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German Pages 175 [185] Year 1978
DIE WELTENTSTEHUNG DES PLATONISCHEN TIMAIOS NACH DEN ANTIKEN INTERPRETEN TElL II PROKLOS
PHILOSOPHIA ANTIQUA A SERIES OF MONOGRAPHS ON ANCIENT PHILOSOPHY EDITED BY
W.J. VERDENIUS
AND].
H. WASZINK
VOLUME XXXV MATTHIAS BALTES DIE WELTENTSTEHUNG DES PLATONISCHEN TIMAIOS NACH DEN ANTIKEN INTERPRETEN TElL II
LEIDEN E.]. BRILL 1978
DIE WELTENTSTEHUNG DES PLATONISCHEN TIMAIOS NACH DEN ANTIKEN INTERPRETEN VON
MATTHIAS BALTES TElL II
PROKLOS
LEIDEN E. J. BRILL 1978
Gedruckt mit Unterstiitzung der Deutschen Forschungsgemeinschaft
ISBN 90 04 05799 4
Copyright 1978 by E.]. Brill, Leiden, The Netherlands All rights reserved. No part of this book maJ' be reproduced or translated in a~v form, ~y print, photoprint, microfilm, microfiche or af!Y other means without written permission form the publisher PRINTED IN GERMANY
MEINER FRAU
INHALTSVERZEICHNIS Vorwort
IX
. . .
Abkiirzungsverzeichnis
I. Der Timaioskommentar . A) Einleitung
X
1
. . . .
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B) Proklos' ErkHirungen
1
l. Zu Tim. 27 C 5
2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13. 14. 15. 16. 17. 18. 19. 20. 21. 22. 23. 24.
. Zu Tim. 28 A 1-4 Zu Tim. 28 B 6-7 Zu Tim. 28 B 7- C 2 (C 5-29 A 2) Zu Tim. 29 E 1-3 Zu Tim. 30 A 3-6 Zu Tim. 30 C 3 . Zu Tim. 31 B 3 . Zu Tim. 32 C 3-4 Zu Tim. 34 A 4-7 Zu Tim. 34 A 8-9 Zu Tim. 34 B 3-4 Zu Tim. 34 B 10-C 2. Zu Tim. 34 C 4-35 A 1 Zu Tim. 36 D 8-E 1 ZuTim.37D3 . Zu Tim. 37 E 1-4 Zu Tim. 38 B 6-7 Zu Tim. 40 B 4-6 Zu Tim. 41 B 2-6 Zu Tim. 41 B 6-7 Zu Tim. 41 B 7 . Zu Tim. 41 C 2-3 Zu Tim. 42 A 1-3
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7 27 73 76 94
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96 97 97 103 104 105 109 110 111 113 114
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VIII
lnhaltsverzeichnis
25. 26. 27. 28.
Zu Tim. 42 B 5-6 Zu Tim. 42 D 5-6 . Zu Tim. 42 E 7-43 A 2 Zu Tim. 43 A 3-6
C) Schlu:Bbetrachtung
121 123 124 125 127
II. Proklos, Dber die immerwahrende Dauer des Kosmos. Achtzehn Argumente gegen die Christen .
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Stellenregister
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VORWORT Hiermit lege ich den angekiindigten zweiten Teil der "Weltentstehung des platonischen Timaios nach den antiken Interpreten" vor. Wie im ersten Teil bin ich anderen zu Dank verpflichtet: Herr Priv.-Dozent Dr. Peter Heine hat das erste Argument aus Proklos' Schrift De aeternitate mundi, das wir nur aus einer arabischen Vbersetzung kennen, ins Deutsche iibertragen und auch den griechischen Text der Argumente II-IX mit der erhaltenen arabischen Vbersetzung durchverglichen. Mein Freund Dr. Manfred Balzer hat mir wertvolle Hinweise in redaktioneller Hinsicht gegeben und die Korrekturen mitgelesen. Ihnen sei herzlich gedankt. Dank gebiihrt aber vor allem meiner Frau, nicht nur fiir ihre selbstlose Hilfe beim Lesen der Korrekturen dieses Buches, sondern fiir alles, was sie mir in zwei Jahrzehnten gegeben hat. Ihr ist das Buch gewidmet. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft hat den Druck des Buches durch einen finanziellen Beitrag unterstiitzt, wofiir ihr aufrichtig gedankt sei. Das Manuskript war im Dezember 1976 a bgeschl ossen.
ABKORZUNGSVERZEICHNIS Zu den in Teil I abgekiirzten Titeln kommen folgende hinzu: Beierwaltes, Prokl. = W. Beierwaltes, Proklos, Grundziige seiner Metaphysik, Frankfurt/M 1965 Beutler, Proklos = R. Beutler, REs. v. Proklos, Bd XXIII I, 1957, 186 ff Festugiere (z. St.) = Proclus, Commentaire sur le Timee, Traduction et notes par A. J. Festugiere, Bd I-V, Paris 1966-1968 Praechter = K. Praechter, Rez. von Procli Diadochi in Plat. Tim. commentaria ed. E. Diehl I/II, Leipzig 1903/4 in: GGA 1905, 505 ff Rosan= L. Trouillard
J. Rosan, The philosophy of Proclus, New York 1949 = J. Trouillard, L'un et !'arne selon Proclos, Paris 1972
DER TIMAIOSKOMMENTAR
A) Einleitung Die ausfiihrlichste Diskussion der Frage, ob die Welt im Timaios geworden ist oder nicht, finden wir nach Lage der Dberlieferung bei Proklos. Der Neuplatoniker verfa:Bte ein grundlegendes Werk, das in Form von 18 Argumentationsreihen den systematischen Nachweis dafiir erbringen sollte, da:B die Welt keinen real en Anfang genommen hat. Dieses Werk ist uns bei Johannes Philo·ponos in seiner Gegenschrift De aeternitate mundi contra Proclum fa:Bbar. Doch nicht diese systematische Monographie, die ja nicht primar das V erstandnis des Timaios zum Ziel hat, soU uns als Leitfaden fiir unsere Untersuchungen dienen, sondern der Timaioskommentar, den Proklos von all seinen Werken am meisten schatzte und der die Spezialschrift an Ausfiihrlichkeit bei weitem iibertrifft. Die Monographie wird herangezogen, soweit sie die Gedanken des Timaioskommentars erganzen und stiitzen kann. Zur Orientierung des Lesers sind die einzelnen Logoi der Spezialschrift im Anhang in Dbersetzung mit Anmerkungen bereitgestellt. lm Timaioskommentar kommt Proklos anla:Blich von Tim. 27 C 5. 28 A 1-4. 28 B 6 f. 28 B 7- C 2. 29 E 2 f (bzw. E 1-3). 30 A 3-6 ausfiihrlich auf das Problem der W eltentstehung zu sprechen, an Stellen also, die auch in unseren voraufgehenden Untersuchungen im Mittelpunkt der Diskussion gestanden haben. Hinzu kommt eine Reihe weiterer Stellen (zu Tim. 30 C 3. 31 B 3. 32 C 3 f. 34 A 1 ff. A 8 f. B 10 ff. 34 C 4 - 35 A 1. 36 D 8 - E 1. 37 D 3. E 1-4. 38 B 6f. 40 B 4-6. 41 B 6f. 7. C 2f. 42 A 1-3. B 5f. D 5 f. E 5 ff. 43 A 3-7), die Proklos als zusatzliche Stiitzen seiner Interpretation dienen. Hier sind die Ausfiihrungen des Kommentators in der Regel kurz. B) Proklos' Erklarungen
u
1. Zu Tim. 27 C 5
Zu Tim. 27 c 5 yeyovEV 11 mt ayEVE£ ecrnv referiert und kritisiert Proklos - wohl im Anschlu:B an die spater genannten Neupla1
Marinos, Vita Procli 38.
I 219,20-31
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toniker Porphyrios und Jamblich - zwei Gruppen von Interpretationen, deren eine anonym bleibt, deren andere durch Albin namhaft gemacht wird (I 218,28 - 219, 20; vgl. Teil I S. 97ff. 122 f). Proklos Hihrt dann fort: ,Porphyrios aber und Jamblich versehen beide YJ mit einem Spiritus lenis, damit das Gemeinte laute, ,ob das All entstanden oder unentstanden sei'; das namlich wird er (Timaios oder Platon) vor allem anderen behandeln. Denn die richtige oder falsche Ausgangsposition (im:Mlcc:n~) in der Frage, ob die Welt geworden oder ungeworden sei, hat eine iiberaus gro:Be Wirkung in der gesamten Naturwissenschaft zur Folge2• Konnen wir doch von dieser Ausgangsposition her feststellen, welches das W esen des Kosmos und welches seine Krafte sind, wie uns ein wenig spater klar sein wird. - - Die MyoL :rtEQL mu :rravt6~ (Tim. 27 C 4) werden also urn der Unterweisung willen vorgebracht werden. Dabei nehmen sie ihren Ausgang von der Frage, ob der Kosmos geworden oder ungeworden ist, und kniipfen an diesen Ausgangspunkt in geordneter Folge die iibrigen Probleme an." Proklos schlie:Bt sich hier eng an Porphyrios und J amblich an. Daher ist nicht ganz klar, was den Vorgangern und was Proklos selbst gehort. Sodano3 nimmt nur 219,20-22 fiir Porphyrios in Anspruch, Festugiere4 zahlt 219,20-27, also alles his ,wie uns ein wenig spater klar sein wird" zu Proklos' Vorgangern, wie es scheint; er macht hier namlich einen Absatz 5 • Obschon das ,wie uns ein wenig spater klar sein wird" dar auf hindeuten konnte, daB Proklos das unmittelbar Vorangehende im eigenen Namen spricht, scheint mir gerade der Hinweis auf die Moglichkeit, bei richtig gewahltem Ausgangspunkt die ouala und l>uvaftEL:; des Kosmos betrachten zu konnen, echt porphyrisch zu sein. N atiirlich sind die ouala und l>waftH:; gemeint, die dem Kosmos von sick aus eignen, also ouala und l>wa!J.H:; des Substrates vor der Ordnung durch den Gott. In der getrennten Betrachtung dieser ouala und l>uva!J.H:; sah Porphyrios gerade den Sinn der zeitlichen Schopfung, Vgl. Tim. 29 B 2 f mit 28 B 4 f. Porphyrii in Platonis Timaeum commentariorum fragmenta coli. et disp. A. R. Sodano, Napoli 1964, fr. 30. Doch notiert Sodano z. St.: .Poryphyrii et Iamblichi sententias persecutus esse videtur Proclus in Tim .... p. 219, 22-31." 4 In seiner Dbersetzung der Stelle. 5 Im Gegensatz zu Diehl, der also den ganzen Passus, wie er oben iibersetzt ist, fiir porphyrisch-jamblichisch hiilt. 2
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I 252, 11-253, 19
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vor all em den Sinn von Tim. 30 A. J amblich schlo:B sich ihm in dieser Ansicht an (vgl. Teil IS. 146 ff). Erst jetzt wird auch das seltsame aea, ,also" (219, 28), verstandlich, mit dem Proklos den Schlu:B des Abschnittes als logische Folgerung aus dem Vorhergehenden anfiigt: Weil Platon sich in der Wahl seines Ausgangspunktes von dem Ziel bestimmen lie:B, die 5UVaflHt; und ovo[a des Kosmos an sich zu zeigen, ist seine Darstellung 5t5amtaA.[a; xaetv (und nicht wortlich, d. h. zeitlich) zu verstehen. Auch das ist porphyrisch-jamblichisch (vgl. Teil I S. 147. 152). Gleichzeitig aber kniipft Proklos hiermit auch an die vorher (S. 218, 13 ff) vorgebrachte Deutung des nn (Tim. 27 C 4) durch seinen Lehrer Syrian an, der darin einen Hinweis auf die A.Oyot EV JtQOcpOQ~ 5t5amtaA.la; EVExa XtVO'IJflEVOt sah (Teil I S. 18 7). So bildet der Schlu:B des Abschnittes nicht nur den Abschlu:B des Referates iiber Porphyrios und Jamblich, sondern auch der gesamten Behandlung von Tim. 27 C 4 f. Fiir Proklos selbst la:Bt sich unserer Stelle entnehmen, da:B er im Anschlu:B an Porphyrios-J amblich und seinen Lehrer Syrian die zeitliche Auffaltung der Schopfung im Timaios als einen methodischen Schritt urn der Unterweisung willen ansehen mochte 6 • 2. Zu Tim. 28 A 1-4
In seiner Besprechung von Tim. 28 A 1-4 kommt Proklos Tim. I 252, 11 ff auf einen Einwand des Aristoteles gegen Tim. 28 A 2-4 (to ()' a-6 M£n f-Ld atoit~OEOlt; aA.Oyov 5o£aotov ytyVOf-LEVOV xai UJtOAAUflEVOV, OVTWt; llE ol\ll£non: ov) zu sprechen: ,An dieser Stelle scheint Aristoteles mir vor allem gegen den zweiten Satz Kritik zu erheben: Wo liegt da namlich die Wahrheit (sagt er), da:B das M£n flEt' aioMjoEwt; 5o£aot6v ein ytyv6fl.EVov xai anoMuflEVOV sei? Zumindest der Himmel sei ungeworden und unverganglich, obschon er durch Meinung zusammen mit Wahrnehmung erfa:Bbar sei. - - Gewi:B, auch Timaios wird weiter unten untersuchen, ob der gesamte Himmel geworden ist, es soll aber auch 6 Vgl. II 12,26-13,3: Wenn es Tim. 31 B 6-8 heiBt, bei der Erstellung des Kosmos habe der Demiurg mit Feuer und Erde begonnen, so deutet das nicht auf ein sukzessives Schaffen des Gottes. Der Grund fiir diese Darstellung Platons liegt vielmehr -darin, daB alle Naturerklarung (n:acra cpumo/.oyta) mit den Extremen (&no Toov evav-rtwv) beginnt. D. h. Platon folgt einer traditionellen Darstellungsform, die nicht wiirtlich genommen werden darf.
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schon an dieser Stelle von uns gesagt werden, da£ es das Entstehende und Vergehende7 auf analoge Weise auch am Himmel gibt, nicht nur im Sinne der Bewegungen und der V eranderung der Formen8, sondern auch weil der Himmelskorper nicht die Fahigkeit hat, sich selbst hervorzubringen, vielmehr nur aufgrund einer anderen Ursache (als er selbst) ins Sein getreten ist (existiert, ucp£OT1'JX.E). Aus diesem Grund ist er geworden (yEVl'JToc;), weil er eine Ursache seines Entstehens besitzt, die von einem anderen Seienden abhangig ist. Da er aber nicht nur aufgrund von anderem ins Sein getreten ist, sondern auch von einem anderen erhalten wird- er kann sich ja nicht selbst erhalten- ebendeshalb unterliegt er aus verwandtem Grunde auch der Vernichtung, da das V ergehen als dem Entstehen korrespondierend angenommen wird. Denn die wahrhaft seienden und immerseienden Dinge bringen sich selbst hervor und erhalten sich selbst; daher sie denn auch als ihrer Natur nach ungeworden und unverganglich bezeichnet werden. W enn a her das wahrhaft Seiende ohne Entstehen a us sich selbst existiert, so diirfte das nicht aus sich selbst Existierende nicht wahrhaft ungeworden sein, und wenn das wahrhaft Unvergangliche seiner Natur nach sich selbst zu erhalten vermag, dann ist das, was seiner Natur nach sich nicht zu erhalten vermag, nicht wahrhaft unverganglich. Nun ist aber der Himmel - unter Himmel verstehe ich (hier) nur das Korperliche - seiner Natur nach weder in der Lage, sich selbst hervorzubringen noch sich selbst zu erhalten; denn alles dergleichen ist teillos, sowohl das, was die Fahigkeit hat, sich selbst hervorzubringen, wie auch das, was sich selbst zu erhalten vermag. Nicht wahrhaft ungeworden ist also der Himmel, noch wahrhaft unverganglich, sondern, (wenigstens) soweit er korperhaft ist, ist er geworden und auflosbar. Ferner hat kein begrenzter Korper, wie Aristoteles selbst sagt und klar und trefflich nachweist9 , unbegrenzte Kraft (5vvaluc;). Der Himmelskorper ist aber begrenzt; also hat er keine unbegrenzte Kraft, wohingegen das Unvergangliche als Unvergangliches eine 7 -ro "{L"{VOf-lEvov xat -ro a~toi.A.Uf,lt>Vov (C) ist mit Praechter 513 und Festugiere zur Stelle in den Text zu setzen. 8 Vgl. dazu Tauros bei Philop. Aet. mundi VI 8 S. 147,2ff = Teil IS. 108. 9 Phys. 266 a 10 ff; De caelo 275 b 22 f; Met. 1073 a 7 f. Vgl. dazu Dodds, Elements 250, der auch die Parallelen zu dem Philosophem beibringt. Zu erganzen ist Remp. II 11, 26 ff, wo das Theorem auf die Zeit iibertragen ist. Weitere Parallelen unten im Text. Vgl. ferner H. D. Saffrey und L.G. Westerink in ihrer Ausgabe von Prokl. Theol. Plat., Bd II, Paris 1974, S. 86.
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unbegrenzte Kraft besitzt. Der Korper ist also qua Korper unmoglich unverganglich, so da£ sich auch nach der Lehre des Aristoteles eine .Auflerung wie die (von Platon) vorgetragene beweisen laflt. Inwiefern aber der Himmel ungeworden und ewig (&t3wt;) ist, dariiber werden wir ein wenig spater Klarheit gewinnen. Fiir jetzt ist nur soviel aufgrund des Gesagten klar, da£ alles Korperliche an sich YLYVOf!EVOV E