–31. 96Vgl. Mengen (1993), S. 22–23, 29–31. 97Vgl. nochmals die Kritik am dritten Ansatz der Immaterialität in Abschnitt 2.1.2.1. 98Vgl. Mengen (1993), S. 22–23; ähnlich Corsten (1985), S. 85–90, Maleri/Frietzsche (2008), S. 20–23, 200–203. Sie unterscheiden zwischen zeitraum- und zeitpunktbezogenen Ergebnissen der Dienstleistung. Zu zeitraumbezogenen Dienstleistungen zählen Maleri/ Frietzsche (2008), S. 22, z. B. Versicherungsschutz, Kontenführung, Depotverwaltung, Wartungsverträge, Versorgungsdienstleistungen und Pauschalreisen. 99Zur Kritik an Mengens Ansatz vgl. Rück (2000), S. 221–226. 100Vgl. z. B. Berekoven (1983), S. 23–24, 29–31; Meyer (1983), S. 21–23; Corsten (1985), S. 126–134; Forschner (1988), S. 40–43; Hilke (1989), S. 12; Engelhardt (1989), S. 280– 281; Rosada (1990), S. 23–25; Helber (2007), Sp. 303; Maleri/Frietzsche (2008), S. 5. 101Vgl. Mengen (1993), S. 17–19, 24–26. 94Zur
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zwischen Auftrags- und Dienstleistung zu identifizieren.102 Viel entscheidender für die Abgrenzung zwischen Auftrags- und Dienstleistung ist jedoch seine Differenzierung nach der Art der Eindringtiefe des externen Faktors in Integration und Transformation. Exakt zwischen Integration und Transformation zieht er die Trennlinie beider Leistungsarten: Werden externe Faktoren lediglich in die Leistungserstellung integriert, liegt eine Auftragsleistung vor, werden sie zusätzlich transformiert, eine Dienstleistung. Die Integration ist seiner Meinung nach eine notwendige Voraussetzung für die Transformation. Er versteht darunter „die Bereitstellung oder Einbringung eines externen Faktors ohne die Durchführung einer nutzenstiftenden Zustandsänderung an diesem.“103 Bei der Transformation geht er einen Schritt weiter. Die Eindringtiefe ist höher als bei der Integration, weil „im Produktionsprozeß [sic!] eine käufernutzenstiftende Zustandsänderung des Faktors vorgenommen [wird] (z. B. Ortsveränderung am externen Faktor Luftfracht).“104 Der von Mengen verwendete Begriff der Transformation wird in der Literatur selten verwendet. Geläufiger sind andere Bezeichnungen für die Zustandsänderung des externen Faktors. Meyer weist auf die Einwirkung auf den externen Faktor in der Dienstleistungserstellung als besonderes Kennzeichen des externen Faktors hin.105 Gebrauch macht er von dem Merkmal bei der Klassifikation von Dienstleistungsarten. Nach der spezifischen Nutzenstiftung differenziert Meyer objekt- und personengerichtete Dienstleistungen in substanziellen (Erhaltung, Steigerung, Wiederherstellung, Vernichtung), räumlichen und zeitlichen Nutzen.106 Forschner greift die Einteilung von Meyer auf. Er siedelt sie aber nicht wie Meyer auf der mittelbaren Ergebnisebene (Nutzen) an, sondern auf der unmittelbaren Ergebnisebene. Er spricht außerdem von
102Mengen (1993), S. 26–28, unterscheidet vier Basisfälle: 1. Integration eines externen Objektes (z. B. Anfertigen eines Passbildes), 2. Integration und Transformation eines externen Objektes (z. B. Schulung des Käufers), 3. Integration und Transformation einer externen Information (z. B. Unternehmensberatung) und 4. Integration einer externen Information (z. B. Bau einer Spezialmaschine nach Kundenvorgaben). 103Mengen (1993), S. 25. 104Mengen (1993), S. 25–26 (im Original zum Teil kursiv). 105Vgl. Meyer (1983), S. 22. Weitere Charakteristika des externen Faktors sind für ihn: Der Anbieter kann nicht frei über den externen Faktor am Markt disponieren und der externe Faktor befindet sich stets im Eigentum des Nachfragers. 106Vgl. Meyer (1983), S. 46–47.
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Eigenschaftsveränderungen des Fremdfaktors.107 Corsten stellt wie Meyer die Einwirkung auf das Dienstleistungsobjekt (lebende, materielle oder immaterielle Objekte) heraus, heftet ansonsten das Merkmal wie Forschner der direkten Ergebnisebene an. Das Ergebnis der Einwirkung auf den externen Faktor besteht für Corsten in der Erhaltung und Veränderung von Eigenschaften, der Erhaltung und Veränderung der zeitlich und räumlichen Zuordnung des Dienstleistungsobjektes oder der Erhaltung und Veränderung von Zuständen.108 Zunächst ist festzustellen, dass es sich bei der Transformation um einen bereits bekannten Sachverhalt im Rahmen der Dienstleistungsdiskussion handelt. Er entspricht weitestgehend den Inhalten, die mit Bezeichnungen wie Einwirkung auf den externen Faktor, Eigenschaftsveränderung oder Zustandsänderung des externen Faktors belegt sind. Angelehnt an Meyer und Mengen beschreibt die „Transformation [.] die während des Produktionsprozesses am externen Faktor vorgenommene Zustandsänderung. Eine Zustandsänderung des externen Faktors liegt vor, wenn der Dienstleistungsanbieter die kontrahierte Veränderung (z. B. Abschneiden der Haare, Austausch eines defekten Teils) an dem vom Nachfrager eingebrachten externen Faktor verrichtet.“109 Neu an Mengens Ansatz ist die Ableitung des Merkmals der Transformation aus der Prozessebene. Andere Ansätze bringen das Merkmal mit der direkten oder indirekten Ergebnisebene in Verbindung. Während es Mengen für die inhaltliche Abgrenzung von Auftrags- und Dienstleistung und damit für Definitionszwecke nutzt, gebrauchen es andere Autoren im Anschluss an Meyer vorwiegend zur Klassifikation von Dienstleistungen. Gemessen an dem unscharfen, viel zu weit ausgelegten Begriffsverständnis der Dienstleistung durch die Merkmale der Immaterialität und der Integrativität findet das Merkmal der Transformation bis heute zu wenig Anklang in Dienstleistungsdefinitionen. Neben Mengen und Rück benutzen es nur Meyer110 und Meffert/Bruhn/Hadwich111 zur Abgrenzung 107Vgl.
Forschner (1988), S. 45, und den Verweis auf Meyer in der dortigen FN 128. Corsten (1985), S. 93. In neueren Veröffentlichungen folgt Corsten mittlerweile der Nutzenargumentation von Meyer. Vgl. Corsten/Gössinger (2015), S. 23, 41–42. 109Becker/Rech (2014), S. 26, i. V. m. Meyer (1983), S. 15–16; Mengen (1993), S. 21. 110Vgl. Meyer (1991), S. 198, der im Kern einen potenzialorientierte Definition präsentiert (im Original kursiv): „Dienstleistungen sind angebotene Leistungsfähigkeiten, die direkt an externen Faktoren (Menschen oder deren Objekte) mit dem Ziel erbracht werden, an Ihnen gewollte Wirkungen (Veränderung oder Erhaltung bestehender Zustände) zu erreichen.“ 111Vgl. Meffert/Bruhn/Hadwich (2015), S. 14, vertreten ein nutzenorientiertes Begriffsverständnis, was das Dienstleistungsergebnis angeht (im Original teilweise hervorgehoben): „Die Faktorenkombination des Dienstleistungsanbieters wird mit dem Ziel eingesetzt, an 108Vgl.
2.1 Der Dienstleistungsbegriff
41
der Dienstleistung. Meyer, Mengen und Meffert/Bruhn/Hadwich kombinieren verschiedene Leistungsdimensionen und Merkmale für die Abgrenzung der Dienstleistung. Für Rück erbringt Mengen implizit den Nachweis, dass mehrdimensionale Ansätze zur Abgrenzung der Dienstleistung unnötig sind, weil nur die Prozessdimension diskriminierende Eigenschaften besitzt.112 Diese Auffassung wird hier geteilt. Konsequenterweise grenzt Rück den Dienstleistungsbegriff alleinig über die Prozessebene und das Merkmal der Transformation ab.113 Zentraler Kritikpunkt an Mengens Ansatz ist die Operationalisierung.114 Im Kern geht es um die Frage, wie gut die Zustandsänderung am externen Faktor gemessen werden kann. Rück ist der Meinung, dass dies auf der Ergebnisebene wegen des Leistungsbündelcharakters des Angebotes nicht immer möglich ist. Die Messung auf der Prozessebene hält er im Vergleich dazu für durchführbar, „denn nur während des Leistungsprozesses ist jede Leistung als solche und für sich, getrennt von ihrem Objekt und getrennt von allen anderen Teilleistungen beobachtbar.“115 Einfach zu unterscheiden seien Fälle, bei denen sich die Zustandsänderung auf äußerliche Eigenschaften von Personen und Sachen richte, wie z. B. Haareschneiden, Autoreparatur.116 Beim Bau eines Kraftwerkes nach Auftrag wären auf der Prozessebene die Auftragsleistung und die Dienstleistung (z. B. Beratung des Kunden) getrennt beobachtbar. Auf der Ergebnisebene vermischten sie sich zu einem untrennbaren Gesamtleistungsergebnis.117 Schwierig, aber nicht unmöglich, sei zudem die Unterscheidung von externen Informationen, die einen Produktionsprozess steuern (z. B. Lastenheft des Kunden bei der Auftragsleistung), und solchen Informationen, die durch den Produktionsprozess eine
den externen Faktoren, an Menschen (z. B. Kunden) und deren Objekten (z. B. Auto des Kunden) nutzenstiftende Wirkungen (z. B. Inspektion beim Auto) zu erzielen (Ergebnisorientierung).“ 112Vgl. Rück (2000), S. 222. 113Vgl. Rück (2000), S. 277–279. 114Vgl. Rück (2000), S. 224–226. Zur Kritik an der Operationalisierung des Integrationsgrad s. nochmals Abschnitt 2.1.2.2. 115Rück (2000), S. 225 (kursiv im Original). 116Vgl. Rück (2000), S. 224. 117Rück (2000), S. 224–225, teilt die Einschätzung von Engelhardt/Kleinaltenkamp/ Reckenfelderbäumer (1993), S. 407, wonach Marktleistungen fast ausschließlich in Form von Leistungsbündeln auftreten. Jedoch teilt er diese Auffassung nur für die Ergebnisebene, in der Leistungserstellung (Prozessebene) hält er jede wirtschaftliche Leistung für unterscheidbar.
42
2 Dienstleistung und Controlling – schillernde Begriffe …
Bearbeitung erfahren (z. B. Informationen des Kunden, die durch die Analysen der Unternehmensberatung eine Veränderung erfahren).118 Betrachtet man eine zu wartende Maschine, so steuert die Information über den Zustand der Maschine den Ablauf und die Intensität der Wartung. In diesem Fall integriert der Dienstleister die Information über den Zustand der Maschine ohne diese Information zu bearbeiten. Die Zustandsänderung bezieht sich nicht auf die Information, sondern auf die Bearbeitung der Maschine, die der Dienstleister in einen gewarteten, funktionsfähigen Zustand versetzt.
2.1.3.2 Der Ansatz von Rück Sucht man nach einer trennschärferen Abgrenzung des Dienstleistungsbegriffs, so muss man im selben Atemzug wie die Dissertation von Mengen, die hier bereits mehrfach zitierte Dissertation von Rück erwähnen. Rücks Dienstleistungsbegriff ist die logische Weiterentwicklung der Abgrenzung des Dienstleistungsbegriffs von Mengen.119 Sein Verdienst um den Dienstleistungsbegriff liegt darin, dass er in Mengens Ansatz die Tragfähigkeit des Kriteriums der Transformation für die eindeutige Abgrenzung der Dienstleistung erkennt. Er belässt es nicht auf der Ergebnisebene, sondern holt es mit der Prozessebene auf eine Wertschöpfungsstufe zurück, in der die Integration und die Transformation beobachtbar und somit unterscheidbar sind. Damit tritt Rück den Nachweis an, dass ausschließlich die Prozessebene diskriminierenden Charakter hat; mithin eine Kombination mit weiteren Merkmalen der Potenzial-, Ergebnis- und Nutzenphase für eine eindeutige Abgrenzung der Dienstleistung unnötig ist. Rück liefert – anders als Mengen – eine explizite Definition des Dienstleistungsbegriffs:120 „Dienstleistungen sind Transformationsprozesse, die zu gewerblichen Zwecken an externen Faktoren (Wirtschaftseinheiten und/oder
118Vgl. Rück (2000), S. 225. Rück und Kleinaltenkamp (1997), S. 351–352, sind in dieser Hinsicht einer Meinung. Während Kleinaltenkamp die Integration von externen Informationen, welche die Leistungserstellung des Anbieters mitsteuern, für das betriebswirtschaftliche Kernproblem der Kundenintegration erachtet, empfindet Mengen die Transformation des externen Faktors in der Leistungserstellung für das betriebswirtschaftliche Kernproblem der Dienstleistung. 119Vgl. Rück (2000), S. 277–279. 120Rück (2000), S. 221–222, kritisiert, dass Mengen eine explizite Definition meidet, meint aber, sie müsse in etwa so lauten: „Dienstleistungen sind Marktleistungen, die eine Transformation der Zustandseigenschaften externer Faktoren bewirken.“
2.1 Der Dienstleistungsbegriff
43
deren Verfügungsobjekten) erbracht werden und eine Veränderung der Zustandseigenschaften dieser Faktoren bewirken.“121 Eine gewisse Ähnlichkeit zu Hill ist unverkennbar: „a change in the condition of a person, or a good belonging to some economic unit, which is brought about as the result of the activity of some other economic unit, with the prior agreement of the former, person or economic unit.“122 Leider versäumt es Rück, explizit auf die Verbindung zu Hills Definition hinzuweisen.123 Rück setzt in seiner Definition Dienstleistungen mit Prozessen gleich, was angesichts der diskriminierenden Eigenschaften des Leistungsprozesses folgerichtig erscheint.124 Dabei legt Rück den Dienstleistungsbegriff in mehrfacher Hinsicht zu eng aus. Mit dem Verweis auf gewerbliche Zwecke schließt er unentgeltliche Leistungen als Dienstleistungen aus. Er begründet die Einschränkung mit größtmöglicher Eindeutigkeit, da unentgeltliche Leistungen nicht dem ökonomischen Prinzip gehorchten.125 Dieser Argumentation kann nicht gefolgt werden: Unentgeltliche Dienstleistungen sind im Zusammenhang mit produktbegleitenden Dienstleistungen im gewerblichen Bereich nicht unüblich, z. B. aus akquisitorischen Gründen, um einen Vertragsabschluss zu tätigen.126 Die unentgeltliche Dreingabe von Serviceleistungen ist wegen den negativen Erfolgswirkungen und der Notwendigkeit der Quersubventionierung über andere Leistungsangebote ein wichtiger Problemkreis des Dienstleistungscontrollings.127 Unentgeltliche Serviceleistungen dürfen aufgrund eines zu engen Dienstleistungsbegriff nicht aus dem Sichtfeld des Controllings rücken. Ein
121Rück (2000), S. 277 (kursiv im Original). Ähnlichkeiten zu Engelhardt (1989), S. 280, sind unübersehbar: „Ein Diestleistungsprozeß [sic!] liegt demnach vor, wenn ein Anbieter einen externen Faktor derart mit seiner Bereitstellungsleistung kombiniert, daß [sic!] dieser dadurch zum Produktionsfaktor wird und im Leistungserstellungsprozeß [sic!] eine Veränderung erfährt.“ 122Hill (1977), S. 318. 123Bei anderen Zusammenhängen referenziert Rück indes auf Hill. S. z. B. Rück (2000), S. 268. 124Die Ergebnisebene bleibt deshalb in seiner Definition unerwähnt. Vgl. Rück (2000), S. 277. 125Vgl. Rück (2000), S. 277–278. 126Vgl. Engelhardt/Reckenfelderbäumer (2006), S. 294–296; Möller/Schwab (2008), S. 33; Kleinaltenkamp/Jacob/Plötner (2015), S. 321–322. 127Vgl. Becker/Rech (2014), S. 154, 157, 163.
44
2 Dienstleistung und Controlling – schillernde Begriffe …
weiteres Gegenargument liefern am Gemeinwohl orientierte Hilfsorganisationen und -verbände, wie z. B. Caritas, Rotes Kreuz, sowie häusliche Kranken- und Pflegedienste. Im allgemeinen Sprachgebrauch bringt man die unentgeltlichen Leistungen dieser Non-Profit-Organisationen und die häuslichen Tätigkeiten mit Dienstleistungen in Verbindung. Sie einer ökonomischen Analyse im Rahmen des Dienstleistungsbegriffs vorzuenthalten, wäre falsch. In Hinblick auf interne Dienstleistungen scheint Rücks Dienstleistungsbegriff ebenfalls zu eng.128 Rück schließt interne Dienstleistungen kategorisch mit der Begründung aus, sie seien nicht für den Absatz bestimmt.129 Wiederum kann dieser Argumentation nicht gefolgt werden.130 Einleitend zu Abschnitt 2.1 wurde die Aussage getroffen, die Dienstleistung primär als Absatzobjekt zu betrachten. Absicht dieser Aussage war es, den Untersuchungsgegenstand einzugrenzen, keineswegs aber den Dienstleistungsbegriff auf Absatzobjekte zu reduzieren. Beschränkt man den Dienstleistungsbegriff im Sinne von Rück auf externe Dienstleistungen, ignoriert man Make-or-buy-Entscheidungen auf der Beschaffungsseite. So können ehemals intern erbrachte Dienstleistungen, wie z. B. Fuhrpark, Catering, Gebäudemanagement, durch Outsourcing zu externen Dienstleistungen werden und externe Dienstleistungen durch Insourcing zu internen Dienstleistungen, wie z. B. durch den Aufbau einer hausinternen Unternehmensberatung (Corporate Consulting).131 Darüber hinaus ignoriert Rück interne Kunden-Lieferanten-Beziehungen, die Dienstleistungscharakter haben. Wenn die interne IT-Abteilung die Anwender in der Nutzung neuer Software schult, wirken die Mitarbeiter an der Schulungsmaßnahme mit. Durch die Schulung verändert die IT-Abteilung den Wissensstand der Anwender. Nach Rücks Verständnis wäre die Schulung nur dann eine Dienstleistung, wenn die ITAbteilung outgesourced würde. Erst dann wäre der Schulungsteilnehmer nicht länger ein interner Produktionsfaktor, sondern ein externer aus Sicht der IT. An der Art und Weise der Dienstleistungsproduktion hätte sich nichts Grundlegendes geändert. Interne Dienstleistungen einzuschließen heißt, externe Faktoren nicht nur auf an externen Märkten disponierbare Produktionsfaktoren zu beschränken,
128Zur Unterscheidung in externe und interne Dienstleistungen vgl. Kleinaltenkamp (2001), S. 41–42; Becker/Rech (2014), S. 35–36. 129Vgl. Rück (2000), S. 278. 130Vgl. ebenso Fandel/Blaga (2004), S. 8. 131Vgl. Meyer/Noch (1992), S. 957; Graßy (1993), S. 88.
2.1 Der Dienstleistungsbegriff
45
sondern auf unternehmensinterne Produktionsfaktoren auszuweiten. Entscheidend ist das Kunden-Lieferantenverhältnis, nicht das Eigentumsverhältnis.
2.1.3.3 Abschließende Definition des Dienstleistungsbegriffs Der auf den Erkenntnissen von Mengen aufbauende Dienstleistungsbegriff von Rück grenzt den Dienstleistungsbegriff eindeutig auf der Prozessebene über das Merkmal der Transformation des externen Faktors ab. Unentgeltliche und interne Dienstleistungen aus dem Dienstleistungsbegriff zu exkludieren stellt eine – gemessen am allgemeinen Sprachgebrauch – zu enge Beschränkung in Rücks Ansatz dar. Die Alternative – der Konsens des Dienstleistungsbegriffs – ist zu allgemein. Immerhin schließt er im Auftrag produzierte Sachleistungen mit ein. Im weiteren Verlauf wird sich am transformationsorientierten Dienstleistungsbegriff von Rück orientiert. Allerdings wird er so interpretiert, dass er unentgeltliche Leistungen und interne Dienstleistungen einschließt. Der Dienstleistungsbegriff lautet wie folgt: Die Dienstleistung ist ein Transformationsprozess, den ein Anbieter an einem externen Faktor (Person oder Objekt) des Nachfragers erbringt und der eine Veränderung der Zustandseigenschaften dieses Faktors bewirkt.132 Dazu folgende Erläuterungen (vgl. Abbildung 2.1): • Das Merkmal der Integration ist keine Besonderheit der Dienstleistung. Es bleibt deshalb in der Definition unerwähnt.133 Dennoch ist die Integration des externen Faktors eine notwendige Voraussetzung der Transformation.134 • Externe Faktoren können Personen oder Objekte (Sachen, Tiere, Pflanzen, Rechte, Nominalgüter oder Informationen) des Nachfragers sein.135 Objekte stehen für gewöhnlich im Besitz und Eigentum des Nachfragers. Damit der Anbieter die Dienstleistung erbringen kann, muss der Nachfrager dem
132In Anlehnung
an Rück (2000), S. 277. Rück (2000), S. 278. 134Vgl. Mengen (1993), S. 26; Corsten/Gössinger (2015), S. 48–49. 135Vgl. Kleinaltenkamp (2007), Sp. 1037–1038. 133Vgl.
46
2 Dienstleistung und Controlling – schillernde Begriffe …
Anbieter ein Verfügungsrecht an dem externen Faktor gewähren.136 Das Eigentum an dem Objekt wird typischerweise nicht übertragen.137 Das gilt für externe wie für interne Dienstleistungen gleichermaßen. • Die Mitwirkung des Nachfragers im Leistungserstellungsprozess kann darin bestehen, dass der Nachfrager dem Anbieter Informationen bereitstellt (z. B. über seine Bedürfnisse und Anforderungen), das Objekt zur Verfügung stellt (z. B. Pkw bei der Autoreparatur, Körper beim Haareschneiden), an dem die Dienstleistung erbracht wird, oder der Nachfrager übernimmt Tätigkeiten innerhalb der Leistungserstellung (z. B. Selbstbedienung im Restaurant).138 • Die Dienstleistung wird als Prozess definiert, weil der Prozess die einzige Leistungsdimension ist, die mit der Zustandsänderung des externen Faktors ein trennscharfes Abgrenzungskriterium der Dienstleistung bereithält. Unbenommen dessen, akzeptiert die Definition, dass das Dienstleistungsergebnis ein Leistungsbündel sein kann, das aus materiellen und immateriellen Leistungsbestandteilen besteht.139 Insbesondere wird akzeptiert, dass die Dienstleistung im Verbund mit materiellen und immateriellen Leistungen produziert und abgesetzt wird. • Mit Veränderung der Zustandseigenschaften ist gemeint: „Durch die Dienstleistungsproduktion wird eine bestimmte Eigenschaft fremder Personen oder fremder Objekte gezielt erhalten, wiederhergestellt, geschaffen oder vernichtet. Hierzu zählen sowohl geistig-immaterielle (z. B. Schulung, Theaterbesuch), körperliche (z. B. Haarschnitt, Massage) oder raum-zeitliche (z. B. Pauschalreise, Wohnungsmiete) Veränderungen von Personen wie auch raum-zeitliche (z. B. Gütertransport, Lagerung) oder substanzielle (z. B. Reparatur, Wartung, Reinigung, Entsorgung) Veränderungen von Objekten.“140
136Vgl. Corsten/Gössinger (2015), S. 49: „Damit ist der externe Faktor ein Produktionsfaktor sui generis, der sich von den internen Produktionsfaktoren dadurch unterscheidet, dass er durch den Produzenten nicht in den erforderlichen Ausprägungen beschaffbar ist, sondern nur durch den Dienstleistungsabnehmer selbst eingebracht werden kann.“ 137Vgl. Lovelock/Wirtz (2011), S. 40. 138Vgl. Fließ/Dyck (2017), S. 608. 139Zum Leistungsbündel als Absatzobjekt vgl. nochmals Engelhardt/Kleinaltenkamp/ Reckenfelderbäumer (1993), S. 406, 411, 415–416. 140Becker/Rech (2014), S. 26, mit Verweis auf Corsten (1985), S. 93; Corsten/Gössinger (2007), S. 22–23, 44–45; s. auch Corsten/Gössinger (2015), S. 23, 41–42.
47
2.1 Der Dienstleistungsbegriff
Anbieter Bereitstellung des Dienstleistungspotenzials
Einwirkung auf den externen Faktor
Rückübertragung der Verfügungsrechte
Transformaonsprozess Externer Faktor vor Zustandsänderung
Übertragung der Verfügungsrechte
Externer Faktor während Zustandsänderung Bereitstellung des externen Faktors und Mitwirkung im Prozess
Externer Faktor nach Zustandsänderung Übernahme der Verfügungsrechte
Nachfrager Abbildung 2.1 Dienstleistung als Transformationsprozess. (Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Mengen (1993), S. 25, 29; Rück (2000), S. 277)
Wie nun ist diese Definition anhand der Kriterien Allgemeingültigkeit, Eindeutigkeit und Unabhängigkeit abschließend zu beurteilen? Allgemeingültigkeit ist gegeben, wenn jeder Dienstleistungsprozess bestimmte Eigenschaft fremder Personen oder fremder Objekte gezielt erhält, wiederherstellt, schafft oder vernichtet. Es finden sich genügende Beispiele, an denen sich die Veränderung der Zustandseigenschaften externer Faktoren nachweisen lassen, wie z. B. Schulung, Theaterbesuch, Haarschnitt, Massage, Person- und Gütertransport, Lagerung, Reparatur, Wartung, Reinigung, Entsorgung, und Beratung. Eindeutigkeit liegt vor, wenn ausschließlich die Dienstleistung durch das Merkmal der Transformation des externen Faktors gekennzeichnet ist. Das ist per definitionem der Fall. Lässt sich dies überprüfen? Ja, denn die Dienstleistung kann auf der Prozessebene operationalisiert werden: „Der Dienstleistungsprozess ist die einzige Phase im Verlauf einer Dienstleistungsproduktion, in der die Dienstleistung als solche, d. h. getrennt von Objekt oder Trägermedium, in ihrer Quantität und Qualität beobachtet werden kann.“141 In der Praxis dürften sich höchstens beim externen Faktor Information Unschärfen bei der Unterscheidung zwischen
141Rück
(2000), S. 278.
48
2 Dienstleistung und Controlling – schillernde Begriffe …
Integration und Transformation ergeben. „Deshalb auf eine Abgrenzung von Dienstleistungen verzichten zu wollen, scheint unverhältnismäßig.“142 Unabhängigkeit besteht, wenn das Merkmal der Transformation von keinem anderen Merkmal abhängt. Naheliegend wäre hier das Merkmal der Integration. Die Abhängigkeit der Transformation von der Integration beschränkt sich darauf, dass die Integration eine notwendige Bedingung für die Transformation ist. Ihre Ursache ist sie nicht. Die Integration zielt nicht auf die Veränderung der Zustandseigenschaften des externen Faktors, sondern lediglich auf die Bereitstellung und die Einbringung des externen Faktors in den Dienstleistungsprozess.143 Integration und Transformation verfolgen divergente Produktionsziele. Die Integration ist notwendig, aber nicht hinreichend für die Transformation. Trotz der höheren Trennschärfe wird der transformationsorientierte Dienstleistungsbegriff in der Literatur des Dienstleistungscontrollings bisher nur von Becker/Rech verwendet.144 Dominiert wird die Literatur nach wie vor vom Konsens des Dienstleistungsbegriffs. Eine unmittelbare Konsequenz für das Controlling ergibt sich aus der Wahl des transformationsorientierten Dienstleistungsbegriffs bereits jetzt: Das Controlling muss seinen Schwerpunkt in Richtung Leistungsprozesse verschieben. Dazu gehört sicherzustellen, dass die kontrahierte Veränderung der Zustandseigenschaften des externen Faktors den Erwartungen des Nachfragers entspricht (Effektivität) und wirtschaftlich erbracht wird (Effizienz).145
2.2 Wertschöpfungsorientierter Controllingbegriff Bislang konnte sich kein Konsens zur Problemstellung, den Inhalten und der theoretischen Basis des Controllings durchsetzen.146 Folglich ist die betriebswirtschaftliche Forschung und Lehre geprägt von konkurrierenden Controlling-
142Rück
(2000), S. 228. Mengen (1993), S. 25–26. 144Vgl. Becker/Rech (2013), S. 515; dies. (2014), S. 27. Zur Anwendung auf personalintensive Dienstleistungsunternehmen s. Dreyer (2004). 145Zur Aufgabe der Sicherung von Effektivität und Effizienz des Dienstleistungscontrollings vgl. Engelhardt (1996), S. 77–81; zu den Begriffen allgemein vgl. MüllerStewens/Schnupp (2017). 146Vgl. Wall (2008), S. 464, 479; sowie Scherm/Lindner (2016), S. 26. 143Vgl.
2.2 Wertschöpfungsorientierter Controllingbegriff
49
begriffen und -konzeptionen.147 Für die Zwecke dieser Arbeit wird mit dem wertschöpfungsorientierten Controlling eine bestimmte Controllingkonzeption ausgewählt.148 Dieses Vorgehen wird damit begründet, dass die wertschöpfungsorientierte Controllingkonzeption weitreichende Gemeinsamkeiten mit den geläufigsten Controllingkonzeptionen aufweist.149 Gemeinsamkeiten bestehen hinsichtlich der Informationsfunktion mit der informationsorientierten Konzeption von Reichmann/Kißler/Baumöl150, bezüglich der Abstimmungsfunktion mit den koordinationsorientierten Konzeptionen von Küpper et al.151 und Horváth/ Gleich/Seiter152. Außerdem bestehen Parallelen zur rationalitätsorientierten Konzeption von Weber/Schäffer153 in punkto der Optimierung der Effektivität und Effizienz der Führung. Wegen ihres systemtheoretischen Fundaments ist die wertschöpfungsorientierte Controllingkonzeption in der Lage, eine Bündelung unterschiedlich ausgeprägter konzeptioneller Ansätze herbeizuführen, so dass der gemeinsame Wesenskern des Controlling hervortritt.154 Gemäß dieser Auswahlentscheidung liegt den weiteren Ausführungen der wertschöpfungsorientierte Controllingbegriff nach Becker zugrunde: „Controlling ist eine integrierte Aufgabe der Unternehmensführung, die im Dienste der Optimierung von Effektivität und Effizienz steht. Die
147Einen Überblick der gängigen Controllingkonzeptionen vermitteln die Sammelrezensionen von Günther/Niepel (2000) und Wall (2008) sowie die Sammelbände von Weber/Hirsch (Hrsg., 2002) und Scherm/Pietsch (Hrsg., 2004). Vergleiche findet man ferner in den grundständigen Lehrbüchern von Ossadnik (2009), S. 8–31; Friedl (2013), S. 95–118; Küpper et al. (2013), S. 19–33; Becker/Baltzer/Ulrich (2014), S. 62–69; Fischer/Möller/Schultze (2015), S. 22–28; Horváth/Gleich/Seiter (2015), S. 56–60; Weber/ Schäffer (2016), S. 20–27; Reichmann/Kißler/Baumöl (2017), S. 61–65. 148Zum wertschöpfungsorientierten Controlling s. Becker (1990); ders. (1999); Becker/ Baltzer (2010), S. 12–21; Becker/Baltzer/Ulrich (2014), S. 49–62; Becker (2017), S. 86–90. 149Vgl. Becker/Baltzer (2009), S. 26–31. 150Vgl. Reichmann/Kißler/Baumöl (2017), S. 17–19. 151Vgl. Küpper et al. (2013), S. 33–52. 152Vgl. Horváth/Gleich/Seiter (2015), S. 43–59. 153Vgl. Weber/Schäffer (1999); dies. (2016), S. 37–60. 154Vgl. Becker (1990), S. 296–300; Becker/Baltzer/Ulrich (2014), S. 67; Becker (2017), S. 46–47.
50
2 Dienstleistung und Controlling – schillernde Begriffe …
originäre Funktion des Controllings, die Lokomotionsfunktion, umfasst das initialisierende Anstoßen, das Sichern sowie das (Weiter-)Entwickeln des betrieblichen Zwecks der Wertschöpfung. Dies erfolgt durch die Wahrnehmung von Gestaltungs- und Lenkungsaufgaben. Die Lokomotionsfunktion setzt die Erfüllung von derivativen Funktionen des Controllings voraus. Dies sind die Sicherung wechselseitiger Abstimmung (Integration, Koordination und Adaption) von Führung und Ausführung sowie die Schaffung von Informationskongruenz innerhalb der Führung und Ausführung.“155
2.3 Der Begriff des Dienstleistungscontrollings 2.3.1 Übertragung des wertschöpfungsorientierten Controllingbegriffs auf Dienstleistungen Angesichts der Heterogenität des Dienstleistungsbegriffs und der Vielzahl an Controllingauffassungen ist es nicht weiter verwunderlich, warum der Begriff Dienstleistungscontrolling in der Literatur uneinheitlich verwendet wird (vgl. Abbildung 2.2). Mehr noch als der Facettenreichtum des Dienstleistungsbegriffs sind dafür unterschiedliche Controllingkonzeptionen verantwortlich.156
155Becker
(2017), S. 86; vgl. früher bereits ders. (1999), S. 3. Deduktionsbasis des Dienstleistungscontrollings werden am häufigsten die koordinationsorientierte und die rationalitätsorientierte Controllingkonzeption verwendet. Vgl. Becker/Rech (2014), S. 176–179. Zur koordinationsorientierten Controllingkonzeption s. Ossadnik (2009), S. 31–51; Küpper et al. (2013), S. 30–52; Horváth/Gleich/ Seiter (2015), S. 33–64. Zur rationalitätsorientierten Controllingkonzeption s. Weber/ Schäffer (1999); dies. (2016), S. 27, 37–60. 156Als
2.3 Der Begriff des Dienstleistungscontrollings Autor(en)
Jahr
Schäffer/ Weber
2002
Bruhn
2008
Sehnert
2011
Bruhn/ Meffert
2012
Becker/ Rech
2013
Siebold
2014
Meffert/ Bruhn/ Hadwich
2015
51
Definition Dienstleistungscontrolling „[ist] als spezifische Funktion der Sicherstellung eines rationalen Dienstleistungsmanagements definier[t]. Dem Dienstleistungs-Controlling diese Funktion zuzuweisen, macht seine konkrete Ausprägung kontextabhängig.“ (S. 6) „lässt sich das Dienstleistungscontrolling als spezifische Funktion der Sicherstellung eines rationalen Dienstleistungsmanagements beschreiben, die den dienstleistungsspezifischen Merkmalen Rechnung trängt.“ (S. 406) „dient als Subsystem von Dienstleistungsmanagement und marketing, das die Unternehmensleitung mit geeigneten Informationen und Methodenwissen versorgt. Hierzu werden unterschiedliche Mechanismen instrumentalisiert, die sich an dem jeweiligen Informationsbedarf von Entscheidungsträgern orientieren.“ (S. 22) „lässt sich … als spezifische Funktion der Sicherstellung eines rationalen Dienstleistungsmanagements beschreiben, die den dienstleistungsspezifischen Merkmalen der Kundenbeteiligung, der Immaterialität sowie der beiderseitigen Verhaltensunsicherheit Rechnung trägt.“ (S. 724; mit Hervorhebungen im Original) „sei hier wertschöpfungsorientiert als eine integrierte Aufgabe des Dienstleistungsmanagements definiert, die im Dienste der Optimierung von Effektivität und Effizienz das initialisierende Anstoßen sowie das wertschöpfungsorientierte Ausrichten des Handelns in Dienstleistungsbereichen unter Berücksichtigung der besonderen Dienstleistungseigenschaften sicherzustellen hat.“ (S. 515; im Original teilweise hervorgehoben) „bedeutet die Analyse, Planung, Steuerung und Kontrolle der Durchführung und Koordination aller kundenbezogenen Aktivitäten im Hinblick auf eine wirtschaftliche Ausrichtung des Dienstleistungsmanagements“. (S. 29) „als spezifische Funktion der Sicherstellung eines rationalen Dienstleistungsmanagements beschreiben, die den dienstleistungsspezifischen Merkmalen der Kundenbeteiligung und der Immaterialität Rechnung trägt.“ (S. 472; im Original mit Hervorhebungen)
Abbildung 2.2 Definitionen des Begriffs Dienstleistungscontrolling. (Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Becker/Rech (2014), S. 52, erweitert und aktualisiert)
52
2 Dienstleistung und Controlling – schillernde Begriffe …
Der Begriff Dienstleistungscontrolling wird herkömmlicher Weise aus generischen Controllingkonzeptionen abgeleitet.157 Hinter dieser Vorgehensweise verbirgt sich die hier gleicherweise geteilte Überzeugung, dass die erfolgsorientierte Unternehmenssteuerung von Dienstleistungen keiner von Grund auf neuen Konzeptualisierung des Dienstleistungscontrolling bedarf, sondern es ausreicht, generische Controllingkonzeptionen auf die Besonderheiten von Dienstleistungen zu übertragen.158 Aufgrund ihrer „langen Entwicklungshistorie und Allgemeingültigkeit bieten generische Controllingkonzeptionen einen theoretisch und empirisch soliden Grundstock, um darauf aufbauend speziellere Controllingkonzeptionen zu entwerfen.“159 Damit bleibt die Frage zu beantworten, welche Controllingkonzeption und damit welcher Controllingbegriff dem Dienstleistungscontrolling zugrunde zu legen ist. In Abschnitt 1.2.3 wurde die wertschöpfungsorientierte Controllingkonzeption ausgewählt. Ausschlaggebend für die Wahl dieser Konzeption waren zwei Aspekte:160 Einerseits hat die wertschöpfungsorientierte Controllingkonzeption schon mehrfach bewiesen, dass sie auf spezielle Controllingkonzeptionen erfolgreich übertragen werden kann. Beispiele, wie das Controlling von TV-Sendern, Wohnungsunternehmen, Shared Service Centern, Call Centern und Handelsunternehmen, belegen dies.161 Andererseits steht die Forderung im Raum, für die Vielschichtigkeit dienstleistungsspezifischer Planungs-, Kontroll-, Koordinations- und Informationsprobleme bevorzugt Konzeptionen zu wählen, die dem Dienstleistungscontrolling ein breitgefächertes Aufgabenspektrum
157Ebenfalls üblich ist es, auf die Definition des Begriffs Dienstleistungscontrolling zu verzichten. In diesem Fall wird der allgemeine Controllingbegriff direkt auf Dienstleistungsbesonderheiten angewendet. Vgl. Becker/Rech (2014), S. 52. 158Vgl. Engelhardt/Schnittka (2001), S. 935; Corsten/Gössinger (2004), S. 328, 336; Bruhn/Stauss (2006), S. 27; Bruhn (2008), S. 412; Becker/Rech (2013), S. 515; Corsten/ Corsten (2013), S. 444. 159Becker/Rech (2014), S. 177. 160Vgl. nochmals Abschnitt 1.2.3. 161Vgl. Geisler (2001); Fuchs (2005); Becker/Kunz/Meyer (2009); Becker/Ulrich/Eggeling (2013); Becker et al. (2010); Ebner (2015).
2.3 Der Begriff des Dienstleistungscontrollings
53
zuweisen.162 Gemessen am zu erfüllenden Funktionsumfang gehört die wertschöpfungsorientierte Controllingkonzeption zu den Konzeptionen mit dem größten Funktionsumfang.163 Überträgt man den wertschöpfungsorientierten Controllingbegriff nach Becker164 auf Dienstleistungen, so stellt sich das Dienstleistungscontrolling „als eine integrierte Aufgabe des Dienstleistungsmanagements dar, die im Dienste der Optimierung von Effektivität und Effizienz das initialisierende Anstoßen sowie das wertschöpfungsorientierte Ausrichten des Handelns in Dienstleistungsbereichen unter Berücksichtigung der besonderen Dienstleistungseigenschaften sicherzustellen hat.“165
2.3.2 Auswahl des leistungsbezogenen Dienstleistungscontrollings als Forschungsobjekt Becker/Rech teilen das Dienstleistungscontrolling in Anlehnung an die Literatur des Dienstleistungsmarketings und Dienstleistungsmanagements in die drei Arten institutionelles, funktionelles und leistungsbezogenes Dienstleistungscontrolling ein (vgl. Abbildung 2.3).166
162Vgl. Bruhn (2008), S. 405: „Während dabei zum Teil eine sehr eng mit Kostenrechnung, Soll-Ist-Vergleichen und Reporting verbundene Auffassung [von Controlling] vertreten wird, liegt es besonders im Dienstleistungsbereich nahe, dem Controlling einen weiter gefassten Aufgabenbereich zuzuweisen.“; ähnlich Becker/Rech (2014), S. 178–179. 163Vgl. Becker/Baltzer (2009), S. 26–27. Ferner zählen sie zu Konzeptionen mit großem Funktionsumfang die rationalitätsorientierte und die reflexionsorientierte Controllingkonzeption sowie die Konzeption des Controllings als Effektivitäts- und Effizienzsicherung. 164Vgl. Becker (1999); ders. (2009), S. 11–28, 59–62; Baltzer/Becker (2010); Becker/ Baltzer/Ulrich (2014), S. 49–62. 165Becker/Rech (2014), S. 53; sowie vorher bereits Becker/Rech (2013), S. 515. 166Vgl. Becker/Rech (2014), S. 53–57, und die dort angegebene Literatur.
54
2 Dienstleistung und Controlling – schillernde Begriffe …
Dienstleistungscontrolling
Institutionelles Dienstleistungscontrolling
Funktionelles Dienstleistungscontrolling
Leistungsbezogenes Dienstleistungscontrolling
Abbildung 2.3 Arten des Dienstleistungscontrollings. (Quelle: Becker/Rech (2014), S. 54, in Anlehnung an die Einteilung der Arten des Dienstleistungsmanagements bei Stauss (2007), Sp. 294–296)
Das institutionelle Dienstleistungscontrolling umfasst das Controlling von Betrieben, deren Hauptgeschäftszweck in der Erbringung und Vermarktung von Dienstleistungen besteht. Die amtliche Statistik führt diese Betriebe im tertiären Sektor (Dienstleistungsbetriebe). Hierzu zählen unter anderem Betriebe der Branchen Handel, Verkehr, Gastgewerbe, Information und Kommunikation, Banken, Versicherungen, Wohnungswesen, Bildung, Gesundheit und Sozialwesen.167 Die Besonderheit des institutionellen Dienstleistungscontrolling besteht darin, Kontextfaktoren der Dienstleistungsbranchen bei der Gestaltung des Controllings zu berücksichtigen, z. B. Krankenhauscontrolling, Bankencontrolling.168 Das funktionelle Dienstleistungscontrolling ist auf die betrieblichen Dienstleistungsfunktionen ausgerichtet, wozu z. B. Kundendienst, produktbegleitende Dienstleistungen, Fuhrpark, Gebäudemanagement, IT-Dienstleistungen, Personaldienstleistungen, Instandhaltung, Logistik, Sicherheit oder Catering gehören. Das funktionale Dienstleistungscontrolling berücksichtigt bei der Ausgestaltung des Controllings funktionsspezifische Kontextfaktoren, z. B. IT-Controlling oder Logistikcontrolling.169 Das leistungsbezogene Dienstleistungscontrolling abstrahiert von Branchen und Funktionsbezügen. Stattdessen berücksichtigt es bei der Gestaltung des Controllings die Besonderheiten von Dienstleistungen, die für alle Branchen und Funktionen identisch sind. Diese Art des Dienstleistungscontrollings orientiert sich somit an den konstitutiven Merkmalen der Dienstleistung und leitet daraus
167Vgl.
Statistisches Bundesamt (Hrsg., 2015), S. 324. Becker/Rech (2014), S. 54. 169Vgl. Becker/Rech (2014), S. 54–55. 168Vgl.
2.3 Der Begriff des Dienstleistungscontrollings
55
Implikationen für das Controlling ab.170 Es wird in der Literatur häufig auch als allgemeines oder generisches Dienstleistungscontrolling bezeichnet. Beachtenswert sind die Überschneidungen der drei Arten des Dienstleistungscontrollings. So unterliegt die Gestaltung des funktionellen Dienstleistungscontrollings nicht nur den Einflüssen der Funktion, sondern ebenso den Einflüssen der Branche. Das Instandhaltungscontrolling von Verkehrsbetrieben und Wohnungsunternehmen mag zwar viele Gemeinsamkeiten verzeichnen. Dennoch erfordern die unterschiedlichen Instandhaltungsobjekte und -prozesse eine Differenzierung des Instandhaltungscontrollings. Gemeinsamkeiten gibt es darüber hinaus zwischen dem institutionellen und funktionellen Dienstleistungscontrolling, zum Beispiel zwischen dem Controlling von Logistikbetrieben und dem Logistikcontrolling in produzierenden Unternehmen.171 Zudem ist das leistungsbezogene Dienstleistungscontrolling oftmals integraler Bestandteil der anderen beiden Arten ohne als eigenständige Art in Erscheinung zu treten.172 Das leistungsbezogene Dienstleistungscontrolling wurde in Abschnitt 1.2.1 als Forschungsgegenstand erklärt. Das Ziel der Arbeit ist es, nach konzeptionellen, theoretischen und empirischen Gemeinsamkeiten des Controllings in allen Dienstleistungsbereichen zu forschen, um auf dieser Grundlage das Dienstleistungscontrolling zu fundieren.173 Um die für alle Arten des Dienstleistungscontrollings gleichermaßen geltenden Rahmenbedingungen und Anforderungen herauszuarbeiten, ist die Einnahme einer leistungsbezogenen Perspektive besser geeignet, als die institutionelle oder funktionelle Perspektive.174 Mit der institutionellen Perspektive lassen sich zwar Aussagen zu den Controllingaufgaben in Banken und Krankenhäusern machen, mit der funktionellen Perspektive zum Controlling der betrieblichen IT und der Instandhaltung. Jedoch führt die Heterogenität der Dienstleistungsbranchen und -funktion eher dazu, die branchen- und funktionsbezogenen Unterschiede des Controllings herauszustellen, als den Blick für den gemeinsamen Kern des Dienstleistungscontrollings zu schärfen.175
170Vgl.
Becker/Rech (2014), S. 55. Schweitzer/Küpper (2011), S. 762–763. 172Vgl. Becker/Rech (2014), S. 57. 173Vgl. Abschnitte 1.2.1 und 1.2.2. 174Vgl. Corsten (2001), S. 58; Stauss (2007), Sp. 296–297. 175Vgl. Schäffer/Weber (2002), S. 7, 12; Reckenfelderbäumer (2006), S. 40–41. 171Vgl.
3
Bestandsaufnahme der Literatur des Dienstleistungscontrollings
In Teil 3 wird die erste Forschungsfrage beantwortet: Welchen Forschungsstand hat die wissenschaftliche Literatur auf dem Gebiet des Dienstleistungscontrollings erreicht?1 Zur Beantwortung der Frage wird der Bestand der Literatur systematisch ausgewertet.2 Gegenstand der Literaturanalyse ist das leistungsbezogene Dienstleistungscontrolling.3 Zunächst werden in Abschnitt 3.1 die Forschungsziele und Forschungsfragen formuliert. Im Anschluss daran werden in Abschnitt 3.2 die Ergebnisse und Methoden bisheriger Literaturanalysen kritisch gewürdigt. Danach wird in Abschnitt 3.3 ein zu den Forschungszielen und -fragen passendes Untersuchungsdesign entwickelt. Die Ergebnisse der Auswertung werden in Abschnitt 3.4 vorgestellt. Sie werden in Abschnitt 3.5 mit den Ergebnissen bisheriger Literaturanalysen verglichen. Zum Schluss wird in Abschnitt 3.6 ein Resümee zum Stand der Forschung gezogen und auf Limitationen der eigenen Untersuchung hingewiesen.
3.1 Forschungsziele Mit der Bestandsaufnahme des aktuellen Forschungsstandes in der Literatur werden zwei Forschungsziele verbunden: 1Vgl. Abschnitt 1.2.2. 2Vgl. 3Vgl.
Döring/Bortz (2016), S. 898. nochmals Abschnitt 2.3.2 zum Forschungsgegenstand der Arbeit.
Elektronisches Zusatzmaterial Die elektronische Version dieses Kapitels enthält Zusatzmaterial, das berechtigten Benutzern zur Verfügung steht https://doi.org/10.1007/978-3-658-31326-5_3 © Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 S. Rech, Dienstleistungscontrolling, Unternehmensführung & Controlling, https://doi.org/10.1007/978-3-658-31326-5_3
57
58
3 Bestandsaufnahme der Literatur des Dienstleistungscontrollings
1. Die Bestandsaufnahme soll Perspektiven für die zukünftige Forschung auf dem Gebiet des Dienstleistungscontrollings aufzeigen, in dem sie inhaltliche, theoretische, empirische und methodische Stärken und Schwächen der bisherigen Forschung aufzeigt.4 2. Die Bestandsaufnahme soll Aspekte des Dienstleistungscontrollings beleuchten, die für seine konzeptionelle, theoretisch und empirische Grundsteinlegung wichtig sind. Döring/Bortz schlagen vor, den „bisherige[n] Forschungsstand unter anderem chronologisch, nach Theorien, nach methodischen Ansätzen oder nach thematischen Aspekten“5 zu strukturieren. Gemäß dieser generellen Empfehlung und in Anlehnung an die Literaturanalysen von Binder/Schäffer6 zur Entwicklung des Controllings und Süß/Altmann7 zur Ausrichtung der Personalwirtschaftslehre wird die Literatur des Dienstleistungscontrollings nach fünf Schwerpunkten analysiert: • Publikationstätigkeit, • thematische Schwerpunkte, • Forschungsmethoden, • theoretische Fundierung, • empirische Fundierung. Für jeden Analyseschwerpunkt wurden explorative Forschungsfragen formuliert (vgl. Abbildung 3.1). Mit insgesamt elf Forschungsfragen geht die Literaturanalyse selektiv vor. Der Blickwinkel wird auf solche Aspekte verkürzt, die für den Entwurf einer Controllingkonzeption besonders relevant sind. Es kann damit nicht ausgeschlossen werden, dass für den gegenwärtigen Forschungsstand des Dienstleistungscontrollings eventuell bedeutsame Gesichtspunkte verborgen bleiben. In Anbetracht des primären Ziels, eine Konzeption für das Dienstleistungscontrolling auf der Grundlage des aktuellen Forschungsstandes zu entwerfen, erscheint eine selektive Vorgehensweise dennoch vertretbar.8 4Vgl.
Kornmeier (2007), S. 107–109; Döring/Bortz (2016), S. 158, 163, 898. (2016), S. 6. 6Vgl. Binder/Schäffer (2005), S. 603–604 7Vgl. Süß/Altmann (2015), S. 10–11. 8Binder/Schäffer (2005), S. 604, begründen den verengten Blickwinkel ihrer Literaturanalyse zum Controlling mit dem geringen Erkenntnisstand zu dieser Disziplin. Dieses Argument trifft für das Controlling heute sicherlich nicht mehr zu, wohl aber für das Dienstleistungscontrolling. 5Döring/Bortz
3.2 Zum Stand bisheriger Literaturanalysen Nr.
Analyseschwerpunkt
1
Publikationstätigkeit
2
Publikationstätigkeit
3
Thematische Schwerpunkte
4
Thematische Schwerpunkte
5
Forschungsmethoden
6
Forschungsmethoden
7
Forschungsmethoden
8
Theoretische Fundierung
9
Theoretische Fundierung
10
Empirische Fundierung
11
Empirische Fundierung
59
Forschungsfrage Wie haben sich die Publikationen über die Zeit entwickelt? Welche Arten von Literaturquellen beeinflussen die Entwicklung? Welche Themen stehen im Mittelpunkt der Betrachtung? Wie haben sich die Themen über die Zeit verändert? Welche Forschungsmethoden setzen die Autoren ein? Wie hat sich der Einsatz der Methoden über die Zeit entwickelt? Welche Zusammenhänge bestehen zwischen Methoden und Themen? Welche Theorien nutzen die Autoren zur Erklärung und Gestaltung? Welche Zusammenhänge bestehen zwischen Theorien und Themen? Welche empirischen Forschungsmethoden setzen die Autoren ein? Für welche Themenfelder liegen empirische Erkenntnisse vor?
Abbildung 3.1 Forschungsfragen. (Quelle: Eigene Fragen in Anlehnung an Binder/ Schäffer (2005), S. 603–604; Süß/Altmann (2015), S. 10–11)
3.2 Zum Stand bisheriger Literaturanalysen Zum Gebiet des Dienstleistungscontrollings gibt es im deutschen Sprachraum bereits Literaturanalysen (vgl. Abbildung 3.2).9 Eine erneute Bestandsaufnahme lässt sich mit der fehlenden Aktualität, unterschiedlichen Schwerpunktsetzung und den methodischen Schwächen bisheriger Literaturanalysen rechtfertigen. Die meisten Literaturübersichten wurden vor vielen Jahren erstellt. Weber, Bruhn/Stauss und Reckenfelderbäumer nahmen den Bestand vor mehr als zehn Jahren auf.10 Neuere Analysen von Quitt/Sommer und Becker/Rech beschränken sich auf wenige Quellen. Quitt/Sommer rezensieren vier, scheinbar willkürlich ausgewählte Werke.11 Becker/ Rech untersuchen dreizehn theoretisch-konzeptionelle Schriften.12
9Vgl. Weber
(Hrsg., 2002), S. 115–116; Bruhn/Stauss (Hrsg., 2006), S. 485–502; Reckenfelder bäumer (2006), S. 39–46; Quitt/Sommer (2010), S. 225–234; Becker/Rech (2014), S. 68–133. 10Vgl. Weber (Hrsg., 2002), S. 115–116; Bruhn/Stauss (Hrsg., 2006), S. 485–502; Reckenfelderbäumer (2006), S. 39–46. 11Vgl. Quitt/Sommer (2010), S. 225–233. Die rezensierten Werke sind: Nagl/Rath (2004); Kinkel/Jung Erceg/Lay (Hrsg., 2003); Bruhn/Stauss (Hrsg., 2006); Tietmeyer (2009). 12Vgl. Becker/Rech (2014), S. 70–71.
60
Autor(en) / Hrsg.
Weber
Bruhn/Stauss
Reckenfelderbäumer
Qui/Sommer
Becker/Rech
3 Bestandsaufnahme der Literatur des Dienstleistungscontrollings
Jahr
Schwerpunkte
Methode
Anzahl der Quellen
Hrsg., 2002
Allgemeines Dienstleistungsmanagement und -controlling, Dienstleistungscontrolling in verschiedenen Branchen, Instrumente des Dienstleistungscontrollings, Controlling interner Dienstleistungen
keine Angaben zur Suche und Auswahl; keine Bewertung
N = 49
Hrsg., 2006
Allgemeines und branchenbezogenes Dienstleistungscontrolling, Instrumente des Dienstleistungscontrollings
keine Angaben zur Suche und Auswahl; keine Bewertung
N = 179
2006
Allgemeines Dienstleistungscontrolling in der Controllingliteratur i.e.S., Markengliteratur und Literatur der Produkonswirtscha
keine Angaben zur Suche und Auswahl; krische Würdigung einzelner Quellen
N = 38
2010
Allgemeines Dienstleistungscontrolling, Controlling produktbegleitender Dienstleistungen, Prozesssteuerung
keine Angaben zur Suche und Auswahl; krische Würdigung einzelner Quellen
N=4
2014
Controlling für Dienstleistungsbetriebe, Controlling produktbegleitender Dienstleistungen
Angaben zur Suche und zu Kriterien der Literaturauswahl; Bewertung anhand Analyseraster
N = 13
Abbildung 3.2 Literaturanalysen des Dienstleistungscontrollings. (Quelle: Eigene Darstellung (ohne Anspruch auf Vollständigkeit))
3.2 Zum Stand bisheriger Literaturanalysen
61
Die thematischen Schwerpunkte bisheriger Literaturanalysen variieren. 82 % (40 von 49) der von Weber im Jahr 2002 dokumentierten Quellen beziehen sich auf das institutionelle (öffentliche Verwaltung, Krankenhäuser, Hotel, Banken, Handel, Kirche, Medien, Beratung, Non-Profit-Organisationen, Hochschulen), das funktionelle (Beschaffung, Logistik, Vertrieb) und auf die Instrumente des Dienstleistungscontrollings (Kostenrechnung, Budgetierung, Target Costing).13 Unter der Rubrik „Allgemeines Dienstleistungsmanagement und Dienstleistungs-Controlling“ notiert Weber neun Quellen, zwei davon zum Dienstleistungscontrolling.14 2006 tragen Bruhn/Stauss 16 Quellen zum leistungsbezogenen Dienstleistungscontrolling zusammen.15 75 % (135 von 179) ihrer Quellen nehmen Bezug auf Instrumente des Dienstleistungscontrollings (z. B. Balanced Scorecard, Prozesskostenrechnung, Target Costing, Benchmarking, Performance Measurement, Qualitätscontrolling), 16 % (28 von 179) auf das institutionelle Dienstleistungscontrolling (z. B. Telekommunikation, Beratung, öffentliche Verwaltung, Hotel, Handel, Krankenhaus, Luftfahrt, Touristik, Hochschulen, Kirche, Banken).16 Die Literaturanalysen von Weber und Bruhn/Stauss führen deutlich vor Augen, dass sich die Literatur bis 2006 schwerpunktmäßig mit institutionellen, funktionellen und instrumentellen Aspekten des Dienstleistungscontrollings befasste, weitaus seltener hingegen mit den gemeinsamen Grundlagen des Dienstleistungscontrollings in allen Dienstleistungsbranchen und -funktionen.17 Reckenfelderbäumer, Quitt/Sommer und Becker/Rech stellen deshalb das leistungsbezogene Dienstleistungscontrolling ins Zentrum ihrer Recherchen.18 Insgesamt registrieren die Literaturanalysen der Abbildung 3.2 zum leistungsbezogenen Dienstleistungscontrolling 29 Quellen, darunter 16 Beiträge in Sammelbänden, 6 Zeitschriftenartikel, 4 Dissertationen und 3 Monographien (vgl. Abbildung 3.3).
13Vgl.
Weber (Hrsg., 2002), S. 115–116. Weber (Hrsg., 2002), S. 115, mit Verweis auf Strunk (Hrsg., 1996) und Fischer (2000). Das Werk von Strunk (Hrsg., 1996) ordnet Weber falsch zu. Es behandelt das Controlling von Sozial- und Gesundheitssystemen und müsste folglich unter der Rubrik „Dienstleistungs-Controlling in unterschiedlichen Branchen und Kontexten“ in seinem Rubrikensystem geführt werden. 15Vgl. Bruhn/Stauss (Hrsg., 2006), S. 491–492. 16Vgl. Bruhn/Stauss (Hrsg., 2006), S. 485–502. 17Vgl. zum gleichen Ergebnis gelangend Reckenfelderbäumer (2006), S. 42. 18Vgl. Reckenfelderbäumer (2006), S. 39–46; Quitt/Sommer (2010), S. 225–233; Becker/ Rech (2014), S. 68–133. 14Vgl.
62
3 Bestandsaufnahme der Literatur des Dienstleistungscontrollings
Autor(en) / Hrsg.
Jahr
Titel
Art der Quelle
Vikas
1988
Controlling im Dienstleistungsbereich mit Grenzplankostenrechnung
Dissertation
Zilahi-Szabó
1993
Controlling in Dienstleistungsbetrieben
Zeitschriftenartikel
Meyer
1995
Moderne Controlling-Ansätze für Dienstleistungsunternehmen
Artikel in Sammelband
Strunk (Hrsg.)
1996
Dienstleistungscontrolling
Sammelband
Witt
1997
Friedl
1998
Küpper
1998
Pellens/Crasselt/ Tomaszewski
1998
Witt
1998
Tools für das Dienstleistungs- und Servicecontrolling Leistungscontrolling von DienstleistungsAnbietern Erfolgs- und finanzwirtschaftliches Controlling Marktwertorientiertes Controlling in Dienstleistungsunternehmen Anwendungen und Ausgestaltungen im Dienstleistungscontrolling Dienstleistungs-Controlling: Grundlagen und Anwendungen
Zeitschriftenartikel Artikel in Sammelband Artikel in Sammelband Artikel in Sammelband Zeitschriftenartikel
Fischer
2000
Palloks-Kahlen/ Kucynski
Monographie
2000
Weber/Schäffer
2001
Sanche
2002
Schäffer/Weber
2002
Borrmann
2003
Kinkel
2003
Witt
2003
Dienstleistungs-Controlling
Monographie
Botta
2004
Aspekte eines ganzheitlichen Dienstleistungscontrolling
Artikel in Sammelband
Corsten/ Gössinger
2004
Langer/ Mackowiak/ Völcker (Hrsg.)
2004
Nagl/Rath
2004
Controlling im Service-Management
Zeitschriftenartikel
Controlling in Dienstleistungsunternehmen Strategische Erfolgsposition: Industrieller Service Herausforderung für das Dienstleistungscontrolling Service-Controlling für produzierende Unternehmen Produkbegleitende Dienstleistungen – Herausforderungen für das Controlling
Artikel in Sammelband
Dienstleistungscontrolling– Konzeptioneller Rahmen und Gestaltungsfelder Dienstleistungscontrolling: Methoden und Instrumente zur Effizienzsteigerung in Dienstleistungsbereichen Dienstleistungscontrolling
Dissertation Artikel in Sammelband Dissertation Artikel in Sammelband
Artikel in Sammelband
Sammelband Monographie
Abbildung 3.3 Quellen des leistungsbezogenen Dienstleistungscontrollings in bisherigen Literaturanalysen. (Quelle: Eigene Darstellung i.V.m. Bruhn/Stauss (Hrsg., 2006), S. 491– 492; Reckenfelderbäumer (2006), S. 39–46; Quitt/Sommer (2010), S. 225; Becker/Rech (2014), S. 70)
3.2 Zum Stand bisheriger Literaturanalysen
63
2006
Dienstleistungscontrolling– Einführung in die theoretischen und praktischen Problemstellungen
Artikel in Sammelband
2006
Industrielles Service-Management
Artikel in Sammelband
Reckenfelderbäumer
2006
Konzeptionelle Grundlagen des Dienstleistungscontrolling– Kritische Bestandsaufnahme und Perspektiven der Weiterentwicklung zu einem Controlling der Kundenintegration
Artikel in Sammelband
Bruhn
2008
Möller/Schwab
2008
Tietmeyer
2009
Gleich/ Petschnig / Schmidt
2010
Wall/Mödritscher
2012
Bruhn/ Stauss Engehardt/ Reckenfelderbäumer
Dienstleistungscontrolling durch eine ganzheitliche Betrachtung der Erfolgskette des Dienstleistungsmanagements Controlling produktbegleitender Dienstleistungen Ganzheitliches Management zur Optimierung und Steuerung von Serviceprozessen Controlling von Dienstleistungen: Besonderheiten bei Anforderungen und Lösungsansätzen Integrationsnotwendigkeit im Controling bei der Transformation zum Lösungsanbieter
Zeitschriftenartikel
Zeitschriftenartikel Dissertation Artikel in Sammelband Artikel in Sammelband
Abbildung 3.3 (Fortsetzung)
Mit 16 der 29 Quellen sind mehr als die Hälfte der Beiträge des Dienstleistungscontrollings in Sammelbänden erschienen.19 Legt man die Ergebnisse bisheriger Studien zugrunde, so spielt sich ein Großteil des wissenschaftlichen Diskurses zum leistungsbezogenen Dienstleistungscontrolling in Herausgeberbänden ab. Eine Besonderheit, die es bei der erneuten Literaturrecherche zu
19Zwei
davon in Sammelbänden von Zeitschriften: Schäffer/Weber (2002) im krpSonderheft 02/2002 „Dienstleistungscontrolling“ von Weber (Hrsg., 2002) sowie Wall/ Mödritscher (2012) im zfbf-Sonderheft 65/12 „Integration von Produkt und Service – Auf dem Weg zum Lösungsanbieter“ von Fleig/Horváth/Seiter (Hrsg., 2012).
64
3 Bestandsaufnahme der Literatur des Dienstleistungscontrollings
beachten gilt. Bei genauer Betrachtung zeigt sich allerdings: Obwohl die bisherigen Literaturanalysen die 16 Quellen dem leistungsbezogenen Dienstleistungscontrolling zuweisen, befinden sich Quellen darunter, die sich keineswegs nur mit den Gemeinsamkeiten des Dienstleistungscontrollings beschäftigen, sondern mit institutionellen, funktionellen und instrumentellen Aspekten. Meyer behandelt in seinem Einführungsbeitrag die Instrumente Marktzinsmethode, Prozesskostenrechnung, Standardkostenrechnung und die Profit Center Steuerung.20 Die weiteren Artikel des Sammelwerkes von Fickert/ Meyer bearbeiten einseitig das institutionelle Dienstleistungscontrolling von Banken, Versicherungen, Treuhandanstalten, Beratungen, Krankenhäusern, Kirchen, Caritas, Handel, Schifffahrt, Fernsehen.21 Das Sammelband von Strunk befasst sich ausschließlich mit dem Controlling im Sozial- und Gesundheitssystem.22 Pellens/Crasselt/Tomaszewski legen ihren Beitrag auf Instrumente der wertorientierten Unternehmenssteuerung (CFROI, EVA, DCF) sowie die Projektstands- und Prozesskostenrechnung aus.23 Mit Ausnahme des Einführungsbeitrags von Schäffer/Weber, widmen sich die Nachfolgebeiträge des Herausgeberbandes von Weber dem institutionellen Dienstleistungscontrolling in Banken, Beratungen, Fluggesellschaften, Speditionen, öffentlichen Verwaltungen, Krankenhäusern, Kirchen, Hochschulen, dem funktionellen Controlling interner Dienstleistungen sowie den Instrumenten Kostenrechnung, Preiskalkulation und Kennzahlensysteme.24 Das Herausgeberband von Kinkel/Jung Erceg/ Lay wendet sich dem Controlling produktbegleitender Dienstleistungen zu.25 Allenfalls der Einführungsbeitrag von Kinkel nimmt eine breitere Sichtweise auf das Controlling produktbegleitender Dienstleistungen ein.26 Die Folgebeiträge konzentrieren sich anhand von Praxisbeispielen auf die Kostenerfassung und -zurechnung, die Preisfindung und Verrechnung, das Kosten- und Nutzencontrolling produktbegleitender Dienstleistungen sowie auf die Kalkulation von Betreibermodellen.27 Im Band von Langer/Mackowiak/Völcker geht es um die
20Vgl.
Meyer (1995). Fickert/Meyer (Hrsg., 1995), S. 7–8. 22Vgl. Strunk (Hrsg., 1996). 23Vgl. Pellens/Crasselt/Tomaszewski (1998). 24Vgl. Weber (Hrsg., 2002), S. 3. 25Vgl. Kinkel/Jung Erceg/Lay (Hrsg., 2003). 26Vgl. Kinkel (2003a). 27Vgl. Kinkel/Jung Erceg/Lay (Hrsg., 2003), S. V–IX. 21Vgl.
3.2 Zum Stand bisheriger Literaturanalysen
65
Prozesskostenrechnung in Krankenhäusern, Fluggesellschaften und Banken, dem Target Costing in TV-Produktionsunternehmen, der Balanced Scorecard in NPOs oder der Budgetierung in Hotelbetrieben.28 Die Literaturanalysen der Abbildung 3.2 ordnen diese Quellen falsch dem allgemeinen Dienstleistungscontrolling zu. Richtig wäre es, sie unter dem institutionellen, funktionellen und unter den Instrumenten des Dienstleistungscontrollings zu erfassen. Die restlichen Aufsätze in Sammelbänden befassen sich mit den gemeinsamen Grundlagen des Dienstleistungscontrollings und werden als solche akkurat ausgewiesen. Vollständig im Sinne einer ganzheitlichen und zusammenhängenden Analyse der funktionalen, institutionalen, instrumentalen und prozessualen Aspekte des Dienstleistungscontrollings ist keiner von ihnen:29 • Küpper überträgt die koordinationsorientierte Konzeption auf die Spezifika von Dienstleistungsunternehmen. Durch den großen Einfluss des Menschen auf die Dienstleistungsprozesse attestiert er dem Personalführungssystem und dessen Anreiz- und Motivationswirkungen eine besondere Bedeutung in Dienstleistungsunternehmen.30 • Friedl untersucht im selben Band die Auswirkungen der Standardisierung von Dienstleistungsprozessen und -ergebnissen auf das Controlling.31 • Weber/Schäffer adaptieren die rationalitätsorientierte Controllingskonzeption auf Dienstleistungsbereiche. Sie greifen die von Friedl diskutierten Planungs-, Steuerungs- und Kontrollunsicherheiten in Abhängigkeit vom Standardisierungsgrad auf.32 • Kinkel beschreibt die Aufgaben und Instrumente des Controllings produktbegleitender Dienstleistungen im Rahmen des Kosten- und Nutzencontrollings, der Rechnungsstellung und dem Controlling von Betreibermodellen.33
28Vgl.
Langer/Mackowiak/Völcker (Hrsg., 2004). Becker/Rech (2014), S. 116–133, 255–260. 30Vgl. Küpper (1998); zur Kritik s. Becker/Rech (2014), S. 116–117. 31Vgl. Friedl (1998); zur Kritik s. Becker/Rech (2014), S. 117–118. 32Vgl. Weber/Schäffer (2001) und der nahezu identische Aufsatz Schäffer/Weber (2002); zur Kritik s. Becker/Rech (2014), S. 119–121. 33Vgl. Kinkel (2003a). 29Vgl.
66
3 Bestandsaufnahme der Literatur des Dienstleistungscontrollings
• Botta teilt die Aufgaben des Dienstleistungscontrollings entlang der Leistungsphasen der Dienstleistung in Potenzial-, Prozess- und Ergebniscontrolling ein.34 • Corsten/Gössinger berücksichtigen den externen Faktor als Haupteinflussgröße bei Dienstleistungen. Sie kommen Küppers35 Forderung nach und erweitern die Verhaltenssteuerungsfunktion des Dienstleistungscontrollings von der zielorientierten Verhaltensbeeinflussung der Mitarbeiter um diejenige von Kunden.36 • Bruhn/Stauss stellen im Einführungsbeitrag des Sammelbandes von Bruhn/ Stauss37 den Status Quo der konzeptionellen Grundlagen des Dienstleistungscontrollings dar.38 • Reckenfelderbäumer nimmt kritisch den Bestand zum Dienstleistungscontrolling in der Controlling-, Marketing- und Managementliteratur auf. Die Zukunft des Dienstleistungscontrollings sieht er in der Ausrichtung auf die Kundenintegration.39 • Engelhardt/Reckenfelderbäumer unterbreiten verschiedene Lösungsansätze für das Controlling industrieller Services.40 • Gleich/Petschnig/Schmidt fassen den aktuellen Stand des Controllings produktbegleitender Dienstleistungen zusammen.41 • Wall/Mödritscher entwickeln ein Konzept zur wertorientierten Steuerung von Kunden- und Mitarbeiterbeziehungen in Dienstleistungsbereichen.42 6 der 29 Quellen sind in Zeitschriften erschienen: Zilahi-Szabó erörtert die Zusammenhänge zwischen der Auftragsabwicklung, -verwaltung und dem
34Vgl.
Botta (2004); zur Kritik s. Becker/Rech (2014), S. 121–122. Küpper (1998), S. 380. 36Vgl. Corsten/Gössinger (2004); zur Kritik s. Becker/Rech (2014), S. 122–123. 37Insgesamt ist das Sammelband von Bruhn/Stauss (Hrsg., 2006) als Meilenstein auf dem Weg zu einer theoretisch-konzeptionellen Fundierung des Dienstleistungscontrollings einzustufen. 38Vgl. Bruhn/Stauss (2006). Viele der Gedanken von Bruhn/Stauss (2006) finden sich später im Zeitschriftenartikel von Bruhn (2008) wieder. 39Vgl. Reckenfelderbäumer (2006). 40Vgl. Engelhardt/Reckenfelderbäumer (2006); zur Kritik s. Becker/Rech (2014), S. 130. 41Vgl. Gleich/Petschnig/Schmidt (2010). Ihre Zusammenstellung baut im Wesentlichen auf den Vorarbeiten von Jung Erceg (2003), Kinkel (2003a), Bruhn (2008), Gleich/Geßner (2008) und Huber/Bauer (2008) auf. Vgl. Becker/Rech (2014), S. 108; zur Kritik s. dies. (2014), S. 130–131. 42Vgl. Wall/Mödritscher (2012); zur Kritik s. Becker/Rech (2014), S. 131–133. 35Vgl.
3.2 Zum Stand bisheriger Literaturanalysen
67
Controlling in Beratungsunternehmen.43 Witt erläutert in zwei Aufsätzen eine Reihe an „Tools für das Dienstleistungs- und Servicecontrolling“44. PalloksKahlen/Kuczynski setzen die Akzente auf die Prozesskostenrechnung, das Target Costing und die Ermittlung von Nutzenwirkungen von Serviceleistungen.45 Bruhn untersucht die konzeptionellen Gemeinsamkeiten des Dienstleistungscontrollings.46 Eine Besonderheit an seinem Ansatz ist die Verwendung der Service Profit Chain47 zur Erklärung der Zusammenhänge zwischen vorökonomischen Steuer- und ökonomischen Wirkgrößen in Dienstleistungsbereichen.48 Möller/Schwab präsentieren ein Konzept zur Gestaltung des Controllings produktbegleitender Dienstleistungen und dessen Anwendung im Maschinenbau.49 Modulartig entwickeln sie Lösungsansätzen für das Entwicklungs-, Portfolio-, Kosten- und Preismanagement.50 Prinzipiell zeigt sich somit in den Zeitschriftenaufsätzen ein vergleichbares Bild wie in Sammelbänden: Vier der sechs Aufsätze legen das Gewicht auf Methoden und Instrumente des Dienstleistungscontrollings. Berechtigterweise sind nur die beiden Aufsätze von Bruhn und Möller/Schwab als Quellen des leistungsbezogenen Dienstleistungscontrollings zu kennzeichnen. Bezüglich der Qualität der Artikel lässt sich auf den ersten Blick wenig sagen. Beurteilt man sie anhand des Zeitschriftenrankings, so sind lediglich die Aufsätze von Zilahi-Szabó, Palloks-Kahlen/Kuczynski, Möller/Schwab und Bruhn in einer Zeitschrift mit wissenschaftlichem Standard publiziert worden. Die Aufsätze sind allesamt in der Zeitschrift Controlling erschienen, die im aktuellen VHB-Journal 3-Rating mit D geführt wird.51 Unter den 29 Quellen befinden sich vier Dissertationen: Vikas überträgt in seiner Dissertation die Grenzplankostenrechnung auf Dienstleistungsbereiche und überprüft die Umsetzbarkeit in der Deutschen Post.52 Sanche entwickelt einen
43Vgl.
Zilahi-Szabó (1993). (1997); ders. (1998). 45Vgl. Palloks-Kahlen/Kuczynski (2000). 46Vgl. Bruhn (2008). 47Zur Service Profit Chain s. Heskett et al. (1994); Heskett/Sasser/Schlessinger (1997). 48Zur Kritik s. Becker/Rech (2014), S. 123–126. 49Vgl. Möller/Schwab (2008). 50Zur Kritik s. Becker/Rech (2014), S. 130 51Vgl. Hennig-Thurau/Sattler (Hrsg., 2015): Teilrating Rechnungswesen; die Zeitschrift BKK wird dort nicht geführt. 52Vgl. Vikas (1988a). 44Witt
68
3 Bestandsaufnahme der Literatur des Dienstleistungscontrollings
eitfaden zur Ausgestaltung des Servicecontrollings von Investitionsgüterherstellern L basierend auf explorativen Fallstudien in vier schweizer Unternehmen.53 Borrmann setzt sich in seiner Dissertation mit einem integrierten Gestaltungsmodell für das Controlling industrieller Dienstleistungen auseinander und wendet es bei einem mittelständischen Hersteller komplexer Investitionsgüter an.54 Tietmeyer entwirft ein Konzept zur Optimierung und Steuerung von Serviceprozessen und überprüft es in einem Unternehmen der Antriebstechnik.55 Gemeinsamkeiten des Controllings industrieller Dienstleistungen arbeiten insbesondere Sanche und Borrmann heraus.56 Die Charaktere der drei Monographien von Fischer, Witt und Nagl/Rath könnten unterschiedlicher nicht sein. Witt und Nagl/Rath sind P raxis-Ratgeber.57 Die dort enthaltenen Handlungsanweisungen und Fallbeispiele zur Umsetzung des Dienstleistungscontrollings in der Praxis, richten sich vorwiegend an Führungskräfte und Controller. Entsprechend liegen die Schwerpunkte auf praxiserprobten Controllinginstrumenten.58 Wissenschaftlicher geht Fischer vor. Seine Monographie ist als Lehrbuch konzipiert. Im Zentrum stehen konzeptionelle Überlegungen zur Gestaltung der Kosten-, Erlös- und Ergebnisrechnung, Finanzrechnung und Kennzahlensysteme in Dienstleistungsunternehmen.59 Akzente setzt Fischer damit überwiegend auf der Informationsfunktion des Dienstleistungscontrollings.60 Rückblickend betrachtet lässt sich anhand bisheriger Literaturanalysen sagen, dass in der Literatur Beiträge zum institutionellen, funktionellen und zu den Instrumenten des Dienstleistungscontrollings überwiegen. Beiträge zum leistungsbezogenen Dienstleistungscontrolling sind im Vergleich dazu selten. Eine erste Prüfung konnte 17 Quellen in den vorhandenen Literaturanalysen identifizieren, die sich mit den konzeptionellen Grundlagen des Dienstleistungscontrollings näher befassen.61 In Anbetracht der in der Literatur vorherrschenden 53Vgl.
Sanche (2002); zur Kritik s. Becker/Rech (2014), S. 126–128. Borrmann (2003); zur Kritik s. Becker/Rech (2014), S. 128–130. 55Vgl. Tietmeyer (2009). 56Vgl. auch Becker/Rech (2014), S. 93–102. 57Vgl. Witt (2003), S. V; Nagl/Rath (2004), S. 11; gleichlautend Reckenfelderbäumer (2006), S. 42. 58Vgl. Witt (2003), S. V: „Controllingtools“; Nagl/Rath (2004), S. 11: “praxisbezogenes Instrumentarium”. 59Vgl. Fischer (2000), S. V. 60Zur Kritik s. Borrmann (2003), S. 27; Becker/Rech (2014), S. 118–119. 61Vgl. Küpper (1998), Friedl (1998); Fischer (2000); Weber/Schäffer (2001); Sanche (2002); Schäffer/Weber (2002); Borrmann (2003); Kinkel (2003a); Botta (2004); Corsten/ Gössinger (2004); Bruhn/Stauss (2006); Engelhardt/Reckenfelderbäumer (2006); Reckenfelderbäumer (2006); Bruhn (2008); Möller/Schwab (2008); Gleich/Petschnig/ Schmidt (2010); Wall/Mödritscher (2012). 54Vgl.
3.2 Zum Stand bisheriger Literaturanalysen
69
Dominanz von branchenbezogenen und instrumentellen Beiträgen kommt Reckenfelderbäumer im Jahr 2006 zu dem Schluss, dass „in der Controllingliteratur für eine konzeptionelle Basis tatsächlich relativ wenig Greifbares übrig [bleibt].“62 Allerdings hat sich die Situation seit 2006 verbessert. So konstatieren Becker/Rech in ihrer Literaturanalyse aus dem Jahr 2014 den konzeptionellen Grundlagen des Dienstleistungscontrollings eine gewisse Weiterentwicklung.63 Bisherige Literaturanalyse weisen methodische Schwächen hinsichtlich der Literaturauswahl und -bewertung auf. Insoweit bedarf die eben gezogene Schlussfolgerung einer gewissen Relativierung. Unter methodischen Gesichtspunkten legen von den bisherigen Literaturanalysen nur Becker/Rech die Kriterien offen, nach denen sie die Literatur auswählen.64 Nur Reckenfelderbäumer, Quitt/Sommer und Becker/Rech bewerten die Literatur, wobei ausschließlich Becker/Rech die Kriterien der Literaturbewertung erläutern.65 Gänzlich auf eine Bewertung verzichten Weber und Bruhn/Stauss.66 Die folgende Literaturanalyse orientiert sich am Untersuchungsdesign der Literaturanalyse von Becker/Rech.67 Das Untersuchungsobjekt ist identisch – das leistungsbezogene Dienstleistungscontrolling. Unterschiedlich sind die Untersuchungsschwerpunkte, die Auswahl der Literatur und die Forschungsmethodik68 Gründlicher als bei Becker/Rech werden neben thematischen Schwerpunkten, die theoretische und empirische Bezugsbasis sowie die verwendeten Forschungsmethoden beleuchtet. Die Literatur ist deutlich umfangreicher, aktueller und umfasst zusätzlich englischsprachige Journals. Die Literaturrecherche ist systematischer und die Datenanalyse folgt quantitativ-deskriptiven Kriterien, während Becker/Rech bei der Datenanalyse qualitativ-analytisch vorgehen.69
62Reckenfelderbäumer
(2006), S. 42. Becker/Rech (2014), S. 254–260. 64Vgl. Becker/Rech (2014), S. 68–69. 65Vgl. Becker/Rech (2014), S. 69 i.V.m. S. 58–67. 66Vgl. Weber (Hrsg., 2002), S. 115–116; Bruhn/Stauss (Hrsg., 2006), S. 485–502. 67Vgl. Becker/Rech (2014), S. 68–70. 68Die Voraussetzungen einer Replikationsstudie sind nicht erfüllt: Der Untersuchungsrahmen ist breiter (gleiches Untersuchungsobjekt, aber erweiterte Schwerpunktsetzung und andere Methodik) sowie veränderte Grundgesamtheit (aktuellerer und umfangreicherer Literaturbestand). Vgl. Kromrey (2009), S. 506–507. 69Zur Klassifikation von Literaturanalysen in qualitativ-analytische und quantitativdeskriptive Literaturanalysen vgl. Trapp (2012), S. 76–80. 63Vgl.
70
3 Bestandsaufnahme der Literatur des Dienstleistungscontrollings
3.3 Untersuchungsdesign Zur Erreichung der in Abschnitt 3.1 formulierten Forschungsziele und zur Beantwortung der dort gestellten Forschungsfragen wird nun ein dazu passendes Untersuchungsdesign erarbeitet. Das Untersuchungsdesign in Abschnitt 3.3 beschreibt das methodische Vorgehen der Literaturanalyse.70 Begonnen wird in Abschnitt 3.3.1 mit der Auswahl des Forschungsdesigns, das in den Folgeabschnitten verfeinert wird. In Abschnitt 3.3.2 wird das methodische Vorgehen der Datenerhebung detailliert, das der Datenanalyse in Abschnitt 3.3.3. Mit der Bewertung der Reliabilität und Validität der Literaturanalyse beschäftigt sich der abschließende Abschnitt 3.3.4.
3.3.1 Auswahl des Forschungsdesigns Ziel des Abschnittes 3.3.1 ist es, das Forschungsdesign für die eigene Analyse der Literatur des Dienstleistungscontrollings auszuwählen. Hierzu wird zu Beginn in Abschnitt 3.3.1.1 der Begriff der Literaturanalyse definiert. Verschiedene Typen der Literaturanalyse werden systematisiert. Um zu erkennen, von welcher Art die bisherigen Literaturanalysen des Dienstleistungscontrollings sind, werden diese den verschiedenen Typen zugeordnet. In Abschnitt 3.3.1.2 wird passend zu den Forschungszielen und -fragen ein quantitativ-deskriptives Forschungsdesign für die eigene Literaturanalyse ausgewählt. In Abschnitt 3.3.1.3 wird es mit der Methode der quantitativen Inhaltsanalyse operationalisiert.
3.3.1.1 Begriff und Typen der Literaturanalyse Die Literaturanalyse fasst das bestehende Wissen zu einem Forschungsgebiet zusammen, in dem sie „die einschlägige Literatur recherchiert, strukturiert vorstellt und bewertet.“71 Die Aufgabe der Literaturanalyse besteht somit nicht
70Die
Begriffe Untersuchungs- und Forschungsdesign werden hier synonym verwendet. Gemeint ist damit in Anlehnung an Döring/Bortz (2016), S. 182, „die methodische Vorgehensweise einer Studie“; differenzierter Töpfer (2012), S. 25, 147, der inhaltlich unter Untersuchungsdesign das versteht, was in Abschnitt 1.2 als Forschungskonzeption bezeichnet wird. 71Döring/Bortz (2016), S. 898; vgl. ähnlich Zühlke (2007), S. 130: „Aufarbeitung oder Zusammenfassung bestehenden Wissens“.
3.3 Untersuchungsdesign
71
darin, originär neues Wissen zu produzieren, sondern den Stand der Forschung aus dem vorhandenen Wissen zu extrahieren (Forschungssynthese). Das Analyseobjekt der Literaturanalyse sind die in Textform vorliegenden Erkenntnisse eines Forschungsgebietes.72 In der Literatur findet man unterschiedliche Klassifikationen der Literaturanalyse. In den Sozialwissenschaften differenziert man für gewöhnlich zwischen dem narrativen Review und der systematischen Literaturanalyse.73 Die Begriffe lassen erahnen, dass sich die beiden Literaturanalysen in der Systematik des Vorgehens unterscheiden. Beim narrativen Review unterliegen die Kriterien der Literaturauswahl und der Literaturbewertung der Erfahrung und dem Ermessensspielraum des Forschers.74 Im Gegensatz dazu, wendet die systematische Literaturanalyse einen systematischen, transparenten und reproduzierbaren Prozess an; die Kriterien der Literaturauswahl und der Literaturbewertung werden präzise erläutert und dokumentiert.75 Mit der Einteilung in den Sozialwissenschaften vergleichbar ist die Typologie von Trapp.76 Trapp untersucht Literaturstudien zum Controlling und Rechnungswesen und leitet daraus zwei Archetypen ab (vgl. Abbildung 3.4): • qualitativ-analytische Literaturanalyse und • quantitativ-deskriptive Literaturanalyse. Die qualitativ-analytische Literaturanalyse zeichnet sich – wie der narrative Review – in der Datenerhebung dadurch aus, dass der Autor das Vorgehen der Literaturrecherche und der Literaturauswahl nicht oder nur eingeschränkt offenlegt. Die Datenauswertung konzentriert sich darauf, die Forschungsergebnisse einzelner Arbeiten qualitativ zu interpretieren und mit den Ergebnissen anderer Arbeiten zu vergleichen. Aus der Gegenüberstellung werden Aussagen zum allgemeinen Forschungsstand abgeleitet und Weiterentwicklungen angeregt.77
72Vgl.
Döring/Bortz (2016), S. 163–165. Döring/Bortz (2016), S. 895, 898–900. 74Die fehlende intersubjektive Nachprüfbarkeit bringt dem narrativen Review den Vorwurf ein, er sei subjektiv.Vgl. Döring/Bortz (2016), S. 898–899. 75Vgl. Cook/Mulrow/Haynes (1997), S. 377–378; Tranfield/Denyer/Smart (2003), S. 214– 218. Als Anwendungsbeispiel der systematischen Literaturanalyse in der Dienstleistungsforschung s. Fließ/ Lexutt (2016), S. 54–55. 76Vgl. Trapp (2012), S. 76–80. 77Vgl. Trapp (2012), S. 79–80. 73Vgl.
72
Analysephase
3 Bestandsaufnahme der Literatur des Dienstleistungscontrollings
Merkmal
Quantavdeskripve Literaturanalyse
Qualitavanalysche Literaturanalyse
Rechercheverfahren
Zeitschrien- und Ar kelauswahl folgt festgelegten Regeln; häufig im Beitrag umfassend dokumen ert
Auswahl für Zeitschrien bzw. Ar kel werden in der Regel nicht offengelegt
Umfang des Samples
Regelmäßig angegeben
Häufig nicht angegeben
Analyseform
Klassifizierung der Beiträge anhand verschiedener Analysedimensionen; Quan fizierung der Zuordnungsvorgänge
Synopse und Diskussion der Ergebnisse der untersuchten Beiträge
Datenerhebung
Datenauswertung
Insbesondere Themenschwerpunkte, Inhalte (Fokus und Ergebnisse der Analysedimensionen Theorien, Forschungsmethoden, Beiträge) Autorenherkun
Typische Ergebnisse
Iden fika on von thema schen oder methodischen Schwerpunkten innerhalb eines Forschungsfelds oder einer Zeitschri
Abbildung 3.4 Merkmale der quantitativ-deskriptiven Literaturanalyse. (Quelle: Trapp (2012), S. 81.)
und
Synthese und Bewertung des innerhalb eines Forschungsfelds gewonnenen Erkenntnisfortschris; Ableitung von Forschungsdefiziten
qualitativ-analytischen
Das Pendant ist die quantitativ-deskriptive Literaturanalyse. Wie bei der systematischen Literaturanalyse erfolgen innerhalb der Datenerhebung die Literaturrecherche und die Literaturauswahl nach festgelegten Regeln, die zudem umfassend dokumentiert werden. Im Mittelpunkt der Datenauswertung steht die
3.3 Untersuchungsdesign
73
quantitative Zuordnung der Literaturbeiträge zu Kategorien eines Kategoriensystems.78 Aus den Zuordnungshäufigkeiten können unter anderem Rückschlüsse auf die Bedeutung von Themen, Autoren, zu angewandten Forschungsmethoden und den zugrundeliegenden Theorien gezogen werden.79 Die bisherigen Literaturanalysen des Dienstleistungscontrollings lassen sich in der Regel dem Archetyp der qualitativ-analytischen Literaturanalyse zuzuordnen.80 Weber und Bruhn/ Stauss machen weder Angaben zum Rechercheverfahren, noch zum Umfang des Samples, noch werten sie die Literatur quantitativ oder qualitativ aus.81 Akkurater wäre es, im Falle von Weber und Bruhn/Stauss, auf den Begriff der Literaturanalyse zu verzichten und stattdessen von Literaturüberblicken oder -sammlungen zu sprechen. Dem Charakter der Literaturanalyse näher kommen Quitt/Sommer, Reckenfelderbäumer und Becker/Rech. Quitt/Sommer erfüllen fast alle Merkmale der q ualitativ-analytischen Literaturanalyse.82 Die Suche und Auswahl der Literatur legen sie nicht offen, den Umfang des Samples schon (N = 4). Sie geben die Inhalte der Beiträge wieder und bewerten sie qualitativ. Eine wichtige Eigenschaft qualitativ-analytischer Literaturanalysen fehlt jedoch: die Synthese und Bewertung des Erkenntnisfortschrittes und die Ableitung von Forschungsdefiziten. So weit gehen nur die Analysen von Reckenfelderbäumer und Becker/Rech. Wie im übrigen Reckenfelderbäumer alle Merkmale einer qualitativ-analytischen Literaturanalyse erfüllt.83 In der Datenauswertung diskutiert er qualitativ die Ergebnisse der Arbeiten und führt sie zu einer Forschungssynthese zusammen. Becker/ Rech extrahieren ebenfalls auf qualitative Weise den Forschungsstand, allerdings detaillierter und umfangreicher, wie ein Vergleich der Seitenzahlen beider Studien belegt.84 Die Datenerhebung ähnelt bei Becker/Rech der quantitativ-deskriptiven Literaturanalyse, weil die Autoren Angaben zur Literatursuche und -auswahl sowie zum Umfang des Samples (N = 13) machen.85 Ausführlich dokumentiert sind die Verfahrensschritte nicht. Es bleibt festzuhalten:
78Die
Konstruktion und Anwendung eines Systems von Kategorien ist typisch für die Inhaltsanalyse von Texten. Vgl. hierzu Mayring (2015), S. 51–52; Früh (2017), S. 76–81. 79Vgl. Trapp (2012), S. 76–78. 80Vgl. zu den bisherigen Literaturanalysen nochmals Abschnitt 3.2 und Abbildung 3.2. 81Vgl. Weber (Hrsg., 2002), S. 115–116; Bruhn/Stauss (Hrsg., 2006), S. 485–502. 82Vgl. Quitt/Sommer (2010), S. 225–234. 83Vgl. Reckenfelderbäumer (2006), S. 39–46 84Vgl. Becker/Rech (2014), S. 68–133. 85Vgl. Becker/Rech (2014), S. 68–70.
74
3 Bestandsaufnahme der Literatur des Dienstleistungscontrollings
• Weber und Bruhn/Stauss stellen Literaturübersichten zusammen. • Quitt/Gleich rezensieren vier Werke, statt den Forschungsstand zu erfassen. • Bei den Literaturanalysen von Reckenfelderbäumer und Becker/Rech handelt es sich vornehmlich um qualitativ-analytische Literaturanalysen. • Quantitativ-deskriptive Literaturanalysen liegen bis dato zum Forschungsfeld Dienstleistungscontrolling keine vor, ebenso wenig Mischformen.
3.3.1.2 Wahl eines quantitativ-deskriptiven Forschungsdesigns Die Forschungssynthese der Literatur des Dienstleistungscontrollings erscheint grundsätzlich mit beiden Archetypen und mit hybriden Ansätzen vorstellbar.86 Welche Gründe sprechen also für und welche gegen eine qualitativ-analytische bzw. quantitativ-deskriptive Analyse? Für die quantitativ-deskriptive Analyse spricht zunächst das Ergebnis des vorausgegangenen Abschnittes. Nämlich die Tatsache, dass es bislang keine quantitativ-deskriptive Literaturanalyse zum Dienstleistungscontrollings gibt. Die einzigen Literaturanalysen im Sinne der Typologie von Trapp sind die qualitativ-analytischen Literaturanalysen von Reckenfelderbäumer und Becker/Rech.87 Eine quantitativ-deskriptive Literaturanalyse könnte die bisherigen Ergebnisse q ualitativ-analytischer Analysen befruchten und zu weiteren Einsichten in den aktuellen Forschungsstand des Dienstleistungscontrollings beitragen. Sie würde die Literaturanalysen des Dienstleistungscontrollings methodisch auf ein breiteres Fundament stellen. Für die quantitativ-deskriptive Analyse spricht weiterhin das regelgeleitete Vorgehen. Die Vorgehensweise ist systematischer und intersubjektiv besser nachzuvollziehen als die der qualitativ-analytischen Literaturanalyse. In der Phase der Datenerhebung werden die Prozesse der Literatursuche und der Literaturauswahl genau festgelegt und dokumentiert, ebenso in der Phase der Datenanalyse die Zuordnung der Beiträge zu einem System von Kategorien. Erst das regelgeleitete Vorgehen erlaubt es, den Prozess der Erkenntnisgewinnung intersubjektiv nachzuprüfen. Während sich der Forscher bei dem intransparenten Vorgehen der qualitativ-analytischen Literaturanalyse möglicherweise dem Vorwurf der Subjektivität aussetzt.88 86Beispielsweise verfolgt Trapp (2012), S. 80–83, einen hybriden Ansatz: In der Datenerhebung orientiert er sich an der quantitativ-deskriptiven Literaturanalyse. In der Datenanalyse geht er quantitativ-deskriptiv und qualitativ-analytisch vor. 87Vgl. Reckenfelderbäumer (2006); Becker/Rech (2014). 88Vgl. Döring/Bortz (2016), S. 898–899.
3.3 Untersuchungsdesign
75
Ein weiterer Vorteil der quantitativ-deskriptiven Analyse ist die Möglichkeit, umfangreiche Datenbestände effizient zu analysieren.89 Bei der qualitativ-analytischen Auswertung ist die Anzahl der Beiträge durch den hohen Analyseaufwand limitiert.90 Alle Texte müssen im Detail gelesen, verstanden, verarbeitet und die Inhalte verglichen werden. Je nach Analysetiefe kann sich diese Arbeit sehr aufwendig und zeitraubend gestalten. Angestrebt wird mit der eigenen Analyse eine möglichst umfassende Bestandsaufnahme der Literatur des Dienstleistungscontrollings.91 Die Möglichkeit größerer Literaturbestände forschungsökonomisch effizient erfassen und auswerten zu können, spricht für die Wahl einer quantitativ-deskriptiven Analyse. Nicht zuletzt decken die Analysedimensionen der quantitativ-deskriptiven Literaturanalyse die durch die Forschungsziele und Forschungsfragen vorgegebenen Analyseschwerpunkte hinreichend ab.92 Die Literaturanalyse soll das Wissen um den gegenwärtigen Stand der gemeinsamen theoretischen, konzeptionellen und empirischen Basis des Dienstleistungscontrollings offenlegen. Gesucht wird deshalb nach den thematischen Schwerpunkten des Dienstleistungscontrollings, nach den verwendeten Theorien, den eingesetzten Forschungsmethoden sowie nach empirischen Befunden. Die Analysedimensionen sind weitgehend identisch mit denen der quantitativ-deskriptiven Literaturanalyse.93 Gegen eine quantitativ-deskriptive Analyse spricht die geringe Analysetiefe. Ein qualitatives Vorgehen erlaubt es, Texte inhaltlich präziser zu vergleichen, während die Analysetiefe der quantitativ-deskriptiven Literaturanalyse bei der Granularität der Struktur des Kategoriensystems endet.94 Den Vorteil der größeren Analysetiefe der qualitativ-analytischen Literaturanalyse nutzen z. B. Becker/Rech.95 Sie beschreiben verschiedene Ansätze des Dienstleistungscontrollings und würdigen sie kritisch. Aufbauend darauf untersuchen sie den Entwicklungsstand einzelner Elemente des Dienstleistungscontrollings. Die gefundenen Forschungsdefizite greifen sie auf, um eine Forschungsagenda aufzustellen. Der Nachteil der geringeren Analysetiefe der quantitativ-deskriptiven
89Vgl.
Döring/Bortz (2016), S. 552. (2006) wertet 38 Quellen aus, Becker/Rech (2014), S. 70, gerade mal 13 Quellen, wobei Becker/Rech die Beiträge detaillierter analysieren als Reckenfelderbäumer. 91Vgl. nochmals die Forschungsziele in Abschnitt 3.1. 92Vgl. nochmals zu den Forschungsfragen Abschnitt 3.1 und Abbildung 3.1. 93Vgl. Abbildung 3.4. 94Vgl. Trapp (2012), S. 79–80. 95Vgl. Becker/Rech (2014). 90Reckenfelderbäumer
76
3 Bestandsaufnahme der Literatur des Dienstleistungscontrollings
Literaturanalyse lässt sich im Fall des Dienstleistungscontrollings dadurch abmildern, dass man die Ergebnisse mit der qualitativ-analytischen Studien von Reckenfelderbäumer und Becker/Rech in Beziehung setzt. Wie die Argumentation zeigt, sprechen Gründe für und gegen ein quantitativ-deskriptives bzw. ein qualitativ-analytisches Forschungsdesign der eigenen Literaturanalyse des Dienstleistungscontrollings. Unter Abwägung der verschiedenen Gesichtspunkte wird ein quantitativ-deskriptives Forschungsdesign gewählt, das im folgenden Abschnitt mit der Methode der quantitativen Inhaltsanalyse realisiert wird. Auf einen hybriden Ansatz wird verzichtet, da mit den Literaturanalysen von Reckenfelderbäumer und Becker/Rech bereits zwei qualitativ-analytische Literaturanalysen vorliegen, deren qualitativ gewonnene Erkenntnisse das quantitativ gewonnene Wissen der eigenen Studie komplettieren.
3.3.1.3 Umsetzung mittels quantitativer Inhaltsanalyse Forscher setzen für die Literaturanalyse verschiedene Methoden der Datenerhebung und Datenanalyse ein.96 Weit verbreitet ist in der Controlling- und Accountingforschung97 und in der Dienstleistungsforschung98 die Methode der Inhaltsanalyse. Weniger gebräuchlich sind Bezeichnungen wie Text-, Dokumenten- oder Bedeutungsanalyse.99 Wesentliche Vorteile sind die disziplinübergreifende Verwendbarkeit, der Vergangenheitsbezug und die Nichtreaktivität des Verfahrens.100 Früh begreift die Inhaltsanalyse (engl. Content Analysis101) als „eine empirische Methode zur systematischen, intersubjektiv nachvollziehbaren Beschreibung inhaltlicher und formaler Merkmale von Mitteilungen, meist mit dem Ziel einer darauf gestützten interpretativen Inferenz auf mitteilungsexterne Sachverhalte.“102 Mit der Beschreibung formaler Merkmale ist
96Es
liegt deshalb nahe, die Literaturanalyse als Forschungsansatz zu interpretieren und nicht als Forschungsmethode. Vgl. Trapp (2012), S. 74. 97Vgl. z. B. Küpper (1993); Shields (1997); Scapens/Bromwich (2001); Bjørnenak/ Mitchell (2002); Binder/Schäffer (2005), S. 604; Hess et al. (2005); Küpper/Mattessich (2005); Binder (2006); Wagenhofer (2006); Zühlke (2007); Kunz (2010a); Scapens/ Bromwich (2010); Trapp (2012), S. 74–75; Lingnau/Koffler (2013). 98Vgl. z. B. Homburg/Garbe (1996); Baines et al. (2009); Bruhn/Mayer-Vorfelder (2009); Haag/ Eckardt (2014); Elorante/Turunen (2015); Braun/Falter/Hadwich (2016); Fließ/ Lexutt (2016); Mendes et al. (2017). 99Vgl. Diekmann (2008), S. 576. 100Vgl. Diekmann (2008), S. 584–586; Schnell/Hill/Esser (2008), S. 407; zu weiteren Vorteilen s. Früh (2017), S. 43–44. 101Vgl. Krippendorff (2004), S. 18–21. 102Früh (2017), S. 29 (im Original kursiv).
3.3 Untersuchungsdesign
77
die Beschreibung äußerlicher Eigenschaften von Texten gemeint, wie z. B. die Textlänge. Die Beschreibung inhaltlicher Merkmale konzentriert sich dagegen auf Aussagen von Textinhalten.103 Die eigene Literaturanalyse untersucht die Publikationstätigkeit, die thematischen Schwerpunkte, die Forschungsmethoden sowie die theoretische und empirische Fundierung des Dienstleistungscontrollings. Bei der Publikationstätigkeit werden formale Merkmale (z. B. Erscheinungsjahr, Literaturtyp), bei den anderen Untersuchungsschwerpunkten inhaltliche Merkmale untersucht. Die sozialwissenschaftliche Forschung reiht die Inhaltsanalyse gemeinhin in die Verfahren der Datenerhebung ein.104 Tatsächlich ist ihr Anwendungsbereich breiter. Für Diekmann zielt die Inhaltsanalyse nicht nur auf die Erhebung von Daten, sondern schließt Aspekte der Analyse von Daten ein.105 Für Schnell/Hill/ Esser repräsentiert sie eine Mischform von Datenerhebungs- und Datenanalysetechnik.106 Lamnek teilt diese Einschätzung. Für ihn hängt die Einordnung vom Forschungsparadigma ab. Im quantitativen bzw. normativen Paradigma diene sie der Erhebung von Daten, während die Auswertung statistischen Verfahren vorbehalten sei. Im qualitativen bzw. interpretativen Paradigma diene sie der Auswertung von bereits erhobenen Materials.107 Für gewöhnlich werden nach dem zugrundeliegenden Erkenntnisinteresse zwei Arten der Inhaltsanalyse unterschieden: • Quantitative Inhaltsanalyse und • Qualitative Inhaltsanalyse.108 Die quantitative Inhaltsanalyse wird dafür genutzt, um aus dem qualitativen Ausgangsmaterial – im vorliegenden Fall Texte zum Dienstleistungscontrolling – Messwerte zu gewinnen, die im nächsten Schritt mit Methoden der deskriptiven oder induktiven Statistik ausgewertet werden können.109 Während die quantitative Inhaltsanalyse deduktiv vorgeht, geht die qualitative Inhaltsanalyse induktiv vor. 103Vgl.
Döring/Bortz (2016), S. 553. Atteslander (2008), S. 181–209; Diekmann (2008), S. 576–622; Schnell/Hill/Esser (2008), S. 407–413; Kromrey (2009), S. 299–325; Döring/Bortz (2016), S. 533–577. 105Vgl. Diekmann (2008), S. 576. 106Vgl. Schnell/Hill/Esser (2008), S. 407, FN 3. 107Vgl. Lamnek (2005), S. 479–480. 108Vgl. Lamnek (2005), S. 493–511; Diekmann (2008), S. 607–613; Mayring (2015), S. 17–20; Döring/Bortz (2016), S. 541–544, 552–559; Früh (2017), S. 66–68. 109Vgl. Döring/Bortz (2016), S. 553. 104Vgl.
78
3 Bestandsaufnahme der Literatur des Dienstleistungscontrollings
Sie will den Bedeutungsgehalt von Texten durch schrittweise Kodierung aus dem Datenmaterial herausarbeiten.110 Es handelt sich hierbei um eine idealtypische Abgrenzung, da sich in der Forschungspraxis häufig beide Arten der Inhaltsanalyse überschneiden. Für beide Arten ist beispielsweise die Analyse von Texten auf der Grundlage von Kategoriensystemen konstitutiv.111 Quantitative Inhaltsanalysen können qualitative Analyseschritte umfassen (z. B. datenbasierte-induktive Kategorienbildung) und qualitative Inhaltsanalyse quantitative (z. B. theoretisch-deduktive Kategorienbildung).112 Im Rahmen von Mixed-Method-Ansätzen wird zunehmend versucht, beide Arten der Inhaltsanalyse zu verbinden.113 Neben diesen beiden Arten der Inhaltsanalyse werden in der empirischen Sozialforschung vier Grundtechniken der Inhaltsanalyse unterschieden:114 • Die Frequenzanalyse zählt wie häufig ein Textelement einer bestimmten Kategorie und Unterkategorie zugeordnet werden konnte. • Die Valenzanalyse erfasst zusätzlich die Bewertungen von Aussagen mindestens pro, contra, neutral oder positiv, negativ, neutral. • Die Intensitätsanalyse erfasst mehrstufig die Intensitäten von Bewertungen, z. B. sehr gut, gut, mittel, schlecht, sehr schlecht. • Die Kontingenzanalyse ermittelt, wie häufig bestimmte Textelemente im Zusammenhang mit anderen Textelementen auftreten. Gemäß dem gewählten quantitativ-deskriptiven Forschungsdesign orientiert sich die weitere Abfolge der Literaturanalyse an der Methodik der quantitativen Inhaltsanalyse und der Grundtechnik der Frequenzanalyse. Angelehnt wird sich dabei an die Arbeitsschritte des Grundmodells der Themen-Frequenzanalyse nach Früh (vgl. Abbildung 3.5).115 Der Erklärung der einzelnen Schritte sind zwei ergänzende Bemerkungen voranzustellen. Die quantitative Inhaltsanalyse und insbesondere die Frequenzanalyse unterstellen, dass die Häufigkeit des Auftretens bestimmter Themen ein entscheidendes Indiz für die Bedeutung dieser Themen in Bezug auf das Untersuchungsproblem 110Vgl.
Döring/Bortz (2016), S. 541–542. Mayring (2015), S. 51–52. 112Vgl. Mayring (2015), S. 17; Döring/Bortz (2016), S. 541; Früh (2017), S. 67. 113Vgl. Mayring (2015), S. 17, 20–22; Döring/Bortz (2016), S. 541, 554; Früh (2017), S. 66–68. 114Vgl. Schnell/Hill/Esser (2008), S. 408; Kromrey (2009), S. 321–325; Mayring (2015), S. 13–16. 115Vgl. Früh (2017), S. 139–198. Weitgehend analoge Darstellungen findet man bei Diekmann (2008), S. 595; Schnell/Hill/Esser (2008), S. 409–412; Kromrey (2009), S. 316– 321; Döring/Bortz (2016), S. 555–559. 111Vgl.
3.3 Untersuchungsdesign
79
ist.116 Diese Grundannahme, die man durchaus kritisch sehen kann, gilt für die quantitativ-deskriptive Literaturanalyse zum Gebiet des Dienstleistungscontrollings gleichermaßen.117 Des Weiteren ist das Grundmodell der Themen-Frequenzanalyse nach Früh als idealtypisches Modell zu verstehen. Das bedeutet, das Grundmodell muss an das spezifische Untersuchungsproblem und den spezifischen Untersuchungskontext angepasst werden. Früh gibt zu bedenken: „Es ist nicht möglich, eine Inhaltsanalyse ganz ‚mechanisch‘ wie eine Rezeptur anzuwenden, da eine Methode immer im Dienste eines bestimmten Erkenntnisinteresses steht, auf das sie exakt abgestimmt werden muss“.118 Im Folgenden werden die einzelnen Arbeitsschritte der quantitativen Inhaltsanalyse nach Früh, wie sie in Abbildung 3.5 dargestellt sind, erläutert.119 Etwaige Anpassungen gegenüber dem Idealablauf werden herausgestellt, um die methodischen Unterschiede aufzuzeigen. Abbildung 3.5 Phasen der quantitativen Inhaltsanalyse. (Quelle: In Anlehnung an das Grundmodell der ThemenFrequenzanalyse nach Früh (2017), S. 139–198.)
116Vgl.
1
Problemstellung und Hypothesen
2
Auswahl des Untersuchungsmaterials
3
Kategorienbildung
4
Probecodierung
5
Reliabilitätsprüfung
6
Validitätsprüfung
7
Hauptcodierung
8
Auswertung
Kromrey (2009), S. 322, mit Verweis auf Ritsert (1972), S. 17. Kritik an der Grundannahme s. Döring/Bortz (2016), S. 554, m.w.N. 118Früh (2017), S. 138. 119Vgl. Früh (2017), S. 139–198. 117Zur
80
3 Bestandsaufnahme der Literatur des Dienstleistungscontrollings
Zu 1): Die quantitative Inhaltsanalyse beginnt mit der Problemstellung und der Bildung von Untersuchungshypothesen.120 Die Problemstellung leitet sich aus dem Untersuchungsziel ab, den Forschungsstand auf dem Gebiet des Dienstleistungscontrollings in der wissenschaftlichen Literatur zu ermitteln. Hierzu geht die Literaturanalyse nicht wie von Früh vorgeschlagen hypothesengestützt vor, sondern explorativ. Die Formulierung von Hypothesen erübrigt sich dadurch. Exploriert werden thematische Schwerpunkte, Forschungsmethoden, verwendete Theorien und die empirische Basis des Dienstleistungscontrollings.121 Zu 2): Der zweite Schritt der quantitativen Inhaltsanalyse besteht darin, das Untersuchungsmaterial auszuwählen.122 Es werden die Grundgesamtheit und eventuell die Stichprobe festgelegt.123 Grundgesamtheit ist die wissenschaftliche Literatur zum Themengebiet Dienstleistungscontrolling. In den Abschnitten 3.3.2.1 und 3.3.2.2 wird die Suche und die Auswahl der Literatur zum Gebiet des Dienstleistungscontrollings detailliert erläutert. Die ausgewählte Literatur wurde vollständig erhoben, weshalb eine Stichprobenplanung entfällt. Zu 3): Mit der Bildung von Kategorien beschäftigt sich der dritte Arbeitsschritt.124 Bei der quantitativen Inhaltsanalyse wird das Kategoriensystem theoriegeleitet-deduktiv entworfen und zur Erhöhung der Validität datenbasiert-induktiv überarbeitet.125 Dieser Vorgehensweise wurde bei der Bildung der Unterkategorien zur Analyse der thematischen Schwerpunkte entsprochen. Die Unterkategorien der Kategorie „thematische Schwerpunkte“ wurden deduktiv aus den Problemfeldern des Dienstleistungscontrollings abgeleitet und induktiv anhand eines Teiles des Datenmaterials überprüft und ergänzt.126 Zur Bildung der Unterkategorien der Kategorien „Forschungsmethoden“, „theoretische Fundierung“ und „empirische Fundierung“ wurde soweit wie möglich auf Kategoriensysteme von Literaturanalysen der Controlling- und Accountingforschung zurückgegriffen. In Abschnitt 3.3.2.3 wird der Entwurf des Kategoriensystems erklärt. Zu 4 und 7): Mit der Codierung des Textmaterials befassen sich in dem Grundmodell der Themen-Frequenzanalyse nach Früh zwei Analyseschritte und zwar
120Vgl.
Früh (2017), S. 139–141. zu den Forschungszielen der Literaturanalyse nochmals Abschnitt 3.1. 122Vgl. Früh (2017), S. 141–145. 123Vgl. Früh (2017), S. 141. 124Vgl. Früh (2017), S. 145–155. 125Vgl. Döring/Bortz (2016), S. 556–557. 126Zu den Problemfeldern des Dienstleistungscontrollings s. Becker/Rech (2014), S. 142–164. 121Vgl.
3.3 Untersuchungsdesign
81
die Schritte vier und sieben.127 Der eigentlichen Haupterhebung, in dem das Kategoriensystem auf das vorliegende Textmaterial angewendet wird, ist eine Probecodierung (Pretest) vorgeschaltet, die das vorläufige Kategoriensystem an einer Teilstichprobe des Datenmaterials testet und erforderlichenfalls modifiziert.128 Probecodierung und Hauptcodierung werden in Abschnitt 3.3.2.4 erläutert. Zu 5 und 6): Zwischen der Probe- und Hauptcodierung sind in den Arbeitsschritten fünf und sechs die Reliabilität und die Validität der Messung zu prüfen.129 Abschnitt 3.3.4 geht auf die Prüfung der Güterkriterien der quantitativen Inhaltsanalyse näher ein. Zu 8): Mit der Auswertung des Datenmaterials endet die Frequenzanalyse. Gemäß dem quantitativ-deskriptiven Forschungsdesign werden die Ergebnisse der Codierung mit deskriptiven Verfahren der Statistik ausgewertet. Sie werden in Abschnitt 3.3.3 erklärt. Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass im Rahmen von Literaturanalysen auch andere Methoden zur Forschungssynthese in der Controlling- und Accoutingforschung sowie der Dienstleistungsforschung eingesetzt werden, wie die Sammelrezension130, die Zitations- und Kozitationsanalyse131 oder die MetaAnalyse132. Zur Erreichung der Forschungsziele der eigenen Literaturanalyse sind diese Methoden weniger geeignet als die Inhaltsanalyse. Das Analyseobjekt der Sammelrezension sind meist Lehrbücher.133 Zum Beispiel rezensiert Wall neun ausgewählte Controllinglehrbücher, um die konzeptionellen Grundströmungen des Controllings zu erfassen.134 Den Stand der Forschung aus Lehrbüchern zu extrahieren, erscheint nur dann sinnvoll, wenn Forschungsergebnisse tatsächlich zeitnah in die Lehre einfließen.135 Weder liegen 127Vgl.
Früh (2017), S. 155–179, 189–191. Früh (2017), S. 155–179. 129Vgl. Früh (2017), S. 179–188130Vgl. z. B. in der Controllingforschung: Günther/Niepel (2000); Wall (2008); in der Dienstleistungsforschung: Benkenstein/Holtz (2011). 131Vgl. z. B. in der Controlling- und Accountingforschung: Schäffer/Binder/Gmür (2006), S. 397–398; Meyer/Schäffer/Gmür (2008); Fülbier/Weller (2011); Schäffer et al. (2011); Perrey/Schäffer/Becker (2012); Guffey/Harp (2017); in der Dienstleistungsforschung: Kunz/Hogreve (2011); Gebauer/Saul (2014). 132Vgl. z. B. in der Accountingforschung: Derfuss (2009); in der Dienstleistungsforschung: Eggert et al. (2014); Eller (2015); Orsingher/Hogreve/Ordanini (2016). 133Vgl. Wall (2008), S. 463–464; Kunz (2010b), S. 538; Benkenstein/Holtz (2011), S. 459–460. 134Vgl. Wall (2008), S. 463. 135Wall (2008), S. 464, weißt in ihrer Sammelrezension zum Controlling auf die bemerkenswerte Bedeutung von Lehrbüchern für die Controllingforschung hin, Kunz (2010b), S. 529, in seiner Sammelrezension zum Projektmanagement auf die breite Berücksichtigung neuerer Entwicklungen des Projektmanagements in Lehrbüchern. 128Vgl.
82
3 Bestandsaufnahme der Literatur des Dienstleistungscontrollings
zum Dienstleistungscontrolling genügend viele Lehrbücher vor, noch sind diese aktuell genug, um davon ausgehen zu können, dass die Autoren neue Erkenntnisse übernommen haben könnten.136 Die Zitations- und Kozitationsanalyse zieht aus dem Zitationsverhalten zitierender Veröffentlichungen Rückschlüsse auf den Einfluss von Publikationen, Publikationsorganen, Autoren, Forschungsgemeinschaften, sowie thematischer, methodischer und theoretischer Entwicklungen und Strukturen eines Forschungsgebietes.137 Als Alternative für die hier gewählte Inhaltsanalyse würde sie sich anbieten, wenn sich die Entwicklung des Dienstleistungscontrollings überwiegend in Publikationsorganen niederschlagen würde, die einem gewissen Zitationsstandard folgen, wie Peer-reviewed Journals. Der kurze Abriss bisheriger Literaturanalysen zeigte aber bereits, dass die Entwicklung des Dienstleistungscontrollings hauptsächlich in Sammelbänden und praxisorientierten Fachzeitschriften ihr Echo findet. Sie erfüllen nicht die gleichen Qualitätsstandards wie Peer-reviewed Journals.138 Die Metaanalyse kommt zum Einsatz, wenn zu einem bestimmten statistischen Effekt bereits mehrere Primärstudien vorliegen. Sie fasst die empirischen Einzelergebnisse zu einem statistischen Gesamteffekt zusammen.139 Im Zuge des Evidence-based Management findet sie zunehmend Verbreitung in der Management-Forschung.140 Hierzu ist zu sagen, dass es weder das Ziel der eigenen Literaturanalyse ist, einen statistischen Effekt nachzuweisen, noch Primärstudien zum Dienstleistungscontrolling über denselben kausalen Zusammenhang vorliegen.
3.3.2 Quantitative Datenerhebung Der Vorgehensweise der systematischen Literaturanalyse folgend, wird in Abschnitt 3.3.2 die Methodik der Datenerhebung erläutert. Abschnitt 3.3.2.1 erklärt die Phase der Literatursuche. Sie umfasst die Festlegung der Suchbegriffe, der Literaturdatenbanken und der Typen von Literaturquellen. Daran schließt sich in Abschnitt 3.3.2.2 die Phase der Literaturauswahl an. Es wird dargestellt,
136Lehrbuchcharakter
hat im Wesentlichen die Monographie von Fischer (2000); s. auch Abschnitt 3.3.2.2. 137Vgl. Perrey/Schäffer/Becker (2012), S. 1158–1159. 138Vgl. Limburg/Otten (2012), S. 617–619. 139Vgl. Jensen/Mertesdorf (2006), S. 658–659. Die Aussage bezieht sich auf die psychometrische Metaanalyse. Zu verschiedenen Arten der Metaanlyse s. ebenfalls dort. 140Vgl. Kuckertz (2012), S. 820, 822, 825; Endrikat (2016), S. 32.
3.3 Untersuchungsdesign
83
nach welchen Kriterien Quellen in der Literaturanalyse ein- oder ausgeschossen werden. Die einbezogenen Quellen werden aufgeführt. In Abschnitt 3.3.2.3 wird die Entwicklung des Kategoriensystems beschrieben. Probe- und Hauptcodierung sind Gegenstand des Abschnittes 3.3.2.4.
3.3.2.1 Literatursuche Nach der Literatur wurde mit Hilfe von Suchbegriffen recherchiert. Die Suchbegriffe wurden aus den beiden Wortbestandteilen des Dienstleistungscontrollings „Controlling“ und „Dienstleistung“ konstruiert (Abbildung 3.6). Die Liste der Suchbegriffe enthält neben dem Begriff Dienstleistungscontrolling weitere Ausdrücke, die in der deutschsprachigen Literatur synonym verwendet werden: Servicecontrolling, Controlling von Dienstleistungen oder Controlling von Services. Inzwischen sind einige Artikel erschienen, die das Dienstleistungscontrolling im Rahmen des Controllings der Kundenintegration141 und von hybriden Leistungsbündeln142 betrachten. Die dazu passenden Suchbegriffe wurden ebenfalls in die Liste aufgenommen. In der angloamerikanischen Literatur sind die Begriffe Dienstleistung und Controlling weitgehend unbekannt. Dienstleistung wurde deshalb mit Service übersetzt.143 Statt Controlling wurde die im englischen Sprachraum geläufigere Bezeichnung Management Control verwendet.144 Da in weiter Auslegung das Management Accounting sowohl das Cost Accounting als auch Management Control umfasst, wurde der Begriff Management Accounting ebenfalls aufgenommen.145 Dadurch kann es sein, dass anteilig mehr Literatur zur Kostenrechnung bzw. internen Unternehmensrechnung selektiert wurde. Bedenkt man aber, dass die interne Unternehmensrechnung und das Controlling inhaltlich überlappen und das Controlling aus der Kostenrechnung entstanden ist, erscheint diese Unschärfe hinnehmbar.146
141Vgl.
z. B. Kleinaltenkamp/Schweikart (2006); Köhler (2007). z. B. Steven/Wasmuth (2009); Kress (2017); Steven/Grandjean (2017). Als hybride Leistungsbündel, hybride Produkte, hybride Leistungen oder Produkt-Service-Systeme bezeichnet man Leistungsangebote, die aus Sachleistungen, Dienstleistungen und/oder Rechten bestehen, kombiniert vermarktet und kundenindividuell konfiguriert werden. Vgl. Spath/Demuß (2006), S. 472; Burianek et al. (2007), S. 2–6; Reichwald/Wegner (2008), S. 468; Steven/Wasmuth (2009), S. 176–177; Bonnemeier/Reichwald (2012), S. 46–47. 143Zur synonymen Verwendung beider Begriffe vgl. Bruhn/Meffert (2001), S. 6; Witt (2003), S. 6. 144Vgl. Baltzer (2013), S. 41–44; Küpper et al. (2013), S. 8–9; Becker/Baltzer/Ulrich (2014), S. 277–278. 145Vgl. Hesford et al. (2006), S. 6–7. 142Vgl.
146Vgl. Wagenhofer
(2006), S. 1–2
84
3 Bestandsaufnahme der Literatur des Dienstleistungscontrollings
Controlling und verwandte Begriffe
Dienstleistung und verwandte Begriffe
Suchbegriffe
Dienstleistung(en)
„Dienstleistungscontrolling“ „Dienstleistungs-Controlling“ „Controlling“ UND „Dienstleistung(en)“
Service(s)
„Servicescontrolling“ „Service-Controlling“ „Controlling“ UND „Service(s)“
Controlling
Leistungsbündel Kundenintegration Management Control Management Accounting
Service(s) Service(s)
„Controlling” UND „Leistungsbündel(n)“ „Controlling“ UND „Kundenintegration“ „Management Control“ AND „Service(s)“ „Management Accounting“ AND „Service(s)“
Abbildung 3.6 Suchbegriffe des Dienstleistungscontrollings. (Quelle: Eigene Darstellung.)
Die Liste enthält absichtlich keine Suchbegriffe, mit denen sich Publikationen herausfiltern lassen, die ausschließlich spezielle Elemente des Dienstleistungscontrollings untersuchen, wie z. B. spezielle Controllinginstrumente. Es soll möglichst neutral untersucht werden, welche thematischen Schwerpunkte die wissenschaftliche Literatur in Bezug auf das Dienstleistungscontrolling behandelt. Die Suche z. B. auf spezielle Instrumente einzugrenzen, hätte zur Folge, dass bei der späteren Analyse eine Übergewichtung genau dieser Instrumente festgestellt wird. Das soll jedoch vermieden werden. Recherchiert wurde in wissenschaftlichen Literaturdatenbanken. Von Bedeutung für die Wirtschaftswissenschaften sind u. a. Business Source, ECONIS, EconLit, JSTOR, Web of Science/SSCI, Nexis, WISO und die Suchmaschine Google Scholar.147 EconLit enthält wenig betriebswirtschaftliche Literatur.148 Nexis (früher: LexisNexis) schließt nur Presseinformationen, Nachrichten sowie Firmen- und Rechtsdaten ein, d. h. keine Monographien, Sammelbände oder betriebswirtschaftliche Fachzeitschriften. EconLit und Nexis schieden deshalb aus. Gesucht wurde über Business Source, ECONIS, JSTOR, Web of Science/SSCI, WISO, Google Scholar. 147Vgl. 148Vgl.
Unrein (2010), S. 410–411; Kornmeier (2013), S. 77, 88–90. Clermont/Dyckhoff (2012), S. 339–340, 343.
3.3 Untersuchungsdesign
85
Um sicherzustellen, dass die gefundenen Artikel für das Dienstleistungscontrolling relevant sind, wurde die Suche auf Publikationen eingeschränkt, welche im Titel die Suchbegriffe führten. Der Nachteil, dass Publikationen herausfallen, die sich rein im Text mit dem Dienstleistungscontrolling beschäftigen, es im Titel aber nicht zu erkennen geben, wurde bewusst in Kauf genommen.149 Andernfalls hätte bereits zum Zeitpunkt der Literatursuche jede Publikation gelesen werden müssen. Aus forschungsökonomischen Gründen wurde davon abgesehen. Für die Bewertung von Forschungsleistungen kommt Publikationen in wissenschaftlichen Fachzeitschriften eine hohe Bedeutung zu.150 Kornmeier und Theisen raten, vorrangig einschlägige Fachzeitschriften zu nutzen, um den Forschungsstand einer Disziplin zu erfassen.151 Ihrer Meinung nach findet der wissenschaftliche Diskurs überwiegend in wissenschaftlichen Fachzeitschriften statt. Auf etablierten Forschungsgebieten wie dem Dienstleistungsmarketing und dem Dienstleistungsmanagement wird der Forschungsstand regelmäßig über Fachzeitschriften ermittelt.152 Forschungsergebnisse beider Gebiete werden intensiv in internationalen Fachzeitschriften diskutiert.153 So passend diese Empfehlung für etablierte Forschungsgebiete sein mag, so unpassend ist sie für das Forschungsgebiet des Dienstleistungscontrollings. Der Stand der Forschung zum Dienstleistungscontrolling ist in keiner Weise mit der des Dienstleistungsmarketings oder Dienstleistungsmanagements und der für sie typischen, intensiven Publikationstätigkeit in internationalen Journals vergleichbar.154 Die vorhandenen Literaturreviews in Abschnitt 3.2 haben verdeutlicht, dass sich vornehmlich Monographien, Sammelbände und praxisnahe Fachzeitschriften mit Fragen des Dienstleistungscontrollings auseinandersetzen.155 Aus diesem Grund 149Beispiele
für solche Publikationen stammen sind z. B. Friedl (1998); Küpper (1998). Hennig-Thurau/Walsh/Schrader (2004), S. 520: „Der Hauptgrund für die große Bedeutung von Zeitschriftenveröffentlichungen liegt in der Begutachtung der eingereichten Manuskripte durch Fachexperten“; kritisch Kieser (2016), S. 468–471. 151Vgl. Kornmeier (2013), S. 77–81; Theisen (2013), S. 73–74. 152Vgl. z. B. die Literaturanalyse zum Forschungsstand des Dienstleistungsmarketings von Bruhn/Mayer-Vorfelder (2009) oder Kunz/Hogreve (2011). 153Vgl. z. B. Journal of Retailing (JQ3: A); Journal of Service Research (JQ3: A); Manufacturing & Service Operations Management (JQ3: A); Journal of Service Management (JQ3: B); Journal of Services Marketing (JQ3: C). 154Vgl. Benkenstein et al. (2017), S. 6: „Service […] controlling is a rather small research area”. 155In den Anfangsjahren einer Disziplin kommt Buchpublikationen und praxisnahen Veröffentlichungen eine hohe Bedeutung zu. Vgl. Binder/Schäffer (2005), S. 604–605. 150Vgl.
86
3 Bestandsaufnahme der Literatur des Dienstleistungscontrollings
wurden nicht nur deutsch- und englischsprachige Fachzeitschriften recherchiert. Zusätzlich durchsucht wurden Sammelbände und Monographien im deutschen Sprachraum. Rückschlüsse auf den aktuellen Forschungsstand des Dienstleistungscontrollings erlauben ferner Dissertationen und Habilitationen.156 Einbezogen wurden ausschließlich originäre Beiträge, nicht jedoch Aufsätze in Lexika, Stichworterläuterungen, Editorials, Interviews, Repliken, Rezensionen von Büchern, Beiträge auf Tagungen und Fachkonferenzen. Gesucht wurden Publikationen im Zeitraum 1987 bis Dezember 2017. Die Literaturrecherche wurde im Januar 2018 durchgeführt. Zusammengefasst ergeben sich folgende Suchkriterien: • Suchbegriffe: Publikationen, die im Titel die Suchbegriffe aus Abbildung 3.6 enthalten und die im Zeitraum Januar 1987 bis Dezember 2017 erschienen sind. • Literaturdatenbanken: Business Source, ECONIS, JSTOR, Web of Science/ SSCI, WISO, Google Scholar. • Arten von Literaturquellen: Deutschsprachige Monographien, Sammelbände, Dissertationen und Habilitationen. Deutsch- und englischsprachige wissenschaftliche Zeitschriften bzw. Journals. Aus den identifizierten Literaturbeiträgen wurden im nächsten Schritt die für den Untersuchungsgegenstand des leistungsbezogenen Dienstleistungscontrollings relevanten Beiträge ausgewählt. Nach welchen Kriterien die Auswahl erfolgte, erklärt der nächste Abschnitt.
3.3.2.2 Literaturauswahl Ohne eingehende Prüfung kann nicht zwangsläufig davon ausgegangen werden, dass sich alle in der Literatursuche identifizierten Literaturbeiträge inhaltlich mit dem Untersuchungsgegenstand des leistungsbezogenen Dienstleistungscontrollings befassen. Vielmehr legen die Ergebnisse bisheriger Literaturreviews die Vermutung nahe, dass sich Artikel darunter befinden, die sich mit dem Dienstleistungscontrolling in speziellen Branchen und bestimmten betrieblichen Funktionen auseinandersetzen. Es bedarf folglich einer weiteren Prüfung und Eingrenzung der gefundenen Quellen.
156Zu den verschiedenen Typen von Literaturquellen vgl. Limburg/Otten (2012), S. 617– 619.
3.3 Untersuchungsdesign
87
Eingang in die weitere Bewertung fanden ausschließlich Beiträge des Dienstleistungscontrollings, die zwei Anforderungen erfüllten:157 • Betrachtung des dienstleistungsspezifischen Controllingsystems:158 Der Beitrag untersucht mindestens ein Element des Dienstleistungscontrollings. Zu den Elementen des Dienstleistungscontrollings gehören, die Philosophie, Ziele, Funktionen, Objekte, Aufgaben, Aufgabenträger, Instrumente, Prozesse und der Erfolg.159 • Branchen- und funktionsübergreifende Perspektive des Dienstleistungscontrollings: Die Aussagen des Beitrags lösen sich vom Kontext einer bestimmten Dienstleistungsbranche oder einer bestimmten betrieblichen Dienstleistungsfunktion. Stattdessen stehen die branchen- und funktionsübergreifenden Gemeinsamkeiten des Dienstleistungscontrollings im Mittelpunkt der Betrachtung. Hierunter fallen Beiträge, die Aspekte des leistungsbezogenen Dienstleistungscontrollings untersuchen, branchenübergreifend das Controlling in Dienstleistungsbetrieben und funktionsübergreifend das Controlling produktbegleitender Dienstleistungen.160 Ausgeschlossen wurden somit Beiträge, die Aspekte des Dienstleistungscontrollings ausnahmslos im Kontext • spezieller Dienstleistungsbranchen, wie z. B. Handel, Transport, Tourismus, Banken, Versicherungen, Beratung, Gastgewerbe, Krankenhäuser, öffentliche Verwaltungen, Hochschulen, Wirtschaftsprüfungen, oder • spezieller betrieblicher Dienstleistungsfunktionen, wie z. B. IT, Logistik, Fuhrpark, Facility Management und Personalwesen, analysieren.161
157Vgl.
im Folgenden Becker/Rech (2014), 68–70. die Sammelrezension von Wall (2008), S. 465, zu einer ähnlichen Anforderung. 159Zu den Elementen des Dienstleistungscontrollings vgl. die Abschnitt 4.2 und 4.5 sowie generell zu den zielbezogenen, funktionalen, institutionalen, instrumentalen und prozessualen Elementen einer Controllingkonzeption Becker/Baltzer/Ulrich (2014), S. 50–51; Becker (2017), S. 97. 160Obwohl es sich bei zuletzt genannten genau genommen um Ausführungen zum institutionellen und funktionellen Dienstleistungscontrolling handelt, werden sie aufgrund ihrer oftmals leistungsbezogenen Argumentation sowie branchen- und funktionsübergreifenden Betrachtungsweise in die Literaturbewertung aufgenommen. 161Zu Beiträgen des institutionellen und funktionellen Dienstleistungscontrollings sei verwiesen auf die bisherigen Literaturreviews in Abschnitt 3.2. 158Siehe
88
3 Bestandsaufnahme der Literatur des Dienstleistungscontrollings
Diese Auswahl mag rigide klingen, vernachlässigt sie doch Erkenntnisse aus dem Banken-Controlling oder dem IT-Controlling, die auf das Controlling anderer Branchen und Funktionsbereiche übertragbar und damit verallgemeinerbar sind. Eine solche Transferleistung zu erbringen, kann jedoch nicht der Gegenstand einer Literaturanalyse sein. Die Literaturanalyse muss vielmehr untersuchen, ob die vorhandene Literatur diese Transferleistung bereits erbracht hat oder ob sich daraus ein Forschungsbedarf konkretisiert. Mit anderen Worten: Sie muss den Status Quo der Forschung offenlegen. Vor diesem Hintergrund erscheinen die angewendeten Kriterien zur Isolierung des leistungsbezogenen Dienstleistungscontrollings zweckmäßig. Zur Auswahl der relevanten Literatur wurde der Titel, das Abstract und das Stichwortverzeichnis jeder Fundstelle gelesen und anhand der Einschluss- und Ausschlusskriterien überprüft. Konnten daraus keine hinreichenden Informationen gewonnen werden, wurde der gesamte Text selektiv gelesen. Entsprechend des Prüfungsresultates wurden die Quellen nach der Art des Dienstleistungscontrollings in die Kategorien institutionelles, funktionelles und leistungsbezogenes Dienstleistungscontrolling eingeteilt. Befanden sich Titel ohne Bezug zum Dienstleistungscontrolling darunter, so wurden diese in einer Restkategorie aufgefangen. Das Ergebnis der Literatursuche und -auswahl gibt Abbildung 3.7 wieder. Insgesamt konnten über die Literatursuche 213 Fundstellen recherchiert werden. Davon blieben nach der Literaturauswahl 120 Beiträge mit Bezug zum leistungsbezogenen Dienstleistungscontrolling übrig, die wiederum in die Literaturbewertung eingingen.
Art der Quelle
Anzahl der Treffer
Monographien
Art des Dienstleistungscontrollings instuonelles
funkonelles
leistungsbezogenes
ohne Bezug
13
1
4
7
1
Sammelwerke
7
1
0
6
0
Aufsätze in Sammelwerken
98
15
18
64
1
Aufsätze in Zeitschrien
66
10
17
25
14
Dissertaonen / Habilitaonen
29
4
4
18
3
213
31
43
120
19
Gesamt
Abbildung 3.7 Ergebnis der Literatursuche und Literaturauswahl. (Quelle: Eigene Literaturrecherche.)
3.3 Untersuchungsdesign
89
In den Literaturdatenbanken konnten 13 Monographien im deutschen Sprachraum gefunden werden, 7 davon mit Bezug zum leistungsbezogenen Dienstleistungscontrolling (vgl. Abbildung 3.8). In bisherigen Literaturübersichten sind die Monographien von Fischer, Witt und Nagl/Rath bereits enthalten, nicht jedoch die Studie von Impuls Management Consulting und die Monographie von Walther.162 Neu erschienen sind die Werke von Becker/Rech und Siebold. Die Monographien von Fischer, Witt und Nagl/Rath wurden bereits in Abschnitt 3.2 im Zusammenhang bisheriger Literaturanalysen gewürdigt. Dort wurde herausgestellt, dass die Charaktere dieser Bücher sehr verschieden sind. Bei den Werken von Witt und Nagl/Rath handelt es sich um Praxisratgeber.163 In die Kategorie Praxisratgeber fällt auch Siebold.164 Die Praxisratgeber legen den Schwerpunkt auf praxiserprobte Controllinginstrumente. Fischers Werk ist wissenschaftlicher und hinsichtlich der Elemente des betrachteten Controllingsystems umfassender als die Praxisratgeber.165 Das gilt genauso für Becker/Rech.166 Becker/Rech bewerten den Stand des Dienstleistungscontrollings und stellen eine Forschungsagenda auf. Impuls Management Consulting führen eine empirische Studie zum Stand des Servicecontrollings in drei Industrien durch und entwerfen induktiv auf der Grundlage der Ergebnisse ein Controllingkonzept.167 Service Level Agreements (SLA) als Instrument zur Steuerung von Dienstleistungsqualität und -prozessen analysiert Walther.168 Trotz ihrer unterschiedlichen Charaktere wurden alle 7 Monographien in die Literaturbewertung einbezogen.
162Vgl. Abschnitt 3.2, Abbildung 3.3. 163Vgl.
Witt (2003); Nagl/Rath (2004). Siebold (2014). 165Vgl. Fischer (2000). 166Vgl. Becker/Rech (2014). 167Vgl. Impuls Management Consulting (2005); ausführlich s. Abschnitt 5.2. 168Vgl. Walther (2006). 164Vgl.
90
3 Bestandsaufnahme der Literatur des Dienstleistungscontrollings Autor(en)
Jahr
Titel
Fischer
2000
Dienstleistungs-Controlling: Grundlagen und Anwendungen
Witt
2003
Dienstleistungscontrolling
Nagl/Rath
2004
Dienstleistungscontrolling: Liquidität sichern, Effizienz steigern, Kosten senken
Impuls Management Consulting
2005
Exzellenz im internationalen ServiceControlling: Führungs- und Steuerungssysteme für ein erfolgreiches Servicegeschäft
Walther
2006
Service Level Agreements: Ein methodischer Baustein im Dienstleistungscontrolling
Becker/Rech
2014
Dienstleistungscontrolling: Grundlagen, Ansätze, Entwicklungsperspektiven
Siebold
2014
Dienstleistungscontrolling in der Praxis: Methoden, Handlungsanleitungen und Fallbeispiele
Abbildung 3.8 Monographien des Dienstleistungscontrollings. (Quelle: Eigene Literaturrecherche.)
Die Abfrage der Literaturdatenbanken brachte insgesamt 7 Herausgeberbände im deutschen Sprachraum hervor (vgl. Abbildung 3.9). Davon werden Fickert/Meyer, Strunk, Weber, Kinkel/Jung Erceg/Lay und Langer/Mackowiak/ Völcker in bisherige Literaturanalysen bereits aufgeführt.169 Bruhn/Stauss und Gleich/Klein sind hinzugekommen. In Abschnitt 3.2 wurde angedeutet, dass bis auf den Einführungsbeitrag von Meyer alle weiteren Beiträge in Fickert/Meyer auf das institutionelle Dienstleistungscontrolling in Banken, Versicherungen, Beratungen, Krankenhäuser, usw. ausgerichtet sind.170 Das Sammelband von Strunk befasst sich ausschließlich mit dem Controlling im Gesundheitswesen.171 Das Sammelband von Weber stimmt mit der inhaltlichen Ausrichtung von Fickert/Meyer überein. Außer dem Einführungsbeitrag von Schäffer und Weber befassen sich die anderen Artikel ausnahmslos mit dem institutionellen
169Vgl. Abschnitt 3.2. In Abbildung 3.3 entstammen die Artikel Meyer (1995) aus Fickert/ Meyer (Hrsg., 1995), Schäffer/Weber (2002) aus Weber (Hrsg., 2002) und Kinkel (2003a) aus Kinkel/Jung Erceg/Lay (Hrsg., 2003). 170Vgl. Fickert/Meyer (Hrsg., 1995); sowie Abschnitt 3.2. 171Vgl. Strunk (Hrsg., 1996); sowie Abschnitt 3.2.
3.3 Untersuchungsdesign
91
ienstleistungscontrolling.172 Kinkel/Jung Erceg/Lay untersuchen das D Controlling produktbegleitender Dienstleistungen und zielen in den Beiträgen auf praxiserprobte Instrumente des Dienstleistungscontrollings.173 Mit Beiträgen zur Prozesskostenrechnung in Krankenhäusern und Budgetierung in Hotelbetrieben kombinieren Langer/Mackowiak/Völcker institutionelle und instrumentale Schwerpunkte.174 In den aktuelleren Sammelwerken von Bruhn/Stauss und Gleich/Klein verändert sich der Schwerpunkt. Sichtlich sind diese Werke bemüht, die konzeptionellen Gemeinsamkeiten des Dienstleistungscontrollings herauszustellen. Herausgeber
Jahr
Titel des Sammelbandes
Fickert/Meyer
1995
Management-Accounng im Dienstleistungsbereich
Strunk
1996
Dienstleistungscontrolling: Strategien zur Innovaonssteuerung im Sozial-und Gesundheitssystem
Weber
2002
Dienstleistungscontrolling
2003
Controlling produktbegleitender Dienstleistungen: Methoden und Praxisbeispiele zur Kosten-und Erlössteuerung
Langer/Mackowiak/ Völcker
2004
Dienstleistungscontrolling: Methoden und Instrumente zur Effizienzsteigerung in Dienstleistungsbereichen
Bruhn/Stauss
2006
Dienstleistungscontrolling
Gleich/Klein
2010
Controlling von Dienstleistungen
Kinkel/Jung Erceg/ Lay
Abbildung 3.9 Herausgeberbände zum Dienstleistungscontrolling. (Quelle: Eigene Literaturrecherche.)
172Vgl.
Weber (Hrsg., 2002); sowie Abschnitt 3.2. Kinkel/Jung Erceg/Lay (Hrsg., 2003); sowie Abschnitt 3.2. 174Vgl. Langer/Mackowiak/Völcker (Hrsg., 2004); sowie Abschnitt 3.2. 173Vgl.
92
3 Bestandsaufnahme der Literatur des Dienstleistungscontrollings
In Anbetracht der Zielsetzung die Literatur des leistungsbezogenen Dienstleistungscontrollings zu analysieren und nicht das institutionelle, wurden folgende Werke von der Literaturbewertung ausgeschlossen: a) Fickert/Meyer mit Ausnahme des Einführungsbeitrags von Meyer, b) Strunk, c) Weber mit Ausnahme des Einführungsbeitrags von Schäffer/Weber und d) Langer/Mackowitz/Völcker. Die Beiträge in den Werken von Bruhn/Stauss, Gleich/Klein und Kinkel/Jung Erceg/Lay wurden einbezogen, wenn sie über die definierten Selektionskriterien in den Literaturdatenbanken gefunden wurden und nach Maßgabe der Literaturauswahlkriterien das leistungsbezogene Dienstleistungscontrolling betrafen. Zusätzlich wurde ein Abgleich mit den in bisherigen Literaturanalysen erfassten Aufsätzen in Sammelbänden durchgeführt. Daraufhin wurden die Beiträge von Vikas, Friedl, Küpper, Pellens/Crasselt/ Tomaszewski, Weber/Schäffer und Engelhardt/Reckenfelderbäumer aufgenommen.175 Rechnet man die manuell ergänzten Aufsätze hinzu, so konnten in den Literaturdatenbanken über die Stichwortsuche insgesamt 98 Aufsätze in Sammelbänden gefunden werden, davon 64 mit Bezug zum leistungsbezogenen, 18 zum funktionellen, 15 zum institutionellen und einer ohne Bezug zum Dienstleistungscontrolling. Die 18 Artikel des funktionellen Dienstleistungscontrollings betrafen überwiegend Shared Service Center als Organisationsform176 oder als Objekt177 des Controllings sowie Controlling als interner Dienstleister178. Die 15 Aufsätze zum institutionellen Dienstleistungscontrollings beschäftigten sich unter anderem mit dem Controlling in Banken, der Logistik, Touristik, von öffentlichen und sozialen Dienstleistungen, häufiger mit dem Controlling in Professional Service Firms.179 In die Literaturbewertung sind ausschließlich die 64 Aufsätze mit Bezug zum leistungsbezogenen Dienstleistungscontrollings eingeflossen (vgl. Abbildung 3.10).
175Vgl. Vikas (1988b); Friedl (1998); Küpper (1998); Pellens/Crasselt/Tomaszewski (1998); Weber/Schäffer (2001); Engelhardt/Reckenfelderbäumer (2006). 176Vgl. z. B. Michel (2007); Mundus/Janßen (2017). 177Vgl. z. B. Jäckle (2011); Becker/Ulrich (2016). 178Vgl. z. B. Steinle (2004); Mödritscher (2017). 179Vgl. z. B. Wiemers (2002); Fickert (2010); Grewe (2016).
3.3 Untersuchungsdesign
93
Autor(en)
Jahr
Titel
Vikas
1988
Meyer
1995
Friedl
1998
Küpper
1998
Grenzplankostenrechnung im Dienstleistungsbereich Moderne Ansätze im Controlling von Dienstleistungsunternehmen Leistungscontrolling von Dienstleistungs Anbietern Erfolgs- und finanzwirtschaftliches Controlling
Nedeß/Friedewald/ 1998 Jacob Pellens/Crasselt/ 1998 Tomaszewski Weber/Schäffer 2001
Kundenbeschwerden als Instrument des Dienstleistungscontrollings Marktwertorientiertes Controlling in Dienstleistungsunternehmen Controlling in Dienstleistungsunternehmen
Schäffer/Weber
2002
Arlit/Geisler/Jung Erceg
2003
Herausforderungen für das Dienstleistungs Controlling Entwicklung einer Balanced Scorecard für die produktbegleitenden Dienstleistungen Beratung, Reparatur und Schulung Einführung von Kostenstellen in indirekten Bereiche Kosten-Nutzen-Bewertung kooperativ erbrachter produktnaher Dienstleistungen mit der Balanced Scorecard Industrielle Dienstleistungen aus Sicht von Betriebswirtschatslehre und Controlling Möglichkeiten zur Preisfindung und -berechnung bei produktbegleitenden Dienstleistungen Die Balanced Scorecard (BSC) als Instrument zurm integrierten Nutzen - und Aufwandscontrolling produktbegleitender Dienstleistungen Produktbegleitende Dienstleistungen – Herausforderungen für das Controlling Controlling von Dienstleistungen
Dickhardt/Mallweide 2003 /Jung Erceg Herrmann/Langhoff 2003 Jahnke
2003
Jung Erceg
2003
Kinkel
2003
Kinkel
2003
Klingebiel
2003
Lay
2003
Petrich/ Hachenberger
2003
Reckenfelderbäumer
2003
Möglichkeiten der verursachungsgerechten Erfassung und Zurechnung der Kosten produktbegleitender Dienstleistungen Mitlaufende Kalkulation als Instrument zur Kostensteuerung produktbegleitender Dienstleistungen Die Kalkulation von Betreibermodellen als zukünftige Herausforderung für das Controlling produktbegleitender Dienstleistungen
Abbildung 3.10 Aufsätze des Dienstleistungscontrollings in Sammelbänden. (Quelle: Eigene Literaturrecherche.)
94
3 Bestandsaufnahme der Literatur des Dienstleistungscontrollings
Roth
2003
Herrmann/Klein
2004
Lay
2005
Bürkert
2005
Benkenstein/ Stenglin Bienzeisler/Löffler
2006 2006
Biermann
2006
Bruhn/Hadwich/ Georgi Bruhn/Stauss
2006
Büttgen
2006
Engelhardt/Recke nfelderbäumer Fließ/Lasshof/Will ems Gerling/Jonen
2006
Pragmatische Ansätze der Prozesskostenrechnung zum effizienten Kostencontrolling produktbegleitender Dienstleistungen Life Cycle Costing als Instrument zur Preisfindung für produktbegleitende Dienstleistungen Ermittlung der Zahlungsbereitschaft der potenziellen Kunden von produktbegeleitenden Dienstleistungen Controlling von Aufwand und Ertrag produktbegleitender Dienstleistungen über die Lebensdauer einer Auftragsbeziehung Aspekte eines ganzheitlichen Dienstleistungscontrollings Dienstleistungscontrolling – Konzeptioneller Rahmen und Gestaltungsfelder Softwaregestütztes Controlling in der Dienstleistungsentwicklung Professionalisierung produktbegleitender Dienstleistungen: Kooperation und Controlling als neue Handlungsfelder Kalkulation und Management von komplexen Dienstleistungen Prozessorientiertes Qualitätscontrolling von Dienstleistungen Jenseits von Kennzahlen: Interaktionskompetenzen zur Steigerung der Dienstleistungsproduktivität Probleme der Implementierung kennzahlengestützter Steuerungssysteme im Dienstleistungsunternehmen Implementierung des Kundenwertmanagements - Modellierung und Anwendungsbeispiel Dienstleistungscontrolling – Einführung in die theoretischen und praktischen Problemstellungen Kundenorientiertes Kostenmanagement bei beteiligungsintensiven Dienstleistungen Industrielles Service-Management
Sainschedt/ Rainfurth/ Lay
2003
2006
Qualitätsstandards im Dienstleistungsprozess
2006
Kognitionsorientiertes Dienstleistungscontrolling – eine instrumentelle Analyse
Steiner/Beckemeier 2003 /Meyrahn Weegmann/Große- 2003 Frintrop Botta
2004
Corsten/Gössinger 2004
2006
Abbildung 3.10 (Fortsetzung)
3.3 Untersuchungsdesign Kleinaltenkamp/ Schweikart Lingenfelder/ Schmidt/Wieseke Krey/Nerdinger
2006
Lingnau/Gerling
2006
95
2006
Controlling der Kundenintegration
2006
Mitarbeiter-Performance im Servicekontakt Modellierung und Messung mittels Mystery Shopping Mitarbeiter-Performance im Servicekontrakt – Partizipatives Produktivitätsmanagement (PPM) als Instrument des Dienstleistungscontrollings Dienstleistungs-Controlling – ein kognitionsorientierter Ansatz Value Controlling in Dienstleistungsunternehmen
Lister
2006
Reckenfelderbäu mer
2006
Reinecke/Geis
2006
Stauss/Seidel
2006
Wall/Schröder
2006
Weber/Lissautzki
2006
Woratschek/Roth/ Schafmeister
2006
Konzeptionelle Grundlagen des Dienstleistungscontrolling – Kritische Bestandsaufnahme und Perspektiven der Weiterentwicklung zu einem Controlling der Kundenintegration Kennzahlengestütztes Marketingcontrolling in Dienstleistungsunternehmen Evidenz-Controlling: Ein Ansatz zur Abschätzung des "Verärgerungs-Eisbergs" Customer Perceived Value Accounting als zentrale Komponente des Dienstleistungscontrollings Kundenwert-Controlling: Dienstleistungsunternehmen kundenorientiert steuern Dienstleistungscontrolling unter Berücksichtigung verschiedener Wertschöpfungskonfigurationen – Eine Analyse am Beispiel der Balanced Scorecard
Köhler
2007
Kundenbeziehung als Gegenstand des Controlling
Klingelhöfer
2008
Integriertes Dienstleistungscontrolling
Krämer
2008
Servicecontrolling in der Heidelberger Druckmaschinen AG Kennzahlen im Controlling von Dienstleistungen
Bohnert
2010
Gleich/Petschnig / Schmidt Gnatzky
2010
Ilka
2010
Möhrle/Gundrum
2010
Kunau et al.
2011
Controlling von Dienstleistungen: Besonderheiten bei Anforderungen und Lösungsansätzen Performance Measurement von Dienstleistungsinnovationen Aufbau des After Sales Service bei LEWA zum vollwertigen Profit-Center Patentierung von Geschäftsprozessen: Eine neue Herausforderung für das Service-Controlling Kennzahlen im Controlling von Service-Innovationen
Geissbauer/Gries meier/Feldmann Steven/Keine
2012
Effizientes Servicecontrolling
2012
Strategisches Controlling von hybriden Leistungsbündeln
2010
Abbildung 3.10 (Fortsetzung)
96
3 Bestandsaufnahme der Literatur des Dienstleistungscontrollings
Steven/Keine
2012
Wall/Mödritscher
2012
Warg/Hoffmann/ Boekhoff Czenskowsky/ Szymanski Schuh/Gudergan/ Trebels Steven/Grandjean
2013
Strategisches Controlling von hybriden Leistungsbündeln Integrationsnotwendigkeiten im Controlling bei der Transformation zum Lösungsanbieter Controlling service-orientierter Geschäftsmodelle
2014
Das Controlling im After-Sales-Service-Management
2016
Controlling industrieller Dienstleistungen
2017
Controlling hybrider Leistungsbündel
Abbildung 3.10 (Fortsetzung)
In Bezug auf Zeitschriftenaufsätze hielten ausschließlich Aufsätze in wissenschaftlichen Zeitschriften Einzug in die Literaturanalyse. Die Prüfung, ob es sich um eine wissenschaftliche Zeitschrift handelt, orientierte sich an dem Zeitschriftenranking des Verbandes der Hochschullehrer für Betriebswirtschaft e. V. (VHB). Genutzt wurde das Rating VHB-Journal 3.180 Da Themen des Dienstleistungscontrollings sowohl in Fachzeitschriften des Rechnungswesens und Controllings als auch in Fachzeitschriften des Dienstleistungsmarketings, der Dienstleistungsproduktion und des Dienstleistungsmanagements erscheinen, wurden Zeitschriften der Teilratings Rechnungswesen, Dienstleistungs- und Handelsmanagement, Produktionswirtschaft, Marketing, Internationales Management und Allgemeine Betriebswirtschaftslehre berücksichtigt. Ausgeschlossen wurden Zeitschriften, die entweder nicht in den Teilratings des VHB-Journal 3 enthalten sind, dort kein Rating bekommen haben oder die befragten Verbandsmitglieder angaben, es handele sich um keine wissenschaftliche Zeitschrift, wie z. B. Controller Magazin oder BBK.181 Zeitschriften, die kein Rating in VHB-Journal 3 hatten, früher aber in VHB-Journal 2, wurden ebenfalls aufgenommen.182 Unveröffentlichte Research Papers und Working Papers wurden nicht berücksichtigt. Aufsätze, die in Herausgeberbänden von Zeitschriften erschienen sind, wurden nicht als Zeitschriftenaufsätze, sondern als Aufsätze in Sammelwerken erfasst.183 180Vgl.
Hennig-Thurau/Sattler (Hrsg., 2015). zum Thema Dienstleistungscontrolling im Controller Magazins s. z. B. Kieper (1990); Eul/Boot/Bachmann (2000); Saam (2001); Stein (2001); Gleich/Quitt/Tkotz (2010); Bergmann/Daub (2012); Kleinhietpaß (2012); Kress (2017); in der Zeitschrift BBK: Witt (1997); ders. (1998); in bilanz + buchhaltung: Erichsen (2001a); ders. (2001b). 182Z.B. International Journal of Service Technology and Management mit keinem Rating in JQ3 und mit Rating C in JQ2 im Teilrating Dienstleistungs- und Handelsmanagement. 183Das betriff die Beiträge Schäffer/Weber (2002) und Wall/Mödritscher (2012); vgl. Abbildung 3.10. 181Zu Aufsätzen
3.3 Untersuchungsdesign
97
Autor(en)
Jahr
Zeitschri
VHBRa ng JQ3
Titel
Zilahi-Szabó
1993
Controlling
D
Controlling in Dienstleistungsbetrieben
Schuh/Speth/Schwenk
1999 IO management D
Controlling industrieller Dienstleistungen
Palloks-Kahlen/ Kucynski
2000
Controlling
D
Controlling im ServiceManagement: Instrumente für den effizienten und kundenorienerten Einsatz von Service-Leistungen
Brandau/Hoan
2007
ZfCM
D
Controlling des Offshoring von Dienstleistungen
D
Dienstleistungscontrolling durch eine ganzheitliche Betrachtung der Erfolgske e des Dienstleistungsmanagements
D
Marktorienertes Dienstleistungsmanagement und Dienstleistungscontrolling für Automobilzulieferer im Automove-A
ermarket
D
Controlling produktbegleitender Dienstleistungen: Gestaltung und Anwendung im Maschinenbau
D
Phasenspezifisches Controlling zur kostenorienerten Entwicklung hybrider Leistungsbündel
Bruhn
Huber/Bauer
Möller/Schwab
Steven/Wasmuth
2008
2008
2008
2009
Controlling
Controlling
Controlling
Controlling
Abbildung 3.11 Aufsätze in deutschsprachigen Zeitschriften. (Quelle: Eigene Literaturrecherche.)
98
3 Bestandsaufnahme der Literatur des Dienstleistungscontrollings
Priller
2010
ZfCM
D
Profitables Wachstum im Service: Servicespezifisches Controlling als Grundbedingung
Müller/Braun/Kamprath
2011
Controlling
D
Produkvität und Dienstleistungen - Neue Anforderungen an das Innovaonscontrolling
Becker/Rech
2013
Controlling
D
Wertschöpfungsorienertes Dienstleistungscontrolling
Schäperköer/Grefrath
2013
Controlling
D
Controlling für die Entwicklung von ProduktService-Systemen bei CLAAS
D
Porolio-Erweiterung um sowarebasierte "Connected Car Services" Herausforderungen an das Controlling
Forschner/Burgsmüller
2015
Controlling
Seiter/Rosentri/Stoffel
2016
Controlling
D
Service Analycs als neues Arbeitsfeld des Controllers: Umsetzung von Business Analycs im Dienstleistungscontrolling
Pelster/Herold
2017
Controlling & Management Review
D
IFRS 15 im ServiceControlling
Abbildung 3.11 (Fortsetzung)
In den Literaturdatenbanken konnten über die Stichwortsuche insgesamt 66 Zeitschriftenaufsätze selektiert werden. Darin enthalten ist ein Beitrag der manuell ergänzt wurde als Resultat des Abgleichs mit bisherigen Literaturübersichten.184 In der Literaturauswahl konnten 25 Artikel mit Bezug zum leistungsbezogenen Dienstleistungscontrolling identifiziert werden, davon 15 in deutschsprachigen Zeitschriften (vgl. Abbildung 3.11) und 10 in englischsprachigen Journals (Abbildung 3.12). 184Aus Abbildung 3.3 wurde Zilahi-Szabó (1993) ergänzt. Im Ergebnis der Datenbankrecherche waren dagegen schon enthalten: P alloks-Kahlen/ Kucynski (2000); Bruhn (2008); Möller/Schwab (2008). Witt (1997) und ders. (1998) wurden nicht aufgenommen, weil die Zeitschrift BKK aus der Literaturanalyse ausgeschlossen wurde; vgl. FN 181.
3.3 Untersuchungsdesign Autor(en)
Jahr
99 Zeitschri
VHBRa ng JQ3
Titel
Bruggeman/ 1988 Bartholomeeusen/Heene
Internaonal Journal of Operaons & Producon Management
B
How Management Control Systems can affect the Performance of Service Operaons
Middaugh
1988
Business Horizons
C
Management Control in the Financial-Services Industry
Lowry
1990
Abacus
B
Management Accoun ng and Service Industries: An Exploratory Account of Historical and Current Economic Contexts
Kullven/ Mason
1994
Interna onal Journal of Service Industry Management
B
A Management Control Model Based on the Customer Service Process
Modell
1996
Interna onal Journal of Service Industry Management
B
Management accoun ng and control in services: structural and behavioral perspec ves
Aas
2011
Interna onal Journal of Services Technology and Management
C
Management control of service innova on ac vi es: an exploratory inves ga on of best prac ce
Laine/Paranko/Suomala
2012
Managing Service Quality
C
Management accoun ng roles in suppor ng servi sa on: Implica ons for decision making at mul ple levels
Auzair
2015
Journal of Accoun ng & Organiza onal Change
B
A configura on approach to management control system design in service organiza ons
Abbildung 3.12 Aufsätze in englischsprachigen Journals. (Quelle: Eigene Literaturrecherche.)
100 King /
3 Bestandsaufnahme der Literatur des Dienstleistungscontrollings Clarkson
Lindholm / Laine / Suomala
2015
Accounng, Organizaons & Society
A
Management control system design, ownership, and performance in professional service organizaons
2017
Journal of Service Theory and Pracce
C
The potenal of management accounng and control in global operaons: Profitability-driven service business development
Abbildung 3.12 (Fortsetzung)
Von den 66 gefundenen Aufsätzen bezogen sich 17 auf das funktionelle und 10 auf das institutionelle Dienstleistungscontrolling. 14 Aufsätze wiesen bei näherer Prüfung keinen Bezug zum Dienstleistungscontrolling auf. Wie bereits bei den Aufsätzen in Sammelbänden festzustellen war, drehen sich die recherchierten Beiträge des funktionellen Dienstleistungscontrollings vornehmlich um die Themengebiete Shared Service Center als Organisationsform185 des Controllings, um das Controlling186 von Shared Service Centern und um die Perspektive des Controllings bzw. Management Accountings als Serviceprovider187. Die Selektion dieser Aufsätze ist der Kombination der Suchbegriffe „Service“ und „Controlling“ bzw. „Management Accounting“ geschuldet. Die 10 Artikel zum institutionellen Dienstleistungscontrolling betreffen unter anderem das Dienstleistungscontrolling in Banken188 und in Logistikbetrieben189. In die Literaturbewertung einbezogen wurden wiederum ausschließlich die 25 Beiträge zum leistungsbezogenen Dienstleistungscontrolling.
185Vgl.
z. B. Michel/Kirchberg (2008); Fritze et al. (2013); Steuer/Westeppe (2015). z. B. Neukirchen/Vollmer (2007); Becker/Ulrich/Eggeling (2013); Minnaar/ Vosselman (2013). 187Vgl. z. B. Walker/Fleischmann/Johnson (2012); Fleischmann/Johnson/Walker (2017). 188Vgl. Nielsen/Kock (2003); Heitmann/Koch/Rolfes (2008). 189Vgl. Franklin (2007). 186Vgl.
3.3 Untersuchungsdesign
101
Autor(en)
Jahr
Titel
Vikas
1988
Controlling im Dienstleistungsbereich mit Grenzplankostenrechnung
Bertsch
1991
Expertengestützte Dienstleistungskostenrechnung
Reckenfelderbäumer 1995
Markeng-Accounng im Dienstleistungsbereich: Konzepon eines prozesskostengestützten Instrumentariums
Niemand
1996
Target Cosng für industrielle Dienstleistungen
Schweikart
1997
Integrave Prozeßkostenrechnung: Kundenorienerte Analyse von Leistungen im industriellen Business-to-Business-Bereich
Paul
1998
Preis- und Kostenmanagement von Dienstleistungen im Businessto-Business-Bereich
Schnika
1998
Kapazitätsmanagement von Dienstleistungsunternehmungen
Woratschek
1998
Preisbesmmung von Dienstleistungen
Stuhlmann
2000
Kapazitätsgestaltung in Dienstleistungsunternehmungen
Sanche
2002
Strategische Erfolgsposion: Industrieller Service. Eine empirische Untersuchung zur Entwicklung industrieller Dienstleistungsstrategien
Borrmann
2003
Service-Controlling für produzierende Unternehmen
Salman
2004
Kostenerfassung und Kostenmanagement von Kundenintegraonsprozessen
Cassack
2006
Prototypgestützte Kosten- und Erlösplanung für produktbegleitende Dienstleistungen
Seewöster
2006
Controlling von Life Cycle-Cost Verträgen produzierender Dienstleister
Stebel
2007
Verhaltenssteuerung durch Anreize im Dienstleistungscontrolling
Wasmuth
2009
Kostenmanagement im Service-Engineering industrieller Dienstleistungen
Sehnert
2011
Erfolgswirkungen von Kennzahlensystemen in Dienstleistungsunternehmen
Baum
2013
Service Business Cosng: Cost Accounng Approach for the Service Industry
Abbildung 3.13 Dissertationen/Habilitationen zu Aspekten des Dienstleistungscontrollings. (Quelle: Becker/Rech (2014), S. 166–168, erweitert und aktualisiert.)
102
3 Bestandsaufnahme der Literatur des Dienstleistungscontrollings
Die Suche in den Literaturdatenbanken nach Dissertationen und Habilitationen im deutschen Sprachraum war unergiebig. Insgesamt konnten mit den Suchbegriffen nur 13 Dissertationen und keine Habilitation gefunden werden. Bei näherer Prüfung hielten nur die Dissertationen von Borrmann und Stebel den Literaturauswahlkriterien stand.190 Jeweils 4 Werke entfielen auf das institutionelle191 und funktionelle192 Dienstleistungscontrolling, 3 Arbeiten hatten keinen Bezug zum Dienstleistungscontrolling. Aufgrund der schmalen Ausbeute der systematischen Suche wurde ein Abgleich mit bestehen Literaturanalysen vorgenommen. Von den bisherigen Literaturanalysen recherchieren vor allem Becker/Rech nach Forschungsarbeiten des Dienstleistungscontrollings.193 Ihre Analyse – welche die Arbeiten von Borrman und Stebel enthält – zeigt bereits, dass sehr wenige Dissertationen im deutschsprachigen Raum existieren, die im Titel explizit auf das „Dienstleistungscontrolling“ oder „Servicecontrolling“ referenzieren. Anderseits beinhaltet die Übersicht der Forschungsarbeiten bei Becker/Rech einige Dissertationen, die sich mit der Kostenrechnung, dem Kostenmanagement und dem Kapazitätsmanagement in Dienstleistungsbereichen auseinandersetzen. Diese Arbeiten tangieren wichtige Teilaspekte des Dienstleistungscontrollings. Eine vollständige Analyse des auf Dienstleitungen angepassten Controllingsystems nehmen sie aber nicht vor. Durch den Abgleich mit Becker/Rech konnten 13 Dissertationen ergänzt werden.194 Die Untersuchung von Becker/Rech liegt bereits einige Jahre zurück. Insofern bestand die Notwendigkeit, nach aktuelleren Dissertationen und Habilitationen zu suchen. Neuere Werke wurden mit einer vorwärts gerichteten Suche recherchiert.195 Hierzu wurde nach Dissertationen und Habilitationen gesucht, welche eine oder mehrere der bereits gesammelten 15 Dissertationen
190Vgl.
Borrmann (2003); Stebel (2007). Wiemers (2001); Irrek (2004); Schneider (2004); Schicker (2008). 192Vgl. Sterzenbach (2010); Weimer (2010); Hirsch (2016); Werner (2016). 193Vgl. Becker/Rech (2014), S. 166–168. 194Vgl. Vikas (1988); Bertsch (1991); Reckenfelderbäumer (1995); Niemand (1996); Schweikart (1997); Paul (1998); Schnittka (1998); Stuhlmann (2000); Sanche (2002); Salman (2004); Cassack (2006); Seewöster (2006); Wasmuth (2009). 195Vgl. Kornmeier (2013), S. 86. 191Vgl.
3.3 Untersuchungsdesign
103
zitieren.196 Insgesamt konnten weitere drei Dissertationen gefunden werden, welche die Literaturauswahlkriterien erfüllten.197 Insgesamt ließen sich somit 18 Dissertationen zu Aspekten des Dienstleistungscontrollings identifizieren (vgl. Abbildung 3.13).198 Durch die unsystematische Suche unterliegt die Auswahl an Dissertationen größeren subjektiven Einflüssen des Verfassers als die Auswahl von Monographien und die Auswahl von Aufsätzen in Sammelwerken und Zeitschriften. Angesichts der geringen Trefferanzahl der systematischen Suche erscheint jedoch die Ergänzung um eine unsystematische Suche vertretbar. Rückblickend wurden von den 120 Quellen des leistungsbezogenen Dienstleistungscontrollings 114 Beiträge in die Literaturbewertung einbezogen, davon 7 Monographien, 64 Aufsätze in Sammelwerken, 25 Zeitschriftenaufsätze und 18 Dissertationen.199 Der Unterschied von 6 Quellen (120 zu 114) resultiert daraus, dass die Sammelwerke des leistungsbezogenen Dienstleistungscontrolling nicht komplett unter einer eigenständigen Kategorie „Sammelwerke“ erfasst wurden, sondern Einzelbeiträge daraus unter der Kategorie „Aufsätze in Sammelwerken“, wenn sie die Literaturauswahlkriterien erfüllten.
3.3.2.3 Entwurf des Kategoriensystems Die quantitative Inhaltsanalyse verwendet ein Kategoriensystem zur vollstandardisierten Datenerhebung, wobei sich die Kategorienbildung an den formalen und inhaltlichen Merkmalen orientiert, nach denen die Texte untersucht werden sollen.200 In Abschnitt 3.1 wurden fünf Analyseschwerpunkte für die Literatur des Dienstleistungscontrollings festgelegt: (1) Publikationstätigkeit, (2) thematische Schwerpunkte, (3) Forschungsmethoden, (4) theoretische und (5) empirische Fundierung. Für jede dieser Analysedimensionen wurden Kategorien und Unterkategorien definiert (vgl. Abbildung 3.14).
196Die
Prüfung erfolgte über Google Scholar. Woratschek (1998); Sehnert (2011); Baum (2013). 198Zu den Forschungszielen, Forschungsmethoden sowie den theoretischen und empirischen Bezugsbasen der Dissertationsschriften s. Anhang 8.2. 199Vgl. Abbildung 3.7. 200Vgl. Döring/Bortz (2016), S. 557. 197Vgl.
104
3 Bestandsaufnahme der Literatur des Dienstleistungscontrollings
Kategorie Publikationstätigkeit
Subkategorie Erscheinungsjahr
Thematische Schwerpunkte
Literaturtyp (Monographie, Aufsatz in Sammelband, Zeitschriftenartikel, Dissertation) Konzeption des Dienstleistungscontrollings Anwendung des Dienstleistungscontrollings Kosten-, Erlös- und Ergebnismanagement Preiscontrolling Portfolio und Entwicklung Performance Measurement
Wertorientierte Steuerung Personalcontrolling Dienstleistungsproduktion Dienstleistungsqualität Rolle des Dienstleistungscontrollers Forschungsmethoden
Sonstiges sachlich-analytischer Aufsatz formal-analytischer Aufsatz empirischer Aufsatz sachlich-analytischer + empirischer Aufsatz formal-analytischer + empirischer Aufsatz
Theoretische Fundierung
Erfahrungsbericht aus der Praxis Systemtheorie Entscheidungstheorie Produktions- und Kostentheorie situativer Ansatz Neue Institutionenökonomik verhaltenswissenschaftliche Ansätze Service-Dominant Logic sonstige Theorien
Empirische Fundierung
keine oder unklare Theorie Fragebogenstudie
Fallstudie Experteninterviews Laborexperiment sonstige Methoden
Abbildung 3.14 Kategorien und Subkategorien der Literaturanalyse. (Quelle: Eigene Darstellung; in der Art der Darstellung angelehnt an die Inhaltsanalyse von Homburg/ Schilke/Reimann (2009), S. 179–180.)
3.3 Untersuchungsdesign
105
Die erste Dimension ist die Publikationstätigkeit. Untersucht wurden zwei Aspekte: Zum einen die Entwicklung der Publikationen zum Dienstleistungscontrolling im Zeitverlauf und zum anderen der Stellenwert einzelner Typen von Literaturquellen, wie z. B. Aufsätze in Sammelwerken oder Zeitschriften. Für die Auswertung war es deshalb wichtig, das Erscheinungsjahr der Beiträge und den Quellentyp zu erfassen. Die Erscheinungsjahre konnten gemäß dem Erhebungszeitraum von 1987 bis 2017 variieren. Die Quellentypen wurden in Anlehnung an die Literatureinteilung bei Limburg/Otten in vier Kategorien eingeteilt: (1) Monographie, (2) Aufsatz in Sammelband, (3) Zeitschriftenartikel, (4) Dissertation und Habilitation.201 Die zweite Dimension analysiert die thematischen Schwerpunkte. Die Unterkategorien für die thematischen Schwerpunkte der Literatur des Dienstleistungscontrollings wurden theoretisch-deduktiv aus den Problemfeldern des Dienstleistungscontrollings gebildet und datenbasiert-induktiv überprüft und ergänzt. Die induktive Kategorienbildung aus dem Aufsatzmaterial erfolgte im Anschluss an den Prozess nach Mayring.202 Im ersten Schritt wurden Kategorien vorformuliert. Die Kategorien orientierten sich an den von Becker/Rech identifizierten Problemfeldern des Dienstleistungscontrollings.203 Basierend auf den vorformulierten Kategorien wurden 50 % der Beiträge durchgearbeitet und verglichen, ob die in den Beiträgen angesprochenen Schwerpunkte den Problemfeldern entsprechen oder die Beiträge davon abweichende Themen behandeln. Danach wurden die Kategorien einer Revision unterzogen und erneut alle Beiträge durchgelesen und zugeordnet. Mehrfachkategorisierungen waren nicht möglich. Für den endgültigen Materialdurchgang wurden zwölf Kategorien bestimmt: • Die Kategorie „Konzeption des Dienstleistungscontrollings“ beinhaltet Beiträge, die sich mit mehreren Elementen des Dienstleistungscontrollings konzeptionell befassen und mehr oder weniger vollständige dienstleistungsspezifische Controllingkonzeptionen beschreiben.204 • Die Kategorie „Kosten-, Erlös- und Ergebnismanagement“ beinhaltet Beiträge zu Kostenrechnungssystemen, Ansätzen des Kostenmanagements, Kalkulation, Erlös- und Ergebnisrechnung und zum ergebnisorientierten Kapazitätsmanagement.205
201Vgl. Limburg/Otten (2012), S. 617–619. 202Vgl.
Mayring (2015), S. 85–90. Becker/Rech (2014), S. 142–164. 204Vgl. ähnlich Binder/Schäffer (2005), S. 623, FN 47. 205Vgl. Becker/Rech (2014), S. 151–157. 203Vgl.
106
3 Bestandsaufnahme der Literatur des Dienstleistungscontrollings
• Die Kategorie „Performance Measurement“ beinhaltet Beiträge zu Kennzahlen, Kennzahlensystemen, wie z. B. Balanced Scorecard, zur Leistungsrechnung, zum Berichtswesen/Reporting sowie zur Data Mining und Analytics.206 • Die Kategorie „Anwendung des Dienstleistungscontrollings“ beinhaltet Beiträge, die praxiserprobte Lösungen des Dienstleistungscontrollings meist im Kontext eines oder mehrere Praxisbeispiele behandeln.207 • Die Kategorie „Wertorientierte Steuerung“ beinhaltet Beiträge zum Kundenwert (Customer Lifetime Value), Customer Perceived Value Accounting, Steuerung mittels Residualgewinnen und ergebnisorientierten Steuerung von Kundenbeziehungen.208 • Die Kategorie „Dienstleistungsqualität“ beinhaltet Beiträge zum Qualitätsmanagement von Dienstleistungen, wie z. B. Qualitätssysteme oder Qualitätsmessungen.209 • Die Kategorie „Portfolio & Entwicklung“ beinhaltet Beiträge zur Dienstleistungsstrategie, Dienstleistungsinnovationen, Auswahl effektiver Leistungsbündel, Gestaltung des Leistungsangebots, Portfolio-Analysen, Ressourcenallokation und entwicklungsbegleitendes Controlling von Dienstleistungen.210 • Die Kategorie „Personalcontrolling“ beinhaltet Beiträge zum Controlling des Dienstleistungspersonals, wie z. B. Anreiz- und Motivationssysteme, Produktivitätsmanagement und Planung, Steuerung und Kontrolle der Interaktionskompetenzen des Personals im Kundenkontakt.211 • Die Kategorie „Preiscontrolling“ beinhaltet Beiträge zur Preisbildung, Bundeling, Ermittlung von Preisuntergrenzen, Conjoint Analysen.212 • Die Kategorie „Dienstleistungsproduktion“ beinhaltet Beiträge zum Controlling der Leistungserstellung und Lieferung von Dienstleistungen.213 • Die Kategorie „Rolle des Dienstleistungscontrollers“ beinhaltet Beiträge zur Organisation des Controllings in Dienstleistungsbereichen. Hierbei stehen
206Vgl.
Becker/Rech (2014), S. 161–162. ähnlich Binder/Schäffer (2005), S. 623, FN 47. 208Vgl. Becker/Rech (2014), S. 162–164. 209Vgl. Becker/Rech (2014), S. 158–160. 210Vgl. Becker/Rech (2014), S. 162–164. 211Vgl. Becker/Rech (2014), S. 160–161. 212Vgl. Becker/Rech (2014), S. 155–157. 213Vgl. Becker/Rech (2014), S. 144–150. 207Vgl.
3.3 Untersuchungsdesign
107
institutionelle Aspekte im Vordergrund, wie z. B. die Aufgabenträger, ihr Anforderungsprofil und ihre Kompetenzen, sowie die Aufbauorganisation des Controllings (z. B. Linie vs. Stab).214 • Die Kategorie „Sonstiges“ enthält Beiträge, die sich nicht eindeutig den anderen Kategorien zuordnen lassen. Die Forschungsmethoden sind Gegenstand der dritten Dimension. Zur Beschreibung der Art der Forschungsmethoden wurden Kategorien deduktiv gebildet. Die Kategorienbildung lehnt sich an Süß/Altmann an, die in ihrer Literaturanalyse zur Personalwirtschaftslehre die Kategorien (1) Überblicksartikel, (2) theoretisch-konzeptionelle Aufsätze und (3) empirische Aufsätze unterscheiden.215 In der Literatur des Dienstleistungscontrollings gibt es ein paar wenige Überblicksartikel, die das aktuelle Wissen zum Themengebiet Dienstleistungscontrolling zusammenfassen.216 Allerdings stellen die Autoren dieser Überblicksartikel häufig noch eigene theoretisch-konzeptionelle Überlegungen an, so dass sie ebenso gut der Kategorie theoretisch-konzeptioneller Aufsätze zugerechnet werden können. Auf eine eigene Kategorie „Überblicksartikel“ wurde deshalb verzichtet.217 Die Kategorie „theoretisch-konzeptionelle Aufsätze“ nimmt solche Beiträge auf, die komplexe Zusammenhänge sachlich-analytisch oder formal-analytisch durchleuchten und Gestaltungsempfehlungen ableiten.218 Die Kategorie „empirische Aufsätze“ umfasst Beiträge, die den Umsetzungsstand des Dienstleistungscontrollings in der Unternehmenspraxis erheben. Daneben existieren Beiträge – häufig Dissertationen – die empirische Befunde mit theoretisch-konzeptionellen Vorüberlegungen verbinden.219 Für sie wurden eigene Kategorien geschaffen. Ergänzt wurde zudem eine Kategorie, die Erfahrungsberichte aus der Praxis aufnimmt. Mehrfachkategorisierungen waren nicht möglich. Insgesamt wurden sechs Kategorien für Forschungsmethoden bestimmt: (1)
214Vgl.
Becker/Rech (2014), S. 210–212. Süß/Altmann (2015), S. 11. 216Vgl. z. B. Bruhn/Stauss (2006); Gleich/Petschnig/Schmidt (2010); Becker/Rech (2013). 217Die Einteilung in theoretisch-konzeptionelle und empirische Forschungsmethoden stimmt weitgehend überein mit der Differenzierung in Reviews zum Controlling und Management Accounting s. Binder/Schäffer (2005), S. 613, in Anlehnung an Grochla (1976), S. 634: analytische und empirische Forschungsmethoden; Wagenhofer (2006), S. 8–10: „Analytic“, „Normativ, Conceptual“, „Empirical“; Bromwich/Scapens (2016), S. 8: „analytical and empirical research“. 218Vgl. Becker/Baltzer/Ulrich (2014), S. 24. 219Vgl. Süß/Altmann (2015), S. 11. 215Vgl.
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3 Bestandsaufnahme der Literatur des Dienstleistungscontrollings
sachlich-analytischer Aufsatz, (2) formal-analytischer Aufsatz, (3) empirischer Aufsatz, (4) sachlich-analytischer / empirischer Aufsatz, (5) formal-analytischer / empirischer Aufsatz, (6) Erfahrungsbericht aus der Praxis. Der theoretischen Basis der Aufsätze widmet sich die vierte Dimension. Dabei wurden speziell sachlich-analytische und formal-analytische Arbeiten mit und ohne empirische Befunde nach Theorien untersucht. Süß/Altmann stellen fest, dass kein abschließender Theorienkatalog vorliegt.220 Für die deduktive Kategorienbildung wurde deshalb auf Theorieklassifizierungen in der Controllingliteratur zurückgegriffen. Ausgangspunkt bildete die Klassifizierung von Wall.221 Wall unterscheidet nach der Entscheidungs- und Verhaltenssteuerungsfunktion des Controllings system-, entscheidungstheoretische und verhaltensorientierte Ansätze. Die verhaltensorientierten Ansätze differenziert sie in institutionenökonomische und verhaltenswissenschaftliche Ansätze.222 Die Theorieeinteilung von Wall wurde mit Ausführungen zu den theoretischen Grundlagen des Controllings in Standardlehrbüchern223 und Theoriekatalogen in Literaturreviews224 zum Management Accounting und Controlling abgeglichen. Daraufhin wurde die Produktions- und Kostentheorie und die Kontingenztheorie (Situativer Ansatz) ergänzt. Außerdem wurde in Anlehnung an Wagenhofer die Investitions- und Kapitalmarkttheorie aufgenommen.225 Der Gefahr, ausschließlich Theorien zu erfassen, die im Controlling Verbreitung finden, nicht aber in der Dienstleistungsforschung, wurde insofern entgegengewirkt, als ergänzend ein Abgleich mit Lehrbüchern und Texten des Dienstleistungsmanagements und -marketings erfolgte.226 Dabei zeigte sich, dass das Dienstleistungsmarketing und -management umfangreicher auf verhaltenswissenschaftliche Ansätze zurückgreifen. Unter der Kategorie verhaltenswissenschaftliche Ansätze wurden psychologische, sozialpsychologische 220Vgl.
Süß/Altmann (2015), S. 11. Wall (2008), S. 470–471. 222Vgl. Wall (2008), S. 471; identisch Küpper et al. (2013), S. 99–100. 223Vgl. Ossadnik (2009), S. 12–31; Küpper et al. (2013), S. 90–126; Becker/Baltzer/Ulrich (2014), S. 34–49; Ewert/Wagenhofer (2014), S. 11–14; Horváth/Gleich/Seiter (2015), S. 36–43; Weber/Schäffer (2016), S. 27–32. 224Vgl. Shields (1997), S. 7–8; Binder/Schäffer (2005), S. 613–615; Wagenhofer (2006), S. 8–10; Bromwich/Scapens (2016), S. 2–4; 225Vgl. Wagenhofer (2006), S. 8–9. 226Vgl. Kaas (2001); Burr/Stephan (2006), S. 63–78; Meiren (2009); Fließ (2009), S. 37–40; Meffert/Bruhn/Hadwich (2015), S. 43–77; Bartsch/Meyer (2017); Corsten (2017); Klein/Adler (2017). 221Vgl.
3.3 Untersuchungsdesign
109
und organisationstheoretische Ansätze subsumiert.227 Außerdem wurde die Service-Dominat Logic als neuer theoretischer Ansatz aufgenommen.228 Letztendlich bestand das Kategoriensystem zur Analyse der theoretischen Basis des Dienstleistungscontrollings aus neun Kategorien: (1) Systemtheorie, (2) Entscheidungstheorie, (3) Produktions- und Kostentheorie, (4) situativer Ansatz, (5) Neue Institutionenökonomik, (6) verhaltenswissenschaftliche Ansätze, (7) Service-Dominant Logic, (8) sonstige Theorien, (9) keine oder unklare Theorie.229 Lagen Theoriekombination vor, wurde dafür eine eigene Kategorie gebildet, z. B. die Kategorie „System- und Entscheidungstheorie“, wenn ein Autor seinen Beitrag system- und entscheidungstheoretisch fundierte. Mehrfachkategorisierungen waren nicht möglich. Die fünfte Analysedimension betrifft die empirische Fundierung der Aufsätze. In die Analyse der empirischen Basis wurden empirische Arbeiten mit und ohne analytische Vorüberlegungen eingezogen. Um einen Eindruck über die Bandbreite der empirischen Forschungsmethoden zu gewinnen, wurden wiederum Kategorien deduktiv gebildet. Die Einteilung der empirischen Forschungsmethoden stützt sich auf Shields und Guffey/Harp.230 Mehrfachkategorisierungen waren nicht möglich. Unterschieden wurden fünf Kategorien: (1) Fragebogenstudie, (2) Fallstudie, (3) Experteninterviews, (4) Laborexperiment, (5) sonstige Methoden.231
3.3.2.4 Codierung der Texte Unter Codierung versteht man die Zuordnung von Textstellen zu Kategorien.232 Um die Zuordnung treffen zu können, sind vor Beginn der Codierung die Analyseeinheiten des Textes festzulegen. Mayring unterscheidet zwischen Codier-,
227Zur Einteilung der verhaltenswissenschaftlichen Ansätze in Verhalten von Individuen, Gruppen und Organisationen vgl. Staehle (1999), S. 153–161. 228Vgl. Vargo/Lusch (2004); dies. (2008); dies. (2016). 229Zur kritischen Analyse, ob es sich bei dem system- und entscheidungsorientierten Ansatz, der Produktions- und Kostentheorie, der Neuen Institutionenökonomik und der Service-Dominant Logic um Theorien mit eigenem Theoriekern handelt oder aber um Forschungskonzeptionen, konzeptionelle Bezugsrahmen bzw. Denkmuster s. Köhler (2016), S. 413–418. 230Vgl. Shields (1997), 8–13; Guffey/Harp (2017), S. 94–95. 231Zu empirischen Forschungsmethoden s. auch die Ausführungen in Abschnitt 5.3.1. 232Vgl. Binder (2006), S. 85, der Textbestandteile der Gesprächsprotokolle von Experteninterviews Kategorien zuordnet.
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3 Bestandsaufnahme der Literatur des Dienstleistungscontrollings
Kontext- und Auswertungseinheit.233 Die Codiereinheit legt fest, welche minimalen Textbestandteile unter einer Kategorie fallen und die Kontexteinheit, welche maximalen Textbestandteile, wobei Textbestandteile Wörter, Sätze, Abschnitte usw. sein können. Die Auswertungseinheit gibt die Reihenfolge der Codierung der Textbestandteile an.234 Codiereinheit und damit zugleich Kontext- und Auswertungseinheit der eigenen Literaturanalyse sind keine Textbestandteile, sondern ganze Texte, d. h. die Texte werden vollständig einzelnen Unterkategorien des Kategoriensystems zugeordnet. Diese einfache und arbeitssparende Vorgehensweise bietet sich bei umfangreichem Datenmaterial an, wie es für die Literaturanalyse des Dienstleistungscontrollings der Fall ist.235 Die Kategorien des Kategoriensystems wurden absichtlich so gewählt, dass sich ganze Texte zuordnen lassen und auf ein Mehrfachkategorisierung von Unterkategorien verzichtet werden konnte. Vor dem Hintergrund des Forschungsziels erscheint diese Vorgehensweise gerechtfertigt: In der Literaturanalyse geht es nicht darum, Hypothesen zum Dienstleistungscontrollings anhand von einzelnen Textstellen zu prüfen. Vielmehr dient die Literaturanalyse dazu, auf explorative Art einen ersten Überblick zum aktuellen Stand der Forschung zu gewinnen. Die Nachteile dieser Vorgehensweise betreffen vor allem die Kategorie der thematischen Schwerpunkte. Durch die Zuordnung zu einem thematischen Schwerpunkt ist nicht mehr ersichtlich, ob sich Teile des Textes mit anderen Themen beschäftigen.236 Beispielsweise behandeln Beiträge der Kategorie „Konzeption des Dienstleistungscontrollings“ für gewöhnlich in zusammenhängender Form ein breites Spektrum an Themenfeldern innerhalb eines Bezugsrahmens.237 Als Codierleitfaden diente die Beschreibung des Kategoriensystems aus Abschnitt 3.3.2.3.238 Weil es bei den Unterkategorien der Kategorie „thematische Schwerpunkte“ potenziell zu inhaltlichen Überschneidungen kommen konnte, wurden als zusätzliche Orientierungshilfen ganze Texte als Ankerbeispiele
233Vgl.
Mayring (2015), S. 15, mit Bezug zur Frequenzanalyse. Mayring (2015), S. 15. 235Vgl. Früh (2017), S. 156. 236Vgl. Früh (2017), S. 156. 237Vgl. z. B. Becker/Rech (2013). 238Zur Entwicklung eines Codierleitfadens bzw. Codebuches vgl. im Detail Früh (2017), S. 155–176. 234Vgl.
3.3 Untersuchungsdesign
111
definiert.239 Als Ankerbeispiele wurden Texte gewählt, die eindeutig einer Subkategorie zuordenbar waren.240 Die quantitative Inhaltsanalyse differenziert zwischen Probe- und Hauptcodierung.241 Wie im vorangegangenen Abschnitt zum Entwurf des Kategoriensystems skizziert, wurden in der Probecodierung hauptsächlich die Unterkategorien der Kategorie „thematische Schwerpunkte“ induktiv anhand des Datenmaterials überprüft und angepasst. Hierzu wurden 50 % des Datenmaterials gelesen. Basierend darauf wurde die Unterkategorie „Anwendung des Dienstleistungscontrollings“ ergänzt und die Inhalte der anderen Unterkategorien genauer spezifiziert. Ferner ergaben sich bei der Kategorie „Forschungsmethoden“ kleinere Anpassungen. Um Mehrfachkategorisierungen zu vermeiden, wurden die Unterkategorien stärker ausdifferenziert. Zusätzlich aufgenommen wurden die Unterkategorien „sachlich-analytischer / empirischer Aufsatz“, „formal-analytischer / empirischer Aufsatz“ und „Erfahrungsbericht aus der Praxis“. In der Hauptcodierung wurden 100 % der Texte der Literaturauswahl vollständig gelesen. Jeder Text wurde mit Subkategorien codiert.242 Eine bestimmte Subkategorie wurde eingetragen, wenn diese zutraf. Die Beiträge wurden ausschließlich einer Subkategorie einer Kategorie zugeordnet. Das bedeutet, die Auswahl mehrerer Subkategorien innerhalb einer Kategorie (Mehrfachkategorisierung) war nicht erlaubt. Beispiel: Der Beitrag von Stebel wurde mit dem Literaturtyp „Dissertation“ codiert, mit dem thematischen Schwerpunkt „Personalcontrolling“, mit der Forschungsmethode „formal-analytisch + empirischer Aufsatz“, mit der theoretischen Fundierung „Neue Institutionenökonomik“ und mit der empirischen Fundierung „Fragebogenstudie“.243
239Die Definition von Kategorien, Ankerbeispiele und Codierregeln erleichtern die eindeutige Zuordnung von Texten zu Kategorien. Vgl. hierzu Mayring (2015), S. 97–99. 240Gewählt wurden folgende Ankerbeispiele: a) „Konzeption des Dienstleistungscontrollings“: Becker/Rech (2013); b) „Kosten-, Erlös- und Ergebnismanagement“: Reckenfelderbäumer (1995); c) „Performance Measurement“: Woratschek/Roth/Schafmeister (2006); d) „Anwendung des Dienstleistungscontrollings“: Siebold (2014); e) „Wertorientierte Steuerung“: Wall/Mödritscher (2012); f) „Dienstleistungsqualität“: Fließ/Lasshof/Willems (2006); g) „Portfolio & Entwicklung“: Huber/Bauer (2008); h) „Personalcontrolling“: Bienzeisler/Löffler (2006); i) „Preiscontrolling“: Jung Erceg (2003); j) „Dienstleistungsproduktion“: Klingelhöfer (2008); k) „Rolle des Dienstleistungscontrollers“: Sanche (2002). 241Vgl. Vgl. Früh (2017), S. 155–179, 189–191. 242Vgl. zu den Subkategorien nochmals Abbildung 3.14. 243Vgl. Stebel (2007).
112
3 Bestandsaufnahme der Literatur des Dienstleistungscontrollings
Der Verfasser codierte die Texte selber. Außer dem Verfasser wurden keine weiteren Personen als Codierer eingesetzt. Eine Excel-Tabelle, aus der die Codierung der Texte hervorgeht, kann beim Verfasser angefordert werden.
3.3.3 Deskriptive Datenauswertung Die Festlegung ganzer Texte als Codiereinheit begrenzt das Skalenniveau der Datenauswertung auf eine Nominalskala.244 Wie weitläufig bei Literaturanalysen üblich245, wurden die Daten in Excel mit Verfahren der deskriptiven Statistik ausgewertet.246 Für jede Unterkategorie wurde berechnet, wie häufig Texte den Unterkategorien zugeordnet werden konnten.247 Die Häufigkeitsverteilung zweier Kategorien, wie z. B. Erscheinungsjahr und Literaturtyp oder Themenfelder und Theorien, wurden mit Kreuztabellen im Excel (Pivottabellen) berechnet und im Ergebnisteil dargestellt.248
3.3.4 Zur Güte der Literaturanalyse Im vierten und fünften Schritt der quantitativen Inhaltsanalyse nach Früh sind die Reliabilität und die Validität zu prüfen.249 Es handelt sich dabei um allgemeine Gütekriterien der klassischen Testtheorie.250 Zur Beurteilung der
244Vgl. 245Vgl.
Früh (2017), S. 156. z. B. Shields (1997); Binder/Schäffer (2005); Wagenhofer (2006); Süß/Altmann
(2015). 246Zur deskriptiven Statistik s. Bortz/Schuster (2010), S. 3–47; Bamberg/Baur/Krapp (2012), S. 3–68. 247Zur Berechnung der statistischen Kennzahlen der absoluten und relativen Häufigkeit vgl. Bamberg/Baur/Krapp (2012), S. 11–13, sowie Abschnitt 5.3.4.2. 248Zu Kreuztabellen vgl. Backhaus et al. (2016), S. 357–384. 249Vgl. Früh (2017), S. 179–189; ebenso Döring/Bortz (2016), S. 557–559. 250Vgl. Diekmann (2008), S. 247–261; Himme (2009); Töpfer (2012), S. 233–236. Weitere klassische Gütekriterien sind die Objektivität und die Repräsentativität. Objektivität lässt sich mit Mayring (2015), S. 124, unter der Reliabilität subsumieren. Da im vorliegenden Fall nicht von einer Stichprobe auf einer Grundgesamtheit geschlossen werden soll, kann das Kriterium der Repräsentativität entfallen. Vgl. Kromrey (2009), S. 375.
3.3 Untersuchungsdesign
113
Reliabilität und Validität von Inhaltsanalysen sind in der empirischen Sozialforschung spezielle Gütekriterien entwickelt worden.251 Die folgende Beurteilung der Güte der Literaturanalyse verwendet die inhaltsanalytischen Gütekriterien von Krippendorff.252 Damit wird zugleich Zühlke und Trapp gefolgt.253 In Abschnitt 3.3.4.1 wird die Reliabilität der Inhaltsanalyse beurteilt, in Abschnitt 3.3.4.2 die Validität. Bei der Beurteilung wird soweit möglich zwischen zwei Perspektiven getrennt: der Prüfung der Gütekriterien und den Maßnahmen zur Erreichung einer zuverlässigen und gültigen Messung.254
3.3.4.1 Reliabilität Reliabilität (Zuverlässigkeit) liegt vor, wenn eine Messung mit demselben Messinstrument mehrmals durchgeführt wird und dabei stets zum gleichen Messergebnis führt.255 Krippendorff differenziert nach der Art der Datengewinnung drei Typen der Reliabilität:256 • Die Stabilität (Stability) oder Intracoderreliabilität misst, inwieweit das Messinstrument bei wiederholter Anwendung durch einen Codierer zu denselben Ergebnissen führt. • Die Reproduzierbarkeit (Reproducibility) oder Intercoderreliabilität ist ein Maßstab für die Übereinstimmung der Ergebnisse, die mehrere Codierer erzielen, wenn sie dasselbe Messinstrument einsetzen. • Die Exaktheit (Accuracy) ist ein Maß für die Übereinstimmung der Messergebnisse mit etablierten Reliabilitätsstandards. Gemäß Krippendorff bauen die Reliabilitätstypen aufeinander auf. Das schwächste Qualitätskriterium ist die Intracoderreliabilität, das mittlere die
251Vgl.
Krippendorff (2004), S. 211–214, 313–318; Mayring (2015), S. 123–125, m.w.N. Krippendorff (2004), S. 214–217, 318–338. Gemäß Mayring (2015), S. 126, stammt das derzeit umfangreichste Konzept inhaltsanalytischer Gütekriterien von Krippendorff. 253Zühlke (2007), S. 149–158, und Trapp (2012), S. 113–117, beurteilen die Güte ihrer Inhaltsanalysen zur Verbreitung von Wissen zu Controllinginstrumenten und zur Konvergenz des Rechnungswesens anhand der Gütekriterien von Krippendorff. 254Vgl. Früh (2017), S. 18. 255Vgl. Schnell/Hill/Esser (2008), S. 154; Himme (2009), S. 485; sowie Abschnitt 5.3.2.4. 256Vgl. Krippendorff (2004), S. 214–216; Übersetzung der englischen Begriffe nach Zühlke (2007), S. 150–154. 252Vgl.
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3 Bestandsaufnahme der Literatur des Dienstleistungscontrollings
Intercoderreliabilität und das strengste die Exaktheit.257 Die Prüfung der Reliabilität der Literaturanalyse des Dienstleistungscontrollings orientiert sich an diesen drei Reliabilitätstypen. Gleichwohl liegt ihr Fokus auf der Prüfung der Stabilität. Außerdem werden die Maßnahmen dargelegt, die zur Erhöhung der Reliabilität ergriffen wurden. Dabei ist zu beachten, dass die Reliabilität der Literaturanalyse nicht alleine von der Reliabilität der Codierung abhängt, sondern genauso von der Reliabilität der Literatursuche und Literaturauswahl. Zu beurteilen sind folglich die Stabilität, Reproduzierbarkeit und Exaktheit der Datenerhebung und der Datenauswertung.258 In der Literatursuche konnten insgesamt 213 Quellen in Literaturdatenbanken gefunden werden.259 Eine erneute Literatursuche mit den identischen Suchbegriffen, Auswertezeiträumen und Literaturdatenbanken drei Monate nach der Erstrecherche ergab keinerlei Abweichungen. Die Literatursuche kann somit als stabil bezeichnet werden. Eine Überprüfung der Reproduzierbarkeit der Literatursuche durch einen weiteren Forscher wurde nicht durchgeführt. Dennoch muss die Reproduzierbarkeit der Literatursuche auch ohne Nachweis aufgrund der genauen Dokumentation der Suchbegriffe, der verwendeten Datenbanken und der recherchierten Quellentypen als hinreichend eingeschätzt werden. Diese Einschätzung gilt mit der Einschränkung, dass es sich um eine Momentaufnahme handelt, da Datenbankproduzenten fortlaufend neue Quellen ergänzen oder eliminieren.260 Da keine Standards für die Literatursuche in Datenbanken existieren, konnte das Kriterium der Exaktheit nicht nachgewiesen werden.261 Zühlke beurteilt die Literatursuche über Datenbankabfragen kritisch.262 Als Gründe führt er u. a. syntaktische und semantische Fehler, unzureichende
257Vgl. Krippendorff (2004), S. 215–216; ähnlich Früh (2007), S. 179; Döring/Bortz (2016), S. 558. 258Vgl. Trapp (2012), S. 113, der mit Verweis auf Srnka/Koeszgi (2007), S. 38, das Beurteilungskriterium der Reliabilität auf die Datenerhebung und Datenauswertung anwendet. 259Vgl. Abschnitt 3.3.2.1. 260Vgl. Clermont/Dyckhoff (2012), S. 344. 261Zühlke (2007), S. 153–154, und darauf aufbauend Trapp (2012), S. 113, stellen generell das Fehlen von Standardcodes in der Disziplin „Controlling“ fest, weshalb sie auf den Nachweis der Exaktheit verzichten und stattdessen nur die Stabilität und Reproduzierbarkeit prüfen. 262Zühlke (2007), S. S. 116–117, und aufbauend darauf Trapp (2012), S. 89–90, lehnen die datenbankgestützte Recherche ab und bevorzugen die manuelle Literatursuche und -auswahl in festgelegten Zeitschriften.
3.3 Untersuchungsdesign
115
eitschriftenabdeckung und Verzerrungen durch steigenden Datenbankumfang Z auf.263 Syntaktischen Fehlern, die durch unterschiedliche Schreibweisen und Wortendungen entstehen, wurde vorgebeugt, indem die Suchbegriffe sowohl mit und ohne Bindestrich (z. B. „Dienstleistungscontrolling“ bzw. „DienstleistungsControlling“), einzeln und zusammenhängend (z. B. „Dienstleistung“ UND „Controlling“ vs. „Dienstleistungscontrolling“) sowie im Singular und im Plural (z. B. „Dienstleistung“ und „Dienstleistungen“) in die Suchmasken der Datenbanken eingetragen wurden. Semantische Fehler, insbesondere dem Umstand, dass es für das Dienstleistungscontrolling verschiedene Wörter mit gleicher Bedeutung geben kann (Synonyme), wurden reduziert, indem verschiedene Suchbegriffe für das Dienstleistungscontrolling in deutscher und englischer Sprache verwendet wurden (z. B. im Deutschen: „Dienstleistungscontrolling“ und „Servicecontrolling“ sowie im Englischen: „Management Control“ AND „Service“ und „Management Accounting“ AND „Service“).264 Unzureichender Abdeckung von Monographien, Sammelbänden, Zeitschriften und Dissertationen/ Habilitationen wurde durch die Kombination von sechs Literaturdatenbanken entgegnet.265 Verzerrungen aufgrund des steigenden Datenbankwachstums können nicht ausgeschlossen werden, weil die Anbieter der verwendeten Datenbanken nicht anzeigen, ab welchem Erscheinungsjahr sie die Monographien, Sammelbände, Zeitschriften, Dissertationen und Habilitationen erstmals elektronisch erfasst haben.266 Wegen des langen Untersuchungszeitraums von 1987 bis 2017 sind die Ergebnisse zur Publikationstätigkeit entsprechend vorsichtig zu interpretieren.267
263Vgl. Zühlke (2007), S. 79–82, mit Verweis auf Merten (1995), S. 341–344; ähnlich Trapp (2012), S. 89–90; dagegen differenzierter mit Bezug auf betriebswirtschaftliche Zeitschriften Clermont/Dyckhoff (2012), S. 342–345. 264Vgl. Abschnitt 3.3.2.1. 265Zur Erhöhung der Abdeckungsrate durch Einbezug weiterer Datenbanken vgl. Clermont/ Dyckhoff (2012), S. 343–344. In der Recherche zum Dienstleistungscontrolling lieferten drei von sechs Datenbanken die meisten Treffer: ECONIS, WISO, Google Scholar. 266Vgl. zu diesem Problem Zühlke (2007), S. 81; Clermont/Dyckhoff (2012), S. 344–345. 267Vgl. Abschnitt 3.4.1.
116
3 Bestandsaufnahme der Literatur des Dienstleistungscontrollings
In der Literaturauswahl wurden die 213 Quellen dem institutionellen, funktionellen und leistungsbezogenen Dienstleistungscontrolling zugeordnet.268 Um die Stabilität der Zuordnung zu prüfen, ordnete der Verfasser drei Monate nach der Erstauswahl erneut die Beiträge den drei Arten des Dienstleistungscontrollings zu. Wiederum las der Verfasser für die Zuordnung den Titel, das Abstract und das Stichwortverzeichnis jeder Fundstelle und orientierte sich bei der Zuordnung an den Einschluss- und Ausschlusskriterien aus Abschnitt 3.3.2.2. Bei Unklarheiten wurde der gesamte Text selektiv gelesen. Bei der Zuordnung von Monographien, Aufsätzen in Sammelbänden, deutschsprachigen Zeitschriftenartikeln und Dissertationen waren keine Abweichungen gegenüber der Erstauswahl festzustellen.269 Abweichungen ergaben sich bei der Zuordnung englischsprachiger Zeitschriftenartikel: Die Aufsätze von Middaugh und King/ Clarkson wurden in der Erstauswahl dem institutionellen und in der Zweitauswahl dem leistungsbezogenen Dienstleistungscontrolling zugeordnet.270 Da beide Aufsätze auch branchenübergreifende Aspekte einbeziehen wurde der Zweitauswahl gefolgt. Mit einer Abweichung von 1 % kann somit der Literaturauswahl eine hinreichende Stabilität bescheinigt werden.271 Zur Stabilität der Literaturauswahl trug insbesondere die eindeutige Identifizierbarkeit auszuschließender Beiträge bei. Zahlreiche Beiträge stellten wörtlich im Titel den Bezug zum institutionellen und funktionellen Dienstleistungscontrolling her. Ähnlich verhielt es sich mit Beiträgen ohne Bezug zum Dienstleistungscontrolling. Sie waren meist am Titel erkennbar und entfielen zudem auf einige wenige gut abgrenzbare Themengebiete, wie z. B. Shared Services als Organisationsform oder Objekt des Controllings oder Controlling als interner Dienstleister. Zühlke und Trapp weisen die Reproduzierbarkeit der Literaturauswahl nach, indem sie ihre eigene Auswahl gegen die Auswahl von Vergleichsstudien
268Vgl. Abschnitt 3.3.2.2; zu den drei Arten des Dienstleistungscontrollings s. Abschnitt 2.3.2. 269Geprüft wurden nur die über die Datenbankrecherche gefundenen Beiträge. Nicht geprüft wurden manuell hinzugefügte Beiträge, nämlich 7 Aufsätze in Sammelbänden, 1 deutschsprachiger Zeitschriftenaufsatz und 16 Dissertationen. Siehe hierzu im Detail Abschnitt 3.3.2.2. 270Vgl. Middaugh (1988); King/Clarkson (2015); sowie Abbildung 3.12. 2712 Aufsätze bezogen auf 189 Beiträge (= 213 Beiträge abzüglich 24 manuell hinzugefügte).
3.3 Untersuchungsdesign
117
abgleichen.272 Der Abgleich ist möglich, weil Vergleichsstudien mit nahezu identischen Literatursuch- und Literaturauswahlkriterien vorliegen. Für das Dienstleistungscontrollings liegen diese nicht vor.273 Von den qualitativ-analytischen Literaturanalysen von Reckenfelderbäumer und Becker/Rech machen lediglich Becker/Rech Angaben zu den Kriterien der Literatursuche und -auswahl.274 Weder dokumentieren sie diese detailliert, noch sind sie exakt identisch mit den Kriterien der vorliegenden Studie, weshalb ein Nachweis der Reproduzierbarkeit über Vergleichsstudien wenig sinnvoll erscheint.275 Auf die Prüfung des Kriteriums der Reproduzierbarkeit durch einen zweiten Forscher wurde ebenfalls verzichtet. Wiederum sollte sich aber die detaillierte Dokumentation der Literaturauswahlkriterien in Abschnitt 3.3.2.2 sowie der Einzelnachweis der ausgewerteten Quellen zum leistungsbezogenen Dienstleistungscontrolling positiv auf eine Wiederholung durch andere Forscher auswirken. Des Weiteren sind für die Literaturauswahl keine Standards bekannt, so dass das Kriterium der Exaktheit nicht geprüft werden konnte.276 Codiert wurden 114 Beiträge zum leistungsbezogenen Dienstleistungscontrolling.277 Analog der Überprüfung der Stabilität der Literatursuche und -auswahl wurden die 114 Beiträge vom Verfasser im Abstand von drei Monaten zweimal vollständig codiert (Test-Retest design278). Die Übereinstimmung zwischen Erst- und Zweitcodierung wurde im vAnschluss an Trapp mit einem auf
272Vgl. Zühlke (2007), S. 151–153, prüft seine englischsprachigen Zeitschriftenaufsätze zum Activity-Based Costing gegen die Auswahl von Bjørnenak/Mitchell (2002) und seine deutschsprachigen Zeitschriftenaufsätze zu Target Costing, Balanced Scorecard und Prozesskostenrechnung/Activity-Based Costing gegen die Auswahl von Binder/Schäffer (2005). Trapp (2012), S. 114, gleicht seine Artikelauswahl gegen diejenige von Schaier (2007) ab. 273Vgl nochmals Abschnitt 3.2 und Abschnitt 3.3.1.1. 274Vgl. nochmals Reckenfelderbäumer (2006), S. 39–46; Becker/Rech (2014), S. 68–70. 275Die Unsinnigkeit eines solchen Abgleichs drücken auch die Zahlen aus: Von dem Sample von N = 13 bei Becker/Rech (2014), S. 70, befanden sich vor manueller Anpassung 9 im eigenen Sample (Abdeckungsgrad: 69 %). Umkehrt bedeutet dies, dass Becker/Rech von den 114 Beiträgen abzüglich der 24 manuell ergänzten Beiträge 81 Beiträge (= 114 – 24 – 9) nicht erfasst haben (Abdeckungsgrad: 10 % = 9 / 90 × 100). Zwischen beiden Recherchen lagen ca. 4 Jahre. 276Vgl. Zühlke (2007), S. 153–154; Trapp (2012), S. 113. 277Vgl. Abschnitte 3.3.2.2 und 3.3.2.4. 278Zum Testdesign in Abhängigkeit vom Reliabilitätstyp vgl. Krippendorff (2004), S. 214–216.
118
3 Bestandsaufnahme der Literatur des Dienstleistungscontrollings
Holsti zurückgehenden Reliabilitätsmaß für die Intracoderreliabilität gemessen.279 Bei den Kategorie „thematische Schwerpunkte“ und „Forschungsmethoden“ betrugen die Reliabilitätskoeffizienten 0,97 bzw. 0,98. Die Abweichungen bei der Kategorie „thematische Schwerpunkte“ resultierten aus der unterschiedlichen Zuordnung von drei Beiträgen zwischen den Subkategorien „Konzeption des Dienstleistungscontrollings“ und „Anwendung des Dienstleistungscontrollings“.280 Bei der Kategorie „Forschungsmethoden“ wurden zwei Beiträge das erste Mal als „Erfahrungsbericht aus der Praxis“ und das zweite Mal als „sachlich-analytischer Aufsatz“ gruppiert.281 Vernachlässigt man die Quereffekte aus der unterschiedlichen Zuordnung der Kategorie „Forschungsmethoden“, ergaben sich keine Abweichungen bei den Kategorien „theoretische Fundierung“ und „empirische Fundierung“. Über alle Kategorien hinweg wird die Codierung somit als hinreichend stabil beurteilt. Wiederum wurde kein weiterer Forscher hinzugezogen, um das Kriterium der Reproduzierbarkeit zu prüfen. Hinfällig ist wegen fehlender Standards obendrein die Prüfung des Kriteriums der Exaktheit.282 Zur Erhöhung der Stabilität der Codierung wurde bereits bei der Bildung der Kategorien in Abschnitt 3.3.2.3 auf die Anforderungen der Vollständigkeit und Trennschärfe geachtet.283 Vollständigkeit der Analysedimension „thematische Schwerpunkte“ wurde hergestellt durch die theoretisch-deduktive Kategorienbildung aus den Problemfeldern des Dienstleistungscontrollings nach Becker/ Rech und der induktiven Überprüfung anhand des Datenmaterials. Bei den
279Vgl. Trapp (2012), S. 114–115, i.V.m. Holsti (1969), S. 140: RIntra = (Zahl der Codierdurchgänge) x (Zahl der übereinstimmenden Urteile) / (Zahl aller Codierurteile); ähnlich Mayring (2015), S. 127–128; zur Vorteilhaftigkeit des Reliabilitätsmaßes von Holsti gegenüber anderen Reliabilitätsmaßen s. Früh (2017), S. 185–187. 280Die Beiträge von Palloks-Kahlen/Kucynski (2000), Impuls Management Consulting (2005) und Möller/Schwab (2008) wurden in der Erstcodierung der Unterkategorie „Konzeption des Dienstleistungscontrollings“ zugeordnet und in der Zweitcodierung der Unterkategorie „Anwendung des Dienstleistungscontrollings“. Nach nochmaliger eingehender Prüfung wurde der Zweitcodierung gefolgt. 281Die Aufsätze von Huber/Bauer (2008) und Priller (2010) wurden in der Erstcodierung als „Erfahrungsbericht der Praxis“ klassifiziert und in der Zweitcodierung als „sachlich-analytischer“ Beitrag. Bei beiden Aufsätzen wurde nach sorgfältiger Prüfung der Zuordnung der Erstcodierung gefolgt. 282Vgl. Zühlke (2007), S. 153–154; Trapp (2012), S. 113. 283Zu den Anforderungen Vollständigkeit („Exhaustive“) und Trennschärfe („Mutually Exclusive“) vgl. Krippendorff (2004), S. 132; Früh (2017), S. 81.
3.3 Untersuchungsdesign
119
anderen Analysedimensionen wurden aus Vollständigkeitsgründen Skalen verwendet, die bereits bei anderen Literaturanalysen zum Einsatz kamen. Bei der Analysedimensionen „theoretische Fundierung“ wurden nach Sichtung des Datenmaterials weitere Unterkategorien aufgenommen, um die Trennschärfe von Beiträgen zu erhöhen, die mehr als eine Theorie verwenden.284 Vorteilhaft wirkte sich zudem die genaue Beschreibung der Subkategorien und die Festlegung von Ankerbeispielen aus, insbesondere bei den Unterkategorien der Kategorie „thematische Schwerpunkte“, weil hier inhaltliche Überschneidungen zwischen den Themenfeldern bestehen.285 Diese Vorteile sollten zukünftig anderen Forschern bei einer Reproduktion der Codierung ebenfalls zugutekommen. Die 114 Texte zum leistungsorientierten Dienstleistungscontrolling wurden im Anschluss an die Hauptcodierung deskriptiv ausgewertet.286 Zur Überprüfung der Stabilität wurde die Auswertung ebenfalls ein weiteres Mal nach drei Monaten vorgenommen. Erwartungsgemäß war keine Abweichung festzustellen, da die Auswertung numerisch das Ergebnis der Codierung repräsentiert, d. h. zwischen Codierung und Auswertung kein interpretationsbedürftiger Arbeitsschritt des Forschers erforderlich ist. Die Stabilität der Datenauswertung ist demgemäß als sehr hoch einzuschätzen. Das Kriterium der Reproduzierbarkeit und Exaktheit konnte ohne Zweitforscher und Standards nicht überprüft werden. Allerdings ist – identische Codierung vorausgesetzt – davon auszugehen, dass ein Zweitforscher in der Datenanalyse dieselben deskriptiven Ergebnisse ermittelt.287 Abschließend kann die Reliabilität der Literaturanalyse als hinreichend beurteilt werden. Da die subjektiven Spielräume bei der Literatursuche und Datenauswertung minimal sind, ist die Stabilität dort am höchsten. Mehr Spielraum bei der Zuordnung erlauben dem Forscher die Literaturauswahl und die Codierung, mit der Folge etwas geringerer Stabilität. Die Kriterien Reproduzierbarkeit und Exaktheit konnten ohne Zweitforscher und fehlender Standards nicht überprüft werden. Allerdings wurde mit der genauen Dokumentation der Verfahrensschritte die Basis für Nachvollziehbarkeit und Reproduzierbarkeit gelegt. 284Vgl. Abschnitt 3.3.2.3. 285Vgl. Abschnitt 3.3.2.4; z. B. behandeln Beiträge zur Konzeption des Dienstleistungscontrollings häufig auch Aspekte der Kosten-, Erlös- und des Ergebnismanagements; generell zur Vorteilhaftigkeit dieser Maßnahmen s. Mayring (2015), S. 97–99. 286Vgl. Abschnitt 3.3.3. 287Diese Aussage bezieht sich ausschließlich auf die Datenanalyse mit Excel. Die Interpretation der Ergebnisse der Datenauswertung kann abhängig vom Forscher sehr wohl variieren.
120
3 Bestandsaufnahme der Literatur des Dienstleistungscontrollings
3.3.4.2 Validität Validität (Gültigkeit) liegt vor, wenn das Messinstrument tatsächlich den Sachverhalt misst, den es messen soll.288 Gemäß der Forschungsfrage von Teil 3 und den Forschungszielen soll die Literaturanalyse den Forschungsstand des Dienstleistungscontrollings in der wissenschaftlichen Literatur messen und zwar entlang den Analysedimensionen Publikationstätigkeit, thematische Schwerpunkte, Forschungsmethoden, theoretische und empirische Fundierung.289 Folglich ist im Zuge der Validität zu prüfen, inwiefern die erhobenen Literaturdaten den Forschungsstand des Dienstleistungscontrollings tatsächlich ermitteln.290 Für die Prüfung wird analog zur Reliabilität im Anschluss an Zühlke und Trapp auf die inhaltsanalytischen Gütekriterien von Krippendorff zurückgegriffen.291 Krippendorff unterscheidet fünf Validitätskriterien.292 Das erste Kriterium ist die Stichprobenvalidität (sampling validity).293 Sie gibt an, zu welchem Grad die Stichprobe die Grundgesamtheit korrekt repräsentiert. In Gliederungspunkt 3.3.1.3 wurde darauf hingewiesen, dass die vorliegende Literaturstudie einer Vollerhebung nahe kommt. Mit Hilfe von Literaturdatenbanken wurde umfassend nach Monographien, Aufsätzen in Sammelbänden, deutsch- und englischsprachigen Zeitschriftenaufsätzen sowie Dissertationen und Habilitationen mit Bezug zum Dienstleistungscontrolling recherchiert. Insofern erfährt das Kriterium der Stichprobenvalidität keine Anwendung. Da kein Bias zwischen Stichprobenkonstruktion und Literaturgesamtheit auftreten kann, ist die Validität einer Literaturvollerhebung entsprechend höher zu beurteilen.294 Das zweite Kriterium ist die semantische Gültigkeit (semantic validity).295 Sie sagt aus, zu welchem Grad die Kategorien mit den Bedeutungsinhalten der Texte korrespondieren. Nach Mayring drückt die semantische G ültigkeit 288Vgl. Krippendorff (2004), S. 313: „A measuring instrument is considered valid if it measures what its user claims it measures.“; auch Schnell/Hill/Esser (2008), S. 154; sowie Abschnitt 5.3.2.4. 289Vgl. die Einleitung zu Teil 3 sowie die Forschungsziele und Analysedimensionen in Abschnitt 3.1. 290Vgl. allgemein Früh (2017), S. 187. 291Vgl. Krippendorff (2004), S. 318–338; Zühlke (2007), S. 154–157; Trapp (2012), S. 115–117. 292Vgl. Krippendorff (2004), S. 318–321; Übersetzung nach Mayring (2015), S. 126–127. 293Vgl. Krippendorff (2004), S. 319, 321–323. 294Vgl. Zühlke (2007), S. 155; Trapp (2012), S. 116. 295Vgl. Krippendorff (2004), S. 319, 323–330.
3.3 Untersuchungsdesign
121
die Angemessenheit des Kategoriendefinitionen aus.296 Um eine hohe Übereinstimmung der Bedeutungsinhalte der Texte des Dienstleistungscontrolling mit den Kategorien zu erzielen, wurden die Subkategorien der Kategorie „thematische Schwerpunkte“ theoretisch-deduktiv in Anlehnung an die Untersuchung von Becker/Rech aus den Problemfeldern des Dienstleistungscontrollings rekonstruiert und in der Probecodierung anhand des Datenmaterials induktiv überprüft und ergänzt.297 Die Subkategorien wurden ausführlich definiert und zudem mit Ankerbeispielen versehen. Die Probekodierung belegte zudem, dass die größtenteils aus anderen Literaturanalysen übernommenen Subkategorien der Kategorien „Forschungsmethoden“, „theoretische Fundierung“ und „empirischen Fundierung“ bis auf kleinere Anpassungen praktikabel waren, um die diesbezüglichen Angaben in den Texten vollständig und trennscharf erfassen zu können.298 Von semantischer Gültigkeit ist somit auszugehen. Das dritte Validitätskriterium ist die Konstruktvalidität (internal structure).299 Das Kriterium der Konstruktvalidität untersucht den „Zusammenhang des gemessenen Konstruktes mit anderen, bekannten Konstrukten.“300 Es ist u. a. erfüllt, wenn ähnliche Konstrukte bereits erfolgreich eingesetzt worden sind.301 Die Unterkategorien der Kategorien „Forschungsmethoden“, „theoretische Fundierung“, „empirische Fundierung“ wurden überwiegend aus Kategoriensystemen anderer Literaturanalysen der Controlling- und Accountingforschung übernommen.302 Die Unterkategorien der Kategorie „thematische Schwerpunkte“ lehnt sich eng an die Analyse der Problemfelder des Dienstleistungscontrollings von Becker/Rech an.303 Konstruktvalidität kann aufgrund der Verwendung etablierter Konstrukte für die Kategorienbildung unterstellt werden.
296Vgl.
Mayring (2015), S. 126. Abschnitt 3.3.2.3; Döring/Bortz (2016), S. 557 (im Original zum Teil hervorgehoben): „Bei der theoriebasiert-deduktiven und datenbasiert-induktiven Konstruktion des Kategoriensystems kommt es vor allem darauf an, die Validität des entwickelten Datenerhebungsinstruments zu sichern“. 298Vgl. Abschnitt 3.3.2.4. 299Vgl. Krippendorff (2004), S. 320, 330–332; die Konstruktvalidität umfasst die beiden Kriterien „structural validity“ und „functional validity“ bei Krippendorff. 300Früh (2017), S. 188. 301Vgl. Mayring (2015), S. 127. 302Vgl. Abschnitt 3.3.2.3. 303Vgl. Becker/Rech (2014), S. 142–164; Abschnitt 3.3.2.3. 297Vgl.
122
3 Bestandsaufnahme der Literatur des Dienstleistungscontrollings
Das vierte Validitätskriterium ist die korrelative Gültigkeit (correlative validity bzw. concurrent validity).304 Es liegt vor, wenn die inhaltsanalytischen Ergebnisse mit den Ergebnissen anderer Studien zum exakt selben Gegenstand korrespondieren.305 Die Ergebnisse der eigenen Studie stimmen mit der qualitativ-analytischen Literaturanalysen von Reckenfelderbäumer aus dem Jahr 2006 im Hinblick auf die Einschätzung der Basisinstrumente des Dienstleistungscontrollings überein, nicht jedoch in Bezug auf den Entwicklungsstand der konzeptionellen Basis des Dienstleistungscontrollings.306 Weiterhin sind die Ergebnisse zur konzeptionellen Basis, zu den Basisinstrumenten sowie der theoretischen und empirischen Fundierung des Dienstleistungscontrollings weitestgehend deckungsgleich mit den Ergebnissen der qualitativ-analytischen Literaturanalyse von Becker/Rech aus dem Jahr 2014.307 Die Übereinstimmungen mit den Ergebnissen anderer Literaturanalysen des Dienstleistungscontrollings, die mit alternativen Methoden – qualitativ statt quantitativ – gewonnen wurden, stützen die Annahme des Vorhandenseins korrelativer Gültigkeit. Das letzte Kriterium ist die Vorhersagegültigkeit (predictive validity).308 Es kommt zur Anwendung, wenn sich aus dem Material Prognosen ableiten lassen, die mit der späteren Entwicklung verglichen werden können.309 Ziel der Literaturanalyse ist es, den aktuellen Forschungsstand zum Gebiet des Dienstleistungscontrollings zu erheben. Hierzu wurde die Historie der wissenschaftlichen Literatur im zurückliegenden Zeitraum 1987 bis 2017 analysiert, d. h. der Forschungsstand wurde aus den Forschungsergebnissen der Vergangenheit extrahiert. Auf Basis der erhobenen Daten lassen sich weder Trendanalysen anstellen, noch UrsacheWirkungs-Zusammenhänge herstellen, die eine sinnvolle Prognose der zukünftigen Entwicklung des Forschungsgebietes Dienstleistungscontrolling zuließen. Insofern ist das Kriterium der Vorhersagegültigkeit nicht anwendbar.310
304Vgl.
Krippendorff (2004), S. 320–321, 333–336; auch Mayring (2015), S. 126. Krippendorff (2004), S. 320–321; Früh (2017), S. 188, spricht von Konkurrenzvalidität. 306Vgl. Abschnitt 3.5; im Detail Reckenfelderbäumer (2006), S. 39–46. Die unterschiedliche Einschätzung der konzeptionellen Basis liegt an den verschiedenen Erhebungszeiträumen beider Studien. Zwischen 2006 und 2017 hat sich die konzeptionelle Basis des Dienstleistungscontrollings weiterentwickelt. 307Vgl. Abschnitt 3.5; im Detail Becker/Rech (2014), S. 68–133. 308Vgl. Krippendorff (2004), S. 321, 336–338. 309Vgl. Mayring (2015), S. 127. 310Gleich argumentiert Trapp (2012), S. 117. 305Vgl.
3.4 Forschungsergebnisse
123
Zusammengenommen fällt die Prüfung der semantischen Gültigkeit, der Konstruktvalidität und der korrelativen Gültigkeit positiv aus, so dass von einer hinreichenden Validität der Literaturanalyse zum Dienstleistungscontrolling auszugehen ist. Für die Stichprobenvalidität und die Vorhersagevalidität lagen die Anwendungsvoraussetzungen nicht vor, weshalb sie nicht überprüft werden konnten.
3.4 Forschungsergebnisse In Abschnitt 3.4 werden die Ergebnisse der Literaturanalyse vorgestellt. Präsentiert werden die Ergebnisse in der Reihenfolge der Analyseschwerpunkte: Publikationstätigkeit, thematische Schwerpunkte, Forschungsmethoden, theoretische und empirische Fundierung. Zur Beantwortung der 11 explorativen Forschungsfragen aus Abschnitt 3.1 wurden die Literaturdaten deskriptiv ausgewertet, analysiert und interpretiert.
3.4.1 Publikationstätigkeit Frage 1: Wie haben sich die Literaturquellen über die Zeit entwickelt? Abbildung 3.15 gibt die Entwicklung der Anzahl an Beiträgen zum Dienstleistungscontrolling nach Quellentyp im Zeitraum 1988 bis 2017 wieder. Insgesamt registriert die Studie 114 Beiträge zum leistungsbezogenen Dienstleistungscontrolling. Pro Jahr wurden durchschnittlich 3,8 Artikel veröffentlicht. 56 % der Beiträge entfallen auf Sammelbände, 22 % auf Zeitschriften, 16 % auf Dissertationen und 6 % auf Monographien. Mit 45 % aller Artikel und 10,2 Artikeln pro Jahr erreichte die Publikationstätigkeit in der Zeitspanne 2003 bis 2007 ihren Höhepunkt. Danach verläuft sie rückläufig. Mit jährlich 3,0 Artikeln liegt sie in den zurückliegenden fünf Jahren in etwa auf dem Niveau der Jahre 1998 bis 2002.
124
3 Bestandsaufnahme der Literatur des Dienstleistungscontrollings Erscheinungsjahr
Literaturtyp
1988-1992
1993-1997 1998-2002
2003-2007 2008-2012 2013-2017
Gesamt
in %
Aufsatz in Sammelband
1
1
6
41
11
4
64
56%
Zeitschriftenartikel
3
3
2
1
8
8
25
22%
Dissertationen
2
3
2
1
18
16%
2
7
5
5
1
4
7
14
51
21
15
114
Monographie Gesamt
6
in % Artikel pro Jahr
5%
6%
12%
45%
18%
13%
100%
1,2
1,4
2,8
10,2
4,2
3,0
3,8
6% 100%
Abbildung 3.15 Entwicklung der Anzahl an Beiträgen in verschiedenen Literaturtypen von 1988 bis 2017. (Quelle: Eigene Erhebung.)
Frage 2: Welche Arten von Literaturquellen beeinflussen die Entwicklung? Aufsätzen in Sammelbänden kommt mit einem Anteil von 56 % eine hohe Bedeutung zu. Entscheidenden Anteil an dieser Entwicklung hatten die Sammelbände von Kinkel/Jung Erceg/Lay, Bruhn/Stauss und Gleich/Klein.311 Alleine aus diesen drei Werken stammen 34 der 64 Aufsätze.312 In Folge ihres Erscheinens stiegen die Publikationen in Sammelbänden auf 41 in 2003 bis 2007 kurzzeitig an, um anschließend in den Zeiträumen 2008 bis 2012 und 2013 bis 2017 mit 11 bzw. 4 Aufsätzen wieder auf das Niveau des Zeitraums 1998 bis 2002 zurückzufallen. Da seit dem Jahr 2010 keine neuen Sammelwerke zum Dienstleistungscontrolling erschienen sind, ist die Bedeutung von Sammelwerken rückläufig. Der Anteil von Fachzeitschriften ist mit 22 % am gesamten Publikationsvolumen erheblich geringer als der von Sammelwerken. Insgesamt konnten 25 Zeitschriftenartikel nachgewiesen werden, 15 davon in deutschsprachigen, 10 in internationalen Zeitschriften. Betrachtet man die Publikationsorgane näher, fällt auf, dass im deutschen Sprachraum die Zeitschrift Controlling eine Vorreiterstellung einnimmt.313
311Vgl. Kinkel/Jung Erceg/Lay (Hrsg., 2003); Bruhn/Stauss (Hrsg., 2006); Gleich/Klein (Hrsg., 2010). 312Vgl. Abschnitt 3.3.2.2, Abbildung 3.10. 313Neben Einzelbeiträgen veröffentlichte die Zeitschrift Controlling zwei Schwerpunkthefte „Dienstleistungscontrolling“ (vgl. Controlling, 20. Jg (2008), Nr. 8/9; 25. Jg. (2013), Nr. 10) sowie ein Schwerpunktheft „Service Performance Measurement“ (vgl. Controlling, 23. Jg. (2011), Nr. 10).
3.4 Forschungsergebnisse
125
11 von 15 Zeitschriftenaufsätze sind in diesem Organ erschienen, 3 in der Z eitschrift ZfCM/Controlling & Management Review314 und einer in der Zeitschrift IO Management. Gleichzeitig bedeutet dies, dass Autoren deutschsprachige Aufsätze in erster Linie in praxisnahen Controllingzeitschriften315 publizieren. In internationalen Zeitschriften lässt sich keine spezielle Publikationsquelle als Schrittmacher ausmachen, vergleichbar der Zeitschrift Controlling im deutschsprachigen Raum. Zudem streuen die Publikationsorgane breiter: Aufsätze zum Dienstleistungscontrolling findet man in Journals zum Dienstleistungsmanagement, zur Produktionswirtschaft und zum Rechnungswesen.316 16 der 25 Zeitschriftenartikel sind in den letzten zehn Jahren publiziert worden, was auf eine Bedeutungszunahme hindeutet. Im Vergleich zur Anzahl der Aufsätze in Sammelwerken und Zeitschriften ist die Anzahl der Dissertationen und Monographien geringer. 16 % der Publikationen entfallen auf Dissertationen, 6 % auf Monographien. Die meisten Dissertationen wurden in den Jahren 1998 bis 2002 und 2003 bis 2007 veröffentlicht. In der zurückliegenden Dekade sind sie rückläufig. Bei den Monographien von Becker/Rech und Siebold handelt es sich um die ersten Neuerscheinungen auf dem Gebiet des Dienstleistungscontrollings seit gut zehn Jahren.317 Zusammenfassung der Ergebnisse zur Publikationstätigkeit Damit lässt sich zur Publikationstätigkeit resümieren: • Der in den Jahren 2003 bis 2007 primär durch Sammelwerke ausgelöste Impuls an Publikationen des Dienstleistungscontrollings schwächt sich inzwischen wieder ab. In den zurückliegenden fünf Jahren sind die Publikationen auf das Niveau von 1998 bis 2002 gesunken.
314Im
Jahr 2002 widmete die Zeitschrift Kostenrechnungspraxis (heute: Controlling & Management Review) unter der Herausgeberschaft von Jürgen Weber ein Sonderheft dem Thema Dienstleistungscontrolling. Vgl. Weber (Hrsg., 2002). Aufsätze aus dem Sonderheft, werden in der Studie als Aufsätze in Sammelwerken geführt und nicht als Zeitschriftenaufsätze. 315Die Zeitschriften Controlling und Controlling & Management Review (früher: Zeitschrift für Controlling und Management (ZfCM)/Kostenrechnungspraxis (krp)) zählen wegen ihres Anwendungsbezugs zu den praxisnahen Zeitschriften. Vgl. Binder/Schäffer (2005), S. 605. 316Von den internationalen Aufsätzen sind 5 in B-Journals, 4 in C-Journals und einer in einem A-Journal erschienen, während die deutschsprachigen Controllingzeitschriften mit „D“ geratet werden. Vgl. Abschnitt 3.3.2.2. 317Vgl. Becker/Rech (2014); Siebold (2014).
126
3 Bestandsaufnahme der Literatur des Dienstleistungscontrollings
• Trieben bis dato Sammelwerke die Entwicklung, scheinen diese Rolle zunehmend Zeitschriftenaufsätze zu übernehmen. • Abgesehen von der rückläufigen Tendenz lässt sich der in bisherigen Literaturanalysen bereits festgestellte Trend beobachten, wonach vermehrt Artikel in den letzten Jahren erschienen sind, welche die gemeinsamen konzeptionellen Grundlagen des Dienstleistungscontrollings betrachten.318 • Dessen ungeachtet lässt die geringe Anzahl an Beiträgen zum Dienstleistungscontrolling in Relation zu anderen Gebieten der Dienstleistungsforschung keine andere Conclusio zu, als die von Benkenstein et al.: „Service […] controlling is a rather small research area“.319 Das gilt umso nachdrücklicher für das leistungsbezogene Dienstleistungscontrolling.
3.4.2 Thematische Schwerpunkte Frage 3: Welche Themen stehen im Mittelpunkt der Betrachtung? Die Abbildung 3.16 zeigt die Häufigkeitsverteilung der 114 Beiträge nach zwölf Themengebieten und den Literaturtypen. Das den Themengebieten zugrundeliegende Kategoriensystem wurde aus den Problemfeldern des Dienstleistungscontrollings deduziert und mit Teilen des Aufsatzmaterials verglichen.320 Die Abbildung verdeutlich eine unterschiedlich intensive Auseinandersetzung mit Themenfeldern des Dienstleistungscontrollings. 27 % der Beiträge befassen sich mit der Konzeption des Dienstleistungscontrollings, 25 % mit dem Kosten-, Erlös- und Ergebnismanagement, 11 % mit dem Performance Measurement und 10 % mit der Anwendung des Dienstleistungscontrollings. Damit akkumulieren sich 73 % der Beiträge in diesen vier Themenfeldern. Abhandlungen zur Konzeption des Dienstleistungscontrollings bilden den größten Anteil der Aufsätze in Sammelbänden und Zeitschriften, während sich 14 von insgesamt 18 Dissertationen dem Kosten-, Erlös- und Ergebnismanagement widmen und 4 von 7 Monographien321 der Anwendung des Dienstleistungscontrollings.
31876 % der Beiträge des leistungsbezogenen Dienstleistungscontrollings sind in den letzten 15 Jahren erschienen. Vgl. Abbildung 3.15. 319Benkenstein et al. (2017), S. 6 (Hervorhebung des Verfassers). 320Vgl. Abschnitt 3.3.2.3. 321Vgl. Witt (2003); Nagl (2004); Impuls Management Consulting (2005); Siebold (2014).
1 2 25 22%
2 64 56%
4
4
18 16%
1
1
7 6%
1
4
11 7 6 5 3 3 2 1 4 114 100%
31 28 13
Gesamt
Abbildung 3.16 Häufigkeitsverteilung der Beiträge nach Themen und Literaturtypen. (Quelle: Eigene Erhebung.)
Anwendung des Dienstleistungscontrollings Wertorientierte Steuerung Dienstleistungsqualität Portfolio & Entwicklung Personalcontrolling Preiscontrolling Dienstleistungsproduktion Rolle des Dienstleistungscontrollers Sonstiges Gesamt in %
3 7 5 1 2 3 1
Literaturtypen Aufsatz in ZeitschriftenDissertationen Monographien Sammelband artikel Konzeption des Dienstleistungscontrollings 20 8 1 2 Kosten-, Erlös- und Ergebnismanagement 10 4 14 Performance Measurement 10 2 1
Themengebiete
10% 6% 5% 4% 3% 3% 2% 1% 4% 100%
27% 25% 11%
in %
3.4 Forschungsergebnisse 127
128
3 Bestandsaufnahme der Literatur des Dienstleistungscontrollings
In den Beiträgen zur Konzeption des Dienstleistungscontrollings zeigen sich Unterschiede zwischen internationalen und nationalen Beiträgen. Internationale Aufsätze untersuchen hauptsächlich den Einfluss von Kontextfaktoren auf das Controlling, meist basierend auf dem situativen Ansatz. So evaluieren Bruggeman/Bartholomeeusen/Heene die Wirkung des Controllings auf die Dienstleistungsqualität und den Fit von Dienstleistungsstrategie und Controllingsystem.322 Lowry und Modell untersuchen die Auswirkung von Dienstleistungseigenschaften auf die Wirksamkeit industriell geprägter Controllingsysteme.323 Aas vergleicht Controllingsysteme für Service- und Produktinnovationen.324 King/Clarkson prüfen den Einfluss der Eigentümerverhältnisse, Auzair den des Dienstleistungsprozesses, der Geschäftsstrategie, der Umfeldbedingungen und des Reifegrades der Organisation.325 Im Vergleich zu den internationalen Beiträgen sind die deutschsprachigen Beiträge konzeptionell fundierter. Dominiert werden sie von generischen Controllingkonzeptionen.326 Vertreter bestimmter „Controllingschulen“ übertragen ihre allgemeine Sichtweise des Controllings auf das Controlling von Dienstleistungen.327 Wiederum andere Autoren greifen auf die Überlegungen dieser Vertreter für ihre eigenen konzeptionellen Gedanken zurück.328 Des Weiteren findet man Beiträge, die einen mehr oder weniger vollständigen Überblick über den Stand des Dienstleistungscontrollings in der Forschung und Praxis bieten.329 Der Anteil der Beiträge zum „Kosten-, Erlös- und Ergebnismanagements“ ist mit 25 % ähnlich hoch wie der zur „Konzeption des
322Vgl.
Bruggeman/Bartholomeeusen/Heene (1988). Lowry (1990); Modell (1996). 324Vgl. Aas (2011). 325Vgl. King/Clarkson (2015); Auzair (2015). 326Vgl. zum gleichen Ergebnis kommend Becker/Rech (2014), S. 135–138. 327Vgl. zum entscheidungsorientierten Ansatz: Friedl (1998); koordinationsorientierten Ansatz: Küpper (1998); rationalitätsorientierten Ansatz: Weber/Schäffer (2001); Schäffer/ Weber (2002); kognitionsorientierten Ansatz: Lingnau/Gerling (2006); wertschöpfungsorientierten Ansatz: Becker/Rech (2013). 328Vgl. zum koordinationsorientierten Ansatz: Fischer (2000); Gleich/Petschnig/Schmidt (2010); Schuh/Gundergan/Trebels (2016); rationalitätsorientierten Ansatz: Borrmann (2003); Bruhn (2008); Steven/Grandjean (2017); reflexionsorientierten Ansatz: Corsten/ Gössinger (2004); kognitionsorientierten Ansatz: Gerling/Jonen (2006). 329Vgl. Kinkel (2003a); Bruhn/Stauss (2006); Reckenfelderbäumer (2006); Gleich/ Petschnig/Schmidt (2010); Becker/Rech (2013). 323Vgl.
3.4 Forschungsergebnisse
129
Dienstleistungscontrollings“.330 Zusammen machen sie 52 % der Stichprobe aus. Die Entwicklung des Themengebietes beginnt mit den Arbeiten von Vikas331 zur Grenzplankostenrechnung und Bertsch332 zur relativen Einzelkosten- und Deckungsbeitragsrechnung. In den 1990er Jahren rückt die Prozesskostenrechnung ins Visier der Untersuchungen. Maßgeblichen Einfluss auf die Entwicklung hat die Dissertation von Reckenfelderbäumer.333 Seine Ausführungen zu den Konsequenzen der Immaterialität und Integrativität für herkömmliche Kostenrechnungsverfahren, zur Berücksichtigung des externen Faktors als Kosteneinflussgröße in der Prozesskostenrechnung und zur Kombination der Prozesskostenrechnung mit dem Target Costing sind wegweisend für weiterer Arbeiten.334 Insbesondere bildet die Prozesskostenrechnung335 in Verbindung mit dem Target Costing bis heute einen festen Analyseschwerpunkt von Dissertationen336 und Beiträgen337 in Sammelbänden und Zeitschriften. Nur vereinzelt trifft man auf Beiträge zur Kalkulation338, Erlösrechnung339, Ergebnisrechnung340 und zur Lebenszykluskostenrechnung (Life Cycle Costing)341. 330Der Anteil wäre vermutlich höher ausgefallen, wenn die Liste der Suchbegriffe in Abschnitt 3.3.2.1 Bezeichnungen zur Kostenrechnung in Dienstleistungsbereichen enthalten hätte, wie z. B. Dienstleistungskostenrechnung. Zum Stand der Dienstleistungskostenrechnung s. Küpper (1988b); Männel (Hrsg., 1992), S. 1041–1193; Gerling et al. (2004); Schweitzer/Küpper (2011), S. 760–792; Friedl/Hofmann/Pedell (2017), S. 20–21. 331Vgl. Vikas (1988a); ders. (1988b). 332Vgl. Bertsch (1991). 333Vgl. Reckenfelderbäumer (1995). 334Außerdem kombiniert Reckenfelderbäumer die Prozesskostenrechnung mit der Prozesswertanalyse, dem Blueprinting, dem Benchmarking, der Portfolio-Technik, der relativen Einzel- und Deckungsbeitragsrechnung sowie der Transaktionskostenrechnung. Vgl. Reckenfelderbäumer (1995). 335Inklusive ihrer Derivate, wie Activity-Based Costing und Time-Driven ActivityBased Costing. 336Vgl. Niemand (1996); Schwaikart (1997); Paul (1998); Salman (2004); Cassack (2006); Wasmuth (2009); Baum (2013). 337Vgl. Kullvén/Mattsson (1994); Roth (2003); Lay (2003); Büttgen (2006); Kleinaltenkamp/ Schwaikart (2006). 338Vgl. Petrich/Hachenberger (2003); Bürkert (2005). 339Vgl. Pelster/Herold (2017) zu IFRS 15. 340Vgl. Krämer (2008); Priller (2010); Forschner/Burgsmüller (2015). 341Vgl. Seinschedt/Rainfurth/Lay (2003).
130
3 Bestandsaufnahme der Literatur des Dienstleistungscontrollings
13 Publikationen (11 %) betreffen das „Performance Measurement“ von Dienstleistungen. Überwiegend beschäftigen sie sich mit Kennzahlen und Kennzahlensystemen. Dabei lassen sich zwei Ansätze unterscheiden. Ein Teil der Autoren verwendet die Balanced Scorecard und passt sie auf den jeweiligen Einsatzzweck an.342 Ein anderer Teil entwirft selektive Kennzahlensysteme, die sich – ähnlich der BSC – aus finanziellen und nichtfinanziellen Kennzahlen zusammensetzen.343 Außer Woratschek/Roth/Schafmeister geht kein Beitrag tiefer auf die U rsache-Wirkungs-Beziehungen zwischen den Kennzahlen ein.344 Insbesondere die praxisorientierten Beiträge vernachlässigen diesen Aspekt nahezu vollständig. Die Auswahl von Performancekennzahlen für Dienstleistungsinnovationen vertiefen Gnatzy und Lindholm/Laine/Suomala.345 Biermann geht den Problemen bei der Implementierung kennzahlengestützter Steuerungssysteme in Dienstleistungsunternehmen nach.346 Welche Chancen sich dem Dienstleistungscontrolling durch die erhöhte Datenverfügbarkeit im Rahmen der Digitalisierung bieten, ist Thema des Aufsatzes von Seiter/Rosentritt/ Stoffel.347 11 Publikationen (10 %) beschäftigen sich mit der „Anwendung des Dienstleistungscontrollings“. Die Besonderheit dieser Beiträge liegt darin, dass sie nicht bloß einzelne Teilaspekte herausgreifen, sondern die Anwendung mehrere Elemente des Dienstleistungscontrollings im Anwendungszusammenhang erläutern. Stellvertretend seien hier zwei Beiträge erwähnt. P alloks-Kahlen/ Kuczynski machen Vorschläge zur Kostenerfassung von Serviceleistungen in Abhängigkeit vom Komplexitätsgrad, zur Kalkulation komplexer Serviceleistungen mit der Prozesskostenrechnung, zur Nutzung des Target Costings zur kundengerechten Preiskalkulation und zur Ermittlung von Nutzenwirkungen von Serviceleistungen.348 Während P alloks-Kahlen/Kuczynski mehr auf operative Aufgaben eingehen, konzentrieren sich Möller/Schwab verstärkt auf strategische
342Vgl. Arlit/Geisler/Jung
Erceg (2003), Kinkel (2003b) und Herrmann/Langhoff (2003). Reinecke/Geis (2006); Bohnert (2010); Kunau et al. (2011); Sehnert (2011); Geissbauer et al. (2012). 344Woratschek/Roth/Schafmeister (2006) analysieren die Eignung der BSC bei verschiedenen Wertschöpfungskonfigurationen wie Wertkette, Wertshop und Wertnetz. 345Vgl. Gnatzy (2010); Lindholm/Laine/Suomala (2017). 346Vgl. Biermann (2006). 347Vgl. Seiter/Rosentritt/Stoffel (2016). 348Vgl. Palloks-Kahlen/Kuczynski (2000). 343Vgl.
3.4 Forschungsergebnisse
131
Aufgaben des Controllings produktbegleitender Dienstleistungen. Anhand eines Unternehmens des Anlagen- und Maschinenbaus beschreiben sie die Aufgaben und Instrumente des Controllings im Rahmen der Strukturierung des Entwicklungsprozesses, der Strukturierung und Selektion der Dienstleistungen, des Kostenmanagements, des Preismanagements und der Organisationsgestaltung.349 Währenddessen die wertorientierte Unternehmensführung in der Controllingliteratur umfangreich diskutiert wurde, stellt sie in der Literatur des Dienstleistungscontrollings mit gerade mal 7 Beiträgen (6 %) ein Randgebiet dar, das nicht nur im Umfang, sondern ebenso zeitlich der allgemeinen Diskussion hinterherhinkt.350 Einen ersten merklichen Impuls erhält die „Wertorientierte Steuerung“ im Dienstleistungscontrolling wiederum durch vier Beiträge des Sammelbandes von Bruhn/Stauss.351 Fast alle Beiträge nehmen die Perspektive des Anbieters ein, gehen also der Frage nach, welchen Wert der Kunde für den Anbieter hat.352 Lediglich der Beitrag von Wall/Schröder zum Customer Perceived Value Accounting schlägt die Brücke zur Nachfragerseite.353 Vorschläge zur Verknüpfung der Anbieter- und Nachfragerperspektive findet man keine.354 Wall/Mödritscher setzen den vorläufigen Schlusspunkt zur wertorientierten Steuerung von Dienstleistungen. Sie empfehlen, für die mehrperiodige Steuerung den Customer Lifetime Value (CLV) und für die periodische Steuerung den Residualgewinn.355 Ein weiteres Thema, das die Literatur des Dienstleistungscontrollings mit 6 Beiträgen (5 %) vergleichsweise wenig beachtet, ist das Controlling der „Dienstleistungsqualität“. Wiederum ist es das Sammelwerk von Bruhn/Stauss, das die Diskussion spürbar entfacht.356 Die Mehrzahl der Beiträge haben Instrumente des Qualitätscontrollings zum Gegenstand, wie Beschwerdemanagement357, Service
349Vgl.
Möller/Schwab (2008). auch Becker/Rech (2014), S. 162–164. 351Vgl. Bruhn/Hadwich/Georgi (2006); Lister (2006); Wall/Schröder (2006); Weber/ Lissautzki (2006). 352Der Kundenwert kann grundsätzlich aus Anbieter- oder Nachfragerperspektive betrachtet werden. Vgl. Kress (2017), S. 65. 353Vgl. Wall/Schröder (2006). 354Zur Verknüpfung von CLV und CPV s. Becker/Rech (2014), S. 132–133, 245–247. 355Vgl. Wall/Mödritscher (2012). 356Vgl. Benkenstein/Stenglin (2006a); Fließ/Lasshof/Willems (2006); Lingenfelder/ Schmidt/Wieseke (2006); Stauss/Seidel (2006); 357Vgl. Nedeß/Friedewald/Jacob (1998); Stauss/Seidel (2006). 350Vgl.
132
3 Bestandsaufnahme der Literatur des Dienstleistungscontrollings
Level Agreements358 und Mystery Shopping359. Ansonsten liegt der Fokus auf der Prozessqualität: Fließ/Lasshof/Willems beleuchten die Verwendung von Qualitätsstandards im Dienstleistungsprozess.360 Benkenstein/Steglin schlagen ein prozessorientiertes Qualitätscontrolling für Dienstleistungen vor.361 Das Themengebiet „Portfolio & Entwicklung“ ist mit 5 Beiträgen (4 %) gleichfalls schwach vertreten, dafür aber umso aktueller. Der älteste der Beiträge ist im Zuge der Entwicklungen rund um das Service Engineering entstanden. Darin beschreiben Herrmann/Klein das Vorgehen des Controllings im Dienstleistungsentwicklungsprozess.362 Neuere Ansätze lösen sich von der ausschließlichen Betrachtung der Entwicklung reiner Dienstleistungen. Stattdessen richtet sich das Augenmerk auf die integrierte Entwicklung, Lieferung und Vermarktung von Sach- und Dienstleistungen in Form hybrider Leistungsbündel bzw. von Produkt-Service-Systemen.363 Gemessen an der Bedeutung des Personals im Dienstleistungsprozess überrascht die geringe Anzahl von drei Beiträgen (3 %) zum Themengebiet „Personalcontrolling“. Gerade mal zwei Aufsätze in Sammelwerken und eine Dissertation umfasst die Stichprobe.364 Bienzeisler/Löffler entwickeln im Spannungsfeld von Produktivität und Qualität ein Rahmenkonzept für das Management der Interaktionskompetenzen von Mitarbeitern.365 Krey/Nerdinger stellen mit dem partizipativen Produktivitätsmanagement eine Methode zur Messung der Performance von Mitarbeitern in Dienstleistungsbereichen vor, welche die Mitarbeiter in den Prozess der Leistungsmessung aktiv einbezieht.366 Stebel beschäftigt sich in seiner Dissertation ausführlich mit der Verhaltenssteuerungsfunktion des Dienstleistungscontrollings. Er untersucht die Auswirkungen der Messprobleme bei Dienstleistungen auf die optimale Gestaltung von Anreizverträgen.367
358Vgl.
Walther (2006). Lingenfelder/Schmidt/Wieseke (2006). 360Vgl. Fließ/Lasshof/Willems (2006). 361Vgl. Benkenstein/Steglin (2006a). 362Vgl. Herrmann/Klein (2004). 363Vgl. Huber/Bauer (2008); Steven/Wasmuth (2009); Müller/Braun/Kamprath (2011); Schäperkötter/Grefrath (2013). 364Vgl. Bienzeisler/Löffler (2006); Krey/Nerdinger (2006); Stebel (2007). 365Vgl. Bienzeisler/Löffler (2006). 366Vgl. Krey/Nerdinger (2006). 367Vgl. Stebel (2007); s. auch Homburg/Stebel (2008). 359Vgl.
3.4 Forschungsergebnisse
133
Analog dem Personalcontrolling lassen sich in der Literaturstichprobe drei Aufsätze (3 %) dem Themengebiet „Preiscontrolling“ zuordnen. Jahnke widmen sich exemplarisch der Bestimmung der Preisuntergrenze von Full-Service-Verträgen.368 Jung Erceg präsentiert einen umfassenden Bezugsrahmen für die Preisgestaltung produktbegleitender Dienstleistungen. Darin geht sie auf die strategische Einordnung produktbegleitender Dienstleistungen im Unternehmen (Kostendeckung, Gewinnerzielung), unternehmensinterne und -externe Orientierungsgrößen der Preisbildung, Preisbündelung, Preisdifferenzierung und flankierende Maßnahmen zur Preisdurchsetzung ein.369 Steiner/Beckemeier/Meyrahn schildern den Einsatz der Conjoint-Analyse zur Ermittlung der Zahlungsbereitschaft potenzieller Kunden produktbegleitender Dienstleistungen anhand eines Erfahrungsberichtes aus der Praxis.370 Zwei Aufsätze vertiefen das Thema „Dienstleistungsproduktion“ (2 %). Zilahi-Szabó beschreibt das Zusammenspiel von Controlling, Auftragsabwicklung und -verwaltung.371 Klingelhöfer untersucht formal-analytisch operative Entscheidungen zur Produktionsprogrammplanung und strategische Entscheidungen zur Ausweitung des Dienstleistungsangebotes.372 Zur „Rolle des Dienstleistungscontrollings“ findet sich lediglich die Dissertation von Sanche. Sanche entwickelt in ihrer Dissertation einen konzeptionellen Bezugsrahmen für das Management industrieller Dienstleistungen, den sie durch explorative Fallstudien untermauert. Der Bezugsrahmen umfasst ein Konzept für das Controlling industrieller Dienstleistungen. Darin geht sie hauptsächlich auf die organisatorische Ausgestaltung des Servicecontrollings in Abhängigkeit von der Unternehmensgröße ein. Ferner analysiert sie Controllinginstrumente.373 Die Kategorie „Sonstiges“ enthält Beiträge, die sich nicht eindeutig den anderen Kategorien zuordnen lassen. Darunter befinden sich Beiträge zum Controlling des Offshoring374 von Dienstleistungen, zum Umbau des After Sales
368Vgl.
Jahnke (2003); Jung Erceg (2003). 370Vgl. Steiner/Beckemeier/Meyrahn (2003). 371Vgl. Zilahi-Szabó (1993). 372Vgl. Klingelhöfer (2008). 373Vgl. Sanche (2002). 374Vgl. Brandau/Hoffjan (2007). 369Vgl.
134
3 Bestandsaufnahme der Literatur des Dienstleistungscontrollings
Service als Profit Center375, zur Patentierung von Geschäftsprozessen376 und zur Rolle des Controllings bei der Transformation377 produzierender Unternehmen zum Dienstleister („Servitisation“). Frage 4: Wie haben sich die Themen über die Zeit verändert? Untersucht man die Entwicklung der Themen über die Zeit in Abbildung 3.17, so lassen sich mehre Entwicklungen ausmachen. Ähnlich wie beim allgemeinen Controlling nimmt die Entwicklung des Dienstleistungscontrollings ihren Lauf in der Kosten-, Erlös- und Ergebnisrechnung. Von 1988 bis 2007 bilden Publikationen zu diesem Themengebiet den Schwerpunkt. Ab dem Zeitraum 1998 bis 2002 setzt eine Entwicklung ein, nicht nur das Kosten-, Erlös- und Ergebnismanagement von Dienstleistungsbereichen zu betrachten, sondern den Blickwinkel auf das gesamte Controllingsystem zu weiten. 5 von 14 Publikationen widmen sich in dieser Zeitspanne der Konzeption des Dienstleistungscontrollings. Mit Erscheinen der Sammelbände von Kinkel/Jung Erceg/Lay zum Controlling produktbegleitender Dienstleistungen und Bruhn/Stauss zum allgemeinen Dienstleistungscontrolling weitet sich das Themenspektrum im Zeitraum 2003 bis 2007 aus.378 Vermehrt untersuchen Autoren die Wirkung von Dienstleistungsbesonderheiten auf die Teilgebiete Performance Measurement, wertorientierte Steuerung, Qualitäts-, Preis- und Personalcontrolling. Allen voran übernimmt das Werk von Bruhn/Stauss in diesem Zeitraum die Rolle des Impulsgebers. Der Impuls schlägt sich in der Folgezeit jedoch nicht in steigenden Publikationszahlen und fortwährender Themenvielfalt nieder. In den letzten Jahren liegt der Fokus von Autoren weiterhin auf Beiträgen zur Konzeption und Anwendung des Dienstleistungscontrollings, dem Kosten-, Erlösund Ergebnismanagement und dem Performance Measurement. Mit 7 von 15 Beiträgen ist der Anteil an Beiträgen zur Konzeption des Dienstleistungscontrollings im zurückliegenden Fünfjahreszeitraum besonders hoch. Gestiegenes Interesse verzeichnen neuerdings Themen wie das Controlling des Dienstleistungsportfolios und das Controlling der Dienstleistungsentwicklung (Service Engineering).
375Vgl.
Ilka (2010). Möhrle/Gundrum (2010). 377Vgl. Laine/Paranko/Suomala (2012). 378Vgl. Kinkel/Jung Erceg/Lay (Hrsg., 2003); Bruhn/Stauss (Hrsg., 2006). 376Vgl.
Erscheinungsjahr 1988-1992 1993-1997 1998-2002 2003-2007 2008-2012 2013-2017 Gesamt 31 Konzeption des Dienstleistungscontrollings 2 2 5 11 4 7 28 Kosten-, Erlös- und Ergebnismanagement 3 4 4 11 3 3 13 6 5 2 Performance Measurement 1 2 5 1 2 11 Anwendung des Dienstleistungscontrollings 1 5 1 7 Wertorientierte Steuerung 6 1 5 Dienstleistungsqualität 1 3 1 5 Portfolio & Entwicklung 3 3 Personalcontrolling 3 3 Preiscontrolling 1 1 2 Dienstleistungsproduktion 1 1 Rolle des Dienstleistungscontrollers 1 3 4 Sonstiges Gesamt 6 7 14 51 21 15 114 in % 5% 6% 12% 45% 18% 13% 100%
Abbildung 3.17 Häufigkeitsverteilung der Beiträge nach Themen und Erscheinungsjahr. (Quelle: Eigene Erhebung.)
Themengebiete
in % 27% 25% 11% 10% 6% 5% 4% 3% 3% 2% 1% 4% 100%
3.4 Forschungsergebnisse 135
136
3 Bestandsaufnahme der Literatur des Dienstleistungscontrollings
Zusammenfassung der Ergebnisse zu den thematischen Schwerpunkten Zusammenfassend lässt sich zu den thematischen Schwerpunkten sagen: • Die beiden Themengebiete „Kosten-, Erlös- und Ergebnismanagement“ und „Konzeption des Dienstleistungscontrollings“ dominieren die Literatur des Dienstleistungscontrollings. Den historischen Ausgangspunkt der Betrachtungen zum Dienstleistungscontrolling bildet das Kosten-, Erlös- und Ergebnismanagement.379 • Die Prozesskostenrechnung und ihre Derivate, Activity-Based Costing und Time-Driven Activity-Based Costing, in Verbindung mit dem Target Costing destillieren sich als instrumenteller Kern eines dienstleistungsspezifischen Kosten-, Erlös- und Ergebnismanagements heraus. • Autoren internationaler und nationaler Beiträge untersuchen dienstleistungsspezifische Controllingsysteme unterschiedlich. Internationale Beiträge evaluieren meist gestützt auf den Situativen Ansatz die Wirkung von dienstleistungsspezifischen Kontextfaktoren auf Controllingsysteme (Management Control Systems). Deutschsprachige Ansätze übertragen vornehmlich generische Controllingkonzeptionen auf Dienstleistungsbesonderheiten. • In der Literatur wird das Dienstleistungscontrolling fast ausnahmslos unter Sachaspekten betrachtet.380 Zwar besteht Konsens, dass das Verhalten des Personals über den Dienstleistungserfolg mitentscheidet.381 Jedoch befassen sich nur 3 % der Beiträge mit Aspekten der Verhaltenssteuerung. • Relativ wenig untersucht sind Themengebiete wie die wertorientierte Unternehmenssteuerung, Qualitätscontrolling, Portfolio- und Entwicklungscontrolling, Preiscontrolling, Produktionscontrolling und die Organisation des Dienstleistungscontrollings.
379Die Kategorie Kosten-, Erlös- und Ergebnismanagement beinhaltet im hier verstandenen Sinne der Kategorienbildung stets die Kosten-, Erlös-, und Ergebnisrechnung. 380Zur Unterscheidung von Sach- und Verhaltensaspekten in der Controllingtheorie vgl. Becker (2017), S. 64. 381Vgl. Nerdinger/Pundt (2018), S. 4, und die dort angegebene Literatur.
3.4 Forschungsergebnisse
137
3.4.3 Forschungsmethoden Frage 5: Welche Forschungsmethoden setzen die Autoren ein? Einen Überblick der Häufigkeitsverteilung der Forschungsmethoden nach Literaturtyp findet man in Abbildung 3.18. Von den 114 Beiträgen der Literaturstichprobe untersuchen 75 Beiträge (66 %) das Dienstleistungscontrollings ausschließlich sachlich-analytisch, 19 sachlich-analytisch und empirisch (17 %), 2 rein formal-analytisch (2 %) sowie einer formal-analytisch und empirisch (1 %). Außerdem befinden sich 14 Praxisberichte (12 %) und drei ausnahmslos empirische Arbeiten in der Stichprobe (3 %). Zählt man die rein sachlich-analytischen und rein formal-analytischen Beiträge zusammen, so nähern sich 77 Schriften dem Forschungsgebiet Dienstleistungscontrolling auf rein analytische Weise. Addiert man die drei exklusiv empirischen Beiträge, die 20 analytisch-empirischen Beiträge und die 14 Praxisberichte, so stützt sich die Literatur des leistungsbezogenen Dienstleistungscontrollings gegenwärtig auf ein empirisches Fundament von gerade mal 37 Beiträgen. Offensichtlich resultieren die vorliegenden Erkenntnisse zum Dienstleistungscontrolling überwiegend aus theoretisch-konzeptionellen Überlegungen, weniger dagegen aus der Konfrontation der Überlegungen mit den Gegebenheiten und Notwendigkeiten der Praxis. Literaturtypen Forschungsmethoden sachlich-analytisch sachlich-analytisch / empirisch Praxisbericht empirisch formal-analytisch formal-analytisch / empirisch Gesamt in %
Aufsatz in Sammelband
Zeitschriftenartikel
49 3 10
13 6 4 2
Dissertationen Monographien 7 10
6
1
2 64 56%
25 22%
1 18 16%
7 6%
Gesamt 75 19 14 3 2 1 114 100%
in % 66% 17% 12% 3% 2% 1% 100%
Abbildung 3.18 Häufigkeitsverteilung der Beiträge nach Forschungsmethoden und Literaturtypen. (Quelle: Eigene Erhebung.)
Frage 6: Wie hat sich der Einsatz der Methoden über die Zeit entwickelt? In zeitlicher Hinsicht erkennt man keine größeren Veränderungen in der Anwendung bestimmter Forschungsmethoden (vgl. Abbildung 3.19). Zu beobachten ist, dass ab dem Zeitraum 2003 bis 2007 erstmals Erfahrungsberichte zum Dienstleistungscontrolling vorliegen. Das ist in erster Linie das Verdienst des Sammelwerkes von Kinkel/Jung Erceg/Lay, das eine Vielzahl
138
3 Bestandsaufnahme der Literatur des Dienstleistungscontrollings
solcher Unternehmensberichte enthält.382 Des Weiteren fällt auf, dass formal-analytische Forschungsmethoden im Dienstleistungscontrolling kaum eine Rolle spielen. Dieses Ergebnis steht im Widerspruch zu Binder/Schäffer, die für das Controlling eine Zunahme an formal-analytischen Beiträgen in wissenschaftlichen Zeitschriften feststellen, bei gleichzeitig rückläufiger Tendenz in praxisnahen Zeitschriften.383 Am Dienstleistungscontrolling ist diese Entwicklung vorbeigelaufen. Übereinstimmung besteht mit Binder/Schäffer bezüglich der Dominanz sachlich-analytischer Forschung.384 Ihr Anteil ist im Zeitverlauf nahezu unverändert hoch. Ferner bemerken Binder/Schäffer ein Anstieg empirischer Beiträge.385 In der Forschung des Dienstleistungscontrollings ist kein Anstieg empirischer Beiträge erkennbar. Der kurzzeitige Anstieg von empirischen Arbeiten mit analytischem Hintergrund im Zeitraum 2003 bis 2007 erklärt sich aus der größeren Anzahl an Dissertationen zur Prozesskostenrechnung und zum Target Costing und dem Erscheinen des Sammelbandes von Bruhn/Stauss im Jahr 2006.386 Forschungsmethoden
Erscheinungsjahr
1988-1992 1993-1997 1998-2002 2003-2007 2008-2012 2013-2017 Gesamt in % sachlich-analytisch 4 4 13 32 13 9 75 66% sachlich-analytisch / empirisch 2 3 1 7 3 3 19 17% Praxisbericht 8 4 2 14 12% empirisch 2 1 3 3% formal-analytisch 1 1 2 2% 1 1 1% formal-analytisch / empirisch 6 7 14 51 21 15 114 100% Gesamt in %
5%
6%
12%
45%
18%
13%
100%
Abbildung 3.19 Häufigkeitsverteilung der Beiträge nach Forschungsmethoden und Erscheinungsjahr. (Quelle: Eigene Erhebung.)
382Vgl.
Kinkel/Jung Erceg/Lay (2003). Binder/Schäffer (2005), S. 614–615. 384Vgl. Binder/Schäffer (2005), S. 613. 385Binder/Schäffer (2005), S. 614, stellen in wissenschaftlichen und praxisnahen Zeitschriften ein Anstieg des durchschnittlichen Anteils der empirisch basierten Beiträge von 20 % bis Mitte der 1990er Jahre auf durchschnittlich 28 % in den folgenden Jahren fest. 386Vgl. die Dissertationen von Borrmann (2003); Salman (2004); Cassack (2006); Seewöster (2006) und im Sammelband von Bruhn/Stauss (Hrsg., 2006) die Beiträge: Bruhn/Hadwich/ Georgi (2006); Lingenfelder/Schmidt/Wieseke (2006); Wall/Schröder (2006). 383Vgl.
3.4 Forschungsergebnisse
139
Frage 7: Welche Zusammenhänge bestehen zwischen Methoden und Themen? Sachlich-analytische Beiträge findet man bei nahezu allen Themengebieten (vgl. Abbildung 3.20). Besonders hoch ist die Konzentration mit 26 in der Kategorie „Konzeption des Dienstleistungscontrollings. Da sich die Beiträge dieser Kategorie mit mehreren Elementen des Dienstleistungscontrollings auf theoretisch-konzeptionelle Weise befassen, ist der Anteil von 26 sachlich-analytischen Betrachtungen von insgesamt 31 Beiträgen dieser Kategorie erwartungsgemäß hoch. Von den fünf empirischen Arbeiten, die auf sachlich-analytischen Vorarbeiten fußen, sind vier in internationalen Journals erschienen.387 Die Dissertation von Bormann ist einer von zwei Beiträgen im deutschsprachigen Raum, die sachlich-analytische und empirische Forschung verbinden, um eine Konzeption für das Dienstleistungscontrolling zu entwickeln.388 Neben der „Konzeption des Dienstleistungscontrollings“ gehört das „Kosten-, Erlös-, und Ergebnismanagement“ mit 28 von 114 Beiträgen zu einem der am intensivsten bearbeiteten Themenfeldern des Dienstleistungscontrollings. 13 sachlich-analytische, 8 sachlich-analytische Arbeiten mit Empirieteil – davon 7 Dissertationen – und 7 Praxisbeiträge vermitteln den Eindruck einer ausgewogenen Erkenntnislage in Theorie und Praxis. In der breiten Abdeckung zeigt sich die hohe praktische Relevanz der Kosten-, Erlös- und Ergebnisrechnung in Dienstleistungsbereichen und infolgedessen das große wissenschaftliche Interesse an Fragestellungen auf diesem Themenfeld.
387Vgl. 388Vgl.
(2005).
Modell (1996); Aas (2011); Auzair (2015); King/Clarkson (2015). Borrmann (2003); der andere Beitrag stammt von Impuls Management Consulting
formalsachlichformalsachlichanalytisch / Gesamt in % analytisch / Praxisbericht empirisch analytisch analytisch empirisch empirisch 31 27% 26 5 28 25% 13 8 7 13 11% 9 1 2 1 11 10% 9 1 1 5 2 7 6% 6 5% 5 1 3 2 5 4% 2 1 3 3% 1 3 3% 1 1 1 1 2 2% 1 1 1% 1 1 1 1 4 4% 75 19 14 3 2 1 114 100% 66% 17% 12% 3% 2% 1% 100%
Abbildung 3.20 Häufigkeitsverteilung der Beiträge nach Themen und Forschungsmethoden. (Quelle: Eigene Erhebung.)
Anwendung des Dienstleistungscontrollings Wertorientierte Steuerung Dienstleistungsqualität Portfolio & Entwicklung Personalcontrolling Preiscontrolling Dienstleistungsproduktion Rolle des Dienstleistungscontrollers Sonstiges Gesamt in %
Konzeption des Dienstleistungscontrollings Kosten-, Erlös- und Ergebnismanagement Performance Measurement
Themengebiete
Forschungsmethoden
140 3 Bestandsaufnahme der Literatur des Dienstleistungscontrollings
3.4 Forschungsergebnisse
141
Zur Kategorie „Performance Measurement“ liegen zwar mit 13 Beiträgen deutlich weniger Beiträge als zu den beiden zuvor genannten Kategorien vor, mit 9 sachlich-analytischen, einem sachlich-analytischen Beitrag mit empirischen Befunden, 2 Praxisberichten und einer empirischen Studie wird dieses Themengebiet ebenso ausgeglichen in Theorie und Praxis analysiert, wie das Kosten-, Erlös- und Ergebnismanagement. Einen höheren praktischen und empirischen Anteil hätte man in der Kategorie „Anwendung des Dienstleistungscontrollings“ erwartet. Die Kategorie enthält einen Praxisbeitrag von Weegmann/Große-Frintrop (2003) zum Serviceund Auftragscontrolling und die empirische Studie der Impuls Management Consulting zum Servicecontrolling.389 Charakteristisch für die relativ zahlreichen sachlich-analytischen Schriften dieser Kategorie sind die recht umfassende Darstellung von praxiserprobten Instrumenten des Dienstleistungscontrollings und die Herstellung des Anwendungsbezugs durch die Verwendung praxisnaher Beispiele.390 Zur empirischen Fundierung des Dienstleistungscontrollings trägt vor allem die explorative Studie von Impuls Management Consulting bei. Die Unternehmensberatung evaluiert den Stand der Einführung des Servicecontrollings in 130 Unternehmen der Branchen Maschinen- und Anlagenbau, Elektronik- und Elektroindustrie und Information und Telekommunikation.391 Ebenfalls analytisch-empirisch behandeln Autoren die Themengebiete „Wertorientierte Steuerung“, „Dienstleistungsqualität“ und „Personalcontrolling“. In der Kategorie „Personalcontrolling“ leitet Stebel seine Aussagen zu Anreizverträgen aus der Prinzipal-Agenten-Theorie ab und falsifiziert die Hypothesen durch schriftliche Befragung von 76 Beratungsunternehmen.392 Zum Controlling des Dienstleistungsportfolios und der Dienstleistungsentwicklung sowie zum Preiscontrolling liegen zumindest Erfahrungsberichte von Unternehmen vor.393 Rein analytisch ist die Arbeit von Jahnke in der Kategorie „Preiscontrolling“. Anhand eines entscheidungstheoretischen Modells leitet er die Preisuntergrenze
389Vgl.
Weegmann/Große-Frintrop (2003); Impuls Management Consulting (2005). z. B. die darin enthaltenen Monographien von Witt (2003); Rath/Nagl (2004); Siebold (2014). 391Vgl. Impuls Management Consulting (2005); ausführlich s. Abschnitt 5.2. 392Vgl. Stebel (2007). 393Vgl. Huber/Bauer (2008) bei Automobilzulieferern; Ilka (2010) beim Pumpenhersteller Lewa; Schäperkötter/Grefrath (2013) beim Landmaschinenhersteller Claas. 390Vgl.
142
3 Bestandsaufnahme der Literatur des Dienstleistungscontrollings
von Full-Service-Verträgen ab.394 Ausschließlich analytisch wird das Controlling der Dienstleistungsproduktion behandelt. So ermittelt Klingelbiel mit Hilfe mathematischer Optimierungsmodelle und produktions- und kostentheoretischer Überlegungen das optimale Produktionsprogramm.395 Zusammenfassung der Ergebnisse zu den Forschungsmethoden In der Rückschau können zu den Forschungsmethoden des Dienstleistungscontrollings mehrere Punkte festgehalten werden: • In der Literatur des Dienstleistungscontrollings überwiegen theoretischkonzeptionelle Beiträge. Beiträge, die analytische Gedanken mit empirischen Befunden kombinieren, findet man vornehmlich in Dissertationen und internationalen Journals. Empirische Studien und formal-analytische Arbeiten sind nach wie vor selten. • Der Anteil sachlich-analytischer Forschung ist in den letzten drei Jahrzehnten nahezu unverändert hoch geblieben. Anders als in der wissenschaftlichen Controllingliteratur, ist in der Literatur des Dienstleistungscontrollings weder ein Anstieg formal-analytischer noch ein Anstieg empirischer Arbeiten zu verzeichnen. • Sachlich-analytische Beiträge liegen für nahezu alle Themengebiete des Dienstleistungscontrollings vor. Besonders viele beschäftigen sich mit der Konzeption des Dienstleistungscontrollings. Borrman ist einer der wenigen Autoren, der sachlich-analytische und empirische Forschung kombiniert, um eine Konzeption für das Dienstleistungscontrolling zu entwickeln. • Theoretisch und empirisch am ausgewogensten werden die Themenfelder Kosten-, Erlös- und Ergebnismanagement – vor allem durch Dissertationen – und das Service Performance Measurement behandelt.
394Vgl. 395Vgl.
Jahnke (2003) Klingelhöfer (2008).
3.4 Forschungsergebnisse
143
3.4.4 Theoretische Fundierung Frage 8: Welche Theorien nutzen die Autoren zur Erklärung und Gestaltung? Die theoretische Basis des Dienstleistungscontrolling lässt sich grundsätzlich aus zwei Theoriequellen fundieren, aus Theorien, welche die zugrundeliegende generische Controllingkonzeption verwendet, und aus Theorien, die den Objektbereich des Dienstleistungscontrollings erklären.396 Um den Stand der theoretischen Fundierung des Dienstleistungscontrollings zu ergründen, wurden die analytischen Beiträge hinsichtlich der Theorien analysiert, die sie verwenden. Das zugrundeliegende Kategoriensystem wurde deduktiv hergeleitet.397 In der Abbildung 3.21 ist die absolute Häufigkeitsverteilung der Beiträge in Abhängigkeit der verwendeten Theorien und analytischen Forschungsmethoden abgetragen. Zu entnehmen ist dort, dass von den insgesamt 114 Beiträgen der Stichprobe 97 Beiträge die Erkenntnisse zum Dienstleistungscontrolling entweder auf rein analytische Weise oder in Kombination mit empirischen Daten gewonnen haben.398 Von den 97 analytisch geprägten Beiträgen verwenden 58 Theorien (60 %), davon 41 Beiträge (42 %) eine Theorie und 17 Beiträge (18 %) mehr als eine Theorie. 39 als analytisch klassifizierte Beiträge verwenden keine oder unklare Theorien (40 %). 20 Beiträge untermauern die analytischen Ausführungen mit der Produktionsund Kostentheorie (21 %), davon 11 ausschließlich und 6 in Verbindung mit der Entscheidungstheorie, 2 in Verbindung mit der Neuen Institutionenökonomik und einer zusammen mit der Investitions- und Kapitalmarkttheorie. Die Produktions- und Kostentheorie ist damit die am häufigsten verwendete Theorie in der Literatur des Dienstleistungscontrollings. Die Bedeutung der Entscheidungstheorie ist ähnlich hoch.399 18 Beiträge verwenden sie (19 %), davon 7 alleine, 6 wie erwähnt in Zusammenhang mit der Produktions- und Kostentheorie und 5 gemeinsam mit der Systemtheorie. 2 Beiträge setzen zudem nur
396Vgl.
Becker/Rech (2014), S. 164-168.
397Vgl. Abschnitt 3.3.2.3. 398114
Beiträge abzüglich 14 Praxisberichte und 3 empirische Arbeiten ohne Theorieteil. der Entscheidungstheorie wird im Allgemeinen zwischen präskriptiver und deskriptiver Entscheidungstheorie unterschieden. Vgl. Bitz (1981), S. 5–6; Eisenführ/ Weber (2003), S. 2–4; Bamberg/Coenenberg/Krapp (2012), S. 1–11; Laux/Gillenkirch/ Schenk-Mathes (2012), 16–20. Der formal-analytische Beitrag von Jahnke (2003) gründet auf der präskriptiven Entscheidungstheorie, während die restlichen Beiträge mit der Beschreibung von strategischen und operativen Entscheidungen eher der deskriptiven Entscheidungstheorie zuzuordnen sind.
399In
144
3 Bestandsaufnahme der Literatur des Dienstleistungscontrollings
die Systemtheorie ein. Zusammengenommen verwenden somit 34 Beiträge die Produktions- und Kostentheorie, Entscheidungstheorie und/oder die Systemtheorie (35 %). Aufgrund des hohen Anteils bilden diese drei Theorien derzeit den Theoriekern des Dienstleistungscontrollings.
Analytische Forschungsmethoden sachlich- sachlichanalytisch analytisch / empirisch
Theorien Produktions- und Kostentheorie (PKT)
6
5
Entscheidungstheorie
5
1
Situativer Ansatz
1
3
Verhaltenswissenschaftliche Ansätze (VWA)
3
Neue Institutionenökonomik (NIÖ)
2
Systemtheorie
2
Investitions- und Kapitalmarkttheorie
2
Verwendung nur einer Theorie
1
1
Gesamt
in %
11
11%
7
7%
4
4%
3
3%
3
3%
2
2%
2
2%
1
1
1%
5
3
8
8%
26
13
41
42% 6%
Service-dominant Logic Sonstige Theorien
formalformalanalytisch analytisch / empirisch
1
1
PKT und Entscheidungstheorie
4
2
6
System- und Entscheidungstheorie
4
1
5
5%
NIÖ, Produktion- und Kostentheorie
1
1
2
2%
VWA, Situativer Ansatz
1
1
2
2%
1
1
1%
NIÖ, Situativer Ansatz PKT, Investitions- und Kapitalmarkttheorie
1
Kombination mehrerer Theorien
10
Keine oder unklare Theorien
39 Gesamt in %
6
1
0
1
1%
17
18%
39
40%
100%
75
19
2
1
97
77%
20%
2%
1%
100%
Abbildung 3.21: Häufigkeitsverteilung der Beiträge nach Theorien und analytischen Forschungsmethoden. (Quelle: Eigene Erhebung)
3.4 Forschungsergebnisse
145
Vornehmlich bauen Autoren internationaler Beiträge ihre Forschung zum Dienstleistungscontrolling auf dem Situativen Ansatz (Kontingenztheorie) auf. Von den insgesamt 7 Beiträgen, die darauf gründen (7 %), sind 5 in internationalen Zeitschriften erschienen. 4 Beiträge verwenden einzig den Situativen Ansatz, 2 in Kombination mit verhaltenswissenschaftlichen Ansätzen und einer mit der Neuen Institutionenökonomik. Ähnlich häufig wie den Situativen Ansatz, benutzen Autoren die Neue Institutionenökonomik. Insgesamt findet man sie in 6 Beiträgen (6 %), davon in 3 alleinig und in 2 in Verbindung mit der Produktionund Kostentheorie sowie in einem Beitrag gemeinsam mit dem situativen Ansatz. Der Anteil verhaltenswissenschaftlicher Ansätze fällt gering aus. Ein überraschendes Ergebnis angesichts der Bedeutung der Mitwirkung des Kunden im Dienstleistungsprozess und des Dienstleistungspersonals im Kundenkontakt. Lediglich 5 Beiträge greifen auf Verhaltenstheorien zurück (5 %), 2 davon in Kombination mit dem Situativen Ansatz. Ebenfalls beachtenswert: Nur Laine/ Paranko/Suomala400 zu Management Accounting Rollen im Rahmen der Servicetransformation von Produzenten zu Dienstleistern setzen auf der Servicedominant Logic auf, obwohl der Ansatz in der übrigen Dienstleistungsforschung seit fünfzehn Jahren intensiv diskutiert wird.401 Beispiele für sonstige Theorien, die Autoren verwenden, sind die Chaostheorie402, Interaktionstheorie403 oder das Confirmation/Disconfirmation (C/D-)-Paradigma404. Frage 9: Welche Zusammenhänge bestehen zwischen Theorien und Themen? Interessant ist die Frage, mit welchen Theorien die Autoren die verschiedenen Themenfelder des Dienstleistungscontrollings erklären. Die Abbildung 3.22 veranschaulicht die Verteilung der Theorien nach Themengebieten. Oben wurde herausgestellt, dass 20 analytische Beiträge die Produktions- und Kostentheorie verwenden; 14 davon widmen sich dem Kosten-, Erlös- und Ergebnis-
400Vgl.
Laine/Paranko/Suomala (2012), S. 215–216. Bezug der Service-dominant Logic zum Dienstleistungsmanagement s. Kleinaltenkamp (2017), S. 55–58; zum Dienstleistungsmarketing s. Meffert/Bruhn/ Hadwich (2015), S. 78–81; grundlegend zur Service-dominant Logic s. Vargo/Lusch (2004); dies. (2008); dies. (2016). 402Vgl. Stuhlmann (2000). 403Vgl. Bienzeisler/Löffler (2006), S. 223–225. 404Vgl. Lingenfelder/Schmidt/Wieseke (2006), S. 184–187. 401Zum
146
3 Bestandsaufnahme der Literatur des Dienstleistungscontrollings
management, darunter zahlreiche Dissertationen. Bildet die Produktions- und Kostentheorie mit 14 von 21 Beiträgen die theoretische Basis des Themengebietes „Kosten-, Erlös- und Ergebnismanagement“, so bilden die Systemtheorie und die Entscheidungstheorie den Theoriekern des Themenfeldes „Konzeption des Dienstleistungscontrollings“. Von den 31 Arbeiten dieses Themengebietes nutzen 14 die Entscheidungstheorie und/oder die Systemtheorie. Becker/Rech untersuchen die theoretische Fundierung des Dienstleistungscontrollings auf Basis von dreizehn theoretisch-konzeptionellen Arbeiten und ausgewählten Forschungsarbeiten.405 Ihrer Meinung nach ist die theoretische Bezugsbasis des Dienstleistungscontrollings von der Systemtheorie und Entscheidungstheorie geprägt. Sie begründen diesen Befund, mit der theoretischen Basis allgemeiner Controllingkonzeptionen, aus denen die dienstleistungsspezifischen Konzeptionen abgeleitet werden. Mit der Übertragung der Konzeption vom Allgemeinen aufs Spezielle, werde die theoretische Basis mitübertragen.406 Der Befund der eigenen Studie für die Kategorie „Konzeption des Dienstleistungscontrollings“ stimmt in diesem Punkt mit den Forschungsergebnissen von Becker/Rech überein. Eine gewisse Relativierung bedarf die Feststellung von Becker/Rech hinsichtlich des Fehlens verhaltensorientierter Ansätze407: „Vergebens sucht man in konzeptionellen Beiträgen des Dienstleistungscontrollings nach verhaltensorientierten Ansätzen auf der Grundlage ökonomischer oder verhaltenswissenschaftlicher Theorien.“408 Wie angemerkt, konnten in der eigenen Studie 5 Beiträge identifiziert werden, welche verhaltenswissenschaftliche Ansätze verfolgen, und 6 Beiträge auf der Grundlage der Neuen Institutionenökonomik. Insofern existieren verhaltensorientierte Arbeiten, wenn auch wenige. Der Kategorie „Konzeption des Dienstleistungscontrollings“ konnten 4 verhaltenswissenschaftliche Beiträge409 und 2 institutionenökonomische Beiträge410 zugeordnet werden. Dass verhaltensorientierter Ansätze gänzlich fehlen würden, lässt sich bei der vorliegenden Literaturstichprobe nicht bestätigen.
405Vgl.
Becker/Rech (2014), S. 164–168. Becker/Rech (2014), S. 164–165. 407Hierzu zählen Becker/Rech (2014), S. 164–165, in Anlehnung an Wall (2008), S. 471, verhaltenswissenschaftliche und institutionenökonomische Ansätze. 408Becker/Rech (2014), S. 165. 409Vgl. Weber/Schäffer (2001); Schäffer/Weber (2002); Gerling/Jonen (2006); Lingnau/ Gerling (2006). 410Vgl. Becker/Rech (2014), S. 41–51; King/Clarkson (2015), S. 26–27. 406Vgl.
3 1 2
Verhaltenswissenschaftliche Ansätze (VWA)
Neue Institutionenökonomik (NIÖ)
Systemtheorie
Service-dominant Logic
4
System- und Entscheidungstheorie
Kombination mehrerer Theorien 31 32%
Gesamt in %
6
Kosten-, Erlös- und Ergebnismanagement
22%
21
3
5
2
1
2
13
2
1
10
10%
10
8
1
1
1
1
Anwendung des Dienstleistungscontrollings
9%
9
9
0
0
Wertorientierte Steuerung
7%
7
1
0
6
3
2
1
Dienstleistungsqualität
6%
6
5
0
1
1
Portfolio & Entwicklung
3%
3
3
0
0
Personalcontrolling
3%
3
1
0
2
1
1
Preiscontrolling
2%
2
1
0
1
1
Dienstleistungsproduktion
2%
2
1
1
1
0
1%
1
0
1
1
Rolle des Dienstleistungscontrollers
Abbildung 3.22 Häufigkeitsverteilung der Beiträge nach Theorien und Themen. (Quelle: Eigene Erhebung.)
Keine oder unklare Theorien
10
1
NIÖ, Situativer Ansatz
PKT, Investitions- und Kapitalmarkttheorie
1
VWA, Situativer Ansatz
NIÖ, Produktion- und Kostentheorie
4
PKT und Entscheidungstheorie
Verwendung nur einer Theorie
Sonstige Theorien 15
4
Situativer Ansatz
Investitions- und Kapitalmarkttheorie
1 4
Produktions- und Kostentheorie (PKT)
Konzeption des Dienstleistungscontrollings
Entscheidungstheorie
Theorien
Performance Measurement
Themengebiete
Sonstiges
2%
2
1
0
1
1
17
Gesamt
100%
97
39
100%
40%
18%
1%
1% 1
2% 1
2%
5%
6%
42%
8%
1%
2
2
5
6
41
8
1
2%
2% 2
3% 2
3%
4%
7%
11%
in %
3
3
4
7
11
3.4 Forschungsergebnisse 147
148
3 Bestandsaufnahme der Literatur des Dienstleistungscontrollings
Investitions- und kapitalmarkttheoretische Überlegungen werden vor allem in der Kategorie „Wertorientierte Steuerung“ angestellt. Auf weiteren Themenfeldern lassen sich schwerlich Theoriekerne identifizieren, was nicht zuletzt an der geringen Anzahl an Beiträgen liegt. Der fehlende Theoriebezug der Kategorie „Anwendung des Dienstleistungscontrollings“ erklärt sich aus der Zielsetzung der Beiträge, die Anwendung des Dienstleistungscontrollings in der Praxis zu demonstrieren. Dafür ist kein Theoriebezug notwendig, je nach Zielgruppe sogar hinderlich. Auch die Beiträge der Kategorie „Dienstleistungsqualität“ und „Portfolio & Entwicklung“ beziehen sich primär auf die Praxis. Zusammenfassung der Ergebnisse zur theoretischen Fundierung Die explorative Analyse der theoretischen Fundierung des Dienstleistungscontrollings hat folgende Ergebnisse hervorgebracht: • Den aktuellen Theoriekern des Dienstleistungscontrollings bilden drei Theorien – Produktions- und Kostentheorie, Entscheidungstheorie und Systemtheorie. • Verhaltensorientierte Ansätze liegen in etwa zu gleichen Teilen basierend auf verhaltenswissenschaftlichen und institutionenökonomischen Theorien vor, sind aber nach wie vor deutlich unterrepräsentiert. • Theoretische Überlegungen zur Konzeption des Dienstleistungscontrollings fußen überwiegend auf der System- und Entscheidungstheorie. Der Grund liegt in der Übertragung generischer Controllingansätze auf Dienstleistungsbesonderheiten. • Die Autoren der Beiträge zum Kosten-, Erlös- und Ergebnismanagement fundieren ihre theoretischen Überlegungen größtenteils mit der Produktionsund Kostentheorie. • Die Service-dominant Logic spielt in der theoretischen Fundierung des Dienstleistungscontrollings bisher keine Rolle.
3.4.5 Empirische Fundierung Frage 10: Welche empirischen Forschungsmethoden setzen die Autoren ein? 23 der 114 Beiträge untersuchen das Dienstleistungscontrolling empirisch (20 %), 19 davon auf sachlich-analytischer Grundlage, 3 ausschließlich empirisch
149
3.4 Forschungsergebnisse
Empirische Forschungsmethode
Art der Beiträge sachlich-analytisch / empirisch
formal-analytisch / empirisch
empirisch
Fallstudie
9
Fragebogenstudie
5
1
Experteninterviews
1
1
Laborexperiment
1
sonstige Methoden
3
Gesamt
1
1
in % 9
39%
7
30%
2
9%
1
4%
4
17% 100%
Gesamt
19
3
1
23
in %
83%
13%
4%
100%
Abbildung 3.23 Häufigkeitsverteilung der Beiträge nach empirischen Forschungsmethoden und Art des Beitrags. (Quelle: Eigene Erhebung.)
und der Beitrag von Stebel411 auf Basis formal-analytischer Vorüberlegungen (vgl. Abbildung 3.23). Unter den 114 Beiträgen befinden sich auch 14 Praxisberichte. Sie wurden aus der Analyse ausgeschlossen, weil nicht unmittelbar ersichtlich war, welche empirische Forschungsmethode die Autoren einsetzten.412 Das zugrundeliegende Kategoriensystem wurde deduktiv konstruiert.413 Die Autoren empirischer Arbeiten des Dienstleistungscontrollings greifen zur Erkenntnisgewinnung in erster Linie auf die Fallstudie zurück: 9 der 23 Arbeiten (39 %) setzen Fallstudien ein. Beliebt ist sie vor allem bei sachlich-analytischen Arbeiten (vgl. Abbildung 3.23) und bei Dissertationen (vgl. Abbildung 3.24).414 Größenteils handelt es sich dabei um Einzelfallstudien der Branchen Gesundheitswesen415, Investitionsgüterindustrie416, Luftfahrtindustrie417, 418 Telekommunikation und interne Dienstleistungen wie End User Help
411Vgl.
Stebel (2007). nochmals Abschnitt 3.3.2.3. 413Vgl. Abschnitt 3.3.2.3. 414Zur empirischen Fundierung der Dissertationen s. auch Anhang 8.2. 415Vgl. Modell (1996) Zahnarztpraxen; Niemand (1996) Medizintechnik. 416Vgl. Borrmann (2003); Seewöster (2006). 417Vgl. Bertsch (1991). 418Vgl. Vikas (1988a). 412Vgl.
150
3 Bestandsaufnahme der Literatur des Dienstleistungscontrollings
Desk419. Mit Ausnahme der explorativen Fallstudie von Modell tragen alle konfirmative Züge.420 Vergleichende Fallstudien in mehreren Betrieben erheben ausschließlich Cassack und Sanche. Cassack überprüft die Umsetzung der Konzeption der prototypgestützten Kosten- und Erlösplanung produktbegleitender Dienstleistungen in Unternehmen der Antriebstechnik und des Werkzeugs- und Maschinenbaus. Beiden Fallstudien von Cassack haben konfirmatorischen Charakter.421 Sanche verwendet hingegen ein exploratives Forschungsdesign, wenn sie die Organisation des S ervice-Controllings in vier schweizer Investitionsgüterunternehmen erhebt.422 Somit lässt sich festhalten, dass die Fallstudie zwar am häufigsten Anwendung findet, aber die dadurch gewonnen empirischen Ergebnisse sich überwiegend auf einzelne Unternehmen bestimmter Branchen beziehen und die Fallstudien im Wesentlichen den Zweck erfüllen, die praktische Umsetzbarkeit der zuvor angestellten theoretischkonzeptionellen Überlegungen nachzuweisen. Empirische Forschungsmethode
Literaturtypen Aufsatz in Sammelband
Zeitschriftenartikel
Fallstudie Fragebogenstudie
3
Experteninterviews
Dissertationen Monographien 1
8
2
1
1
2
Laborexperiment sonstige Methoden Gesamt
3
3 8
in %
13%
35%
Gesamt
in % 9
39%
7
30%
2
9%
1
1
4%
1 11
1
4 23
17% 100%
48%
4%
100%
Abbildung 3.24 Häufigkeitsverteilung der Beiträge nach empirischen Forschungsmethoden und Literaturtypen. (Quelle: Eigene Erhebung.)
Ähnlich hoch ist der Anteil von Fragebogenstudien: 7 von 23 Autoren setzen sie ein (30 %). Wie die Fallstudie findet man sie vornehmlich in sachlich-analytischen Arbeiten mit Empirieteil (vgl. Abbildung 3.23), nur einmal in einer Dissertation (vgl. Abbildung 3.24). Bruhn/Hadwich/Georgi messen in 45
419Vgl.
Salman (2004). Vikas (1988a); Bertsch (1991); Modell (1996); Niemand (1996); Borrmann (2003); Salman (2004); Seewöster (2006). 421Vgl. Cassack (2006). 422Vgl. Sanche (2002). 420Vgl.
3.4 Forschungsergebnisse
151
Unternehmen verschiedener Branchen die Implementierungstreiber des Kundenwertmanagements und werten die Daten mit der konfirmatorischen Faktorenanalyse aus.423 Lingenfelder/Schmidt/Wieseke prüfen die Bestimmungsfaktoren der Dienstleistungsqualität mit Hilfe der Kausalanalyse. Sie erheben dazu Daten per Mystery Shopping in 39 Reisebüros.424 Wall/Schröder befragen explorativ 12 Dienstleister und 16 produzierende Unternehmen nach ihrem Interesse an einem kundenwertorientierten Dienstleistungscontrolling und nach den Ansatzpunkten für ein Customer Perceived Value Accounting.425Auzair erhebt Daten von 121 australischen Dienstleistungsbetrieben und validiert seine Hypothesen zum Einfluss von Kontextfaktoren, wie z. B. die Art des Dienstleistungsprozesses, auf das Controllingsystem mittels Clusteranalyse.426 King/Clarkson führen eine deduktiv-konfirmatorische Studie zum Einfluss der Eigentumsverhältnisse auf das Controllingsystem in 120 australischen Unternehmen des Gesundheitswesens durch.427 Die Studie von Impuls Management Consulting befragt explorativ 130 Unternehmen im Maschinen- und Anlagenbau, in der Elektronik- und Elektroindustrie und der Information und Telekommunikation nach dem Stand des Service-Controllings und wertet die Ergebnisse deskriptiv aus.428 Stebel testet seine Hypothesen zu den Determinanten von Anreizverträgen auf Basis der Daten von 76 deutschen Unternehmensberatungen.429 Der kurze Abriss verdeutlicht: Fragebogenstudien kommen ähnlich häufig zum Einsatz wie Fallstudien. Stebels Dissertation ist die einzige Dissertation mit Fragebogenstudie. 5 von 7 Fragebogenstudien verfügen über ein konfirmatorisches Forschungsdesign, zwei über ein exploratives. 3 der 7 Fragebogenstudien richten sich auf eine Branche, 4 erheben Daten in verschiedenen Branchen. Nur zwei Autoren führen Experteninterviews durch (9 %). Brandau/Hoffjan interviewen 17 Experten aus unterschiedlichen Industrien unter anderem zur
423Vgl.
Bruhn/Hadwich/Georgi (2006), S. 360–363. Lingenfelder/Schmidt/Wieseke (2006), S. 194–205. 425Vgl. Wall/Schröder (2006), S. 119–125. 426Vgl. Auzair (2015). 427Vgl. King/Clarkson (2015). 428Vgl. Impuls Management Consulting (2005); ausführlich s. Abschnitt 5.2. 429Vgl. Stebel (2007). 424Vgl.
152
3 Bestandsaufnahme der Literatur des Dienstleistungscontrollings
Bedeutung des Controllings beim Offshoring von Dienstleistungen.430 Aas befragen zehn Unternehmen verschiedener Branchen zu Best Practices im Controlling von Serviceinnovationen.431 Beide Studien sind somit branchenübergreifend; beide kennzeichnet ein exploratives Forschungsdesign. Einschränkend bleibt zu erwähnen, dass die geringe Anzahl an Experteninterviews zum Teil der Methodik der Literaturanalyse geschuldet ist. Gemäß den Zuordnungsvorschriften der Literaturanalyse wird ein Beitrag vollständig einer empirischen Forschungsmethode zugeordnet.432 Da Experteninterviews unter anderem dazu geeignet sind, die praktische Relevanz und Problemfelder eines Forschungsgebietes zu explorieren und abzustecken, werden sie gerne in Kombination mit anderen empirischen Forschungsmethoden verwendet.433 Aufgrund der gewählten Methodik werden kombiniert verwendete Experteninterviews nicht gezählt. Die tatsächliche Anzahl an Experteninterviews liegt folglich höher. Ein Laborexperiment führt nur Sehnert durch. Er simuliert in seiner Dissertation mit 128 Bachelorstudenten die Erfolgswirkung von unterschiedlich breiten Kennzahlensystemen für Investmentgesellschaften.434 Unter den vier Beiträgen mit sonstigen Methoden, verwenden drei Autoren das Action Research. Kullvén/Mattsson entwickeln auf der Basis des ActivityBased Costings bei einem schwedischen Hersteller von Mobiltelefonen ein Kosten- und Erlösmodell für Services.435 Ebenfalls auf Basis des Activity-Based Costings entwickelt Baum in seiner Dissertation ein Kostenrechnungssystem für eine Managementberatung.436 Lindholm/Laine/Suomala suchen und vergleichen Performance-Indikatoren zur Entwicklung und Steuerung des Ersatzteilgeschäft eines Maschinenbauers.437 Bei dieser Arbeit verlaufen die Grenzen zwischen Fallstudie und Action Research fließend. Laine/Paranko/Suomala setzen kein Action Research ein. Sie verweisen auf Praxiserfahrungen, die sie bei verschiedenen Produktherstellern gesammelt haben. Die Praxiserfahrungen bilden 430Vgl.
Brandau/Hoffjan (2007). (2011). 432Vgl. Abschnitt 3.3.2.3. 433Zur Kombination des Experteninterviews mit der Fallstudie s. z. B. Sanche (2002); Cassack (2006); mit der Fragebogenstudie z. B. Impuls Management Consulting (2005); Bruhn/Hadwich/Georgi (2006), S. 356–359; und dem Laborexperiment z. B. Sehnert (2011). 434Vgl. Sehnert (2011). 435Vgl. Kullvén/Mattson (1994). 436Vgl. Baum (2013). 437Vgl. Lindholm/Laine/Suomala (2017). 431Vgl. Aas
3.4 Forschungsergebnisse
153
die empirische Basis für die Diskussion der Rolle des Management Accountings bei der Servicetransformation.438 Von der Verwendung einer empirischen Forschungsmethode kann man nur bedingt sprechen.439 Frage 11: Für welche Themenfelder liegen empirische Erkenntnisse vor? Als letztes wird untersucht, für welche Themenfelder empirische Erkenntnisse vorliegen und mit welcher empirischen Forschungsmethode sie ermittelt wurden. Hierzu stellt die Abbildung 3.25 eine Übersicht der Häufigkeit der Beiträge nach Themen und empirischen Forschungsmethoden bereit. Daraus ist zu erkennen, dass sich 75 % der empirischen Studien auf vier Themenfelder konzentrieren: Kosten-, Erlös- und Ergebnismanagement (35 %), Konzeption des Dienstleistungscontrollings (22 %), Performance Measurement (9 %) und Wertorientierte Steuerung (9 %). Mit jeweils einem Beitrag sind die Gebiete „Anwendung des Dienstleistungscontrollings“, „Dienstleistungsqualität“, „Personalcontrolling“ und „Rolle des Dienstleistungscontrollers“ empirisch kaum fundiert. Keine empirisch-wissenschaftliche Durchdringung erfahren die Teilgebiete „Portfolio & Entwicklung“, „Preiscontrolling“ und „Dienstleistungsproduktion“. Die empirischen Erkenntnisse des Themengebietes „Kosten-, Erlös- und Ergebnismanagement“ fußen auf 6 Fallstudien, die im Rahmen von Dissertationen entstanden sind.440 Vikas überträgt theoretisch-konzeptionell die Grenzplankostenrechnung auf den Dienstleistungsbereich und praktisch auf das Controlling der Deutschen Bundespost.441 Bertsch entwirft einen Prototypen der relativen Einzelkosten- und Deckungsbeitragsrechnung für ein Unternehmen der Luftfahrtindustrie.442 Niemand überprüft seine Konzeption des Target Costings für industrielle Dienstleistungen in einem Unternehmen der Medizintechnik.443 Salman wendet die flexible Prozesskostenrechnung zur Erfassung 438Vgl.
Laine/Paranko/Suomala (2012). gesehen hätte dieser Beitrag auch als Praxisbeitrag deklariert werden können und aus der Analyse ausgeschlossen. Während die Praxisbeiträge die Erfahrungen in einem speziellen Unternehmen zu einem gegebenen Zeitpunkt dokumentieren, fußen die Erfahrungen von Laine/Paranko/Suomala (2012), S. 223, auf Erfahrungen, welche die Autoren in verschiedenen Unternehmen („different servitisation processes“) über einen längeren Zeitraum (2003 bis 2011) gesammelt haben. 440Siehe zu den Dissertationen auch Anhang 8.2. 441Vgl. Vikas (1988a). 442Vgl. Bertsch (1991). 443Vgl. Niemand (1996). 439So
154
3 Bestandsaufnahme der Literatur des Dienstleistungscontrollings
von Integrationskosten im H ardware-Verfügbarkeitsservice und End User Help Desk bei Siemens Business Services an.444 Cassack validiert die Umsetzbarkeit der prototypgestützten Kosten- und Erlösplanung produktbegleitender Dienstleistungen in Unternehmen der Antriebstechnik und des Werkzeugs- und Maschinenbaus.445 Seewöster führt eine Praxisstudie zur softwaretechnischen Umsetzung der Planung von Life Cycle Cost Verträgen in einem Industrieunternehmen durch.446 Außer 6 Fallstudien existieren zwei Beiträge der Methodenkategorie „sonstige Methoden“, die das Action Research verwenden. Wie oben bereits erwähnt, führt Baum im Rahmen seiner Dissertation das Activity-Based Costing bei einer Managementberatung und Kullvén/Mattsson bei einem Mobiltelefonhersteller ein.447 Der Gegenstandsbereich der Arbeiten lässt erkennen, dass insbesondere neuere Schriften dazu beitragen, die Prozesskostenrechnung, das Activity-Based Costing und das Target Costing in Dienstleistungsbereichen empirisch zu fundieren, in dem sie theoretische Konzepte auf Problemstellungen der Praxis anwenden. Empirische Forschungsmethoden Themengebiete
Fallstudie
Kosten-, Erlös- und Ergebnismanagement
6
Konzeption des Dienstleistungscontrollings
2
Fragebogen- ExpertenLaborSonstige studie interviews experiment Methoden
8
35%
5
22%
1
2
2 2
9% 9%
1 1 1
1 1 1
4% 4% 4%
2
1 1
Anwendung des Dienstleistungscontrollings Dienstleistungsqualität Personalcontrolling
in %
2
Performance Measurement Wertorientierte Steuerung
G
1
4%
Portfolio & Entwicklung
0
0%
Preiscontrolling
0
0%
Dienstleistungsproduktion Sonstiges
0
0%
2
9% 100%
Rolle des Dienstleistungscontrollers
1
1
1
Gesamt
9
7
2
1
4
23
in %
39%
30%
9%
4%
17%
100%
Abbildung 3.25 Häufigkeitsverteilung der Beiträge nach empirischen Forschungsmethoden und Themen. (Quelle: Eigene Erhebung.)
444Vgl.
Salman (2004). Cassack (2006). 446Vgl. Seewöster (2006). 447Vgl. Kullvén/Mattson (1994); Baum (2013). 445Vgl.
3.4 Forschungsergebnisse
155
Die „Konzeption des Dienstleistungscontrollings“ ist forschungsmethodisch mit zwei Fallstudien448, zwei Fragebogenstudien449 und einem Experteninterview450 relativ breit untermauert. Bei genauerer Betrachtung stellt sich aber heraus, dass die Studien nicht nur forschungsmethodisch variieren, sondern unterschiedliche Aspekte des Dienstleistungscontrollings in verschiedenen Branchen, Unternehmen und Ländern erheben. Modell kommt in seiner explorativen Studie in schwedischen Zahnarztpraxen zum Ergebnis: Das Dienstleistungscontrolling muss zur Verhaltenssteuerung dosiert formale und informale Steuerungsmechanismen einsetzen, abhängig von Kontextfaktoren wie z. B. psychologische Nähe zwischen Kunde und Personal, Unsicherheit des Dienstleistungsprozesses.451 Borrmann entwickelt ein Gestaltungsmodell für das Controlling industrieller Dienstleistungen, das aus einem Zielgrößen-, Kennzahlen- und Kostenmodell besteht. In seiner konfirmatorischen Fallstudie bei einem mittelständischen Herstellers komplexer Investitionsgüter weist er nach, dass sich durch die Anwendung des Gestaltungsmodell die Planungs- und Steuerungsqualität der Prozesse im Störfallmanagement verbessern lässt.452 Auzair findet in seiner Datenerhebung in 121 australischen Dienstleistungsbetrieben heraus, dass die erfolgreichsten Dienstleistungsbetriebe diejenigen sind, die eine Differenzierungsstrategie verfolgen und weniger bürokratische Controllingsysteme einsetzen.453 Eine konfirmatorische Studie führen King/Clarkson in 120 australischen Unternehmen des Gesundheitswesens durch. Die empirischen Ergebnisse stützen die Hypothese, wonach erfolgreiche Dienstleistungsbetriebe je nach den Eigentumsverhältnissen der Belegschaft unterschiedliche Controllingsysteme einsetzen.454 Aas interviewt zehn Manager verschiedener Branchen zu Best Practices im Controlling für Serviceinnovationen. Er findet heraus, dass Controllingsysteme für Serviceinnovationen im Vergleich zu solchen für Produktinnovationen einfacher, eindimensionaler und von Finanzkennzahlen
448Vgl.
Modell (1996); Borrmann (2003). (2015); King/Clarkson (2015). 450Vgl. Aas (2011). 451Vgl. Modell (1996). 452Vgl. Borrmann (2003), S. 108–115, sowie Abschnitt 5.2. 453Vgl. Auzair (2015). Ein weniger bürokratisches Controllingsystem kennzeichnet Auzair (2015), S. 57, mit den Kontextfaktoren Dienstleistungsprozesstyp „Professional Services“, Geschäftsstrategie „Differentiation“, Umweltunsicherheit „high“, Umweltveränderung „little“ und Lebenszyklus des Unternehmens „Growth“. 454Vgl. King/Clarkson (2015). 449Vgl. Auzair
156
3 Bestandsaufnahme der Literatur des Dienstleistungscontrollings
dominiert sind.455 Vergleicht man die Studien, muss man der Dissertation von Borrmann bescheinigen, die einzelnen Elemente eines dienstleistungsspezifischen Controllingssystems detailgetreuer zu beschreiben als die Autoren der anderen Beiträge. Allerdings ist auch der theoretisch-konzeptionelle Aufbau von Borrmann grundverschieden zu den internationalen Beiträgen. Borrmann leitet sein Controllingsystem aus dem rationalitätsorientierten Controllingverständnis von Weber/Schäffer her.456 Während die Autoren der anderen Studien den Situativen Ansatz verwenden. Sie untersuchen den Einfluss verschiedener Kontextfaktoren auf dichotom modellierte Controllingsysteme und den Unternehmenserfolg.457 In den Reigen der empirischen Arbeiten zur Konzeption des Dienstleistungscontrollings muss man ebenfalls die explorative Studie von Impuls Management Consulting einordnen, obwohl sie wegen ihres Anwendungsbezugs in der Themenkategorie „Anwendung des Dienstleistungscontrollings“ erscheint. Impuls Management Consulting beobachten eine fehlende Verknüpfung von strategischer und operativer Dienstleistungsplanung, -steuerung und -kontrolle. Aufbauen auf den empirischen Ergebnissen entwerfen sie ein Konzept für ein ganzheitliches Servicecontrolling mit den Komponenten Servicestrategie, Ertrags-, Markt-, Prozess-, Qualitäts-, Personalcontrolling und Balanced Scorecard.458 Mit der empirischen Fundierung des Performance Measurements in Dienstleistungsbereichen befassen sich das bereits genannte Laborexperiment von Sehnert und die auf dem Action Research fußende Untersuchung von Lindholm/Laine/Suomala (vgl. Abbildung 3.25). Sehnert prüft in einem Laborexperiment die Erfolgswirkung unterschiedlich breiter Kennzahlensysteme. Er findet heraus, dass sich in Situationen hoher Umweltdynamik und damit hoher Entscheidungsunsicherheit der Einsatz umfangreicher Kennzahlensysteme empfiehlt und in Situationen mit vergleichsweise stabilen und beherrschbaren Umweltbedingungen der Einsatz von Kennzahlensystemen mit schmalerer
455Vgl. Aas
(2011). Borrmann (2003), S. 10–13; zur rationalitätsorientierten Controllingkonzeption s. Weber/ Schäffer (1999); dies. (2016), S. 37–60. 457Vgl. z. B. formale vs. informale Steuerungsmechanismen bei Modell (1996); bürokratische vs. unbürokratische Controllingsysteme bei Auzair (2015); Controllingsystem für Produkt- vs. Serviceinnovationen bei Aas (2011). 458Vgl. Impuls Management Consulting (2005). 456Vgl.
3.4 Forschungsergebnisse
157
Informationsbasis.459 Lindholm/Laine/Suomala suchen und vergleichen Performance-Indikatoren zur Entwicklung und Steuerung des Ersatzteilgeschäft eines Maschinenbauers. Sie kommen zu dem Ergebnis, dass die Beurteilung des Potenzials des Servicegeschäftes anhand von Performance Indikatoren die Kombination von Kennzahlen des Produkt- und Servicegeschäftes sowie von finanziellen und nicht-finanziellen Kennzahlen erfordert. Sie finden ferner heraus, dass zur profitablen Planung, Steuerung und Kontrolle des Servicegeschäftes das Kennzahlensystem bei globalen Organisationen die lokalen Marktbedingungen einfangen muss.460 Zur Kategorie „wertorientierte Steuerung“ legen Bruhn/Hadwich/Georgi und Wall/Schröder entsprechende Studien vor. Erstere entwickeln auf der Basis einer konfirmatorischen Faktorenanalyse ein Modell zur unternehmensspezifischen Messung des Entwicklungsstandes des Kundenwertmanagements.461 Letztere ermitteln in ihrer explorativen Fragebogenstudie „ein besonderes Interesse im Dienstleistungssektor an einem Customer Perceived Value Accounting“462, finden dafür aber nur rudimentäre Anknüpfungspunkte in den Kennzahlensystemen der befragten Unternehmen.463 Je ein empirischer Beitrag enthalten die Kategorien „Dienstleistungsqualität“, „Personalcontrolling“ und „Rolle des Dienstleistungscontrollers“ (vgl. Abbildung 3.25). Lingenfelder/Schmidt/Wieseke beschäftigen sich mit dem Thema Dienstleistungsqualität. Sie weisen mit ihrem Kausalmodell zur Struktur und Dynamik der Mitarbeiter-Performance im Servicekontakt u. a. eine große Bedeutung der Vornutzungs- und Nutzungsphase für die Bildung des Dienstleistungsqualitätsurteils über touristische Reisedienstleistungen nach.464 Stebel widmet sich mit der Verhaltenssteuerung einem wichtigen Aspekt des Personalcontrollings. Er findet in seiner konfirmatorischen Fragebogenstudie Bestätigung für die Hypothesen, dass die Wahl der Honorarform von der Verifizierbarkeit des Dienstleistungsergebnisses, des Dienstleistungsverhaltens, dem Integrativitätsgrad und dem Erwartungsnutzen der langfristigen Kundenbeziehung abhängt. Er hält es für vorteilhafter ergebnisunabhängige statt ergebnisabhängige Honorare zu vereinbaren und dafür in die Messbarkeit des Dienstleistungsprozesses statt
459Vgl.
Sehnert (2011). Lindholm/Laine/Suomala (2017), S. 509–510. 461Vgl. Bruhn/Hadwich/Georgi (2006), S. 360–363. 462Wall/Schröder (2006), S. 122. 463Vgl. Wall/Schröder (2006), S. 119–125. 464Vgl. Lingenfelder/Schmidt/Wieseke (2006), S. 194–205. 460Vgl.
158
3 Bestandsaufnahme der Literatur des Dienstleistungscontrollings
des Dienstleistungsergebnisses zu investieren.465 Sanche gelangt im Vergleich von vier explorativen Fallstudie hinsichtlich der Rolle des Dienstleistungscontrollers zur Erkenntnis, dass Service-Controller in großen Industrieunternehmen disziplinarisch dem Servicemanagement und fachlich dem zentralen Controlling unterstellt werden sollten. Außerdem empfiehlt Sanche beim Aufbau eines Servicecontrollings mit einem Kennzahlensystem zu beginnen und danach die Instrumente für die Planung, Kontrolle, Mitarbeiterführung und Organisation einzuführen.466 Zusammenfassung der Ergebnisse zur empirischen Fundierung Die Ergebnisse zur empirischen Fundierung des Dienstleistungscontrollings lassen sich folgendermaßen zusammenfassen: • Das Dienstleistungscontrolling ist empirisch wenig fundiert. Lediglich 20 % der Beiträge der Stichprobe erheben empirische Daten – wenn man von Praxisberichten einmal absieht. Die Daten verteilen sich zudem über verschiedene Themengebiete, Unternehmen, Branchen und Länder. • Die Fallstudie ist die empirische Forschungsmethode, die am häufigsten eingesetzte wird. Bei den Fallstudien handelt es sich überwiegend um Einzelfallstudien, welche die Umsetzbarkeit der theoretischen Konzepte in der Praxis nachweisen. Explorative, hypothesenbildende und vergleichende Fallstudien sind selten. • Am zweithäufigsten greifen die Autoren empirischer Beiträge auf die Fragebogenstudie zurück. Die Mehrzahl der Beiträge kennzeichnet ein deduktiv-konfirmatorisches Forschungsdesign. Stebels Dissertation zur Verhaltenssteuerung im Dienstleistungscontrolling ist die einzige Dissertation, die eine fragebogengestützte Umfrage durchführt. • Empirische Erkenntnissen liegen vor allem zum Kosten-, Erlös- und Ergebnismanagement vor. Die empirischen Erkenntnisse stammen insbesondere aus Dissertationsprojekten, in denen die Autoren mit Fallstudien die Prozesskostenrechnung, das Activity-Based Costing und das Target Costing auf die praktischen Problemstellungen von Dienstleistungsbereichen anwenden. • Empirische Erkenntnisse bei der Konzeptualisierung des Dienstleistungscontrollings berücksichtigen im deutschsprachigen Raum Borrmann
465Vgl. 466Vgl.
Stebel (2007). Sanche (2002).
3.5 Vergleich mit den Ergebnissen qualitativ-analytischer Literaturanalysen
159
(konfirmatorische Fallstudie) und Impuls Management Consulting (explorative Fragebogenstudie). Während Borrman seine Konzeption aus einer generischen Controllingkonzeption ableitet und empirisch überprüft, entwickeln Impuls Management Consulting den Bezugsrahmen induktiv. Anders gehen Autoren internationaler Beiträge vor: Sie modellieren dichotome Controllingsysteme und prüfen empirisch deren Wirkung auf den Unternehmenserfolg auf der Grundlage des Situativen Ansatzes.
3.5 Vergleich mit den Ergebnissen q ualitativanalytischer Literaturanalysen Wie in Abschnitt 3.2 erwähnt, stammt die qualitativ-analytische Literaturanalyse von Reckenfelderbäumer aus dem Jahr 2006.467 Reckenfelderbäumer nimmt den Bestand der Literatur des Controllings, Dienstleistungsmarketings, Dienstleistungsmanagements und des Business-to-Business-Marketings auf (N = 38).468 Er geht in seiner Literaturanalyse der Frage nach, inwieweit die Leistungsmerkmale von Dienstleistungen bei der konzeptionellen Auseinandersetzung mit dem Dienstleistungscontrolling berücksichtigt werden.469 Sein Analyseschwerpunkt liegt entsprechend auf den konzeptionellen Inhalten, weniger auf den Forschungsmethoden und den theoretischen und empirischen Grundlagen des Dienstleistungscontrollings. Ansätze für eine konzeptionelle Basis des Dienstleistungscontrollings findet er in der Controllingliteratur nur bei Fischer und Schäffer/Weber.470 Er kommt folglich zu dem Schluss: „In der Controllingliteratur [bleibt] für eine konzeptionelle Basis tatsächlich relativ wenig Greifbares übrig“.471 Die eigene Literaturanalyse konnte hingegen 31 Quellen mit Bezug zur Konzeption des Dienstleistungscontrollings identifizieren, darunter auch die von Reckenfelderbäumer zitierten Schriften von Fischer und Schäffer/ Weber.472 An der Anzahl der Beiträge lässt sich ablesen, dass die Controllingfachvertreter der konzeptionellen Basis des Dienstleistungscontrolling seit der
467Vgl.
Reckenfelderbäumer (2006), S. 39–46. nochmals Abschnitt 3.2. 469Vgl. Reckenfelderbäumer (2006), S. 39. 470Vgl. Reckenfelderbäumer (2006), S. 40–42; sowie Fischer (2000); Schäffer/Weber (2002). Letztere bezeichnet Reckenfelderbäumer (2006), S. 40, sogar als wichtigen Meilenstein der Controllingliteratur. 471Reckenfelderbäumer (2006), S. 42. 472Vgl. Abbildung 3.16. 468Vgl.
160
3 Bestandsaufnahme der Literatur des Dienstleistungscontrollings
Analyse von Reckenfelderbäumer nicht nur mehr Aufmerksamkeit schenken, sondern die konzeptionelle Basis ebenfalls weiterentwickelt haben.473 Mit Blick auf die Literatur des Dienstleistungsmarketings und -managements stellt Reckenfelderbäumer fest, dass sich zum einen die Prozesskostenrechnung als Basisinstrument des Dienstleistungscontrollings herauskristallisiert hat und zum anderen, dass sich die Kombination von Prozesskostenrechnung und Target Costing zu einem erfolgsversprechenden Ansatz entwickelt hat.474 Diese Befunde decken sich mit den Ergebnissen der eigenen Literaturanalyse.475 Zusammenfassend beklagt Reckenfelderbäumer, dass die Literatur den Schwerpunkt auf spezielle Branchen und die Übertragung von Controllinginstrumenten auf den Dienstleistungsbereich legt, „es [.] jedoch an einem konzeptionellen Rahmen [fehlt], in den diese Partialansätze eingebunden werden könnten.“476 Gegenstand von Teil 4 ist die Entwicklung eines solchen konzeptionellen Rahmens für das Dienstleistungscontrolling. Die qualitativ-analytische Literaturanalyse von Becker/Rech ist aktueller. Sie datiert aus dem Jahr 2014. Ähnlich wie Reckenfelderbäumer untersuchen Becker/ Rech die Entwicklung der konzeptionellen Grundlagen des Dienstleistungscontrollings.477 Ihre Analyse schließt ebenso die theoretische und empirische Fundierung des Dienstleistungscontrollings ein. Vergleich man die Analyse von Becker/Rech mit der eigenen, so erkennt man zunächst, dass Becker/Rech die thematischen Schwerpunkte inhaltlich tiefgründiger analysieren und zwar für einzelne Elemente des Dienstleistungscontrollings.478 Dieser Vorteil des qualitativen Vorgehens geht allerdings zu Lasten der Analysebreite – Becker/Rech analysieren lediglich dreizehn theoretisch-konzeptionelle Beiträge.479 Obwohl sich die Tiefe und die Breite beider Analysen aufgrund der verschiedenen Forschungsdesigns – qualitativ vs. quantitativ – unterscheiden, stimmen die Ergebnisse in vielen Punkten überein: • Becker/Rech konstatieren der konzeptionellen Basis des Dienstleistungscontrollings seit der Analyse von Reckenfelderbäumer eine 473Vgl.
auch Becker/Rech (2014), S. 254–256. Reckenfelderbäumer (2006), S. 44–45. 475Vgl. Abschnitt 3.4.2. 476Reckenfelderbäumer (2006), S. 45. 477Vgl. Becker/Rech (2014), S. 13–14. 478Vgl. Becker/Rech (2014), S. 170–253. 479Vgl. Becker/Rech (2014), S. 68–70. Alle dreizehn Quellen befinden sich auch in der eigenen Literaturstichprobe. 474Vgl.
3.6 Resümee und Limitationen der Literaturanalyse
161
kontinuierliche Weiterentwicklung, insbesondere in den Bereichen Problemfeldkonkretisierung, Funktionen, Aufgaben und Instrumente.480 • Becker/Rech registrieren zu den Controllinginstrumenten, dass sich in der Literatur die Prozesskostenrechnung, das Target Costing und die Balanced Scorecard als Basisinstrumente des Dienstleistungscontrollings etabliert haben.481 • Becker/Rech diagnostizieren nahezu gleichlautend, dass das Dienstleistungscontrolling seine theoretische Fundierung durch die Übertragung generischer Controllingkonzeptionen erhält und in dieser entscheidungs- und systemtheoretische Ansätze dominieren. Auch sie bemängeln das Fehlen von verhaltensorientierten Ansätzen auf der Grundlage ökonomischer oder verhaltenswissenschaftlicher Theorien sowie Theorien, welche die steuerungsrelevante Zusammenhänge der Dienstleistungswertschöpfung erklären und einer Gestaltung durch das Controlling zugänglich machen.482 • Gemäß Becker/Rech verfügt die Mehrzahl der von ihnen untersuchten theoretisch-konzeptionellen Beiträge des Dienstleistungscontrollings über keine ausreichend ausgebaute empirische Bezugsbasis. Allenfalls vereinzelt stoße man auf Einzelfallstudien, durchgeführt in Unternehmen verschiedener Branchen.483
3.6 Resümee und Limitationen der Literaturanalyse Die Forschungskonzeption in Abschnitt 1.2 sieht eine Bestandsaufnahme der Literatur des Dienstleistungscontrollings vor. Ziel der Bestandsaufnahme ist es, den gegenwärtigen Forschungsstand zum Dienstleistungscontrolling zu erheben und Forschungslücken auszumachen. Die bisherigen qualitativ-analytischen Literaturanalysen von Reckenfelderbäumer484 und Becker/Rech485 aus den Jahren 2006 und 2014 sind zu lange her, um den aktuellen Stand der Forschung widerzuspiegeln. Außerdem werten sie nur wenige Quellen aus. Für die eigene Literaturanalyse wurde deshalb – erstmals für das Forschungsgebiet
480Vgl.
Becker/Rech (2014), S. 254–256. Becker/Rech (2014), S. 166, 212–249, 250. 482Vgl. Becker/Rech (2014), S. 164–168, 256–257. 483Vgl. Becker/Rech (2014), S. 168–170, 257. 484Vgl. Reckenfelderbäumer (2006), S. 39–46. 485Vgl. Becker/Rech (2014), S. 68–133. 481Vgl.
162
3 Bestandsaufnahme der Literatur des Dienstleistungscontrollings
des Dienstleistungscontrollings – eine quantitativ-deskriptive Literaturanalyse durchgeführt. Sie ergänzt die Ergebnisse der bisherigen qualitativ-analytischen Literaturreviews. Aus Methodensicht stellt sie die Literaturanalysen zum Dienstleistungscontrolling auf ein breiteres Fundament. Zur Analyse der Literatur wurden 11 Forschungsfragen formuliert. Sie beziehen sich auf die Publikationstätigkeit, die thematischen Schwerpunkte, die Forschungsmethoden und die theoretische und empirische Fundierung des Dienstleistungscontrollings. Die Ergebnisse der Publikationstätigkeit belegen, dass die von Schäffer/ Weber noch im Jahr 2002 festgestellte geringe Beachtung des Controllings von Dienstleistungen in der Literatur, heute nicht mehr anzutreffen ist.486 Seither hat das Dienstleistungscontrolling in der Literatur deutlich mehr Aufmerksamkeit erfahren – 76 % der seit 1987 ausgewerteten Beiträge sind nach 2002 erschienen.487 Dennoch: Im Vergleich zu anderen Forschungsgebieten des Controllings und der Dienstleistungsforschung ist das Dienstleistungscontrolling weiterhin ein kleines Forschungsfeld.488 Anders als im Dienstleistungsmarketing und -management, wo Forscher ihre Forschungsergebnisse in wissenschaftlichen Zeitschriften publizieren, spielen beim Dienstleistungscontrolling Sammelwerke und praxisnahe Zeitschriften eine erhebliche Rolle. Sammelwerke wie Bruhn/Stauss489 haben entscheidend zur Weiterentwicklung des Dienstleistungscontrollings beigetragen. Gleichwohl ist in den letzten Jahren eine zunehmende Tendenz von Aufsätzen in Zeitschriften festzustellen. Thematisch bilden konzeptionelle Überlegungen zu dienstleistungsspezifischen Controllingsystemen die Schwerpunkte in der Literatur und zum Kosten-, Erlös- und Ergebnismanagement. Wenig Beachtung finden Themenfelder wie die wertorientierte Unternehmenssteuerung, das Qualitätscontrolling, das Portfolio- und Entwicklungscontrolling, das Preiscontrolling, das Produktionscontrolling und die Organisation des Dienstleistungscontrollings. Die Prozesskostenrechnung (inkl. Activity-Based Costing) und das Target Costing schälen sich allmählich als instrumentaler Kern des Kosten-, Erlös- und Ergebnismanagements heraus. Im internationalen Vergleich unterscheiden sich die Analysen der dienstleistungsspezifischen Controllingsysteme. Während die Autoren deutschsprachiger Beiträge vornehmlich generische Controllingkonzeptionen auf Dienstleistungsbesonderheiten übertragen, untersuchen Autoren internationaler
486Vgl.
Schäffer/Weber (2002), S. 5.
487Vgl. Abbildung 3.15. 488Vgl. 489Vgl.
Benkenstein et al. (2017), S. 6. Bruhn/Stauss (Hrsg., 2006).
3.6 Resümee und Limitationen der Literaturanalyse
163
Beiträge die Wirkung von dienstleistungsspezifischen Kontextfaktoren auf Controllingsysteme basierend auf dem Situativen Ansatz. Insgesamt gesehen, betrachten die Autoren das Dienstleistungscontrolling nahezu ausnahmslos unter Sachaspekten. Verhaltensaspekte werden aus Sicht des Controllings bis auf wenige Ausnahmen kaum untersucht, obwohl dem Verhalten des Kunden und dem Dienstleistungspersonal im Dienstleistungsprozess eine herausragende Stellung zugesprochen werden. Forschungsmethodisch überwiegen sachlich-analytische Beiträge, die zu nahezu allen Themenbereichen des Dienstleistungscontrollings vorliegen. Besonders viele beschäftigen sich mit der Konzeption des Dienstleistungscontrollings. Formal-analytische Arbeiten und ausschließlich empirische Arbeiten sind selten. Beiträge, die analytische Überlegungen und empirischen Befunde kombinieren, findet man in internationalen Journals und Dissertationen. Borrmann ist einer der wenigen Autoren, der sachlich-analytische und empirische Forschung zur Entwicklung einer Konzeption des Dienstleistungscontrollings kombiniert.490 Zu den Themenfeldern, die konzeptionell, theoretisch und empirisch am ausgewogensten ausgeleuchtet sind, zählen das Kosten-, Erlös- und Ergebnismanagement und das Service Performance Measurement. In Bezug auf die theoretische Fundierung des Dienstleistungscontrollings lässt sich zusammenfassen, dass die Produktions- und Kostentheorie, die Entscheidungs- und die Systemtheorie den gegenwärtigen Theoriekern des Dienstleistungscontrollings bilden. Autoren von Beiträgen zum Kosten-, Erlösund Ergebnismanagement fundieren ihre theoretischen Überlegungen gerne mit der Produktions- und Kostentheorie und Autoren von Beiträgen zur Konzeption des Dienstleistungscontrollings mit der System- und Entscheidungstheorie. Letzteres ist eine Begleiterscheinung der in der deutschsprachigen Literatur vorzufindenden Vorgehensweise, generische Controllingkonzeptionen auf den Dienstleistungsbereich zu übertragen. In der Dienstleistungsforschung sind verhaltensorientierte Ansätze und die Service-dominant Logic weit verbreitet. Als theoretische Basis des Dienstleistungscontrollings spielen sie indes keine Rolle. Das Dienstleistungscontrolling zieht somit seine theoretische Fundierung aus Theorien, die das Controlling verwendet, nicht aber aus Theorien zur Erklärung von Dienstleistungen. Das Dienstleistungscontrolling ist empirisch kaum fundiert. Das stellten bereits Schäffer/Weber fest: „Eigenständige empirische Erhebungen zum Controlling in Dienstleistungsunternehmen liegen nach unserem Kenntnisstand
490Vgl.
Borrmann (2003).
164
3 Bestandsaufnahme der Literatur des Dienstleistungscontrollings
bislang leider nicht vor.“491 Mit einigen wenigen Einschränkungen ist die Aussage von Schäffer/Weber heute noch gültig. Empirische Erkenntnisse liegen inzwischen vor allem zur Prozesskostenrechnung, zum Activity-Based Costing und zum Target Costing vor. Sie stammen im Wesentlichen aus Erhebungen von Dissertationsprojekten. Empirische Erhebung zur Konzeptualisierung des Dienstleistungscontrollings führen lediglich Borrmann492 und Impuls Management Consulting493 durch. Forschungsmethodisch werden die Daten am häufigsten mit der Fallstudie erhoben. Es handelt sich dabei in der Regel um konfirmatorische Einzelfallstudien in Unternehmen verschiedener Branchen, weniger um branchenübergreifende, explorative und vergleichende Fallstudien. Am zweithäufigsten greifen Autoren zur Erhebung empirischer Daten auf die Fragebogenstudie zurück. Laborexperimente sind selten, Experteninterviews ebenfalls. Werden Experteninterviews eingesetzt, dann meist in Kombination mit Fallstudien oder Fragebogenstudien. Die quantitativ-deskriptive Literaturanalyse unterliegt Limitationen. Zunächst ist zu beachten, dass sich die Ergebnisse ausschließlich auf das leistungsbezogene Dienstleistungscontrolling – den Forschungsgegenstand der Arbeit – beziehen und nicht auf das Controlling spezieller betrieblicher Dienstleistungsfunktionen oder bestimmter Dienstleistungsbranchen. Die explorativen Forschungsfragen orientieren sich an den Forschungszielen der Arbeit und richten sich primär auf die Analyse der konzeptionellen, theoretischen und empirischen Basis des Dienstleistungscontrollings. Andere Aspekte des Dienstleistungscontrollings wurden von den Forschungsfragen bewusst nicht beleuchtet. Nach der Literatur wurde mit Suchbegriffen in Literaturdatenbanken gesucht. Es ist nicht auszuschließen, dass die Wahl anderer oder zusätzlicher Begriffe, anderer Datenbanken oder Suchstrategien zu anderen Ergebnisse geführt hätten. Innerhalb der Codierung wurden Beiträge stets nur einer einzigen Unterkategorie einer Kategorie zugeordnet. Eine andere Methodik der Textzuordnung z. B. die Zuordnung einzelner Textpassagen und eine dementsprechende Mehrfachzuordnung von Beiträgen zu Kategorien, hätte zwangsläufig eine andere Häufigkeitsverteilung hervorgebracht. Aufgrund des quantitativ-deskriptiven Forschungsdesigns ist die Analysetiefe auf die Ausprägung des Kategoriensystems begrenzt. Abgesehen
491Schäffer/Weber (2002); zuvor bereits Modell (1996), S. 76: „much empirical work remains to be done before we can lay claim to having developed an integrated and coherent theory of service management control.” 492Vgl. Borrmann (2003). 493Vgl. Impuls Management Consulting (2005).
3.6 Resümee und Limitationen der Literaturanalyse
165
von derartigen Limitationen konnte die Reliabilität und Validität der Literaturanalyse als hinreichend beurteilt werden. Folgende Konsequenzen ergeben sich aus den Ergebnissen der Literaturanalyse für den weiteren Verlauf der Untersuchung:494 Das primäre Ziel der Arbeit ist es, auf der Grundlage der wertschöpfungsorientierten Controllingkonzeption einen Beitrag zur konzeptionellen, theoretischen und empirischen Fundierung des Dienstleistungscontrollings in der Betriebswirtschaftslehre zu leisten.495 Die Analyse der thematischen Schwerpunkte des Dienstleistungscontrollings hat ans Licht gebracht, dass in den zurückliegenden Jahren die Beiträge zunehmen, welche die gemeinsamen konzeptionellen Grundlagen des Dienstleistungscontrollings branchen- und funktionsübergreifend thematisieren. Die Beiträge konzentrieren sich allerdings zu einseitig auf Sachaspekte. Für die eigene Konzeptualisierung bedeutet dies, die bisherigen Ansätze in einen Gesamtrahmen zu integrieren, der sowohl Sachaspekte als auch Verhaltensaspekte umfasst. Des Weiteren haben die Ergebnisse der Literaturanalyse aufgedeckt, dass das Dienstleistungscontrolling theoretisch und empirisch spärlich fundiert ist. Für eine festere theoretische Fundierung sind ausgehend vom theoretischen Kern der wertschöpfungsorientierten Controllingkonzeption einerseits verhaltensorientierte Theorien zu integrieren, um dienstleistungsspezifische Verhaltensaspekte und ihre Wirkung auf die Wertebene transparent zu machen. Zum anderen sind Theorien zu integrieren, welche die steuerungsrelevanten Sachverhalte der Dienstleistungswertschöpfung erklären. Empirisch muss die Konzeption des Dienstleistungscontrollings weiter untermauert werden. In Anlehnung an die Arbeiten von Borrmann496 und Impuls Management Consulting497 und an das Prinzip der Forschung im Gegenstrom498 sind weiterhin theoretische und empirische Erkenntnisse zu verknüpfen. Insbesondere verbreitert eine branchenund funktionsübergreifende, explorativ-deskriptive Studie das empirische Fundament des Dienstleistungscontrollings.
494Vgl.
auch die Forschungsagenda von Becker/Rech (2014), S. 260-262.
495Vgl. Abschnitt 1.2.2. 496Vgl.
Borrmann (2003). Impuls Management Consulting (2005). 498Vgl. Abschnitt 1.2.3. 497Vgl.
4
Entwurf der Konzeption des Dienstleistungscontrollings
Teil 4 wendet sich der zweiten Forschungsfrage zu: Wie muss eine dienstleistungsspezifische Controllingkonzeption gestaltet sein, die sich von Branchen- und Funktionsbezügen löst und auf gemeinsamen konzeptionellen und theoretischen Grundlagen fußt?1 Zunächst werden in Abschnitt 4.1 die Forschungsziele erläutert. In Abschnitt 4.2 wird der Begriff der Controllingkonzeption geklärt und die Bestandteile einer Controllingkonzeption beschrieben. Gegenstand der beiden Folgekapitel ist die Analyse des konzeptionellen (Abschnitt 4.3) und des theoretischen (Abschnitt 4.4) Bezugsrahmens. Die Aufteilung der Bezugsrahmen lehnt sich an die Sicht der Controllingforschung an, wonach „das Controlling sowohl eine theoretische als auch eine konzeptionelle Fundierung [benötigt].“2 In Abschnitt 4.5 werden die Elemente des Dienstleistungscontrollings ausgeprägt, bevor schließlich in Abschnitt 4.6 ein Resümee der Ergebnisse gezogen und auf die Limitationen der Konzeptualisierung eingegangen wird.
1Vgl. Abschnitt
1.2.2. (2004), S. 6.
2Scherm/Pietsch
Elektronisches Zusatzmaterial Die elektronische Version dieses Kapitels enthält Zusatzmaterial, das berechtigten Benutzern zur Verfügung steht https://doi.org/10.1007/978-3-658-31326-5_4 © Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 S. Rech, Dienstleistungscontrolling, Unternehmensführung & Controlling, https://doi.org/10.1007/978-3-658-31326-5_4
167
168
4 Entwurf der Konzeption des Dienstleistungscontrollings
4.1 Forschungsziele Das zentrale Forschungsziel von Teil 4 besteht darin, eine Konzeption des Dienstleistungscontrollings zu entwerfen.3 Die in Teil 3 durchgeführte Literaturanalyse hat ergeben, dass Beiträge zu den konzeptionellen Grundlagen des Dienstleistungscontrollings einen thematischen Schwerpunkt in der Literatur einnehmen und es in der deutschsprachigen Literatur weitgehend üblich ist, allgemeine Controllingkonzeptionen auf den Kontext der Dienstleistung zu übertragen.4 Die Überzeugung, dass spezielle Controllingkonzeptionen erfolgreich aus allgemeinen deduziert werden können, wird uneingeschränkt geteilt.5 Den theoretisch-konzeptionellen Kern der Konzeption des Dienstleistungscontrollings bildet die wertschöpfungsorientierte Controllingkonzeption.6 In Abschnitt 1.2.3 wurde argumentiert, dass das Dienstleistungscontrolling zum einen seine konzeptionelle Fundierung über die zugrundeliegende Controllingkonzeption erhält, darüber hinaus aber weitere konzeptionelle Bezugsrahmen im Kontext der Dienstleistung zu ergänzen sind, um die eigenständige Problemstellung des Dienstleistungscontrollings zu fundieren.7 Die Suche nach solchen dienstleistungsbezogenen Bezugsrahmen beginnt bei den Beiträgen zur Konzeption des Dienstleistungscontrollings der Literaturanalyse aus Teil 3. Es ist zu prüfen, welche konzeptionellen Bezugselemente sie zur Fundierung nutzen. Vor allem – und das ist die erste Konsequenz der Literaturanalyse – ist vermehrt nach konzeptionellen Elementen Ausschau zu halten, die dienstleistungsspezifische Sach- und Verhaltensaspekte integrieren. In Abschnitt 1.2.3 wurde in Bezug auf die theoretische Fundierung des Dienstleistungscontrollings analog argumentiert: Einerseits zieht das Dienstleistungscontrolling seine theoretische Fundierung aus theoretischen Ansätzen der zugrundeliegenden Controllingkonzeption. Anderseits sind weitere Theorien zu ergänzen, um Lösungsideen für die speziellen Problemfelder des Dienstleistungscontrollings zu entwickeln.8 Gemäß der Literaturanalyse dominieren
3Vgl.
nochmals Abschnitt 1.2.2. 3.4.2. 5Zur Begründung s. die Abschnitte 1.2.3 und 2.3.1. 6Zur Begründung s. die Abschnitte 1.2.3 und 2.3.1. Zur wertschöpfungsorientierten Controllingkonzeption s. Becker (1999); Becker/Baltzer (2010), S. 12–21; Becker/Baltzer/Ulrich (2014), S. 49–62; Becker (2017), S. 55–74, 86–90; Baltzer/Ulrich (2019). 7Vgl. Abschnitt 1.2.3. 8Vgl. Abschnitt 1.2.3. 4Vgl. Abschnitt
4.2 Begriff der Controllingkonzeption und ihre Elemente
169
system- und entscheidungsorientierte Ansätze in Beiträgen zur Konzeption des Dienstleistungscontrollings, währenddessen es an verhaltensorientierten Ansätzen mangelt.9 Aus diesem Grund wird neben sachorientierten – und das ist die zweite Konsequenz der Literaturanalyse – nach verhaltensorientierten Ansätzen gesucht. Ausgehend von diesen Vorüberlegungen werden in Teil 4 drei Teilziele bei der Konzeptualisierung des Dienstleistungscontrollings verfolgt: 1. Ausgehend von den konzeptionellen Ansätzen bisheriger Arbeiten wird ein konzeptioneller Bezugsrahmen definiert, der gleichrangig dienstleistungsspezifische Sach- und Verhaltensaspekte berücksichtigt (Abschnitt 4.3). 2. Ausgehend von den theoretischen Ansätzen bisheriger Arbeiten wird ein theoretischer Bezugsrahmen definiert, der gleichrangig theoretische Ansätze zur Erfassung von dienstleistungsspezifischen Sach- und Verhaltensaspekten umfasst (Abschnitt 4.4). 3. Auf der Grundlage der wertschöpfungsorientierten Controllingkonzeption und den in Punkt 1 und 2 definierten konzeptionellen und theoretischen Bezugsrahmen werden die Elemente des Dienstleistungscontrollings gestaltet (Abschnitt 4.5). Zuvor wird in Abschnitt 4.2 der Begriff der Controllingkonzeption definiert und die Bestandteile festgelegt, aus denen eine Controllingkonzeption im allgemeinen besteht.
4.2 Begriff der Controllingkonzeption und ihre Elemente Allgemein versteht man unter einer Konzeption „eine umfassende Zusammenstellung zielgerichteter Aspekte eines inhaltlich zu umfassenden Objektfeldes unter strukturellen und prozessualen Gesichtspunkten.“10
9Vgl. Abschnitt
3.4.4. (2017), S. 96 (im Original zum Teil hervorgehoben und kursiv). Im Gegensatz zur Konzeption ist ein Konzept laut Becker (2017), S. 96, „hinsichtlich Tiefe und Breite der anzustellenden Überlegungen und der theoretischen Auseinandersetzung mit dem zu betrachtenden Objektfeld eher weniger umfassend und detailliert“.
10Becker
170
4 Entwurf der Konzeption des Dienstleistungscontrollings
Zu der Frage, was man unter einer Controllingkonzeption versteht, findet man in der Literatur verschiedene Antworten.11 Eine Controllingkonzeption erklärt für Küpper aus funktionaler Perspektive, „was man unter dieser Funktion [dem Controlling] versteht und welche Merkmale diese Funktion charakterisieren.“12 Für Friedl löst sie Probleme: „Unter einer Controllingkonzeption wird […] ein gedanklicher Entwurf für die zielorientierte Lösung einer spezifischen Problemstellung des Controlling [sic!] verstanden.“13 Den Anwendungsbezug stellen Scherm/ Pietsch heraus. Für sie sind Controllingkonzeptionen praktisch-normative Aussagesysteme, die „eine Mittlerfunktion zwischen Theorie und Praxis [übernehmen], indem sie in gestaltender Absicht und in meist eklektischer Vorgehensweise theoretische Aussagen aufgreifen, mit normativen Postulaten verknüpfen und auf die Praxis beziehen.“14 Schweitzer/ Friedl unterstreichen die Elemente einer Controllingkonzeption. Für sie beinhaltet sie „Aussagen über die funktionale, instrumentale und institutionale Gestaltung des Controlling [sic!], die konsequent aus operational formulierten ControllingZielen abgeleitet sein muß [sic!].“15 Becker/Rech fassen zusammen: „Eine Controllingkonzeption stellt einen Bezugsrahmen dar, der ein praxeologisches Wissenschaftsziel verfolgt, aus Elementen besteht, die gegenseitig in einer Zweck-Mittel-Beziehung […] stehen und Kontextfaktoren bei der Ausgestaltung berücksichtigen.“16 Für das Ziel der Arbeit wird von dem Grundverständnis von Becker/Rech ausgegangen. Besonders akzentuiert wird der Problemlösungsbezug: Unter einer Konzeption des Dienstleistungscontrollings wird ein gedanklicher Lösungsentwurf verstanden, der die Elemente einer Controllingkonzeption mit dem Ziel anpasst, die dienstleistungsspezifischen Lokomotions-, Abstimmungs- und Informationsprobleme zu lösen. Die Funktionen des Controllings werden dafür auf das Objekt der Dienstleistung angewendet.17
11Vgl.
Friedl (2013), S. 2; Becker/Rech (2014), S. 58–60; Baltzer/Ulrich (2019), S. 98–99. et al. (2013), S. 11. 13Friedl (2013), S. 4. 14Scherm/Pietsch (2004), S. 8. 15Schweitzer/Friedl (1992), S. 142. 16Becker/Rech (2014), S. 58. 17Vgl. Becker/Rech (2013), S. 515, 520; dies. (2014), S. 58–60. 12Küpper
4.2 Begriff der Controllingkonzeption und ihre Elemente
171
Eine Controllingkonzeption besteht idealtypisch aus verschiedenen, zusammenhängenden Bestandteilen, die hier mit Becker als Elemente einer Controllingkonzeption bezeichnet werden (vgl. Abbildung 4.1):18 • Die Controlling-Philosophie ist Teil der Unternehmenskultur. Sie repräsentiert Werte, Normen und Prinzipien nach denen die Aufgabenträger des Controllings ihr Handeln ausrichten.19 Als implizite Grundsätze oder schriftlich fixierte Leitbilder beeinflusst die Controlling-Philosophie die Gestaltung der anderen Elemente. • Die Controlling-Ziele sind diejenigen Unternehmensziele, die das Controlling mit der Ausübung seiner Funktionen verfolgt. Im Sinne der langfristigen Existenzsicherung der Unternehmung kann es sich dabei um Wert-, Produktund Markt-, Prozess- und Potenzialziele handeln. • Die Controlling-Funktionen beschreiben in allgemeiner Form diejenigen Aufgabenbündel, mit denen das Controlling versucht, die Controlling-Ziele zu erreichen.20 Gemäß der wertschöpfungsorientierten Controllingkonzeption übt das Controlling die Funktionen der Lokomotion, Abstimmung und Information aus. • Controlling-Objekte können alle der Wertsphäre vorgelagerten Objekte der betrieblichen Leistungssphäre sein. Hierzu gehören Programme, Portfolios, Produkte, Projekte, Prozesse und Potenziale. • Die Controlling-Aufgaben ergeben sich durch die Anwendung der Controlling-Funktionen auf die Controlling-Objekte. Es resultieren Zielbildungs- und Planungsaufgaben, Steuerungs- und Kontrollaufgaben, Berichts- und Beratungsaufgaben sowie Management-Rechnungsaufgaben. • Controlling-Aufgabenträger sind vornehmlich Manager und Controller. Ab einer bestimmten Betriebsgröße nimmt tendenziell der Manager eher die Aufgaben der Lokomotionsfunktion wahr und delegiert die Aufgaben der Abstimmungs- und Informationsfunktion an den Controller. • Die Träger von Controlling-Aufgaben setzen zur Erfüllung ihrer Aufgaben Controlling-Instrumente ein. Zum Beispiel erfahren durch die
18Vgl.
Becker/Rech (2014), S. 63–65; Becker/Baltzer/Ulrich (2014), S. 50–51, 70–219; Becker (2017), S. 97–154. 19Vgl. Welge (1988), S. 450–451. 20Den Funktionen kommt eine herausragende Stellung unter den Elementen zu. Sie kennzeichnen die eigenständige Problemstellung des Controllings und grenzen es von anderen betriebswirtschaftlichen Funktionen ab. Vgl. Küpper et al. (2013), S. 11–12.
172
4 Entwurf der Konzeption des Dienstleistungscontrollings
Digitalisierung im Controlling Prognosedaten, Predictive Analytics, Treibermodelle, Business Analytics, Self Controlling und In-Memory Datenbanktechnologien steigende Bedeutung.21 • Controlling-Prozesse finden innerhalb der bestehenden Controlling-Struktur statt. Controlling-Prozesse sind zeitliche und logische Abfolgen von Aktivitäten zur Herstellung einer definierten Controllingleistung, wie z. B. Budget, Forecast, Quartalsbericht samt Abweichungsanalyse. Die Aktivitäten sind hinsichtlich Art, Objekt, Träger, Mittel, Ort, Zeit und Rhythmus determiniert. • Der Controlling-Erfolg misst die Effektivität und Effizienz des Controllings in Bezug auf die Controlling-Ziele. Im Gegensatz zu den anderen Elementen ist der Controlling-Erfolg kein Gestaltungselement des Controllings, sondern ein Element zur Messung. Situativer Kontext
ControllingPhilosophie
Controlling-Struktur
ControllingProzesse Determinanten:
Leitbild
Ziele
Funktionen
Objekte
Art Objekt
Aufgaben Aufgabenträger Methoden, Instrumente und Werkzeuge
Träger
Mittel Ort Zeit Rhythmus
Controlling-Erfolg
Abbildung 4.1 Generische Elemente einer Controllingkonzeption. (Quelle: Becker/ Baltzer/Ulrich (2014), S. 51; Becker (2017), S. 97)
Ziele, Funktionen, Objekte, Aufgaben, Aufgabenträger sowie Methoden, Instrumente und Werkzeuge bilden zusammen die Controllingstruktur.22
21Vgl.
Nobach (2019), S. 252–263. Becker/Baltzer/Ulrich (2014), S. 51; Becker (2017), S. 107–108; zur funktionalen, institutionalen und instrumentalen Gestaltung des Controllings s. auch Schweitzer/Friedl (1992), S. 142; Ossadnik (2009), S. 31–34; Horváth/Gleich/Seiter (2015), S. 57–58; Reichmann/Kißler/Baumöl (2017), S. 2–3.
22Vgl.
4.3 Konzeptioneller Bezugsrahmen
173
Gemeinsam mit den Controlling-Prozessen spiegelt sich darin das allgemeine Modell des betrieblichen Handelns wider, wonach sich das betriebliche Handeln in einem zweckgerichteten Dualismus aus Strukturen und Prozessen vollzieht.23 Übertragen auf die Controllingkonzeption ist das Controllinghandeln auf den Wertschöpfungszweck der Unternehmung gerichtet und vollzieht sich in einem Dualismus aus Controlling-Strukturen und Controlling-Prozessen, geleitet von der Controlling-Philosophie und gemessen am Controlling-Erfolg. Neben der Zweck-Mittel-Beziehung der Elemente sind Controllingkonzeptionen durch das Merkmal der Kontextorientierung gekennzeichnet.24 Es lassen sich allgemeine und spezielle Controllingkonzeptionen unterscheiden.25 Die Aussagen allgemeiner Controllingkonzeptionen beanspruchen allgemeine Gültigkeit und Übertragbarkeit auf den Kontext verschiedener Branchen und betrieblicher Funktionen. Durch die Anpassung der Elemente einer Controllingkonzeption an situative Bedingungskonstellationen entstehen spezielle Controllingkonzeptionen. In dieser Arbeit wird aus der allgemeinen, wertschöpfungsorientierten Controllingkonzeption durch die Anwendung auf den situativen Kontext der Dienstleistung eine spezielle Konzeption für das Dienstleistungscontrolling entwickelt.
4.3 Konzeptioneller Bezugsrahmen In Abschnitt 4.3 wird das erste Forschungsziel aus Abschnitt 4.1 umgesetzt: Ausgehend von den konzeptionellen Ansätzen bisheriger Arbeiten wird ein konzeptioneller Bezugsrahmen definiert, der gleichrangig dienstleistungsspezifische Sach- und Verhaltensaspekte berücksichtigt. Am Anfang wird in Abschnitt 4.3.1 erklärt, was sich hinter dem Begriff des konzeptionellen Bezugsrahmens verbirgt und wie er sich von einem theoretischen Bezugsrahmen abgrenzt. In Abschnitt 4.3.2 werden die Beiträge der Literaturanalyse, die sich mit dem Themenfeld „Konzeption des Dienstleistungscontrollings“ beschäftigen, noch einmal qualitativ untersucht. Ziel der Analyse ist es, herauszuarbeiten, welche konzeptionellen Bezugsrahmen die Autoren dieser Beiträge verwenden. Dabei
23Vgl.
Becker (2017), S. 88; Baltzer/Ulrich (2019), S. 103–104. Küpper/Weber/Zünd (1990), S. 286–287; Weber/Schäffer (1999), S. 740–743. 25Vgl. Baltzer/Ulrich (2019), S. 99. 24Vgl.
174
4 Entwurf der Konzeption des Dienstleistungscontrollings
wird sich zeigen, dass die Mehrzahl der Autoren konstitutive Eigenschaften von Dienstleistungen als Ausgangspunkt ihrer Betrachtung wählen (Abschnitt 4.3.3). Neben Dienstleistungsmerkmalen grenzen die Autoren den Objektbereich des Dienstleistungscontrollings über Dienstleistungsprozesse (Abschnitt 4.3.4) und mehrdimensionale Dienstleistungsräume (Abschnitt 4.3.5) ab. In Abschnitt 4.3.6 werden die bedeutenden Erkenntnisbeiträge dieser Ansätze in den eigenen konzeptionellen Bezugsrahmen des Dienstleistungscontrollings integriert. Damit verfolgt der eigene Bezugsrahmen weniger die Absicht sich von bisherigen Bezugsrahmen überdeutlich abzugrenzen, als vielmehr wichtige Erkenntnisse bisherige Ansätze zu integrieren, um darauf gestützt die konzeptionelle Basis des Dienstleistungscontrollings zu festigen.
4.3.1 Zum Begriff des konzeptionellen Bezugsrahmens Kubicek versteht unter einem konzeptionellen Bezugsrahmen26 ein provisorisches Erklärungsmodell, das im Forschungsprozess zwei Zwecke erfüllt. Der konzeptionelle Bezugsrahmen • steuert den Forschungsprozess, indem er durch Fragen und Interpretationsmuster die Probleme präzisiert und Hinweise zu ihrer Lösung entwickelt und • als unmittelbare Orientierungshilfe für die Lösung praktischer Probleme dient.27 Für das Dienstleistungscontrolling bedeutet dies: Der konzeptionelle Bezugsrahmen muss die für Dienstleistungen typischen Lokomotions-, Abstimmungsund Informationsprobleme erfassen und sie schrittweise einer Lösung durch das
26Zum
Begriff und zur Funktionsweise eines Bezugsrahmens s. Becker (2019), S. 25–26, m. w. N. Zum Begriff des konzeptionellen Bezugsrahmens i. V. m. Controllingkonzeptionen s. Becker/Rech (2014), S. 58–59, und die dort angegebene Literatur. 27Vgl. Kubicek (1977), S. 17–18.
4.3 Konzeptioneller Bezugsrahmen
175
Controlling zuführen. Damit er seine Funktion als praktische Orientierungshilfe erfüllen kann, muss der konzeptionelle Bezugsrahmen die Probleme der Unternehmenspraxis adressieren. Kubicek weist darauf hin, dass konzeptionelle Bezugsrahmen zwar Behauptungscharakter haben, in ihrer logischen Konsistenz und Operationalität aber nicht den strengen Anforderungen eines theoretischen Bezugsrahmens genügen.28 Eine mit Kubicek vergleichbare Abgrenzung nimmt Köhler vor: „Ein konzeptioneller Bezugsrahmen liefert zwar nicht unmittelbar Erklärungen und Prognosemöglichkeiten, wie es von einer Theorie mit Informationsgehalt erwartet wird. Aber er formt eine spezifische Sicht auf den Untersuchungsgegenstand und lenkt damit die Forschungsarbeiten nach einem vorgegebenen Problemverständnis.“29
4.3.2 Analyse bisheriger Bezugsrahmen Die in der Literaturanalyse dem Themenschwerpunkt „Konzeption des Dienstleistungscontrollings“ zugeordneten 31 Beiträge werden nach zwei Gesichtspunkten untersucht.30 Einerseits wird analysiert, welche konzeptionellen Ansätze die Autoren zur Beschreibung und Erklärung der Funktionen des Controllings nutzen. Anderseits wird geprüft, in welcher Form die Autoren den Objektbereich des Dienstleistungscontrollings, d.h. das Ausführungssystem von Dienstleistungen, konzeptionell berücksichtigen. Die Ergebnisse der Analyse fasst die Abbildung 4.2 zusammen. Details zu der Analyse sind dem Anhang 8.3 zu entnehmen.
28Vgl.
Kubicek (1977), S. 17–18. Köhler (2016), S. 413–414. 30Vgl. zur Literaturanalyse nochmals Abschnitt 3.4.2. 29Vgl.
176
Konzeptioneller Bezugsrahmen
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Sonstiges versorgung
Dienstleistungsprozesse
Sonstiges
Rationalitätssicherung
Wertschöpfungsorientierung
Effektivität und Effizienz
Koordination
Informations-
Autor(en) (Jahr) Bruggeman/Bartholo meeussen/Heene (1988) Lowry (1990) Meyer (1995) Modell (1996) Friedl (1998) Küpper (1998) Fischer (2000) Weber/Schäffer (2001) Schäffer/Weber (2002) Borrmann (2003) Kinkel (2003) Klingebiel (2003) Botta (2004) Corsten/Gössinger (2004) Lay (2005) Bruhn/Stauss (2006) Engelhardt/Reckenfe lderbäumer (2006) Gerling/Jonen (2006) Lingnau/Gerling (2006) Reckenfelderbäumer (2006) Bruhn (2008) Gleich/Petschnig/Sch midt (2010) Aas (2011) Steven/keine genannte Schulte/Alevivard (2012) Becker/Rech (2013)
Dienstleistungsphasen
… für die Dienstleistung
…für das Controlling
Dienstleistungsmerkmale
N = 31
4 Entwurf der Konzeption des Dienstleistungscontrollings
1 1
1 1
1
Abbildung 4.2 Konzeptionelle Bezugsrahmen des Dienstleistungscontrollings. (Quelle: Eigene Erhebung in Anlehnung an die Übersichten bei Becker/Rech (2014), S. 136 und 178, aktualisiert und deutlich erweitert)
177
4.3 Konzeptioneller Bezugsrahmen Warg/Hoffmann/Boe khoff (2013) Becker/Rech (2014) Auzair (2015) King/Clarkson (2015) Schuh/Gundergan/Tr ebels (2016) Steven/Granjean (2017) Summe
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27
6
Abbildung 4.2 (Fortsetzung)
Betrachtet man zunächst die Controllingkonzepte und -konzeptionen31, so fällt auf, dass von den 31 Beiträgen 18 Beiträge die Funktionen des Dienstleistungscontrollings aus generischen Controllingkonzeptionen ableiten.32 Davon schließen sich in 5 Beiträgen33 die Autoren der rationalitätsorientierten Konzeption von Weber/Schäffer34 an, in 5 Beiträgen35 vertreten die Autoren ein koordinationsorientiertes Verständnis gemäß Horváth36 oder Küpper37, in 3 Beiträgen38 ordnen die Autoren dem Dienstleistungscontrolling die Funktion der Sicherung von
31Zur Abgrenzung
von Konzept und Konzeption s. Becker (2017), S. 96, sowie FN 10. 4.2 i.V.m. mit Anhang 8.3. 33Vgl. Weber/Schäffer (2001); Schäffer/Weber (2002); Borrmann (2003); Reckenfelderbäumer (2006); Steven/Grandjean (2017). 34Zur rationalitätsorientierten Konzeption s. Weber/Schäffer (1999); dies. (2016), S. 27, 37–60. 35Vgl. Friedl (1998); Küpper (1998); Fischer (2000); Gleich/Petschnig/Schmidt (2010); Schuh/ Gundergan/Trebels (2016). Streng genommen vertritt Friedl (2013), S. 1–33, mit der entscheidungsorientierten Controllingkonzeption eine eigene Konzeption. Da sie darin dem Controlling die Funktionen der Entscheidungskoordination und Sicherung der Informationsversorgung zuordnet, wird sie hier in die Autoren eingereiht, die sich für eine koordinationsorientierte Sichtweise des Dienstleistungscontrollings stark machen. 36Zur koordinationsorientierten Konzeption nach Horváth s. Horváth/Gleich/Seiter (2015), S. 33–64. 37Zur koordinationsorientierten Konzeption nach Küpper s. Küpper et al. (2013), S. 30–52. 38Vgl. Bruhn/Stauss (2006); Bruhn (2008); Steven/keine genannte Schulte/Alevivard (2012). 32Vgl. Abbildung
178
4 Entwurf der Konzeption des Dienstleistungscontrollings
Effektivität und Effizienz39 zu, Becker/Rech40 befürworten in 2 Beiträgen das wertschöpfungsorientierte Controlling nach Becker, Gerling41 in 2 Beiträgen das kognitionsorientierte Controlling von Lingnau42. Corsten/Gössinger43 sprechen sich für die reflexionsorientierte Konzeption von Pietsch/Scherm44 aus. In den restlichen 7 deutschsprachigen Beiträgen präsentieren die Autoren eigene Controllingkonzepte, die sich mal mehr, mal weniger eng an allgemeine Controllingkonzeptionen anlehnen.45 5 der 6 englischsprachigen Beiträge verwenden konzeptionelle Bezugsrahmen für Management Control Systeme zur Untersuchung der Einflussfaktoren auf das Controlling.46 Schwenkt man den Blick der Analyse auf die Frage, wie die Dienstleistung als Objektbereich des Controllings konzeptionell berücksichtigt wird, so lassen sich mehrere Ansätze unterscheiden. Typisch für nahezu alle Beiträge ist das Vorgehen, aus den konstitutiven Eigenschaften von Dienstleistungen – vornehmlich Immaterialität des Leistungsergebnisses und Integration externer Faktoren in der Leistungserstellung – Konsequenzen für das Controlling abzuleiten. In 27 der 31 Beiträge gehen Autoren auf diese Weise vor (vgl. Abbildung 4.2). In 6 Beiträgen leiten die Autoren die konstitutiven Merkmale aus den Dienstleistungsphasen Potenzial, Prozess und Ergebnis ab.47 Besonders ausgeprägt ist diese Phasenorientierung bei Botta, der zwischen Potenzial-, Prozess- und Performancecontrolling differenziert.48
39Zur
Sicherstellung der Effektivität und Effizienz der Führung als Kernfunktion des Controllings s. Dyckhoff/Ahn (2001); Ahn/Dyckhoff (2004). 40Vgl. Becker/Rech (2013); dies. (2014), S. 262–263. 41Vgl. Gerling/Jonen (2006); Lingnau/Gerling (2006). 42Zur kognitionsorientierten Konzeption s. Lingnau (2004); ders. (2006). 43Vgl. Corsten/Gössinger (2004). 44Zur reflexionsorientierten Konzeption s. Pietsch/Scherm (2000); dies. (2001); dies. (2004). 45Vgl. Meyer (1995); Kinkel (2003); Klingelbiel (2003); Botta (2004); Lay (2005); Engelhardt/Reckenfelderbäumer (2006); Warg/Hoffmann/Boekhoff (2013). 46Vgl. Bruggeman/Bartholomeeussen/Heene (1988); Modell (1996); Aas (2011); Auzair (2015); King/Clarkson (2015); sowie Anhang 8.3. Lowry (1990) greift dagegen eher einzelne Controlling-aspekte heraus, wie z.B. die Budgetierung oder die Verhaltenssteuerung, ohne dass seinen Betrachtungen ein konzeptioneller Rahmen für das Controllingsystem zugrunde liegt. 47Vgl. Fischer (2000); Borrmann (2003); Botta (2004); Corsten/Gössinger (2004); Corsten/ Gössinger (2004); Bruhn/Stauss (2006); Bruhn (2008). 48Vgl. Botta (2004), S. 804–805.
4.3 Konzeptioneller Bezugsrahmen
179
In 5 Beiträgen richten die Autoren den Fokus des Dienstleistungscontrollings auf den Dienstleistungsprozess.49 Friedl unterscheidet nach der Erfassbarkeit des Ergebnisses des Dienstleistungsprozesses in Anlehnung an Drucker50 drei Typen von Dienstleistungsprozessen.51 Weber und Schäffer verdichten den Gedanken von Friedl auf zwei Typen: Dienstleistungsprozesse mit geringer und hoher Unsicherheit des Managements in Bezug auf den Prozessverlauf und das Prozessergebnis.52 Corsten/Gössinger unterscheiden zwischen autonom durch den Anbieter und Nachfrager erbrachten Aktivitäten und gemeinsam erbrachten, sogenannten interaktiven Aktivitäten.53Auzair orientiert sich an Silvestro et al. bei der Klassifizierung der Dienstleistungsprozesse in Mass Services, Service Shops und Professional Services.54 Erwähnenswert erscheinen außerdem einige konzeptionelle Ansätze, die in Abbildung 4.2 in der rechten Spalte als „Sonstige“ gekennzeichnet sind. Beispielsweise beschreibt Fischer die Eigenschaftsprofile bestimmter Dienstleistungsarten mit einer mehrdimensionalen Dienstleistungstypologie.55 Corsten/ Gössinger separieren in der Endkombination der Dienstleistung die Dienstleistungsvereinbarung und -erstellung.56 Bruhn/Stauss referenzieren unter der Bezeichnung interne und externe Erfolgskette des Dienstleistungsmanagements auf die Service Profit Chain.57 Warg/Hoffmann/Boekhoff gehen in ihren Betrachtungen auf serviceorientierte Geschäftsmodelle ein.58 In 15 der 31 Beiträge beschränken sich die Autoren ausschließlich auf die Beschreibung des Objektbereiches anhand der Merkmale von Dienstleistungen. Darüber hinaus findet man Beiträge, die nicht nur eine, sondern gleich mehrere Dimensionen der Dienstleistung betrachten. In 6 Beiträgen setzen die Autoren
49Vgl.
Friedl (1998); Weber/Schäffer (2001); Schäffer/Weber (2002); Corsten/Gössinger (2004); Auzair (2015). 50Vgl. Drucker (1993), S. 59–61. 51Vgl. Friedl (1998), S. 471–472. 52Vgl. Weber/Schäffer (2001), S. 903–904; Schäffer/Weber (2002), S. 6–7. 53Vgl. Corsten/Gössinger (2004), S. 320. 54Vgl. Auzair (2015), S. 50–51, in Anlehnung an Silvestro et al. (1992). 55Vgl. Fischer (2000), S. 50–51. 56Vgl. Corsten/Gössinger (2004), S. 333. 57Vgl. Bruhn/Stauss (2006), S. 7–10; Bruhn (2008), S. 406–407. 58Vgl. Warg/Hoffmann/Boekhoff (2013), S. 86–88.
180
4 Entwurf der Konzeption des Dienstleistungscontrollings
Dienstleistungsmerkmale und -phasen in Bezug.59 In 5 Beiträgen kombinieren die Autoren Dienstleistungsmerkmale mit -prozessen.60 Besonders viele Perspektiven auf die Dienstleistung nehmen Corsten/Gössinger und Bruhn ein. Corsten/Gössinger entwickeln einen mehrdimensionalen Dienstleistungsraum, der aus dem externen Produktionsfaktor, der Potenzial-, Prozess- und Ergebnisebene, autonomen und interaktiven Aktivitäten, der Vor- und Endkombination und der Vereinbarung und Erstellung von Dienstleistungen in der Endkombination besteht.61 Das Dienstleistungsausführungssystem bei Bruhn umfasst ein Leistungserstellungssystem bestehend aus Potenzial-, Prozess- und Ergebnisphase sowie einem Dienstleistungsmanagementsystem, das basierend auf der Service Profit Chain eine kausalen Zusammenhang zwischen Mitarbeiterzufriedenheit, Kundenzufriedenheit sowie Umsatzwachstum und Gewinn herstellt.62 Damit lässt sich das Ergebnis der explorativen Analyse bisheriger konzeptioneller Bezugsrahmen wie folgt zusammenfassen: • Das am häufigsten gewählte Entwurfsmuster für konzeptionelle Bezugsrahmen des Dienstleistungscontrollings besteht darin, die Funktionen des Dienstleistungscontrollings über generische Controllingkonzeptionen abzustecken und aus den Merkmalen der Dienstleistung – vornehmlich Immaterialität des Leistungsergebnisses und Integration externer Faktoren in der Leistungserstellung – Konsequenzen für das Controlling abzuleiten.63 • Um die Funktionen des Dienstleistungscontrollings abzustecken, greifen die Autoren deutsch- und englischsprachiger Beiträge auf generische Controllingkonzeptionen zurück. In den deutschsprachigen Beiträgen dominieren die rationalitätsorientierte Controllingkonzeption von Weber/Schäffer und die koordinationsorientierten Controllingkonzeptionen von Horváth und Küpper.64
59Vgl.
Fischer (2000); Borrmann (2003); Botta (2004); Corsten/Gössinger (2004); Bruhn/ Stauss (2006); Bruhn (2008). 60Vgl. Friedl (1998); Weber/Schäffer (2001); Schäffer/Weber (2002); Corsten/Gössinger (2004); Auzair (2015). 61Vgl. Corsten/Gössinger (2004), S. 318–320; s. auch Becker/Rech (2014), S. 85–88, sowie zur Kritik dies. (2014), S. 122–123. 62Vgl. Bruhn (2008), S. 405–408; s. auch Becker/Rech (2014), S. 89–93, sowie zur Kritik dies. (2014), S. 123–126. 63Vgl. zum ähnlichen Ergebnis Becker/Rech (2014), S. 135–138. 64Vgl. zum ähnlichen Ergebnis Becker/Rech (2014), S. 176–179.
4.3 Konzeptioneller Bezugsrahmen
181
• Den Objektbereich des Dienstleistungscontrollings beschreibt der überwiegende Teil der Autoren über die Eigenschaften von Dienstleistungen. Einige Autoren erweitern den Blickwinkel um Typen von Dienstleistungsprozessen und die damit verbundenen Unsicherheiten des Managements hinsichtlich des Ablaufs und des Ergebnisses. Wiederum andere nehmen eine mehrdimensionale Perspektive auf die Dienstleistung ein.65
4.3.3 Dienstleistungseigenschaften Die Analyse bisheriger Bezugsrahmen hat ergeben, dass nahezu alle Autoren von Beiträgen zur Konzeption des Dienstleistungscontrollings aus den konstitutiven Eigenschaften von Dienstleistungen – vornehmlich der Integrativität der Leistungserstellung und der Immaterialität des Leistungsergebnisses – spezielle Probleme für das Controlling ableiten.66 Reckenfelderbäumer konsolidiert diese Probleme zu fünf dienstleistungsspezifischen Problemfeldern (vgl. Abbildung 4.3):67 Problemfeld 1: Fix- und Gemeinkostenproblem Das Fixkostenproblem beschreibt den Umstand, dass beim Anbieter der Dienstleistung aufgrund der permanenten Aufrechterhaltung von Leistungsbereitschaft und Lieferfähigkeit anteilig mehr beschäftigungsunabhängige Kosten anfallen als beschäftigungsabhängige. Potenzialfaktoren, die der Anbieter für die Erbringung der Dienstleistung vorhalten muss, sind unter anderem eigenes und fremdes Personal, Gebäude, Anlagen und Infrastruktur (z. B. Informations- und Kommunikationstechnik), allesamt Produktionsfaktoren, die tendenziell eher Fixkostencharakter aufweisen.68 Materialeinzelkosten fallen lediglich im Handel, in der Gastronomie sowie bei der Instandhaltung und Reparatur ins Gewicht.69 Das Gemeinkostenproblem wird durch die Individualität bzw. Heterogenität von Dienstleistungen hervorgerufen.70 Durch die kundenindividuelle
65Vgl.
zum ähnlichen Ergebnis Becker/Rech (2014), S. 137–138, 179–184. 4.3.2. 67Vgl. im Folgenden insbesondere Reckenfelderbäumer (1995), S. 40–49; ders. (1998), S. 149–153, sowie Becker/Rech (2014), S. 144–147, 151–154. 68Vgl. Schuh/Gundergan/Trebels (2016), S. 203. 69Vgl. Fischer (2000), S. 3; Maleri/Frietzsche (2008), S. 98–101. 70Vgl. Reckenfelderbäumer (1998a), S. 151. 66Vgl. Abschnitt
182
4 Entwurf der Konzeption des Dienstleistungscontrollings Hoher Anteil der Bereitschaftskosten (Gebäude, Personal, Maschinen)
Integrativität
Schwankende Nachfrage (Ausrichtung am Spitzenbedarf?)
Fixkostenproblem Gemeinkostenproblem Kapazitätsproblem Leerkostenproblem Planungsproblem
Integration externer Faktoren
Steuerungsproblem Dokumentationsproblem
Immaterialität
Fehlen industrieller Funktionalund Kostenstellenstrukturen
Kostenstellenproblem
Heterogenität / Individualität der erbrachten Leistung
Kostenträgerproblem Quantifizierungsproblem
Abbildung 4.3 Problemfelder des Dienstleistungscontrollings nach Reckenfelderbäumer. (Quelle: Reckenfelderbäumer (1998a), S. 151, i.V.m. ders. (1995), S. 40–49)
Ausprägung von Dienstleistungen erstellt der Anbieter mit seinen Potenzialfaktoren eine Vielzahl heterogener Dienstleistungsvarianten. Die anfallenden Kosten haben deshalb größtenteils Gemeinkostencharakter: Den Kostenträgern können sie nicht als Kostenträgereinzelkosten verursachungsgerecht zugerechnet werden.71 Hinzu kommt, dass bei einer hohen Anzahl von Dienstleistungsvarianten nicht immer Kostenträger definiert sind (siehe Kostenträgerproblem). Zur Entstehung von Kostenträgergemeinkosten führen zudem Leistungsverbunde in der Dienstleistungsproduktion.72 Beispielsweise bauen Cloud-, Transport- und Telekommunikationsbetriebe zuerst Rechenzentren, Transport- und Kommunikationsnetze in der Vorkombination auf, bevor sie darauf basierend Dienstleistungen in der Endkombination anbieten können.
71Vgl. 72Vgl.
Schuh/Gundergan/Trebels (2016), S. 203. Männel/Estorff (1987), S. 39; Fischer (2000), S. 3.
4.3 Konzeptioneller Bezugsrahmen
183
Problemfeld 2: Kapazitäts- und Leerkostenproblem Probleme der Kapazitätsplanung, -steuerung und -kontrolle werden bei Dienstleistungen auf die Simultanität von Produktion und Konsumption (Uno-Actu-Prinzip), die Vergänglichkeit nicht genutzter Dienstleistungspotenziale und das zuvor genannte Fixkostenproblem zurückgeführt.73 Durch die Simultanität von Produktion und Leistungsabnahme entfällt die aus der Sachleistungsproduktion und dem Handel bekannte Möglichkeit, die Produktion durch Lagerhaltung vom Absatz zu entkoppeln und durch die Pufferfunktion des Lagers gleichmäßig auszulasten.74 Nachfrageschwankungen schlagen unvermindert auf die Kapazitätsauslastung durch. Zu geringe Nachfrage führt zu Leerkosten, zu hohe Nachfrage zu wartenden Kunden. Der Anbieter steht mit seinen Kapazitätsentscheidungen in einem permanenten Spannungsverhältnis zwischen Leerkosten und Kundenzufriedenheit.75 Für das Dienstleistungscontrolling ergibt sich bei der Kapazitätssteuerung die Herausforderung, die Dienstleistungspotenziale, wie Personal, technische Einrichtungen und Ausrüstungen sowie Räumlichkeiten, wertschöpfungsorientiert zu dimensionieren und eine hohe Auslastung sicherzustellen. Dabei muss das Dienstleistungscontrolling etwaige Wissensdefizite über den Ist-Zustand und/oder den Soll-Zustand des externen Faktors und Unsicherheiten hinsichtlich des Mitwirkungsverhaltens des Nachfragers ins Kalkül ziehen. Problemfeld 3: Planungs-, Steuerungs- und Dokumentationsproblem Aufgrund der Integration und Transformation des externen Faktors kann der Anbieter den Leistungserstellungsprozess bei Dienstleistungen – im Gegensatz zur industriellen Sachgüterproduktion – nicht autonom planen, steuern und disponieren. Vielmehr üben die Eigenschaften des externen Faktors und das Mitwirkungsverhalten des Kunden als Co-Produzent der Dienstleistung einen entscheidenden Einfluss auf die Art, die Dauer, das Ergebnis und die Qualität der Dienstleistung und damit auf die Kosten und Erlöse des Anbieters aus.76 Das Dienstleistungscontrolling des Anbieters steht vor der Herausforderung, das Verhalten des externen Faktors und des Kunden während der Transformation als Kosten- und Werttreiber in der Kosten-, Erlös- und Ergebnisrechnung und in den
73Vgl.
Fischer (2000), S. 2, 188; Becker/Rech (2014), S. 145. Friedl (1998), S. 471; Fischer (2000), S. 2; Maleri/Frietzsche (2008), S. 182. 75Vgl. Engelhardt/Reckenfelderbäumer (2006), S. 275. 76Vgl. Corsten/Gössinger (2004), S. 330–335; Schweitzer/Küpper (2011), S. 761–762; Corsten/Gössinger (2015), S. 48–49, 371–372. 74Vgl.
184
4 Entwurf der Konzeption des Dienstleistungscontrollings
Ziel- und Kennzahlensystemen abzubilden (Abbildungsproblem) und die daraus resultierenden Unsicherheiten in der Planung, Steuerung und Kontrolle von Dienstleistungsprozessen zu berücksichtigen (Planungs- und Steuerungsproblem).77 Problemfeld 4: Kostenstellenproblem Für die wirksame Kontrolle der Wirtschaftlichkeit ist es notwendig, in der Kostenstellenrechnung die Kostenstellen nach Verantwortungsbereichen zu gliedern.78 In der industriellen Sachgüterproduktion ist eine Kostenstellengliederung nach den Funktionen Beschaffung, Fertigung und Absatz üblich.79 In Dienstleistungsbereichen dagegen führen die Integration des externen Faktors und die Simultanität von Produktion und Konsumption zu Überlagerungen von Beschaffungs-, Produktions- und Absatzprozessen.80 Charakteristisch für die Dienstleistung ist eine funktionsübergreifende, prozess- und auftragsorientierte Wertschöpfung.81 Verschiedene Abteilungen können zum Teil gleichzeitig in die Transformation des externen Faktors eingebunden sein, wie z. B. Dienstleistungsentwicklung, -lieferung und -vertrieb.82 Eine funktionale Kostengliederung in Beschaffung, Produktion und Absatz nach dem Vorbild der industriellen Sachgüterproduktion stößt dabei an Grenzen (Kostenstellenproblem).83 Für das Dienstleistungscontrolling stellt sich vor dem Hintergrund der besonderen Wertschöpfungscharakteristik von Dienstleistungen die Aufgabe, eine Kostenstellenstruktur zu finden, die den Grundsatz der Identität von Kostenstelle und Verantwortungsbereich beachtet sowie auf dieser Grundlage eine kostenorientierte Steuerung und verursachungsgerechte Weiterverrechnung der Gemeinkosten erlaubt.84
77Vgl.
Reckenfelderbäumer (1995), S. 45–46; Modell (1996), S. 61–64; Küpper (1998), S. 380; Schäffer/Weber (2002), S. 8; Borrmann (2003), S. 24; Corsten/Gössinger (2004), S. 330–335; Bruhn (2008), S. 410, 412; Schuh/Gundergan/Trebels (2016), S. 203. 78Vgl. Becker/Holzmann (2016), S. 45. 79Vgl. Schweitzer/Küpper (2011), S. 126–127; Friedl/Hofmann/Pedell (2017), S. 116–118. 80Vgl. Maleri/Frietzsche (2008), S. 181–184. 81Vgl. Fischer (2000), S. 31–32, 126. Zu verschiedenen Wertschöpfungskonfigurationen bei Dienstleistungen s. Popp/Horbel/Woratschek (2017). 82Vgl. Wall/Mödritscher (2012), S. 132. 83Vgl. Reckenfelderbäumer (1995), S. 47; Schweitzer/Küpper (2011), S. 761. 84Vgl. Becker/Holzmann (2016), S. 45.
4.3 Konzeptioneller Bezugsrahmen
185
Problemfeld 5: Quantifizierungs- und Kostenträgerproblem Die Immaterialität des Leistungsergebnisses und die Heterogenität von Dienstleistungen verursachen Probleme in der Ergebnissteuerung von Dienstleistungen.85 Aufgrund der Immaterialität und Heterogenität lässt sich das Ergebnis von Dienstleistungen nur eingeschränkt messen und vergleichen (Quantifizierungsproblem).86 Die Individualität von Dienstleistungen und die damit verbundene geringere Standardisierung erschweren die Festlegung von Kosten- und Erlösträgern und die Verteilung der für Dienstleistungsbereiche typischen Gemeinkosten auf Leistungseinheiten (Kostenträgerproblem).87 Das Dienstleistungscontrolling steht folglich insbesondere bei Dienstleistungen, bei denen sich die veränderten Zustandseigenschaften des externen Faktors nur eingeschränkt messen lassen vor der Herausforderung, Ansätze für die Leistungsmessung zu entwickeln, die sich weniger auf die Ergebnisebene und dafür mehr auf die Prozess- und Potenzialebene richten.88 Außer diesen fünf Problemfeldern bereiten Dienstleistungseigenschaften der wertschöpfungsorientierten Unternehmenssteuerung weitere Schwierigkeiten: • Sicherstellung der Effektivität und Effizienz qualitätsbezogener Maßnahmen (Qualitätsproblem).89 • Gestaltung der Erlösrechnung hinsichtlich Erlöszielen, der Erlösplanung und -kontrolle sowie der Preisermittlung und -durchsetzung (Erlösproblem).90 • Zielorientierte Verhaltenssteuerung von Mitarbeitern und Kunden (Verhaltenssteuerungsproblem).91
85Vgl.
Reckenfelderbäumer (1995), S.40–49; Becker/Rech (2014), S. 153–154. Modell (1996), S. 59–61; Friedl (1998), S. 471–472; Schäffer/Weber (2002), S. 6–7; Harmon/Hensel/Lukes (2006), S. 31; Bruhn (2008), S. 406; Schweitzer/Küpper (2011), S. 761–762; Kleinhietpaß (2012), S. 45. 87Vgl. Küpper (1998), S. 388–390. 88Vgl. Modell (1996), S. 59–61; Friedl (1998), S. 471; Schäffer/Weber (2002), S. 8; Stebel (2007), S. 76–77. 89Vgl. Becker/Rech (2014), S. 158–160; Bruhn (2016), S. 480; Haller (2017), S. 421. 90Vgl. Engelhardt/Reckenfelderbäumer (1997), S. 154; Fischer (2000), S. 146–151, 203– 205; Engelhardt/Reckenfelderbäumer (2006), S. 239–240, 292–293; Becker/Rech (2014), S. 154–157. 86Vgl.
91Vgl.
Küpper (1998), S. 380; Corsten/Gössinger (2004), S. 318–319, 328–331; Schmitz (2006), S. 166–168; Stebel (2007), S. 34–37; Becker/Rech (2014), S. 160–161.
186
4 Entwurf der Konzeption des Dienstleistungscontrollings
• Gestaltung von Ziel-, Kennzahlen-, Anreiz- und Entlohnungssystemen bei schwierig zu messendem Leistungsergebnis (Performance Measurement Problem).92 • Strategische Planung und Entwicklung von Dienstleistungen (strategisches Planungsproblem).93 • Unsicherheit durch sich ändernde Kundenanforderungen im Zeitverlauf (Unsicherheitsproblem) und Komplexität durch die Interdependenzen der verschiedenen Leistungen eines Leistungsbündels (Komplexitätsproblem).94
4.3.4 Dienstleistungsprozesse Einige der in Abschnitt 4.3.2 analysierten Beiträge zur Konzeption des Dienstleistungscontrollings leiten Konsequenzen für das Controlling aus Dienstleistungsprozessen ab.95 Friedl gibt zu bedenken, dass aufgrund der Immaterialität die Ausbringungsmenge bzw. der Output von Dienstleistungen nicht immer in physischen Einheiten gemessen werden kann.96 Friedl empfiehlt deshalb von der direkten Messung des Outputs auf eine indirekte Messung des Outputs mit Indikatoren überzugehen.97 Nach der Erfassung des Outputs kategorisiert Friedl in Anlehnung an Drucker drei Dienstleistungserstellungsprozesse (vgl. Abbildung 4.4):98
92Vgl.
Schäffer/Weber (2002), S. 7–8; Woratschek et al. (2006), S. 257–259; Becker/Rech (2014), S. 161–162. 93Vgl. Möller/Schwab (2008), S. 31–32; Wall/Mödritscher (2012), S. 133; Becker/Rech (2014), S. 162–164. 94Vgl. Steven/Gandjean (2017), S. 487–488, in Bezug auf das Controlling hybrider Leistungsbündel. 95Vgl. Friedl (1998), S. 471–472; Weber/Schäffer (2001); Schäffer/Weber (2002); Auzair (2015). 96Vgl. Friedl (1998), S. 471. 97Unter Indikatoren versteht Friedl (1998), S. 471, in Anlehnung an Schmidberger (1994), S. 297, „Hilfsgrößen mit beobachtbarem Inhalt von deren Ausprägungen oder Veränderungen auf die nicht unmittelbar beobachtbare Leistung geschlossen werden kann.“ 98Vgl. Friedl (1998), S. 471–472, in Anlehnung an Drucker (1993), S. 60–61. Drucker analysiert Ansatzpunkte für Produktivitätssteigerungen anhand der drei Dienstleistungserstellungsprozesse.
4.3 Konzeptioneller Bezugsrahmen
187
• Dienstleistungserstellungsprozesse des Typs I wiederholen sich nahezu identisch. Ihr Ablauf ist standardisiert, das Ergebnis vorab bekannt. Beispiele sind die Bearbeitung von Überweisungen, das Sortieren von Briefsendungen oder das Bettenmachen im Krankenhaus. Als Indikatoren zur Messung der Ausbringungsmenge eignen sich die Anzahl der Prozesswiederholungen oder die Menge der bearbeiteten externen Faktoren (z.B. Anzahl der Überweisungen, Anzahl der Briefe, Anzahl gemachter Betten).99 • Dienstleistungserstellungsprozesse des Typs II wiederholen sich nicht identisch. Ihr Ergebnis liegt zwar fest. Unterschiede in den Zustandseigenschaften des externen Faktors machen jedoch Abweichungen vom standardisierten Prozessverlauf erforderlich. Beispiele sind die Bearbeitung von Schadensfällen in Versicherungen, Blinddarmoperation oder Schulung. Zur Outputmessung schlägt Friedl vor, die externen Faktoren nach ihren Zustandseigenschaften in homogene Gruppen zu gliedern und sie anschließend wie Prozesstyp I bei Mehrproduktfertigung zu behandeln.100 • Bei Dienstleistungserstellungsprozessen des Typ III lässt sich weder ein Standardprozess noch ein Standardergebnis vorab festlegen. Beispiele sind die Unternehmensberatung, ärztliche Behandlung oder Rechtsvertretung vor Gericht. Der Output lässt sich nur qualitativ erfassen. Gemäß Friedl erfolgt die Abrechnung über Inputgrößen (z.B. Beraterstunden). Zur Messung der Veränderung der Zustandseigenschaften des externen Faktors (z. B. Verbesserung des Informationsstandes des Beratenen) seien mehrdimensionale Indikatorsysteme zu bilden.101 Friedls Einteilung lässt die Forderung laut werden, das Dienstleistungscontrolling abhängig vom Standardisierungsgrad der Dienstleistungsprozesse auszuprägen: „Viele Dienstleistungen oder Teilaktivitäten von Dienstleistungen lassen sich standardisieren. Man denke nur an Check-In Schalter auf Flughäfen oder die Bearbeitung von Kreditanträgen. Derart standardisierte Dienstleistungen stellen das Controlling nicht vor sonderlich neue Herausforderungen. Ihre Arbeitspläne 99Vgl.
Friedl (1998), S. 471. Nach Drucker (1993), S. 61, lässt sich die Leistung bei solchen Dienstleistungserstellungsprozessen ähnlich definieren wie bei der Herstellung und Bewegung von Sachen, d.h. überwiegend quantitativ. Produktivitätssteigerungen ließen sich durch die Definition von Standards, Verankerung im Arbeitsprozess und konventionelle Fertigungstechniken erreichen. 100Vgl. Friedl (1998), S. 471. Drucker (1993), S. 60, fasst hierunter „Tätigkeiten, bei denen Qualität und Quantität zusammen die Leistung ausmachen.“ 101Vgl. Friedl (1998), S. 471. Drucker (1993), S. 60: „Bei einigen Wissens- und Servicetätigkeiten bedeutet Leistung Qualität.“
188
4 Entwurf der Konzeption des Dienstleistungscontrollings
und Stücklisten sind ähnlich determiniert, wie die von physischen Produkten. Entsprechend bekannt sind die Anforderungen an das Controlling. Anders verhält es sich mit kundenindividuell ausgeprägten, gering standardisierten Dienstleistungen. Ihr Leistungserstellungsprozess ist unsicher; Verlauf, Ergebnis, Umfang und Dauer häufig unbekannt. Angesichts dessen sieht sich das Controlling mit neuen Herausforderungen konfrontiert.“102 Typen von Dienstleistungserstellungsprozessen
Typ I Bearbeitung von Überweisungsaufträgen in Banken Sortieren von Briefsendungen
mengenmäßige Erfassung des Outputs möglich
Typ II Bearbeitung von Schadensfällen in Versicherungen Bearbeitung von Kreditanträgen in Banken Blinddarmoperation Schulungen
Erfassung des Outputs erfordert quantitative und qualitative Kriterien
Typ III
Beratung ärztliche Diagnose Rechtsvertretung vor Gericht
Erfassung des Outputs nur über qualitative Kriterien möglich
Abbildung 4.4 Typen von Dienstleistungserstellungsprozessen nach Friedl. (Quelle: Friedl (1998), S. 472, in Anlehnung an Drucker (1993), S. 60–61)
Auf die Frage, welche Konsequenzen gering standardisierte Dienstleistungsprozesse für das Controlling haben, geht Friedl nicht ein. Sie behandelt zwar Ansätze zur Planung und Steuerung von Leistungsvorgaben, die Erlösrechnung und Kennzahlensysteme, versäumt es jedoch, die aus geringer Standardisierung resultierenden Unsicherheiten in der Planung-, Steuerung- und Kontrolle zu berücksichtigen. Insbesondere bleibt sie die Antwort schuldig, mit welchen Aufgaben und Instrumenten das Controlling die Unsicherheiten reduzieren kann.103
102Becker/Rech 103Vgl.
(2013), S. 516 (im Original teilweise hervorgehoben). Becker/Rech (2014), S. 117–118, zur Kritik am Ansatz von Friedl.
4.3 Konzeptioneller Bezugsrahmen
189
Weber und Schäffer greifen die Problematik fehlender Standardisierung bei Dienstleistungen auf.104 Gründlicher als Friedl arbeiten sie die Konsequenzen für das Controlling heraus. Zunächst reduzieren sie die Anzahl der Typen von drei auf zwei, wobei sie die Dienstleistungserstellungsprozesstypen von Friedl als Dienstleistungstypen bezeichnen und die Unsicherheiten bezüglich Prozess und Ergebnis als „Wissensdefizite des Management bezüglich Prozess (wegen der Mitwirkung des Kunden) und Ergebnis der Leistungserstellung (wegen der Immaterialität und eingeschränkten Messbarkeit)“105 interpretieren (vgl. Abbildung 4.5):106 • Dienstleistungen vom Typ A sind durch geringe Wissensdefizite des Managements gekennzeichnet. Die Leistungserstellung ist gut beherrscht, das Prozessergebnis vorab bekannt und die Prozessabläufe weitgehend standardisiert. In dieser Hinsicht sind sie vergleichbar mit determinierten Produktionsprozessen der Sachgüterproduktion. Als Beispiele führen Schäffer/Weber das standardisierte Bank- und Versicherungsgeschäft an und standardisierte Geschäftsmodelle in Handel und Gastronomie. • Dienstleistungen vom Typ B sind durch hohe Wissensdefizite des Managements gekennzeichnet. Die Leistungserstellung ist durch hohe Freiheitsgrade und hohe Unsicherheit charakterisiert, Prozess und Ergebnis sind wenig standardisiert. Beispiele sind nach Schäffer/Weber innovative Dienstleistungen im Investmentbanking und „high finance“ sowie die Leistungserstellung in einem Spitzenrestaurant.
104Vgl.
Weber/Schäffer (2001), S. 903–904; Schäffer/Weber (2002), S. 6–7. (2001), S. 903; Schäffer/Weber (2002), S. 6–7. 106Vgl. Weber/Schäffer (2001), S. 903–904; Schäffer/Weber (2002), S. 7. 105Weber/Schäffer
190
4 Entwurf der Konzeption des Dienstleistungscontrollings
Dienstleistungen vom Typ A
Dienstleistungen vom Typ B
Wissensdefizite des Managements
Niedrig
Hoch
Dominanter Lerntyp
single-loop
double-loop
Beispiele
Standardisiertes Bank- und Versicherungsgeschäft
Maßgeschneiderte Finanz- und Versicherungsdienstleistungen („high finance“)
Standardisierte Geschäftsmodelle in Handel und Gastronomie
Leistungserstellung in einem Spitzenrestaurant
Abbildung 4.5 Dienstleistungen vom Typ A und Typ B nach Schäffer/Weber. (Quelle: Schäffer/Weber (2002), S. 7)
Dienstleistungen vom Typ A bei Schäffer/Weber entsprechen den Dienstleistungserstellungsprozessen des Typs I/II bei Friedl, Dienstleistungen vom Typ B bei Schäffer/Weber dem Dienstleistungserstellungsprozess vom Typ III bei Friedl.107 Weber und Schäffer stellen fest, dass sich die zum damaligen Zeitpunkt vorliegenden Arbeiten zum Dienstleistungscontrolling allesamt dem Dienstleistungstyp A verschreiben.108 Die vorliegenden Arbeiten lehnten sich eng an sachleistungsdominierten Branchen an und setzten den Fokus auf Finanzkennzahlen und prozessbezogene Größen.109 Hohen Nachholbedarf bescheinigen sie dem Dienstleistungscontrolling für den Typ B, für das sie drei Anforderungen formulieren:110 • Das Dienstleistungscontrolling muss aufgrund der Mitwirkung von Kunden an der Leistungserstellung kundenbezogene Informationen erheben und auf deren produktive Verwendung in der Planung, Steuerung und Kontrolle hinwirken. 107Vgl.
Reckenfelderbäumer (2006), S. 40. Schäffer/Weber (2002), S. 8. 109Vgl. Schäffer/Weber (2002), S. 8; ebenso Küpper (1998), S. 392–393: „Das erfolgsund finanzwirtschaftliche Controlling ist in den Dienstleistungsbereichen (z. B. Handel, Banken, Versicherungen) bisher stärker ausgebaut, deren Leistungen standardisierbar sind und in denen die Wirtschaftlichkeit eine zentrale Zielsetzung bildet.“ 110Vgl. Weber/Schäffer (2001), S. 905; Schäffer/Weber (2002), S. 8. 108Vgl.
4.3 Konzeptioneller Bezugsrahmen
191
• Das Dienstleistungscontrolling muss – wie bereits von Friedl111 gefordert – wegen der eingeschränkten Messbarkeit des Outputs von Dienstleistungen den Output näherungsweise über Indikatoren erfassen. • Aufgrund der hohen Freiheitsgrade des Dienstleistungspersonals in der Leistungserstellung muss das Dienstleistungscontrolling der Gestaltung von zielkonformen Anreiz und Motivationssystemen hohe Aufmerksamkeit schenken.112 Im Ergebnis bedeuten diese drei Anforderungen an das Dienstleistungscontrolling vom Typ B, dass das Dienstleistungscontrolling die Wertschöpfungsphasen von Dienstleistungen – Potenzial, Prozess und Ergebnis – ausgewogen in den wertschöpfungsorientierten Steuerungskonzepten abbilden muss. Im Gegensatz zur einseitigen Orientierung an finanziellen Outputgrößen bei Typ A, muss das Dienstleistungscontrolling bei Typ B seine Steuerungskonzepte zusätzlich am Kunden, Mitarbeiter und nicht-monetären Outputgrößen ausrichten.113 Weber und Schäffer arbeiten damit gründlicher als Friedl die Konsequenzen heraus, die sich für ein Controlling bei gering standardisierten Dienstleistungen ergeben. Im Detail unbeantwortet bleibt in ihrem Beitrag, wie die allgemeinen Aufgaben und Instrumente des von Ihnen vertretenen rationalitätsorientierten Controllings angepasst werden müssen, um die formulierten Anforderungen zu erfüllen.114 Dennoch ist der große Verdienst ihres Beitrags darin zu sehen, bei der Betrachtung des Dienstleistungscontrollings von Branchenbezügen abzurücken und stattdessen dienstleistungsspezifische Leistungsaspekte zu analysieren.115
111Vgl.
Friedl (1998), S. 471. bereits Küpper (1998), S. 380: „Durch den großen Einfluß [sic!] von Menschen auf diese Prozesse erhalten das Personalführungssystem und dessen Anreiz- und Motivationskomponenten eine besondere Bedeutung. Für das Controlling haben deshalb die Beziehungen zu diesem Führungsteilsystem noch mehr Gewicht als bei industriellen Prozessen. Koordination und Steuerung hängen in hohem Maße davon ab, in welchem Umfang es gelingt, die für eine Unternehmung tätigen Personen und diejenigen zu beeinflussen, für welche die Dienstleistung durchgeführt wird.“ (im Original zum Teil hervorgehoben). 113Vgl. Weber/Schäffer (2001), S. 905–906; Schäffer/Weber (2002), S. 8. 114Vgl. zur Kritik Becker/Rech (2014), S. 119–121. Insofern handelt es sich um ein Anpassungsdefizit im Beitrag von Schäffer/Weber. Ein ähnliches Anpassungsdefizit – sie sprechen von Konsistenzdefizit – stellen Lingnau/Koffler (2013), S. 399, bei Weber/ Schäffer in Bezug auf die Anpassung der Instrumente des Controllings bei der Neuausrichtung von der koordinations- zur rationalitätsorientierten Konzeption fest. 115Vgl. Reckenfelderbäumer (2006), S. 41. 112Hierzu
192
4 Entwurf der Konzeption des Dienstleistungscontrollings
Der Gedanke von Schäffer/Weber, dass Wissensdefizite des Managements in Bezug auf den Prozessablauf und das Prozessergebnis unterschiedliche Controllingsysteme erforderlich machen, ist keineswegs neu. Ouchi weist bereits früh darauf hin, dass abhängig von der Messbarkeit des Ergebnisses und der Messbarkeit des Verhaltens während des Transformationsprozesses formelle oder informelle (kulturelle) Steuerungskonzepte verwendet werden müssen.116 Ebenso erwähnt Lowry Wissensdefizite des Managements bezüglich der UrsacheWirkungs-Zusammenhänge bei gering standardisierten Dienstleistungen mit eingeschränkter Messbarkeit. Er geht bei solchen Dienstleistungen von einer abnehmenden Bedeutung der Effizienzmessung und einer Bedeutungszunahme der Feedforward- gegenüber der Feedback-Kontrolle aus.117 Auzair untersucht den Einfluss verschiedener Kontingenzfaktoren auf die Gestaltung des Controllingsystems in Serviceorganisationen.118 Für einen wichtigen Einflussfaktor auf das Design von Controllingsystemen erachtet Auzair den Serviceprozesstyp.119 Bei der Klassifizierung der Serviceprozesse orientiert sich Auzair an Silvestro et al.120 Silvestro et al. differenzieren drei Typen von Serviceprozessen: Professional Services, Service Shop und Mass Services (vgl. Abbildung 4.6).121 Jeden dieser Prozesstypen charakterisieren sie nach sechs Kriterien, für die sie eine Korrelation mit dem Volumen an prozessierten Kunden pro Tag feststellen. Die sechs Kriterien sind:122 • • • • • •
Technologie- vs. personalorientiert, Kundenkontaktzeit pro Transaktion, Grad der Individualität, Ermessensspielraum des Personals, Wertschöpfung im Front Office bzw. im Back Office, produkt- vs. prozessorientiert.
116Vgl.
Ouchi (1979), S. 843–844. Lowry (1993), S. 175. 118Vgl. Auzair (2015), S. 48. 119Vgl. Auzair (2015), S. 50–51. Dieselbe Meinung vertreten auch Lowry (1993), S. 175; Modell (1996), S. 65; Brignall (1997). 120Vgl. Auzair (2015), S. 50–51. 121Vgl. Silvestro et al. (1992), S. 73. 122Vgl. Silvestro et al. (1992), S. 67. 117Vgl.
4.3 Konzeptioneller Bezugsrahmen
193
Die drei Serviceprozesstypen definieren sie wie folgt:123 • Professional Services: Relative wenige Kundentransaktionen pro Tag, hoch individuell, prozessorientiert, relativ lange Kundenkontaktzeiten, höhere Wertschöpfung im Front Office mit hohem Ermessenspielraum bei der Aufgabendurchführung und Problemlösung. • Mass Services: Viele Kundentransaktionen pro Tag, geringe Kontaktzeiten, hohe Standardisierung, überwiegend produktorientiert, höhere Wertschöpfung im Back Office, geringer Ermessensspielraum des Front Office bei der Aufgabendurchführung. • Service Shop: Fällt zwischen Professional Services und Mass Services. Die Ausprägungen der sechs Kategorien liegen zwischen den anderen beiden Extremen.
High
Medium
Low
People Contact time Customization Discretion Front Office Process
Professional services Management consultancy Field service Bank corporate
People/equipment Contact time Customization Discretion Front Office/back office Process/product Equipment Contact time Customization Discretion Back Office Product
Service shop Bank corporate Hotel Rental service Retail Bank – retail Distribution enquiries Mass services Confectionery, tobacco, new retailer, Transport Transport terminus
Number of customers processed by a typical unit per day
Abbildung 4.6 Klassifizierung von Serviceprozessen nach Silvestro et al. (Quelle: Silvestro et al. (1992), S. 72)
Während Silvestro zwischen den Typen eine diskreten Übergang vermutet, geht Auzair von einem Kontinuum aus, weshalb er nur Professional Services und Mass Services in seiner Studie kontrastiert.124 In seiner Studie findet er
123Vgl.
Silvestro et al. (1992), S. 73. (2015), S. 51.
124Vgl. Auzair
194
4 Entwurf der Konzeption des Dienstleistungscontrollings
größtenteils Unterstützung für die Hypothese, formelle Controllingsysteme sind für Mass Service geeigneter und informelle Controllingsysteme für Professional Services.125 Ansonsten entspricht Auzairs Einteilung der Serviceprozesstypen weitgehend der Einteilung der Dienstleistungen bei Schäffer/ Weber: Mass Services entsprechen Dienstleistungen vom Typ A und Professional Services Dienstleistungen vom Typ B. Beide – Auzair und Schäffer/Weber – kontrastieren über den Standardisierungsgrad Extrempunkte, um die unterschiedlichen Anforderungen an das Dienstleistungscontrolling in Abhängigkeit vom Standardisierungsgrad der Dienstleistung zu verdeutlichen.
4.3.5 Mehrdimensionale Dienstleistungsräume Abgesehen von konzeptionellen Bezugsrahmen, die auf Dienstleistungseigenschaften und -prozessen aufbauen, existieren Bezugsrahmen, die weitere Dimensionen der Dienstleistung beleuchten. Hierzu zählen die Bezugsrahmen von Corsten/Gössinger und Bruhn.126 Durch Corsten/Gössinger erfährt die konzeptionelle Bezugsbasis des Dienstleistungscontrollings in mehrfacher Hinsicht eine Weiterentwicklung:127 • Corsten/Gössinger stellen das Objekt des Dienstleistungscontrollings als mehrdimensionalen Dienstleistungsraum dar, der aus den Leistungsebenen Potenzial, Prozess und Ergebnis, autonomen und interaktiven Aktivitäten sowie zwischen Vor- und Endkombination einerseits und Dienstleistungsvereinbarung und -erstellung anderseits besteht (vgl. Abbildung 4.7).128
125Vgl. Auzair (2015), S. 65. Auzair (2015), S. 50–51, unterscheidet formelle und informelle Controllingsysteme anhand der fünf Merkmale action vs. result controls, formal vs. informal controls, tight vs. loose controls, restricted vs. flexible controls, impersonal vs. interpersonal controls. 126Vgl. Abschnitt 4.3.2. 127Vgl. Becker/Rech (2014), S. 85–88, 122–123. 128Vgl. Corsten/Gössinger (2004), S. 319–325.
4.3 Konzeptioneller Bezugsrahmen
195
• Konkreter als Weber und Schäffer leiten sie spezifische Aufgaben des Dienstleistungscontrollings aus einer allgemeinen Controllingkonzeption129 ab, indem sie die Funktionen des Controllings auf die Dienstleistungserstellungsphasen anwenden.130 • Die Unsicherheiten über die Eigenschaften und Verhaltensweisen des externen Produktionsfaktors berücksichtigen sie als Haupteinflussgröße des Dienstleistungscontrollings.131 • Corsten/Gössinger weisen dem Controlling bei Dienstleistungen innerhalb der Abstimmungsfunktion die Aufgabe zu, die Interdependenzen zwischen der Potenzial-, Prozess- und Ergebnisebene zu koordinieren.132 • Die von Küpper133 geforderte Ausweitung der Verhaltenssteuerungsfunktion des Dienstleistungscontrollings greifen sie auf. Integraler Bestandteil ihres Ansatzes ist die Koordination der interdependenten Entscheidungen und Verhaltensweisen des Anbieters und Nachfragers sowie die Versorgung beider Parteien mit Informationen über die Potenzial-, Prozess- und Ergebnisebene.134
129Corsten/Gössinger (2004), S. 315–318, verwenden die reflexionsorientierte Controllingkonzeption nach Pietsch/Scherm (2000); dies. (2001); dies. (2004). 130Vgl. Corsten/Gössinger (2004), S. 318–320, 327–336; vornehmlich Vor- und Endkombination. 131Vgl. Corsten/Gössinger (2004), S. 318–319, 331–335. 132Vgl. Corsten/Gössinger (2004), S. 332. Die Interdependenzen der Potenzial- und Prozessebene erläutern sie anhand der Gestaltung von Warteschlangen, Interdependenzen der Prozess- und Ergebnisebene anhand der Standardisierung beider Ebenen. Siehe auch Corsten/Corsten (2013), S. 447. 133Vgl. Küpper (1998), S. 380. 134Vgl. Corsten/Gössinger (2004), S. 318–319, 328–331; Corsten/Corsten (2013), S. 444.
196
4 Entwurf der Konzeption des Dienstleistungscontrollings Vorkombination
Endkombination
Autonome Aktivitäten des Anbieters
Interaktive Aktivitäten
Dienstleistungsvereinbarung
Autonome Aktivitäten des Nachfragers Potenzialebene Prozessebene
Dienstleistungserstellung
Ergebnisebene
Externer Produktionsfaktor
Abbildung 4.7 Bezugsrahmen für das Dienstleistungscontrolling nach Corsten/ Gössinger. (Quelle: Corsten/Gössinger (2004), S. 320)
Im Vergleich zu Schäffer/Weber gelingt es Corsten/Gössinger nicht nur Anforderungen an das Dienstleistungscontrolling zu formulieren, sondern auch die Besonderheiten der Aufgaben des Dienstleistungscontrollings zu beschreiben, indem sie die Funktionen der reflexionsorientierten Controllingkonzeption konsequent auf den entworfenen Dienstleistungsraum anwenden. Bemerkenswert in ihrem Ansatz ist dabei die umfassende Auslegung der Aufgabe der Verhaltenssteuerung: Das Dienstleistungscontrolling des Anbieters ist verantwortlich für die erfolgsorientierte Verhaltenssteuerung von Mitarbeitern und Kunden! Zu kurz kommt – wie bereits bei Schäffer/Weber – die Behandlung der Anpassungserfordernisse der Instrumente des Controllings, die sich aus den besonderen Aufgaben des Dienstleistungscontrollings ergeben.135 Genau wie Corsten/Gössinger nimmt auch Bruhn eine mehrdimensionale Sichtweise auf die Dienstleistung ein. Beachtenswert an seinem Ansatz sind vor allem drei Aspekte:136 • Bruhn beschreibt die Zusammenhänge und Besonderheiten zwischen dem Ausführungssystem bei Dienstleistungen und dem Controllingsystem. Das 135Vgl. 136Vgl.
zur Kritik Becker/Rech (2014), S. 122–123. Becker/Rech (2014), S. 89–93, 123–126.
4.3 Konzeptioneller Bezugsrahmen
197
Ausführungssystem besteht aus zwei Teilsystemen: Dem Leistungserstellungsund dem Dienstleistungsmanagementsystem. Das Controllingsystem umfasst vier Teilsysteme: Planungs-, Kontroll-, Informations- und Personalsystem (vgl. Abbildung 4.8).137 • Bruhn verwendet mit der Service Profit Chain einen Situativen Ansatz zur Fundierung des Dienstleistungsmanagements.138 Die Service Profit Chain – von Bruhn als Erfolgskette des Dienstleistungsmanagements bezeichnet – stellt einen kausalen Zusammenhang her zwischen vorökonomischen Einflussfaktoren, wie Zufriedenheit und Loyalität der Mitarbeiter und Kunden, und ökonomischen Wirkgrößen, wie Umsatz- und Gewinnwachstum.139 • Bruhn wählt die Instrumente des Dienstleistungscontrollings entlang der Erfolgskette des Dienstleistungscontrollings aus. Er unterscheidet dabei drei Arten von Instrumenten: a) Instrumente, die vorökonomische Indikatoren messen (z. B. Dienstleistungsqualität), b) Instrumente, die ökonomische Indikatoren messen (z. B. Customer Lifetime Value), c) Instrumente, die vorökonomische Einflussgrößen und ökonomische Wirkgrößen verknüpfen (z. B. BSC, EFQM-Modell).140 Bruhn hat seinen Ansatz über mehrere Jahre entwickelt und in leicht angepasster Form verschiedentlich publiziert.141 Hervorzuheben ist in Bruhns Ansatz, neben den drei zuvor genannten Aspekten, insbesondere die Geschlossenheit seiner Konzeption, die alle Elemente einer Controllingkonzeption enthält.142 Während Schäffer/Weber die aus Integrativität, Immaterialität und geringer Standardisierung resultierenden Anforderungen an das Dienstleistungscontrolling herausarbeiten und Corsten/Gössinger die dienstleistungsspezifischen Aufgabeninhalte des Dienstleistungscontrollings, trägt Bruhn insbesondere zur instrumentalen Weiterentwicklung der konzeptionellen Basis des Dienstleistungs-
137Vgl.
Bruhn (2008), S. 407–408; sowie Bruhn/Meffert (2012), S. 734–739. Bruhn (2008), S. 406–407; sowie Meffert/Bruhn/Hadwich (2015), S. 475. 139Vgl. Heskett et al. (1994); Heskett/Sasser/Schlesinger (1997). 140Vgl. Bruhn (2008), S. 408–412; sowie Bruhn/Meffert (2012), S. 740–802; Meffert/ Bruhn/Hadwich (2015), S. 475–495. 141Vgl. zum Dienstleistungscontrolling: Bruhn/Stauss (2006); Bruhn (2008); zum Controlling im Dienstleistungsmarketing: Bruhn/Meffert (2012), S. 722–802; Meffert/ Bruhn/Hadwich (2015), S. 471–497; zum Qualitätscontrolling für Dienstleistungen: Bruhn (2016), S. 479–504. 142Vgl. Becker/Rech (2014), S. 123–126. 138Vgl.
198
4 Entwurf der Konzeption des Dienstleistungscontrollings
controllings bei. Auffällig häufig verwendet er Instrumente des Qualitätsmanagements. Ein Umstand, der wohl aus seinen umfangreichen Untersuchungen auf dem Gebiet der Dienstleistungsqualität herrührt.143 Dienstleistungsausführungssystem Leistungserstellungssystem Potenzialphase
Prozessphase
Dienstleistungsmanagementsystem
Ergebnisphase
Dienstleistungsorientiertes Planungssystem
Dienstleistungsorientiertes Kontrollsystem
Dienstleistungsorientiertes Informationssystem
Dienstleistungsorientiertes Personalsystem
Dienstleistungscontrollingsystem
Abbildung 4.8 Bezugsrahmen für das Dienstleistungscontrolling nach Bruhn. (Quelle: In Anlehnung an Bruhn (2008), S. 407; Bruhn/Meffert (2012), S. 735)
4.3.6 Resümee Die Ausführungen in Abschnitt 4.3 haben gezeigt, dass der überwiegende Teil der Autoren von Beiträgen zur Konzeption des Dienstleistungscontrollings allgemeine Controllingkonzeptionen auf konstitutive Merkmale von Dienstleistungen, Dienstleistungsprozesse oder mehrdimensionale Dienstleistungsräume anwendet und auf diese Weise Implikationen und Anpassungserfordernisse für das Controlling ableitet. In diesem Vorgehen besteht der Kern konzeptioneller Bezugsrahmen des Dienstleistungscontrollings. Der eigene konzeptionelle Bezugsrahmen schließt sich diesem Vorgehen an. Darüber hinaus integriert er die bestehenden konzeptionellen Rahmen in Form von Grundsätzen und berücksichtigt diese bei der weiteren Fundierung des Dienstleistungscontrollings (vgl. Abbildung 4.9). Aus den IHIP-Eigenschaften von Dienstleistungen – Immaterialität, Heterogenität, Untrennbarkeit von Produktion und Konsumption, Nichtlagerfähigkeit – und der Integration externer Faktoren in den Dienstleistungsprozess werden 143Vgl.
stellvertretend für viele Bruhn (2016).
4.3 Konzeptioneller Bezugsrahmen
199
weitreichende Konsequenzen für das Controlling gezogen.144 Unter anderem zählen hierzu Probleme mit Fix-, Gemein-, Leerkosten, der Abbildung des externen Faktors in der Kostenrechnung, der Planung und Steuerung des Dienstleistungsprozesses, mit Kostenstellen, Kostenträgern und der Quantifizierung des Outputs. Offenkundig verbirgt sich hinter den Problemfeldern der Konsens zum Dienstleistungsbegriff, wonach Dienstleistungen im Wesentlichen durch die beiden Merkmale der Immaterialität des Leistungsergebnisses und die Integrativität des Leistungserstellungsprozesses gekennzeichnet sind.145 Zu Beginn der Arbeit wurde der Konsens des Dienstleistungsbegriffs abgelehnt.146 Alternativ wurde der transformationsorientierte Dienstleistungsbegriff gewählt.147 Der transformationsorientierte Dienstleistungsbegriff löst sich von der Unterscheidung in materielle und immaterielle Leistungsergebnisse und betrachtet stattdessen die Veränderung der Zustandseigenschaften des externen Faktors als Kernergebnis der Dienstleistung. Grundsätze des konzeptionellen Bezugsrahmens
Wertschöpfungsorientiertes Controlling von Dienstleistungen
Transformationsorientierter Dienstleistungsbegriff
Berücksichtigung von Wissensdefiziten des Managements durch die Unterscheidung in gering und hoch standardisierte Dienstleistungen Orientierung an den wertschöpfungsorientierten Entscheidungen des Anbieters und Nachfragers
Berücksichtigung von Interdependenzen der Potenzial-, Prozess- und Ergebnisebene Ausweitung der Verhaltenssteuerungsfunktion auf Mitarbeiter und Kunden Einhaltung des Kontingenzpostulates von Funktionen, Aufgaben und Instrumenten
Abbildung 4.9 Konzeptioneller Bezugsrahmen des Dienstleistungscontrollings. (Quelle: Eigene Darstellung)
144Vgl. Abschnitt
4.3.3. Abschnitt 2.1.1. Die IHIP-Eigenschaften lassen sich kausal auf die Merkmale der Immaterialität und Integrativität zurückführen. Vgl. Abschnitt 2.1.1 und die dort angegebene Literatur. 146Vgl. zur Begründung Abschnitt 2.1.2; zur Kritik an den IHIP-Eigenschaften s. Leimeister (2015), S. 356. 147Vgl. Abschnitt 2.1.3. 145Vgl.
200
4 Entwurf der Konzeption des Dienstleistungscontrollings
Friedl und Weber/Schäffer betrachten die Anforderungen an das Controlling, die sich aus Dienstleistungsprozessen ergeben.148 Dabei finden sie heraus, dass die Standardisierung von Dienstleistungsprozessen und -ergebnissen ein bedeutender Kontextfaktor darstellt. Mit abnehmender Standardisierung bzw. steigender Individualität von Dienstleistungen steigt die Unsicherheit des Managements in Bezug auf den Ablauf und das Ergebnis des Dienstleistungsprozesses. Gleichzeitig verschieben sich die Controllingschwerpunkte von einer primär ergebnisbezogenen hin zu einer prozess- und potenzialorientierten Steuerung. Die Individualisierung von Dienstleistungen ist im Übrigen eines der am häufigsten verwendeten Merkmale bei der Klassifizierung von Dienstleistungstypen.149 Im eigenen konzeptionellen Bezugsrahmen wird die Individualisierung von Dienstleistungen als Kontextfaktor aufgenommen.150 In Anlehnung an Schäffer/Weber, Auzair und Silvestro werden im Folgenden die in Abbildung 4.10 gekennzeichneten Dienstleistungen vom Typ A und Typ B unterschieden.151 Typ A ist eine hoch standardisierte, Typ B eine hoch individualisierte Dienstleistung. Beide Typen sind als Extremausprägungen auf einem Kontinuum zu verstehen.
148Vgl. Abschnitt
4.3.4. van der Valk/Axelsson (2015). 150In der Controllingliteratur ist dieser Ansatz bisher allenfalls rudimentär aufgegriffen und weiterentwickelt worden. Vgl. Reckenfelderbäumer (2006), S. 41. Wie die Ergebnisse der eigenen Literaturanalyse ergaben, behält Reckenfelderbäumer mit seinem Befund bis heute Recht. 151Vgl. Schäffer/Weber (2002), S. 6–7; Auzair (2015), S. 50–52, i.V.m. Silvestro et al. (1992), S. 67–73. 149Vgl.
4.3 Konzeptioneller Bezugsrahmen
201
Merkmale
Dienstleistungen vom Typ A
Dienstleistungen vom Typ B
Technologie- vs. personalorientiert
Technologie
Personal
Kundenkontaktzeit pro Transaktion
Niedrig
Hoch
Grad der Individualität
Niedrig
Hoch
Niedrig
Hoch
Back Office
Front Office
Produkt
Prozess
Online-Banking
Beratung vermögender Kunden
Fast-Food-Restaurant
Spitzenrestaurant mit Sternekoch
Online-Schulung
Nachhilfeunterricht
Wartungsvertrag
Unternehmensberatung
Ermessensspielraum des Personals Wertschöpfungs schwerpunkt Produkt- vs. prozessorientiert Beispiele
Abbildung 4.10 Dienstleistungsprozesse vom Typ A und Typ B. (Quelle: In Anlehnung an Schäffer/Weber (2002), S. 6–7; Auzair (2015), S. 50–52, i.V.m. Silvestro et al. (2002), S. 67–73)
Corsten/Gössinger und Bruhn verwenden multidimensionale Dienstleistung sräume als konzeptionelle Bezugsbasis des Dienstleistungscontrollings. Mit Corsten/Gössinger wird die Auffassung im eigenen konzeptionellen Bezugsrahmen geteilt, dass das Dienstleistungscontrolling im Rahmen seiner Abstimmungsfunktion die Aufgabe übernimmt, die interdependenten Entscheidungen des Anbieters und Nachfragers auf der Potenzial-, Prozess- und Ergebnisebene abzustimmen. An der integrativen Wertschöpfung einer Dienstleistung können verschiedene Aufgabenträger des Anbieters und Nachfragers beteiligt sein. Demzufolge berücksichtigt der eigene konzeptionelle Bezugsrahmen die Aufgabe des Dienstleistungscontrollings im Rahmen seiner Abstimmungsfunktion das interdependente Verhalten des Anbieters und Nachfragers wertschöpfungsorientiert zu lenken. Mit Corsten/Gössinger wird des Weiteren die Auffassung geteilt, dass dem Dienstleistungscontrolling im Rahmen seiner Informationsfunktion die Aufgabe zufällt, den Anbieter und Nachfrager mit entscheidungsrelevanten Informationen über die Potenzial-, Prozessund Ergebnisebene zu versorgen.152 152Vgl.
Corsten/Gössinger (2004), S. 318–319, 328–331.
202
4 Entwurf der Konzeption des Dienstleistungscontrollings
Lingau/Koffler fordern die „widerspruchsfreie, konsistente Beziehung“153 zwischen den Funktionen, Aufgaben und Instrumenten einer Controllingkonzeption.154 Im Kontext des Dienstleistungscontrollings ist die Einhaltung des Konsistenzpostulates bei Corsten/Gössinger hinsichtlich der Ableitung dienstleistungsspezifischer Aufgaben des Dienstleistungscontrollings festzustellen und bei Bruhn bezüglich der Auswahl dienstleistungsspezifischer Instrumente. Das Konsistenzpostulat wird als weiterer Grundsatz des eigenen konzeptionellen Bezugsrahmens übernommen.155 Dabei wird unterstellt, dass die Funktionen der wertschöpfungsorientierten Controllingkonzeption allgemeine Gültigkeit besitzen, die anderen Elemente der Controllingkonzeption aber der Anpassung an das Objekt der Dienstleistung bedürfen. Durch die Grundsätze des eigenen konzeptionellen Bezugsrahmens erfährt das Controlling in dreifacher Hinsicht eine Aufwertung seines traditionellen Aufgabenspektrums: • Wegen der integrativen Wertschöpfung der Dienstleistung muss das Controlling des Anbieters die interdependenten Entscheidungen und Handlungen des Anbieters und des Nachfragers wertschöpfungsorientiert planen, steuern und kontrollieren und beide Parteien mit entscheidungsrelevanten Informationen versorgen. • Abhängig vom Grad der Individualität muss das Controlling des Anbieters unterschiedliche Steuerungskonzepte bereitstellen, die den Entscheidungsund Handlungsunsicherheiten des Anbieters und Nachfragers in Bezug auf die integrative Wertschöpfung Rechnung tragen. • Das Controlling des Anbieters muss bei der Gestaltung von Anreiz- und Motivationssystemen die Entscheidungs- und Aufgabenträger des Anbieters und des Nachfragers berücksichtigen.
153Lingnau/Koffler
(2013), S. 394. Lingnau/Koffler (2013), S. 394–395. 155Das Konsistenzpostulat von Lingnau/Koffler (2013) ergänzt somit die in Abschnitt 1.2.3 formulierten Anforderungen der eigenen Problemstellung, theoretischen Fundierung und Bewährung in der Praxis von Küpper et al. (2013), S. 10–11, und Scherm/Lindner (2016), S. 35–37. Zur Einhaltung des Konsistenzpostulats in Bezug auf die wertschöpfungsorientierte Controllingkonzeption s. Baltzer/Ulrich (2019), S 117–118. 154Vgl.
4.4 Theoretischer Bezugsrahmen
203
4.4 Theoretischer Bezugsrahmen Gegenstand von Abschnitt 4.4 ist die Umsetzung des zweiten Forschungsziels aus Abschnitt 4.1: Ausgehend von den theoretischen Ansätzen bisheriger Arbeiten wird ein theoretischer Bezugsrahmen definiert, der gleichrangig theoretische Ansätze zur Erfassung von dienstleistungsspezifischen Sach- und Verhaltensaspekten umschließt. Zu Beginn wird in Abschnitt 4.4.1 der Begriff des theoretischen Bezugsrahmens erläutert und das theoretische Fundament der wertschöpfungsorientierten Controllingkonzeption. Im Anschluss daran werden in Abschnitt 4.4.2 die Beiträge der Literaturanalyse zur Konzeption des Dienstleistungscontrollings noch einmal qualitativ danach untersucht, welche Theorien sie zur theoretischen Fundierung des Dienstleistungscontrollings nutzen. Theorien zu Sachaspekten des Dienstleistungscontrollings werden in Abschnitt 4.4.3 beleuchtet, Theorien zu Verhaltensaspekten des Dienstleistungscontrollings in Abschnitt 4.4.4.156 Im absatzwirtschaftlichen Bereich vollzieht sich seit Jahren ein Paradigmenwechsel von der Goods-dominant Logic zur Service-dominant Logic. Die Zäsur der Anschauungsperspektive hat dem Dienstleistungsmanagement wichtige Impulse verliehen.157 Die Service-dominant Logic wird in Abschnitt 4.4.5 analysiert. Zum Abschluss wird in Abschnitt 4.4.6 basierend auf den Ergebnissen der vorangegangenen Abschnitte der theoretische Bezugsrahmen für die eigene Konzeption des Dienstleistungscontrollings ausgewählt.
4.4.1 Zum Begriff des theoretischen Bezugsrahmens Untern einer (Real-)Theorie versteht Wild ein wissenschaftliches Aussagesystem, das aus Gesetzesaussagen (nomologische Hypothesen) über empirisch beobachtbare Sachverhalte (empirische Regelmäßigkeiten) besteht und explanatorische und prognostische Funktionen erfüllt.158 Becker fügt der Erklärung und Prognose den Modellcharakter sowie die Funktionen der Beschreibung und Gestaltung hinzu: „Eine realwissenschaftliche Theorie entwirft Modelle der
156Zur Unterscheidung in Sach- und Verhaltensaspekte im Zusammenhang mit Controllingtheorien s. Becker (2017), S. 64. 157Vgl. Kleinaltenkamp (2017), S. 55–58. 158Vgl. Wild (1976), Sp. 3890–3891; ähnlich Chmielewicz (1994), S. 11.
204
4 Entwurf der Konzeption des Dienstleistungscontrollings
Realität, um diese mit geeigneten Begriffen zu beschreiben, deren Wirkungsweise zu erklären und deren Zukunft zu prognostizieren. Darüber hinaus ermöglicht es eine Theorie, Empfehlungen im Sinne von ‚Best Practices‘ abzugeben und methodologische Fragen zu beantworten.“159 In diesem Sinne wird hier unter einem theoretischen Bezugsrahmen ein Aussagesystem verstanden, das Theorien verwendet, um empirisch beobachtbare Sachverhalte verallgemeinerbar zu beschreiben, zu erklären, zu prognostizieren und zu gestalten.160 In der Verwendung von Theorien mit Informationsgehalt liegt der entscheidende Unterschied gegenüber dem konzeptionellen Bezugsrahmen.161 In Abschnitt 1.2.3 wurde auf die Anforderung der theoretischen Fundierung von Controllingkonzeptionen hingewiesen. Die Anforderung besagt, dass Controllingkonzeptionen auf Basis von Theorien Lösungsideen für spezielle Probleme des Controllings entwickeln müssen.162 Scherm/Pietsch stellen mit Blick auf die Controllingforschung fest, dass die theoretische Fundierung des Controllings vor allem darauf beruht, Aussagen bestehender Theorien auf den Gegenstandsbereich des Controllings zu übertragen und weniger in der Entwicklung neuer Theorien.163 Die Ergebnisse der Sammelrezension von Wall bestätigen diese Aussage. Wall deckt auf, dass die Autoren einschlägiger Controllinglehrbücher, die Probleme der Entscheidungssteuerung überwiegend mit entscheidungs- und systemorientierten Ansätzen fundieren und die Probleme der Verhaltenssteuerung mit der P rinzipal-Agenten-Theorie.164 Für die hier vorzunehmende theoretische Fundierung des Dienstleistungscontrollings ist zunächst einmal die Frage interessant, auf welchen Theorien
159Becker
(2017), S. 44 (im Original zum Teil hervorgehoben). Begriff des theoretischen Bezugsrahmens liegt ein instrumentaler Theoriebegriff zugrunde, der auf die instrumentelle Leistungsfähigkeit einer Theorie für die Zwecke wissenschaftliche Forschung abstellt. Vgl. Scherm/Pietsch (2004), S. 7–8. 161Vgl. Köhler (2016), S. 413–414. 162Vgl. Küpper et al. (2013), S. 10–11; Scherm/Lindner (2016), S. 35. 163Vgl. Scherm/Pietsch (2004), S. 10. 164Vgl. Wall (2008), S. 470–471. 160Dem
4.4 Theoretischer Bezugsrahmen
205
die wertschöpfungsorientierte Controllingkonzeption gründet.165 Den theoretischen Überbau der wertschöpfungsorientierten Controllingkonzeption bildet die Systemtheorie.166 Über die Systemtheorie bindet Becker weitere dazu komplementäre Theorien in seinen Ansatz ein.167 Durch die Verbindung der System- und Entscheidungstheorie integriert er die Willensbildungs-, Willensdurchsetzungs- und Willenssicherungsprozesse der Unternehmensführung.168 Durch die Paarung von Systemtheorie und Kybernetik deduziert Becker die Funktionen der Steuerung, Regelung und Anpassung des Controllings.169 Im Grunde genommen trägt die theoretische Fundierung der wertschöpfungsorientierten Controllingkonzeption dem Umstand Rechnung, dass verschiedene Theorien erforderlich sind, das Phänomen Controlling und seine komplexen Problemlagen zu erklären.170 Die Kontingenztheorie (Situativer Ansatz), die Neue Institutionenökonomik, verhaltenswissenschaftliche Theorien und der Soziologische Institutionalismus sind weitere Theorien die Becker unter dem übergeordneten Metaansatz der Systemtheorie in die wertschöpfungsorientierte Controllingkonzeption einbindet.171
165Wie in den Abschnitten 1.2.3 und 3.4.4 und Abschnitt 4.1 erläutert, kann das Dienstleistungscontrolling seine theoretische Fundierung entweder aus den theoretischen Grundlagen der zugrundliegenden allgemeinen Controllingkonzeption erhalten oder aus Theorien, die den Objektbereich der Dienstleistung erklären. Vgl. Becker/Rech (2014), S. 164–168. 166Vgl. Becker (1990), S. 296; Becker/Baltzer/Ulrich (2014), S. 36: „grundlegenden Meta-Rahmen unseres Buches“. 167Der Konzeption von Becker liegt das Grundverständnis einer mehrdimensionalen Theorie der Unternehmung zugrunde. Gemäß diesem Grundverständnis bedarf es mehreren Theorien, um die vielfältigen Transaktionsbeziehungen, Interaktionsfelder, Leistungsverflechtungen und Werteflüsse von Betrieben zu beschreiben, zu erklären, zu prognostizieren und zu gestalten. Vgl. Becker (1996), S. 72–99; ähnlich Küpper (2007b), der in diesem Zusammenhang von Wertschöpfungstheorie spricht. 168Vgl. Becker (1990), S. 299. 169Vgl. Becker (1990), S. 301–308; Becker/Baltzer/Ulrich (2014), S. 67: „eine deduktive, in ihrem Ursprung systemtheoretisch-kybernetische Argumentation“. 170Vgl. Baltzer/Ulrich (2019), S. 115. 171Vgl. Becker/Baltzer/Ulrich (2014), S. 34–49, 67; Becker (2017), S. 44–54.
206
4 Entwurf der Konzeption des Dienstleistungscontrollings
4.4.2 Analyse bisheriger Bezugsrahmen Betrachtet man die theoretischen Grundlagen der 31 Beiträge der Literaturanalyse der Kategorie „Konzeption des Dienstleistungscontrollings“, so verwenden 12 Beiträge (39 %) die Entscheidungstheorie, 6 Beiträge (19 %) jeweils die Systemtheorie und den Situativen Ansatz, 5 Beiträge (16 %) die Produktionsund Kostentheorie, 4 Beiträge (13 %) verhaltenswissenschaftliche und 2 Beiträge (6 %) institutionenökonomische Ansätze (vgl. Abbildung 4.11).172 Angesichts dieser Verteilung wurde in Abschnitt 3.4.4 der Literaturanalyse schon festgestellt: • Die theoretischen Grundlagen von Konzeptionen des Dienstleistungscontrollings beruhen vornehmlich auf der Entscheidungs- und Systemtheorie und – soweit die Konzeption auf kostenrechnerische Aspekte eingeht – auf der Produktions- und Kostentheorie. Die Ursache für die Dominanz entscheidungs- und systemorientierter Ansätze liegt in der Übertragung generischer Controllingkonzeptionen. • Internationale Beiträge verwenden fast ausnahmslos kontingenztheoretische Ansätze. Sie betrachten die Auswirkungen bestimmter Kontingenzfaktoren auf die Gestaltung von „Management Control Systems“ für Dienstleistungsbereiche (Situativer Ansatz). • Verhaltensorientierte Ansätze liegen inzwischen in Form institutionenökonomischer und verhaltenswissenschaftlicher Ansätze vor. Sie sind in Anbetracht der Bedeutung des Faktors Mensch in der integrativen Wertschöpfung von Anbieter und Nachfrager jedoch unterrepräsentiert.
172Vgl.
nochmals den Abschnitt 3.4.2.
4.4 Theoretischer Bezugsrahmen
Neue Institutionenökonomik
Verhaltenswis senschaftliche Ansätze
Produktionsund Kostentheorie
Situativer Ansatz
Systemtheorie
Autor(en) (Jahr) Bruggeman/Barth olomeeussen/Hee ne (1988) Lowry (1990) Meyer (1995) Modell (1996) Friedl (1998) Küpper (1998) Fischer (2000) Weber/Schäffer (2001) Schäffer/Weber (2002) Borrmann (2003) Kinkel (2003) Klingebiel (2003) Botta (2004) Corsten/Gössinge r (2004) Lay (2005) Bruhn/Stauss (2006) Engelhardt/Recke nfelderbäumer (2006) Gerling/Jonen (2006) Lingnau/Gerling (2006) Reckenfelderbäu mer (2006) Bruhn (2008) Gleich/Petschnig/ Schmidt (2010) Aas (2011) Steven/keine genannte Schulte/Alevivard (2012) Becker/Rech (2013) Warg/Hoffmann/B oekhoff (2013)
Theoretischer Bezugsrahmen Entscheidungstheorie
N = 31
207
1
1 1 1
Keine oder unklare Theorie 1 1 1 1 1 1 1
1 1
1 Keine oder unklare Theorie Keine oder unklare Theorie 1 Keine oder unklare Theorie 1
1
1 1
1 1
Keine oder unklare Theorie 1
1
1 1 1
1 Keine oder unklare Theorie
1
Abbildung 4.11 Theoretische Bezugsrahmen des Dienstleistungscontrollings. (Quelle: Eigene Erhebung)
208
4 Entwurf der Konzeption des Dienstleistungscontrollings Becker/Rech (2014) Auzair (2015) King/Clarkson (2015) Schuh/Gundergan /Trebels (2016) Steven/Granjean (2017) Summe
1 1 1
1
1 1 12
1 6
6
5
4
2
Abbildung 4.11 (Fortsetzung)
12 Beiträge verwenden entscheidungsorientierte Ansätze.173 Gemein ist diesen Beiträgen die Einteilung nach den Planungsebenen in strategische und operative Entscheidungen.174 Beispielsweise operationalisiert Borrmann in seinem Kennzahlenmodell strategische Entscheidungen durch Leistungsvorgaben und verbindet auf diese Weise die strategische mit der operativen Planung.175 Bei Gleich/ Petschnig/Schmidt koordiniert das strategische Dienstleistungscontrolling die systematische Planung und Entwicklung von Dienstleistungen, um die Effektivität des Dienstleistungsportfolios zu gewährleisten.176 Steven/Grandjean planen die Konfiguration hybrider Leistungsbündel auf der strategischen Planungsebene, die Produktion und den Personaleinsatz auf der operativen Planungsebene.177
173Vgl. Friedl (1998); Küpper (1998); Fischer (2000); Borrmann (2003); Botta (2004); Engelhardt/Reckenfelderbäumer (2006); Bruhn (2008); Gleich/Petschnig/Schmidt (2010); Steven/keine genannte Schulte/Alevivard (2012); Warg/Hoffmann/Boekhoff (2013); Schuh/ Gundergan/Trebels (2016); Steven/Granjean (2017). 174Strategische und operative Entscheidungen werden im Rahmen der Unternehmensplanung getroffen. Strategische, taktische und operative Planung sind verschiedene Planungsebenen. Egger (2002), Sp. 1451: „Die strategische, taktische und operative Planung stehen in einer streng hierarchischen Ordnung, bei der die strategische Planung die oberste, die taktische Planung die mittlere und die operative Planung die unterste Planungsebene bilden.“ (im Original zum Teil kursiv). Zu den Planungsebenen s. Egger (2002); Küpper et al. (2013), S. 136–137; Weber/Schäffer (2016), S. 274–275. 175Vgl. Borrmann (2003), S. 57–70. 176Vgl. Gleich/Petschnig/Schmidt (2010), S. 32–33. 177Vgl. Steven/Grandjean (2017), S. 488–490.
4.4 Theoretischer Bezugsrahmen
209
6 Beiträge beruhen auf der Systemtheorie.178 Sie wird hauptsächlich dazu eingesetzt, die Beziehungen zwischen dem Führungs-, Controlling- und Ausführungssystem zu beschreiben sowie die Beziehungen zwischen den Teilsystemen des Führungssystems. Küpper – und daran anlehnend Fischer179 – sieht in der Koordination im Führungsgesamtsystem die spezifische Problemstellung des Controllings.180 Sein Führungsgesamtsystem besteht aus den Führungsteilsystemen der Planung, Kontrolle, Information, Personalführung und Organisation. Das Controlling koordiniert einerseits innerhalb einzelner Führungsteilsysteme und anderseits zwischen den Führungsteilsystemen. Bei Corsten/Gössinger deutet die Beschreibung des mehrdimensionalen Dienstleistungsraums auf einen systemtheoretischen Hintergrund hin.181 Bruhn entwirft auf systemtheoretischer Basis ein Controllingsystem und ein Ausführungssystem für Dienstleistungen.182 Den theoretischen Grundstock von 6 Beiträgen bildet die Kontingenztheorie (Situativer Ansatz).183 Kollektiv untersuchen diese Beiträge das Dienstleistungscontrolling aus zwei Richtungen. Einmal wird das Controlling selbst als Kontingenzfaktor definiert, der sich auf die Dienstleistungsqualität auswirkt.184 Zum anderen werden Kontingenzfaktoren untersucht, die sich auf die Gestaltung von Controllingsystemen auswirken. Untersucht werden bislang die Auswirkung von: • Dienstleistungsmerkmalen (Immaterialität, Heterogenität, Simultanität von Produktion und Konsum, Kunde als Co-Produzent),185
178Vgl. Friedl (1998); Küpper (1998); Fischer (2000); Corsten/Gössinger (2004); Bruhn/ Stauss (2006); Bruhn (2008). 179Vgl. Fischer (2000), S. 11–20. 180Vgl. Küpper (1998), S. 378–380; Küpper et al. (2013), S. 33–38. 181Vgl. Corsten/Gössinger (2004), S. 319–325; sowie Abschnitt 4.3.5. 182Vgl. Bruhn (2008), S. 407–408; Bruhn/Meffert (2012), S. 734–739; sowie Abschnitt 4.3.5. Der Entwurf von Bruhn weist einige Konstruktionsunschärfen auf. Vgl. hierzu Becker/Rech (2014), S. 124. 183Vgl. Bruggeman/Bartholomeeussen/Heene (1988); Modell (1996); Gerling/Jonen (2006); Aas (2011); Auzair (2015); King/Clarkson (2015). 184Vgl. Bruggeman/Bartholomeeussen/Heene (1988), S. 76–78, die den Einfluss der Strukturen und Prozesse auf die Dienstleistungsqualität untersuchen. 185Vgl. Modell (1996).
210
4 Entwurf der Konzeption des Dienstleistungscontrollings
• Dienstleistungsprozessen (Mass Services vs. Professional Services),186 • Tätigkeiten im Rahmen von Serviceinnovationen,187 • Eigentumsverhältnissen (Ownership).188 5 Beiträge stützen sich auf die Produktions- und Kostentheorie.189 Bei genauerer Analyse enthalten diese Beiträge keine tiefergehenden produktionstheoretischen Betrachtungen. Stattdessen liegt das Augenmerk auf dem Einsatz von Instrumenten des Kostenmanagements im Umfeld von Dienstleistungen, insbesondere der Prozesskostenrechnung, dem Target Costing und der Prozesswertanalyse.190 4 Beiträge wurzeln in verhaltenswissenschaftlichen Ansätzen.191 Alle eint, dass die verhaltenswissenschaftlichen Einflüsse aus der allgemeinen Controllingkonzeption resultieren. Die Arbeiten von Weber und Schäffer zum Dienstleistungscontrolling gehen zurück auf die rationalitätsorientierte Controllingkonzeption.192 Deren theoretisches Gerüst entstammt dem Behavioral Accounting und der kritischen Accounting-Theorie.193 Den konzeptionellen Überbau der Beiträge von Gerling/Jonen und Lingnau/Gerling bildet die kognitionsorientierte Controllingkonzeption194 von Lingnau.195 Nach Gerling/ Jonen ist sie „in besonderem Maße geeignet [..], ein Controlling für Dienstleistungen theoretisch zu fundieren.“196 Die kognitionsorientierte Controllingkonzeption beruft sich auf kognitionswissenschaftliche Erkenntnisse.197 Bisher
186Vgl. Auzair
(2015). (2011). 188Vgl. King/Clarkson (2015). 189Vgl. Meyer (1995); Borrmann (2003); Engelhardt/Reckenfelderbäumer (2006); Steven/ keine genannte Schulte/Alevivard (2012); Steven/Granjean (2017). 190Vgl. Meyer (1995), S. 28–40; Borrmann (2003), S. 71–100; Engelhardt/ Reckenfelderbäumer (2006), S 283–300; Steven/keine genannte Schulte/Alevivard (2012), S. 295–303; Steven/Granjean (2017), S. 491–493. 187Vgl. Aas
191Vgl. Weber/Schäffer (2001); Schäffer/Weber (2002); Gerling/Jonen (2006); Lingnau/ Gerling (2006). 192Vgl.
Weber/Schäffer (2001), S. 902; Schäffer/Weber (2002), S. 6. Weber/Schäffer (2016), S. 29–32. 194In der kognitionsorientierten Controllingkonzeption besteht die Funktion des Controllings in der Versorgung des Managements mit bereichsfremdem bzw. sekundärem Wissen bei beschränkt kognitiven Fähigkeiten des Managements. Vgl. Lingnau (2004), S. 743. 193Vgl.
195Vgl.
Gerling/Jonen (2006), S. 51–52; Lingnau/Gerling (2006). (2006), S. 51. 197Vgl. Lingnau (2004), S. 731, 742.
196Gerling/Jonen
4.4 Theoretischer Bezugsrahmen
211
sind somit verhaltenswissenschaftliche Ansätze ausschließlich über die zugrundeliegende allgemeine Controllingkonzeption in die theoretische Basis des Dienstleistungscontrollings diffundiert. Nicht aufgenommen worden sind bislang verhaltenswissenschaftliche Ansätze, welche das Verhalten der am Dienstleistungsprozess beteiligten Personen erklären und in wertschöpfungsorientierte Steuerungskonzepte des Controllings überführen. 2 Beiträge rekurrieren auf institutionenökonomische Theorien.198 Becker/ Rech kennzeichnen mit der Prinzipal-Agenten-Theorie und der Transaktionskostentheorie die Unsicherheiten bei Dienstleistungsverträgen. Sie erläutern die Arten von Informationsasymmetrien im Austauschverhältnis von Anbieter und Nachfrager und die Vertragsrisiken beider Parteien. Vor diesem Hintergrund arbeiten Becker/Rech mögliche Lösungsansätze und die dazugehörigen Transaktionskosten zur Reduzierung der Kooperationsnachteile auf.199 King/Clarkson begründen ihre Hypothese zum Zusammenhang zwischen den Eigentumsverhältnissen und dem Design des Controllingsystems mit der Transaktionskostentheorie.200 Beide Beiträge sind als erste Versuche zu deuten, verhaltensorientierte Ansätze auf der Basis ökonomischer Theorien in die Konzeption des Dienstleistungscontrollings aufzunehmen. Rekapitulierend lässt sich zu den theoretischen Grundlagen von Konzeptionen zum Dienstleistungscontrollings sagen: • Entscheidungsorientierte Ansätze werden verwendet, um die Aufgaben der Abstimmung und Informationsversorgung des Dienstleistungscontrollings bei strategischen und operativen Entscheidungen zu untersuchen. • Systemorientierte Ansätze helfen, die Strukturen und das Verhalten dienstleistungsspezifischer Führungs-, Controlling- und Ausführungssysteme und die Beziehungen zwischen ihren Elementen zu verstehen. • Situative Ansätze untersuchen den Einfluss von Kontingenzfaktoren, wie Dienstleistungseigenschaften und -prozesse, auf die Gestaltung des Controllingsystems.
198Vgl.
Becker/Rech (2014), S. 41–51; King/Clarkson (2015). Becker/Rech (2014), S. 41–51. 200Vgl. King/Clarkson (2015), S. 26–27: „given a setting of high uncertainty and high asset specificity, with low ownership the optimal MCS design is a boundary archetype whereas with high ownership it is an exploratory archetype.” (im Original kursiv) 199Vgl.
212
4 Entwurf der Konzeption des Dienstleistungscontrollings
• Produktions- und kostentheoretische Ansätze sind eher schwach ausgeprägt. Wenn überhaupt, dann unterstützen sie theoretische Betrachtungen zur instrumentalen Perspektive des Dienstleistungscontrollings. • Verhaltenswissenschaftliche Theorien sind sehr selten. Sie gelangen über die verhaltenswissenschaftliche Basis der rationalitäts- und kognitionsorientierten Controllingkonzeption in die theoretische Basis des Dienstleistungscontrollings. • Institutionenökonomische Ansätze sind gleichfalls selten. Sie werden dazu genutzt, die ökonomischen Effekte opportunistischen Verhaltens des Dienstleistungsanbieters und -nachfragers zu erklären sowie die Transaktionskosten, die mit verschiedenen Controllingsystemen verbunden sind. Theoretische Bezugsrahmen des Dienstleistungscontrollings setzen somit verschiedene Theorien ein. In den nächsten beiden Abschnitten werden diese Theorien auf ihre Zweckeignung für die eigene Konzeption des Dienstleistungscontrollings untersucht. Unterschieden wird zwischen sach- und verhaltensorientierten Ansätzen.201 Aus wertschöpfungsorientierter Sicht beschreiben, erklären, prognostizieren und gestalten sachorientierte Ansätze die Sicherstellung ökonomischer Gleichgewichtslagen und verhaltensorientierte Ansätze die Sicherstellung psychologischer Gleichgewichtslagen.202
4.4.3 Sachorientierte Ansätze 4.4.3.1 Systemorientierter Ansatz Mitte des letzten Jahrhunderts entwickelt Bertalanffy eine allgemeine Systemtheorie.203 Darin fasst er das bis dahin vorliegende, systembezogene Wissen verschiedener Wissenschaftsdisziplinen zu einer gemeinsamen Theorie zusammen. Nahezu zeitgleich entwickelt Wiener die Kybernetik – die Wissenschaft von der
201In Anlehnung an Wall (2008), S. 470–471, die entscheidungs-, systemorientierte und verhaltensorientierte Ansätze differenziert; Küpper et al. (2013), S. 83–119, unterteilt in Ansätze zur Erfassung von Sach- und Verhaltensinterdependenzen; Ewert/Wagenhofer (2014), S. 387–400, halten sachliche und persönliche Koordination auseinander. 202Vgl. Becker/Baltzer/Ulrich (2014), S. 56–58; Becker (2017), S. 64. 203Vgl. Bertalanffy (1949).
4.4 Theoretischer Bezugsrahmen
213
Steuerung und Regelung von Systemen.204 Der gewaltige Fortschritt auf beiden Gebieten hat dazu geführt, dass inzwischen eine große Zahl systemorientierter205 und kybernetischer206 Ansätze vorliegt.207 Wie andere Wissenschaftsdisziplinen, lässt sich auch die Betriebswirtschaftslehre unter einer systemtheoretisch-kybernetischen Perspektive betrachten.208 Erkenntnisobjekt der betriebswirtschaftlichen Systemtheorie sind produktive soziale Systeme (Unternehmen), die mit ihrer Umwelt interagieren.209 Unter einem System versteht man „eine geordnete Gesamtheit von Elementen, zwischen denen irgendwelche Beziehungen bestehen oder hergestellt werden können.“210 Die konstitutiven Merkmale eines Systems sind:211 • Die Systemhierarchie: Der Begriff System bezeichnet die Ganzheit, die betrachtet werden soll. Das System kann Bestandteil eines größeren Supersystems sein. Einzelne Teile des Systems sind Subsysteme, einzelne Teile des Subsystems Elemente. Elemente sind die kleinsten Einheiten im System. Außerhalb der Grenze des Systems befindet sich das Umsystem. • Die Systembeziehungen: Zwischen den Elementen des Systems bestehen Verbindungen, die das Verhalten des ganzen Systems beeinflussen, d.h. „das Verhaltens des Systems als Ganzes ist vom Verhalten aller seiner Elemente abhängig.“212 • Die Systemstruktur: Die Subsysteme und Elemente eines Systems stehen in einer bestimmten räumlichen und zeitlichen Anordnung. Dynamische Systeme verändern ihre Struktur mit der Zeit. Aus den Begriffsmerkmalen der Systemtheorie ist bereits zu erkennen, dass sich die Systemtheorie wegen ihres Anspruchs auf Interdisziplinarität auf wenige
204Vgl.
Wiener (1948). z.B. Luhmann (1984); Giddens (1991). 206Vgl. z.B. Ashby (1956); Beer (1966). 207Vgl. Staehle (1999), S. 41–48; Zahn/Kapmeier (2002), Sp. 1920–1922; Löbler (2017), S. 122–125. 205Vgl.
208Vgl.
Schanz (2004), S. 120–128. Ulrich (1970), S. 155. 210Ulrich (1970), S. 105. 211Vgl. Ulrich (1970), S. 107–111. 212Ulrich (1970), S. 109. 209Vgl.
214
4 Entwurf der Konzeption des Dienstleistungscontrollings
Begriffe und Kategorien beschränken muss.213 Die daraus gewonnen Aussagen weisen deshalb eine hohe Abstraktion bei geringem Informationsgehalt auf, ein Umstand, der ihre Anwendbarkeit auf konkrete Führungsprobleme erschwert.214 Kritisiert wird darüber hinaus, dass die Systemtheorie wegen ihrer deskriptiven Anlage keinen eigenständigen Erklärungsansatz für die entdeckten Strukturen, Verhaltensweisen und Zusammenhänge liefere.215 Dem lässt sich erwidern, dass sich sowohl das Operationalisierung- als auch das Erklärungsproblem durch die Kombination der Systemtheorie mit erklärenden Theorien lösen lässt. Die Leistungsfähigkeit der Systemtheorie liegt in der Offenheit für weitere Theorien. Die Systemtheorie stellt Begriffe und Terminologien bereit und mit der Systemanalyse216 sogar Methoden, um komplexe Strukturen und Vorgänge in Unternehmen zu erfassen. Sie hilft, betriebliche Abhängigkeiten zu erkennen und fördert das Denken in komplexen Zusammenhängen.217 In der Controllingforschung wird der Systemansatz in erster Linie gewählt, um die Zusammenhänge in und zwischen dem Führungs-, Controlling- und Ausführungssystem zu analysieren.218 Dies bestätigt auch die Analyse bisheriger Bezugsrahmen des Dienstleistungscontrollings. Dort wird die Systemtheorie hauptsächlich dazu eingesetzt, das Führungs-, Controlling- und Ausführungssystem von Dienstleistungen zu beschreiben und die Zusammenhänge zwischen diesen Systemen zu erklären.219 Corsten/Gössinger und Bruhn stellen insofern eine Ausnahme dar, als sie den Systemansatz intensiver als andere Autoren nutzen, um das dienstleistungsspezifische Ausführungssystem zu kennzeichnen.220 Damit beschreiten sie einen Weg, der sich inzwischen allgemein in der Dienstleistungsforschung abzeichnet: In der Dienstleistungsforschung erlebt
213Vgl.
Staehle (1999), S. 41. Schanz (2004), S. 126–127; Lorson/Häußler/Martin (2015), S. 85. 215Vgl. Köhler (2016), S. 414. 216Vgl. Zahn/Kapmeier (2002). 217Vgl. Ulrich (1970), S. 135–136. 218Vgl. Becker (2017), S. 46–47; vor allem festzustellen bei koordinationsorientierten Controllingkonzeptionen, wie bei Küpper et al. (2013), S. 33–38, und Horváth/Gleich/ Seiter (2015), S. 36–38. 219Vgl. Abschnitt 4.4.2; sowie im Einzelnen Friedl (1998); Küpper (1998); Fischer (2000); Corsten/ Gössinger (2004), S. 318–320; Bruhn/ Stauss (2006); Bruhn (2008). 220Vgl. nochmals Abschnitt 4.3.5 214Vgl.
4.4 Theoretischer Bezugsrahmen
215
die Systemtheorie in Verbindung mit Service-Systemen, Service-Netzwerken und Service-Ökosystemen gerade eine Renaissance.221 Die wertschöpfungsorientierte Controllingkonzeption verwendet die Systemtheorie als übergeordneten Metarahmen.222 Insofern ist der eigene theoretische Bezugsrahmen ebenfalls systemorientiert. Der systemtheoretische Überbau der Konzeption des Dienstleistungscontrollings kommt besonders in den Elementen der Controllingkonzeption zum Ausdruck.223 Ferner finden sich systemtheoretisch-kybernetische Bezugspunkte bei der Lokomotionsfunktion des Controllings und bei der auf Steuerung, Regelung und Anpassung ausgelegten Abstimmungsfunktion des Controllings.224 Die Zusammenhänge zwischen dem dienstleistungsorientierten Führungs-, Controlling- und Ausführungssystem werden ebenfalls systembezogen beschrieben. Nicht zuletzt fußen die Untersuchungen der Zusammenhänge der Potenzial-, Prozess- und Ergebnisebene bei Dienstleistungen auf systemorientierten Gedankengängen.
4.4.3.2 Entscheidungsorientierter Ansatz Erkenntnisgegenstand der Entscheidungstheorie sind betriebliche Entscheidungen von Individuen oder Gruppen. In der Betriebswirtschaftslehre werden zwei Arten der Entscheidungstheorie unterschieden.225 • Die präskriptive bzw. normative Entscheidungstheorie analysiert das optimale Entscheidungsverhalten von Entscheidungsträgern. Die dabei verwendeten Entscheidungsmodelle unterstellen rationales Entscheidungsverhalten. Sie ermitteln optimale Handlungsalternativen bei gegebener Zielsetzung.226 • Die deskriptive Entscheidungstheorie untersucht das tatsächliche Verhalten von Menschen in Entscheidungssituationen. Die Untersuchungen richten sich auf beschränkte Rationalitäten im Entscheidungsverhalten in Folge von
221Vgl. Badinelli et al. (2012); Ostrom et al. (2015), S. 135–136; Barile et al. (2016); Löbler (2017). 222Vgl. Abschnitt 4.4.1. 223Vgl. Becker/Baltzer/Ulrich (2014), S. 36; Becker (2017), S. 46–47; sowie Kapitel 4.2 und 4.5. 224Vgl. Abschnitt 4.5.3. 225Vgl. Eisenführ (2002), Sp. 360; Bamberg (2007), Sp. 383–384. 226Vgl. Bitz (1981), S. 5–6; Eisenführ/Weber (2003), S. 2–4; Bamberg/Coenenberg/Krapp (2012), S. 1–11; Laux/Gillenkirch/Schenk-Mathes (2012), 16–20.
216
4 Entwurf der Konzeption des Dienstleistungscontrollings
kognitiven Schwächen des Menschen, verhaltensbeeinflussenden Motiven und Einflüssen von sozialen Interaktionen mit anderen Menschen.227 Im vorherigen Abschnitt wurde festgestellt, dass bisherige theoretische Bezugsrahmen entscheidungstheoretische Ansätze verwenden. Allerdings befinden sich darin kaum Aussagen, die auf präskriptiven oder deskriptiven Entscheidungstheorien basieren. Charakteristisch für die Ansätze des Dienstleistungscontrollings ist vielmehr die Einteilung nach Planungsebenen in strategische und operative Entscheidungen. Insofern ist weniger die Verwendung von entscheidungstheoretischen Ansätzen festzustellen, als vielmehr eine Entscheidungsorientierung im Sinne von Heinen228 bzw. die Verwendung von Planungstheorien229.230 Planung lässt sich „als ein systematisches zukunftsbezogenes Durchdenken und Festlegen von Zielen, Maßnahmen, Mitteln und Wegen zur künftigen Zielerreichung“231 auffassen. Die Gesamtheit aller Teilplanungen einer Unternehmens und ihrer Beziehungen bezeichnet man als Planungssystem.232 Nach zeitlichen und sachlichen Gesichtspunkten lassen sich Planungssysteme in die drei Planungsebenen strategische, taktische und operative Planung untergliedern.233 Dem Controlling obliegt die Aufgabe, die Planungsebenen zu koordinieren.234 In Bezug auf Dienstleistungen findet man meist nur die Planungsebenen der strategischen und der operativen Dienstleistungsplanung vor.235 Häufig genannte Entscheidungsfelder der strategischen Dienstleistungsplanung aus Sicht des Anbieters sind Entscheidungen bezüglich 227Vgl.
Nietzsch (2007), Sp. 375; Berger/Bernhard-Mehlich/Oertel (2014). Heinen (1985); ders. (1991), S. 64–67, zu Planungs- und Kontrollsystemen. Zur Bedeutung von Heinen für die Betriebswirtschaftslehre allgemein s. Schanz (2004), S. 113–119. 229Vgl. Wild (1982), S. 166–171; Klein/Scholl (2011), S.1–30. 230Zur gleichen Feststellung gelangt Wall (2008), S. 470, in Bezug auf Konzeptionen des Controllings. Köhler (2016), S. 414, spricht dem entscheidungsorientierten Ansatz im Sinne von Heinen grundsätzlich den Rang einer Theorie ab und stuft sie eher als Forschungskonzeption ein. 231Wild (1982), S. 13. 232Vgl. Wild (1982), S. 153. 233Vgl. Wild (1982), S. 166; Fandel (1983), S. 487–492; Klein/Scholl (2011), S. 19–20; Küpper et al. (2013), S. 136–138. 234Vgl. Egger (2002), Sp. 1454–1456; Küpper et al. (2013), S. 138–140; Weber/Schäffer (2016), S. 274–275. 235In diesem Fall geht die taktische Planungsebene in den anderen Planungsebenen auf. 228Vgl.
4.4 Theoretischer Bezugsrahmen
• • • • •
217
der Dienstleistungsziele, der Dienstleistungsstrategien, dem Dienstleistungsprogramm, der Dienstleistungsentwicklung (Service Engineering), der Organisation der Dienstleistungserbringung.236
Entscheidungen im Rahmen der operativen Dienstleistungsplanung betreffen u. a. • • • • •
die Produktion der Dienstleistung, die Kommunikation des Kundennutzens (Tangibilitätsmanagement), die Gestaltung des Umfeldes (Umfeldmanagement), den Zeiteinsatz von Kunden und Mitarbeitern (Zeitmanagement), die fachliche, persönliche und soziale Kompetenz des Personals (Personalmanagement), • die Steuerung des Kundenverhaltens in der Kontaktsituation (Kundenmanagement), • die Kapazitätsdimensionierung und -auslastung sowie die Steuerung des Nachfragverhaltens des Kunden (Kapazitätsmanagement), • die Gestaltung des Dienstleistungsprozesses (Prozessmanagement), • der Kundenbeteiligung im Dienstleistungsprozess (Aktivitätsmanagement), • die Qualität der Dienstleistung (Qualitätsmanagement), • das Bundling und die Preispolitik (Angebots- und Preismanagement).237 Der eigene theoretische Bezugsrahmen ist insofern entscheidungsorientiert, als er die genannten strategischen und operativen Entscheidungsfelder bei der Gestaltung der Elemente des Dienstleistungscontrollings berücksichtigt. Vor allem wird auf die Aufgabe des Dienstleistungscontrollings geachtet, die integrativen Entscheidungen und Handlungen des Anbieters und Nachfragers
236Vgl. Laib (1998), S. 511–517; Engelhardt/Reckenfelderbäumer (2006), S. 247–282; Stauss (2007), Sp. 297–298; Voeth (2007), Sp. 1610–1612; Möller/Schwab (2008); Fließ (2009), S. 43–91; Gleich/Petschnig/Schmidt (2010), S. 32–33; Warg/Hoffmann/Boekhoff (2013), S. 94–95; Haller (2017), S. 61–112, Steven/Grandjean (2017), S. 489. 237Vgl. Fischer (2000), S. 178–232; Stauss (2007), Sp. 298–301; Voeth (2007), Sp. 1612– 1613; Fließ (2009), S. 92–157, 193–288; Warg/Hoffmann/Boekhoff (2013), S. 94–95; Haller (2017), S. 113–216, 339–426; Steven/Grandjean (2017), S. 490.
218
4 Entwurf der Konzeption des Dienstleistungscontrollings
wertschöpfungsorientiert aufeinander abzustimmen und die dafür notwendigen Informationen bereitzustellen.238 Hierzu gehört die Abstimmung • • • •
der Ziele und Erwartungen an die Dienstleistung, der Art, Menge und Dauer der Dienstleistung, der Wahl des Dienstleistungsverfahrens, des quantitativen und qualitativen Beitrages beider Parteien (Aktivitätsgrad) und • der Quantität und Qualität der bereitzustellenden Ressourcen und Kapazitäten.
4.4.3.3 Situativer Ansatz (Kontingenztheorie) Die Ursprünge des Situativen Ansatzes239 gehen zurück auf die empirischen Studien von Lawrence/Lorsch.240 Sie waren die ersten, die eine „Contingency Theory of Organization“ formulierten. Während bei der systemorientierten Betriebswirtschaftslehre das Unternehmen als produktives soziales System im Vordergrund steht, konzentriert sich der situative Ansatz auf die Organisationsstruktur.241 Hauptanliegen des Situativen Ansatzes ist die Ableitung von Empfehlungen für eine situationsadäquate Gestaltung der Organisationsstruktur.242 So gesehen relativiert der Situative Ansatz abstrakte Aussagen der Systemtheorie durch die Beachtung situativer Bedingungen. Der Situative Ansatz wird von der Überzeugung getragen, dass es für jede beliebige Situation eine bzw. mehrere dazu passende effiziente Organisationsstrukturen gibt (SituationsStruktur-Fit). Mit anderen Worten: Organisationen müssen ihre Struktur an die jeweilige Situation anpassen, um effizient zu sein.243 Vergleichbar mit dem Fortschritt der Systemtheorie, hat der Situative Ansatz in den letzten Jahrzehnten eine rasanten Entwicklung genommen.244 Mittlerweile gibt es mehrere Varianten,
238Vgl.
Corsten/Gössinger (2004), S. 319; Corsten/Corsten (2013), S. 444–449. synonym werden auch die Bezeichnungen situations- oder kontingenztheoretischer Ansatz bzw. Situations- oder Kontingenztheorie verwendet. Vgl. Bea (2005), S. 3. 240Vgl. Lawrence/Lorsch (1967). 241Vgl. Kieser (2014), S. 164. 242Vgl. Macharzina/Wolf (2015), S. 73–74. 243Vgl. Kieser (2014), S. 164. 244Vgl. Staehle (1999), S. 48–60; Kieser (2014). 239Weitgehend
4.4 Theoretischer Bezugsrahmen
219
von denen hier nur zwei angerissen werden.245 Für die umfangreiche Kritik am Situativen Ansatz sei auf die einschlägige Literatur verwiesen.246 Der klassische Situative Ansatz trifft zwei wesentliche Annahmen: 1. Organisationsstruktur und Verhalten der Organisationsmitglieder üben einen starken Einfluss auf die Zielerreichung (Effizienz) aus. 2. Die Situation beeinflusst einseitig die Organisationsstruktur.247 Mit dem Begriff Situation sind exogene (z. B. Konkurrenzverhältnis, politisch-rechtliche Bedingungen) oder endogene (z. B. Betriebsgröße, Eigentumsverhältnisse) Einflussfaktoren der Organisationsstruktur gemeint.248 Mit der Annahme, dass die Situation einseitig die Struktur beeinflusst, sieht sich der klassische Situative Ansatz dem Vorwurf des Determinismus ausgesetzt: „Unter Effizienzgesichtspunkten verbleibt nur eine situationsgerechte Gestaltungsalternative; das bedeutet, organisatorische Strukturentscheidungen reduzieren sich auf ein bloßes Anpassungshandeln an externe und interne Umweltgegebenheiten.“249 Weiterentwicklungen des Situativen Ansatzes gehen davon aus, dass die Umweltsituation kein unveränderbares Datum mehr darstellt, sondern aktiv beeinflusst werden kann. Ferner nehmen sie an, dass die Organisationsstruktur in einem ausgewogenen Verhältnis mit allen relevanten Umweltvariablen stehen muss, um effizient zu sein.250 Einer dieser Weiterentwicklungen ist der Strategic-Choice Ansatz von Child.251 Child schaltet der Organisationsstruktur ein Gremium von Organisationsgestaltern (Managern) vor, das strategische Spielräume ausnutzt, indem es die Situation bewertet und durch die Festlegung von externen und internen Strategien aktiv auf die Situation einwirkt, um die Effizienz zu erhöhen.252 In der empirischen Controllingforschung ist der Situative Ansatz ein weitverbreiteter Forschungsansatz, der sich bei Forschern hoher Beliebtheit erfreut.253
245Zu
weiteren Varianten s. Staehle (1999), S. 48–60; Kieser (2014). Staehle (1999), S. 52–53; Kieser/Walgenbach (2003), S. 44–45; Kieser (2014), S. 179–187. 247Vgl. Staehle (1999), S. 50–51. 248Vgl. Kieser (2014), S. 171. 249Staehle (1999), S. 51. 250Vgl. Macharzina/Wolf (2015), S. 74. 251Vgl. Child (1972). 252Vgl. Kieser (2014), S. 253Vgl. Becker/Baltzer/Ulrich (2014), S. 37; Otley (2016), S. 47; sowie Abschnitt 5.1. 246Vgl.
220
4 Entwurf der Konzeption des Dienstleistungscontrollings
Das trifft auch auf die empirischen Studien zum Dienstleistungscontrolling zu: Fünf der sechs analysierten Bezugsrahmen, welche den Situativen Ansatz verwenden, sind empirisch orientiert.254 Unter anderem untersuchen sie den Einfluss von Dienstleistungsmerkmalen und -prozessen auf das Controllingsystem. Das Untersuchungsdesign der eigenen empirischen Studie in Teil 1 baut ebenfalls auf dem Situativen Ansatz auf. Im theoretisch-konzeptionellen Teil der eigenen Arbeit – wie im empirischen Teil – stellt der Situative Ansatz eine wichtige Theoriesäule dar.255 Zweifach wird darauf Bezug genommen: • Die wertschöpfungsorientierte Controllingkonzeption wird auf den situativen Kontext der Dienstleistung angepasst.256 • Die Standardisierung von Dienstleistungen wird als Kontingenzfaktor bei der Gestaltung des Dienstleistungscontrollings berücksichtigt.257
4.4.3.4 Produktions- und kostentheoretischer Ansatz Erkenntnisgegenstand der Produktions- und Kostentheorie ist die betriebliche Produktion.258 Die Produktions- und Kostentheorie verbindet die mengenorientierte Produktionstheorie mit der wertorientierten Kostentheorie auf der Grundlage graphischer und formal-analytischer Modelle.259 Sie hat in den letzten Jahren viel Kritik erfahren. Bemängelt wurde u. a. die einseitige Orientierung an der industriellen Sachgüterproduktion und die Vernachlässigung menschlicher Interaktionen, wie z. B. die Integration externer Faktoren.260 Ihre Attraktivität als
254Vgl.
Abschnitt 4.4.2 sowie im Einzelnen Bruggeman/Bartholomeeussen/Heene (1988); Modell (1996); Aas (2011); Auzair (2015); King/Clarkson (2015); dagegen theoretischkonzeptionell Gerling/Jonen (2006). 255In Anlehnung an Becker/Baltzer/Ulrich (2014), S. 39: „der Situative Ansatz [bildet] aus unserer Sicht eine wichtige Theoriesäule der Controlling-Forschung“. 256Vgl. Abschnitt 4.5. 257Vgl. Abschnitt 4.3.6. 258Vgl. Dyckhoff (2007), Sp. 1472, 1474; Fandel (2010), S. 11–16. Fandel (2007), Sp. 1461: „Dabei lässt sich die Leistungserstellung so verstehen, dass Güter (Faktoren, Ressourcen, Inputs) miteinander kombiniert und möglicherweise auch transformiert werden, um aus ihnen neue Güter (Produkte, Erzeugnisse, Outputs) herzustellen.“; siehe ders. (2010), S. 1–2. 259Vgl. Dyckhoff (2007), Sp. 1473; Fandel (2010), S. 14–16. 260Vgl. grundlegend Dyckhoff (2003) und die Repliken auf diesen Beitrag in der ZfB.
4.4 Theoretischer Bezugsrahmen
221
theoretische Grundlage für das Controlling rührt aus der logischen Verknüpfung von Leistungs- und Wertsphäre der Unternehmung. Mit produktionswirtschaftlichen Fragestellungen in Bezug auf das Controlling befasst sich das Produktionscontrolling.261 In allgemeinen Controllingkonzeptionen kommt die Produktions- und Kostentheorie als theoretische Basis kaum vor.262 Ein Grund für die geringe Adaption produktions- und kostentheoretischer Erkenntnisse in Controllingkonzeptionen liegt darin, dass dem Controlling im allgemeinen die Aufgabe der Sekundärkoordination des Führungssystems zufällt, während die Primärkoordination des Ausführungssystems die Subsysteme der Unternehmensführung (Planung, Kontrolle, Organisation, Personalführung, Kontrolle) übernehmen.263 Folglich wird die Produktion als Teil des Ausführungssystems allenfalls als Anwendungsfall des Controllings (Bereichscontrolling) behandelt, nicht jedoch die Produktions- und Kostentheorie als mögliche Theoriequelle zur Fundierung des Controllings. Die Ergebnisse der Analyse bisheriger Bezugsrahmen des Dienstleistungscontrollings spiegeln diesen Befund. Von den fünf Beitragen mit Bezug zur Produktions- und Kostentheorie befasst sich keiner intensiver mit produktionsund kostentheoretischen Betrachtungen.264 Wenn überhaupt, dient die Produktions- und Kostentheorie zur theoretischen Fundierung von Instrumenten des Dienstleistungscontrollings, wie der Kilgerschen Grenzplankostenrechnung265 bei Fischer266 oder der Data Envelopment Analysis267 zur Effizienzmessung.268 261Vgl. Fandel (2002); Ossadnik (2009), S. 495–499; Becker/Baltzer/Ulrich (2014), S. 225–228; Reichmann/Kißler/Baumöl (2017), S. 361–410. 262So kann z. B. Wall (2008), S. 470–471, keine Indizien für produktions- und kostentheoretische Grundlagen der Controllingkonzeptionen finden. Auch das Sammelwerk von Scherm/Pietsch (Hrsg., 2004), das ansonsten einen breiten Überblick über das Spektrum an Controllingkonzeptionen bietet, enthält keinen produktions- und kostentheoretisch fundierten Aufsatz. Bestenfalls Küpper et al. (2013), S. 86–96, liefert einen Hinweis zur Koordination sachlicher Interdependenzen im Produktionsumfeld mit Optimierungs- und Simulationsmodellen. Siehe auch Küpper (2007a). 263Zur Primär- und Sekundärkoordination von Unternehmensführung und Controlling s. Becker/ Baltzer/Ulrich (2014), S. 75–76; Becker (2017), S. 116. 264Vgl. Abschnitt 4.4.2 sowie im Einzelnen Meyer (1995); Borrmann (2003); Engelhardt/ Reckenfelderbäumer (2006); Steven/keine genannte Schulte/Alevivard (2012); Steven/ Granjean (2017). 265Vgl. Kilger/Pampel/Vikas (2012). 266Vgl. Fischer (2000), S. 80–88. 267Vgl. Richter/Borsch (2017). 268Beide Instrumente basieren auf produktions- und kostentheoretischen Überlegungen. Vgl. Dyckhoff (2007), S. 1476, 1479.
222
4 Entwurf der Konzeption des Dienstleistungscontrollings
Die Produktions- und Kostentheorie schließt die Produktion von Dienstleistungen ein. Die hierzu vorliegenden Ansätze lassen sich in Produktionsmodelle für institutionelle Dienstleistungen (z. B. Versicherungen, Kreditinstituten, Krankenhäuser, Handel), funktionelle Dienstleistungen (z. B. Logistik, Forschung und Entwicklung, Instandhaltung, IT) und allgemeine Dienstleistungen einteilen.269 Gegenstand der vorliegenden Arbeit ist das allgemeine bzw. leistungsbezogene Dienstleistungscontrolling. Insofern interessiert primär die dritte Gruppe von Produktionsmodellen, die in genereller Form die Grundlage für alle Arten von Dienstleistungsproduktionen bilden.270 Bei dieser Gruppe von Modellen der Dienstleistungsproduktion zeichnen sich zwei Entwicklungsrichtungen ab. Eine erste Fraktion von Forschern durchdringt die Dienstleistungsproduktion graphisch und formal-analytisch mit Netzplantechnik auf der Grundlage des GERT-Verfahrens.271 Ihnen gelingt es „die Vielfalt alternativer Abläufe, die zyklischen Verknüpfungen der Ablaufstrukturen, die ex ante gegebene Mehrdeutigkeit des Transformationsergebnisses und die für den Entscheidungsträger bestehenden Alternativen abzubilden.“272 Somit gelingt es mit GERT-Netzplänen, für Dienstleistungen typische stochastische Produktionsbedingungen zu modellieren.273 Corsten – Protagonist des ersten Ansatzes – hat sich darum bemüht, das Dienstleistungscontrolling theoretisch mit GERT-Netzplänen zu fundieren.274 Gelungen ist es ihm nur zum Teil, was sich daran zeigt, dass er und seine CoAutoren die theoretischen Aussagen zum Dienstleistungscontrolling in erster Linie aus der produktionswirtschaftlichen Perspektive der mehrstufigen Dienstleistungsproduktion gewinnen, nicht aber aus G ERT-Netzplänen. Um die GERTNetzpläne mit dem Controlling theoretisch zu verknüpfen, wäre eine darauf aufbauende Werttheorie erforderlich. Grundsätzlich kritisch zu bewerten ist die
269Vgl. Corsten/Gössinger (2015), S. 362–363; Corsten (2017), S. 177. Die Gruppen entsprechen der Einteilung der Arten des Dienstleistungscontrollings in Abschnitt 2.3.2. 270Bezüglich produktionstheoretischer Modelle für institutionelle und funktionelle Dienstleistungen sei auf die Literaturübersichten bei Corsten/Gössinger (2005), S. 362–363, und Souren/Richter (2015), S. 48–49, verwiesen. Eine der ersten Arbeiten zur Dienstleistungsproduktion stammt von Farny (1965), der die Anwendbarkeit der Produktions- und Kostentheorie auf Versicherungen analysiert. 271Vgl. Gössinger (2005); Corsten/Gössinger (2015), S. 388–396; Corsten (2017). Zum GERT-Verfahren s. Neumann/Morlock (1993), S. 368–371; Domschke et al. (2015), S. 104–106. 272Corsten (2017), S. 183. 273Vgl. Corsten (2017), S. 183. 274Vgl. Corsten/Gössinger (2004), S. 326–327; Corsten/Corsten (2013), S. 445–446.
4.4 Theoretischer Bezugsrahmen
223
Verwendung von Modellierungstechniken zur theoretischen Fundierung des Dienstleistungscontrollings. Eine zweite Fraktion von Forschern wenden die Aktivitätsanalyse von Koopmans275 auf die Dienstleistungsproduktion an. Fandel/Blaga übertragen die Aktivitätsanalyse auf die Dienstleistung, indem sie das Gutenbergsche Faktorsystem um externe Faktoren erweitern.276 In der Nachfolge ergänzen Souren/ Richter die Aktivitätsanalyse um Interaktionsprozesse, wie Transaktionsprozesse und interaktive Transformationsprozesse von Anbietern und Nachfragern.277 Ihre formal-analytischen Betrachtungen visualisieren sie anhand von Input-OutputGraphen. Eindrucksvoll belegen sie die praktische Anwendbarkeit ihres Ansatzes an der Hausmüllabfuhr und der Theateraufführung.278 In der Controllingforschung gab es bislang keine Versuche, das Dienstleistungscontrolling mit der Aktivitätsanalyse theoretisch zu fundieren. Für die Integration spricht, dass sich mit der Aktivitätsanalyse nicht nur produktionstechnologische Aspekte modellieren lassen, sondern sie über die monetäre Bewertung des Mengengerüstes Ansatzpunkte für eine Werttheorie mitliefert.279 Über die Wertsphäre ist dann die Verknüpfung mit dem Controlling nicht mehr weit. Gegen die Integration spricht, dass der Ansatz gegenwärtig nur auf standardisierte Dienstleistungen anwendbar ist, Dienstleistungen vom Typ B folglich nicht abdeckt. Außerdem kann er nur lineare und deterministische Produktionsbedingungen abbilden, wie sie für Dienstleistungen vom Typ A zutreffen.280 Aus genannten Gründen wird von einer Verwendung der beiden Ansätze im eigenen theoretischen Bezugsrahmen Abstand genommen. Obwohl beide Ansätze vielversprechend sind, darf nicht übersehen werden, dass sie sich noch in der Entwicklung befinden und keine umfassende Produktionstheorie für Dienstleistungen
275Vgl.
Koopmans (1951). Fandel/Blaga (2004); insoweit vertreten Fandel/Blaga eine allgemeine Produktionstheorie, die bei Dienstleistungen die Integration externer Faktoren im Inputsystem vorsieht. Vgl. Altenburger (2016), S. 226–227. 277Vgl. Souren/Richter (2015). 278Die I/O-Graphen gehen zurück auf Richter/Souren (2009) und die Dissertation von Richter (2012). Sie ähneln in ihrer Grundstruktur dem Service Blueprint. Siehe zum Service Blueprint Shostack (1982); Fließ/Kleinaltenkamp (2004). 279Souren/Richter (2015), S. 57–61, entwickeln zum Produktionsmodell dazu passende Erfolgsmodelle für den Anbieter und Nachfrager. 280Vgl. Souren/Richter (2015), S. 57–62. 276Vgl.
224
4 Entwurf der Konzeption des Dienstleistungscontrollings
repräsentieren.281 Aufgrund der Dualität von Produktions- und Kostentheorie hat vor allem der aktivitätsanalytische Ansatz – entsprechende Weiterentwicklung vorausgesetzt – das Potenzial, zukünftig eine größere Bedeutung als Theoriesäule des (operativen) Dienstleistungscontrollings zu erlangen. Abgesehen von dem Verzicht auf (formal-analytische) produktions- und kostentheoretische Modelle, wird im eigenen theoretischen Bezugsrahmen zur Kennzeichnung des Objektbereiches des Dienstleistungscontrollings eine produktionswirtschaftliche Perspektive eingenommen. Angenommen wird: • Der Dienstleistungsproduktionsprozess ist mehrstufig organisiert (Vor- und Endkombination). • Die Produktion der Dienstleistung vollzieht sich auf mehreren, leistungswirtschaftlich interdependenten Ebenen (Potenzial-, Prozess- und Ergebnisebene). Um die Brücke zum entscheidungsorientierten Ansatz zu schlagen, werden außerdem Entscheidungen der Produktionsplanung berücksichtigt:282 • Planung des Produktionsprogramms: Dienstleistungsarten und -mengen. • Wahl des Produktionsverfahrens: Aufteilung der Aktivitäten zwischen Anbieter und Nachfrager (Aktivitätsgrad), Eigenfertigung vs. Fremdbezug. • Gestaltung des Produktionspotenzials (Bereitstellungsplanung): Quantitative und qualitative Dimensionierung der Kapazitäten. • Planung des Produktionsprozesses: Wahl alternativer Dienstleistungspfade, Aktivitätenplanung, Zeitplanung, Planung der Infrastruktur.
4.4.4 Verhaltensorientierte Ansätze Bei den verhaltensorientierten Ansätzen wird zwischen institutionenökonomischen und verhaltenswissenschaftlichen Ansätzen unterschieden. Institutionenökonomische Ansätze basieren auf mikroökonomischen Theorien, verhaltenswissenschaftliche Ansätze auf psychologischen, sozialpsychologischen und soziologischen Theorien.
281Vgl. 282Vgl.
16–19.
Corsten/Gössinger (2015), S. 362. Fandel (2002), Sp. 1509–1512; ders. (2007), Sp. 1462–1469; ders. (2010), S.
4.4 Theoretischer Bezugsrahmen
225
Mit dieser Unterteilung wird einer in der Controllingliteratur häufig gewählten Gliederung gefolgt.283
4.4.4.1 Institutionenökonomische Ansätze Für die Neue Institutionenökonomik ist der Begriff der Institution zentral: „Eine Institution beschreibt ein System von Regeln, das den Zweck verfolgt, individuelles Verhalten in Austauschbeziehungen in eine bestimmte Richtung zu beeinflussen.“284 Im Kontext von Unternehmen können die Regeln Individuen, Gruppen oder die gesamte Organisation beeinflussen. Die Regeln können formgebunden (z. B. Verträge, Leitbilder, Handlungsanweisungen) oder formungebunden (z. B. Sitten und Gebräuche, Unternehmenskultur, Geschäftsgebaren) festgelegt sein. Das Regelsystem schließt ein System von Durchsetzungsregeln ein. Diese sorgen dafür, dass die Regeln befolgt werden bzw. sanktionieren deren Verletzung.285 Das System von Regeln fördert die Kooperation zwischen den Akteuren. Es schafft einen Ordnungsrahmen, der die Verhaltensunsicherheiten und die Transaktionskosten der Austauschbeziehung reduziert. Ziel der Institutionenökonomik ist es, ökonomisch effiziente Institutionen, die Kooperationen fördern, zu beschreiben, zu erklären und zu gestalten.286 Die Neue Institutionenökonomik ist keine einheitliche Theorie, sondern eine Ansammlung von Theoriezweigen zwischen denen Verbindungen bestehen.287 Bestandteile der Neuen Institutionenökonomik sind die Transaktionskostentheorie, die Theorie der Verfügungsrechte und die ökonomische Vertragstheorie.288 Die Theoriezweige sind durch ein verwandtes Untersuchungsprogramm und die Annahmen der individuellen Rationalität, des opportunistischen Verhaltens und der Existenz von Transaktionskosten
283Vgl. Schweitzer/Küpper (2011), S. 609–682; Ewert/Wagenhofer (2014), S. 13–14; Wall (2008), S. 471; Küpper et al. (2013), S. 99–100; weitgehend analog Fließ (2009), S. 38–40, für das Dienstleistungsmanagement. 284Jost (2007), Sp. 781. 285Im Fall von Verträgen garantieren Gerichte die Einhaltung der Vertragsbedingungen. 286Vgl. Jost (2007), Sp. 781–782; Richter/Furubotn (2010), S. 7–8; Neus (2013), S. 9–12. 287Vgl. Ebers/Gotsch (2014), S. 195; Köhler (2016), S. 416–418. 288Vgl. Jost (2007), Sp. 764–786.
226
4 Entwurf der Konzeption des Dienstleistungscontrollings
iteinander verbunden.289 Mitunter wird die Informationsökonomik der Neuen m Institutionenökonomik zugerechnet.290 Die Transaktionskostentheorie (Transaction Cost Economics) berücksichtigt Marktunvollkommenheiten in Gestalt von Transaktionskosten.291 Im Verlauf einer Austauschbeziehung (Transaktion) fallen – zusätzlich zu Produktionskosten – Kosten für Information, Kommunikation und Koordination an: Vor der Transaktion entstehen Anbahnungs- und Vereinbarungskosten, während der Transaktion Abwicklungs-, Kontroll- und Anpassungskosten, nach der Transaktion Auflösungskosten.292 Die Höhe der Transaktionskosten hängt maßgeblich von der Unsicherheit, Spezifität und Häufigkeit der Transaktion ab.293 Ziel der Transaktionskostentheorie ist es, für jeden Transaktionstyp die effizienteste Koordinationsform zu ermitteln, d. h. diejenige, mit den minimalsten Transaktionskosten.294 Wie der Name Theorie der Verfügungsrechte (Property-Rights-Theory) bereits vermuten lässt, bilden Verfügungsrechte den Untersuchungsgegenstand der Theorie.295 Verfügungsrechte umfassen „das Recht, physische Güter oder geistige Leistungen zu gebrauchen und Nutzen aus ihnen zu ziehen sowie das Recht, von anderen Personen ein bestimmtes Verhalten zu fordern.“296 Ziel der Theorie der Verfügungsrechte ist es, die effizienteste Verteilung von Verfügungsrechten an Vermögensgegenständen zu ermitteln.297 Gegenstand der ökonomischen Vertragstheorie (Prinzipal-Agenten-Theorie; Agencytheorie) sind Vertragsbeziehungen zwischen einem Auftraggeber (Prinzipal) und einem Auftragnehmer (Agent).298 Der Prinzipal ist unsicher, ob
289Vgl. Jost (2007), Sp. 783–784; Richter/Furubotn (2010), S. 4–6, 13–14; Neus (2013), S. 11–12. 290Vgl. Schiller (2007), Sp. 741, 747. Schiller merkt an, dass die Informationsökonomie demselben Forschungsansatz folgt wie die Neue Institutionenökonomik, stuft sie aber dennoch als Teildisziplin der Spieltheorie ein. 291Vgl. Neus (2013), S. 97–100; Hauptvertreter: Williamson (1975); ders. (1985). 292Vgl. Picot (1982), S. 270–271; ders. (2005), S. 53; Becker (2007), S. 167–168. 293Vgl. Williamson (1975), S. 20–40; ders. (1985), S. 43–63. 294Vgl. Dietl (2007), Sp. 1750–1751. 295Vgl. Coase (1960); Alchian (1965); Demsetz (1967). Zu weiteren Wegbereitern s. Ebers/ Gotsch (2014), S. 197. 296Richter/Furubotn (2010), S. 6. 297Vgl. Jost (2007), Sp. 785. 298Mehrere Auftraggeber und -nehmer sind ebenfalls möglich.
4.4 Theoretischer Bezugsrahmen
227
der Agent sich Vertragskonform verhalten wird. Der Grund für seine Unsicherheiten sind Zielkonflikte und asymmetrisch verteilte Informationen. Der Agent verfügt im Allgemeinen über besseres Wissen hinsichtlich seiner Eigenschaften und Verhaltensweisen als der Prinzipal. Der Prinzipal kann nur unter Inkaufnahme unverhältnismäßig hoher Kosten die Eigenschaften und Handlungen des Agenten beobachten. Der Informationsvorsprung eröffnet dem Agenten den Spielraum zu opportunistischem Verhalten. Um vertragskonformes Verhalten des Agenten sicherzustellen, muss der Prinzipal dem Agenten monetäre Anreize bieten, wofür Kosten entstehen, sogenannte Agencykosten. Ziel der PrinzipalAgenten-Theorie ist es, die für beide Parteien effizienteste Vertragsbeziehung zu bestimmen, d. h. diejenige, mit den geringsten Agencykosten.299 Die Informationsökonomik hat einen breiteren Untersuchungsrahmen als die Prinzipal-Agenten-Theorie. Während sich die Prinzipal-Agenten-Theorie auf die Gestaltung effizienter Anreizsysteme konzentriert, beschäftigt sich die Informationsökonomik allgemeiner mit den ökonomischen Konsequenzen von Situationen, in denen Akteure über unterschiedliche Informationsstände verfügen.300 Neben Vertragsbeziehungen rücken somit auch wirtschaftliche Interaktionsbeziehungen ins Blickfeld der Analyse, die keine vertragliche Grundlage haben.301 Die Neue Institutionenökonomik hat umfangreiche Kritik erfahren, z.B. hinsichtlich der empirischen Überprüfbarkeit der Hypothesen, der konkreten Ermittlung von Transaktions- und Agencykosten, des methodologischen Individualismus und der Opportunismusannahme. Diesbezüglich sei auf die weiterführende Literatur verwiesen.302 Von den verschiedenen Theoriezweigen der Neuen Institutionenökonomik sind in der Controllingforschung vorwiegend die Prinzipal-Agenten-Theorie und die Informationsökonomik anzutreffen.303 Sie bilden die wichtigste theoretische
299Vgl.
Jost (2001); ders. (2007), Sp. 786. Ewert (2007), Sp. 1, der aufgrund des allgemeineren Untersuchungsprogramms die Prinzipal-Agenten-Theorie als Teilbereich der Informationsökonomik auffasst. 301Vgl. Schiller (2007). 302Vgl. Schanz (2004), S. 136–141; Ebers/Gotsch (2014), S. 204–206, 220–225; 243–252. 303Vgl. Ewert (2002); Ossadnik (2009), S.391–487; Friedl (2013), S. 338–353; Küpper et al. (2013), S. 99–114; Becker/Baltzer/Ulrich (2014), S. 40–43; Ewert/Wagenhofer (2014), S. 11–14, 383–452. 300Vgl.
228
4 Entwurf der Konzeption des Dienstleistungscontrollings
Grundlage des Controllings bei Problemen der Verhaltenssteuerung.304 Hauptanwendungsgebiet ist die optimale Gestaltung von Anreizsystemen.305 Unter anderem werden die Prinzipal-Agenten- und Informationsökonomie zur Lösung von Anreizproblemen in Verbindung mit übergreifenden Koordinationsinstrumenten wie Budgetierungssystemen, Ziel- und Kennzahlenzahlensystemen und Verrechnungspreissystemen sowie Performance Measurement Systemen eingesetzt.306 Ein ähnliches Bild bietet sich in der Dienstleistungsforschung. Dort bildet die Neue Institutionenökonomik ebenfalls eine der wichtigsten theoretischen Grundlagen des Dienstleistungsmanagements und -marketings.307 Klein/Adler halten die Neue Institutionenökonomik als theoretische Grundlage des Dienstleistungsmanagements für geeignet, da mit ihr die leistungs- und transaktionspartnerbezogenen Unsicherheitsprobleme erklärt werden können.308 Zu bedenken geben sie, dass die daraus gewonnen Handlungsempfehlungen wegen des Abstraktionsniveaus auf einem allgemeinen Niveau verbleiben, weshalb sie durch verhaltenswissenschaftliche Ansätze zu ergänzen seien, die einen tieferen Einblick in das Handeln der Akteure gewährten.309 Meffert/Bruhn/Hadwich würdigen gleichfalls den hohen Erklärungsbeitrag der Neuen Institutionenökonomik bezüglich der Informationsasymmetrien im Dienstleistungsmarketing.310 Ganz anders zu bewerten ist die gegenwärtige Situation des Dienstleistungscontrollings: Institutionenökonomischen Ansätzen kommt zur theoretischen Fundierung des Dienstleistungscontrollings bislang keine sonderliche Bedeutung zu.311 Becker/Rech machen sich die Prinzipal-Agenten-Theorie, Informationsökonomie und Transaktionstheorie zunutze, um die Verhaltensunsicherheiten bei Dienstleistungsverträgen zu erklären.312 Die Verhaltenssteuerung des
304Vgl.
Wall (2008), S. 471, 479. Hofmann (2002), Sp. 73–78; Pfaff (2007), Sp. 35–37. 306Vgl. Hofmann (2001); Pfaff/Pfeiffer (2001); Pfaff (2004); Hofmann/Daugart (2004). 307Vgl. Kleinaltenkamp/Marra (1996); Kaas (2001); Burr (2002); Kleinaltenkamp/Jacob (2002), S. 150–152; Fließ (2009), S. 37–40; Meffert/Bruhn/Hadwich (2015), S. 50–62; Klein/Adler (2017). 308Vgl. Klein/Adler (2017), S. 192. 309Vgl. Klein/Adler (2017), S. 192, 207; ebenso Meffert/Bruhn/Hadwich (2015), S. 68. 310Vgl. Meffert/Bruhn/Hadwich (2015), S. 49. 311Vgl. Abschnitt 3.4.4 der Literaturanalyse zur theoretischen Fundierung des Dienstleistungscontrollings sowie Abschnitt 4.4.2 zur Analyse bisheriger Bezugsrahmen. 312Vgl. Becker/Rech (2014), S. 41–51. 305Vgl.
4.4 Theoretischer Bezugsrahmen
229
ienstleistungscontrollings thematisiert Stebel.313 Stebel ermittelt auf Basis D mehrere formal-analytischer Prinzipal-Agenten-Modelle optimale Anreizverträge für Dienstleistungen. Letztendlich erhärten King/Clarkson in ihrem Situativen Ansatz mit der Transaktionskostentheorie die Wirkung von Eigentumsverhältnissen auf das Controllingsystem.314 Angelehnt an die Vorarbeiten von Becker/Rech und gestützt auf die zuvor genannte Begründung der Controlling- und Dienstleistungsforschung werden institutionenökonomische Ansätze in den eigenen theoretischen Bezugsrahmen des Dienstleistungscontrollings aufgenommen: • Die Transaktionskostentheorie erfasst Informations-, Kommunikationsund Koordinationskosten in Dienstleistungsbeziehungen. Den optimalen Integrationsgrad des Kunden errechnet das Dienstleistungscontrolling unter Beachtung von Produktions- und Transaktionskosten.315 • Die Theorie der Verfügungsrechte ergänzt die produktionswirtschaftliche um eine austauschbezogene Perspektive.316 Während des Dienstleistungsprozesses überträgt der Nachfrager dem Anbieter Verfügungsrechte am externen Faktor und der Anbieter dem Nachfrager Verfügungsrechte an seinen Leistungspotenzialen.317 • Die Prinzipal-Agenten-Theorie und die Informationsökonomik gewähren Einblicke in die zweiseitige Auftragsbeziehung zwischen Anbieter und Nachfrager sowie die Auftragsbeziehung zwischen Servicemanager und -mitarbeiter. Im Rahmen seiner Verhaltenssteuerungsaufgabe nutzt das Dienstleistungscontrolling die Prinzipal-Agenten-Theorie bei der Gestaltung von Anreizsystemen.318
4.4.4.2 Verhaltenswissenschaftliche Ansätze Während ökonomische Theorien Verhaltensannahmen treffen und aus den Annahmen Aussagen ableiten, gewinnen verhaltenswissenschaftliche Ansätze
313Vgl.
Stebel (2007); Homburg/Stebel (2008). King/Clarkson (2015), S. 26–27. 315Vgl. Abschnitt 4.5.5, Prozesssteuerung. 316Vgl. Abschnitt 4.5.4. 317Vgl. Kleinaltenkamp (2007), Sp. 1039–1040. 318Vgl. Abschnitt 4.5.5, Verhaltenssteuerung. 314Vgl.
230
4 Entwurf der Konzeption des Dienstleistungscontrollings
ihre Erkenntnisse aus Hypothesen über das reale Verhalten und durch empirische Überprüfung der Hypothesen.319 In Bezug auf das Dienstleistungscontrolling können verhaltenswissenschaftliche Theorien dazu beitragen, die Einflussfaktoren menschlichen Verhaltens besser zu verstehen. Diese Erkenntnisse wiederum können dabei helfen, dienstleistungsspezifische Steuerungskonzepte realitätsnäher und damit anwendbarer zu gestalten.320 Sie können helfen bei der Festlegung verhaltensorientierte Kriterien zur Messung der Leistungsfähigkeit und -bereitschaft des Personals auf der Potenzialebene, zur Messung der Interaktionskompetenz auf der Prozessebene und zur Messung der Mitarbeiterperformance auf der Ergebnisebene321, bei der Auswahl verhaltensbezogener Kennzahlen zur Gestaltung von Ziel- und Kennzahlensystemen (Performance Measurement Systemen) und bei der Gestaltung von Motivations- und Anreizsystemen.322 Die Literaturanalyse hat ergeben, dass verhaltenswissenschaftliche Theorien äußerst selten in den theoretischen Grundlagen des Dienstleistungscontrollings vorkommen.323 Vorzufinden sind sie in Konzeptionen des Dienstleistungscontrollings, die aus rationalitäts- oder kognitionsorientierten Controllingkonzeptionen deduziert werden.324 Nach der hier vertretenen Auffassung reicht die bloße Verwendung von Theorien allgemeiner Controllingkonzeption nicht aus, die spezielle Controllingkonzeption des Dienstleistungscontrollings theoretisch zu fundieren.325 Es bedarf ergänzender Theorien zur Erklärung der Dienstleistung. Implizit geteilt wird diese Auffassung von Bruhn, der mit der sogenannten „Erfolgskette des Dienstleistungsmanagements“ einen stärker verhaltenswissenschaftlich orientierten Ansatz in seinen theoretischen Bezugsrahmen integriert.326
319Vgl. Küpper et al. (2013), S. 115. Ein Überblick verhaltenswissenschaftlicher Ansätze findet sich bei Staehle (1999), S. 153–161. 320Vgl. allgemein Weber/Schäffer (2016), S. 29–30. 321Vgl. Schmitz (2006). 322Vgl. Becker/Rech (2014), S. 201–203, m.w.N. 323Vgl. Abschnitt 4.4.2 sowie die Literaturanalyse zur theoretischen Fundierung in Abschnitt 3.4.4. 324Vgl. Weber/Schäffer (2001); Schäffer/Weber (2002); Gerling/Jonen (2006); Lingnau/ Gerling (2006). 325Vgl. nochmals die Argumentation in Abschnitt 1.2.3. 326Vgl. Bruhn (2008), S. 406–407.
231
4.4 Theoretischer Bezugsrahmen
Service Profit Chain Hinter der Erfolgskette des Dienstleistungsmanagements verbirgt sich die von Heskett/Sasser/Schlesinger entwickelte Service Profit Chain (SPC).327 Die SPC beschreibt Ursache-Wirkungsbeziehungen zwischen vorökonomischen Steuerungsund ökonomischen Wirkgrößen bei Dienstleistungen. Gemäß Heskett/Sasser/ Schlesinger bestehen positive Korrelationen zwischen interner Servicequalität (Arbeitsplatzqualität), Mitarbeiterzufriedenheit, -bindung, -produktivität, Service Value (externe Servicequalität), Kundenzufriedenheit, -bindung, Umsatzwachstum und Profitabilität (vgl. Abbildung 4.12).328 Die Zusammenhänge der SPC sind bidirektional.329 Der Inside-Out-Effekt kennzeichnet den sogenannten „Satisfaction Mirror“, wonach Mitarbeiter- zu Kundenzufriedenheit führt und diese wiederum zu ökonomischem Erfolg. Entgegengesetzt führen ökonomischer Erfolg und Kundenzufriedenheit zu Mitarbeiterzufriedenheit – ersichtlich an den rückkoppelnden Pfeilen in Abbildung 4.12. Operating Strategy and Service Delivery System
Revenue Growth
Employee Retention Internal Service Quality
External Service Value
Employee Satisfaction
Customer Satisfaction
Customer Loyalty
Employee Productivity
workplace design job design employee selection and development employee rewards and recognition tools for serving customers
Profitability
service concept: results for customers
retention repeat business referral
service designed and delivered to meet targeted customers‘ need
Abbildung 4.12 The Service Profit Chain. (Quelle: Heskett et al. (1994), S. 166. Das hier dargestellte ursprüngliche Modell wurde später von Heskett/Sasser/Schlesinger (1997), S. 19, leicht modifiziert)
327Vgl.
Heskett et al. (1994); Heskett/Sasser/Schlesinger (1997). Heskett/Sasser/Schlesinger (1997), S. 18–30. 329Vgl. Nerdinger/Pundt (2018), S. 3. 328Vgl.
232
4 Entwurf der Konzeption des Dienstleistungscontrollings
Die Ergebnisse zur empirischen Gültigkeit der SPC sind widersprüchlich. Es existieren sowohl Studien, die die Zusammenhänge der SPC mit gewissen Einschränkungen bestätigen330, als auch solche, die nur schwache Korrelationen331 entdecken. Vorgeworfen wird Heskett/Sasser/Schlesinger die Zusammenhänge zu simplifizieren.332 Die tatsächlichen Zusammenhänge seien komplexer, nichtlinear und asymmetrisch.333 Weiterhin wird kritisiert, dass die SPC nicht alle relevanten Einflussfaktoren berücksichtige.334 U.a. moderieren die Weiterempfehlung335 von Kunden, die Identität336 der Mitarbeiter und Kunden, die Reputation337 des Anbieters und das Serviceklima338 die Wirkkette der SPC. Neuere Studien haben entdeckt, dass vor allem die Kundenloyalität, aber auch die interne Dienstleistungsqualität und die Mitarbeiterproduktivität einen stärkeren Einfluss auf die Profitabilität ausüben, als die Mitarbeiterzufriedenheit und -loyalität.339 Bisherigen Untersuchungen weisen zudem methodische Schwächen auf. Ein Großteil der Studien konzentriert sich auf einzelne Teile der SPC.340 Seltener sind Studien, welche die gesamte SPC umspannen.341 Je nach Studie, werden die Konstrukte der SPC mit unterschiedlichen Skalen operationalisiert. Zudem entstammen die Daten vorwiegend dem Handel und Bankensektor. Zeitlich verzögerte Wirkungen zwischen den Konstrukten werden weder vom Modell der SPC noch von empirischen Studien ausreichend erfasst.342 Der Praxis wird
330Vgl.
Loveman (1998); Anderson/Mittal (2000). Pritchard/Silvestro (2005). 332Vgl. Pritchard/Silvestro (2005), S. 349. 333Vgl. Anderson/Mittal (2000); Kamakura et al. (2002), S. 313–314. Zum Beispiel können zu hohe Investitionen in die Dienstleistungsqualität die Profitabilität mindern. Vgl. Rust/ Zahorik/Keiningham (1995); Zeithaml (2000). 334Vgl. Pritchard/Silvestro (2005), S. 351: „managerial s trait-jacket“. 335Vgl. Woratschek/Horbel (2005). 336Vgl. Homburg/Wieseke/Hoyer (2009), S. 48. 337Vgl. Bates/Bates/Johnston (2003). 338Vgl. Hong et al. (2013). 339Vgl. Kunz/Horgreve (2011), S. 239; Eller (2015), S. 190. 340Zu Mitarbeiter- und Kundenzufriedenheit s. Homburg/Stock (2001); zu Dienstleistungsqualität und Kundenbindung s. Parasuraman/Grewal (2000); zu Kundenzufriedenheit, -bindung und Profitabilität s. Hallowell (1996). 341Vgl. Loveman (1998); Anderson/Mittal (2000); Kamakura et al. (2002); Pritchard/ Silvestro (2005); Eller (2015). 342Vgl. Kamakura et al. (2002), S. 314; Pritchard/Silvestro (2005), S. 350. 331Vgl.
4.4 Theoretischer Bezugsrahmen
233
empfohlen, die SPC nicht vorbehaltlos anzuwenden, sondern die spezifischen Einflussgrößen im jeweiligen Unternehmen zu analysieren und die SPC entsprechend anzupassen.343 Ungeachtet der Kritikpunkte und des Anpassungsbedarfs bei der Implementierung, bleibt die SPC für das Dienstleistungscontrolling von theoretischem Wert. Der theoretische Wert der SPC besteht darin, den ökonomische Erfolg von Dienstleistungen durch die gezielte Beeinflussung des Verhaltens von Kunden und Mitarbeitern plan- und steuerbar zu machen.344 Demgemäß liegt das Hauptanwendungsgebiet der SPC im eigenen theoretischen Bezugsrahmen in der Gestaltung von Performance Measurement Systemen.345 Vergleichsweise einfach lässt sich die SPC beispielsweise mit der BSC realisieren.346 Gemäß der SPC ist das kundenorientierte Verhalten des Personals ein bestimmender Faktor für die Zufriedenheit des Kunden mit der Dienstleistung. Ausgehend von dieser Erkenntnis stellt sich für das Dienstleistungscontrolling die Frage, welche Kriterien ein kundenorientiertes Verhalten charakterisieren. Sind diese bekannt, so lassen sie sich messen und steuern. In der Literatur des Dienstleistungscontrollings wird in diesem Zusammenhang an einigen wenigen Stellen das Konstrukt „Organizational Citizenship Behavior“ bemüht.347 Kundenorientierter Organizational Citizenship Behavior348 Organizational Citizenship Behavior (OCB) bezeichnet das individuelle, bewusste Verhalten einer Person, das über arbeitsvertragliche Verpflichtungen hinausgeht, nicht direkt oder explizit durch formale Anreizsysteme belohnt wird und bei häufiger und flächendeckender Anwendung durch viele Mitarbeiter zur effizienten und effektiven Funktionsweise der Organisation beiträgt.349 Zu OCB zählen Verhaltensweisen wie
343Vgl. Rucci/Kirn/Quinn (1998) am Beispiel des Einzelhändlers Sears; Pritchard/Silvestro (2005), S. 349. 344Vgl. Becker/Rech (2014), S. 125, 182–183. 345Vgl. Abschnitt 4.5.7, Performance Measurement. 346Vgl. Kaplan/Norton (1996), S. 30–31, 256–258; Heskett/Sasser/Schlesinger (1997), S. 35–36; Sanche (2002), S. 214–228. 347Vgl. Schmitz (2006), S. 164; Bruhn (2008), S. 409. 348Vgl. im Folgenden Becker/Rech (2014), S. 232–233. 349Vgl. Organ/Podsakoff/MacKenzie (2006), S. 3–11.
234
4 Entwurf der Konzeption des Dienstleistungscontrollings
• altruistisches Verhalten im Arbeitszusammenhang (Hilfsbereitschaft gegenüber Kollegen und Vorgesetzten), • aufgabenbezogenes Verantwortungsbewusstsein und Engagement (freiwillige Aufgabenübernahme, Pflichtbewusstsein), • Sportsgeist bei hoher Toleranzschwelle (Akzeptieren von vorübergehenden Belastungen und Aufgabenwechseln), • höfliches, umsichtiges und vorausschauendes Verhalten (Gemeinschaftssinn, Rechtschaffenheit, Friedfertigkeit) und • organisationsbezogenes Verantwortungsbewusstsein und Engagement (Loyalität, Lösungsorientierung, abteilungsübergreifendes Denken und Handeln).350 Studien belegen, dass kundenorientierter OCB positiv auf die Performance einer Organisation wirkt.351 Hervorgerufen wird OCB unter anderem durch Arbeitszufriedenheit.352 Eine bedeutende Einflussgröße von OCB ist das Führungsverhalten (Leadership Behavior).353 Service Leadership Behavior OCB hängt von der Art des Führungsverhaltens ab: Transformationale Führung beeinflusst OCB positiver als transaktionale Führung.354 Transaktionale Führung (Transactional Leader Behaviors) charakterisiert einen austauschbezogenen Führungsstil. Abhängig von der Performance gibt die Führungskraft dem Mitarbeiter positives (z. B. Anerkennung, Zustimmung, Belohnung) oder negatives Feedback (z. B. Ermahnung, Ablehnung, Bestrafung).355 Transformationale Führung (Transformational Leader Behaviors) charakterisiert einen veränderungsorientierten Führungsstil. Führungskräfte mit diesem Führungsverhalten führen über Visionen, übernehmen eine Vorbildfunktion, die sich den Unternehmenszielen und -werten verpflichtet fühlt („Role Model“; „Lead by Example“), streben nach gemeinsamen Zielen der Gruppe, setzen hohe Erwartungen an Qualität und Performance, fördern die individuelle Entwicklung und regen die Mitarbeiter zu Kreativität und Innovation
350Vgl. Staehle (1999), S. 571–573, m.w.N.; Organ/Podsakoff/MacKenzie (2006), S. 15–26. 351Vgl. Podsakoff/MacKenzie (1997), S. 146–148, m.w.N. 352Vgl. Organ/Ryan (1995). 353Vgl. Nerdinger/Pundt (2018). 354Vgl. MacKenzie/Podsakoff/Rich (2001). 355Vgl. MacKenzie/Podsakoff/Rich (2001), S. 115–116, 117–118.
4.4 Theoretischer Bezugsrahmen
235
an.356 Ferner besteht ein positiver Zusammenhang zwischen Service Leadership Behavior, Serviceklima, kundenorientiertem OCB, Kundenzufriedenheit und finanzieller Performance (vgl. Abbildung 4.13).357 Service Leadership Behavior
Service Climate
CustomerFocused OCB
Customer Satisfaction
Sales
Abbildung 4.13 Zusammenhang von Service Leadership Behavior, OCB und Performance. (Quelle: In Anlehnung an das Modell von Schneider et al. (2005), S. 1025)
Service Leadership Behavior umschreibt ein dienstleistungsorientiertes Führungsverhalten. Führungskräfte mit diesem Führungsverhalten fühlen sich der Service Exzellenz bzw. Dienstleistungsqualität verpflichtet. Sie setzen Qualitätsstandards, beseitigen Hindernisse, die ein dienstleistungsorientiertes Verhalten behindern. Sie belohnen Mitarbeiter für dienstleistungsorientiertes Verhalten und schätzen ein solches Verhalten wert.358 Eng verwandt mit dem Service Leadership Behavior ist das Servant Leadership Behavior. Für Servant Leadership Behavior ist ein dienendes Führungsverhalten symptomatisch. Führungskräfte mit diesem Führungsverhalten behandeln Mitarbeiterbedürfnisse mit Priorität; ihre eigenen Bedürfnisse stellen sie zurück. Ein solches Führungsverhalten impliziert Empathie für den Mitarbeiter, die Orientierung an ethischen Prinzipien sowie die erfolgreiche Entwicklung und Förderung von Mitarbeitern.359 Aufgrund der inhaltlichen Nähe werden beide Konzepte im Folgenden unter dem Begriff Service Leadership Behavior geeint. Das Serviceklima bezeichnet die übereinstimmende Wahrnehmung der Mitarbeiter in Bezug auf die Bedeutung von Servicequalität in ihrem Unternehmen. Die Wahrnehmung der Mitarbeiter resultiert aus Erfahrungen mit Ereignissen, Verfahren und Tätigkeiten im Unternehmen sowie dem Verständnis, welches Verhalten belohnt, unterstützt und erwartet wird.360 Das Serviceklima mediiert den Zusammenhang zwischen Service Leadership Behavior und kundenorientiertem
356Vgl. MacKenzie/Podsakoff/Rich (2001), S. 118–119; zur Abgrenzung transaktionaler und transformationaler Führung s. Büttgen/Oesterle (2017), S. 951–954. 357Vgl. Schneider et al. (2005). 358Vgl. Schneider et al. (2005), S. 1018. 359Vgl. Liden et al. (2014), S. 1434–1435; grundlegend s. Greenleaf (1970). 360Vgl. Hong et al. (2013), S. 237, m.w.N.
236
4 Entwurf der Konzeption des Dienstleistungscontrollings
OCB.361 In Abhängigkeit von der Art der Dienstleistung ergeben sich unterschiedliche Einflussintensitäten auf das Serviceklima. Die Wirkung des Serviceklimas auf die Serviceperformance und die Kundenzufriedenheit fällt bei personenbezogenen Dienstleistungen stärker aus, als bei objektbezogenen.362 Aufgrund des nachweislich hohen Einflusses von kundenorientierter OCB und von Service Leadership Behavior auf die Performance von Dienstleistungsbereichen, werden beide verhaltenswissenschaftlichen Ansätze in die theoretische Basis des Dienstleistungscontrollings aufgenommen.363 Berücksichtigt werden die Erkenntnisse bei der Gestaltung der Verhaltenssteuerungsaufgabe und bei der Philosophie des Dienstleistungscontrollings.364 Aus Sicht des Dienstleistungscontrollings geht es um die Schaffung und Erhaltung einer performanceorientierten Dienstleistungskultur, die auf einem serviceorientierten Verhalten der Führungskräfte und einem serviceorientierten Verhalten der Mitarbeiter beruht.
4.4.5 Service-dominant Logic Vor gut fünfzehn Jahren haben Vargo/Lusch mit Erscheinen des Artikels „Evolving to a New Dominant Logic for Marketing“365 im Journal of Marketing eine kontroverse Diskussion in der Marketingforschung entfacht. In dem Artikel vertreten Vargo/Lusch die These, die Marketingforschung vollziehe ein Paradigmenwechsel von einer tradierten „Goods-Dominant Logic“ (GDL) zu einer „Service-Dominant Logic“ (SDL). Den Wandel belegen sie mit neu entstandene Teildisziplinen des Marketings, wie z.B. Dienstleistungsmarketing, Beziehungsmarketing, Qualitätsmanagement und Netzwerkanalyse, die von anderen Annahmen ausgehen, als die klassische GDL.366
361Vgl.
Hong et al. (2013), S. 249–251; Liden et al. (2014), S. 1445–1446. Hong et al. (2013), S. 252–253. Personenbezogene Dienstleistungen verändern den Zustand der Person des Nachfragers (z. B. Haarschnitt), während objektbezogene Dienstleistungen den Zustand eines Objektes verändern, das dem Nachfrager gehört (z. B. Autoreparatur). Zur Trennung in objekt- und personenbezogene Dienstleistungen siehe Homburg/Garbe (1996), S. 262–263; Kleinaltenkamp (2007), Sp. 1037; Corsten/Gössinger (2015), S. 32–33; Meffert/Bruhn/Hadwich (2015), S. 19. 363Zur Effektivität von Servant Leadership im Dienstleistungskontext s. Büttgen/Oesterle (2017), S. 954–957, und die dort angegebene Literatur. 364Vgl. Abschnitte 4.5.1 und 4.5.5, Verhaltenssteuerung. 365Vgl. Vargo/Lusch (2004). 366Vgl. Vargo/Lusch (2004), S. 2–4. 362Vgl.
4.4 Theoretischer Bezugsrahmen
237
GDL und SDL nehmen unterschiedliche Perspektiven auf die betriebliche Wertschöpfung ein.367 Die GDL betrachtet die Wertschöpfung des Anbieters und die des Nachfragers als separate Stränge. Den Schwerpunkt der Betrachtung bildet die Leistungserstellung und -verwertung des Anbieters. Wert entsteht durch Austausch der produzierten Güter, d.h. durch einzelne Transaktionen zwischen Anbieter und Nachfrager. Im Gegensatz dazu, geht das Paradigma der SDL von einer integrativen Wertschöpfung („co-creation of value“) aus, bei der Anbieter und Nachfrager gegenseitig Services austauschen, die für beide von Nutzen sind („service-for-service exchange“). Der Wert entsteht nicht durch Herstellung, Verwertung und Güteraustausch („Value of Exchange“), sondern durch Ressourcenintegration („resource integration“) und den Austausch von nutzenstiftenden Diensten („Value in Use“).368 Vargo/Lusch unterscheiden deutlich zwischen dem Servicebegriff nach GDL und SDL.369 Services nach GDL sind für sie intangible Leistungen, Services nach SDL dagegen Prozesse: “We define services as the application of specialized competences (knowledge and skills) through deeds, processes, and performances for the benefit of another entity or the entitiy itself.”370 Zentrale Elemente dieser Definition sind die Ressourcenorientierung durch den Einsatz von Fähigkeiten, Fertigkeiten und Wissen sowie die Nutzenorientierung. Die prozessorientierte Sichtweise auf Dienste teilt die SDL mit dem hier vertretenen transformationsorientierten Dienstleistungsbegriff. Beide Definitionen schließen tangible und intangible Leistungen ein.371 Der Ansatz von Vargo/Lusch hat viel Kritik erfahren.372 Als Reaktion auf diese Kritik haben Vargo/Lusch ihren Ansatz mehrfach modifiziert. Die letzte Fassung von 2016 enthält 11 Grundannahmen („Foundational Premises“), darunter 5 Axiome:373
367Vgl.
Corsten/Gössinger (2015), S. 57. (2004), S. 2, 5. 369Vgl. Vargo/Lusch (2013), 91. 370Vargo/Lusch (2004), S. 2. 371Vgl. Vargo/Lusch (2004), S. 2. 372Vgl. z.B. Achrol/Kotler (2006); Grönroos (2008). 373Vgl. Vargo/Lusch (2004); dies. (2008); dies. (2016). 368Vgl. Vargo/Lusch
238
4 Entwurf der Konzeption des Dienstleistungscontrollings
• Axiom 1 – Service is the fundamental basis of exchange: In wirtschaftlichen Beziehungen tauschen Akteure keine Güter aus, sondern Services im Sinne der obigen Definition (service-for-service exchange).374 • Axiom 2 – Value is cocreated by multiple actors, always including the beneficiary: Der Kunde wird nicht länger nur als Abnehmer der produzierten Leistung angesehen, sondern als Akteur, der interaktiv mit dem Anbieter und weiteren Akteuren die Wertschöpfung generiert.375 • Axiom 3 – All social and ecomomic actors are resource integrators: An der Wertschöpfung von Services sind verschiedene Akteure beteiligt, die in einem Netzwerk zusammenarbeiten (Serviceökosysteme).376 • Axiom 4 – Value is always uniquely and phenomenologically determined by the beneficiary: Der Wert ergibt sich aus dem Nutzen, den die Services für den Anbieter und den Nachfrager stiften. Er ist kontextspezifisch, einzigartig und entsteht aus der Interaktion von Anbieter und Nachfrager.377 • Axiom 5 – Value cocreation is coordinated through actor-generated institutions and institutional arrangements: Die Akteure verwenden miteinander in Beziehung stehende Institutionen (Regeln, Normen, Gesetze, Praktiken), um die Aktivitäten der gemeinsamen Wertschöpfung und den Austausch von Services in Serviceökosystemen zu koordinieren.378 Aus den Axiomen und Grundannahmen der SDL lassen sich Controllingimplikationen ableiten. Beispielsweise leiten Laine/Paranko/Suomala aus der SDL Anpassungsbedarfe für Accounting-Objekte und Metriken von Produktherstellern ab, die zu Dienstleistern transformieren.379 Für den eigenen theoretischen Bezugsrahmen des Dienstleistungscontrollings sind vor allem folgende Aspekte relevant:380
374Vgl. Vargo/Lusch
(2004), S. 6–8; dies. (2008), S. 6. (2004), S. 10–11; dies. (2008), S. 7–8; dies (2016), S. 8–10. 376Vgl. Vargo/Lusch (2008), S. 8–9; zu Serviceökosystemen s. Chandler/Vargo (2011). 377Vgl. Vargo/Lusch (2008), S. 9. 378Vgl. Vargo/Lusch (2016), S. 17–18. 379Vgl. Laine/Paranko/Suomala (2012), S. 215–216. Wie die Literaturanalyse in Abschnitt 3.4.4 gezeigt hat, ist das der einzige Beitrag zum Dienstleistungscontrolling, der auf die SDL zurückgreift. 380In Anlehnung an Kleinaltenkamp (2017), S. 55–58, der Bezüge der SDL zum Dienstleistungsmanagement herstellt. 375Vgl. Vargo/Lusch
4.4 Theoretischer Bezugsrahmen
239
• Das Commitment, das Wiederkaufverhalten und die Empfehlungsneigung des Kunden hängt vom Nutzwert der Services (Value in Use) ab. Entsprechend seiner Lokomotionsfunktion muss das Dienstleistungscontrolling die Wertschöpfung bei Dienstleistungen folglich am Kundennutzen ausrichten. • Der Erfolg der Dienstleistung hängt maßgeblich davon ab, inwieweit es dem Anbieter und dem Nachfrager gelingt, die dafür erforderlichen Ressourcen zu integrieren.381 Gemäß seiner Informationsfunktion muss das Dienstleistungscontrolling die einzelnen Wertbeiträge der beteiligten Akteure auf der Prozessund Ergebnisebene erfassen und bewerten. Auf der Potenzialebene der Dienstleistung muss es die Fähigkeit und Bereitschaft des Anbieters und des Kunden zur Ressourcenintegration beurteilen. • Die an der Wertschöpfung beteiligten Akteure steuern ihre Aktivitäten mittels institutionellen Arrangements. Im Rahmen seiner Abstimmungsfunktion muss das Dienstleistungscontrolling die Effektivität und Effizienz dieser Vereinbarungen sowie die nutzenorientierte Verteilung der Erfolgsbeiträge sicherstellen. Insgesamt ist das Controlling durch die SDL gezwungen eine Öffnung zu vollziehen. Kommend von einer anbieterbezogenen, der Sachgüterproduktion verhafteten Sichtweise auf die Leistungserstellung und -verwertung, hin zu einer Perspektive der integrativen Wertschöpfung mit verschiedenen durch den Anbieter und Kunden integrierten Akteuren, die in einem Wertschöpfungsnetzwerk (Serviceökosystem) interagieren und durch den Austausch nutzenstiftender Services gemeinsam Wert schaffen.
4.4.6 Resümee Die in den letzten Abschnitten geführte Diskussion zur theoretischen Fundierung des Dienstleistungscontrollings hat deutlich gemacht, dass zusätzlich zur theoretischen Basis der allgemeinen Controllingkonzeption – im
381Vgl.
Horbel/Woratschek/Popp (2017).
240
4 Entwurf der Konzeption des Dienstleistungscontrollings
v orliegenden Fall der wertschöpfungsorientierten Controllingkonzeption – weitere Theorien erforderlich sind, um das Dienstleistungscontrolling theoretisch zu fundieren.382 Außerdem ist klar geworden, dass wegen der besonderen Bedeutung des Faktors Mensch bei Dienstleistungen, der theoretische Bezugsrahmen des Dienstleistungscontrollings gleichermaßen Theorien zu Sach- und zu Verhaltensaspekten umfassen sollte. Abbildung 4.14 vermittelt einen Überblick, der im eigenen theoretischen Bezugsrahmen des Dienstleistungscontrollings verwendeten Theorien. Den Überbau des theoretischen Bezugsrahmens des wertschöpfungsorientierten Dienstleistungscontrollings bildet die Systemtheorie. Die Systemtheorie ist offen für die Integration weiterer Theorien. Komplexe betriebliche Strukturen und Zusammenhänge auf der Leistungs- und Wertsphäre von Dienstleistungen lassen sich mit ihr beschreiben. Die Elemente und Funktionen des Dienstleistungscontrollings, die Beschreibung der Zusammenhänge von Führungs-, Controlling- und Ausführungssystem sowie die Erklärung der Verhältnisse zwischen Potenzial-, Prozess- und Ergebnisebene basieren auf systemtheoretischen Überlegungen. Die Entscheidungstheorie wird durch eine Entscheidungsorientierung des theoretischen Bezugsrahmens bedacht. So werden bei der Gestaltung der Elemente des Dienstleistungscontrollings strategische und operative Entscheidungen analysiert, wie z. B. Entscheidungen zur Entwicklung, Qualität und zu Kapazitäten. In der integrativen Wertschöpfung übernimmt das Dienstleistungscontrolling die Aufgabe, die interdependenten Entscheidungs- und Handlungsfelder des Anbieters und des Kunden wertschöpfungsorientiert abzustimmen und die dafür erforderlichen Informationen bereitzustellen.
382Zur
mehrdimensionalen Theorie der Unternehmung allgemein s. Becker (1996), S. 72–99; Küpper (2007b). Zur mehrdimensionalen Theorieansätzen im Dienstleistungsmanagement s. Fließ (2009), S. 37–40; im Dienstleistungsmarketing s. Meffert/Bruhn/ Hadwich (2015), S. 43–77.
4.4 Theoretischer Bezugsrahmen Sachaspekte der Wertschöpfung
Wertschöpfungsorientiertes Dienstleistungscontrolling
241 Verhaltensaspekte der Wertschöpfung
Systemtheorie
Neue Institutionenökonomik
Entscheidungstheorie
Service Profit Chain
Situativer Ansatz
Organizational Citizenship Behavior
Produktions- und Kostentheorie
Service Leadership Behavior
Service-dominant Logic
Abbildung 4.14 Theoretischer Bezugsrahmen des Dienstleistungscontrollings. (Quelle: Eigene Darstellung)
Der Situative Ansatz ist eine weitere Theoriesäule dieser Arbeit, sowohl für den theoretischen Bezugsrahmen als auch für die Analyse des Umsetzungstandes des Dienstleistungscontrollings in der Praxis. Kennzeichnend für die Anwendung des Situativen Ansatzes im theoretischen Bezugsrahmen ist die Anpassung der wertschöpfungsorientierten Controllingkonzeption auf die situativen Bedingungskonstellationen der Dienstleistung sowie die Berücksichtigung der Individualisierung bzw. Standardisierung der Dienstleistung als Kontingenzfaktor. Die Analyse der Produktions- und Kostentheorie ergab, dass sowohl netzplanorientierte wie auch aktivitätsanalytische Produktionsmodelle als theoretische Grundlage des Dienstleistungscontrollings nicht in Frage kommen. Analog zur Entscheidungsorientierung, wird die Produktions- und Kostentheorie durch eine Produktionsorientierung des theoretischen Bezugsrahmens bedacht: Die Dienstleistungsproduktion vollzieht sich in einem mehrstufigen Prozess aus Vor- und Endkombination. Sie umfasst mit der Potenzial-, Prozess- und Ergebnisebene drei interdependente, leistungswirtschaftliche Ebenen. Zudem wird der Entscheidungsorientierung durch die Analyse von Entscheidungen der Dienstleistungsproduktionsplanung Rechnung getragen.
242 Theorie
4 Entwurf der Konzeption des Dienstleistungscontrollings Anwendungsgebiete •
Systemtheorie
•
• Entscheidungstheorie • • Situativer Ansatz
• •
Produktions- und Kostentheorie Theorie der Verfügungsrechte Transaktionskostentheorie Prinzipal-AgentenTheorie / Informationsökonomik
• • • • • • • •
Service Profit Chain • • Organizational Citizenship Behavior (OCB)
•
Elemente des Dienstleistungscontrollings, insbesondere Lokomotions- und Abstimmungsfunktion Zusammenhänge zwischen Führungs-, Controlling- und Ausführungssystem sowie Potenzial-, Prozess- und Ergebnisebene Strategische und operative Entscheidungsfelder Integrative Entscheidungen von Anbieter und Nachfrager Anpassung der wertschöpfungsorientierten Controllingkonzeption an den situativen Kontext der Dienstleistung Explizite Berücksichtigung der Individualität/Standardisierung als Kontingenzfaktor Mehrstufige Dienstleistungsproduktion mit Vorund Endkombination Phasenorientierte Dienstleistungsproduktion mit Potenzial, Prozess, Ergebnis Entscheidungsfelder der Produktionsplanung Ergänzung der produktionswirtschaftlichen Perspektive des Dienstleistungsprozesses um eine austauschbezogene Perspektive Berücksichtigung von Produktions- und Transaktionskosten Ermittlung des optimalen Integrationsgrades des Kunden Erklärung der zweiseitigen Auftragsbeziehungen von Anbieter und Nachfrager sowie Servicemanager und -mitarbeiter Gestaltung von Anreizsystemen im Rahmen der Verhaltenssteuerungsaufgabe des Dienstleistungscontrollings Berücksichtigung des Zusammenhangs zwischen vorökonomischen Steuerungsgrößen und ökonomischen Wirkgrößen Abbildung der SPC mit der BSC Positive Wirkung von kundenorientiertem OCB auf die Performance von Dienstleistungsorganizationen Berücksichtigung bei der Verhaltenssteuerungsaufgabe des Dienstleistungscontrollings
Kapitel / Abschnitt 4.5 Elemente 4.5.3 Funktionen 4.5.5 Aufgaben 4.5.7 Instrumente 4.5.5 Aufgaben 4.5.7 Instrumente
4.5.4 Objekte
4.5.4 Objekte 4.5.5 Aufgaben 4.5.7 Instrumente
4.5.5 Aufgaben 4.5.7 Instrumente
4.5.7 Instrumente
4.5.1 Philosophie 4.5.5 Aufgaben 4.5.7 Instrumente
Abbildung 4.15 Anwendungsgebiete der verwendeten Theorien. (Quelle: Eigene Darstellung)
4.4 Theoretischer Bezugsrahmen
• Service Leadership Behavior
Service-dominant Logic
• • • •
Positive Wirkung von Service Leadership Behavior auf die Performance von Dienstleistungsorganisationen Enger Zusammenhang zwischen Service Leadership Behavior und kundenorientiertem OCB Berücksichtigung bei der Verhaltenssteuerungsaufgabe des Dienstleistungscontrollings Integrative Wertschöpfung als Denkmuster des Dienstleistungscontrollings Ausrichtung der Wertschöpfung am Kundennutzen (Service Value)
243
4.5.1 Philosophie 4.5.5 Aufgaben 4.5.7 Instrumente
4.5 Elemente 4.5.1 Ziele
Abbildung 4.15 (Fortsetzung)
Verhaltensaspekte werden im theoretischen Bezugsrahmen durch institutionenökonomische und verhaltenswissenschaftliche Ansätze einbezogen. Die Theorie der Verfügungsrechte ergänzt die produktionswirtschaftliche um eine austauschbezogene Perspektive. Bei der Ermittlung des optimalen Integrationsgrades des externen Faktors sind im Sinne der Transaktionskostentheorie zusätzlich zu Produktionskosten, Informations-, Kommunikations- und Kontrollkosten zu erwägen. Zielorientierte Anreizsysteme in Dienstleistungsbereichen lassen sich schließlich mit der Prinzipal-Agenten-Theorie gestalten. Bei der Untersuchung verhaltenswissenschaftlicher Ansätze wurde festgestellt, dass trotz ihrer Schwächen die Service Profit Chain für das Dienstleistungscontrolling einen theoretischem Wert besitzt. Sie lenkt den Blick auf die Verhaltensbeeinflussung von Kunden und Mitarbeitern und deren Wirkung auf den ökonomischen Erfolg. Mit der BSC steht zudem das Instrumentarium zur Verfügung, die Ursache-Wirkungsbeziehungen der SPC in einem Performance Measurement System abzubilden. Weiterhin wurde bei der Analyse verhaltenswissenschaftlicher Ansätze anhand empirischer Studien belegt, dass kundenorientiertes Organizational Citizenship Behavior der Mitarbeiter und Service Leadership Behavior der Führungskräfte einen positiven Einfluss auf die Performance von Dienstleistungsorganisationen ausüben. Beide Theorien werden bei der Philosophie und der Verhaltenssteuerungsaufgabe des Dienstleistungscontrollings bedacht. Das übergeordnete Denkmuster des theoretischen Bezugsrahmens stellt die Service-dominant Logic dar.383 Das Paradigma der SDL weicht die tradierte Orientierung des Controllings auf die Leistungserstellung und -verwertung des Anbieters auf. An seine Stelle tritt das Denken in Serviceökosystemen, in denen
383Die SDL ist keine Theorie mit eigenem Theoriekern, sondern ein Denkmuster. Vgl. Köhler (2016), S. 415.
244
4 Entwurf der Konzeption des Dienstleistungscontrollings
Akteure interagieren, um durch den Austausch von Services gemeinsam Wert zu schaffen. Das Controlling muss sich neu orientieren, weg vom Güteraustausch auf der Ergebnisebene, hin zur integrativen Wertschöpfung auf der Prozessebene. Die Abbildung 4.15 fasst die im theoretischen Bezugsrahmen des Dienstleistungscontrollings verwendeten Theorien sowie die Anwendungsgebiete und Fundstellen in der Arbeit zusammen.
4.5 Elemente des Dienstleistungscontrollings Gegenstand von Abschnitt 4.5 ist die Realisierung des dritten Forschungsziels aus Abschnitt 4.1: Auf der Grundlage der wertschöpfungsorientierten Controllingkonzeption und den in den Abschnitten 4.3 und 4.4 definierten konzeptionellen und theoretischen Bezugsrahmen werden die Elemente des Dienstleistungscontrollings gestaltet. Behandelt werden Philosophie (Abschnitt 4.5.1), Ziele (Abschnitt 4.5.2), Funktionen (Abschnitt 4.5.3), Objekte (Abschnitt 4.5.4), Aufgaben (Abschnitt 4.5.5), Aufgabenträger (Abschnitt 4.5.6), Instrumente (Abschnitt 4.5.7), Prozesse (Abschnitt 4.5.8) und Erfolg (Abschnitt 4.5.9) des Dienstleistungscontrollings.384
4.5.1 Philosophie Die Controllingphilosophie ist eine Teilphilosophie der Managementphilosophie385 eines Unternehmens. Die Controllingträger manifestieren darin die Normen und Werte an denen sie ihr Denken und Handeln bei der Ausübung der Controllingaufgaben orientieren.386 Als Grundvorstellung über die Art und Weise wie Controlling praktiziert und gelebt werden soll, stellt die Controllingphilosophie einen Sollzustand dar, der alle anderen Elemente von Controllingkonzeptionen in ihrer Ausprägung beeinflusst.387 In Bezug auf das Verhalten
384Vgl.
im Folgenden Becker/Rech (2014), S. 170–253. Ulrich/Fluri (1992), S. 53, ist die Managementphilosophie „die ganzheitliche Interpretation der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Funktion und Stellung der Unternehmung und der daraus abzuleitenden Sinnzusammenhänge und Wertbezüge des Managements.“ Sie schließt ein Menschenbild, ein Leitbild der Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung und ein Unternehmensleitbild ein. Vgl. Ulrich/Fluri (1992), S. 53. Zum Wesen und zu den Elementen einer Managementphilosophie s. Bleicher (2004), S. 95–104. 385Nach
386Vgl. 387Vgl.
Welge (1988), S. 12. Becker/Baltzer/Ulrich (2014), S. 70.
4.5 Elemente des Dienstleistungscontrollings
245
der Controllingträger erfüllt die Controllingphilosophie unter anderem eine Koordinations-, Integrations-, Motivations- und Innovationsfunktion.388 Neben der Controllingphilosophie beeinflusst die Dienstleistungsphilosophie die Ausgestaltung der Elemente des Dienstleistungscontrollings. Dienstleistungsphilosophie ist die „Soll-Ausprägung eines Sets von gemeinsamen Werten, Normen und Verhaltensweisen der Mitarbeiter eines Dienstleistungsunternehmens, welches den Kunden und seine spezifischen Leistungsanforderungen in den Mittelpunkt sämtlicher Aktivitäten stellt.“389 Charakteristisch für eine Dienstleistungsphilosophie ist die Berücksichtigung der Dienstleistungsorientierung als zentraler Führungsgrundsatz.390 „Unter Dienstleistungsorientierung wird dabei die vorbehaltlose Bereitschaft eines Unternehmens und seiner Mitarbeiter verstanden, dem Kunden bestmöglich als Problemlöser zu dienen.“391 Die Dienstleistungsorientierung der Elemente des Dienstleistungscontrollings kann sich beispielsweise darin äußern, dass das Leitbild des Dienstleistungscontrollings dienstleistungsorientierte Führungsgrundsätze enthält.392 Aufgabe des Dienstleistungscontrollings ist es, zum einen sicherzustellen, dass ein schriftlich fixiertes Leitbild der Dienstleistungsphilosophie in Dienstleistungsbereichen existiert und zum anderen, ein dazu passendes dienstleistungsorientiertes Controllingleitbild.
4.5.2 Ziele Im Allgemeinen versteht man unter einem Ziel einen zukünftig angestrebten Zustand.393 Das Eintreten dieses Zustandes kann sicher, risikobehaftet oder ungewiss sein.394 Zu den Komponenten des Ziels gehören das Zielobjekt, die Zielperiode, der Zielwert und der Zielmaßstab.395 Ziele, die dem Entscheidungsträger als Entscheidungskriterium für die Auswahl zukünftiger Handlungsalternativen
388Vgl.
Macharzina/Wolf (2015), S. 249–251, mit Bezug zur Unternehmenskultur. (1998), S. 124 (im Original kursiv). 390Vgl. Stauss (2007), Sp. 296. 391Stauss (2007), Sp. 296. 392Vgl. Becker/Rech (2014), S. 171–172. 393Vgl. Klein/Scholl (2011), S. 7–8. 394Vgl. Bitz (1981), S. 13–15; Bamberg/Coenenberg/Krapp (2012), S. 19. 395Vgl. Peemöller (2002), Sp. 2174. 389Meffert
246
4 Entwurf der Konzeption des Dienstleistungscontrollings
dienen, bezeichnet man als Entscheidungsziele.396 Je nachdem, welches Ausmaß der Zielerreichung der Entscheidungsträger anstrebt, lassen sich Zielfixierung, Zielextremierung (Minimierung, Maximierung) oder Zielsatisfizierung unterscheiden.397 Im Kontext des Controllings sind die Unternehmensziele von besonderer Bedeutung. Bei der Bildung von Unternehmenszielen sind die Interessen und Machtverhältnisse der Anspruchsgruppen des Unternehmens zu berücksichtigen, wie z. B. Eigen-, Fremdkapitalgeber, Arbeitnehmer und Kunden.398 Unternehmen verfolgen in der Regel mehrere miteinander in Beziehung stehende Ziele, weshalb vom Zielsystem der Unternehmung gesprochen wird.399 Die Beziehungen zwischen den Zielen können neutral, komplementär oder konkurrierend sein.400 Ziele, die dezentralen Entscheidungsträgern vorgegeben werden (Zielvorgabesysteme), erfüllen Kontroll-, Koordinations- und Motivationsfunktionen.401 Die Controllingziele leiten sich aus den Unternehmenszielen ab.402 Ausgehend von dem Oberziel der Existenzsicherung optimiert das Controlling mit seinen Funktionen die Effektivität und Effizienz des unternehmerischen Handelns. Effektivität bezeichnet die Wirksamkeit einer Maßnahme oder Handlung eine vorgegebene Zielgröße zu erreichen (Zielerreichungsgrad), Effizienz die vorgegebene Zielgröße auf wirtschaftliche Weise zu erreichen (Wirtschaftlichkeit).403 Im Dienste der Optimierung von Effektivität und Effizienz verfolgt das Controlling verschiedene Zielkategorien des unternehmerischen Handelns. Hierzu gehören Wertziele (Erfolgs- und Finanzziele), Produkt- und Marktziele, Prozessziele in Bezug auf Führungs-, Geschäfts- und Supportprozesse und Potenzialziele (Ressourcenziele).404 Vergleichbar dem allgemeinen Controlling optimiert das Dienstleistungscontrolling mit seinen Funktionen die Effektivität und Effizienz in Dienstleistungsbereichen.405 Im Dienste der Optimierung der Effektivität gewährleistet das Dienstleistungscontrolling, dass die Dienstleistung die Wünsche des Kunden
396Vgl.
Kosiol (1975), S. 212–213; Küpper et al. (2013), S. 140. Gillenkirch/Velthuis (2007), Sp. 2029; Küpper et al. (2013), S. 141. 398Vgl. Gillenkirch/Velthuis (2007), Sp. 2032–2036. 399Vgl. ausführlich Peemöller (2002); Gillenkirch/Velthuis (2007). 400Vgl. Bamberg/Coenenberg/Krapp (2012), S. 49; Küpper et al. (2013), S. 141–143. 401Vgl. Peemöller (2002), Sp. 2169. 402Vgl. Becker/Baltzer/Ulrich (2014), S. 73. 403Vgl. Müller-Stewens/Schnupp (2017), S. 74–75. 404Vgl. Becker/Baltzer/Ulrich (2014), S. 73; Becker (2017), S. 109. 405Vgl. Abschnitt 2.3.1. 397Vgl.
4.5 Elemente des Dienstleistungscontrollings
247
zufriedenstellend befriedigt. Dies ist der Fall, wenn der Servicenutzen des Kunden mindestens dem Entgelt für die Dienstleistung entspricht. Im Dienste der Effizienz sorgt das Dienstleistungscontrolling für einen positiven Erfolgsbeitrag der Dienstleistung.406 Der Erfolgsbeitrag ergibt sich aus der Differenz von Serviceerlösen und Servicekosten. Zwischen der Optimierung von Effektivität und Effizienz bestehen Abhängigkeiten. Das Dienstleistungscontrolling befindet sich in einem Spannungsverhältnis zwischen Kundenzufriedenheit und Wirtschaftlichkeit (vgl. Abbildung 4.16).407 Anbieter
Nachfrager Serviceentgelt
Servicekosten Serviceeffizienz Serviceerlöse
Serviceoptimum
Servicezufriedenheit Servicenutzen
Abbildung 4.16 Spannungsverhältnis von Kundenzufriedenheit und Effizienz. (Quelle: Engelhardt (1996), S. 79)
Die Ziele des Dienstleistungscontrollings leiten sich aus den Dienstleistungszielen ab. Die Dienstleistungsziele lassen sich wieder in die Zielkategorien Wert-, Produkt- und Markt, Prozess- und Potenzialziele einteilen. In der Abbildung 4.17 werden einige der geläufigsten Zielinhalte von Dienstleistungszielen exemplarisch dargestellt.408 Hinsichtlich der Gewichtung der Zielkategorien stellen Becker/Rech in konzeptionellen Beiträgen des Dienstleistungscontrollings fest, dass in den dort beschriebenen Zielsystemen Wert- sowie Produkt- und Marktziele dominieren, während Prozess- und Potenzialziele kaum Erwähnung finden. Wegen der permanenten Aufrechterhaltung der Leistungsbereitschaft und -fähigkeit auf der Potenzialebene und Kundenintegration auf der Prozessebene fordern sie dazu auf, alle Zielkategorien in den Zielsystemen ausgewogen zu gewichten.409
406Vgl. Engelhardt (1996), S. 77–78; ähnlich Bruhn/Stauss (2006), S. 6–7; Bruhn (2008), S. 407; Gleich/ Petschnig/Schmidt (2010), S. 32–33; Steven/keine genannte Schulte/ Alevivard (2012), S. 288. 407Vgl. Engelhardt (1996), S. 78–79. 408Vgl. Becker/Rech (2014), S. 173–174, m.w.N. 409Vgl. Becker/Rech (2014), S. 173–174.
248
4 Entwurf der Konzeption des Dienstleistungscontrollings
Wertziele Umsatz Gewinn Deckungsbeitrag Profitabilität Rentabilität Residualgewinn Liquidität Share of Wallet Wiederkehrende Umsätze Customer Lifetime Value (CLV) Customer Perceived Value (CPV)
Produkt- und Marktziele Absatzvolumen Marktanteil Wettbewerbsdifferenzierung Kundenzufriedenheit Kundenbindung Wahrgenommene Dienstleistungsqualität Servicegrad Innovationsrate Marktanteilsziele Bekanntheit / Image Cross und Up Selling Weiterempfehlungsrate Wiederkaufrate
Prozessziele
Potenzialziele
Produktivität (interne) Dienstleistungsqualität Durchlauf-, Reaktions-, Reparaturzeiten Prozessqualität Flexibilität und Anpassungsfähigkeit Standardisierung- und Automatisierung Verbesserungsvorschläge an das Service Engineering Externalisierung vs. Internalisierung
Leerkostenvermeidung Flexibilität und Anpassungsfähigkeit Mitarbeiterzufriedenheit Mitarbeiterbindung Mitarbeitermotivation Mitarbeiterproduktivität Fachkompetenz Methodenkompetenz Sozialkompetenz Interaktionskompetenz Leistungsbereitschaft
Abbildung 4.17 Zielkategorien und Zielinhalte des Dienstleistungscontrollings. (Quelle: In Anlehnung an Meyer/Blümelhuber (1998), S. 180–182; Becker/Rech (2014), S. 173– 174; Meffert/Bruhn/Hadwich (2015), S. 150–158)
Wie erfolgskritisch die ausgewogene Zielgewichtung aller Zielkategorien bei Dienstleistungen ist, wird am Kontextfaktor der Individualisierung deutlich.410 Wie sich insbesondere aus den Aussagen von Schäffer/Weber schließen lässt, liegt bei hoch standardisierten Dienstleistungen (Typ A) die Zielgewichtung auf den Wert- und Produkt- und Marktzielen. Aufgrund der hohen Unsicherheit hinsichtlich Verlauf, Dauer und Umfang der Leistungserstellung verschiebt sich die Zielgewichtung bei hoch individualisierten Dienstleistungen (Typ B) in Richtung einer stärkeren Gewichtung von Prozess- und Potenzialzielen.411 Ferner muss das Dienstleistungscontrolling bei der Zielkoordination die Zielbeziehungen beachten. Im Rahmen der SPC ist bereits angeklungen, dass gerade Dienstleistungsziele oftmals in einer konkurrierenden, nicht-linearen Beziehung stehen.412 Problematisch ist zudem die Bestimmung der Richtung und Stärke der Zielbeziehungen.413 Auftreten können Zielkonflikte und Nichtlinearitäten zum Beispiel bei Zielen wie Kundenzufriedenheit in Verbindung
410Vgl. Abschnitt 411Vgl.
4.3.4. Schäffer/Weber (2002), S. 6–8; zu den Dienstleistungstypen A und B s. Abschnitt
4.3.6. 412Vgl. Abschnitt 4.4.4.2. 413Vgl. Meyer/Blümelhuber (1998), S. 189–191.
4.5 Elemente des Dienstleistungscontrollings
249
mit Auslastung, Dienstleistungsqualität und Rentabilität, bei dem Ziel der Dienstleistungsqualität in Verbindung mit der Produktivität und der Profitabilität sowie zwischen den Zielgrößen Standardisierung und Individualisierung.414 Ein weiterer Aspekt in Bezug auf die Ziele des Dienstleistungscontrollings ergibt sich aus der Service-dominant Logic.415 In der SDL stellt der „Value in Use“ ein zentraler Zielwert dar. Der Grund liegt in den Annahmen der SDL, wonach Werte nicht durch Herstellung, Verwertung und Güteraustausch („Value of Exchange“) entstehen, sondern durch Austausch von nutzenstiftenden Diensten („Value in Use“).416 Damit stellt sich die Frage, wie dieser Wert erfasst und im Sinne des Anbieterunternehmens beeinflusst werden kann.417 Eine Möglichkeit zur Operationalisierung des „Value in Use“ eröffnet die Integration der beiden Konzepte Customer Lifetime Value (CLV; Kundenwert) und Customer Perceived Value (CPV).418 Der CLV ist definiert als der Kapitalwert der zukünftigen Einzahlungsüberschüsse des Anbieters aus der Geschäftsbeziehung mit dem Kunden.419 Der CPV berechnet sich aus dem Unterschiedsbetrag des diskontierten Nettonutzens des Kunden bei Wahl des Angebotes des Anbieters im Vergleich zum Alternativangebot der Konkurrenz.420 Entscheiden Anbieter und Nachfrager nach rationalen Gesichtspunkten, so entscheidet sich der Kunde bei positivem CPV für das Angebot des Anbieters und der Anbieter bei positivem CLV für die Geschäftsbeziehung mit dem Kunden.421 Die Abbildung 4.18 erläutert die Zusammenhänge zwischen CLV und CPV noch einmal graphisch.
414Vgl. Rust/Zahorik/Keiningham (1995), S. 58–59; dies. (2001), S. 875–881; Meyer/ Blümelhuber (1998), S. 189–193; Homburg (2009), S. 26; Bruhn (2016), S. 9–12. 415Vgl. Abschnitt 4.4.5. 416Vgl. Vargo/Lusch (2004), S. 2, 5. 417Vgl. Kleinaltenkamp (2017), S. 56. 418Vgl. im Folgenden Becker/Rech (2014), S. 245–247, m.w.N.; zu ein- und mehrperiodischen Methoden zur Bewertung von Kundenbeziehungen s. ferner Mödritscher (2012); Meffert/Bruhn/Hadwich (2015), S. 477–492. 419Vgl. Weber/Lissautzki (2004); dies. (2006); Wall/Mödritscher (2012), S. 134; Meffert/ Bruhn/Hadwich (2015), S. 481–492. 420Vgl. Schröder/Wall (2004); Wall/Schröder (2006). 421Vgl. Becker/Rech (2014), S. 245–246.
250
4 Entwurf der Konzeption des Dienstleistungscontrollings Kunde
Konkurrent
Kosten der Nutzung Transaktionskosten
Relationshipnutzen Markennutzen
Kundenrisiken Kundenumsätze im Lebenszyklus
Kaufpreis
Serviceund Produktnutzen
(diskontiert)
Kundenauszahlungen
CLV Nettonutzen
Bruttonutzen
Dienstleister
-
Auszahlungen (diskontiert)
=
Nettonutzen des Kunden (diskontiert)
CPV Nettonutzen
Nettonutzen des Kunden beim Wettbewerb
Einzahlungen (diskontiert)
-
Auszahlungen (diskontiert)
Kundenwert = des Dienstleisters (diskontiert)
(diskontiert)
Abbildung 4.18 Operationalisierung des Ziels „Value in Use“ mit CLV und CPV. (Quelle: Entnommen aus Becker/Rech (2014), S. 246, in Anlehnung an Welge (2002), Sp. 806–808; Schröder/Wall (2004), S. 670; Weber/Lissautzki (2004), S. 10–11; Jost (2005), S. 188–192; Weber/Lissautzki (2006), S. 308–309)
Im Rahmen seiner Funktionen übernimmt das Controlling Zielbildungsaufgaben.422 Im Falle des Dienstleistungscontrollings konkretisieren sich diese in folgenden Einzelaktivitäten:423 • Das Dienstleistungscontrolling sorgt im Zuge des Zielbildungsprozesses für die Formulierung von Dienstleistungszielen und den Aufbau von Zielsystemen. Es achtet dabei auf die ausgewogene Zielgewichtung von Wert-, Produkt-/Mark-, Prozess- und Potenzialzielen. Bei hoch individualisierten Dienstleistungen sind Prozess- und Potenzialziele stärker zu gewichten, als bei hoch standardisierten Dienstleistungen. • Im Sinne der SDL richtet das Dienstleistungscontrolling die Wertschöpfung bei Dienstleistungen am Kundennutzen aus („Value in Use“). Hierzu ermittelt, plant, steuert und kontrolliert es den CLV des Anbieters und den CPV des Nachfragers.424
422Vgl.
Becker/Baltzer/Ulrich (2014), S. 88–89. ähnlich Becker/Rech (2014), S. 175. 424Vgl. Becker/Rech (2014), S. 246. 423Vgl.
4.5 Elemente des Dienstleistungscontrollings
251
• Das Dienstleistungscontrolling macht die Dienstleistungsziele und die Zielbeziehungen transparent.425 Der Schwerpunkt der Zielkoordination des Dienstleistungscontrollings liegt auf der Lösung nicht-linearer Zielkonflikte, wie sie bei Dienstleistungszielen häufig vorkommen (z. B. Dienstleistungsqualität vs. Profitabilität) sowie der vertikalen und horizontalen Koordination von Zielhierarchien (Koordinationsfunktion von Dienstleistungszielen).426 • Weiterhin sorgt das Dienstleistungscontrolling für Zielvorgaben an dezentrale Entscheidungsträger in Dienstleistungsbereichen. Die Vorgabe von ambitionierten und erreichbaren Dienstleistungszielen motiviert die Mitarbeiter und das Dienstleistungsmanagement (Motivationsfunktion von Dienstleistungszielen). • Das Dienstleistungscontrolling kontrolliert die Zielerreichung, führt Abweichungsanalysen durch und leitet bei Bedarf Gegenmaßnahmen ein, die auch in einer Zielanpassung münden können (Kontrollfunktion von Dienstleistungszielen).427
4.5.3 Funktionen In diesem Abschnitt werden die originäre Funktion des Controllings – die Lokomotionsfunktion – und die derivativen Funktionen des Controllings – die Abstimmungs- und Informationsfunktion – beschrieben. Den Ausführungen liegt die Annahme zugrunde, dass sich die Funktionen des Controllings im Kontext der Dienstleistung nicht ändern Lokomotion der Wertschöpfung Gemäß dem Controllingverständnis von Becker besteht die Lokomotionsfunktion des Controllings im Anstoßen, Sichern und Entwickeln der Wertschöpfung.428 Unter Wertschöpfung versteht Becker „eine rechnerisch zu operationalisierende Erfolgsgröße. Sie kennzeichnet das Ergebnis des Wertschöpfungsprozesses und charakterisiert das Ausmaß der betrieblichen Zweckerfüllung.“429 Becker vertritt
425Vgl.
Küpper et al. (2013), S. 140, in Bezug auf das allgemeine Controlling. Meyer/Blümelhuber (1998), S. 188–189. 427Vgl. Meyer/Blümelhuber (1998), S. 185–188. 428Vgl. Becker (1999), S. 4–7. 429Becker (2017), S. 56, 59; ähnlich ders. (1999), S. 6; Zum Begriff der Wertschöpfung s. Lehmann (1954), S. 9–29; Haller (1997), S. 29–76; ders. (2002), Sp. 2131–2142. 426Vgl.
252
4 Entwurf der Konzeption des Dienstleistungscontrollings
die Ansicht, dass sich die Wertschöpfung auf mehreren Ebenen des betrieblichen Handelns vollzieht. Zur gedanklichen Durchdringung der Ebenen des unternehmerischen Handelns verwendet er die sogenannte Balanced Value Map.430 Sie stellt eine Weiterentwicklung des von Gälweiler431 entwickelten Denk- und Handlungsmodells des dynamischen Wertschöpfungskreislaufes zur Existenzsicherung der Unternehmung dar.432 Gemäß der Balanced Value Map lässt sich die wertorientierte Dimension des unternehmerischen Handelns anhand des Wertschöpfungskreislaufes erschließen. Der dynamische Wertschöpfungskreislauf zur Existenzsicherung der Unternehmung setzt sich aus der strategischen Führungsgröße Erfolgspotenzial433 und den operativen Führungsgrößen Erfolg434 und Liquidität435 zusammen (vgl. Abbildung 4.19). Zwischen diesen Führungsgrößen existieren enge Wechselbeziehungen. So ist das Erfolgspotenzial die Vorsteuergröße für den operativen Erfolg. Der Erfolg wiederum, steht als erfolgswirtschaftliche Führungsgröße in einem funktionalen Spannungsverhältnis mit der finanzwirtschaftlichen Führungsgröße Liquidität.436 Durch den Aufbau von Erfolgspotenzialen, d. h. durch die Erzeugung eines Zustandes, der aufgrund der Übereinstimmung von
430Vgl.
Becker (2017), S. 72. Gälweiler (2005), S. 23–54. 432Zur Bedeutung des Modells von Gälweiler für die Unternehmensführung s. Becker (1999), S. 5–6; Staehle (1999), S. 663–665; Bleicher (2004), S. 81–82, 471; Welge/AlLaham (2012), S. 213–216; Dillerup/Stoi (2013), S. 175–177. 433Nach Becker (2004), S. 20 entstehen Erfolgspotenziale durch die „Kongruenz zwischen marktlichen Möglichkeiten und betrieblichen Fähigkeiten zur gezielten Nutzung von Arbitragen, also funktionalen, lokalen und temporalen Wertdifferenzen“. Zum Begriff des Erfolgspotenzials s. ferner Breid (1994), S. 34–45; Richter (2002), Sp. 411–413; Freiling (2007), Sp. 402–412. 434Der Erfolg ist eine Rechengröße des Rechnungswesens, welche die durch das unternehmerische Handeln erwirtschaftete Wertdifferenz innerhalb einer Betrachtungsperiode beziffert. Im externen (internen) Rechnungswesen wird der Erfolg durch den Saldo aus Erträgen und Aufwendungen (Erlösen und Kosten) ermittelt. Vgl. Becker/Lutz (2007), S. 67; Becker/Holzmann (2016), S. 85–93. 435Die Liquidität ist eine Rechengröße des Finanzwesens, welche die jederzeitige Zahlungsfähigkeit einer Unternehmung kennzeichnet. Sie kann aus dem Zahlungsmittelbestand am Periodenanfang und dessen Veränderungen aufgrund von Ein- und Auszahlungen jederzeit berechnet werden. Vgl. Becker/Lutz (2007), S. 151; Becker/Holzmann (2016), S. 3–4. 436Wegen des inversen Funktionszusammenhangs von Erfolg und Liquidität lässt sich kein Gesamtoptimum finden. Zur Beziehung zwischen Erfolg und Liquidität vgl. Chmielewicz (1972), S. 66–75, 89–95; Becker (1996), S. 100–102. 431Vgl.
4.5 Elemente des Dienstleistungscontrollings
253
Kompetenzen und Marktchancen, die gezielte Ausnutzung von Arbitragen ermöglicht, wird das Unternehmen in die Lage versetzt, Erfolge zu realisieren und in Folge Liquidität zu sichern. Mit der gewonnenen Liquidität können die im Zeitverlauf der Abnutzung unterliegenden, bestehenden Erfolgspotenziale möglichst lange aufrechterhalten und gleichzeitig neue, für den zukünftigen Erfolg und die zukünftige Liquidität essentielle Erfolgspotenziale aufgebaut werden.437 Die Aufrechterhaltung und Geschlossenheit dieses dynamischen Wertschöpfungskreislaufes ist eine notwendige Voraussetzung für die langfristige Existenzsicherung von Unternehmen und gleichzeitig die Grundlage für ein ganzheitliches, auf die Zielsetzung der Wertschaffung, Wertsicherung und Wertsteigerung ausgerichtetes Value Based Management.438 Controlling lässt sich in diesem Zusammenhang als Wertschöpfungspromotor zur Sicherung einer permanenten Wertschöpfung von Unternehmen verstehen. Seine Lokomotionsfunktion besteht darin, den Kreislauf aus Erfolgsrealisierung, Liquiditätssicherung und Erfolgspotenzialerneuerung dauerhaft in Gang zu halten.439
Realisaon
Suche Schaffung Auau Erhaltung
Erfolgspotenale
Erfolg
Lokomoon
Erneuerung
Sicherung
Liquidität
Abbildung 4.19 Führungsgrößen des unternehmerischen Handelns. (Quelle: In Anlehnung an Becker (2017), S. 70, i.V.m. Gälweiler (2005), S. 27–35)
437Vgl.
Gälweiler (2005), S. 27–35. Becker (2017), S. 73, 90. Beckers weite Interpretation des Begriffs Value Based Management ist vom Zweck der Wertschöpfung geprägt. In seiner Auslegung umfasst Value Based Management die Wertschaffung, -sicherung und Wertsteigerung im Interesse aller betrieblichen Interessengruppen (Stakeholder), während sich der Shareholder Value Ansatz primär an die Eigentümerinteressen wendet. Vgl. Becker/Lutz (2007), S. 231–232. Zum Shareholder Value Konzept s. Rappaport, A. (1999). 439Vgl. Becker (1999), S. 7. 438Vgl.
254
4 Entwurf der Konzeption des Dienstleistungscontrollings
Sichern wechselseitiger Abstimmung Unter Abstimmung (Koordination i. w. S.) versteht man in der Organisationstheorie gemeinhin das Ausrichten betrieblicher Einzelaktivitäten auf übergeordnete Ziele.440 Die Abstimmungsfunktion des Controllings besteht darin, die betrieblichen Einzelaktivitäten auf den Zweck der Wertschöpfung auszurichten, indem es die traditionellen Führungsfunktionen der Gestaltung, Lenkung und Führung auf den Wertschöpfungszweck ausrichtet.441 Zwischen den betrieblichen Einzelaktivitäten bestehen vielfältige Interdependenzen.442 Küpper et al. unterscheiden Sach- und Verhaltensinterdependenzen.443 Sachinterdependenzen resultieren aus verrichtungs-, objekt-, hierarchie- und zeitorientierten Verbundeffekten zwischen betrieblichen Entscheidungs- und Handlungsfeldern.444 Sie lassen sich auf drei Verbundbeziehungen zurückführen: Ziel-, Mittel- und Risikointerdependenzen.445 Verhaltensinterdependenzen haben ihre Ursachen in Interessen- und Zielkonflikten sowie asymmetrisch verteilten Informationen zwischen den Handlungsträgern.446 Interdependenzen erzeugen Abstimmungsbedarfe. Nach Becker sind drei Erscheinungsformen von Abstimmungsbedarfen zu differenzieren: Prozessuale, institutionale und instrumentale Abstimmungsbedarfe. Prozessuale Abstimmungsbedarfe entstehen aufgrund situativer Bedingtheit von wirtschaftlichen Denk- und Tathandlungen, institutionale Abstimmungsbedarfe aufgrund arbeitsteiligen Vorgehens (Spezialisierung) in Organisationen und instrumentale Abstimmung aufgrund des Einsatzes unterschiedlicher Methoden und Werkzeuge.447
440Vgl.
Kosiol (1976), S. 76. Becker (2017), S. 88–90, 120. 442Vgl. Becker (2017), S. 117. 443Vgl. Küpper et al. (2013), S. 84. 444Vgl. Küpper et al. (2013), S. 88–91. 445Vgl. Küpper et al. (2013), S. 84–85. 446Vgl. Ewert/Wagenhofer (2014), S. 387, 392–396. 447Vgl. Becker (2017), S. 117. 441Vgl.
4.5 Elemente des Dienstleistungscontrollings
255
Feed forward
Planung
Entscheidung
Durchsetzung
Realisaon
Kontrolle
Durchsetzung Disposion
Feed back Integraon
Koordinaon
Adapon
(ex ante)
(ex nunc)
(ex post)
Abbildung 4.20 Prozessuale Abstimmung. (Quelle: Becker (2017), S. 118, in Anlehnung an Bleicher/Meyer (1976), S. 48–51)
Die prozessuale Abstimmung empfiehlt sich in präsituativen, situativen und postsituativen Phasen des Managementprozesses (vgl. Abbildung 4.20). In präsituativen Phasen des Managementprozesses bezieht sich die Abstimmung auf die Integration von (Denk-)Handlungen, welche die Planung, Entscheidung und Durchsetzung betreffen (z. B. Abstimmung von Teilplänen). In situativen Phasen betrifft die Abstimmung die Koordination (i. e. S.) von (Tat-)Handlungen zur Realisierung der Planung. In postsituativen Phasen konzentriert sich die Abstimmung auf die Adaption von (Tat-)Handlungen oder (Denk-)Handlungen (Plananpassung) an neue Erkenntnisse, die im Rahmen der Kontrolle mittels Abweichungsanalysen gewonnenen wurden.448 Die institutionale Abstimmung beschäftigt sich mit der Lösung von vertikalen, horizontalen und lateralen Abstimmungsbedarfen.449 Hier kommen zunächst der Markt (Abstimmung durch Preismechanismen) als klassisch horizontaler und die Hierarchie (Abstimmung durch Weisungsmechanismen) als klassisch vertikaler Abstimmungsmechanismus in Betracht.450 Für die vertikale
448Vgl.
Bleicher/Meyer (1976), S. 48–51; Becker (1999), S. 8–9; Becker (2017), S. 121–122.
449Vgl.
Becker (2017), S. 121. grundlegend Coase (1937).
450Vgl.
256
4 Entwurf der Konzeption des Dienstleistungscontrollings
Abstimmung eignen sich insbesondere personenbezogene (Koordination durch persönliche Weisung oder Selbstabstimmung), technokratische (Koordination durch Programme, Pläne oder organisationsinterne Märkte) und kulturelle (Koordination durch Organisationskultur) Abstimmungsinstrumente.451 Eine instrumentale Abstimmung durch das Controlling ist notwendig, weil in Unternehmen einerseits unterschiedliche Methoden und Werkzeuge eingesetzt werden und anderseits die bestehenden Methoden und Instrumente in regelmäßigen Abständen der Revision bedürfen, um sie an neue Anforderungen anzupassen. Inhaltlich besteht die instrumentale Abstimmung durch das Controlling im Aufbau (z. B. neues Planungs- und Kontrollsystem), im Betrieb und der Erhaltung (z. B. Durchführung und Weiterentwicklung des jährlichen Budgetprozesses) sowie im Abbau (z. B. Ablösung fragmentierter durch ganzheitliche Instrumente) von Koordinationssystemen.452 Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass die Abstimmungsfunktion des Controllings in der ganzheitlichen und durchgängigen Abstimmung der traditionellen, zur Harmonisierung des Ausführungshandelns eingesetzten Führungsfunktionen Gestaltung, Lenkung und Führung auf den Zweck der Wertschöpfung besteht. Die Abstimmungsfunktion ist erforderlich, weil einerseits, hervorgerufen durch die Differenziertheit und Dynamik des Handlungssystems und seiner Umwelt, die Gefahr uneinheitlichen Handelns besteht, und weil anderseits, die traditionellen Führungsfunktionen eine derartige Abstimmung aller Führungs- und Ausführungshandlungen auf den Zweck der Wertschöpfung nicht in ausreichendem Maße leisten.453 Schaffung von Informationskongruenz In der Betriebswirtschaftslehre hat sich der Informationsbegriff von Wittmann weitgehend durchgesetzt.454 Information ist demnach definiert als zweckorientiertes Wissen, wobei der Zweck in der Vorbereitung des unternehmerischen Handelns liegt.455 In Bezug auf die von der Unternehmensführung für die
451Vgl. Kieser/Walgenbach (2003), S. 108–135. Zur Wahl der Koordinationsmechanismen in Abhängigkeit vom Komplexitätsgrad des betrieblichen Handelns s. Becker (2017), S. 122. 452Vgl. Baltzer (2013), S. 90–95; Becker/Baltzer/Ulrich (2014), S. 75–77. 453Vgl. Becker (1999), S. 8. 454Vgl. Leuz (2002), Sp. 732. 455Vgl. Wittmann (1959), S. 14. Zur Abgrenzung von Information und Wissen s. Becker/ Daniel (1999), S. 5–11.
4.5 Elemente des Dienstleistungscontrollings
257
Gestaltung, Lenkung und Führung der Unternehmung benötigten Informationen lässt sich in der Praxis eine paradoxe Situation feststellen.456 Auf der einen Seite scheint – getrieben durch die rasante Entwicklung der Informationstechnologie – ein ständig wachsendes Überangebot an Informationen zu existieren (Informationsüberflutung). Auf der anderen Seite verspüren viele Manager gerade in Zeiten zunehmender Differenziertheit und Dynamik des betrieblichen Handelns ein Defizit an Informationen. Informationsangebot und Informationsnachfrage driften auseinander, zu Lasten der Führungsqualität.457
Manager
Ziele
Aufgaben
Controller
Informaonsnachfrage Informaonsbedarf
Informaonsangebot
Unternehmung
Abbildung 4.21 Schaffung von Informationskongruenz. (Quelle: Becker (2017), S. 111, in Anlehnung an Berthel (1975), S. 27–39)
Die Zusammenhänge und das in der Praxis feststellbare Auseinanderdriften der informationswirtschaftlichen Größen lassen sich an dem Kreismodell von Berthel demonstrieren (vgl. Abbildung 4.21).458 Neben der von der Unternehmensführung subjektiv geäußerten Informationsnachfrage und dem von verschiedenen Unternehmensbereichen, wie z. B. dem Rechnungswesen, geschaffenen Informationsangebot, tritt mit dem Informationsbedarf eine weitere informationswirtschaftliche Größe. Der Informationsbedarf umfasst die
456Vgl.
Berthel (1975), S. 28; Becker (1999), S. 9. (2008), S. 50–53. 458Vgl. Berthel (1975), S. 27–39. 457Vgl. Volnhals/Hirsch
258
4 Entwurf der Konzeption des Dienstleistungscontrollings
Gesamtheit der Informationen, die nach objektiven Maßstäben für die Erfüllung der Gestaltungs-, Lenkungs-, Führung- und Lokomotionsaufgaben der Unternehmensführung notwendig sind.459 Die Informationsfunktion des Controllings besteht darin, den Informationsbedarf, das Informationsangebot und die Informationsnachfrage bestmöglich unter Berücksichtigung von Wirtschaftlichkeitsaspekten in Deckung zu bringen, d. h. Informationskongruenz zu schaffen und zu erhalten.460 Dazu hat es den für die Unternehmensführung erforderlichen Informationsbedarf zu ermitteln und das Informationsangebot und die Informationsnachfrage darauf auszurichten: „Das Controlling hat [..] insbesondere eine allseits abgestimmte, schnelle und insbesondere bedarfsgerechte Versorgung des Managements mit zuverlässigen und zudem transparenten Informationen über die betriebliche Wertschöpfung zu gewährleisten.“461 Um diese Funktion vor dem Hintergrund der heute von Unternehmen zu verarbeitenden Datenmengen effektiv und effizient bewerkstelligen zu können, benötigt das Controlling leistungsfähige Informationssysteme. Aus diesem Grund stellt die Konzeption und die Administration von (Controlling-) Informationssystemen eine wichtige Aufgabe des Controllings dar.462
4.5.4 Objekte Als Objekte des Controllings kommen grundsätzlich alle der betrieblichen Wertsphäre vorgelagerten Objekte der betrieblichen Leistungssphäre in Betracht.463 Leistungswirtschaftliche Objekttypen des Controllings können somit Programme, Portfolios, Produkte, Projekte, Prozesse und Potenziale des unternehmerischen Handelns sein.464 In Anbetracht dessen, sind die Objekte des Dienstleistungscontrollings Dienstleistungsprogramme, -portfolios, -produkte, -projekte, -prozesse und -potenziale. Um die steuerungsrelevanten Sachverhalte 459Vgl.
Berthel (1975), S. 29. Becker (1990), S. 311; ders. (1999), S. 9. 461Becker (1999), S. 9–10. 462Vgl. Becker (1999), S. 10. Zum Aufbau und Komponenten von ControllingInformationssystemen s. Becker/Fuchs (2004). Zum Einfluss der Digitalisierung auf die wertschöpfungsorientierte Unternehmenssteuerung s. Nobach (2019). 463Vgl. Becker (1997), S. 5; sowie Abschnitt 4.2. 464Vgl. Becker/Baltzer/Ulrich (2014), S. 87–88; Becker (2017), S. 127. Zu weiteren Objekten des Controllings, wie betriebswirtschaftliche Elementarfunktionen, Querschnittsfunktionen, Branchen und Unternehmensgrößen s. Ossadnik (2009), S. 489–556. 460Vgl.
4.5 Elemente des Dienstleistungscontrollings
259
im Objektbereich des Dienstleistungscontrollings und ihre Auswirkungen auf die Wertsphäre zu ergründen, wird im Folgenden eine mehrdimensionale Sichtweise auf die Dienstleistungswertschöpfung eingenommen.465 Dieser Gedanke fand bereits Berücksichtigung bei der Gestaltung des konzeptionellen und theoretischen Bezugsrahmens des Dienstleistungscontrollings; er wird hier konsequent weitergeführt.466 Fließ empfiehlt Dienstleistungsprozesse nach drei Perspektiven zu betrachten, um Managementanforderungen abzuleiten:467 • Die produktionswirtschaftliche Perspektive erläutert die Zusammenhänge der integrativen Leistungserstellung und die Kombination von internen und externen Faktoren. • Die austauschbezogene Perspektive behandelt Marktransaktionen zwischen Dienstleister und Kunde auf der Basis des Austausches von Verfügungsrechten. • Die organisatorische Perspektive beschäftigt sich mit der Arbeitsteilung zwischen Anbieter und Nachfrager im arbeitsteilig organisierten Dienstleistungsprozess. Der Objektbereich des Dienstleistungscontrollings wird im Folgenden anhand der drei Perspektiven charakterisiert. Ergänzt wird die entwicklungsbezogene Perspektive. Sie beschreibt die in der Dienstleistungsentwicklung nach den Verfahren und Methoden des Service Engineering ablaufenden Prozesse. Mit der Orientierung des Dienstleistungscontrollings auf diesen Teil der Wertschöpfung ist die Absicht verbunden, Dienstleistungen strategisch zu planen und systematisch zu entwickeln.468 Die analytische Aufteilung in vier getrennte Perspektiven dient dazu den Objektbereich des Dienstleistungscontrollings analytisch zu durchdringen. In der Realität sind diese Perspektiven indes nicht getrennt, sondern greifen ineinander.469 Durch die Anwendung der Funktionen auf den Objektbereich des
465Vgl.
im Folgenden Becker/Rech (2014), S. 179–184, 262–263 4.3 und 4.4. 467Vgl. Fließ (2009), S. 20–34. 468Vgl. Möller/Schwab (2008), S. 34. 469Vgl. Fließ (2009), S. 20. 466Vgl. Abschnitt
260
4 Entwurf der Konzeption des Dienstleistungscontrollings
Dienstleistungscontrollings ergeben sich Implikationen für die Aufgaben des Controllings in Dienstleistungsbereichen.470 Produktionswirtschaftliche Perspektive In der produktionswirtschaftlichen Perspektive der Dienstleistung wird die integrative Leistungserstellung gemeinhin gedanklich in drei Leistungsdimensionen eingeteilt: Leistungspotenzial, -prozess und -ergebnis.471 Die Einteilung geht auf die Leistungslehre von Engelhardt zurück.472 Übertragen auf die Dienstleistung geht man von der idealtypischen Vorstellung aus, dass der Anbieter in der Vorkombination zunächst autonom interne Produktionsfaktoren kombiniert, um das Dienstleistungspotenzial bereitzustellen.473 Im anschließenden Leistungserstellungsprozess (Endkombination) integriert der Anbieter die externen Faktoren des Nachfragers. Hierzu aktiviert er sein Leistungspotenzial und kombiniert weitere interne Produktionsfaktoren. Aus dem Kombinationsprozess von internen und externen Faktoren resultiert das Dienstleistungsergebnis (vgl. Abbildung 4.22).474 Das Dienstleistungsergebnis besteht im hiesigen Verständnis in der Zustandsänderung des externen Faktors. Die Einteilung in Potenzial, Prozess und Ergebnis sowie in Vor- und Endkombination macht deutlich, dass das produktionswirtschaftliche Grundmodell der integrativen Leistungserstellung den Produktionsprozess als sequentielle Abfolge von Aktivitäten zwischen Dienstleister und Kunde versteht. Die Kundenintegration in den Leistungserstellungsprozess tritt deutlich hervor. Dienstleistungsprozesse, die zyklisch ablaufen oder an denen mehrere Akteure in Netzwerken zusammenarbeiten, erfasst die integrative Leistungserstellung nicht.
470Siehe Abschnitt 471Vgl.
4.5.5. Hilke (1989), S. 10–15; Engelhardt/Kleinaltenkamp/Reckenfelderbäumer (1993),
S. 398. 472Vgl. Engelhardt (1966), S. 159, 165; Benkenstein (2017), S. 12. 473Das Dienstleistungspotenzial besteht in der Fähigkeit und Bereitschaft des Anbieters, eine Dienstleistung zu erbringen. Vgl. Hilke (1989), S. 10–12; Meffert/Bruhn/Hadwich (2015), S. 14. 474Vgl. Kleinaltenkamp (1997), S. 350–351; ders. (2007), Sp. 1041–1042. Zu mehrstufigen Modellen der Dienstleistungsproduktion s. Altenburger (1979), S. 868–870; Berekoven (1983), S. 29–30; Meyer (1983), S. 69–71; Corsten (1985), S. 161–167; Hilke (1989), S. 10–15; Mengen (1993), S. 17–19; Maleri/Frietzsche (2008), S. 195–200; Corsten/ Gössinger (2015), S. 51–52; Meffert/Bruhn/Hadwich (2015), S. 27–29; Corsten (2017), S. 176–177. Zum State of the Art der Dienstleistungsproduktion s. Souren/Richter (2015), S. 48–49; Altenburger (2016); Corsten (2017).
4.5 Elemente des Dienstleistungscontrollings
261
Um auch solche Dienstleistungsprozesse in den Objektbereich des Dienstleistungscontrollings einzubinden, sind weitere Wertschöpfungskonfigurationen in Betracht zu ziehen. Gewisse Bekanntheit hat in diesem Zusammenhang die Typologie von Stabell/Fjeldstad erlangt.475 Sie unterscheiden drei Arten von Wertschöpfungskonfigurationen476: Wertkette, Wertshop und Wertnetzwerk. Die drei Wertschöpfungskonfiguration variieren maßgeblich in den primären Aktivitäten, während die unterstützenden, sekundären Aktivitäten (Unternehmensinfrastruktur, Personalmanagement, Beschaffung, Technologiemanagement) weitgehend identisch sind.477 Die Konfiguration der Wertkette geht auf die Portersche Wertkettenanalyse zur Erzielung von Wettbewerbsvorteilen zurück.478 Gemäß der Logik der Wertkette entsteht der Wert durch die Transformation von Input in Produkte, d.h. durch die sequentielle Anordnung primärer Aktivitäten (Eingangslogistik, Operationen, Ausgangslogistik, Marketing/Vertrieb, Kundendienst), wobei jede Aktivität erfolgreich abgeschlossen sein muss, bevor die nächste beginnen kann.479 Zu bemängeln ist an der Wertkette, dass sie in erster Linie die Wertschöpfungslogik von produzierenden Unternehmen widerspiegelt.480 Ihre Anwendung auf Dienstleistungsbereiche, wie z.B. Hotelbetriebe, ist nur durch umfangreiche Anpassungen möglich.481 Beim Wertshop entsteht die Wertschöpfung durch die Lösung von Kundenproblemen, d. h. durch die zyklische und spiralförmige Anordnung der primären Aktivitäten (Akquisition, Problemfindung, Alternativen, Entscheidung, Ausführung, Kontrolle/Evaluation).482 Beispiele hierfür sind Krankenhäuser, Unternehmensberatungen und Bildungseinrichtungen. Beim Wertnetzwerk positioniert sich der Dienstleister als Intermediär. Wertschöpfung entsteht durch die Verbindung von Kunden, d.h. durch die simultane Ausführung primärer Aktivitäten (Netzwerkpromotion, Vertragsmanagement, Servicelieferung,
475Vgl.
Stabell/Fjeldstad (1998) in Anlehnung an Thompson (1967). Wertschöpfungskonfiguration beschreibt, mit welchen primären Aktivitäten ein Unternehmen seine Wertschöpfung erzielt. Vgl. Popp/Horbel/Woratschek (2017), S. 508. 477Vgl. Popp/Horbel/Woratschek (2017), S. 508, 515. 478Vgl. Porter (1998), S. 33–61. 479Vgl. Stabell/Fjeldstad (1998), S. 416–420. 480Vgl. Stabell/Fjeldstad (1998), S. 414, 417; Krüger (2004), S. 62, 64. Zu weiteren Kritikpunkten an der Wertkette von Porter s. Becker (1996), S. 91–92. 481Vgl. Meffert (1994); Fantapié Altobelli/Bouncken (1998); Dreyer/Oehler (2002); Benkenstein/Stenglin (2006b), S. 283–286. 482Vgl. Stabell/Fjeldstad (1998), S. 420–427. 476Die
262
4 Entwurf der Konzeption des Dienstleistungscontrollings
Infrastrukturbetrieb).483 Wertnetzwerke findet man in sozialen Netzwerken, Online-Plattformen, Banken, Versicherungen, Telekommunikation- und Transportunternehmen. Leistungspotenzial Interne Faktoren
Anbieter
Leistungserstellungsprozess
Leistungsergebnis
Potenzialfaktoren
Potenzialfaktoren Verbrauchsfaktoren
Verbrauchsfaktoren Vorkombination
Halbfabrikate Fertigfabrikate
Personen
Leistungsbündel
Objekte Rechte
Nachfrager
Nominalgüter
Nachfrager
Informationen
Externe Faktoren
Abbildung 4.22 Modell der integrativen Leistungserstellung nach Kleinaltenkamp. (Quelle: Kleinaltenkamp (1997), S. 351; ders. (2007), Sp. 1041–1042)
Es lässt sich festhalten, dass der Wertshop und das Wertnetzwerk wichtige Erweiterungen der Wertkette darstellen, weil sie zusätzliche Wertschöpfungskonfigurationen bei Dienstleistungen betrachten.484 Unter anderem sind sie als Einflussgrößen bei der Gestaltung von Kennzahlensystemen des Dienstleistungscontrollings zu bedenken.485 Einengend wirkt die Orientierung der Konfigurationen am GDL Paradigma. Alle drei Konfigurationen nehmen eine anbieterzentrierte Sichtweise ein und unterstellen, dass die Wertschöpfung alleine durch die Anordnung und das Zusammenspiel der primären Aktivitäten des Anbieter entsteht.486 Der Beteiligung des Kunden an der Leistungserstellung und die Entstehung der Wertschöpfung durch gemeinsame Aktivitäten von Dienstleister und Kunden tragen sie nicht genügend Rechnung. Obwohl genauso anbieterzentriert, treten diese Gesichtspunkte der SDL bei dem zuerst genannten
483Vgl.
Stabell/Fjeldstad (1998), S. 427–433. Popp/Horbel/Woratschek (2017), S. 513. 485Vgl. Woratschek/Roth/Schafmeister (2006). 486Vgl. Popp/Horbel/Woratschek (2017), S. 514. 484Vgl.
4.5 Elemente des Dienstleistungscontrollings
263
produktionswirtschaftlichen Grundmodell der integrativen Leistungserstellung deutlicher hervor.487 Austauschbezogene Perspektive Die austauschbezogene Perspektive betrachtet die Austauschbeziehung zwischen Dienstleister und Kunde im Dienstleistungsprozess.488 Als theoretische Basis eignet sich dafür die Theorie der Verfügungsrechte (Property-Rights-Theory).489 Die folgenden Erläuterungen beschränken sich auf die Übertragung der Verfügungsrechte am externen Faktor als Voraussetzung für das Zustandekommen einer Dienstleistung. Verfügungsrechte werden in der Property-Rights-Theory als ein Rechtebündel aufgefasst, das für gewöhnlich aus vier Einzelrechten besteht: • Dem Recht zum Gebrauch bzw. zur Nutzung des Gutes sowie dem Recht andere davon auszuschließen (ius usus), • dem Recht zur Aneignung von Erträgen aus der Nutzung des Gutes (ius usus fructus), • dem Recht zur Veränderung des Gutes (ius abusus), • dem Recht, das Gut auf andere zu übertragen bzw. zu verkaufen (ius successionis).490 Im Dienstleistungsprozess wird am externen Faktor eine Zustandsänderung durchgeführt. Vor und nach dieser Zustandsänderung besitzt der Nachfrager alle Verfügungsrechte am externen Faktor (vgl. Abbildung 4.23). Um die Dienstleistung durchführen zu können, überträgt der Nachfrager dem Anbieter die Rechte zur Nutzung (ius usus) und zur Veränderung (ius abusus) des externen Faktors. Die Rechte sind auf die Dauer der Leistungserstellung beschränkt. Mit diesen Rechten ausgestattet kann der Anbieter im Dienstleistungsprozess und unter Mitwirkung des Kunden die Aktivitäten zur Transformation des externen Faktors ausführen. Nach der Zustandsänderung des externen Faktors überträgt der Anbieter an den Nachfrager das Gebrauchs- und Veränderungsrecht zurück. Die Rechte zur Aneignung der Erträge aus der Nutzung (ius usus fructus) und zur Übertragung des externen Faktors an andere (ius successionis) verbleiben den
487Zur
den Axiomen der SDL s. nochmals Abschnitt 4.4.5. Kleinaltenkamp (2007), Sp. 1039–1040; Fließ (2009), S. 25–29. 489Vgl. Abschnitt 4.4.4.1. 490Vgl. Neus (2013), S. 114–115. 488Vgl.
264
4 Entwurf der Konzeption des Dienstleistungscontrollings
gesamten Dienstleistungsprozess über im Besitz des Nachfragers. Ihre Ausübung ist allerdings während dieser Zeit eingeschränkt. Je nach Dienstleistung können die Verfügungsrechte sowie die zeitlichen und inhaltlichen Beschränkungen während der Leistungserstellung sehr individuell ausgestaltet sein.491
Verfügungsrechte am externen Faktor
Vor der Zustandsänderung Anbieter
Nachfrager
Während der Zustandsänderung Anbieter
Nach der Zustandsänderung
Nachfrager
Anbieter
Recht zum Gebrauch
k. VR
k. VR
k. VR
k. VR
k. VR
Recht zur Veränderung
k. VR
Recht zur Aneignung von Erträgen
k. VR
k. VR
k. VR
Recht zum Verkauf
k. VR
k. VR
k. VR
= Inhaber der Verfügungsrechte
Nachfrager
k. VR = keine Verfügungsrechte
Abbildung 4.23 Übertragung der Verfügungsrechte am externen Faktor. (Quelle: Eigene Darstellung)
Organisatorische Perspektive Die organisatorische Perspektive betrachtet die Arbeitsteilung zwischen Anbieter und Nachfrager im Dienstleistungsprozess.492 Damit eine Dienstleistung zustande kommt, müssen Anbieter und Nachfrager ein Mindestmaß an Aktivitäten übernehmen, d.h. die Kombination von internen und externen Faktoren ist für Dienstleistungen obligatorisch (vgl. Abbildung 4.24).493 Ein Maßstab den Grad der Aktivitäten des Anbieters und Nachfragers zu messen, ist der Aktivitätsgrad, der auch als Integrationsgrad oder Integrativitätsgrad bezeichnet wird.494 Der Aktivitätsgrad gibt den Anteil der Aktivitäten des Anbieters bzw. Nachfragers an der Summe der insgesamt zu erbringenden Aktivitäten an.
491Vgl.
Kleinaltenkamp (2007), Sp. 1039–1040; Fließ (2009), S. 28–29. im Folgenden ausführlich Becker/Rech (2014), S. 146–150. 493Vgl. Corsten/Gössinger (2015), S. 49. 494Vgl. Fließ (2001), S. 58; Corsten/Gössinger (2015), S. 49–50. 492Vgl.
265
4.5 Elemente des Dienstleistungscontrollings Aktivitätsgrad des Nachfragers
Isoleistungslinie
Mindestaktivität des Nachfragers Mindestaktivität des Anbieters
Aktivitätsgrad des Anbieters
Abbildung 4.24 Aktivitätsgrade und Substituierbarkeit der Aktivitäten. (Quelle: In Anlehnung an Corsten/Gössinger (2015), S. 50)
Bei bestimmten Dienstleistungen sind die Aktivitäten zwischen dem Anbieter und dem Nachfrager in Teilbereichen substituierbar (vgl. die Isoleistungslinie in Abbildung 4.24).495 So sind in einem Selbstbedienungsrestaurant die Anfahrt, die Platzsuche und die (Selbst)Bedienung Aktivitäten des Nachfragers und bei einem Lieferservice Aktivitäten des Anbieter.496 Für den Anbieter eröffnen sich zwei grundsätzliche Aktivitätsstrategien: Externalisierung vs. Internalisierung.497 Bei der Externalisierung überträgt der Anbieter Aktivitäten auf den Nachfrager, bei der Internalisierung übernimmt der Anbieter Aktivitäten des Nachfragers. Beiden Strategien sind Grenzen gesetzt. Sie hängen beide davon ab, ob die jeweils andere Seite die Bereitschaft und Fähigkeit mitbringt, die jeweiligen Aufgaben zu übernehmen.498 Für die Externalisierung sind einfach geartete Aktivitäten besser geeignet als Aktivitäten, die eine hohe Fachkompetenz erfordern. Mit zunehmender Übertragung von Aktivitäten auf den Nachfrager bzw. mit wachsender Kundenintegration steigt der Einfluss des Kunden auf die Leistungserstellung. Gleichzeitig steigt für den Anbieter die Unsicherheit in der Kostenplanung und -steuerung, weil er das Mitwirkungsverhalten des Kunden vorab schwer prognostizieren kann. Die
495Es liegt somit keine vollständige, sondern eine partielle bzw. periphere Substitutionalität der Dienstleistungsproduktion vor. Vgl. Fandel/Blaga (2004), S. 16; Maleri/Frietzsche (2008), S. 220–221. 496Vgl. Meffert/Bruhn/Hadwich (2015), S. 26. 497Vgl. Maleri/Frietzsche (2008), S. 220–226; Meffert/Bruhn/Hadwich (2015), S. 26. 498Vgl. Corsten/Gössinger (2015), S. 396–398.
266
4 Entwurf der Konzeption des Dienstleistungscontrollings
Dispositionsfreiheit des Anbieters wird umso stärker eingeschränkt, je stärker der Nachfrager in die Leistungserstellung integriert wird.499 Die Ermittlung des Aktivitätsgrades ist im konkreten Einzelfall nicht immer einfach.500 Eine Methode die dabei hilft, die Aktivitäten des Anbieters und Nachfragers zu visualisieren, zu analysieren, zu gestalten und zu steuern ist der Service Blueprint.501 Der Service Blueprint betrachtet die Aktivitäten aus zwei Perspektiven.502 In der horizontalen Perspektive werden die Aktivitäten des Anbieters und Nachfragers in zeitlicher Abfolge untersucht. Die inhaltliche Beschreibung der Aktivitäten erfolgt in der vertikalen Perspektive auf grundsätzlich drei Ebenen:503 • Die Anbietersphäre (provider sphere) beinhaltet die Aktivitäten des Anbieters, an denen der Kunde nicht mitwirkt. Diese Aktivitäten des Anbieters versetzen den Nachfrager in die Lage Wert zu generieren (value facilitator). • Die gemeinsame Sphäre von Anbieter und Nachfrager (joint sphere) umfasst die Aktivitäten, die der Anbieter und der Nachfrager gemeinsam durchführen. Durch die Interaktionen erzeugen sie gemeinsam Wert (value co-creation). • Die Kundensphäre (customer sphere) bezieht sich auf die Aktivitäten, die der Kunde ohne Beteiligung des Anbieters ausführt. Der Kunde erzeugt in dieser Sphäre den Wert unabhängig vom Anbieter (value creator). Im Rahmen der SDL und der Customer-dominant Logic504 verschieben sich neuerdings die Schwerpunkte zusehends von der Anbietersphäre der Leistungslehre zur gemeinsamen Sphäre und Kundensphäre.505 Entwicklungsbezogene Perspektive Die letzte Perspektive des Objektbereiches des Dienstleistungscontrollings widmet sich der Entwicklung von Dienstleistungen.506 Die systematische Entwicklung und Gestaltung innovativer Dienstleistungen ist Gegenstand des
499Vgl.
Fließ (2001), S. 78. verschiedenen Methode, den Aktivitätsgrad zu ermitteln s. Büttgen (2006), S. 372– 374, m.w.N. 501Vgl. grundlegend Shostak (1982); dies. (1984); dies (1987). 502Vgl. Fließ (2001), S. 43–49; Fließ/Kleinaltenkamp (2004), S. 396–398. 503Vgl. Grönroos/Voima (2013), S. 140–142; Fließ/Dyck (2017), S. 610–611. 504Vgl. Heinonen et al. (2010). 505Vgl. Fließ/Dyck (2017). 506Vgl. im Folgenden Becker/Rech (2014), S. 248–249. 500Zu
4.5 Elemente des Dienstleistungscontrollings
267
Service Engineering, einer interdisziplinären Forschungsrichtung.507 „Service Engineering beschäftigt sich mit der systematischen Entwicklung von Dienstleistungen unter Verwendung geeigneter Vorgehensmodelle, Methoden und Werkzeuge sowie dem Management von Dienstleistungsprozessen.“508 Unter dem Dach des Service Engineering ist in den letzten Jahren eine breite Palette an Vorgehensmodellen zur systematischen Entwicklung von Dienstleistungen entstanden.509 In jüngerer Zeit zeichnen sich neue Trends ab, wie Design Thinking, Industrie 4.0 Services, Big Data Services und Self-Service Technologien.510 Eines der Vorgehensmodelle des Service Engineering stammt vom Deutschen Institut für Normung e.V., das im DIN Fachbericht 75 ein Phasenmodell vorschlägt (Abbildung 4.25).511 In der Phase der Ideenentwicklung werden Anregungen von Kunden, Wettbewerbern und der eigenen Organisation gesammelt. Die Ideen werden in der Anforderungsanalyse mit den Kundenanforderungen konfrontiert und genauer spezifiziert. In der Designphase werden die Potenzial-, Prozess- und Ergebnisdimension gestaltet. Danach wird in der Implementierungsphase die Organisation auf die neue Dienstleistung vorbereitet, die Infrastruktur bereitgestellt und die Mitarbeiter qualifiziert. In der Phase der Dienstleistungserbringung werden die Lieferstrukturen aufgebaut und die ständige Rückkopplung zur Dienstleistungsentwicklung sichergestellt. Erreicht die Dienstleistung das Ende des Lebenszyklus, wird sie in der letzten Phase abgelöst und rechtzeitig neue Dienstleistungen entwickelt.512 Ideenentwicklung
Anforderungs -analyse
Dienstleistungsdesign
Implementierung
Dienstleistungserbringung
Ablösung
Abbildung 4.25 Phasenmodell des Service-Engineering. (Quelle: DIN (1998), S. 34)
507Vgl.
Bullinger/Scheer (2006), S. 4–6, 17. (2006), S. 97–98. 509Vgl. den Überblick bei Schneider et al. (2006), S. 122–135. 510Vgl. Zagel/Bodendorf (2017), S. 355–360. 511Vgl. DIN (1998), S. 34. 512Vgl. Schneider et al. (2006), S. 126. 508Fähnrich/Opitz
268
4 Entwurf der Konzeption des Dienstleistungscontrollings
4.5.5 Aufgaben Die Controlling-Aufgaben ergeben sich durch die Anwendung der C ontrollingFunktionen auf die Controlling-Objekte.513 Es resultieren Zielbildungs- und Pla nungs aufgaben, Steuerungs- und Kontrollaufgaben, Berichts- und Beratungsaufgaben sowie Management-Rechnungsaufgaben.514 Becker/Rech wenden die Lokomotions-, Abstimmungs- und Informationsfunktion des Controllings auf den Objektbereich der Dienstleistung an und gelangen auf diese Weise zu sieben interdependenten Aufgabenfeldern des Dienstleistungscontrollings (Abbildung 4.26).515 Die einzelnen Aufgaben dieser Aufgabenfelder werden in Anlehnung an Becker/Rech im Folgenden erläutert.516 Dienstleister 1
Potenzialsteuerung
2
Prozesssteuerung
4
Qualitätssteuerung
5
Verhaltenssteuerung
6
Performance Measurement
7
Strategische Steuerung
3
Ergebnissteuerung
Kunde
Abbildung 4.26 Aufgabenfelder des Dienstleistungscontrollings nach Becker/Rech. (Quelle: Leicht veränderte Darstellung von Becker/Rech (2014), S. 145)
513Vgl.
Becker/Baltzer/Ulrich (2014), S. 86. Becker/Baltzer/Ulrich (2014), S. 87–90; Becker (2017), S. 127–130. 515Vgl. Becker/Rech (2014), S. 142–164. 516Vgl. im Folgenden Becker/Rech (2014), S. 184–210, und die dort angegebene Literatur. 514Vgl.
4.5 Elemente des Dienstleistungscontrollings
269
Potenzialsteuerung In Abschnitt 4.3.3 wurde im Problemfeld 1 das Fixkostenproblem und in Problemfeld 2 das Kapazitäts- und Leerkostenproblem bei Dienstleistungen angesprochen. Dienstleister sind gezwungen, die Dienstleistungspotenziale wie Personal, technische Einrichtungen und Ausrüstungen sowie Räumlichkeiten permanent bereit zu halten, um lieferfähig zu sein.517 Damit verbunden sind hohe Bereitschaftskosten und ein erhebliches Leerkostenrisiko. Prognoseunsicherheiten hinsichtlich der Nachfrage, des Ist-Zustandes des externen Faktors und des Mitwirkungsverhaltens des Kunden verstärken das Leerkostenrisiko. Aufgabe des Dienstleistungscontrollings in der Potenzialsteuerung ist es, das Kapazitätsangebot und die Kapazitätsnachfrage kurz-, mittel- und langfristig, quantitativ und qualitativ sowie wertschöpfungsorientiert abzustimmen.518 Innerhalb dieses generellen Aufgabengebietes des Nachfrage- und Kapazitätsmanagements übernimmt das Dienstleistungscontrolling Planungs-, Kontroll-, Steuerungs- und Informationsversorgungsaufgaben.519 Im Rahmen der Kapazitätsplanung stellt das Dienstleistungscontrolling sicher, dass Kapazitätsziele definiert sind und kurz-, mittel- und langfristige Kapazitätspläne existieren. Die Kapazitätsziele (z. B. Verfügbarkeitsziele, SLA) sind mit den Wert-, Produkt-/Markt- und Prozesszielen abzustimmen, etwaige Zielkonflikte mit den Qualitäts-, Produktivitäts- und Mitarbeiterzielen zu analysieren und zu lösen.520 Inhaltlich enthält der Kapazitätsplan den Bestand und Bedarf der wichtigsten Potenzialfaktoren, wie Personal, fremde Dienstleistungen, technische Ausstattung, Anlagen und Gebäude. Das Dienstleistungscontrolling stimmt den Kapazitätsplan mit dem Absatz-, Produktions-, Beschaffungs-, Investitions-, Forschungs- und Entwicklungsplan sowie dem Budget und Finanzplan ab.521 Die in der Abstimmung aufgedeckten Kapazitätslücken schließt das
517Zu den Bestandteilen des Leistungspotenzials von Dienstleistern s. Zeithaml/Bittner/ Gremler (2009), S. 445–446; Lovelock/Wirtz (2011), S. 250–251. 518Vgl. Fischer (2000), S. 2, 188; Borrmann (2003), S. 25; Botta (2004), S. 809; Corsten/ Gössinger (2004), S. 333–334; Engelhardt/Reckenfelderbäumer (2006), S. 295; Bruhn (2008), S. 405–406; Kleinhietpaß (2012), S. 45; Wall/Mödritscher (2012), S. 132–133; Becker/Rech (2013), S. 518. 519Vgl. im Folgenden ausführlich Becker/Rech (2014), S. 187–191. 520Vgl. Bienzeisler/Löffler (2006), S. 215–220; Reckenfelderbäumer (2008), S. 420–421. Zu den Zielen des Dienstleistungscontrollings s. Abschnitt 4.5.2. Zur Analyse und Lösung von Zielkonflikten s. allgemein Küpper et al. (2013), S. 140–152. 521Vgl. Becker (2007c), S. 186.
270
4 Entwurf der Konzeption des Dienstleistungscontrollings
Dienstleistungscontrolling planerisch, indem es Entscheidungsalternativen vorlegt und die finanziellen Konsequenzen der Anpassungsentscheidungen bewertet.522 In der Kapazitätskontrolle und -steuerung misst das Dienstleistungscontrolling den tatsächlichen Ressourcenverbrauch. „Bei der laufenden Kapazitätsauslastungskontrolle ist auf eine möglichst hohe Kapazitätsauslastung zu achten. Zweck einer laufenden Auslastungskontrolle ist der tendenzielle Abbau von Leerkosten bzw. die Erreichung eines möglichst hohen Nutzkostenanteils.“523 Stellt das Dienstleistungscontrolling bei der laufenden Auslastungskontrolle Über- oder Unterauslastungen fest, analysiert es die Ursachen und initiiert Gegenmaßnahmen. Bei den Anpassungsmaßnahmen kann es sich je nach Reichweite um strategische oder operative Kapazitätsentscheidungen handeln.524 Während strategische Kapazitätsentscheidungen darauf abzielen, die Potenziale an die langfristige Programm- und Absatzplanung anzupassen, zielen operationale Kapazitätsentscheidungen auf den kurzfristigen Abgleich von Kapazitätsnachfrage und -angebot. Hierfür kommen sowohl nachfrageorientierte (z. B. zeitliche, intensitätsmäßige, quantitative Anpassung) als auch angebotsorientierte (z. B. Reservierungssysteme, Warteschlangen, Revenue Management) Anpassungsmaßnahmen in Frage.525 Schließlich besteht die Informationsversorgungsaufgabe des Dienstleistungscontrollings im Rahmen des Kapazitätsmanagements darin, Informationen, die für Kapazitätsentscheidungen sowie für die Kapazitätsplanung, -steuerung und -kontrolle benötigt werden, bereit zu stellen. Hierzu zählen beispielsweise Bedarfsprognosen, Informationen über Leerstände, ungenutzte Fähig- und Fertigkeiten, Leer- und Nutzkosten. Das Dienstleistungscontrolling verankert die Kapazitätsziele und -kennzahlen in den Ziel- und Kennzahlensystemen des Unternehmens. Des Weiteren baut es ein Berichtswesen mit Vorschaurechnung auf, das periodisch über die kurz-, mittel- und langfristige Kapazitätssituation und -entwicklung in quantitativer und qualitativer Hinsicht Auskunft erteilt.526
522Vgl.
Becker/Rech (2014), S. 190, m.w.N. Reichmann/Kißler/Baumöl (2017), S. 361 (im Original zum Teil hervorgehoben). 524Vgl. Haller (2017), S. 158. 525Vgl. Becker/Rech (2014), S. 187–190, sowie im Einzelnen: Fließ (2009), S. 254–258; Zeithaml/Bittner/Gremler (2009), S. 453–458; Fitzsimmons/Fitzsimmons (2011), S. 266– 272, 278–284; Haller (2017), S. 161–163. 526Vgl. Becker/Rech (2004), S. 191. 523Vgl.
4.5 Elemente des Dienstleistungscontrollings
271
Es liegt nahe, dass sich die genannten Aufgaben des Dienstleistungscontrollings bei individuellen Dienstleistungen vom Typ B schwieriger gestalten als bei standardisierten Dienstleistungen vom Typ A. Bei Dienstleistungen vom Typ A ähneln die Aufgaben der Planung, Steuerung und Kontrolle der Dienstleistungskapazitäten weitgehend den Aufgaben der Potenzialsteuerung bei der Sachgüterproduktion. Hingegen sind bei Dienstleistungen vom Typ B die Parameter der Kapazitätsplanung deutlich komplexer, weil der Anbieter die Art, die Menge, die Dauer, den Umfang und den Verlauf der Dienstleistung nur bedingt prognostizieren kann.527 Prozesssteuerung Der Kunde übt in seiner Rolle als Nachfrager und Co-Produzent einen maßgeblichen Einfluss auf die Erlös- und Kostensituation des Anbieters aus.528 Mit zunehmender Kundenintegration steigt der Einfluss des Kunden auf die Kosten des Anbieters. In gleichem Maße steigt die Unsicherheit in der Kostenplanung und -steuerung, weil der Anbieter das Mitwirkungsverhalten des Kunden vorab schwer prognostizieren kann, der Produktionsprozess und damit der Dienstleistungserfolg aber zunehmend von ihm abhängen.529 Vor diesem Hintergrund besteht eine Aufgabe des Dienstleistungscontrollings im Rahmen der Prozesssteuerung darin, den externen Faktor als Kosten- und Werttreiber in der Kosten-, Erlös- und Ergebnisrechnung abzubilden.530 Außerdem nimmt das Dienstleistungscontrolling steuerungsrelevante Informationen über die Mitwirkung des Kunden und den Zustand des externen Faktors vor, während und nach der Zustandsänderung in die Ziel- und Kennzahlensysteme und das Berichtswesen auf.531 Unter Beachtung von Produktionsund Transaktionskosten532 ermittelt das Dienstleistungscontrolling den optimalen Aktivitätsgrad des Anbieters und Nachfragers: „Es ist daher durch das Controlling zu ermitteln, welcher Grad der Kundenintegration nicht nur von
527Zu Ansatzpunkten der Kapazitätsgestaltung vor diesem Hintergrund s. Corsten/ Gössinger (2015), S. 325–358. 528Vgl. Corsten/Gössinger (2004), S. 330–335; sowie Abschnitt 4.3.3, Problemfeld 3: Planungs-, Steuerungs- und Dokumentationsproblem. 529Vgl. im Folgenden ausführlich Becker/Rech (2013), S. 517–518; dies. (2014), S. 146– 150, 191–194. 530Vgl. Reckenfelderbäumer (1995), S. 44–47. 531Vgl. Schäffer/Weber (2002), S. 8; Borrmann (2003), S. 24. 532Vgl. Fließ (2001), S. 93–106.
272
4 Entwurf der Konzeption des Dienstleistungscontrollings
Kundenseite gewollt ist, sondern auch unter Kostenaspekten sinnvoll ist.“533 Stehen alternative Verfahren zur Erbringung der Dienstleistung zur Auswahl, so bewertet das Dienstleistungscontrolling die erfolgs- und finanzwirtschaftlichen Auswirkungen (Verfahrenswahl).534 Im Dienste der Optimierung der Effizienz sucht das Dienstleistungscontrolling nach Prozessverbesserungen, Einspar-, Standardisierungs- und Automatisierungspotenzialen.535 Bei Dienstleistungen vom Typ A kann das Dienstleistungscontrolling in der Regel vor Prozessbeginn das optimale Verfahren und den optimalen Aktivitätsgrad ermitteln und nach Abschluss der Dienstleistung kontrollieren. Aufgrund der hohen Unsicherheiten hinsichtlich des Prozesses und des Ergebnisses ist das bei Dienstleistungen vom Typ B nicht immer möglich.536 In diesem Fall ermittelt das Dienstleistungscontrolling den optimalen Aktivitätsgrad und das optimale Verfahren prozessbegleitend, d.h. mit fortschreitender Leistungserbringung in mehreren Planungs- und Kontrollzyklen.537 Ergebnissteuerung Eine der Aufgaben des Dienstleistungscontrollings im Rahmen der Ergebnissteuerung besteht darin, das Ergebnis bzw. den Output des Dienstleistungsprozesses zu messen.538 Die Messung des Dienstleistungsergebnisses ist nicht grundsätzlich schwierig, wie häufig unterstellt.539 Sie hängt vielmehr von der Erfassbarkeit der Zustandsänderung des externen Faktors ab. Bei Dienstleistungen vom Typ A fällt die Quantifizierung in der Regel leichter (z. B. repariertes Fahrzeug, zugestelltes Paket, gereinigter Anzug) als bei Dienstleistungen vom Typ B (z. B. Theatervorstellung, Rechtsberatung, Arztbesuch). Entsprechend empfiehlt es sich bei Dienstleistungen vom Typ B den Output mit quantitativen und qualitativen Hilfsindikatoren zu messen bzw. generell die Leistungsmessung von der Ergebnisebene auf die Prozess- und Potenzialebene zu verlagern.540
533Bruhn
(2008), S. 410. Corsten/Gössinger (2004), S. 330, 333. 535Vgl. Engelhardt/Reckenfelderbäumer (2006), S. 277–278; Möller/Schwab (2008), S. 36–37. 536Vgl. Fließ (2001), S. 58. 537Vgl. Becker/Rech (2014), S. 194. 538Vgl. im Folgenden ausführlich Becker/Rech (2013), S. 518; dies (2014), S. 194–198. 539Vgl. Abschnitt 4.3.3, Problemfeld 5: Quantifizierungs- und Kostenträgerproblem. 540Vgl. Friedl (1998), S. 471–472; Schäffer/Weber (2002), S. 8. 534Vgl.
4.5 Elemente des Dienstleistungscontrollings
273
Weitere Aufgabe des Dienstleistungscontrollings im Rahmen der Ergebnissteuerung ist die Dienstleistungskalkulation. Sie umfasst die Vor- und Nachkalkulation und bei Bedarf die prozessbegleitende Kalkulation von Dienstleistungsaufträgen und -projekten.541 Eng verbunden mit der Kalkulation ist die Aufgabe der Erfolgsanalyse. In der mehrdimensionalen Erfolgsanalyse untersucht das Dienstleistungscontrolling den Erfolgsbeitrag von verschiedenen Dienstleistungsarten, -projekten, Kunden, Marktsegmenten und Organisationseinheiten.542 Fernerhin unterstützt das Dienstleistungscontrolling durch die Bereitstellung von Erfolgsinformationen das Dienstleistungsmanagement bei programm-, markt-, preis- und kundenpolitischen Entscheidungen, wie z.B. der Eliminierung oder Herstellung bestimmter Dienstleistungsangebote, Preisanpassungen, Erhöhung der individuellen Kundenprofitabilität oder RePriorisierung von Entwicklungsteams im Service Engineering.543 Marketing und Vertrieb hilft das Dienstleistungscontrolling mit der Bereitstellung von Deckungsbeitragsvorgaben und Preisuntergrenzen sowie Instrumenten, die dem Kunden den wirtschaftlichen Nutzen der Dienstleistung verdeutlichen, wie z. B. TCO-Analyse, Lebenszyklusrechnung, Business Case.544 Qualitätssteuerung Probleme der Qualitätssteuerung bei Dienstleistungen ergeben sich vor, während und nach der Veränderung der Zustandseigenschaften des externen Faktors.545 Vor der Zustandsänderung – also zum Zeitpunkt des Kaufes bzw. vor Abschluss der Dienstleistungsvereinbarung – verfügen Anbieter und Nachfrager über unterschiedliche Informationsstände in Bezug auf die Leistungspotenziale der Gegenseite und die Zustandseigenschaften des externen Faktors.546 Aus den Informationsasymmetrien resultieren für beide Parteien Qualitätsunsicherheiten.547 Konträr zu vorproduzierten Erzeugnissen, z.B. Obst, Gemüse,
541Vgl.
Becker/Rech (2014), S. 195. Sanche (2002), S. 125–126; Engelhardt/Reckenfelderbäumer (2006), S. 299–301. 543Vgl. Becker/Rech (2014), S. 197–198. 544Vgl. Möller/Schwab (2008), S. 39; Becker/Rech (2013), S. 518; dies. (2014), S. 198; Bode (2014). 545Vgl. Becker/Rech (2014), S. 158–160. 546Vgl. Kaas (1992), S. 887; Kleinaltenkamp/Marra (1995), S. 104–106; Stebel (2007), S. 82–83. 547Vgl. Zeithaml (1981), S. 186–188; Kleinaltenkamp/Marra (1995), S. 107–108. 542Vgl.
274
4 Entwurf der Konzeption des Dienstleistungscontrollings
ohrmaschine, hat der Nachfrager zum Kaufzeitpunkt keine Möglichkeit die B Qualität der Dienstleistung zu prüfen. Der Nachfrager muss auf das Leistungspotenzial und das Leistungsversprechen des Anbieters vertrauen. Wegen den fehlenden Sucheigenschaften handelt es sich bei Dienstleistungen um Erfahrungsund Vertrauenskäufe.548 Demzufolge ist der Nachfrager unsicher, ob der Anbieter die Tätigkeiten in der erforderlichen Quantität und Qualität erbringen wird, um die von ihm erwartete Veränderung der Zustandseigenschaften des externen Faktors herbeizuführen. Im Gegensatz dazu besitzt der Dienstleister kein gesichertes Wissen, weder über den Zustand des externen Faktors noch darüber, ob der Nachfrager die für den Dienstleistungserfolg notwendigen Aktivitäten in der erforderlichen Quantität und Qualität ausführt.549 Während der Zustandsänderung verändern Störeinflüsse die Qualität der Dienstleistung. Störeinflüsse können vom Nachfrager und seinen Objekten (externe Faktoren) und vom Anbieter und seinen Objekten (interne Faktoren) ausgehen.550 Während der Transformation können sich unvorhergesehene Zustände der Person oder des Objektes des Nachfragers ergeben, die z.B. die Reparatur umfangreicher gestalten als geplant oder Spezialwissen erfordern, das der Anbieter nicht hat (z.B. Überweisung vom Hausarzt zum Spezialisten). Die Qualität kann zudem durch die Qualifikation (wie unterschiedliche Erfahrung, Fertigkeiten, Ausbildung) und Leistungsfähigkeit (wie Launen, Tagesform, Sympathie) der vom Anbieter und Nachfrager im Dienstleistungsprozess eingesetzten Personen schwanken.551 Da der Anbieter die Zustandsänderung unmittelbar am externen Faktor durchführt, hat er keine Möglichkeit die Qualität der Zustandsänderung vor der Rückgabe des externen Faktors zu prüfen.552 Die Qualitätssicherung muss während der Transformation erfolgen und in den Dienstleistungsprozesses integriert sein. Bei minderwertigen Dienstleistungen kann
548Vgl. Nelson (1970), ders. (1974); Darby/Karni (1973); Weiber/Adler (1995a); dies. (1995b). 549Vgl. Meyer/Mattmüller (1987), S. 189. 550Vgl. Meyer/Mattmüller (1987), S. 189–190. 551Vgl. Zeithaml (1981), S. 186; Meyer/Mattmüller (1987), S. 189. Corsten/Gössinger (2015), S. 372–373, unterscheiden interindividuelle und wechselwirkungsbedingte Schwankungen. 552Das gilt in erster Linie für personenbezogene Dienstleistungen. Manche objektbezogenen Dienstleistungen, wie z.B. das reparierte Fahrzeug, kann der Anbieter durchaus vor Rückgabe autonom qualitätssichern, z.B. durch eine Probefahrt.
4.5 Elemente des Dienstleistungscontrollings
275
der Anbieter nachbessern oder den Kaufpreis mindern, eine Rückgabe oder ein Umtausch sind ausgeschlossen.553 Dienstleistungsanbieter und -nachfrager vereinbaren gegenseitige Tätigkeiten, die im Ergebnis in veränderten Zustandseigenschaften des externen Faktors münden.554 Beim Friseur wird nicht die veränderte Frisur vereinbart, sondern das Schneiden und Tönen der Haare, beim Rechtsanwalt nicht die Scheidung, sondern die Rechtsberatung in Scheidungsfragen, beim Arzt nicht die Verbesserung des Gesundheitszustandes, sondern die ärztliche Untersuchung, Beratung und Behandlung.555 Je komplexer und wissensintensiver diese Tätigkeiten sind, desto schwerer fällt es dem Nachfrager die Qualität der Tätigkeiten zu beurteilen, insbesondere dann, wenn er nicht über die dafür notwendige Qualifikation verfügt.556 Obwohl nicht vereinbart (und nicht vergütet), stellt der Nachfrager gewisse Erwartungen an die Veränderung der Zustandseigenschaften des externen Faktors (z. B. Farbton der Haare, Vermögensaufteilung nach Scheidungsurteil, Gesundheitszustand nach der Behandlung), die er durch die Dienstleistung erfüllt sehen möchte. Der Nachfrager beurteilt die Qualität der Dienstleistung nicht alleine an der Qualität der erbrachten Tätigkeiten – wenn er sie denn überhaupt beurteilen kann –, sondern ganz überwiegend daran, ob die tatsächlich erreichte Veränderung der Zustandseigenschaften seine Erwartungen trifft.557 Möchte der Dienstleistungsanbieter die Dienstleistungsvereinbarung mit dem Nachfrager abschließen und die Kundenanforderungen erfüllen, so muss er qualitätsbezogene Aktivitäten ergreifen, welche die Qualitätsunsicherheiten
553Vgl. Meyer/Mattmüller (1987), S. 189; Haller (2017), S. 378: „Bei Dienstleistern dagegen gilt stets die Devise: Doing it right the first time!“ 554Die betriebswirtschaftliche Betrachtung impliziert zunächst keinen rechtlichen Vertragstyp. Insbesondere darf nicht der Schluss gezogen werden, dass rechtlich stets ein Dienstvertrag im Sinne des §§ 611 ff. BGB vorliegt, weil der Anbieter dem Nachfrager eine Tätigkeit schuldet, aber keinen Erfolg im Sinne des Werkvertragsrecht nach §§ 631 ff. BGB. Losgelöst von der hier vorgenommen betriebswirtschaftlichen Perspektive kann je nach Tatbestand Dienstvertrags-, Werkvertrags-, Auftrags-, Geschäftsbesorgungsvertrags-, Arbeits- oder Kaufrecht zur Anwendung kommen. Vgl. Vorbrugg/Berrar (1998), S. 86–80; Klunzinger (2013), S. 527–553. 555Die entgeltliche Untersuchung und Beratung ist in der Regel ein Dienstvertrag. Erbringt der Arzt erfolgsbezogene medizinische Einzelleistungen wie z.B. Labortests, Röntgenaufnahmen, liegt ein Werkvertrag vor. Vgl. Klunzinger (2013), S. 536. 556Diese Eigenschaft ist typisch für Vertrauenskäufe. Sie können vom Nachfrager weder vor noch nach dem Kauf vollständig beurteilt werden. Vgl. Weiber/Adler (1995a), S. 54. 557Vgl. Bruhn (2016), S. 32–33; Haller (2017), S. 42, 44–45.
276
4 Entwurf der Konzeption des Dienstleistungscontrollings
vor der Zustandsänderung reduzieren, die Qualitätsschwankungen im Dienstleistungsprozess während der Zustandsänderung vermindern und die Kundenanforderungen an die Qualität des externen Faktors nach der Zustandsänderung erfüllen.558 Die für qualitätsbezogene Maßnahmen anfallenden betrieblichen Aufwände sind dabei als Investitionen aufzufassen, die durch längerfristige Kosteneinsparungen und/oder Erlössteigerungen amortisiert werden („Return on Quality“).559 Gelingt es nicht die Kundenanforderungen zu erfüllen, wirkt sich schlechte Dienstleistungsqualität eher kostensteigernd und/oder erlössenkend aus.560 Aufgabe des Dienstleistungscontrollings des Anbieters ist es, die Effektivität und Effizienz qualitätsbezogener Maßnahmen sicherzustellen.561 Effektiv sind die qualitätsbezogenen Aktivitäten, wenn sie wirksam die Kundenanforderungen erfüllen, effizient, wenn sie wirtschaftlich erbracht werden.562 Hinter dieser Aufgabe verbirgt sich ein Bündel an Planungs-, Kontroll-, Koordinations- und Informationsversorgungsaufgaben.563 Das Dienstleistungscontrolling unterstützt die Qualitätsplanung, indem es die Wirkung von Qualitätsmaßnahmen auf die Kundenzufriedenheit und den wirtschaftlichen Erfolg bewertet. Ferner stimmt es den Qualitätsplan horizontal und vertikal in der Organisation mit anderen Teilplänen ab. In der Qualitätskontrolle und -steuerung kontrolliert es die Erreichung der Qualitätsziele und stellt mögliche Abweichungen fest. In der Qualitätssteuerung i.e.S. ergründet es die Abweichungsursachen und initiiert qualitätsbezogene Anpassungsmaßnahmen. Die Informationsaufgabe besteht darin, Information für die Qualitätsplanung und -kontrolle bereit zu stellen sowie Qualitätskennzahlen in den Ziel- und Kennzahlensystemen sowie dem Berichtswesen abzubilden.564 Wegen den Interdependenzen zwischen der Potenzial-, Prozess- und Ergebnisebene ist es wichtig, dass das Dienstleistungscontrolling qualitätsbeeinflussende Indikatoren in allen Leistungsphasen erhebt. Aufgrund der Qualitätsbeeinflussung
558Vgl.
zu solchen qualitätsbezogenen Maßnahmen Becker/Rech (2014), S. 159, m.w.N. Rust/Zahorik/Keiningham (1995), S. 59–60. 560Vgl. Zeithaml (2000), S. 73–77; Becker/Rech (2014), S. 200. 561Vgl. Bruhn (2016), S. 480; Haller (2017), S. 421. 562Vgl. Bruhn (2016), S. 480; Haller (2017), S. 421; Müller-Stewens/Schnupp (2017), S. 74. 563Vgl. Bruhn (1998), S. 71–78. 564Vgl. Becker/Rech (2014), S. 199. 559Vgl.
4.5 Elemente des Dienstleistungscontrollings
277
durch den Kunden in der Integration und Transformation muss das Dienstleistungscontrolling auch qualitätsbeeinflussende Indikatoren der Kundenseite erfassen.565 Verhaltenssteuerung Die hohe Bedeutung des Personals bei Dienstleistungen erklärt sich zum einen aus dem hohen Anteil der Personalkosten und zum anderen aus der intensiven Interaktion zwischen den an der Leistungserstellung beteiligten Personen des Anbieters und Nachfragers.566 Entscheidend für den Dienstleistungserfolg sind das Wissen, die Leistungsfähigkeit, der Leistungswille und das Verhalten des Dienstleistungspersonals des Anbieters sowie des an der Leistungserstellung beteiligten Personals des Nachfragers.567 Gerade bei Dienstleistungen vom Typ B, die für beide Seiten mit hohen Freiheitsgraden in der Leistungserstellung verbunden sind, kommt der zielorientierten Verhaltenssteuerung eine hohe Bedeutung zu.568 Aufgrund der hohen Bedeutung des Personals des Dienstleisters und der beteiligten Personen des Kunden kommt dem Dienstleistungscontrolling im Rahmen der Verhaltenssteuerung die Aufgabe zu, das Verhalten beider Akteure wertschöpfungsorientiert zu beeinflussen. In Bezug auf die Verhaltenssteuerung der Dienstleistungspersonals des Anbieters lassen sich drei Teilaufgaben unterscheiden:569 • Messung und Steuerung der Leistungsfähigkeit, Mitarbeiterzufriedenheit und Mitarbeitermotivation auf der Potenzialebene, der Leistungsbereitschaft und Interaktionskompetenz auf der Prozessebene und der Mitarbeiterperformance auf der Ergebnisebene.570 • Einbindung personenbezogener Steuerungsgrößen in die Kennzahlen- und Zielsysteme.571
565Vgl.
Klose (2001), S. 647; Benkenstein/Stenglin (2006a), S. 57, 67. im Folgenden ausführlich Becker/Rech (2013), S. 517–519; dies. (2014), S. 160– 161, 200–203. 567Vgl. Lovelock/Wirtz (2011), S. 302–303. 568Vgl. Schmitz (2006), S. 167–168. 569Vgl. Becker/Rech (2013), S. 518–519; dies. (2014), S. 201–203. 570Vgl. Schmitz (2006), S. 167–168; Bruhn (2008), S. 409. 571Vgl. Schäffer/Weber (2002), S. 8. 566Vgl.
278
4 Entwurf der Konzeption des Dienstleistungscontrollings
• Gestaltung der Anreiz- und Entlohnungssysteme und Verknüpfung mit den Kennzahlen- und Zielsystemen sowie Budgetierungssystemen.572 Bei der wertschöpfungsorientierten Verhaltenssteuerung des Personals ist zu beachten, dass es sich beim Personal zwar um einen Potenzialfaktor handelt, das Personal aber durch sein Handeln in die Prozess- und Ergebnisebene hineinwirkt. Insofern muss das Dienstleistungscontrollings bei der Gestaltung der Kennzahlen-, Ziel-, Budgetierungs- und Anreizsysteme mitarbeiterbezogene Potenzial-, Prozess- und Ergebnisgrößen kombinieren.573 Bei der Verhaltenssteuerung des Kunden ist zu bedenken, dass die Einflussmöglichkeiten des Anbieters auf den Nachfrager begrenzt sind, da sich der externe Faktor bekanntlich der autonomen Disposition durch den Anbieter entzieht. Dennoch ist es die Aufgabe des Dienstleistungscontrollings Informationen bereitzustellen, die den Kunden motivieren, auf der Potenzialebene die erfolgsoptimalen Potenzialfaktoren auszuwählen, auf der Prozessebene das erfolgsoptimale Dienstleistungsverfahrens und den optimalen Aktivitätsgrad und auf der Ergebnisebene die erfolgsoptimalen Leistungskomponenten.574 Performance Measurement Unter Performance Measurement versteht man ein Konzept der Unternehmenssteuerung zur mehrdimensionalen Messung der Effektivität und Effizienz von unternehmerischen Leistungen, das sowohl monetäre (z. B. Return on Investment, Residualgewinne) als auch nicht-monetäre Leistungskennzahlen (z. B. Kundenund Mitarbeiterzufriedenheit, Prozesseffizienz, Qualität) misst, in Beziehung setzt und zur Planung und Steuerung verwendet.575 Der Aufbau, die Abstimmung, die Nutzung und die Pflege von wirksamen Performance Measurement Systemen in Dienstleistungsbereichen ist eine wichtige Aufgabe des Dienstleistungscontrollings.576
572Vgl.
Küpper (1998), S. 380–381, 385, 392. Schmitz (2006), S. 167–168. 574Vgl. Corsten/Gössinger (2004), S. 330–333. 575Vgl. Becker/Lutz (2007), S. 177; Gleich (2011), S. 17. 576Vgl. im Folgenden ausführlich Becker/Rech (2013), S. 517, 519; dies. (2014), S. 161– 162, 203–206. 573Vgl.
4.5 Elemente des Dienstleistungscontrollings
279
Die generelle Aufgabe ein Performance Measurement System aufzubauen, abzustimmen, zu nutzen und zu pflegen hält folgende Teilaufgaben für das Dienstleistungscontrolling bereit: • • • • • • • • • •
Dienstleistungsziele und -strategie festlegen, Wertschöpfungslogik analysieren, Performance Measurement System auswählen, Ursache-Wirkungszusammenhänge untersuchen, Kennzahlen und zugehörige Zielgrößen festlegen, Kennzahlen mit Anreiz- und Entlohnungssystemen koppeln, strategische Maßnahmen ableiten, regelmäßig Soll-Ist-Vergleiche durchführen, Anpassungsmaßnahmen initiieren und Umsetzung überwachen, Anpassen des Performance Measurement System an neue Anforderungen.577
Der Aufbau von Performance Measurement Systemen gestaltet sich in Dienstleistungsbereichen aus mehreren Gründen schwierig. Die meisten Performance Measurement Systeme unterstellen die Wertschöpfungskonfiguration der Wertkette nach Porter. Wie die Ausführungen zum Objektbereich des Dienstleistungscontrollings ergaben, kommen aber auch Wertshop und Wertnetz als Wertschöpfungskonfigurationen in Dienstleistungsbereichen vor.578 Das Performance Measurement System der BSC ist für die Anwendung auf den Wertshop oder das Wertnetz nur eingeschränkt geeignet.579 Des Weiteren wird die Leistungsmessung dadurch erschwert, dass die Zustandsänderung des externen Faktors gerade bei hoch individualisierten Dienstleistungen vom Typ B nicht immer leicht zu erfassen ist bzw. mit einer hohen Variantenvielfalt einhergeht. Dem Dienstleistungscontrolling bleibt nichts anderes übrig, als den S chwerpunkt
577Vgl.
Gleich/Petschnig/Schmidt (2010), S. 42–44. 4.5.4, produktionswirtschaftliche Perspektive. 579Vgl. Woratschek/Roth/Schafmeister (2006). 578Vgl. Abschnitt
280
4 Entwurf der Konzeption des Dienstleistungscontrollings
der Kennzahlen des Performance Measurement Systems auf die Prozess- und Potenzialebene sowie nicht-monetäre Kennzahlen zu verlagern.580 Nachteilig auf die Leistungsmessung wirkt ferner die mit steigender Kundenintegration zunehmende Unsicherheit, was die Komplexität der Ursache-Wirkungszusammenhänge erhöht. Weitere Einschränkungen bringt die rudimentäre Datenverfügbarkeit über den Kundennutzen von Dienstleistungen mit sich.581 Wie neuere Studien zeigen, determinieren u. a. die Art und der Umfang der Kundenmitwirkung (autonom vs. integrativ), die Komplexität der Input- und Outputmessung (immateriell vs. materiell), die Art des Dienstleistungsprozesses (repetitiv vs. individuell) und die Bedeutung der Verfügbarkeit der Dienstleistung (Grad des Servicelevels) die Auswahl und Gestaltung von Performance Measurement Systemen in Dienstleistungsbereichen.582 Strategische Steuerung Hauptaufgabe der strategischen Unternehmensführung ist es, neue Erfolgspotenziale zu schaffen und bestehende Erfolgspotenziale zu nutzen und zu pflegen, um dauerhaft die Existenz der Unternehmung zu sichern.583 Hinsichtlich der strategischen Steuerung584 von Dienstleistungen berichten Möller/Schwab, dass Dienstleistungen selten strategisch geplant und systematisch entwickelt werden. Sie entstünden meist eher zufällig in der Zusammenarbeit mit wenigen Kunden. Oft fehle es an den notwendigen Strukturen und Verfahren, die eine systematische Dienstleistungsentwicklung erst ermöglichten.585 Ein weiteres Problem der strategischen Steuerung bei Dienstleistungen ist das fehlende Wissen über den Kundennutzen und die Zahlungsbereitschaft des Kunden.586 Manche Dienstleister haben keine klare Vorstellung über die strategische Positionierung
580Vgl. Friedl (1998), S. 471, 473, 479; Küpper (1998), S. 390; Schäffer/Weber (2002), S. 7–8; Bruhn (2008), S. 406–407. 581Vgl. Horváth/Seiter (2012), S. 39. 582Vgl. Jääskeläinen et al. (2012); Laihonen/Jääskeläinen/Pekkola (2014); Jääskeläinen/ Laihonen (2014). 583Vgl. Gälweiler (2005), S. 23–35; Welge/Al-Laham (2012), S. 213. 584Vgl. im Folgenden ausführlich Becker/Rech (2013), S. 517, 519; dies. (2014), S. 162– 164, 206–210. 585Vgl. Möller/Schwab (2008), S. 31. 586Vgl. Wall/Mödritscher (2012), S. 133.
4.5 Elemente des Dienstleistungscontrollings
281
des Dienstleistungsprogramms und die damit verbundenen Renditeerwartungen.587 Nach Meinung von Engelhardt/Reckenfelderbäumer mangelt es an den erforderlichen Erfolgsinformationen, um strategische Entscheidungen zum Dienstleistungsportfolio treffen zu können. Insbesondere fehlten die zur Ermittlung der Wertbeiträge notwendigen Kosten- und Erlösstrukturen.588 Angesichts dieser Problemfelder liegen die Aufgabenschwerpunkte des Dienstleistungscontrollings im Rahmen der strategischen Steuerung auf drei Aspekten: • Einführung, Betreuung und Pflege einer wertorientierten Unternehmenssteuerung, • Aufbau, Betreuung und Pflege eines wert- und risikoorientierten Portfoliomanagements und • Strukturierung des Entwicklungsprozesses mit Verfahren des Service Engineering und prozessbegleitendem Kostenmanagement.589 Mit der strategischen Steuerung endet die Vorstellung der Aufgaben des Dienstleistungscontrollings. Die wesentlichen Ergebnisse der Aufgabenanalyse fasst die Abbildung 4.27 noch einmal zusammen. Wesentlich mehr Details sowie weitere Quellenangaben finden sich bei Becker/Rech.590 Der Schilderung der Aufgaben des Dienstleistungscontrollings schließt sich im nächsten Abschnitt die Frage an, wer die Controllingaufgaben in Dienstleistungsbereichen durchführt.
587Vgl.
Möller/Schwab (2008), S. 31; Wall/Mödritscher (2012), S. 133. Engelhardt/Reckenfelderbäumer (2006), S. 240. 589Vgl. Cassack (2006), S. 137–140; Möller/Schwab (2008), S. 34; Wall/Mödritscher (2012), S. 133; sowie ausführlich Becker/Rech (2014), S. 207–210, m.w.N. 590Vgl. Becker/Rech (2014), S. 184–210. 588Vgl.
Externen Faktor als Kosteneinflussfaktor in der Kostenrechnung abbilden. Erfolgsoptimales Dienstleistungsverfahren und optimaler Integrationsgrad planen und steuern. Prozessverbesserungen, Einspar-, Automatisierungs- und Standardisierungspotenziale identifizieren. Informationen zur Kundenmitwirkung in Ziel- und Kennzahlensystemen und im Berichtswesen abbilden. Output des Dienstleistungsprozesses quantifizieren und dokumentieren. Dienstleistungsaufträge und -projekte vor- und nachkalkulieren und bei Bedarf prozessbegleitend kalkulieren. Mehrdimensionale Erfolgsanalyse und Bereitstellung von Ergebnisinformationen. Instrumente und Informationen für die Kommunikation des Kundennutzens bereitstellen. Bewertung der Wirkung von Qualitätsmaßnahmen auf die Kundenzufriedenheit und den wirtschaftlichen Erfolg. Kapazitätsplan aufstellen, abstimmen, Abweichungsursachen feststellen und Anpassungsmaßnahmen initiieren. Qualitätskennzahlen in den Ziel- und Kennzahlensystemen sowie im Berichtswesen abbilden. Erfassung qualitätsbeeinflussender Indikatoren auf allen Leistungsebenen und zur Kundenmitwirkung.
Leistungsfähigkeit, Zufriedenheit, Motivation, Interaktionskompetenz und Performance messen und steuern. Personenbezogene Steuerungsgrößen in Ziel- und Kennzahlensysteme und ins Berichtswesen integrieren. Anreizsysteme gestalten und mit Ziel- und Kennzahlen- sowie Budgetierungssystemen verknüpfen. Entscheidungs- und Mitwirkungsverhalten des Kunden auf allen Leistungsebenen beeinflussen. Performance Measurement System für Dienstleistungen aufbauen, abstimmen, nutzen und pflegen. Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge zwischen Objektbereich und finanzieller Ebene transparent machen. Kennzahlen definieren und Ziele je Kennzahl festlegen, z.B. Qualitäts- und Produktivitätsziele. Kennzahlen mit Anreiz- und Entlohnungssystemen koppeln. Wertorientierte Plangrößen in der Zielplanung und den Anreizsystemen integrieren. Dienstleistungsportfolio und Ressourcen wert- und risikoorientiert steuern respektive allokieren. Kundennutzen und Zahlungsbereitschaft ermitteln und in die strategische Bewertung aufnehmen. Mit Hilfe von Service Engineering und Kostenmanagement den Entwicklungsprozess strukturieren.
Aufgaben der Prozesssteuerung
Aufgaben der Ergebnissteuerung
Aufgaben der Qualitätssteuerung
Aufgaben der Verhaltenssteuerung
Performance Measurement Aufgaben
Strategische Steuerungsaufgaben
Abbildung 4.27 Aufgaben des Dienstleistungscontrollings. (Quelle: Angelehnt an Becker/Rech (2013), S. 519; dies. (2014), S. 187, in Teilen modifiziert)
Kapazitätsziele definieren; kurz-, mittel- und langfristiger Kapazitätsplan aufstellen. Kapazitätsauslastung kontrollieren, Anpassungsmaßnahmen initiieren und überwachen. Ergebnis- und Liquiditätsveränderungen von kapazitiven Entscheidungsalternativen bewerten. Berichtswesen der kurz-, mittel- und langfristigen Kapazitätsauslastung bereitstellen.
Aufgaben der Potenzialsteuerung
Aufgaben des Dienstleistungscontrollings
282 4 Entwurf der Konzeption des Dienstleistungscontrollings
4.5 Elemente des Dienstleistungscontrollings
283
4.5.6 Aufgabenträger Bislang wurde das Dienstleistungscontrolling aus funktionaler Perspektive betrachtet. Die Funktionen des Dienstleistungscontrollings wurden auf das Objekt der Dienstleistung angewendet. Daraus ergaben sich sieben Aufgabenfelder mit jeweils einem Bündel an Einzelaufgaben, die sich auf höherer Abstraktionsebene in Zielbildungs- und Planungsaufgaben, Steuerungs- und Kontrollaufgaben, Berichts- und Beratungsaufgaben sowie Management-Rechnungsaufgaben einteilen lassen. Wer diese Aufgabenbündel im Unternehmen verrichtet, ist Gegenstand dieses Abschnitts. Hierzu wird die Betrachtungsperspektive gewechselt; statt der funktionalen wird die institutionale Perspektive eingenommen.591 Controlling-Aufgaben nehmen vornehmlich Manager und Controller wahr.592 „Im Zusammenspiel dieser beiden Gruppen von Aufgabenträgern entsteht [.] Controlling.“593 Grundsätzlich liegen die Aufgaben der Lokomotion, Abstimmung und Information in der Verantwortung der Manager. Ab einer bestimmten Betriebsgröße nehmen Manager tendenziell eher die Aufgaben im Bereich der Lokomotionsfunktion wahr und delegieren die Aufgaben im Bereich der Abstimmungs- und Informationsfunktion an Controller, die sich auf diese beiden Bereiche spezialisieren.594 Jedoch trifft diese Art der Zuordnung in der Praxis nicht immer zwangsläufig zu. Sie ist keinesfalls überschneidungsfrei und hängt neben der Betriebsgröße von einer Vielzahl weiterer interner (z. B. Umweltdynamik) und externer (z. B. Controlling-Philosophie, Organisationsstruktur) Kontextfaktoren ab.595 Übertragen auf das Dienstleistungscontrolling lassen die Aussagen den Schluss zu, dass grundsätzlich Dienstleistungsmanager und -controller gemeinsam Dienstleistungscontrolling praktizieren, die Zuordnung der Aufgaben der sieben Aufgabengebiete des Dienstleistungscontrollings aber von den Bedingungskonstellationen des Einzelfalls in der Praxis abhängen. In der Praxis übernehmen auch andere Gruppen Controllingaufgaben, wie z. B. kaufmännische Mitarbeiter, Steuerberater, Unternehmensberater.596
591Vgl.
im Folgenden Becker/Rech (2014), S. 210–212. Becker/Baltzer/Ulrich (2014), S. 91; Becker (2017), S. 110. 593Becker/Baltzer/Ulrich (2014), S. 91. 594Vgl. Becker/Baltzer/Ulrich (2014), S. 91–92; Baltzer/Ulrich (2019), S. 111. 595Vgl. Küpper et al. (2013), S. 667–705; Weber/Schäffer (2016), S. 432–441. 596Vgl. Becker/Baltzer/Ulrich (2014), S. 92. 592Vgl.
284
4 Entwurf der Konzeption des Dienstleistungscontrollings
Bei Dienstleistungen vom Typ B mit hohen Freiheitsgraden des Personals in der Aufgabengestaltung und -ausführung bietet sich als weiterer Träger von Controllingaufgaben das Kundenkontaktpersonal an. Durch die partielle Simultanität von Produktion und Absatz bei Dienstleistungen liegen günstige Voraussetzungen für den Aufbau eines O n-the-Job-Controllings vor. Geeignet dafür ist die Produktionsstufe der Endkombination. Das Kundenkontaktpersonal tauscht im Rahmen der Dienstleistungsvereinbarung und der Leistungserstellung Informationen mit dem Kunden aus, die es systematisch sammeln und aufbereiten kann. Diese Informationen lassen sich für die operative Planung und Steuerung der Potenziale, Prozesse und Ergebnisse nutzen (z. B. Wartezeiten, Kapazitätsauslastung).597
4.5.7 Instrumente Zur Verrichtung der Aufgaben setzen Dienstleistungsmanager, -controller und Kundenkontaktpersonal Controlling-Instrumente ein.598 „Controllinginstrumente sind [.] alle methodischen Hilfsmittel, die zur Erfüllung von Controllingaufgaben herangezogen werden können.“599 Im Sinne der wertschöpfungsorientierten Controllingkonzeption verarbeiten Controlling-Instrumente Informationen zu Erfolgspotenzialen, Erfolg und Liquidität bzw. stellen diesbezügliche Informationen bereit.600 Der Zweck-Mittel-Beziehung zwischen Aufgaben und Instrumenten entsprechend, strukturieren Becker/Rech die Instrumente des Dienstleistungscontrollings entlang der in Abschnitt 4.5.5 erläuterten Aufgabengebiete des Dienstleistungscontrollings.601 Eine Auswahl dieser Instrumente wird nachfolgend wiedergegeben. Für eine ausführliche Beschreibung der Instrumente sowie die Diskussion ihrer Vor- und Nachteile wird auf die Ausführungen von Becker/Rech und die dort angegebene Literatur verwiesen.602
597Vgl.
Corsten/Gössinger (2004), S. 335; ebenso Corsten/Corsten (2013), S. 448. allgemein Becker/Baltzer/Ulrich (2014), S. 99–103. 599Horváth (1993), Sp. 670. Zum Begriff Controlling-Instrument s. Becker/Baltzer (2009), S. 32–36; Baltzer (2013), S. 63–79. 600Vgl. Becker/Baltzer/Ulrich (2014), S. 103–104. 601Vgl. Becker/Rech (2014), S. 212–214. 602Vgl. im Folgenden Becker/Rech (2014), S. 212–249, und die dort angegebene Literatur. 598Vgl.
4.5 Elemente des Dienstleistungscontrollings
285
Potenzialsteuerung Wie in Abschnitt 4.5.5 erläutert, übernimmt das Dienstleistungscontrolling im Rahmen seiner Potenzialsteuerungsaufgabe verschiedene Planungs-, Steuerungs-, Kontroll- und Informationsversorgungsaufgaben. In der Kapazitätsplanung prognostiziert das Dienstleistungscontrolling den kurz-, mittel- und langfristigen Kapazitätsbedarf mit Hilfe von qualitativen (z. B. Delphi-Methode, Scenario-Analyse) oder quantitativen Prognosemethoden (z. B. Zeitreihenanalyse, Regressionsanalyse) auf der Grundlagen der Analyse von zeitlichen Verlaufsmustern.603 Wesentlicher Bestandteil der Kapazität des Dienstleisters ist das Personal. Das Dienstleistungscontrolling stimmt deshalb die Kapazitätsnachfrage quantitativ und qualitativ mit dem Personalbedarfsplan und dem Personalentwicklungsplan ab.604 Dabei sind abhängig vom Standardisierungsgrad der Dienstleistung unterschiedliche Anforderungen in der Personalbedarfs- und Personalentwicklungsplanung zu berücksichtigen.605 In der Kapazitätssteuerung lässt sich die Nachfrage mit Hilfe von Reservierungssystemen (z. B. Terminvereinbarung beim Arzt), Überbuchungssystemen, Warteschlangenmodellen (z. B. höhere Priorität für erfolgskritische Kundensegmente) oder dem Revenue Management (Yield Management) an die vorhandene Kapazität anpassen.606 Das Revenue Management607 lastet relativ starrte Kapazitäten erfolgsoptimal aus, indem es die Nachfrage durch flexible Preissetzung reguliert und Kontingente dynamisch vergibt.608 Voraussetzung für seine Anwendung sind relativ starre Kapazitätsverhältnisse, unterschiedlich preissensitive Kundensegmente, stochastische Nachfrage, geringe marginale Leistungserstellungs- und Vertriebskosten bei hohen marginalen Kosten der Kapazitätsausweitung.609 Diese Anwendungsbedingungen liegen vor allem im Luftverkehr und der Touristik vor, sind aber nicht darauf beschränkt.610
603Vgl. Hansmann (2007); Zeithaml/Bitner/Gremler (2009), S. 447–450; Fitzsimmons/ Fitzsimmons (2011), S. 453–476. 604Vgl. Haller (2017), S. 151–157; 347–355. 605Vgl. Alewell/Hansen (2017), S. 934–939, die bei Dienstleistungstyp A und B effizienzorientierte respektive expertenorientierte Beschäftigungssysteme unterscheiden. 606Vgl. Fitzsimmons/Fitzsimmons (2011), S. 270–272, 299–320. 607Vgl. grundlegend Talluri/Ryzin (2004). 608Vgl. Teuschlin/Lindenmeier (2003), S. 1513. 609Vgl. Kimes (1989), S. 15. 610Vgl. Kimms/Klein (2005), S. 15–22.
286
4 Entwurf der Konzeption des Dienstleistungscontrollings
Für die laufende Kapazitätskontrolle wendet das Dienstleistungscontrolling die Nutz- und Leerkostenanalyse sowie die betriebsbereitschaftsgradorientierte Kostenanalyse an.611 Außerdem führt es während der Leistungserbringung eine prozessbegleitende Kapazitätsauslastungskontrolle durch, um möglich früh auf Abweichungen vom geplanten Aktivitätsgrad reagieren zu können. Die Dominanz der Bereitschaftskosten bei Dienstleistungen erhöht das Verlustrisiko im Falle von Nachfrageschwankungen. Diesem Risiko ist durch Flexibilisierung der Bereitschaftskosten zu begegnen.612 Das Dienstleistungscontrolling untersucht mittels der Break-Even-Analyse, wie sich operative (angebots- und nachfrageorientierte) und strategische Kapazitätsanpassungsentscheidungen auf die Gewinnschwelle auswirken.613 Für die Kapazitätsplanung, -steuerung und -kontrolle stellt das Dienstleistungscontrolling Kapazitätskennzahlen zur Verfügung, wie z.B. Beschäftigungsgrad bzw. Kapazitätsauslastungsgrad, Leerkosten und Nutzkosten, Servicegrad (Lieferbereitschaftsgrad), Kapazitätsbedarfsprognose und Gewinnschwelle (Break-Even-Punkt).614 Prozesssteuerung Einer der Aufgaben des Dienstleistungscontrolling im Rahmen der Prozesssteuerung besteht darin, den externen Faktor als Kosten- und Werttreiber in der Kosten-, Erlös- und Ergebnisrechnung abzubilden.615 Ein erster grundlegender Ansatz zur Integration des externen Faktors in die Kosten-, Erlös- und Ergebnisrechnung stammt von Reckenfelderbäumer.616 Angespornt durch dessen Werk sind in der Folge weitere Arbeiten entstanden, die sich mit dieser Thematik auseinandersetzen.617 Gemein ist diesen Ansätzen, dass sie entweder auf der Prozesskostenrechnung oder dem Time-Driven Activity-Based Costing aufbauen und zwischen autonomen und integrativen Teilprozessen der Leistungserstellung differenzieren.618
611Vgl.
Corsten/Gössinger (2004), S. 39; Reichmann/Kißler/Baumöl (2017), S. 372–382. Becker/Rech (2014), S. 218. 613Vgl. zur Break-Even-Analyse Schweitzer/Troßmann (1998). 614Vgl. Bohnert (2010), S. 43–54; 57–58; Reichmann/Kißler/Baumöl (2017), S. 373–375. 615Vgl. Abschnitt 4.5.5, Prozesssteuerung. 616Vgl. Reckenfelderbäumer (1995). 617Vgl. Schweikart (1997); Palloks-Kahlen/Kuczynski (2000); Borrmann (2003); Salman (2004); Büttgen (2006). 618Vgl. Friedl (2017), S. 1120–1125. 612Vgl.
4.5 Elemente des Dienstleistungscontrollings
287
Für die Aufnahme von prozessorientierten Steuerungsinformationen in die Ziel-, Kennzahlen- und Berichtssysteme bieten sich verschiedene Kennzahlen an, wie z. B. der Aktivitätsgrad des Anbieters und Nachfragers, Anzahl der Kundenkontakte, Reaktionszeiten, Arbeitsvorrat, Durchlaufzeiten, SLA-Einhaltung, Beschwerde- und Fehlerquote.619 Der erfolgsoptimale Aktivitätsgrad von Anbieter und Nachfrager und das erfolgsoptimale Dienstleistungsverfahren lassen sich mit der Prozesskostenrechnung bzw. dem Time-Driven Activity-Based Costing in Kombination mit dem Service Blueprint ermitteln.620 Wie im theoretischen Bezugsrahmen erläutert, sind bei der Ermittlung des optimalen Aktivitätsgrad sowohl die Produktionskosten als auch die Transaktionskosten des Anbieters und Nachfragers zu berücksichtigen.621 Damit sich beide Parteien an den erfolgsoptimalen Aktivitätsgrad und das erfolgsoptimale Verfahren gebunden fühlen, stellt das Dienstleistungscontrolling sicher, dass die Mitwirkungs-, Beistellungspflichten, Leistungsbeiträge, Rollen und Verantwortlichkeiten als Sollvorgaben dokumentiert werden.622 Sinnvoll ist es, die Sollvorgaben in Leistungsindikatoren zu transformieren und in einem regelmäßig zu überprüfenden SLA festzuschreiben.623 Um Prozessverbesserungen zu lokalisieren, kann das Dienstleistungscontrolling das Prozess-Benchmarking und die Prozesswertanalyse nutzen.624 Wichtig ist auch hier der kombinierte Einsatz mit der Prozesskostenrechnung. Bei der Prozesswertanalyse bewertet zum Beispiel die Prozesskostenrechnung die zeitliche Aufwandsschätzung der einzelnen Prozessschritte nach Kosten. Die Kombination der Verfahren ermöglicht eine nach Zeit-, Kosten- und Qualitätsgesichtspunkten optimale Gestaltung der Dienstleistungsprozesse.625
619Vgl.
Bohnert (2010), S. 51–60. Engelhardt/Reckenfelderbäumer (2006), S. 287–289; Kleinaltenkamp/Jacob (2006), S. 55–59; Cassack (2006), S. 172–186; Möller/Schwab (2008), S. 36–37. Zum Service Blueprint s. nochmals Abschnitt 4.5.4, organisatorische Perspektive. 621Vgl. Abschnitt 4.4.4.1. 622Vgl. Becker/Rech (2014), S. 221. 623Vgl. Burr/Stephan (2006), S. 178; Walther (2006), S. 14); Eicker/Heimann/Bucksteeg (2008); Meschke (2008). 624Vgl. Schweikart (1997), S. 255; Beutin/Kühlborn/Schenkel (2005); Engelhardt/ Reckenfelderbäumer (2006), S. 289; Kleinaltenkamp/Jacob (2006), S. 65–71. 625Vgl. Becker/Rech (2014), S. 221. 620Vgl.
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4 Entwurf der Konzeption des Dienstleistungscontrollings
Ergebnissteuerung Insbesondere bei Dienstleistungen vom Typ B ergeben sich Schwierigkeiten bei der Quantifizierung des Dienstleistungsoutputs, d. h. der Messung der Zustandsänderung des externen Faktors. Empfohlen wird deshalb auf Outputhilfskriterien auszuweichen, wie z. B. die Anzahl von Gerichtsfällen, Restaurantplätzen, Kundenberatungen, Behandlungsfällen oder die Anzahl der Absolventen einer Bildungseinrichtung.626 Darauf aufbauend können Produktivitätskennzahlen gebildet werden, wie betreute Betten pro Beschäftigtem, behandelte Patienten pro Arbeitstag, unterrichtete Schüler pro Lehrer oder Anzahl der Kundenberatungen pro Arbeitsstunde.627 Die Vorteile solcher Produktivitätskennzahlen liegen in ihrer Einfachheit und Verständlichkeit. Corsten/Gössinger warnen aber vor Fehlinterpretationen, die durch Informationsverluste entstehen können.628 Eine Erhöhung der Callrate pro Mitarbeiter im Callcenter führt zwar zu höherer Produktivität, geht aber ab einem gewissen Punkt zu Lasten der Qualität.629 Das Dienstleistungscontrolling muss deshalb Produktivitäts- und Qualitätskennzahlen gemeinsam betrachten.630 Weitere ergebnisbezogene Kennzahlen, die das Dienstleistungscontrolling in den Ziel- und Kennzahlensystemen verankert, sind z. B.: Auftragsgröße, Nutzungsrate, Vertriebserfolgsquote, Neu- vs. Stammkundenquote, Quote verlängerter Verträge (Renewal Rate), Kündigungsquote (Churn Rate631), Cross und Up Sell Potenzial, Weiterempfehlungsrate (Net Promoter Score632), Kundendurchdringungsrate (Share of Wallet), Kundenzufriedenheit und -bindung.633
626Vgl. Corsten/Gössinger (2015), S. 373–374; sowie zu dieser Empfehlung Abschnitt 4.5.5. 627Vgl. Corsten/Gössinger (2015), S. 374. 628Vgl. Corsten/Gössinger (2015), S. 374; ebenso Bruhn (2008), S. 409–410. 629Corsten/Gössinger (2015), S. 374, sprechen in solchen Fällen von Produktivitätsparadoxon. 630Vgl. Becker/Rech (2014), S. 222. 631Vgl. Pick (2016). 632Vgl. Artz (2017). 633Vgl. Reinecke/Geis (2006), S. 282–291; Huber/Bauer (2008), S. 244; Bruhn (2008), S. 411.
4.5 Elemente des Dienstleistungscontrollings
289
Aus den Arbeiten von Vikas634, Bertsch635, Reckenfelderbäumer636 und Fischer637lässt sich schlussfolgern, dass das Dienstleistungscontrolling je nach Rechnungszweck verschiedene Kostenrechnungssysteme einsetzt.638 Für die Kalkulation der kurzfristigen Preisuntergrenze empfiehlt sich der Einsatz der Einzelkostenrechnung. Für die Ermittlung der langfristigen Preisuntergrenze bietet sich die Prozesskostenrechnung an.639 Zur Analyse des Dienstleistungserfolgs ist es nützlich, eine nach verschiedenen Bezugsobjekten (z.B. Dienstleistungsarten, Kunden) differenzierende, mehrdimensionale und mehrstufige Deckungsbeitragsrechnung auf der Grundlage der Einzelkosten- und Deckungsbeitragsrechnung einzurichten.640 Aufbauend darauf, lässt sich mit der ABCAnalyse der Umsatzbeitrag und Erfolgsbeitrag einzelner Kundensegmente analysieren, je nachdem, ob man den kumulierten Umsatzanteil oder kumulierten Deckungsbeitrag in Abhängigkeit vom kumulierten Kundenanteil abträgt.641 Um detaillierte Analysen der Fix- und Gemeinkosten zu ermöglichen, ist die Deckungsbeitragsrechnung mit der Prozesskostenrechnung zu kombinieren. Für die kostenstellenbezogene Kostenkontrolle bringt das Dienstleistungscontrolling die Grenzplankostenrechnung und ihre analytische Kostenplanung zum Einsatz.642 Für die Wirtschaftlichkeitskontrolle der Dienstleistungsprozesse ist sie ebenfalls mit der Prozesskostenrechnung zu kombinieren. Am Markt erzielbare Preise für neue Dienstleistungen und die Zahlungsbereitschaft potenzieller Kunden kann das Dienstleistungscontrolling mit dem Conjoint Measurement in Erfahrung bringen.643 Um den Kunden
634Vgl. Vikas
(1988). Bertsch (1991). 636Vgl. Reckenfelderbäumer (1995). 637Vgl. Fischer (2000), S. 56–105, 125–128. 638Vgl. Becker/Rech (2014), S. 222–225. 639Vgl. Hoberg (2017) zur Relevanz von variablen und fixen Kosten bei der Kalkulation der Preisuntergrenze sowie weiterer Einflussfaktoren bei der Festlegung der Preisuntergrenze. 640Vgl. Fischer/Decken (2001); Engelhardt/Reckenfelderbäumer (2006), S. 299–301; Heinisch (2014). 641Vgl. Meffert/Bruhn/Hadwich (2015), S. 478–479. 642Vgl. Kilger/Pampel/Vikas (2012), S. 251–514. 643Vgl. Tacke/Pohl (1998); Woratschek (1998); Witt (2003), S. 99–110. Zum Verfahren s. Backhaus et al. (2016), S. 517–567. Zu anderen Verfahren zur Ermittlung der Zahlungsbereitschaft s. Wricke/Herrmann (2002). 635Vgl.
290
4 Entwurf der Konzeption des Dienstleistungscontrollings
vom ökonomischen Nutzen der Dienstleistung zu überzeugen, kann das Dienstleistungscontrolling die Kosten-Nutzen-Analyse oder die TCO-Analyse verwenden.644 Qualitätssteuerung Zur Messung der Dienstleistungsqualität bedient sich das Dienstleistungscontrolling kunden- und unternehmensorientierter Messverfahren.645 Kundenorientierte Messverfahren messen die Dienstleistungsqualität aus Sicht des Kunden, unternehmensorientierte Messverfahren aus Sicht von Führungskräften und Mitarbeitern. Nach dem Objektivitätsgrad der Messung können die kundenorientierten Verfahren in objektive und subjektive Messansätze gegliedert werden. Objektive Messansätze (z. B. Expertenbeobachtung, Mystery Shopping) erfassen ihre Daten anhand von intersubjektiv nachprüfbaren Qualitätskriterien.646 Subjektive Messansätze ermitteln die vom Kunden wahrgenommene Dienstleistungsqualität. Je nach verwendeter Datenquelle differenziert man die subjektiven Messansätze in merkmals- (z. B. Kundenbefragung, Kano-Methode), ereignis- (z. B. CriticalIncident-Technik, Root-Cause-Analyse) und problemorientierte (z. B. FrequenzRelevanz-Analyse, Beschwerdemanagement647) Ansätze.648 Bei den unternehmensorientierten Messverfahren unterscheidet man managementorientierte (z. B. Fehlermöglichkeits- und -einflussanalyse (FMEA), Fishbone-Ansatz) und mitarbeiterorientierte (z. B. betriebliches Vorschlagswesen, Mitarbeiterbefragung) Messansätze.649 Für eine detaillierte Darstellung der Verfahren inklusive einer Analyse ihrer Vor- und Nachteile sei auf die einschlägige Literatur verwiesen.650 Zur Qualitätssteuerung kann das Dienstleistungscontrolling ferner Modelle der Dienstleistungsqualität zu Rate ziehen. Für Dienstleistungen existieren drei Arten von Qualitätsmodellen: Modelle zur Messung der Dienstleistungsqualität, Modelle zur Erklärung der Entstehung von Dienstleistungsqualität und Modelle
644Vgl.
Lindner/Többe (2007); Möller/Schwab (2008), S. 37–38. Bruhn (2016), S. 139–141. 646Vgl. Bruhn (2016), S. 141–147. 647Vgl. Stauss/Seidel (2006). 648Vgl. Bruhn (2016), S. 148–199. 649Vgl. Bruhn (2016), S. 199–215. 650Vgl. z.B. Benkenstein/Holtz (2001), S. 198–200; Woratschek (2004), S. 77–81; Bruhn (2016), S. 139–223. Speziell zu ereignisorientierten Ansätzen s. Bartsch (2017) und zu merkmalsorientierten Ansätzen s. Woratschek/Popp/Horbel (2017). 645Vgl.
4.5 Elemente des Dienstleistungscontrollings
291
zum Management der Dienstleistungsqualität.651 Eines der bekanntesten Modelle zur Messung der Dienstleistungsqualität ist SERVQUAL.652 Dieser Ansatz misst die Dienstleistungsqualität nach fünf Dimensionen: Annehmlichkeit der tangiblen Potenzialeigenschaften („Tangibles“), Zuverlässigkeit („Reliability“), Reaktionsverhalten („Responsivness“), Leistungskompetenz („Assurance“) und Einfühlungsvermögen („Empathie“).653 Während SERVQUAL die Wahrnehmung des Kunden mit seiner Erwartung vergleicht, macht SERVPERF das Qualitätsempfinden des Kunden ausschließlich an der Kundenwahrnehmung fest.654 Modelle zum Management der Dienstleistungsqualität, wie das GAP-Modell655, das EFQM-Modell656 oder Six Sigma657 ermöglichen eine ganzheitliche Planung, Steuerung und Kontrolle der Dienstleistungsqualität nach den Prinzipien des Total Quality Managements.658 Für die Erfassung und Gliederung der Qualitätskosten existieren verschiedene Ansätze. Traditionell werden Qualitätskosten in Fehlerverhütungs-, Prüf- und Fehlerkosten eingeteilt.659 Die traditionelle Einteilung ist aus mehreren Gründen problematisch.660 Zum einen werden Qualitätskosten nicht als Investitionen behandelt. Die Kategorie der Prüfkosten fasst willkürlich Kosten der Qualitätsübereinstimmung und -abweichung zusammen. Und letztlich liegt das Qualitätskostenoptimum unter 100 %, d. h. im Optimum wird fehlerhaft produziert. Die Erfassung und Einteilung der Qualitätskosten nach Kosten der Übereinstimmung (Konformitätskosten) und Kosten der Abweichung (Nichtkonformitätskosten) beseitigt diese Kritikpunkte.661 Aufbauend auf der Neueinteilung der Qualitätskosten kann das Dienstleistungscontrolling Instrumente wie die Prozesskostenrechnung, das Target Costing, Qualitätskennzahlen und Qualitätsberichte einsetzen, um die Qualitätskosten transparent zu machen und den
651Vgl.
Gouthier (2017), S. 1160–1169. Parasuraman/Zeithaml/Berry (1988). 653Zur Anwendung von SERVQUAL im Controlling s. Drerup/Wömpener/Zokoll (2017). 654Vgl. Cronin/Taylor (1992) sowie zur Diskussion SERVQUAL vs. SERVPERF dies. (1994). 655Vgl. Parasuraman/Zeithaml/Berry (1985). 656Vgl. EFQM (2019). 657Vgl. Töpfer (Hrsg., 2007). 658Vgl. Becker/Rech (2014), S. 159. 659Vgl. Franz (2002), Sp. 1659–1660; Coenenberg/Fischer/Günther (2012), S. 628 660Vgl. Wildemann (1992), S. 762. 661Vgl. Wildemann (1992), S. 762–763. 652Vgl.
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4 Entwurf der Konzeption des Dienstleistungscontrollings
Verursachern von Qualitätsproblemen (Produkte, Abteilungen) verursachungsgerecht anzulasten sowie markt- und wettbewerbsorientiert zu planen und zu steuern.662 Das Dienstleistungscontrolling berichtet dabei vier Arten von Qualitätskennzahlen: Qualitätsfähigkeits-Kennzahlen (z. B. Anteil termingerecht erstellte Dienstleistungen), qualitätsbezogene Kosten-Kennzahlen (z. B. Garantieund Gewährleistungskosten), qualitätsbezogene Nutzen-Kennzahlen (z. B. Reklamationsquote) und qualitätsbezogene Kosten-Nutzen-Kennzahlen (z. B. Qualitätskosten im Verhältnis zur Anzahl zufriedener/gebundener Kunden).663 Verhaltenssteuerung Die nachfolgenden Erläuterungen beschränken sich auf Budgetierungssysteme, Ziel- und Kennzahlensysteme sowie Anreizsysteme als Instrumente zur Steuerung des Verhaltens von Personen im Dienstleistungsprozess.664 Bei der Auswahl von Budgetierungsverfahren665 ist die Art der Dienstleistung zu beachten.666 Dienstleistungen vom Typ A sind durch determinierte Produktionsprozesse gekennzeichnet, Dienstleistungen vom Typ B durch indeterminierte: „Während determinierte Prozesse vollständig beherrschbar sind, d. h., bedingt durch den eindeutig vorgegebenen Input und den vorgegebenen Ablauf des Transformationsprozesses ergibt sich ein eindeutiger Output […], handelt es sich bei indeterminierten Prozessen um schlechtstrukturierte Produktionssituationen, weil mindestens einer der drei Bestandteile indeterminiert ist und damit im Voraus nicht bekannte Merkmalsausprägungen annehmen kann.“667 Problemorientierte Budgetierungstechniken setzen determinierte Produktionsbedingungen voraus. Sie sind für standardisierte Dienstleistungen besser geeignet als für individuelle Dienstleistungen. Bei gering standardisierten, kundenindividuellen Dienstleistungen sind verfahrensorientierte bzw. prozessorientierte Budgetierungsmethoden vorzuziehen.668 Um das Verhalten der Führungskräfte und Mitarbeiter in Dienstleistungsbereichen auf die
662Vgl.
Kandaouroff (1994), S. 774–783. Wildemann (1995), S. 273; Bruhn (1998), S. 272–276. 664Vgl. ausführlich sowie zu weiteren Instrumenten Becker/Rech (2014), S. 229–236. 665Zu Budgetierungstechniken s. Ossadnik/Barklage (2002), Sp. 243–247; Friedl (2007), Sp. 188–190. 666Vgl. Friedl (1998), S. 474–476; Küpper (1998), S. 391–392. 667Corsten/Gössinger (2007), S. 197. 668Vgl. Küpper (1998), S. 391–392; Ossadnik (2009), S. 231; Küpper et al. (2013), S. 438, 447. 663Vgl.
4.5 Elemente des Dienstleistungscontrollings
293
Budgetziele auszurichten und eine wahrheitsgemäße Berichterstattung zu gewährleisten, sind die Budgetvorgaben mit den Anreizsystemen zu verbinden.669 Um Ineffizienzen zu vermeiden, die durch inkrementelle Budgetierung und Budgetfortschreibung entstehen können, setzt das Dienstleistungscontrolling punktuell das Zero-Base Budgeting ein.670 Dabei dient das bisherige Budget eines Dienstleistungsbereiches nicht als Referenzwert für das neue Budget, sondern das Budget wird priorisiert nach der Wichtigkeit der Maßnahmen und Aktivitäten von Grund auf neu geplant.671 Einen ähnlichen Vorgabecharakter wie Budgets haben Preis- und Deckungsbeitragsvorgabesysteme für den Dienstleistungsvertrieb und Kostenmanagementverfahren wie das Target Costing für die Servicelieferung und das Service Engineering. Das Dienstleistungscontrolling informiert den Vertrieb über Preisuntergrenzen, Deckungsbudgets und Prozesskostensätze.672 Damit stellt es sicher, dass der Vertrieb die Preisspielräume kennt, die er ausschöpfen kann, ohne die geplante Rendite zu gefährden. Darüber hinaus verhindert das Dienstleistungscontrolling mit Preis- und Deckungsbeitragsvorgaben Preiserosionen und die kostenlose Dreingabe von Dienstleistungen. Umgekehrt unterrichten der Vertrieb und das Marketing das Dienstleistungscontrolling frühzeitig über die Zahlungsbereitschaft des Kunden und die vom Kunden erwarteten Preise, damit das Dienstleistungscontrolling bei neuen Dienstleistungen über die Vorgabe von Zielkosten (Target Cost) das kostenorientierte Verhalten im Service Engineering und der Dienstleistungsproduktion beeinflussen kann.673 Mit dem Target Costing ist es möglich, die späteren Lieferkosten bereits in frühen Entwicklungsphasen zu beeinflussen.674 Hierzu leitet das Dienstleistungscontrolling aus den
669Vgl. Pfaff (2002), Sp. 237–239; Friedl (2007), Sp. 190–191; Ewert/Wagenhofer (2014), S.400–403. 670Vgl. Pyhrr (1973). 671Vgl. Horváth/Gleich/Seiter (2015), S. 139–143. 672Vgl. Fischer (2002), S. 87. 673Vgl. Schweitzer/Küpper (2011), S. 737–738. 674Vgl. Seidenschwarz (2011) zum Target Costing allgemein sowie zur Übertragung auf Dienstleistungen Reckenfelderbäumer (2005); Paul/Reckenfelderbäumer (1995); Niemand (19996); Schweikart (1997), S. 215–255; Reckenfelderbäumer (1998a), S. 409–414; ders. (1998b), S. 409–416; Palloks-Kahlen/Kuczynski (2000), S. 140–142; Witt (2003), S. 94–98; Salman (2004), S. 249–272; Büttgen (2006), S. 382–389; Cassack (2006), S. 78–79, 111–122; Gleich/Geßner (2008), S. 166–170; Gille et al. (2009).
294
4 Entwurf der Konzeption des Dienstleistungscontrollings
erwarteten Marktpreisen retrograd Zielrenditen und -kosten ab und steuert deren Realisierung mit der Prozesskostenrechnung.675 Das Dienstleistungscontrolling plant, steuert und kontrolliert die Mitarbeiterperformance.676 Dazu misst es auf der Potenzialebene die Leistungsfähigkeit (Fach-, Methoden- und Sozialkompetenz) und -bereitschaft, auf der Prozessebene fachliche, technische und sozial-emotionale Tätigkeiten und auf der Ergebnisebene die Produktivität sowie die vom Kunden wahrgenommene Dienstleistungsqualität.677 Des Weiteren evaluiert das Dienstleistungscontrolling auf der Prozessebene kontinuierlich die Interaktionskompetenz des Kundenkontaktpersonals.678 Zur Operationalisierung dieser abstrakten Performancekonstrukte bieten sich verschiedene Methoden an. Schmitz und Bruhn empfehlen die Leistungsbereitschaft mittels des Organizational Citizenship Behavior (OCB) zu operationalisieren.679 Sozial-emotionale Tätigkeiten verkörpern Tätigkeiten, die mit sozialen und emotionalen Verhaltensweisen des Dienstleistungspersonals verbunden sind, wie z.B. Lächeln, Freundlichkeit, Interesse, zuvorkommendes Verhalten, Hilfsbereitschaft.680 In der Wahrnehmung des Kunden determinieren sie die Güte der Dienstleistungsqualität und die Beziehung zu dem Anbieter.681 Operationalisieren lassen sich sozial-emotionale Tätigkeiten mit den Merkmalen Häufigkeit, Aufmerksamkeit, Vielfältigkeit und zu überwindende Widersprüche in der Tätigkeitsausübung.682 Ebenfalls einen starken Einfluss auf das Qualitätsempfinden des Kunden und die Kundenbindung übt die Interaktionskompetenz des Personals aus. Interaktionskompetenz ist die Fähigkeit von Mitarbeitern „die Interaktion zwischen Kunde und Dienstleister situativ (!) zu gestalten, ein
675Vorschläge zur Verknüpfung von Target Costing und Prozesskostenrechnung finden sich bei Reckenfelderbäumer (1995); Niemand (1996); Reckenfelderbäumer (1998b); Fischer (2000);; Palloks-Kahlen/Kuczynski (2000); Paul/Reckenfelderbäumer (2001); Salman (2004); Büttgen (2006); Cassack (2006). 676Vgl. Abschnitt 4.5.5, Verhaltenssteuerung. 677Vgl. Schmitz (2006), S. 167. 678Vgl. Bruhn (2008), S. 408–409. 679Vgl. Schmitz (2006), S. 164; Bruhn (2008), S. 409. Zum OCB sei auf die Ausführungen zum theoretischen Bezugsrahmen des Dienstleistungscontrollings verwiesen. Vgl. Abschnitt 4.4.4.2. 680Vgl. Hochschild (2003), S. 7–12. 681Vgl. Hennig-Thurau et al. (2006). 682Vgl. Schmitz (2006), S. 165.
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effektives Erwartungsmanagement im Kundenkontakt betreiben zu können und somit auch unter schwierigen Rahmenbedingungen eine erfolgreiche Kundenintegration zu gewährleisten.“683 Zu den Interaktionskompetenzen gehören nach Bienzeisler/Löffler: Empathie als Gegenmittel zur Ablenkung von außen, Professionalität um der Ich-Befangenheit zu begegnen, Spontanität zur Vermeidung von Interaktionsbefangenheit und Authentizität zur Unterdrückung von Fremd-Befangenheit.684 Zur Produktivitätsmessung kann das Dienstleistungscontrolling bei Dienstleistungen mit eingeschränkter Quantifizierbarkeit des Outputs und hoher Interaktionsaktivität Verfahren wie das Partizipative Produktivitätsmanagement (PPM)685 oder die Data-Envelopment-Analyse (DEA)686 einsetzen.687 Mitarbeiterzufriedenheit, Fluktuation, Fehlzeiten, Mitarbeiterproduktivität, Qualifikationsstruktur, Interaktionskompetenz, Anzahl der Verbesserungsvorschläge, positive Kundenrückmeldungen zu Mitarbeitern im Kundenkontakt sind Beispiele für personenbezogene Kennzahlen, die das Dienstleistungscontrolling in den Ziel- und Kennzahlensystemen sowie im Berichtswesen abbildet.688 Das Dienstleistungscontrolling gestaltet ferner Anreizsysteme und verknüpft diese mit der Budgetierung, dem Target Costing und den personenbezogenen Kennzahlen, damit letztere eine verhaltensbeeinflussende Wirkung entfalten können.689 „Anreizsysteme dienen der Koordination und Verhaltenssteuerung in Unternehmen. Dabei werden Entscheidungsträgern Ziele oder Kennzahlen vorgegeben, an denen sie später beurteilt (Performancemessung) und häufig auch vergütet (pay for performance) werden. Diese Vorgehensweise soll sicherstellen, dass das Verhalten entscheidungsverantwortlicher Akteure auf das Unternehmensziel ausgerichtet wird. Koordination und Motivation erfolgen somit nicht direkt über eine Beschränkung der Handlungsspielräume, sondern unmittelbar über
683Bienzeisler/Löffler
(2006), S. 226. Bienzeisler/Löffler (2006), S. 223–225. 685Vgl. Krey/Nerdinger (2006). 686Vgl. Ahn/Blattner/Neumann (2014); Backhaus et al. (2014); Richter/Borsch (2017). Zu Fehlanreizen der DEA s. Ahn/Spang/Novoa (2014). 687Zur Produktivität als Gegenstand des Dienstleistungscontrollings s. Reckenfelderbäumer (2008); Reuter/Sautter/Göppert (2011). Zu Messmodellen zur Bestimmung der Produktivität von Dienstleistungen s. Dress et al. (2011); Weiß et al. (2014), S. 17–28. 688Vgl. Bohnert (2010), S. 54, 58–60; Egle/Keimer/Hafner (2014), S. 517–527. 689Vgl. zu Anreizsystemen für Dienstleistungen Hentze/Lindert (1998); Bruhn (2008), S. 322–325; Winkel/Pedell (2015). 684Vgl.
296
4 Entwurf der Konzeption des Dienstleistungscontrollings
Ziele, Kennzahlen oder Performancemaße.“690 Bei der Gestaltung des Anreizsystems legt das Dienstleistungscontrolling den Adressatenkreis, die Anreizart, die Bemessungsgrundlage, die Belohnungsfunktion und den Auszahlungsmodus fest.691 Bei Dienstleistungen vom Typ B ist insbesondere die Festlegung der Bemessungsgrundlage problematisch.692 Becker/Kunz empfehlen allgemein für solche Fälle nicht-finanzielle Werttreiber als Bemessungsgrundlage zu verwenden.693 Für die an der Dienstleistungserstellung und -verwertung beteiligten Mitarbeiter schlagen Wall/Mödritscher vor, nicht finanzielle Werttreiber des CLV, wie Kundenzufriedenheit, Qualitätskennzahlen, Reklamationsquote, als Bemessungsgrundlage zu verwenden.694 Performance Measurement In Abschnitt 4.5.5 wurden die Aufgaben des Dienstleistungscontrollings im Rahmen des Performance Measurement skizziert. Eine dieser Aufgaben besteht in der Auswahl des Performance Measurement Systems. Welche Performance Measurement Systeme für Dienstleistungen in Frage kommen, wird nun untersucht.695 Eines der bekanntesten Performance Measurement Systeme für Dienstleistungen ist das von Fitzgerald et al. entwickelte Determinants-ResultsFramework.696 Fitzgerald et al. entwickeln das Framework induktiv in Kollaboration mit britischen Unternehmen verschiedener Dienstleistungsbranchen. Bei der Entwicklung des Frameworks stellen sie fest, dass das Wettbewerbsumfeld, die gewählte Strategie und die Art der Dienstleistungserbringung (Professional Services, Service Shop, Mass Services) die Ausgestaltung des Performance Measurement Systems beeinflussen. Fitzgerald et al. unterscheiden zwischen einer Beeinflussungs- („Determinants“) und einer Ergebniskategorie („Results“), die sie wiederum in 6 Messdimensionen und 26 Messkennzahlen untergliedern. In der praktischen Anwendung werden die Kennzahlen der Ergebniskategorie weitgehend einheitlich verwendet, während die Kennzahlen
690Pfaff
(2007), Sp. 30 (im Original zum Teil hervorgehoben). Becker/Kunz (2008), S. 291–295; Fischer/Gülgel (2013), S. 129–130. 692Vgl. Becker/Rech (2014), S. 236. 693Vgl. Becker/Kunz (2008), S. 294–295. 694Vgl. Wall/Mödritscher (2012), S. 145. 695Vgl. ausführlich Becker/Rech (2014), S. 236–243. 696Vgl. Fitzgerald et al. (1991); s. auch Brignall/Ballantine (1995), S. 8–11; Gleich (2011), S. 70–72. 691Vgl.
4.5 Elemente des Dienstleistungscontrollings
297
der Beeinflussungskategorie variieren. Beanstanden lässt sich an dem DeterminantsResults-Framework die weitgehende Vernachlässigung der Ursache-Wirkungsbeziehungen zwischen den Kategorien und Dimensionen sowie die Überbetonung des Kontrolle, wodurch die Verbindung der Kennzahlen zur Strategie und den Zielen unterbelichtet bleibt.697 Konzeptionelle Arbeiten empfehlen die BSC eindringlich als Performance Measurement System für Dienstleistungsbereiche.698 Gemessen an der Häufigkeit der Nennungen in der Literatur, zählt die BSC zu den Standardinstrumenten des Dienstleistungscontrollings, wie die Prozesskostenrechnung und das Target Costing. Ihre hohe Durchdringung in konzeptionellen Arbeiten verdankt sie der Berücksichtigung von nicht-finanziellen Kennzahlen, wie sie insbesondere in den Kennzahlen der Kunden-, Mitarbeiter- und Prozessperspektive zum Ausdruck kommen. Gerade bei Dienstleistungen vom Typ B wird immer wieder gefordert, die Kennzahlensysteme vermehrt auf nicht-finanzielle Kennzahlen auszurichten.699 Die BSC schafft Bewusstsein für die Formulierung einer Dienstleistungsstrategie. Sie ermöglicht die Kontrolle der Strategieumsetzung, dient als Mittel zur Kommunikation der Strategie an Führungskräfte und Mitarbeiter und beeinflusst deren Verhalten durch die Verknüpfung mit den Motivations- und Anreizsystemen. Da die BSC auf der Wertschöpfungslogik der Wertkette aufbaut, ist die Einführung in Dienstleistungsbereichen mit Anpassungen verbunden.700 Neben der Auswahl des Performance Measurement Systems sind „die Identifikation und Abbildung der relevanten U rsache-Wirkungszusammenhänge und die Ableitung dazu passender Kennzahlen die zentralen Probleme im Dienstleistungscontrolling“701 im Rahmen des Performance Measurement. Eine Möglichkeit die Ursache-Wirkungszusammenhänge zu identifizieren besteht darin, Kausalmodelle zu verwenden. Populär ist diesbezüglich die Verbindung der SPC mit der BSC.702 In Abschnitt 4.4.4.2 wurde kritisiert, dass die
697Zur
Kritik vgl. Becker/Rech (2014), S. 241. z. B. Sanche (2002), S. 214–228; Borrmann (2003), S. 57–70; Gleich/Petschnig/ Schmidt (2010), S. 39–45; Wall/Mödritscher (2012), S. 140–142; Schuh/Gudergan/Trebels (2016), S. 227–230. 699Vgl. Friedl (1998), S. 471, 473, 479; Küpper (1998), S. 390; Schäffer/Weber (2002), S. 7–8; Bruhn (2008), S. 406–407; sowie Abschnitt 4.3.4. 700Vgl. Fließ/Lasshof/Matznick (2006); Woratschek/Roth/Schafmeister (2006). 701Woratschek/Roth/Schafmeister (2006), S. 269. 702Vgl. Kaplan/Norton (1996), S. 30–31, 256–258; Heskett/Sasser/Schlesinger (1997), S. 35–36; Sanche (2002), S. 214–228; Bruhn (2008), S. 409; sowie Abschnitt 4.4.4.2. 698Vgl.
298
4 Entwurf der Konzeption des Dienstleistungscontrollings
von der SPC unterstellten Ursache-Wirkungsbeziehungen in der Praxis nicht immer vorliegen, Unternehmen aus diesem Grund die Zusammenhänge situativ prüfen sollten. Weiterhin vernachlässigt die SPC Aspekte wie die Bedeutung von Dienstleistungsinnovationen oder die Einflussmöglichkeiten des externen Faktors auf die Leistungserstellung.703 Einen anderen Weg Ursache-Wirkungszusammenhänge abzubilden beschreitet Borrmann.704 Mit einer Zielbeziehungsmatrix beschreibt er für jede Kombination der Serviceziele die Zielbeziehung (komplementär, konkurrierend, indifferent). Mit einer Intensitätsmatrix erkundet er die gegenseitige Intensität der Ziele. Empirisch falsifiziert sind diese Annahmen jedoch nicht.705 Abgesehen von Kausalmodellen wie die SPC kann das Dienstleistungscontrolling Wert- und Kostentreibermodelle für das Performance Measurement nutzen. Derartige Modelle, die auch als treiberbasierte Planungs- und Simulationsmodelle bekannt sind, setzen Unternehmen im Zuge der Digitalisierung verstärkt für die wertschöpfungsorientierte Steuerung ein.706 Wert- und Kostentreibermodelle sind bei der Implementierung an das jeweilige dienstleistungsspezifische Geschäftsmodell anzupassen.707 Mit Service Analytics als Anwendungsfall von Business Analytics steht dem Dienstleistungscontrolling darüber hinaus das Instrumentarium zur Verfügung, um große Datenbestände in Dienstleistungsbereichen analysieren, auswerten und visualisieren zu können.708 Nicht nur die Digitalisierung verändert die Aufgaben und Instrumente des Dienstleistungscontrollings in Bezug auf das Performance Measurement. Die Perspektive der SDL709 fordert dazu auf, eine erweiterte Perspektive auf das Performance Measurement von Servicesystemen einzunehmen. Zusätzlich zur Performance einer individuellen Dienstleistungsorganisation, ist die Performance des gesamten Dienstleistungsnetzwerkes und die vom Kunden empfundene Per-
703Vgl.
Becker/Rech (2014), S. 242. Borrmann (2003), S. 66–70. 705Vgl. Becker/Rech (2014), S. 243. 706Vgl. Isbruch et al. (2016); Weber/Schäffer (2016), S. 260–267; Nobach (2019), S. 255– 260. 707Vgl. Becker/Nolte (2019), S. 80–82. 708Vgl. Seiter/Rosentritt/Stoffel (2016). 709Vgl. Abschnitt 4.4.5. 704Vgl.
4.5 Elemente des Dienstleistungscontrollings
299
formance in den Messansatz aufzunehmen. Die Integration von Informationssystemen sowie von Messdaten aus verschiedenen Quellen und IT-Systemen bleibt dabei eine der zentralen Herausforderungen.710 Strategische Steuerung Im Rahmen der strategischen Steuerung implementiert, betreut und pflegt das Dienstleistungscontrolling die wertorientierte Unternehmenssteuerung, das wertund risikoorientierte Portfoliomanagement und strukturiert den Entwicklungsprozess mit Verfahren des Service Engineerings und dem prozessbegleitenden Kostenmanagement.711 Welche Instrumente das Dienstleistungscontrolling dabei einsetzt, wird jetzt analysiert.712 Speziell auf Dienstleistungen angepasste wertorientierte Steuerungskonzepte sind selten. Die von Pellens/Crasselt/Tomaszewski und Lister vorgestellten Konzepte für Dienstleistungsbereiche unterscheiden sich allenfalls marginal von der wertorientierten Unternehmenssteuerung in Industriebetrieben.713 Eine Ausnahme stellt das Konzept von Wall/Mödritscher dar.714 Sie empfehlen für die mehrperiodige Steuerung den CLV und für die einperiodige Steuerung den Residualgewinn. Beide Rechengrößen sind durch die Barwertkompatibilität des Preinreich-Lücke-Theorems verbunden.715 Als Bemessungsgrundlage der Entlohnungssysteme schlagen Wall/Mödritscher den einperiodigen Residualgewinn vor. Wo dies nicht möglich ist, sollten Werttreiber des CLV oder des Residualgewinnes als Bemessungsgrundlage dienen. Erwähnenswert ist die – von Wall/ Mödritscher übersehene – Möglichkeit, das Konzept des CLV mit dem Konzept des CPV zu verheiraten und dadurch ein integriertes, wertorientiertes Steuerungskonzept aus Anbieter- und Nachfragersicht zu erhalten.716 Beanstanden lässt sich an dem Konzept von Wall/Mödritscher u.a. die kundenindividuelle Zurechnung von Gemeinkosten und die Ermittlung der kalkulatorischen Zinsen der Kundenbeziehung.717
710Vgl.
Laihonen/Jääskeläinen/Pekkola (2014), S. 83–84. 4.5.5, strategische Steuerung. 712Vgl. ausführlich Becker/Rech (2014), S. 243–249. 713Vgl. Pellens/Crasselt/Tomaszewski (1998); Lister (2006). 714Vgl. Wall/Mödritscher (2012). 715Vgl. Preinreich (1937); Lücke (1955). 716Vgl. Becker/Rech (2014), S. 133, sowie Abschnitt 4.5.2. 717Vgl. Becker/Rech (2014), S. 133. 711Vgl. Abschnitt
300
4 Entwurf der Konzeption des Dienstleistungscontrollings
Wall/Mödritscher ziehen auch den kundenbezogenen Residualgewinn im RAVETM-Konzept von Strack/Villis in Betracht. Im RAVETM-Konzept sind die jeweiligen Kennzahlen der drei Dimensionen kapital-, kunden- und personengetriebenes Geschäft rechnerisch verknüpft. Alle drei Dimensionen laufen auf die Spitzenkennzahl Cash Value Added (CVA) zu.718 Hieran bemängeln Wall/ Mödritscher allerdings, dass lediglich der Residualgewinn einer durchschnittlichen Kundenbeziehung ermittelt wird, was den Einsatzzweck des Konzeptes für die Steuerung einer individuellen Kundenbeziehung schmälere.719 Das Portfoliomanagement verfolgt das Ziel, unterschiedliche C hance-/RisikoPositionen innerhalb und zwischen strategischen Geschäftsfeldern, Kunden-, Produkt- und Technologieportfolios auszugleichen und dadurch langfristig den Unternehmensfortbestand zu sichern.720 Von den bekanntesten Portfolioansätzen721 wird für die Portfolioanalyse von Dienstleistungen insbesondere das Wettbewerbsvorteils-Marktattraktivitäts-Portfolio empfohlen.722 Einen wert- und risikoorientierten Portfolioansatz für Dienstleistungen präsentieren zudem Wall/ Mödritscher.723 Sie verwenden drei Portfolios. Darin stellen sie dem Residualgewinn einer Kundenlösung abwechselnd das Kundenreferenz-, Innovationsund Risikopotenzial gegenüber. Ersteres gibt die Eigenschaft der Kundenlösung an, für Kundenbeziehungen als Referenz zu dienen. Das Innovationspotenzial bewertet die Eigenschaft der Kundenlösung neues Wissen aufzubauen, das in Kundenbeziehungen genutzt werden kann. Das Risikopotenzial schätzt das Risiko der Kundenlösung ein. Durch den Residualgewinn gelingt es Wall/ Mödritischer einerseits eine wertorientierte Komponente in die Portfoliosteuerung einzuführen und anderseits – durch die Bewertung der Potenziale – die Interdependenzen zwischen der Kundenlösung und den Kundenbeziehungen
718Vgl.
Strack/Villis (2001). Wall/Mödritscher (2012), S. 135. 720Vgl. Wendt (2012), S. 103. 721Vgl. Welge/Al-Laham (2012), S. 461–508; Wendt (2012), S. 104–129. 722Vgl. Möller/Schwab (2008), S. 35–36; Meffert/Bruhn/Hadwich (2015), S. 143–147. 723Vgl. Wall/Mödritscher (2012), S. 140–141. 719Vgl.
4.5 Elemente des Dienstleistungscontrollings
301
transparent zu machen.724 Für die strategische Analyse kann das Dienstleistungscontrolling ansonsten die Stärken-Schwächen- und Chancen-Risiken-Analyse (SWOT-Analyse)725 und die Wettbewerberanalyse726 einsetzen. Für die erfolgsoptimale Gestaltung der Dienstleistungsentwicklung nutzt das Dienstleistungscontrolling die Verfahren des Service Engineering.727 In Kombination mit Instrumenten wie dem Target Costing und der entwicklungsbegleitenden Kalkulation greift das Dienstleistungscontrolling möglichst früh in den Dienstleistungsentwicklungsprozess ein, um die späteren Lieferkosten zielkostenorientiert zu beeinflussen. Eine detaillierte Darstellung der Instrumente des Dienstleistungscontrollings in den Entwicklungsphasen der Anforderungsanalyse und -spezifizierung, Produktkonzeption und des Komponentenentwurfs findet man in den Beiträgen von Steven und Wasmuth.728 Die Fragestellung, wie die Kosten- und Erlösplanung prototypengestützt in das Konzept des Service Engineering integriert werden kann, beantworten Möller/Cassack.729 Mit den Instrumenten der strategischen Steuerung gelangt die Darstellung der Instrumente des Dienstleistungscontrollings am Ende an. Die Abbildung 4.28 fasst noch einmal die genannten Instrumente geordnet nach den sieben Aufgabenbereichen zusammen. Für eine detaillierte Instrumentenanalyse und kritische Diskussion sei wiederum auf die Ausführungen bei Becker/Rech verwiesen.730 Mit welchen Prozessen das Dienstleistungscontrolling die Wertschöpfung in Dienstleistungsbereichen in Gang hält, ist Gegenstand des nächsten Abschnitts.
724Vgl.
Becker/Rech (2014), S. 248. Meffert/Bruhn/Hadwich (2015), S. 133–135. 726Vgl. Burr (2017), S. 269–273. 727Vgl. Möller/Schwab (2008), S. 34. 728Vgl. Steven/Wasmuth (2008); dies. (2009); Wasmuth (2009); Steven/Keine genannte Schulte/Alevifard (2012); Wasmuth/Hoffjan (2013); Steven/Grandjean (2017). 729Vgl. Cassack (2006), S. 137–140; Möller/Cassack (2008). 730Vgl. Becker/Rech (2014), S. 212–249. 725Vgl.
Prozesswertanalyse
ProzessBenchmarking
Verfahrensanalyse
Service Level Agreements
Service Blueprinting
Aktivitätsgradrechnung
ReaktionszeitenAnalyse
Prozesskennzahlen
TCO-Analyse
Kosten-NutzenAnalyse
Conjoint Measurement
ABC-Analyse
Deckungsbeitragsrechnung
Grenzplankostenrechnung
Einzelkostenrechnung
Preiskalkulation
Analyse der Kundenzufriedenheit und -bindung
Share-of-WalletAnalyse
Weiterempfehlungsrate (Net Promoter Score)
Outputhilfskriterien
Ergebnissteuerung
Anreizsysteme
Qualitätskennzahlensysteme Qualitätsberichte
Mitarbeiterzufriedenheitsanalyse
Kennzahlen zur Interaktionskompetenz
Data Envelopment Analyse (DEA)
Produktivitätsanalyse
Target Costing
Ursache-WirkungsAnalysen
Performance of Service Systems
Service Analytics
Service Engineering mit Kosten- und Erlösplanung
Entwicklungsbegleitende Kalkulation
Stärken-Schwächenund ChancenRisiken-Analyse
Wettbewerberanalyse Wert- und Kostentreibermodelle
Portfolioanalyse Intensitätsmatrix
Kundenbezogener Residualgewinn
RAVETM-Konzept
Customer Perceived Value (CPV)
Customer Lifetime Value (CLV)
Strategische Steuerung
Zielbeziehungsmatrix
Kausalmodelle (z.B. Service Profit Chain)
Balanced Scorecard
Preis- und Deckungsbeitragsvorgabesysteme
Determinant-ResultsFramework
Performance Measurements
Zero-Base Budgeting
Prozessorientierte Budgetierung
Verhaltenssteuerung
Qualitätskostenrechnung
Six Sigma
EFQM-Modell
GAP-Modell
SERVPERF
SERVQUAL
Beschwerdemanagement
Mystery Shopping
Unternehmensorientierte Messvefahren
Kundenorientierte Messverfahren
Qualitätssteuerung
Abbildung 4.28 Instrumente des Dienstleistungscontrollings. (Quelle: In Anlehnung an Becker/Rech (2013), S. 520; dies. (2014), S. 215; in Teilen modifiziert)
Kapazitätskennzahlen
Break-Even-Analyse
Kapazitätsauslastungskontrolle
Leer- und Nutzkostenanalyse
Revenue Management (Yield Management)
Warteschlangen
Überbuchungssysteme
Reservierungssysteme
Personalentwicklungsplanung
Personalbedarfsplanung
Time-driven Activitybased Costing
Prozesskostenrechnung
Prognosemethoden
Nachfragemuster
Prozesssteuerung
Potenzialsteuerung
Instrumente des Dienstleistungscontrollings
302 4 Entwurf der Konzeption des Dienstleistungscontrollings
4.5 Elemente des Dienstleistungscontrollings
303
4.5.8 Prozesse Nach funktionalen, institutionalen und instrumentalen Aspekten werden nun die prozessualen Aspekte des Dienstleistungscontrollings aufgegriffen. Im Gegensatz zu den statischen Elementen der Controllingstruktur, wie Ziele, Funktionen, Objekte, Aufgaben, Aufgabenträger und Instrumente, verkörpern Controlling-Prozesse ein dynamisches Element der Controllingkonzeption.731 Controlling-Prozesse sind zeitliche und logische Abfolgen von Aktivitäten zur Herstellung einer definierten Controllingleistung, wie z.B. Budgetierung, Forecast, Management Reporting.732 Sie vollziehen sich innerhalb einer bestehenden Controlling-Struktur. Controlling-Prozesse sind also wie alle Prozesse, „eine auf die Erbringung eines Output gerichtete Kette von Aktivitäten […], die durch Input- und Outputbeziehungen charakterisiert werden“.733 Dabei sind die Aktivitäten hinsichtlich Art, Objekt, Träger, Mittel, Ort, Zeit und Rhythmus determiniert.734 Für die Beurteilung der Vorteilhaftigkeit alternativer Controlling-Prozesse sind deren Prozesszeiten, -kosten und -qualitäten zu bestimmen.735 Dienstleistungen sind durch eine Prozessorientierung charakterisiert, die auf die Integration und Transformation des externen Faktors zurückzuführen ist.736 Für das Dienstleistungscontrolling bedeutet die Orientierung auf den Objektbereich der Dienstleistung, sich selbst prozessorientiert zu organisieren und zwar entlang der Potenzial-, Prozess- und Ergebnisdimension der Dienstleistung.737 Ein solcher Ansatz findet sich bei Botta, der zwischen Potenzial-, Prozess- und Performancecontrolling unterscheidet.738 Das Potenzialcontrolling plant bereichsübergreifend den Bedarf und die Verfügbarkeit aller Potenziale, koordiniert ihre Nutzung, informiert über Engpässe und Leerstände, entwickelt
731Vgl.
Becker/Baltzer/Ulrich (2014), S. 94–98; Becker/Rech (2014), S. 64–65. Becker/Lutz (2007), S. 186. 733Diedrich/Dierkes (2007), Sp. 1500. 734Vgl. Becker (2017), S. 143. 735Vgl. Diedrich/Dierkes (2007), Sp. 1500. 736Vgl. Becker/Rech (2014), S. 249. 737Vgl. Horváth/Gleich/Seiter (2015), S. 398–399, allgemein zur Prozessorientierung im Controlling. 738Vgl. Botta (2004), S. 804–805; s. auch Becker/Rech (2014), S. 83–85, sowie zur Kritik Becker/Rech (2014), S. 121–122. 732Vgl.
304
4 Entwurf der Konzeption des Dienstleistungscontrollings
Anpassungsmaßnahmen, initiiert und überwacht die Umsetzung.739 Das Prozesscontrolling „betrifft alle Maßnahmen des Vollzugs der zur Leistungserstellung erforderlichen materiellen und immateriellen Tätigkeiten als auch das definierte, zu erreichende Ergebnis.“740 Das Performancecontrolling betrifft die Steuerung und Überwachung aller Maßnahmen zur Realisierung der finanziellen Zielvariablen und der definierten Nebenbedingungen.741 Geschäftsprozess Controlling Controlling-Hauptprozesse Strategische Planung Operative Planung und Budgetierung Forecast Kosten-, Erlös- und Ergebnisrechnung
Management Reporting
Planung
Entscheidung
Kontrolle
Project- und Investitionscontrolling
Risikomanagement Betriebswirtschaftliche Beratung und Führungsunterstützung Weiterentwicklung der Organisation, Prozesse Instrumente und Systeme
Abbildung 4.29 Das Controlling-Prozessmodell der International Group of Controlling. (Quelle: Leicht modifiziert entnommen aus Becker (2017), S. 144, i.V.m. IGC (2011), S. 21. Der Hauptprozess „Funktions-Controlling (Beteiligungs-, F&E-, Produktions-, Vertriebs-Controlling, etc.“ wurde in der Abbildung entfernt, da es sich nach dem hier vertretenen Verständnis dabei um funktionale Objektbereiche des Controllings handelt, nicht aber um einen Hauptprozess)
Für eine Prozessorientierung des Dienstleistungscontrollings reicht es nicht aus, die Aufgaben, Aufgabenträger und Instrumente isoliert auf die Potenzial-, Prozess- und Ergebnisebene auszurichten. Sinnvollerweise wird das Dienstleistungscontrolling „selbst nach Prozessen strukturiert. ‚Kunden‘ und
739Vgl.
Botta (2004), S. 808–809. (2004), S. 804. 741Vgl. Botta (2004), S. 805. 740Botta
4.5 Elemente des Dienstleistungscontrollings
305
‚Produkte‘ werden Schlüsselbegriffe des Controllings.“742 Es kommt also auf das Zusammenspiel der Aufgaben, Aufgabenträger und Instrumente in sachlicher und zeitlicher Hinsicht an.743 Bei der Beschreibung und der Gestaltung der Prozesse des Dienstleistungscontrollings kann sich das Dienstleistungscontrolling am Controlling-Prozessmodell der International Group of Controlling (IGC) orientieren (vgl. Abbildung 4.29).744 Der Vorteil des C ontrolling-Prozessmodells liegt darin, dass es als Orientierungsrahmen für die Einführung neuer oder die Verbesserung bestehender Controlling-Prozesse in der Praxis genutzt werden kann, wobei stets zu prüfen ist, ob es unternehmensspezifisch angepasst werden muss.745 Des Weiteren fördert das Prozessmodell das Denken in Zusammenhängen, Ergebnissen und Kundenbeziehungen. Zur Erläuterungen der Controlling-Hauptprozesse wird auf das Dokument des IGC verwiesen.746
4.5.9 Erfolg Anders als die zuvor behandelten Elemente ist der Erfolg kein Gestaltungselement, sondern ein Element zur Messung der Effektivität und Effizienz des Dienstleistungscontrollings.747 Beim Erfolgsbegriff handelt es sich um ein theoretisches Konstrukt, das der Operationalisierung bedarf, damit es in der Realität gemessen werden kann. Zur Operationalisierung des ControllingErfolgs existieren verschiedene Ansätze.748 Eine Möglichkeit besteht darin, auf der Makroebene im Sinne des situativen Ansatzes einen kausalen Zusammenhang zwischen Controlling und Unternehmenserfolg zu unterstellen. Der Versuch scheitert in der Regel daran, dass der Unternehmenserfolg mannigfaltigen Einflussfaktoren unterliegt, aus denen sich die Leistung des Controllings nicht isolieren lässt. Darüber hinaus trägt das Controlling nicht direkt zum Unternehmenserfolg bei, sondern indirekt über die Einflussnahme auf Entscheidungen
742Horváth/Gleich/Seiter
(2015), S. 401. Becker/Rech (2014), S. 250. 744Vgl. IGC (2011). 745Vgl. Becker/Rech (2014), S. 96–97. 746Vgl. IGC (2011), S. 23–49. 747Vgl. Becker/Baltzer/Ulrich (2014), S. 210. 748Vgl. Becker/Baltzer/Ulrich (2014), S. 212–213. 743Vgl.
306
4 Entwurf der Konzeption des Dienstleistungscontrollings
des Managements.749 Eine zweite Alternative den Erfolg des Controllings zu operationalisieren liegt darin, Effizienzindikatoren auf der Mikroebene der Elemente des Controllings zu definieren. Mit solchen Indikatoren lassen sich Erfolge von Controllingaufgaben, -instrumenten, -prozessen oder -aufgabenträgern messen, aber kein direkter Bezug zum Unternehmenserfolg herstellen.750 Sill hat ein Konzept vorgelegt, das den Erfolg von Controllingbereichen operationalisiert. Es lässt sich ohne größere Änderungen auf das Dienstleistungscontrolling übertragen. Sill konzeptualisiert den Erfolg des Controllerbereiches mit vier Dimensionen: Anpassungsfähigkeit („adaptivness“), Effektivität („effectiveness“), Effizienz („efficiency“) und Entscheidungsqualität („decision quality“). Aus den vier Dimensionen leitet er fünf Erfolgsindikatoren ab:751 • Anpassungsfähigkeit des Controllerbereiches an Veränderungen in der Umwelt und in der Ressourcensituation des Unternehmens. • Dienstleistungsqualität und Kundenzufriedenheit als Determinanten des internen kundenbezogenen Erfolgs. • Nachfrage des Managements nach den Leistungen des Controllerbereichs als Indikator für den internen marktbezogenen Erfolg des Controllerbereichs. • Effizienter Umgang mit den zur Verfügung gestellten Ressourcen als Maßstab für den wirtschaftlichen Erfolg des Controllerbereichs. • Verwendung von Controllerbereichsleistungen zur Entscheidungsfindung.
4.6 Resümee und Limitationen der Konzeptualisierung In Teil 4 wurde der zweiten Forschungsfrage der Arbeit nachgegangen: Wie muss eine dienstleistungsspezifische Controllingkonzeption gestaltet sein, die sich von Branchen- und Funktionsbezügen löst und auf gemeinsamen konzeptionellen und theoretischen Grundlagen fußt?752 Um die Forschungsfrage zu beantworten, wurde zunächst der Begriff der Controllingkonzeption geklärt und die generischen Elemente einer Controllingkonzeption beschrieben. Ausgehend von den bisherigen konzeptionellen Ansätzen wurde der konzeptionelle
749Vgl.
Küpper et al. (2013), S. 707–708. Becker/Benz (1997), S. 660–666; Becker/Baltzer/Ulrich (2014), S. 212–213. 751Vgl. Sill (2008), S. 79–91. 752Vgl. Abschnitt 1.2.2. 750Vgl.
4.6 Resümee und Limitationen der Konzeptualisierung
307
Bezugsrahmen für das Dienstleistungscontrolling entworfen. Daran schloss sich das Design des theoretischen Bezugsrahmens des Dienstleistungscontrollings an. Auf der Grundlage der konzeptionellen und theoretischen Bezugsrahmen und der wertschöpfungsorientierten Controllingkonzeption wurden im letzten Schritt die generischen Elemente einer Controllingkonzeption dienstleistungsspezifisch angepasst. Die Literaturanalyse zu bisherigen konzeptionellen Ansätzen ergab, dass diese weit überwiegend allgemeine Controllingkonzeptionen auf Dienstleistungsmerkmale, Dienstleistungsprozesse oder mehrdimensionale Dienstleistungsräume anwenden und dadurch Anforderungen und Implikationen für das Controlling ableiten. Bei der Entwicklung des eigenen konzeptionellen Bezugsrahmens wurde ebenfalls so vorgegangen. Der eigene konzeptionelle Bezugsrahmen integriert die bisherigen konzeptionellen Ansätze des Dienstleistungscontrollings. Explizit berücksichtigt er die Individualisierung bzw. Standardisierung der Dienstleistung als Kontextfaktor für die Gestaltung des Dienstleistungscontrollings, die Abstimmung von interdependenten Entscheidungen und Handlungen des Anbieters und Nachfragers innerhalb der integrativen Wertschöpfung und die Informationsversorgung beider Parteien mit entscheidungsrelevanten Informationen. Des Weiteren weitet er die Verhaltenssteuerungsfunktion des Dienstleistungscontrollings vom Dienstleister auf den Kunden aus. Bei der Gestaltung der Elemente des Dienstleistungscontrollings wurde auf die Einhaltung des Kontingenzpostulates von Funktionen, Aufgaben und Instrumenten geachtet. Anders als bisherige konzeptionelle Ansätze geht der eigene Bezugsrahmen von einem transformationsorientierten Begriffsverständnis der Dienstleistung aus. Der theoretische Bezugsrahmen des Dienstleistungscontrollings wurde unter der Maßgabe entwickelt, das Dienstleistungscontrolling zum einen auf Theorien der wertschöpfungsorientierten Controllingkonzeption zu fundieren und zum anderen weitere Theorien einzubeziehen, die Sach- und Verhaltensaspekte bei Dienstleistungen ausgewogen erfassen. Sachaspekte wurden mittels der Systemtheorie, der Entscheidungstheorie, dem Situativen Ansatz und der Produktionsund Kostentheorie in die theoretische Basis des Dienstleistungscontrollings integriert, Verhaltensaspekte mittels der Neuen Institutionenökonomik (Theorie der Verfügungsrechte, Transaktionskostentheorie, Prinzipal-Agenten-Theorie) und verhaltenswissenschaftlichen Ansätzen, wie der Service Profit Chain, dem Organizational Citizenship Behavior und dem Service Leadership Behavior. Das übergreifende Leitmotiv des theoretischen Bezugsrahmens ist die SDL. Sie lenkt den Fokus des Controllings auf die integrative Wertschöpfung, d.h. auf Anbieter und Nachfrager, die nutzbringend Services austauschen, um gemeinsam Wert zu schaffen.
308
4 Entwurf der Konzeption des Dienstleistungscontrollings
Basierend auf den konzeptionellen und theoretischen Vorarbeiten wurden die generischen Elemente des Controllings dienstleistungsspezifisch ausgeprägt. Bei der Philosophie wurde ermittelt, dass nicht nur der Dienstleistungsbereich eine Dienstleistungsphilosophie benötigt, sondern auch das Dienstleistungscontrolling ein dazu passendes dienstleistungsorientiertes Controllingleitbild. Bei den Zielen wurde die Empfehlung ausgesprochen, die Dominanz von Wert- und Produkt-/Marktzielen aufzubrechen, indem Prozess- und Potenzialziele ausgewogen gewichtet werden – gerade bei Dienstleistungen vom Typ B. Vorgeschlagen wurde ferner die integrative Wertschöpfung im Sinne der SDL stärker am Kundennutzen („Value in Use“) zu orientieren. Operationalisiert wurde dieser Gedanke mit einem integrativen Ansatz aus CLV und CPV. Bei den Funktionen wurde unterstellt, dass die Funktionen des Controllings analog für das Dienstleistungscontrolling gelten. Um die steuerungsrelevanten Sachverhalte im Objektfeld zu verstehen, wurde eine multidimensionale Sichtweise bestehend aus einer produktionswirtschaftlichen, austauschbezogenen, organisatorischen und entwicklungsbezogenen Perspektive auf die Dienstleistung eingenommen. Die Aufgaben des Dienstleistungscontrollings wurden entlang von sieben Aufgabenfeldern beschrieben: Potenzial-, Prozess-, Ergebnis, Qualitäts-, Verhaltens-, strategische Steuerung und Performance Measurement. Als Aufgabenträger wurden Dienstleistungsmanager, -controller und Kundenkontaktpersonal identifiziert. Analog zu den Aufgaben wurden die Instrumente des Dienstleistungscontrollings gemäß den sieben Aufgabenfelder strukturiert. In Summe ergab sich eine konsistente Ableitung der Aufgaben und Instrumente des Dienstleistungscontrollings aus den Funktionen des Controllings durch die Anwendung auf den Objektbereich der Dienstleistung. Die Prozesse des Dienstleistungscontrollings orientierten sich an dem ICG-Prozessmodell. Der Erfolg des Dienstleistungscontrollings lässt sich an der Anpassungsfähigkeit, Effektivität, Effizienz und Entscheidungsqualität ablesen. Eingangs der Arbeit wurde herausgestellt, dass ein rein deduktives Vorgehens bei der Entwicklung einer Controllingkonzeption die Gefahr birgt, dass sich Theorie und Praxis zu weit voneinander entfernen.753 Diese Limitation trifft für die Konzeptualisierung des Dienstleistungscontrollings ebenfalls zu. Bislang sind die Aussagen zu den Elementen des Dienstleistungscontrollings auf der Grundlage der wertschöpfungsorientierten Controllingkonzeption und auf Basis
753Vgl. Abschnitt
1.2.3 sowie Küpper et al. (2013), S. 11.
4.6 Resümee und Limitationen der Konzeptualisierung
309
von konzeptionellen und theoretischen Bezugsrahmen deduziert worden. Um den Anwendungsbezug der Konzeption herzustellen, wird im nächsten Teil die Umsetzung der Konzeption in der Unternehmenspraxis empirisch untersucht. Mit diesem Schritt wird weiterhin der Forschung im Gegenstrom gefolgt.754 Zusatzmaterial 1 (DOCX 22 kb)
754Vgl. Abschnitt
1.2.3.
5
Analyse des Umsetzungsstandes der Konzeption in der Praxis
Teil 5 befasst sich mit der dritten Forschungsfrage: Wie hat sich das Dienstleistungscontrolling in der Unternehmenspraxis entwickelt und welche Empfehlungen leiten sich aus der Konzeption für die Gestaltung des Dienstleistungscontrollings in der Praxis ab?1 Beantwortet wird die Frage mittels einer empirischen Studie. Eine empirische Studie ist gekennzeichnet durch die Erhebung, Aufbereitung, Analyse und Interpretation von Daten über einen Forschungsgegenstand.2 In Teil 5 werden Daten zum Dienstleistungscontrolling erhoben, aufbereitet, ausgewertet und interpretiert. Der Ablauf der empirischen Studie ist in der sozial- und wirtschaftswissenschaftlichen Forschung sowie der Marktforschung weitgehend identisch.3 So unterteilt Diekmann den Ablauf der empirischen Sozialforschung in fünf Hauptphasen (vgl. Abbildung 5.1).4 Die empirische Studie orientiert sich an 1Vgl. Abschnitt 1.2.2. 2Vgl.
Döring/Bortz (2016), S. 186–191, unterscheiden nach dem Forschungsgegenstand zwischen Theoriestudien (Gegenstand ist die Literatur), Methodenstudien (Gegenstand sind Forschungsmethoden) und empirischen Studien (Gegenstand sind Datenerhebungen und Datenanalysen). 3Vgl. empirische Sozialforschung: Atteslander (2008), S. 45–48; Schnell/Hill/Esser (2008), S. 7–15; Kromrey (2009), S. 70–73; Döring/Bortz (2016), S. 22–28; wirtschaftswissenschaftliche Forschung: Erichson (2007), Sp. 537; Schwaiger (2007), Sp. 341–344; Marktforschung: Böhler (2007), Sp. 1153; Homburg (2017), S. 253. 4Vgl. Diekmann (2008), S. 186–200. Elektronisches Zusatzmaterial Die elektronische Version dieses Kapitels enthält Zusatzmaterial, das berechtigten Benutzern zur Verfügung steht. https://doi.org/10.1007/978-3-658-31326-5_5 © Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 S. Rech, Dienstleistungscontrolling, Unternehmensführung & Controlling, https://doi.org/10.1007/978-3-658-31326-5_5
311
312
5 Analyse des Umsetzungsstandes der Konzeption in der Praxis
diesen Phasen: In Abschnitt 5.1 werden die Forschungsziele präzisiert. Eine Abgrenzung zu bisherigen empirischen Studien wird in Abschnitt 5.2 vorgenommen. In Abschnitt 5.3 wird das zur dritten Forschungsfrage passende Untersuchungsdesign gewählt. Es beschreibt die drei Phasen Planung und Vorbereitung der Erhebung, die Datenerhebung und die Datenauswertung. Im Anschluss daran werden in Abschnitt 5.4 die Ergebnisse der Untersuchung dargestellt. Empfehlungen zur Gestaltung des Dienstleistungscontrollings in der Praxis und zur praxisorientierten Weiterentwicklung der Konzeption behandelt Abschnitt 5.5. Abschnitt 5.6 fasst die Ergebnisse zusammen und erläutert die Limitationen der Studie. Formulierung und Präzisierung des Forschungsproblems
Planung und Vorbereitung der Erhebung
Datenerhebung
Datenauswertung
Berichterstattung
Abbildung 5.1 Phasen des empirischen Forschungsprozesses. (Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Diekmann (2008), S. 192–193)
5.1 Forschungsziele Die empirische Studie analysiert vier spezifische Fragen: • Welchen Umsetzungsstand haben die Elemente des Dienstleistungscontrollings in der Praxis erreicht? • Welche Faktoren beeinflussen die Struktur des Dienstleistungscontrollings? • Welche Empfehlungen zur Gestaltung des Dienstleistungscontrollings lassen sich der Unternehmenspraxis geben? • Auf welche Gebiete sollten sich konzeptionelle Beiträge zukünftig konzentrieren, um die Umsetzung des Dienstleistungscontrollings weiter zu unterstützen? Mit der ersten Frage wird sichergestellt, dass sich die Elemente der Konzeption des Dienstleistungscontrollings, wie Funktionen, Aufgaben und Instrumente, im Kernbereich dessen bewegen, was die Praxis unter Dienstleistungscontrolling versteht.5 Die zweite Frage untersucht Einflussfaktoren der Gestaltung des
5Vgl.
Küpper et al. (2013), S. 15.
5.1 Forschungsziele
313
ienstleistungscontrollings. Von der Vielzahl möglicher Einflussfaktoren6 werden D die Branche und die Unternehmensgröße analysiert. Den Einfluss der Unternehmensgröße auf die Struktur des Controllings belegen diverse empirische Studien.7 Für gewöhnlich steigt der Anteil von Unternehmen mit eigenen Controllerstellen mit der Betriebsgröße. In Bezug auf das Dienstleistungscontrolling liegen keine eindeutigen empirischen Befunde vor. Soweit bekannt, hat bislang nur Sanche den Einfluss der Unternehmensgröße auf die Organisation des Servicecontrollings untersucht. Sanche empfiehlt kleineren Unternehmen keine gesonderten Stellen für das Servicecontrolling einzurichten, sondern die Verantwortung für die Controllingaufgaben direkt beim Servicemanagement zu belassen. Größeren Unternehmen rät sie wegen den bereichsspezifischen Fachkenntnissen und der Nähe zum Management eigene Service-Controllerstellen aufzubauen.8 Neben der Unternehmensgröße ist die Branche ein bedeutsamer Gestaltungsparameter des Controllings.9 Hinweise dafür, dass die Branche die Struktur des Dienstleistungscontrollings beeinflusst, liefert die empirische Studie von Impuls Management Consulting. Die Umfrage stellt statistisch signifikante Unterschiede bei S ervicecontrolling-Systemen der Branchen Maschinen- und Anlagenbau (MA), Elektronik-/Elektroindustrie (EE) sowie Informationstechnologie und Telekommunikation (ITK) fest.10 Braun/Vlahovic/Schöler sind der Überzeugung, dass produzierende Unternehmen auf ein ähnlich ausgebautes Servicemanagement angewiesen sind, wie Dienstleistungsunternehmen.11 In ihrer Studie stellen sie fest, dass der Reifegrad des Servicemanagements produzierender
6Kontextfaktoren der Gestaltung des Controllings sind u. a.: Unternehmensgröße, Umwelteinflüsse, Organisationsstruktur, Branche, Fertigungstechnologie, Konzernabhängigkeit, Führungsstil, Einstellungen und Erwartungen des Managements. Vgl. Welge (1988), S. 61–69, m.w.N. 7Vgl. Welge (1988), S. 66, m.w.N.; Amshoff (1993), S. 372–375, 405–437; Niedermayr (1994), S. 262–272; Becker/Staffel/Ulrich (2008b); Becker/Ulrich/Zimmermann (2012); Becker/Ulrich/Botzkowski (2015); Schäffer/Weber (2015), S. 114. 8Vgl. Sanche (2002), S. 126. 9Vgl. Amshoff (1993), S. 391–393, 405–437; Niedermayr (1994), S. 149–151, 277–282; Schäffer/Weber (2015), S. 174. 10Vgl. Impuls Management Consulting (2005), S. 45. 11Vgl. Braun/Vlahovic/Schöler (2013), S. 15–16, 18.
314
5 Analyse des Umsetzungsstandes der Konzeption in der Praxis
Unternehmen hinter dem klassischer Dienstleistungsunternehmen liegt. Unter anderem ist der Reifegrad von Kennzahlensystemen zur Steuerung der Serviceprozesse und -qualität sowie die Erfolgsmessung des Servicegeschäftes (Umsatzwirkung und/oder Kundenbindung) geringer.12 Im Rahmen der dritten Frage werden praktisch-normative Aussagen zur Gestaltung des Dienstleistungscontrollings in der Praxis getroffen. Ermittelt werden die Empfehlungen durch einen Soll-Ist-Vergleich zwischen Konzeption und Empirie. Schließlich klärt die vierte Frage, in welchen Bereichen der Konzeption aufgrund der empirischen Befunde eine Anpassung erforderlich ist, um eine größere Schnittmenge zwischen dem aus der Theorie deduzierten und dem aus der Praxis induzierten Bezugsrahmen zu erzielen. Analog der Literaturanalyse in Teil 3 verengt die empirische Studie den Blick auf die Realität, indem Fragen vorselektiert werden. Wiederum kann nicht ausgeschlossenen werden, dass durch die Auswahl der Fragen bedeutsame Aspekte des Dienstleistungscontrollings in der Praxis verborgen bleiben. Ein selektives Vorgehen scheint jedoch mit Blick auf die Fragestellungen der Arbeit angebracht.
5.2 Abgrenzung zu bisherigen empirischen Studien Die Literaturanalyse in Teil 3 der Arbeit hat gezeigt, wie lückenhaft und unvollständig die Kenntnisse der Controllingforschung zum Umsetzungsstand des Dienstleistungscontrollings in der Unternehmenspraxis sind.13 Einige der wenigen vorhandenen Studien im deutschen Sprachraum werden nun analysiert (vgl. Abbildung 5.2). Vergleicht man die Fragestellung und die Forschungsmethodik bisheriger mit der eigenen Studie, so lassen sich Unterschiede und Gemeinsamkeiten erkennen. Einige der empirischen Studien schränken die Fragestellung auf die Anwendung von Controllinginstrumenten in Branchen ein. So untersucht Stebel Anreizsysteme von deutschen Unternehmensberatungen (N = 76).14 Sehnert
12Vgl.
Braun/Vlahovic/Schöler (2013), S. 16–17. Befragt wurden 476 produzierende und 184 Dienstleistungsunternehmen zum Reifegrad ihres Servicemanagements. 13Vgl. Abschnitt 3.4.5. 14Vgl. Stebel (2007), S. 101–116, der ein hypothesentestendes Forschungsdesign verwendet.
5.2 Abgrenzung zu bisherigen empirischen Studien
315
analysiert die Erfolgswirkungen von Kennzahlensystemen am Beispiel von Investmentgesellschaften (N = 128).15 Im Gegensatz dazu, ermittelt die eigene Studie, wie Unternehmen die Konzeption des Dienstleistungscontrollings adaptieren. Es wird nicht der Umsetzungsstand des Dienstleistungscontrollings in einer Branche oder in einer Dienstleistungsfunktion untersucht, genauso wenig der Umsetzungsstand eines einzigen Controllinginstrumentes. Im Zentrum der eigenen empirischen Studie steht der Umsetzungsstand des gesamten Controllingsystems für Dienstleistungen. Mit dieser breiten Fragestellung hebt sich die eigene Studie von bisherigen Studien zum Dienstleistungscontrolling ab. Sanche konstruiert einen konzeptionellen Bezugsrahmen für das Controlling industrieller Dienstleistungen.16 Sie prüft den Bezugsrahmen anhand von vier Fallstudien in schweizer Unternehmen der Investitionsgüterindustrie (N = 4).17 Die Untersuchungen zum Servicecontrolling beschränkt Sanche auf die Implementierung von Kennzahlensystemen und die Aufbauorganisation des Servicecontrollings. Aus den empirischen Beobachtungen leitet sie zwei grundsätzliche Handlungsempfehlungen ab. Hinsichtlich Controllinginstrumenten schlägt sie vor, zu Beginn ein Kennzahlensystem aufzubauen und im Anschluss daran Instrumente für die Planung, Kontrolle, Mitarbeiterführung und Organisation. Für größere Industriegüterunternehmen empfiehlt sie, das Servicecontrolling disziplinarisch dem Service-Management und fachlich dem zentralen Controlling zu unterstellen, wobei die Ergebnisse der Fallstudien die Aussage keineswegs untermauern.18 Im Unterschied zu Sanche beleuchtet die eigene Studie nicht ausschließlich die Instrumente und die Organisation, sondern darüber hinaus weitere Elemente des Dienstleistungscontrollings. Forschungsmethodisch wird eine quantitative Studie in Form einer schriftlichen Befragung durchgeführt, um deutlich höhere Fallzahlen in verschiedenen Branchen zu erzielen.
15Vgl.
Sehnert (2011), S. 167–184, der ein Experiment mit Bachelorstudenten durchführt. Sanche (2002), S. 120–127; sowie Becker/Rech (2014), S. 93–97. 17Vgl. Sanche (2002), S. 162–164, 174–175, 188–190, 200–201, 207. 18Zur Kritik an Sanche vgl. Becker/Rech (2014), S. 126–128. 16Vgl.
Ziel
Forschungsdesign Explorativ-qualitative Studie / Fallstudie
Stichprobe
Empirische Ergebnisse zum Dienstleistungscontrolling • Zuerst mit dem Aufbau eines Strategische Leitfaden zur N =4; Kennzahlensystems beginnen, Erfolgsposition: Ausgestaltung des Erhebung der danach mit dem Aufbau der industrieller Servicecontrollings Organisation des Servicecontrollings Instrumente für die Planung, Service. von Investitionsgüterin vier schweizer Kontrolle, Mitarbeiterführung und herstellern (mehrere Unternehmen der Organisation. For-schungsziele, Investitionsgüter- • Service-Controller in großen hier das controllingin-dustrie Industrieunternehmen sollen bezogene) disziplinarisch dem Servicemanagement und fachlich dem zentralen Controlling unterstellt werden. N =1: Prüfung des Durch die Anwendung des KonfirmaService-Con- Entwicklung eines torisch-qualitative Gestaltungsmod- Gestaltungsmodells auf das trolling für integrierten Störfallmanagement eines mittelstänproduzierende Gestaltungsmodells Studie / Fallstudie ells im Servicedischen Herstellers komplexer bereich für das Controlling Unternehme Industriegüter zeigt sich eine Herstellers industrieller Verbesserung der Planungs-und komplexer Dienstleistungen Steuerungsqualität des Prozesses. Investitionsgüter Exzellenz im Evaluation des Deskriptiv-explor- N =130 • Fehlende Verknüpfung von internationalen Standes der ative Studie / deutsche strategischer und operativer Dienstleistungsplanung, Service Einführung und der schriftliche Unternehmen Befragung mittels aus den -steuerung und -kontrolle. Controlling EntwicklungFragebogen Branchen MA, • Induktiver Entwurf eines smöglichkeiten des Servicecontrollings EE, ITK. Konzeptes für ein ganzheitliches Servicecontrolling mit mehreren Komponenten: Servicestrategie, Ertrags-, Markt-, Prozess-, Qualitäts-, Personalcontrolling, Balanced Scorecard.
Titel
Abbildung 5.2 Empirische Studien zum Dienstleistungscontrolling. (Quelle: Eigene Darstellung)
Impuls Management Consulting (2005)
Borrmann (2003)
Autor (Jahr) Sanche (2002)
316 5 Analyse des Umsetzungsstandes der Konzeption in der Praxis
Erfolgswirkung von Kennzahlensystemen in Dienstleistungsunterne hmen
Sehnert (2011)
Abbildung 5.2 (Fortsetzung)
Verhaltenssteuerung durch Anreize im Dienstleistungscontrolling
Stebel (2007)
Untersuchung der Erfolgswir- kung von Kennzahlensystemen bei Dienstleistungsunternehmen
Gestaltung von Anreizverträgen auf den Entscheidungsebenen Dienstleister/Mitarbeiter, Dienstleister/Kunde, Mitarbeiter/Kunde
Experiment zur Prüfung der Erfolgswirkung von Kennzahlensystemen
Konfirmatorisch-quanitative Studie (Hypothesentest) / schriftliche Befragung mit Online-Fragebogen
N =128; Experiment mit Bachelorstudenten
N =76; Untersuchung der Determinanten des Einsatzes bestimmter Anreizverträge bei deutschen Unternehmensberatungen
Quelle: Eigene Darstellung.
• Wahl der Honorarform hängt ab von der Verifizierbarkeit des Dienstleistungsergebnisses und des Dienstleistungsverhaltens, dem Integrativitätsgradund dem Erwartungsnutzen der langfristigen Kundenbeziehung. • Vorteilhafter ergebnisunabhängige statt ergebnisabhängige Honorare zu vereinbaren und dafür in die Messbarkeit des Dienstleistungsprozesses statt des Dienstleistungsergebnisses zu investieren. • Einsatz umfangreicher Kennzahlensysteme in Situationen hoher Umweltdynamik und damit hoher Entscheidungsunsicherheit. • Einsatz von Kennzahlensystemen mit schmalerer Informationsbasis bei vergleichsweise stabilen und beherrschbaren Umweltbedingungen.
5.2 Abgrenzung zu bisherigen empirischen Studien 317
318
5 Analyse des Umsetzungsstandes der Konzeption in der Praxis
Borrmann entwirft ein Gestaltungsmodell für das Controlling industrieller Dienstleistungen, dessen drei Hauptbestandteile ein Zielgrößen-, ein Kennzahlen(BSC) und ein Kostenmodell (Prozesskostenrechnung) bilden.19 Borrmann kontrolliert die Anwendbarkeit des Gestaltungsmodells mit einer konfirmativen Fallstudie (N = 1).20 Objekt der Fallstudie ist das Störfallmanagement im Servicebereich eines mittelständischen Herstellers komplexer Industriegüter. Borrmann stellt durch die Anwendung seiner Konzeption eine Verbesserung der Planungsund Steuerungsqualität fest. Mehr als fraglich ist, ob eine einzige Fallstudie genügt, die Anforderung der Bewährung in der Praxis zu erfüllen.21 Die Unterschiede zur eigenen Studie sind ähnlich wie bei Sanche. Verschieden sind die Fragestellungen: Die eigene Studie untersucht den Umsetzungsstand des Dienstleistungscontrollings, indem sie explorativ vorgeht. Borrmann prüft dagegen die Umsetzbarkeit seiner Konzeption, wozu er ein konfirmatives Fallstudiendesign wählt. Bezüglich der höheren Fallzahl der eigenen Studie und dem unterschiedlichen Forschungsdesign – quantitative vs. qualitative Studie – gilt das Gleiche wie bei Sanche. Die meisten Gemeinsamkeiten und Überschneidungen in puncto Fragestellung und Forschungsmethodik bestehen zweifelsohne zu der empirischen Studie von Impuls Management Consulting.22 Die Studie von Impuls Management Consulting verfolgt eine ähnlich breite Fragestellung, wie die eigene Studie. Sie untersucht den Umsetzungsstand des Servicecontrollings anhand verschiedener Elemente. Ihr Forschungsdesign ist deskriptiv und es handelt sich um eine quantitative Studie, die als Erhebungsinstrument einen Fragebogen einsetzt. Alles Merkmale, die auf die eigene Studie ebenfalls zutreffen. Die wesentlichen Unterschiede liegen in den befragten Branchen und im konzeptionellen Bezugsrahmen der Erhebung. Die Studie der Impuls Management Consulting beschränkt die Befragung auf Mitglieder der Verbände des VDMA und der BITKOM in den drei Branchen Maschinen- und Anlagenbau (MA), Elektronik- und Elektroindustrie (EE) und Informations- und Telekommunikation (ITK). Auf eine derartige Brancheneinschränkung verzichtet die eigene Studie. Die eigene Studie benutzt als konzeptionellen Bezugsrahmen für die Erhebung die entworfene
19Vgl.
Borrmann (2003); Becker/Rech (2014), S. 97–102. Borrmann (2003), S. 108–115. Borrmann macht keine Angaben, nach welchen Kriterien er das Unternehmen ausgewählt hat. 21Zur Kritik an Borrmann vgl. Becker/Rech (2014), S. 128–129. 22Vgl. im Folgenden Impuls Management Consulting (2005). 20Vgl.
5.3 Untersuchungsdesign
319
Konzeption des Dienstleistungscontrollings, die wiederum deduktiv hergeleitet wurde. Ob die Studie von Impuls Management Consulting einen Bezugsrahmen für die Erhebung anwendet und wenn ja welchen, ist nicht erkennbar. Ausgehend von den Ergebnissen der Studie und den Handlungsempfehlungen entwickelt die Unternehmensberatung ein Konzept für ein ganzheitliches Servicecontrolling.23 Insofern scheint die Studie zuerst da gewesen zu sein und dann der Bezugsrahmen, was auf eine rein induktive Herangehensweise hindeutet. Wegen der hohen Übereinstimmung im Forschungsdesign, werden die Ergebnisse der Studie mit den eigenen an entsprechender Stelle verglichen. Welche Erkenntnisse lassen sich aus dem Überblick bisheriger empirischer Untersuchungen zum Dienstleistungscontrolling für die eigene empirische Studie ziehen? Bisherige Studien beleuchten überwiegend partielle Aspekte des Dienstleistungscontrollings, wie Anreizverträge (Stebel), Kennzahlensysteme (Sanche, Sehnert) oder die Aufbauorganisation (Sanche). Diejenigen Studien, die umfassend das Dienstleistungscontrolling analysieren, beschränken sich auf einige wenige Branchen (Borrmann: Industriegüterhersteller; Impuls Management Consulting: Branchen MA, EE, ITK). Von den letztgenannten Autoren verwendet lediglich die Unternehmensberatung ein quantitatives Forschungsdesign. Zusammenfassend lässt sich aus den bisherigen Studien ein Bedarf an empirischen Studien konstatieren, die auf Basis höherer Fallzahlen für verschiedene Branchen den Umsetzungsstand des Dienstleistungscontrollings ganzheitlich ermitteln.24 Das dazu passende Forschungsdesign wird im nächsten Kapitel ausgewählt.
5.3 Untersuchungsdesign Im Untersuchungsdesign wird die Datenerhebung und Datenanalyse detailliert geplant. Abschnitt 5.3.1 spezifiziert das Forschungsdesign der empirischen Studie nach verschiedenen Klassifikationsmerkmalen. Der für die schriftliche Befragung
23Insgesamt
besteht dieses Konzept aus sieben Modulen: 1. Servicestrategie, 2. Servicecontrolling als zentrales Führungsinstrument, 3. Marktbearbeitung, Prozesse und Organisation als Wirkungsbereiche des Servicecontrollings, 4. Ertrags-, Markt-, Prozess-, Qualitäts- und Personalcontrolling mit ausgewählten Instrumenten und Kennzahlen, 5. BSC, 6. Service-Cockpit auf Basis der BSC, 7. IT-Unterstützung und Wissensmanagement. Vgl. Impuls Management Consulting (2005), S. 74–136. 24Vgl. Abschnitt 3.4.5 und Abschnitt 3.6; sowie Becker/Rech (2014), S. 169–170; 261.
320
5 Analyse des Umsetzungsstandes der Konzeption in der Praxis
verwendete Online-Fragebogen wird in Abschnitt 5.3.2 konstruiert. Mit der Durchführung der Datenerhebung befasst sich Abschnitt 5.3.3. Welche Methoden zur Auswertung der erhobenen Daten eingesetzt werden, erläutert Abschnitt 5.3.4.
5.3.1 Auswahl des Forschungsdesigns Für die Erhebung des Umsetzungsstandes des Dienstleistungscontrollings in der Praxis ist ein geeignetes Forschungsdesign auszuwählen. Unter Forschungsdesign wird in Anlehnung an Töpfer die inhaltliche Umsetzung der Forschungskonzeption aus Abschnitt 1.2 verstanden.25 Das Forschungsdesign plant und konkretisiert das methodische Vorgehen der empirischen Studie.26 In Abschnitt 5.3.1.1 werden empirische Forschungsdesigns nach bestimmten Merkmalen klassifiziert und die Merkmale des eigenen Forschungsdesigns ausgewählt. In Abschnitt 5.3.1.2 wird die Auswahl dieser Merkmale begründet.
5.3.1.1 Systematisierungen von Forschungsdesigns Die Wahl des Forschungsdesign hängt vom Forschungsziel, den verfügbaren Forschungsressourcen und von der Einschätzung des Forschers ab.27 Naheliegend für die Auswahl des Forschungsdesigns ist es, nach Systematisierungen von Forschungsdesigns zu suchen, die ein zum Forschungsziel passendes Forschungsdesign vorschlagen. Dieser Versuch scheitert allerdings, weil kein einheitliches Klassifikationsschema für Forschungsdesigns in Abhängigkeit vom Forschungsziel in der empirischen Sozialforschung existiert.28 Für die Ziele der eigenen empirischen Untersuchung kann somit auf kein vorkonfektioniertes Forschungsdesign zurückgegriffen werden; vielmehr muss ein geeignetes konfiguriert werden.
25Vgl.
Töpfer (2012), S. 25, 147. Döring/Bortz (2016), S. 182. 27Vgl. Diekmann (2008), S. 191. 28Vgl. Döring/Bortz (2016), S. 182. 26Vgl.
5.3 Untersuchungsdesign Klassifikationsmerkmale empirischer Forschungsdesigns Wissenschaftstheoretische Grundposition Forschungsziel Art der erhobenen Daten Methode der Datenerhebung
Methode der Datenanalyse Untersuchungsort Anzahl der Untersuchungszeitpunkte
321 Varianten empirischer Forschungsdesigns
Gewählte Variante
Quantitative Studie Qualitative Studie Mixed Method Studie Deskriptive Studie Explorative Studie Konfirmatorische Studie Primärstudie Sekundärstudie Meta-Analyse Inhaltsanalyse Beobachtung Befragung Experiment Deskriptive Datenanalyse Explorative Datenanalyse Konfirmatorische Datenanalyse Laborstudie Feldstudie Querschnittstudie Trendstudie Längsschnittstudie
Quantitative Studie Deskriptiv-explorative Studie Primärstudie Befragung (Online-Fragebogen) Deskriptiv-explorative Datenanalyse Feldstudie Querschnittstudie
Abbildung 5.3 Steckbrief des empirischen Forschungsdesigns. (Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Döring/Bortz (2016), S. 183)
Die empirische Sozialforschung behilft sich damit, Forschungsdesigns nach etablierten Merkmalen (Beschreibungsdimensionen) zu klassifizieren.29 Die Auswahl des Forschungsdesigns orientiert sich an diesen Beschreibungsdimensionen. Dabei geht es nicht darum, die Vor- und Nachteile einzelner Methoden und Instrumente der Datenerhebung und -auswertung im Detail zu diskutieren. Hierfür sei auf die einschlägige Literatur verwiesen. Es sollen aber die Beweggründe transparent gemacht werden, die in Auseinandersetzung mit dem Untersuchungsgegenstand Dienstleistungscontrolling und den Forschungszielen zur Auswahlentscheidung geführt haben.30 Forschungsdesigns lassen sich u. a. nach folgenden Merkmalen einteilen: wissenschaftstheoretische Grundposition, Forschungsziel, Art der erhobenen Daten, Methode der Datenerhebung, Methode der Datenanalyse, Untersuchungsort, Untersuchungszeitpunkte.31 Die Abbildung 5.3 beschreibt in einer Art Steckbrief das entlang der sieben
29Vgl.
Döring/Bortz (2016), S. 183–217. Kromrey (2009), S. 300. 31Vgl. Döring/Bortz (2016), S. 183. 30Vgl.
322
5 Analyse des Umsetzungsstandes der Konzeption in der Praxis
Beschreibungsdimensionen ausgewählte Forschungsdesign. Der Steckbrief enthält die Merkmale zur Klassifikation empirischer Forschungsdesigns, die daraus resultierenden Varianten und die für die eigene empirische Studie gewählte Variante. Welche Gründe zur Auswahl der jeweiligen Variante geführt haben, werden im anschließenden Abschnitt erläutert.
5.3.1.2 Wahl eines deskriptiv-explorativen Forschungsdesigns Empirische Forschungsdesigns lassen sich nach der wissenschaftstheoretischen Grundposition des Forschers in quantitative, qualitative und Mixed Method Studien einteilen.32 Die Einteilung in quantitativ und qualitativ kennzeichnet die Art und Weise, wie die Eigenschaften eines realen Untersuchungsobjektes erfasst werden. Im quantitativen Ansatz werden reale Sachverhalte durch Zahlen gemessen, im qualitativen Ansatz dagegen verbal beschrieben.33 Charakteristisch für den quantitativen Ansatz ist das Erheben der Daten in zahlenform bzw. das Ersetzen verbaler Ausdrücke durch Zahlen (Quantifizierung) sowie das statistische Auswerten der numerischen Daten.34 Typisch für eine qualitative Studie sind die Erhebung verbaler Daten, eine umfassende Beschreibung des Gegenstandsbereiches und das Auswerten der Daten durch Interpretation.35 Die Mixed Method Studie kombiniert beide Ansätze. Für die eigene empirische Studie fällt die Wahl auf das Forschungsdesign einer quantitativen Studie. Die Wahl lässt sich mit der beabsichtigten branchen- und funktionsübergreifenden Betrachtungsweise des Dienstleistungscontrollings begründen. Um Gemeinsamkeiten des Dienstleistungscontrollings zwischen Branchen und Funktionen festzustellen, werden große Fallzahlen benötigt. Qualitative Studien können wegen ihres Einzelfallbezugs36 diese nur bereitstellen, wenn branchenbezogene Einzelfallstudien37 durchgeführt und anschließend einem Vergleich unterzogen werden. Forschungsökonomisch stößt man mit diesem Ansatz schnell an Grenzen. Der Mangel an quantitativen Studien zum Dienstleistungscontrolling, die auf einer aktuellen Datenlage gründen, ist ein weiteres Argument für den Entschluss, eine quantitative Studie durchzuführen.
32Vgl.
Döring/Bortz (2016), S. 184–185. Bamberg/Baur/Krapp (2012), S. 6. 34Vgl. Schwaiger/Zimmermann (2009), S. 421. 35Vgl. Mayring (2002), S. 19–24; Meyer/Raffelt (2009), S. 319–321. 36Vgl. Mayring (2002), S. 25, 27. 37Vgl. Lamnek (2005), S. 298–328. 33Vgl.
5.3 Untersuchungsdesign
323
Nach dem Forschungsziel der Untersuchung lassen sich deskriptive, explorative und konfirmatorische Studien unterscheiden.38 Das Erkenntnisziel deskriptiver Studien besteht in der genauen Erfassung und Beschreibung realer Sachverhalte in Populationen. Es werden jedoch keine Zusammenhänge zwischen Variablen untersucht. Explorative Studien zielen darauf ab, wissenschaftliche Erkenntnisse zu entdecken (Entdeckungszusammenhang), indem sie mit Hilfe von empirischen Daten Hypothesen generieren. Zusammenhänge werden untersucht, wobei vor der Durchführung der Datenanalyse keine Hypothesen über derartige Zusammenhänge aufgestellt werden. Konfirmatorische Studien streben danach, wissenschaftliche Erkenntnisse zu begründen (Begründungszusammenhang), indem sie theoriegeleitet Hypothesen aufstellen und anhand von empirischen Daten prüfen.39 Das Interesse der Arbeit liegt in der Analyse von Gemeinsamkeiten des Dienstleistungscontrollings in verschiedenen Branchen. Die Fragestellung der eigenen Studie richtet sich nicht auf ein bestimmtes Element des Dienstleistungscontrollings, sondern interessiert sich für den Entwicklungsstand des gesamten Controllingsystems eines Unternehmens, d. h. auf funktionale, institutionale und instrumentale Aspekte des Dienstleistungscontrollings, deren Determinanten und Zusammenhänge. Die dürftigen Kenntnisse über die empirische Basis des Dienstleistungscontrollings und seine mangelhafte theoretische Fundierung eröffnen gegenwärtig wenig Möglichkeiten, Hypothesen vorab aufzustellen und diese an empirischen Daten zu falsifizieren. Der Umsetzungsstand des Dienstleistungscontrollings in der Praxis muss erst einmal besser verstanden, anhand geeigneter Merkmale beschrieben und Zusammenhänge exploriert werden, bevor Hypothesen getestet werden können.40 Der Zustand der theoretischen und empirischen Basis des Dienstleistungscontrollings spricht dafür ein deskriptiv-exploratives Forschungsdesign zu wählen.41 Nach der Art der zu erhebenden Daten lassen sich Primär- und Sekundärstudie differenzieren.42 Von einer Primärstudie (Primärforschung, Primärerhebung) ist
38Vgl.
Töpfer (2012), S. 150–155; Homburg (2017), S. 260. Entdeckungszusammenhang („context of discovery“) und zum Begründungszusammenhang („context of justification“) vgl. grundlegend Reichenbach (1938), S. 6–7. 40Vgl. Becker/Rech (2014), S. 169–170, 261; sowie nochmals Abschnitt 3.4.5. 41Ähnlich argumentieren Geisler (2001), S. 14–15; Daniel (2008), S. 7–9; Baltzer (2013), S. 113–115, bei ihren Entscheidungen zugunsten eines explorativen Forschungsdesigns. Zur Empfehlung der empirischen Sozialforschung bei bislang wenig untersuchten Forschungsgebieten explorativ vorzugehen s. Atteslander (2008), S. 47; Döring/Bortz (2016), S. 193. 42Vgl. Erichson (2007), Sp. 538–539; Bamberg/Baur/Krapp (2012), S. 9. 39Zum
324
5 Analyse des Umsetzungsstandes der Konzeption in der Praxis
die Rede, wenn originäre Daten eigens für eine geplante Untersuchung erhoben, aufbereitet und analysiert werden. Eine Sekundärstudie (Sekundärforschung, Sekundärerhebung) nutzt hingegen vorhandenes Datenmaterial aus früherer Studien. Döring/Bortz erwähnen als weitere Methode die Metanalyse.43 Sie weist Eigenschaften der Primär- und Sekundärforschung auf.44 Für die Durchführung einer eigenen Primärstudie spricht, dass kaum empirische Befunde zum Dienstleistungscontrolling vorliegen.45 Sekundärstudien benötigen Originaldaten, Metaanalysen mindestens vergleichbare Daten von zwei empirischen Studien.46 Beide Voraussetzung sind für den Forschungsgegenstand Dienstleistungscontrolling nicht erfüllt. Atteslander gliedert die Forschungsmethoden der Datenerhebung in Inhaltsanalyse, Beobachtung, Befragung und Experiment.47 Ausschlaggebend für die Trennung dieser Methoden ist die Quelle der Informationsbeschaffung. Am direktesten lassen sich Informationen mit der Methode der Beobachtung gewinnen. Der Forscher inspiziert systematisch und unmittelbar den Forschungsgegenstand mit seinen eigenen Sinnesorganen. Er verfolgt dabei die Absicht, die soziale Wirklichkeit vor dem Hintergrund seiner Forschungsfrage zu rekonstruieren.48 Indirekter sind die Methoden der Inhaltsanalyse und Befragung. Bei der Inhaltsanalyse analysiert der Forscher theoriegeleitet, systematisch und intersubjektiv nachvollziehbar die Inhalte von Kommunikation (z. B. Texte, Bild- und Tonmaterial) mit dem Ziel, Rückschlüsse auf bestimmte Aspekte des Forschungsobjektes zu ziehen (z. B. Sender und Empfänger).49 Bedient sich die Inhaltsanalyse der Kommunikation als Datenquelle, so nutzt die Befragung eine Auskunftsperson. Bei der Befragung untersucht der Forscher die Aussagen einer Auskunftsperson zu einem Forschungsgegenstand. Die Aussagen regt er durch verbale (Fragen) oder andere (z. B. Bilder, Gegenstände) Stimuli an.50 Das Experiment passt nicht ganz in diese Systematisierung, weil das Experiment selber Gebrauch von den Methoden der Befragung und Beobachtung macht.51
43Vgl.
Döring/Bortz (2016), S. 191–192. (2007), S. 108, bezeichnet sie als Hybrid aus Primär- und Sekundärforschung. 45Vgl. Abschnitt 3.4.5; sowie Schäffer/Weber (2002), S. 10; Becker/Rech (2014), S. 168–170. 46Vgl. Döring/Bortz (2016), S. 191–192. 47Vgl. Atteslander (2008), S. 67–209. 48Vgl. Atteslander (2008), S. 67. 49Vgl. Krippendorff (2004), S. 18–21; Mayring (2015), S. 11–13; Früh (2017), S. 29–43. 50Vgl. Atteslander (2008), S. 101. 51Vgl. Schnell/Hill/Esser (2008), S. 319. 44Kornmeier
5.3 Untersuchungsdesign
325
Beim Experiment manipuliert der Forscher das Untersuchungsobjekt unter festgelegten Bedingungen. Aus Reaktionen oder Veränderungen zieht er Rückschlüsse auf U rsache-Wirkungs-Zusammenhänge. Gemäß dem Forschungsziel den Umsetzungsstand des Dienstleistungscontrollings in der Praxis zu untersuchen, werden empirische Daten von realen Controllingsystemen in Dienstleistungsbetrieben und betrieblichen Dienstleistungsfunktionen benötigt. Um mittels Inhaltsanalyse die Daten zu erheben, müssten diese in dokumentierter bzw. protokollierter Form für verschiedene Unternehmen vorliegen und zugänglich sein. Außerdem wäre es notwendig, dass möglichst alle Elemente eines Controllingsystems vollständig beschrieben sind. Unternehmen legen die Struktur ihrer Controllingsysteme normalerweise weder offen, noch dokumentieren sie diese nach einheitlichen Standards. Eine Inhaltsanalyse scheidet damit aus. Die Beobachtung skaliert aus Zeit- und Kostengründen nicht. In diesem Fall wäre der Autor gezwungen, in verschiedenen Unternehmen vor Ort das Controllingsystem über einen längeren Zeitraum zu beobachten. Große Fallzahlen wären mit hohem zeitlichen Aufwand und hohen Kosten verbunden. Die künstliche Nachbildung von Controllingsystemen als Experiment gestaltet sich ebenfalls schwierig, wie weiter unten der Vergleich zwischen Feld- und Laborstudie demonstriert. Es verbleibt damit die Befragung als Erhebungsinstrument der empirischen Untersuchung. Die Befragung hat verschiedene Vor- und Nachteile.52 Sie werden im Rahmen der Gütekriterien der Messung in Abschnitt 5.3.2.4 behandelt. Befragungen lassen sich nach verschiedenen Merkmalen systematisieren. Nach der Art der Kommunikation unterscheidet man persönliche, telefonische und schriftliche Befragung.53 Erhebungsinstrument der persönlichen und telefonischen Befragung ist das Interview, das mehr oder weniger standardisiert ablaufen kann. Ziel der eigenen Untersuchung ist es, einen Querschnitt des Dienstleistungscontrollings in verschiedene Branchen und Funktion anhand von hohen Fallzahlen zu erheben. Bei hohen Fallzahlen gestalten sich die persönliche und telefonische Befragung als zeit- und kostenintensiv, insbesondere, wenn wie im vorliegenden Fall, nur ein Interviewer zur Verfügung steht. Gewählt wurde deshalb die schriftliche Befragung.
52Vgl. 53Vgl.
Kaya (2009), S. 52–56. Diekmann (2008), S. 437–438.
326
5 Analyse des Umsetzungsstandes der Konzeption in der Praxis
Nach der Form der schriftlichen Befragung kann man die postalische und die Online-Befragung untergliedern. Die Online-Befragung bietet verschiedene Vor- und Nachteile gegenüber alternativen Befragungsmodi.54 Im Vergleich zur postalischen Befragung ist die Onlineerhebung zeit- und kostengünstiger. Der Proband kann auf die Umfrage von jedem onlinefähigen Endgerät aus auf die Umfrage zugreifen. Damit ist er in der Lage, selbständig zu entscheiden, wann und von wo aus er an der Umfrage teilnimmt. Der Forscher hat die Daten direkt nach Erhebung im Zugriff. Er muss sie nicht noch einmal erfassen, wodurch potenzielle Übertragungsfehler vermieden werden. Die Dateneingabe während der Durchführung lässt sich besser verfolgen, der Rücklauf trifft schneller ein und die Daten können schneller analysiert werden. Die Kosten der Erstellung und Versendung eines zusätzlichen Fragebogens sind für den Forscher faktisch vernachlässigbar (keine Druck- und Portokosten), was die kostengünstige Durchführung großer Umfragen erlaubt. Einer der Haupteinwände gegen die Online-Befragung richtet sich gegen die Repräsentativität der Daten. Um eine möglichst hohe Repräsentativität zu erreichen, muss jede Untersuchungseinheit der Grundgesamtheit die gleiche Chance haben, in die Stichprobe zu geraten. Das setzt bei Online-Umfragen voraus, dass alle Einheiten der Grundgesamtheit Internetzugang haben. Diese Voraussetzung dürften im allgemeinen für die hier interessierenden Unternehmen in Deutschland erfüllt sein.55 „Geeignet sind Online-Umfragen besonders für spezielle Populationen mit Internetzugang, für die eine Liste der E-Mail-Adressen existiert.“56 Als Instrument der Datenerhebung wurde eine Online-Befragung gewählt. Welche Maßnahmen im Detail ergriffen wurden, um die Vorteile zu realisieren und gleichzeitig die Auswirkungen der genannten Nachteile zu verringern, findet an entsprechender Stelle in den nachfolgenden Abschnitten Erwähnung.57 Backhaus/Weiber systematisieren die Forschungsmethoden der Datenauswertung nach verschiedenen Merkmalen, u. a. nach dem Forschungsziel in deskriptive (strukturbeschreibende), explorative (strukturentdeckende) und konfirmatorische (strukturprüfende) Analysemethoden.58 Deskriptive Methoden
54Vgl.
Hennig-Thurau/Dallwitz-Wegner (2002), S. 313; Kuckertz/Lamberg (2007), S. 562– 564; Wagner/Hering (2014), S. 662–663. 55Vgl. Berekoven/Eckert/Ellenrieder (2009), S. 108; Maurer/Jandura (2009), S. 65. 56Diekmann (2008), S. 528; auch Baur/Florian (2009), S. 114. 57Vgl. u. a. die Abschnitte 5.3.2.4, 5.3.3.2, und 5.3.3.3. 58Vgl. Backhaus/Weiber (2007), Sp. 525–531.
5.3 Untersuchungsdesign
327
der Datenanalyse beschreiben die Rohdaten anhand von charakteristischen Kennzahlen, wie Häufigkeitsverteilung, Lageparameter oder Streuungsmaße. Ein wesentliches Unterscheidungsmerkmal von explorativen und konfirmatorischen Verfahren liegt in den Vorkenntnissen des Anwenders. Bei explorativen Verfahren hat der Anwender vor Beginn der Datenanalyse keine Vorstellung über die Abhängigkeiten zwischen den Merkmalen (Variablen) oder den Merkmalsträgern (Objekten). Mit Hilfe explorativer Verfahren versucht er deshalb Zusammenhänge in den Rohdaten zu entdecken. Anders verhält es sich bei konfirmatorischen Verfahren: Hier äußert der Anwender vor Beginn der Datenauswertung eine konkrete Vermutung – meist in Form einer Hypothese – über den Zusammenhang von Merkmalen oder Objekten. Anhand der gewonnen Daten prüft der Forscher unter Anwendung konfirmatorischer Verfahren die Zusammenhänge zwischen abhängigen und unabhängigen Variablen. Faktoren, die über die Anwendung einer konkreten Methode der Datenanalyse entscheiden, sind u. a. die Forschungsfrage, das Skalenniveau der Daten, die Größe des Datensatzes, die Verteilungsannahmen der Daten und das vorhandene Vorwissen des Forschers.59 Die Systematisierung der Methoden der Datenanalyse nach dem Forschungsziel bildet das Pendant zur grundsätzlichen Gliederung von Forschungsdesigns nach dem Forschungsziel in deskriptive, explorative und konfirmatorische Studien. Entsprechend der getroffenen Auswahl, eine deskriptiv-explorative Studie durchzuführen, fällt die Wahl zwangsläufig auf die Anwendung deskriptiver und explorativer Analysemethoden. Allerdings gibt es auch Ausnahmen. Welche Verfahren im Einzelnen eingesetzt werden, erläutert Abschnitt 5.3.3. Nach dem Untersuchungsort kann man Forschungsdesigns in Laborstudien und Feldstudien abstufen.60 Laborstudien untersuchen das Untersuchungsobjekt in kontrollierter Umgebung. Sie schließen umweltbedingte Störvariablen weitgehend aus. Demgegenüber sind bei Feldstudien die Untersuchungsbedingungen schwerer zu kontrollieren, weil sie das Untersuchungsobjekt in seiner natürlichen Umgebung untersuchen. Die Laborstudie stellt sich als ungeeignet für die Untersuchung des Dienstleistungscontrollings heraus. Wollte man das Dienstleistungscontrolling im Labor untersuchen, so müsste man Controllingsysteme verschiedener Dienstleistungsbranchen und -funktionen unter Laborbedingungen künstlich nachbilden. Zum einen dürfte es schwer sein Unternehmen zu finden, die diesen Aufwand für eine wissenschaftliche Studie betreiben. Zum anderen müssten alle wesentlichen Kontextfaktoren mit abgebildet werden, um reali-
59Vgl. 60Vgl.
Backhaus/Weiber (2007), Sp. 534. Döring/Bortz (2016), S. 205–207.
328
5 Analyse des Umsetzungsstandes der Konzeption in der Praxis
tätsnahe Bedingungen zu schaffen. In Bezug auf das Dienstleistungscontrolling sind die Kontextfaktoren aber gerade wenig bekannt.61 Die Feldstudie bietet dagegen die Möglichkeit, verschiedene Systeme des Dienstleistungscontrolling gleichzeitig durch Befragung eines kundigen Personenkreises (Führungskräfte und Mitarbeiter im Controlling und in Dienstleistungsbereichen) in ihrer täglichen Arbeitsumgebung zu erforschen. Dabei sollen die Nachteile der Feldstudie wie z. B. die Distanz zum Forschungsobjekt oder unkontrollierbare Untersuchungsbedingungen (geringe interne Validität) nicht klein geredet werden. Vor dem Hintergrund des Erkenntnisstandes zum Dienstleistungscontrolling und forschungsökonomischer Überlegungen scheint die Wahl der Feldstudie jedoch alternativlos. Nach Untersuchungszeitpunkten lassen sich die Querschnitt-, Trend- und die Längsschnittstudie abgrenzen.62 Bei Querschnittsstudien wird eine Stichprobe zu einem Forschungsgegenstand zu einem Zeitpunkt erhoben und untersucht, bei Trend- und Längsschnittstudien (Panel) zu mehreren Zeitpunkten. Ziel der Arbeit ist es nicht, die Entwicklungen und Veränderungen des Dienstleistungscontrollings im Zeitverlauf nachzuzeichnen. Dafür würde sich der Einsatz einer Trend- oder Längsschnittstudie empfehlen. Stattdessen geht es darum, mit einer Stichprobe zu einem Zeitpunkt den Stand des Dienstleistungscontrollings in der Praxis zu überprüfen, Anpassungsbedarfe von Aussagen in der Konzeption zu identifizieren und praktisch-normative Aussagen gestützt auf die Konzeption zur Gestaltung des Dienstleistungscontrollings in der Praxis zu machen. Gewählt wird deshalb das Forschungsdesign einer Querschnittsstudie.
5.3.2 Konstruktion des Fragebogens Das Forschungsdesign sieht vor, die Daten durch schriftliche Befragung zu erheben. Als Erhebungsinstrument wird ein vollstandardisierter Online-Fragebogen gewählt. Dem Fragebogen kommt die Aufgabe zu, Daten zum Umsetzungsstand des Dienstleistungscontrollings in der Praxis zu erheben. Die gewonnenen Daten dienen der Überprüfung der theoretisch-deduktiv hergeleiteten Konzeption des Dienstleistungscontrollings: „Ein Fragebogen […] ist also nicht eine schlichte empiristische Aneinanderreihung von Fragen
61Vgl. 62Vgl.
auch die Argumentation gegen das Laborexperiment bei Amshoff (1993), S. 26–27. Döring/Bortz (2016), S. 210–214.
5.3 Untersuchungsdesign
329
[…], sondern eine theoretisch begründete und systematisch präsentierte Auswahl von Fragen mit denen wir das zugrundeliegende theoretisch definierte Erkenntnisinteresse anhand der mit dem Fragebogen zu gewinnenden Daten empirisch zu prüfen versuchen.“63 In diesem Sinne erklärt Abschnitt 5.3.2.1, wie die Konzeption des Dienstleistungscontrollings in ein messbares Konstrukt übersetzt wird. In Abschnitt 5.3.2.2 werden die Messverfahren ausgewählt, die die Merkmalsausprägungen messen und in numerische Werte umsetzen. Abschnitt 5.3.2.3 beschreibt die Struktur und den Konstruktionsprozess des Fragebogens. Abschnitt 5.3.2.4 schließt mit einer Bewertung der Einhaltung wissenschaftlicher Gütekriterien der Messung.
5.3.2.1 Operationalisierung der Konzeption In der empirischen Forschung wird davon ausgegangen, dass ein durch theoretische Begriffe beschriebenes Konstrukt nicht direkt an einem realen Untersuchungsobjekt beobachtet und deshalb empirisch nicht direkt gemessen werden kann.64 Das theoretische Konstrukt (latente Variable) muss erst es in ein empirisch messbares Konstrukt (manifeste Variable) überführt werden. Der Übersetzungsvorgang heißt Operationalisierung.65 Das Ergebnis der Operationalisierung ist das Messmodell für das theoretische Konstrukt. Der Vorgang der Operationalisierung ordnet dem theoretischen Konstrukt empirisch beobachtbare Variablen (Indikatoren) zu. Dabei ist eine Variable ein Merkmal bzw. eine Eigenschaft einer Untersuchungseinheit (Untersuchungsobjekt, Merkmalsträger). Im Gegensatz zu einer Konstanten kann eine Variable mehr als einen Zustand (Merkmalsausprägung) annehmen. Merkmalsabhängige Unterschiede sind dadurch bei verschiedenen Untersuchungseinheiten empirisch feststellbar.66 In Teil 1 sind die Dimensionen der Konzeption des Dienstleistungscontrollings detailliert ausgearbeitet worden. Es stellt sich deshalb die Frage, in welchem Umfang die Konzeption des Dienstleistungscontrollings noch weiter spezifiziert werden muss, um sie empirisch messen zu können. Niedermayr zerlegt das Controllingsystem in seine einzelnen Systembestandteile und misst deren Entwicklungsstand.67 Nicht nur Niedermayr wählt diese Art der Operationalisierung.
63Porst
(2014), S. 16. Bagozzi/Phillips (1982), S. 459. 65Vgl. Krebs/Menold (2014), S. 426. 66Vgl. Schnell/Hill/Esser (2008), S. 129–131. 67Vgl. Niedermayr (1994), S. 71–138. 64Vgl.
330
5 Analyse des Umsetzungsstandes der Konzeption in der Praxis
Man findet sie in zahlreichen Studien zum Controlling mit deskriptiv-explorativem Forschungsdesign.68 Die Operationalisierung von Controllingkonzeptionen durch Aufspaltung in Dimensionen kann somit als gängige Vorgehensweise der deskriptiv-explorativen Controllingforschung in der Praxis bezeichnet werden.69 Döring/Bortz und Kromrey empfehlen grundsätzlich für explorative Studien, die sich neuen oder wenig untersuchten Gegenständen zuwenden, eine eigene Konzeptspezifikation mittels Dimensionsanalyse zu entwickeln.70 In Teil 1 wurden die Ziele, Funktionen, Aufgaben, Aufgabenträger, Instrumente, Prozesse und der Erfolg des Dienstleistungscontrollings im Einzelnen beschrieben. Aus den dort deduktiv gewonnen Zielkategorien, Aufgabenlisten, Instrumentenlisten, Prozessbeschreibungen und Erfolgskriterien wurden die Variablen des Fragebogens definiert. Um den Umfang des Fragebogens nicht zu sprengen, wurde mit einer reduzierten Variablenanzahl gearbeitet. Das hatte zur Folge, dass die Ausprägungen bestimmter Elemente des Dienstleistungscontrollings verdichtet oder reduziert werden mussten. Beispielsweise konnten nicht alle Instrumente des Dienstleistungscontrollings abgefragt werden. Unternehmensgröße
Beschäftigte
Jahresumsatz
Kleinstunternehmen
bis ca. 30
bis ca. 6 Mio. EUR
Kleine Unternehmen
bis ca. 300
bis ca. 60 Mio. EUR
Mittlere Unternehmen
bis ca. 3.000
bis ca. 600 Mio. EUR
Große Unternehmen
3.000 und mehr
ab ca. 600 Mio. EUR
Abbildung 5.4 Mittelstandsdefinition des EKAM. (Quelle: EKAM (2016b)) 68Vgl.
z. B. Geisler (2001), S. 71–76; Becker/Ulrich/Zimmermann (2012), S. 210–212; Becker/Ulrich (2013), S. 35–49; Becker/Ulrich (2015). 69Alternativ können bewährte Skalen aus bisherigen Controllingstudien verwendet werden. Vgl. Brockhoff (2002), S. 460; Kajüter/Nienhaus (2016), S. 517. Zu Controllingskalen s. Weber/Willauer/Schäffer (2003), S. 370–465; Schäffer (2007). Mit Bezug auf das Dienstleistungscontrolling hat die Prüfung vorhandener Skalen ergeben, dass diese zu eng an den konzeptionellen Bezugsrahmen angepasst waren, den sie empirisch messen sollten, um verwendet werden zu können. 70Vgl. Kromrey (2009), S. 107–114; Döring/Bortz (2016), S. 226–228.
5.3 Untersuchungsdesign
331
Sektor
Wirtschaszweige (amtliche Stask)
Wirtschaszweige (Fragebogen)
Land-und Forstwirtscha, Fischerei (primärer Sektor)
Land-und Forstwirtscha
Land-und Forstwirtscha, Fischerei und Fischzucht
Produzierendes Gewerbe (sekundärer Sektor)
Bergbau und Gewinnung von Steinen und Erden
Fischerei und Fischzucht
Verarbeitendes Gewerbe
Verarbeitendes Gewerbe, Bergbau, Energie, Wasser, Baugewerbe
Energieversorgung Wasserversorgung, Entsorgung Baugewerbe Dienstleistungsbereiche Handel; Instandhaltung und (terärer Sektor) Reparatur von Krafahrzeugen
Handel, Verkehr, Gastgewerbe
Verkehr und Lagerei Gastgewerbe Informaon und Kommunikaon
Informaon und Kommunikaon
Finanz-und Versicherungsdienstleistungen
Banken, Versicherungen, Vermietung, Verpachtung
Grundstücks-und Wohnungswesen Erziehung und Unterricht Gesundheits-und Sozialwesen Freiberufliche, wissenschaliche und technische Dienstleistungen
Erziehung, Bildung, Gesundheits-und Sozialwesen Öffentliche und private Dienstleistungen, Unterneh mensdienstleistungen
Sonsge wirtschaliche Dienstleistungen Öffentliche Verwaltung, Verteidigung; Sozialversicherung Kunst, Unterhaltung und Erholung Häusliche Dienstleistungen
Abbildung 5.5 Verdichtung der Wirtschaftszweige im Fragebogen. (Quelle: Eigene Darstellung i. V. m. Statistisches Bundesamt (Hrsg., 2008); Statistisches Bundesamt (2015), S. 324)
332
5 Analyse des Umsetzungsstandes der Konzeption in der Praxis
Nicht erfasst worden sind von der Operationalisierung der Controllingkonzeption durch die Ausdifferenzierung der Elemente des Dienstleistungscontrollings die Kontextfaktoren. Sie müssen separat operationalisiert werden. Die Unternehmensgröße ist ein theoretisches Konstrukt und als solches empirisch nicht direkt messbar. Die latente, nicht direkt beobachtbare Variable „Unternehmensgröße“ muss deshalb in eine manifeste Variable übersetzt werden, welche die Unternehmensgröße indiziert.71 Gebräuchliche Klassifikationen bedienen sich der Bilanzsumme, des Umsatzes und/oder der Anzahl Mitarbeiter (Beschäftigte, Arbeitnehmer) als Indikatoren der Unternehmensgröße, z. B. die Klassifikationen des IFM Bonn, der EU-Kommission oder § 267 HGB.72 Zunehmende Verbreitung findet die in Abbildung 5.4 dargestellte Mittelstandsdefinition des Europäischen Kompetenzzentrums für Angewandte Mittelstandsforschung (EKAM).73 Gemessen wird der Kontextfaktor Unternehmensgröße demnach mit den Variablen Beschäftigte und Jahresumsatz.74 Sie wird im Folgenden verwendet. Bei dem Kontextfaktor der Branche handelt es sich um eine manifeste Variable. Sie ist für die Untersuchungseinheit Unternehmen feststellbar und kann von der Auskunftsperson (Befragungseinheit) angegeben werden. Die Einteilung der Branchen orientiert sich an der amtlichen Statistik.75 Um den Fragebogen nicht unnötig auszuweiten, wurden im Fragebogen die 20 Branchen der amtlichen Statistik auf sieben Branchen verdichtet (vgl. Abbildung 5.5).76 Durch die Verdichtung geht ein Teil der Detailtiefe in der Auswertung verloren. Jedoch bietet die Verdichtung immer noch eine ausreichend hohe Differenzierung, um auf den Einfluss verschiedener Branchen Rückschlüsse ziehen zu können. Der Vorteil einer höheren Teilnehmermotivation bei einem kurzen und prägnanten Fragebogen überwog bei der Branchenverdichtung den Nachteil eines möglichen Informationsverlustes.
71Vgl.
Schnell/Hill/Esser (2008), S. 131. Becker/Ulrich (2009), S. 3; Becker/Staffel/Ulrich (2008a), S. 13. 73Vgl. EKAM (2016b). 74Zur Begründung vgl. Becker et al. (2007), S. 30; Becker/Staffel/Ulrich (2008a), S. 14; Becker/Ulrich (2011), S. 28–32. 75Vgl. Statistisches Bundesamt (Hrsg., 2008). 76Diese Anpassung erfolgte auf Wunsch der Pre-Test Teilnehmer. 72Vgl.
5.3 Untersuchungsdesign
333
5.3.2.2 Auswahl des Skalierungsverfahrens „Unter Skalierung versteht man die Entwicklung eines Maßstabs (einer Skala) zur Messung der Merkmalsausprägungen bei den betrachteten Untersuchungseinheiten.“77 Bei einer Skala handelt es sich um eine strukturtreue bzw. homomorphe Abbildung des empirischen Relatives in das numerische Relativ.78 Die in sozialwissenschaftlichen Fragebögen gebräuchlichsten Skalentypen lassen sich nach Skalenniveau (Nominal-, Ordinal-, Intervall-, Verhältnisskala), Darstellungsart der Skalenmarken (verbalisierte vs. endpunktbenannte Skala), Anzahl der Skalenstufen (gerade vs. ungerade Skala), Richtung (von links nach rechts vs. von rechts nach links) und Dimensionalität (ein- vs. zweidimensionale Skala) einteilen.79 Der Fragebogen nutzt durchgehend 5-stufige Rating-Skalen.80 Rating-Skalen bieten den befragten Personen die Möglichkeit, ihre Einstellungen in mehr als zwei Antwortkategorien selbst einzustufen.81 Eine Stufenzahl von fünf hat sich dabei in der Praxis bewährt.82 Bei allen Skalen steht der niedrigste Wert auf der linken und der höchste Wert auf der rechten Seite.83 Die Skalenpunkte der Skalen sind verbalisiert, d. h. die Bedeutung jedes Skalenpunktes wurde angegeben. Als Antwortskalen wurden ein- und zweidimensionale Skalen verwendet: Eindimensionale Skalen für die Bewertung der Ziele, Funktionen, Aufgabenträger und des Erfolges des Dienstleistungscontrollings (stimme überhaupt nicht zu (1) – stimme eher nicht zu (2) – weder noch (3) – stimme eher zu (4) – stimme voll und ganz zu (5)), für die Häufigkeit der Nutzung von Controllinginstrumenten (nie (1) – gering (2) – mittel (3) – häufig (4) – sehr häufig (5)) und für die Wahrscheinlichkeit von Themenfeldern, die das Dienstleistungscontrolling zukünftig herauszufordern (sehr gering (1) – gering (2) – weder noch (3) – hoch (4) – sehr hoch (5)); zweidimensionale Skalen für die Beurteilung der Qualität der Aufgaben und Prozesse des Dienstleistungscontrollings (sehr schlecht (1) – eher
77Homburg
(2017), S. 308. Schnell/Hill/Esser (2008), S. 140. 79Vgl. Raab-Steiner/Benesch (2012), S. 56–61; Porst (2014), S. 71–97. 80Vgl. zu Rating-Skalen Greving (2009), S. 67–73. 81Vgl. Raab-Steiner/Benesch (2012), S. 56. 82Vgl. Döring/Bortz (2016), S. 249. 83Die Richtung von links nach rechts entspricht der allgemeinen Denkweise. Vgl. Porst (2014), S. 90. 78Vgl.
334
5 Analyse des Umsetzungsstandes der Konzeption in der Praxis
schlecht (2) – mittel (3) – eher gut (4) – sehr gut (5)) und für die Bewertung der Wichtigkeit von Dienstleistungsbesonderheiten (sehr unwichtig (1) – unwichtig (2) – weder noch (3) – wichtig (4) – sehr wichtig (5)). Von besonderer Bedeutung für die Datenanalyse ist das Skalenniveau. Das Skalenniveau bestimmt den Informationsgehalt der Daten und entscheidet über die Anwendbarkeit der Datenanalysemethoden. „Je höher das Skalenniveau ist, desto größer ist auch der Informationsgehalt der betreffenden Daten und desto mehr Rechenoperationen und statistische Maße lassen sich auf die Daten anwenden.“84 Es lassen sich vier verschiedene Skalenniveaus unterscheiden:85 • Bei der Nominalskala können die Ausprägungen eines Merkmals lediglich unterschieden werden. Die Variablen Position im Unternehmen, Branche und Zweck des Dienstleistungsangebotes werden durch Nominalskalen gemessen. • Ordinalskala (Rangskala): Zusätzlich zur Unterscheidung können die Merkmalsausprägungen der Merkmale in eine Rangordnung gebracht werden. • Intervallskala: Zusätzlich zur Rangordnung sind die Abstände zwischen den Merkmalsausprägungen eines Merkmals gleichgroß (gleichabständig bzw. äquidistant). • Verhältnisskala (Ratioskala): Unterscheiden sich von der Intervallskala dadurch, dass zusätzlich ein natürlicher Nullpunkt existiert. Die Anzahl der Mitarbeiter und der Jahresumsatz sind die einzigen Variablen des Fragebogens, die mit Verhältnisskalen gemessen werden. Die Intervall- und Verhältnisskala gelten als metrische Skalen bzw. Kardinalskalen, Nominal- und Ordinalskalen hingegen als nicht-metrische Skalen. Das Skalenniveau von Rating-Skalen ist umstritten.86 Messtheoretische Dogmatiker vertreten die Auffassung, auf Basis von Rating-Skalen erhobene Daten seien als ordinalskaliert zu betrachten, solange der Beweis gleicher Skalenabstände nicht erbracht wurde.87 Messtheoretische Pragmatiker behandeln die
84Backhaus
et al. (2016), S. 12. Bamberg/Baur/Krapp (2012), S. 6–7; Backhaus et al. (2016), S. 10–12. 86Vgl. Greving (2009), S. 72. 87Vgl. Backhaus et al. (2016), S. 12. 85Vgl.
5.3 Untersuchungsdesign
335
Daten dagegen wie intervallskalierte Daten.88 Letzteres ist z. B. in der Marktforschung üblich.89 Auf den Grundsatzstreit der beiden messtheoretischen Lager soll nicht näher eingegangen werden.90 Bei der Wahl der Bezeichnungen der Skalenpunkte wurde darauf geachtet, dass die Begriffe annähernd äquidistante bzw. gleichabständige Ausprägungen der Merkmale repräsentieren, so dass die Rating-Skalen als intervallskaliert aufgefasst werden können.91 Insofern wird hier eine pragmatische Position zum Skalenniveau von Rating-Skalen eingenommen.
5.3.2.3 Struktur und Konstruktionsprozess Der Fragebogen gliedert sich in drei Hauptbestandteile mit insgesamt 15 Fragen, wovon sich 10 Fragen inhaltlich auf das Dienstleistungscontrolling beziehen (vgl. Anhang 8.4). Der erste Teil umfasst den Titel des Fragebogens, die Zielsetzung der Umfrage und Hinweise zum Ausfüllen des Fragebogens. Der Titel des Fragebogens lautet „Dienstleistungscontrolling – Alles anders oder doch gleich?“. Auf dem Titelblatt sind die Anschrift des Lehrstuhls und der Ansprechpartner mit Telefonnummer und Mail-Adresse vermerkt.92 Nach dem Titelblatt wird die Zielsetzung der Studie erläutert. Es wird darauf hingewiesen, dass die Befragung insbesondere auf Führungskräfte, Mitarbeiter und Controller in Servicebereichen von Industriebetrieben (z. B. Kundendienst, Instandhaltung, Schulung, Wartung) und Organisationen in Dienstleistungsbranchen, wie z. B. Banken, Versicherungen, Gesundheitswesen, abzielt. Danach folgen Instruktionen zum Ausfüllen des Fragebogens. Für etwaige Rückfragen werden eine Kontaktmöglichkeit mit Telefonnummer und Mail-Adresse angegeben. Erwähnt wird die Einhaltung forschungsethischer Grundsätze (Vertraulichkeit der Daten, Anonymität) und die Incentives der Teilnahme (Zusendung der Studienergebnisse, Buchverlosung). Der zweite Teil des Fragebogens besteht aus zehn inhaltlichen Fragen. Die inhaltlichen Fragen orientieren sich strikt an den Elementen des Dienstleistungscontrollings aus Abschnitt 4.5. Jedem Element ist ein Fragenblock gewidmet. Gefragt wird nach den Zielen, Funktionen, Aufgaben, Aufgabenträgern, Instrumenten, Prozessen
88Vgl.
Döring/Bortz (2016), S. 250–251. Berekoven/Eckert/Ellenrieder (2009), S. 68; Homburg (2017), 309. 90Vgl. hierzu ausführlich Döring/Bortz (2016), S. 250–251, m.w.N. 91Vgl. Rohrmann (1978), S. 239–240. 92Das Titelblatt visualisiert das Thema Dienstleistungen, indem es ein Foto zeigt, auf dem ein Friseur einem kleinen Jungen die Haare schneidet. Das Foto stammt von Kleinhietpaß (2012), S. 45. Der Autor dankt der Controller Akademie für die Überlassung des Fotos. 89Vgl.
336
5 Analyse des Umsetzungsstandes der Konzeption in der Praxis
und dem Erfolg des Dienstleistungscontrollings. Das Objekt des Dienstleistungscontrollings wird mit einer Frage zum Dienstleistungsangebot adressiert. Darüber hinaus wird gefragt, ob die Unternehmen Dienstleistungsbesonderheiten bei der Gestaltung der Elemente berücksichtigen und nach den Zukunftsthemen des Dienstleistungscontrollings. Im dritten Teil werden die Teilnehmer um statistische Angaben gebeten. Teilnehmer können freiwillige Angaben zur Anschrift des Unternehmens, zur Position im Unternehmen, zur Branche sowie zum Umsatz und den Beschäftigten machen. Eine letzte Frage motiviert zur Teilnahme, indem sie eine Verlosung und die kostenlose Zusendung der Studienergebnisse in Aussicht stellt. Der Fragebogen endet mit einem Dankeschön. Ein vollstandardisierter Fragebogen „besteht überwiegend aus geschlossenen Fragen bzw. Aussagen mit Antwortvorgaben, so dass die Befragten die jeweils passenden Antwortalternativen auswählen können.“93 Von den 10 inhaltlichen Fragen wurden 7 geschlossen und 3 halboffen konstruiert.94 Ausschließlich geschlossene Fragen wurden für die Analyse der Ziele, Funktion, Aufgaben, Aufgabenträger, Prozesse, die Berücksichtigung von Dienstleistungsbesonderheiten und den Erfolg des Dienstleistungscontrollings verwendet. Bei diesen Fragen waren die Menge der möglichen Antwortkategorien bekannt und die Anzahl der Antworten nicht allzu groß. Anders verhielt es sich bei Fragen zum Dienstleistungsangebot, den Instrumenten und den zukünftigen Herausforderungen des Dienstleistungscontrollings. Zwar waren Inhalt und Anzahl der möglichen Antworten weitgehend bekannt, allerdings nicht immer abschließend. Aus diesem Grund wurde neben geschlossenen auf halboffene Fragen zurückgegriffen. Die Fragebogenitems bestanden bei den Fragen zum Dienstleistungsangebot, zu den Zielen, Funktionen, Aufgabenträgern und zum Erfolg des Dienstleistungscontrollings aus Aussagen plus Antwortvorgaben und bei den Aufgaben, Instrumenten, Prozessen und Herausforderungen des Dienstleistungscontrollings und der Berücksichtigung von Dienstleistungsbesonderheiten aus Fragen plus Antwortvorgaben. Bei der Gestaltung des Fragebogens wurde bewusst auf die Verwendung von Pflichtfragen verzichtet, da teilweise sensible sowie sehr themenspezifische Fragen gestellt wurden. Es kommt deshalb zu unterschiedlichen Nennungen in der Datenauswertung einzelner Variablen.
93Döring/Bortz 94Zu
(2016), S. 405. geschlossenen, halboffenen und offenen Fragen vgl. Porst (2014), S. 53–69.
5.3 Untersuchungsdesign
337
Der Fragebogen wurde in zwei Schritten konstruiert. Zuerst wurde im März 2015 ein Grobkonzept des Fragebogens gefertigt. Das Grobkonzept wurde mit zwei Fragebögen abgeglichen, die zuvor bereits bei Umfragen eingesetzt wurden. Abgeglichen wurde der Fragebogen mit dem Fragebogen der Impuls Management Consulting zur Umfrage des Umsetzungsstandes des Servicecontrollings und dem Fragebogen von Becker/Ulrich zur Erhebung des aktuellen Standes des Controllings in der Unternehmenspraxis.95 Im April 2015 begutachteten zwei mit empirischer Controllingforschung vertraute Experten den Fragebogen.96 Nach einer ersten Revision wurde das Feinkonzept des Fragebogens als Online-Fragebogen in der Cloud-Software Unipark der Firma Questback GmbH implementiert.97 Der Entscheidung Unipark zu verwenden, ging ein Auswahlprozess unter verschiedenen Online-Umfrage-Tools voraus. Die Auswahl bezog neben Unipark die Softwarpakete GrafStat, LimeSurvey, SoSci und SurveyMonkey ein.98 Ausschlaggebend für Unipark, waren letztlich die guten Erfahrungen am Lehrstuhl, die zahlreichen Referenzen in der wissenschaftlichen Forschung, die Möglichkeit sowohl die Datenerhebung als auch erste kleinere deskriptive Datenanalysen in einer Systemumgebung machen zu können sowie der Funktionsumfang und das Handling für Forscher und Befragte. Vom 22.06. bis zum 28.06. fand ein quantitativer Pretest als Online-Befragung mit insgesamt 12 Probanden aus der Praxis statt.99 Die Probanden füllten den Fragebogen vollständig aus.100 Fragen und Änderungswünsche konnten sie für jede einzelne Frage in der Online-Umfrage hinterlegen oder persönlich an den Autor richten. Auf der Grundlage der Rückmeldungen der Pretest-Teilnehmer wurde der Fragebogen erneut überarbeitet. Deutlich wurde der Umfang des Fragebogens gestrafft,
95Vgl.
Impuls Management Consulting (2005), S. 164–169; Becker/Ulrich (2015). Fragebogenkonferenz als Form des Pretests vgl. Döring/Bortz (2016), S. 411. Der Autor bedankt sich herzlich bei Dr. Christian Kunz und Prof. Dr. Patrick Ulrich für ihre Bereitschaft, das Grobkonzept des Fragebogens durchzusehen. 97Der Autor bedankt sich auf das Herzlichste bei M.Sc. Ivan-Matijas Stojic für die Unterstützung bei der Umsetzung des Fragebogens in der Software und bei der Durchführung der Umfrage. 98Vgl. Kornmeier (2007), S. 165–166. 99Zu Formen des Pretests zur Evaluierung des Fragebogenentwurfs s. Porst (2014), S. 189– 205. 100Bei den Probanden handelte es sich zum größten Teil um praktizierende ServiceController der SAP und Führungskräfte aus dem Service- und Supportbereich der SAP. 96Zur
338
5 Analyse des Umsetzungsstandes der Konzeption in der Praxis
um die anvisierte Bearbeitungszeit von 15 Minuten einzuhalten.101 Außerdem wurden Fragen eliminiert, die nicht zur Beantwortung der Forschungsfragen beitrugen, insbesondere statistische Angaben. Manche Fragen und Aussagen wurden verständlicher formuliert.
5.3.2.4 Gütekriterien der Messung Unter Messung versteht die quantitative Forschung die Zuordnung von Zahlen (Messwerten) zu einer bestimmten Ausprägung eines Merkmals nach festgelegten Regeln.102 Das Ergebnis der Messung sind Daten: „Daten sind zahlenmäßig erfasste Merkmalsausprägungen von Untersuchungseinheiten (Merkmalsträger), mit anderen Worten Messwerte einer bestimmten Variable bzw. eines bestimmten Merkmals.“103 Die klassische Testtheorie unterscheidet drei Gütekriterien für Messungen: Objektivität, Reliabilität und Validität.104 Im Folgenden wird beurteilt, inwieweit die Messungen mittels des Fragebogens diese Gütekriterien erfüllen und welche Maßnahmen ergriffen wurden, um eine möglichst hohe Güte zu erreichen. Objektivität einer Messung liegt vor, wenn verschiedene Personen unabhängig voneinander mit demselben Messinstrument die Messung durchführen und dabei zum gleichen Messergebnis gelangen.105 Bei objektiver Messung ist das Messergebnis somit unabhängig von der Person desjenigen, der das Messinstrument einsetzt.106 In der empirischen Forschung werden nach dem Ablauf des Messvorganges drei Arten der Messobjektivität unterschieden:107 • Durchführungsobjektivität: Je weniger der Untersuchungsleiter die Auskunftsperson bei der Beantwortung der Fragen beeinflusst, desto objektiver ist die Messung.
101Hennig-Thurau/Dallwitz-Wegner (2002), S. 314, empfehlen 15–20 Minuten für die Fragenbogenlänge bei Online-Befragungen, Döring/Bortz (2016), S. 415, 10–15 Minuten. 102Vgl. Schnell/Hill/Esser (2008), S. 138. 103Homburg (2017), S. 255. 104Vgl. Diekmann (2008), S. 247–261; Himme (2009); Töpfer (2012), S. 233–236. Erichson (2007), Sp. 541–542, nennt als weiteres Kriterium die Praktikabilität und meint damit die Durchführbarkeit unter wirtschaftlichen oder zeitlichen Gesichtspunkten. 105Vgl. Himme (2009), S. 485. 106Vgl. Töpfer (2012), S. 233. 107Vgl. Berekoven/Eckert/Ellenrieder (2009), S. 80.
5.3 Untersuchungsdesign
339
• Auswerteobjektivität: Je weniger Freiheitsgrade der Untersuchungsleiter bei der Auswertung der Daten hat, desto objektiver ist die Messung. • Interpretationsobjektivität: Je weniger Freiheitsgrade der Untersuchungsleiter bei der Interpretation der Messergebnisse hat, desto objektiver ist die Messung. Aufgrund der Standardisierung wird bei vollstandardisierten Fragebögen in der Regel davon ausgegangen, dass sie das Kriterium der Durchführungsobjektivität erfüllen.108 Im Pretest wurde deshalb darauf verzichtet, einen zweiten Testleiter zu benennen, den Fragebogen zweifach von den Probanden ausfüllen zu lassen und mit der Korrelation das Ausmaß der Übereinstimmung auszurechnen. Die Auswerteobjektivität wird durch die Dokumentation der Datenaufbereitung und der angewandten statistischen Methoden gewährleistet.109 Die Interpretation der Messergebnisse zum Dienstleistungscontrolling können subjektiven Bewertungen des Autors unterliegen, so dass sich eine vollständige Interpretationsobjektivität nicht herstellen lässt. Reliabilität (Zuverlässigkeit) liegt vor, wenn eine Messung mit demselben Messinstrument unter sonst gleichen Bedingungen mehrmals durchgeführt wird und dabei stets zum gleichen Messergebnis führt (Reproduzierbarkeit). Reliabilität ist somit ein Maß für die Freiheit der Messung von zufälligen Messfehlern.110 Die klassische Testtheorie unterscheidet mehrere Verfahren um die Zuverlässigkeit einer Skala bzw. die Indikatorreliabilität zu überprüfen: Wiederholungsreliabilität, Paralleltest-Reliabilität, Split-Half-Reliabilität und Cronbach Alpha.111 Ihre Anwendung für den Fragebogen scheitert, weil die verwendeten Ratingskalen keine Gruppe von Indikatoren sind, die einen Faktor messen, sondern unternehmensspezifisch ausgeprägte Elemente des Dienstleistungscontrollings erfassen. Die Berechnung des Cronbach Alpha hätte keine Aussagekraft.112
108Vgl.
Döring/Bortz (2016), S. 442–443; ähnlich Diekmann (2008), S. 249. Krebs/Menold (2014), S. 426–427; sowie Abschnitt 5.3.4. 110Vgl. Himme (2009), S. 485; Schnell/Hill/Esser (2008), S. 154. 111Vgl. Himme (2009), S. 487–491. 112Vgl. Krebs/Menold (2014), S. 433. Mit der SPSS Prozedur Analysieren/Skala/Reliabilitätsanalyse lässt sich beispielsweise für die 11 Items zu den Aufgaben des Dienstleistungscontrollings ein Cronbach Alpha von 0,88 berechnen (120 gültige Fälle). Obwohl die 11 Items korrelieren, handelt es sich nicht um äquivalente Indikatoren einer latenten Variablen „Aufgaben des Dienstleistungscontrollings“, sondern um eine Bündelung einzelner Teilaufgaben des Dienstleistungscontrollings. 109Vgl.
340
5 Analyse des Umsetzungsstandes der Konzeption in der Praxis
Validität (Gültigkeit) liegt vor, wenn das Messinstrument tatsächlich den Sachverhalt misst, den es messen soll.113 Nach der Formel von Churchill114 ist ein Messinstrument umso valider, je weniger die Messung von zufälligen und systematischen Messfehlern beeinflusst wird.115 Zur Validierung der Validität von Messinstrumenten stehen ebenfalls verschiedene Verfahren zur Verfügung. Während die Messinstrumente bei experimentellen Studien auf interne und externe Validität geprüft werden, kommen bei nicht-experimentellen Studien – wozu die eigene Studie als Feldstudie gehört – drei Formen der Validitätsprüfung zur Anwendung:116 • Inhaltsvalidität: Inhaltliche Validität liegt vor, wenn das Messinstrument die theoretisch-begrifflichen Bedeutungsinhalte (z. B. Dimensionen) des zu messenden Konstruktes vollständig erfasst. • Kriteriumsvalidität: Besteht ein enger kausaler Zusammenhang zwischen dem zu messenden Konstrukt und einem externen Kriterium, so gilt die Messung als valide, wenn die erhobenen Messwerte mit den Messwerten des externen Kriteriums korrelieren. • Konstruktvalidität: Konstruktvalidität liegt vor, wenn ein theoretischer Ursache-Wirkungs-Zusammenhang (erklärende Theorie) über empirische Relationen zwischen Indikatoren, die das theoretische Konstrukt messen, nachgewiesen werden kann. Das Gütemaß der Konstruktvalidität kommt vornehmlich bei konfirmatorischen Forschungsdesigns zur Anwendung.117 Konfirmatorische Forschungsdesigns – insbesondere Strukturgleichungsmodelle – greifen zur Datenerhebung auf aufwendig konstruierte M ulti-Item-Skalen zurück und prüfen mit statistischen Testverfahren formal die Güte von Strukturgleichungsmodellen auf den Ebenen Indikator, Konstrukt und Modell. Zur Beurteilung der Reliabilität und Validität reflektiver Konstrukte kommen Datenanalyseverfahren wie die Reliabilitätsanalyse (z. B. Cronbach Alpha, Item-to-Total Korrelation), explorative Faktorenana-
113Vgl.
Schnell/Hill/Esser (2008), S. 154. Churchill (1979) 115Vgl. Balderjahn (2003), S. 131. 116Vgl. Balderjahn (2003), S. 131–132; Schwaiger (2007), Sp. 342; Schnell/Hill/Esser (2008), S. 154–156; Himme (2009), S. 491–494. 117Vgl. Balderjahn (2003), S. 132–134. 114Vgl.
5.3 Untersuchungsdesign
341
lyse (z. B. erklärter Varianzanteil, Faktorladung) und die konfirmatorische Faktorenanalyse (z. B. Faktorreliabilität, statistischer Signifikanz der Faktor ladungen) zum Einsatz.118 Das quantitative Forschungsdesign der eigene Studie ist demgegenüber deskriptiv-explorativ gestaltet, nutzt Ratingskalen statt LikertSkalen, misst keine latenten Konstrukte, wie z. B. Macht oder Vertrauen, sondern direkt den Umsetzungsstand einzelner Elemente des Dienstleistungscontrolling in der Praxis. Ein externes Kriterium, wie es in der Kriteriumsvalidität Anwendung findet, mit dem die Messwerte zum Dienstleistungscontrolling verglichen werden könnten, scheidet ebenfalls aus. Aufgrund des deskriptiv-explorativen Forschungsdesigns und des Fehlens eines geeigneten externen Kriteriums muss der Fragebogen inhaltlich validiert werden. Zur Beurteilung der Inhaltsvalidität existieren keine objektivierbaren, quantitativen Validitätswerte.119 Aus diesem Grund wird die Inhaltsvalidität des Fragebogens qualitativ beurteilt, d. h. die Gültigkeit der Messung wird durch Augenschein („face validity“) festgestellt.120 Krebs/Menold geben zu bedenken, dass mit der Inhaltsvalidität die Forderung einer „möglichst umfassenden und intersubjektiv nachvollziehbaren Operationalisierung eines theoretischen Konstrukts“121 verbunden ist. Mit der Konzeptualisierung und Operationalisierung des Dienstleistungscontrollings ist dieser Forderung entsprochen worden.122 Darüber hinaus sind im Zuge der Fragebogenkonstruktion verschiedene Maßnahmen zur Sicherung der Reliabilität und Validität ergriffen worden. Mit der Konzeption des Dienstleistungscontrollings basiert der Fragebogen auf einem theoretisch-konzeptionellen Bezugsrahmen aus dem die Fragen inhalts- und strukturtreu deduziert wurden. Der Fragebogen wurde mit Items anderer Fragebögen verglichen, mit denen zuvor bereits ähnliche Konstrukte gemessen wurden. Durchgängig wurden 5-stufige Rating-Skalen (Skala von 1 bis 5) verwendet, um den Testpersonen ein häufiges Umdenken zwischen unterschiedlichen Antwortformaten zu ersparen. Experten aus der Controllingforschung begutachteten
118Vgl. Homburg/Giering (1996); Eberl/Zinnbauer (2005); Zinnbauer/Eberl (2005); Ebert/ Raithel (2009); Backhaus/Erichson/Weiber (2015), S. 142–151. 119Vgl. Balderjahn (2003), S. 131. 120Vgl. Krebs/Menold (2014), S. 431. 121Krebs/Menold (2014), S. 431 (kursiv im Original). 122Vgl. Abschnitt 4.5 und Abschnitt 5.3.2.1.
342
5 Analyse des Umsetzungsstandes der Konzeption in der Praxis
den Fragebogen. Im Pretest überprüften Controller und Führungskräfte aus der Praxis den Fragebogen. Woraufhin er mehrmals revidiert wurde, um die Fragen und Antwortkategorien klar, verständlich und passgenau zu den interessierenden Forschungsfragen sowie dem Arbeitsumfeld und dem Bildungsniveau der Zielgruppe zu formulieren. Fragen, die nicht unmittelbar für die Beantwortung der Forschungsfragen notwendig waren, wurden eliminiert, um die angestrebte Ausfüllzeit von 15 Minuten einzuhalten. Bei den befragten Personen – Führungskräfte, Mitarbeiter und Controller in Dienstleistungsbereichen – ist zudem davon auszugehen, dass sie über die erforderlichen Kompetenzen verfügen, um Fragen zum Controlling in Dienstleistungsbereichen sachgerecht beantworten zu können.123
5.3.3 Datenerhebung Nach der Konstruktion des Messinstrumentes im vorherigen Abschnitt, befasst sich Abschnitt 5.3.3 mit der Datenerhebung. In Abschnitt 5.3.3.1 wird erläutert, wie die befragte Auswahlgesamtheit festgelegt wurde. Abschnitt 5.3.3.2 geht auf die Durchführung der Befragung und den erzielten Rücklauf ein. Die Bewertung der Güte der erhobenen Daten erfolgt in Abschnitt 5.3.3.3.
5.3.3.1 Festlegung der Auswahlgesamtheit Die empirische Studie untersucht den Umsetzungsstand des Dienstleistungscontrollings in deutschen Unternehmen. Untersuchungseinheit ist demzufolge das Unternehmen mit Firmensitz in der Bundesrepublik Deutschland, das Dienstleistungscontrolling praktiziert. Erhebungseinheit sind Führungskräfte und Mitarbeiter im Controlling und in Dienstleistungs- bzw. Servicebereichen dieses Unternehmens, die Auskunft zum Stand des Dienstleistungscontrollings in ihrem Unternehmen geben können.124 Die Zielpopulation umfasst alle Unternehmen mit Firmensitz in Deutschland, die Dienstleistungscontrolling ausüben. Wie viele Untersuchungseinheiten das genau sind, ist unbekannt. Als Auswahlgrundlage für die Ermittlung
123Das diese Zielgruppe erreicht wurde, zeigt die Zusammensetzung der Stichprobe in Abschnitt 5.4.1. 124Zur Unterscheidung von Untersuchungs- und Erhebungseinheit vgl. Diekmann (2007), S. 376.
5.3 Untersuchungsdesign
343
der E-Mail-Adressen wurde die Hoppenstedt Firmendatenbank verwendet. Der Zugriff auf die Hoppenstedt Firmendatenbank erfolgte über die Datenbank Nexis (früher: LexisNexis) mit der Suchmaske „Deutsche Firmeninformationen“ und der Quelle „Hoppenstedt Firmenprofile“ (bzw. „Bisnode Firmenprofile“). Die Hoppenstedt Firmendatenbank mit dem Zugang über Nexis enthält Geschäftsdaten, z. B. Anschrift, E-Mail-Adresse, Jahresumsatz, Beschäftigte, von mehr als 150.000 deutschen Firmen ab 1 Mio. EUR Jahresumsatz und mehr als 20 Beschäftigte. Da in der Regel größere Unternehmen eigene Controllerstellen einrichten, wurde die Suche auf Unternehmen ab 250 Beschäftigte und mehr als 25 Mio. EUR Jahresumsatz eingegrenzt.125 Ferner möchte die Analyse herausfinden, ob sich das Dienstleistungscontrolling von produzierenden Unternehmen und das Controlling von Dienstleistungsbetrieben unterscheiden. Es steht zu vermuten, dass Produzenten erst mit wachsendem Dienstleistungsgeschäft und ab einer gewissen Unternehmensgröße ein eigenständiges Dienstleistungscontrolling neben dem industriell geprägten Controlling aufbauen.126 Am 03. Juli 2015 wurden 10.360 Adressstammsätze aus der Hoppenstedt Firmendatenbank auf Excel heruntergeladen. Weil die Hoppenstedt Firmendatenbank den Download von Adressen über Nexis auf 3.000 Adressstammsätze pro Downloadvorgang begrenzt, waren hierzu vier Einzeldownloads notwendig. Bei der Adressabfrage wurde der Zeitraum der Abfrage nicht eingeschränkt, so dass manche Unternehmen mehrfach genannt wurden. Nach dem Download in Excel wurden die Dubletten bereinigt und Adressstammsätze eliminiert, die keine oder keine gültigen E-Mail-Adressen enthielten. 300 Mailadressen wurden nachrecherchiert und nachgepflegt. Bereinigt verblieben 8.780 Unternehmensanschriften mit E-Mail-Adressen in der Auswahlgesamtheit.127 Sie wurden per Excel Upload in Unipark importiert.
125Vgl. Becker/Ulrich (2013), S. 35–49; Becker/Ulrich/Botzkowski (2016), S. 596–598. Schmeken (2007), S. 133, wählt 25 Mio. EUR Umsatz für die Auswahl strategischer Geschäftseinheiten. 126Vgl. Sanche (2002), S. 126. In der Studie von Impuls Management Consulting (2005), S. 45, gab ein hoher Anteil der teilnehmenden Unternehmen (EE: 43 %; MA: 38 % MA; ITK: 37 %) an, lediglich ein fragmentiertes oder kein einheitliches ServicecontrollingSystem zu haben. 127Die Auswahlgesamtheit enthält alle Untersuchungseinheiten, die eine Chance haben, in die Stichprobe zu gelangen. Vgl. Schnell/Hill/Esser (2008), S. 271.
344
5 Analyse des Umsetzungsstandes der Konzeption in der Praxis
5.3.3.2 Durchführung und Rücklauf Die Datenerhebung wurde als Vollerhebung der Auswahlgesamtheit durchgeführt.128 Am 05. Oktober 2015 wurden die 8.780 Unternehmen der Auswahlgesamtheit mit einem persönlichen Anschreiben per E-Mail zur Teilnahme an der Umfrage eingeladen. Im Einladungsmail wurde darauf hingewiesen, dass der Lehrstuhl für Unternehmensführung & Controlling der Universität Bamberg im Rahmen einer Doktorarbeit eine Umfrage zum Umsetzungsstand des Dienstleistungscontrollings in der Unternehmenspraxis durchführt. Ebenfalls erwähnt wurde, dass sich die Umfrage sowohl auf das Controlling in Dienstleistungsbetrieben, wie z. B. Banken, Versicherungen, Pflegeeinrichtungen, Bildungseinrichtungen, als auch auf das Controlling in Servicebereichen von Industriebetrieben, wie Kundendienst, Instandhaltung, Schulung, Wartung, bezieht. Herausgestellt wurde im Anschreiben, dass für das Ergebnis der Studie insbesondere Meinungen von Controllern und Managern interessant sind, die für das Dienstleistungsgeschäft im jeweiligen Hause zuständig sind. Gebeten wurde um eine entsprechende Weiterleitung an die zuständigen Kolleginnen und Kollegen. Das Einladungsmail enthielt einen Link mit Passwort zu dem Online-Fragebogen in Unipark. Durch Betätigen des Links riefen die Teilnehmer den Fragebogen vom U nipark-Server auf. Über ihren eigenen Browser konnten sie direkt online die Fragen beantworten. Gespeichert wurden die Daten sofort nach Eingabe in der Unipark-Datenbank.129 Ein Fortschrittsbalken informierte die Teilnehmer über den verbleibenden Restaufwand bis zur erfolgreichen Beendigung der Umfrage. Teilnehmen konnten die Unternehmen vom 05. bis zum 31. Oktober 2015. Abschließend bedankte sich der Autor für die Teilnahme an der Umfrage. Für Rückfragen wurde die E-Mail-Adresse und Telefonnummer des Autors notiert. Um die Rücklaufquote zu steigern, wurden am 19. Oktober 2015 und am 28. Oktober 2015 jeweils Mails an diejenigen Unternehmen versendet, die bis zu diesen Zeitpunkten nicht teilgenommen oder die Umfrage abgebrochen hatten. Ausgenommen von der E-Mail-Aktion waren die 289 Unternehmen, die ihre Teilnahme als Reaktion auf das Einladungsmail absagten. In dem Erinnerungsschreiben wurde an das baldige Ende der Umfrage erinnert und um die Teilnahme gebeten.
128Vgl.
ähnlich Amshoff (1993), S. 37. (2007), S. 562, bezeichnen diese Form der webbasierten Befragung als Mischform, bei der die Ansprache über E-Mail und die Datenerhebung webbasiert erfolgt. 129Kuckertz/Lomberg
5.3 Untersuchungsdesign
345
Einladungen (potentielle Teilnehmer): Gesamtsample (erste Seite angeschaut): Nettobeteiligung: 129
8.780 482
235
Teilnahmequote:
5,5%
Ausschöpfungsquote: 48,8%
106 abgebrochen: 45,1% beendet:
54,9% Rücklaufquote:
1,5%
Abbildung 5.6 Berechnung der Rücklaufquote. (Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an die Darstellungen bei Becker/Ebner (2012), S. 9; Becker/Ulrich/Güler (2015), S. 12; Ebner (2015), S. 15)
Nach Beendigung der Umfrage wurden 482 einzelne Datensätze von Unipark in die Datenanalysesoftware IBM SPSS Statistics 24 exportiert. Die Datensätze wurden in SPSS zunächst bereinigt. Als erstes wurden überflüssige Variablen in der Variablenansicht gelöscht. Dann wurden in der Datenansicht Datensätze gelöscht, die keine verwertbaren Einträge enthielten. Sie stammten von Testpersonen, die den Fragebogen zwar teilweise oder vollständig angeschaut hatten, jedoch keinerlei Angaben machten. Als zweites wurden Datensätze für einzelne Variablen nachbearbeitet. Bei der halboffenen Frage nach dem Zweck des Dienstleistungsangebotes füllten 17 Probanden den Freitext aus. Die Textanalyse ergab, dass sich die von den Probanden eingegebenen Zwecke eindeutig den geschlossenen Antwortkategorien zuordnen ließen. Die geschlossenen Antwortkategorien wurden deshalb gemäß den Angaben im Freitext nachgepflegt. Analog wurde bei den Freitexteingaben der Testpersonen zu den Variablen „Position im Unternehmen“ und „Branche des Unternehmens“ verfahren. Dort, wo eine Antwortkategorie zugeordnet werden konnte, wurde diese nachgepflegt. Die Angaben zu den Umsätzen und den Beschäftigten der Unternehmen mussten ebenfalls überarbeitet werden. Manche Respondenten hatten im Freitext – trotz Vorgabe – andere Maßeinheiten verwendet (z. B. Tsd. statt Mio. EUR). Nach der Datenbereinigung verfügte die Stichprobe über 235 Datensätze von Testpersonen, die mindestens eine Frage beantwortet hatten (Nettobeteiligung). Von den 8.780 eingeladenen Unternehmen griffen 482 über den Link zu Unipark auf die Startseite des Fragebogens zu.130 Dies entspricht einer Teilnahmequote 130Quelle:
Unipark Statistik/Feldbericht sowie Excel Download aus Unipark.
346
5 Analyse des Umsetzungsstandes der Konzeption in der Praxis
von 5,5 %. Fragen beantworteten 235 Teilnehmer.131 Bezogen auf die 482 Teilnehmer beläuft sich die Ausschöpfungsquote damit auf 48,8 %.132 Von den 235 Teilnehmern, die Fragen beantworteten, brachen 106 vorzeitig ab oder füllten den Fragebogen unvollständig aus. 129 Teilnehmer beendeten den Fragebogen vollständig ausgefüllt. Das entspricht bezogen auf 8.780 eingeladene Unternehmen einer Rücklaufquote von 1,5 %.133 Im Mittel beantworteten die Teilnehmer den Online-Fragebogen in 15 Minuten (arithmetische Mittel: 15 Minuten 38 Sekunden; Median: 13 Minuten 47 Sekunden). Die Abbildung 5.6 stellt die Berechnung der Rücklaufquote dar.
5.3.3.3 Güte der erhobenen Teilgesamtheit Die Güte einer Stichprobe wird im allgemeinen anhand des Kriteriums der Repräsentativität (Generalisierbarkeit, Verallgemeinerbarkeit) beurteilt.134 Der Begriff der Repräsentativität wird in der Literatur unterschiedlich weit ausgelegt.135 Schnell/Hill/Esser fordern den Begriff der Repräsentativität nur zu benutzen, wenn die Stichprobe mit dem Auswahlprinzip der Zufallsauswahl gezogen wurde.136 Rein statistisch betrachtet liegt eine Zufallsausfall vor, wenn jedes Element der Grundgesamtheit bei der Ziehung die gleiche Chance erhält, in die Stichprobe zu gelangen. Die Statistik verzichtet folglich auf den Begriff der Repräsentativität: In der Statistik ist jede Stichprobe eine Zufallsstichprobe. Die Datenerhebung wurde als Vollerhebung konzipiert: Listenbasiert wurden alle Unternehmen der Auswahlgesamtheit per E-Mail angeschrieben, wobei nachweislich ein hoher E-Mail-Abdeckungsgrad vorlag. Der Rücklauf ist somit kein Rücklauf einer Zufallsstichprobe, sondern der zufällige Rücklauf einer kontaktierten Auswahlgesamtheit. Weil keine „echte“ Zufallsstichprobe vorliegt, muss streng genommen auf die Verwendung inferenzstatistischer Methoden (z. B. Schätz- und Testtheorie) verzichtet werden:137 „Die Stichprobenziehung ist (nicht nur) bei Online-Befragungen ein sehr komplexer Vorgang. Es ist praktisch
131Quelle:
Datensatz in IBM SPSS Statistics 24 nach Datenbereinigung. Berechnung der Ausschöpfungsquote vgl. Diekmann (2008), S. 418–426. 133Zur Berechnung der Rücklaufquote vgl. Töpfer (2012), S. 234. 134Vgl. Töpfer (2012), S. 234–236. 135Vgl. Lippe/Kladroba (2002), S. 139–140. 136Vgl. Schnell/Hill/Esser (2008), S. 304–305. 137Vgl. Lippe/Kladroba (2002), S. 144. 132Zur
5.3 Untersuchungsdesign
347
unmöglich, eine echte Zufallsstichprobe zu erzielen, da zu Coverage-Problemen Totalausfälle, fehlende Werte und Abbrüche hinzukommen, so dass die Stichprobenqualität bei vielen O nline-Befragungen zweifelhaft ist und zumindest auf die Inferenzstatistik verzichtet werden sollte.“138 Wenn im weiteren Verlauf von Stichprobe gesprochen wird, ist damit nicht die Zufallsstichprobe im statistischen Sinne gemeint, sondern der Rücklauf der Vollerhebung. Anwendungsorientierter als die Statistiker legen Berekoven/Ecker/Ellenrieder den Begriff der Repräsentativität für die Marktforschung aus: „Eine Teilmasse ist repräsentativ, wenn sie in der Verteilung aller untersuchungsrelevanten Merkmale der Gesamtmasse entspricht, d. h. ein zwar verkleinertes, aber sonst wirklichkeitsgetreues Abbild der Gesamtheit darstellt.“139 Problematisch an dieser Auslegung: Die Verteilung der untersuchungsrelevanten Merkmale in der Grundgesamtheit ist oftmals unbekannt.140 In der Auswahlgesamtheit der eigenen Erhebung ist zumindest die Branche bekannt. Der Vergleich der Branchenverteilung zwischen Auswahlgesamtheit und Stichprobe in Abbildung 5.7 legt gewisse Verzerrungen offen. So ist das Produzierende Gewerbe mit 31,8 % anteilig geringer in der Stichprobe vertreten als in der Auswahlgesamtheit mit 46,8 %. Das bedeutet umgekehrt: Unternehmen aus Dienstleistungsbranchen sind mit 59,6 % in der Stichprobe stärker vertreten als in der Auswahlgesamtheit mit 50,2 %. Überrepräsentiert sind Unternehmen der Branchen Information und Kommunikation, Banken, Versicherungen, Vermietung, Verpachtung, Erziehung, Bildung, Gesundheits- und Sozialwesen, unterrepräsentiert dagegen Handel, Gastgewerbe, Verkehr; in etwa gleich häufig vertreten sind öffentliche und private Dienstleister sowie Unternehmensdienstleister. Die höhere Teilnahmebereitschaft von Dienstleistungsbetrieben kann ein Indiz dafür sein, dass das Thema Dienstleistungscontrolling die Dienstleistungsbetriebe eher anspricht als produzierende Unternehmen. Möglich wäre es zudem, dass sich in der Auswahlgesamtheit Produzierende Unternehmen befinden, die kein Dienstleistungscontrolling aufgebaut haben und sich dieses Coverage-Problem in der Stichprobe widerspiegelt.
138Baur/Florian
(2009), S. 126.
139Berekoven/Eckert/Ellenrieder 140Vgl.
(2009), S. 45 (im Original hervorgehoben). Lippe/Kladroba (2002), S. 139–140.
348
5 Analyse des Umsetzungsstandes der Konzeption in der Praxis
Auswahlgesamtheit
Wirtschaftszweig(e)
abs.
%
Stichprobe %
abs.
Land- und Forstwirtschaft, Fischerei
10
0,1
1
0,8
Verarbeitendes Gewerbe, Bergbau, Energieversorgung, Wasserversorgung, Baugewerbe
4.108
46,8
41
31,8
Handel, Gastgewerbe, Verkehr
1.608
18,3
18
14,0
Information und Kommunikation
385
4,4
11
8,5
Banken, Versicherung, Vermietung, Verpachtung
138
1,6
7
5,4
Erziehung, Bildung, Gesundheits-und Sozialwesen
831
9,5
21
16,3
Öffentliche und private Dienstleistungen, Unternehmensdienstleistungen
1.451
16,4
20
15,5
Nicht zugeordnet
249
2,9
10
7,8
Gesamt
8.780
100
129
100
Abbildung 5.7 Absoluter und relativer Anteil der Unternehmen nach Branchen. (Quelle: Auswahlgesamtheit: Hoppenstedt-Firmendatenbank, Zugang über Nexis, Unternehmen mit mehr als 250 Beschäftigten und 25 Mio. EUR Umsatz und gültiger E-Mail-Adresse; Stichprobe: Rücklauf der Online-Umfrage)
Welche Ursachen haben die unterschiedlichen Verteilungen? Baur/Florian nennen drei Hauptgründe für Stichprobenprobleme bei Online-Umfragen: • Abdeckungsfehler (coverage error), • vollständige Antwortausfälle (Unit-Nonresponse) und • partielle Antwortausfälle (Item-Nonresponse).141 Zwischen der unbekannten Zielpopulation und den 8.780 Unternehmen der Auswahlgesamtheit ergibt sich ein Abdeckungsfehler (coverage error).142 Ein Unterabdeckungsfehler (undercoverage) besteht dahingehend, dass die Auswahlgesamtheit Dienstleistungscontrolling praktizierende Unternehmen mit weniger als 250 Beschäftigen und 25 Mio. EUR Umsatz nicht erfasst. Wie viele das sind, 141Vgl. 142Vgl.
Baur/Florian (2009), S. 111–125. auch Döring/Bortz (2016), S. 295.
5.3 Untersuchungsdesign
349
lässt sich nicht prognostizieren. Der Unterabdeckungsfehler wegen Nichterreichbarkeit ist mit 6 % der 10.360 Unternehmensadressen relativ gering. Lediglich 475 Unternehmen hatten keine, 148 keine gültige E-Mail-Adresse. Ein Überabdeckungsfehler (overcoverage) kann insofern vorliegen, dass die Auswahlgesamtheit Unternehmen mit mehr als 250 Beschäftigten und 25 Mio. EUR Umsatz erfasst, die kein Dienstleistungscontrolling wahrnehmen. Ihr Anteil in der Auswahlgesamtheit lässt sich ebenfalls nicht quantifizieren. Eine Mehrfachnennung von Unternehmen kann wegen der Bereinigung von Dubletten ausgeschlossen werden. 482 Unternehmen der Auswahlgesamtheit klickten die erste Seite des Fragebogens an (Teilnahmequote: 5,5 %). Fragen beantworteten davon 235, so dass der vollständige Antwortausfall (Unit-Nonresponse) bei 8.545 Unternehmen (97,3 %) lag.143 Zur Erhöhung der Rücklaufquote wurden verschiedene Maßnahmen umgesetzt.144 So wurden die Unternehmen der Auswahlgesamtheit mehrmals kontaktiert, Befragungsanreize offeriert und ein nicht zu langer Fragebogen verwendet. Dennoch verzeichnet die Online-Umfrage einen hohen Anteil an vollständigen Antwortausfällen. Niedrige Rücklaufquoten sind bei Online-Befragungen keineswegs ungewöhnlich.145 Baur/Florian halten sie für problematisch, weil sie in der Regel mit systematischen Verzerrungen einhergehen, d. h. Teilnehmer systematisch ein anderes Antwortverhalten zeigen, als Nicht-Teilnehmer.146 Ob die Antwortausfälle auf nicht zustande gekommene Kontakte oder auf Verweigerungen rückzuführen sind, lässt sich schwer nachvollziehen. Beide Ursachen dürften aber aufgetreten sein. Kontakte dürften nicht zustande gekommen sein, weil die E-Mail nicht an die zuständigen Stellen im Hause weitergleitet worden sind. Auf einen hohen Anteil an Verweigerungen deuten die Begründungen der Unternehmen hin, die nach dem Einladungsmail ihre Teilnahmen absagten. Häufigste Verweigerungsgründe waren fehlende Zeit, Desinteresse, die Vielzahl an Umfragen, welche die Unternehmen mittlerweile
143Von den 482 Teilnehmern, welche die erste Seite der Umfrage aufriefen, brachen 353 Teilnehmer (73 %) die Umfrage ab. 106 Teilnehmer (22 %) brachen den Fragebogen nach der ersten, 274 (57 %) nach den ersten vier Seiten ab. 144Vgl. Kornmeier (2007), S. 165; Engel/Schmidt (2014), S. 338. 145Vgl. Schnell/Hill/Esser (2008), S. 381; Maurer/Jandura (2009), S. 66–67. 146Vgl. Baur/Florian (2009), S. 119.
350
5 Analyse des Umsetzungsstandes der Konzeption in der Praxis
erreichen, und die Unternehmenspolitik, grundsätzlich nicht (mehr) an Umfragen teilzunehmen.147 Von den 235 Teilnehmern, die Fragen beantworteten, füllten 129 Teilnehmer den Fragebogen vollständig aus. In der Datenanalyse wurden nur die 129 vollständig ausgefüllten Fragebögen berücksichtigt. Vollständig ausgefüllt bedeutet, dass die 129 Teilnehmer alle zehn inhaltlichen Fragenblöcke ausgefüllten. Nicht notwendigerweise heißt es, dass immer alle Items zu einem Fragenblock beantwortet wurden. Die theoretisch maximale Anzahl an Nennungen für eine Variable liegt bei 129. Die minimale Anzahl an Nennungen kann wegen des partiellen Antwortausfalls (Item-Nonresponse) darunter liegen.148 In den Ergebnisberichten der Datenauswertung wird die Nennung stets angegeben.149 Wie ist die Repräsentativität der Online-Umfrage nun abschließend zu bewerten? Von den drei Fehlerquellen Coverage Error, Unit-Nonresponse und Item-Nonresponse beeinträchtigt der hohe Anteil an vollständigen Antwortausfällen von 97,3 % die Repräsentativität der Stichprobe am meisten.150 Aufgrund des geringen Rücklaufs kann die Stichprobe somit keinen Anspruch auf Repräsentativität der Auswahlgesamtheit erheben. Allerdings ist die Verallgemeinerbarkeit der Ergebnisse kein primäres Gütesiegel explorativer Studien – anders als bei Studien, welche die Gesamtpopulation beschreiben, oder konfirmatorischen Studien: „Für qualitative wie quantitative Erkundungsstudien (explorative Studien) sind kleine, nicht-zufällige Stichproben ausreichend.“151 Für die deskriptiv-explorative Studie des Dienstleistungscontrollings hat das Gütekriterium der Repräsentativität der Ergebnisse somit keine zentrale Bedeutung.152
147Auf die Schätzung eines Nonreponse-Bias nach dem Verfahren von Armstrong/Overton (1977) wurde wegen der niedrigen Rücklaufquote und den offensichtlichen Verweigerungsgründen verzichtet. Zudem misst der Test nur Unterschiede im Antwortverhalten von Frühund Spätantwortern, nicht aber von Teilnehmern und Verweigerern. 148Weil bei den vollständig ausgefüllten Fragebögen nur wenige fehlenden Werte auftraten, wurde bei der Datenbereinigung auf die Imputation von Daten verzichtet. Vgl. Döring/ Bortz (2016), S. 591. 149In diesem Punkt folgt die eigene Erhebung dem Vorgehen der Studien von Becker/Ebner (2012), S. 7; Becker/Ulrich (2013), S. 6; Becker/Ulrich (2015), S. 14. 150Vgl. Baur/Florian (2009), S. 126. 151Döring/Bortz (2016), S. 297 (im Original hervorgehoben). 152Ähnlich argumentierten z. B. Baltzer (2013), S. 121; Becker/Ulrich/Güler (2016), S. 137–138.
5.3 Untersuchungsdesign
351
5.3.4 Datenauswertung Im Anschluss an die Beschreibung der Datenerhebung werden in diesem Abschnitt die Verfahren der Datenanalyse ausgewählt. Ebenso wie bei der Datenerhebung, wirkt sich das deskriptiv-explorative Forschungsdesigns auf die Auswahl der Methoden der Datenanalyse aus.153 Zunächst werden in Abschnitt 5.3.4.1 die Verfahren der Datenanalyse systematisiert und vorselektiert. Danach werden in Abschnitt 5.3.4.2 die verwendeten Verfahren der deskriptiven Statistik und ihre Anwendungsszenarien in der Studie beschrieben. Abschließend werden in Abschnitt 5.3.4.3 die eingesetzten Signifikanztests erläutert.
5.3.4.1 Einteilung der Analysemethoden Fasst man Informationen nach Wittmann154 als zweckorientiertes Wissen auf, so besteht die Aufgabe der Datenauswertung (bzw. Datenanalyse) darin, die empirischen Daten zu Informationen zu aggregieren, um auf Basis der Informationen die Forschungsfragen zu beantworten.155 Zur Auswertung der Daten existiert eine Vielzahl von Methoden. Drei häufig benutzte Typologien sind die Einteilungen der Datenanalysemethoden nach:156 • der Darstellungsform in numerische und graphische Datenanalyse: Numerische Verfahren berechnen auf der Grundlage der erhobenen Daten statistische Kennzahlen, während graphische Verfahren die Strukturen der Daten visualisieren. Die erhobenen Daten zum Dienstleistungscontrolling werden numerisch und graphisch ausgewertet. Für die numerische Auswertung wurde die Software IBM SPSS Statistics in der Version 24 verwendet. Die Graphiken wurden mit dem Programm think-cell erstellt. • der Anzahl der in der Analyse berücksichtigten Variablen in uni-, bi- und multivariate Datenanalyse: Univariate Methoden betrachten nur eine Variable. Werden Zusammenhänge zwischen zwei und mehr Variablen untersucht, kommen bi- bzw. multivariate Datenanalysen zum Einsatz. Der
153Vgl.
Backhaus/Weiber (2007); Backhaus et al. (2016), S. 13–24. Wittmann (1959), S. 14. Zur Abgrenzung von Information und Wissen vgl. Becker/ Daniel (1999), S. 5–11. 155Vgl. Backhaus/Weiber (2007), Sp. 524. 156Vgl. Backhaus/Weiber (2007), Sp. 525. 154Vgl.
352
5 Analyse des Umsetzungsstandes der Konzeption in der Praxis
Umsetzungsstand des Dienstleistungscontrollings wird mit uni-, bi- und multivariaten Verfahren analysiert. • dem Forschungsziel in deskriptive, explorative und konfirmatorische Datenanalyse: Deskriptive Datenanalysen beschreiben anhand von statistischen Kennzahlen die Struktur einer Stichprobe oder Grundgesamtheit (strukturbeschreibende Verfahren). Explorative Datenanalysen konzentrieren sich auf die Entdeckung von Strukturen und Zusammenhängen in einer vorhandenen Datenmenge (strukturentdeckende Verfahren). Konfirmatorische Datenanalysen prüfen die Gültigkeit einer vorab aufgestellten Hypothese anhand des erhobenen Datenmaterials (strukturprüfende Verfahren). Gemäß des deskriptiv-explorativen Forschungsdesigns kommen überwiegend – aber nicht nur – deskriptive und explorative Methoden der Datenanalyse zur Anwendung.
5.3.4.2 Deskriptive Statistik Stichprobenrelevante Merkmale, wie die Zwecksetzung des Dienstleistungsangebotes, die Branche des Unternehmens, die Unternehmensgröße (Jahresumsatz, Anzahl der Mitarbeiter) und die Position des Befragten im Unternehmen, werden mit uni- und bivariaten Methoden der deskriptiven Statistik charakterisiert:157 • Häufigkeitsverteilung: Eine Häufigkeitsverteilung ermittelt allgemein, wie häufig eine Merkmalsausprägung eines Merkmals in einer statistischen Masse vorkommt. In der Datenanalyse der stichprobenrelevanten Merkmale wird mit relativen Häufigkeiten gearbeitet, d. h. für jede Antwortkategorie einer Variablen des Fragebogens wird die absolute Häufigkeit bestimmt und durch die Gesamtzahl der Nennungen dividiert.158 Die Nennungen werden angegeben. Kreissektorendiagramme visualisieren die Häufigkeitsverteilungen. • Kreuztabelle: Die Kreuztabelle berechnet die Häufigkeitsverteilung der Wertepaare zweier Merkmale. Sie kommt in der Regel dort zum Einsatz, wo viele Wertepaare identisch sind. Sie wird deshalb zur Darstellung des Zusammenhangs der nominalskalierten Variablen Branche und Zweck des
157Vgl.
im Folgenden Bortz/Schuster (2010), S. 25–32; Bamberg/Baur/Krapp (2012), S. 11–22, 29–47; Backhaus et al. (2016), S. 357–384. 158SPSS-Prozedur: Analysieren/Deskriptive Statistiken/Häufigkeiten.
5.3 Untersuchungsdesign
353
Dienstleistungsangebotes sowie der ordinalskalierten, klassierten Variablen Jahresumsatz und Anzahl Mitarbeiter benutzt.159 • Streuungsdiagramm: Das Streuungsdiagramm visualisiert den Zusammenhang zweier Merkmale, indem alle Wertpaare in ein (x, y)-Koordinatensystem eingetragen werden. Sinnvoll ist dies, wo alle oder fast alle Wertepaare unterschiedlich sind. Der Zusammenhang der beiden kardinalskalierten Merkmale Jahresumsatz und Anzahl Mitarbeiter wird mittels eines Streuungsdiagramms untersucht.160 • Korrelationsrechnung: Die Korrelationsrechnung drückt den Zusammenhang zweier Merkmale in einer einzigen Kennzahl (Zusammenhangsmaß, Korrelationskoeffizient) aus. Dabei hängt die Wahl des Zusammenhangsmaßes entscheidend vom Skalenniveau ab.161 Für die kardinalskalierten Merkmale Umsatz und Beschäftigte wird der Bravais-Pearson-Korrelationskoeffizient, für die ordinalskalierten Merkmale klassierter Umsatz und klassierte Anzahl Beschäftige der S pearman-Korrelationskoeffizient und für die beiden nominalskalierte Merkmale Branche und Zweck des Dienstleistungsangebotes der Kontingenzkoeffizient verwendet.162 Die Umsetzungsstände der Elemente des Dienstleistungscontrollings werden mit univariaten Methoden der deskriptiven Statistik wie Häufigkeitsverteilung, Lageparameter und Streuungsparameter dargestellt:163 • Häufigkeitsverteilung: Die Berechnung der Häufigkeitsverteilung erfolgt wie zuvor erläutert. Graphisch werden sie mit Säulendiagrammen visualisiert. Die Häufigkeitsverteilungen der Variablen eines Fragenblocks sind absteigend nach der Höhe der Mittelwerte sortiert; bei gleichen Mittelwerten, absteigend nach den Standardabweichungen.
159SPSS-Prozedur: Analysieren/Deskriptive
Statistiken/Kreuztabellen. Grafik/Streuungsdiagramm. 161Vgl. Bamberg/Baur/Krapp (2012), S. 33 162SPSS-Prozeduren: Analysieren/Korrelation/Bivariat für die Korrelationskoeffizienten nach Bravais-Pearson und Spearman; Analysieren/Deskriptive Statistiken/Kreuztabellen und die Einstellung Kontingenzkoeffizient unter Statistiken für den Kontingenzkoeffizienten. 163Vgl. im Folgenden Bortz/Schuster (2010), S. 25–32; Bamberg/Baur/Krapp (2012), S. 11–22. SPSS-Prozedur: Analysieren/Deskriptive Statistiken/Häufigkeiten inklusive der Einstellungen Mittelwert und Standardabweichung unter Statistiken. 160SPSS-Prozedur:
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5 Analyse des Umsetzungsstandes der Konzeption in der Praxis
• Mittelwert: Das arithmetische Mittel (kurz: Mittelwert) ist der wichtigste Lageparameter für metrisch verteilte Merkmale. Für jede Variable, die den Umsetzungsstand eines Elementes des Dienstleistungscontrollings beschreibt, wird der Mittelwert kalkuliert. Er wird berechnet, indem die Summe der Merkmalswerte durch die Nennungen geteilt wird. Unterstellt werden intervallskalierte Daten. Für die Analyse des Einflusses der Kontextfaktoren Branche und Unternehmensgröße werden die Mittelwerte der Variablen zudem graphisch als Liniendiagramme dargestellt. • Standardabweichung: Die Standardabweichung ist ein Streuungsparameter. Sie berechnet sich aus der Quadratwurzel der mittleren quadratischen Abweichung. Diese wiederum ist das arithmetische Mittel der quadrierten Abstände aller Beobachtungswerte vom Mittelwert. Unterstellt werden intervallskalierte Daten. Zur Ermittlung des Umsetzungsstandes der Instrumente des Dienstleistungscontrollings wird auf eine multivariate Analysemethode zurückgegriffen. Es handelt sich dabei um die explorative Faktorenanalyse.164 In der Datenerhebung wurden die Studienteilnehmer nach der Nutzung von 31 Instrumenten des Dienstleistungscontrollings befragt. Auf der Grundlage dieser Daten wurde mit der Faktorenanalyse überprüft, ob Gruppen von Instrumenten hoch miteinander korrelieren und sich zu wenigen Faktoren verdichten lassen. Insofern wurde die explorative Faktorenanalyse als Strukturierungshilfe zur Entdeckung von Beziehungszusammenhängen verwendet.165 Als Extraktionsmethode wurde die Hauptkomponentenanalyse und als Methode für die Faktorrotation die VarimaxMethode mit Kaisernormalisierung gewählt.166 Der Bartlett-Test auf Sphärizität reagierte mit 0,0 % statistisch signifikant und das Kaiser-Meyer-Olkin-Kriterium betrug 0,804. Beide statistischen Prüfkriterien deuten somit auf die faktoranalytische Eignung der Ausgangsdaten hin.167
164Backhaus et al. (2016), S. 14, 21, zählt die Faktorenanalyse zu den multivariaten Analyseverfahren. Vgl. allgemein zur Faktorenanalyse Backhaus et al. (2016), S. 385–452. 165Zur Strukturierungsfunktion der Faktorenanalyse vgl. Backhaus et al. (2016), S. 386. 166SPSS-Prozeduren: Analysieren/Dimensionsreduktion/Faktorenanalyse; Extraktion: Hauptkomponenten; Rotation: Varimax. Vgl. Janssen/Laatz (2017), S. 581–593. 167Vgl. Backhaus et al. (2016), S. 395–399.
5.3 Untersuchungsdesign
355
Für die Untersuchung des Einflusses der Branche und der Unternehmensgröße war es notwendig, einzelne Variablen umzucodieren und zu klassieren:168 • Umcodierung: Eine Differenzierung in sieben Branchen erschwert die Datenanalyse. Die Anzahl der Ausprägungen des Merkmals Branchenzugehörigkeit wurde deshalb auf eine geringere Anzahl an Branchen u mcodiert.169 Weil primär Unterschiede zwischen Dienstleistungsbetrieben und Produzierendem Gewerbe interessieren, wurden alle Unternehmen aus Dienstleistungsbranchen zu einer Kategorie Dienstleistungsbetriebe zusammengefasst. Die Kategorie Verarbeitendes Gewerbe, Bergbau, Energie, Wasser, Baugewerbe wurde in die Kategorie Produzierendes Gewerbe umbenannt, die Kategorie Land- und Forstwirtschaft, Fischerei unverändert beibehalten. • Klassierung: Die Variable Unternehmensgröße wurde in zwei Schritten aus den Merkmalen Jahresumsatz und Anzahl Mitarbeiter extrahiert. Zuerst wurden die Unternehmen in Umsatz- und Beschäftigtenklassen der Klassifikation des EKAM170 eingeteilt.171 Im zweiten Schritt wurden die Unternehmen gemäß den Wertepaaren für die Branche und Größe den Kategorien Kleinstunternehmen, kleine, mittlere und große Unternehmen zugeordnet. Für jedes Wertepaar wurde hierzu das Minimum berechnet.172 War lediglich ein Wert vorhanden, so war dieser maßgebend für die Zuordnung. In der Datenanalyse werden die Verteilungen der Variablen auf vielfältige Art und Weise verglichen. Die Vergleiche lassen sich auf fünf Grundtypen reduzieren: • Vergleich der Häufigkeitsverteilungen eines Merkmals: Für ein Merkmal werden die relativen Häufigkeiten der verschiedenen Antwortkategorien der
168Vgl. im Folgenden Bamberg/Baur/Krapp (2012), S. 29–47; Backhaus et al. (2016), S. 357–384. 169SPSS-Prozedur: Transformieren/Umcodieren in andere Variablen. 170Vgl. nochmals Abschnitt 5.3.2.1 sowie EKAM (2016). 171In SPSS wurden hierzu die Variablen „Umsatz“ und „Beschäftigte“ mit der Prozedur Transformieren/Visuelle Klassierung nach den Intervallen der Abbildung 5.4 klassiert. Vgl. Bühl (2014), S. 224–230; Janssen/Laatz (2017), S. 113–118. Zur Klassenbildung in der Statistik vgl. Bamberg/Baur/Krapp (2012), 7–8, 13–14. 172Mit Hilfe der SPSS-Prozedur Transformieren/Variable berechnen wurde eine neue Variable aus dem Minimum des klassierten Umsatzes und der klassierten Beschäftigung kalkuliert.
356
5 Analyse des Umsetzungsstandes der Konzeption in der Praxis
5-stufigen Ratingskala verglichen. Beispiel: 87 % die Teilnehmer stimmen eher zu oder voll und ganz zu, das Dienstleistungscontrolling erfülle eine Informationsfunktion; 5 % stimmen eher nicht zu oder überhaupt nicht zu und 8 % entscheiden sich indifferent. • Vergleich der Häufigkeitsverteilungen von zwei oder mehr Merkmalen: Von zwei oder mehr Merkmalen werden die relativen Häufigkeiten der Antwortkategorien verglichen. Beispiel: 87 % stimmen der Informations-, 69 % der Abstimmungsfunktion eher zu oder voll und ganz zu. • Vergleich der Mittelwertdifferenzen von zwei Merkmalen bei abhängigen Stichproben: Die Mittelwerte von zwei oder mehr Variablen werden für alle Fälle verglichen. Beispiel: Der Mittelwert der Informationsfunktion von 4,19 liegt 0,49 höher als der Mittelwert der Abstimmungsfunktion von 3,70 für N = 29. • Vergleich der Mittelwertdifferenzen für ein Merkmal bei zwei Fallgruppen: Verglichen werden die Mittelwerte einer Variablen für zwei unabhängige Fallgruppen. Mit diesem Vergleich wird der Einfluss des Kontextfaktors Branche untersucht. Beispiel: Bezüglich der Informationsfunktion unterscheiden sich die Mittelwerte von Dienstleistungsbetrieben und produzierenden Unternehmen um 0,25. • Vergleich der Mittelwertdifferenzen für ein Merkmal bei drei Fallgruppen: Verglichen werden die Mittelwerte einer Variablen für mehrere unabhängige Fallgruppen. Mit diesem Vergleich wird der Einfluss des Kontextfaktors Unternehmensgröße untersucht. Beispiel: Bezüglich der Informationsfunktion unterscheiden sich die Mittelwerte von großen und kleinen, großen und mittleren bzw. mittleren und kleinen um 0,13/0,17/0,04.
5.3.4.3 Signifikanztests Beim Vergleich der Mittelwertdifferenzen stellt sich die Frage, welche Abweichungen bedeutend sind. Um das herauszufinden, werden die Mittelwerte mit statistischen Testverfahren auf signifikante Unterschiede geprüft. Bei der Auswahl der Signifikanztests ist grundsätzlich der Einsatz parametrischer oder nichtparametrischer Tests zu klären.173 Parametrische Tests treffen Annahmen über die Verteilung der Prüfgröße in der Grundgesamtheit, während nichtparametrische Tests ohne Annahmen auskommen (verteilungsfreie Tests).174
173Zu
den Auswahlkriterien von Signifikanztests vgl. Janssen/Laatz (2017), S. 320–326. Janssen/Laatz (2017), S. 316.
174Vgl.
5.3 Untersuchungsdesign
357
Der Vorzug von parametrischen Tests liegt in der höheren Teststärke (Trennschärfe, Power), d. h. Fehler 2. Art (β-Fehler) treten mit geringerer Wahrscheinlichkeit auf.175 Nachteilig sind die höheren Anforderungen an das Datenmaterial. Für die Datenanalyse wurden drei parametrische Signifikanztests ausgewählt: • t-Test für abhängige Stichproben, • t-Test für unabhängigen Stichproben, • einfaktorielle Varianzanalyse. Die Anwendung der drei parametrischen Testverfahren stellt bestimmte Anforderungen an das Datenmaterial: Die abhängige Variable muss intervallskaliert und in der Grundgesamtheit normalverteilt sein. Der t-Test für unabhängige Stichproben und die einfaktorielle Varianzanalyse verlangen zudem homogene Varianzen in den Vergleichsgruppen. Die zufällige Auswahl der Stichprobe ist eine weitere Anwendungsvoraussetzung.176 Hinsichtlich der Anforderung des Intervallskalenniveaus wird die Annahme getroffen, dass die abhängigen Variablen intervallskaliert sind. Bei der Konstruktion der Ratingskalen wurde, wie bereits mehrfach angemerkt, auf äquidistante Skalenpunkte geachtet.177 Bezüglich der Voraussetzung der Normalverteilung des untersuchten Merkmals in der Grundgesamtheit, geht man in der Statistik davon aus, dass unter Berufung auf den zentralen Grenzwertsatz bei Stichproben N > 30 der Mittelwert der Stichprobe approximativ normalverteilt ist.178 In der Datenbasis der Umfrage sind die Stichproben für ein Merkmal stets N > 120. Somit wird für den Vergleich der Mittelwertdifferenzen von zwei Merkmalen bei abhängigen Stichproben Normalverteilung angenommen. Kleiner sind die relevanten Stichproben beim Vergleich von Mittelwerten eines Merkmals bei mehreren unabhängigen Fallgruppen. Beim Kontextfaktor Branche wird zwischen den beiden Fallgruppen
175Vgl. Janssen/Laatz (2017), S. 317–318, 322–323. Der Fehler 2. Art bezeichnet die Fehlentscheidung, sich für die Nullhypothese H0 zu entscheiden, obwohl die Alternativhypothese H1 richtig ist. 176Vgl. Bortz/Schuster (2010), S. 122–123; Rasch et al. (2014a), S. 43–44; Janssen/Laatz (2017), S. 333. 177Vgl. Abschnitt 5.3.2.2 zu den Skalierungsverfahren und den verwendete Ratingskalen. 178Vgl. Bortz/Schuster (2010), S. 86–87; Bamberg/Baur/Krapp (2012), S. 122–123, 135– 136; Janssen/Laatz (2017), S. 314–315.
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5 Analyse des Umsetzungsstandes der Konzeption in der Praxis
Dienstleistungsbetriebe und Produzierendes Gewerbe unterschieden. Bei Dienstleistungsbetrieben ist im Allgemeinen N = 71 und bei produzierenden Unternehmen N = 41. Insofern kann Normalverteilung unterstellt werden. Der Faktor Unternehmensgröße unterteilt sich in drei Faktorgruppen: kleine, mittlere und große Unternehmen. Die Stichproben für kleine und mittlere Unternehmen sind in der Regel N > 40, so dass auch für diesen Faktorgruppen Normalverteilung unterstellt werden kann. Große Unternehmen befinden sich N = 12 in der Stichprobe. Wegen der kleinen Stichprobe wird das Vorliegen der Normalverteilung bei der Fallgruppe große Unternehmen mit einer explorativen Datenanalyse geprüft.179 Die Prüfung erfolgt im Wesentlichen anhand von Histogrammen und Normalverteilungsdiagrammen (Q-Q-Diagrammen). Normalverteilungstests wie der Kolmogorov-Smirnov-Test und der Shapiro-Wilk-Test werden ebenfalls verwendet. Ihre Ergebnisse werden vorsichtig interpretiert, weil sie die zu prüfende Nullhypothese – es liegt eine Normalverteilung vor – umso eher bestätigen, je kleiner die Stichprobe N ist.180 Der t-Test für unabhängige Stichproben und die einfaktorielle Varianzanalyse verlangen homogene Varianzen in den Vergleichsgruppen. Zur Überprüfung der Homogenität der Varianzen in den Vergleichsgruppen wird der Levene-Test eingesetzt.181 SPSS führt den Levene-Test beim t-Test für unabhängige Stichproben standardmäßig durch. Abhängig vom Ergebnis wird bei gleichen Varianzen der „t-Test für gleiche Varianz“ und bei ungleichen Varianzen der „t-Test bei ungleicher Varianz“ (Welch-Test) gewählt.182 Bei der einfaktoriellen Varianzanalyse wird der Levene-Test extra angefordert. Die letzte Anforderung betrifft die zufällige Auswahl der Stichprobe. Wie bereits erörtert, ist die Stichprobe zum Umsetzungsstand des Dienstleistungscontrollings keine Zufallsstichprobe im klassischen statistischen Sinne, sondern
179Mit
der SPSS-Prozedur: Daten/Fälle auswählen wird zunächst die Unternehmensgröße = 4 (große Unternehmen) ausgewählt. Anschließend wird die explorative Datenanalyse aufgerufen: SPSS-Prozedur: Analysieren/Deskriptive Statistiken/Explorative Datenanalyse, Einstellungen: Statistiken: Deskriptive Statistik, Diagramme: Normalverteilungsdiagramm mit Tests und Histogramme; Optionen: Paarweiser Fallausschluss. 180Vgl. Janssen/Laatz (2017), S. 248–249, sowie S. 248: „Die beiden Tests [.] sind kaum brauchbar.“ 181Vgl. Schuster/Bortz (2010), S. 129–130; Janssen/Laatz (2017), S. 243–244. 182Vgl. Janssen/Laatz (2017), S. 335.
5.3 Untersuchungsdesign
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repräsentiert den mehr oder weniger zufälligen Rücklauf einer Vollerhebung.183 Der t-Test für unabhängige Stichproben und die einfaktorielle Varianzanalyse setzen zudem voraus, dass es sich bei den Stichproben der Vergleichsgruppen um voneinander unabhängige Zufallsstichproben handelt.184 Da jedes Unternehmen der Stichprobe ausschließlich einer Branche und einer Größenklasse angehört, ist die Unabhängigkeitsvoraussetzung erfüllt. In der Datenanalyse führen Abweichungen der Anwendungsvoraussetzungen nicht unweigerlich zur Ablehnung des Tests. Sowohl der t-Test als auch die einfaktorielle Varianzanalyse reagieren im allgemeinen robust auf Verletzungen der Voraussetzungen.185 Die Ergebnisse der eigenen Studie bestätigen dies. Im Verlauf der Datenanalyse wurde zusätzlich zum t-Test für abhängige Stichproben der Wilcoxon-Test und für unabhängige Stichproben der Mann-Whitney-U-Test sowie parallel zur einfaktoriellen Varianzanalyse der Kruskal-Wallis-Test durchgeführt. Die drei nichtparametrischen Tests lieferten weitgehend analoge Testresultate wie die drei parametrischen Testverfahren. Der t-Test für abhängige Stichproben wird in der Datenanalyse verwendet für die Ermittlung signifikanter Mittelwertdifferenzen von zwei Merkmalen bei abhängigen Stichproben.186 In diesem Anwendungsfall liefert jeder Teilnehmer Werte für zwei Testvariablen, weshalb die Stichproben verbunden sind. Der t-Test wird einseitig ausgeführt, d. h. mit einer gerichteten Hypothese, weil die Richtung der Mittelwertdifferenz bekannt ist.187 Der t-Test prüft die Nullhypothese H0, dass die Differenz der Mittelwerte in der Population µd kleiner oder gleich Null ist und die Gegenhypothese H1, dass µd größer als Null ist. Formal ausgedrückt:188 • H0 : µd ≤ 0, • H1 : µd > 0.
183Vgl. Abschnitt 5.3.3.3. 184Vgl.
Bortz/Schuster (2010), S. 122. Bortz/Schuster (2010), S. 122–123, 125, 214, m.w.N. 186SPSS-Prozedur: Analysieren/Mittelwerte v ergleichen/T-Test bei verbundenen Stichproben; Einstellungen unter Optionen: Konfidenzintervall 95 %, Fallausschluss Test für Test. 187SPSS gibt standardmäßig die Signifikanz für einen zweitseitigen t-Test aus. Die Signifikanz wird für den einseitigen Test halbiert. Vgl. Rasch et al. (2014a), S. 45–46; Janssen/ Laatz (2017), S. 316. 188Vgl. Rasch et al. (2014a), S. 62–63. 185Vgl.
360
5 Analyse des Umsetzungsstandes der Konzeption in der Praxis
Ist die ermittelte Signifikanz kleiner als das Signifikanzniveau α = 5 %, so wird die Nullhypothese zugunsten der Gegenhypothese abgelehnt. Ist sie größer als α, wird die Nullhypothese beibehalten. Die Nullhypothese wird also als falsch abgelehnt, wenn die Wahrscheinlichkeit eine richtige Hypothese abzulehnen, kleiner als 5 % ist (Irrtumswahrscheinlichkeit, Fehler 1. Art, α-Fehler). Liegt der Signifikanzwert unter dem Signifikanzniveau von 5 % kann mit hinreichend hoher Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass sich die Mittelwerte in der Auswahlgesamtheit unterscheiden. Da die Stichprobe für jede Variable N > 120 beträgt, wird von einer Normalverteilung in der Auswahlgesamtheit ausgegangen. Varianzhomogenität setzt der t-test für abhängige Stichproben nicht voraus. Zusätzlich zur Signifikanz wird die Effektstärke und die Teststärke angegeben. Die Effektstärke ist ein Maß für die Größe der Mittelwertdifferenz in der Auswahlgesamtheit.189 Als Effektstärkenmaß wird dZ gewählt. dZ „gibt die absolute Größe der Mittelwertdifferenz standardisiert an der Streuung der Differenzen an.“190 Für Effektstärken bei abhängigen Stichproben liegen keine Orientierungspunkte in kleine, mittlere und große Effekte vor, weil die Größe der Effektstärke zusätzlich von der Stärke der Abhängigkeit der Stichproben beeinflusst wird.191 Zur Verdeutlichung der Abhängigkeit der Stichproben wird der Korrelationskoeffizient r angegeben. Die Teststärke (Power) ist die Wahrscheinlichkeit mit der ein Signifikanztest für die Alternativhypothese H1 entscheidet, wenn diese wirklich gilt.192 Sie ist ein Maß für die Güte eines Signifikanztests einen tatsächlichen Effekt aufzudecken.193 Effekt- und Teststärke werden mit dem Programm G*Power ermittelt.194
189Vgl.
Bortz/Schuster (2010), S 108–109; Döring/Bortz (2016), S. 814. et al. (2014a), S. 64. 191Vgl. Rasch et al. (2014a), S. 63–64. 192Vgl. Bortz/Schuster (2010), S. 108; Rasch et al. (2014a), S. 56. Varmaz/Riebe (2019), S. 27: „Die Teststärke eines Hypothesentests ist das Vertrauenslevel der Beibehaltung der Gegenhypothese, wenn diese und nicht die Nullhypothese wahr ist.“ (im Original teils hervorgehoben). 193Vgl. Döring/Bortz (2016), S. 809. Cohen (1988) empfiehlt eine Teststärke von mindestens 80 %. 194Das Programm G*Power kann kostenlos von der Homepage der Universität Düsseldorf heruntergeladen werden: https://www.gpower.hhu.de/. Einstellung in G*Power: Test family: t-Test, Statistical test: Means: Difference between two dependent means (matched pairs); type of power analysis: Post hoc; tail(s): One; α = 0,05. 190Rasch
5.3 Untersuchungsdesign
361
Der t-Test bei unabhängigen Stichproben wird in der Datenanalyse verwendet, um festzustellen, welche Mittelwertdifferenzen bei einem Merkmal und zwei unabhängigen Fallgruppen statistisch signifikant sind.195 Dieser Anwendungsfall liegt beim Einfluss des Kontextfaktors Branche vor. Zwar umfasst die nominalskalierte Variable Branche drei Fallgruppen: Land- und Forstwirtschaft, Dienstleistungsbetriebe und Produzierendes Gewerbe. Die Branche Land- und Forstwirtschaft wird aber aus dem Mittelwertvergleich ausgeschlossen, weil sich in der Stichprobe nur ein Unternehmen dieser Branche befindet (N = 1). Der deskriptiven Statistik ist für jedes Merkmal zu entnehmen, ob der Mittelwert von Dienstleistungsbetrieben höher ist als der von produzierenden Unternehmen oder umgekehrt. Folglich testet der t-Test einseitig mit gerichteten Hypothesen. Der t-Test prüft die Nullhypothese H0, dass der Mittelwert µ1 der ersten Fallgruppe kleiner oder gleich dem Mittelwert µ2 der zweiten Fallgruppe in der Population ist bzw. die Gegenhypothese H1, dass er größer ist. Formal ausgedrückt:196 • H0 : µ1 ≤ µ2, • H1 : µ1 > µ2, Analog dem t-test für abhängige Stichproben wird die Nullhypothese zugunsten der Gegenhypothese verworfen, wenn der Signifikanzwert das Signifikanzniveau α = 5 % unterschreitet. Der t-Test bei unabhängigen Stichproben setzt – wie oben erwähnt – Normalverteilung und Varianzhomogenität voraus. Normalverteilung wird unterstellt, weil die Stichproben für Dienstleistungsbetriebe und produzierende Unternehmen mit N = 71 und N = 41 ausreichend groß sind. Die Homogenität der Varianzen wird mit dem Levene-Test überprüft und abhängig vom Ausgang der Prüfung als t-Test für gleiche oder ungleiche Varianzen ausgeführt. Als Effektstärkemaß wird der Kennwert d verwendet. Er ist definiert als die standardisierte Differenz zwischen zwei Stichprobenmittelwerten.197 Die Einteilung in kleine, mittlere und große Effekte orientiert sich an der Konvention von Cohen: d = 0,20 kleiner Effekt, d = 0,50 mittlerer Effekt, d = 0,80
195SPSS-Prozedur: Analysieren/Mittelwerte vergleichen/T-Test bei unabhängigen Stichproben; Einstellungen unter Optionen: Konfidenzintervall 95 %, Fallausschluss Test für Test. 196Vgl. Rasch et al. (2014a), S. 46. 197Vgl. Rasch et al. (2014a), S. 48–49.
362
5 Analyse des Umsetzungsstandes der Konzeption in der Praxis
großer Effekt.198 Die Effekt- und Teststärke wird mit dem Programm G*Power berechnet.199 Die einfaktorielle Varianzanalyse wird in der Datenanalyse eingesetzt, um signifikante Mittelwertunterschiede zwischen drei unabhängigen Fallgruppen zu identifizieren.200 Anwendungsfall ist die Analyse des Einflusses der Unternehmensgröße auf die Elemente des Dienstleistungscontrollings. t-Tests können bei drei und mehr Fallgruppen nicht verwendet werden, weil sich ansonsten der α-Fehler kumuliert und die Teststärke verringert.201 Der Faktor Unternehmensgröße besteht an sich aus vier Faktorgruppen: Kleinstunternehmen, Kleinunternehmen, mittlere und große Unternehmen. In der Stichprobe befinden sich N = 2 Kleinstunternehmen. Wegen der geringen Anzahl werden Kleinstunternehmen herausgefiltert und in der weiteren Analyse nicht mehr betrachtet.202 Anders als die beiden t-Tests kann die einfaktorielle Varianzanalyse nur zweiseitig testen, obwohl aufgrund der deskriptiven Mittelwertermittlung eine Richtungsangabe möglich wäre. Beim zweiseitigen Test ist die Wahrscheinlichkeit höher als beim einseitigen Test, dass die Signifikanzwerte außerhalb des Signifikanzniveaus α liegen. Die einfaktorielle Varianzanalyse prüft die Nullhypothese H0, dass die Mittelwerte der drei Fallgruppen gleich sind bzw. die Gegenhypothese H1, dass sich mindestens ein Mittelwert von den anderen statistisch bedeutsam unterscheidet. Formal ausgedrückt:203 • H0: µ1 = µ2 = µ3, • H1: ¬ H0. Vergleichbar den anderen beiden Tests, wird H0 zugunsten von H1 verworfen, wenn die Signifikanz kleiner ist als das Signifikanzniveau von α = 5 % und bei-
198Vgl.
Cohen (1988); Cohen (1992), S. 157. in G*Power: Test familiy: t-Test, Statistical test: Means: Difference between two independent means (two groups); type of power analysis: Post hoc; tail(s): One; α = 0,05. 200SPSS-Prozedur: Analysieren/Mittelwerte vergleichen/Einfaktorielle Varianzanalyse; Optionen: Deskriptive Statistik, Test auf Homogenität der Varianzen, Fallausschluss Test für Test. 201Vgl. Rasch et al. (2014b), S. 2-4. 202SPSS-Prozedur: Daten/Fälle auswählen; in der Kategorie Auswählen falls Bedingung zutrifft Variable Unternehmensgröße > 1 setzen (Kleinstunternehmen haben den Wert 1). 203Vgl. Rasch et al. (2014b), S. 17–18. 199Einstellung
5.4 Forschungsergebnisse
363
behalten, wenn die Signifikanz größer ist als α. Die einfaktorielle Varianzanalyse setzt Intervallskalierung der abhängigen Variable, Normalverteilung des untersuchten Merkmals in der Population, Varianzhomogenität und Unabhängigkeit der Messwerte voraus.204 Auf die Erfüllung der Intervallskalierung und Unabhängigkeit der Messwerte wurde oben bereits hingewiesen. Normalverteilung wird für die Faktorgruppen kleine und mittlere Unternehmen – wie erwähnt – angenommen, weil die Stichproben mit N > 40 ausreichend groß sind. Die Normalverteilung der Stichprobe großer Unternehmen wird indes einzeln geprüft. Um herauszufinden, zwischen welchen Faktorgruppen signifikante Unterschiede bestehen, wird ein Post-Hoc-Test durchgeführt.205 Gewählt wird der Tukey-HSD-Test.206 Er reagiert sehr robust auf Verletzungen seiner Anwendungsvoraussetzungen.207 Die Effektstärke wird mit dem Effektgrößenmaß Eta-Quadrat η2 berechnet.208 Es zählt zu den Varianzaufklärungsmaßen: „Die Effektgröße η2 (Eta-Quadrat) gibt den Anteil der aufgeklärten Varianz an der Gesamtvarianz auf der Stichprobenebene an.“209 Zur Einteilung der Effekte in kleine, mittlere und große Effekte wird wiederum auf die Klassifikation von Effektgrößen nach Cohen zurückgegriffen. Cohen definiert als Schwellenwerte für kleine Effekte η2 = 0,01, mittlere Effekte η2 = 0,06 und große Effekte η2 = 0,14.210
5.4 Forschungsergebnisse In Abschnitt 5.4 werden die Ergebnisse der Umfrage dargestellt. Einführend informiert Abschnitt 5.4.1 über die charakteristischen Merkmale der Stichprobe. Die Abschnitte 5.4.2 bis 5.4.8 berichten den Umsetzungsstand einzelner Elemente des Dienstleistungscontrollings. Für jedes Element wird der Bezug zur Konzeption hergestellt, die Fragestellung im Fragebogen erläutert, der Umsetzungsstand beschrieben und der Einfluss der Kontextfaktoren Branche
204Vgl.
Rasch et al. (2014b), S. 30–31. Rasch et al. (2014b), S. 18. 206SPSS-Prozedur: Analysieren/Mittelwerte vergleichen/Einfaktorielle Varianzanalyse; Post hoc: Tukey. 207Vgl. Janssen/Laatz (2017), S. 356. 208SPSS-Prozedur: Analysieren/Allgemeines lineares Modell/Univariat; Optionen: Schätzungen der Effektgröße, Beobachtete Trennschärfe. 209Rasch et al. (2014a), S. 53. 210Vgl. Cohen (1988), S. 283 ff. 205Vgl.
364
5 Analyse des Umsetzungsstandes der Konzeption in der Praxis
und Unternehmensgröße analysiert. Dort, wo es möglich und sinnvoll erscheint, werden die Ergebnisse mit anderen Studien verglichen – in erster Linie mit der Studie von Impuls Management Consulting. Abschnitt 5.4.9 gibt Auskunft über die Berücksichtigung von Dienstleistungsbesonderheiten bei der Gestaltung des Dienstleistungscontrollings. Abschnitt 5.4.10 gewährt Einblicke in die zukünftigen Herausforderungen des Dienstleistungscontrollings. Zum Abschluss des Kapitels wird in Abschnitt 5.4.11 ein Zwischenfazit gezogen.
5.4.1 Merkmale der Stichprobe Im Fragebogen konnten die Studienteilnehmer freiwillige Angaben zu ihrer Position im Unternehmen, zur Zwecksetzung des Dienstleistungsangebotes, der Branchenzugehörigkeit des Unternehmens und der Unternehmensgröße (Jahresumsatz, Anzahl der Mitarbeiter) machen. Die Abbildung 5.8 gibt einen Überblick der Verteilung der teilnehmenden Personen nach Position im Unternehmen. 119 der 129 Teilnehmer gaben ihre Position an (92 %). 60 % (N = 78) davon arbeiten als Mitarbeiter oder Führungskraft im Controlling, 20 % (N = 26) gehören der Geschäftsleitung an, 9 % (N = 11) sind als Mitarbeit oder Führungskraft in Dienstleistungsbereichen und 3 % (N = 4) in Bereichen wie Finanzen, Personal oder Vertrieb tätig. Mit 61 % (N = 79) ist die Leitungsebene und mit 28 % (N = 36) die Mitarbeiterebene vertreten. Positionen im Controlling und in der Geschäftsleitung repräsentieren mit 80 % den größten Anteil der Stichprobe. 8 % (N = 10) der Teilnehmer machten keine Angabe zur Position. Die mit der Online-Umfrage anvisierten Zielgruppen von Controllern sowie Führungskräften und Mitarbeitern in Dienstleistungsbereichen konnten folglich erreicht werden. 8% 4% 5%
3% 37%
20%
23%
Leiter Controlling Mitarbeiter Controlling Geschäsführung Mitarbeiter Service Leiter Service andere: Finanzen, Personal, Vertrieb keine Angabe
Nennungen: N = 129
Abbildung 5.8 Verteilung der Teilnehmer nach Position im Unternehmen. (Quelle: Eigene Erhebung)
5.4 Forschungsergebnisse
365
Aus welchem Grund die Befragten Dienstleistungen anbieten, erklärt die Abbildung 5.9. 129 Teilnehmer machten Angaben zum Zweck des Dienstleistungsangebotes (100 %).211 Davon sind bei 47 % (N = 61) Dienstleistungen der Hauptgeschäftszweck. 41 % (N = 53) setzen Dienstleistungen zur Förderung des Absatzes der Hauptleistungen ein (produktbegleitende Dienstleistungen). 12 % (N = 15) erbringen Dienstleistungen ausschließlich innerhalb des Unternehmens als Wiedereinsatzleistungen (interne Dienstleistungen). 12%
47% 41%
Dienstleistungen sind der Hauptgeschäszweck Dienstleistungen fördern den Absatz der Kernprodukte (produktbegleitende Dienstleistungen) Dienstleistungen werden nur intern erbracht (interne Dienstleistungen)
Nennungen: N = 129
Abbildung 5.9 Verteilung der Unternehmen nach dem Zweck des Dienstleistungsangebots. (Quelle: Eigene Erhebung)
Abbildung 5.10 spiegelt die Verteilung der teilnehmenden Unternehmen nach der Branche wider. 119 der 129 Studienteilnehmern machten hierzu Angaben (92 %). 59 % (N = 77) der Unternehmen sind in Dienstleistungsbereichen tätig (tertiärer Sektor), 32 % (N = 41) gehören dem Produzierenden Gewerbe an (sekundärer Sektor) und 1 % (N = 1) der Land- und Forstwirtschaft, Fischerei (primärer Sektor); 8 % (N = 10) machten keine Angaben. Die Bereiche Erziehung, Bildung, Gesundheits- und Sozialwesen (N = 21), öffentliche, private und Unternehmensdienstleistungen (N = 20) sowie Handel, Gastgewerbe, Verkehr (N = 18) sind mit 16 %, 15 % bzw. 14 % nahezu gleichauf in der Stichprobe vertreten, gefolgt von den Wirtschaftszweigen Information und Kommunikation mit 9 % (N = 11) und Banken, Versicherungen, Vermietung und Verpachtung mit 5 % (N = 7). Die Studie hat damit das Ziel erreicht, Daten zum Umsetzungsstand des Dienstleistungscontrollings branchenübergreifend zu erheben.
211Die höhere Antwortbeteiligung im Vergleich zu den Angaben der Branche, der Position, des Umsatzes und den Beschäftigten ist auf die Platzierung der Frage am Anfang des Fragebogens zurückzuführen, während die anderen Frage am Ende des Fragebogens standen. Fragen zum Umsatz und den Beschäftigten sind zudem sensitiver.
366
5 Analyse des Umsetzungsstandes der Konzeption in der Praxis
5% 1%
8% 32%
9%
14%
15%
16%
Verarbeitendes Gewerbe, Bergbau, Energie, Wasser, Baugewerbe Erziehung, Bildung, Gesundheits- und Sozialwesen Öffentliche und private Dienstleistungen, Unternehmensdienstleistungen Handel, Gastgewerbe, Verkehr Informaon und Kommunikaon Banken, Versicherungen, Vermietung, Verpachtung Land- und Forstwirtscha, Fischerei keine Angabe
Nennungen: N = 129
Abbildung 5.10 Verteilung der Unternehmen nach der Branche. (Quelle: Eigene Erhebung)
Beim Vergleich der Branche mit der Zwecksetzung hätte man erwartet, dass hauptsächlich Dienstleistungsbetriebe Dienstleistungen als ihren Hauptgeschäftszweck angeben, während vornehmlich produzierende Unternehmen Dienstleistungen ergänzend zu den Hauptleistungen anbieten. In der Strichprobe überschneiden sich Branche und Zweck nur zum Teil: Mit 59 % liegt der Anteil der Unternehmen im Dienstleistungssektor höher, als 47 % der Unternehmen, die Dienstleistungen als Hauptgeschäftszweck vermarkten. Das Produzierende Gewerbe ist mit 32 % niedriger vertreten, als 41 % der Unternehmen mit produktbegleitenden Dienstleistungen.212 Bei genauerer Betrachtung ist zu erkennen, dass 19 der 77 Unternehmen des Dienstleistungssektors anführen, Dienstleistungen produktbegleitend anzubieten (vgl. Abbildung 5.11). 4 der 41 Unternehmen des Produzierenden Gewerbes begreifen Dienstleistungen als den Hauptgeschäftszweck.213 Die Gründe für die Verteilungsunterschiede liegen im Begriffsverständnis produktbegleitender Dienstleistungen und der Zuordnung von Dienstleistungsunternehmen in der amtlichen Statistik. So sprechen Unternehmen des Dienstleistungssektors durchaus von produktbegleitenden Dienstleistungen. Beispielsweise sind Softwarehersteller in der amtlichen Statistik dem Wirtschaftszweig Information und Kommunikation innerhalb des Dienstleistungssektors zugeordnet. Ein Softwarehersteller entwickelt und vertreibt Software, daneben bietet er Supportleistungen (z. B. Live Chats, Expert Sessions, Update/Upgrades) und Serviceleistungen an, wie die Implementierung der Software, Schulung des Kunden oder den Betrieb der Software. Aus Sicht des Softwareherstellers begleiten Support- und Serviceleistungen die Hauptleistung Software. 212Obwohl
die Verteilungen der beiden Merkmale auf unterschiedlichen Nennungen beruhen (Zweck: N = 129; Branche: N = 119), können die Verteilungen der relativen Häufigkeiten identisch sein. 213Abbildung 5.11 fasst Verarbeitendes Gewerbe, Bergbau, Energie, Wasser, Baugewerbe zur Kategorie Produzierendes Gewerbe zusammen sowie Erziehung, Bildung, Gesundheits- und
5.4 Forschungsergebnisse
367 Zweck des Dienstleistungsangebotes
Branchenzugehörigkeit
Hauptgeschäftszweck
Land- und Forstwirtschaft, Fischerei
0
produktbegleitende Dienstleistungen
interne Dienstleistungen
Gesamt
0
1
1
Produzierendes Gewerbe
4
31
6
41
Dienstleistungsbetriebe
53
19
5
77
Gesamt
57
50
12
119
Abbildung 5.11 Nennungen nach Branche und Zweck des Dienstleistungsangebotes. (Quelle: Eigene Erhebung)
Anderseits können Unternehmen des Produzierenden Gewerbes fraglos die Erstellung und Vermarktung von Dienstleistungen als Hauptgeschäftszweck haben.214 Im Jahr 2013 ordnete die amtliche Statistik mehr als 12.000 Unternehmen mit dem Hauptgeschäftszweck „Reparatur und Installation von Maschinen und Ausrüstungen“ dem Verarbeitenden Gewerbe zu.215 Die Gleichung Dienstleistungssektor entspricht Hauptzweck Dienstleistung und Produzierendes Gewerbe entspricht produktbegleitende Dienstleistungen geht demzufolge nicht auf. Gravierend anders sind die Verteilungen der beiden nominalskalierten Merkmale in der Stichprobe dennoch nicht: Der Kontingenzkoeffizient beträgt 0,531.216 Aufgrund der Korrelation zwischen Branche und Zwecksetzung, wird im weiteren Verlauf nur der Einfluss der Branche auf die Elemente des Dienstleistungscontrollings untersucht.
Sozialwesen, öffentliche und private Dienstleistungen, Unternehmensdienstleistungen, Handel, Gastgewerbe, Verkehr, Information und Kommunikation, Banken, Versicherungen, Vermietung und Verpachtung zur Kategorie Dienstleistungsbetriebe. 214Vgl. Statistisches Bundesamt (Hrsg., 2008), S. 184–185, 327–333, 345, 352–359; Abteilung 09, 33, 39 und 43 für den Bergbau, Verarbeitendes Gewerbe, Wasserversorgung und Bergbau. 215Vgl. Statistisches Bundesamt (Hrsg., 2015), S. 50. 216Bei der Zeilen- und Spaltenzahl von drei liegt der Maximalwert des Kontingenzkoeffizienten bei vollständiger Korrelation bei 0,816. Vgl. Bamberg/ Baur/Krapp (2012), S. 37. Der Zusammenhang gilt nicht nur für die Stichprobe, sondern ist mit einer Signifikanz von 0,0 % auch statistisch signifikant für die Auswahlgesamtheit. Mit anderen Worten: Die Nullhypothese, zwischen beiden Variablen besteht keine Beziehung, kann mit einer Irrtumswahrscheinlichkeit nahe Null abgelehnt werden.
368
5 Analyse des Umsetzungsstandes der Konzeption in der Praxis
Relave Häufigkeit 50%
Nennungen: N = 129
45% 40% 35%
31%
30% 25%
33%
23%
20% 15%
11%
10% 5% 0%
2% keine Angabe
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