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German Pages 388 [382] Year 1987
Die Völker Südosteuropas im 6. bis 8. Jahrhundert
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SUDOSTEUROPA JAHRBUCH im Namen der Südosteuropa-Gesellschaft herausgegeben von WALTER ALTHAMMER 17. Band
DIE VÖLKER SÜDOSTEUROPAS IM 6. BIS 8. JAHRHUNDERT herausgegeben von BERNHARD HANSEL
Selbstverlag der Südosteuropa-Gesellschaft München und des Seminars für Ur- und Frühgeschichte der Freien Universität Berlin
REDAKTION UND LEKTORAT: Bernhard Hansel Eva Hübner Manfred Roeder Barbara Thode Thomas Urban
BILDREDAKTION: Peter Kunz
f Bayerische | I Staatsbibliothek I 1 München 1
® 1987 by Südosteuropa-Gesellschaft München und Seminar für Ur- und Frühgeschichte der Freien Universität Berlin Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck, auch auszugsweise, ist nur mit Einwilligung des Verlages gestattet. ISBN 3-925450-02-5 Gesamtherstellung: M. S. Azzawi Druck & Design, Berlin
INHALTSVERZEICHNIS
BERNHARD HANSEL, Berlin (West) Einleitung
7
KURT HOREDT, München Die Völker Südosteuropas im 6. bis 8. Jahrhundert, Probleme und Ergebnisse
11
EVANGELOS CHRYSOS, loannina Die Nordgrenze des byzantinischen Reiches im 6. bis 8. Jahrhundert . . .
27
WALTER POHL, Wien Das awarische Khaganat und die anderen Gentes im Karpatenbecken (6.-8. Jh.)
4'
PHA1D0N MAL1NG0UD1S, Thessaloniki Frühe slawische Elemente im Namensgut Griechenlands
53
NORBERT REITER, Berlin (West) •v.
Alte Relikte in Balkansprachen . . .
.y*».
69
GOTTFRIED SCHRAMM, Freiburg i.Br. Die Katastrophe des 6. bis 8. Jahrhunderts und die Entstehung des rumänischen Volkes
85
VLAD1SLAV P0P0V1C, Belgrad Die süddanubischen Provinzen in der Spätantike vom Ende des 4. bis zur Mitte des 5. Jahrhunderts
95
VEL1ZAR VELKOV, Sofia Der Donaulimes in Bulgarien und das Vordringen der Slawen
141
DIM1TÄR OVCAROV, Sofia Die Protobulgaren und ihre Wanderungen nach Südosteuropa
171
EVA GARAM, Budapest Der awarische Fundstoff im Karpatenbecken und seine zeitliche Gliederung
191
ATT1LA K1SS, Budapest Das Weiterleben der Gepiden in der Awarenzeit
203
MARIA COMSA, Bukarest Slawen und Awaren auf rumänischem Boden, ihre Beziehungen zu der bodenständigen romanischen und späteren frührumänischen Bevölkerung. .
219
D1M1TR1U PROTASE, Cluj-Napoca Die dakisch-römische Bevölkerung nördlich der Donau in der Periode von Aurelian bis zu den Slawen (7. Jh.) im Lichte der aktuellen Dokumente. .
23]
ENDRE TÖTH, Budapest Bemerkungen zur Kontinuität der römischen Provinzialbevölkerung in Transdanubien (Nordpannonien)
251
SLAVKO C1GLENECK1, Ljubljana Das Weiterleben der Spätantike bis zum Auftauchen der Slawen in Slowenien
265
HERMANN AMENT, Mainz Schlußwort eines Archäologen
287
GERHARD W1RTH, Bonn Schlußwort eines Historikers
299
Autoren der Beiträge
305
Tafel Tafel Tafel Tafel Tafel Tafel
1 - 8 zum Beitrag VI. Popovic (S. 95-139) 9-13 14 - 24 25 - 30 31 32 - 36
zum zum zum zum zum
Beitrag D. Ov£arov (S. 171-190) Beitrag E. Garam (S. 191-202) Beitrag A. Kiss (S. 203-218) Beitrag E. Töth (S. 251-264) Beitrag S. Ciglenecli (S. 265-286)
Einleitung Bernhard Hansel, Berlin (West) Auf Anregung von Kurt Horedt, der nach jahrelanger Tätigkeit an der Universität von Klausenburg seine verdiente Ruhezeit in München verbringt, hatte sich die Südosteuropa-Gesellschaft entschlossen, ihre jährlichen Hochschulwochen 1985 einem historisch-archäologischen Thema zu widmen, d.h. fernere Zeiten, die für unser Geschichtsverständnis in und über Südosteuropa wichtig sind, einem breiten Kreis an Fachvertretern, Studierenden und Interessierten zu erschließen. Das vorliegende Jahrbuch möge diese Absicht fördern und zugleich die Tätigkeit der 26. Hochschulwoche abschließen. Historiker, Sprachwissenschaftler und in der Mehrzahl Archäologen aus allen südosteuropäischen Ländern mit Ausnahme der Türkei und Albaniens haben sich vom 7. bis 11. Oktober 1985 in Tutzing bei München mit Kollegen aus Deutschland und Österreich zusammengefunden, um den gegenwärtigen Forschungsstand zur Geschichte und Archäologie Südosteuropas während der Jahrhunderte nach dem Verfall des römischen Reiches mit seiner normativen Dominanz und seiner nivellierenden Kraft zu erörtern. In Teilaspekten wie in generellen Überlegungen wurden aus der Sicht einzelner Länder wie in der Überschau aktuelle Fragen erörtert, die sich eines großen Interesses erfreuten. Als durchaus nicht nur für die Wissenschaften von der Geschichte und der Archäologie aktuell bzw. zeitbezogen darf man jene Epoche vom 6. bis 8. Jahrhundert bezeichnen, weil in ihr die Grundlagen für die heutige ethnische Situation und die Staatlichkeit Südosteuropas gelegt wurden. Wenn man die Ära der Römer als die gemeineuropäische Grundschicht des Altertums auffaßt, so stellen die hier interessierenden Jahrhunderte des Frühmittelalters den Start für den spezifisch südosteuropäischen Weg zur Gegenwart dar. Wer diesen Initialprozeß versteht, wird auch den Zugang zu den folgenden Jahrhunderten finden. Wer die komplexe Situation innerhalb Südosteuropas während der bewegten Zeit der umfangreichen Landnahmevorgänge zur Kenntnis nimmt, wird die Gegenwart in diesem Subkontinent begreifen können und Respekt für die Konsistenz südosteuropäischer Verhältnisse trotz aller Wandlungsfähigkeiten gewinnen. Daß eine Tagung der Erörterung von Detailfragen, Ansichten und Einsichten gilt, ist selbstverständlich. Sie dient der Kommunikation, des Meinungsaustausches. Eine Veröffentlichung ihrer Ergebnisse und Berichte kann also nicht als historisches Handbuch verstanden werden, das ausgewogen alle Ereignisse und
s
Bernhard Hansel
Zeitströmungen zur Geltung bringt. Wer den vorliegenden Band jedoch insgesamt überschaut, wird einen guten und auch allgemein informierenden Zugang zur Archäologie und Geschichte der Zeit zwischen 500 und 800 n.Chr. erhalten. Es fehlt hier in eigenen Beiträgen so manches, steht doch etwa die Rolle der germanischen Gentes im Hintergrund, ebenso wie die magyarische Landnahme in ihrem Anfang nicht mehr behandelt worden ist. Die Geschichte des byzantinischen Reiches als die der ganz dominanten Kraft ist hier nicht behandelt worden, weil sie anderwärts gut und leicht nachzulesen ist. Auch die Sprachwissenschaft ist keineswegs flächendeckend zu Wort gekommen. Die Lücken sind von vornherein in Kauf genommen worden, zum Teil ergaben sie sich durch die Verhinderung verschiedener Eingeladener, unter denen R. Harhoiu aus Bukarest, 1. Bona aus Budapest und V. Bierbrauer aus Bonn besonders vermißt wurden. Herr Bierbrauer hatte sich ausführlich und in besonders dankenswerter Weise um die Programmgestaltung der Tagung bemüht, seine längere Krankheit hat ihn auch daran gehindert, noch einen Beitrag zu diesem Sammelband zu schreiben. Desgleichen hat sich auch A. Hohlweg an der Vorbereitung beteiligt. Besonderes Gewicht ist während der Tagung und in diesem Band auf Kontinuitäten aus der Spätantike in oder durch das frühe Mittelalter gelegt worden, was in mehreren Beiträgen zu Wort kommt. Die gegenwärtige Forschung ist sehr viel gezielter als früher darum bemüht, den Neuanfang in Südosteuropa nach dem Altertum differenzierter zu sehen und Traditionsstränge aus den vorherigen Zeiten herauszuarbeiten. Das ist der Grund, daß hier auch Beiträge wie die von M. Cornea und E. Töth aufgenommen worden sind, obwohl sie als Vortrag nicht gehalten werden konnten. Die Gliederung des Bandes ergibt sich nicht nach einem Nationalitätenschlüssel der Teilnehmer oder Berichterstatter, sie ordnet die einzelnen Beiträge nach Themenblöcken: Nach dem umfassenden Einleitungsreferat von K. Horedt, das die Ergebnisse eines Teiles seiner Lebensarbeit zusammenfaßt und zugleich den Rahmen für die Tagung absteckt, wie er ihn als eigentlicher geistiger Vater des Programms entwickelt hat, kommen Historiker und Sprachwissenschaftler bis zu dem Beitrag von G. Schramm zu Wort. Darauf folgen nur noch archäologische Beiträge, wobei sich der erste Block durch die Artikel von V. Popovic und V. Velkov mit der Situation im römischen Grenzbereich zu Beginn des hier interessierenden Abschnittes befassen. Darauf behandeln die Beiträge von
Einleitung
9
von D. OvCarov, E. Garam, A. Kiss und M. Cornea die Archäologie von neu zuwandernden Völkerschaften, während der letzte Block der Autoren D. Protase, E. Töth und S. Ciglene£ki Kontinuitätsstränge aus der Spätantike verfolgt. Abschließend geben die Teilnehmer H. Ament und G. Wirth zusammenfassende, die Tagung abschließende Bemerkungen zu Protokoll. Allen Beteiligten sind die Südosteuropagesellschaft und die Organisatoren der Veranstaltung für ihr Engagement, die Ausbreitung ihres Wissens, für ihre Artikel zu Dank verpflichtet. Der Dank schließt auch J. Werner, München ein, dessen Beitrag über den Schatzfund von Vrap andernorts veröffentlicht worden ist. Die Tagung wäre nicht ohne die großzügige Gastgeberschaft der Akademie für Politische Bildung in Tutzing und ihres Direktors, Herrn Prof. Dr. M. Hättich möglich gewesen. Den beträchtlichen organisatorischen Aufwand der Veranstaltung haben die Damen aus dem Büro der Südosteuropa-Gesellschaft unter der umsichtigen Leitung von Herrn P. Fischer-Weppler bewältigt. Über aller Arbeit schien als guter Stern Herr H. Hartl, der ständige Leiter der Hochschulwochen. Ihnen allen sei hier aufrichtig gedankt. Das Präsidium der Gesellschaft hat die Mittel zur Drucklegung des Bandes gegeben, der Satz wurde von den Mitarbeitern des Seminars für Ur- und Frühgeschichte der Freien Universität zu Berlin, Frau Barbara Thode und Herrn Thomas Urban, hergestellt. Den Abbildungstitel hat P. Kunz, Berlin (West) besorgt, an den Korrekturarbeiten war Frau Eva Hübner beteiligt. Auch ihnen danke ich im Namen der Südosteuropa-Gesellschaft. Möge der wissenschaftlichen Arbeit der Tagung durch das vorliegende Jahrbuch Verbreitung beschieden sein. Aus dem Gesichtswinkel des gegenwartsorientierten Zeitgenossen bietet die Archäologie einen unschätzbaren Vorzug: Archäologie professionell zu betreiben, verlangt Passion - und Passion vereinigt. Wir Archäologen sind uns über alle Landesgrenzen über die Grundwerte unserer Arbeit einig, wir haben eine gemeinsame Denkweise und Sprache. Archäologische Kulturen respektieren heutige Landesgrenzen nicht, deshalb sind wir bei unserer Arbeit gezwungen, diese zu überwinden. Da wir passioniert sind, gelingt dies uns auch immer wieder. Der vorliegende Band jedenfalls zeigt an, daß die archäologisch-historische Forschung und die Betrachtung ihres Gegenstandes Länderverbindendes erreichen kann, auch wenn sie Divergierendes untersucht. Möge die Südosteuropa-Gesellschaft auch in Zukunft ihre Hochschulwoche wieder einmal für ein archäologisches Thema öffnen.
Die Völker Südosteuropas im 6. bis 8. Jahrhundert, Probleme und Ergebnisse. Kurt Horedt, München Ein Versuch die "Probleme und Ergebnisse" des Rahmenthemas in einen einleitenden Vortrag aufzuzeigen, stößt auf beträchtliche Schwierigkeiten. Unvermeidlich ist ein solcher Titel ungenau und zu umfassend, doch kann andererseits nicht darauf verzichtet werden, den behandelten Fragenkreis abzugrenzen und die folgenden Ausführungen darauf einzustimmen. Es drängen sich jedem, der sich mit dem 6. bis 8. Jahrhundert und seinen Völkerschaften in Südosteuropa beschäftigt, Gedanken und Erkenntnisse auf, die hier gleichsam als Randbemerkungen aneinandergereit und dargelegt werden sollen. Zeitliche Begrenzung. Die beiden Eckwerte für die zeitliche Begrenzung des Rahmenthemas können genau festgelegt werden. Das Jahr 567/568 bezeichnet die Vernichtung des Gepidenreiches, die Niederlassung der Awaren in der Theißebene und den Abzug der Langobarden im folgenden Frühjahr nach Italien 1 '. Das Ende ist durch die Vernichtung des Awarenreiches im letzten Jahrzehnt des 8. Jahrhunderts gegeben, das dem vereinten Angriff des fränkischen Reiches und der Bulgaren erlag. Auch diese absoluten Daten als zeitliche Einschnitte sind das Ergebnis von Entwicklungen, die bereits früher einsetzten und später noch nachwirkten. So sind die Ereignisse des Jahres 567 nur die Folge der bereits Jahrzehnte vorher beginnenden, von Byzanz geschürten Rivalität zwischen Gepiden und Langobarden. Als dann um 800 der gemeinsame Gegner beseitigt, das fränkische Reich bis an die mittlere Donau vorgedrungen war und die Bulgaren das Zwischenstromland und die Theißebene bis an die Waldkarpaten besetzt hatten, da kam es zwischen den beiden früheren Verbündeten zwei Jahrzehnte später unter Ludwig dem Frommen und dem Bulgarenkhan Omurtag wegen der Abgrenzung der Interessensphären und Einflußgebiete zu kriegerischen Auseinandersetzungen 2 '. Erst das Erstarken des Großmährischen Reiches vereinte die beiden Gegner in der zweiten Hälfte des 9. Jhs. wieder gegen einen neuen gemeinsamen Feind. L. Schmidt, Die Ostgermanen (München 1969) 541-542. 2) Monumenta Germaniae Historica, Scriptorum I, 213; 214; 216.
12
Kurt Horedt
Germanen.
Innerhalb
der
genannten
zeitlichen
Eckwerte
sind anfangs noch germanische
Stämme, Langobarden und Gepiden, die geschichtsbestimmenden Völkerschaften. Die Quellenlage ist bei ihnen jeweils verschieden. Nach der schriftlichen Überlieferung ist ein Fortleben von Langobarden westlich der Donau nach 568 zu verneinen3).
Die
spätere
Anwesenheit von langobardischen
Bevölkerungsteilen
läßt sich nur archäologisch erschließen. Dieses wurde für das Gräberfeld von Värpalota angenommen, wo auf das germanische Gräberareal bis zu dem a w a r i schen G r ä b e r t e i l eine schmale Zwischenzone f o l g t , von der angenommen w i r d , daß hier die von den Awaren versklavten Langobarden bestattet wurden. Wegen der
verschiedenen T i e f e der germanischen und awarischen Gräber
wird diese
Deutung aber auch b e s t r i t t e n 4 ) . Bei den Gepiden ist die Quellenlage umgekehrt. Als der byzantinische Feldherr Priskus im Jahre 600 in das Banat eindrang, zerstörte er dort drei gepidische D ö r f e r , ebenso nahmen an der mißglückten Belagerung Konstantinopels
durch
die A w a r e n im Jahre 626 auch Gepiden teil5). In den früheren Wohnsitzen an der Theiß konnten aber bisher die literarisch bezeugten Gepiden archäologisch nicht erfaßt werden, und auch in Siebenbürgen ist in den Beigaben der Gräberfelder
und Grabgruppen keine Fortdauer der Gepiden nach 567 zu erkennen.
Wertet man aber wie in Värpalota die horizontalstratigraphische Verteilung der Gräber nach sozialen Gesichtspunkten und Besitzverhältnissen aus, so lassen sich in einigen Gräberfeldern an der Theiß und in Siebenbürgen in gesonderten Randzonen die f r ü h a w a r e n z e i t l i c h e n Bestattungen der Gepiden abgrenzen. Dabei ist von der Überlegung auszugehen, daß die awarischen Sieger den unterworfenen Gepiden kaum noch das Tragen von Waffen und von Schmuck aus Edelmetall ges t a t t e t haben d ü r f t e n und daß ihre veränderte Rechtsstellung und die ungünstigere Rechtslage auch in der Grabausstattung zum Ausdruck kommen. Arme und beigabenlose Gräber
wären demnach spät einzustufen, wenn sie geschlossen in
Kontaktzonen zu awarischen Gräbern oder in Randlage a u f t r e t e n und sich von
Paulus Diaconus I I , 26 in: Monumenta Germaniae Historica, Scriptores rerum Langobardicarum et Italicarum, saec. VI-IX, ed. G.H. Pertz, 1878, 86-87. J. Werner, Die Langobarden in Pannonien (München 1972) 47-48; dagegen: 1. Bona, Acta Arch. Hung. 7, 1956, 239-242; ders., Acta Arch. Hung. 23, 1971, 291. 5
L. Schmidt a.a.O. (Anm. 1) 542-543.
Die Völker Sudosteuropas im 6. bis 8. Jahrhundert
13
Kernbereichen mit reichen und m i t t l e r e n Gräbern abheben. Dieses ist auf den Plänen der Gräberfelder von Szentes-Naghegy, Szöreg und Moresti klar zu erkennen^'. Es gibt
allerdings
auch noch eine andere germanische Grabgruppe, die
auch
Waffen und Schmuck f ü h r t und nur in Siebenbürgen, anscheinend aber nicht an der Theiß vertreten ist7). Ihre kennzeichnenden Gräberfelder von Band, Nosjac und Unirea-Vere$mort
liegen alle in der Umgebung der großen Salzvorkommen
von Uioara und Turda, und hier betreuten reiche germanische Salzherren den Abbau der Salzblöcke und ihre Verschiffung auf dem Mieresch. Sie konnten sich dadurch vermutlich eine günstigere Rechtsstellung bewahren, die ihnen auch ges t a t t e t e , Waffen und Schmuck zu tragen. Der z e i t l i c h e Schwerpunkt dieser Gräberfelder
liegt teilweise in der ersten Hälfte des 7. Jhs. und z e i t l i c h entspre-
chen ihnen noch die frühawarenzeitlichen armen und beigabenlosen gepidischen Gräber. Das Ende der Gräberfelder aus dem Miereschbogen bezeichnet auch das Verschwinden der Germanen im Karpatenraum, das spätestens um die M i t t e des 7. Jhs anzusetzen ist.
Slawen
Das früheste A u f t r e t e n einer neuen Bevölkerungsgruppe
bedeutet
noch
nicht,
daß sie auch bereits geschichtswirksam in Erscheinung t r i t t . Die Slawen werden zuerst unter Justin 1. an der unteren Donau e r w ä h n t % doch sind sie archäologisch erst viel später anscheinend in den sogenannten "slawischen" Fibeln zu erf a s s e n ^ . Z e i t l i c h liegt der Schwerpunkt der slawischen Maskenkopffibeln in der ersten Hälfte des 7. Jhs., und da sie beinahe ausschließlich Einzelfunde sind, ist es nicht ausgeschlossen, daß sie in nicht beachteten Brandschüttungsgräbern l a gen. Erst mehr als ein Jahrhundert nach der frühesten Erwähnung der Slawen an der unteren Donau t r e t e n sie in M i t t e l - und Westrumänien in der z w e i t e n H ä l fte des 7. Jhs. in Brandgräberfeldern in Erscheinung. Dem Aussetzen der germanischen Reihengräber
mit
Körperbestattung um die M i t t e des Jahrhunderts
K. Horedt, Germania 63, 1985, 164-168. 7) K. Horedt, Dacia N.S. 21, 1977, 261-265; 267-268.
8) 9
Pauly-Wissowa, Realenzyklopädie 3.A, Bd. 1 (1927), s.v. Slaweneinfälle (Enßlin). J. Werner in: Reinecke-Festschriit (Mainz 1950) 150-172.
Kurt Horedt
'4
entspricht der Beginn der Gräberfelder der sogenannten Mediaschgruppe m i t slawischer
B r a n d b e s t a t t u n g 1 0 ) . Im Vergleich zu dem dichten Netz der slawischen
Ortsnamen ist ihre Zahl noch gering, erlaubt aber immerhin mit archäologischen B e w e i s m i t t e l n einen geschichtlichen Vorgang zu erfassen. Erstaunlich spärlich sind bisher slawische Brandgräber in Ungarn und im nördlichen Jugoslawien. In Verbindung m i t den Bronzegußarbeiten stellt sich auch die Frage ihrer möglichen slawischen Zugehörigkeit.
Reitervölker sind nicht zahlreich, ihre Gräber-
felder haben einen geringen U m f a n g , und es ist durchaus begründet, für die etwa 30.000 "awarischen" Gräber m i t Bronzegußarbeiten ihren ausschließlich r e i ternomadischen Charakter
zu b e z w e i f e l n 1 1 ' . Allerdings ist es dann in gleicher
Weise schwierig, sie in ihrer Gesamtheit für slawisch zu erklären, und methodologisch ist nicht g e k l ä r t , wie die Grenze zwischen slawischen und awarischen Gräbern m i t diese
Bronzegußarbeiten zu ziehen wäre. Die Annahme allerdings, daß
Gräberfelder
bereits
vor
ihrer
Belegung parzelliert
worden wären, um
gleichsam für das Jenseits ein Spiegelbild vom sozialen Aufbau und der Gesellschaftsstruktur der A w a r e n zu geben, ist wenig w a h r s c h e i n l i c h 1 2 ' .
Onogurbulgaren. Kuvrat.
In einer geistvollen und anregenden Untersuchung wurde kürzlich der Grabfund von Malaja Pere££epina dem Khan der Onogurbulgaren Kuvrat zugesprochen und verstärkt
die A u f m e r k s a m k e i t
auf diesen Volksstamm und seine Bedeutung im
1
ausgehenden 7. J h . g e l e n k t 3 ) . Für die Zuweisung sprechen schlüssige Indizienbeweise, und die für Möglichkeit,
Malaja
geschichtlich
Pere££epina gegebene Deutung bietet auch eine
und archäologisch die Überlieferung über die
fünf
Kuvratsöhne zu verfolgen und zu überprüfen. Nach dem Tode Kuvrats t e i l t e sich unter dem Druck
der innerasiatischen Chasaren der Volksstamm. Der
älteste
Sohn Bajan t r a t die Erbfolge seines Vaters an und wurde den Chasaren t r i b u t p f l i c h t i g , der z w e i t e , Kotragos, wich nach Westen aus und ließ sich auf dem
K. Horedt, Zeitschr. Arch. 10, 1976, 35-57. A. To£ik, Studijne zvesti AUSAV 16, 1968, 255-260. Gy. Läszlö, Etudes archeologiques sur l'histoire de la societe des Avares. Arch. Hungarica 34 (Budapest 1955) 21-133. J. Werner, Der Grabfund von Malaja PereJöepina und Kuvrat, Kagan der Bulgaren. Bayer. Akad. Wiss., phil.- hist. K l . , Abhandl. N.F. 91 (München 1984).
Die Völker Sudosteuropas im 6. bis 8. Jahrhundert
'5
rechten Ufer des Don nieder und der d r i t t e , Asparuch, ü b e r s c h r i t t 6 8 i die Donau und gründete das balkanbulgarische Reich. Dieses historisch beglaubigte Ereignis stützt auch die Nachrichten über die Schicksale seiner beiden jüngeren Brüder. Der vierte Bruder Kuber zog nach Pannonien und u n t e r s t e l l t e sich vorübergehend den A w a r e n , während der jüngste in der Umgebung von
Ravenna
unter byzantinische Oberhoheit g e l a n g t e 1 ^ . Archäologisch läßt sich der Zug K u bers am klarsten durch den Horizont der goldenen Trinkhörner v e r f o l g e n , die von Malaja PereSöepina ausgehend im Schatzfund von Großsanktnikolaus, Sfnnicolu Mare, Nagyszentmiklös am unteren Mieresch a u f t r e t e n und dann im Z w i schenstromland in Böcsa und Kunbabony weiter nach Westen führen. Sie stecken geradezu die Richtung ab, in der der onogurbulgarische Kuberzug in die Theißebene e r f o l g t e .
Sermesianoi und die albanischen Funde.
Kuber, der vierte
Kuvratssohn, blieb allerdings nicht
lange in Pannonien. Im
zweiten Jahrzehnt des 7. Jhs. hatten die Awaren, v e r m u t l i c h zu wiederholten Malen, Bewohner von Thessalonike und seiner Umgebung in den Bereich von Sirmium deportiert
und etwa um 680 setzte der Awarenkhagan Kuber als Ober-
haupt über diese Sermesianoi ein. Nach wenigen Jahren, jedenfalls noch im vorletzten Jahrzehnt des 7. Jhs., erhoben sie sich unter der Führung von Kuber gegen die
Awaren
und überschritten
die
Donau, um
wieder
in ihre
Heimat
zurückzukehren. Nachdem die Sermesianoi etwa D r e i v i e r t e l der Wegstrecke in der Richtung nach Thessalonike zurückgelegt h a t t e n , ließen sie sich in der keramesischen Ebene (keramesios kampos) nieder. Diese w i r d in einer
Entfernung
von etwa 40 km von Stobi in Pelagonien lokalisiert, auf halbem Weg zwischen Stobi im Vardartal und Heraclea Lyncestis (Monastir, B i t o l a ) , jedenfalls liegt sie östlich des Ochridsees, durch den die Grenze zwischen Jugoslawien und Albanien verläuft^'. Es wurde kürzlich versucht, zwei wichtige Funde aus Albanien, den seit langem bekannten aus Vrap und den später zum Vorschein gekommenen von Erseke m i t diesen Ereignissen in Zusammenhang zu bringen und sie historisch zu datieren 4
S. Szädeczky-Kärdoss, Antik tanulmänyok 15, 1968, 84-87.
-*
P. Lemerle, Les plus anciens recueils des Miracles de Saint Demetrius et la penetration des Slaves dans les Ualkans 2: Commentaire (Paris 1981) 137-150.
16
Kurt Horedt
und zu deuten 1 0 '. Topographische und archäologische Erwägungen sprechen gegen einen solchen Versuch. Vrap in Albanien liegt südöstlich von Tirana, ungefähr auf gleicher Höhe mit dem Ochridsee und in einer Entfernung von etwa 130 km von den Wohnsitzen der Sermesianoi in der keramesischen Ebene. Der Fund kann also nicht mit diesen in Verbindung gebracht werden und das Gleiche gilt auch für den aus Erseke. Die Beschläge beider Funde sind einmal durch ihr Material bemerkenswert, da sie im Gegensatz zu den karpatenländischen Bronzegußarbeiten aus Gold gearbeitet sind und nördlich der Donau nur Einzelstücke von solchen Garnituren als seltene Unikate vorkommen. Die albanischen Funde weisen außerdem eine bereits vollentwickelte Rankenornamentik auf, die nach bisherigen Erkenntnissen erst im 8. Jh. ausgeführt wird ! 7). Vertritt man die historische Datierung der Funde, so müßte vorher der Nachweis erbracht werden, daß die Ranken- und Greifenornamentik früher einsetzte, als bisher angenommen wurde, da Kuber mit den Sermesianoi sonst von den Awaren Funde geraubt hätten, die es damals nördlich der Donau überhaupt noch nicht gab. Es erscheint deswegen eher angezeigt, auf die angenommene historische Datierung der albanischen Funde in das vorletzte Jahrzehnt des 7. Jhs. zu verzichten und sie erst später in das 8. Jh. anzusetzen. Der Schatzfund von Großsanktnikolaus. Von den Goldfunden mit Trinkhörnern nimmt der umfangreiche Schatzfund von Großsanktnikolaus eine Sonderstellung ein. 1917 gelang es V. Thomsen die mit griechischen Buchstaben geschriebene türkbulgarische Inschrift der Schale 21 zu übersetzen und historisch zu deuten. Er nahm an, daß die Inschrift der Schale im letzten Drittel des 9. Jhs. angebracht und der Schatz im letzten Jahrzehnt des 9. Jhs. während der ungarischen Landnahme verborgen worden sei1*'). Trotz der übereinstimmenden Meinungsbildung über den Schatzfund muß man ihn im 9. Jh. als einen Fremdkörper empfinden, da in diesem Zeitabschnitt für seine Zusammensetzung, die Form der Gefäße und ihre Ornamentik im Karpatenraum J. Werner, Der Schatz von Vrap in Albanien. Österr. Akad. Wiss., phil.-hist. Kl. (Wien 1985) 17)
Zur Forschungsgeschichte und zeitlichen Gliederung der awarischen Denkmäler siehe I. Kovrig, Das awarenzeitliche Gräberfeld von Alattyän (Budapest 1963) 224-241; vgl. auch den Beitrag von £. Garam in diesem Band.
18) V. Thomsen, Samlede afhandlinger 3 (Kopenhagen/Oslo 1922) 325-353.
Die Völker Südosteuropas im 6. bis 8. Jahrhundert
17
und auch südlich der Donau Analogien fehlen. Von den 23 Gefäßen diente beinahe die Hälfte als Trinkgeschirr, das auch sonst einen beinahe konstanten Bestandteil der Ausstattung von reichen m i t t e l a w a r e n z e i t l i c h e n Gräbern b i l d e t . E i ne kürzliche Zusammenstellung verzeichnet 16 Fundorte, denen noch die beiden Funde aus Albanien, von Vrap und Erseke hinzuzufügen sind 1 9). Die reichentwickelte und hochstehende Ornamentik der Gefäße von Großsanktnikolaus t r ä g t eindeutig sassanidisches Gegräge. Eine zweite Komponente
im Schatzfund
ist
byzantinisch und ergibt sich aus den griechischen Inschriften und den K r e u z z e i chen. Den türkbulgarischen Auftraggeber erschließen die Inschrift in t ü r k b u l g a rischer Sprache und die Runenschrift.
Man darf annehmen, daß die Gefäße in
einer sassanidischen Werkstatt oder von einem sassanidischen Goldschmied im 7. Jh. in einer Kontaktzone hergestellt wurden, wo sassanidische Einflüsse und die türkbulgarische Sprache sowie ihre Runenschrift bekannt waren und zusammentrafen. Besitzer des Schatzes von Großsanktnikolaus waren aber nicht späte Nachkommen von Asparuch, wie Thomsen annahm, sondern einer seiner beiden jüngeren Brüder oder ein Würdenträger von i h n e n 2 0 ' . In der l e t z t e n umfassenden Veröffentlichung des Fundes wurde er der ungarischen Goldschmiedekunst der ungarischen Kultur
zugewiesen
21
und
', doch ist eine solche Spätdatierung erst
um die Jahrtausendwende archäologisch und historisch weniger überzeugend.
Die Herkunft der Seider. Die unwahrscheinliche Spätdatierung des Schatzfundes von Großsanktnikolaus um die Jahrtausendwende verbaut aber eine viel wichtigere Erkenntnis, die sich aus der hier vorgeschlagenen Frühdatierung in die zweite H ä l f t e des 7. Jhs. ergibt und die Möglichkeit b i e t e t , die v i e l e r ö r t e r t e
Herkunftsfrage
der Sekler
einer
Lösung näherzubringen. Nach
ihrer
Herkunftssage sind die Sekler Hunnen, die um Nachstellungen
zu
entgehen, nach dem Tode A t t i l a s sich einen anderen Namen zulegten und auf das "Chiglefeld" und nach Siebenbürgen zogen. Als die Madjaren noch in Ruthenien w e i l t e n , nahmen sie die Verbindung zu ihnen auf und schlössen sich ihnen 9
E. Garam, Folia Arch. 27, 1976, 143; Für Trinkhörner in der Mittelawarenzeit: dies., Folia Arch. 33, 1982, 209-212. K. Horedt, Arch. Korrbl. 13, 1983, 503-505. Gy. Läszlö, Steppenvölker und Germanen (Wien/München 1970) 142; 143; Gy. Läszlö u. I. Räcs, Der Goldschatz von Nagyszentmiklös (Wien/München 1983).
Kurt Horedt
i8
Ivttm «JttuUmim c\ua& fnxiput
Abb. l
Die Sekler Runenschrift nach der Nikolsburger Handschrift, 15.Jh.
an 2 2 ). Ihr Name wird vom türkischen "Sikil" (von edler Herkunft) abgeleitet und zeigt, daß sie ursprünglich ein türkischer Volksstamm waren. Sie bewahrten bis in die Neuzeit eine eigene Runenschrift (Roväsiräs), in der 16 Zeichen aus der türkischen Runenschrift und vier Buchstaben aus dem griechischen Alphabet entlehnt sind. Die Entstehung der Schrift wird in das Pontusgebiet verlegt und enthält in der Zusammensetzung der Schriftarten die gleichen Komponenten, die auch in den Gefäßen von Großsanktnikolaus vertreten sind. Die Sekler Runenschrift ist in den Chroniken des 13. Jhs. bezeugt, in der Nikolsburger Handschrift bereits im 15. Jh. aufgezeichnet (Abb. 1). Sie wurde bis in das 18. Jh. hinein verwendet-^). Es muß aber betont werden, daß es keine madjarische sondern nur eine Sekler Runenschrift gibt. Ihr Stammesname, ihre Runenschrift und 22)
3
Scriptores Rerum Hungaricarum 1, ed. E. Szentpetery (Budapest 1937) 162; Kezai 1, 21, 278-279; Chronicon Pictum Vindobonense 21; J. Nemeth, Archivum Europae centro-orientalis 6 (Budapest 1940) 208-217. Vgl. Anm. 22; J. Nemeth, Die Inschriften des Schatzes von Nagy-Szent-Miklös. Anhang 2: Die ungarische Kerbschrift (Berlin/Leipzig 1932) 60-84; E. Jakubovich, Ungarische Jahrb. 15» 1936, 440-45J-
Die Völker Sudosteuropas im 6. bis 8. Jahrhundert
"9
ihre Herkunftslegende stellen kausal und ethnisch eine Verbindung der Sekler zu den Türkbulgaren her, wobei bedeutungslos ist, ob es sich um Reste der Kuvratoder Kuberbulgaren handelt und sie sich den landnehmenden Ungarn bereits außerhalb der Karpaten oder erst in der Theißebene anschlössen. Reiternomadischem Brauch entsprechend kämpften sie dann als Verbündete der Ungarn in der vordersten Schlachtreihe oder dienten als Grenzwächter. Zur historischen Deutung der Bronzegußarbeiten. Bronzegußarbeiten sind überall im reiternomadischen Bereich vertreten und reichen von der Theißebene bis nach Minussinsk und dem Altaigebirge 2 4). Ihr unvermitteltes Auftreten im Karpatenbecken etwa um 68o kann aber nicht durch kulturelle Mutation erklärt werden, sondern man erblickt in ihnen zutreffend die Anzeichen einer neuen Wanderwelle aus dem Osten, die einen ethnischen Träger voraussetzt^). Der Anstoß für diese Bewegung scheint wie in der Zeit der Hunnen von China ausgegangen zu sein. In der zweiten Hälfte des 6. Jhs. schließen sich die Türken zu einem west- und einem osttürkischen Khaganat zusammen, das für ein Jahrhundert die chinesische Nordgrenze bedroht. Das westtürkische Khaganat erstreckt sich westlich des lrtysch im Siebenstromland, und es gelang der Tangdynastie erst in der zweiten Hälfte des 7. Jhs., es so weit zu schwächen, daß es seine Einheit verlor und aufhörte, als selbstständiges Reich zu bestehen 2 ^'. Es ist möglich, daß während dieser Kämpfe die Westtürken auch nach Westen auswichen, auf die Chasaren am Kaspischen Meer drückten, die ihrerseits nach dem Tode Kuvrats die Onogurbulgaren in Bewegung setzten. Als ein paralleler Vorgang könnten die Träger der Bronzegußarbeiten als eine neue, ethnisch gebundene Wanderwelle bis in den Karpatenraum vorgestoßen sein. In einer Kettenreaktion, an der Westtürken, Chasaren und Onogurbulgaren beteiligt sind, erreichen diese Bewegungen die Theißebene, wo sich ihre reiternomadische Dynamik bricht und wie vorher und nachher im Falle der Hunnen und Madjaren zum Stillstand kommt. Auf diese möglichen Zusammenhänge wurde in der Literatur bisher kaum hingewiesen und es soll auch hier nur mit der gebotenen Vorsicht und Zurückhaltung geschehen. ^ 25 2
N. Fettich, BronzeguG und Nomadenkunst (Prag 1929). Gy. Läszlö a.a.O (Anm. 12) 1791.; I. Kovrig a.a.O. (Anm. 17) 231. 0 . Franke, Geschichte des chinesischen Reiches 2 (Berlin 1961) 247-248; 308-394.
Kurt Horedt
20
Wenig wahrscheinlich ist es aber, in dem A u f t r e t e n der Bronzegußarbeiten eine Vorwegnahme
der ungarischen Landnahme vom Ende des 9. Jhs. zu erblicken
und eine "doppelte
Landnahme" zu konstruieren 2 ?). Ein bisher historisch aner-
kannter und eindeutiger Vorgang w i r d dadurch unnötig k o m p l i z i e r t , und die landnehmenden Ungarn gewinnen oder verlieren nichts, wenn man ihrer Geschichte zwei hypothetische und unsichere Jahrhunderte hinzufügt.
Zum Begriff der "Awaren".
Überblickt
man die Hinterlassenschaft
der Awaren, so führte ihre archäologi-
sche D i f f e r e n z i e r u n g zu einer V i e l f a l t von Erscheinungen. Auf die Preßarbeiten, die den K u t r i g u r e n zugewiesen wurden, folgen die mittelawarenzeitlichen onogurbulgarischen reichen Fürstengräber mit goldenen Trinkhörnern und schließlich die
türkischen
spätawarenzeitlichen
Bronzegußarbeiten. Alle laufen unter der
Bezeichnung " a w a r i s c h " , es ist aber berechtigt zu fragen, ob die Awaren, die um 800 dem vereinten A n g r i f f des fränkischen Reiches und der Bulgaren erlagen, noch die Nachkommen jener Awaren sind, die ihrerseits 567 das gepidische Reich v e r n i c h t e t hatten 2 **). Aus der Optik der byzantinischen Quellen könnte es sich um einen l i t e r a r i s c h e n Topos handeln, unter dem sich wie im Falle der "Skythen" und "Hunnen" verschiedene Völkerschaften verbergen.
Münzverkehr und der Solidifund vom Firtosch.
Die
Ereignisse
aus der z w e i t e n
Hälfte des 7. Jhs. wirken sich auch auf das
Wirtschaftsleben aus, dessen Wandlungen am besten in dem Münzumlauf zu erfassen sind. Dieser b r i c h t unter Konstantin Pogonatus (668 - 685) in der zweiten Hälfte
des 7. Jhs. ab, und es f o l g t für zwei Jahrhunderte eine münzlose Z e i t ,
bis im
i o . J h . in den landnahmezeitlichen Gräbern dann wieder Dirhems und
westliche Prägungen g e h o r t e t werden. Für das Aussetzen des Münzverkehrs werden zwei Erklärungen vorgeschlagen, die sich vermutlich e r g ä n z e n 2 ^ . Nach der
7
Gy. Läszlö, Arch £ r t . 97, 1970, 161-190.
28) 29
Vgl. auch den Beitrag von W. Pohl in diesem Band. D. Csalläny, Acta Arch. Hung. 2, 1952, 235-250; A.P. Kaschdan, Sovetskaja Arch. 21, 1954, 166-172.
Die Völker Südosteuropas im 6. bis 8. Jahrhundert
21
einen unterbrach die Errichtung des bulgarischen Reiches südlich der Donau die Münzzufuhr nach dem Norden. Nach einer anderen bedingte sie der allgemeine wirtschaftliche
Niedergang des byzantinischen
Reiches, das durch die
Slawen
und die arabischen Eroberungen geschwächt war. Eine Sonderstellung n i m m t in diesem Zeitabschnitt der Solidifund vom Firtosch ein, der weniger bekannt ist und auf den hier etwas eingehender
hingewiesen
werden soll3°). Der Firtosch ist ein etwa 1000 m hohes Bergplateau zwischen den beiden Kokein in Ostsiebenbürgen, das nach Westen durch schwer zugängliche oder nicht besteigbare Steilhänge geschützt i s t . Hier wurde 1831 der größte Solidifund des Karpatenbeckens entdeckt, der etwa 5000 Münzen enthalten haben soll und der so umfangreich war, daß einer der Finder seinen A n t e i l wie nassen Weizen auf einem Tuch trocknete. Nach den spärlichen b e s t i m m t e n oder noch erhaltenen Exemplaren beginnt die Münzreihe bereits
mit
A u r e l i a n , und
von 379 - 565 ist die Herrscherfolge bis zu Justinian geschlossen. Sie weist erst nachher, bis zur Schlußmünze von 610 - 641 Lücken auf. Ohne Z w e i f e l handelt es sich in Anbetracht der Größe des Schatzes um Subsidien, die von Byzanz zuerst an die Gepiden gezahlt wurden. Der Münzschatz wurde aber auch nach der Vernichtung des gepidischen Reiches noch ergänzt. Er könnte den reichen gepidischen Salzherren aus den Gräberfeldern am Miereschbogen gehört haben, die den Abbau der dortigen Salzvorkommen und die Verschiffung des Salzes auf dem Mieresch beaufsichtigten und sich dadurch den Awaren gegenüber eine günstigere Rechtsstellung bewahrt haben könnten. Ihre Gräberfelder brechen in dem zweiten Viertel des 7. Jhs. ab, in der gleichen Z e i t , in der auch der Münzfund aufhört. In inneren Machtkämpfen zwischen den Awaren und K u t r i g u r e n gewannen gleichfalls um 630 die Awaren gegen die K u t r i g u r e n die Oberhand und vertrieben diese zu den Bayern nach Westen3 J ). Wahrscheinlich wandten sich damals Kutriguren auch nach Osten, wenn sie nicht auch schon vorher hier gelebt hatten, da sich bereits in der Randzone des germanischen Gräberfeldes von Bandu,
Mezöband reiternomadische
Einflüsse
bemerkbar
machen.
Das
Ende
der
frühawarenzeitlichen germanischen Gräberfelder im Miereschbogen um und nach 630, die Vertreibung der Kutriguren und das Ende des Solidifundes hängen z u sammen und müssen durch die gleichen Ursachen bedingt sein. Die Anwesenheit 3
St. Ferenczi, Siebenburgische Vierteljahresschr. 62, 1939, 59-78; vgl. auch Mat. sj Cerc. Arh. 8, 1962, 636-640.
^
Monumenta Germaniae Historica, Scriptorum rerum Merovingicarum II, 72; 157.
22
Kurt Horedt
der K u t r i g u r e n am Firtosch läßt sich aus zwei frühawarenzeitlichen Preßmodeln erschließen, die am nordöstlichen Fuß des Bergplateaus bei Corund zum Vorschein kamen3 2 ). Sie entsprechen z e i t l i c h dem Ende des Münzfundes und es ist b e r e c h t i g t , zwischen den Preßmodeln und dem Solidifund einen ursächlichen Zusammenhang
herzustellen, da
sie in einer sonst völlig fundleeren
Landschaft
entdeckt wurden. Die Lage des Bergplateaus weist jedenfalls auf ein dramatisches und tragisches Geschehen hin. Ein Volksstammm oder verbündete Völkerschaften hatten hier eine äußerste Rückzugsstellung bezogen und gleichsam vor dem letzten Gefecht ihre w e r t v o l l e Habe der schützenden Erde übergeben. Ähnliche, gleichfalls nur archäologisch nachvollziehbare Ereignisse müssen sich im 5. Jh. bei der Verbergung der Schätze von Pietroasa und von §imleu Silvaniei zugetragen haben. Das eindruckvollste, historisch überlieferte Beispiel für einen solchen Endkampf ist die Schlacht der Ostgoten gegen Narses am Vesuv, der nur Felix Dahn in seinem " K a m p f um R o m " einen versöhnlichen Abschluß gab.
Die Herkunft der Rumänen.
Viel stärker u m s t r i t t e n als der Ursprung der Sekler ist die Herkunft der Rumänen, für die zwei entgegengesetzte Lehrmeinungen v e r t r e t e n werden. Nach e i ner
festgefügten
Kontinuitätstheorie
wird die Bodenständigkeit der
Rumänen
und ihre Abstammung von den Dakern und Römern v e r t r e t e n . Die entgegengesetzte Ansicht faßte R. Roesler in der Theorie zusammen, daß Dazien bei seiner Preisgabe völlig evakuiert wurde und die Rumänen erst im 13. Jh. in Siebenbürgen eingewandert seien. Über diese Streitfragen, die auch von politischen Erwägungen beeinflußt sind, gibt es ein umfangreiches, kaum mehr überschaubares S c h r i f t t u m 3 3 ) . Die völlige Romanisierung der Provinzialbevölkerung Daziens im Laufe von nur 170 Jahren, also von etwa sechs Generationen, ist wenig wahrscheinlich, besonders in Ostsiebenbürgen, wo es nur wenige Militärlager und keine Städte gab. In einer
k ü r z l i c h erschienenen A r b e i t
wurde der Nachweis g e f ü h r t , daß bei der
N. Fettich u. A. Marosi, Trouvailles avares de Dunapentele. Arch. Hungarica 18 (Budapest 1936) 92; 83 Abb. 35. J. Banner u. I. Jakabffy, A Közep-Dunamedence regeszeti bibliogräfiäja (Budapest 19541981) Bd. 1, 465-478; Bd. 2, 210-211; Bd. 3, 201-203; Bd. 4, 304-308; N. Stoicescu, Continuitatea romanilor (Bukarest 1980).
Die Völker Südosteuropas im 6. bis 8. Jahrhundert
23
Räumung der Provinz nicht die gesamte Bevölkerung abgezogen wurde und im 4. Jh. lassen sich archäologisch vor allem in den westlichen Teilen Romanen nachweisen, ebenso wie im m i t t l e r e n Nordsiebenbürgen Goten lebten und in der östlichen
Hälfte
schwach oder
nicht romanisierte
Daker34/. Zwischen diesen
drei Siedlungsräumen bestehen begreiflicherweise k u l t u r e l l e Wechselbeziehungen und keine festen Grenzen. Im 5. - 7. Jh. erhält das Fundgut ein einheitliches Gepräge und erlaubt unmittelbar
keine ethnischen Unterscheidungen. Ähnliche
Verhältnisse wie im Westen machen aber auch im früheren Dazien das F o r t b e stehen von Romanen in germanischer Zeit wahrscheinlich, das aber in der Quellenüberlieferung, archäologisch
oder
sprachwissenschaftlich
nicht
mehr
nach-
weisbar ist. Vom 7. Jh. an wird dann Siebenbürgen als das zentrale Siedlungsgebiet des früheren Dazien völlig slawisiert und spätestens um die M i t t e des Jahrhunderts verschwinden auch die Germanen. Wenn man eine romanische K o n t i n u i t ä t über die slawische Sperrmauer hinweg a n n i m m t , so müssen vorher zwei bisher nicht widerlegte Einwände berücksichtigt und beseitigt
werden. Es haben
sich keine vorslawischen Ortsnamen im Sprachgebrauch erhalten und das e i n f a che slawische Kulturgut läßt noch weniger als das germanische ethnische U n t e r scheidungen zu. Wenn in germanischen Gräberfeldern nach westlichem
Vorbild
auch Romanen zu vermuten sind, so können diese nicht u n m i t t e l b a r darauf
in
slawischen Brandgräbern vertreten sein und Brandbestattung üben, wenn sie sich vorher
in Körpergräbern beisetzten. Das Fehlen von vorslawischen Ortsnamen
und der Wechsel im Grabbrauch sprechen gegen eine ununterbrochene r o m a n i sche K o n t i n u i t ä t in slawischer Zeit im früheren Dazien. Die Rumänen besitzen aber noch unmittelbare K o n t a k t e zu den Slawen und haben slawische Orts- und Flußnamen, wie Bälgrad und Tfrnava übernommen. Einige rumänische Ortsnamen bewahren auch noch die slawischen Nasalvokale z.B. Glfmboaca Lindina, die nach dem übereinstimmenden U r t e i l der Slawisten nach dem 10./11. Jh. verschwinden35). Im 10. Jh. bestanden jedenfalls bereits sprachliche Kontakte zwischen Rumänen und Dakoslawen nördlich der Donau und dieses bestätigt auch die Quellenüberlieferung bei Anonymus, die m i t t e l b a r
auch
archäologisch gestützt werden kann.
K. Horedt, Siebenbürgen in spätrömischer Zeit (Bukarest 1982). I. Kniezsa, Archivium Europae centro-orientalis 4 (Budapest 1938) 249-251; E. Petroviciu, Dacoromania, Buletinul "Muzeului limbii romäne" 10, 1938-1941, 235-237; 518-520.
24
Kurt Horedt
In letzter Zeit wurde den vorlateinischen Substratwörtern im Rumänischen besondere Beachtung geschenkt, von denen es etwa 160 gibt36). 7^% davon treten auch in den rumänischen Dialekten südlich der Donau oder im Albanischen auf und weisen auf ursprünglich gemeinsame oder benachbarte Siedlungsgebiete hin, da die übereinstimmende Auslese der Substratwörter nicht zufällig sein kann. Die rumänischen Teilstämme müßten alle gemeinsam nördlich der Donau gelebt haben, wofür es keine Anhaltspunkte gibt oder umgekehrt sind die Dakorumänen aus dem Süden nach Norden gewandert. Nach dem 10./11. Jh. verschwinden die Dakoslawen und lassen sich im 12. Jh. weder archäologisch, noch in der Quellenüberlieferung, in Urkunden oder sprachwissenschaftlich mehr nachweisen. Die um die Mitte des 12. Jhs. einwandernden Siebenbürger Sachsen weisen in ihren Ortsnamen keine unmittelbare sprachliche Berührung mehr zu den Slawen auf37). Nach der der Kontinuitätstheorie entgegengesetzten Lehrmeinung von R. Roesler sind die Rumänen erst im 13. Jh. aus dem Süden nach Siebenbürgen eingewandert. Ein so später Zeitansatz ist aber nicht wahrscheinlich, da ein nomadisierendes oder transhumantes Hirtenvolk nicht bereits in der Zeit seiner Einwanderung im Jahre 1210 über ein eigenes Aufgebot, urkundlich bezeugten Waldbesitz, und außerdem als frühe ungarische Lehen über selbstständige Gebietseinheiten (Länder-Tari) verfügen konnte3°). Bei einer unvoreingenommenen Überprüfung der Beweislage scheint sich als Lösung für die Herkunftsfrage der Rumänen zeitlich und sachlich ein Mittelweg abzuzeichnen, der den historischen Tatsachen am ehesten Rechnung trägt. Beide extremen Positionen, eine ununterbrochene Kontinuität oder eine späte Einwanderung erst im 13. Jh. sind kaum zu beweisen und müssen durch Zwischenlösungen ersetzt werden. Nach der einen, der von D. Onciu vertretenen "Admigrationstheorie", verstärkten Zuwanderungen aus dem Süden einen im Norden bestehenden romanischen Kern, doch müssen für seinen Nachweis dann die
1.1. Russu, Elemente autohtone in limba romäna (Bukarest 1970); ders., Dacoromania, Jahrbuch für östliche Latinität l, 1973, 189-196. 37) A. Kisch, Korrbl. Ver. siebenbürgische Landeskunde 47, 1924, 2; W. Scheiner, Balkan-Archiv 2, 1926, 7-115 E. Petroviciu a.a.O. (Anm. 35) 526; 529. 18) Istoria Romäniei 2 (Bukarest 1962) 69; 112; Documente privind istoria Romaniei, C. Transilvania 1,1 (Bukarest 1951) 338 (für das Jahr 1210); 209 u. 384 (für das Jahr 1224); für die rumänischen "Länder" am Nordrand der Südkarpaten D. Prodan, Anuarul Inst. Istorie 6, 1963, 161; 1. Moga, Scrieri istorice (Cluj 1973) 56-88.
Die Völker Südosteuropas im 6. bis 8. Jahrhundert
25
erwähnten Einwände beseitigt werden, die sich aus dem Fehlen von vorslawischen Ortsnamen und dem unvermittelten Wechsel im Grabbrauch von Körperzu Brandbestattung ergeben. Nach einer anderen Ansicht, die zuerst seinerzeit J. Chr. Engel aussprach, begann die Einwanderung der Rumänen aus dem Süden im Rahmen der bulgarischen Oberhoheit im 9. Jh. "Admigration" oder Einwanderung aus dem Süden im 9. Jh. scheinen gegenwärtig die beiden einzig möglichen und wissenschaftlich diskutablen Alternativen zur Klärung der Herkunftsfrage der Rumänen zu sein. Die Bodenschätze des Karpatenbeckens, Salz, Gold, Kupfer. Es ist noch auf die Bedeutung der Bodenschätze des Karpatenbeckens für die Geschichte dieses Zeitraumes, von Salz, Gold und Kupfer hinzuweisen. Der Zusammenhang zwischen den frühawarenzeitlichen germanischen Gräberfeldern des Miereschbogens und den dortigen Salzvorkommen wurde bereits hervorgehoben. Von der oberen Theiß bei Sighetu Marmat;iei zieht sich über Ocna Dej, Cojocna, Turda und Uioara bis nach Südsiebenbürgen bei Ocna Sibiului-Salzburg neben Hermannstadt eine Synklinale von Salzvorkommen. Sie besaßen eine wirtschaftlich beherrschende Stellung, da es in der Theißebene und auf der Balkanhalbinsel keine Salzstöcke gibt. Einen überzeugenden Beleg für ihre Bedeutung bildet, allerdings erst vom Ende des 9. Jhs., eine Gesandtschaft, die der fränkische König Arnulf 892 zum Bulgarenkhan schickte. Sie durchquerte halb Europa und sollte nur über zwei Punkte mit den Bulgaren verhandeln: die früheren freundschaftlichen Beziehungen zwischen dem fränkischen und bulgarischen Reich zu erneuern und zweitens zu ersuchen, dem Großmährischen Reich kein Salz mehr zu liefern39). Die erwähnten westsiebenbürgischen Salzvorkommen lagen damals im bulgarischen Einfluß- und Herrschaftsgebiet. In römischer Zeit wurden die Goldvorkommen des Siebenbürgischen Erzgebietes bergmännisch abgebaut, nach der Räumung der Provinz aber nur mehr als Waschgold ausgebeutet. Die Fingerringe aus dem ersten Fürstengrab von Apahida aus dem 5. Jh. sind aus rötlichem Solidigold gefertigt, mit Ausnahme des Namensringes von Omharus, der aus hellerem silberhaltigen siebenbürgischen Monumenta Germaniae Historica, Scriptorum I, 408 (1892).
26
Waschgold hergestellt ist. Wie der Ortsname Zlatna, Zalatna (von sl. "zlato") belegt, war das Vorkommen des Schwemmgoldes auch den Slawen bekannt. Das Auftreten der Bronzegußarbeiten der späten Awarenzeit geht auf östliche Anstöße zurück, ihre besonders intensive Verbreitung im Karpatenraum ist aber durch die Kupferlagerstätten in der Slowakei und in Nordwestrumänien zu erklären, die die Voraussetzung für ihre Herstellung bildeten. Eine Karte ihrer quantitativen Verbreitung würde vermutlich zur Feststellung führen, daß entsprechend dem Abstand von diesen Vorkommen mengenmäßig auch die Häufigkeit der Bronzegußarbeiten abnimmt. Gestatten Sie mir abschließend eine persönliche Bemerkung. Ich bin mir bewußt, daß meine Ausführungen nicht uneingeschränkte Zustimmung finden werden. Eine wissenschaftliche Veranstaltung dient aber auch dem Austausch von gegensätzlichen Meinungen und selbst auf die Gefahr hin, die Harmonie etwas zu beeinträchtigen, schien es mir trotzdem angebracht, mich an den bewährten Satz zu halten "sed magis amicus veritas".
Die Nordgrenze des byzantinischen Reiches im 6. bis 8. Jahrhundert Evangelos Chrysos, loannina
"Wir
müssen zugeben, daß das Thema (die Grenzen) für einen Wissenschaftler
gefährlich ist, denn es ist ganz e r f ü l l t von politischen Leidenschaften, ganz m i t Hintergedanken belastet. Die Leute haben zu viele eigene Interessen im Spiel, um mit kühlem Kopf über Grenzen sprechen zu können: Mißverständnisse sind allzeit g e g e n w ä r t i g " 1 ' . Dieser
Satz, der
von einem
politischen
Geographen
kurz
vor
Ausbruch
des
2. Weltkrieges f o r m u l i e r t wurde, hat in den l e t z t e n f ü n f z i g Jahren seine R i c h t i g k e i t und seine A k t u a l i t ä t immer noch nicht ganz e i n g e b ü ß t 2 ' . Das t r i f f t besonders für den Raum Südosteuropas zu, wo bekanntlich die seit den nationalen Befreiungskriegen des 19. und 20. Jahrhunderts entstandenen Grenzfragen noch nicht endgültig ausgeräumt sind. Bei der politischen Behandlung solcher Grenzfragen pflegt man sich stets der historischen A r g u m e n t a t i o n zu b e d i e n e t ^ ) . Für das Thema unserer Tagung ist von Bedeutung, daß man bei Grenzfragen in Südosteuropa seit langem die Bemühungen von V e r t r e t e r n mehrerer wissenschaftlicher Disziplinen, besonders der historischen Wissenschaften, beansprucht worden sind, was natürlich zur Befruchtung der historischen Forschung g e f ü h r t hat4). Unsere Tagung steht gewiß nicht im Zeichen von irgendwelchen G r e n z k o n f l i k t e n und unsere Diskussion braucht erfreulicherweise nicht im Schatten von nationalen
A . Siegfried, V o r w o r t zu J . A n c e l , Les f r o n t i e r e s (Paris 1938) S. V I I . 2) J.R.V. Prescott,
Einführung
in die Politische
Geographie
(München 1975) 7 1 , wo der Satz
Siegfrieds zitiert wird. '
Die historische A r g u m e n t a t i o n als bevorzugter Ausgangspunkt bei Verhandlungen über p o l i t i sche G r e n z k o n f l i k t e ist seit der A n t i k e bezeugt und v o m b y z a n t i n i s c h e n R e i c h und seinen Nachbarn dauernd bemüht worden. Ein gutes Beispiel b i e t e n die Verhandlungen zwischen dem Großkönig Chosrau I. und dem byzantinischen D i p l o m a t e n Petrus P a t r i c i u s bei der F r i e densvereinbarung des Jahres 562, die Menander, f r g . 1 1 , Excerpta de L e g a t i o n i b u s , ed. C . de Boor, 186/88 ü b e r l i e f e r t . Die historische A r g u m e n t a t i o n b e m ü h t e in konsequenter Weise Kaiser Konstantin V I I . in seinem Werk De administrando Impiirio. Aus der d e s k r i p t i v vorgelegten historischen I n f o r m a t i o n über die E n t w i c k l u n g der Beziehungen des Reiches zu seinen einzelnen Nachbarn sollten die Ziele der Politik zu diesen V ö l k e r n p r ä s k r i p t i v abgelesen werden.
^
Wenn man z.B. die moderne griechische Bibliographie zu unserem Thema d u r c h m u s t e r t , f ä l l t auf, daß etwa im Jahre 1945/46 eine Reihe von Monographien erschienen sind: D.A. X a nalatos, Tä öpia xoü 'EXXr|viau.oü ELC, xf)v BaXMavuMT)v ( A t h e n 1945); C h . B . Papastauros, O l *EXXT)VEC, Mal f) BöpEioc, "HiiEipoc; (Athen 1945); A . D . K e r a m o p o u l o s , O l "EXXnvEC, Mal o l ßöpELOt ^clzovEq (Athen 1945); D. Zakythenos, O l EXdßoi fev 'EXXdÖL ( A t h e n 1945 - g e s c h r i e ben im Winter 1941/42); A . N . Diomedes, BuC,avxival MEXEXOL I I , A I aXaßiMal Emöpoual ELC, xf)v "EXXä&a Mal r) UOXLTLMTI XOÜ Bu^avxiou (Athen 1946); St. K y r i a k i d e s , BoüXyapoL Mal EXäßoi, ELC, xf)v EXXT)VLKT)V 'laxoplav, (Thessaloniki 1946).
28
Evangelos Chrysos
Konflikten geführt zu werden. Im Gegenteil: ich hoffe, daß unsere Beratungen die eindrucksvollen Schritte bestätigen werden, welche die Südosteuropaforschung in den letzten Jahrzehnten auf dem Wege zur nüchternen Klärung der wissenschaftlichen Fragen in freundlicher Zusammenarbeit der Kollegen aus den verschiedenen Ländern gemacht hat. Die Tatsache, daß Themen und Referenten unserer Tagung nach ausgewogenen Kriterien fachlicher Kompetenz und nationaler Zugehörigkeit ausgewählt worden sind, zeigt allerdings, vor welcher schwierigen Aufgabe der Vortragende über die byzantinische Nordgrenze gestellt ist, wenn er nicht nur wegen seiner Fachkenntnisse den byzantinischen Aspekt vorzulegen hat, sondern auch wegen seiner Herkunft a priori als Repräsentant der byzantinischen "Interessen" angesehen wird! Die Frage nach der "Grenze" des byzantinischen Reiches muß wohl auf verschiedenen Ebenen und von mehreren Standpunkten aus behandelt werden. Die politische wie auch historische Geographie als weitgehend emanzipierte Forschungsrichtungen haben den Begriff "Grenze" eingehend untersucht und wichtige Aspekte herausgearbeitet. Die politischen Geographen sprechen von Grenzen und Grenzsäumen und unterscheiden zwischen Allokation, Delimitation, Demarkation usw. . Die historischen Geographen untersuchen vornehmlich die geographischen Grenzen und ihren Einfluß auf die historische Entwicklung und behandeln die politischen, militärischen und ethnischen Grenzen des byzantinischen Reiches, sie sprechen aber darüber hinaus auch von ideologischen Grenzen"'. E. Kornemann prägte den Ausdruck "unsichtbare Grenze des römischen Reiches"?), A. Alföldi sah die Donau auch als die "ethnische Grenzscheide" an°>. Berühmt ist die von C.J. Jire£ek eruierte griechisch-lateinische Sprachgrenze auf der Balkanhalbinsel, die mit unwesentlichen Verschiebungen durch die jüngere Forschung als "Linie Jire£ek" allgemein anerkannt ist9). Schließlich sei auf $' J.R.V. Prescott (vgl. Anm. 2) 70 ff. H. Ahrweiler, La frontiere et les frontieres de Byzance en Orient. Actes XIVe congres intern, d'etudes byzantines, rapports II (Bukarest 1971) 7ff. und D. Obolehsky, Byzantine Frontier Zones and Cultural Exchanges, ebd. gilt. 7 E. Kornemann in: Staaten, Völker, Manner: Das Erbe der Alten, Reihe 2, Heft 24, Nachdruck in: Gestalten und Reiche (Leipzig 1934) 323f£. 8) Die ethische Grenzscheide am römischen Limes: Schweizer Beiträge zur Allg. Geschichte 8, '950, 37-50. Vgl. ders., The Moral Barrier on Rhine and Danube (Durham 1952) 1-16. 9 C.J. Jireöek, Geschichte der Bulgaren (Prag 1876) 46; ders., Die Heerstraße von Belgrad nach Konstantinopel (Prag 1877, Nachdruck Amsterdam 1967). Für gewisse Verschiebungen siehe D. Samsaris, '0 £{;eX.\nvi0u.öc, xfjg OpciHnc, haxh xf)v eWnviHfi HOL puumKTi äpxaiÖTrrca (Thessaloniki 1980) 32off.
Die Nordgrenze des byzantinischen Reiches im 6. bis 8. Jahrhundert
eine geographisch
29
vage, aber historisch sehr t r e f f l i c h e D i f f e r e n z i e r u n g hinge-
wiesen, die jüngst J . Köder f o r m u l i e r t hat, indem er von "peripheren und zentralen Interessenräumen der Byzantiner" sprach 1 0 ). Für den Historiker ist und bleibt natürlich die politische Staatsgrenze am w i c h tigsten.
Unter
politischer
Grenze verstehen wir
den Land- und/oder
Wasser-
s t r i c h , der das Gebiet einschließt, wo das Reichsrecht, das jus Romanum kaiserlichen Beauftragten angewandt w i r d . Somit der Formulierung eines Ammianus Marcellinus dictionis publica
Romanae11'. Romana
Diese termini
ist die politische Grenze in
identisch m i t den termini
-
iuris
- öpia - trennen das Reichsgebiet, die res
- 'Puumuv itoXLXEia - von den externae
xa e9vt) - , das solum Romanum
von
'Pcjumuv
-jf) -
vom
nationes solum
oder gentes,
barbaricum
-
xo
ßapßapiHov. Bei dieser Abtrennung ist allerdings w i c h t i g f e s t z u h a l t e n , daß sie vom Land und nicht von der Bevölkerung ausgeht. Römisch bzw. reichsangehörig ist das R e i c h s t e r r i t o r i u m , nicht weil dort römische Bürger wohnen, sondern w e i l in diesem der römische Staat seine Hoheitsgewalt ausübt. Die angeführte Terminologie stammt f r e i l i c h aus der Z e i t der Spätantike, in der die klassische römische B e g r i f f l i c h k e i t ihre Geltung noch beibehalten h a t t e 1 2 ' . Die Frage, ob sich im Laufe der späteren Zeit die Terminologie über die Grenze gewandelt hat, ist neulich am Wortgebrauch von zwei w i c h t i g e n byzantinischen Quellen untersucht worden. J.-P. Arrignon und J . - F . Duneau haben den diesbezüglichen Wortschatz bei Prokop und bei dem gelehrten Kaiser Konstantin VII. analysiert und verglichen und dabei festgestellt, daß Prokop sich bewußt der antiken
Terminologie
bedient,
Konstantin VII. dagegen neuere B e g r i f f e
amtlichen Sprache des 10. Jahrhunderts v e r w e n d e t ^ ) . Aus der
aus der
Ausdrucksweise
Prokops, die im genannten Aufsatz analysiert worden ist, sind für unsere Frage J. Köder, Der Lebensraum der Byzantiner. Historisch-geographischer Abriß ihres mittelalterlichen Staates im östlichen Mittelmeerraum. Byzantinische Geschichtsschreiber, Ergbd. 1 (Graz 1984) 1311. mit Karte auf S. 15. In Einklang mit dieser Vorstellung verzichtet Köder auf der großen Karte, die das Buch begleitet, auf die Andeutung der politischen Grenzen. Ammianus Marcellinus XVIII 4, 5. Den Begriff analysiert j e t z t J . Straub, Germania Provincia. Reichsidee und Vertragspolitik im Urteil mit Symmachus und der Historia Augusta in: Symmachus-Colloquium, Hrsg. F. Paschoud (Genf 1986, im Druck). Für die römischen juristischen und religiösen Vorstellungen über die Grenze siehe K.-H. Ziegler, s.v. Grenze in: Reallexikon für Antike und Christentum 12 (1983) 1095-1207, bes. 1098t. '
J.-P. Arrignon u. J.-F. Duneau, La frontiere chez deux auteurs byzantins: Procope de Cesaree et Constantin VII Porphyrogenete, in: H. Ahrweiler (Hrsg.), Geographica Byzantina. Byzantina Sorbonensia 3, 1981, 17-30. Auch russisch erschienen in Vizantijskij Vremennik 43, 1982, 64-73-
Evangelos Chrysos
30
erstens der Ausdruck 'Puumwv yr) bzw.
UOXITEICI,
EmMpdieia, äpxT), x^P^a in Ver-
bindung mit dem Wort öpta und seinen Synonymen von besonderem Interesse und zweitens die antithetische Verwendung der Wörter
EVTÖC,
-
EKTOC,
in Verbindung
mit einem Fluß, der als Grenze fungiert, wie z.B. Phasis im Osten oder Rhone im Westen.
'EHTÖC,
'Po6avou liegen in diesem Sinne die Gebiete, die nicht mehr
unter direkter römischer Jurisdiktion stehenM). Die Beobachtungen, die Arrignon und Duneau anhand des terminologischen Materials aus dem Geschichtswerk
Prokops gemacht haben, lassen sich durchaus
bestätigen und ergänzen durch die Ausdrucksweise anderer Historiker des 5. und 6. Jahrhunderts, wie Priskos, Malchos oder M e n a n d e r ^ ) . Für unsere Frage noch wichtiger ist allerdings, daß sich die genannten Historiker öfter auf die Nordgrenze des Reiches beziehen. Entscheidend ist nun, daß in allen diesen Schilderungen die Donau, genauer gesagt, die untere Donau, als die militärisch bedrohte und verletzliche, desöfteren von Eindringlingen überschrittene, aber politisch sehr selten angefochtene Grenze des Reiches im Norden dargestellt wird. Arrignon und Duneau haben es unterlassen, die Terminologie Prokops in Bezug auf die Nordgrenze zu analysieren. Es ist aber nicht uninteressant festzustellen, wie Prokop in Fortsetzung des Sprachgebrauchs seiner unmittelbaren Vorgänger wie Priskos und Malchos, die Donau als die Nordgrenze des Reiches in Südosteuropa bezeichnet. Bei Priskos wird erwartungsgemäß die Überquerung der Donau durch Attila südwärts mit &LaßaLV£Lv EC, xf)v 'PiHf)c, Z\O\T\C, r\avcniaxt)\iCou 8Eaaa\ovLKi]c, 26 (1984) 2 2 0 - 2 2 1 . i
Der O r t s n a m e hat entgegen der seit P.J. Schafarik, Slawische A l t e r t h ü m e r II (Leipzig 1847) 194, 122 wohl a l l g e m e i n v e r b r e i t e t e n Ansicht m i t dem Ethnonym >jr(ou&äxoi nichts zu t u n . Der v e r m e i n t l i c h e n E n t w i c k l u n g e t w a Yn^ovbaxCa - Eouß6e\ixia stünden unüberwindliche phonetische Hindernisse entgegen.
Frühe slawische Elemente im Namensgut Griechenlands
55
wiederum eine ganz gewöhnliche Bildung im M i t t e l - und Neugriechischen dar: entstanden
ist er aus einem ON fremden Ursprungs
m i t t e l s des
griechischen
Suffixes -Line, (Plur. - i t a i ) . Man v g l . analog: ' E ^ e p i i o x (slaw. Stamm auf der Peloponnes, bezeugt im 9. Jh.)4) zu slaw. "ezero" = "See", BeXeYe^tTux (slawischer Stamm in Thessalien, bezeugt im 7. Jh.) zu slav. Velejezd5), KavaViTai (slaw. Stamm in D a l m a t i e n , bezeugt im 7. Jh.)6) zu lat. canalis usw7). Eouß&eXiTia also aus einem nichtgriechischen ON mittels griechischer 'Sub-'
' d e l - ' , hierin steckt die lateinische Präposition
Suffixe
ist
entstanden:
'sub' und das Appelativ
'del ', ein Substratwort, welches die romanisierten Autochthonen den Slawen auf dem Balkan sowie in der rumänisch-slawischen Kontaktzone des Karpatenraums mit der Bedeutung "Berg, Hügel" entlehnt h a b e n d . Der ON 'Subdel-' ist
ein
geographischer Terminus balkanromanischen Ursprungs und dem slawischen 'podgora' semantisch äquivalent. Ein zusätzliches A r g u m e n t für die soeben vorgeschlagene Herkunft l i e f e r t uns die Phonologie der ü b e r l i e f e r t e n F o r m : wir wissen, daß das Balkanlateinische, der Vorläufer des Rumänischen, als einzige r o manische Sprache die Labialkonsonanten vor den Dentalen bewahrt hat. In dieser Sprache ist das in allen übrigen romanischen Sprachen geltende Gesetz der Assimilation nicht eingetreten. Folgerichtig wurde auch das labiale 'b' vor den Dentalen in 'Sub-del' bewahrt9). Unsere Etymologie f i n d e t ferner auch von der semantischen Seite her eine feste Stütze im Text von Porphyrogenetos, denn es wird dort bezeugt, daß sich EoußoeXiTia in der Nähe eines Berges befand. Welche
Konsequenzen
kann
nun
der
Historiker
aus der
Identifizierung
der
sprachlichen Herkunft dieses ON ziehen? Nun, es genügt zu erwähnen, daß die erste ausdrückliche Bezeugung von Vlachen in den erzählenden Quellen ganze 100 Jahre später geschieht (im Jahre 9 7 6 ) 1 0 ' . 4
Vgl. darüber zuletzt Ph. Malingoudis, Studien zu den slawischen Ortsnamen Griechenlands I. Die slawischen Flurnamen der messenischen Mani, Akad. Wiss. u. Lit. Mainz, Abh. der Geistes- und Sozialwiss. K l . Jg. 1981, Nr. 3 (Mainz-Wiesbaden 1981) 16 ff, im folgenden zitiert als: Malingoudis, Studien.
'
Vgl. dazu zuletzt Ph. Malingoudis, Balkan Studies 22,2, 1982, 253-254. Constantin Porphyrogenitus, De administrando imperio, hrsg. Gy. Moravcsik, Bd. I (Budapest 1949) Kap. 34, S. 162.
7)
'
Zur Funktion des Suf. -CTTIC, für die Bildung von Ethnonymen im Griech. vgl. K. Dietrich, Die Suffixbildung im Neugriechischen. Balkan Archiv 4, 1928, 150.
8) y
Darüber zuletzt Malingoudis, Studien 122. Vgl. dazu H. Weinrich, Phonologische Studien zur romanischen Sprachgeschichte (Münster 1958) 228-229. I. Scylitzac, Synopsis llistoriarum, rcc. I.Thurn (Berlin-New York 1973) 329,80.
56
Phaedon Malingoudis
Bis zu diesem Datum lassen uns unsere Quellen nur Vermutungen über dieses Volk anstellen. Der ON ZoußÖEXiTia darf also als das älteste direkte Zeugnis aus der Vergangenheit dieses Volkes gelten. Ferner liefert uns das Vorhandensein dieses Ortsnamens im Hinterland von Thessaloniki ein Argument für die These, daß die Slawen bei ihrer Ankunft in jener Gegend im 7. Jh. nicht nur griechischsprachige Bevölkerung vorgefunden haben, sondern auch romanisierte Autochthonen, welche sich im Laufe der Zeit assimiliert haben. Das Vorhandensein des balkanromanischen ON loußoeXiTta in einer Gegend, welche nachweislich im 9. Jh. von Slawen bewohnt wurde, setzt ein vorhergegangenes koareales Zusammenleben der beiden Ethnika der Slawen und Vlachen voraus, ein Detail der historischen Ethnographie, welches nicht in unseren schriftlichen Quellen zu finden ist. Zu 2).
Auf die zweite Frage wird hier nur kurz eingegangen, da wir sie bereits in extenso im Rahmen schon veröffentlichter Arbeiten behandelt haben 1 1 '. Bei der Sichtung des Flurnamenmaterials einer Großregion, z. B. der Peloponnes, lassen sich Gegenden feststellen, in welchen slawische Flurnamen nicht nur vorhanden sind, sondern sich auch als Teile eines slawischen mikrotoponymischen Systems erkennen lassen. In jenen Gegenden, wo dieses mikrotoponymische System mit Mitteln der Onomastik nachweisbar ist, kann man von einer Niederlassung slawischer Sprachträger im Mittelalter sprechen. Eine Frage nun, die den Historiker besonders interessiert, ist die Datierung solcher Funde: Kann man das Alter dieser slawischen mikrotoponymischen Systeme feststellen? Ich möchte diese Frage bejahen: die im Griechischen petrifizierte phonologische Form des slawischen ON kann uns in vielen Fällen Kriterien für eine relative Datierung eines gegebenen mikrotoponymischen Systems liefern. Ein Beispiel: der mittelalterliche Name von Pylos lautet 'Aßapivoc, (neugriech. Navapivo), ein ON, wie Vasmer 12 ' mit Recht festgestellt hat, aus der lav. 'avorbni/ entstanden ist (zu 'avorb' = "Ahorn, acer pseudoplatanus") und eine sehr altertümliche Vertretung der slawischen Laute aufweist: slaw. V wird im Griech. mit 'a' wiedergegeben; der slaw. reduzierte Vokal muß zur Zeit der Übernahme noch im Slawischen vorhanden gewesen sein, denn er wurde noch von den Griechen als ein Y gehört. Malingoudis, Studien 174 ff; ders., Toponymy and History. Observations concerning the Slavonic Toponymy of the Peloponnese. Cyriilomethodianum 7 (1983), 99-111. I2)
MV 160.
Frühe slawische Elemente im Namensgut Griechenlands
57
In Ortsnamen dagegen, die zu einer späteren Zeit übernommen wurden, wird slaw. 'o' im Griechischen ebenfalls durch 'o' wiedergegeben, während die Vertretung des reduzierten Vokals nicht mehr vorhanden ist, da dieser Laut inzwischen im Slawischen auch nicht mehr vorkam. Dieser spätere Zustand ist in den Flurnamen "Aßopvoc, und "Aßopva zu finden, die insgesamt viermal in einem Gebiet Lakoniens vorkommen und in einem slawischen mikrotoponymischen System nachweisbar sind J 3). Wir können also in dem genannten Fall annehmen, daß in dieser Gegend das Slawische auch nach dem Verlust der reduzierten Vokale gesprochen wurde und daher hier mit einer längeren Anwesenheit von slawischen Sprachträgern zu rechnen ist. Diese Feststellung ist für die Einschätzung des Hellenisierungsprozesses der Slawen auf der Peloponnes wichtig. Zu 3). Die dritte Frage werde ich zu beantworten versuchen, indem ich anhand von Beispielen aus der slawischen Toponymie Griechenlands folgende zwei Thesen erläutern werde: a) Die ökonomische Grundlage der slawischen Stämme, die sich im griechischen Raum seit dem 6. oder 7. Jh. (die leidige Thematik der Chronologie ist für unsere Fragestellung ohne Belang) niedergelassen hatten, war die Landwirtschaft. Die Neuankömmlinge waren weder Nomaden, (wie die Awaren oder die Protobulgaren) noch transhumierende Hirten (wie die Vlachcn) sondern Ackerbauern, die, nachdem sie nutzbares Land in den neuen Gebieten gefunden oder neues erschlossen hatten, ansässig wurden. b) Die Ankunft der slawischen Landnahmegruppen in den griechischen Provinzen des byzantinischen Reiches bedeutete für diese Gebiete keinen Kontinuitätsabbruch im Bereich der materiellen Kultur, insbesondere in der Fortführung der agrarischen Nutzung des Landes und in der Herstellung oder im Tausch handwerklicher Produkte (landwirtschaftliche Ausrüstung, Gegenstände aus bearbeitetem Rohmaterial). Da die Ökonomie der slawischen Zuwanderer nicht unterschiedlich von derjenigen der eingesessenen griechischen Bevölkerung war, kam es zu einer Symbiose, einem Prozeß von wechselseitigen Beziehungen zwischen slawischem Adstrat und griechischem Substrat. '^
Über die slawischen Flurnamen Lakoniens, den mittelalterlichen Siedlungsraum der Ezeriten, bereitet Verf. eine Untersuchung vor.
Phaedon Malingoudis
5«
Die slawische
Komponente dieses Phänomens, die Übernahme aus dem Be-
reich der m a t e r i e l l e n K u l t u r , spiegelt sich in den entsprechenden slawischen L e h n w ö r t e r n des M i t t e l - und Neugriechischen wider.
zu a). Eindeutige, wenn auch spärliche Angaben der byzantinischen historischen Quellen des 6. und 7. Jahrhunderts liefern uns Hinweise, daß die Slawen an der unteren Donau noch am Vorabend ihrer Ankunft in Griechenland Ackerbauern waren. Nachrichten aus dem gleichen Quellenkreis besagen ferner, daß manche auf
griechischem
Boden ansässigen slawischen Stämme bereits im 7. Jh. mit
dem Mehrprodukt ihrer landwirtschaftlichen Produktion h a n d e l t e n 1 ^ . Diese A n gaben unserer s c h r i f t l i c h überlieferten Quellen lassen sich durch das Zeugnis der slawischen Ortsnamen Griechenlands ergänzen. Zur lllustrierung dessen seien die in diesem
Raum nachweisbaren ON, die aus der semantischen Sphäre der Ro-
dungstätigkeit
entstanden
sind, erwähnt.
Solche
Namen
sind bekanntlich ein
ernstzunehmendes Indiz dafür, daß die Namengeber permanente Niederlassungen zu gründen beabsichtigten. Wie Erfahrungen aus anderen Gebieten zeigen, "ist der älteste
Besiedlungsvorgang und die älteste Anlage von Feldern mit einem
Rodungsvorgang verbunden" 1 5). In der bisher bekannten slawischen Toponymie Griechenlands lassen sich folgerichtig primäre Rodungsnamen nachweisen: 1. ' t r ö b i t i ' = "roden", ON 'Trgbica' - Tepmicra' 6 ) und Trgbina - E x p e p i v a ^ ) ; 2. 'k-brö' ( v g l . poln. karcz = "Baumstumpf", russ. korc\ = "ausgegrabener Baumstumpf", ßa J 9), va
21
kordeva = "Rodeland", sbkr. kräevina = "dass.") Kdpxcrioßa 1 ^, Kdpx£o-
KpixQioßa20',
alle auf ' k t r ^ o v a ' zurückzuführen, vgl. ferner
Koupxcrou-
l
14
A u s f ü h r l i c h e r d a r ü b e r : F. Malingoudis, BeleSki vürchu m a t e r i a l n a t a v j a n s k i t e plemena v G ü r c i j a . Istoriceski l J rcgled 4 1 , 1985, 6 4 - 7 1 .
15
J . H e r r m a n n , Siedlung, W i r t s c h a f t und gesellschaftliche Verhältnisse der slawischen Stämme zwischen Ü d e r / N e i s s e und Elbe (Berlin 1968) 79-80; v g l . auch E. Eichler, Slawische Waldund Kodungsnamen an Elbe und Saale. Beiträge zur Namensforschung 9, 1958, 286 f f .
l6)
MV 76.
1?)
MV 60.
kultura
na rannosla-
1 8) Flurname des Dorfes K a t o M c l i g u , Kynurien, Pelop. 19
2l
'
22)
^
F l u r n a m e bei T r i p o l i s , f e l o p . Flurname des Dorfes Vourvoura, K y n u r i e n , Pelop. Dorf in L a k o n i c n , umbenannt in Vasiliki und Flurname der messenischen Mani (Malingoudis, Studien 60). Thessalien, MV 90. Flurname des Dorfes V a c h l i a , G o r t y n i e n , l'clop.
59
Frühe slawische Elemente im Namensgut Griechenlands
Auf Brandrodung weisen folgende ON hin: AyopEXiTcra,
ein
Dorf
in
Triphylien,
dessen Etymon wie das der Stadt G ö r l i t z auf slawisch 'GoreTica' zurückzuführen ist, zu ' g o r g t i ' - "brennen". Ebenso könnte der ON I^-ndpi22'
aus
gor^ti
2
men. Aus dem Verb p a l i t i = "brennen" ist der Flurname r i a \ i v d 3 )
stam-
entstanden.
Aus slaw. Sarbeb zu 2arb = " H i t z e , Glut" ist der ON Zapixoi zu erklären 2 **). Auf Brandrodung weist auch der ON ZuyoßiTi hin, das durch
volksetymologische v
Anlehnung an griech. ^uyöc, (Joch) aus dem slawischen nomen loci
'Zegoviste'
(zu '2egg' = "brennen") entstanden ist. Hier sei ein kurzer Exkurs g e s t a t t e t , um den Aussagewert der Mikrotoponymie für die Siedlungsgeschichte zu demonstriev
ren. Die soeben vorgeschlagene Etymologie Zirj-oßicru - ' Z e g o v i s t e ' wäre für unsere Fragestellung ohne Belang, stünde dieser slawische ON isoliert i n m i t t e n e i ner griechischen Toponymie. Um diese Etymologie glaubhaft zu machen, muß erst nachgewiesen werden, daß das Flurnamenmaterial dieser Region deutliche Spuren der
Anwesenheit
von slawischen
Sprachträgern
in der
Vergangenheit
aufweist. In der Tat lassen sich unter den ca. 140 Flurnamen des Dorfes Z y g o v i s t i , das im westlichen Arkadien in Gortynien in einer Höhe von etwa
1000 m
auf dem Berg Mainalon gelegen ist, i o primäre slawische Bildungen nachweisen, darunter vier possessivische Bildungen mit dem Suffix ' o v o ' , eine m i t dem f e m i ninen Suffix
'bja' sowie direkte Bildungen aus solchen slawischen
Appellativa
wie 'izvor' = "Quelle" und '£uka' - "Berggipfel", die es nicht als Lehnwörter im Neugriechischen g i b t 2 5 ) . Das Vorhandensein dieser Flurnamen spricht also dafür, daß es in dieser
Region in der Vergangenheit slawische Sprachträger gegeben
hat. Hinzu k o m m t , daß in dem Dorfe noch ein Volksglaube lebendig ist, der aller Wahrscheinlichkeit nach - eine Reminiszenz aus der slawischen Vergangenheit darstellt: Es wird hier erzählt, daß ungetauft verstorbene Kleinkinder
in
der Gestalt eines Luchses nachts wiederkehrten und Unfug a n r i c h t e t e n . Diese Wesen nennt man in Zygovisti cru.ep6dtvaa, eine Bezeichnung, die
wahrscheinlich
2
mit slaw. 'smbrcib' - "furchterregend" zusammenhängt ^). Demnach wäre ' Z y g o v i s t i ' als eine durch Brandrodung gegründete slawische Siedlung in jener gion Gortyniens anzusehen, die später
Re-
im 13. und 14. Jh. als ' S k o r t ä ' bekannt
2
wird 7/. 4
Flurname des Ortes Tyros, Tsakonien, Pelop.
^
Über die slawische Studie vor.
Toponymie
dieses Gebietes der Zentralpeloponncs b e r e i t e t V e r f .
eine
Zu smbrdb v g l . R. A i t z e t m ü l l e r , A b g . smrbdt> Verdeutlichung einer E t y m o l o g i e . Studia Palaeoslovenica. J . K u r z - F e s t s c h r i f t (Prag 1971) 17-19. 27) '
Über Skortä v g l . A. Hon, La Moree Franque (Paris 1969) 363 f f .
6o
Hiaedon Malingoudis
Sehr v e r b r e i t e t in der Toponymie Südgriechenlands ist das Toponym Xdi^oc,, das aus dem slaw. ' l a z t Allein
auf
der
= "durch Roden urbar gemachtes Land, Gereut", s t a m m t .
Südwestpeloponnes
taucht
es insgesamt
44mal
als
Flurname
auf28). Man vergleiche
hierzu das Lehnappellativ der epirotischen
Dialekte XaC,iva =
2
"Weideland für Schafe im Frühling 9). Ein weiterer
slawischer
Terminus für das Gereut, den Neubruch Cledina') läßt
sich auch als p e t r i f i z i e r t e s Toponym in Südgriechenland nachweisen, man vgl. die ÜN AinvTLva in Lakonien3°), Aevriva in Mcthoni (bezeugt im 17. Jh.3 1 '), AEVTLVT)
in Eurytanien3 2 ) sowie die Flurnamen rXcviLva einmal in der Südwest-
peloponnes und dreimal in Gortynien33). Auf
Rodungstätigkeit
weist auch der ON ToTtopioxa (Arkadien, heute ' T h e o k t i -
ston') hin, das ein nomen loci aus dem Appellativ 'topor"b' = " A x t " ist, 'ToporiStc' = "durch A x t gerodetes Land". Sehr symptomatisch für das Bestreben der neuangekommenen Slawen, geeigneten Boden für den Anbau zu finden, sind die altertümlichen Orts- und Flurnamen des südgriechischen Raumes, gebildet aus solchen T e r m i n i , die aus dem semantischen Bereich "unfruchtbarer, ungeeigneter Boden" stammen. So läßt sich z. B. das gemeinslawische Adjektiv 'jalova' (fem.) "unfruchtbar" als ON in der Toponymie der Fcloponnes nachweisen, vgl. den ON rinXoßa, ein Dorf in Pylien34) sowie die Flurnamen ridXoußa (Pylicn)35) und das altertümliche 'AXoßa' in Lakonien36). | n diesem Zusammenhang verdienen auch einige Lehntermini zur Bezeichnung der Bodenbeschaffenheit, die wir in einzelnen neugriechischen Dialekten finden, erwähnt zu werden: so ist slaw. 'meTb' = "mcrgelartige Erde" als (j.cXCaxa in " Ä t o l i c n 3 7 ) oder als 0M.uaX6c,3°> in Epirus und als Toponym auf der Reloponncs zu findcn39). 28) D J . G e o r g a c a s - W . A . M c D o n a l d , Place Names of Southwest Peloponnesus (Minneapolis 1967) s.v. (gek.: Gcorgakas). E. Mpogkas, l u i \ ( j a a i n ä iiSiiJuata tr)c, Hneipou ßd. I (loannina 1964) 207. 3o)
j2)
MV 169. F. Sauerwein, Das Siedlungsbild der Peloponnes um das Jahr 1700. Mit einer Karte und e i nem O r t s v e r z e i c h n i s . Erdkunde 23/3, 237-244. Ebd., ßeilage Via (Ortsverzeichnis), s.v. M e thom 8. MV 83.
-"
Flurname des Dorfes Vlogos, G o r t y n i e n ; ßerggipfel bei D i m i t s a n a , G o r t y n i e n ; Flurname des Dorfes V a c h l i a , G o r t y n i e n .
i
Gcorgakas, wie A n m . 28 oben, s.v.
35>
Ebd. s.v.
6]
Frühe slawische Elemente im Namensgut Griechenlands
Ich werde j e t z t kurz, anhand eines konkreten Beispiels aus einer südgricchischen Region, deren slawisches Flurnamenmaterial erforscht wurde, die Aussagemöglichkeit der Toponymie für die materielle Kultur eines dort ansässig gewordenen slawischen Stammes zu zeigen versuchen: es handelt sich um das Gebiet der messenischen Mani, im Süden der Peloponnes, wo sich der slawische Stamm der Mclingoi niedergelassen hatte4°). Wir verfügen über sichere historische Nachrichten, daß diese Bevölkerung ihre sprachliche Identität acht Jahrhunderte
lang, bis zur Auflösung des b y z a n t i n i -
schen Reiches bewahren konnte. Das Zeugnis der Flurnamen zeichnet folgendes Bild über die materielle Kultur der Melingen: Die Kenntnis des Getreideanbaus wurde schon bei der Einwanderung von den Melingen mit
ins Land gebracht.
Dies belegen zwei a l t e r t ü m l i c h e Termini technici, die heute in der Toponymie bzw. als Lehnwörter zu finden sind. So nennt man in einigen D ö r f e r n der messenischen Mani heute noch den durch Steinplatten belegten Umkreis der Tenne oxoMa, ein Kompositum, das aus der Präposition 'o(bt)' = " u m " und dem
dever-
bativen Substantiv ' t o k a ' , zu ' t o d i t i ' = "laufen lassen, fließen lassen, schleifen" gebildet
i s t 4 ' ' . ' O t o k a ' war also die mitgebrachte Bezeichnung für die Tenne
( w ö r t l i c h : "Stätte, wo sich das Zugtier ringsum f o r t b e w e g t " ) , ein A p p e l l a t i v u n i , das wir
sonst
aus anderen slawischen Sprachen nur noch m i t
der
Bedeutung
"Insel" ( w ö r t l i c h : "das Umflossene") kennen. Daß ' o t o k a ' keine ad-hoc semantische Entwicklung aus der Sprache der bis zur südlichen Spitze der Hämus-Halbinsel gelangten Slawen darstellt
sondern daß es sich um einen
mitgebrachten
Terminus technicus handelt, beweist das Vorhandensein der Isoglosse ' o t o k ' , ' v u tok'
= "Tenne"
in einigen
Dialekten
Nordostbulgariens4 2 '.
Eine
weitere
Be-
zeichnung für die Tenne ist in der Toponymie des Mclingen-Gebietes, aber auch benachbarter Gebiete in Lakonien und in Tryphylien erhalten geblieben. Es handelt sich um das Appellativ ' m o l t ^ ' , das nach dem Vollzug der
Liquida-Meta-
these im Slawischen (ca. M i t t e des 9. Jahrhunderts) ' m l a t ' bzw. ' m o l o t '
, )
J7 /
Flurname des Dorfes l ' a l a i o c h o n o , Lakonien. "Sandhaltiger, unfruchtbarer
Hoden" in A t o l i c n , vgl. D. Loukopoulos, reijpyi.Hci tijc, POUUXXTIC,
(Athen 1938) 1 16. A p p e l l a t i v und Ortsname in Chouliaradcs, Epirus, vgl. Epirotika C h r o n i k a 7, 1932, 237. -^
lautet
U N bei Dimitsana, G o r t y n i e n . Malmgoudis, Studien passim.
4 l )
Ebd. 8 0 - 8 1 .
4
C h . Vakarclski, Etuografija na ßülgarija (Sofia 1974) 137, K a r t e V I .
Phaedon Malingoudis
62
und "Tenne, Dreschboden" bedeutet. Das Appellativ, das erst sekundär die Bedeutung " H a m m e r " e n t w i c k e l t
hat, ist in allen Slawinen mit dieser seiner ur-
sprünglichen Bedeutung vorhanden43). Eine Ausnahme macht die östliche Gruppe des Südslawischen (das Bulgarische und seine Dialekte im heutigen Südjugoslawien), wo nur noch die Bedeutung "Hammer" vorhanden ist. Das gemeinslawische Verbum ist ' m o l t i t i ' , woher später ' m l a t i t i ' (ostsl. ' m o l o t i t " = "schlagen, dreschen" k o m m t . Da die bis heute erhalten gebliebenen Ortsnamen im G r i e c h i schen vor
dem
Vollzug der
MdXxoa, MdXxa) müssen wir
Liquida-Metathese
petrifiziert
wurden (Eu.aXxcroc;,
annehmen, daß sie vor der M i t t e des 9. Jahrhun-
derts entstanden sind. Folglich handelt es sich auch hier um einen a l t e n , aus der Einwanderungszeit stammenden Terminus. In diesem Zusammenhang wäre noch das dialektale Wort öcrxaßa bzw. vöaxaßa zu nennen, m i t welchem die Einwohner einiger Dörfer der messenischen Mani die großen flachen Steine, die rings um die Tenne aufgestellt werden, also den U m kreis der Tenne bezeichnen. Dieses Lehnwort ist sicher aus slaw. ' o - s t a v i t i ' = " c i r c u m p o n c r e , ringsherum aufstellen" zu erklären 44). Daß der Getreideanbau keine Innovation in der neuen Heimat, sondern ein fester Bestandteil der slawischen Wirtschaftsweise vor der Einwanderungszeit d a r s t e l l t e , beweist das Vorhandensein von ererbten Bezeichnungen typischer arten,
die
auf
länger
heute als Lehnwörter Hier
sind die auf
Unkraut-
bebauten Ackern wachsen. Deren Bezeichnungen
leben
im neugriechischen Dialekt der messenischen Mani f o r t .
Weizenfeldern häufig vorkommende
githago) slaw. ' k o k o l ^ ' zu nennen, woher das Lehnwort
Kornrade KOYHOXI
(Agrostemma kommt45); die
Trespe, serbokr. ' k l a s a c V = "Bromus", bulg. 'klasatica' = "Bromus s t e r i l i s " und 'klasa£ka'
= "Bromus
mollis", woher die Lehnbezeichnung für dieses
xXidaivx^oc, s t a m m t , ist im Dialekt des Dorfes Aiacrivoßa
(heute
Unkraut
npoaf)Xuov)
der messenischen Mani noch in G e b r a u c h ^ ) . g j n ( j n | < r a u t im Weizenfeld nennt man im
Dorfe
Aeipxivi dieses Gebietes vxivxiXiva (in Aiarjtvoßa: NxevxeXiva),
4J
M a l i n g o u d i s , Studien 7 0 - 7 1 .
44)
Ebd. 172.
4
Th.
->
Heldreich,
Ta 6i)u.u6n ov6(iata l u v ipmüv Ttpoo6iopi.Qou.eva e7ticrtnu.oui.Muc,
A t h e n 1980) 16. 4
M a l i n g o u d i s , Studien 171.
(Nachdruck
Frühe slawische Elemente im Namensgut Griechenlands
63
was sicher auf den gemeinslawischen Terminus 'd^telina' = "Klee, Trifolium" zurückzuführen ist47). Mit der Organisation des Ackerbaus hängen ferner zwei Termini zusammen, die nur noch in Verkaufsurkunden aus dem 17.-19. Jahrhundert dieses Gebietes belegt sind. So wird in zwei Urkunden (aus den Jahren 1742 und 1784) der zu verkaufende Acker als HoXeviT^a bezeichnet, ein Wort, das zu slaw. 'kolöno' = "Knie" zu stellen ist und als Fachbezeichnung für den L-förmigen Acker zu verstehen ist. Zur Verdeutlichung der Semantik sei hier das griechische Synonym des örtlichen Dialektes ayMuvfj = "Ellbogenförmiger Acker" genannt^). In zwei Verkaufsurkunden aus dem 17. und einer aus dem 19. Jahrhundert taucht ferner das Wort raaioi als Bezeichnung von Landbesitz auf49). Diesem Terminus, der das griechische Deminutivsuffix -L&L aufweist, liegt meines Erachtens das slawische Wort 'pas' - 'pojas^' (vgl. aserb. 'pasb', c'ech. 'pas' = "Gürtel" zugrunde. Hier könnte es sich um eine ad-hoc Bezeichnung mit slawischen lexikalischen Mitteln handeln, bedingt durch die örtlichen geologischen Besonderheiten; man vgl. dazu den in dieser bergigen Gegend gebräuchlichen Terminus Xovpi (neugriechisch: Gürtel) für die terrassenartigen Acker, die um den Berghang angelegt sind. Aus dem Bereich der Landwirtschaft stammen ferner die in der örtlichen Toponymie überlieferten slawischen Termini für die Feldgrenze Cgrana'), Wassermühle ('vodenica'), Garten Cgradina', 'sad')5°). Schließlich seien noch einige Termini genannt, um die These zu widerlegen, daß die Melingen als Nomaden durchs Land gezogen seien. Aus dem Ortsnamenmaterial der messenischen Mani sind folgende, nach Sachgruppen geordnete, mitgebrachte slawische Termini zu nennen: aus dem Bereich der Siedlungstätigkeit die Rodungsnamen: Rodung ('Ktr^una'), Gereut, Neuland ('lazt,'), gebahnter Weg Otorb'), Durchhau im Walde ('ProsSka'); Siedlungsnamen: Herd bzw. Wohnung Cdimnica1), Dorf ('selo'), Burg Cgrad'); ferner die überlebten Termini aus der Geflügelzucht, eine Tätigkeit, die man sich schwer für ein nomadisches Volk vorstellen kann, wie Hühnerstall ('kotbeb'), Hahn ('kurb') und Hahnenkamm Cgrebenb')^).
47)
Ebd. 170.
48)
Ebd. 172.
50)
Ebd. 169.
Ebd. 172-
5l)
Ebd. 168-170.
49)
64
Phaedon Malingoudis
Ich möchte hier mit der Aufzählung weiterer Termini aufhören und eine Zwischenbilanz des bisher Gesagten ziehen: die slawischen Orts- und Flurnamen des südgriechischen Raumes bezeugen eine Kontinuität in der Ökonomie der Einwanderer, die auch in der neuen Heimat seßhafte Ackerbauern geblieben waren. Zu b). Wie stark war das Gefälle im Bereich der alltäglichen Technologie zwischen den eingesessenen Graikoi und den neuangekommenen Slawen? Um diese Frage objektiv beantworten zu können, muß man sich erst frei von der Faszination der hohen byzantinischen Repräsentationskunst machen und sich einer historischen Realität erinnern, die in allen Epochen gegenwärtig ist: Auch in Byzanz hat es den Kontrast der zwei Welten gegeben, der Welt des Palastes und der der Hütte. Wie lebte der griechisch-sprechende Bewohner der byzantinischen Peloponncs im 6.-7. Jh., aus welchem Geschirr aß er welche Speisen, wie bestellte er sein Land, wie kleidete er sich? Nun, es gehört inzwischen zum Allgemeingut aller Archäologen, die die sozialen und wirtschaftlichen Bedingungen der materiellen Kultur nicht aus den Augen verlieren, daß "Barbarisierungserscheinungen" in diesem Bereich nicht unbedingt auf die Präsenz eines fremden ethnischen Elementes zurückgeführt werden müssen, sondern eher aus endogenen sozialen und ökonomischen Faktoren des gegebenen Gebietes zu erklären sind52).lch möchte auch in diesem Zusammenhang an die Ausführungen von H. Köpstein erinnern, die in ihrem Referat auf dem letzten Byzantinisten-Kongrcss mit Recht betont hat, daß sich im Bereich der mit dem Ackerbau verbundenen Technologie im frühen Byzanz kaum entscheidende Verbesserungen im Vergleich zur spätrömischen Zeit vollzogen hatten53). Was nun das technologische Niveau der landnehmenden slawischen Gruppen betrifft, so darf man nicht länger die Augen vor der Tatsache verschließen, daß diese nicht urplötzlich als Nomaden mitten auf der Peloponnes erschienen sind. Auch sie waren Träger einer Technologie, welche sie sich bei ihrem Aufenthalt in den ehemaligen römischen Provinzen in der Donaugegend angeeignet hatten. Insofern bedeutet ihre Ankunft in den griechischen Provinzen von Byzanz keine
12)
3
5
^
Vgl. dazu die Ausführungen von D. Pallas, Donnees nouvelles sur quelques boucles et fibules considerees comnie avares et Slaves et sur Corinthe entre le Vle et Ie IXe s. Byzantinobulgarica 7, 1981, 295 ff. H. Köpstein, Gebrauchsgegenstände des Alltags in archäologischen und literarischen Quellen. Jahrbuch der Osterreichischen Dyzantinistik 31, 1981, 355 ff.
Frühe slawische Elemente im Namensgut Griechenlands
65
Diskontinuität. Hier seien kurz die Erkenntnisse der slawischen Archäologie zusammengefaßt: so dürfte bereits im 6.-7. Jh. die Übernahme der römischen, mit der Landwirtschaft verbundenen Technologie (eisenbeschlagene Ackergeräte) erfolgt sein. Auf dem Bereich der handwerklichen und gewerblichen Produktion haben sich die Slawen das "know-how" der antiken Keramikproduktion angeeignet (Weiterverwendung der Drehscheibe und des spätantiken Töpferofens). Die frühmittelalterliche slawische Keramik des unteren Donaugebietes geht auch im Bereich der Stilistik auf die Spätantike zurück. In der Schmuckherstellung sind in den slawischen Derivaten Kontinuitätselemente deutlich, ebenso im Hausbau, um ein letztes Beispiel zu nennen. Es haben sich, z.T. klimatisch bedingt, entscheidende Veränderungen vollzogen: das aus der altslawischen Zeit bekannte eingetiefte Grubenhaus tritt südlich der Donau nur noch vereinzelt auf; Elemente der donauländischen Hausbautradition, wie die Verwendung von luftgetrockneten Lehmziegeln, werden auch von den Slawen übernommen^). Auch mit den der eigenen materiellen Kultur fremden Errungenschaften waren die Slawen nach dem Überschreiten der Donau vertraut; sie wußten zumindest mit eigenen lexikalischen Mitteln solche zu bezeichen. Als Zeugnis dafür seien die slawischen Ortsnamen der Peloponnes genannt, die aus dem Appellativum "Brücke" entstanden sind (MocruTcra, Motraxai, Morjxevixcm) mit welchen sie sicher vorgefundene Einrichtungen bezeichnet haben. Die Benennung der Stadt KaXdßpvxa, die vom antiken Fluß 'Kcrynitis' durchzogen wird, und dem epirotischen Dorf KaXdppuxa, das am Ufer eines Nebenflusses von 'Arachthos' zu finden ist, liegt slaw. 'kolovbrtb' = "Drehrad" zugrunde, eine Benennung, die sicher mit den durch Wasserkraft getriebenen Mühlen zusammenhängt. Kurz, man wird kaum einen nennenswerten Unterschied im Bereich der bäuerlich-ländlichen materiellen Kultur zwischen eingesessenen Griechen und den angekommenen Slawen voraussetzen können. Das koareale Zusammenleben der beiden Sprachträger in den südgricchischen Regionen des byzantinischen Reiches, dieser lange Prozeß der Symbiose, der mit der Absorbierung des slawischen Elementes endete, hat auch Spuren hinterlassen: es sind dies die slawischen Lehnwörter der neugriechischen Sprache, die aus dem semantischen Bereich des Alltagslebens des gemeinen Dorfbewohners stammen und die als Ergebnis dieser Symbiose anzusehen sind. Sieht man von den J. Herrmann, Staatsbildung in Südosteuropa und in Mitteleuropa. Zum Problem von Kontinuität und Diskontinuität bei der Überwindung der antiken Sklavcngesellschaft und der Herausbildung der Feudalgesellschaft. Jahrbuch für Geschichte des Feudalismus 5, 1981, 20 ff.
66
Phaedon Malingoudis
zahlreichen L e h n t e r m i n i
in einzelnen griechischen Dialekten ab, so zeigen die
slawischen Lehnwörter des Gemeinneugriechischen, daß in bestimmten Bereichen der
materiellen
K u l t u r die slawische Komponente dieser Symbiose bestimmend
gewesen ist. Es sind dies die Bereiche, die in die semantischen Felder der Geflügelzucht,
der I m k e r e i , des Fischfangs in Binnengewässern, des Textilhand-
werks, der Brotherstellung, der bäuerlichen
Architektur
(Wirtschaftsgebäude,
Gehöfte) gehören. Ich kann aus Zeitgründen nicht die einzelnen Termini aufzählen55) und lasse nur ein charakteristisches Beispiel folgen: Es w i r d
allgemein a k z e p t i e r t , daß die gemeinneugriechische
Egge (crßdpva) ein slawisches
Lehnwort
Bezeichnung der
istS^). Diese Etymologie bliebe jedoch
ohne reellen Bezug, wenn man sie nicht im breiteren Kontext der erwähnten mittelalterlichen
Symbiose des slawischen und des griechischen Elementes be-
t r a c h t e n würde. Dieses Bodenbearbeitungsgerät zur Zerkrümelung des gepflügten Ackers wurde sicher
in Byzanz auch vor der Ankunft der Slawen verwendet,
man hatte auch eine Bezeichnung dafür (ßuXoMOTioc,), ein Wort, welches heute nur noch in den Dialekten auf den Inseln in der Agäis in Gebrauch ist und von der Lehnbezeichnung weitgehend verdrängt wurde. Die Egge wurde in der g r i e chisch-römischen
Welt verwendet und wir besitzen sogar Beschreibungen r ö m i -
scher A g r a r s c h r i f t s t e l l c r sowohl der einfacheren, aus Asten und Strauchwerk geflochtenen Egge als auch der Zinken-Egge, die aus einem hölzernen Rahmen mit eingefügten Zinken bestand. Die Slawen haben die Zinken-Egge in den römischen Provinzen der unteren Donau kennengelernt, man kann jedoch annehmen, daß sie die Strauchwerkegge schon vorher verwendeten, da es die gemeinslawische Bezeichnung 'borna' (später 'brana' bzw. 'borona') gibt57). Die nach Griechenland eingewanderten Slawen haben mit ihrer l a n d w i r t s c h a f t l i chen Ausrüstung auch die ererbten Bezeichnungen mitgebracht: die Hacke Cmot y k a ' ) , die heute als ein Lehnwort
in thessalischen Dialekten
(|IOTLKCI)
und im
Tsakonischen w e i t e r l e b t , die Sense Ckosa', entlehnt in Dialekten von Z e n t r a l und Mittelgriechenland)58) •^
und
eben die Strauchwerk-Egge, deren Benennung die
Darüber b e r e i t e t V e r f . eine Monographie vor.
'
N. A n d r i o t i s , ETULIOXO-TI-MO XE^LMO XIJC, Koivrjc, N E O E \ \ T ] V I M I ) C , , (Thessaloniki 1983) s.v.
57
M. Beranovä, Z e m C d ä l s t v i s t a r y c h Slovanü (Prag 1980) 117-118, 253-254. Zum g e m e i n s l a w i schen T e r m i n u s b o r n a , v g l . E t i m o l o g i c e s k i j Slovar' Slavjankich Jazykov, Od. 2 (Moskau 1975) 204-206.
*
Zu m o t y k a v g l . L a o g r a p h i a , 13d. 19, 273. Zu kosa v g l . Mpogkas (wie A n m . 29 oben) I, 33 und 189.
Frühe slawische Elemente im Namensgut Griechenlands
67
griechische Bezeichnung (ßuXoHcmoc,) weitgehend verdrängt hat. Nach der phonetischen Gestalt, in welcher dieses Wort im Griechischen vorliegt, kann man mit Sicherheit annehmen, daß die Übernahme schon vor der Mitte des 9. Jahrhunderts erfolgt ist. Das Lehnwort weist eine im Slawischen nicht vollzogene Liquida-Metathese auf, eine ebenso altertümliche Vertretung des slaw. 'o' durch griech. 'a' und eine Wiedergabe des anlautenden slaw. 'b-' durch gricch. 'v-', was typisch für die frühen Entlehnungen aus dem Slawischen ist. Ich möchte diese frühe Übernahme und die weite Verbreitung der Lehnbezeichnung in dem Sinne erklären, daß die neu angekommenen Slawen das besprochene landwirtschaftliche Gerät nicht nur für den Eigengebrauch herstellten sondern daß sie die einfachen Strauchwerk-Eggen ihren griechischen Nachbarn verkauften. Die Lehnbezeichnung der Egge spiegelt also einen Aspekt der helleno-slawischen Symbiose im mittelalterlichen Griechenland wider. In einer Beschreibung der Umgebung von Thessaloniki am Anfang des 10. Jhs. informiert uns ein etwas unbedarfter Historiker, Joh. Kameniates, daß es in der Ebene im Westen zwischen dieser Stadt und Berroia einige ethnisch zusammengesetzte (auVuxHToi) Dörfer gäbe und "es sei", meint Kameniates, "nicht von geringem Vorteil für die Einwohner von Thessaloniki, daß sie mit den Skythen (den bulgarischen Slawen, Anm. d. Verf.) durch den Handelsverkehr in Kontakt blieben." Dieser Vorteil sei um so größer, wenn sie miteinander friedlich leben und keinen Krieg führen, es sei "eine Tatsache, die beide seit alters her begriffen hätten, daß sie durch die Kontaktpflege ihre Bedürfnisse gegenseitig decken könnten. Sie hielten", fährt Kameniates fort, "untereinander einen bemerkenswerten und tiefen Frieden aufrecht"59). Es scheint mir, daß diese wenigen Zeilen uns ein objektives Bild des slawischgriechischen Alltags, der langen und friedlichen Symbiose der beiden Sprachträger in der griechischen Provinz liefern. Die Barbarentopik mittelgriechischer Historiker, die Parteilichkeit ihrer im Auftrag kompilierter Chroniken und die hagiographischen Klischees über blutrünstige Heiden haben uns bestenfalls Ausnahmesituationen überliefert. Ihr Zeugnis über kriegerische, durchs Land ziehende Slawen steht nicht in kausalem Zusammenhang mit der Entstehung der zahlreichen slawischen Ortsnamen des griechischen Raumes und der Entlehnung der I. Caminiatae, De expugnatione Thessalonicae, ed. G. Bohl ig, CFHB, Series Beroliniensis 4 (Berlin-New York 1973) 8,78 ff.
68
Phaedon Malingoudis
erwähnten slawischen T e r m i n i
im M i t t e l - und Neugriechischen. Diese sind die
o b j e k t i v e n , unabsichtlich auf uns übergekommenen Zeugen, die von jenen "Barbaren" stammen, welche in den überlieferten schriftlichen Quellen sonst stumm geblieben sind. Die Sammlung dieser Zeugen und ihre I n t e r p r e t a t i o n wird uns auch zu einer nüchternen und realitätsbezogenen Einschätzung mancher Aspekte der m i t t e l a l t e r l i c h e n Vergangenheit des Neohellenentums v e r h e l f e n .
N a c h t r a g : M i t der v o r l i e g e n d e n Studie v e r t r i t t Verf. unzweideutig die M e i n u n g , daß die in G r i e chenland angekommenen Slawen im Grunde seßhafte Hauern waren. Auch in seinen f r ü h e r e n S t u dien hat er nie das G e g e n t e i l b e h a u p t e t . Er f ü h l t sich deshalb b e r e c h t i g t , seine
Betroffenheit
über die n i c h t k o r r e k t e Behandlung seiner V e r ö f f e n t l i c h u n g e n seitens der s o w j e t i s c h e n Kollegen auszudrücken: In einem j ü n g s t erschienenen K o l l e k t i v w e r k Toponomy (wie A n n . rung in die G e b i e t e
w i r d , unter Verweis auf Malingoudis,
11 oben) b e h a u p t e t , auch er v e r t r ä t e die Meinung, daß "bis zur Einwandedes
Ueichcs die Slawen Nomaden geblieben seien. Erst
Grenzen würden sie, unter e r n " . (Vgl. G.G. L i t a v r i n
innerhalb seiner
b y z a n t i n i s c h e m Einfluß, ' z i v i l i s i e r t ' , d.h. sie w u r d e n seßhafte Bau-
(Hrsg.), Rannefoedal'nye
gosudarstva na Balkanach (Moskau 1985) 39
und 92. Zu dieser falschen Behauptung (das Werk weist noch einige ähnliche auf) w i r d Verf. demnächst a u s f ü h r l i c h Stellung nehmen.
Merkwürdigkeiten
Alte Relikte in Balkansprachen. Norbert Reiter, Berlin (West) Als 1774 Johann Thunmanns Buch Untersuchungen über die Geschichte der östlichen Völker und Sprachen in Leipzig erschien, ahnte wohl niemand, daß dieses Werk die Urschrift einer ganzen Wissenschaft sein könnte, nämlich der Balkanologie, und zwar, wie hinzuzufügen ich nicht versäumen möchte, der Balkanologie älteren Zweiges. Grund, sein Buch zu schreiben, war für Thunmann das Bedürfnis, der gelehrten Welt seiner Zeit zu beweisen, daß die auf dem Balkan vorfindbaren Völker alteingesessen und nicht, wie Herder es formulierte, " ... untereinandergeworfene Trümmer mehrerer Völker und Sprachen" seien. Thunmann war "ordentlicher Lehrer der Beredtsamkeit und Philosophie" an der Universität Halle und ein ausgezeichneter Kenner der antiken Quellen über den Balkan, und darum ist, was er in seinem Buch schreibt, in erster Linie auch die Arbeit eines Historikers und in zweiter Linie erst die eines Philologen. Aber genau das ist es, was uns hier an seinem Buche interessiert und wodurch es wie ich sagte - zur Urschrift der Balkanologie wurde. Die Quellenlage ließ Thunmann vermuten, daß sich die Relikte der alten Völker auf dem Balkan noch in anderer Hinsicht, nämlich sprachlich, nachweisen lassen müßten, und so versuchte er, aus den Balkansprachcn, vornehmlich dem Albanischen und dem Rumänischen, einen lexikalischen Uraltbestand, oder - wie wir heute sagen würden - die Sprache eines Substrats herauszudestilliercn. Dabei bediente er sich einer Methode, die ich das "Subtraktionsverfahren" nennen möchte. Es besteht darin, aus einer gegebenen Sprache, alles mit bekannten Sprachfamilien in Verbindung Stehende auszusortieren und den verbleibenden Rest, also das Nichtidentifizierbare, für das Substrat in Anspruch zu nehmen. Thunmann verglich paarweise, z.B. das Slawische mit dem Albanischen, von denen das Albanische als die unverkennbare Nachfolgesprache eines alten Balkanidioms bei der Identifizierung von Gleichungen den Vorrang genoß. Das bedeutet praktisch: Ergab sich zwischen dem Slawischen und dem Albanischen eine Gleichung, so wurde sie dem eben genannten Grundsatz zufolge dem balkanischen Erbgut zu- und als Entlehnung im Slawischen ausgewiesen. Da nun Thunmann kein Sprachwissenschaftler war, und er es auch ablehnte, für einen solchen gehalten zu werden, weil er - aus verständlichen Gründen - vom Etymologisieren nichts hielt 1 ), konnte es passieren, daß er im Falle urverwandtschaftlicher Gleichungen das betreffende Wort als Entlehnung einstufte. So erkannte er
Norbert Reiter
70
z.B., daß slaw. drvo vblk
und alb. dru "Baum, Holz" zusammengehören, ebenso slaw.
und alb. ujk "Wolf", da er sich aber von den Etymologien fernhalten w o l l t e ,
blieb ihm nur die M ö g l i c h k e i t , einer der beiden Sprachen den Vorzug zu geben. Das war, wie sich denken läßt, das Albanische, woraus dann f o l g t e , daß 2) und vblk Entlehnungen im Slawischen sein mußten .
drvo
M i t dem Rumänischen verfuhr er in derselben Weise. Alles, was als romanisch, slawisch, griechisch erkennbar war, zog er ab, und den verbleibenden Rest erklärte er als Substrat. Dabei fiel ihm auf, daß zwischen dem Rest im Rumänischen und e t l i c h e m , was sich im Albanischen fand, gewisse Ähnlichkeiten bestanden, und so schloß er, dieser Rest: "stamme aus einer Sprache, die m i t dem Albanischen
viele
Ähnlichkeiten
gehabt
hat; denn über
siebenzig
wlachische
Wörter kommen m i t eben so vielen Albanischen überein ..." Diesen Restwörterbestand wies Thunmann der Sprache der Thraker zu, und er sagte: "... Sie (die Thraker) haben sich w i r k l i c h erhalten: aber verändert haben sie sich auch in der sichtbarsten
Weise.
Ihre
Gebirge
retteten
sie vor der Vernichtung: aber sie
konnten nicht verhindern, daß das Volk fast unkenntlich und sich selbst unähnlich wurde. A m deutlichsten hat sich dieses in ihrer Sprache gezeigt: denn die Sprache der jenseits der Donau wohnenden Wlachen ist die veränderte T h r a c i sche
Sprache"3);
und er
nennt die Wlachen "die Geschlechtsverwandten"
der
Albaner. Bei dieser bereits
im Jahre 1774 geäußerten Meinung ist es bis heute im we-
sentlichen geblieben. Der erste, der ein sog. Substrat im Rumänischen annahm, war Thunmann f r e i lich n i c h t . Vor Moldaviae
ihm hatte
schon Fürst D i m i t r i e Cantemir in seiner
Descriptio
von 1716 die Möglichkeit eines Substrats im Rumänischen angedeutet,
denn er sagt: Die Wörter, "welche weder lateinisch sind noch aus anderen Nachbarsprachen kommen, müssen Spuren der alten Daker sein". Der erste war Thunmann
also n i c h t ,
er
war
jedoch der
erste, der das Problem auf einem
für
damalige Verhältnisse doch sehr hohem wissenschaftlichen Niveau zu bearbeiten sich bemühte. V g l . Thunmann 1774, 175. Er f o r m u l i e r t "durch Träume und Etymologisierungen". Seine A b neigung gegenüber dem Etymologisieren gründet sich auf jahrhundertelange, u.a. auch von L c i b n i t z geübte P r a x i s , d u r c h lautsymbolische Spekulationen (z.U. die kratyleische L a u t s y m bolik) der G o t t h e i t näher zu kommen.
Hierzu Reiter 1983, 417. Thunmann 1774, 339. Andere Stellen, wo er über die Verwandtschaft von Albanern und Wlachen aus einem t h r a k i s c h e n Stamme spricht, sind S. 246, 323, 360.
Alte Relikte in lialkansprachen
71
Sehr viele Nachfolger hatte Thunmann nicht. Kurz befaßt haben sich später mit dem Problem Kopitar, Safarik, Miklosicli, Tomaschek, Gustav Mayer, alles keine Rumänen, wie man sieht, obwohl doch eigentlich die das größte Interesse daran hätten haben müssen. Daß sie es nicht hatten, liegt an den nationalemanzipatorischen Bestrebungen, wie sie am ausgeprägtesten von der §coa/a ardeleanä Siebenbürgischen Schule) v e r t r e t e n wurden. Die Vertreter dieser §eoala nä,
welche aus verschiedenen Vorgängerorganisationen
(der
ardelea-
Ende des 18. Jahrhun-
derts hervorgegangen ist und bis zum Anfang des 19. Jahrhunderts w i r k t e , verfochten die Idee unverfälschter L a t i n i t ä t der Rumänen, was ihren e m a n z i p a t o r i schen Zielen durchaus dienlich war und auch Erfolg b r a c h t e , der Wahrheit aber nicht im mindesten entsprach. In das Bild ungetrübter L a t i n i t ä t paßten die alten Daker nicht hinein, und so konnte es auch Substratwörter im Rumänischen nicht geben. Der erste Rumäne, der sich mit diesem Problem wissenschaftlich
auseinander-
setzte, war Bogdan Petriceicu Hasdeu (1838 - 1907), der leider, noch bevor über das Thrakische
selbst einigermaßen Zuverlässiges bekannt
war, ein dakisches
Substrat aus dem Rumänischen herauszudestillieren versuchte. Zur I n f o r m a t i o n : Die A r b e i t von Tomaschek, Die alten
Thraker,
ist erst 1893/94 erschienen, und
den Ring von Ezerovo hat man erst 1912 gefunden. Hasdeu hat mit seinen Arbeiten zunächst nur Undank g e e r n t e t . Sein heftigster Gegner
war Qvid Densusianu (1873 - 1938), der das Vorhandensein
Wörter
im Rumänischen zwar
dakischcr
nicht grundsätzlich leugnete, jedoch scharf die
Methode k r i t i s i e r t e , nach denen sie Hasdeu glaubte, gefunden zu haben, und diese ist in der Tat z w i e l i c h t i g , und sie blieb es, auch wenn sich nachfolgende Generationen dem Problem immer wieder und mit unterschiedlichem Erfolg zugewandt haben. Hierzu in gebotener Kürze einige B e m e r k u n g e n ^ : Die Methode, nach der die Fahndung nach U r a l t w ö r t e r n e r f o l g t , nannte ich vorhin das Substraktionsverfahren. Sie beruht auf zwei falschen Vorstellungen: 1. auf dem von den Archäologen durch die Philologen entlehnten Schichtenmodell. Die sog. Einzelsprache wird mit einem Stich ins Erdreich gleichgesetzt, weil man nicht anders kann, als ihr - der Einzelsprache - ein A l t e r zuzuschreiben. Der Stich ins Erdreich geht dann eben so t i e f , wie die Sprache für alt gehalten 4
Ausführlicher bei Reiter 1981.
72
Norbert Heiter
wird. Bei den Archäologen ist es im Prinzip genauso: Je tiefer es geht, desto älter wird's. Allerdings gibt es da einen wesentlichen Unterschied: Der Unrat der jeweils tiefer liegenden Schicht hat mit dem Unrat, der später da draufgeworfen worden ist, nichts zu tun. Bei der Sprache ist es bekanntlich anders: Ein dakisches Wort kann ja auch heute noch benutzt werden. Wenn also schon von den Schichten im Sinne der Archäologen gesprochen werden darf, dann wären es die Idiome, die nacheinander an einem fixen Ort gesprochen wurden. Hiermit läßt sich aber nicht viel anfangen, da Sprache an Menschen und nicht an Orte gebunden ist. Praktikabel wird die Sache erst in der Onomastik, wo eine Ortsgebundenheit allenfalls denotativ durch die bezeichnete Sache und auch nur unter der Bedingung vorliegt, daß Verschiedensprachige an einem Ort eine Weile beieinander lebten. 2. Der andere Irrtum besteht darin, daß die Einzelsprache für eine Klasse gehalten wird. Nur unter dieser Annahme kann überhaupt subtrahiert werden. Das ist grundsätzlich so, nicht nur im sprachlichen Bereich. Das geht dann so vor sich: Von der Klasse "Rumänisch" zieht man die Klassen "Lateinisch", "Slawisch", "Griechisch", "Türkisch", "Ungarisch" und "Deutsch" ab. Was dann übrigbleibt, ist nicht einfach ein Rest, sondern eine Restklasse, die natürlich ebenfalls subtrahierbar wäre, so daß die Subtraktion vom Rumänischen letzten Endes den Rest Null ergeben müßte. Soweit geht man aber nicht, da es ja nicht darauf ankommt, einen Rest Null zu erhalten, sondern aus dem Rest eine neue Sprache aufzubauen. Wie gesagt, die Konzeption ist falsch, weil Sprachen nämlich keine Klassen, sondern Ganzheiten sind, denen nichts weggenommen noch hinzugefügt werden kann. Darum läuft das Verfahren anders, wie, will ich jetzt nicht auseinandersetzen; nur eines möchte ich bemerken: Ein Verfahren, das auf der Ganzheitskonzeption einer Sprache beruht, registriert jeden Fehler, nicht nur die philologischen, vor allem auch die logischen. Danach aber wurde nicht gearbeitet, eben weil es die beiden genannten Fehleinschätzungen verhindert haben. Darum bleiben die Ergebnisse der sog. Substratforschung immer anfechtbar, was man z.B. auch darin sieht, daß die Gelehrten über ihre Ergebnisse eigentlich keinen Konsens erzielt haben. Jeder kam auf eine andere Anzahl von Dakismen, und einer widersprach dem anderen. Gleichwohl rechnet man heutzutage mit etwa 60 Wörtern dieser Art. Bei Werner Bahner (1970) sind sie verzeichnet. Soweit also scheint Einigkeit erzielt worden zu sein.
A l t e R e l i k t e in Balkansprachen
73
Die Einwände von Densusianu haben die Bemühungen auf dem Gebiete der Substratforschung paralysiert, wie Cicerone Poghirc schreibt. Erst in den 20er Jahren hat man sie wieder aufgenommen, Philippide 1928 und Rosetti 1938, im selben Jahr noch Russu, dessen Arbeiten am meisten geschätzt werden. Auch Ausländer haben sich mit dem Problem befaßt, so z.B. Sandfeld, J o k l , Weigand, Skok, Baric, Reichenkron, Georgiev, Cabej. Sie und manchen anderen hat das Problem nicht
nicht
ruhen
hinweggesehen
lassen, weil werden
über
konnte.
die
Damit
rumänisch-albanischen wurde
wieder
Parallelen
aufgegriffen,
was
Thunmann ca. 200 Jahre früher schon begonnen h a t t e . Inzwischen waren aber die Philologen um einige Kenntnisse reicher. Man wußte etwas vom Thrakischcn, und auch die Lautgesetze waren längst entdeckt, von denen Thunmann nichts wußte. Die die Forschung beflügelnden Parallelen zwischen dem Rumänischen und dem Albanischen waren nun aber selbst wieder nicht ganz problemlos; denn sofort tauchte die Frage auf, ob es sich dabei nicht um Entlehnungen der Rumänen aus dem Albanischen handelte. Positiv beantwortet
wurde sie von C a b e j , der sich
alle Mühe gab, die einschlägigen Wörter im Rumänischen als Albanismen nachzuweisenS'. Das Problem g i l t heute, wie Bahner schreibt, als i r r e l e v a n t ^ ) . So f r e i l i c h sollte man es nicht nennen, vielmehr scheint es mir eindeutig zugunsten der Autochthonie der Wörter geklärt zu sein, und darin folge ich Poghirc. Poghircs abweisende Argumentation stützt sich auf drei F a k t o r e n 7 ' : 1. Es ist nicht einzusehen, warum mit Viehzucht befaßte Leute wie die Rumänen ihre Fachterminologie
von anderen - den Albanern - beziehen sollten;
denn: ca. 30% der als Substrat akzeptierten Wörter des Rumänischen sind solche der Weidewirtschaft. 2. Es ist nicht einzusehen, warum nur die Rumänen von den Albanern, nicht aber auch diese von jenen entlehnt haben sollten. Auf diese Frage ist von a l banischer Seite keine stichhaltige A n t w o r t gegeben worden. 3. Der phonetische Zustand einiger Wörter schließt eine Entlehnung aus.
^
Cabej 1965, 106. Es galt aber auch vor ihm schon als L e h r m e i n u n g , daß die m i t dem A l b . übereinstimmenden Elemente des Rumänischen Entlehnungen aus dem Albanischen seien. Bahner 1970, 26.
7) '
Poghirc 1967, 28. l i c h k e i t e n , welche Gedanken an eine Reichenkron 1959,
Vor ihm schon h a t t e Schuchardt 1868 I I I , 43 e r k l ä r t : " ... die E i g e n t ü m Albanesisch und Walachisch miteinander t e i l e n , sind der A r t , daß sie den späte Entlehnung ausschließen." M i t soziologischen A r g u m e n t e n schließt 367 eine Entlehnung aus.
Norbert Reiter
74
Wie war die Situation? Unbestreitbar haben Albaner in älterer Zeit auch viel weiter nördlich gesiedelt, als sie es heute tun, was nicht bedeuten soll - und von der albanischen Forschung auch heftigst bestritten wird -, daß die Albaner in ihre heutigen Wohngebiete
eingewandert
seien®'. Der für
uns heute nachweislich am weitesten
nördlich gelegene Punkt ist das alte Naissus > Nis, ca. 100 km nordöstlich von Pristina.
Der Name erweist sich durch den Lautwandel s > s als albanisch. Die-
ser Lautwandel kommt onomastisch noch zwei andere Male vor, nämlich bei Stip < Astibos,
etwa 70 km südöstlich von Skopje, auch dort ist kein albanisches
Wohngebiet mehr, und dann - allerdings schon ziemlich zentral gelegen - die Sar-Planina
mit Sar < Scardus.
£ a b e j verweist in diesem Zusammenhang auf ei-
ne Parallele in Dalmatien: Scardona,
welches slawisch heute Skradin heißt9^.
Der für das Albanische charakteristische Wandel von s > s ist relativ alt. Als frühester Termin kommt die Zeit nach der Übernahme der lateinischen Elemente in Betracht, da sie diesen Lautwandel zeigen, beispielsweise shendet sanitätem,
< lat.
wo außer s > s auch der sehr frühe Wandel von ä > e zu beobachten
ist, dann das einzigartige kershendella
"Weihnachten" Christi
natalia
und viele
10
andere ^. Stattgefunden haben aber muß der Wandel noch vor dem Eintreffen der Slawen, also schätzungsweise im 7. bis 8. Jahrhundert spätestens, weil die Slawen diesen Lautwandel nicht kennen und ein vorgefundenes Naissus bei ihnen ein *Nes~b, ein Astibos
ein *Ostrh und ein Scardus
ein *Skradb ergeben hätte, so wie es ja in
Dalmatien ähnlich vorkommt. Natürlich wissen wir nicht, wie lange sich die Bevölkerung um Ni£ der Slawisierung widersetzt hat, fest steht nur, daß der Name in albanischer Lautung ins Slawische Eingang fand. In diesem Zusammenhang soll darauf hingewiesen werden, daß nicht überall eine albanische Lautung ins Slawische übernommen worden ist. So geht der Name der mazedonischen Hauptstadt Skopje rend er alb. Shkup alb. aber Shkoder,
direkt auf antikes Scupi (m.pl.) zurück, wäh-
lautet. Ähnlich verhält es sich mit Skadar < antik
von welchem Skok sogar annimmt, daß es auf eine slawische
8) 9 10
Scodra,
Eingehende Erörterung bei f a b e j 1974. f a b e j 1965, 105. Cabej 1976-77 I, 280.
Alte Relikte in ßalkansprachen
75
Form zurückgeht und ein Masculinum und nicht, wie nach antiker Vorlage zu erwarten, ein Femininum i s t 1 1 ' . Diese beiden A r t e n der Einverleibung eines antiken Namens ins Slawische lassen erkennen, daß auf einem T e r r i t o r i u m von verhältnismäßig geringer
Ausdehnung
von z w e i , vielleicht auch mehr dort gesprochenen Sprachen mal die eine, mal die andere dominieren konnte, und wir gut daran t ä t e n , für die damalige Z e i t , also etwa das 5. bis 8. Jahrhundert nicht mit einer geschlossenen, homogenen Sprachendecke, sondern - um bei diesem Bild zu bleiben - m i t einem bunten Flickenteppich von Sprachen und Idiomen zu rechnen. Vor allem sollten wir uns davor hüten, die Sprachen als ethnische Marken zu verstehen. Viel eher sieht es danach aus, als sei ihre regionale Verteilung auf sozio-ökonomische
Faktoren
zurückzuführen. Nebenbei: Der v e r m u t l i c h sozio-ökonomisch bedingte sprachliche Flickenteppich ist für das balkanische Zentralgebict - das ist die VardarMorava-Achse - nicht nur für das M i t t e l a l t e r c h a r a k t e r i s t i s c h gewesen, vielmehr hat dieser Zustand bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts f o r t g e d a u e r t ; denn wir wissen, daß die Bevölkerung in den Städten anders, nämlich in der
Hauptsache
griechisch gesprochen hat, als auf dem Lande, wo das Slawische d o m i n i e r t e 1 2 ' . Nach dieser Abschweifung zurück zu den rumänisch-albanischen Sprachbeziehungen.
Die besonders von albanischer
Seite unterstellte
Entlehnung von albani-
schen Elementen ins Rumänische ist nicht plausibel. Auch aus lautlichen Gründen ist sie das nicht, und hier spielt u.a. der alb. Wandel s > s eine Rolle. Eines der Wörter, die als gemeinsames albano-rumänisches sind, ist rum. strungä,
alb. shtrunge
anlautend str-, im A l b . shtr-, müßte es in schon sehr früher
Erbgut
" M e l k p f e r c h " . Dieses Wort z e i g t
akzeptiert im Rum.
wäre es ein L e h n w o r t , wie Cabej a n n i m m t , so Zeit
nach Norden gekommen sein. Das ist bei
diesem Worte aber nicht die einzige Schwierigkeit. Es gibt auch eine semantische. Cabej bringt das Wort mit dem alb. shtron "auslegen, ausbreiten" zusamm e n ^ ) , so als ob der
Melkpferch ein Stall zum Ausruhen des "Viehs wäre. Es
zeigt sich aber, daß es hier auf den Begriff der "Enge", des "Zusammenschiebens" ankommt; denn das Wort, welches sehr früh ins Slawische entlehnt worden zu sein scheint und im Skr. struga n )
lautet, hat hier noch weitere Bedeutungen,
Skok 1973 I I I , 253-
12)
^
Zur ethnischen Verteilung in Mazedonien zu Beginn dieses Jahrhunderts vgl. De Jong 1982, 91; Weigand 1924, Kap. 3. Zu den Kreisen Tetovo und Gostivar, wo die Slawen in der Minderheit waren vgl. Sinadinovski 1979, 496. Cabej 1965, 110.
76
Norbert Reiter
nämlich: "Durchlaß durch einen Zaun", "Flußbett des Gebirgsbachs". Die mazed. Entsprechung lautet straga
und wird semantisch folgendermaßen erklärt: "enge
Öffnung im Stall oder im Zaun, durch die die Schafe vor dem Melken gelassen werden". Die hier offenbar nächsten
etymologischen
gewunden", lat. stringere
dominierende
Verwandten,
Bedeutung "eng" führt
und das
sind: gr.
strangös
"gedreht,
"zusammendrehen", dtsch. streng u. Strang,
und selbst
das Alb. hat hier etwas anzubieten, nämlich shtrengon sammenschnüren",
"zusammenpressen, zu-
so daß Cabejs morphologische Gliederung in shtr-
ominöses Suffix -ung überflüssig wird. Shtrunge shtrengon
uns zu den
/ strunga
und ein
und das alb. Verbum
stehen in einem Ablautverhältnis genauso wie dtsch. streng
und Strang
mit e-
mit o-Stufe. Da diese Wurzel von Nordwesten nach Südosten in Eu-
ropa gut bekannt ist, besteht auch aus lexikalisch-geographischen Gründen kein Anlaß, rum. strungä
als Entlehnung aus dem Alb. anzunehmen.
Eine andere, ebenso akzeptierte Parallele ist rum. barzä, alb. bardhe, auch
semantisch
unterscheiden.
Das rum. Wort bedeutet
die sich
"Storch", das alb.
"weiß". Trotz dieses Unterschiedes ist die semantische Verwandtschaft
unver-
kennbar. Eine Entlehnung aus dem Albanischen ist aus zunächst semantischen Gründen nicht gut
zu v e r t r e t e n ; denn obwohl die Bedeutungen "Storch" und
"weiß" verwandt sind, paßt "Storch" aus pragmatisch- geographischen Gründen nicht zum Albanischen, weil im Umfeld des Albanischen die Substantivierung immer auf Schafe und Ziegen weist. So haben wir in Prilep crnobarza
bzw. s/vo-
barza
"Schaf von schwarzer bzw. weißer Farbe", allgemein mazed. haben wir
barz,
barzav
"Ziege mit weißen Streifen", skr. barzilo
einfach
"Ziegenbock",
selbst arom. bardzu meint "weiß" in Bezug auf die Ziege. Außer den eben genannten semantisch-pragmatischen Gründen gibt es auch noch lautliche, die eine Entlehnung nicht gerade wahrscheinlich machen. Rum. barzä bzw. alb. bardhe bereza,
sind urverwandt mit dtsch. Birke uns slaw. *berza
südslaw. breza,
wie in russ.
ebenfalls "Birke". Der wurzelauslautende Konsonant war
ursprünglich ein palatales gh, das in den Centum-Sprachen als
Verschlußlaut,
vgl. dtsch. Birke, in den Satem-Sprachen als Spirans erscheint. Barzä und bardhe zeigen Satem-Vertretung, jedoch jeweils verschiedene: z im Rum., aber die dentale Spirans dh im Alb., wie es dort allgemein die Regel ist; denn die idg. Palatale k', g erscheinen
im Alb. zumeist als th bzw. dh. Leider besteht
keine
Kenntnis darüber, ob diese beiden alb. Vertretungen ursprünglich oder Weiterentwicklungen aus s, z sind, da es nun aber den Wandel s > s im Alb. gibt, die
A l t e R e l i k t e in Balkansprachen
Kontinuanten von idg. s und k'jedoch
77
unterschieden bleiben, muß die V e r t r e t u n g
th < k'noch früher liegen als s > s ' 4 ) . Somit w i r d eine Entlehnung aus dem A l b . noch weniger wahrscheinlich. Das Paar barzä / bardhe
ist nicht das einzige sei-
ner A r t . Es gibt noch andere Paare, wo auf rumänischer Seite z, auf albanischer dh v o r l i e g t . Schließlich gibt es noch einen d r i t t e n , sehr gewichtigen Grund, r u m . barza autochthon festzunageln. Das ist der aus der A n t i k e bekannte Name
als
Berzovia.
Es handelt sich um den Namen einer Stadt an einem Flüßchen in den Banater Bergen, das heute als Sfrzava bekannt ist. Berzovia bedeutet etwa
ist ein dakischer Name und
"Birkenhain". Er zeigt die Komposition, wie sie aus dem Slaw.
reichlich bekannt und in einer Unmenge von russischen und anderen Namen vert r e t e n ist: russ. z.B. Berezovo, südslaw. ßrezovo. Der Name Berzovia
und der des Flüßchens Sfrzava geben Anlaß, sich zwischen-
durch wieder einmal dem Slawischen zuzuwenden. Es w i r d ja bisweilen behaupt e t , daß die Flußnamen Rumäniens allesamt slawische Formen seien, und als Beispiel p f l e g t der Name Olt genannt zu werden. Er geht auf ein antikes zurück und läßt sich in der Tat slaw. gut e r k l ä r e n , nämlich über Otbtb
Alutus
mit dem
für das Slaw. als charakteristisch geltenden Wandel von (kurz) a > o ' S ) . Auch für die Sfrzava wird eine slaw. Etymologie in Anspruch genommen. Man denkt an das südslawische, noch allenthalben gebräuchliche brzo sich seiner
Semantik
"schnell", was
wegen als Flußname ganz gut eignen würde. In diesem
Falle hätte die Benennung des Flüßchens slawischerseits müssen. Da nun aber Berzovia
und neu e r f o l g t sein
in eben dieser Gegend ü b e r l i e f e r t ist, haben die
Slawen m i t dem Namen unmittelbar nichts zu t u n . Wären sie nämlich auf ein Berzovia
gestoßen,
so hätte
es
bei
ihnen
unweigerlich
zu einem
*Brezovo
14
Daß sich a l b . th / dh für idg. *k' / *q n i c h t aus einer Stufe s / z, sondern in gerader L i n i e e n t w i c k e l t haben, legen historisch belegbare l a u t g e s c h i c h t l i c h e Überlegungen am Span, und P o r t . nahe. L a t . lueem ist i m Span, als luz (gesprochen luth), im P o r t , als luz (gespr. \u$ < lus) v e r t r e t e n . Das s e t z t eine späte l a t . Lautung lutz- m i t einer P a l a t a l i s i e r u n g des k vor e voraus, wie wir sie aus dem Slaw. als sog. 2. P a l a t a l i s i e r u n g kennen. So gesehen, w ä r e n span. th I p o r t . s < tz a r t i k u l a t o r i s c h e Vereinfachungen einiger A f f r i k a t e . Im Falle von s < tz, was man z i e m l i c h häufig f i n d e t , v g l . z.B. B e r l i n e r i s c h poihsei s t a t t Polizei, bestände die V e r e i n f a c h u n g in der Aufgabe des Verschlußlautes, d . i . t, der A f f r i k a t e ; im Falle von th < tz bestände die Vereinfachung in einer Spirantisierung der A r t i k u l a t i o n , d.h. Beibehaltung der A r t i k u l a t i o n s s t e l l e des t , zugleich aber dessen S p i r a n t i s i e r u n g , so, wie sie das s h a t . Wie m i t s p ä t l a t . tz < fr'kann es m i t idg. *k' und *o' auch gewesen sein. Es gab v e r m u t l i c h einen P a l a t a l i s i e r u n g s c f f e k t : tz, mit darauf folgender V e r e i n f a c h u n g e n t w e d e r s / z wie z.B. im Slaw., oder zu tri / dh, wie im A l b .
'
Poghirc 1967, 25 s e t z t einen einheimischen, n i c h t s l a w i s c h e n Wandel a > o an und v e r w i r f t slaw. V e r m i t t l u n g einer ganzen Reihe von Flußnamen.
7»
Norbert Heiter
kommen müssen, vor allem auch, weil ihnen die Form Berzovia semantisch durchsichtig gewesen sein mußte. Die Slawen hätten ähnlich gesagt: *ßerzova. Der Name des Flusses zeigt aber keine Metathese. So kann hier ein einheimischer Lautwandel e > a > t (vor r) angenommen werden. Auch für Dazien wird also gelten, was für Mazedonien und Südserbien schon aufgefallen war: Auch dort hat es kein sprachlich homogenes Gebiet, sondern einen - wie ich sagte - sprachlichen Flickenteppich gegeben. Am sichersten sind die rum.-alb. Gleichungen immer dann, wenn sie onomastische Unterstützung finden, so wie wir es eben bei barza, bardhe, Berzovia kennengelernt haben. Von dieser Sorte gibt es mehrere, auch strungä, strunqhe gehört wohl dazu, da es ein thrak. Toponym Stronges gibt. Ich bin auf die sprachwissenschaftlichen Umstände der rumänisch-albanischen Wortgleichungen etwas näher eingegangen, um vorzuführen, wie dieser Problemkreis methodologisch am saubersten beherrscht werden kann. Dabei spielen neben den Beschaffenheiten des Ausdrucks auch die bisher stark vernachlässigten semantischen Faktoren eine Rolle. Die Vorführung der Einzelheiten diente aber auch dem Zweck, die Grenzen der Leistungsfähigkeit abzustecken. So können wir mit einigem Anspruch auf Wahrhaftigkeit behaupten, daß es im Rumänischen eine Reihe autochthoner Wörter gibt, die sich vermutlich deshalb gehalten haben, weil sie etwas für die sozio-ökonomische Situation der Bevölkerung Charakteristisches bezeichneten, und es wäre die Aufgabe der Gelehrten, in dieser Richtung weiterzuforschen, denn nur so ließen sich Informationen über Menschen beschaffen. Dagegen halte ich es für vollkommen unergiebig, sich darüber zu streiten, welcher Sprache diese Wörter angehört haben mochten. Allgemein wird ja gemeint, es handele sich um alte dakische Elemente. Dagegen ist solange nichts einzuwenden, wie "dakisch" als geographischer Begriff verstanden wird und ebenso dann selbstverständlich auch "thrakisch", das aber pflegt nicht so gesehen zu werden, und damit ist der Streit vorprogrammiert. Über das Verhältnis zwischen "Dakisch" und "Thrakisch" gibt es zwei Meinungen. Nach der einen handelt es sich um ein und dieselbe Sprache, nach der anderen, prononciert von Georgiev vorgetragen, um zwei verschiedene Sprachen 1 ^. Auch hierzu einige Auskünfte: Das Folgende nach Georgiev 1977, 205 ff.
Alte Relikte in ßalkansprachen
79
Im fraglichen Raum, also im östlichen Südosteuropa, werden zwei Sprachen angesetzt: das Dakische nördlich, das Thrakische südlich der Donau. Aus Gründen, die
ich nachher
noch erläutern
werde, halten wir
uns nicht an den
Begriff
"Sprache", sondern fragen einfach danach, ob es Anzeichen dafür g i b t , daß nördlich und südlich der Donau verschieden gesprochen wurde, wobei es uns auf den Grad der Verschiedenheit nicht ankommen soll. Er kann größer, aber eben auch geringer gewesen sein. Folgen wir Georgiev, und es besteht in einigen Punkten kein Anlaß, es nicht zu t u n , so hat es Unterschiede gegeben. Zu nennen wären hier: 1. Altes idg. kurzes e scheint im Dak. zu ie diphthongiert worden zu sein. So ist der Name der ßessen sowohl aus Dazien wie aus Thrazien ü b e r l i e f e r t . Als dakischer Stammesname lautet er Biessoi,
als thrakischer u.a. ßesso/. Aus die-
sem und einigen anderen Beispielen kann abgeleitet
werden, daß die D i p h -
thongierung südlich der Donau unterblieben ist. 2. idg. e scheint im Dakischen über eine Zwischenstufe
ä zu a geworden
zu
sein. Hierfür spricht die Verteilung der Namen m i t der Komponente -dava < deva, welches "Burg" bedeutet, z.B. Sucidava.
Im thrakischen Gebiet hingegen
haben wir e > 1. So im Namen der Stadt Plovdiv,
der auf Pulpudeva
geht, das seinerseits wieder eine thrakische Übersetzung von
zurück-
Philippo-polis
ist. 3. scheint es im Thrakischen eine der germanischen vergleichbare Lautverschiebung gegeben zu haben, wonach die Tenues zu Tenues aspiratae, die Mediae zu Tenues verschoben worden sind. Diese Lautverschiebung scheint in Dazien unbekannt gewesen zu sein. Mit
diesen
halbwegs
fundierten
Erkenntnissen
wird
man sich
zufriedengeben
müssen. Alles andere ist von Übel, so z.B. das Albanische ans Dakische anzukoppeln, weil es die Diphthongierung e > 7'e, wie z.B. in pjck
"backen, b r a t e n "
kennt und diese Erscheinung mit der aus lateinischen Wörtern des Rum. bekannten Diphthongierung e > fe, wie in piept
< pectu-
"Brust" zu verbinden, und ge-
radezu abenteuerlich wird es, aufgrund solcher und anderer noch weitaus unsicherer Erscheinungen, das Albanische für den Fortsetzer des Dakischen auszugeben, die sog. Urheimat der Albaner irgendwo an der Donau anzusetzen und i h nen ihre A u t o c h t h o n i t ä t in ihren heutigen Wohngebieten zu b e s t r e i t e n . Daß das zu heftigsten Reaktionen der Albaner führen muß, braucht hier nicht ausführlich dargestellt zu werden.
8o
Norbert Reiter
Das Übel besteht nun nicht einfach darin, daß das Material für so weitreichende Schlüsse viel zu dünn ist. Unsere Kenntnisse vom Thrakischen sind trotz fleißiger Erhebungen immer noch außerordentlich dürftig, und sie werden es vermutlich auch bleiben 1 ?). Wie es mit dem Dakischen gewesen sein soll, wissen wir noch weniger. Es darf auch nicht unterschlagen werden, was jedem Linguisten selbstverständlich ist: Sprache besteht nicht nur aus Vokalen und Konsonanten. Sie umfaßt noch etliches mehr, und das bleibt unbekannt. Es ist vollkommen aussichtslos, an Hand von etwa drei Dutzend semantisch alles andere als klarer Wörter über den Wortschatz der Daker befinden zu wollen, wo eine Mundart heute mit ca. 17.000 Wörtern veranschlagt wird. Selbst wenn man die Mundarten der Antike so hoch zu veranschlagen Hemmungen hat und sich mit der Hälfte vielleicht begnügt, wären es doch weitaus mehr, die man brauchte, um ein einigermaßen zuverlässiges Bild zu erhalten. Hinzu kommt dann noch etwas anderes: Selbst wenn wir in der glücklichen Lage wären, den dakischen bzw. thrakischen Wortschatz in verwertbarem Umfange zu kennen, könnten wir doch wieder nicht sicher sein, daß nun alles wirklich auch dakisch oder thrakisch und nicht vielleicht wieder etwas Drittes, noch weit weniger Bekanntes wäre. Um das zu verdeutlichen, rede ich kurz vom "Esel". Das auf dem Balkan heute übliche Wort lautet magar- in verschiedenen Varianten, zu denen auch alb. gomär (neben magär) und griech. gomari gehört, was allerdings einfach "Lasttier" bedeutet, ansonsten gaTdaros. Magar- widersetzt sich jedem Etymologisierungsversuch, so daß der Gedanke nicht fern liegt, es handele sich um ein Uraltwort, nicht einmal womöglich mehr idg. Herkunft 1 "). Kompliziert wird die Situation aber noch dadurch, daß auch das in den westlichen Sprachen und im Nordslawischen übliche, auf lat. asinus zurückgehende Wort ebenfalls auf dem Balkan zentriert gewesen zu sein scheint, so daß es dort zeitweilig zwei Bezeichnungen für den Esel gegeben haben dürfte, und dieses Wort genauso wie magar etymologisch dunkel geblieben ist. Man bringt es mit arm. es zusammen, daß die Turkologen nicht ohne einiges Zögern mit e$ek verbinden. Mehr als solcherart Mutmaßungen läßt sicli über magar und asinus nicht mitteilen. 17)
'
18)
Daß sie über eigentlich nur ärmliches Material verfügen, ist den Linguisten nicht unbekannt geblieben, vgl. z.B. einschlägige Bemerkungen bei f a b e j 1965, 106; Poghirc 1967, 22; Bahner 1970, 24 u.a.m., doch habe ich nicht den Eindruck, als hätten sie bei ihren Erhebungen eine dieser Einsicht aucli entsprechende Vorsicht walten lassen. Was C a b e j 1976-77 1, 329 hierzu vorträgt, ist weit entfernt davon, zu überzeugen.
Alte Relikte in Balkansprachen
81
Ich habe an diesem Beispiel zu demonstrieren versucht, wie wenig sinnvoll es auch für die Praxis ist, das M a t e r i a l nach Einzelsprachen zu klassifizieren, worauf es allein ankommt, ist die Feststellung von Bezügen innerhalb des M a t e rials. Die Klassifizierung nach Einzelsprachen ist aber auch von grundsätzlichem Übel, da nämlich, was eine
Sprache
sein soll,
linguistisch nicht
definierbar
1
ist 9). Nach den dürftigen Einsichten, die über die antiken Sprachverhältnisse auf dem Balkan gewonnen werden konnten, darf allein v e r m u t e t werden, daß es nördlich und südlich der
Donau sprachliche
Unterschiede
gegeben hat. Wie stark
sie
waren, läßt sich nicht einmal annäherungsweise sagen. H a l t e n wir uns an die Entwicklung des e, im Norden Diphthongierung, im Süden n i c h t , so kämen wir auf den Unterschied, wie er uns etwa zwischen dem Kroatischen und dem Serbischen geläufig ist, nehmen wir andererseits die E n t w i c k l u n g der Konsonanten, im Süden Lautverschiebung, im Norden nicht, so erinnern wir uns an das Verhältnis zwischen dem Nieder- und dem Oberdeutschen. Selbstverständlich kann, wer w i l l , beim A u f t r e t e n sprachlicher D i f f e r e n z e n von verschiedenen Sprachen sprechen, nur ist das insofern eine riskante Sache, als ja mit "Sprache" nicht einfach nur sprachliche D i f f e r e n z e n , sondern weitaus mehr gemeint ist, was über sprachliche Tatbestände hinausgeht. Unweigerlich v e r b i n det man mit "Sprache" auch "Volk", und das ja
nicht nur assoziativ, sondern
w e i l , einer fast zweihundertjährigen lndoktrination z u f o l g e , beide Begriffe - sofern man das überhaupt so sagen darf - füreinander stehen. Wer also "Sprachen" entdeckt, hat zugleich "Völker" gefunden. Da man sich nun aber Völker
nicht
anders als innerhalb eines geschlossenen Wohngebietes vorstellen kann, wird m i t einer Behauptung wie, "Dakisch" und "Thrakisch" seien verschiedene Sprachen gewesen, unausgesprochen
und darum tückischerweise
nicht hinterfragbar
die
Meinung k o l p o r t i e r t , die fraglichen Gebiete seien homogen von verschiedenen Völkern besiedelt gewesen. Damit wird ein Bild v e r m i t t e l t , das für eine sachgerechte Beurteilung der Verhältnisse keinen Raum b i e t e t , ja schlimmer noch, uns keine Chance läßt, unser Erkenntnisinteresse über das Völkische hinaus auf das Leben und Treiben von Menschen zu r i c h t e n ; denn m i t dem Volke ist Endstation. Auf diese Weise erhalten wir vom Balkan das Bild flächendeckender Völker, die sich, wenn sie auf Wanderschaft gehen, wieder nur flächendeckend verschieben
Ausführlicher dazu Reiter 1984, §J6O.
82
Norbert Reiter
und bei dieser Bewegung so wie die Kontinentalplatten aneinanderstoßen und in Konflikt geraten. Es besteht aller Anlaß anzunehmen, daß das so nicht war. Die Philologen und unter ihnen besonders die Substratforscher sind also darauf aus, mit ihren Untersuchungen Völker zu entdecken. Das ist der Sinn ihrer Bemühungen, und sie brechen in Jubel aus, wenn sie den Eindruck haben, ein verschollenes Volk wiederentdeckt zu haben, so wie Günter Reichenkron seinerzeit, welcher davon überzeugt war, dem Volk der Dakoslawen20^ und damit der weiß ich wievielten - slawischen Sprache auf die Spur gekommen zu sein, und das eigentlich mit nicht viel mehr als dem rumänischen Wort für "Schnee", welches zäpadä lautet und unverkennbar zum Slawischen paßt 2 1 '. Daß es slawisch überall nur sn^grL heißt, war ihm zwar bekannt, doch hat ihn dieser Umstand nicht zur Vorsicht gebracht, gerade das Gegenteil war der Fall. Eben weil es ansonsten snegt ist, war ihm das Vorhandensein des zäpadä Grund genug, an eine verschollene slawische Sprache zu glauben. Nun hat zäpadä aber eine verblüffende Ähnlichkeit mit dem alb. Wort für "Schnee", welches debore lautet, ein Verbalnomen zu debon "verjagen, vertreiben" ist und zum Grundverbum b/e "fallen" gehört, und damit sind wir bei der Übereinstimmung mit zäpadä, dessen Wurzelsilbe -päd- ebenfalls "fallen" bedeutet. Somit wäre zäpadä umschrieben das, was vom Himmel fällt, wie man es ja auch auf skr. sagt: snijeg pada "es schneit". Was sich mit rum. zäpadä zu erkennen gibt, ist keine verlorengegangene slawische Sprache, als viel eher die Übersetzung eines einheimischen Wortes ins Slawische, vermutlich durch Leute, die die alte Sprache noch gekonnt haben und allmählich zum Slawischen übergegangen waren. Nicht nur dieses Beispiel läßt vermuten, daß die auf dem Balkan eingewanderten Slawen, worunter man sich meiner Meinung eingedenk kein Volk vorstellen darf, an vielen Orten auf thrakisch bzw. dakisch sprechende Bevölkerung gestoßen sind, ganz besonders auf dem Ostbalkan, im Westen und natürlich entlang der Küste haben die Einheimischen romanisch gesprochen. Das Slawische im Westen scheint andere Verbindungen eingegangen zu sein als das im Osten, nur so lassen sich die gravierenden Unterschiede zwischen dem West- und dem Ostbalkanslawischen erklären. R e i c h e n k r o n 1941, 159 äußert sich so: "Hat es nun ein Dakoslawentum, also ein besonderes S l a w e n t u m , auf dem Boden des a l t e n Daciens gegeben? Ich glaube w o h l . "
Hierzu Reichenkron 1941, 155 f.
A l t e R e l i k t e in Balkansprachen
*3
Eine geschlossene homogene Sprachendecke hat es aller Wahrscheinlichkeit nicht gegeben. So wie sie sich uns heute präsentiert, dürfte sie verhältnismäßig jungen Datums sein. Wir dürfen uns auch nicht von der schriftlichen Überlieferung täuschen lassen, was wir an Altserbisch oder Mittelbulgarisch kennen, stammt aus räumlich punktuell angefertigten Schriftstücken. Das Gesetzbuch des Zaren Stefan DuSan hat Beziehung zum Königshof, und vermutlich haben Schreiber und Verfasser bzw. Übersetzer in dessen Nähe gewohnt. Sie konnten Slawisch. Wie aber schon ein paar Dörfer weiter gesprochen wurde, wissen wir nicht. Daß es ebenfalls slawisch gewesen sei, dafür gibt es keine Garantie.
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für
Balkanologie 17, 2.Teil,
Die Katastrophe des 6. bis 8. Jahrhunderts und die Entstehung des rumänischen Volkes.
G o t t f r i e d Schramm, Freiburg im Breisgau
Eine Tagung, die zwei Jahrhunderte des Umbruchs von der A n t i k e zum frühen M i t t e l a l t e r aufhellen w i l l , wählt sich ein kühnes Thema. Aber wer erst einmal eine lange Reihe von Referaten dazu gehört hat, läuft Gefahr, sich einzubilden, man wisse über diesen Zeitraum einigermaßen Bescheid. Vielleicht ist es gegen Ende unseres Beisammenseins n ü t z l i c h , wenn wir
uns, ohne uns etwas v o r z u -
machen, daran erinnern, wie entmutigend wenig wir bei L i c h t e besehen über die fragliche Zeitspanne wissen. Die voraufgehende Epoche, in der Südosteuropa aus Provinzen des Römischen Reiches bestand, läßt sich viel verläßlicher rekonstruieren. Denn dieses Reich wurde ja immer einheitlicher v e r w a l t e t , es produzierte in immer stärkerem Maße eine einheitliche Reichsgesellschaft. Was sich für gut dokumentierte Gegenden erheben läßt, kann man weitgehend auf Regionen m i t dürftigeren Anhalten übertragen. In Gestalt der
Inschriften gibt es für
diese
Zeit - wenn auch gegen Ende abnehmend - ein Q u e l l e n m a t e r i a l , das einigermaßen flächendeckend, hinlänglich über die Halbinsel gestreut erscheint. Und für das 6. Jahrhundert besitzen wir
in dem Goten Jordancs einen Zeugen, der in
seine - wohl weniger, als man bisher gemeint hat, bloß Cassiodor ausschreibenden - Getica die persönliche Vertrautheit
mit den Zuständen an der unteren
Donau einfließen lassen konnte. Wie dünn gesät sind dagegen die Anhalte für das 7. und 8. Jahrhundert! Wie wenig k o m m t
davon aus dem
Lande selbst! Die erzählenden Quellen
berichten
meist von Kriegen. Gewiß, die bewaffneten Zusammenstöße sind für das, was wir die Katastrophe des 6. bis 8. Jahrhunderts nennen, sehr w i c h t i g . Aber mehr noch möchten wir von ihren Folgen wissen: vom Zusammenbruch des bisherigen Gefüges von Institutionen und Lebensformen - von der Schrumpfung der Bevölkerung, von den ethnischen Verschiebungen. Wo überdauerten jene Alteingesessenen, von denen nur die Albaner einen Grundstock ihrer uraltbalkanischen Sprache bis in die Gegenwart erhalten haben, den Einstrom von Eroberervölkern? Die A n t w o r t
finden wir nicht, indem wir irgendwelche Quellenstellen aneinan-
derleimen. Ich möchte auch meinen, daß die Archäologie, die in jedem Jahr m i t einer Verbreiterung und Festigung ihrer Informationsbasis aufwarten kann, hier überfordert ist. Denn sie t u t sich mit dem Verbleib der Eingesessenen schwerer als mit dem Eindringen neuer ethnischer Elemente. Und - das hat die Diskussion
86
Gottfried Schramm
über die Kontinuität auf dem Boden Rumäniens mittlerweile quälend klargemacht - eine Entscheidung, ob sitzengebliebene ethnische Elemente dem Romanentum oder den nichtromanisierten Autochthonen zuzurechen sind, lassen sich aufgrund von Ausgrabungsbefunden nun einmal nicht finden. In dieser Lage muß man den Mut zu Hypothesen aufbringen. Solche Hypothesen müssen zu erkennen geben, welche Vorzüge sie vor anderen Hypothesen haben, die das gleiche Problem mit unterschiedlichen Resultaten zu lösen versuchen. Sie müssen offenlegen, wie weit sie durch Fakten gedeckt sind und wo sie, wie Hypothesen in der Regel, intrapolieren oder extrapolieren müssen. Hypothesen sollten auf durchschaubaren, der Kontrolle offenen Methoden beruhen. Die Erforschung der Vergangenheit ist heute, wie Wissenschaft überall, in Spezialdisziplinen aufgefächert. Wer die eine Disziplin beherrscht, ist in der Regel nicht in den anderen sattelfest. Es hat auch keinen Sinn, sich zum methodischen Fünfkämpfer oder Zehnkämpfer ausbilden zu lassen. Aber wer als Spezialist in einer Disziplin eine Hypothese entwickelt, sollte doch den Spezialisten, die auf anderen methodischen Bahnen vorgehen, soviel Einblick in sein Verfahren geben, daß sie, auch ohne die Richtigkeit der gezogenen Schlüsse nachprüfen zu können, immerhin das Strickmuster, das Anlageschema erkennen. Eine solche Erläuterung der angewendeten Methode soll meinen Erörterungen vorausgeschickt werden. Dabei bin ich mir bewußt, daß eine allgemein verständliche Darlegung gerade bei meiner Vorgehensweise schwierig ist. Denn es handelt sich um die Kombination zweier Disziplinen, mit der ich vorerst noch ziemlich isoliert dastehe. Mein Quellenmaterial besteht nicht, oder doch nicht in erster Linie, aus den Zeugnissen, mit denen ein Historiker normalerweise umzugehen pflegt: Chroniken, Urkunden, Inschriften. Ich nehme mir statt dessen Sprachmaterial vor, das bislang nur Philologen interessiert hat und nur mit philologischen Methoden aufgeschlüsselt werden kann. Ziel der philologischen Analyse ist in meiner Werkstatt aber nicht ein Einblick in die Entwicklung der Sprachen, deren Spuren sich in dem untersuchten Sprachmaterial abzeichnen, sondern die Entwicklung von historischen Verhältnissen auf dem südosteuropäischen Subkontinent. Sprachmaterial: darunter sind zunächst einmal die Namen für Orte, Flüsse und Gebirge zu verstehen und zwar vorrangig solche, die es schon in der Antike gab und die sich bis ins Mittelalter oder sogar bis heute, weitergegeben an andere Sprechervölker, durcherhalten haben. Wenn ich diese Namen unter meine Spezialbrille
Die Katastrophe des 6. bis 8. Jahrhunderts
*7
nehme, dann fasziniert mich nicht (oder doch nur nebenbei), was die reinen Philologen zu faszinieren pflegt: Was hat der Name ursprünglich bedeutet? Wie läßt er sich etymologisieren? Ich frage vielmehr: Welches Volk hat den jeweiligen Namen zu welchem Zeitpunkt an welches andere Volk weitergegeben? Nicht in jedem Fall, aber doch in günstig gelagerten Fällen, die sich als gar nicht selten erwiesen haben, lassen sich einigermaßen präzise und zugleich recht sichere Antworten geben 1 ). Welche Vorteile hat es, gerade dieses Material zugrunde zu legen? Welche Einsichten eröffnet es, die bei anderen Formen der Betrachtung verborgen bleiben? Es handelt sich um Material, das nicht allein für einige begünstigte Ecken des Subkontinents beizutreiben ist, sondern ziemlich flächendeckend vorliegt. Denn in allen Regionen, in die seit Ende des 6. Jahrhunderts Slawen eingeströmt sind, haben diese einen bestimmten Teil ihres geographischen Namenschatzes nicht neu verliehen, sondern den Vorbewohnern abgeborgt. Das gilt unter den Ortsnamen etwa für Solun "Saloniki" und für P/ovd/v "Philippopel", aber auch für Flußnamen Dunav/Duna] "Donau" und Vojusa "Aoos" in Epirus und Albanien. In einigen wenigen Fällen haben sie auch alte Gebirgsnamen beibehalten: etwa SarPlanina in Jugoslawisch-Makedonien (antik: Skardos) und Dunava für einen Teil des Rila-Gebirges (antik: Dunax). Jedesmal kann und muß man fragen: wann und von wem abgeborgt? Wenn die Abgebenden z.B. Romanen waren, dann klingt die slawische Lehnform vielfach anders, als sie klingen würde, wenn die Slawen sich von einem nichtromanisierten, altbalkanischen Volk wie den Albanern oder von den Griechen hätten beliefern lassen. Mit Hilfe einiger weniger aus der Fülle des Materials herausgegriffener Beispiele möchte ich verdeutlichen, wie ich zu meinen Schlüssen komme. Slaw. öer "Verria" (in Griechisch-Makedonien) müßte, wenn der Name von Griechen weitergegeben worden wäre, auf V- anlauten. Wäre er von nichtgräzisierten Autochthonen vermittelt worden, stünde der gleiche Ausgang wie in Soruj (in Bulgarien) zu erwarten, dem die selbe antike Bildung Beroia zugrunde liegt. Nimmt man stattdessen ein romanisches Zwischenglied *Berea an, dann geht die slawische Lehnform ohne störenden Rest auf2'. Im Wiener Becken müssen einmal Erläutert ist diese Methode in der "Grundlegung" meines Buches: Eroberer und Eingesessene. Geographische Lehnnahmen als Zeugen der Geschichte Südosteuropas im ersten Jahrtausend n.Chr. (Stuttgart 1981) 1-70. 2)
Ebd. 399 i.
88
Gottfried Schramm
Romanen das Übergewicht gehabt haben, denn sonst bliebe der Verlust von -gauf dem Wege der keltischen Prägung *Tragisama "die sehr Schnelle", die auch im Namen der Dreisam fortlebt, zu abair. Traisama im Jahre 890 für den Donauzufluß Traisen unerklärbar3). Ybbs und Enns tragen dagegen Namenformen, die sich kaum mit einer romanischen Vermittlung vereinbaren lassend. Diese Gewässer flössen also bereits außerhalb des mehrheitlich romanischen Teils von Niederösterreich. Die Identifizierung der abgebenden Sprache liefert uns ein wichtiges Indiz für die ethnischen Mehrheitsverhältnisse, die von den Slawen angetroffen wurden. Es läßt sich nämlich als Grundregel wahrscheinlich machen, daß ein neuauftretendes Volk seine Lehnortsnamen von demjenigen ethnischen Element zu beziehen pflegt, das in der jeweiligen Gegend, am jeweiligen Orte stärker als andere ethnische Elemente, ja gelegentlich vielleicht allein vertreten war. Für derartige Mehrheitsverhältnisse interessieren sich unsere erzählenden Quellen fast nie. Sie neigen vielmehr dazu, die politisch dominierenden, militärisch schlagkräftigsten Ethnien herauszustreichen: etwa, in der Zeit nach 500, Slawen, Awaren und Türkbulgaren. Die Unscheinbaren, in den Winkel Gedrängten aber drücken sie weg oder blenden sie aus. Das gilt etwa für die Albaner, aber auch für die Romanen nach 600. Wertvolle Anhalte für die Rekonstruktion der ethnischen Landkarte für die "Katastrophenzeit" liefert außer Ortsnamenformen übrigens noch ein weiteres sprachliches Material: der Lehnwortbestand, in dem eine Sprache verrät, mit welchen anderssprachigen Nachbarn ihre Sprecher zu einer bestimmten Zeit im Austausch gelebt haben müssen. Historisch aufschlußreich ist schließlich, in welchem Maße (und seit wann) sich das Rumänische von der übrigen Romania unterscheidet: namentlich von deren nächstwestlichen Glied, dem Dalmatoromanischen. Hier ergibt sich Wichtiges für eine Lokalisierung der "Urrumänen". Genug der Vorbemerkungen. Wie sieht die Hypothese aus, die sich mit Hilfe einer philologisch-historischen Methodenkombination für das Schicksal der Balkanromanen in der Umbruchszeit aufstellen läßt? Auszugehen ist vom spätanti-
3)
Ebd. 383 r-
4)
Ebd. 246 f.; 412 f.
89
Die Katastrophe des 6. bis 8. Jahrhunderts
ken Befund: Wo wurde, als die römische Herrschaft
um 600 zusammenbrach,
Romanisch gesprochen? Noch genauer: in welchen Gegenden war das Spätlateinische als gangigste Umgangssprache gebräuchlich? So u m f o r m u l i e r t , daß mein Material darauf antworten kann: in welchen Gebieten, an welchen Orten haben die etwa im 7. Jahrhundert neu auf den Plan tretenden Slawen ihre Lehnortsnamen aus dem Romanischen bezogen5^? Mein Material l i e f e r t darauf eine einfache und, wie mir scheint, einleuchtende A n t w o r t : Sie taten es, wenn auch nicht durchweg, in Dalmatien, in der Save-Drau-Niederung und schließlich den
Städten
an
der
unteren
Donau, ja
vermutlich
auch
in deren
in
Umland.
Schließlich müssen Romanen auch im Wiener Becken dominiert haben. Kurz gesagt: romanisiert waren niedriger gelegene, fruchtbare Gebiete. Hier hatte das römische Reich offenbar zahlreiche Zuwanderer aus Italien eingeschleust. Nicht mehrheitlich romanisiert waren dagegen die bergigen Teile der Halbinsel. Nicht einmal in den bedeutendsten Städten wie Naissus und Scupi kann die Einwohnermehrheit
Romanisch oder doch mit Vorzug Romanisch gesprochen haben. Von
einigen eingestreuten Zuwanderersiedlungen abgesehen herrschten bei Ausgang der A n t i k e offenbar noch immer die regionalen Barbarensprachen vor. Nicht romanisiert waren auch, was immer die rumänische Forschung behaupten mag, das heutige Rumänien. Ja, hier darf man einen Sieg der Romanisierung nicht einmal e r w a r t e n , weil sie ja schon bei der Räumung im 3. Jahrhundert, dreihundert Jahre früher als anderswo in Südostcuropa, abriß. Was wurde aus den Romanen, als die römische Herrschaft zusammenbrach? Sic saßen in dem von der Natur bevorzugten Streifen, und gerade hierhin drängte es die Slawen. Ein Teil der Romanen mag einfach den Kopf eingezogen haben: Sic ließen die Unbilden einer Völkerwanderungszeit demütig über sich ergehen. Soweit sie in Städten (oder m i t t l e r w e i l e an Zufluchtsorten in der Nähe bisheriger Städte) wohnten, mochte ihnen zugute kommen, daß sie über Fähigkeiten verfügten, die den Slawen und Awaren vorerst noch abgingen. So werden manche Romanen in einem gewiß kümmerlicheren, bescheideneren Zuschnitt als vorher ausgeharrt haben. Als die Baiern gegen Ende des 8. Jahrhunderts nach Pettau an der Drau vorstießen, haben sie nach philologischen Indizien an diesem Ort noch immer eine romanische Mehrheit angetroffen.
-1
Ebd. 115-130 ("Das Fazit der Uömerhcrrschaft: Nomadisierte Ebened, mehtromanisierte Uergstäninie").
G o t t f r i e d Schramm
9o
Aber sehr viele Städter (ich vermute sogar, die meisten) sind damals in sicherer erscheinende Gegenden geflohen: viele nach Italien, auf Adriainseln, nach Konstantinopel. Ja, sie begegnen in meinen namenphilologischen Erhebungen auch dort wieder, wo ich sie gar nicht e r w a r t e t h a t t e , nämlich in einem Streifen von Ostalbanien bis Serres. Hier müssen die meisten Städte, darunter auch Saloniki, in der Z e i t , als die Slawen sich in Makedonien niederließen, eine romanische Mehrheit aufgewiesen haben. Ein solcher Befund kann sich erst in der K a t a s t r o phenzeit herausgebildet haben. Denn dieser Streifen gehörte ja in der A n t i k e zu jener
Reichshälfte,
in der das Griechische, nicht das Lateinische als Verwal-
tungs- und Kultursprache diente. Die Romanen in der "makedonischen Städtek e t t e " sind erst ein Phänomen der Umbruchszeit, eine " F l u c h t r o m a n i a " ^ ' . Was aber wurde aus den Ackerbau treibenden Romanen, die den Südsaum der südlichen Ströme besiedelt hatten7)? Hier w i r d die Sache v e r w i c k e l t und r ä t s e l haft.
Denn alle
Zweige
des
Rumänentums
lassen auf einen älteren
Zustand
schließen, in dem eine Lebensform von Schafhirten, nicht aber von Ackerbauern d o m i n i e r t e . Die Aromunen (also die Rumänen südlich des Balkankammes) sparen bis heute unter den verschiedenartigen Beschäftigungen, denen sie sich widmen, den Feldbau p r a k t i s c h aus. Und die Dakorumänen haben ihre speziellere A c k e r bauterminologie von den Slawen entlehnt. Auch sie müssen einmal H i r t e n gewesen sein. Ja, die frühen Rumänen haben offenbar die Palette der Viehhaltungsarten
um
eine E x t r e m f o r m
e r w e i t e r t , die es im antiken Südosteuropa
wahr-
scheinlich noch gar nicht gab°). Ursprünglich reichte die Skala der Viehhaltungsf o r m e n nur bis zur sogenannten Transhumanz. Zu dieser Wirtschaftsweise geh ö r t , daß die Masse der Bevölkerung (in Winter- und Sommerdörfern) m i t Feldbau befaßt ist, während gedungene Hirten die Herden von der Sommerweide in den Bergen zu der Winterweide in den Ebenen begleiten. Auch die Südrumänen
Ebd. 131-140 ("Der Z u s a m m e n b r u c h der Nordgrenze: Südwärts flüchtende Romanen"). Das Folgende r e s ü m i e r t meinen - in drei N u m m e r n der " Z e i t s c h r i f t für Ualkanologie" erscheinenden B e i t r a g "Frühe Schicksale der Rumänen. A c h t Thesen zur Lokalisierung der l a teinischen K o n t i n u i t ä t in Südosteuropa". Die W i r t s c h a f t s w e i s e der A r o m u n e n , die sie von allen anderen ß a l k a n c t h n i e n abhebt, ist, soweit ich sehe, in die historischen und linguistischen Überlegungen, wo sich das Rumänent u m ausgebildet h a t , noch nicht einbezogen worden. Auch darin möchte ich mit meinem methodischen A n s a t z über die bisherige Forschung hinausführen, die schon seit längerem in a u s g e t r e t e n e u Hahnen v e r h a r r t .
Die Katastrophe des 6. bis 8. Jahrhunderts
91
betreiben Transhumanz, aber kaum mit ackerbaulichen, sondern eher mit handwerklichen Ergänzungsbeschäftigungen. Eine weitgehend südrumänische Spezialit ä t stellt der Dergnomadismus dar, bei dem die ganze Gemeinschaft, Frauen und Kinder eingeschlossen, mit den Herden m i t z i e h t : ohne feste Wohnsitze, ja ohne den Wechsel zwischen einem Winterdorf und einem ortsfesten Sommerdorf. Dieser - für das M i t t e l a l t e r und, mit wesentlich größerer Zeugnisfülle, für die Neuzeit erhebbare - Befund stellt sich in krassen Gegensatz zu dem, was wir
für
den Ausgang der Antike festgestellt haben. Der nichtstädtische Teil der Romanen, die wir im 7. Jahrhundert als eine Bewohnerschaft niederer Lagen und nur im Verbund mit Feldbau als Viehzüchter aus den Augen v e r l i e r e n , taucht aus dem historischen Dunkel, das sich im M i t t e l a l t e r erst sehr a l l m ä h l i c h zu lichten beginnt,
mit
einer
schafzüchterischen,
bergweidewirtschaftlichen
Dominante
wieder auf, die bei keiner anderen Balkanethnie so d e u t l i c h ausgeprägt ist. Was mag in den dunklen Jahrhunderten vorgefallen sein? Wie haben wir uns diesen Umsprung von einem Extrem zum anderen v o r z u s t e l l e n : von einer Ebenenexistenz in eine Bergexistenz, bei der gerade die höheren, bislang wenig genutzten Lagen zum typischen Aufenthaltsraum der Romanen wurden? Hier müssen wir den Mut zur historischen Phantasie aufbringen. Die Romanen, die von den Slawen aus der Ebene, von ihren f r u c h t b a r e n Böden, verdrängt wurden, hatten in der Katastrophenzeit kaum ihrerseits die M ö g l i c h k e i t , andere von akkerbarem Gelände zu verdrängen. Denn das friedenssichernde Reich h a t t e i h nen den Umgang m i t Waffen abgewöhnt. Es handelte sich um eine ausgesprochen zivile Bevölkerung. Diese mußte nun in weniger g e n u t z t e , bergigere Teile der Halbinsel ausweichen. Und je höher die Flüchtlinge abgedrängt wurden, um so klarer verschob sich ihre Lebensweise in Richtung auf die Schafhaltung, die eine ihnen zunächst ungewohnte Erwerbsform war. (Die spezielle Schafzuchtterminologie des Rumänischen ist von Autochthonen entlehnt!) Der harte ums
Überleben
ließ die Zuwanderer eine W i r t s c h a f t s f o r m
Kampf
entdecken, die der
Subkontinent bislang wohl kaum gekannt h a t t e : den Bergnomadismus. Er barg den V o r t e i l , daß er die Nutzung von bislang ungenutzten Hochlagen e r m ö g l i c h t e . Außerdem stellte er einen ausreichenden Schutz der wandernden Herden sicher, die in den unruhigen Zeiten hinter jeder Ecke bedroht waren. Wo aber dürfen wir die Herausbildung eines schafzüchtenden Rumänentums lokalisieren? Die wlachischen Wanderhirten begegnen, seit dem 10. Jahrhundert nachweisbar,
in breiter Streuung südlich der
Donau. N ö r d l i c h der
Donau, im
92
Gottfried Schramm
Königreich Ungarn, lassen sie sich urkundlich erst im 13. Jahrhundert festmachen. Doch könnten sie hier, vorerst von einer sehr weitmaschigen Überlieferung noch nicht festgehalten, schon viel früher Fuß gefaßt haben. (Hier dürfen wir auf die Forschungen von Kurt Horedt gespannt sein). In das Licht unserer mittelalterlichen Quellen treten die Rumänen als Streubevölkerung. Das könnte daran denken lassen, das Hirtenrumänentum sei von vornherein eine Streuromania gewesen. Aber gegen diesen Ansatz spricht, daß wir das Urrumänische als eine sehr einheitliche Sprache rekonstruieren müssen. Es war gewiß kein buntes Mosaik von Dialekten, wie es bei Streuentstehung zu erwarten wäre. Außerdem beschränkten sich die sehr engen albanisch-rumänischen Sprachbeziehungen, die aus dem frühen Mittelalter stammen werden, in keiner der beiden Sprachen auf bestimmte Mundarten. Man kann nicht einmal feststellen, daß sich die Übereinstimmungen zwischen beiden Idiomen in einzelnen ihrer Dialekte massieren, während sie in anderen seltener auftreten. Danach müssen die Uralbaner, die auf keinen Fall eine Streubevölkerung von Wanderhirten waren, sondern als seßhaftes altbalkanisches Volk vorzustellen sind, sich mit den Urrumänen in ein und demselben, nicht zu weit dimensionierten Bergraum aufgehalten haben: gleichsam durcheinandergesiebt, unter Verhältnissen, die eine intensive wechselseitige Durchdringung beider Sprachen begünstigten. In welchem Bergraum aber? Das bleibt erst einmal ein Rätsel, weil die frühe Heimat der Albaner nicht minder umstritten ist als die Gegend, in der das Rumänische entstand. Ich habe alle Gebirge, die überhaupt in Frage kommen, durchprobiert. Mal mußte eins ausscheiden, weil das Albanische nicht mitspielte, mal legte sich das Rumänische quer. Ein Gebirgssystem ist schließlich übrig geblieben. Es setzt sich aus dem langgestreckten Balkanzug (oder vielleicht nur seinem Westteil), aus dem Rila- und Rhodopemassiv sowie schließlich aus dem Piringebirge zusammen. Mit dieser ausgedehnten Bergbastion lassen sich alle philologischen Indizien vereinigen. Es handelt sich um das höchstgelegene, unzulänglichste Gebiet der Halbinsel, sozusagen um ihr Dach. Hier konnten Flüchtlinge am ehesten hoffen, ungestört zu bleiben. Ja, hier war Platz für zwei Völker: für die altbodenständigen Albaner und für ihre neuen Nachbarn, die Rumänen, die hier die kritischen Jahrhunderte überdauern konnten. Das zentrale Gebirgssystem ist weit von der Adria entfernt, und ein weiter Abstand zu diesem Meer erscheint für die Ausbildung des Rumänentums unabdingbar. Denn zwischen Rumänen und Dalmatoromanen verläuft die bei weitem schärfste
Die K a t a s t r o p h e des 6. bis 8. Jahrhunderts
Sprachgrenze, die es in der
93
romanischen Welt überhaupt g i b t . Rumänisch und
Dalmatoromanisch sind offenbar
schon seit dem Ausgang der A n t i k e gänzlich
verschiedene Wege gegangen. Vom zentralen Gebirgssystem
aus haben sich die Rumänen in einem Vorgang,
für den das Sprachmaterial nur bescheidene Anhalte g i b t , in einer Streuausbreitung, vielfach v e r m u t l i c h in sehr kleinen Gruppen, über die bergigen Teile ganz Südosteuropas v e r b r e i t e t . Im Süden stießen sie bis M i t t e l g r i e c h e n l a n d vor. Im Norden gelangten sie bis zu den Beskiden, im Nordosten bis Istrien. Es war die voraufgehende Ausbildung einer W a n d e r w e i d e w i r t s c h a f t , die so weite
Ausgriffe
ermöglichte. Aber das ist bereits ein neues Thema, das nicht mehr in die K a t a strophenjahrhunderte gehört.
Die süddanubischen Provinzen in der Spätantike vom Ende des 4. bis zur Mitte des 5. Jahrhunderts *
Vladislav Popovic, Belgrad
Die Erörterung umfaßt den Zeitraum von der Ansiedlung der Goten auf kaiserlichem Territorium im letzten Viertel des 4. Jahrhunderts bis zum Ende der großen hunnischen Einfälle in den Balkan während der Mitte des 5. Jahrhunderts. In räumlicher Hinsicht bezieht sich die Abhandlung auf die Provinzen der spätrömischen Diözese von Dazien und hauptsächlich auf die Ostteile Pannoniens. Den gesteckten
Rahmen
überschreiten
wir nur dann, wenn die Notwendigkeit
er-
wächst und wenn uns zur klareren Rekonstruktion der Ereignisse nur eine ungenügende
Zahl der
unmittelbaren
und numismatischen
Quellen
zur
historischen, archäologischen, epigraphischen Verfügung steht.
Andererseits
ist es nötig,
gleich am Anfang zu erwähnen, daß dieser Beitrag keine Synthese im allgemeineren Sinne bieten kann, sondern daß er eine Zahl vereinzelter Beispiele oder Modelle behandelt, ohne Rücksicht darauf zu nehmen, daß es auch neue archäologische Entdeckungen, neue Interpretationen längst bekannter Befunde oder unserer Meinung nach falsch kommentierter historischer Ergebnisse gibt. Gerade von solchen Befunden, an die sich eine ganze Reihe anderer Fakten anknüpfen, ausgehend, wäre es bei einer anderen Gelegenheit möglich, ein vollständigeres und genaueres Bild der süddanubischen Provinzen im erwähnten Zeitraum darzustellen. Wenn wir die Ereignisse vom Standpunkt der spätrömischen Geschichte und der Archäologie betrachten, wird es nicht sonderbar erscheinen, daß wir als A n fangspunkt unseres Berichtes eine alte griechische hagiographische Schrift und zwar die Passio Sancti
Demetrii
Thessalonicensis
gestellt haben, welche in der
Vergangenheit die besondere Aufmerksamkeit der besten Kenner der Ereignisse im römisch-byzantinischen l l l y r i k u m auf sich gelenkt hat. Es handelt sich nämlich um die Texte, deren Inhalt der ersten Sammlung der Miraeula Heiligen vorausgeht und die wie auch die capitula
desselben
den Einwohnern von Thessalo-
niki in der großen und weltbekannten Kirche des heiligen Dcmetrios als Homilic vorgelesen wurde. Die Beschreibung der Leiden des thessalonischen Märtyrers ist in zahlreichen Manuskripten erhalten und harrt noch immer einer vollständigeren und kritischeren
Edition
als es diejenige ist, die uns zur
Die Fhototafeln 1 - 8 befinden sich am Ende des Bandes.
Verfügung
96
Vladislav Popovic
steht. Aber schon heute ist sicher, daß nur drei ursprüngliche Versionen bestanden haben, welche sich chronologisch unterscheiden und zugleich drei Etappen in der E n t w i c k l u n g der Legende vorstellen 1 ^. Mittels sorgfältiger Analyse der zwei frühesten Passio bzw.
Texte
prima
bewiesen, daß die
Passio altera
unmittelbar
auf der
fußt, aus der sie ganze Sätze übernommen hat 2 ^. In der ersten
ältesten
sozialen
wurde
Version erscheint
Status. Er
ist
Demetrios ohne nähere Angaben über
in dieser
Version einfach
seinen
ein M ä r t y r e r , welcher
für
C h r i s t i Glauben büßte. Als nämlich Kaiser Maximianus, der zu dieser Zeit Gladiatorenkämpfc
in der
improvisierten
Arena
des Stadtstadions
veranstaltete,
erfahren h a t t e , daß Demetrios ein Christ ist, ließ er ihn in den Heizungsraum der benachbarten Thermen einsperren (uepl xäc, xüv
HCLUXVUV
Hau.dpacJ3/. Weiter
w i r d davon gesprochen, daß der Nachfolger des Märtyrers, Nestor, den beliebten Gladiator des Kaisers Lyaios besiegt h a t t e , und es wird beschrieben, wie der Heilige mit
im Heizungsraum der Thermen, in den er zuvor gesperrt worden war,
einem Spieß g e t ö t e t wurde. Seinen Körper begruben die Gläubigen an Ort
und Stelle, d a m i t ihn die wilden Tiere nicht zerrissen. Die wundertätige Macht des
Märtyrers
suchten.
Unter
wurde den
bald bekannt, Kranken
war
so daß an seinem Grab Kranke
auch der
Prätoriumspräfekt
Heilung
von l l l y r i k u m ,
H. Delehaye, Les legendes grecques des saints m i l i t a i r e s (Paris 1909) 103-109; G. u. M. S o t i r i o u , H 'ßaaiXiHT) xoü'crflou 6i)\ir\xpCov @EaQaXoviHnc; (Athen 1952) 1; M. Vickers, S i r m i u m or Thessaloniki? B y z a n t i n i s c h e Z e i t s c h r i f t 6, 1974, 341-343; P. L e m e r l e , Les plus anciens r e cueils des M i r a c l e s de Saint D e m e t r i u s . 1 Le T e x t e (Paris 1979) II Le C o m m e n t a i r e (Paris 1981) (im folgenden z i t i e r t : P. L e m e r l e , Pecueils), bes. I I , Appendice I: Note sur les Passions e t sur le t r o i s i e m e R e c u e i l des M i r a c l e s 197-203. - Diese chronologische Ordnung war zuerst bei G. de Bije v o r g e t r a g e n w o r d e n , i n : A c t a S a n c t o r u m , O c t . IV, 50-209 (Patrologia Graeca 116, 1081-1426). Ausgaben der Passio prima: Patrologia Graeca 104, 104-105 (Photius, B i b l i o t h e k ) ; H. Delehaye a.a.O. 259-263 (der Anonyme); A c t a S a n c t o r u m , O c t . IV, 87-89; Pat r o l o g i a Graeca 116, 1168-1172 und Patrologia Latina 129, 715-717 (Anastasius der B i b l i o t h e k a r ) . Es g i b t noch andere Manuskripte der selben Version, siehe dazu P. L e m e r l e , R e cueils I I , 197. Ausgaben der Passio altera: A c t a Sanctorum, O c t IV, 90-95 und Patrologia Graeca 116, 1173-1186. Andere M a n u s k r i p t e : P. L e m e r l e , Recueils I I , 199. Eine lateinische Übersetzung wurde i m 12. J a h r h u n d e r t geschrieben bei Thessalonicensis sacerdos nomine Bernhardus: A n a l e c t a Bollandiana 16, 1897, 66-68 nach A c t a S a n c t o r u m , O c t . IV, 90-92. Die d r i t t e oder metaphrasische Passio: A c t a Sanctorum, O c t . IV, 96-104 und Patrologia Graeca 116, 1185- 1202.
P. Lemerle, Receuils II, 200. H. Delehaye a.a.O. ( A n m . 1) 261 (Paris Coislin 110 und Paris gr. 1485): xöv uev u.awapiov Ar)nf|Tpiov 'EMEXEUCXEV, EUXOÜ uapä xö axä&iov 6nu.oaiou YELXVIUVXOC, ßaXavEiou, ixEpl xae, xuv xauLvuv if>poup£la9ai Hauäpac,; Anastasius, Patrologia Graeca 116, 1171: beatum Demetrium iussit ibidem iuxta Stadium existere et penes publicum balneum custodiri. H. Delehaye a.a.O. ( A n m . 1) 262: AEOVXIOC, xö ÖEOipiXEaxaxoc. ' a v i p KaxaHoauüv xöv xffc, 'E-riapxoxnxoc. naxä xö 'IXXupLxöv 8povov; Anastasius, Patrologia Graeca 116, 1172: Leontius quidam Deo amabilis vir adornatus thronum lllyricorum praefecturae.
'">.
97
Die süddanubischen Provinzen in der S p ä t a n t i k e
Leontios4), der nach seiner Genesung durch die H i l f e des Heiligen aus dem k l e i nen verwahrlosten Raum (oiHia; domus) zwischen der Säulenhalle der Bäder und dem Stadion eine richtige Kirche errichten ließ (eüxTrjpioc; Die Passio altera
OLKOC,;
Oratorium).
übernimmt alle diese Angaben, jedoch finden sich in ihr neue
und für uns außerordentlich wichtige Tatsachen: Hier ist Demetrios eine Person von senatorischem
Rang und primus
exceptor,
um später Prokonsul von Hellas
zu werden und schließlich konsularische Insignien vom Kaiser Maximianus zu bekommenS). städtischen
Dieser Agora
Version im
nach
sogenannten
hat
er
den
neuen
Bronzeportikus
('EV
Glauben xfj
westlich
der
a
iHrj
'EKEICTE
x ^
HEl/i:
\£You.Evr) axoc/) und zwar in den Kellerräumen Uaiidpac,) der benachbarten Stadtbäder gepredigt. Der Gladiator Lyaios wird j e t z t als ein Vandalc bezeichnet, er habe bei vielen Kämpfen in Rom, Sirmium und Thessaloniki gesiegt. Demetrios wurde in dieser Version in die Heizungsräume des Stadtbades (Hau.ivuv Mau.dpac,) in der Nähe des Stadions gesperrt, wo er übrigens auch h i n g e r i c h t e t worden ist. Hier haben wir als Neuigkeit die Einführung einer neuen Person, dem bereits bekannten Nestor: Lupos, den Diener des D e m e t r i o s . Der M ä r t y r e r wird in den Thermen g e t ö t e t und beerdigt, während der ausgeheilte P r ä f e k t von l l l y r i c u m (xüv " I W u p i ü v ) , Lcontios, welcher zur Zeit seines A u f e n t h a l t e s in Dazicn ('EV xrj AaMtJv x"P Q ) krank geworden war, alle Bauten um die Heizungsräume der Thermen (ö'iHoc,), einschließlich der öffentlichen und abräumte, um die Kirche (Tirivr/ETixov
P o r t i k e n und Geschäfte
OLHOV)
zerstörte
für den seligen M ä r t y r e r aus-
bauen zu lassen. An anderer Stelle nennt der anonyme Verfasser des Textes den heiligen Ort vor dem Ausbau der eigentlichen Kirche aeßda^oc, aT)Hoc,. Danach ging er nach l l l y r i c u m und wollte dort e.ine dem Heiligen Demetrios geweihte Kirche erbauen. Dafür wollte er einen Teil der Reliquien des Märtyrers m i t n e h men, der Heilige war indessen persönlich dagegen. Deswegen reiste Lcontios nur mit der blutigen Chlamys und einem in die silberne Lipsanothekc geschlossenen Teil des Orarions ab. Nachdem er mit wundertätiger H i l f e des Heiligen über die stürmische Donau setzte (xoü Aavoußiou noxa\i6vfi',
ließ Lcontios in der Nähe
des bereits bestehenden Tempels der M ä r t y r e r i n Anastasia in Sirmium eine K i r che errichten (mivüETxxoc; vaoe,). Patrologia Graeca 116, 1173 (Vatic gr. 821): Ouxuc, oüv 6 u.aKapuxaxoq Anu.T]xpi,oc. 'EH yivovc, xüv TicpL&o^uv, Hai xrje, ai/YxXfycou ßaiAfic, ÜTtdpxuv, 'exaHeTixup xö upüxov CTxpaxEuaäu.Evoc,, Kai av3unaxocj YE-JOVUC; 'E\\a6öc;, Mai uuäxou i p a i ü v a "eXaßev vnb xoü ßaaiXe'wc, M a ^ n u a v o ü . Danubius (Istrus) ist in s c h r i f t l i c h e n Quellen o f t m i t Savus flumen L e m e r l e , Recueils I I , 2 0 1 , A n m . 20.
Bayerische Staatsbibliothek München
g e m i s c h t . Siehe dazu P.
98
Vladislav Popovic
Während wir für die Passio prima stehen für die Passio altera stehungszeit.
keine chronologischen Stützpunkte haben, be-
gewisse Anhaltspunkte zur Bestimmung ihrer Ent-
Schon längst wurde bemerkt, daß Leontios die Kirche zu jener
Z e i t erbauen konnte, als die pannonische Metropole dem Ostreich angehörte, jedenfalls bevor die Hunnen im Jahre 441 die Stadt eroberten?). Da einer Meinung nach in den Jahren 424-425, gemäß einer anderen aber erst 437 Sirmium dem Ostreich angegliedert wurde, ist es klar, daß die Passio altera
frühestens
zwischen 424 und 441 oder aber zwischen 437 und 441 - je nach der Auswahl des ersten Datums - entstehen konnte. Die Tatsache, daß der Erzbischof Johannes, der während Heraklius' Herrschaft die erste Sammlung der Miracula mengesetzt h a t t e , nur einen Passus aus der Passio prima
zusam-
ü b e r n a h m ^ , bedeutet
keinesfalls, daß die z w e i t e ergänzte Version zu der Zeit in Thessaloniki nicht schon bekannt war. Davon legen die Mosaiken aus der Erbauungsphase der K i r che des Heiligen Demetrios ein beredtes Zeugnis ab, wo der Heilige in der K l e i dung eines hohen römischen Funktionärs dargestellt Rolle, wie wir sie erst in der Passio altera
worden ist, also in einer
kennengelernt h a t t e n ^ . Andererseits
kann das Mosaik aus der Erbauungszeit der Kirche, auf dem als Zentraldarstellung die G o t t e s m u t t e r
mit dem Christuskind im Schoß oder die Theotokos ein-
n i m m t 1 0 ) , nicht dem Konzil
in Ephesus aus dem Jahre 431 vorausgehen, und
b i e t e t uns d a m i t für die bestehende Kirche des heiligen Demetrios in Thessaloniki den terminus
post
quem.
Einen terminus
ante quem l i e f e r t der Inhalt des
ersten Kapitels aus der Johannes-Sammlung der Miracula1*'. w i r d über eine Person mit 7) '
In dieser
Homilie
Namen Marianos gesprochen, der, wie es scheint,
z.B. 0 . T a f r a l i , Topographie de Thessalonique (Paris 1913) 171.
8) P. L e m e r l e , Recueils I I , 198-199. R.S. C o r m a c k , The Mosaic D e c o r a t i o n of S. D e m e t r i o s , Thessalonike. Annu. B r i t . School Athens 64, 1969, 2 4 - 2 6 , T a f . 2 und 6. Ebd. 26-29, T a f . 3 und 7; R.F. H o d d i n o t t , Early Byzantine Churches in Macedonia and Sout h e r n Serbia (London 1963) 147.
*
1 1, 10-24 (P« L e m e r l e , Recueils I, 54-67). M. Vickers a.a.O. ( A n m . 1) 3 3 9 - 3 4 1 ; J.R. M a r t i n d a l e , The Prosopography of the L a t e r R o man E m p i r e 2 ( C a m b r i d g e 1980) 722. 3
R. K a u t z s c h , K a p i t e l l s t u d i e n ( B e r l i n - L e i p z i g 1936) 74: zwischen 490 und 500; R. K r a u t h e i m e r , Early C h r i s t i a n and B y z a n t i n e A r c h i t e c t u r e . Penguin Books (London 1965) 97: Ende des 5. J a h r h u n d e r t s . - Die ' h o h e ' Chronologie s t ü t z t sich auf die Ä h n l i c h k e i t m i t den K a p i t e l l e n der Studios-Basilika in K o n s t a n t i n o p e l , diese ist nicht mehr in das Jahr 463 sondern nach 453-454 d a t i e r t . Siehe dazu M . Vickers a.a.O. ( A n m . 1) 338 (nach C . Mango). Für die ' n i e d r i g e ' C h r o n o l o g i e sind die j ü n g s t e n K a p i t e l l e (510-520) am w i c h t i g s t e n : J . M . Spieser, Thessalonique e t ses monuments du IV e au V l l e s i e d e . Bibl. Ecoles Francaises Athenes et Rome 254 (Paris 1984) 165tf.
" \
99
Die süddanubischen Provinzen in der S p ä t a n t i k e
Honorarkonsul und praefectus
praetorio
Illyrici
zur Zeit des Zeno oder Anasta-
sius gewesen ist und der kurz vor dem Ausbau der Kirche gelebt hat. Nachdem der
Titel
eines
Honorarkonsuls
zum
ersten
Mal
479 vergeben wurde, ist es
natürlich, daß wir seine Heilung in die letzten zwei Jahrzehnte des 5. Jahrhunderts oder gleich zu Anfang des 6. Jahrhunderts datieren müssen 1 2 ). Auf Grund der Analyse der Mosaiken und besonders der K a p i t e l l e w i r d die Kirche g l e i c h falls in diese Zeit d a t i e r t . Ohne Rücksicht darauf zu nehmen, ob die thessalonische Basilika - den Umbau nach dem großen Feuer von 620 bis 630 in B e t r a c h t ziehend - näher zur M i t t e des 5. Jahrhunderts oder am Anfang des 6. Jahrhunderts erbaut worden i s t 1 3 / , scheint es vollkommen klar zu sein, daß Leontios, praefectus
praetorio
Illyrici,
welchem zwei kaiserliche Edikte - am 17. August 412 und ein zweites am 16. April 413 - geschickt wurden, und der seltener in der F a c h l i t e r a t u r als S t i f t e r der
Kirche
Demetrios
erwähnt
wird'4),
nicht
in Thessaloniki, so wie
der
Erbauer
sie heute
der
aussieht,
Basilika sein
des
Heiligen
1
konnte 5). Ganz
unabhängig von der Datierung der Kirche ist schon 1904 die Meinung v e r t r e t e n worden, daß die
Reihenfolge
der
Ereignisse
der
z w e i t e n Version der
Passio
entstellt wurde, bzw. daß der Kult des Heiligen Demetrios aus Sirmium nach Thessaloniki und nicht aus Thessaloniki nach Sirmium übertragen worden i s t 1 " ) . In
seinem
einseitigen
heidnischen Kulte außerordentlicher
Bestreben,
das
frühe
Christentum
vom
Einfluß
möglichst zu reinigen, hat ein Bollandist, der zugleich
der ein
Kenner der hagiographischen L i t e r a t u r war, diese Hypothese
aufgegriffen und w e i t e r e n t w i c k e l t 1 ? ) . Sich auf seine große A u t o r i t ä t berufend, haben andere renommierte Wissenschaftler einfach die geschilderte A r g u m e n t a t i o n wiederholt, ohne zu versuchen, sie kritisch zu ü b e r p r ü f e n 1 8). Sie gründet sich ^
C h . Texier u. R. Pullan, A r c h i t e c t u r e byzantinc (London 1864) 134-135; 0 . T a f r a l i , Sur la date de l'eglise et des mosaiques de S a i n t - D e m e t r i u s de Saloniqnc. Revue A r c h . 13, 1909, 9 9 - 1 0 1 ; A. Grabar, M a r t y r i u m 1 (Paris 1946) 299, 3 5 1 , 450; G. u. M. S o t i r i o u a.a.O. ( A n m . 1) 246-247; R.F. Hoddinott a.a.O. ( A n m . 10) 125; V. Popovic, S i r m i u m , v i l l c i m p e r i a le, in: A k t e n des V I I . I n t e r n . Kongr. für C h r i s t l i c h e A r c h ä o l o g i e , T r i e r 1965 (Rom 1969) 671-672 und w e i t e r e A u t o r e n . Die zwei Edikte sind Codex Theod. 7.4, 32 und 1 2 . 1 , 177 (I.D. R i t t e r , Lipsiae 1736, 178-179).
^
R. Krautheimer a.a.O. (Anm.13) 97 und besonders M . Vickers a.a.O. ( A n m . i ) 346-350. E. Lucius, Die Anfänge des H e i l i g e n k u l t s (Tübingen 1904) 227, A n m . 3.
'
H. Delehaye, Les origines du eulte des m a r t y r s . Subsidia Hagiographica 2 0 2 (Brüssel 1933) 228-229 ( 1 . A u f l . : Brüssel 1912).
18) C h . D i e h l , M. Le Tourneau u. H. Saladin, Les monuments c h r e t i e n s de Salonique (Paris 1918) 6 1 ; L. Z e i l l e r , Les origines chretiennes dans les provinces danubiennes de l ' E m p i r e Romain (Paris 1918) 82-83; R- F g g c . Die C h r i s t i a n i s i e r u n g der pannonischen P r o v i n z e n . Südosttorschungen 22, 1963, 11; M. Vickers a.a.O. ( A n m . 1) 343-345; Dagegen hat H. D e l e -
100
Vladislav Popovic
nämlich einerseits auf die Tatsache, daß das Martyrologium Thessaloniki keinen M ä r t y r e r
Hieronymianum
in
namens Demetrios aufzeichnet, und andererseits
darauf, daß wir einen Demetrius
diaconus
in der gleichen Schrift unter der Ru-
brik für den 9. A p r i l finden. Der erwähnte Diaconus wurde bereits in das ß r e viarium
Syriacum
aus dem Jahre 411 e i n g e r e i h t ^ ) , das nichts anderes als ein
Auszug aus dem während der M i t t e des 4. Jahrhunderts entstandenen g r i e c h i schen Kalenders ist. Dieser hat bei der Zusammenstellung der universalen oder des
sogenannten
Hieronymus-Martyrologiums
scheinlichkeit nach in N o r d i t a l i e n v e r f a ß t
20
gedient
und wurde
aller
Wahr-
' . Sich auf diese Tatsachen und auf
die Erwähnung des Gladiators Lyaios berufend, der nach der Passio altera Sirmium
nach
Thessaloniki
gekommen
war, konnte die angeführte
aus
Hypothese
seinerzeit etwas Glaubwürdiges enthalten. Zur Bekräftigung der Ansicht von der Übertragung des Kultes für den Heiligen Demetrios aus Sirmium
nach Thessaloniki könnten, wenigstens auf den ersten
Blick, noch zwei Argumente dienen. Das erste bezieht sich auf die Behauptung, daß die heutige thessalonikische Kirche niemals des Märtyrers Körper enthalten habe. Dies g i l t - wie bereits erwähnt - nicht nur für die Überlieferung, daß der Heilige persönlich Leontios widersprach, als dieser seine Reliquien nach Sirmium übertragen w o l l t e , sondern ergibt
sich auch aus Gesuchen des Justinianus und
später des Mauricius, die mit der Ausrede abgelehnt wurden, daß die Thessaloniker
außer
bestattet
dem
Grab der
worden seien
Grab des M ä r t y r e r s Sirmium wäre
22
Kultes
geblieben
' . Das z w e i t e
Matrona
nicht
wußten, wo ihre
Märtyrer
. Daraus wurde geschlossen, daß sich nicht nur das
nicht sei,
Heiligen
in Thessaloniki befände, sondern daß der Körper in woher
der
Kult
nach Thessaloniki
gebracht
worden
A r g u m e n t , das angeblich zugunsten der Übertragung des
in umgekehrter
Richtung von derjenigen gehen würde, die die
Passio
haye, der g e l e h r t e Bollandist selbst geschrieben: "L'hypothese n'est pas c e r t a i n e . " ( H . D e l e haye, Les recueils antiques des m i r a c l e s des Saints. Analecta Bollandiana 43, 1925, 5). 1.13. de Hossi u. L. Duchesne, M a r t y r o l o g i u m H i e r o n y m i a n u m . A c t a S a n c t o r u m , Nov. (Brüssel 1894) 4 1 ; B r e v i a r i u m S y r i a c u m . Ebd. L V : 'Ev Eipulcj Ar)u.fytpioc,. D i c t i o n n a i r e des A n t i q u i t e s c h r e t i e n n e s e t de L i t u r g i e X / 2 (Paris 1932) 2530 s.v. M a r t y r o l o gium ( H . L e c l e r c q ) . M i r a c u l a I 5, 50-52 (P. L e m e r l e , Pecueils I, 87-90). Siehe auch P. L e m e r l e , Que la basilique de Saint D e m e t r i u s n'est pas un m a r t y r i o n . Pecueils I I , Appendice I I , 210-212 ( B u l l . C o r r . Hellenique 77, 1953, 660-694). M. Vickers a.a.O. ( A n m . 1) 339 u. 343.
Die süddanubischen Provinzen in der S p ä t a n t i k e
altera
suggeriert23',
stützt
sich auf
die justinianische
101
Novelle
X I . aus dem
Jahre 535, in der ausdrücklich gesagt wird, daß die syrmische Präfektur dem Präfekten Appenius in der A t t i l a z e i t (Attilanis nach Thessaloniki
übertragen
worden
ist
temporibus)
mit
aus Sirmium
und daß der thessalonische
Bischof
seine Pracht nicht seiner eigenen A u t o r i t ä t verdanke, sondern der Bedeutung des Präfektursitzes 2 4).
Da die
Umsiedlung der
Präfektenresidenz
nur in der
Zeitspanne, als sich Sirmium noch immer in der autonomen illyrischen Präfektur befand, durchgeführt
werden konnte und die Novelle die " Z e i t des A t t i l a " er-
wähnt, wurde geschlossen, daß es zu diesem Ereignis nahme der Herrschaft
zwischen A t t i l a s
im Jahre 434 bzw. dem Anschluß von Sirmium an das
Ostreich im Jahre 437 und nicht 424 einerseits und der Z e i t seiner fung unter Dieser
die
Über-
hunnische
Macht
im
Jahre
441 andererseits
Unterwer-
kommen
mußte.
Idee entsprechend ist der Kult des Heiligen Demetrios zusammen
mit
dem Sitz der Präfektur 441 oder 442 aus Sirmium nach Thessaloniki übertragen worden 2 5), während der Bau der großen Basilika einige Jahre später, bzw. 447448 begonnen worden i s t 2 ^ ) . Da im Jahr 437 der P r ä f e k t Leontius nach allgemeiner Ansicht
nicht jene Person war, der die Edikten um 412 und 413 ge-
schickt worden waren, würde ein praefectus im letzten Jahr praefectus
praetorio
Illyrici
urbi Leontios 434-437 bezeugt, der geworden ist und dem der Verdienst
zukommt, den K u l t des syrmischen Märtyrers Demetrius nach Thessaloniki zu Überträgen 2 ?'. Falls man diese Meinung a k z e p t i e r t , könnte der illyrische P r ä f e k t Leontios von 510 in keinerlei Verbindung mit der Übertragung des Kultes stch e n 2 ° ' , zumal wenn wir uns vor Augen halten, daß Theodorich zu dieser Z e i t Sirmium fest in seinen Händen hielt.
3
P. L e m e r l e , Recueils I I , 202: "S'il y a bien eu un d e p l a c e m e n t du e u l t e de ce t n a r t y r , la Pass/o altera serait p l u t ö t favorable ä une extension au depart de Thessalonique vers Sirm i u m , qu'ä un t r a n s i e c t de S i r m i u m ä Thessalonique."
4
Fontes Historiae Bulgaricae 3 (Sofia 1958) 47-48.
2O 3 26)
M. Vickers a.a.O. ( A n m . 1) 349. ebd. 346.
27) ebd. 347; A. A l f ö l d i , Der Untergang der R ö m e r h e r r s c h a f t in Pannonien 2 ( B e r l i n und L e i p zig 1926) 96, A n m . 1 war derselben Meinung. Für die Ziegel m i t dem Stempel indictio prima siehe M. V i c k e r s , F i f t h C e n t u r y Brickstamps f r o m T h e s s a l o n i k i . A n n u . B r i t . School Athens 68, 1973, 285-294. Aber die erste Indiktion war n i c h t nur 448-449 sondern auch 463-464 und 478-479 oder früher und später. 28) J . M . Spieser a.a.O. ( A n m . 13) 212 und A n m . 303. - Es g i b t einen L e o n t i u s p r a e f e c t u s praetorio Orientis im Jahre 510 und einen P r ä f e k t e n , w a h r s c h e i n l i c h einen praefectus praetorio vacans (für U l y r i k u m ) , der maqister militum praesentalis sicher bis 529 war. Siehe dazu J.R. Martindale a.a.O. ( A n m . 12) 672-674.
Vladislav Popovic
102
Die Existenz eines illyrischen Präfekten Leontios von 412-413 und die Angaben aus den zwei frühesten Versionen der Passlo einerseits sowie das sichere späte Datum der Erbauung der Kirche andererseits, so wie wir es heute annehmen, sind die Ursache einer ganzen Reihe von Mißverständnissen und falschen Interpretationen.
Wenn
wir
uns streng an die hagiographischen Texte halten, die
unsere einzige o b j e k t i v e Quelle sind, wurde die Passio prima
verfaßt, bevor die
Kirche des Heiligen Demetrios in Sirmium erbaut worden ist, und die Passio tera
erst als Sirmium dem Ostreich zugefallen war, also 424 oder 437, aber j e -
denfalls bevor es die Hunnen im Jahre 441 eroberten. Wenn die Miracula, wir
al-
wie
das bereits gesehen haben, zweifellos zeigen, daß sich in Thessaloniki der
Körper
des M ä r t y r e r s nicht befand, und wenn wir der chronologischen Reihen-
folge der Passio
folgen, kann auch die Kirche
in Sirmium, die später erbaut
worden ist, die irdischen Reste des Märtyrers nicht enthalten haben. M i t anderen Worten, der Heilige Demetrios aus Thessaloniki ist keine authentische historische Person, man sollte die Erklärung für das Entstehen seiner Legende in e i ner
anderen
Richtung
suchen.
Die
Identität des Namens des thessalonischen
Heiligen und des syrmischen Diaconus ist reiner Z u f a l l . Demetrios ist ein in der antiken Welt allgemein v e r b r e i t e t e r Name. In der frühesten Version ist Lyaios ein
Gladiator
Passio altera
ohne
irgendwelche
nähere
ethnische
Bestimmung, aber
in der
w i r d er ein Vandale, also ein Symbol der barbarischen Verwüstun-
gen, die weder Rom noch Sirmium geschont haben. Die Tatsache, daß der gefährliche Mörder ein Vandale ist und daß er die Christen t ö t e t , die sich im 5. Jahrhundert m i t den Römern i d e n t i f i z i e r e n , hat vielleicht chronologische I m p l i kationen. Die Vandalen haben sich 429 nach A f r i k a ausgeschifft, ihr König Geiserich verbannte dort die römische katholische Bevölkerung. Schon 431 führt der magister
praesentalis
des Theodosius, Aspar,
die
erste erfolglose
Expedition
gegen die Vandalen. Derselbe Aspar entthronte zusammen mit seinem Vater A r dabur
im
Mai 425 in Ravenna den Usurpator
Johannes 2 9), und unter
seinem
Kommando mußte auch die große Operation der Reinigung Pannoniens von den Hunnen im Jahre 427 durchgeführt worden sein, deren Anfangspunkt z w e i f e l s ohne Sirmium gewesen ist. Zwei ö f f e n t l i c h e Bauinschriften, von denen die eine aus Salona und die zweite aus Konstantinopel
s t a m m t , sind von unwiderlegbarer Bedeutung für die Inter-
p r e t a t i o n der Ereignisse, über die hier gesprochen w i r d . Die Inschrift aus Salona A.H.M. Jones, The Later Roman Empire 1 (Oxford 1964) 181.
Die süddanubischen Provinzen in der S p ä t a n t i k e
103
wurde in der Nähe der städtischen Porta Caesarea gefunden, und in dieser Inschrift
wird der
Bau von Schutzmauern
Theod[ osio ... muros ] cunetasque turre sarias
... ]
agens VIClmentu
und Türmen erwähnt: Sa/v/s [ s... ] res munimeni
[ virorum praefectorum
civitat[
praetorio
DDNN
is neces-
... ] quae
LAB
[... ] 3°). Ohne Z w e i f e l handelt es sich um die Erneuerung der Schutzmauern von Salona, nach einer vor nicht langer Zeit geäußerten Meinung zur Zeit der Herrschaft des Thedosius 113i). Es ist indes notwendig zu betonen, daß die Inschrift in der ersten Reihe zwei Augusten erwähnt, es kann sich deshalb nicht um die Erneuerung der Mauern während des A u f e n t h a l t e s des
byzantinischen
Heeres in Salona im Winter 424-425 handeln, wie es vorgeschlagen wurde. Zu dieser Zeit war Valentinian noch immer Caesar. Die Inschrift d ü r f t e der ersten Besetzung der Stadt unmittelbar 15. August
anläßlich
nach dem Tode des Honorius am
423, den Thcodosius 11 aus politischen Gründen eine gewisse
Zeit
2
sorgfältig verheimlichte, stammen3 ). Aus historischen Quellen wissen wir33), daß die Mutter des Valentinian 111, Galla Placidia, durch Umstände gezwungen war, Ravenna kurz vor dem Tod des Honorius zu verlassen und Z u f l u c h t in Konstantinopel zu suchen. Gleich nach dem Tod des Honorius hat Theodosius I I , der j e t z t der einzige Herr im Reiche war34), Salona und D a l m a t i c n dem Ostreich angeschlossen. Darauf
hat Ende 424 oder Anfang 425 Placidia m i t Theodosius
die Bedingungen der Vermählung ihres Sohnes Valentinian m i t des Kaisers Tochter Licinia Eudoxia festgesetzt, welche die A b t r e t u n g von D a l m a t i c n und Pannonien an das Ostreich einbezogen. Darüber b e r i c h t e t uns Jordancs, der diese Angabe von Cassiodorus übernommen tiat: gatam Illyricum35>.
Daß die formelle
pro
munere
Übergabe von Sirmium
socere sui
totam
an das Ostreich
schon
Ende des Jahres 424 oder Anfang 425 erfolgt und nicht erst anläßlich der Heirat des Valentinian Hl mit Eudoxia im Jahre 437 durchgeführt worden ist, bezeugt die Tatsache des während des Jahres 434 zwischen dem westlichen
Feldhcrrn
Aetius und A t t i l a geschlossenen Vertrages, nachdem der größte Teil Pannonicns den Hunnen zugefallen ist, während Sirmium noch weiter bis 441 in den Händen •*
Corpus lnscr. L a t . 3, 1984. J . J . Wilkes, A Pannonian Kefugee of Quality at Salona. Phoenix 26, 1972, 390 u. A n m . 46.
J
^
Sokrates, Hist. Eccl. 7.23 nach J . J . Wilkes a.a.O. ( A n m . 31) 388 u. A n m . 33. 3
Ebd. 377, 393 und Anmerkungen; A . H . M . Jones a.a.O. ( A n m . 29) L3d. 1, 181-182 und A n m . 18. Codex Theod. 11.20,5. Theodosius hatte noch keinen Koaugust.
"
Uomana 329. Die Ungnade des Feindes der P l a c i d i a , Castinus f ä l l t in den A p r i l 424. Siehe dazu E. Stein, Histoire du Uas-Empire 1 2 ( A m s t e r d a m 1968) 282-283.
104
Vladislav Popovic
von Byzanz geblieben war36), A U S Thessaloniki ist im November oder Dezember des
Jahres
424
ein
Heer
ehemaligen prlmicerius
gegen
notariorum
den
Usurpator Johannes in Ravenna, den
mit dem Feldherrn Ardabur, seinem Sohn
Aspar und Candidianus an der Spitze aufgebrochen, es stand unter Begleitung der Galla Placidia und des j e t z t schon Caesar gewordenen Valentinian. Nachdem es in Salona überwintert h a t t e , rückte das Heer im Frühling 425 nach Italien. Im Mai desselben Jahres wurde der Usurpator Johannes besiegt, festgenommen und in Aquileia hingerichtet. Einige Monate später, genauer am 23. Oktober 425 wurde Valentinian in Rom zum Augustus ausgerufen37). Das epigraphische Zeugnis aus Konstantinopcl, auf dessen Bedeutung wir bereits hingewiesen haben, besteht aus drei Inschriften auf der äußeren Schutzwand der Porta
Aurea.
Auf dem Zentralbogen des Tores befindet sich die Inschrift mit
zwei Hexametern: Haes /oca Theodosius decorat post fata tyranni. / Aurea cla qerit,
qui portam
construit
sae-
auro. An der Innenseite der zwei mittleren ist in
der ersten Reihe griechisch, in den zwei unteren Reihen lateinisch geschrieben: (links) + rioMä xd "EXT] XGJV ßciEiAeuv / [Numeri Le[ o ] nu[ m iuniorum
] / [Numerus
] militium
militum
Primosa]
Cor [ n ]uto[ ru ] m i[ u
gitariorum ]niorum.
Einen ähnlichen Inhalt hat auch die Inschrift an der rechten Säule, in der dieselben
Militäreinheiten erwähnt werden. Die tief verwurzelte Meinung, daß das
Goldene Tor in Konstantinopcl Theodosius I erbaut habe, wurde erst erschüttert, als ein deutscher Forscher auf ein bisher unbeachtetes Zitat aus Malalas hingewiesen h a t t e , in dem gesagt wird, daß Theodosius II zur Zeit seiner gemeinsamen Herrschaft
mit Valentinian III einen unter dem Namen Goldenes Tor be-
kannten Bau verziert hatte38). Nach einem am 4. April 413 dem Stadtpraefekten Anthemius geschickten Edikt war der Bau der neuen Mauer schon begonnen39), während nach dem zweiten Edikt vom 3. März 422 die Arbeit zu der Zeit noch im Gange war4°). Nach der neueren und sehr überzeugenden Deutung
Prisci frg. 7 (Dindorf 1870, 286,31-287,7). - Die Übergabe erfolgte im Jahre 424, A. Alföldi a.a.O. (Anrn. 27) 93-94 und J.J. Wilkes a.a.O. (Anm. 31) 388 richtig gesehen ben. Das Ereignis ist irrtümlich nach 437 datiert bei: J.B. Bury, A History of the Later man Empire (London 1923) 225-226, Anm. 5 und E. Stein a.a.O. (Anm. 35) 322 sowie Vickers, Byzantinische Zeitschrift 67, 1974, 345-346. 37
wie haRoM.
E. Stein a.a.O. (Anm. 35) 284.
38)
3
Malalas 360 (hrsg. Bonnae). Siehe dazu E. Weigand, Athen. Mitt. 39, 1914, 2-3 (nach D. Hoffmann, Das spätrömische Uewegungsheer 1 (Düsseldorf 1969) 57.
39
Codex Theod. 15.1, 51.
40)
Codex Theod. 7.8, 13.
105
Die süddanubischen Provinzen in der Spätantike
der Inschrift an der Porta
Aurea
würde sich die Erwähnung der Kaiser in der
Mehrzahl (xüv ßaoxXeuv) auf Theodosius 11 und Valentinian 111, die Nennung des Tyrannen im Singular (tyrannus)
jedoch auf den Usurpator Johannes beziehen,
der keinen Mitherrscher h a t t e . Dementsprechend könnte der Bau des Tores keinesfalls vor dem 23. Oktober 425 liegen, als Valentinian in Rom zum Augustus ausgerufen w u r d e 4 ] ' . Von den drei in den Inschriften erwähnten M i l i t ä r e i n h e i t e n waren Cornuti
juniores und Leones iuniores
einst im Osten s t a t i o n i e r t und dann
nach Westen geschickt worden, während die Equites
primosagittarü
nischen Heere angehörten, das heißt also dem pars occ/dent/s des
dem a f r i k a Reichest.
Ob diese M i l i t ä r e i n h e i t e n wegen ihrer Verdienste beim Sieg über den Usurpator speziell nach Konstantinopel geschickt wurden, um an dem dem Goldenen Tor gewidmeten Fest teilnehmen zu können, oder einfach als Verstärkung der Osttruppen in der Vorbereitungszeit für die Abrechnung m i t den Hunnen dienten, zu der es einige Jahre später kommen w i r d , ist schwer
f e s t z u s t e l l e n . Sicher ist
nur, daß alle drei Einheiten vom Westen nach Osten nach Absetzung des Johannes im Mai 425 und vor Ende desselben Jahres verlegt worden sind. Den Beginn des Ausbaues der neuen Stadtmauer von Konstantinopel vor
April
413 kann man mit den stürmischen Ereignissen, die sich um 410 abgespielt haben, in Verbindung bringen. Unter dem Druck der Hunnen ziehen die Wisigotcn des A l a r i c h 408 nach I t a l i e n und besetzen schon 410 Rom. G l e i c h z e i t i g k o m m t es zum unaufhaltsamen E i n f a l l der Hunnen in das R e i c h s t e r r i t o r i u m , in die Gebiete der unteren Donau etwa um das Jahr 408, was archäologisch durch die Entdeckung von Münzschätzen in der Brandschicht der Festung Sucidava mänien am linken Ufer
der
Donau bewiesen worden ist43).
in Ru-
Hinterlassenschaf-
ten aus der Hunnenzeit, die wir durch die Gräber mit Diademen und Kesseln fassen können, sind in der Nordmoldau und in Muntenien zwischen 380 und 400 relativ
zahlreich, dann verschwinden sie jedoch aus den Gebieten östlich und
südlich der Karpaten, was das Vorrücken der Hunnen nach Westen und die Übertragung ihrer Macht in die pannonische Ebene anzeigen d ü r f t e 4 4 ) . Ein Edikt des D. Hoffmann a.a.O. (Anm. 38) 56-38. Die Inscluiftengruppe Mommsens bekannt (Corpus Inscr. Lat. 3, 735; 7405).
war bereits zur Zeit Th.
42)
D. Hoffmann a.a.O. (Anm. 38) 58-60.
4
Gh. Poenaru-Bordea u. V. Barbu, Contributions ä l'histoire du Bas-Empire romain a la lumiere de deux tresors monetaires des lV e -V e s. decouverts ä Celeiu. Dacia N.S. 14, 1970,
-*
252ff. 44
R. Harhoiu, Das norddonauländische Gebiet im 5. Jahrhundert und seine Beziehungen zum spätrömischen Kaiserreich. Symposium Zwetl (Wien 1980) 104-107.
io6
Vladislav Popovic
Theodosius
I I , 412 an den Militärkommandanten
von Thrakien
Constans
ge-
schickt, in dem über die erhöhte A k t i v i t ä t der Patrouillenboote auf der Donau gesprochen w i r d , beweist ausdrücklich, daß der limes Mysiacus
scythicus
und der limes
besonders gefährdet gewesen sind45). Wenn man übrigens schon über
die B a u t ä t i g k e i t
während der Zeit des Theodosius II spricht, ist es unmöglich,
das Edikt vom 9. A p r i l 412 an den Präfekten Ulyrikums Herkulius auszulassen, in dem ausdrücklich angeordnet w i r d , daß alle Personen, unabhängig von ihren Privilegien am Bau der Mauer teilnehmen m ü s s e n ^ ) . Obwohl sich das Gesetz auf das gesamte l l l y r i k u m bezieht, ist es a u f f ä l l i g , daß das Ediktdatum mit dem Datum der E r r i c h t u n g der Mauern von Konstantinopel einerseits zusammenfällt und daß es andererseits unmittelbar der Präfektur des Leontios vorausgeht, von dem man lange m e i n t e , er habe die Kirche des Heiligen Demetrios in Thessaloniki erbauen lassen47). Ohne aus dieser
letztgenannten Tatsache einen bestimmten Schluß ziehen zu
wollen, werden wir uns m i t der Feststellung begnügen, daß die Bautätigkeit des Theodosius II auf dem Balkan zwischen 410 und 425 außerordentlich rege und in enger Abhängigkeit von den politischen Ereignissen war. Sie stand in Zusammenhang erstens m i t den Hunneneinfällen
in das Niederdonaugebiet
und zweitens
mit der M i l i t ä r e x p e d i t i o n , die den Johannes in Ravenna vernichtete. Nach dem Sieg über den Usurpator im Mai 425 und nachdem er den mächtigen Aetius noch im selben Jahr für seine Sache gewonnen h a t t e , schützte Theodosius den rechten Flügel seines Reiches, um mit den Hunnen abrechnen zu können, die nach der Notitia
noch die Provinz Valeria gehalten h a b e n d ) . Aus Sirmium und dessen
Gebieten ausrückend, die dem Ostreich Ende 424 oder 425 einverleibt
worden
waren, unternahmen die Römer 427 eine Offensive, worüber uns Marcellinus Comes49) und Jordanes5°) b e r i c h t e n . Der erste benutzte anscheinend d i r e k t die 4 >
Codex T h e o d . 7-17,1 (De lusoriis
4
Codex Theod. 15.1,49. D a t i e r u n g nach C. Pharr, The Theodosian Code 1 (Princeton 1952) 429. - Siehe auch J . U . M a r t i n d a l e a.a.O. ( A n m . 12) 545.
-
47) *'
Danuvii).
Die Bauzeit der Schutzmauer von Thessaloniki bleibt nocli enigmatisch. Für verschiedene Meinungen siehe z.13. M . Vickers a.a.O. ( A n m . 27) 292 und J . - M . Spieser a.a.O. ( A n m . 13)
66-67, mit älterer Bibliographie. 48)
A . A l f ö l d i a.a.O. ( A n m . 27) 7 1 . C h r o n i c o n 427,1 ( T h . M o m m s e n , Chronica Minora 2, 76): Pannoniae, annos ab Hunnis retinebantur, a Romanis reeeptae sunt.
^
Getica quando expuisi
quae per
quinquaginta
166-167 ( M o n u m c n t a G e r m . Hist. A A V, 101): Nam duodeeimo anno cegni et Hunni post pene quinquaginta annorum invasam Pannoniam a Romanis et sunt.
Valiae, Gothis
Die süddanubischen Provinzen in der Spätantike
107
Schriften des Symmachus, der andere m i t t e l b a r die des CassiodorusS 1 ). Andere haben bereits mit
Recht die unrichtige Behauptung, die wir in beiden Quellen
finden, bemerkt, daß nämlich die Hunnen 427 schon 50 Jahre in Pannonien geherrscht hätten. Diese Aussage bezieht sich nicht auf die äußeren Hunnen sondern vielmehr
auf
ihre
Vorgänger,
die
in die
mitteldanubischen
Räume zu-
sammen mit den Goten und Alanen nach der Schlacht bei Hadrianopolis 378 e i n gedrungen waren. Ihnen hatte der Kaiser etwa um 380 den Föderatenstatus z u geteiltS 2 ). Zweifellos waren die Romani
des Marcellinus und des Jordanes M i l i -
täreinheiten des Ostreiches53) unter dem Kommando des a l l m ä c h t i g e n praesentalis
Aspar, desselben, der einige Jahre vorher
magister
zusammen m i t
Vater Ardabur54) Ravenna erobert und ein M i l i t ä r k o n t i n g e n t
seinem
aus dem Westen
nach dem Osten geschickt h a t t e . Ein ähnlicher Fehler erscheint auch in der t e n denziösen justinianischen
11. Novelle. Statt den Umzug des Kirchensitzes aus
Sirmium nach Thessaloniki mit der Übertragung der P r ä f e k t u r Attilanis
tempo-
ribus zur Zeit des Sirmiumfalles 441 zu verbinden, ist es notwendig, die A r g u mentation umgekehrt zu betrachten. Obwohl nämlich die I n s t i t u t i o n des p ä p s t l i chen Vikariates in Thessaloniki aus relativ späterer Zeit s t a m m t , wurden die ersten Schritte in diese Richtung bedeutend früher vorgenommen. Als Beweis dafür dient ein 402 dem Bischof in Thessaloniki Anysius geschicktes päpstliches Schreiben55). Andererseits scheint es, daß 378 nach der Schlacht bei Hadrianopolis ein großes und autonomes l l l y r i k u m gegründet worden ist, das sowohl seine östlichen, wie auch westlichen Provinzen u m f a ß t e . Auf dieses l l l y r i k u m bezieht sich wahrscheinlich der Passus aus der 11. Novelle: ipsam gloriosissimam fecturam
quae in Pannonia
fuerant
constituta.
prae-
Da es aber zur ersten p r o v i s o r i -
schen Teilung lllyrikums schon 379 gekommen war, war Sirmium nicht mehr der Sitz der Präfektur, während Thessaloniki das A d m i n i s t r a t i o n s z e n t r u m des cum Orientale
lllyri-
wurde, wie es auch nach Theodosius' Tod im Jahre 395 endgültig
5
T. Nagy, Reoccupation of Pannonia f r o m the Huns in 427. A c t a A n t i q u a Budapest 15, 1967, 185-186. - Für verschiedene I n t e r p r e t a t i o n e n der Quellen siehe L. Värady, Das l e t z t e Jahrhundert Pannoniens (Budapest 1969) 292-299.
52)
A. A l f ö l d i a.a.O. ( A n m . 27) 67; J . J . Wilkes a.a.O. ( A n m . 31) 386, A n m . 3 0 . A. A l f ö l d i a.a.O. ( A n m . 27) 94-95. - Es war sicher n i c h t F e l i x , der magister utriusque milltiae des Weltreiches, der Pannonien w i e d e r e r o b e r t h a t , wie E. Stein d a c h t e (a.a.O. ( A n m . 35) 322).
54
Ardabur verschwindet im Jahre 427, als er Konsul war.
"
V. Popovic, 105-106.
Le
dernier
eveque de S i r m i u m . Revue des etudes augustiniennes
2 1 , 1975,
io8
sein
Vladislav Popovic
würde5°).
ersten
Wenn wir die zeitweilige
Teilung lllyrikums von 379 m i t
den
Versuchen der Gründung des thessalonikischen Vikariates zur Zeit des
Papstes Damasus (366-384) in Verbindung bringen, wird der Satz in der 11. Novelle klarer, der wie f o l g t l a u t e t : Thessalonicensis te,
sed sub umbra
die Attilanis
praefecturae
temporibus
meruit
aliquam
episcopus
non sua
praerogativam.
auctorita-
Ebenfalls sind
als "hunnische Z e i t e n " zu verstehen, aber jene Hunnen
aus den Jahren 376-380, über die in den Werken des Marcellinus Comes und Jordanes gesprochen w i r d . M i t anderen Worten ist unserer Meinung nach die s y r m i sche P r ä f e k t u r aus dem zweiten Viertel des 5. Jahrhunderts nichts anderes als ein Hirngespinst der modernen Historiker. Es ist w i r k l i c h merkwürdig, ihr Bestehen in der so gefährdeten Zone lllyrikums zu vermuten. Die isolierten numismatischen Befunde aus Serbien, das den größten Teil der ehemaligen dakischen Diözese umfaßt, bestätigen die oben geschilderten Schlußfolgerungen. Von insgesamt 28 Goldmünzen aus der Zeit des Theodosius 11, die in den
Museen
registriert
wurden, sind 24 solidi
und 4 tremisses.
Die erste
Gruppe enthält nur drei Goldmünzen aus den in den ersten zwei Jahrzehnten des 5.Jahrhunderts geprägten Emissionen. Von den übrigen 21 Solidi haben 3 die Reverslegende VOT/XX/MVL
T/XXX,
sie wurde vom zehnten Konsulat des Theodo-
sius 422 an bis ungefähr 430 geprägt57). Die folgende Serie mit der Legende SALVS REI-PVB-L1CAE
ist nur durch zwei Stücke v e r t r e t e n . Da in beiden Fäl-
len der Augustus Theodosius thronend sitzt und Caesar Valentinian neben ihm steht sowie dabei beide in Konsulartracht gekleidet sind, mußten die Solidi im Z e i t r a u m vom 1. Januar bis zum 23. Oktober 425 geprägt worden sein5°>. Die zahlreichste Gruppe m i t der Legende GLOR
ORVI-S
TERRAR
ist mit 10 Stük-
ken der thessalonischen Münzstätte v e r t r e t e n , von denen 8 Exemplare aus dem Inneren Serbiens und 2 vom linken Ufer der Donau in der unmittelbaren Nähe des Limes stammen. Die Emission wird gewöhnlich in den Zeitraum zwischen 423 und Oktober 425 d a t i e r t , als Theodosius 11 der einzige Augustus war, obwohl deren Prägung bis zum Ende desselben Jahres dauern konnte. Zu Gunsten dieser Meinung sprechen zwei Tatsachen: Einmal sind die Bronzeemissionen mit der Ebd. 104-105; J . - P . Palanque, Essai sur 1933) 52-56.
la p r e f e c t u r e
du pretoire du Bas-Empire
(Paris
57) W. Hahn, Die ö s t l i c h e G o l d - und Silberprägung unter Theodosius II. L i t t e r a e N u m i s m a t i c a e Vindobonenses (Wien 1979) 109-110.
s8) Ebd. 110. - Exemplare geprägt für Honorius in Ravenna und Konstantinopel ( H . Cohen, Desc r i p t i o n h i s t o r i q u e des monnaies frappees sous l'empire r o m a i n 8 (Leipzig 1930) 186, N r . 52-53; 188, N r . 68) vor September 423.
Die süddanubischen Provinzen in der Spätantike
109
gleichen Legende nur für Theodosius geprägt worden59), zum anderen ist Valentinian im Oktober 423 in Thessaloniki, von wo die Expedition gegen den Usurpator Johannes aufgebrochen ist. Auf dem Revers der folgenden Emission mit der Legende VOT/XXX/MVL T/XXXX erscheint das auf Golgotha 420 erbaute Jerusalemer Kreuz und Victoria, die den Sieg über die Perser im August oder September 421 symbolisiert^ 0 ). Übrigens knüpft das Revers dieser Solidi direkt an die vorherige Emission mit der Legende VOT/XX/MVL T/XXX an, deren Prägung, wie festgestellt worden ist, im Jahre 422 erfolgt sein muß. Ein Solidus des Valentinian 111 aus der ravennatischen Münzstätte mit der Legende VICTORIAAVCCC könnte noch im Jahre 425 erschienen sein" 1 '. Die Emission mit der Legende VOT/XXX/MVL T/XXX, die sonst den Zeitraum von 430 bis 440 abdeckt, ist nur mit einem Exemplar aus Sirmium vertreten, während die Emission mit der Legende 1MP XXXXII COS-XVI PP, die am 1. Januar 443 beginnt und ungefähr 450 endet, nur mit 4 Stücken, davon ebenfalls nur eines aus dem Territoriums Innerserbiens und drei Exemplare aus der bereits längst hunnischen pannonischen Ebene, gefunden worden waren^ 2 '. Mit anderen Worten, wenn wir vier tremisses, die man nicht genauer datieren kann, beiseite legen, wurden von den 20 Solidi aus der Zeit des Theodosius II, aus Innerserbien und dem syrmischen Pannonien 15 Exemplare oder 75% zwischen 422 und 430 größtenteils in Thessaloniki geprägt. Obwohl dieses Ergebnis sich noch immer auf einer sehr kleinen Zahl der zur Verfügung stehenden Münzen gründet, ist es von Bedeutung, wenn wir es mit der Zusammensetzung der Münzschätze aus dem hunnischen Territorium vergleichen, die den dem Attila gezahlten Tribut widerspiegeln. Zunächst gering, wurde der Tribut .430 auf 350 Goldpfund und dann 438 auf 700 Goldpfund erhöht, um im Jahre 443 das phantastische Ausmaß von 6000 Goldpfund zu erreichen. Die Münzschätze aus Carnuntum und Bffta sind für uns weniger interessant, weil sie spezifische Beziehungen zwischen dem Westen und
W. Hahn a.a.O. (Anni. 57) 111; R.A.G. Carson u. J . P . C . Kent, Late Roman Bronze Coinage 2 (London 1965) 90 (Konstantinopel), 95 (Nikomedia), 99 (Kyzikos). J.P.C. Kent, Auream monetam cum signo crucis. Numismatic Chronicle 6/20, i960, 129132; R.H. Storch, Hyzantion 40, 1970, 117 und Anm. 2. - Dieselbe Datierung bei M. Vasic, A Filiding of Theodosius II Solids in the Fort of Pontes. Numizmaticar 6, 1983, 101 u. 103, Anm. 13. Ebd. 102. W. Hahn a.a.O. (Anm.57) 113-115.
Vladislav Popovic
110
den Hunnen ans L i c h t b r i n g e n d ) . Im Gegensatz zu diesen beiden ist der große Münzschatz
von
Szikäncs
in
Ungarn
von besonderer
Bedeutung,
in dem der
größte Teil der Solidi aus dem Osten s t a m m t ^ ) . Vertreten sind am meisten die Emissionen VOT/XXX/MVLT/XXXX 17,6%. Die erste
mit 63% und IMP XXXXII
ist m i t dem Tribut
COS XVII PP mit
verbunden, der nach den in Margum im
Jahre 438 und nicht 434 geführten Unterhandlungen geleistet w u r d e t zweite
mit den Ereignissen nach 443. Die Solidi mit GLOR ORVI-S
und die TERRAR
sind nur durch zwei Exemplare v e r t r e t e n , während wir sie in einem bulgarischen Münzschatz
aus derselben Zeit überhaupt nicht finden 0 ^). Ähnlich ist der Fall
mit dem Befund von fünf Solidi in einem spätrömischen Hause des Kastellums bei der Trajansbrücke, die wahrscheinlich ein kaiserliches donativum Drei sind m i t COS-XVII
VOT/XXX/MVLT/XXXX
darstellen.
am Revers und zwei mit IMP
XXXXII
PP versehen, was ebenfalls zu Gunsten der Meinung geht, daß diese
zwei Serien u n m i t t e l b a r aneinander a n k n ü p f e n ^ ) . Dementsprechend soll man die massenhafte
thessalonische
Emission
vom
Typ
GLOR
ORVI-S
TERRAR,
die
nicht von der Auszahlung des Tributes an die Hunnen abhängig war, wohl nicht mit der wenig wahrscheinlichen Hypothese von der außerordentlichen B a u t ä t i g keit in Thessaloniki 447-448 in Verbindung bringen^«). Man sollte in ihr vielmehr das Ergebnis der ungeheueren finanziellen Bedürfnisse des Ostreiches zur Erneuerung der Schutzsysteme in l l l y r i k u m und Thrakien als auch zur Auszahlung von Truppen, die 425-427 in die Offensive gegen Johannes in Ravenna und die Hunnen in Pannonien ausrückten, sehen. Ebd. 123; E. K o l n i k o v a , Der Fund spätrömischer Solidi in Bifia. N u m i z m a t i c k y Sbornik 10, 1968, 5-50; W. Hahn, Zu den in C a r n u n t u m gefundenen Goldmünzen der A t t i l a - Z e i t . M i t t e i lungen der G e s e l l s c h a f t der Freunde Carnunturns 2, 1974, 8-11. - Die Solidi von 443 m i t C O M O B waren n i c h t im Westen, sondern im Osten geprägt worden, wahrscheinlich in verschiedenen S t ä d t e n . Siehe dazu W. Hahn, ebd. 10 und ders., L i t t e r a e N u m i s m a t i c a e Vindobonienses (Wien 1979) 114-115. - Zur T r i b u t f r a g e : E.A. Thompson, A History of A t t i l a and the Huns ( O x f o r d 1948) 161. W. Hahn, L i t t e r a e N u m i s m a t i c a e Vindobonenses (Wien 1979) 122; M. Vasic a.a.O. ( A n m . 60) 102; K. B i r ö Sey, The F i f t h C e n t u r y Find of Szikäncs. N u m i z m a t i k a i Közlöny 74-75, 19751976, 7-19.
65)
66) 67) 68)
Das hunnisch-byzantinische A b k o m m e n von Margum (Prisci f r g . 1, (hrsg. Dindorf 276,32277,5) f ä l l t n i c h t in das Jahr 434 sondern in den Februar 438. Einer der byzantinischen Gesandten, Epigenes, war quaestor sacri palatii. Es ist bekannt, daß er diese Stelle vom F e bruar 438 bis 440 h a t t e . Siehe dazu J.R. M a r t i n d a l e a.a.O. (Anm. 12) 182-183, J 9 6 ( M a r gum, nicht Horreum Margi). W. Hahn a.a.O. ( A n m . 63) 123; A . V o i r o l , Verhandlungen der Naturforschenden Gesellschaft in Basel 56, 1944-1945, 4 3 ' " 4 5 5 M. Vasic a.a.O. ( A n m . 60) 99-100. W. Hahn a.a.O. ( A n m . 64) 113; D. M e t c a l f , The M i n t of Thessalonica in the Early B y z a n t i n e P e r i o d . Villes e t peuplement (Rom 1984) 123-125.
1 11
Die süddanubischen Provinzen in der S p ä t a n t i k e
Um der chronologischen Reihenfolge der Passio des Heiligen Demetrios zu können, nach der ein praefectus
praetorio
Illyrici
folgen
namens Leontios erstens
eine Kirche in Thessaloniki und danach eine in Sirmium erbaut hat, müssen zwei Bedingungen e r f ü l l t werden: erstens, daß ein P r ä f e k t Leontios an der Spitze der illyrischen konnte;
Kanzlei
zweitens,
in
verschiedenen
daß
Baureste
Aufbauzeiten
einer
Basilika
der
des
beiden
Heiligen
Kirchen Demetrios
sein in
Thessaloniki existieren, die älter als die Reste derjenigen Basilika sind, die, wie wir schon gesehen haben, in der zweiten H ä l f t e des 5. oder in den ersten Jahrzehnten des 6. Jahrhunderts erbaut worden war. Die erste Bedingung ist leicht zu erfüllen. Leontius,
vir illustris,
war sicher P r ä f e k t irgendwann im Zeitraum
zwischen dem 9. April 412, als Herkulios diese Stellung e i n n a h m 0 ^ ) , und dem 31. Oktober 415, als ein kaiserliches Edikt dem Präfekten Stratcgios geschickt wurde. Da der Feiertag des Heiligen Demetrios und die Kirchendedikation am 26. Oktober zusammenfallen, konnte Leontios diese frühere Basilika dem H e i l i gen
Demetrios unter der Voraussetzung weihen, daß sie überhaupt
bestanden
hatte und die für die Erbauung derselben notwendige Z e i t 413 oder 414 in A n spruch nehmen. Ebenfalls besteht eine Lücke in der P r ä f e k t e n l i s t e zwischen 416 und 419. Da Sirmium f o r m e l l Ende 424 oder am Anfang 425 zum Ostreich gehörte und da zwischen dem 22. A p r i l 424 und dem 14. Oktober 427 wieder eine Lücke in der Präfektenliste besteht, ist es ohne große Schwierigkeiten möglich, das Bestehen eines Leontius
praefectus
praetorio
bis zu v e r m u t e n . Zwischen der
ersten und der zweiten Präfektur bestünde dann ein ganz annehmbarer Z e i t r a u m von nur neun Jahren, was in einer administrativen K a r r i e r e ohne Bedeutung sein d ü r f t e . Es hat übrigens g e r e c h t f e r t i g t e Gründe gegeben, daß Leontios wieder an die Spitze der Präfektur gebracht worden ist. So ist hervorzuheben, daß das Datum der Ausrufung des Valentinian zum Caesar in Thessaloniki am 23. Oktober 424 i n m i t t e n des Feiertagszyklus für den Heiligen Demetrios f i e l . Nach einer Quelle aus dem M i t t e l a l t e r fing das Fest nämlich am 23. Oktober an und endete am ersten Montag nach dem 26. 0 k t o b e r 7 ° ) . A m Abend vor dem Feiertag ging die Prozession mit dem Erzbischof an der Spitze von der
Gottesmutterkirche,
bzw. der Kathedrale aus und führte die Via Egnatia entlang bis zur Kirche des y
'
Vgl. A n m . 46. Für die praefecti praetorio nes 1. La Chronologie (Paris 1958) 371.
Illyrici
siehe V. G r u m e l , T r a i t e d'etudes b y z a n t i -
0 . T a f r a l i , Thessalonique au q u a t o r z i e m e s i e d e (Paris 1913) 117-121, 138-144 ( T i m a r i o n , hrsg. Hase, Notices et e x t r a i t s 9/2 (Paris 1813)) und Ellisson, A n n a l e k t c n der m i t t e l - und neugriechischen L i t e r a t u r ( L e i p z i g 1860).
112
Vladislav Popovic
Heiligen Demetrios. A m nächsten Tage t r a t der Kaiser triumphal in die Kirche, während die Masse a k k l a m i e r t e . Die o f f i z i e l l e Ausrufung des Valentinian zum Caesar hat sich am Donnerstag, dem 23. zugetragen, vor dem der G o t t e s m u t t e r t r a d i t i o n e l l geweihten Tag, deren Kult in enger Beziehung mit dem des Megalomärtyrers gewesen war, während sein Feiertag in diesem Jahr auf den Sonntag f i e l 7 ! ) . Die Auswahl des Datums erfolgte sicher nicht zufällig. Nach a l l e m , was gesagt wurde, w i r d verständlicher, daß Leontios, der Stifter der ersten Kirche des Heiligen Demetrios in Thessaloniki in dem Moment, als Pannonien als pars orientis
des Kaisertums abgetreten wurde, als der Bau der Kirche in Sirmium
schon beschlossen war und die Vorbereitungen zum Krieg gegen die Hunnen bereits
im Gange waren, wieder zum Präfekten des j e t z t erweiterten
lllyrikums
ernannt worden ist. Da bis zum 22. A p r i l 424 der Präfekt lsidor gewesen war, konnte die Einweihung der Kirche in Sirmium frühestens am 26. Oktober 425, wahrscheinlicher aber im Jahre 426 erfolgen, jedenfalls jedoch vor der Präfektur des Antiochos, die mit einem Edikt vom 14. Oktober 427 bestätigt wurde. In diesen kritischen Jahren, als das Ostreich die Offensive an zwei Fronten unternahm, und Theodosius II nach dem Vorbild seines Großvaters, Theodosius des Großen, die Einheit des Kaiserreiches wieder herzustellen versuchte, hat der thessalonische Demetrios als einer von den angeschensten byzantinischen ' M i l i t ä r h e i l i g e n ' Xüiv cryicov u.apxüpuv xuv rjxpaxr)\ax(dv sicherlich eine Stärkung seines Ansehens e r h a l t e n . Um unsere Rekonstruktion der Ereignisse als r i c h t i g zu bezeichnen, ist es ferner notwendig,
eine ältere
Kultstätte
unter der heutigen thessalonischen
Basilika
nachzuweisen. Wie bereits b e t o n t , wurde der Raum, in dem angeblich der Märt y r e r begraben worden war, in der Passio prima pel des Leontios als
EUMXTJPOC, ÖIHOC,
einfach als otvaa und der T e m -
oder oratorium
in der lateinischen Überset-
zung von Anastasius bezeichnet. Auf ähnliche Weise spricht auch die Passio altera,
indem sie den Ort des Grabes
OLWOC,
oder rj£ßö:cru.ioc, ariHoc, und die Kirche
udvcreiixoc, ÖLHOC, nennt. Daß der Bau des Leontios im eigentlichen Sinne eine Basilika war, beweisen die Ausdrücke -rtavüEuxoc; vaoe, und creßdcruxoc, OLHOC,, die sich auf die Kirchen des Heiligen Demetrios und der Heiligen Anastasia in Sirmium beziehen? 2 ). Auf
den Terminus uinpoc,
OLWLCTHOC,
müssen sich die Archäologen
71)
Vgl.
die chronologische Tabelle bei V. Grumel a.a.O. ( A n m . 69) 316.
72) E.A. Sophocles, Greek L e x i c o n of the Roman and Byzantine Period (New York 1887) 796: OIMCQ - "house"; 6'IKOC, - " t e m p l e , the T e m p l e , p a r t i c u l a r l y a C h r i s t i a n c h u r c h " ; 537: evHxrj-
Die süddanubischen Provinzen in der Spätantike
113
beziehen, um das Bestehen der seltenen K u l t s t e l l e zu r e c h t f e r t i g e n , denn auf diese Weise ist wenigstens einigermaßen die chronologische U n s t i m m i g k e i t z w i schen der
Passio und der bis heute erhaltenen
Kirche
zu mindern73).
Aller-
dings ist diese Bezeichnung nur eine späte Abstimmung und lediglich in der metaphrasischen Version zu finden74). Zusätzlich wäre dieses iiiHpdc, oLHLrjHoc, eine A r t Kapelle mit einer unverhältnismäßig breiten Apsis unter der heutigen che. Daß sich aber an dieser Stelle ursprünglich keine dreischiffige
Kir-
Kapelle, sondern eine
Basilika anstelle der heutigen f ü n f s c h i f f i g e n
befunden h a t t e ,
ist
eine nicht ganz neue ldee75). Eindeutige Schlüsse zu ziehen w i r d durch die Tatsache erschwert, daß die Publikation der Ausgrabungsergebnisse
aus der
Zeit
nach dem Feuer von 1917 nicht ausreichende Höhenunterschiede der ergrabenen Mauern unter der heutigen Kirche und den entsprechenden Fußbodenniveaus w i e dergibt, sofern sie überhaupt festgehalten worden sind. Wenn man jedoch den Plan der älteren A r c h i t e k t u r genauer überprüft (Abb. i ) 7 ^ ) , kann man f e s t s t e l len, daß sowohl die Parallelmauern B1-B4 als auch die sie verbindenden Quermauern sorgfältig n i v e l l i e r t Kolonaden der
späteren
und als Fundamente für die Stylobate der inneren
fünfschiffigen
Basilika
verwendet
wurden.
Falls
die
Mauern B i und B4 die longitudinalen Außenmauern der älteren Basilika waren, konnte von ihnen natürlich nichts mehr übrigbleiben. Die Mauern C1-C4 und D i D4, die zwei gewölbte Räume der Krypta unter der heutigen Kirche einrahmen, gehören ebenfalls zu der älteren, den Thermen zugeschriebenen Bauphasc. Von ihnen ist nur die Mauer C i als Außenmaucr der Kirche vom Ende des 5. oder Anfang des 6. Jahrhunderts erhalten. Alle anderen Konstruktionsteile der beiden Räume wurden entweder beim Ausbau de.r Transepts eingeebnet oder sind während der späteren Adaptationen verschwunden. Von den älteren Mauern blieben
puoc, OIMOC, - "a house of p r a y e r " ; 837: ndvaeuTog - " a l l - r e v e r e n d " ; 9 8 1 : aeßaau.oc, - " v e n e r a t i o n , reverence, respect, worship". 73
G. u. a.a.O. moins (siehe
M. Sotiriou a.a.O. ( A n m . 1) 58-63; R.F. H o d d i n o t t a.a.O. ( A n m . 14) 128; J . M . Spieser ( A n m . 13) 214. "Meme si la legende de l'oikiskos paraft suspecte, il n'en reste pas possible qu'une eglise, plus modeste que Celle du V l e s i e d e , a i t precede c e l l e - c i " auch A n m . 315).
74) M
7S) '3
7
Patrologia Graeca 116, 120. G.l. Theocharidis, Makedonika 16, 1976, 269-308. - Diese A r b e i t kennen wir nur durch J . M . Spieser a.a.O. ( A n m . 13) 167, A n m . 8. - R, K r a u t h e i m e r a.a.O. ( A n m . 13) 329, A n m . 49: "Of the church which was founded in 412/3 by L e o n t i o s , the governor of l l l y r i a , apparently nothing has survived. But I wonder whethec the apse e x c a v a t e d a t the l a t e - f i f t h Century nave was not a remnant of the church of 412/3, r a t h e r than of a Roman house as suggested by the authors" (gemeint sind G. und M. Sotiriou). R.F. Hoddinott a.a.O. ( A n m . 14) Abb. 60 (nach G. und M . S o t i r i o u ) .
Vladislav Popovic
114
^ / U / I L ^ Y\u
o
10
15
HG
frühere Mauern
spätere Mauer
Abb. i
Grundriß der r ö m i s c h e n Mauern unter der Kirche des Heiligen Demetrius in Thessalon i k i (nach G. und M . Sotiriou).
Die süddanubischen Provinzen in der Spätantike
ebenfalls die Mauern E i
115
und E2 erhalten, während die Apsis A , die zur
ur-
sprünglichen Kirche gehören sollte, nachträglich hinzugebaut wurde. Es ist alles in allem nicht schwer, in dem v e r ö f f e n t l i c h t e n Plan wenigstens in allgemeinen Zügen die ältere dreischiffige Basilika mit Transept und liturgischem Anbau bei der nordwestlichen
Ecke etwas kleiner und mit verlängerten Proportionen ge-
genüber der späteren Kirche zu erkennen (Abb. 2). Der A l t a r r a u m war weiter eingezogen, und die
kreuzförmige
Reliquienstelle
neben der
Apsis A gehört
wahrscheinlich in jüngere Zeit77). Der Fußboden lag v e r m u t l i c h in der Höhe der heutigen Kirche. Die Krypta mußte bereits bestanden haben. Wegen der e r h e b l i chen Niveauabsenkung zur östlichen Seite mußte man die Kirche hier d i r e k t von der römischen Straße aus b e t r e t e n . Insgesamt scheint es uns, daß es reale A r g u mente zugunsten des Bestehens einer Kirche des Leontios aus den Jahren 413 oder 414 gibt. Die
Nennung des euKxfjpoc, oder udvcre-rtroc,
OLHOC,
in den zwei
frühesten Passien bezieht sich auf diese Kirche, während die oLvaa, die
ihm
vorausgeht, nichts anderes als der Untergrundraum der Thermen ist, in dem sich - wenigstens nach der Legende - das Grab des Märtyrers befunden h a t t e . Der ältere Kultbau d i k t i e r t e gewissermaßen den Plan für die jüngere K i r c h e , wobei deren archaische Elemente erklärbarer werden. Die Kirche des Heiligen Demetrios in Thessaloniki gehört nämlich in die Gruppe der 'crosstransept basilicas' wie z.B. auch die 410 in Ägypten erbaute Kirche der Heiligen Mcnas und die nach 400 entstandene Kirche des Heiligen Johannes in Ephesos, deren M u ster letzlich das konstantinopolitanische Apostoleion gewesen ist7°). Letzteres diente andererseits als Modell für die Kirche der Heiligen Apostel in Mailand, deren Bau 380 begonnen wurde und als Vorbild für die Kirche Santa Croce in Ravenna, die Galla
Placidia
unmittelbar nach ihrer A n k u n f t in der
westlichen
Hauptstadt 425 erbauen ließ79). Es bleibt noch versuchsweise die Frage zu beantworten, warum in dem Z e i t r a u m zwischen 412 und 414 die thessalonische Kirche in u n m i t t e l b a r e r Nähe der Agora zwischen den Thermen und dem Stadion an einer Stelle, wo niemals das Grab des Märtyrers gewesen ist, erbaut worden ist. Da der Passio nach die Kirche in Sirmium später gebaut worden ist und deswegen auch keine Reliquien des nicht 77
78) ' 79)
Wie P. Lemerle, Kecueils II, 215 (Uull. Corr. Hellenique 77, 1933, 66of.) ganz klar gezeigt hat. R. Krautheimer a.a.O. (Anm. 13) 80, 84-86, 96-97. Ebd. 57-58, 137.
n6
Vladislav Popovic
%2ZE.::vz& E
i
0
5
10
15m
1 , , , i i . . , . I • , . , I
Abb. 2
Grundriß der angenommenen Kirche des Heiligen Demetrius in Thessaloniki aus dem zweiten Jahrzehnt des 5. Jahrhunderts.
Die sliddanubischen Provinzen in der Spätantike
117
bestehenden Märtyrers enthalten hat, muß man eine Erklärung der historischen Ereignisse versuchen, die sich etwa um das Jahr 410 abgespielt haben: In dem Augenblick, als innere Zerwürfnisse A f r i k a e r s c h ü t t e r t e n , verwüsten die Wisigoten Italien und die Hunnen die nördlichen Grenzbereiche des Ostreiches, was die zwei Augusten zu einer toleranten Politik den Heiden und K e t z e r n gegenüber zwingt. So war 410 ein Heide namens Macrobius, Autor der Saturnalia,
Prokon-
sul in A f r i k a ° ° \ Aber schon gegen Ende desselben Jahres k o m m t es zum U m schwung in der Innenpolitik des Reiches. Die Edikte von 415 weisen darauf hin, daß eine Abrechnung m i t den Heiden d e f i n i t i v durchgeführt worden i s t " 1 ' . Nach dem Edikt aus dem Jahre 423 riskierte jeder a k t i v e Heide seinen K o p f ' 2 ' . Ebenso wie in A f r i k a ist auch im l l l y r i k u m 410 der P r ä f e k t des P r ä t o r i u m s , H e r k u lius ein Heide, dem die Akademiker von Athen auf der Agora eine Statue erbaut e n * ^ ) . Diese Stellung nahm er noch im A p r i l 412 ein, u n m i t t e l b a r bevor dem guten Christen Leontios die Präfektur anvertraut wurde. Wenn man diesen Sachverhalt in dem uns interressierenden Kontext b e t r a c h t e t , ist logisch zu schließen, daß der Kult des Heiligen Demetrios in Thessaloniki die Stelle eines ä l t e ren heidnischen Kultes eingenommen hat, in diesem
Falle des makedonischen
Kabeiros, wie das bereits seit langem vermutet worden ist&4). Da man in G r i e chenland außerordentlich selten Beispiele solcher
heidnischer
absichtlich aufgelöst und in Kirchen umgewandelt
Tempel hat, die
wurden°5), handelt es sich
hier wahrscheinlich um die Christianisierung einer bestehenden Legende. Sic hat im passenden historischen Augenblick über die Errichtung der Kirche des H e i l i gen Demetrios ihren materiellen Ausdruck gefunden. Anläßlich der im unmittelbaren Zentrum von Sremska M i t r o v i c a 1978 begonnenen Ausgrabungen in der Nähe der Stelle, wo man ein römisches Forum v e r m u t e t e , wurde eine dreischiff ige Basilika mit Transept bei einer Innenbreite von 11,25
m
L. Leschi, Le dernier proconsul paien de la province d ' A f r i q u e (410 ap. J . - C ) . Etudes d ' a r cheologie et d'histoire africaines (Paris 1957) 253-260. 81) Codex Theod. 16.10,20 und 2 1 . 82) Codex Theod. 16.10, 22 und 23. 81) i 4
8s) 3
J.R. Martindale a.a.O. (Anm.12) 545; RE 15, 1912, 614. s.v. Herculius ( 0 . Seeck); I n s c h r i f ten Corpus lnscr. L a t . 3, 637-638. B. Hemberg, Die Kabiren (Uppsala 1950) 204. - Schon vor langer Z e i t hat O. T a f r a l i ( 0 . T a f r a l i , Thessalonique au q u a t o r z i e m e s i e d e (Paris 1913) 131) gegen Delehayes Meinung g e schrieben: "En e f f e t , saint D e m e t r i u s , quoi qu'on en dise, a v a i t r e m p l a c e une d i v i n i t e paienne dans le eulte l o c a l . " J . M . Spieser, La c h r i s t i a n i s a t i o n des sanetuaires paiens en G r e c e . Neue griechischen H e i l i g t ü m e r n (Tübingen 1970) 310-320.
Forschungen
in
n8
Vladislav Popovic
e n t d e c k t , während die genaue Länge nicht festgestellt werden konnte (Taf. 1 u. Abb.
3)°^).
Wie
in Thessaloniki
ruhen die Rahmenmauern und Stylobate
der
Innenschif fkolonaden auf sorgfältig gesetzten Mauern eines älteren Baues. D o r t ,
Abb. 3
86)
Die basilica
urbana
von S i r m i u m .
N. D u v a l , S i r m i u m " v i l l e i m p e r i a l e " ou " c a p i t a l e " ? X X V I Corso di cultura s u l l ' a r t e r a v e n n a te e b i z a n t i n a (Ravenna 1979) 85-88, Abb. 7-8. V. Popovic, Desintegration and R e a l i s a t i o n der Stadt i m O s t - l l l y r i c u m vom 5. bis 7. J h . n.Chr. i n : D. Papenfuss u. V . M . Strocka (Hrsg.), Palast und H ü t t e (Mainz 1982) 550, Abb. 1-2.
Die süddanubischen Provinzen in der Spätantike
119
wo keine älteren Mauern vorhanden waren, wurden neue aus gebrauchten Ziegeln erbaut. So sind die Apsis und die Transeptarme, die auf Pfosten gegründet sind, der Altarzaun, der Synthronos, der Presbyteriumsboden, das Ciboriumpostament und ein Teil des liturgischen Anbaus vollkommen unabhängig vom ä l t e ren Bau e r r i c h t e t . Obwohl nicht zahlreich vorhanden, lassen die erhaltenen architektonischen Elemente eine ideale Rekonstruktion der oberen Basilikateile zu (Abb. 4). In der Kirche und deren näheren und weiteren Umgebung wurden 26
Abb. 4
Rekonstruktion des Altarteiles mit Transept der basilica Arch. M. Jeremic).
urbana von Sirmium (nach
120
Vladislav Popovic
Gräber, davon 25 aus Ziegeln erbaut sowie ein Sarkophag (Taf. 2 u. Abb. 5) gefunden. In einigen Fällen enthielten die Gräber ungeordnet Gebeine erwachsener Personen, was auf die Exhumierung und Überführung der irdischen Reste aus den Nekropolen e x t r a muros in die durch Mauern gut geschützte Stadt hinweist. Sowohl die Basilika, als auch die Nekropole wurden in eine dicke, durch Münzen gut d a t i e r t e Brandschicht eingegraben. In den Räumen eines zur Zeit der Tetrarchie erbauten Monumentalhauses
Abb. 5
wurden in der Brandschicht drei
Gruppen
Die Lage der basilica urbana im Zentrum Sirmiums. - 1: die älteren römischen Mauern. 2: die Kirche und die späte Festungsmauer. 3: die Gräber. 4: die Hütten oder Zelte. 5: die Töpferöten.
Die süddanubischen Provinzen in der Spätantike
121
von verstreuten Münzen gefunden, deren jüngste Exemplare 383-392 geprägt worden waren. Aus zwei Gräbern stammen auch 383-395 datierte Münzen. Gleichfalls in der Brandschicht, in die das Fundament der Apsis der Basilika eingetieft war, fand sich ein zwischen 394-402 geprägtes Stück°7'. Daraus geht hervor, daß die Kirche und die Nekropole neben ihr sicher nach dem Jahre 394 entstanden sind. Es ist schwierig, die Gründe der Katastrophe zu nennen, die die Stadt vernichtete, aber es sieht so aus, als wäre sie wahrscheinlich den Wisigoten zuzuschreiben, die bei ihrem ersten Feldzug nach Italien 401 durch Sirmium gekommen sind und bei der Rückkehr von 402 bis 408 einen Teil Pannoniciis in ihren Händen hielten""'. Die zweite Frage bezieht sich auf die Zeit, in der die Kirche erbaut worden ist. Auch dafür können die Münzfunde von großer Hilfe sein. Von den insgesamt zwölf nach 423 für Theodosius 11, Valentinian 111 oder den Usurpator Johannes geprägten Bronzemünzen, die bis 1978 in Sirmium gefunden wurden, sind leider sieben Exemplare ohne genaue Fundlage. Die übrigen fünf stammen aber alle aus dem Stadtviertel, in dem die Kirche und die Nekropole festgestellt werden konnten. Dem ist noch hinzuzufügen, daß von den sechs zwischen 408 und 423 geprägten Münzen drei Exemplare in demselben Stadtteil gefunden worden sind°9). Die Konzentration der Münzen (Abb. 6) und die Tatsache, daß Sirmium dem Ostreich 425 übergeben wurde, wie auch die Passio altera, die den Ausbau einer Kirche mit ziemlich wahrscheinlich 426 erfolgter Widmung notiert, weisen auf eine neue Bautätigkeit gerade in diesen Jahren hin. Obwohl wir keine epigraphischen Bestätigungen dafür besitzen, scheint uns die Identifizierung der vor einigen Jahren entdeckten Stadtbasilika mit der Kirche des Heiligen Demetrios von Leontios höchst annehmbar. Die etwas nördlich der Kirche konstatierten massiven Mauerreste könnten Teile der neuen inneren Schutzmauer darstellen. In ihrer unmittelbaren Nähe wurde eine Reihe von seicht eingegrabenen engen Räumen gefunden, die vielleicht von Zelten oder Häuschen aus leichtem Material stammten, und in denen möglicherweise nur zeitweilig die Garnison gewohnt hatte. Daß es sich bei den in der Nekropole Begrabenen um Romanen und nicht um Germanen handelt, belegen die wenigen Beigaben in den Gräbern, unter denen Messer aus Eisen und Fibeln sowie sehr V. Popovic, ebd. 550. 88) Jordanes, Getica 147: per Sirmium
dextroque
latere
quasi
viris
vacuam intravit
Italiam
loque penitus obsistente (in der zweiten Hälfte des Jahres 401). V. Popovic, in: D. Papenfuss u. V.M. Strocka (Hrsg.), Palast und Hütte (Mainz 1982) 553.
nul-
122
Vladislav Popovic
MÜNZEN:
i'l'l ' Hill.,, i I ' I
L.S
MllllllllQ
O ® © •
Römische, 408/23 Römische, . Der Tracht nach war die Tote aus Vajuga o f f e n s i c h t l i c h gotischer f ü h r t e Analyse der Gräber den
Abstammung. Durch die unlängst durchge-
m i t einem Fibelpaar auf den Skelettschultern und
nach unten gedrehten Köpfen wurde d e f i n i t i v
Frauen gotischer Phase (Abb. 1 1 )
bewiesen, daß es sich um
Abstammung handelt, und zwar schon in deren voritalischer 120
' . Das Mädchen aus Vajuga war sicher die Tochter eines an-
gesehenen gotischen Föderaten, und ihre reich verzierte Tracht weist auf einen schon vorgerückten Grad der sozialen Differenzierung hin. Im chronologischen Sinn kann man das Grab vor 443, wahrscheinlich näher an das Jahr 400 datieren. Auf diese Weise würde das Grab in den Kulturhorizont
Ranzevoje-Cana-Sinjavka
gehören und wäre etwas älter als der durch Fibeln aus Untersiebenbrunn, Laa an der Thaya und Villafontana vertretene H o r i z o n t 1 2 1 ^ .
Abb. l i
Gräber der Sfntana de M u r e ^ - K u l t u r . - 1: Tfrgsor. 2: A l e x a n d r u Odobescu. 3: Levice (nach V. B i e r b r a u e r , Bayer. Vorgeschbl. 36, 1971, 143, Abb. 7).
T . Springer, Germanenfunde 1985, 240.
der
Völkerwanderungszeit
V. B i e r b r a u e r , Z u den V o r k o m m e n ostgotischer Vorgeschbl. 36, 1971, 142-145, A b b . 7. ders., i n : Symposion Z w e t t l (Wien 1980) 134-136.
in Nordbayern. A r c h . K o r r b l . 15,
Bügelfibeln
in der
Raetia
2.
Bayer.
Die sUddanubischen Provinzen in der S p ä t a n t i k e
133
Der zweite außerordentlich wichtige und unpublizierte Befund stammt aus der spätantiken, etwa hundert Meter westlich des Kastells bei der Trajansbrücke gelegenen Nekropole. In diesem durch im M i t t e l a l t e r e i n g e t i e f t e Häuser beschädigten Friedhof wurden etwa zehn Erdgräber m i t west-östlich o r i e n t i e r t e n Skeletten entdeckt. Im Gegensatz zu den anderen - beigabenlosen - Gräbern enthielt die Bestattung Nr. 7 (Abb. 12) ein reiches, auf der Höhe der Füße aufgestelltes Inventar:
1. einen zweihenkeligen glasierten Krug (Taf. 6,5); 2. einen
Glasbecher mit blauen Tupfen (Taf. 6,4); 3. eine v i e r t e i l i g e
Militärgürtelschnalle
(Taf. 6,2); 4. eine fünfeckige Gürtelplatte (Taf. 6,1); 5. eine r i n g f ö r m i g e K e t t e zum Aufhängen eines Gegenstandes am Gürtel (Taf. 6,3). Die G ü r t e l g a r n i t u r hat unmittelbare
Analogien in Salona, in der Umgebung des ungarischen Tata und
bei
Übach-Palenberg im Rheingebiet 1 2 2 ). Bei diesem
das
mit
der
Schnalle
aus unserer
Nekropole
fast
letztgenannten
identisch
ist,
Beispiel,
wurden
die
Ornamente nicht in Kerbschnitt-Technik, sondern mit einem feinen dreieckigen Meißel eingepunzt. M i l i t ä r g ü r t e l g a r n i t u r e n wurden bereits früher in Uferdakien und dessen benachbarten Gebieten gefunden. Die Exemplare aus Boljetin (Smorna) (Taf. 7,1-2), Ravna (Campsa) bereits v e r ö f f e n t l i c h t
12
(Taf. 7, 3-4), Celei (Sucidava)
und Sic sind
3 ) . Außerdem wurde in Celei das P l a t t e n f r a g m e n t einer
anderen Garnitur gefunden 1 2 4>, während das Exemplar der Fachliteratur nur erwähnt worden i s t
12
aus Orsova (Dierna)
in
5 ) . Aus Boljetin stammen auch zwei
f r a g m e n t i e r t e unveröffentlichte Teile von G ü r t e l g a r n i t u r e n . Die Exemplare aus Sic und Ravna haben keine direkten Analogien, obwohl die erstgenannten derjenigen aus Turnu-Severin (Drobeta)
Riemenzunge
der
einigermaßen ähnlich ist,
während die Riemenzunge aus Ravna ihre nächsten Vergleichsstücke in Salona
T a t a : H. Hullinger, Spätantike Gürtelbeschläge (Brügge 1969) 27, 5 1 , A b b . 23,2 und T a f . 4 1 , 1 ; A . R i e g l , Die spätrömische Kunst-Industrie nach den Funden in Ö s t e r r e i c h - U n g a r n i (Wien 1901) T a t . 20,4; Salona: H. Bullinger, ebd. 28, T a f . 5,2; Ü b a c h - P a l e n b e r g : H.W. Böhme, i n : A l'Aube de la France (Paris 1981) 204, A b b . 154 ( z i t i e r t nach Bonner J a h r b . 155-156, 1955-1956, 494, Abb. 45-46b). ^
124) 3
Smorna: N. Petrovic u. L j . Z o t o v i c , i n : Anciennes c u l t u r e s du D j e r d a p (Belgrad 1969) 111, Taf. 35; Campsa: V. Kondic, Tresors archeologiques dans la region de Por^ile de Fier ( B u karest 1978) 218, Nr. 214 und 220, Nr. 227 ( m i t Abbildungen); Sucidava: D. Tudor, S p ä t r ö mische Gurtelbeschläge aus Südrumänien. Dacia 9-10, 1944-1945, 513-515, Abb. 1; H. B u l linger a.a.O. ( A n m . 122) 86, Taf. 9,3 und 3 5 , 1 ; Abb. 21,1 und 4 8 , 1 ; D r o b e t a : D. Tudor ebd. 515-516, Abb. 2; Sic: J . H a m p e l , A l t e r t h ü m e r des frühen M i t t e l a l t e r s in Ungarn 1 (Braunschweig 1905) 297, Abb. 728; ebd. 3, 1905, T a f . 46; H. Bullinger a.a.O. ( A n m . 122) Abb. 26,2. H. Bullinger a.a.O. ( A n m . 122) Taf 4,2. J . Werner, Spätrömische G ü r t e l g a r n i t u r e n in K e r b s c h n i t t - T e c h n i k . Jahresh. O s t e r r . A r c h . Inst. 26, 1930, 59.
134
Vladislav Popovic
E u O
o-u
Abb. 12
Körpergrab mit Soldatengürtelgarnitur aus der Nekropole bei der Trajansbrucke am Eisernen Tor.
135
Die süddanubischen Provinzen in der Spätantike
und Italien f i n d e t 1 2 ^ ) . Die viereckige Platte der a u ß e r o r d e n t l i c h qualitätvollen Schnalle aus Boljetin steht den Exemplaren aus Lauriacum und Substantion in Gallien am nächsten 1 2 7),
während der fünfeckige Zierbeschlag
Ähnlichkeiten
mit den Exemplaren aus Siscia, Lauriacum, Salona und in erster Linie mit Aquileia h a t 1 2 ° ' . Wechselhafte
Verwandtschaften zeigen auch die
Gürtelgarnituren
,2
aus Celei und C a r n u n t u m 9 ) . Was die glasierte zweihenkelige Amphore anbelangt, ist dieser Typus im Unterschied zum Krug mit einem Henkel ziemlich s e l t e n ^ 0 ) . Wir finden solche Beispiele jedoch in den spätantiken Gräbern von Intercisa und Krefeld-Gellep wie auch in der Nekropole Spantov aus der Kultur von Smtana de Mure? als römischen Import. Der Form nach steht diese l e t z t g e nannte unserer Amphore am nächsten 1 3 1 ). Andererseits sind die spätrömischcn Glasbecher mit Tupfen in verschiedenen Farben im Donaugebict zu gut bekannt, um sie näher zu e r ö r t e r n ^ 2 ) . Solche wie auch die F a c c t t s c h l i f f b e c h e r
wurden
oft in das Barbarikum i m p o r t i e r t und gelangten dort seit dem Ende des 4. und während der ersten Jahrzehnte des 5. Jahrhunderts in die germanischen Gräber. Dem Glasbecher nach zu urteilen, würde das Grab 7 aus der Nekropole bei der v
Trajansbrückc wie auch das Grab 18 aus Vajuga dem Horizont Ranzcvojc-CanaSinjavka angehören 1 33). Militärgürtelgarnituren sind im Rhein-Donaugebiet sehr zahlreich (Abb. 1 3)* 34?. Die Exemplare, die wir aus Dakien direkt vom Donauufer und den Grenzcgcbieten aufgeführt haben, besitzen die größte Anzahl an Parallelen vom pannonischnorischen Limes, in Dalmatien und Norditalien. Es besteht kein Z w e i f e l , daß es sich um Erzeugnisse aus Werkstätten handelt, die für das weströmische
Heer
H. Bullinger a.a.O. ( A n m . 122) T a t . 14,3 (Salona); A b b . 58 (Museo K i r c h e r i a n o ) ; Taf. 22,6 (Museum Triest). '
L a u r i a c u m : A. Riegl a.a.O. ( A n m . 122) T a i . 20,3; J . Werner a.a.O. ( A n m . 125) 6 1 , Abb. 42; Substantion: G. Behrens, Spätrömische K e r b s c h n i t t s c h n a l l e n , i n : S c h u m a c h e r - F e s t s c h r i f t (Mainz 1930) 287, Abb. 5.
128)
129) 3
13l)
Sisak: H. Bullinger a.a.O. ( A n m . 122) Taf. 18,5; L a u r i a c u m : ebd. T a f . 3 6 , 1 ; Salona: ebd. Taf. 40; A q u i l e i a : ebd. Taf. 16,1 und A . Riegl a.a.O. ( A n m . 122) 157, A b b . 66. J . Werner a.a.O. ( A n m . 125) 58, Abb. 38. B. Vägö und I. Bona a.a.O. (Anm 109) 190, Taf. 4, Grab 45; R. P i r l i n g , Das r ö m i s c h - f r ä n kische G r ä b e r f e l d von K r e f e l d - G e l l e p . 1. T e i l (Berlin 1974) 34, T a f . 14,13 Grab 1296. B. M i t r e a u. C. Preda a.a.O. ( A n m . 99) 35, Abb. 8, Grab 54.
'
G. Rau, Körpergräber m i t Glasbeigaben des 4. n a c h c h r i s t l i c h e n Weichsel-Raum. A c t a Praehist. et A r c h . 3, 1972, logtt.
Jahrhunderts
im
Oder-
"
V. Bierbrauer, i n : Symposium Z w e t t l (Wien 1980) Abb. 14.
J
S. Chadwick Hawkes, Krieger und Siedler in B r i t a n n i e n während des 4. und 5. J a h r h u n derts, 43.-44. B e r . R G K , 1962-1963, 165, Abb. 4, V e r b r e i t u n g s k a r t e .
136
Vladislav Popovic
Abb. 13
Verbreitungskarte der Kerbschnitt-Gürtelgarnituren Hawkes, mit Ergänzungen).
in Europa (nach S. Chadwick
Germanen als auch unter den romanisierten Dakern gebräuchlich gewesen sein. Der Befund aus Sic in Transsilvanien hatte sicher einen ausgedienten Föderaten enthalten, der in seine Heimat zurückgekehrt ist. Schwer zu sagen ist, ob er ein Gote oder ein Daker war. Es ist interessant, daß im Grab Nr. 7 bei der Trajansbrücke und auch im Grab Nr. 65 bei Csäkvär die Teile der Gürtelgarnitur bei den Füßen der Toten abgelegt wurden. Im Falle von Csäkvär wurde deshalb geschlossen, daß es sich bei dem Destatteten nicht um einen Römer handeln G. Haseloff, Zum Ursprung der germanischen Tierornamentik - die spätrömische Wurzel. Frühmittelalterl. Stud. 7, 1973, 406. H. Ubl, in: Severin. Zwischen Römerzeit und Völkerwanderung (Linz 1982) 561.
Die süddanubischen Provinzen in der Spätantike
137
könne, sondern um eine Person fremder ethnischer Abstammung, die einen höheren Grad im römischen Heer i n n e h a t t e ^ ) . Ähnliche Fälle wurden auch in Oudenburg, Abbeville und Mayen n o t i e r t 1 3°). Sonst werden die Gürtelgarnituren, über die hier gesprochen wird, gewöhnlich in das letzte D r i t t e l des 4. und in die erste Hälfte des 5. Jahrhunderts d a t i e r t 1 39). Wenn man über die Stücke aus Uferdakien oder dem Ersten Moesien spricht, sollte man die Tatsache nicht aus den Augen lassen, daß die dakische Diözese nach dem Tod von Theodosius I im Jahre 395 Ostillyrikum zugefallen war. Da die angeführten Gürtelgarnituren charakteristisch für das Heer der Westprovinzen gewesen sind, könnte man erwarten, daß sie in unseren Gebieten vor der Teilung des Reiches hergestellt worden sind. Die in Celei geborgene Gürtelgarnitur wurde aber zusammen mit den Fragmenten eines hunnischen Kessels in der sicher
in das Jahr 408 d a t i e r t e n Brandschicht gefunden. Die Teile der unvoll-
ständigen Gürtelgarnitur
aus Ravna wurden in der Schicht entdeckt, die sich
oberhalb der um das Jahr 380 entstandenen münzdatierten Brandschicht gebildet h a t 1 ^ ) . Sicher ist, daß bei der Teilung lllyrikums der Westen nicht alle Truppen zurückgezogen hat, insbesondere nicht die Auxiliareinheiten im Rahmen der 11mitanei
oder riparienses.
Wenn wir schon über die Militärschnallen reden, ist es
unmöglich, das Problem der triangulären Dreilagcnkämme mit
Pferdeprotomen
und der Futerale mit Löwenköpfen an den Enden wie auch der Drcilagekämmc mit zwei Zahnreihen und verschiedenen p r o f i l i e r t e n Schmalseiten nicht zu erwähnen. Die erste Gruppe hat eine 'danubische' V a r i a n t e ' 4 i ) , die ohne Rücksicht auf die westgermanische Herkunft der Kämme mit dreieckigem Griff als römisch zu betrachten ist. Übrigens besteht, wie andere schon bemerkt haben, zwischen diesen Kämmen und den römischen Gürtelgarnituren eine direkte VerbindungM 2 ). Neben den bereits bekannten Exemplaren wurden noch einige unpublizierte
Kämme in den Kastellen des Djerdap-Limes (Eisernes Tor) entdeckt
(Taf. 8,1). Die Zahl der
137 13 139
4
Kämme
mit p r o f i l i e r t e n Schmalseiten von zweifellos
Ä. Salamon u. L. Barköczi, Alba Regia 11, 1970, 73. '
H. Bullinger a.a.O. (Anm 122) 41, Abb. 62, 2-3. Ebd. 63-68; H.W. Böhme, Germanische Grabfunde des 4. bis 5. Jahrhunderts (München 1974) 160-162. Freundliche Mitteilung von Herrn V. Kondic.
M l )
H.W. Böhme a.a.O. (Anm 139) 122-126, Abb. 48.
142
R. Koch, Die spätkaiserzeitlichen Gurtelgarnituren von der Ehrenbürg bei Forchheim. Germania 43, 1965, 105-120.
Vladislav Popovic
13»
römischer H e r k u n f t hat sich ebenfalls bedeutend vervielfacht (Abb. 14). Für deren Chronologie sind die in der Nekropole der städtischen Basilika von Sirmium gefundenen
Kämme
von
besonderer
Wichtigkeit,
die
zwischen 426
und 441
d a t i e r t sind, desgleichen auch der in einer überwölbten Grabstätte bei Baljevac in Innerserbien zusammen mit den Münzen von Arkadius (385-408) gefundene Kämm143>. chen
Sowohl die einfachen triangulären Kämme als auch die mit z u s ä t z l i -
Pferdeprotomen
Abb. 14
sowie jene
mit
p r o f i l i e r t e n Schmalseiten begleiten die
Approximative Verbreitungskarte der Beinkämme mit dreieckigem Griff mit oder ohne Pferdeprotomen und der Ueinkämme mit profilierten Schmalseiten.
rheinisch-danubischc Grenze und stimmen mit Ausnahme des Befundes in Dinogetia geographisch m i t dem Vorkommen der Militärgürtelschnallen überein (Abb. 14). Im Gegensatz zu den germanischen Kämmen mit halbrundem G r i f f , die in Pannonien von Osten eindringen, verbreiten sich die vorher genannten von Westen
nach
Osten
und umfassen geographisch
den
Raum, der den
westlichen
Grenzprovinzen vor der Teilung des Reiches entsprechen würde 1 44/. 143 144
D. Petrovic, Starinar N.F. 15-16, 1964-1965, 257-259, Abb. 4a. '
M. Vasic, (Üesava. Starinar N.F. 33-34, 1982-1983, 116, Abb. 20; G. Gomolka, Klio 47, 1966, 299-300, Taf. 9 (latrus-Krivina). - Unpublizierte Stucke aus Uoljetin, Karatas', Pavna und Veliki Gradac bei Donji Milanovac (freundliche Mitteilung durch Frau L j . Zotovic, Frau J. Rankov und Herrn V. K ^ d i c ) .
Die süddanubischen Provinzen in der Spätantike
Wegen der
begrenzten
Zeit eines Tagungsbeitrages sind unsere
139
Ausführungen
nicht vollständig. Bei einer anderen Gelegenheit werden wir uns m i t der Identifizierung der einzelnen Kastelle Uferdakiens, mit den epigraphischen Denkmälern und historischen Quellen befassen, die von den ethnischen Verlagerungen während der Völkerwanderungszeit, von den katholischen Missionen unter arianischen Goten und von der kirchlichen Geographie
den
vor der justinianischen
Erneuerung zeugen und die deutlich von der Intensität der Katastrophe im M i t teldonaugebiet zur Zeit der hunnischen Verwüstungen sprechen.
Der Donaulimes in Bulgarien und das Vordringen der Slawen Velizar Velkov, Sofia "Justinian wollte den lstros zum stärksten Schutzwall für die erwähnten Städte sowie für ganz Europa machen. Deshalb ließ er am Ufer dieses Flusses viele Festungen errichten, wie ich etwas später darlegen werde, und stellte überall am Ufer Wachposten auf, welche verhindern sollten, daß die dortigen Feinde über den Fluß kamen. Doch obwohl er das tat, war er nicht überzeugt, daß seine Maßnahmen ausreichend Wirkung zeigen würden. Er dachte, daß, wenn es den Feinden gelänge, auf irgendeine Weise über den Fluß zu kommen, sie sich auf völlig schutzlose Siedlungen stürzen, alle Menschen, die zum Kriegsdienst taugten, als Sklaven verschleppen und alles plündern würden. Deshalb gab er sich nicht damit zufrieden, ihnen nur überhaupt Schutz durch die am Fluß errichteten Festungen zu gewährleisten, sondern er schuf auch eine besondere Verteidigung für sie. Folglich ließ er in kurzen Abständen an verschiedenen Stellen Festungen errichten, so daß die Siedlungen zu Festungen wurden oder sich in der Nähe eines befestigten Ortes befanden" 1 '. Selbstverständlich schuf Kaiser Justinian nicht als erster den Donaulimes. Der panegyrische Ton Prokops in seinem Werk "De aedificiis" in bezug auf die Ideen und die Möglichkeiten Justinians zu bauen, ist seit langem kritisch bewertet worden. Die gegenwärtige Wissenschaft weiß die Bedeutung der konkreten Information über die tatsächlich großartige Bautätigkeit zu schätzen, welche die Balkanprovinzen in der ersten Hälfte des sechsten Jahrhunderts erfaßte. Sie begann allerdings schon unter Kaiser Anastasios, wie aus neuen epigraphischen Funden und archäologischen Forschungen immer deutlicher hervorgeht, und erreichte ihren Höhepunkt in der Regierungszeit Justinians. Konstantinopel hatte die reale Gefahr gerade der Slaweneinfälle richtig eingeschätzt. Ich teile die Meinung jener, nach denen die Militärbautätigkeit am Donaulimes die Befestigung der gefährlichsten Stellen an der unteren Donau bezweckte, wo rein natürliche Gegebenheiten die Überquerung des Stroms begünstigten. Durch einen gegenwärtigen Vergleich der lokalen Dichte der Festungen am Limes und im Landesinneren mit den Angaben der schriftlichen Quellen läßt sich die eventuelle Richtung des Eindringens der Slawen in die südlich der Donau liegenden Gebiete Procop, de aedii. IV, 1,33-35 dirsg. Haury-Wirth).
142
Velizar Velkov
in großen Zügen u m r e i ß e n 2 ' . Dazu kommen die Angaben von Münzhortfunden, von Schätzen, die in diesen Jahren längs bestimmter Straßen vergraben wurden und unsere Kenntnis der Wege ergänzen, auf welchen die Slawen in das Landesinnere eindrangen. Sie lassen den guten Aufbau der Verteidigungsstrategie von Byzanz erkennen. Die Strategen und Baumeister Konstantinopels besaßen eine große, jahrhundertelange Erfahrung auf dem Gebiete der Militärorganisation am Donaulimes; sie kannten auch die "schwachen Punkte" sowie die traditionellen Siedlungen, in denen Truppen stationiert wurden, wie auch die alten Straßen im heutigen Nordbulgarien. Bekannt waren auch die wenigen Balkanpässe, über welche die Eindringlinge im d r i t t e n bis fünften Jahrhundert nach Thrakien kamen und imstande waren, Byzantion bzw. das spätere Konstantinopel real zu bedrohen. Auf dieser Grundlage wurde die Strategie Konstantinopels hinsichtlich der militärischen B a u t ä t i g k e i t und der Organisation der Verteidigung der Donaugrenze aufgebaut, wobei einige damalige spezifische
Eigenheiten der Organisation
der m i l i t a r i s i e r t e n einheimischen Bevölkerung berücksichtigt wurden. Eine solche Organisation ist schon im ausgehenden fünften Jahrhundert, zur Zeit des Kaisers Anastasios, festzustellen, als auch den Quellen nach die ersten A n g r i f f e der Slawen zu verzeichnen waren und die schon als die ernsteste künftige Bedrohung des Reiches von Norden her erkannt wurden. Die nachfolgende Entwicklung bewies, daß Konstantinopcl die reale Bedrohung für die byzantinische Macht,
welche
die
weitere
Entwicklung
auf der südöstlichen
Balkanhalbinsel
darstellen konnte, r i c h t i g eingeschätzt hatte. Obgleich die Bautätigkeit am L i mes ein für die damalige Zeit tatsächlich außerordentliches Maß erreichte, hielt der Limes als Ganzes jedoch kaum ein Jahrhundert stand, nämlich bis zum A n fang des siebten Jahrhunderts. Er vermochte nicht, die historische Entwicklung in diesem Teil Europas zur Zeit der ausgehenden Antike aufzuhalten. Die
Idee, die
stammte
untere
Donau zur Grenze des Römischen Reiches zu machen,
von Gaius Julius Caesar. Rom herrschte schon über die Westgebiete
der Balkanhalbinsel, über ganz Hellas, das ägäische Thrakien, Südostthrakien an den Dardanellen und dem Bosporus sowie über Kleinasien. Es war klar, daß die Ruhe in diesen Gebieten von einer gesicherten Grenze an der unteren Donau abhing. Der allzu frühe Tod Caesars verzögerte die Verwirklichung dieser Idee. Sie Ausführlich bei: S. A. Ivanov, Oborona Vizantii i geografia "varvarskih" vtorSemi cerez Dunaj v pervoj polovine VI veka. (Die Verteidigung Byzanz und die Geographie der "barbarischen" Einwanderungen über Donau in der ersten Hälfte des VI. Jhdts) Vizantijskij vremennik 44, 1983, 43Ü.
M3
Der Donaulimes in Bulgarien und das Vordringen der Slawen
wurde von Octavian Augustus wieder aufgegriffen, und schon im Jahre nach der Gründung des Principats (29 v.u.Z.) begann das römische Heer, von Marcus L i c i nius Crassus angeführt, die Gebiete an der unteren Donau zu erobern3). Das geschah
sogar
vor
der
endgültigen
Unterwerfung
des thrakischen
Reiches
im
heutigen Südbulgarien und dem Strand2agebiet, das, von Rom abhängig, bis um das Jahr 45 fortbestand. Um die Zeitenwende
schlugen römische
Truppen an
strategisch wichtigen Orten im heutigen Nordbulgarien, vorwiegend an den Mündungen von Nebenflüssen
der Donau, ihre Lager auf: So konnten sowohl die
Flußtäler im Landesinneren von Mösien wie auch die bequemen Übergangsstellen am linken Ufer überwacht
werden. Solche frühen M i l i t ä r l a g e r
wurden an der
Mündung der Ar£arica (der antike Name des Flusses ist uns unbekannt) einger i c h t e t , wo sich später die große Stadt Ratiaria e n t w i c k e l t e . Hier befand sich auch eine der Hauptstationen der Donauflotte. Ihre Beteiligung an Kriegshandlungen längs der Donau in den Jahren 12 und 15 u.Z. ist d o k u m e n t i e r t . M i l i t ä r i sche Lager gab es an der Mündung des lskos (heute Iskär), wo später die große Stadt Oescus entstand, desgleichen an der Augusta (heute Ogosta) - später die Siedlung Augusta, an der Mündung des Asamus (heute Osäm) - später die Siedlung Asamus an der Mündung des Utus (heute Vit) - später die Siedlung Utus an der Mündung des Noes - später die Siedlung Novae. Schon in der M i t t e des ersten Jahrhunderts ließ sich hier in einem Standlager die legio 1 Italica
nieder,
die bis zum Ende der A n t i k e dort blieb. An der Mündung des Rusenski Lom (der antike Name ist unbekannt) entstand aus einer Station der D o n a u f l o t t e die Stadt Sexaginta Prista ("60 Schiffe"). Truppen t r e f f e n wir auch bei Appiaria (dem heutigen Dorf Rjachovo) und besonders in Durostorum (heute Silistra) an, wo sich Anfang des zweiten Jahrhunderts die legio XI Claudia niederließ und ebenfalls bis zum Ende der Antike b l i e b t . Das waren die hauptsächlichen frühesten Stationen am unterdonauländischen L i mes (am Donauufer
in der VR Bulgarien). Im ersten Jahrhundert wurde dieser
Limes
für
als
Schranke
die Daker und andere Stämme, welche
nördlich der
Donau auf dem Gebiet des heutigen Rumänien wohnten, e r r i c h t e t . Zur Zeit sind
^
Die wichtigste Quelle ist Dio Cassius LI 23, 2-27,2. Vgl. B. Gerov, Epigraphische Beiträge zur Geschichte des musischen Limes in vorclaudischer Zeit, in: Beiträge zur Geschichte der römischen Provinzen Moesien und Thrakien (Amsterdam 1980) 147H.; V. Velkov, Eine neue Inschrift über Laberius Maximus und ihre Bedeutung für die ältere Geschichte der Provinz Moesia Inferior, in: Epigraphica 27, fasc. 1-4, 1966, 9off. (= V. Velkov, Roman Cities in Bulgaria (Amsterdam 1980) 35f£.).
Velizar Velkov
144
keine
archäologischen
Schicht aus dieser
Bauten aus dieser
Zeit
Frühphase entdeckt worden, da die
fast überall von späteren Bauten aus dem d r i t t e n bis
sechsten Jahrhundert überdeckt ist. Nach den dakischen Kriegen des Kaisers Trajan zu Anfang des zweiten Jahrhunderts, als die nördliche Grenze weit nach Norden verlegt wurde, waren Oberund Untermösien
in diesen Abschnitten keine Grenzprovinzen mehr. Eigentlich
war die Donau die Grenze zwischen diesen und den dakischen Provinzen. Dessen ungeachtet, blieben die 1. Italische und die X I . Claudische Legion in den zwei w i c h t i g e n Lagern Novae und Durostorum. Die Lage im Nordosten war nicht völlig von Rom beherrscht; es liefen schon Nachrichten über verschiedene Stämme ein, die sich auf die Grenzen des Reichs zu bewegten. Diese
im allgemeinen ruhige Entwicklung hielt bis zur M i t t e des d r i t t e n Jahr-
hunderts an. Der E i n f a l l der Kostoboken in den 6oer Jahren des zweiten Jahrhunderts nahm seinen Weg über die heutige Dobrudscha und betraf nicht das heutige
Nordbulgarien, sondern nur östliche und südöstliche thrakische Gebie-
t e s ) . Das Siedlungsleben am Donaulimes im zweiten Jahrhundert bis zum Anfang des v i e r t e n Jahrhunderts ist wie folgt in den römischen Itinerarien festgehalten worden: Bononia (heute Vidin), Ratiaria (heute A r c a r ) , Remetodia (Orsoja), A l mus
(Lom),
Pomodiana,
Cebros
(heute
an der Mündung der Cibrica, wo die
Grenze zwischen Ober- und Untermösien v e r l i e f ) , Augusta (Härlec), Variana, Valeriana, Pedonianis, Oescus (Gigen) - die einzige Kolonie in Untermösien - Utus (Milkovica), Securisca (Cerkovica), Asamus (Muselievo), Dimum (Belene), Novae (bei Svis'tov), T r i m a m m i u m Appiaria
(Martensko Kaie), latrus, Sexaginta Prista (Russe),
(Rjachovo), Nigrinianis, Candidiana, T e g u l i t i u m , Transmarisca (Tutra-
kan), Durostorum (Silistra)^). Die Einfälle
von Barbarenstämmen, deren Namen nicht immer feststehen, von
denen aber am häufigsten Goten, Sarmaten, Bastarnen, Alanen und Karpen erwähnt mit
werden, brachten bedeutende Verwüstungen im heutigen
sich
-
es wurden
schwach geschützte überhaupt
viele
villae,
Wegstationen
und Dörfer
Limes, den es in manchen Abschnitten als
Nordbulgarien zerstört.
Der
Schutzsystem
nicht gab, war leicht zu überwinden. Die Eindringlinge kamen von
Norden und f i e l e n in der Nähe von Durostorum und Novae in das heutige Nord5
13. Gerov, Die Krisis in den Ostbalkanländern während der Alleinregierung des Kaisers A u r e lius. i n : B e i t r ä g e (s. A n m . 4) 2 5 9 f r . I t i n . A n t . 219,2-223,4; M i l l e r (Hrsg.), Tabula Peutingeriana, c o l . 4 9 6 Ü .
Der Donaulimes in Bulgarien und das Vordringen der Slawen
MS
bulgarien ein. Ein Teil folgte der Donaustraße und drang von dort aus über die Flußtäler und die bestehenden Straßen t i e f in Nordbulgarien ein. Andere wandten sich nach Südbulgarien und eroberten sogar die größte Stadt, Philippopolis. Einer der größten Einfälle, der die Gebiete im heutigen Nordbulgarien
betraf,
fiel in die Jahre der Regierung des Kaisers Decius, der selbst in der bekannten Schlacht bei Abritus (heute Razgrad) f i e l . Die Züge der Eindringlinge in diesen Jahren lassen sich gut verfolgen und sind durch Münzhortfunde, deren späteste Exemplare aus dem Jahre 251 stammen, d o k u m e n t i e r t .
Die K a r t e gibt
einen
guten Überblick über die wichtigsten und t r a d i t i o n e l l e n Wege, über die auch in den folgenden Jahrhunderten die einen oder anderen Eindringlinge zogen7). Diese Ereignisse, die beginnende w i r t s c h a f t l i c h e und politische Krise des Römischen
Reiches, führten
zu großen administrativen Veränderungen
im
territo-
rialen Ganzen des Reiches, die eben den südöstlichen Balkan b e t r a f e n . Rom zog sich aus seinen Gebieten jenseits der Donau zurück, und diese wurde zur Staatsgrenze zwischen dem Reich und den Barbarenstämmen und -Völkern, die sich massenhaft in den nördlich der Donau liegenden Gebieten ansiedelten. Es ist kein Z u f a l l , daß die erste Sorge des Kaisers D i o c l e t i a n bei der von ihm eingeleiteten vollständigen m i l i t ä r i s c h - a d m i n i s t r a t i v e n bau
des
unterdonauländischen
Limes
war.
An
Reorganisation der
mehreren
Stellen
mußten
Aufdie
Grenzsicherungsanlagen von Grund auf neu e r r i c h t e t werden. S c h r i f t l i c h e Quellen vermerken den Bau von "castella et praesidia"°). Der Kaiser besuchte einige Male fast alle Siedlungen an der Donau persönlich. Das ist für die Jahre 293, 294, 295 und 303 bezcugt9). Diese Organisation wurde ständige Aufgabe auch der nachfolgenden Kaiser - Konstantins des Großen, Konstantius 1 11., Valens. Die erhaltenen Bauinschriften und Schriftquellcn (vgl. z.B. die Erzählung von T h e m i stius, der in den 60er Jahren des vierten Jahrhunderts eines Donaukastclls in der Dobrudscha w a r )
10
Augenzeuge des Baus
' weisen auf einen kontinuierlichen
Prozeß hin, der durch die Stationierung ständiger Heeresteile noch k o m p l i z i e r t e r wurde.
7
B. Gerov, Die Einfälle der Nordvölker in den Ostbalkanraum im L i c h t e der M ü n z s c h a t z f u n de. i n : A u f s t i e g und Niedergang der Komischen Welt I I . F r i n c i p a t 6 ( B e r l i n 1977) 110-181.
8) "
Panegyrici L a t i n i IV 18: Nam quid ego alarum et c o h o r t i u m castra percenseam t o t o Rheni et H i s t r i et Eufratis l i m i t e r e s t i t u t a ? V. Velkov, Cities in Thrace and Dacia in Late A n t i q u i t y . Studies and M a t e r i a l s ( A m s t e r d a m 1977) 24-25; L a c t , De m o r t . persec. 17,4: per c i r e u i t u m ripae I s t r i c a e . V. Velkov, Cities (vgl. A n m . 9) 209-211; T h e m i s t , Or. 10, 1 3 6 d - i 38a-b.
146
Velizar Velkov
In militärisch-strategischer Hinsicht widmete Konstantinopel dieser Gegend besondere Aufmerksamkeit. Die Provinzen Untermösien und Skythien als Teile der Diözese Thrakien waren faktisch eine der bedeutendsten Schranken auf dem Wege der Barbarenstämme nach der Hauptstadt. Nach 313 war schon Konstantinopel, das alte Byzantion, selbst eine Stadt in Thrakien. Dacia Ripensis, das das heutige Nordwestbulgarien umfaßte, war der natürliche Weg zu den zentralen Gebieten des Balkans, die zur Praefektur lllyricum gehörten. Die Stationierung von Truppen mit ihren Lagern, d.h. die konkrete Organisation der Verteidigung des Limes ist uns aus den Notitia Dignitatum gut bekannt. Man nimmt an, daß dieses Dokument Anfang des fünften Jahrhunderts angefertigt wurde und der wesentliche Teil der in ihm enthaltenen Information sich folglich auf das vierte Jahrhundert bezieht. In diesem Sinne waren die Hauptorte des spätantiken Limes, der zur Zeit der großen Goteneinfälle (376-382) und eventuell bis zu den Einfällen der Hunnen in der Mitte des fünften Jahrhunderts seinem Zweck diente, die folgenden: Bononia, Dorticum, Cebrus, Drobeta, Variana, Almus, Aegeta, Utus, Crispitia, Transalba, Oescus, Translucus, Burgo Zono, Transdierna, Variniana, Burgo novo, Ratiaria, Sucidava, Siosta, Securisca, Dimum, Jatrus, Sexantaprista, Tegra, Appiaria, Asamus, Trimammium, Mediolana, Transmarisca, Candidiana, Tegulitium, Durostorum, Cimbrianae, Altinum, Novae 1 *'. Im Grunde waren alle Städte und Siedlungen, in denen die sogenannten Grenztruppen (Limitanei) stationiert waren, befestigt. Es kommen auch Namen neuer Kastelle wie Gratiana, Valentiniana vor, die offensichtlich unter den erwähnten Kaisern entstanden waren. Aus dem Jahre 365 ist ein spezieller lex an Tautomedes, dux der Dacia Ripensis, erhalten. Darin wird der Aufbau neuer turres in der ganzen Provinz sowie die Wiederherstellung der alten angeordnet 12 '. Diese Tatsache vermittelt eine gewisse Vorstellung von der Organisation des Limes im Landesinneren und zwar vor allem durch den Straßenschutz. Die verstärkte Befestigung des Limes und der ständige Bau neuer Festungen verlief gleichzeitig mit der zunehmenden Gefahr, die von Norden nahte. Der gegenwärtige Zustand der archäologischen Forschungen in den genannten Gebieten n )
Not. Dign. Or. XL; XLII. Cod. Theod. 15,1,13: Tautomedi duci Daciae Ripensis. In limite gravitati tuae commisso praeter eas turres, quas refici oportet si forte indigeant refectione, turres administrationis tempore locis opportunis extrue.
147
Der Donaulimes in Bulgarien und das Vordringen der Slawen
gestattet nicht, die genaue Chronologie der erwähnten Objekte
festzustellen,
nämlich wann die Mauern ursprünglich e r r i c h t e t , ausgebessert oder
zusätzlich
verstärkt wurden. Eine gewisse Ausnahme machen Novae und R a t i a r i a . Eine Not i z des Themistius über den Bau eines donauländischen Kastells, v e r m u t l i c h C i us, gibt uns eine vage Vorstellung: Er bemerkt, daß die Mauern mehrerer
Ka-
stelle, deren Bau schon unter den "früheren" Kaisern begonnen h a t t e , zu niedrig waren und aufgestockt werden mußten. Er beschreibt die endlose Reihe von Wagen, die Steine und anderes Baumaterial brachten - eine schwere P f l i c h t für die ansässigen Bauern. An manchen Stellen waren auch neue Kastelle n ö t i g 1 1 ' . Die oben erwähnten Kastelle wie Gratiana, Valentiniana u.a. wurden v e r m u t l i c h in diesen Jahren gebaut. Aufmerksamkeit
verdient ein Absatz desselben
Autors.
Daraus wird ersichtlich, daß diese Kastelle am ganzen Unterlauf der Donau mit genügend Waffen und Lebensmitteln versorgt werden mußten, die aus anderen Provinzen mit Schiffen über das Schwarze Meer gebracht, dann auf Flußschiffe im Donaudelta umgeladen und darauf den donauländischen Kastellen zugeteilt wurdenM). Das ist ein Hinweis darauf, daß in diesen ruhigen und im allgemeinen für das heutige Nordbulgarien und die Dobrudscha guten Jahren die Produktion nicht ausreichte, besonders wenn man mit schweren Jahren rechnen mußte, die auch tatsächlich kamen. Doch das läßt die Frage nach ähnlichen Zuständen im fünften bis sechsten Jahrhundert und den tatsächlichen Verbindungen der Zentralmacht mit dem unterdonauländischen Limes u n b e a n t w o r t e t . Das Ergebnis dieser ständigen Fürsorge war ein sehr fester, stabiler unterdonauländischer Limes am Vorabend der großen Goteneinfälle. Die dort s t a t i o n i e r t e n Truppen waren imstande, die Eindringlinge abzuwehren. Doch wissen w i r , daß die Westgoten f r e i w i l l i g nach Untermösien übersiedelten und sich im Inneren des Reiches selbst erhoben. Dabei wurden Nordostbulgarien und die Dobrudscha arg in Mitleidenschaft gezogen. Bekannt ist ein Gesetz aus dem Jahre 377, mit dem die Steuern der dortigen Bevölkerung mit Rücksicht darauf herabgesetzt
wur-
d e n ^ ) . Angaben über eine Beschädigung des Limes, die Eroberung von Festungen oder Städten - ihre Umgebung ausgenommen - durch die Westgoten aber
V. Velkov, Themistius as a source of Information about Thrace. in: V. Velkov, Roman Cities in Bulgaria (Amsterdam 1980) 193-194. M)
'
s)
Ebd. 189. Cod. Theod. VII 6,3.
148
Velizac Velkov
besitzen wir nicht. Die Quellen vermerken nur, daß infolge der Schwächung des Limes in Dacia Ripensis irgendwelche Alanen in die Provinz eingefallen, jedoch schnell vertrieben worden wären 1 ^). In den schweren letzten 20 Jahren des vierten und unmittelbar zu Beginn des f ü n f t e n Jahrhunderts berichten die Quellen nur über Einzelfälle von Überquerungen
der
Donau. Die gesamte
militärisch-politische
Krise im Reich führte
schließlich im Jahre 395 zu seiner endgültigen Teilung in eine östliche und eine westliche
H ä l f t e . Das hatte selbstverständlich eine Schwächung des Limes zur
Folge, was vor allem bei der Zusammensetzung der dort stationierten Truppen und, was die Basis dieser Kastelle und Städte b e t r i f f t , an der Verwüstung und Verödung des Landes zu erkennen ist. Für den Limes entstand j e t z t ein ernstes Problem, von dem im Grunde die Mögl i c h k e i t der Verteidigung der Grenze selbst abhing: der ethnische Charakter der Bevölkerung am Donauufer und der Charakter der S t r e i t k r ä f t e , welche den L i mes zu unterhalten hatten. Dazu k a m , daß die Grenze zwischen beiden Teilen des Reiches nach 395 dem Lauf des Utus (heute Vit) f o l g t e , d.h. durch die M i t t e des
heutigen
Nordbulgarien
verlief.
Abgesehen
von
dem
in
administrativer
Hinsicht veränderlichen Schicksal des sogenannten Ostillyricum (das auch Dacia Ripensis umfaßte) zeichneten sich mehrere Mittelpunkte ab, die für die m i l i t ä rische Verteidigung des untcrdonauländischen Limes sorgen mußten. Der ethnische Charakter der Bevölkerung am unterdonauländischen Limes zeigte im v i e r t e n bis sechsten Jahrhundert eine ausgesprochene Tendenz zu Veränderungen. Eine Barbarisierung der ansässigen Einwohner machte sich schon in der ersten Hälfte des vierten Jahrhunderts auf Grund der Ansiedlung von Goten und anderer Stämme in den nach den Ereignissen um die M i t t e des d r i t t e n Jahrhunderts verödeten Gebieten bemerkbar. In den nachfolgenden Jahrhunderten vers t ä r k t e sie sich, und im sechsten Jahrhundert kann man nur schwer Spuren der alten romanisierten Bevölkerung und zwar einzig in den größten Städten am L i mes Ratiaria, Novae und Durostorum entdecken. Dieser Prozeß verlief in Zusammenhang
mit
den Veränderungen
in der
ethnischen
Zusammensetzng der
Truppen, deren Aufgabe der Schutz des Limes war. Bekanntlich rekrutierte sich die Grenzsoldatenarmee (limitanei) nur aus der einheimischen Bevölkerung. Diese Soldaten entwickelten sich allmählich zu lokalen Gutsbesitzern, die selbst am Schutz ihrer eigenen Güter interessiert waren. l6)
Amm. Marceil. XXXI 11,6.
149
Der Donaulimes in Bulgarien und das Vordringen der Slawen
In den l e t z t e n Jahren des d r i t t e n und in der ersten Hälfte des vierten Jahrhunderts berichten die Quellen über die Ansiedlung von Barbarenstämmen verschiedener ethnischer
Herkunft
in Nordbulgarien und der Dobrudscha: von Karpen,
Jazygen-Sarmaten, Goten, Ostroghoten, Alanen, Westgoten und B a s t a r n e n ^ ) . Viele von ihnen haben konkrete Spuren in der Toponymie hinterlassen, da ihre Siedlungen nach ihrer ethnischen Zugehörigkeit benannt wurden: Vicus Carpor u m , unmittelbar
am Limes in der Dobrudscha g e l e g e n 1 " ' , Sarmates, Scythias,
Basternas1^. Mit
manchen von ihnen schloß Byzanz Verträge über den Schutz
der Grenze gegen Bezahlung und andere Privilegien. Dieser Prozeß verstärkte sich im f ü n f t e n Jahrhundert. Die Westgoten selbst mußten 376 eben als das, was sie waren, als Foederaten in Nordbulgarien und der Dobrudscha angesiedelt werden. Nach der Auflösung des Stammesverbandes der Hunnen wurden einige der Stämme, die ihm angehört h a t t e n , als Siedler an der unteren Donau aufgenommen. Von manchen von ihnen wissen wir auch konkret wo. So schreibt z.B. Jordanes: "Die Savromaten aber, die wir Sarmaten nennen, die Kemandren und ein Teil der Hunnen bewohnten die ihnen bei der Stadt Castra Martis in l l l y r i c u m zugewiesenen Siedlungen ... Und die Scyren, Sadagarcn und manche Alanen m i t ihrem Anführer Kandak erhielten Kleinskythien und Untcrmösicn ... Die Hunnen nahmen Utus, Oescus, Almus in Dacia Ripensis e i n " 2 0 ' . Eine Bestätigung dessen ist die Bemerkung Prokops, daß direkt an der Mündung des Iskos bei Oescus, das "seit alter Z e i t " bekannte Kastell Hunnon, d.h. das "Kastell der Hunnen", w i e derhergestellt w u r d e 2 1 ) . Die Ostroghoten Theoderichs wohnten in der M i t t e des f ü n f t e n Jahrhunderts vor ihrem
Rückzug nach Italien auch als Foederaten im
Gebiet von Novae und Marcianopolis. Ein Teil von ihnen blieb sogar d o r t 2 2 ' . Ähnliche Flußtäler, Eine
von Foederaten bewohnte Kastelle wurden auch am Anfang welche
solche
als bequeme
Foederatensiedlung,
Wege in das Landesinnerc f ü h r t e n , vermutlich
gotischen
Ursprungs,
errichtet. wurde
Die Quellen bei V. Velkov, Cities (s. A n m . 9) 262. A m m . M a r c e i l . X X V I I 5,5. Frocop, de aedit. IV,11 (p. 148,13-30); IV,4 (p. 122,33); Zos. I V , 5 1 ; I t i n . Burd. 565,8. l o r d . , Getica 265. Procop, de aedif. IV 6,34-35. V. Velkov, C i t i e s (s. A n m . 9) 274-275.
einiger
bei
150
Velizar Velkov
Sadovec am Anfang des Utustals (heute Vit) ausgegraben und erforscht 2 3). Sie lag zudem genau an der Grenze zwischen l l l y r i c u m und Thrakien und könnte, meiner Hypothese nach, mit dem von Prokop erwähnten Kastell Lapidaria ident i f i z i e r t werden. Diese A r t den Limes zu schützen, barg aber auch die Gefahr von Bündnissen der Foederaten m i t vom Norden einfallenden Stammesgenossen in sich. Solche Fälle sind festzustellen, wenn die Macht in Konstantinopel ihre P f l i c h t e n nicht e r f ü l l te. Ein typisches Beispiel dafür ist der bekannte Aufstand der von Vitalian angeführten Foederaten friedenheit
in der
Dobrudscha, abgesehen davon, daß er ihre Unzu-
für seine persönlichen Zwecke ausnutzte. Der Aufstand f i e l in die
ersten Jahre des sechsten Jahrhunderts 2 4). Diese Lage erregte berechtigte Besorgnis. Im Jahre 505 durchbrachen Scyren den Limes in der Umgebung von Bon o n i a - R a t i a r i a ; sie wurden aber bei Castra Martis geschlagen. In einer Verordn u n g ^ ) , die ihr weiteres Schicksal bestimmte, wurde ihre Ansiedlung in Dacia Ripensis kategorisch verboten, damit sie kein Bündnis mit den von Norden einfallenden Stämmen eingehen konnten. Sie mußten nach Kleinasien übersiedeln und zwar mit dem Status von Kolonen. Das geschah am Vorabend der e r w a r t e ten
Slaweneinfälle
und
mir
scheint, ohne die Weitsichtigkeit
Konstantinopels
überschätzen zu w o l l e n , daß diese Verordnung ebenfalls zu den Maßnahmen geh ö r t , m i t denen man die Verteidigung des Limes verstärken w o l l t e : vorwiegend durch die Organisation der Verteidigung durch die einheimische
militarisierte
Bevölkerung. Sichere
Angaben
über konkrete Siedlungen mit organisierten lokalen Truppen
sind auch in den N o t i t i a
Dignitatus, bezugnehmend auf das ausgehende vierte
Jahrhundert, zu finden: über die Siedlung Crispitia - auxilium Crispitensis, über Taliata - auxilium Taliatenscs, über Cimbrianae - milites C i m b r i a n i , über A l t i num - milites nauclarii Altinenses, auch milites Gratianenses - für G r a t i a n a 2 " ' . Zur Z e i t der Hunnencinfälle wurde der Limes in der Dobrudscha und Untermösien schwächer, der Limes in Dacia Ripensis etwas stärker b e t r o f f e n . Sogar die nach Priscus "größte und dichtbevölkerte" Stadt Ratiaria, wie man sie bis zur 21) J
V. Velkov, Eine G o t e n f e s t u n g bei Sadowetz. Germania 19, 1935, i 4 9 t f - ; G. Bersu, A 6 t h C e n t u r y G e r m a n S e t t l e m e n t of t o e d e r a t i . Golemanovo Kaie near Sadowetz, Bulgarien. A n t i q u i t y 12, 1938, 3 1 Ü .
4
W. Enßlin, RE 9 A , 1961, c o l . 347t. s.v. Vitalianus.
2s)
C o d . Theod. V, 6,3.
26)
N o t . ü i g n . ü r . X X X I X , 27; ü r . X L , 27; 28; Or. X L I , 27; Or. X L I I , 25.
Der Donaulimes in Bulgarien und das Vordringen der Slawen
151
M i t t e des fünften Jahrhunderts nannte, wurde erobert und stark in M i t l e i d e n schaft gezogen, zum erstenmal während ihres dreihundertjährigen Bestehens 2 ?). Mehrere kleinere Siedlungen in diesem Gebiet wie z.B. Asamus v e r t e i d i g t e n sich erfolgreich gegen die Hunnen. Diese Siedlung und ihre Landwehr werden noch einmal im letzten Jahrzehnt des Bestehens des Limes, Ende des sechsten Jahrhunderts, anläßlich des bekannten Feldzugs des Heerführers Peter, Bruder des Kaisers Mauricius, gegen die Slawen erwähnt. "Von alters her", schrieb Theophilaktes Simocatta, "gab es hier Truppen, zum Schutz der
Bürger, denn o f t
überfielen die Barbaren, die umherstreiften, die Stadt". Diese selbst hatte eine schriftliche
Erlaubnis aus der Zeit des Kaisers Justin (es ist nicht klar, ob es
sich um Justin I. (518-527) oder wahrscheinlicher Justin I I . (565-578) handelt), eben eine solche eigene Garnison zu unterhalten. Und als der Heerführer Peter an der Stadt vorbeizog, wollte er auch diese Garnison seinem Heer anschließen, als er "ihr ausgezeichnetes Aussehen" wahrnahm. Doch die Bürger widersetzten sich energisch und verschlossen ihm am Ende das S t a d t t o r 2 * ) . Eine ähnliche l o kale Garnison vom Ende des sechsten Jahrhunderts ist auch in Appiaria bezeugt. Abgesehen davon, daß Konstantinopel im sechsten Jahrhundert in kritischen Situationen auch reguläre Truppen schickte, war doch klar, daß die Z e n t r a l m a c h t nicht mehr in der Lage war, den Limes allein mit eigenen M i t t e l n zu schützen. Die Lösung dieses Problems suchte sie vor allem im Landesinncren. Es entsteht der Eindruck, daß der Limes im fünften bis sechsten Jahrhundert kaum mehr eine feste, ununterbrochene Schranke war, welche die Einfälle von Norden als Ganzes aufhalten sollte. Eher war er ein System von gut oder ungenügend befestigten Gliedern mit einer mehr oder weniger gut organisierten Landwehr. Im sechsten Jahrhundert verteidigte schon jede Stadt, jede Festung wesentlich ihre eigene Existenz, ihre Siedlung und ihr T e r r i t o r i u m . Aus den verhältnismäßig spärlichen Quellen läßt sich f e s t s t e l l e n , daß die T e n denz dieser Entwicklung schon im ausgehenden v i e r t e n Jahrhundert zu beobachten war und es sich um eine Auswirkung der Goteneinfälle und der Niederlage der spätrömischen Armee bei Adrianopel handelte. Die bedeutendste Folge war die Teilung des Reiches. Kaiser Theodosius I. hatte schon vorher gewisse Maßnahmen hinsichtlich der Erhaltung des Limes als einheitliches System, d.h. der
Prise fr. 3 (HGM 1, p. 281,23). Prise, fr. 5 (HGM 1, p. 284); Theoph. Sim. 7, 3,1-10.
152
Velizar Velkov
Erhaltung seiner Funktion im antiken Sinne getroffen. Während seines Zugs gegen die Ostroghoten im Donaudelta wurden den alten römischen Traditionen entsprechend die Straßen ausgebessert und neue Kastelle gebaut. Wieder im Einklang mit der alten Tradition ließ er auch die bekannte Theodosianische Säule in Konstantinopel errichten wie Trajan seine Säule in Rom. Auch sie war mit Reliefs bedeckt, die Szenen aus dem Leben der besiegten Ostroghoten darstellten. Die Meilensteine im Gebiet des unterdonauländischen Limes von 386 sind die letzten - nach ihnen verlor sich diese Art der Erhaltung des Straßensystems 2 9). Die epigraphischen und anderen Angaben über die Bautätigkeit am Limes zu Anfang des fünften Jahrhunderts und insgesamt bis zu den Hunneneinfällen sind sehr spärlich. Etwas Licht auf diese Frage wirft ein Bruchstück einer offiziellen Inschrift, vermutlich einer Bauinschrift, das in der spätantiken Festung bei Berkovica (Dacia Ripensis) entdeckt wurde. Die Inschrift wird gegen 408/410 datiert und mit der Bautätigkeit des Herculius praef. pretorio lllyrici sowohl in der ganzen Praefcktur wie auch konkret in Dacia Ripensis in Zusammenhang geb r a c h t e ) . Bekannt sind auch einige Novellen des Kaisers Theodosius II. aus den Jahren 408, 412, 418 und 443, die sich auf die Unterhaltung der Donauflottc, das Problem des Landbesitzes der einheimischen Bevölkerung und auf die Erhaltung der Verteidigungsfähigkeit der Bevölkerung überhaupt beziehenB1). Die letzte Etappe der Entwicklung des unterdonauländischen Limes hängt mit der Tätigkeit von Anastasius und Justinian zusammen, die auch eng mit der Organisation der Verteidigung gegen die slawischen Stämme verbunden war. Ihre Art der "Restaurierung" des Limes, im Grunde ihre gesamte grandiose Bautätigkeit, war ein Teil der großen Idee Justinians, das alte Römische Reich wiederherzustellen: Der Limes sollte so organisiert sein und so funktionieren wie zur Blütezeit des Römischen Reiches. Außerdem mußten die Mauern vieler Festungen sowieso ausgebessert werden. Eine Analyse der von Prokop gebrauchten Termini für die verschiedenen Stufen der Wiederherstellungen "völlig wiederhergestellt", "hat eine neue Festung gebaut", "ließ wiederherstellen, was im Laufe
V. Velkov, Cities (s. Anm. 9) 194-196. Ders., Frühbyzantinische Inschriften von Dacia Ripensis (V.-Vl. Jhdt.). Byzantina 13, 1985 [- Festschrift J. Karajannopulos ] 883-891. Z. B. vom Jahre 443, vgl. Nov. Theod. XXIII.
Der Donaulimes in Bulgarien und das Vordringen der Slawen
153
der Zeit vernachlässigt
worden war" usw. verglichen m i t den Ergebnissen von
Ausgrabungen
Objekte,
mancher
erweist
die
Genauigkeit
der
Angaben
Pro-
2
kops3 '. Diese Bautätigkeit begann praktisch mit A r b e i t e n am Limes, später
erstreckte
sie sich auch auf das Landesinnere. Mehrere Entdeckungen jüngeren
Datums
weisen jedoch darauf hin, daß die Bautätigkeit am Limes schon unter Anastasius begonnen hatte, in einigen Fällen dann aber Justinian zugeschrieben wurde. Die Ausgrabungen der westlichen Festungsmauer und des Westtors von Ratiaria zeigten, daß die große Wiederherstellung nach den Hunneneinfällen erst unter Anastasius vorgenommen wurde. Wieder im Geiste der antiken T r a d i t i o n nahm die Stadt sogar den Namen ihres Wiederhcrstellers an. Auf einem Quaderstein in der
Fassade des Westtors ist zu lesen: Anastasiana
d.h., "Möge Anastasius'
Ratiaria
semper
florcat,
Rataria ewig blühen!"33/. Das erinnert an den Namen
der Stadt im zweiten Jahrhundert - Trajana R a t i a r i a . Eine Analyse der Bauten zeigt aber, daß mehrere Arbeiten später, v e r m u t l i c h unter Justinian, beendet wurden. Die Grabungen in der S t a d t m i t t e brachten sehr d e u t l i c h die auf bedeutenden Ruinen gelegene Schicht aus dem sechsten Jahrhundert zu Tage, die auf eine für ihre Zeit bedeutende Stadt hinweist. Das sechste Jahrhundert sowie
zeichnet sich klar in der städtebaulichen
im Vorhandensein monumentaler
Konzeption
Kirchenbauten auch in Novae ab. Die
Zahl der Festungen am Limes nahm zu; es kamen neue Namen auf, von denen einige mit der Dynastie Justinians wie z.B. Thcodoropolis verbunden sind. Offensichtlich war man bestrebt, die Verteidigungsfunktion des Limes durch die Dichte der Festungen zu erhöhen. Die Absicht ihn wieder zu einem einheitlichen Verteidigungssystem auszubauen, ist deutlich sichtbar.
Unter Justinian werden
einzelne Truppen in ständige Lager in einigen der wiederhergestellten Kastellen s t a t i o n i e r t , was auch epigraphisch bezeugt ist. In manchen Fällen hing das mit konkreten slawischen Siedlungen zusammen wie z.B. U l m e t u m in der Dobrudscha.
A u s f ü h r l i c h über die B a u t ä t i g k e i t Justinians v g l . S. A . Ivanov, Oborona V i z a n t i i i g e o g r a f i a " v a r v a r s k i h " v t o r i e n i l (s. A n m . 2) 2 7 H . V. Velkov, Väzponenatelen nadpis za imperator Anastasius (491-518) o t R a t i a r i a (Eine neue Inschrift von Kaiser Anastasius (491-518) aus R a t i a r i a ) . A r c h e o l o g i j a Sofia 26, 2-3, 1984, 92ff.
154
Velizar Velkov
Nach den Angaben Prokops sah der behandelte Sektor des unterdonauländischen Limes in den Provinzen Dacia Ripensis und Untermösien wie folgt aus: Dacia Ripensis Dorticum, Judaeus, Burgualtus, Gombes, Crispas, Longiniana, Ponteserion, Bononia, Novon, Ratiaria, Mocatiana, Almus, Tricessa, Putedis, Cebrus, Bigranae, Onus, Augusta, Aedava, Variana, Valeriana, Castra Martis, Zetnukurtu, Oescus, Hunnon, Palatiolon, Sucidava, Utus, Lapidaria, Lucernariaburgus Moesia secunda Securisca, Quintodimum, Theodoropolis, latrus, Tigra (Tigas), Maxentium, Qinton, Transmarisca, Sexantaprista, Daphne, Candidiana, Durostorum (Dorostolon), Tilikion, Saltupyrgos, Questris, Palmatis34) Von den Siedlungen bzw. Festungen, von denen wir wissen, daß sie hier früher existierten, erwähnt Prokop folgende nicht: Rcmetodia, Pedonianis, Asamus, Trimammium. Von einigen könnte man annehmen, daß sie keiner Renovierung bedurften (z.B. Asamus), von anderen aber, daß sie vielleicht schon zerstört waren. Eine gewöhnliche Aufzählung der wiederhergestellten Festungen am ganzen unterdonauländischen Limes von Singidunum bis zum Donaudelta - und das sind fast i i o - erweist, daß etwa je 50 am Limes der beiden erwähnten Provinzen lagen, an dem im Durchschnitt in Abständen von 6-io km eine Festung hervorragte. Diese Statistik ist auch deshalb interessant, weil bei einem Vergleich mit den Angaben über den skythischen Limes - von Durostorum bis zum Delta - ersichtlich wird, daß auf dieser langen Strecke, nur neun wiederhergestellt bzw. ausgebessert wurden: Altinum, Sucideva, Axiopolis, Carsium, Creas, Troesmis, Noviodunum, Gratiana, Ad stoma35). Die Lösung des Problems, das sich durch diesen offensichtlichen Unterschied ergibt, ist schwierig, da die Festungen in Skythien und teilweise in Untermösien bei Prokop durcheinander, ohne jegliche Reihenfolge aufgeführt sind. Unter ihnen finden wir auch mehrere Namen, die nicht aus älteren Quellen bekannt sind. Außerdem wurden am skythischen Limes
" ^5
Procop, de aedif. IV 6; IV 7; V. UeSevliev, Zur Deutung der Kastellnamen in Procop's Werk "De aedifieiis" (Amsterdam 1978) passim. Procop, de aedif. IV 11 (hrsg. Haury-Wirth p. 147-149).
155
Der Donaulimes in Bulgarien und das Vordringen der Slawen
archäologisch
etwa
15 Befestigungen
lokalisiert, deren Namen nicht
bekannt
sind und gegenwärtig nur schwer mit den von Prokop erwähnten Festungen in Verbindung gebracht werden können. So erreichte der unterdonauländische
Limes an den Grenzen beider
Provinzen
gegen die M i t t e des sechsten Jahrhunderts ein solches Ausmaß und eine so gewaltige Dichte an Befestigungen, wie er sie während seines ganzen, fast
fünf-
hundertjährigen Bestehens nicht gehabt h a t t e . Die zahlreichen Einwohner dieser Gebiete im sechsten Jahrhundert
kann man als byzantinische
Provinzialbevöl-
kerung mit ihren typischen Zügen ethnischer V i e l f a l t in u n m i t t e l b a r e r
Nachbar-
schaft mit der Barbarenwelt charakterisieren. Sie e n t w i c k e l t e n auch eine bedeutende materielle
Kultur. Zahlreiche Angaben weisen darauf hin, daß besonders
die großen Städte Beziehungen zu Konstantinopel u n t e r h i e l t e n . Zieht man den gegenwärtigen Stand der archäologischen Forschungen und ihre Perspektiven in Betracht, so sind die Überreste von Ratiaria und Novae am vielversprechendsten. Auf dem überwiegenden Teil ihrer Flächen haben sich keine späteren Siedlungen e n t w i c k e l t .
Jetzt
werden dort
regelmäßige
archäologische
Grabungen
vorgenommen, die ständig wichtige Angaben über die l e t z t e Etappe des Lebens dieser größten Städte am frühbyzantinischen Limes l i e f e r n . Trotz seiner für die damalige Zeit außerordentlichen Ausmaße und K o n z e n t r a t i on von S t r e i t k r ä f t e n vermochte der Limes nicht, die Slawcneinfälle aufzuhalten. Das Vordringen der Slawen und ihre ersten Siedlungsversuche begannen zu einem unbekannten Tatsache
Zeitpunkt;
Konstantinopel
Anfang des sechsten vor
ernste
Probleme.
Jahrhunderts
aber stellte
Das Ergebnis
war der
diese Beginn
einer großangelegten militärischen B a u t ä t i g k e i t . Der Streit um das früheste Erscheinen von Slawen südlich der Donau beschäftigte die Wissenschaft fast ein Jahrhundert lang, ohne daß bisher genügend g e w i c h tige Argumente zugunsten eines bestimmten Datums angeführt werden konnten. Die Ursache dafür ist, daß angesichts dieses k o m p l i z i e r t e n ethnischen Gemischs von Stämmen, die das Reich im vierten bis f ü n f t e n Jahrhundert überfielen, den byzantinischen
Chronisten und Schriftstellern die ethnische
Zugehörigkeit
des
einen oder anderen Stammes nicht immer klar war. Außerdem ist bei den byzantinischen Autoren eine ausgesprochene Tendenz zu beobachten, die Namen von fremden Stämmen und Völkern in archaisierenden F o r m e n wiederzugeben. So wurden z.B. Goten oder überhaupt alle aus den nördlich der Donau liegenden Gebieten kommenden Stämme als Geten oder Skythen bezeichnet.
i56
Velizar Velkov
Ohne auf
Einzelheiten
in der umfangreichen L i t e r a t u r
über die frühen slawi-
schen Einfälle im sechsten Jahrhundert einzugehen36) ; könnte man beispielsweise die A u f m e r k s a m k e i t auf einige einzelne Aspekte dieses Problems lenken. So liefert
z.B. die Deutung antiker Ortsnamen gewisse Auskünfte.
Münzhortfunde
könnten im Zusammenhang m i t den Straßen, an denen die Münzen vergraben wurden, auf das Datum und die Richtung einzelner Einfälle hinweisen. Wegen des Mangels an sicher datierenden Elementen stoßen die archäologischen Grabungen in Zusammenhang mit der Erforschung der frühesten slawischen Siedlungen auf ernste Probleme hinsichtlich der Chronologie dieser Siedlungen. Und t r o t z d e m t r ä g t die komplexe Deutung sprachlicher, historischer und archäologischer Angaben zur Erhellung einiger Fragen bei: Schon Ende des vorigen Jahrhunderts wurde darauf aufmerksam gemacht, daß es unter den von Prokop erwähnten, in die Hunderte gehende Ortsnamen auch solche g i b t , die Hinweise auf die Über- und Ansiedlung von den aus dem Norden kommenden Stämmen geben könnten wie z.B. die hier erwähnten Sarmathes, vicus Carporum, Basternas. In diesem Zusammenhang suchte
man auch nach slawischen Namen. Nach vielen
Diskussionen über die Deutung solcher
Namen, deren Zahl zwischen 90 und o
schwankt, scheinen die meisten Forscher darin übereinzustimmen, daß folgende Namen als slawisch gedeutet werden können: AoupßouXiava, Bpax^Laxa, TC,ep£evooxC.ac; Aeupiac,, Tpi!ßo37^. Nach den Stellen, an denen sie bei Prokop erwähnt werden, können sie in Dardanien, auf dem T e r r i t o r i u m von Naisos (heute NisO, Remesiana (heute Bjala Palanka) und Serdica (heute Sofia) lokalisiert werden. Man n i m m t an, daß es sich
V g l . I. DujCev, Dalkanskijat j u g o i z t o k prez pärvata polovina na VI vek (Der sudöstliche B a l kan in der ersten H ä l f t e des VI. Jhdts.). Belomorski pregled 1 (Sofia 1942) 2 2 9 H . ; V. Täpkov a - Z a i m o v a , Nas'esvijai e t n i f e s k i promeni na Balkanite (Einwanderungen und ethnische Veränderungen auf dem Balkan) (Sofia 1966) 57ff. mit bibliographischen Angaben; v g l . auch G. Labuda, Die Einwanderungen der Slawen auf dem Balkan im 6.-7. Jhdt. i n : X l e Congres i n t e r n , des sciences historiques, Stockholm i 9 6 0 (Uppsala 1960) VI, 8of., i o o f . ; M. Cornea, D i r e c t i o n s et etapes de la p e n e t r a t i o n des slaves vers le Peninsule Balkanique aux V l - V l l siecles. Balcanoslavica 1, 1972, 9 f f . ; S. A. Ivanov, Oborona balkanskih p r o v i n c i i V i z a n t i i i proniknovenie " b a r b a r o v " na Balkani v pervoj polovine VI veka (Die Verteidigung der byzant i n i s c h e n P r o v i n z e n auf dem Balkan in der ersten H ä l f t e des V I . Jhdts.). V i z a n t i j s k i j V r e mennik 45, 1984, 3 5 Ü . A . A . G i n d i n , K voprosu o c h r o n o l o g i i na£alnichetapov slavianskoj k o l o n i z a c i i Balkany (po l i n g u o - p h i l o l o g i ä e s k i h dannih) (Zur Frage der Chronologie der ersten Etappen der slavischen K o l o n i s a t i o n auf dem Balkan - nach linguistisch-philologischen Angaben). Linguistique b a l kanique 36, l , 1983, 33f.; v g l . noch V. Georgiev, N a j - s t a r i t e slavjanski imena na Balkanskija poluostrov i t e c h n o t o znaCenie za naSia ezik i naJata strana (Die ältesten slawischen N a men der Balkanhalbinsel und ihre Bedeutung für die bulgarische Sprache und Bulgarien). Bälgarski ezik 8, 4-5, 1958, 321 f f .
157
Der Donaulimes in Bulgarien und das Vordringen der Slawen
um
Umsiedler
aus der
Zeit
um die zweite
H ä l f t e des f ü n f t e n
Jahrhunderts
handeln könnte, die dem Lauf des Timok und der Morava folgend, vorgedrungen w ä r e n 3 % d.h. auf lang bekannten Wegen, die zu allen historischen Zeiten vom Norden nach Süden f ü h r t e n . Die Slawen benutzten sie sehr intensiv, und hier nahm ihr eigentliches Vordringen nach dem Süden seinen A n f a n g . So ist es kein Z u f a l l , daß die Befestigungen in dem betreffenden A b s c h n i t t der
Donaugrenze
außerordentlich dicht beieinander standen. In seiner Erzählung von der Befestigung Ulmetums erwähnt Prokop frühe A n siedlungen in der Dobrudscha, die o f f e n s i c h t l i c h provisorisch waren. U l m e t u m wurde gegen Ende des f ü n f t e n Jahrhunderts stark in M i t l e i d e n s c h a f t gezogen, als es den häufigen Einfällen zufolge fast menschenleer wurde und die Slawen die Ruinen bewohnten: "Dahinter lag seit alten Zeiten eine Festung namens U l m e t u m , da sich aber slawische Barbaren lange Z e i t dort in den H i n t e r h a l t legten und sich auch sehr lange Zeit dort a u f h i e l t e n , war sie ganz verödet und fast nichts von ihr übriggeblieben als der Name. Deshalb ließ er die Festung von Grund auf wiedererrichten und befreite so die dortigen Gegenden von den Überfällen und den Hinterhalten der Slawen"39). Auch von Adina heißt es: "In seiner Nähe stellte er auch die Festung Adina wieder
her, da sich die barbarischen
Slawen dort ständig versteckten, ständig Reisende aus dem H i n t e r h a l t überfielen und die umliegende Gegend unzugänglich machten"4°). Das erste bedeutende Vordringen der Slawen kann ganz allgemein in die l e t z t e n Jahre der Regierung des Kaisers Anastasius d a t i e r t werden. Übrigens w i r d auch angenommen, daß es sich bei den von Comcs Marcellinus erwähnten " G c t c n " um Slawen handelt, die sich v e r m u t l i c h an dem Aufstand der Focdcraten Vitalians 514 beteiligt haben. M i t ihren eigenen Namen am unterdonauländischen
Limes
erscheinen sie in Quellen, die sich auf die Regierungszeit des Kaisers Justin I. (518-527) b e z i e h e n d ) . 38) J. Zaimov, Zaselvane na bälgarskitc slavjani na Balkanskija poluostrov (Die Besiedlung der bulgarischen Slawen auf der Balkanhalbinsel) (Sofia 1967) l o o f f . ; ders., O r t s - und F l u r n a m e n in den Balkanländern. Linguistique Balkanique 23, 1, 1980, 3 1 L ; über das Vordringen der Slawen im L i c h t e der toponymischen und anderen philologischen Daten g i b t es verschiedene Meinungen: vgl. z. B. I. Popovic, Die Einwanderung der Slaven in das O s t r ö m i s c h e Reich im L i c h t e der Sprachforschung. Z e i t s c h r . f. Slawistik 4, 1959, 7 0 7 t f . ; I. Duridanov, Probleme der Ortsnamentorschung und der historischen Geographie der Balkanländer, i n : A c t e s du X l e Congres i n t e r n , des sciences onomastiques 1974, I, 2 7 7 L •*"
Procop, de aedif. IV 7, 17-18.
40)
Ebd. . 3 . 1. Duj£ev, Balkanskijat j u g o i z t o k (s. A n m . 36) 232t.
158
Velizar Velkov
530-53 1 ernannte Justinian Hilvud, von dem angenommen wird, daß er slawischer Herkunft war, zum Befehlshaber der Heere in Thrakien (magister militum) speziell für den Schutz des Limes: "Er schickte ihn, an der Donau Wacht zu halten", lesen wir bei Prokop, "und befahl ihm, darauf zu achten, daß der Fluß nicht mehr für die dortigen Barbaren zu überqueren war, da Hunnen, Anten und Slawen schon oft über den Fluß gekommen waren und den Byzantinern nicht wiedergutzumachenden Schaden zugefügt hatten"4 2 ). Und gerade in die Regierungszeit Justinians (527-565) fallen die Berichte der Quellen über die Einfälle der Slawen, welche über den Limes tief in das Innere Thrakiens eindrangen. Die meisten dieser Beschreibungen sind sehr allgemein gehalten, ohne konkrete Richtungen und Straßen anzugeben; die Folgen dieser Einfälle sind offensichtlich überschätzt und die statistischen Angaben über die beteiligten Eindringlinge unsicher. So heißt es beispielsweise von einem Einfall, daß die Angreifer etwa 3.000 zählten, doch die als die Folgen beschriebenen Zerstörungen entsprechen dieser Zahl bei weitem nicht. "Seitdem Justinian die Macht über die Byzantiner an sich gerissen hatte", schreibt Prokop, "überfielen die Hunnen, die Slawen und die Anten fast jedes Jahr die lllyrier (d.h. lllyricum) und ganz Thrakien, sogar von der Ionischen Bucht (am Adriatischen Meer) bis zu den Vororten Byzantions (d.h. Konstantinopels); zu diesen Gebieten gehörten auch Griechenland sowie das Land der Chersonesos; und sie fügten den dortigen Einwohnern nicht wiedergutzumachende Schäden zu. Bei jedem Angriff, denke ich, wurden über je zweihunderttausend Byzantiner dort getötet und versklavt, so daß dieses Land wirklich überall einer skythischen Wüste ähnlich zu sehen bcgann"43). Alle heutigen Forscher verhalten sich kritisch zu diesen Angaben, denn sie übertreiben in der Tat sowohl die Stärke der Angreifer wie auch die Folgen beträchtlich. Tatsache ist aber, daß in manchen Fällen Slawen und Anten tief nach Mösien und Thrakien eindrangen. Die Quellen erwähnen jedoch nur einmal konkret eine eroberte Stadt, Topiros, an der Mündung des Nestos. Als Ursache wird die bekannte Tatsache hervorgehoben, daß der größte Teil des byzantinischen Heeres während der großen Feldzüge Justinians gegen Perser, Ostroghoten, Wandalen, Wisigoten u.a. vom Balkan abberufen worden war. Die Verteidiger am Limes waren in der Lage, die eigenen Festungen und Siedlungen 4 4i
Procop, De bello Gothico ill 14. Decs., Anecdota 18, 20; I. üujöev, Balkanskijat jugoiztok (s. Anm. 36) 238t.
Der Donaulimes in Bulgarien und das Vordringen der Slawen
159
selbst zu halten; wir haben keine Angaben über eroberte oder vernichtete Festungen und Siedlungen an der Donau. Doch der Limes vermochte
n i c h t , das
Vordringen der Slawen aufzuhalten. Einige Münzhortfunde weisen im Grunde auf die traditionellen Wege von Norden nach Süden hin: die Straße entlang der Donau und von Durostorum nach Marcianopolis, weiter die Straße Marcianopolis Nicopolis ad Istrum - Melta - Montana und Oescus - Philippopolis durch den Balkan, eine andere Straße von diesem Weg nach Serdica und weiter nach Süden entlang am Strumafluß44). Im Jahre 530 drangen die Slawen in l l l y r i c u m ein, v e r m u t l i c h dem Lauf des T i mok folgend, wurden aber von Mundo, Magister m i l i t u m , geschlagen und zurückgedrängt. Nach seinem Tode wurde der erwähnte Hiivud zum Befehlshaber der Heere in Thrakien ernannt. Er verteidigte den Limes drei Jahre lang gut, setzte 533 selbst über die Donau und kämpfte
im Land der Slawen. Nach dem Sieg
über die Anten fügte Justinian, der antiken Tradition gemäß, seinen T i t e l n auch das Epitheton "Anticos" zu45). 535 kämpften die Bulgaren mit byzantinischen Truppen in der Umgebung des Jatrus (heute Jantra)46). 538 drangen Bulgaren und Slawen in die Dobrudscha und in Untermösien ein, erreichten südlich des Balkans auch Thrakien und kehrten wieder zurück47). 540 nahmen ihre Einfälle größere Ausmaße an: Die Quellen berichten von eroberten Festungen und daß die Eindringlinge sich mit viel Beute und Gefangenen auf den Rückweg gemacht hätten4°). G l e i c h z e i t i g aber dienten viele Sklawinen und Anten als Söldner in der byzantinischen A r m e e . 536-537 gab es in einer byzantinischen Truppe, die gegen die Goten in Italien k ä m p f t e , auch 1600 Reiter. "Die meisten von ihnen", schrieb Prokop, "waren Hunnen, Sklawinen und Anten, die die Gebiete jenseits'der Donau bewohnten, nicht weit vom Ufer"49). Ihre Beteiligung war auch das Ergebnis einer b e s t i m m t e n Politik der Machthaber in Konstantinopel, deren Ziel es zu dieser Zeit war, einerseits
innere
44
J. Jurukova, Les invasions slaves au sud du Danube d'apres les tresors monetaires en Bulgarie. Byzantiuobulgarica 3, 1969, 25stf. Sie behandelt 18 Hortfunde mit Münzen von Justinian I., Justinus II., Tiberius Konstantinus, Mauricius.
45
I. Duj£ev, Balkanskijat jugoiztok (s. Anm. 36) 247Ü.
4
Marcell, Comes ad a. 535. '
Malalas, ed. Bonnae, p. 4371 q f•
q
Procop, De bello Persico II 4,4-5.
49
Ders., De bello Gothico I, 27,1-2.
i6o
Velizar Velkov
Auseinandersetzungen zwischen Anten und Sklawinen hervorzurufen, andererseits ihnen aber Möglichkeiten zu bieten, sich als Foederaten anzusiedeln. 545 berichten die Quellen über einen konkreten Ü b e r f a l l der Sklawinen südlich der Donau, doch Konstantinopel gelang es, die in Thrakien als Foederaten ansässigen Heruler einzusetzen, die die Slawen schlugen5°). Im Jahre 547-548 unternahmen die
Sklawinen
einen großen
Angriff
in l l l y r i c u m und Dalmatien und
drangen bis Dyrrhachion vor. 549 drangen 3.000 Sklawinen ohne große Schwierigkeiten südlich der Donau ins Land ein, überquerten den Balkan und gelangten bis zur M a r i c a . Sie besiegten einzelne byzantinische Truppen und kamen bis zur Mündung des Nestos, wo sie die Stadt Topir eroberten. Ein großer Teil der Einwohner wurde versklavt, nicht wenige grausam ermordet. Nach Angaben Prokops wurde Topir
r e l a t i v schnell wiederhergestellt, was seinerseits aber darauf hin-
weist, daß es nicht von Grund auf zerstört worden war, wie einem anderen A b satz bei Prokop selbst zu entnehmen i s t 5 J / . 550 kamen wieder Timok
Sklawinen über die Donau auf dem üblichen Weg längs des
und e r r e i c h t e n die Gegend von Naisos (heute Ni£). Ihr Bestreben war,
weiter nach Süden vorzudringen. In demselben Jahr überquerten andere Gruppen von Sklawinen den Limes irgendwo am unteren Lauf vermerken, daß das heutige
Südostthrakien
der Donau. Die Quellen
und das Gebiet Astica
zwischen
Adrianopcl (heute Edirne) und der Hauptstadt in Mitleidenschaft gezogen wurden. Prokop n o t i e r t zum ersten M a l , daß einige von ihnen "hier wie im eigenen Land ü b e r w i n t e r t e n und keinen Gegenschlag befürchteten"5 2 ^. Diese
Tatsache
w i r d m i t Recht als Beweis für ihr ausgesprochenes und ständiges Streben, sich in den thrakischen Gebieten niederzulassen, betont. Vermutlich blieben ähnliche Gruppen auch nach anderen Einfällen im Lande. Leider lassen sich solche Siedlungen nur schwer durch archäologische Grabungen lokalisieren53). Im Herbst 551 drangen Slawen gemeinsam mit den Kutriguren erfolgreich in die westlichen Gebiete des Balkans ein. Die Quellen bemerken dazu, daß sie auf
5o)
Ebd. ill 14,24-25.
5,)
Ebd. III 3 8 , 9 - 1 9 .
52)
Ebd. 111 40,33. Für die ä l t e s t e n slawischen Siedlungen südlich der Donau v g l . Z. VäSarova, Slavjanite na j u g o t Dunava (Die Slawen südlich der Donau). Archeologija Sofia 6, 2, 1964, 2 3 H . ; dies., Slavjanski i slavjanobulgarski seliSta v balgarskite zemi ot kraja VI-IX vek (Sofia 1965) passiin. (Slawische und slawobulgarische Siedlungen in den bulgarischen Ländern vom Ende des VI. bis zum I X . J h d t . ) .
l6l
Der Donaulimes in Bulgarien und das Vordringen der Slawen
ihrer
Rückkehr
über
die Donau von den Gepiden u n t e r s t ü t z t
wurden54). 558
drangen die Bulgaren in einzelnen Gruppen über die Donau und erreichten die griechischen Provinzen bis zur heutigen Halbinsel Gallipoli und der Umgebung der Hauptstadt. In einigen Quellen wird auch die Beteiligung der Sklawinen erwähnt, doch von einem der grundlegenden A u t o r e n , Agathias, werden sie nicht genannt55'. Um die M i t t e des sechsten Jahrhunderts veränderte sich die politische Lage an der unteren Donau. Es erschienen die A w a r e n , und die Einfälle der Slawen hörten für eine gewisse Zeit auf. In der zweiten Hälfte des sechsten Jahrhunderts schützte der Limes die Donaugrenze erfolgreich w e i t e r . In der Zeit von 578 bis 584 drangen die Slawen in großen Massen ein. Ihre E i n f ä l l e , über deren Chronologie gestritten wird (die Quellen sind Menander
und Johannes von Ephesos),
betrafen die westlichen und die südlichen Gebiete der Balkanhalbinsel, v o r w i e gend lllyricum^o). Vermutlich waren eben diese Einfälle der Beginn einer dauerhaften
Ansiedlung der
Slawen in den erwähnten Gebieten. Der
auch in den Tälern des Timok "ganz
Limes
wurde
und der Morava durchbrochen. Die Erwähnung
Thrakien" bei Johannes von Ephesos ist o f f e n s i c h t l i c h
übertrieben
und
nicht genau, da es Angaben über normale Bau- und andere T ä t i g k e i t e n in e i n i gen größeren Städten gibt: so über die Organisation des Ausbaus der Wasserleitung von Serdica (mit einer lateinischen Inschrift), über Bauarbeiten in der U m gebung des heutigen Nova Zagora; auch das Wirken der c h r i s t l i c h e n Gemeinden in Untermösien, Skythien und Thrakien ist bezeugt57). Nach 583 setzten die ersten starken Einfälle der Awaren ein, die zur Zerstörung vieler Städte führten. Erobert wurden Singidunum, V i m i n a t u m , Augusta. Bedeutend war der Einfall der Awaren im Jahre 586. Sie nahmen "nicht ohne Mühe und Anstrengung" Ratiaria, Bononia, Aquae, Durostorum, Zaldapa und M a r t i a n o polis ein. Offenbar wurden nicht alle Städte völlig z e r s t ö r t , da in dem nächsten Jahrzehnt
Durostorum, Martianopolis
und Bononia
erwähnt
werden. Im Zuge
54
Procop, De bello Gothico IV, 25,1-11.
55
Malalas, ed. Bonnae, p. 4906f.; Agathias, ed. HGM 11, p. 364t.
-*
Vgl. L. H a r t m a n n , Les rapports des Byzantins avec les avares et les slaves pendant la seconde moitie du V l e s. Byzantion 4, 1927/28, 1 3 7 H . ; V. Velkov, C i t i e s (s. A n n i . 9) 5 2 t . ; V. Popovic, Aux origines de la slavisation des Balkans. La C o n s t i t u t i o n des p r e m i e r s sklavenie macedoniennes vers la f i n du V l e s. Comtes Rendues A c a d . Paris 1980, j a n v i e r - m a r s , 230t.
57
V. BeSevliev, Spätgriechische und spätlateinische I n s c h r i f t e n aus B u l g a r i e n ( B e r l i n 1964) n. 3, n. 198.
162
Velizar Velkov
ihres Einfalls im Jahre 587 eroberten und zerstörten die Awaren Appiaria. Theophylakt Simokattes schrieb, daß der von ihnen gefangengenommene Stadtkommandant Buzas (der Name ist thrakisch) sie gelehrt hatte, Belagerungsmaschinen zu bauen, mit denen sie dann die Stadt eroberten58). Auf den nachfolgenden Feldzügen benutzten sie schon solche Belagerungsmaschinen; 586-587 waren vorwiegend Städte im eigentlichen Thrakien, südlich des Balkans, betroffen. 594 zog ein großes byzantinisches Heer mit der konkreten Aufgabe aus, den unterdonauländischen Limes zu sichern. Der Heerführer Priscus wählte den Küstenweg von Konstantinopel über Odessos und von dort aus den diagonalen Weg nach Durostorum. Der Stadt gelang es, die ihr kürzlich zugefügten Schäden zu überwinden; sie wurde zu einem starken Militärstützpunkt. Hier wurden sogar Boote gebaut, mit denen Priscus über die Donau setzte und die Slawen in ihren Siedlungen überfiel59). 596 wurde dieses Heer von Peter, dem Bruder des Kaisers Mauricius, angeführt. Das Heer nahm wieder den Weg Odessos - Marcianopolis. Jetzt werden Slawen erwähnt, die mit den Soldaten kämpften. In der Dobrudscha werden auch slawische Siedlungen erwähnt, die von den Byzantinern zerstört wurden. Von dort aus über die Hauptstraße durch die Dobrudscha zogen sie von Martianopolis über Zaldapa-Sexanta, Prista-Jatrus bis Novae. Dort feierten die Einwohner ein Fest zu Ehren des lokalen Märtyrers Lupus. Von Novae, an Theodoropolis vorbei, erreichten sie Securisca und Asamus. Asamus verfügte über ein eigenes Heer, aber die Stadt weigerte sich, es der regulären Armee zur Verfügung zu stellen. Irgendwo westlich, in der Nähe des Donauufers, kämpften sie mit Slawen und Bulgaren. Im allgemeinen erlitten die Byzantiner beträchtliche Verluste^ 0 ). Für das Jahr 598 vermerken die Quellen Kriegsaktionen der Byzantiner unter der Führung des Priscus in der Umgebung von Singidunum. Die Awaren kamen erst 599 über den Limes in die Dobrudscha und belagerten Tomi. Die gut befestigte Stadt beherbergte ein großes byzantinisches Heer und hielt einer mehrere Monate bis zum Frühjahr 600 dauernden Belagerung stand. Ein Versuch der von Komeneiolis angeführten Byzantiner, den Awaren in der
-*
Theoph. Sim. 2,16,12; 2,17,1; 2; 4.
59
Theoph. Sim. 6,6,4. Theoph. Sim. 7,2,1-2; 16-17; 7,3,1-10.
Der Donaulimes in Bulgarien und das Vordringen der Slawen
163
Gegend des Jatrus Einhalt zu gebieten, war erfolglos. Die Awaren drangen auch über den Balkan vor und richteten in Thrakien sogar bis Druzipara in Südostthrakien viel Schaden an. 601 errangen die vereinten Heere des Priscus und des Komenciols einen Sieg über die Awaren bei V i m i n a c i u m . Das Heer kehrte auf der Donaustraße bis Novae zurück, und von dort e r r e i c h t e n sie unter großen Schwierigkeiten über die bekannte Straße Trajans Philippopolis, wo sie ü b e r w i n t e r t e n . Das ist die letzte Erwähnung der wichtigsten Straße vom Limes nach Thrakien, die lange Zeit nicht mehr instand gehalten worden w a r ^ 1 ) . Die Ereignisse von 602 an der unteren Doanu sind gut bekannt: Ein b y z a n t i n i sches Heer weigerte sich, nördlich der Donau zu ü b e r w i n t e r n ; die Truppen meut e r t e n . Der regierende Kaiser Mauricius wurde e r m o r d e t , sein Nachfolger wurde Phokas.
Diese Ereignisse spielten sich hauptsächlich am
unterdonaulandischen
Limes ab. Im Osten begann ein ernster K r i e g . Die byzantinischen Truppen zogen sich
von
der
Donaugrenze
zurück.
Aus diesem
schriftlichen Nachrichten über dieses Gebiet
Anlaß
versiegten
auch
alle
in der ersten H ä l f t e des siebten
Jahrhunderts. Man v e r m u t e t , daß der Limes zu dieser Zeit endgültig zusammenbrach.
Archäologische
Grabungen
decken
überall
bedeutende
Brände
in
Fe-
stungen und in Städten auf, die allmählich zugrunde gingen, und nur an e i n z e l nen Stellen gefundene einzelne Münzen ermöglichen uns, das Ende ihres Lebens in der Zeit des letzten Jahrzehnts des sechsten bis zu den ersten zwei Jahrzehnten des siebten Jahrhunderts zu konstatieren. Dieses Mal muß der Feind zu seinem großen Schlag den Weg über die Dobrudscha genommen haben. Die Erforschung der toponymischen Überreste zeigt, daß die antiken Ortsnamen heutigen
Nordostbulgarien
östlich der
Jantra
vollkommen verschwunden
im
sind.
Verschwunden sind sogar die antiken Namen der größten Flüsse: Russenski Lom und Kamcia; der größten Städte: Odessos, Marcianopolis, A b r i t u s , Scxaginta P r i sta, Appiaria
mit
der einzigen Ausnahme - Durostorum, das
mittelalterliche
Drästär. Östlich der Jantra aber blieben alle Flußnamen e r h a l t e n , doch m i t veränderter, der slawischen Phonetik angepaßten S t r u k t u r : Jatrus - Jantra, Utus Vit,
Asamus
- Ossam, Augusta - Ogosta, Cebros - C i b r i c a , ArtÜarica^ 2 '. Sie
Theoph. Sim. 7,13,1; 7,14; 8,4,3-8; 8,5,5. V. BeJevliev, Anticnata toponimia u nas kato istoriCeski izvor (Die antike Toponomie bei uns als historische Quelle). Izvestija Inst, ßälgarski ezik 3, 1954, 34111.
Velizar Velkov
164
werfen die Frage nach den Beziehungen der Slawen, die sich dort massenhaft angesiedelt haben, mit den Resten der überlebenden spätantiken lokalen Bevölkerung auf^3).
Verzeichnis der Limesfestungen in den Provinzen Dacia Ripensis und Moesia Secunda des 3. bis 6. Jahrhunderts nach: ltineraria Romana, Notitia Dignitatum, Procopius, De aedificis Dacia Ripensis
Pontes = Transdrobeta
Not. Dign. Or. 42,35.
Drobeta, heute Turnu Severin
Not. Dign. Or. 42,24.
Transalba, heute wahrscheinlich bei Drobeta
Not. Dign. Or. 42,23.
Transdierna, heute Tekija
Not. Dign. Or. 42,29.
Dicrna, Zernis, heute Ors,ova
Not. Dign. Or. 42,37.
M apEßoupyou
Proc. de aedif. lV,6(p. 128,21).
EouaLocva
Proc. de aedif. IV,6(p. 128,22).
'Apu-tixa
Proc. de aedif. IV,6(p. 128,22).
Tuiaeva
Proc. de aedif. lV,6(p. 128,22).
QEOÖcüpouitoAxc,
Proc. de aedif. lV,6(p. 128,22).
ÜTiAßoupyou
Proc. de aedif. lV,6(p. 128,23).
'AXLHavLßoupyou
Proc. de aedif. lV,6(p. 128,23).
Aegcta, Egcta, heute Brza Palanka
Not. Dign. Or. 42,20; 34; 42.
Clevora, heute bei Prachovo
Tab. Peut.
Aquae, Ad Aquas, heute bei Negotin
Tab. Peut.; ltin. Ant. 218,4.
BoupYovoßope, Burgo Novo, heute ?
Not. Dign. Or. 42,36; Proc. de aedif. IV,6(p. 129,1).
AaMHoßoupyou = Transluco?, heute ?
Not. Dign. Or. 42,27; Proc. de aedif. lV,6(p. 129,1).
63) Ausführlich über die Verhältnisse zwischen den Slawen und der älteren antiken Bevölkerung vgl. St. Vaklinov, Sur Ies contacts entre l'ancienne et la nouvelles cultures en Mesie et en Thrace apres Vle s. Izvestija na Bälgarskoto lstori£esko Uru2estvo 29, 1974, 177H.
Der Donaulimes in Bulgarien und das Vordringen der Slawen
1
Burgo Zono, heute ?
- Not. Dign. Or. 42,28.
Dorticum, heute Rakovica
- Tab. Peut.; ltin. Ant. 219,1; Not. Dign. 42,14; Proc. de aedif. IV,6 (p. 129,1-4).
'Iouoato^, heute ?
- Proc. de aedif. IV,6(p. 129,4).
Boup-youdXxou, heute ?
- Proc. de aedif. lV,6(p. 129,6).
Tou-ße^, heute ?
- Proc. de aedif. IV,6(p. 129,9).
•JJXupevTLava, heute Florentin
- Proc. de aedif. IV,4(p. 124,1).
Crispitia, KpicmaC,, heute ?
- Not. Dign. Or. 42,25; Proc. aedif. IV,6(p. 129,10).
AoyyLvLdva, heute ?
- Proc. de aedif. IV,6(p. 129,10).
novieaepiov, heute ?
- Proc. de aedif. lV,6(p. 129,10).
Bononia = Ad Malutn, heute Vidin
- Tab. Peut.; ltin. Ant. 219,2; Not. Dign. Or. 42,13; Proc. de aedif. IV,6(p. 129,11).
Nouov, heute Botevo bei Vidin
- Proc. de aedif. IV,6(p. 129,12).
Castra Martis, heute Kula
- Amin, Marcell. 31,11,6; Proc. de aedif. IV,6(p. 130,16).
Ratiaria, heute Ar£ar
- Tab. Peut.; ltin. Ant. 219,3; Not. Dign. Or. 42,38; 43; Proc. de aedif. IV,6(p. 129,13).
MuMcmava, heute bei Ar£ar
- Proc. de aedif. lV,6(p. 129,17-18).
Remetodia, heute Orsoja
- Tab. Peut.
Almus, heute Lom
- Tab. Peut.; ltin. Ant. 219,4; Not. Dign. Or. 42,19; Proc. de aedif. IV,6(p. 129,19-20).
Tpiwecm, heute ?
- Proc. de aedif. IV,6(p. 129,24).
nouTe&Lc;, heute ? = Pomodiana = Cumodina?
- P r o c . de aedif. IV,6(p. 129,15).
Pomodiana, heute Maltepe bei Labec Cumodina (Rav. IV,7,8)?
- Tab. Peut.
Cebrus, Camistrum, heute Gorni Cibär
- Tab. Peut.; ltin. Ant. 220,1; Not. Dign. Or. 42,15; 32; Proc. de aedif. IV,6(p. 129,26).
BiypavciH, (Dat.) = Regianum?, heute Kozloduj? "Ovoc;, heute ?
- Tab. Peut.; Ptol. III 10,5; Proc. de aedif. lV,6(p. 130,1); Rav. IV,7,8.
Augusta, heute Chärlec
- Tab. Peut.; ltin. Ant. 220,2; Not. Dign. Or. 42,17; Proc. de aedif. IV,6(p. 130,4-8).
- Proc. de aedif. IV,6(p. 130,4).
166
Velizar Velkov
'Ae&aßa, heute ?
- Proc. de aedif. lV,6(p. 130,9).
Variana, heute Selanovci
- Itin. Ant. 220,3; Not. Dign. Or. 42,18; Proc. de aedif. lV,6(p. 130,9-10).
Valeriana, heute bei Dolni Vadin = Variniana?
- Itin. Ant. 220,4; Not. Dign. Or. 42,31,
Pedonianae, heute Ostrov
- Tab. Peut.
Oescus, 'IffKog, heute Gigen
- Tab. Peut.; Itin. Ant. 220,5; Not. Dign. Or. 42,26; 33; Proc. de aedif. IV,6(p. 130,17).
Sucidava, ZuHLßt&a, heute Celei
- Not. Dign. Or. 42,39; Proc. de aedif. lV,6(p. 130,23).
Transluco, heute bei Gigen
- Not. Dign. Or. 42,27.
n a \ c r u o \ o v , heute bei Gigen
- Proc. de aedif. IV,6(p. 130,23).
Zi-yuvouHopTou, heute Comakovci
- Proc. de aedif. lV,6(p. 130,17).
Utus, Vio (Abi.), heute bei Milkovica
- Tab. Peut.; Itin. Ant. 221,1; Not. Dign. Or. 42,21. - Proc. de aedif. lV,6(p. 130,28).
AamöapLa, heute Golemanovo Kaie bei Sadovec?
AouMEpvapLaßoüpYoc,, heute am Fluß - Proc. de aedif. IV,6(1 30,28). Vit (ant. Utus), an der Grenze zwischen lllyricum und Thrakien Siosta, heute ?
- Not. Dign. Or. 42,40.
Sostica, heute ?
- Not. Dign. Or. 42,41.
Moesia Secunda Securisca, heute Cerkovica
- Tab. Peut.; Itin. Ant. 221,21; Not. Dign. Or. 40,11; Proc. de aedif. IV,7(p. 131,17).
Ansamus, Asamus, heute bei Muselievo - Tab. Peut.; Not. Dign. Or. 40,19. KuvTo&rpoc,, heute westlich von Dimum - Proc. de aedif. lV,7(p. 131,19). Dimum, heute Bclene
- Tab. Peut.; Itin. Ant. 221,3; Not. Dign. Or. 40,12; Proc. de aedif. IV,1 i(p. 148,4).
Novae, Ad Novas, heute bei SviStov
- Tab. Peut.; Itin. Ant. 221,4; Not. Dign. Or. 40,30; 31; Proc. de aedif. IV,1 i(p. 148,49)-
Der Donaulimes in Bulgarien und das Vordringen der Slawen
1
Scaidava, Zueöeßa, heute zwischen Batin und Mecka
- Itin. Ant. 222,1; Proc. de aedif. l V , n ( p . 148,48).
BEOÖupÖTioXic;, heute ?
- Proc. de aedif. lV,7(p. 131,21).
latrus, Latrus, 'Iaxpüv, heute Krivina
- Tab. Peut.; Not. Dign. Or. 40,13; Proc. de aedif. lV,7(p. 131,22).
Tigra, Tegris, Ti^dc,, heute Martensko kale
- Tab. Peut.; Itin. Ant. 222,4; Not. Dign. Or. 40,15; Proc. de aedif. lV,7(p. 131,22).
(ippoupiov) xoö Ma^EviLou, heute ?
- Proc. de aedif. lV,7(p. 131,24).
xo KuvxSv (Quintum), heute ?
- Proc. de aedif. lV,7(p. 131,25).
Trimammium, heute Pirgovo
- Tab. Peut.; Itin. Ant. 222,2; Not. Dign. Or. 40,20.
Mediolana, heute ?
- Not. Dign. Or. 40,21.
Sexaginta Prista, Prista, heute Ruse, 'EC,evTcmpioTa
- Tab. Peut.; Itin. Ant. 222,3; Not. Dign. Or. 40,14; 32; Proc. de aedif. lV,7(p. 148,2).
Appiaria, heute Rjachovo
- Tab. Peut.; Itin. Ant. 222,5; Not. Dign. Or. 40,16; 22; Proc. de aedif. IV,1 i(p. 148,1).
Transmarisca, heute Tutrakan
- Tab. Peut.; Itin. Ant. 222,5; Not. Dign. Or. 40,23; 34; 35; Proc. de aedif. IV,7(p. 132,1,8).
Constantiana Daphne, Adipvr), heute gegenüber von Transmarisca an dem linken Donauuier
- Amm. Marcell. 27,5,2; Not. Dign. Or. 8,45; Proc. de aedif. IV,7(p. 132,1-8).
Altinum, 'AXxrjvCv, heute östlich von Transmarisca
- Not. Dign. Or. 40,28; Proc. de aedif. IV,1 i(p. 132,8-9).
MaupoßdXXe, heute ?
- Proc. de aedif. IV, 1 1 (p. 148,46).
Candidiana = Nigrinianis, heute Maläk Preslavec
- Tab. Peut; Itin. Ant. 223,2; Not. Dign. Or. 40,24; Proc. de aedif. lV,7(p. 132,9-11).
laXxouTcüpYoc,, heute bei Silistra
- Proc. de aedif. lV,7(p. 132,12).
Tegulitium, Teclitium, heute Vetrensko - Tab. Peut.; Itin. Ant. 223,3; Not. kale Dign. Or. 40,25. Cimbrianae, heute ?
- Not. Dign. Or. 40,27.
Durostorum, Aopo0xo\ov, heute Silistra
- Tab. Peut.; Itin. Ant. 223,4; Not. Dign. Or. 40,26; 33; Proc. de aedif. IV,7(p. 132,12-13).
Sucidava, Sagadava, ZuMiodßa, heute ?
- Tab. Peut.; Itin. Ant. 224,1; Not. Dign. Or. 40,17; Proc. de aedif. lV,7(p. 132,13).
168
Velizar Velkov
Literatur V. Bes*evliev, Zur Deutung der Kastellnamen in Procops Werk "De aedificiis" (Amsterdam 1970). F. Kanitz, Römische Studien in Serbien. Denkschr. Akad. Wien 41 (1892). M. GaraSanin, Arheoloiki nalasiSta u Srbii (Belgrad 1951). K. Skorpil, Nekotorie iz dorog Vostocnoj Bulgarii. Izvestija Husskogo archeologiceskogo instituta v Konstantinopole 10, 1905, 443-502. V. Velkov, Cities in Thrace and Dacia in Late Antiquity. Studies and Materials (Amsterdam 1977) 85-106. H. Vetters, Dacia Ripensis. Sehr. Balkankomm. Ant. Abt. 11/1 (Wien 1950).
o
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3-
Die Protobulgaren und ihre Wanderungen nach Südosteuropa * Dimitär Ov£arov, Sofia Der Begriff "Protobulgaren" (bulgarisch "Prabälgari") ist ein Produkt der modernen Historiographie. Er ist in keiner historischen Quelle zu finden. Dennoch ist sein Gebrauch als Synonym des Ethnonyms "Bulgaren" der schriftlichen Quellen vom wissenschaftlichen Standpunkt aus vollkommen gerechtfertigt. Dieser Begriff dient der Bestimmung und näheren Umschreibung eines ethnischen Hauptbestandteiles der bulgarischen Nation in der Periode ihrer Herausbildung und Konsolidierung (7.-9. Jahrhundert) aus sozioökonomischer Sicht. Leider hat er in der historischen Terminologie nicht uneingeschränkte Aufnahme gefunden. Die Bulgaren werden auch als "Hunnobulgaren", "Turkbulgaren", "frühe Bulgaren" u. a. bezeichnet. Scheinbar verwandt, haben diese Termini verschiedene Nuancen und stehen oft im Gegensatz zu der historischen Wirklichkeit. So werden z. B. die Bulgaren mit der Bezeichnung "Turkbulgaren" automatisch in die ethnische Gemeinschaft der Turkvölkcr einbezogen, was immer noch als nicht völlig bewiesen gilt und Gegenstand wissenschaftlicher Diskussionen ist. Andererseits setzt die Bezeichnung "Hunnobulgaren" ein Gleichheitszeichen zwischen zwei sehr unterschiedliche ethnische Gruppierungen. Auch die Umschreibung "frühe Bulgaren", wie sie von den sowjetischen Historikern und Archäologen bevorzugt wird, ist wenig glücklich. Der Zusatz "früh" ist ein sehr relativer in bezug auf die historische Entwicklung (denn die Bulgaren können zwar "früh" zu einem Zeitabschnitt, aber gleichzeitig wiederum "spät" zu einem anderen sein). Die zuverlässigste, die genaueste Bezeichnung, die sich in der Wissenschaft durchgesetzt hat, bleibt die Bezeichnung "Protobulgaren" ("Prabälgari"), die sprachlich gerechtfertigt ist und in der zeitgenössischen bulgarischen Lexik gebraucht wird. Die Bulgaren erscheinen mit ihrer ethnischen Bezeichnung erstmals in der ersten Hälfte des 4. Jahrhunderts in den schriftlichen Quellen. Danach werden sie mehrmals als "ßoiAycipoi" (griechisch) und "bulgares, vulgares" (lateinisch) erwähnt 1 '. Die komplexen Forschungen in den letzten Jahren (auf sprachlichem, archäologischem, historischem, ethnographischem und anthropologischem Gebiet) bieten die Möglichkeit, ein helles Licht auf die Ethnogcnese der Protobulgaren * Die Phototafeln 9-13 befinden sich am Ende des Bandes. D. Angelov, Obraznvane na bälgarskata narodnost (Sofia 1971) 116 L dt. Ausg.: Die Entstehung des bulgarischen Volkes (Berlin 1980) ] .
172
Dimitär Ov£arov
zu werfen und die Hauptperioden der Entwicklung ihrer materiellen und geistigen Kultur zu umreißen. Während der ersten, frühesten Periode, die das 2. bis 1. Jahrtausend vor u. Z. umfaßt, bewohnten die Vorfahren der späteren Bulgaren die Regionen von Zentralasien (den Minussinsker Talkessel und die Gebiete um den A l t a i ) . Ethnisch sind sie schwer unter den zahlreichen Stämmen zu unterscheiden. Einige Forscher vertreten die Meinung, daß es sich um die in der chinesischen Chronik erwähnten "Weischu-Stämme" - " T i n g l i n g " (dinlini) handelt, später unter dem Namen "Tele" (Oguren) bekannt, die einen großen bunten Stammesverband gebildet haben 2 '; zu ihnen gehörte eine Gruppe von Stämmen, welche die chinesischen Chronisten pu-ku (pu-gu, ba-go) nannten, ihre Hauptstadt war Bigur (Bugur)3'. Der sowjetische Forscher F. Kachovskij bemerkt: "Der Name dieser
Siedlung
hängt wahrscheinlich mit dem alten Namen "bulgar" zusammen. Wir haben allen Grund zu vermuten, daß die Stämme pu-gu, die Nachfahren der Gasgüjer (tele), die später Untertanen von " t u k ü " geworden sind, mit den "bulgar" verwandt gewesen sind. Alle diese Völker sind einander ethnographisch ähnlich"4). Indem die Forscher diese wichtige Besonderheit hervorheben, sind sie immer noch nicht in der Lage, endgültig festzustellen, ob "bulgar" in dieser Frühperiode ein Ethnonym oder ein Begriff mit politischem Inhalt war5). Auf jeden Fall aber muß das erwähnte Volk pu-ku als ein Teil dieser altertümlichen Stammesverbände gedeut e t werden, aus denen auch die frühen Bulgaren stammen. Eine Reihe archäologischer Angaben bezeugen einen engen und organischen Zusammenhang zwischen diesen Stämmen und der materiellen und geistigen Kultur der protobulgarischen Gruppe, die später den Donaustaat im Jahre 681 gegründet hat. Es ist immer noch u m s t r i t t e n , ob einige der bekannten archäologischen Kulturen, nämlich die von Andronovo, Afanassievo, Karasuk oder Tagar, etwas gemeinsam
mit
den Protobulgaren
h a b e n d . Hingegen
weist
die
sog. "TaSti-
ker"-Kultur in den Tälern um den A l t a i aus den ersten Jahrhunderten u. Z. meh-
P. Juchas, Plemenata tingling (oguri) spored archeologifeskite otkritija v Minusinskata kotlovina. Spisanie na üälgarskata Akad. naukite 25, 1979, H.3, 73-92. B. Simeonov, Proizchod i znaöenie na nazvanieto bälgari. Vekove 5, 1976, 5-15. V. F. Kachovskij, Proizchozdenie öuvaSskovo naroda (Ceboksary 1965) 119-121. 3
J. Moroz, Kam väprosa za prarodinata na naroda "liulgar". Problemi na kulturata 2, 1979, H. 5, 99ÜJuchas a.a.O. (Anm. 2) 86.
Die Protobulgaren und ihre Wanderungen nach Südosteuropa
173
rere Züge auf, die auch der protobulgarischen Kultur an der Donau eigen sind7). Es sind das vor allem Elemente des Städtebaus wie das konzentrische Plansystem, der
Religion, wie
der
Tengrismus
(Hauptgott
Tengri-Tangra)
in der
Kunst, wie Steinritzungen, die Anfänge des Runenschrifttums auf Steininschriften oder der Begräbnissitten. Dort begegnen schon die mit Glättstreifen verzierte Keramik, die Sitte, Tiere zusammen mit den Toten zu bestatten (meistens
Pferde), Bronzeamulette, welche dem Hauptgott Tengri-Chan
gewidmet
waren, sowie verblüffende Analogien zwischen den tamgaartigen Zeichen u. a. m. In den letzten Jahrhunderten v. u. Z. t r a t e n die protobulgarischen Stämme in den großen Verband der Hun-nu ein und bewohnten zusammen mit anderen Turkstämmen seinen äußeren Westen (Dschungarien). Diese zweite Periode in der Entwicklung des protobulgarischen Ethnos kann nicht ganz klar verfolgt werden. Auf
Grund der materiellen Funde und den historischen Quellen wird der Sam-
melbegriff
"Hunnen" für alle Völker in dieser mannigfaltigen Staatsvercinigung
gebraucht. Etwas deutlicher
w i r d das Bild nach dem 1. Jahrhundert u. Z., als
der Hunnenverband von den Chinesen vernichtet wurde und ein großer Teil der Stämme nach Westen zog, wo diese sich in den eurasischen Steppen von Ostkasachstan und später
im Kaukasus und am Schwarzen Meer niederließen"'. Bei
dieser Bewegung nach Westen t r a t e n sie mit den Ugur-Stämmen und den iranischen (iranosprachigen) Alanen in Beziehung, m i t denen sie sich vermischten und von denen sie eine Reihe von Phänomenen der materiellen und geistigen Kultur übernahmen9'. Interessant ist in diesem Zusammenhang eine Statistik der bisher bekannten 186 protobulgarischen Namen aus der Zeitspanne vom 4. bis zum 10. Jahrhundert
u. Z . 1 0 ' . Genau ist die Herkunft
von 145 Namen zu bestimmen
(78%). 4 1 % von ihnen zeigen eine Ähnlichkeit mit den heidnischen Namen der A l t a i v ö l k e r , 5 1 % m i t iranischen und kaukasischen Namen und 8% mit dem Namengut anderer
Völker. Aus dieser Zeit stammt auch die erste konkrete Nen-
nung der "bulgari" (Bulgaren - anonymer Chronograph aus dem Jahre 334) 1 1 ' und
7) L. R. Kizlasov, TaStikskaja k u l ' t u r a v i s t o r i i Chakassko-Minusinskoj k o t l o v i n i (Moskau i960).
8) L. N. G u m i l e v , Drevnie t j u r k i (Moskau 1967) 1591. V. Bes'evliev, Iranski e l e m e n t i v p ä r v o b a i g a r i t e , i n : Anticnoe obStestvo (Moskau 1967) 237-247P. Dobrev, Etnogenezis i k u l t u r a na prabälgarite (GnoseologiCeski problemi). Problemi na k u l t u r a t a 8, 1985, H. 2, 5 6 Ü . Chronographus anni C C C L I I I 1 , hrsg. T l i . Mommsen. M G H A A 9, 1891, 105.
174
D i m i t ä r Ov£arov
in der Chronik des armenischen Schriftstellers Mowses Horenaci wird präzisiert, daß sich das Land der Bulgaren hinter dem Gebirgskamm des Kaukasus bef a n d 1 2 ' . In der sog. Armenischen Geographie sind die einzelnen protobulgarischen Stämme
schon klar
unterschieden: kupi-bulgar, dutschi-bulgar, ogchon-
dorblkar, t s c h d a r - b o l k a r ^ ) . In der zweiten Hälfte des 4. Jahrhunderts wurden die Protobulgaren erneut von den Hunnen überfallen und in ihren neu gegründeten großen Verband einbezogen, dessen Zentrum in Pannonien, dem heutigen Ungarn, lag. Die Bulgaren haben eine wesentliche Rolle in A t t i l a s politischer Vereinigung gespielt. Dies findet in einem der wichtigsten chronikalen Denkmäler der Bulgaren, "dem Namensverzeichnis der bulgarischen Chane", seine WiderspiegelungM). Die Genealogie der bulgarischen Herrscher beginnt nicht zufällig mit A t t i l a und seinem Sohn Ernach. Darin offenbart sich der Wunsch, dem bulgarischen Staat ein hohes Alter zuzuschreiben, doch es besteht keine Veranlassung A t t i l a s Hunnen mit den Bulgaren gleichzusetzen, wie es einige Verfasser t u n 1 5^. Die Protobulgaren sind ein Ethnos mit eigener origineller
Kultur. So sieht es auch eine Reihe von Chro-
nisten des 5. bis 7. Jahrhunderts, nämlich Jordanes, Marcellinus Comes, Kosma lndikopleutes u. a. 1 ^). "Hinter dem Berg [ d e m Gebirgskamm des Kaukasus] leben die Bulgaren" - schreibt in seiner "Kirchengeschichte" Zacharias
Rhetor,
"sie haben eine eigene Sprache und sind ein heidnisches Barbarenvolk. Sie haben eigene S t ä d t e " ^ ) . Nach dem Z e r f a l l des Hunnenverbandes in der M i t t e des 5. Jahrhunderts entwickelten sich die Protobulgaren selbständig. Das ist die d r i t t e Periode ihrer Geschichte vor der Gründung des Donaustaates. Ein Teil von ihnen bewohnte den nördlichen Kaukasus-Raum, ein anderer das Gebiet zwischen Dnepr und Prut und ein d r i t t e r , von den Hunnen nach Westen mitgezogen, blieb in Pannonien. Gegen Ende des 5. Jahrhunderts und in der ersten H ä l f t e des 7. Jahrhunderts
Istorija A r m e n i i Moiseja Chorenskovo [Mowses Horenaci ] (Moskau 1893) 5 5 L , 62. 3
Angelov a.a.O. ( A n m . 1) 123. 1. Duj£ev, " l m e n n i k ä t na pärvobälgarskite chanove" i bälgarskata där2avna t r a d i e i j a . Vekove 2, 1973, H. 1, s - 1 1 . A . Burmov, Kam väprosa za proizehoda na p r a b ä l g a r i t e . Izvestija na Bälgarskoto IstoriCesko DruSestvo 22-24, 1948, 303-305. Angelov a.a.O. ( A n m . 1) 125t.
17
N. V. Pigulevskaja, Sirijskie istoeniki po i s t o r i i narodov SSSR. Trudy l n s t i t u t a Vostokovedenija 41 (Moskau 1941) 165.
Die Protobulgaren und ihre Wanderungen nach Sudosteuropa
175
nahmen die Bulgaren rege Beziehungen zu vielen slawischen Stämmen und zu Byzanz auf. In den historischen Quellen werden mehrmals die Protobulgaren unter den Invasoren e r w ä h n t , die die nördlichen europäischen Provinzen des Imperiums verheerten. In Verbindung damit wurden zum ersten Mal die Namen von vielen protobulgarischen Führern wie Busan, Sabergan, Sandilch u. a. genannt. In der zweiten H ä l f t e des 6. Jahrhunderts wurden die Protobulgaren von den Türküten u n t e r w o r f e n , die jahrhundertelang das Kaukasus-Gebiet, die Schwarzmeerküste und das Asowsche Meer beherrschten. In den Grenzen des riesigen Turkchaganates nahmen sie eine untergeordnete Stellung ein, doch bewahrten sie ihre ethnische Selbständigkeit. Sie machten sich geschickt die dynastischen Fehden zunutze, und es gelang ihnen, sich Ende des 6. Jahrhunderts zu befreien und erstmals einen eigenen selbständigen Staat zu gründen, den die Chronisten als
"Groß-Bulgarien"
bezeichneten1^'.
Hauptstadt
der
bulgarischen
Herrscher
1
wurde die ehemalige griechische Kolonie Phanagorion !?). A m mächtigsten war dieser Staat unter dem Chan Kubrat, in einer Zeit, als die Konsolidierung der protobulgarischen Stämme einsetzte und sie allmählich von der
nomadischen
Lebensweise zu einem seßhaften Leben übergingen und den
Ackerbau e i n f ü h r t e n . Nach der Meinung der sowjetischen Forscherin Svetlana Pletneva seien sie in der zweiten Stufe des Nomadentums gewesen, deren charakteristisches
M e r k m a l die komplexe Viehzucht auf Ackerbau-Basis i s t 2 0 ) . In
bezug auf die Außenpolitik
steht diese Periode unter dem Zeichen der engen
ökonomischen und k u l t u r e l l e n Beziehungen zu Byzanz, was sich günstig auf die Entwicklung der protobulgarischen Wirtschaft und der geistigen Kultur auswirkte. Die Geschichte der Gründung und des kurzzeitigen Bestehens von Groß-Bulgarien ist gut bekannt. Dank der weiträumigen Felduntersuchungen der sowjetischen Archäologen ist die materielle Kultur auch klar umrissen - es wurden eine Reihe von Siedlungen, Festungen und Nekropolen untersucht. Die Ergebnisse von diesen Forschungen sind besonders wichtig und vielsagend 2 1 ^. Sie bezeugen, daß
18) P. Petrov, Obrazuvane na bälgarskata därzava (Sofia 1981) 123. 9
St. Vaklinov, Formirane na starobälgarskata kultura (Sofia 1977) 34. S. A. Pletneva, KoCevniki srednevekov'ja (Moskau 1982) 47. Dies. (Hrsg.), Stepi Evrazii v epochu srednevekov'ja Archeologija SSSR (Moskau 1981) 62-75.
176
Dimitär Ov£arov
sich gerade in dieser Periode die Voraussetzungen für den späteren hohen Grad der bulgarischen Kultur im frühen Mittelalter herausbildeten. Die archäologischen Ausgrabungen im Nord-Kaukasus und in den Steppen Südrußlands (am Don), von den historischen Quellen unterstützt, stellen eine verhältnismäßig hohe und für ihre Zeit reiche materielle und geistige Kultur in den Vordergrund. Damit werden einige falsche und ungenaue Vorstellungen von der niedrigen gesellschaftlich-politischen und kulturellen Entwicklung der Protobulgaren vor ihrer Niederlassung auf der Balkanhalbinsel widerlegt. Mit der Gründung des bulgarischen Staates im Jahre 68i begann die vierte und letzte Periode in der Entwicklung des protobulgarischen Ethnos und der protobulgarischen Kultur, die mit der endgültigen Einbeziehung der Protobulgaren in die slawische Gemeinschaft endete. Von seinen Anfängen an beruhte ihr Staat auf einer strengen Zentralmacht 22 '. An der Spitze des Staates stand der Chan, der die oberste gesetzgebende, gerichtliche und ausübende Gewalt besaß; es bestand eine, gut organisierte Verwaltung, in der die protobulgarische Stammesaristokratie die Hauptrolle spielte. Das kommt klar in den Bezeichnungen der verschiedenen Verwaltungsämter klar zum Ausdruck, die in der Nomenklatur aller Turkstämme und -Völker genaue Parallelen haben, weiter wird das durch die protobulgarischen Eigennamen der bulgarischen Staatsmänner und der Heerführer des 7. bis 9. Jahrhunderts bekräftigt. Der neugegründete Staat hatte eine wichtige Position und manchmal sogar eine Spitzenrolle in den komplizierten internationalen Beziehungen inne. Er sollte seinen Beitrag zur gesamteuropäischen Kultur leisten. Jahrzehntelang befand sich die protobulgarische Gruppe von Asparuch in einer ständigen Bewegung nach Westen. Während dieses Marsches existierte kein "Staat" im eigentlichen Sinne des Wortes. Eine entscheidende Rolle für die Bewahrung der Einheit spielte die ökonomische, politische, kulturelle und militärische Konsolidierung des protobulgarischen Ethnos, die die Gemeinschaft vor dem Zerfall oder vor der Assimilierung durch die vielen ethnischen Gruppen schützte. Zu dieser Zeit war die Vorstellung von dem Staat am Asowschen Meer, der von den Chasaren vernichtet wurde, noch frisch und lebendig, und es bestanden die sozio-ökonomischen Voraussetzungen für seine Wiedergeburt.
22)
I. Venedikov, Voennoto i administrativnoto ustrojstvo na liälgarija prez IX i X vek (Sofia 1979) 2 7 .
Die Protobulgaren und ihre Wanderungen nach Sudosteuropa
177
Es ist bekannt, daß sich Ende des 7. Jahrhunderts zwei Ströme von Protobulgaren auf die Balkanhalbinsel begaben, die zu dieser Zeit schon dicht mit Slawen besiedelt war: die Gruppe unter der Führung von Asparuch und die von Kuber, welche durch Pannonien nach Makedonien und Nordgriechenland kam (Abb. 1). Die Beziehungen zwischen diesen zwei ethnisch verwandten Gruppen war sehr eng. Sie agierten o f t zusammen, wie es aus einigen schriftlichen Dokumenten, so den Steininschriften am Relief von Madara und den byzantinischen Chroniken hervorgeht. Es darf
auch nicht vergessen werden, daß sich der von Asparuchs
Gruppe zurückgelegte Weg nördlich vom Schwarzen Meer in einen eigenartigen Kanal verwandelte, durch den jahrzehntelang neue protobulgarische Gruppen zur
Abb. 1. Wanderungen und Siedlungsgebiete der Protobulgaren des Kuber und des Asparuch.
Dimitär OvCarov
i?8
Donau h i n s t r ö m t e n . Und t r o t z alledem blieben die Protobulgaren in der Minderzahl gegenüber den Slawen, die in ihrer gesellschaftlich-ökonomischen Entwicklung ebenfalls an der Schwelle der Staatsgründung gestanden hatten. Eben deshalb wäre es vom schaften
methodologischen Blickpunkt aus falsch, jegliche Errungen-
nach den rassenkundlichen, psychologischen, k u l t u r e l l e n und anderen
Merkmalen der ethnischen Elemente, die den Kern des bulgarischen Staates gebildet haben, hervorzuheben und sie einander gegenüberzustellen. Wichtiger ist in diesem Fall der Charakter des gegründeten Staates, dessen aufmerksame Untersuchung zeigen w i r d , daß seine Gründung von den Protobulgaren unter Beteiligung der Slawen historisch bedingt war. Dies ist nicht nur auf das fast gleiche Niveau ihrer E n t w i c k l u n g , sondern vor allem auf die reelle Einschätzung der politischen Verhältnisse seitens der protobulgarischen A r i s t o k r a t i e und des Chans Asparuch z u r ü c k z u f ü h r e n . Sie p r a k t i z i e r t e n eine geschmeidige und folgerichtige Politik der Zusammenarbeit m i t den Slawen auf der Grundlage von bestimmten gemeinsamen Interessen, hauptsächlich ihrer Gegnerschaft zu Byzanz. Der bulgarische Staat s c h a f f t e , genauer gesagt ererbte eine Militärorganisation, die auch einen z e n t r a l e n Charakter hatte. Der oberste Befehlshaber des Heeres war der Chan; er wurde von dem Kapchan und den ltschirgu-Boilen unterstützt. Nach unten b r e i t e t e sich eine komplizierte Pyramide von M i l i t ä r ä m t e r n aus, die direkte oder bulgarische in bezug
ferne
Parallelen
in der Terminologie der Turkvölker
haben. Das
Heer f o l g t e den a l t e n , bewährten K a m p f t r a d i t i o n e n der Turkvölker
auf
die Zusammensetzung (es dominierte die
Reiterei), Ausrüstung,
Kampfordnung und K a m p f w e i s e , so die plötzlichen Ü b e r f ä l l e , das Mitreißen des Gegners und alle
möglichen Listen und Fallen. Ähnlich den Hunnen, Awaren,
Chasaren u. a. beobachtet man im bulgarischen Staat ein völliges Zusammenfallen der a d m i n i s t r a t i v e n und militärischen Ä m t e r . Neuere Untersuchungen haben überdies eine a l l m ä h l i c h e Wandlung der alten Stammesaristokratie in eine a m t l i che D i e n s t a r i s t o k r a t i e g e z e i g t 2 3 ) . Hier muß bemerkt werden, daß in der Struktur der Staatsgewalt (in der Verwaltung und im M i l i t ä r ) auch slawische Bezeichnungen v o r k o m m e n , was die Beteiligung der Slawen an der Landesregierung bezeugt. Der z e n t r a l i s i e r t e C h a r a k t e r des Staates kommt besonders bei der Organisation des S t a a t s t e r r i t o r i u m s klar zum Ausdruck. Der bulgarische Staat unterscheidet
2i
>
Ebd. 153.
Die Protobulgaren und ihre Wanderungen nach Südosteuropa
179
sich wesentlich vom byzantischen und gleicht in vielen Punkten den Staaten im Osten. Er bestand hauptsächlich aus zwei territorialen Elementen: den zentralen Ländereien (dem Zentralgebiet) und den Grenzterritorien (dem Randgebiet). In der letzten Zeit wird die Meinung vertreten, daß Anfang des 9. Jahrhunderts ein neuer Territorialgürtel vor allem im Norden und Nordwesten entstand, das sogenannte "Ödland", dessen Aufgabe es war, als Pufferzone gegen die benachbarten Völker und Stämme zu wirken 2 4'. Die militärische Verteidigung bestand aus konzentrisch gebauten, einander ergänzenden und zusammenwirkenden Komponenten: einem befestigten Staatszentrum - der Hauptstadt Pliska (Abb. 2) - und großen Erdschutzwällen an den Grenzen ("Erkesija" in Südostbulgarien, die Erdwällc in der Dobrudscha und in der Walachei "Brazda lui Novae de nord" und "Brazda lui Novae de sud" u. a.). Dieses Befestigungsprinzip, das auf gewisse östliche Traditionen beruht, ist in der behandelten Epoche in Europa einzig in seiner Art. Ideologische Grundlage für die Ausbildung einer starken zentralen Staatsgewalt bildete das mittelalterliche Recht und die mittelalterliche Religion. Da die Angaben in den historischen Quellen sehr dürftig sind, vermutet man zumeist, daß die Beziehungen in der bulgarischen Gesellschaft bis zum 9. Jahrhundert nach den alten üblichen Rechtsnormen reguliert wurden. Es ist schwer vorzustellen, daß ein so gut organisierter Staat mehr als 120 Jahre lang über kein einheitliches Rechtsreglement verfügte. In diesem Sinne kann die Gesetzgebung des Chans Krum kaum als eine erste Manifestation der Kodifikation angenommen werden. Sie ist mehr eine Fortsetzung und Weiterentwicklung der existierenden und wirkenden Staatsgesetze. Hier muß hervorgehoben werden, daß gewisse Angaben auf eine Verwandtschaft der protobulgarischen Gesetzgebung mit den rechtlichen Institutionen der Turkvölker zurückzuführen sind 2 5). Dies belegen besonders gut die strengen und kategorischen Strafen (z. B. drohte bei Benutzung der Kampfrosse in Friedenszeiten die Todesstrafe). Die Religion der Protobulgaren war ein kompliziertes System von Glaubensarten und Vorstellungen, weil sich darin die soziale, ethnische und andersartige Heterogenität der bulgarischen Gesellschaft widerspiegelte und vereinigte. Auf der
5
P. Koledarov, Otbranitelnata i grani£nata sistema na Bälgarija ot 681 do 1018 g. Voenno-istori£eski sbornik 47, 1978, H. 3, 109-123, bes. 116. E. Tryjarski, Protobulgarzy, in: K. Dgbrowski, T. Nadgodzka-Majchrzyk u. E. Tryjarski, Hunowie europejscy, Protobulgarzy, Chazarowie, Pieczyngowie. Kultura Europy wczesnosredniowiecznej 4 (Breslau/Warschau/Krakau/Danzig 1975) 147-376, bes. 310L
i8o
Dimitär Ov£arov
0
10 00
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3000ir>. = 1
Abb. 2. Plan der ersten bulgarischen Hauptstadt Pliska (nach St. Michajlov).
l8l
Die Protobulgaren und ihre Wanderungen nach Südosteuropa
Grundlage einer Mischung aus verschiedenen Kulten erhob sich der zentrale und gesamtstaatliche Kult zum einheitlichen Gott Tangra (Tengri). Dieser p r i m i t i v e Monotheismus war einerseits eine Widerspiegelung der Wirklichkeit, andererseits eine theoretische
Begründung der Alleinherrschaft
im bulgarischen Staat. Das
offenbart sich am deutlichsten darin, daß der Chan auch der Oberpriester war. Gott hat ihm die irdische Macht anvertraut. Die Bedeutung des Tengrismus w i r d auch durch die
Existenz von besonderen Kultzentren unterstrichen, wie
dem
heidnischen Tempel bei dem Felsen von Madara (Taf. 9,]), wo die einzige Steininschrift
mit dem Namen dieses Gottes entdeckt
wurde, dem Chan
Omurtag
2
selbst ein Opfer d a r b r a c h t e ^ ) . Außer der Tangra-Anbetung waren unter den breiten Volksmassen auch verschiedene
prä- und frühreligiöse
Vorstellungen als Reminiszenz der
Gentilordnung
verbreitet. Einen anhaltenden Einfluß hatte der Schamanismus, der sich auch nach der Bekehrung zum Christentum lange Zeit halten konnte; er f i n d e t auch in vielen späteren Folkloredenkmälern seine Widerspiegelung 2 ?). In der p r o t o b u l garischen Kunst kommen weiterhin Totcmdarstellungcn vor. Mehrere Denkmäler bestätigen außerdem das Vorhandensein eines gut entwickelten Sonnenkultes 2 ®'. Es besteht Grund anzunehmen, daß die recht- und viereckigen heidnischen T e m pel in Pliska, Madara und Preslav (Taf. 9-10) mit dem Fcuerkult in Verbindung stehen, den die Protobulgaren durch Vermittlung der Alanen vom Iran übernommen haben 2 9). Eine bedeutende Entwicklung zeigte der Kult
zu den heiligen
Steinen, die in den bekannten " A n t w o r t e n des Papstes Nikolaus" auf die vom bulgarischen Fürst Boris gestellten Fragen erwähnt werden. Heidnische T e m p e l , die den heiligen Steinen gewidmet waren, hat man in Madara und im Dorf Gortalovo (Bezirk Pleven) entdeckt (Taf. 9,2). Die Idee von der Macht der obersten Gewalt offenbart sich besonders d e u t l i c h und anschaulich in den Denkmälern der frühbulgarischen Monumentalarchitektur. Die majestätischen Paläste in Pliska und Preslav und die grandiosen B e f e s t i gungsanlagen
verraten das offensichtliche
Bestreben der bulgarischen Chane,
V. BeSevliev, Parvobälgarski nadpisi (Sofia 1979) 123. [ e n g angelehnt an: Ders., Die P r o t o bulgarischen I n s c h r i f t e n . Berliner byzant. A r b e i t e n 23 (Berlin 1 9 6 3 ) ] . 27) '
R. Ras'ev, Model na j u r t a o t Devnja. Archeologija Sofia 18, 1976, H. 1, 39-46; D. O v c a r o v , Po väprosa za Sumenskata plo£ka. Muzei i p a m e t n i c i k u l t u r a t a 18, 1978, H. 2, 22-25.
28) Ders., K u l t ä t kam slänceto v esifieskite r e l i g i o z n i predstavi na b ä l g a r i t e . Vekove 7, 1978, H. 1, 30-37. Ders., Prabälgarskite kapiJta - proizehod i prednaznacenie. Vekove 12, 1983, H. 2, 56-62.
182
D i m i t ä r Ovdarov
ihre A u t o r i t ä t durchzusetzen (Abb. 3 und T a i . 10,2). In den Plankompositionen der Gebäude w i r d der Einfluß von östlichen Vorbildern sichtbar. Die Bauweise mit
massiven
Steinblöcken
ist von Byzanz und vom Nahen Osten (Kaukasus)
A b b . 3. Pliska (Bez. Sumen). Palastbezirk (nach R. RaSev, Pliska. P ä t e v o d i t e l 361.). 1 Nordeingang der Z i t a d e l l e ; 2 l a n d w i r t s c h a f t l i c h genutztes Gebäude; 3 Brunnen; 4 h e i d nischer T e m p e l ; 5 ö s t l i c h e H ä l f t e des Wohnpalastes; 6 westliche H ä l f t e des Wohnpalastes; 7 Wohngebäude; 8 u n t e r i r d i s c h e r Gang; 9 P f o r t e ; 9 a u. 10 überwölbte Durchgänge von u n t e r i r d i s c h e n Gängen; 11 Wohngebäude; 12 K i r c h e ; 13 d r e i g e t e i l t e s Bad; 14 rundes Bad; 15 z w e i g e t e i l t e s Bad; 16 Zisterne und Wohngebäude; 17 Wasserverteilungsschacht; 18 Wohn- und l a n d w i r t s c h a f t l i c h genutzte Gebäude; i g Westtor; 20 monumentale B a s t i o n ; 21 P f o r t e ; 22 Bad; 23 Südtor; 24 jurtenähnliches Gebäude; 25 Palast des K r u m ; 26 Thronsaal; 27 A b z w e i g des u n t e r i r d i s c h e n Ganges; 28 Gebäude an der Südwand der Z i t a d e l l e ; 29 u n t e r i r d i s c h e r Gang; 30 heidnischer Tempel und K i r c h e ; 31 Friedhof; 32 P l a t z .
183
Die Protobulgaren und ihre Wanderungen nach Südosteuropa
übernommen. Sie wurde jedoch w e i t e r e n t w i c k e l t und b e r e i c h e r t . Diese gewissermaßen archaische Bauweise, die von den Byzantinern nicht mehr benutzt wurde, imponierte den bulgarischen Herrschern durch ihren rohen Charakter und ihre schweren
Proportionen. Zweifellos beeindruckte diese Bauweise nicht nur
die
Untertanen der Chane, sondern auch die Fremden. Die Bewunderung, die die Ausländer den Monumentalbauten entgegenbrachten, erhöhte das Prestige nicht nur der Persönlichkeit des Chans, sondern auch des ganzen bulgarischen Staates. Die archäologischen Denkmäler zeigen, daß sich die Slawen und Protobulgaren in den ersten zwei Jahrhunderten des bulgarischen Staates bis zum Ende des 9. Jahrhunderts verhältnismäßig selbständig e n t w i c k e l t e n , was aber
wechselseitige
Beziehungen nicht ausschließt, die sich in der z w e i t e n H ä l f t e des 9. Jahrhunderts besonders stark auswirkten. Die Protobulgaren besiedelten hauptsächlich Nordostbulgarien; Spuren von ihnen sind aber auch in Westbulgarien, in den Phodopen und in Makedonien entdeckt worden. Recht lange, d. h. bis zur M i t t e des 10. Jahrhunderts kann man die Besonderheiten der protobulgarischen K u l t u r auf dem Gebiet nördlich und östlich von Thessaloniki v e r f o l g e n , wo sich die Gruppe von Chan Kuber niedergelassen hat. Die Protobulgaren wohnten in mittelgroßen D ö r f e r n . Ein Teil davon war unbefestigt, andere verfügten über einen Erdwall (das Dorf Kladenci, Bez. Tolbuchiii) oder eine Mauer aus unbearbeiteten Steinen (das Dorf Pirgovo C h u m a t a , Bez. Ruse). O f t wurden natürlich geschützte Flächen b e n u t z t , wie z. B. im Falle der Siedlung beim Dorf Durankulak, Bez. Tolbuchin, die auf einer Insel erbaut wurde. Man lebte in p r i m i t i v e n Behausungen; es dominierten als Typ die Erdhütten und die halb in die Erde eingetieften Behausungen3°). Später begann man, auch überirdische Wohnungen aus Stein und Holz zu e r r i c h t e n (Taf. 11,1). Ein für die Protobulgaren
charakteristischer
Wohnungstyp
ist
der
mit
rundem
Grundriß,
freigelegt bei den Ausgrabungen in den Dörfern Garvan, Nova Cerna (beide Bez. Silistra), Kladenci (Bez. Tolbuchin) u. a . 3 1 ' In der Wissenschaft ist dieser Typ unter dem Namen "jurtenartige" Wohnungen bekannt. Es w i r d angenommen, daß sie das Aussehen der asiatischen Kuppeldachzelte besaßen, die die Protobulgaren zweifelsohne gekannt und, wie es die Ausgrabungen im Z e n t r u m der Hauptstadt
3
Z. Vä2arova, Slavjani i Prabälgari (tjurkobälgari) v svetlinata na archeologiäeskite danni. Archeologija Sofia 13, 1971, H. 1, 1-23.
31)
Ebd. ,7.
' 84
D i m i t ä r Ovcarov
Pliska gezeigt haben, auch auf der Balkanhalbinsel benutzt haben. Ein weiterer Beleg dafür ist der Fund eines kleinen Steinmodells einer Jurte aus der Umgebung des Dorfes Devnja, Bez. Varna, das zu Kultzwecken benutzt wurde3 2 '. Die oben erwähnten Behausungen bestanden gewöhnlich nur aus einem Raum von mäßigen Abmessungen. Darin befanden sich ein Herd oder Kuppelofen sowie bescheidene Gegenstände des Alltagslebens. Neben zahlreichen Töpfen waren dort zwei für die Protobulgaren sehr typische Keramikformen v e r t r e t e n : Die Einhenkelkannen und die Tonkessel mit inneren Ösen (Taf. 11,2 und 12,1). Fragmente der Kessel wurden ausschließlich in protobulgarischen Siedlungen gefunden. Die protobulgarischen Gefäße sind wegen ihres breiten Unterteiles schwer proportion i e r t . Die Oberfläche war mit G l ä t t s t r e i f e n in verschiedenen Mustern, manchmal auch mit R i t z l i n i e n , verziert33). Von großer Bedeutung für die Charakterisierung der kulturellen und ethnischen Entwicklung im 7. bis 9. Jahrhundert auf bulgarischem Boden sind die Gräberfelder.
Den Slawen kann man die zahlreichen Urnengräberfelder
zuweisen34).
Eine typische Bestattungsform der Protobulgaren war die Körperbestattung (Taf. 13,1). Zu beobachten ist o f t eine Trank- (Kanne) und Speisebeigabe (kleine Töpfe). Auch ganze Tiere oder größere Teile davon wurden mit in das Grab gelegt. Daneben findet man noch Trachtbestandteile oder Gebrauchsgegenstände (Messer, Feuerstähle, Nadeln, Spinnwirtel usw.)35). Die protobulgarischen Gräberfelder (Novi Pazar, Kjulevöa, Bdinci usw.) weisen neben den Körpergräbern jedoch auch Brandbestattungen auf; diese machen manchmal sogar die Mehrzahl der Gräber
aus. Im Gegensatz
Brandgrubengräber
zu den slawischen Urnengräbern sind dies jedoch
(höchstens Ziegelkistengräber)
mit nur spärlichem Inventar.
Ist Keramik beigegeben, entspricht sie den oben genannten Kategorien. Obwohl die Brandbestattung auch in der Saltovo-Kultur Südrußlands a u f t r i t t 3 6 ) ) wird das Vorkommen von Brandgräbern in protobulgarischen Nekropolen verschiedentlich
12)
3
Dies., P a m j a t n i k i Bolgarii konca V l - X l v. i ich etni£eskaja p r i n a d l e i n o s t . Sovetskaja A r c h .
i i
L. Donäeva-Petkova, Bälgarska bitova keraniika prez rannoto srednovekovie (vtorata p o l o v i na na Vl-kraija na X v.) (Sofia 1977) 66, 68 u. 121.
1968, H. 3, 148-159, bes. 158.
Z. VäSarova, Pogrebalnijat obred k a t o istoriäeski i z t o f r i i k za etniäeskata säStnost na b ä l garskata narodnost (po archeologiceski i etnografski danni). Archeologija Sofia 19, 1977, H. 2, 30-50. 35)
Ebd. 39. Dies., Slavjani i Prabälgari po danni na nekropolite ot V l - X l v. na t e r i t o r i j a t a na Bälgarija (Sofia 1976) 427t.
Die Protobulgaren und ihre Wanderungen nach Südosteuropa
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. Der Reiter von Madara
ist nämlich ein solcher
Held, der vielleicht
in den Vorstellungen seiner
Schöpfer mit dem Himmelsreiter identisch war, m i t dem Gott Tangra. Die Idee von dem v e r g ö t t e r t e n , triumphierenden und siegreichen Anführer ist auch in anderen protobulgarischen
Kunstdenkmälern zu finden, zum Beispiel in einer der
Szenen auf der Kanne aus dem Schatz von Nagyszentmiklös (Sfnnicolau Mare). Der Schatz von Nagyszentmiklös (Taf. 12,2), über den Bände geschrieben worden sind, hat einen eindeutig heterogenen Charakter46). Zweifellos sind in seiner Dekoration Szenen und Gestalten, die von der reichen Schatzkammer des Ostens und Nahen Ostens und deren Kunstauffassungen angeregt wurden, doch dies alles unter dem Zeichen der protobulgarischen Weltanschauung. Als eine Einheit bet r a c h t e t spiegelt dieser Schatz den komplizierten Entwicklungsweg der protobulgarischen ethnischen Gemeinschaft und ihre a k t i v e n Kontakte mit der Kultursphäre der Turkvölker sowie der indo-iranischen und der
mittelmeerräumlichen
Weltanschauung wider. Völlig eigenartige
Denkmäler der protobulgarischen Kunst sind die zahlreichen
Ritzzeichnungen aus frühbulgarischen Siedlungen, vor allem aus Pliska und Preslav (Abb. 6)47). Sie geben die Kunstauffassungen der Volksmasscn in einer spezifisch bildhaften
Weltauffassung
wieder.
Einerseits
haben darin solche Sujets
ihren Platz gefunden, die aus der Wirklichkeit geschöpft wurden (Jagd-, Kampf-, Genre- und andere Szenen), andererseits'sind auch symbolische, epische und andere Gestalten dargestellt worden, die den heidnischen religiösen Glauben u m reißen. Die Ausführungstechnik und die Ausdrucksweise von Gedanken und Gefühlserlebnissen haben bei den Ritzzeichnungen volle Analogien in der Kunst der Türken und turksprachlichen Völker aus M i t t e l a s i e n , dem Kaukasusgebiet
und
dem südlichen Rußland. Die Traditionen dieser Kunst wirken auch später weiter
R. RaJev, Konnikät v starobälgarskoto izkustvo. Archeologija Sofia 26, 1984, H. 2-3, 60-70. Mavrodinov a.a.O. ( A n m . 43) 115-132. 47) D. OvCarov, G r a f f i t i medievaux de Pliska et de Preslav. Izvestija A r c h . Inst. Sofia 35, 1979» 48-64 [ C u l t u r e et a r t en üulgarie medievale ( V l l l e - X I V e ) J ; ders., Baigarski srednovekovni r i s u n k i - g r a t i t i (Sofia 1982).
190
Dimitär Ovcarov
Abb. 6. Pliska (Hez. Sumcn). Ritzdarstellung in einen Kalksteinblock der westlichen Festlings mauer. H. 0,23 mj Br. 0,18 m.
f o r t ; ihr Inhalt aber ändert sich unter dem Einfluß der christlichen Religion und der neuen gesellschaftlich-politischen Lebensbedingungen. Von der dominierenden slawischen Bevölkerung assimiliert, hinterließen die Protobulgaren dauerhafte Spuren in der Geschichte des bulgarischen Volkes, die in verschiedenen
Sphären des materiellen
und geistigen
Lebens zu finden sind.
D a m i t trugen sie wesentlich zu der Bereicherung und zu dem Aufblühen der bulgarischen Kultur bei, zu ihrer Verwandlung in eine der einzigartigsten Erscheinungen in der ganzen europäischen Geschichte.
Der awarische Fundstoff im Karpatenbecken und seine zeitliche Gliederung*
Eva Garam, Budapest
Die absolute und relative Chronologie der awarenzeitlichen archäologischen Hinterlassenschaften im Karpatenbecken des 5.-9. Jahrhunderts sind seit fast einem Jahrhundert u m s t r i t t e n und bis heute noch immer nicht in ausreichender Weise geklärt. Für die absolute Chronologie besitzen wir nur einen sicheren Festpunkt, nämlich die Jahre 567/568, als die Awaren nach ihrem Sieg über die Gepiden, bzw. nach dem Abzug der Langobarden das Karpatenbecken besetzt hatten. Hier können wir seit jener Zeit m i t awarischen Funden rechnen. Über die Geschehnisse nach der awarischen Landnahme berichten zwar b y z a n t i nische Quellen - sie enthalten in vielen Fällen sogar zahlreiche Einzelheiten doch geben sie keinen genügenden Ansatz zur eindeutigen Gliederung des aus Gräbern stammenden Fundstoffes aus dem 6. bis 8. Jahrhundert. Besonders problematisch ist die Bestimmung der abschließenden Zeitgrenze für die A w a r e n zeit und ihres archäologischen Fundniederschlages. Dazu müssen die politischen Geschehnisse
und das ethnische Weiterleben awarischer
Bevölkerungen
streng
auseinandergehalten werden. Die Feldzüge Karls des Großen an der Wende des 8. zum
9. Jahrhundert
brachten zwar den politischen Fall des
Awarenreiches
mit sich, die Awaren lebten jedoch mit ihrem Trachtzubchör und ihren Werkzeugen weiter. Bei der Diskussion über die Chronologie der Funde muß auf diesen Sachverhalt eigens aufmerksam gemacht werden. Der älteste Teil des archäologischen Materials aus der Awarenzeit
im Karpatenbecken ist durch by-
zantinische Münzen d a t i e r t . Schon J. Hampel versuchte, diesen münzdatierten Fundkreis von den übrigen zu trennen und erörterte ihn als die d r i t t e Gruppe in dem von ihm vorgestellten und publizierten f r ü h m i t t e l a l t e r l i c h e n Funden (Hampel
1905, 772-818).
risierte,
im
Das münzlose, durch gegossenen Gürtelzierat
sog. "Greifenrankenstil"
verzierte
Denkmalmaterial
der
charaktezweiten
Gruppe von Hampel bestimmte später A. A l f ö l d i gleichfalls als die archäologische Hinterlassenschaft der Awaren (Alföldi 1926, 2-30). Die relative Zeitordnung des awarenzeitlichen archäologischen Materials ist also in großen Zügen bekannt, und zwar ein früherer, das heißt frühawarenzeitlicher, münzdatierter, an Goldfunden aus gepreßtem Blech reicher Fundkreis sowie eine
* Der Beitrag wird durch die Tafeln 14-22 am Ende des Bandes illustriert.
192
Eva Garam
spätere, das heißt spätawarenzeitliche, an Edelmetall arme Gruppe mit gegossenen, "Greifenranken"verzierten Funden. Diese Feststellung wird auch durch den Funstoff
aus zahlreichen, in modernen Ausgrabungen in Superposition gefunde-
nen Bestattungen untermauert. Dieses allgemeine Bild benötigt aber noch w e i t e re
Verfeinerungen,
da
man ja
die
archäologischen
Hinterlassenschaften
von
250-300 Jahren bei gut datierbaren Einzelstücken feiner auseinanderhalten, beziehungsweise unterteilen können müßte. In den vergangenen 50 Jahren haben sich auch zahlreiche Forscher vorwärtsweisende
aber
mit diesem Problem befaßt, und es sind einige
auch andere, in Sackgassen mündende Lösungen, Vor-
schläge und Versuche zur chronologischen Differenzierung der Awarenzeit g l e i cherweise vorgelegt worden. Im Rahmen eines Vortrages kann man keine v o l l ständige Forschungsgeschichte berichten, deshalb lege ich nur den gegenwärtigen, allgemein gültigen und genügend begründeten Standpunkt dar und ergänze diesen mit den Daten, die ich anläßlich meiner eigenen Gräbcrfeldanalysen erhalten habe. In den letzten 20-25 Jahren ist vor allem auf Grund der Forschungen von 1. Kovrig (Kovrig
1962, 224-238); 1. Bona (Bona 1970, 256-259; ders.
1984, 310-346) und E. Garam (Garam 1979, 52-73) die Gliederung der Awarenzeit in drei Phasen, das heißt die Teilung des archäologischen Materials in eine früh-,
eine
mittel-
und eine
spätawarenzeitliche
Stufe
immer
mehr
in den
Vordergrund getreten. Schon früher, bei der Absonderung der zwei Hauptperioden (Früh- und Spätawarenzcit)
rechnete
die
Forschung
mit
dem erneuten
Erscheinen eines Volkes mit verwandter Lebensform im Karpatenbecken zu Beginn des späteren Abschnittes. Gy. Läszlö (Läszlö 1955, 179; 284) bezeichnete die absolute Zeitgrenze zwischen den beiden Perioden mit den Jahren um 670. Auch als man drei Fundhorizonte auseinanderhielt, erwog man die Möglichkeit, darin Einwanderungswellen von nomadisierenden Stämmen verwandter form
Lebens-
zu sehen, von welchen die ersten zwei außer durch die Änderungen im
archäologischen Material auch durch historische Fakten gestützt werden könnt e n . Auf unter
eine d r i t t e Zuwanderung, die sogenannte spätawarenzeitliche, lassen
anderen Veränderungen des Fundstoffs, nämlich des Musterschatzes, der
Technik und der Bestattungssitten sowie deren östliche Verbindungen schließen. Das Problem kann nicht als abgeschlossen diskutiert betrachtet werden, es wird darüber
hinaus auch heute noch viel polemisiert. Es gibt Abweichungen in der
Bestimmung hierzu
die
der
absoluten Chronologie
Forscher
in der
der
Umschreibung
Mittelawarenzeit, des Fundhorizontes
doch
stimmen
überein. Auch
Der awarische Fundstoff, im Karpatenbecken und seine zeitliche Gliederung
J
93
besteht Übereinkunft in der Deutung des spätawarenzeitlichen Fundstoffs als dem Niederschlag einer neuen Volkszuwanderung. Diese Themen werde ich im weiteren noch berühren, jedoch betrachte ich es als meine primäre Aufgabe, unsere in der Gliederung der Funde, der Aufstellung der inneren Chronologie und der Absonderung einzelner Funhorizonte bisher erreichten Ergebnisse darzulegen. Es ist ein ganzes Jahrhundert, aus dem wir münzdatierte Gräber kennen: Von 567/568 bis 685, also von Justinanus 1. bis Constantinus IV. Aus dieser Periode sind in Komplexen von 32 Fundstellen byzantinische Solidi oder deren barbarische Nachahmungen zum Vorschein gekommen. Diese Zahlen sind zwar nicht hoch, jedoch können wir durch die münzdatierten Gräber den Fundhorizont für das erste Jahrhundert der Awarenzeit, für die Frühawarenzeit zusammenstellen. Außerdem kann man auf Grund der historischen Geschehnisse und Umwandlungen den Beginn der sogenannten Mittelawarenzeit um das Jahr 670 annehmen. Am Ende der durch Münzen datierten Periode erscheinen die Münzen ersetzenden runden Goldplättchen, die Graboboloi. Mit ihrer Zusammenstellung konnten wir den Fundhorizont umschreiben, der - sozial gesehen - das Material des gemeinen Volkes der Mittelawarenzeit und der, chronologisch betrachtet, zugleich das letzte Drittel des 7. Jahrhunderts charakterisiert (Garam 1978, 210-215). Die meisten Probleme werden durch die Bestimmung der relativen Chronologie des spätawarenzeitlichen, mit gegossenen Gürtelzierden charakterisierten Fundkreises verursacht. Von der awarenzeitlichen Geschichte seit dem 8. Jahrhundert ist uns fast nichts bekannt. Mit Sicherheit kennen wir nur die Ereignisse von der Wende des 8. zum 9. Jahrhundert. Dies nutzt aber nichts zur Umschreibung der relativen Chronologie der archäologischen Funde. Sichere Ergebnisse erhalten wir, wenn wir das Fundmaterial in einer Seriationstabelle ordnen. Mit dieser Methode versuchen die österreichischen Kollegen die Anordnung des Materials ihrer awarenzeitlichen Gräberfelder zu gliedern (Daim u. Lippert 1984, 69). Die Gräberfelder des Wiener Beckens enthalten aber nur ein sehr armes Fundgut und sind nur zum Teil erschlossen. Beruhigende Ergebnisse und genauere Daten erhalten wir im Laufe der Analyse der großen, gänzlich erschlossenen Gräberfelder Ungarns, die reiche Fundkomplexe enthalten. Diese Arbeit habe ich bei der Bearbeitung des von mir erschlossenen awarenzeitlichen Gräberfeldes von Tiszafüred unternommen (Garam, im Druck).
194
Eva Garam
Dieses Gräberfeld enthält eine solch breite Skala mittel- und spätawarenzeitlicher Funde, daß es zur Aufstellung einer Seriationstabelle geführt und damit zugleich zur Klärung der Chronologie mittel- und spätawarenzeitlicher Funde zahlreiche neue und präzise Daten geliefert hat. Im folgenden werde ich den mit Hilfe der in der Einleitung bereits erwähnten Untersuchungsmethoden getrennten früh-, mittel- und spätawarenzeitlichen Fundstoff vorführen. Schließlich gebe ich alle diejenigen Faktoren und Erscheinungen bekannt, welche den Fundkreis nach dem politischen Fall des Awarenreiches, also dem des 9. Jahrhunderts bestimmen und ihn von den vorangegangenen trennen lassen. Der frühawarische Fundkreis (Von der awarischen Landnahme 567/568 bis zum letzten Drittel des 7. Jahrhunderts) - Taf. 1-4: Funde aus Männergräbern: Die Gürtelzierden aus Gold, Silber oder Bronze, gepreßte bzw. aus Blech ausgeschnittene rosettenförmige oder viereckige Beschläge, Großriemenzungen und zahlreiche Kleinriemenzungen (Abb. 1-2). Charakteristisch sind die gepreßten oder gegossenen Pseudoschnallen und Beschläge vom Martinovka-Typ. Die Gürtelschnalle ist eine einfache Eisen- oder eine glatte, gegossene Bronzeschnalle. Häufig kommen gegossene Bronzeschnallen byzantinischen Typs vor. Das Muster der Beschläge ist geometrisch, beliebt ist das Punktlinienmuster und die Maskendarstcllung. Ein Großteil der Beschläge besteht - besonders in der Spätphase der Frühawarenzeit - aus glatten Silber- oder Bronzeblechen. Funde aus Frauengräbern: Goldene, silberne oder bronzene Ohrgehänge mit kugel- oder pyramidenförmigen granulierten Anhängern, bunte Augenperlen, aus Eisendraht oder Silberblech gefertigte Armringe mit trichterförmigen Enden sind charakteristisch. Häufig kommt eine aus Sieblöffel und Haarpinzette bestehende Toilettengarnitur vor. Funde aus Pferdegräbern: Steigbügel mit langer oder schleifenförmiger Öse und runder Sohle, Ringtrensen, knöcherne Gurtschnallen finden sich des öfteren. Das Riemenwerk des Pferdegeschirrs zieren gepreßte Gold-, Silber- oder Bronzerosetten und Riemenzungen. Waffen: Schmal ausgehende Bögen mit Endversteifungen aus Knochen, breite dreiflügelige Pfeilspitzen, beinbeschlagene Köcher sind charakteristisch. Gerade zweischneidige Schwerter ohne Parierstange in Scheiden mit verzierten Beschlä-
Der awarische Fundstoff im Karpatenbecken und seine zeitliche Gliederung
gen und "P"-förmigen
oder
dreiteiligen
Halterungen
sowie
195
schilfblattförmige
Speere, K e t t e n - und Blechpanzer finden sich häufig. Cefäße:
Handgemachte Tontöpfe
dungsform, große, dickwandige
mit gezacktem
Rand oder viereckiger
Mün-
Flaschen, graue Tonkrüge mit kurzem Ausguß-
rohr gehören zum Repertoire, ferner begegnen goldene und silberne Metallgefäße (Krüge, Fußbecher, Trinkhörner und ihre Nachahmungen aus Ton).
Der Großteil der bisher bekannten Khagan-, Fürsten- und Feldherrengräber der Awarenzeit kann in die Frühawarenzeit datiert werden. In mehreren Fällen sind uns für die Aufstellung der relativen Chronologie gerade die aus diesen Gräbern stammenden Münzen b e h i l f l i c h . Die meisten Goldfunde wie die Metallgefäße und die mit Edelmetall beschlagenen Schwerter sind aus Fürsten- oder Feldherrengräbern bekannt. Mehrere Fundtypen der Frühawarenzeit sind m i t t e l - und innerasiatischen Ursprungs. Neben diesem macht sich zu dieser Zeit auch der byzantinische Einfluß geltend, es gibt viele Gegenstände byzantinischen
Ursprungs.
Die frühawarenzeitlichen Goldschmiede haben größtenteils nach byzantinischen Mustern gearbeitet.
Der mittelawarische Fundkreis (vom letzten D r i t t e l des 7. Jahrhunderts bis zum ersten und zweiten Jahrzehnt des 8. Jahrhunderts) - Tat. 5, M i t t e und Taf. 7, unten: Funde aus Männergräbern: Typisch sind die aus Silber-, jedoch öfters auch aus Bronzeblech ausgeschnittenen Gürtelzierden. Daneben sind aber auch die
mit
geometrischen Mustern verzierten und gepreßten Exemplare allgemein beliebt. Eine Gürtelzierde aus Gold kommt nur selten vor, hervorragende Vertreter dieser Goldfunde ist die Gürtelgarnitur des mit der Münze des Konstantinos IV. dat i e r t e n Fundes aus Ozora-Tötipuszta (Bona 1982-83, 104-114; 141-142). Zwischen den Gürtelzierden aus Bronzeblech sind die mit Flechtbandornamentik und zur Spätawarenzeit überleitenden rechteckigen Beschläge mit Ringgehänge charakteristisch. A m Ende der Mittelawarenzeit t r e f f e n wir auch vereinzelt den gepreßten Beschlag mit Tierfigur
an, jedoch sind diese nicht die Vorläufer der
späteren großen, greifverzierten
Beschläge. Das beliebte Zierverfahren in der
Mittelawarenzeit Konstruktion
ist die Glaseinlage. Zu dieser Zeit verändert sich auch die
der G ü r t e l , es gibt weniger
Nebenriemen, im hinteren Teil des
Gürtels werden die Beschläge in Dreier- und Fünfergruppierungen angebracht.
196
Eva Garam
Für die Tracht der Männer ist die aus Metallblech gefertigte Zopfspange charakteristisch. Die Beinschnitzerei der Mittelawarenzeit ist hochentwickelt, in den Gräbern finden wir viele schön ausgearbeitete Knochengeräte. Funde aus Frauengräbern: Im allgemeinen sind die Funde dieser Zeit ärmlicher als in der vorangegangenen Periode. Kleine, runde Perlen und Ohrgehänge mit Blechanhängcrn, kleinere Varianten von Ohrgehängen mit Kugelanhängern, auf Ringe aufgezogene Ohrgehänge mit Blechkugeln sind allgemein verbreitet. In den Gräbern der vornehmen Frauen finden sich goldene, mit Halbedelsteinen verzierte Ohrgehänge byzantinischen Ursprungs. Die Perlenreihen bestehen aus winzigen bunten Glasperlen. Als neuer Schmuck erscheinen die zum Zusammenhalten der Kleider dienenden, pepreßten Brustspangen und die mit Bulle verzierten Halsringc aus Gold-, Silber- oder Bronzedraht. Funde aus Pferdegräbern: Es erscheinen die Trensen mit Seitenstangen und Steigbügel mit gerader Sohle und Schlaufe. Die Beriemung des Pferdegeschirrs wird mit runden Eisen- oder Bronzebeschlägen, mit den Vorläufern der späteren Phaleren verziert. Pferdebestattungen werden seltener als früher. Waffen: Als neuer Waffentyp tritt der Säbel mit geschweifter Klinge ohne Parierstange auf. Die Schwerter haben eine schmalere Klinge, von den Scheiden verschwindet die "P"-förmigc und dreiteilige Halterung. Es gibt einfache Halterungen aus Eisenblech, jedoch kommt es häufiger vor, daß die Scheiden keinen Beschlag mehr haben. Die Lanzen werden länger als früher, häufig kommen Streitäxte vor. Die Bogenarme sind breiter, jedoch die Konstruktion der Reflexbögen ist dieselbe geblieben. Ketten- und Blechpanzer verschwinden. Gefäße: Die Töpfereiprodukte der Periode sind nicht charakteristisch bzw. stufenspezifisch. Allgemein verbreitet sind die groben, handgemachten Gefäße, zuweilen mit gezacktem Rand. Geringer ist die Zahl der Metallgefäße, unter ihnen sind die halbkugeligen Fußbecher zu nennen. Einige importierte Glasgefäße innerhalb der Awarenzeit sind auch aus diesem Zeitabschnitt bekannt. Die reichsten Gräber der Stufe vertreten die Gräber des Kreises von Tötipuszta, Igar, Dunapentele am rechten Donauufer mit viel Frauenschmuck byzantinischen Ursprungs. Die Münzen in den Gräbern werden in mehreren Fällen durch kleine runde Goldplättchen, die sog. Oboloi ersetzt. Zu Beginn der Mittelawarenzeit können die im letzten Drittel des 7. Jahrhunderts auftretenden Änderungen mit dem Erscheinen des wolga-bulgarischen Kuber (Sohn des Kuvrät) und seines Vol-
Der awarische Fundstori im Karpatenbecken und seine zeitliche Gliederung
197
kes sowie der ihm angeschlossenen mittelasiatischen Reiternomaden im Karpatenbecken verbunden werden. Mit der Änderung des archäologischen Materials wurden auch neue Gräberfelder angelegt, es veränderte sich die Bestattungssitte und die Grenzen des awarischen Stammesgebietes dehnten sich aus. Awarenzeitliche Gräberfelder lassen sich von diesem Zeitpunkt an in der Ost- und Westslowakei sowie im Wiener Becken fassen. Der spätawarenzeitliche Fundkreis (von den ersten Jahrzehnten des 8. Jahrhunderts bis zur Wende vom 8. zum 9. Jahrhundert) - Taf. 5, oben und unten; Taf. 6-9: Funde aus Männergräbern: Die Gürtelzierden werden jetzt aus gegossener Bronze gefertigt und im allgemeinen mit "Greifenranken"-Verzierung, seltener mit hellenistischen, spätsassanidischen oder schamanistischen Szenen versehen. Die charakteristischen Ziermotive in der Frühphase der Spätawarenzeit sind der Greif, die Tierkampfszene und die Kreislappenranke. In der Spätphase wird die Ranke allgemein, die sich bis zum Ende des 8. Jahrhunderts zu einer Palmette entwickelt. Der Hintergrund des Musters wird gepunzt. Die Beschläge sind zu diesem Zeitalter viel kleiner als früher. In der Männertracht wird die Zopfspange üblich. Funde aus Frauengräbern: Es erscheinen einfache Ohrgehänge mit Perlen, ihr Ring hat einen ovalen oder rautenförmigen Querschnitt, der Anhänger ist prismenförmig. Ohrgehänge aus Bronze mit gegossenem, halbmond- oder sternförmigem Anhänger finden sich desweiteren. Dunkle Melonenkernperlen, kleine stangenförmige Zwillingsperlcn und runde bronzene Brustspangen gehören ebenfalls zu den charakteristischen Schmuckgegenständen der Frauentracht. Seltener sind die gerippten Armringe oder solche mit rautenförmigem Querschnitt aus Blechband, die Spiralringe und die zur Verzierung der Tasche dienenden durchbrochenen Bronzescheiben. Funde aus Pferdegräbern: Allgemein verbreitet sind Trensen mit Seitenstangen und Steigbügel mit geradem Tritt. Zum Ausgang der Stufe hin wird die Sohle der Steigbügel auffallend breit. Die Beriemung ist durch gegossene Beschläge mit mannigfaltigem Muster vertreten, auf dem Kopfriemen erscheinen die großen, aus Blech gefertigten und gegossenen Phaleren mit zoomorpher Verzierung und Pflanzenornament sowie am Ende der Phase die tauschierten Eisenblechphaleren.
198
Eva Garam
Waffen: Bögen, lange Tüllenlanzenspitzen, Säbel, gerade Schwerter mit schmaler Klinge in unverzierter Scheide sowie Streitäxte gehören zum Waffenrepertoire. Gefäße: Handgemachte Krüge, scheibengedrehte graue, mit Wellenlinien verzierte und zuweilen mit Bodenstempel versehene Töpfe sowie feingeschlemmte scheibengedrehte gelbe Henkelkrüge, Schüsseln und Tüllengefäße charakterisieren diese Stufe. Die Gräber der Heerführer und Fürsten in der Spätawarenzeit sind uns nicht bekannt. Einige auf uns gekommene Beschläge einzelner Gürtel und die Nachrichten über die gegen Karl d.Gr. geführten Kriege mit der Erwähnung der Ausplünderung des Khagansitzes und seiner Schatzkammer sind die einzigen Hinweise dafür, daß man die Vornehmen auch in der Spätawarenzeit mit fürstlichem Prunk bestattet hat. Auf Grund der im Gange befindlichen neueren Forschungen ist der Schatz von Nagyszentmiklös ein Teil der Schatzkammer des spätawarenzeitlichen Khagans. Der Ursprung der spätawarenzeitlichen Bevölkerung ist umstritten. Zu Beginn des 8. Jahrhunderts überströmt binnen kurzer Zeit die Mode der "Greifranken"-verzierten Gürtelzierden das gesamte Karpatenbecken. Dieser Stil hat hier keine Wurzeln, auch sein östlicher Ursprung läßt sich nur mit einigen Fundtypen untermauern. Der heutige Standpunkt in der Forschung dazu ist unterschiedlich, nach einzelnen Meinungen dürften sich unter der spätawarenzeitlichen Bevölkerung auch Ungarn befunden haben. Es gibt auch die Ansicht von einer örtlichen, von allen äußeren Einwirkungen freien spätawarenzeitlichen Kultur. Meiner Meinung nach kann aber das plötzliche Auftauchen dieser Kulturerscheinungen, die mit dem Auftreten bestimmter Gegenstandstypen, technischer Verfahren und Musterrepertoires umschrieben werden können, mit nichts anderem als dem Erscheinen eines neuen, aus Reiternomaden bestehenden Volkes erklärt werden. Die Neuankömmlinge haben aber die früheren, von der mittelawarenzeitlichen Bevölkerung belegten Gräberfelder mit dieser gemeinsam auch weiterhin benutzt, jedoch wurden auch neue eröffnet. Die spätawarenzeitliche Kultur von einheitlicher Farbe kam im Karpatenbecken zur Blüte und bildete die sogenannte zweite Bronzezeit dieses Gebietes. Das Fundmaterial des Awarentums während des 9. Jahrhunderts Die Frage nach dem Weiterleben und dem Fundmaterial des Spätawarentums ist umstritten. Die Geschichte des Karpatenbeckens im 9. Jahrhundert war nicht
Der awarische Fundstoff im Karpatenbecken und seine zeitliche Gliederung
einheitlich, Pannonien g e r i e t unter
199
fränkische Oberhoheit. In der Gegend des
Zalaflusses gründete der slawische Stammeshäuptling Pribina mit Mosaburg ein Z e n t r u m . Gleichzeitig gehörte Siebenbürgen und der südliche Teil des A l f ö l d zur Interessensphäre der bulgarischen Macht. A l l dies konnte aber das völlige Aussterben der durch die fränkischen A n g r i f f e , inneren Unruhen und Kriege d e z i mierten
spatawarenzeitlichen
Bevölkerung
und die Aufgabe ihrer
materiellen
Kultur nicht bewirken. Bei der
Beschreibung
rechnen.
Infolge
der
des
Fundmaterials
Kriege
ist
müssen wir
mit
mehreren
Faktoren
der Großteil der führenden Schicht und des
Adels ausgestorben. Hunderte der kampffähigen Männer wurden verschleppt und in das Heer der Donaubulgaren eingereiht. Der Viehbestand hatte b e t r ä c h t l i c h abgenommen, dies beweist die äußerst kleine Zahl der Pferdegräber. Nach der Ausplünderung des Khaganzentrums hörte die A r b e i t der Goldschmiedewcrkstätte des Khagans auf. G l e i c h z e i t i g versickerten die Rohstoffquellen und die Wanderhändler blieben aus. Erst nach einer Pause von Jahrzehnten konnten sie von neuem
erscheinen, j e t z t
jedoch mit einem von dem alten abweichenden
und
fremden Handelsgut. Gegen Ende des 9. Jahrhunderts hatte ein neues, aus dem Osten kommendes Volk, die Ungarn, das Karpatenbecken in Besitz genommen. In den Reihen dieser Landnehmer sind die späteren Abkömmlinge der Awaren fast spurlos aufgegangen. All diese Änderungen können wir nicht aus den geschriebenen Quellen, sondern aus der minutiösen Analyse des Fundstoffes aus den Gräberfeldern von T i s z a f ü red, durch die Gruppierung der Gegenstände in einer Seriationstabelle e r f a h r e n . Ich habe das dortige Fundmaterial mit dieser Methode untersucht und nenne im folgenden die Funde der im 9. Jahrhundert weiterlebenden Bevölkerung: Funde aus Männergräbern: Das Fundmaterial der Gräber verarmt. Das M a t e r i a l und die Qualität der Gürtelzierden unterscheiden sich von dem allgemein spatawarenzeitlichen Fundstoff. Als Motiv dominiert die Ranke. Die G ü r t e l g a r n i t u ren sind unvollständig und passen nicht zusammen, sie sind o f t nur auf die funktionalen Stücke wie Schnallen und Lochkranzbeschläge beschränkt. Die Beschläge sind von schlechter
Q u a l i t ä t , es finden sich unter
ihnen viele Fehlgüsse.
Neue Fundtypen erscheinen nicht. Funde aus Frauengräbern: Im allgemeinen sind sie armselig. Es werden gehänge
mit
Perlen, Melonenkernperlen
weitergetragen.
Jedoch
kommen
Ohrdie
Brustspange, der A r m r i n g und die Scheibe seltener vor. Im Gegensatz zu den
200
Eva Garam
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Ohrgehänge und Perlentypen aus dem 9. Jahrhundert aus verschiedenen Gräbern von Tiszafüred.
männlichen erscheinen aber in den weiblichen Gräbern neue Fundtypen wie o f f e ne Schläfenringe, Reifen mit "S"-Endung, gegossene Ohrgehänge mit Anhängern. Als T r a c h t f o r m neu ist, daß mehrere Reifen zusammengeheftet
nicht an den
Ohren, sondern am Kopftuch angenäht getragen wurden. Es finden sich die f r ü her fremden M i l l e f i o r i - P e r l e n , Bleibullen, aus zwei Fäden geflochtene Torques, Eisenrasseln und eiserne Nadelhalter. Das Tragen von männlichen G ü r t e l z i e r t e i len w i r d zur Mode. Funde aus Pferdegräbern: Das 9. Jahrliundert ist arm an Pferdegräbern. Beim Pferdegeschirr
und bei der Verzierung der Beriemung t r e f f e n wir keine neuen
Der awarische Fundstoff im Karpatenbecken und seine zeitliche Gliederung
Typen oder
Motive
an. Die
Funde der
reichen
Pferdegräber
201
vom Ende des
8. Jahrhunderts sind von verhältnismäßig kurzer Lebensdauer, die großen Phaleren aus Bronze- und Eisenblech verschwinden in den ersten Jahrzehnten des 9. Jahrhunderts fast spurlos. Waffen: In der westlichen H ä l f t e des Karpatenbeckens, dem Gebiet unter f r ä n kischer Oberhoheit, erscheinen Flügellanzen und Tüllenpfeilspitzen zuweilen mit Sporen zusammen. Die Gräberfelder der östlichen Hälfte des Karpatenbeckens enthalten im 9. Jahrhundert keine Waffen mehr. Gefäße: Charakteristisch
sind scheibengedrehte,
hohe dunkelgraue Töpfe
mit
Wellenlinienverzierung und Bodenstempeln. Die kleinen handgemachten Tonkrüge leben als Grabkeramik weiter. In den datierbaren neu erschlossenen Siedlungen des 9. Jahrhunderts
kommen
Backglocken
und p r i m i t i v e
Tonkessel zum
Vor-
schein. Zur genaueren Gruppierung der Gefäße in Perioden können wir jedoch neuere Daten erst nach der Untersuchung des Materials aus den noch g r ö ß t e n teils in Bearbeitung befindlichen awarenzeitlichen Siedlungen erhalten.
Zur Klärung der genaueren absolutchronologischen Position der aus dem 9. Jahrhundert
stammenden
Funde
können wir auf die Kenntnis der im
Mährischen
Großreich, in Niederösterreich und in Transdanubien erschlossenen Gräberfelder zurückgreifen, durch sie läßt sich auch die materielle Kultur der Bevölkerung der Theißgegend, des A l f ö l d im 9. Jahrhundert umreißen. So läßt sich also in der hier gebotenen Kürze der für das Karpatenbecken des 6.-9. Jahrhunderts charakteristische Fundstoff zusammenfassen, den wir in vier voneinander mehr oder weniger gut abgrenzbare und miteinander eng verknüpft e , eine Kontinuität belegende Gruppen geteilt haben.
202
Eva Garam
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l'histoire
de
la
societe des
Das Weiterleben der Gepiden in der Awarenzeit *
A t t i l a Kiss, Budapest
Das Karpatenbecken war bis 567 ein integraler Teil der sich vom A t l a n t i k
bis
zum östlichen
er-
Rand Siebenbürgens
und von Skandinavien
bis
Nordafrika
streckenden germanischen Welt. Im östlichen Teil seines Gebietes, in Syrmien, an der linken Seite der Theiß und in Siebenbürgen lebten die Gepiden (Csalläny 1961; Bona 1976 Abb. 3; Horedt 1977, 267-268; Bona 1979), während in seinem westlichen T e i l , zwischen den Alpen und der Donau die Langobarden und die Sweben siedelten (Bona Landnahme und die
1976 Abb. 3; Friesinger u. Adler
Niederlassung
1979, 58). Durch die
der Awaren im Karpatenbecken wurde das
Gebiet ein Teil der von der Enns bis zur Großen Chinesischen Mauer reichenden, türksprachigen, nomadischen Welt. Zuerst kam im Jahre 567 das Land der Gepiden, die durch die Langobarden eine entscheidende Niederlage e r l i t t e n h a t t e n , in die Hand der Awaren unter der Führung des Khagans Bajan, sodann wurde nach Ostern des Jahres 568 auch das Gebiet der vor der neuen östlichen Gefahr nach Italien gezogenen Langobarden awarischer Besitz. Während zur erwähnten Zeit die Langobarden - wie es allgemein bekannt ist das Karpatenbecken wahrscheinlich restlos verließen, gestaltete sich das Schicksal der Gepiden
- den geschriebenen Quellen nach - in abweichender Weise. Sic
f l ü c h t e t e n nach ihrer Niederlage im Jahre 567, teils unter byzantinische Herrschaft (Lakatos 1973, 90), teils schlössen sie sich den Langobarden an und zogen mit diesen nach Italien (ebd. 96; 104), teils blieben sie aber im Karpatenbecken zurück und gerieten unter die Awarcnmacht (ebd. 110; 112). Von den unter der Awarenherrschaft an Ort und Stelle verbliebenen Gepiden berichten die geschriebenen Quellen in drei Fällen: zuerst im Zusammenhang mit den immer wieder nach Byzanz Flüchtenden (ebd. 102; 104; 105), zum z w e i t e n Mal, als der byzantinische
Feldherr
Priscos m i t
seinem
Heere
in den Jahren
599-600 die gepidische Bevölkerung von drei D ö r f e r n an der Theiß n i e d e r m e t z e l te (ebd. 110), drittens anläßlich der Belagerung Konstantinopels im Jahre 626, als an der Seite der Awaren ein gepidisches Kontingent a u f t r i t t (ebd. 112). Danach schweigen sich die schriftlichen Quellen ebenso h i n s i c h t l i c h der im K a r p a tenbecken zurückgebliebenen Gepiden aus, wie in bezug auf die A w a r e n . Eine
* Die Phototafeln 25-30 mit den Verbreitungskarten zu den Fundlisten befinden sich am Ende des Bandes.
204
Attila Kiss
Ausnahme bildet allein die - in Gegenwartsform geschriebene (!) - Bemerkung des Paulus Diaconus, ca. 720- 797, sofern sie sich in der Tat auf seine zeitgenössischen Verhältnisse bezieht und nicht einen früheren Zustand oder eine f r ü h ere Quelle in der Gegenwartsform i n t e r p r e t i e r t . Danach gelangten die im Karpatenbecken gebliebenen Überreste der Gepiden unter awarische Herrschaft: aut usque hodie, Hunhis subiecti
gemunt
[d.h. Avaribus]
(Paulus
Diaconus
eorum patriam 1,27)
und
possidentibus
schmachteten
duro
unter
imperio schwerer
Knechtschaft. Nach mehr als anderthalb Jahrhunderten Stille berichtet zu Beginn des 9. Jhs. eine dichterische Bemerkung über die zurückgebliebenen Gepiden (Lakatos 1973, 115-116), sodann erwähnt sie wiederum die Conversio um 871-873 in der Gegenwartsform
(ebd. 1973, 116-117; Wolfram 1979, 44-45; 105). In diesem Zusam-
menhang schrieb H. Wolfram: "Nach c.7(6) muß es aber Gepidenreste rechts der Donau im Salzburgischen Unterpannonien gegeben haben ... n i m m t man c. 7(6) beim Wort, dann hätte es also noch 870 pannonische Gepiden gegeben, die als eigenes Ethnikon auffielen (Wolfram 1979, 105)". In bezug auf die A u t h e n t i z i t ä t der über die Gepiden berichtenden Angaben der Conversio müssen wir
in Erinnerung bringen, daß der Text kein "ethnographi-
sches Werk" mit dem Vorhaben, die Völker des Karpatenbeckens im 9. Jh. zu beschreiben, ist, sondern eine kirchlich-politische S t r e i t s c h r i f t darstellt, deren Ziel die Verteidigung der pannonischen Rechte des Salzburger Erzbistums war und die sich ohne das Gebiet jenseits der Theiß und Siebenbürgens zu berücksichtigen, gänzlich auf Pannonien beschränkt. Obwohl der Wohnsitz der Gepiden innerhalb
Pannoniens auf
Grund der Conversio nicht näher bestimmt
werden
kann, müssen wir logischerweise eher an Unterpannonien denken, da ja Syrmium, das Land des gepidischen Königtums von 567, in den Zeiten zwischen 567-582 bzw. um das Jahr 584 bis zur Einnahme von Sirmium und Singidunum als Schauplatz der awarisch-byzantinischen
Kriege ein ziemlich entvölkertes Gebiet ge-
wesen sein d ü r f t e . Summieren wir die Angaben der geschriebenen Quellen, so stellen wir fest, daß 1. ein Teil der Gepiden auch nach 567 im Karpatenbecken unter
awarischer
Herrschaft zurückgeblieben ist; 2. sie auch noch 50 Jahre nach ihrem politischen Fall ein bemerkenswertes m i litärisches Kontingent bildeten, was auf die große Zahl der Zurückgebliebenen verweist;
Das Weiterleben der Gepiden in der Awarenzeit
205
3. auf Grund der sich auf (Unter)pannonien beziehenden Conversio ihr Aufenthalt dort selbst noch in den Jahren um 870 als wahrscheinlich betrachtet werden kann. Laut der schriftlichen Überlieferung stellten die Gepiden nach 567 im Karpatenbecken die einzigen Germanen dar. Die archäologischen Gegenstände und Erscheinungen germanischen Charakters, die nach diesem Zeitpunkt datiert werden müssen, können also den Gepiden zugewiesen werden, falls es sich nicht bei ihnen um eine aus dem Westen stammende Handelsware handelt. Das Schicksal der Gepiden dürfte nach 567 im Karpatenbecken, wie bei Minderheiten üblich, die langsame oder raschere Assimilation gewesen sein. Dieser Prozeß läßt sich archäologisch nur durch die Beobachtung des Verlaufs der Bestattungssitten und die Auswertung der Trachten- und Gebrauchsgegenstände verfolgen. Die Sitten, die charakteristische Tracht und die spezifisch gepidischen Gegenstände werden mit der Zeit immer seltener, kommen dann nur ab und zu vor und verschwinden schließlich ganz. Dieser Prozeß läßt sich durch zahlreiche Beispiele aus unseren Tagen belegen, und wir haben jeden Grund anzunehmen, daß er auch in der Awarenzeit nicht anders verlaufen ist. Auf Grund des zu ca. 70% erschlossenen Gräberfeldes "A" von Kölked-Feketekapu (Kiss 1979) ergibt sich die Möglichkeit, diesen Prozeß auch archäologisch zu verfolgen: im älteren Teil des Gräberfeldes (d.h. von den achtziger Jahren des 6. Jhs. bis ca. 630) befinden sich die Gräber germanischen bzw. gepidischen Charakters, in der mittleren Periode der Belegungszeit (d.h. von ca. 630 bis ca. 670-700) kommen die Gegenstände von typisch awarischem Charakter immer häufiger vor, um dann in der Abschlußphase des Gräberfeldes (d.h. von ca. 670-700 bis ca. 750) dominant zu werden und um die germanisch-gepidischen Funde, von welchen nur hie und da noch ein Exemplar angetroffen wurde, zu verdrängen. Der Assimilationsprozeß verlief auch überall gleich, sein Tempo dürfte aber von sehr vielen Faktoren beeinflußt und selbst unter den einzelnen Gruppen ein und desselben Volkes stellenweise sehr abweichend gewesen sein. Das Ablegen der Grabsitten und der traditonellen Tracht bzw. ihre Erneuerung in Kölked-Feketekapu konnte etwa binnen 100-120 Jahren vor sich gehen. Archäologisch ließ sich nicht feststellen, ob die gepidischen Mitglieder dieser Gemeinschaft in ihrer geistigen Kultur und auch in ihrer Sprache zu Awaren geworden waren. Umgekehrt ist archäologisch nicht zu klären, ob in einem typischen, durchschnittlichen,
206
A t t i l a Kiss
spätawarenzeitlichen Grab eine sich in ihren Sitten und in ihrer Tracht bereits assimilierte, jedoch im Geiste und in der Sprache sich noch immer für einen Gepiden haltende Person ruhte. Die Conversio erwähnt die Gepiden um die Jahre 871 - 873 in der Gegenwartsform, demnach hatte also der Verfasser der sich auf Unterpannonien beziehenden Conversio in den 70er Jahren des 9. Jhs. noch Kenntnis über Volksgruppen des Raumes, die sich selbst ethnisch noch für Gepiden hielten oder von anderen noch so angesehen wurden. Die sprachlich-kulturelle Assimilation hatte also in diesem Falle innerhalb von 300 Jahren noch nicht stattgefunden. Der Nachweis des gepidischen Volkes mit archäologischen Mitteln nach 567 ist ziemlich schwer (Zur negativ beurteilten Forschungsgeschichte der Thematik siehe Bona 1971, 298-301). Die Siedlungsforschungen sind noch in embryonalem Zustand, die sogenannten germanischen Langhäuser sind vorläufig noch unbekannt. Die Grubenhäuscr mit zwei Pfosten sind östlichen Typs (Donat 1980; Rappaport 1972, 1975; Sedov 1982; Bona 1973; Kiss 1979, 185 Anm.i; Garam 1981, Abb.i), mit ihnen gemeinsam kommen bei den Awaren oder Slawen in Osteuropa auch zeitweise Vier- oder Sechspfostenhäuser vor. Die germanischen Grubenhäuser in Mittel- und Westeuropa wurden ebenfalls mit vier oder sechs Pfosten erbaut (Behm-Blancke 1954, Abb.5). Deshalb könnten solche Häuser im Karpatenbecken wie zum Beispiel in Kölked und bei Mores,ti nicht durch ihren Bautypus, sondern allenfalls durch die eventuelle Unterschiedlichkeit ihrer Fundmatcrialien von den zeitgenössischen awarischen Häusern getrennt werden. Etwas mehr verraten uns die Gräberfelder. Archäologische Indizien im Bestattungsritus, auf Grund derer Awaren, Slawen, Gepiden strikt auseinandergehalten werden könnten, lassen sich zur Zeit noch nicht eindeutig definieren. Gewisse Grabfunde verweisen aber auf ethnisch spezifische Bereiche in der Lebensführung hin. Dies gilt zum Beispiel für die aus Gräbern mit germanischgepidischem Charakter zum Vorschein gekommenen Schildbuckel (Liste und Karte 2), die auf eine in scharfem Gegensatz zur östlichen stehende germanische Kampfart des Fußvolkes verweisen. Das gemeinsame Vorkommen des Schildbuckels mit Knochen vom Reflexbogen sowie Pfeilen in ein und demselben Grab zeigt die allmähliche Übernahme der östlichen Kampfweise durch die Gepiden an. Vermischungen in der Tracht deuten zum Beispiel die im awarischen Milieu erscheinende gepidische ovale eiserne Gürtelschnalle an (Liste und Karte 3), deren traditionsgebundene Form bei ihrer unbedeutenden Stellung in der Tracht die Mode
Das Weiterleben der Gepiden in der Awarenzeit
207
nicht beeinflussen konnte und erhalten geblieben ist. Von den auch weiterhin genutzten gepidischen Gebrauchsgegenständen soll hier das Hack- oder "Wiege"messer der Frauengräber
erwähnt
werden (Liste und Karte 6) (Csalläny 1961,
369: "Ziehmesser"). Die Funde germanischen (gepidischen) Charakters (vgl. Horedt 1971, Tabelle 2) kommen im Karpatenbecken nach 670 in den Gräberfeldern im allgemeinen nur sporadisch vor. Hier soll aber ausdrücklich bemerkt werden, daß die Zahl der in beruhigender
Menge erschlossenen, awarenzeitlichen Gräberfelder solchen Cha-
rakters nur sehr gering ist. Massenhaft, das heißt in wirklich vielen Gräbern kamen sie bisher nur bei den Fundorten Feketekapu und Környe zum Vorschein. Die
übrigen gepidischen
Fundstücke erschienen jeweils nur neben awarischen
Gegenständen in j e einem Grab bei anderen, kleineren oder größeren G r ä b e r f e l dern. Diese einzeln auftauchenden Gegenstände deuten entweder auf eine durch Heirat u.a. in eine awarische Gemeinschaft geratene Gepidin hin, deren übrige Gegenstände uns v e r r a t e n , daß sie durch das Awarentum assimiliert worden ist, oder auf die Übernahme gewisser gepidischer Gegenstände durch die A w a r e n . Beide Möglichkeiten bedeuten ein gepidisches Überleben irgendwo im Gebiet des Karpatenbeckens, da ja
Gegenstände von germanischem Charakter
in diesem
Raum und zu dieser Zeit nur von Gepiden stammen können, die sie entweder für den eigenen Gebrauch oder für die Awaren hergestellt haben. Insbesondere g i l t dies für Gegenstände, die außerhalb des Karpatenbeckens, das heißt außerhalb der an der Enns verlaufenden frühawarischen Grenze in anderen germanischen Gebieten nicht angetroffen werden können, wie z.B. die germanische T i e r o r n a mentik Stil 11 mit Zahnschnitt ( F e t t i c h 1926, 65; Bona 1982- 83, 85; 139). Dieser Stil existierte vor
567/568 nicht (Bona
1979, 15). Er dürfte als das Ergebnis
einer inneren Entwicklung entstanden sein und zwar in Werkstätten von o r t s a n sässigen gepidischen Goldschmieden, die ihre mit diesem Stil verzierten Produkte zuerst vielleicht nur zu ihrem eigenen Gebrauch, später aber für Mitglieder der führenden awarischen Schicht g e f e r t i g t hatten. Mit der Verbreitung der Mode dieses Stils dürften früher oder später aller Wahrscheinlichkeit nach auch die awarischen Goldschmiede solche Gegenstände hergestellt haben. Wenn wir also den
mit
germanischer
Tierornamentik
im
Stil
11 mit
Zahnschnitt
verzierten
Gegenständen konkret auch keine auf die Gepiden hinweisende, ethnospezifische Rolle zuschreiben können, weisen sie letzten Endes in indirekter Form doch auf das Weiterleben der awarenzeitlichen Gepiden hin.
208
Attila Kiss
Überblicken wir die Liste der Fundorte der awarenzeitlichen gepidischen Gegenstände (Liste und Karte 1-11), so fällt uns folgendes auf: Im Gebiet des einstigen gepidischen Königtums in Siebenbürgen erscheinen die Gegenstandstypen in einigen Gräberfeldern in relativ großer Menge. Das Gräberfeld von Mezöbänd (Band) ist der bisher einzige bekannte Ort, wo die Belegungszeit noch irgendwann vor 567, das heißt noch in der vorawarischen Gepidenzeit begonnen hat, und der Friedhof unabhängig von den politischen Änderungen bis in die Jahre um 630 ununterbrochen benutzt worden ist (ebd. 43; 45). Obwohl es etwa zu 99% ausgeraubt war, infolgedessen schwer auswertbar ist und obwohl es auch bisher zu einer ausführlichen Bearbeitung und Publikation anderer bedeutender siebenbürgischer Gräberfelder derselben Zeit wie zum Beispiel Bratei 3 oder Nosjac noch nicht gekommen ist, kann das Weiterleben der Gepiden in Siebenbürgen fast mit Bestimmtheit angenommen werden. Vom Gebiet des einstigen gepidischen Königtums an der Theiß sind uns nur sehr wenige awarenzeitliche Funde gepidischen Charakters bekannt (anderer Meinung: Horedt 1985) Auf Grund ihres sporadischen Vorkommens scheint es vielmehr, als hätten die Awaren die Gepiden hier ausgesiedelt. Vom Gebiet des einstigen gepidischen Königtums von Syrmien wurden vorläufig keine awarenzeitlichen gepidischen Funde publiziert. In Gebieten, die früher nicht zum Stammesterritorium der Gepiden gehört hatten, wie dem Donau-Theiß-Zwischenstromland und vor allem Transdanubien, wurden mehrere solche Gräberfeldteile erschlossen, in deren Gräbern neben den Gegenständen awarischen Charakters auch solche von germanischer (gepidischer) Art vorkommen. Der Mengenanteil letztgenannter Typen ist unterschiedlich, jedoch im allgemeinen sehr gering, besonders wenn man je eine Fundstelle für sich isoliert betrachtet. Ihr gelegentliches Auftreten ist, wenn man das ganze Gebiet Transdanubiens betrachtet, schon beachtenswert, insbesondere wenn wir auch die Gräberfelder von Kölked-Feketekapu und Környe mit germanischem Charakter in Betracht ziehen. Das sporadische Vorkommen dieser Typen, manchmal erscheinen acht bis neun Typen zusammen, weist weniger auf eine ethnische Bestimmung ihrer Träger als vielmehr darauf hin, daß ihre Benutzer selbst noch in späteren Zeiten mit Germanen (Gepiden) in Beziehung gekommen sein dürften. Obwohl wir uns hier nicht mit den Möglichkeiten eines bayerischen Handels befassen wollen, so können wir auf Grund der Verbreitungskarten der Gegenstände (Karten 1-11, Taf. 25-30) annehmen, daß irgendwo in Transdanu-
209
Das Weiterleben der Gepiden in der Awarenzeit
bien gepidische
Gemeinschaft(en)
lebte(n), die diese Gegenstände
hergestellt
hatte(n). Unter den möglichen Zentren können auf Grund des konzentrierteren V o r k o m mens von Gegenständen germanischen (gepidischen) Charakters vorläufig nur die Fundorte von Kölked-Feketekapu (Salamon u. Erdelyi 1971) und vielleicht auch von den beiden in Bearbeitung befindlichen Gräberfeldern A und B von Környe lokalisiert werden. Im erstgenannten sind 70% der Gräber erschlossen worden, die recht gut illustrieren, wie die weiterlebende gepidische Minderheit awarisch geworden ist. In bezug auf die bloß p a r t i e l l erschlossenen Gräberfelder
mahnt
gerade der weitgehend ausgegrabene Friedhof von Kölked zur Vorsicht, was die ethnischen Bestimmungen a n b e t r i f f t . Hätte man nämlich nur das späte
Drittel
des 680 Gräber enthaltenden Gräberfeldes " A " von Kölked-Feketekapu erschlossen, wäre es als ein typisch spätawarenzeitlicher Bestattungsplatz in das allgemeine Bewußtsein gelangt. Die ausschließliche Freilegung seines frühen D r i t t e l s hätte hingegen das Vorhandensein einer isolierten germanischen Gemeinschaft angezeigt. Daraus ergibt sich, daß wir bei einem nur teilweise erfaßten Gräberfeld
nicht
entscheiden
können, ob seine Belegzeit
innerhalb der
Awarenzeit
sämtliche Perioden ( f r ü h - , m i t t e l - , und spätawarisch) oder bloß eine einzige von diesen Stufen chronologisch erfaßt. Genausowenig können wir wissen, zu w e l chem Volk das gleiche, unvollständig erschlossene Gräberfeld mit einigen gepidischen Funden - eventuell nur in verschwindend geringer Menge - ethnisch gehört. Es ist möglich, daß seine Benutzer Awaren östlichen Ursprungs oder auch Mitglieder einer sich im l e t z t e n Stadium des Assimilationsprozcsses befindlichen gepidischen Gruppe sind. Die
Annahme
Gräberfelder
von transdanubischen
gepidischen
Zentren, deren
Existenz
die
bei Kölked-Feketekapu und eventuell auch bei Környe nahelegen,
s t i m m t auch mit der Behauptung der Conversio überein. Ist es möglich, daß die Awaren
einen Teil der
ursprünglich im Gebiet jenseits der Theiß ansässigen
Gepiden nach Transdanubien umgesiedelt hatten? Wenn j a , so dürfte ihre Seelenzahl, auch die nach Italien und Byzanz Geflüchteten in Betracht gezogen, nicht allzu groß gewesen sein. Auf Schätzungen dürfen bzw. können wir
uns
jedoch nicht einmal versuchsweise einlassen. Was die in Siebenbürgen verbliebenen Gepiden a n b e t r i f f t , werden die ausführlichen Publikationen der bisher unv e r ö f f e n t l i c h t e n Gräberfelder von Bratei 3 und Nosjac zur Lösung des Problems h o f f e n t l i c h neuere Daten l i e f e r n .
210
Attila Kiss
FUNDLISTEN Als Beleg für die im Text nur summarisch genannten Fakten sollen noch einige Fundlisten und die Kartierung der dort genannten Gegenstände vorgelegt werden. Listen- und Abbildungszählungen entsprechen sich. Die Nummern auf den Listen stellen zugleich die Legende für die Abbildungen dar.
Liste 1
(Karte l, Taf. 25,1) Frühawarenzeitliehe
Spathen
1. Bratei (Baräthely) Gräberfeld 3, Gräber 85, 214, 218 - Nestor u. Zaharia 1973; Mitteilung von E. Zaharia. 2. Kölked - Feketekapu Gräber A-39, 142, 190, 211, 225, 253, 257, 260, 264, 268; Gräber B-82, 132, 336 - Ausgrabungen von A. Kiss, unpubliziert. 3. Környe Gräber 8, 16, 44, 50, 66, 75, 97, 100, 109, 149, Streufunde - Salamon u. Erdelyi 1971, 14-30 Taf. 32-334. Nosjac (Marosnagylak) Gräber 6, 17, 21, 43, 49 - Rusu 1962, 273 mit Abb. 4,175. Pecs - Köztemetö Gräber 30, 36, 38 - Kiss 1977, 94-96; Taf. 37,10; 38,9; 39,16. Pökaszepetk Grab 76 - Sös 1968, 227-229. 7. Szekszärd - Bogyiszlöi üt - Ausgrabungen und Mitteilungen von Gy. Rosner.
Liste 2
(Karte 2, Taf. 25,2) Frühawarenzeit
liehe
Sehildbuckel
1. Aradac (Aradka) - Mec'ka Grab 108 - Nadj 1973, 160/3, 1-2-3. 2. Kölked - Feketekapu Gräber A-14, 39, 211, 260, 365, Grab B-336 - Ausgrabung von A. Kiss, unpubliziert. 3. Környe Gräber 44, 66, 78, 99 - Salamon u. Erdelyi 1971, 18-23 Taf. 6-16. 4. Pökaszepetk Grab 76 - Sös 1968, 227-229. 5. Szekszärd - Bogyiszlöi üt - unpubliziert, Gy. Rosner.
Ausgrabung
und Mitteilung von
6. Värpalota - Gimnäzium Grab 210 - Erdelyi u. Nemeth 1969, 190 Abb. 26. 7. Szentes - Derekegyhäzi oldal - G. Csalläny 1939, 116 Taf. 2,18.
211
Das Weiterleben der Gepiden in der Awarenzeit
Liste 3
(Karte 3, Taf. 26,1) Awarenzeitliche
eiserne
Gürtelbeschläge
1. A l a t t y ä n - Tulät Grab 520 - Kovrig 1962, 47 Taf. 34. 2. Cikö Grab 167 - Hampel 1905 I I , 270-272; 111, 207. 3. Csäkbereny Grab 421 - Ausgrabung von Gy. Läszlö; Bona 1961, 64-68.
4. Cserküt - Kiss 1977, 18 Taf. 1,3-6. 5. Keszthely - Sörkert Grab 14 - Kovrig i960, 164 Abb. 16,1. 6. Kölked - Feketekapu Gräber A-14, '5> J7> i9> 24, 43, 44, 46, 57, 85, 103, 130, 138, 142, 178, 179, 180, 183, 193, 201, 215, 227, 249, 250, 255, 257, 260, 275, 283, 310, 324, 341, 344, 354, 361, 373, 386, 469, 4 7 1 , 485, 523, 539, Gräber B-82, 132, 173, 336 - Ausgrabung von A. Kiss, unpubliziert. 7. Környe Gräber 18, 43, 66, 70, 77, 97 - Salamon u. Erdelyi 1971, 15-23 Taf. 2-15. 8. Pecs - K ö z t e m e t ö Grab 30 - Kiss 1977, 94-96 Taf. 37. 9. Szekszärd Gy. Rosner.
Bogyiszlöi
üt
-
unpubliziert,
Ausgrabung und M i t t e i l u n g
von
10. Szekszärd - Palänk Grab 14 - Salamon u. Erdelyi 1971, 46 Anm. 117. 11. Szigetszentmiklös - Häros Grab 17 - Sös 1961, 12 Abb. 16. 12. Värpalota - Gimnäzium Grab 210 - Erdelyi u. Ncmeth 1969, 190 Taf. 19,5. 13. Zamärdi - Reti földek - unpubliziert, Ausgrabung und Mitteilung von E. Bärdos.
Liste 4
(Karte 4, Taf. 26,2) A warenzeitliche
eiserne oder bronzene
Gürtelbeschläge
mit
"Zellen"
1. Cikö Grab 167 - Hampel 1905 11, 270-272; III, 207,10. 2. Kölked - Feketekapu Gräber A-17, 183, 201, 260, 283, 310, 361, Grab B-80 Ausgrabung von A. Kiss, unpubliziert.
3. Környe Grab 149 - Salamon u. Erdelyi 1971, 29 Taf. 5,3. 4. Zamärdi - Reti földek - unpubliziert, Ausgrabung und Mitteilung von E. Bärdos.
212
Attila Kiss
Liste 5
(Karte 5, Taf. 27,1) Rechteckige,
durchbrochene
bronzene
Gürtelbeschläge
1. Andocs - Nemetsürü - Hampel 1905 11, 334-335; 111, 256,C,3; Marosi u. Fett i c h 1936, 65 Abb. 24,3. 2. Band (Mezöbänd) Gräber 361-362 Abb. 80, 2-3.
59,
174
-
Koväcs
1913, 326-328
Abb. 45, 2-4;
3. Csäkbereny Grab 119 und Streufunde - Ausgrabung von Gy. Läszlö, unpubliziert. 4. Dunapentele / Dunaüjväros - Oreghegy Grab 3 - Marosi u. F e t t i c h 1936, 18 T a t . 8,36-38. 5. Kölked - Feketekapu Grab A-203 - Ausgrabung von A. Kiss, unpubliziert. 6. Környe 13,2-3.
Gräber
60, 138 - Salamon u. Erdelyi
1971, 19 Taf. 2,19; 28 Taf.
7. Nosjac (Marosnagylak) Grab 18 - Rusu 1962, Abb. 2,10. 8. Szekszärd - Bogyiszlöi üt - Ausgrabung und Mitteilung von Gy. Rosner, unpubliziert. 9. Zamärdi - Reti töldek - Ausgrabung und Mitteilung von E. Bärdos, unpubliziert.
Liste 6
(Karte 6,Taf. 27,2) A warenzeitliche
"Hack-
oder
Wiegemesser"
1. Band (Mezöbänd) Gräber 13, 16, 23, 29, 157 - Koväcs 1913, 297-301 Abb. 2 1 , 1 ; 301-302 Abb. 23a; 304 Abb. 26; 308-311 Abb. 29,2; 353-355 Abb. 76,10. 2. Csäkbereny Gräber 284, 299, 341, 367, 397, 409 - Ausgrabung von Gy. Läszlö, unpubliziert. 3. Kölked - Feketekapu Gräber A - 1 0 , 189, 233, 279, 471, Grab B-438 - Ausgrabung von A. Kiss, unpubliziert. 4. Mezöfalva-Vasutällomäs = Elöszälläs-Bajcsihegy M i t t e i l u n g von 1. Bona, unpubliziert.
Grab
81 - Ausgrabung
und
5. INosJac (Marosnagylak) Grab 39 und weitere Gräber - Rusu 1962, 274 Abb. 4,5; bzw. Mitteilung von M. Rusu. 6. Szekszärd - Bogyiszlöi üt - Ausgrabung und Mitteilung von Gy. Rosner, unpubliziert. 7. Szeleveny
-
Marosi u. F e t t i c h 1936, 69-71 Abb. 27.
8. Värpalota - Gimnäzium, Umgebung des Grabes 192 - Erdelyi u. Nemeth 1969, 185 Taf. 14,8. 9. Zamärdi - Reti földek Grab 23 und weitere Gräber - Bakay 1973, Taf. 8,32; bzw. Ausgrabung und M i t t e i l u n g von E. Bärdos.
Das Weiterleben der Gepiden in der Awarenzeit
Liste 7
213
(Karte 7, Taf. 28,1) Kipfeiförmige
1. Band (Mezöbänd) Gräber 311 Abb. 30,11.
Ohrgehänge
11, 29 - Koväcs 1913, 296-297 Abb. 19,2-3; 308-
2. Cikö Gräber 42-43 - unpubliziert, Ungarisches Nationalmuseum Inv.Nr.: 4/1894 297.
Budapest,
3- Kölked Feketekapu Gräber A-139, 142, 241, 250, 253, Grab B-85 - Ausgrabung von A. Kiss, unpubliziert. 4. Környe Grab 88 - Salamon u. Erdelyi 1971, 22 Taf. 14,26; 29,2. 5. Tiszaflired - Majoros Grab 329 - Ausgrabung und Mitteilung von E. Garam, unpubliziert. 6. Zamärdi - Reti földek - Ausgrabung und Mitteilung von E. Bärdos, unpubliziert.
Liste 8
(Karte 8, Taf. 28,2) Frühawarenzeitliehe
1. Band (Mezöbänd) Gräber 74,12.
Stempelkeramik
168, 180 - Koväcs 1913, 359 Abb. 74,8; 363 Abb.
2. Bratei (Baräthely) Gräberfeld Mitteilung von E. Zaharia.
3 - Nestor u. Zaharia
1973, 198 Abb. 3,1;
3. Budakaläsz Grab 13 - Erdelyi 1977, 47 Taf. 24,5. 4. Csäkbereny Gräber 33, 40 - Ausgrabung von Gy. Läszlö; Fettich 1965, Abb. 179. 5. Hird - Salamon 1969, 282 Anm. 30. 6. Kälöz-Nagyhörcsök - Bona 1971b, 273 Abb. 19. 7. Kölked - Feketekapu Gräber A-26, 37, 46, 51, 52, 59, 63, 67, 75, 87, 100, 101, 138, 161, 171, 179, 191, 239, 249, 263, 277, 295, Gräber B-85, ' ^ 7 , 335 - Ausgrabung von A. Kiss, unpubliziert. 8. Környe Gräber 93, 97, 98, 115, Streufunde - Salamon u. Erdelyi 1971, 23; 25 Taf. 23,1-6. 9. Nosjac (Marosnagylak) Gräber 18, 53 - Rusu 1962, 285 Abb. 5,2; 6,2. 10. Szekszärd - Bogyiszlöi üt - Ausgrabung und Mitteilung von Gy. Rosner, unpubliziert. 11. Uzd - Bona 1971a, 300.
1956, 202 Taf. 54,7; neue chronologische Bestimmung: Bona
12. Komitat Vas - lstvän Kiräly Museum Szekesfehervär, Inv.Nr.: 1535, j e t z t im Museum Szombathely, unpubliziert. 13. Zalakomär - Ausgrabung und Mitteilung von B. Szöke, unpubliziert. 14. Zamärdi - Reti földek - Ausgrabung und Mitteilung von E. Bärdos, unpubliziert.
214
Attila Kiss
Liste 9
(Karte 9, Taf. 29,1) Frühawarenzeitliche
Kämme
1. Band (Mezöbänd) Grab 91 - Koväcs 1913, 335-336 Abb. 5 7 , 1 . 2. Böly - Sziebert puszta Grab 48 - Papp 1962, 177 Taf. 12,3 3. Bratei (Baräthely) Gräberfeld 3 - Nestor u. Zaharia E. Zaharia, u n p u b l i z i e r t .
1973; Mitteilung von
4. Cserküt, Streufund - Kiss 1977, 18 Taf. 1,8. 5. Kälöz - Bona 1971b, 373. 6. Keszthely - Dobogö - Lipp 1884, 17 Taf. 1,11 = Hampel 1905 111, 145,4. 7. Keszthely - Fenekpuszta 11. Basilica, Grab 3 - Sägi 1961, 417-418 Abb. 18. 8. Kiskörös - Pohibuj mackö Grab 8 - Török 1975, 286 Abb. 2. 9. Komarno (Komärom) - Robotni£ka £vrta Grab 7 - Trugly 1982, 8-9 Taf. 2,11. 10. K ö l k c d - Feketekapu Gräber A-25, 37> 38, 39, 44? 46, 5 1 , 56, 60, 63, 70, 72, 8 1 , 84, 86, 9 1 , 92, 98, 100, 124, 128, 132, 137, 138, 139, 144, 147, 149, 152, 153, 162, 163, 164, 170, 172, 174, 180, 181, 184, 185, 187, 191, 194, 196, 198, 203, 206, 215, 2 2 1 , 223, 235, 2 5 1 , 252, 257, 263, 267, 269, 277, 285, 287, 301, 304, 314, 317, 341, 377, 467, 470, 473, 478, 4 8 1 , 494, 519, Gräber B-75, 82, 89, 100, 119, 127, 438 - Ausgrabung von A. Kiss, unpubliziert. 11. Környe Gräber 6, 9, 13, 33, 38, 70, 127, 128, 133, 140, 143, 144, 147, 151 Salamon u. Erdelyi 1971, 14-30 Taf. 1-27. 12. Nagyharsäny Grab 2 - Papp 1963, 116-117 Taf. 2,7. 13. Nosjac (Marosnagylak) - Rusu 1962, 274. 14. Pecs - K ö z t e m e t ö Grab 33 - Kiss 1977, 96 Taf. 36,3. 15. Szeged - F e h c r t ö Grab A-248 - Madaras 1981, Taf. 5. 16. Szeged - Kundomb Grab 10 - K ü r t i 1983 Abb. 29,b. 17. Szckszärd - Bogyiszlöi üt - Ausgrabung und M i t t e i l u n g von Gy. Rosner, unpubliziert. 18. Tiszavasväri - Koldusdomb Grab 5 - D. Csalläny 1958, 56 Taf. 17,31. 19. Väc - Kavicsbänya Grab 140 - T e t t a m a n t i 1977, 79-80 Abb. 2 , 1 . 20. Zamärdi - Reti földek - Ausgrabung und M i t t e i l u n g von E. Bärdos, unpubliziert.
Das Weiterleben der Gepiden in der Awarenzeit
Liste 10
215
( K a r t e i o , T a i . 29,2) Frühawarenzeitliehe
ovale eiserne
Gürtelschnallen
1. Band (Mezöbänd) Gräber 8, io, 24, 32, 40, 72, 102, 105, 125, 141, 150, 179, - Koväcs 1913, 280-363. 2. Cikö Grab 191 - Hampel 1905 11, 275-276; 111, 211,11. 3. Csäkbereny Gräber 121, 164, 371 - Ausgrabung von Gy. Läszlö, unpubliziert. 4. Kölked - Feketekapu Gräber A-5, 24, 29, 34, 39, 42, 44, 45, 46, 49, 50, 62, 63, 71, 74, 79, 85, 88, 90, 96, 101, 103, 112, 113, 116, 129, 130, 132, 137, 138, 147, 154, 162, 163, 166, 168, 170, 171, 172, 174, 176, 177, 178, 179, 180, 182, 187, 188, 193, 196, 210, 215, 225, 227, 231, 235, 249, 253, 254, 255, 257, 264, 266, 271, 281, 292, 293, 295, 297, 299, 301, 309, 311, 312, 318, 319, 321, 324, 329, 332, 338, 340, 354, 361, 384, 389» 45i, 469, 490, 509, 517, 585, 619 - Ausgrabung von A. Kiss, unpubliziert. 5. Környe Gräber 1, 18, 34, 64, 67, 68, 89, 91 - Salamon u. Erdelyi 1971, 14-30 Tat. 1-14. 6. Nosjac (Marosnagylak) Grab 27 - Rusu 1962, 279 Abb. 4,14. 7. Szekszärd - Bogyiszlöi üt - Ausgrabung und M i t t e i l u n g von Gy. Rosner, unpubliziert. 8. Zamärdi - Reti földek - Ausgrabung und Mitteilung von E. Bärdos, unpubliziert.
Liste 11
(Karte 11, Taf. 30,1) Frühawarenzeitliche
Scheren
1. Keszthely - Fenekpuszta - 11. Basilica, Grab 3 - Sägi 1961, 417-418 Taf. 13,8. 2. Kölked - Feketekapu Gräber A-38, 65, 183, 195 - Ausgrabung von A. Kiss, unpubliziert. 3. Környe Grab 18 - Salamon u. Erdelyi 1971, 15 Taf. 2,56; Taf. 8,6. 4. Nosjac (Marosnagylak) Grab 33 - Rusu 1962, 274 Abb. 4,4.
Edit Bärdos, Eva Garam, Gyula Uosner, Mircea Kusu und Eugenia Zaharia bin ich Dank schuldig, daß sie mich über noch unveröffentlichte Gräberfelder informiert haben.
216
Attila Kiss
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Slawen und Awarcn auf rumänischem Boden, ihre Beziehungen zu der bodenständigen romanischen und späteren frührumänischen Bevölkerung
Maria Cornea, Bukarest
Der erste Slaweneinfall, v e r m u t l i c h waren es Anten, in das byzantinische Reich erfolgte 517 gegen Ende der Regierungszeit des Kaisers Anastasius (491-518)
.
Eine neue Welle von A n t e n erschien unter Kaiser Justin 1 (518-527); sie v e r w ü steten nach dem Überqueren der Donau Thrakien, wurden aber schließlich von Germanus, dem N e f f e n des Kaisers, zurückgedrängt
. M i t diesen Ereignissen
muß das Vergraben des byzantinischen Münzschatzes bei Cudalbi (Kr. Galati) in Zusammenhang gebracht werden, der als späteste Emission Münzen des Kaisers Justinus enthält- 3 . Das Vordringen von Steppenvölkern nach Westen, die Procopius unter der archaisierenden Bezeichnung Hunnen erwähnt, hinderte die Einfälle der Anten in das Kaiserreich, begünstigte aber den Zug von anderen Slawengruppen nach Süden, die in den Schriftquellen Sklawenen
genannt werden.
Nach Jordanus und Procopius lebten die Sklawenen im 6. Jahrhundert am U n t e r lauf der Donau, von wo aus sie Raubzüge in das Kaiserreich unternahmen. Das linke Donauufer und ein Teil des Hinterlandes standen unter direkter b y z a n t i n i scher
K o n t r o l l e 4 . Schriftquellen und archäologischen Funden nach zu u r t e i l e n ,
läßt sich die A n k u n f t dieser Sklawenen um das Jahr 527^ , nach dem Sieg von Byzanz über die A n t e n , ansetzen. Nach der Keramik vom Typ Prag-Korciak läßt sich vermuten, daß die gegen 527 an die untere Donau gelangten Slawengruppen aus der Gegend vom Oberlauf des westlichen Bug s t a m m t e n
1)
2) 3)
. Auf Grund der Töpferware und teilweise auch der
E. Stein, Histoire du Bas-Empire II. De la disparition de l'empire de l'occident ä la mort de Justinian (476-565) (Paris-ßruxelles-Amsterdam 1949) 105. Ebd. 220-24; I« Barnea, Din istoria Dobrogei II (Bukarest 1968) 415. D. lrimia, Cfleva descoperiri monetäre bizantine pe teritoriul RPR, Stud. Cerc. Num. 1, 1957, 190-91; M. Cornea, Die Slawen im karpatisch-donauländischen Raum im 6.-7. Jahrhundert. Zeitschr. Arch. 7, 1973, 199.
4) Procopius, De bello gothico, I, 27, 2-3; M. Cornea a.a.O. (Anm. 3) 198. 5) M. Cornea a.a.O. (Anm. 3) 199. Zu demselben Datum gelangte auf Grund von Schriftquellen auch M. Vasmer, Die Slawen in Griechenland (Leipzig 1970) 12; D.A. Macinskij u. M.A. T i hanova, 0 mestach obitanija i napravlenijach dviienii slavian l-VII vv. (Po pismennym i arheologi£eskim isto£nikam). Acta Arch. Carpathica 16, 1976, 84 mit Abb. 5.
6)
M. Cornea a.a.O. (Anm. 3) 199-205; V.D. Baran, Ranni slov'jani mi2 Dnestrom i Pripjatju (Kiev 1972) 97-228; O.M. Prihodnjuk, Slov'jani na Podilli (Vl-Vll st.n.e.) (Kiev 1975); B.O. Timos'tiuk, Slov'jani pivniönoj Bukoviny (V-1X st.) (Kiev 1976) 20-21.
220
Maria Cornea
Wohnungstypen ist vor allem für die Moldau und die m i t t l e r e und nördliche Walachei zu vermuten, daß die eindringenden Slawen vom oberen Dnjestr und vom Teterev (einem rechten Zufluß zum mittleren Dnepr) kamen, also aus der e i 7)
gentlichen Heimat des Prag-Korciak-Typus' . Der Hauptwanderweg der Träger
der Prag-Korciak-Kultur nach Süden scheint durch das Tal des Sereth geführt zu haben, von wo aus sie auch in die breiteren Nebenflußtäler abbogen und t e i l w e i 8) se über den Oituz-Paß nach Südost-Transsilvanien kamen . Ungefähr um $50 begannen Slawengruppen das Byzantinerreich nicht nur bei Durostorum und anderen Burgen weiter
westlich an der unteren Donau, sondern
auch zwischen der Mündung des Cara§ (im Westbanat) und der Ors^ova (dem damaligen
Dierna) anzugreifen, wobei sie von den Gepiden unterstützt wurden,
denen sie dafür einen Goldstater pro Kopf zahlten^ . Im Westen gelangten die Sklawenen zumindest teilweise bis an die Theißmündung noch vor dem Eindringen der ersten Awarengruppe in das Innere des Karpatenbogens Die von den Awaren in der nordpontischen Zone verursachten Wirren fanden auf rumänischem Gebiet ihren Fundniederschlag in den für die Penkovka-Kultur charakteristischen
Gefäßtypen,
in den Bügelfibeln
mit
Analogien
am
mittleren
Dneprlauf und am südlichen Bug sowie einem bei Suceava-SJpot entdeckten Ohrschmuck. Die Träger dieser spezifischen Penkovka-Kulturelemente
drangen in
das heutige rumänische T e r r i t o r i u m auf zwei Wegen e i n : im Norden kamen sie durch die Furten des oberen Pruthlaufes bis in die Gegend der jetzigen Stadt Suceava und dann am Siret und Pruth entlang nach Süden; ein anderer Teil zog durch eine
Furt
des unteren
Pruth
in die
Waldsteppe der Walachei
. Die
Neuankömmlinge ließen sich in der Nähe der bereits bestehenden Siedlungen mit 7) '
M. Cornea a.a.O. ( A n m . 3) 205; für Analogien siehe J.V. K u c h a r e n k o , Srednevekovye p a m j a t n i k i Poless'ja (Moskau 1961) 7-10 u. 22-27; '-P- Rusanova, Poselenije u s.Koröaka na r.Tetereve. Mat. Isslcd. A r c h . SSSR 108 (Moskau 1963) 39-50; dies., 0 keramiki rannesrednevekovycli p a m j a t n i k o v verchnego i srednego Podneprovja, Slaviane i Rusi (Moskau 1963) 143-150; V.V. Sedov, Vostoc'nye slavjane v V l - X l l l vv. (Moskau 1982) 10-28.
8) M. Cornea a.a.O. ( A n m . 3) 212. ' 10)
11)
Procopius, De bellis VIII, 14-18 u. 24-25; M. Cornea, i n : Istoria 732-
Romänei 1 (Bukarest i960)
Jordanus, Getica V, 34-35; Procopius, De bellis VII, 29, 1-3; G. O s t r o g o r s k i , Histoire de l ' e t a t byzantin (Paris 1956) 111; M. Cornea, i n : Istoria Romäniei (Bukarest i960) 728-30; dies., Einige Betrachtungen über die Ereignisse im 6.-7. Jahrhundert an der unteren Donau. Slavia Antiqua 2 1 , 1974, 72. Ebd. 68f; O.M. Prihodnjuk, A r c h e o l o g i c n i p a m j a t k i srednjogo P r i d m e p r o v j a 1980) 5-126; V.V. Sedov a.a.O. ( A n m . 7) 19-28.
VI-1X st. (Kiev
221
Slawen und Awaren auf rumänischem Boden
bodenständiger und slawischer Bevölkerung nieder und gliederten sich allmählich in diese ein
. In die Nordmoldau kamen nach den Koptschmuckstücken und
dem Ohrschmuck "nausnitza" vom Martinovka-Typ zu urteilen Anten vom M i t tellauf des Dnepr, v e r m u t l i c h sogar aus dem Ros-Tal. Sie trugen zur Entstehung des sogenannten Suceava-SJpot-Aspektes bei ^ . Weiter nach Süden in die m i t t lere Walachei dürften wohl die Anten gelangt sein, die vorher am Fluß Tiasmina gelebt hatten, wenn man die Keramik
als Richtschnur
betrachtet. Zusammen
mit ihnen kamen aber auch späte Sarmaten, Alanen (?) und andere mit ihnen lebende oder in engen Beziehungen stehende Völkerschaften. Im Jahre 562 erschienen die Awaren in der Steppe zwischen Pruth und Dnestr nördlich der Donaumündungen und verlangten Land in Scythia Minor, in der Dobrudscha. Kaiser Justinian untersagte ihnen, sich hier niederzulassen, bot ihnen aber dagegen Landbesitz in Pannonien an ^ . Der Durchzug der ersten Awarengruppe als Föderierte des byzantinischen Reiches hatte nördlich der Donau keine katastrophalen Folgen. Bemerkenswert ist, daß dies das einzige wichtige Ereignis des 6. Jahrhunderts war, in dessen Zusammenhang bisher kein vergrabener Schatz aufgefunden wurde. Die bisherigen archäologischen Forschungen haben noch keinen Anhaltspunkt dafür erbracht, daß diese erste Awarcngruppe längs der Donau westwärts gezogen und durch das Eiserne Tor nach Pannonien gelangt wäre. Dagegen bezeichnen Spuren ostslawischer Sachkultur ihren Weg nach Norden, der über die Karpatenpässe nach Pannonien f ü h r t e . So konnte ich die Wanderung der Slawen ( A n t e n , Wolhynen usw.) und anderer mit ihnen zusammenlebender Völker (späte Sarmaten, Alanen, Kutriguren usw.) durch eine Verfolgung der Awaren in den Jahren 560-567 ausfindig machen. Den bisher verfügbaren Daten nach zu u r t e i l e n , durchquerten die L e t z t e r e n das Gebiet nördlich von Rumänien am Oberlauf des Dnestr entlang, überschritten dann die Karpaten und zogen durch das Theißtal und dann nach Transdanubicn weiter -* . Sie störten
M. Cornea a.a.O. (Anm. 10) 70; dies. a.a.O. (Anm. 3) 212-15. 13)
Ebd. 213-16. Menander Protector, Fragmenta, 9 u. 24; Euagrios Scholastikos, Historia Ecclesiastica, V,i u. V,11; Gy. Moravcsik, Byzantino-Turcica 2,1 (Berlin 1958) 66-70; N.J. Merpert, Istoria SSSR lll-IX (Moskau 1956) 572-73; I. Barnea a.a.O. (Anm. 2) 430-31. A.C. S6s, Archäologische Angaben zur Frage der Frühperiode des awarisch-slawischen Zusammenlebens. Studijne zvesti AUSAV 16, 1968, 225-30; M. Cornea, Bemerkungen über die Beziehungen zwischen den Awaren und Slawen im 6.-7. Jahrhundert. Interaktionen der mitteleuropäischen Slawen und anderer Ethnika im 6.-10. Jahrhundert. Symposium Nove Vozokany 3.-7. Oktober 1983 (Nitra 1984) 63-74.
Maria Cornea
222
auch einen Teil der Sorben (Soraben) in Südpolen und einen Teil der Kroaten auf, die beiderseits der Nordostkarpaten lebten; beide Völkerschaften gelangten bis auf
die
Balkanhalbinsel, und manche Gruppen wanderten nach Westen in
Richtung auf die Elbe zu. Die Awaren und die ihnen angeschlossenen Gruppen kamen
567-568
in die
pannonische
Ebene. Die
frühesten
in der Steppe des
westlichen Rumäniens entdeckten Gräber mit awarischem Charakter (Simpetrul German,
Felnac,
Simand,
Tariän, Secuieni, Ches^ereu, Valea
lui
Mihai
u.a.)
stammen erst aus der ersten Hälfte des 7. Jahrhunderts Im 6. Jahrhundert vermehrten sich die A n g r i f f e und Überfälle der Slawen im Kaiserreich; immer heftiger wurden sie unter Kaiser Justinian und seinen Nachfolgern in den Jahren 527-534, 545, 548, 550-552, 559, 578-579, 586, 592, 594, 597;
es
fanden
auch
gemeinschaftliche
Raubzüge
mit
den
Kutriguren
und
17)
Awaren statt
. Bemerkt sei, daß nicht der ganze Donau-Limes, wie angenom-
men wurde, in den Jahren 602 oder 610-614 auf einmal zusammenbrach; er wurde allmählich,
in verschiedenen Etappen, aufgegeben, und zwar von der
Re-
gierungszeit des Kaisers Mauricius (595-596) an bis zum Beginn der Herrschaft des Heraklius (610-614). In der ersten Etappe - Ende des 6. Jahrhunderts - wurde der Limes zuerst z w i schen
Dinoqetia
Durostorum
und
Troesmis
durchbrochen,
später
in
der
Gegend
(Silistra) bis Novae (SviStov) und von Utus (Vit) bis Lederata
von
(Ram).
Während der zweiten Etappe - Anfang des 7. Jahrhunderts - fielen unter Kaiser Phokas die befestigten Städte Noviodunum
(Isaceea) und Talamonium
(Nufäru)
an der unteren Donau. In der d r i t t e n Etappe - bis Kaiser Heraklius die Herrschaft antrat - hielt sich der Limes von Moesia (Belgrad) und Viminaeium In Moesia Inferior Novae
Superior
zwischen
Singidunum
(Kostolac), der Rest war 595-596 aufgegeben worden.
bestand er noch von Sextana PRISTA
(Svi^tov), von Durostorum
bis Axiopolis
sehr wahrscheinlich bis
(Cernavoda), zwischen
Carsium
(HPr^ova) und Seroe (Piatra Frecät,ei) und in der Gegend der befestigten Stadt Aegissus (Tulcea), in der Nähe des Donaudeltas. Neuere Forschungen auf rumänischem Gebiet ergaben, daß die einheimische Bevölkerung der befestigten Donaustädte
ihr Leben in der ersten Hälfte des 7.
Jahrhunderts bis zum Ende der Herrschaft des Kaisers Heraklius w e i t e r f ü h r t e , Dies., Romans, germains et slaves dans le territoire de la Roumanie. Recueil du Musee National, Beograd, 9-10, 1979, 116 u. 119 Abb. 3. 1
"
Dies. a.a.O. (Anm. 15) 69 Abb. 8 und das dort angegebene Schriftum.
223
Slawen und Awaren auf rumänischem Boden
allerdings
unter
weitaus
bescheideneren
Verhältnissen
als vorher; die Spuren
ihrer Sachkultur erschienen in der Gegend von Durostorum bis
nach
Axiopolis
und
in
Carsium,
ßeroe, Aegissus
18)
- Tropaeum .
Nach
Traiani
Ansicht
von
J. Werner haben bei den Einfällen der Slawen in das Byzantinerreich im 6. Jahrhundert die (türkischen)
Bulgaren, die Kutriguren und Awaren eine besondere
Rolle g e s p i e l t 1 9 . Nach der Aufgabe des Limes begann gegen Ende der Herrschaft von Heraklius eine Wanderung der Slawen nach Süden. Diese Bewegung ließ sich bisher auf Grund archäologischer Funde aus Rumänien noch nicht deutlicher individualisieren, muß aber unbedingt als solche vorausgesetzt werden, wenn man bedenkt, was zu dieser Zeit auf der Balkanhalbinsel vor sich ging, wo Slawengruppen in verschiedenen dem Kaiserreich unterstehenden Gebieten als Föderierte wurden
seßhaft
.
Der an der Donau nach dem Fall des Limes und vor allem nach Heraklius eingetretene Ruhezustand wurde im Zeitraum 670-680 von neuem gestört, einesteils durch die zweite Welle von Steppenvölkerbewegungen wie der der Awaren, Onoguren oder Alanen nach Westen bis in die Pannonische Ebene, andererseits durch die Wanderung der Bulgaren (die Onoguren des Asparuch) in den Nordosten der Balkanhalbinsel. Dem heutigen Stand der Forschung nach zu urteilen, scheinen diese Steppenreiter gegen 670 am Unterlauf der Donau aufgetaucht zu sein. Im Gegensatz zu der ersten Awarengruppe, die in der Steppe östlich des Pruth blieb, drangen diese bis in den Osten der Walachei vor, von wo aus sie Raubzüge in die Südmoldau, in die Walachei längs des lalomit,a- und Teleajen-Tals bis in die Gegend von Ploie^ti (Tirgo^or) unternahmen. Sie kamen weiter an der Donau entlang bis an den O l t und dann am 01t entlang bis nach Slatina und am Ö l t e t bis in die Nähe von Drägä§ani. Diese Raubzüge sind durch vergrabene Schätze byzantinischer Münzen belegt, die bis in das Jahr 680 reichen
. Auf diese Steppenvölker
18) Dies., Etapy pereselenija slavijan na Balkanskij Poluostrov v Vl-Vll vv., IV Intern. Kongr. f. slawische Arch., Sofia 1980 u. dort angeführtes Schrifttum (unveröffentlicht). J. Werner, Zur Herkunft und Ausbreitung der Anten und Sklawenen, Actes du Vlll e Congres Intern, des Sc. Pre- et Protohistoriques Beograd 9-15. Sept. 1971, 1 (Belgrad 1971) 251. Constantinus Porfirogenitus, De administrando imperio, 32, 12-29; M. Ljubihkovic, Les Slaves des regions centrales des Balkans et Byzance, 11. Intern. Kongr. f. slawische Arch. Berlin 24.-28. Aug. 1970 (Berlin 1973) 190-91. B. Mitrea, Le tresor de Priseaca et la monnaie byzantine du Vll e siecle en Roumanie, Actes du XlV e Congr. Intern, des Etudes Byzantines III (Bucarest 1978) 197-202.
224
Maria Cornea
geht meines Erachtens der Schmuck
von Bälteni zurück, dessen Diademtyp in
die Zeit vom 6. bis in die erste Hälfte des 8. Jahrhunderts neudatiert wurde 22) . Die Präsenz der berittenen Nomaden hatte nachteilige Folgen für die Wirtschaftslage der Gebiete nördlich der Donau. Nach 680 war der Münzumlauf infolge der von den Nomaden bewirkten Zerstörungen und der schwierigen Lage 2 •>)
des Reiches für längere Zeit unterbrochen
J
. Durch sie nahmen auch die Fund-
gruppen von l p o t e ^ t i , Ciurelu, Cinde^ti, Boto^ana in der außerkapatischen Zone, der Poian-Aspekt und die Band-Kultur in Transsilvanien ein Ende. Der Zug der zweiten Nomadenwelle nach Westen und die Expansion des Chazaren-Khaganats
nach Nordwesten
gung weiterer
bewirkten
im Zeitraum von 670 bis 680 die Verdrän-
Slawengruppen aus ihren Wohngebieten am Oberlauf des Pruth,
am Dnestr, in Wolhynien usw.; sie brachten handgemachte Töpfe und Schalen aus einem Ton mit zerstoßenen Scherben als Magerung m i t , die teilweise mit zellenförmigem Dekor am Mundrand vom Typ Luka Raikovetzkaia und Hlincea 1 24)
verziert waren
q
. Diese Slawen gelangten bis in den Norden der Balkanhalbin-
sel, ein Teil zog durch die Moldau und die Ostwalachei, ein anderer durchquerte die Karpaten über den Dukla- und den Laborecke-Paß und wanderte am Oberlauf der Theiß nach Süden. Von der unteren Theiß kamen manche auch nach Südostoltcnicn. Die neuen Slawengruppen sind auch in Transsilvanien belegt, wohin sie aus der Nordmoldau über den Tihut;a-Paß bis in die Täler der transsilvanischen
Bistrit;a
und des Some^ul
Mare gelangt waren; manche
Gruppen
wanderten auch vom Oberlauf der Theiß aus in das Tal des Some^ul Mic und bis an den M i t t e l l a u f des Mure§. Damit endete die große Slawenwanderung nach Süden. Meines Erachtens läßt sich behaupten, daß alle nach Süden gezogenen Slawengruppen aus einer Zone irgendwo
zwischen
dem
westlichen
Bug
und
dem
Mittellauf
des
Dnepr
stammten, die nach Ansicht mancher Forscher zu der ursprünglichen Heimat der
A . K . Ambroz i n : Stepy E v r a z i j i v epoku srednevekovja (Moskau 1981) 15-16 u. 4 Abb. 2. Diese Steppenreiter kamen m.E. über Dristor (Durostorum) bis nach Varna, wo ein ähnliches Diadem gefunden wurde (ebd. 104 Abb. 2). 2\) J
C. Preda, Circula^ia monedelor b i z a n t i n e in regiunile c a r p a t o - d u n ä r e n e , Stud. C e r c . Ist. Veche 23, 1972, 385; ders., The Byzantine coins - an expression of the relations between the Empire and the populations n o r t h of the Danube in the 6 t h - i j t h centuries, i n : Relations between the autochthonous population and the m i g r a t o r y populations 011 the t e r r i t o r y of Romania. Bibliotheca H i s t o r i c a Romaniae, Monographs X V I (Bukarest 197s) 219-29 u. 233-
4
M. Cornea a.a.O. ( A n m . 3) 219-20.
225
Slawen und Awaren auf rumänischem Boden
Slawen gehörte ^ . Bei ihrer Ankunft auf rumänischem Gebiet zu Anfang des 6. Jahrhunderts stießen sie auf eine bodenständige Bevölkerung, die durch Wohnungstypen dakischer und dakorömischer Tradition, einheimische Keramik, Fibeln und Schmuckstücke von byzantinischem Typus, Zeichen des Christentums, vor allem Kreuze und tönerne oder steinerne Gußformen für Kreuze, belegt ist (Bukarest-Sträule^ti, Budureasca - Kr. Prahova, Luciu - Kr. lalomit;a, Olteni 26)
Kr. Teleorman, Davideni - Kr. Bacäu, Botos^ana - Kr. Suceava u.a.) Die Slawen, die spezifische Elemente ihrer eigenen Sachkultur mitgebracht hatten, traten
mit der einheimischen Bevölkerung
in Verbindung, was aus
der Koexistenz von Bestandteilen autochthoner Tradition mit solchen vom slawischen Typus in ein und derselben Siedlung und sehr häufig sogar ein und derselben Wohnung zum Ausdruck kommt. Diese gegenseitige Durchdringung von einheimischen und neueingeführten Elementen in einer relativ kurzen Zeit erklärt sich wohl durch die wenig unterschiedliche Lebensweise der beiden
Für die Zone, aus der die verschiedenen Slawengruppen nach Süden aufgebrochen sind, siehe M. Cornea. Contribution ä la question de la penetration des Slaves au sud du Danube durant les Vl-Vll siecles d'apres quelques donnees archeologiques de Dobroudja in: 1. Miedzu narodowy Kongres archeolodii slowianskej, Warszawa 14-18. Sept. 1965, 111 (Breslau- Warschau-Krakau 1970) 327 Abb. 3; dies. a.a.O. (Anm. 3) 222 Abb. 15; dies. a.a.O. (Anm. 16) 109-114. Es wurde die Ansicht geäußert, daß die Slawen mit der baltischen Bevölkerung zwischen Wolga und Dwina und in der Waldai-Hochebene Kontakte gehabt und von ihr Elemente der Tuschemlea-Keramik übernommen hätten; im Gebiet der Flüsse Oka, Ugra und Kama seien sie mit ugro-finnischen Stämmen zusammengekommen. Bei ihrer Wanderung nach Süden hätten die Slawen diese nichtslawischen Elemente sowohl auf rumänischem Gebiet, als auch auf der Balkanhalbinsel verbreitet. (D.Gh. Teodor, La penetration des Slaves dans les regions du sud-est de I'Europe d'apres les donnees archeologiques des regions orientales de la Roumanie, Balcanoslavica 1, 1972 (Prilep-Belgrad 1974) 39 mit Abb. 1; ders., Contribu^ü privind pätrunderea s.i stabilirea slavilor pe teritoriile extracarpatica ale Romäniei, Carpica V, 1972 (1974) 112-13; ders., Teritoriul est-carpatic ih veacurile V-Xl e.n. Contributii archeologice 5! istorice la problema formärii poporului romän (lasj 1978) 38). Die dort gebrachten Analogien zu den erwähnten Fundstoffen sind nicht plausibel. Die auf rumänischem Boden entdeckte Keramik mit vertikalen Rillen stammt nicht aus jenen Zonen.Die Slawen drangen in die betreffenden Gebiete von Süden nach Norden oder Nordosten erst nach der großen Wanderung in Richtung auf die Balkanhalbinsel ein und jene, die nach Norden zogen, kamen nicht in den Karpaten-Balkan-Raum. Für die Etappen des Eindringens in die erwähnten Gebiete und die Kontakte zwischen den Slawen und ihren ehemaligen nördlichen und nordöstlichen Nachbarn s. N.P. Tretjakov, Finno-ugry, balty i slsavjane na Dnepre i na Vologe (Moskau-Leningrad 1966); V.V. Sedov a.a.O. (Anm. 7) 29-88. Für die Wanderung der Slawen in die Zone am Oberlauf des Dnepr und nach Nordosten in das Gebiet zwischen Wolga und Kama haben m.E. die Ereignisse eine gewisse Rolle gespielt, die sich 670-80 und im 8. Jahrhundert im nordpontischen Raum abspielten und zum Vergraben zahlreicher teils den Ostslawen und von manchen Forschern auch den Anten zugeschriebenen Schätzen führten; s. G.F. Korzuhina, K istorji srednogo Podneprovja v seredine I. tysjaCiletija n.e., Sovjetskaja Arch. 22, 1955, 61-82; B.A. Rybakov, Drevnije Rusi, Sovjetskaja Arch. 17, 1953» 23-104. D.Gh. Teodor, Romanitatea carpato-dunäreanä sj Bizan^ul ih veacurile V-Xl e.n. (lasj 1981) 195 Abb. 13,1.3-5.
226
Maria Cornea
Bevölkerungsgruppen und die ähnliche Struktur der Dorfgemeinscheften hinsicht27)
lieh ihrer inneren Organisation und der Aufteilung ihrer Landgebiete ' . Im
Rahmen des gesamten
gemischten einheimisch-slawischen
Komplexes des
6.-7. Jahrhunderts auf rumänischem Boden ist eine Reihe regionaler Aspekte zu unterscheiden. Sie entstanden dadurch, daß die in ihren Hauptzügen einheitliche autochthone Sachkultur durch slawische Elemente verschiedenen Ursprungs überlagert wurde. So ist in der Waldsteppe der M i t t e l - und Südwalachei und in Südoltenien der C/ure/-Aspekt verbreitet, der C/nde^ti-Aspekt herrscht in der nördlichen Hälfte der Walachei, östlich vom Oberlauf der D i m b o v i t a , bis zum Fluß Putna im Kr. Vrancea vor. Der /pote^ti-Aspekt scheint für die Hochebene vom m i t t l e r e n Lauf des Olt (Slatina) bis zum Oberlauf der Dimbovita maßgebend gewesen zu sein. In den Vorkarparten der Moldau t r i t t der ßotos^ana-Aspekt immer deutlicher zutage. Schließlich hebt sich in Südosttranssilvanien in der Bra^over Niederung der mit den Aspekten Cinde$ti und Ciurel eng verwandte Poian-Aspekt ab
28)
. Gewiß werden sich diese Kulturaspekte m i t dem Fortschreiten der
Untersuchungen sowohl gebietsmäßig als auch ethnisch und chronologisch a l l mählich immer präziser abgrenzen lassen. Die bisher
vorliegenden
Ergebnisse
zeigen, daß die Slawen in die Tief-
und
Hochebene eingedrungen sind, daß sie Waldstcppengegenden bevorzugten, wo sie mit den Einheimischen zusammenwohnten, während die bewaldeten Hügel- und Gebirgsgegenden fast ausschließlich der romanischen Bevölkerung nördlich der Donau vorbehalten blieben " . Die Awaren der ersten Welle siedelten nicht eigentlich auf rumänischem Gebiet. Über beschränkte Teile der walachischen Waldsteppe, wo die Sklawenen mit der 27)
'
M. Cornea, Socio-economic Organisation of the Dacoromanic and Slav population on the lower Danube during the 6 t n and 7 t n Century in: Relations between... (vgl. Anm. 23) 196.
28)
9
Eine erste Abgrenzung der Verbreitungszone dieser Kulturaspekte bei M. Cornea a.a.O. (Anm. 3) 199-233 mit Bibliographie. Für neuere Forschungen und andere Ansichten s. S. Dolinescu-Ferche, La eulture lpotes j ti-Ciurelu-Cfndes,ti. La Situation de la Valachie, Dacia N.S. 28, 1984, 117-147; 0 . Toropu u. 0 . Stoica, A$ezarea prefeudalä sj feudalä timpurie de la Fäcäi Branis^te. Historica Craiova 2, 1971, 53-64; M. Cornea, Unele date cu privire la Banatul de sud in: In memoriam Constantini Daicoviciu (Klausenburg 1974) 85-97; D.Gh. Teodor, Civilizatja romanicä la est de Carpatj in secolele V-Vll e.n. (A^ezrea de la Boto$ana-Suceava) (Bukarest 1984); ders., Continuitatea populatjei autohtone la est de Carpati. A^ezärile din secolele Vl-Xl e.n. (lasj 1984) 20-48; ders., Autohtoni sj migratori la est de Carpatj in secolele VI-IX e.n., Arh. Moldovei 10, 1982, 50-62; 1. Mitrea, Regiunea centrale a Moldovei dintre Carpatj sj Siret m secolele V1-1X e.n., Carpica 12, 1980, 55-190. Diese Bevölkerung spielte eine wichtige Rolle flir die Neubelebung der Romanität im Flachland, wo sie durch immer neue Wandervölker zeitweise geschwächt wurde, und trug ferner stark zu einer relativ raschen Assimilation der auf rumänischem Boden angesiedelten Volksstämme einschließlich der Slawen bei.
227
Slawen und Awaren auf rumänischem Boden
bodenständigen Bevölkerung zusammenlebten, herrschten sie nur vorübergehend, in den Jahren 567-579^
. Da ihnen als einem nomadischen Reitervolk das größ-
tenteils bewaldete Hügelland Siebenbürgens nicht zugänglich war, ließen sie sich hier nicht nieder, sondern siedelten germanische Völkergruppen aus der alemannisch-fränkischen, ostmerowingischen
und langobardischen
Zone an, zu denen
auch - in geringerer Anzahl - halbnomadische Elemente (Kutriguren ? u.a.) und Slawen (z.B. Unirea-Vere^mort und Band) hinzukamen-' ten das vorher
von den
. Die Awaren beherrsch-
Gepiden eingenommene Territorium
mittelbar
durch
ihnen gefügige germanische und halbnomadische Häuptlinge. Die späten Germanen und die übrigen Völkerschaften
lebten zusammen, in manchen Siedlungen
auch mit der bodenständigen romanischen Bevölkerung, wie die Haarnadeln in Stylusform
12)
aus dem Gräberfeld von Band und der Siedlung von M o r e s t r
, die
Gürtelschnalle byzantinischen Types mit Kreuz zum befestigen am G ü r t e l , die als Anhänger am Hals getragenen Kreuzchen aus Bratei u.a. beweisen-^ . Aus dem Zusammenleben dieser späten Germanen mit den autochthonen Romanen ergab sich eine enge Verknüpfung zwischen den Elementen verschiedener ethnischer Herkunft und eine Verallgemeinerung der Sachkultur. In den Jahren 670-680 gingen eine Reihe ethnisch-kultureller Veränderungen auf rumänischen Gebiet vor
sich. In Z e n t r a l - und Nordtranssilvanicn verschwanden
die letzten Spuren germanischer Herkunft. An ihrer Stelle erschienen Steppenreiter
am
Mittellauf
des Mure$ in der Gegend von Cimpia Turzii-Tcius, die
durch Skelettgräberfelder
mit gepreßtem und gegossenem Totenzubehör
awa-
4
rischen Charakters belegt sind-* . Im Gegensatz zu den westlichen Gegenden Rumäniens, wo Gräber awarischer A r t schon aus der ersten Hälfte des 7. Jahrhunderts freigelegt wurden, sind solche Entdeckungen in Siebenbürgen erst aus
*
M. Cornea a.a.O. (Anm. 10) 72-75; dies. a.a.O. (Anm. 16) 107-8. Dies., Quelques donnees relatives a la Chronologie et appartenance ethnique des necropoles de type Mores,ti et Band. Actes du V l l l e Congres Intern, des Sc. Pre- et Protohistoriques 111, (Belgrad 1973) 309-318.
3 2)
J
K. Horedt, Das archäologische Bild nach der Räumung Dakiens. Dacoromania 1 (München— Freiburg 1973) 145; ders., Mores,ti, Grabungen in einer vor- und frühgeschichtlichen Siedlung in Siebenbürgen (Bukarest 1979) 146; M. Cornea a.a.O. (Anm. 16) 107. 33) 1. Nestor u. E. Zaharia, Raport preliminar despre säpäturile de la Bratei jud. Sibiu (1954— 1972). Materiale s,i Cerc. Arh. 10, 1973, 198-99. 34) K. Horedt, Contribu^ii la istoria Transilvaniei fh secolele IV-X1II (Bukarest 1958) 61-108; ders., Das Awarenproblem in Rumänien. Studijne Zvesti AUSAV 16, 1968, 103-120; M. Rusu, Avars, Slaves, Romanic Population in the 6 t n - 8 t h centuries, in: Relations between... (s. Anm. 23) 123-153.
Maria Cornea
228
dem Ende des 7. und dem 8. Jahrhundert gemeldet- 3 ^ . Sonst wurden an den Tirnava-Läufen und dem Oberlauf des 01t nur vereinzelte Gräber awarischen Charakters (Tirgul Secuicsc, 7. Jahrhundert, und Tirnäveni, 7. - 8. Jahrhundert, und einige in B r a t e i , 8. Jahrhundert
17)
) angetroffen. Diese Reiter drangen von
der Pannonischen Ebene bis zum m i t t l e r e n Mures, vor, um sich Salz aus den na^8) hen Salinen zu beschaffen - 3 . In der flacheren Gegend Transsilvaniens kamen Slawen die Flußläufe entlang aus der Westslowakei, v i e l l e i c h t auch aus Südmähren an, die den späteren Prager Typus, die Gefäßtypen der älteren Phase H l i n cea 1 und auch andere für das obere Theiß- und das m i t t l e r e Donautal spezifische Keramik m i t b r a c h t e n 3 ^ . Die K o n t i n u i t ä t des romanischen Elements in diesen Kulturgruppen sondere aber
läßt sich m i t t e l s der Funde christlicher
Objekte 4
m i t t e l s der Schnellschcibenkeramik provinzialrömischer
, insbeTradition
sowohl in R e i t e r g r ä b e r n (Gimbas,, A i u d , TeiusJ als auch in Siedlungen (Poian, Bez i d , Säla^uri, FiliasJ, Cipäu-Sf. Gheorghe u.a.) nachweisen, wo sie mit slawischen Gefäßtypen k o e x i s t i e r t
. Dieselbe Koexistenz ist auch in den Brandgrä-
bernekropolen f e s t z u s t e l l e n , die von 680 bis in das 10. Jahrhundert zu datieren sind ( B r a t e i , Ocna Sibiului, Median u.a.)
, wie auch auf Grund anthropologi-
scher D a t e n 4 3 . "
Die Komplexe mit awarischem Charakter in Transsilvanien gehören der Mittel- und Spätawarenzeit an.
36)
K. Horedt, Ceramica slavä Pn Transilvania. Stud. Cerc. Ist, Veche 2,2, 1951, 18911. Tai. 8,1.4-5; ders., Contribu^ii... (s. Anm. 34) 9 1 ; ders., Das Awarenproblem... (s. Anm. 34) 106 A b b . 1,1.2.
*'
E. Zaharia, Populat,ia romaneascä Pn Transilvania in secolele VII—V111. Cimitirul nr. 2 de la Bratei (Bukarest 1977) 89 mit Abb. 29.
38)
K. Horedt, Contribu^ii... (s. Anm. 34) 91; ders., Das Awarenproblem... (s. Anm. 34) 107L
39)
s.o. Anm. 24; Z. Szekely, As,ezarea prefeudalä de la Sälas.uri (com. Ve^ka, jud. MuresJ. Marisia 5, 1975, 71-80 mit Taf. 47; ders., A^ezarea prefeudalä de la Bezid (jud. Mures,). Marisia 6, 1976, 117-123; ders., Die frühesten slawischen Siedlungen in Siebenbürgen. Slavia Antiqua 17, 1970, 125-126; ders., Elements byzantines dans la civilisation materielle des V l e - V l l l e siecles dans le Sud-Est de la Transylvanie. Dacia N.S. 15, 1971, 353-58.
4o)
D.Gh. Teodor a.a.O. (Anm. 26) Taf. 11.
4
M. Cornea, Sur l'origine et Devolution de la civilisation de la population romane et ensuite protoroumaine aux V l e - X e siecles sur le territoire de la Romanie. Dacia N.S. 12, 1968, 363-65Für diese Nekropolen s. K. Horedt, Die Brandgräberfelder der Mediasjruppe aus dem 7.-9. Jahrhundert in Siebenbürgen. Zeitschr. Arch. 10, 1976, 35-57 u. Bibliographie; E. Zaharia a.a.O. (Anm. 37) 14-105; I. Aldea, E. Stoicovici u. M. Bläjan, Cercetäri arheologice Pn cimitirul prefeudal de la Ghirbom, com. Berghin, jud. Alba. Apulum 18, 1980, 168-70 - Meine noch unveröffentlichten Forschungen, in denen ich den Brandbestattungsritus der bodenständigen Bevölkerung im 6.-9. Jahrhundert von dem der Slawen unterscheide.
*
4
'
0 . Necrasov u. D. Botezatu, Studiul antropologic al unor schelete provenite din cimitirul nr. 2 de la Bratei. in: E. Zaharia a.a.O. (Anm. 37) 122-27; D. Nicoläescu-Plops.or u. W.
Slawen und Awaren auf rumänischem Boden
229
Bald nach 680 drangen Gruppen ein, die ihre Toten in Brandhügelgräbern vom Typ Nusjaläu und Some^eni b e s t a t t e t e n ; in diesen Gräbern sind awarische und slawische Elemente sowie auch Verbindungen zu der K u l t u r der einheimischen frührumänischen Bevölkerung nachgewiesen 4 4 . Ebenso wie während des ersten Khaganats beherrschten die A w a r e n wieder e i nen Teil des rumänischen T e r r i t o r i u m s indirekt, durch V e r m i t t l u n g von manchmal
nichtawarischen
bodenständigen)
(slawischen
und
an
schwer
O b e r h ä u p t e r n 4 5 . Awarische
zugänglichen
Elemente
Stellen
sogar
waren gegen Ende des
7. und vor allem zu A n f a n g des 8. Jahrhunderts im außerkarpatischen Teil Rumäniens a n z u t r e f f e n . Sie bezeugen entweder Raubzüge (Tirg^or, Cucoräni, vom Ende des 7. Jahrhunderts) 4
oder aber I n f i l t r a t i o n e n aus der Pannonischen Ebe-
ne an der Donau entlang (das nach 680-700 d a t i e r t e Grab II von Co^oveni; Sultana,
47)
8. Jahrhundert, u . a . r ' , die zu Ansicdlungen neben der
bodenständigen
frührumänischen Bevölkerung, Slawen und anderen Volksgruppen an der Grenze zwischen der Waldsteppe und dem Steppengelände g e f ü h r t h a t t e n . Wie bereits
erwähnt,
verschwanden
die
Kulturaspekte
Ciurelu,
C i n d c ^ t i , Bo-
tos.ana im Gebiet außerhalb der Karpaten. Im 8. Jahrhundert lebten Elemente vom Typ Hlincea 1 w e i t e r , die nach und nach m i t den bodenständigen Elementen verschmolzen. So entstanden neue Kulturgruppen, die beim heutigen Stand der Wolski, Elemente de demogratie s,i ritual funerar la popula^üle vechi din Romlnia (Bukarest 1975)44) M. Cornea, Vostoänyje elementy v pogrebalinom obrjade kurgannych mogiljnikov u s.Nus,faläu i Somes,eni (Severozapadnaja Rumynija), in: Drevnjaja Rusi i slavjane (Moskau 1978) 100. 5
4
M. Cornea, Novyje svedenija o rasseleniji slavjan na t e r r i t o r i j i RNR. Romanoslavica 9, 1963, 519-21; nach G. Bakö (Avarii sj Transilvania. Studii sj articole de istorie 7, 1965, 367-74) hat es in Transsilvanien keine eigentlichen Awaren gegeben. Die um das Jahr 680 (ihm zufolge 650) dort eingetroffenen Gruppen wären aus der Theißgegend geflüchtete Kutriguren gewesen. Seiner Ansicht nach übten die Awaren keine effektive Kontrolle über Transsilvanien aus. Gh. u. P. Diaconu, Un mormfnt de cäläret, din secolul al Vll-Iea descoperit la TPrgs,or. Stud. Cerc. Ist. Veche 13, 1962, 165-171; D.Gh. Teodor, Teritoriul est-carpatic fn veacurile V-Xl e.n. Contribu^ii arheologice sj istorice la problema formärii poporului romän (la$i 1978) 168 Abb 9,6.
47)
M. Cornea, Quelques considerations sur l'origine et l'appartenance ethnique des complexes ä fibules "digitees" de type Gfmbas,-Co$oveni, in: Les questions fondamentales du peuplement du bassin des Carpathes du V l l l e au X e siede. Conference intern. 1971 ä Szeged (Budapest 1972) 37-40; dies., Unele considera^ii cu privire la originea sj apartenent;a etnicä a complexelor cu fibule digitate de tip GiYnbas-Cosoveni. Apuiurn 11, 1973, 263-72; B. Mitrea, La ceramique jaune de haute epoque feodale de la necropole de Suitana. Dacia N.S. 17, 1974, 343-49; eine gelbe Kanne desselben Typs wie die aus Transdanubien und aus Suitana wurde auch in Transsilvanien bei Nosjac "Pompa de apä", in einer Grubenwohnung geborgen: M. Rusu, Note asupra rela^iilor culturale dintre slavi §i popula^ia romanicä din Transilvania (sec. Vl-X). Apulum 9, 1974, 720 bes. Anm 30.
230
Maria Cornea
Forschung noch schwerlich voneinander abzugrenzen sind. Im Vergleich zum 6. und 7. Jahrhundert, als ein Teil der autochthonen Bevölkerung mit verschiedenen slawischen Gruppen, ein anderer mit spätgermanischen Stämmen (Gepiden, Langobarden, Alemannen-Franken u.a.) zusammenlebte, fand der Kontakt z w i schen Einheimischen und Slawen nach 680 und vor allem im 8. Jahrhundert nun auf einem viel weiter ausgedehnten Raum s t a t t , der die ganze Tief- und Hochebene Rumäniens bis zu Höhenlagen von 300 Metern und in den breiten Flußtä48) lern auch bis zu 400 bis 450 Metern abdeckte 4 . Die noch höher gelegenen Zonen blieben ausschließlich von der bodenständigen romanischen Bevölkerung bewohnt. Bemerkenswert
ist, daß im
8. und 9. Jahrhundert ein gewisser
Ruhezustand
nicht nur im Karpaten-Donauraum, sondern allgemein auch in der gesamten slawischen Welt herrschte. Zwischen den romanischen und dem slawischen Element fand eine engere Fusion s t a t t , die schließlich in der endgültigen Assimilation der Slawen an die inzwischen frührumänisch gewordene autochthone romanische Bevölkerung g i p f e l t e .
K. Horedt, Die frühgescliiclitliclie Siedlungslandschaft Siebenbürgens. Aluta 9-10, 1980, 77-96, und speziell die Karte auf S.82; M. Cornea, Rolul mediului natural (munt;i, päduri, bäl^i) fn men£inerea elementului autohton la nord de Dunäre fh secolele Ul-Vll (im Druck).
Die dakisch römische Bevölkerung nördlich der Donau in der Periode von Aurelian bis zu den Slawen (7. Jahrhundert) im Lichte der aktuellen Dokumente
D u m i t r u Protase, Cluj-Napoca
Im vorliegenden Bericht beabsichtigen w i r , die zur Zeit bestehende Quellensituation hinsichtlich der einheimischen Bevölkerung aus dem alten Dakien in der im T i t e l genannten Zeitspanne und die daraus zu ziehenden historischen Schlußfolgerungen,
die aus der Gesamtheit des j e t z t zur Verfügung stehenden M a t e r i -
als möglich sind, kurz und bündig darzustellen, wie es ein Kolloquium verlangt. Dabei wollen wir darauf hinweisen, daß wir die Lage auf dem Gebiet der ehemaligen römischen Provinz (Siebenbürgen, das Banat, Oltenien) eingehender als die in den Gebieten der freien Daker (Muntenien, Moldau, Cri^ana, MaramuresJ besprechen werden. Desgleichen wollen wir erwähnen, daß die Mehrzahl der in diesem Bericht vorgebrachten Standpunkte von der gegenwärtigen rumänischen Historiographie im allgemeinen unterstützt und auch vom Berichterstatter vert r e t e n werden, der auf Grund der eigenen Forschungen in den letzten 30 Jahren einen gewissen Beitrag auf diesem Gebiet geleistet hat. Gewiß bildet
dieser
Rapport zugleich auch eine Diskussionsgrundlage für die hier anwesenden Fachleute. Es ist eine allgemein bekannte Tatsache, daß die antiken Schriftsteller nur die Wandervölker im alten Dakien erwähnen und die einheimische Bevölkerung übersehen. Doch die direkten Informationsquellen, in erster Reihe die Archäologie, die Numismatik und auch die Epigraphik (für das 4. Jahrhundert) beweisen, daß das Schweigen der schriftlichen Quellen nicht vertrauenswürdig ist und daß e i n i ge Historiker diesem Schweigen einen zu hohen Wert beigemessen h a b e n 1 ' , wie aus dem Nachstehenden hervorgehen wird.
H i n s i c h t l i c h der dakisch-römischen K o n t i n u i t ä t und der Abstammung der Rumänen, s. C. D a i c o v i c i u , E. P e t r o v i c i u. G. § t e f a n , La f o r m a t i o n du peuple roumain et de sa langue. ßibliotheca Hist. Romaniae (Bukarest 1963); D. Protase, Problema continuität,ii ih Dacia fh lumina arheologiei s,i n u m i s m a t i c i i (Bukarest 1966) 103-202 (im folgenden z i t i e r t : Protase, Probl. Cont.); ders., U i t u r i l e hinerare la daci sj daco-romani (Bukarest 1971) 122-181 ( i m folgenden z i t i e r t : Protase, U i t u r i l e ) ; D. Tudor, ü l t e n i a romanä, ed. IV (Bukarest 1978) 415-470 (im folgenden z i t i e r t : Tudor, 01t. Korn.4; C . C . Giurescu, Formarea poporului r o m ä n (Bukarest 1973) 101-146; I. Hurdubet,iu, Die Deutschen über die Herkunft der Rumänen ( B u karest 1971); L. Bärzu, C o n t i n u i t a t e a creat,iei m a t e r i a l e sj spirituale a poporului romän pe t e r i t o r i u l fostei Dacii (Bukarest 1979) (im folgenden z i t i e r t : B i r z u , Cont. C r e a t . ) ; N. S t o i cescu, C o n t i n u i t a t e a romänilor (Bukarest 1980); I. I. Russu, Etnogeneza romänilor (Bukarest 1981) 155-238.
232
D u m i t r u Protase
Siebenbürgen und das Banat In den
ehemaligen
römischen
Städten
und im dörflichen
Milieu
ist die da-
kisch-römische Bevölkerung lückenlos belegt, und zwar durch Siedlungen, F r i e d höfe
oder
Gruppen von Gräbern, charakteristische
Gegenstände, Schmelzöfen
zur Herstellung von Eisen, altchristliche Gegenstände, durch die A r t des Münzumlaufs usw. Was die Lage der ehemaligen Städte Dakiens b e t r i f f t , stellt man fest, daß es keine untersuchte römische Stadt g i b t , in der man keine Spuren der einheimischen Bevölkerung bis ins 4. oder 5.-6. Jahrhundert gefunden hätte, entweder d i r e k t auf dem alten städtischen Weichbild oder in unmittelbarer Nähe. In Ulpia
Traiana Sarmizegetusa,
der ehemaligen Hauptstadt des römischen Da-
kiens, gibt es zahlreiche spätrömische Spuren (4.-5. Jahrhundert), die sowohl durch ältere als auch durch neuere Grabungen (1973-1985) ans Tageslicht gefördert
wurden. Wir erwähnen die Absperrung der Tore beim Amphitheater, die
Wiederverwendung
von Ziegeln, Backsteinen und skulpturalen oder epigraphi-
schen Denkmälern in der nachrömischen Epoche, die Wiederherstellung von Wohnungen mit Mauerwerk in barbarisierter Technik. Von den Materialien erwähnen wir eine Fibel mit kleinen Zwiebelknöpfcn, das auf eine Gefäßscherbe eingeritzte Chrismon und eine Unschlittlampe mit einem Kreuz auf der Scheibe. Die monetären Entdeckungen bestehen aus einem Schatz, dessen letzte Bronzemünzen bei Valcntinian 1 oder Valens stehenbleiben, und neun einzelne Münzen, alle aus Bronze, von Diocletian bis G r a t i a n 2 ' . In Apulum
(Alba lulia), dem ehemaligen militärischen und wirtschaftlichen Zen-
t r u m der Provinz, t r e t e n sowohl auf dem Gebiet der ehemaligen Stadt als auch in deren Friedhöfen immer zahlreichere Spuren der Ortsbevölkerung aus dem 4.-6. Jahrhundert zutage. Demnach entdeckte man zu wiederholten Malen eine Sicdlungsschicht mit keramischen Materialien aus dem 4.-6. Jahrhundert. In der feudalen Burg und neben der katholischen Kirche, während man zwischen den Ruinen der aufgegebenen römischen Thermen mehrere Körpergräber aus dem 4. Jahrhundert entdeckte. In den beiden Nekropolen der ehemaligen Stadt werden die Bestattungen bis ins 6. Jahrhundert hinein fortgesetzt, was durch die alten
l'rotase, l J robl. C o n t . ( A n m . 1) 126-127; ders., N i t u r i l e (A11111. 1) 130; C. L. Iiälut;ä, Sargctia ] 3 i 1977> 224-225; K. Horedt, Siebenbürgen in spatrömischer Zeit (Bukarest 1982) 235 (Reg i s t e r ) (im folgenden z i t i e r t : Horedt, Sieb. Sp.).
Dakisch-römische Bevölkerung n ö r d l . der Donau bis zum 7. Jahrhundert
233
Forschungen und durch jene der letzten Jahre anhand der hier entdeckten zahlreichen römischen Bronzemünzen aus dem 4.-5. Jahrhundert, der Zwiebelknopff i b e l n , der weltlichen und christlichen Unschlittlampen (4.-6. Jahrhundert) und der Keramik bewiesen werden konnte3). Aus der benachbarten, archäologisch nicht erforschten Stadt Ampelum stammt
(Zlatna)
wahrscheinlich ein Fragment eines römischen Grabmals, das durch das
Einmeißeln
eines
Kreuzes
im
4. Jahrhundert
"christianisiert"
wurde, als der
Stein beim Grab eines Christen wiederverwendet wurde4). Potaissa
(Turda), die ehemalige Garnisonsstadt der Legion V Macedonica, l i e f e r -
te desgleichen wichtige archäologische Materialien und späte römische
Münzen
(4.-6. Jahrhundert): eine christliche Gemme mit der Inschrift Ix^uc,, zwei Unschlittlampen aus Lehm (4.-5. Jahrhundert), einige Körpergräber und ein paar Fibeln aus dem 4. Jahrhundert vom Gebiet der beiden Friedhöfe aus der r ö m i schen Epoche. Die Serie der Bronze- und Silbermünzen, über 100 an der Zahl, reichen von Tacitus und Probus bis lustinian und Konstans 115). Auch
in Napoca
(Cluj-Napoca) sind die Bronze- und Silbermünzen bis in die
zweite Hälfte des 4. Jahrhunderts im Umlauf, während in den Nekropolen der Stadt mehrere Körperbestattungen römischen Typs aus der Zeit nach A u r c l i a n entdeckt wurden. Im Wohnviertel Mänä^tur, 1,5 km westlich der Stadt, gab es im 4. Jahrhundert eine einheimische Niederlassung, in der man zwei Öfen zum Brennen von Gefäßen entdeckte^). Porolissum
(Moigrad), an der nordwestlichen Grenze des ehemaligen römischen
Dakiens gelegen, bietet auch Siedlungsbelege nach Aurclian bis ins 6. Jahrhund e r t . Wir erwähnen die Körpergräber aus dem 4. Jahrhundert, die man in der Nähe des großen Lagers auf dem "Pomet" entdeckte, einige T-förmige
Fibeln
sowie Zwiebelknopffibeln, 14 Bronzemünzen von Konstantin I bis Valens und K e r a m i k . Für die Verbreitung des Christentums hier (4.-6. Jahrhundert) kennt man
Protase, Probl. C o n t . ( A n m . 1) 104-106, 144; C. L. Uälut,ä, Apulum 9, 1971, 701-704; N. Vlassa, A c t a Mus. Napocensis 13, 1976, 215-230; R. Uches,anu, Apulum 12, 1974, 617-619; H o r e d t , Sieb. Sp. ( A n m . 2) 225 (Register). C. D a i c o v i c i u , Anuarul I n s t i t u t u l u i de studii clasice 2, 1936, 206-207; Protase, P r o b l . C o n t . ( A n m . 1) 152. Protase, R i t u r i l e ( A n m . 1) 131; I. Winkler u. A. Hopärteanu, Moneda anticä la Potaissa (Cluj 1973) 66-70, 88-90, 122-124; N. Vlassa a.a.O. ( A n m . 3) 217-218. Protase, Probl. C o n t . ( A n m . 1) 114-116, 146, 163; W. Wolski, Apulum 9, 1971, 583-595; 1. H i c a - C f m p e a n u , A c t a Mus. Napocensis 16, 1977, 222-226.
234
Dumitru Protase
jetzt ein Fragment einer Schüssel und das eines Bechers, beide aus Ton und mit den Inschriften: EGO ... V1VS VOT(um) P(osui) und VTERE FE(lix)/SlX FELIX. V(ictor?), eine Taubenunschlittlampe aus Bronze, eine Hahnenstatuette aus Terrakotta und ein kleines Bleikreuz (unveröffentlicht)^). In Tibiscum (Jupa), auf dem Gebiet der ehemaligen römischen Stadt und des Lagers, ist die Kontinuität des römischen Lebens bis ins 5. Jahrhundert belegt durch: Keramik (3.-4. Jahrhundert), einen Gefäßdeckel mit nach der Brennung eingeritztem Kreuz (4.-5. Jahrhundert), eine Werkstatt zur Herstellung von Perlen aus dem 4. Jahrhundert und durch Umgestaltung von Wohnungen in den alten römischen Bauten. Die einzelnen Münzen, alle aus Bronze, reihen sich von Probus bis Valentinian aneinander, während die 970 Münzen aus dem neben dem Lager entdeckten Schatz von Traian bis Arcadius reichen. Bemerkenswert ist die Tatsache, daß die in Tibiscum im 4. Jahrhundert erzeugten Perlen nicht nur in Dakien, sondern auch bei den Jazygen aus der Theißebene angetroffen werden"'. Dierna (Or^ova Veche), eine am Ufer der Donau beim Zusammenfluß mit der Cerna gelegene Stadt, blieb auch nach Aurelian ein bedeutender römischer Brückenkopf bis zum Hunneneinfall. Aber das Leben in der ehemaligen Stadt entfaltete sich bis zur Zeit lustinians. Die römischen und römisch-byzantinischen Spuren sind hier sehr zahlreich und mannigfaltig. Im 4. Jahrhundert erbaute man am Flußufer die kleine Burg. Die Handwerkerwerkstatt aus dem 3. Jahrhundert funktionierte auch im 4. Jahrhundert und wahrscheinlich noch später. Die militärische officina stammt gleichfalls aus dem 3.-4. Jahrhundert, während die römisch-byzantinischen Unschlittlampen aus Ton (etwa sechs an der Zahl) sich chronologisch ins 4.-6. Jahrhundert eingliedern. Die Backsteine mit dem Stempel von Dierna beweisen, daß die Stadt seit dem Ende des 3. Jahrhunderts bis in das 5. Jahrhundert zu Dacia Ripensis gehörte, während Procopius (De acd. IV,6,5) berichtet, daß sich die Stadt im 6. Jahrhundert unter der Kontrolle einer byzantinischen Garnison befand. Die einzelnen Münzen nach Aurelian (ca. 100 Stück) reihen sich von Diocletian bis Mauricius Tiberius aneinan7)
'
Protase, Frobl. Cont. (Anm. 1) 119, 166; N. Vlassa, Acta Mus. Napocensis 16, i979> 171-176; E. Chirilä u. N. Gudca, Acta Mus. Porolissensis 139-140; N. Gudea u. V. Lucäcel ebd. 321-378; E. Lakö u. N. Gudea ebd. 449-450; N. Gudea ebd. 515-524.
8) D. Popescu, ü a e i a N. S. 11, 1967, 366; Dacia N. S. 17, 1973, 412 u. 21, 1977, 364 (Fundchroniken); M. Moga, Daicoviciu-Festschr. (Cluj 1974) 264; D. lienea u. a., Mat. s,i Cerc. Arh. Tulcea 1980, 298-303; D. rknea, Mat. sj Cerc. Arh. 1983, 306-323; E. Chirilä, N. Gudea u. I. S t r a t a n , Trei tezaure monetäre diu lianat diu secolul IV (Lugoj 1974) 5 _1 4i 45-66, 72 (im folgenden zitiert: Chirilä, Gudea u. Stratan, Trei tezaure).
Dakisch-römische ßevölkerung n ö r d l . der Donau bis z u m 7. J a h r h u n d e r t
235
der, während jene aus zwei Schätzen (insgesamt über 1900 Stück) bis Arcadius reichen. Alle dokumentarischen Materialien deuten darauf hin, daß Dierna
in der
Zeitspanne von Aurelian bis lustinian eine wichtige politische und m i l i t ä r i s c h e Rolle spielte und gleichzeitig ein Bindeglied zwischen der Romanität aus dem östlichen Banat und jener südlich des Flusses b i l d e t e 9 \ Die Gesamtheit der dokumentarischen Materialien, die wir hier sehr kurz erwähnten, beweist, daß in den alten Städten eine bescheidene Anzahl von c h r i stianisierten einheimischen Einwohnern lebte. Es ist klar e r s i c h t l i c h , daß diese Bevölkerung von der gotischen Zivilisation nicht beeinflußt war und in r u r a l i sierten römischen Lebensformen lebte, ohne die sehr spezialisierten Handwerke auszuüben und ohne die perfektionierten technischen M i t t e l der vorausgegangenen Epoche zu gebrauchen. In den Städten wurde nur noch in kleinen Handwerker-Werkstätten Maße
weitergearbeitet, die die alltäglichen und in einem
auch die Exportbedürfnisse befriedigten, ohne Anspruch auf
Raffinement
gewissen Luxus
und
zu erheben. Alles richtete sich auf eine d ö r f l i c h e Lebensart ein.
Nirgends baute man mehr Gebäude aus Steinen oder
Backsteinen
mit
Mörtel
verbunden, keine Inschriften wurden mehr angebracht, keine Denkmäler wurden mehr
e r r i c h t e t ; die intensive sozial-ökonomische
und k u l t u r e l l e
Tätigkeit
aus
der römischen Zeit hörte auf. Die Städte verzeichneten einen schnellen und unaufhörlichen V e r f a l l ; die Institutionen und die für die städtischen Zentren charakteristischen Merkmale verschwanden, während sich anstelle ihrer ehemaligen Erhabenheit die allgemeine Verdörflichung einstellte. Seit der z w e i t e n
Hälfte
des 6. Jahrhunderts haben wir gar keine A r t von sicheren Beweisen über irgendeine Bevölkerung innerhalb der ehemaligen römischen Städte, wobei sie im 7. Jahrhundert,
als
die
Slawen sich
im
innerkarpatischen
Dakien
niederließen,
schon verlassen und ihre Namen in Vergessenheit geraten waren. Aber der Mittelpunkt des einheimischen sozial-ökonomischen
Lebens
sich ins rurale Milieu, das gute Lebensbedingungen bot und der
verschob
Beschäftigung
sowie den neuen Organisations- und Verteidigungsanforderungen der Bevölkerung besser entsprach. Die Dako-Römer existierten, wie aus dem folgenden
hervorgehen
Protase, Probl. Cont. ( A n m . 1) 176; I). Tudor, Oras,e, t f r g u r i 5! säte fh Dacia ronianä (Bukarest 1968) 22-23 (im folgenden z i t i e r t : Tudor, Oras,e); V. W o l l m a n n , A c t a Mus. Napocensis 7> 1971, 539-555; C. l'reda, Stud. Cerc. Ist. Veche 23, 1972, 405; D. Henea, A c t a Mus. N a pocensis 11, 1974, 115-125 u. 13, 1976, 205-214; dies., Sargetia 14, 1979, 220-223; N. Vlassa, A c t a Mus. Napocensis 11, 1974, 125-141 u. 14, 1977, 205-219; E. C h i r i l ä u. I. S t r a t a n , Studii sj comunicäri (Sibiu) 19, 1975, 81-86; Dacia N. S. 19, 1975, 315 u. 2 1 , 1977, 379-380; C h i r i l ä , Gudea u. S t r a t a n , Trei tezaurc (Anm. 8) 15-66.
236
Dumitru Protase
wird, in dörlicher Umgebung fort und hier, im ruralen Milieu, trifft man auf Schritt und Tritt auf ihre Spuren. Bei den ehemaligen römischen Lagern der auxiliaren Truppen, in ihrem Innern und in ihrer Umgebung, stellte man im intrakarpatischen Dakien in zwölf Fällen Spuren einheimischer Bewohnung aus dem 4.-6. Jahrhundert fest. Diese bestehen aus Keramik dakischer oder spätrömischer Machart, Unschlittlampen, Fibeln, Ringen (manchmal mit Inschriften), Bronze- oder Silbermünzen (vereinzelt oder in Schätzen angehäuft), altchristlichen Gegenständen, Gräbern u. a. Im Lager von Micia (Vet,el)10' zum Beispiel befand sich spätrömische Keramik, bis Gratian geprägte Bronzemünzen und die bekannte Silberfibel aus dem 4. Jahrhundert, die in einen Ring mit der Inschrift QVART1NE V1VAS umgeändert wurde. Im Lager von Särä^eni (Kreis MuresJ entdeckte man zwei Brandgräber der örtlichen Bevölkerung aus dem 4. Jahrhundert, während in Comaläu (Kr. Covasna) 11 ' typische Keramik und zwei Fibeln aus derselben Zeit gefunden wurden. In Ghcrla (Kr. Cluj) 12 ), im Lager und in der zivilen Niederlassung reichten die einzelnen und die in einem Schatz (98 Stuck) angehäuften Bronzemünzen bis Anastasius und Mauricius Tiberius, während eine koptische bronzene Unschlittlampe aus dem 5.-6. Jahrhundert stammte. Viele hier entdeckte Fragmente von Gefäßen gehörten dem 4. Jahrhundert an, darunter auch einige, die mit je einem Fischlein verziert sind. Andere Beispiele von spätrömischen Materialien und Münzen, die noch angeführt werden können, stammen aus Brfncovenesjti13>, GilauM), Bologa'5', Olteni 1 6 ', lli^ua*7), Pojejena 1 ^ u . a. Bedeutsam ist die Tat-
M. Macrea, Dacia N. S. 2, 1958, 467-472; Protase, Probl. Cont. (Anm. 1) 132, 171; Horedt, Sieb. Sp. (Aiun. 2) 237. Z. Szekely, A Komollöi eröditettrömai täbor (Cluj 1943) 31-32; Protase, Probl. Cont. (Anm. 1) 116.
Protase, Probl. Cont. (Anm. 1) 165; N. Vlassa, Acta Mus. Napocensis 16, 1979, 185-187; D. Protase u. R. Ardevan, Mat. sj C c r c . Arli. 1983, 299-304. Unveröffentlicht int Museum von Tfrgu Mure$. Vgl. Marisia 6, 1976, 130. Protase, Probl. Cont. (Anm. 1) 33-34; ü . Isac, Potaissa, Studii s,i comunicäri 2, 1980, 45-46; ders., Acta Mus. Napocensis 15, 1978, 251-254; ders., Mat. sj Cerc. Arli. 1980, 296. *
N. Gudea, Apulum 15, 1977, 182; K. Horedt, Arcli. Korrbl. 3, 1973, 227; ders., Sieb. Sp. (Anm. 2) 86, 160. Z. Szekely, Jegyzetck Däcia t ö r t e n e t e h e z , Sf. Gheorglie 1946, 29; ders., Aluta 1, 1969, 11.
17)
Eine Fibel (K. Horedt, Apulum 16, 1978, 223, 236) und spätrömischc Keramik (noch unveröffentlicht im Museum von Uistritz). 18) D. Tudor, Stud. C e r c . Ist. Veche 9, 1958, 373-376; Tudor, Oras,e (Anm. 9) 65; Protase, Probl. Cont. (Anm. 1) 177; N. Gudea u. I. Uzum, Hanatica 2, 1973, 85-95; Dada N. S. 16, •972> 371 u. 17, 1973, 415 (Fundchroniken); B. Mitrea, Stud. Cerc. Ist. Veche 24, 1973, 150.
Dakisch-römisclie Bevölkerung nördl. der Donau bis zum 7. Jahrhundert
237
sache, daß die alten Lager aus Mehadia!9) und Pojejena 20 ) wieder aufgebaut und unter Konstantin dem Großen und auch später von römischen Truppen wieder besetzt wurden, wovon einige archäologische Materialien und der sehr rege Umlauf von Münzen bis ins 4. Jahrhundert zeugen. Wir wollen aber deutlich darauf hinweisen, daß die römischen Castren aus dem intrakarpatischen Dakien, mit Ausnahme einiger aus dem Süden des Banats, nach Aurelian nicht mehr als Festungen verwendet wurden und daß ihre militärisch-defensive Rolle nach dem Rückzug des kaiserlichen Heeres aufhörte. Die Spuren aus den erwähnten Lagern beweisen nur die Anwesenheit der zivilen Bevölkerung, die in der Umgebung der ehemaligen römischen Lager aus dem 2.-3. Jahrhundert blieb oder sich dort wieder gruppierte. Von dörflichen Niederlassungen trifft man archäologisch gesehen zwei Fälle an: solche, die am selben Ort von Niederlassungen aus dem 2.-3. Jahrhundert fortbestehen, und unbefestigte, neue dakisch-römischc Niederlassungen an anderen Orten. Zur ersten Kategorie gehören eine große Anzahl von erforschten oder identifizierten Niederlassungen in Siebenbürgen und im Banat, von denen wir nur folgende erwähnen: Obreja 21 ', Archiud 22 ), Sebesj23', Aiton24), Mugeni25), Medias, 2 ^, Voivodeni27', Rcmetea Mare 2 °), Timisoara-Cioreni 2 9', Moldova
19)
20) 2.)
22)
M. Macrea, Dada 11-12, 1948, 286; ders., Stud. Cerc. Ist. Vcche 1, 1949, 130-141; ders., Via^a fn Dacia romanä (Bukarest 1969) 466-467 (im folgenden zitiert: Macrea, VDU); Protase, Probl. Cont. (Anm. 1) 175; Tudor, Oras,e (Anm. 9) 32; Chirilä, Gudea u. Stratan, Trei tezaure (Anm. 8) 72-73; N. Gudea, Stud. C e r c . Ist. Veche 26,1, 1975, 147-151; Dacia N.S. 20, 1976, 290 (Fundchroniken). Vgl. Anm. 18. Protase, Probl. Cont. (Anm. 1) 123, 127; ders., Acta Mus. Napocensis 8, 1971, 156; ders., Autohtonii fn Dacia I (Bukarest 1980) 62-63. Protase, Probl. Cont. (Anm. 1) 106-107.
21)
K. Horedt u. a., Apulum 6, 1967, 19-26; I. A. Aldea, Apulum 9, 1971, 693-700; A. Popa u. G. Fleier, Apulum 12, 1974, 295-300.
24)
K. Horedt, Contributii la istoria Transilvaniei fn secolele IV-XIII (Bukarest 1958) 27 (im folgenden zitiert: Horedt, Contributii); I. Wiukler, Stud. Cerc. Nuni. 3, i960, 440.
25) G. u. I. Ferenczi, Acta Mus. Napocensis 13, 1976, 239-255; vgl. auch Protase, Probl. Cont. (Anm. 1) 119-121.
26)
1. Winkler u. M. Bläjan, Apulum 21, 1983, 121-156. 27) M. Peticä, Marisia 9, 1979, 127-133; Dacia N.S. 25, 1981, 377 (Fundchroniken). 28) D. Benea u. A. Bejan, Viat;a ruralä fn sud-vestul Daciei ih secolele lll-IV e. n. (ms). 29) Analele Banatului, lstorie 1, 1981, 22; A. Bejan u. D. Benea, Mat. s,i Cerc. Arh. 1983, 381-383.
238
Dimiitru Protase
Veche3°), Pescari3 J ), Kuvin32)} Berzovia33), Boc$a34) und Gornea35). Die Wohnformen waren in diesen Niederlassungen gewöhnlich wie in der vorausgegangenen Epoche. Nur der Aspekt der materiellen Kultur veränderte sich entsprechend den neuen Bedingungen der Epoche. Was die Wohnungsart betrifft, gab es Holzhäuser und Erdhütten, die gewöhnlich rechteckig waren und ein einziges Zimmer (ca. 10 m 2 ) hatten, in dem eine primitive Feuerstelle, ein Herd oder ein Backofen aus Stein oder Lehm standen. Wohnungen aus Stein oder gebrannten Backsteinen sind nicht belegt. Manchmal befindet sich neben den Wohnungen auch der Backofen mit Lehmhaube zum Backen. Die Backöfen aus Stein zum Wärmen oder Vorbereiten der Nahrung trifft man aber nur sehr selten an, und erst im 6.-7. Jahrhundert treten sie öfter auf. Ebenso wie in der vorausgegangenen Epoche fehlen die Proviantgruben verschiedenartiger Form und Ausmaße aus keiner dakisch-römischen Niederlassung. Das massive Fortbestehen der materiellen Kultur römischer Machart oder Tradition (Keramik, Arbeitsgerät, Fibeln, verschiedene Haushaltsgeräte, Schmucksachen usw.), die oft gemeinsam mit den Erzeugnissen der neuen Periode angetroffen wurde, bildete ein gewöhnliches Phänomen. Im allgemeinen hörte dieser Niederlassungstyp in der zweiten Hälfte des 4. Jahrhunderts auf zu bestehen, wahrscheinlich wegen der Hunnen und der ethnischen Bewegungen, die deren Erscheinen hervorrief. Es gibt aber auch Fälle, in denen ihr Bestand auch nach dem Jahr 400 andauert. Die andere Kategorie von Niederlassungen tauchte gegen Ende des 3. Jahrhunderts oder im 4.-5. Jahrhundert an Punkten auf, die zur Zeit der römischen Provinz nicht bewohnt waren, und blieben bis ins 6.-7. Jahrhundert, manche sogar noch länger, bestehen. Daß man sie den Einheimischen zuschreibt, beruht auf der Feststellung, daß einige Elemente der materiellen Kultur römischer Machart oder starker römischer Tradition im Gebrauch blieben und daß germanische und jazygische Erzeugnisse fehlen. Auch andere Inventarelemente bestätigen das.
E. laroslavsclii u. G. Lazarovici, Acta Mus. Napocensis 15, 1978, 256. 3l)
Vgl. Anm. 28.
3
Tudor, Oras^e (Anm. 9) 64; Macrea, VDP (Anm. 19) 466.
33
ü . P r o t a s e , Acta Mus. Napocensis 4, 1967, 49-51; vgl. auch Anm. 30.
34)
Vgl. Anm. j o .
•"
N. Gudea, Uanatica, Peseta 1977, 5-96 (Sonderdruck).
2
Dakisch-römischc Bevölkerung n ö r d l . der Donau bis zum 7. J a h r h u n d e r t
39
Derartige offene Niederlassungen gibt es überall zu dutzenden, und wir e r w ä h nen folgende davon: Bratei36), Media§37), Sopor38), Jaga39), l e r n u t 4 ° ) , Sighi§oara4i),
Laslea4 2 ), NosJac43), Harman44), Greoni45), Hodoni-Pusta4ö) 5
Silagiu48) ( Liste
Jäbär47),
Vfr§e^49), C r i c i o v a 5 ° ) , G P r b o v ä ^ i ) und L e n a u h e i m 5 2 ' , obwohl
weitergeführt
ihre
werden könnte. Als Wohnsystem unterscheiden sich diese
Niederlassungen nicht grundsätzlich von jenen der ersten K a t e g o r i e , sondern nur durch das für eine spätere Epoche charakteristische archäologische M a t e r i a l . Friedhöfe und Grabbräuche der dakisch-römischen Bevölkerung und die ihnen gehörenden Grabkomplexe,
die
man zur Zeit kennt, stammen aus dem
letzten
V i e r t e l des 3. Jahrhunderts und aus dem 4. Jahrhundert. Von den Gräbern, Gräbergruppen und Friedhöfen dieser Periode erwähnen w i r : Lechint;a53), Tfrnävioara54), das Ende des Friedhofs von Sopor55) und dasjenige des Friedhofs
von
I. Nestor u. E. Z a h a r i a , M a t . sj C e r c . A r h . 10, 1973, 191-203. A n der " H i e n t z " genannten S t e l l e ; noch u n v e r ö f f e n t l i c h t .
38) 39
Protase, Probl. C o n t . ( A n m . 1) 129; K. Horedt, Untersuchungen zur Frühgeschichte Siebenburgens (Bukarest 1958) 110 ( i m folgenden z i t i e r t : H e r e d t , Untersuchungen). Noch u n v e r ö f f e n t l i c h t .
4
Protase, Probl. C o n t . ( A n m . 1) 116-117.
4
G. Haitag, Marisia 51-59-
9,
1979, 75-88; ders., R. Harlioiu u. M. P e t i c ä , Marisia
11-12, 1983,
D a d a N.S. 14, 1970, 478 (Fundchroniken); E. C h i r i l ä , N. Gudca u. G. M o l d o v a n , Münzen aus der Sammlung des Museums der Stadt Sighis,oara (Sighis,oara 1972) 31-34. '*•'
M. Kusu, Dacia N. S. 6, 1962, 269-272; Protase, Probl. C o n t . ( A n m . 1) 121-123.
44
Dacia N. S. 10, 1966, 396; 1 1 , 1967, 367; 12, 1968, 433; 13, 1969, 524; 17, 1973, 378 (Fundchroniken); M. M a r c u , Cumidava 5, 1971, 4 5 - 5 1 ; ders., M a t . s,i C e r c . A r h . 10, 1973, 244-246, 251-254; 1. Pop, M a t . s,i Cerc. A r h . 10, 1973, 246-247, 257-258.
5
Dacia N. S. 9, 1965, 482 (Fundchroniken); A c t a Mus. Napocensis 15, 1978, 256. A . Bejan, Mat. s,i C e r c . A r h . 14, 1980, 366-372 u. 1983, 388-394. I. S t r a t a n , Dacia N. S. 24, 1980, 361 u. 25, 1981, 370 (Fundchroniken); ders., Noi T r a c i i 73 (November), 1980, 10-14.
48) ^
0 . S f e t c u , Noi T r a c i i 53 (Februar), 1979, 1-5.
50)
Vgl. A n m . 28.
5
0 . Bozu u. C. Secärin, Banatica 5, 1979, 556.
D. Benea, Potaissa, Studii s,i c o m u n i c ä r i 3, 1983, 40.
52) A . Bejan, Banatica 2, 1973, 131-137. 53
Protase, R i t u r i l e ( A n m . 1) 125, 127.
54)
Ebd. 128.
55
D. Protase, Un e i m i t i r dacic diu epoca romanä la Soporul de C m i p i e (Bukarest 1976).
240
D u m i t r u Protase
lernut ("Bedee")5 6 ), Sf. Gheorghe ("Eprestetö")57), Baciu-Cluj58), Bratei59), Sop o r 6 0 ' . Hinzu kommen die Gräber aus dem 4.-5. Jahrhundert, die in den Stadtzentren entdeckt wurden {Apulum,
Napoca,
Porolissum,
Potaissa).
Man s t e l l t fest, daß die Grabbräuche und -praktiken aus der römischen Zeit bis ins 5.-6. Jahrhundert fortbestanden, sowohl bei der Brandbestattung als auch bei der Körperbestattung. Die Brandbestattung wurde in der Form der Urnengräber und der gebrannten oder ungebrannten Gruben fortgesetzt, während die Körperbestattung weiterhin in vorgeprägten römischen Formen p r a k t i z i e r t
und j e t z t
auch von der christlichen Religion gesteigert wurde. Bis zu Anfang des 5. Jahrhunderts überwiegt in den ehemaligen städtischen Friedhöfen die Körperbestatt u n g , während im ruralen Medium im allgemeinen die Brandbestattung f o r t g e setzt
wurde. Nachher setzte sich die Körperbestattung jedoch durch, was dem
Christentum zuzuschreiben ist. Von den Grabbeigaben erwähnen wir: Armbänder, Halsketten, Perlen, Haarnadeln, Keramik,
Kämme,
Bronze-
und Eisenfibeln, Schnallen,
Unschlittlampen, Glasbehälter, Pflugschare, Sensen, Sicheln, Radna-
ben, Messer, Schleifsteine, Spinnwirtel aus gebranntem L e h m , Bronze- und Silbermünzen. Im allgemeinen haben die Grabbeigaben nur einen kleinen Eigenw e r t , jedoch helfen sie uns, zusammen mit den Grabbräuchen und -praktiken, die Einheimischen von den Wandervölkern zu unterscheiden 6 1 '. In den
ehemaligen
"villae
rusticac"
stellt
man in einigen
Fällen ( l e r n u t 6 2 ) ,
Rähäu 6 3)) einheimische Überreste aus dem 4. Jahrhundert f e s t , die den ehemaligen A r b e i t e r n dieser von ihren Herren verlassenen Farmen gehören. In lernut, zum Beispiel, werden die Beerdigungen im alten Friedhof f o r t g e s e t z t . Für die Kommunitäten der f r e i e n Daker, die ins T e r r i t o r i u m des ehemaligen römischen Dakien eindrangen (siebenbürgischer Teil) 6 4), gibt es j e t z t sichere ar56)
N. Vlassa, Stud. 116-117.
Cerc.
Ist.
Veche
13,1, 1962, 153-155; Protase, P r o b l . Cont. ( A n m . 1)
57)
Vgl. A n m . 54.
58)
H. Daicoviciu u. N. Vlassa, A c t a Mus. Napocensis 1 1 , 1974, 14-18.
59)
L. Barzu, C o n t i n u i t a t e a populat,iei autohtone ih Transilvania in secolele IV-V. C i m i t i r u l de la B r a t e i (Bukarest 1973).
60) 61)
62) 63) 64)
Protase, P i t u r i l e ( A n m . 1) 131. Für die Grabbräuche in D a k i e n nach dem Abzug der Römer bis ins 6. Jahrhundert, siehe: Protase, R i t u r i l e ( A n m . 1) 129-139. Vgl. A n m . 56. K. Horedt u. a., Apulum 6, 1967, 18-19. H i n s i c h t l i c h dieser Frage siehe das dokumentarische M a t e r i a l und dessen Auslegung bei D. Protase, Stud. C e r c . Ist. Veche 2 3 , 4 , 1972, 593-607.
Dakisch-römische Bevölkerung nördl. der Donau bis zum 7. Jahrhundert
24 1
chäologische Beweise: Niederlassungen, Friedhöfe, einzelne Gräber, c h a r a k t e r i stische Gegenstände. Wir beziehen uns auf die Entdeckungen von Reci, Bezid, C r i s t i a n , Mere^ti, Sebe§, Median, Archiud, §opteriu, während es sich bei Sopor und Obreja nach der Meinung einiger Verfasser sogar um ein Angliedern an die einheimischen Kommunitäten handelte. In den erwähnten Ortschaften befanden sich Fundplätze der Carpen aus der Moldau, während am Mure$ bei Cipäu und Ogra freie Daker aus dem Westen, der Theißebene, wohnten. Das Ausmaß dieser Zuwanderungen ist vorläufig noch nicht bekannt. Jedenfalls ist das Vorhandensein von Enklaven freier Daker auf dem ehemaligen römischen intrakarpatischen Gebiet archäologisch vier bis fünf Jahrzehnte vor dem Auftauchen der Goten belegt. Der Umlauf der M ü n z e n d in der nachrömischen einheimischen Welt, als Widerspiegelung des w i r t s c h a f t l i c h e n Lebens, erweist sich als sehr rege, vor allem in der Periode Konstantins. In Siebenbürgen und im Banat sind über 170 Ortschaften bekannt (und ihre Zahl wächst immer noch), in denen man Bronze- und Silbermünzen fand, die von A u relian bis ins 6. Jahrhundert reichen. Der Umlauf der Münzen war schon M i t t e des 3. Jahrhunderts infolge der allgemeinen Krise des Reiches geschwächt worden und wurde dann durch den Rückzug aus Dakien unter Aurelian noch mehr verlangsamt, machte dann aber zur Zeit Konstantins des Großen und seiner Söhne eine kräftige Wiederbelebung durch, um nach dem Hunneneinfall wieder z u rückzugehen. Die Wiederaufnahme des Umlaufs der Münzen in Dakien nach dem Rückzug der Römer ist der einheimischen Bevölkerung und nicht den Wandervölkern
zuzuschreiben. Denselben Prozeß gab es auch in anderen Regionen, die
einst
zum
römischen
Reich gehört hatten, wie zum Beispiel Germanien und
Raetien. Die Fundorte der Silber- und Bronzemünzen sind auf dem ganzen ehemaligen r ö mischen T e r r i t o r i u m verstreut und befinden sich in den Ruinen der Städte und Lager, in Niederlassungen und Friedhöfen. Gewöhnlich tauchen sie nicht zusammen mit Goldgegenständen auf, und in vielen Fällen wird ihre Serie aus dem 3. Jahrhundert bis zu den Hunnen und sogar noch später fortgesetzt. Die Bronzeund Silbermünzen (nie Goldmünzen) fand man, vereinzelt oder in Schätzen, an Bezuglich des Münzumlaufs in Dakien (4.-6. Jahrhundert) und der ethnischen Fragen, die sich daraus ergeben, siehe: M. Macrea, Anu. Inst. S t u d . Ciasice 3, 1941, 299-305; H o r e d t , Contribut,ii ( A n m . 24) 11-27; Protase, Probl. Cont. ( A n n i . 1) 158-198; C. Preda, Stud. C e r c . Ist. Veche 26,4, 1975, 441-485; C h i r i l ä , Gudea u. S t r a t a n , T r e i tezaure ( A n m . 8).
242
D u m i t r u Protasc
jenen O r t e n , wo die Anwesenheit der Einheimischen archäologisch bewiesen ist durch Niederlassungen und Friedhöfe, durch "Christianisierung" der alten heidnischen
römischen
Denkmäler
oder
durch
Einrichtung
bescheidener
Wohnungen
zwischen den ehemaligen römischen Stadtbauten. Sehr zahlreich sind die im Banat entdeckten Schätze (einige sehr groß) und Münzen: über 45.000 Stück. In den Goten zugeschriebenen Fundkomplexen aus Siebenbürgen fehlen im allgemeinen Bronzemünzen, weil die Goten (die Führer und die Stammesaristokratie) Goldmünzen und Goldgegenstände bevorzugten. Nach dem Zusammenbruch der Hunnenmacht und dann zur Z e i t von lustinian bem e r k t man wieder eine Intensivierung des Münzumlaufs, der in erster Linie der einheimischen Bevölkerung zuzuschreiben ist, weil die Bronzemünzen (sehr selten auch Goldmünzen) aus dem 5.-6. Jahrhundert in der Umgebung der ehemaligen römischen Städte und Niederlassungen gefunden wurden: Apulum, Napoca, Potaissa, Tibiscum, M i c i a , C r i s t e ^ t i , Hoghiz, SPnpaul, Cetea e t c . Dennoch erhält die
Wirtschaft
nach den Hunnen den betonten Charakter
einer
Naturalwirt-
s c h a f t , den sie früher nur in einem kleineren Maße hatte. Die Goldmünzen wurden wegen ihres Eigenwerts thesauriert und dienten im allgemeinen nicht als Tauschmittel. Für das Verständnis des wirtschaftlichen Lebens spielte auch die Entdeckung der Eisenschmelzöfen aus dem Banat, die ins 4. Jahrhundert d a t i e r t werden können, eine bedeutende R o l i e ^ ' ,
und
zwar kennt man Dutzende solcher Öfen aus Lehm
in Berzovica, Fize§, Ghertenis,, Mäureni, Ocna de Fier, §o^dea u. a. Auch in Siebenbürgen, in Bezid^7) und Dobo^eniöS), entdeckte man zwei solcher Öfen.
Oltenien und der Westen Munteniens Die südkarpatischen Gebiete des ehemaligen römischen Dakiens weisen wegen ihrer geographischen Nähe zum römisch-byzantinischen Reich einige gegenüber Siebenbürgen andere Eigentümlichkeiten auf. Wie auch im Süden des Banats ist das Leben dieser Region enger an die Gebiete und an die Romanität vom rechten Ufer der Donau gebunden. Die archäologischen, epigraphischen und numismatischen Dokumente, sowie einige Schriften antiker Autoren beweisen, daß von
E. laroslavschi u. R. Petrovszky, Tibiscus (Timis,oara) 3, 1974, 147-155; E. laroslavschi, A c ta Mus. Napocensis 13, 1976, 231-237. 67) '
Z. Szekely, M a t . sj C e r c . A r h . 7, 1961, 184-185; ders., Marisia 6, 1976, 117-123. Ders., M a t . sj Cerc. A r h . 5, 1959, 231-246.
Dakisch-römische Bevölkerung n ö r d l . der Donau bis zum 7. Jahrhundert
243
Aurelian bis einschließlich lustinian das Reich mit einigen Unterbrechungen entweder eine wirksame kleineres Gebiet
Kontrolle oder seine Herrschaft
über ein größeres oder
im Norden der Donau ausübte. Übrigens behielten die Römer
beim Rückzug zur Zeit
Aurelians weiterhin einige Brückenköpfe von s t r a t e g i -
scher Bedeutung in Drobeta, Sucidava, Or§ova, Pojejena und an anderen Punkten vom linken Flußufer. In Oltenien ist sowohl das dörfliche als auch das Leben in den ehemaligen städtischen Zentren (Romula, Drobeta) archäologisch bis ins 6. Jahrhundert belegt: Dutzende von dörflichen Niederlassungen bestehen aus dem 2.-3. Jahrhundert bis ins 4. oder 5.-6. Jahrhundert am selben Ort f o r t , zahlreiche andere werden an neuen Plätzen gegründet. Die provinziale römische Bevölkerung wird häufig in oder neben den ehemaligen römischen Lagern (Släveni, ßuridava-Stolniceni, Pons /Wuti-Ionestii G o v o r i i , Bumbe§ti, E n o s ^ t i , lzvoarele, Bistret,u, Urlueni, Säpata de Jos) durch Hüttenwohnungen, Keramik, Fibeln, altchristliche
Gegenstände,
Münzen und andere Elemente der spätrömischen materiellen Kultur belegt. Gegenüber den Werken von D. Tudor (Oltenia te
tfrzie
§i sträromänii
in Dada
traianä
romanä,
1978), Toropu
(Romanita-
sud-carpat/cä Cseco/e/e III-XI>,
1976)
verfügen wir heutzutage über eine viel breitere Dokumentation hinsichtlich der Zeitspanne von Aurelian bis Mauricius Tiberius. Eine vor kurzem vom Unterzeichneten aufgestellte Statistik zeigt, daß es außer Drobeta, Romula und Sucidava
noch weitere
190 Stellen mit Entdeckungen aus der erwähnten
Periode
g i b t : Siedlungen, Friedhöfe, Gräber oder Gräbergruppen, Münzschätze und e i n zelne Bronze- oder Silbermünzen, Fibeln, Keramik, christliche A n t i q u i t ä t e n und andere Gegenstände. Der Umlauf der Münzen muß sehr rege gewesen sein, vor allem in der Nähe der Donau, wenn nur in Sucidava 7 Schätze (mit etwa 10.000 Münzen) und über
1.200 einzelne Münzen, die Mehrzahl aus Bronze, entdeckt
wurden. Auch im übrigen T e r r i t o r i u m entdeckte
man Hunderte und Tausende
von Münzen, vor allem südlich der "Brazda lui Novae" (weniger nördlich davon). Beachtenswert ist die Tatsache, daß in Oltenien seit dem 4. Jahrhundert keine Brandgräber
mehr angetroffen
werden, sowohl in den ehemaligen Städten als
auch im ruralen M i l i e u , sondern nur noch Körperbestattungen in verschiedenen Formen und Varianten. Gewiß ist diese Situation dem Christentum zu verdanken. Wie auch in Siebenbürgen verzeichnet man in den ehemaligen römischen Gebieten
südlich
der
Karpaten
nach dem
Rückzug der
militärischen
und
zivilen
244
D u m i t r u Protase
Behörden über die Donau das Eindringen von K o m m u n i t ä t e n freier
Daker aus
der Ebene Munteniens, was in Chilia, Fa'rcas.ele, Govora-Sat wahrscheinlich und eventuell auch in Locusteni^9) in Form eines Bevölkerungsanschlusses an die hiesige Kommunität der Einheimischen archäologisch belegt ist. Bemerkenswert ist die Tatsache, daß westlich des Limes
transalutanus
- entge-
gen der früheren Meinung - die Anwesenheit der Goten im 4. Jahrhundert nicht belegt ist, daß sich diese also in der Moldau, in der Ebene Munteniens und in einigen Teilen Siebenbürgens niederließen. Die Rückkehr der römischen Herrschaft nördlich der Donau zur Zeit Konstantins des Großen und lustinians, die Ausmaße, die Bedeutung und ihre allgemeinen Folgen, sowie die Errichtung der "Brazda lui Novae" sind heute gut bekannt. A r chäologisch wird bewiesen, daß das römische Heer aus den beiden Moesien in der Zeitspanne von Aurelian bis Konstantin I in Sucidava, Desa, Hinova, Drobet a , Dierna, Pojejana, Gornea zahlreiche Abteilungen h a t t e . In den letzten Jahren entdeckte und erforschte
man in Pietroasele (Kr. Buzau)7°), im östlichen
Endabschnitt der "Brazda lui Novae", eine Burg aus Stein und Backstein aus der Zeit Konstantins. Die gegenwärtige Quellenlage beweist, daß die römischen Burgen und Türme vom nördlichen Ufer der unteren Donau zwischen 435 und 447/448 durch die wiederholten Einfälle von A t t i l a s Hunnen aus der Theißebene zerstört wurden. Wegen den Hunnen brachen die Verbindungen zwischen der norditalischen Romanität und der Karpaten-Donau-Romanität
ab, während das wirtschaftliche und
kulturelle Leben Dakiens sich nach Byzanz r i c h t e t e . Die römische Herrschaft, die A t t i l a an der unteren Donau praktisch vernichtet h a t t e , wurde unter lustinian nördlich des Flusses wieder hergestellt, aber - entgegen der Behauptung von Procopius - auf viel kleineren Gebieten, in u n m i t t e l barer Nähe der Donau: Die archäologischen Entdeckungen bestätigen das für die Region um Drobeta, Sucidava, Dierna und Lederata. In den erwähnten Gebieten sind die Überreste aus dem 6. Jahrhundert sehr zahlreich und der Wiederaufbau der Festungen unter Justinian deutlich zu erkennen. In Sucidava baute man sogar eine Burg und eine christliche Basilika7 1 '.
69)
Vgl. Anm. 64. G. Diaconu 11. A. Odobescu, Opcre (Bukarest) 4, 1976, 1055-1072; dies., Mousaios 3, 1981, 35-40; M. Tzony, Mousaios 3, 1981, 41-49.
Dakisch-römische Bevölkerung n ö r d l . der Donau bis zum 7. Jahrliundert
245
Die römisch-byzantinische Herrschaft am nördlichen Ufer der Donau wurde zur Z e i t von Mauricius Tiberius durch die Einfalle der Avaren und Slawen endgültig aufgehoben, die sich auch auf der Balkanhalbinsel niederließen. Gleichzeitig mit diesen Ereignissen begann eine neue historische Etappe im Leben der Romanität nördlich der Donau: Die intensivere Symbiose mit den Slawen, die erst in den nächstfolgenden Jahrhunderten mit den bekannten Ergebnissen endigt. Das C h r i s t e n t u m ? 2 ' und seine Verbreitung in lateinischer Sprache im ehemaligen römischen Dakien ( O l t e n i e n , das Banat, Siebenbürgen) betreffend, verfügen wir heute über ein viel reicheres und vielseitigeres dokumentarisches Material als noch vor drei bis vier Jahrzehnten. Das gegenwärtige Repertoire der c h r i s t l i chen A l t e r t ü m e r besteht aus: Gemmen, Unschlittlampen, Ringen, Einsatzplatten (alle mit spezifischen Symbolen), ein Donarium
mit Inschrift aus Biertan, auf
Keramik eingeritzte Kreuze und Christusfiguren oder Inschriften, alte "christianisierte" römische Denkmäler, K u l t s t ä t t e n in Sucidava, Släveni, wahrscheinlich auch Porolissum usw. Sie sind auf dem ganzen ehemaligen römischen T e r r i t o r i um verbreitet (20 Ortschaften) und stehen mit der einheimischen Bevölkerung in unmittelbarer Verbindung, denn sie befinden sich - mit Ausnahme jener aus dem 5.-6. Jahrhundert, die den Gepiden zuzuschreiben sind - nur in dakisch-römischen archäologischen
Komplexen.
Die Goten waren, in Siebenbürgen wenig-
stens, im 4. Jahrhundert keine Christen. Die Gepiden jedoch nahmen die neue Religion an; die archäologischen Entdeckungen beweisen das zweifellos. Das dakisch-römische C h r i s t e n t u m hat im 4.-6. Jahrhundert einen ausgesprochen l a t e i nischen Charakter, was auch die religiösen Grundbegriffe, die sich bis heute in der rumänischen Sprache erhalten haben, beweisen: cruce (crux), cre^t/n (christianus), dumnezeu
(dominus und deus), fnqer
(angelus), bisericä
(basilica) und
noch viele andere. Die christliche Religion eroberte zuerst die Bevölkerung aus den ehemaligen städtischen Zentren (4. Jahrhundert), während das dörfliche M i lieu das Christentum ein wenig später annahm (4.-5. Jahrhundert).
71)
Das Verhältnis
••
Über die Lage in O l t e n i e n im 4.-6. Jahrliundert, v g l : Tudor, 01t. Rom.4 ( A n m . 1) 415-470; 0 . f o r o p u , R o m a n i t a t e a t f r z i e s,i s t r ä r o m ä n i i fii D a d a traianä sud-carpatica" (secolele l l l - X I ) (Craiova 1976) 13-149. 72) Die Bibliographie h i n s i c h t l i c h des dakiscli-römischen Christentums ist sehr umfangreich. Deshalb beschränken wir uns hier darauf, folgende grundlegende A r b e i t e n zur O r i e n t i e r u n g anzuführen: V. Rärvan, Contribut,ii e p i g r a f i c e la istoria cres,tinismului daco-roman (Bukarest 1911); C. D a i c o v i c i u , A n n . Inst. Stud. Ciasice 2, 1936, 192-209; M. Macrca, Dacia 11-12, 1948, 281-302; P r o t a s e , P r o b l . C o n t . ( A n m . 1) 141-148; I. Barnea, Les monuments paleochretiens de Roumanie ( R o m 1977).
246
Dumitru Protase
zwischen Körperbestattung und Brandbestattung in den ehemaligen Städten und in den Dörfern unterstützt diese Behauptung. Bekanntlich trug das Christentum zur Verbreitung der lateinischen Sprache, zur Festigung und Ausdehnung der Romanität nördlich der Donau bei. Die Gebiete der freien Daker (Muntenien, die Moldau, die Cris,ana, das MaramuresJ Hinsichtlich Munteniens73) stellte man bei den Forschungen in den letzten Jahrzehnten fest, daß über einem Horizont, der der Zivilisation der freien Daker aus dem 3.-4. Jahrhundert folgt, ein später dakisch-römischer Aspekt vorhanden ist, der durch Niederlassungen vom Typ jener von Cire^anu, Kr. Prahova (Ende des 4. bis Anfang des 5. Jahrhunderts) vertreten ist und der den Entdeckungen aus Siebenbürgen (Bratei, Taga, Sighi§oara usw.) und aus der Moldau (Costi§a), was Chronologie und Machart betrifft, entspricht. Aus diesem späten dakisch-römischen Zivilisationshorizont entwickelte sich im 5.-6. Jahrhundert die romanische Kultur vom Aspekt Ipote^ti-Cfnde^ti, die eine Schöpfung der lokalen dörflichen Bevölkerung ist. Sie läßt sich durch unbefestigte Siedlungen mit Erdhütten und Oberflächenwohnungen charakterisieren, die einen Backofen aus Stein oder Lehm und Proviantgruben in der Nähe haben, wobei die Viehzucht die Hauptbeschäftigung der Bevölkerung war, welche aber auch traditionelle Handwerke betrieb. Es gab auch Zentren zum Schmelzen des Eisens: In Budureasa (Kr. Prahova) z. B. entdeckte man sieben solcher Öfen. Die Hafneröfen traf man sehr oft an. Die Keramik wurde auf der Scheibe bei schneller Drehung, aber auch mit der Hand hergestellt. Die beiden Techniken koexistierten, aber die gute Keramik römisch-byzantinischer Machart überwog. Auch byzantinische Importgefäße tauchten auf. Die byzantinischen Münzen, vor allem jene aus Bronze (Arcadiuslustinian), sowie die verschiedenen Schmucksachen und Gegenstände anderer Natur beweisen die ununterbrochenen Verbindungen mit der Bevölkerung südlich der Donau. Das Christentum in lateinischer Form war in ganz Muntenien verbreitet, auf dem ganzen Verbreitungsgebiet dieser Kultur, die ihren Höhepunkt
V. Teodorescu, Stud. C e r c . Ist. Veclie 5, 1964, 485-504; S. Dolonescu-Ferche, As,ezäri diu secolele III s,i VI e. 11. fh sud-vestul Munteniei. Cercetärile de la Dulceanca (liukarest 1974); ders. in: Rapports du lll e Congres International d'Archcologie Slave 1, Bratislava 1979, 171-176; D a d a N. S. 23, 1979, 1-52; S. Dolinescu-Ferche u. M. Constantiniu, Dacia N. S. 25, 1981, 289-329.
2
Dakisch-römische Bevölkerung n ö r d l . der Donau bis zum 7. J a h r h u n d e r t
47
im 6. Jahrhundert zur Zeit der militärisch-politischen und k u l t u r e l l e n Expansion von Byzanz nördlich der unteren Donau erreichte. Hinsichtlich der Moldau im 5.-6. Jahrhundert74) stellte man durch archäologische Forschungen der letzten zwei bis drei Jahrzehnte f e s t , daß die e i n h e i m i sche Bevölkerung überall angetroffen wird und sich durch die materielle K u l t u r und durch ihre Lebensweise von den Neuankömmlingen b e t r ä c h t l i c h unterscheidet. In der Moldau stammt die einheimische materielle K u l t u r aus der z w e i t e n Hälfte des 5. und der ersten H ä l f t e des folgenden Jahrhunderts, auch unter dem Namen Costi^a-Boto^ana
bekannt, direkt aus der ö r t l i c h e n und spätrömischen
Kultur und entspricht der Ipote§ti-Cmde$ti-Kultur
(Phase I) südlich der Karpaten
und der romanischen Kultur aus Siebenbürgen (Bratei, Taga> Sighi^oara). S t r a t i graphisch
gesehen,
überlagern
die
Behausungen
der
betreffenden
Zeit
die
Schichten der spätrömischen Z i v i l i s a t i o n , die bis zum Ende der hunnischen Herrschaft d a t i e r t . Wie auch in Muntenien (Ipote^ti-Cuides^ti-Kultur, Phase I) und Siebenbürgen handelt
es
sich
hier
um
eine
Landwirtschaft
und
Viehzucht
betreibende
Be-
völkerung, die in Erdhütten oder Oberflächenwohnungen m i t Herd oder Backofen wohnte und Proviantgruben benutzte. Das archäologische Inventar der Niederlassungen bestand aus: Pflugscharen, Sicheln, Mühlen, Messern, Schleifsteinen, verkohltem Weizen und Hirse, Gewichten vom Webstuhl, S p i n n w i r t e l n , Ahlen und Nadeln aus Knochen, Knochenkämmen misch-byzantinischen
Bronzefibeln,
mit
zwei
Ohrringen,
Zahnreihen (zweiseitig),
Ringen,
Armbändern,
rö-
Perlen,
Schnallen, Gußformen für Schmucksachen, einzelnen und in Schätzen angehäuften Münzen, viel Keramik, Gegenständen mit christlichen Symbolen u. a. Der Grabbrauch im 5.-6. Jahrhundert ist die Körperbestattung, die infolge des Christentums die Brandbestattung allmählich ganz verdrängt. Der kulturelle Costi^a-Boto^ana-Aspekt wird auf Grund der E n t w i c k l u n g der Z i vilisation in der Moldau des 7.-9. Jahrhunderts entstehen. Die Forschungen und Arbeiten der letzten Z e i t , die D. Teodoru, 1. Mitrea und anderen Fachleuten zu verdanken sind, beweisen überzeugend, daß vor dem Auftauchen der slawischen
74) D. G. Teodor, T e r i t o r i u l e s t - c a r p a t i c in veacurile V - X l e. n. C o n t r i b u t j i arheologice sj i s t o rice la problema f o r m ä r i i poporului romän (lasj 1978); ders., U o m a n i t a t c a c a r p a t o - d u n ä r e a nä s,i l l i z a n t u l fh veacurile V - X l e. n. (lasj 1981); ders., C o n t i n u i t a t e a popula^iei autohtone la est de Carpatj (lasj 1984); ders., C i v i l i z a t j a romanicä la est de C a r p a t j fn secolele V - V l l l e. n. (Bukarest 1984); I. M i t r e a , Carpica 12, 1980, 55-190.
248
Ü u m i t r u Frotasc
Stämme in den Gebieten ö s t l i c h der Karpaten eine christliche romanische Bevölkerung lebte, die m i t jener aus Siebenbürgen und aus den Gebieten südlich der Karpaten eine ethnisch-kulturelle und sprachliche Einheit bildete. Die romanische Bevölkerungsmasse nördlich der Donau ist mit der römisch-byzantinischen Welt südlich des Flusses, von wo kräftige w i r t s c h a f t l i c h e , kulturelle, politische, ethnische und sprachliche Impulse kamen, in ununterbrochener Verbindung gewesen. Der Kontakt und das Zusammenleben der römischen Bevölkerung mit den slawischen Stämmen, die sich in der zweiten Hälfte des 6. Jahrhunderts endgültig in der Moldau niedergelassen h a t t e n , führte zum Auftauchen eines neuen Aspekts in der
materiellen
K u l t u r : Zu den kulturellen Elementen spätrömischer
Her-
k u n f t , die qualitativ besser und auch zahlreicher sind, kam eine slawische K o m ponente minderwertigerer Machart hinzu. Die archäologischen Forschungen beweisen, daß bisher noch keine " r e i n " slawische Niederlassung bekannt ist, sondern nur Niederlassungen, in denen die slawischen kulturellen Elemente in Verbindung mit den örtlichen romanischen a u f t r e t e n . So zum Beispiel befindet sich außer älterer
Keramik, die mit dem sich schnell drehenden Hafnerrad herge-
s t e l l t wurde, auch Hafnerware aus schlechter Paste, die mit der Hand grob gef o r m t wurde und ein p r i m i t i v e s Aussehen hat, was eben die von den ersten slawischen Stämmen in das romanische Milieu gebrachte Töpferware darstellt. Dieser neue "romanisch-slawische" kulturelle Aspekt, den man konventionellerweise Suceava-§/pot und Boto^ana
II nannte, d a t i e r t ins 6.-7. Jahrhundert und bildete
das allgemeine Merkmal in der Entwicklung der materiellen Kultur der Moldau vom 7. bis 9. Jahrhundert. Hinsichtlich der westlich und nordwestlich der römischen Provinz Dakien gelegenen Gebiete (die Cn^ana und das Maramure§)75), die im 2.-4. Jahrhundert vorwiegend von Stämmen der freien Daker bewohnt waren, enthüllte die archäologische Forschung der letzten 10-15 Jahre eine bedeutende spätrömische K o m ponente in der materiellen Kultur aus dem 4.-6. Jahrhundert. Wir denken dabei an die Entdeckungen von Moroda (Kr. Arad), Rfpa, Tinea, Vä^ad und Biharea (Kr. Bihor). Diese Komponente wird angetroffen bei der Keramik, den Arbeitsgeräten,
'-'
verschiedenen
S. D u m i t r a j j c u , Crisia 1983. 33-142.
Gegenständen
für
den
alltäglichen
Gebrauch,
hirt-
1977, 71-74; ders., Ziridava 10, 1978, 81-86; Uibliotheca " C r i s i a " 12,
Dakisch-römische Bevölkerung n ö r d l . der Donau bis zum 7. Jahrhundert
lich-landwirtschaftlicher
Lebensweise
und
in der
Ausübung von
249
Handwerken
(Töpferei, Tischlerei, Schmieden, Spinnen, Weben usw.) und bildet einen der Faktoren, die verursachten, daß im 5.-6. Jahrhundert die alte materielle K u l t u r der
freien
Westdaker
allmählich die Merkmale jener aus der Moldau ( C o s t i -
Sa-Boto^ana) und Muntenien (lpote^ti-Cmdes.ti) annahm und so eine Z i v i l i s a t i o n norddanubischen romanischen Typs wurde. Hinter der Romanisierung der m a t e riellen Kultur und der Lebensweise unter dem Einfluß der benachbarten Romanit ä t , müssen wir hier - nach einigen Autoren - auch eine ethnisch-sprachliche Romanisierung in Betracht ziehen, zu der die Verbreitung des Christentums in lateinischer Sprache einen erstrangigen Beitrag lieferteVÖ). Aus dem oben Gesagten geht
hervor,
daß von Aurelian
bis zu den Slawen
(275-600) auf dem Gebiet des alten Dakiens eine zahlreiche latinophone
und
christliche romanische Bevölkerung lebte, die den ununterbrochenen demographischen Faktor und die Grundlage der geschichtlichen Prozesse bildetc77). Sie unt e r h i e l t ständig enge Verbindungen zur Romanität südlich der Donau, auf die ihr ganzes wirtschaftliches und kulturpolitisches Leben gerichtet war. In den l e t z ten Jahrzehnten machten die archäologischen Forschungen in Rumänien beachtliche
Fortschritte
und verdreifachten fast den alten sicheren
dokumentierten
Bestand, wodurch besser bewiesen werden konnte, daß die Romanität
nördlich
der Donau Ende des 6. Jahrhunderts, als die Symbiose mit den Slawen begann, vollkommen ausgeprägt, ausgedehnt und k r ä f t i g war.
H. Mihäescu, La langue latine dans le sud-est de l'Europe (Bukarest-Paris 1978); I. Fischer, Latina dunäreanä (Bukarest 1985); v g l . auch A n m . 72. Weil im Rahmen dieses Kolloquiums eine spezielle M i t t e i l u n g hinsichtlich der germanischen Wandervölker auf dem Gebiete Dakiens p r o g r a m m i e r t war, befaßten wir uns im v o r l i e g e n den B e i t r a g ausschließlich m i t der bodenständigen Bevölkerung. H i n s i c h t l i c h der A n w e s e n heit der G o t e n , T a i f a l e n und Gepiden in Dakien (4.-7. Jahrhundert) nebst der bodenständigen dakisch-römischen Bevölkerung verweisen wir auf folgende selektierte B i b l i o g r a p h i e : A. Odobesco, Le tresor de Petrossa (Paris 1889-1900); J . Hampel, A l t e r t h ü m e r des f r ü h e n M i t t e l a l t e r s in Ungarn 1-3 (Braunschweig 1905) Band 2, 39-43; Band 3, 21-25; '• Nestor i n : Istoria Uomäniei 1, i 9 6 0 , 682-694; K. Horcdt ebd. 704-714; ders., Untersuchungen ( A n m . 38) 7 1 - 1 1 1 ; ders., Morcs,ti. Grabungen in einer vor- und frühgeschichtlichcn Siedlung in Siebenbürgen (Bukarest 1979) 72-220; der., Sieb. Sp. ( A n m . 2) 104-162; G. Uiaconu, Stud. C e r c . Ist. Veche 15,4, 1964, 4 6 7 - 4 8 1 ; ders., Tfrgsor. Necropola diu secolele lll-IV (Bukarest 1965); ders., Mogos^ani. Necropola diu secolul IV e. n. (Tfrgovis,te 1970); B. M i t r c a u. C . Preda, Necropolele diu secolul al lV-lea fii Muntenia (Bukarest 1967); K. Horedt u. ü . Protase, Germania 48, 1970, 1-2, 85-98 u. 50, 1972, 1-2, 174-220; S. Dumitras,cu, Tezaurul de la Täuteni (üradea 1973); D. Popescu, Dacia N. S. 18, 1974, 189-238; K. Harhoiu: A . ü d o b e s cu, Upere 4, 1976, 1011-1053.
Bemerkungen zur Kontinuität der römischen Provinzialbevölkerung in Transdanubien (Nordpannonien) * Endre Töth, Budapest Vor einigen Jahrzehnten rechneten wir die Auflösung der Römerherrschaft und ihres Verwaltungswesens in Pannonien noch vom Ende des vierten Jahrhunderts an 1 '. Dies hatte vor allem zwei Ursachen: Erstens waren die spätrömischen Funde, die Keramik und die Trachtzubehöre innerhalb des vierten Jahrhunderts nicht näher datierbar, zweitens waren die um das Jahr 360, nach dem valentinianischen Münzumlaufmaximum geprägten Münzen nur in geringer Zahl zum Vorschein gekommen. Aus dem vermuteten Fehlen der römischen Gegenstände wurde auf das Erlöschen des römischen Lebens geschlossen. Seitdem stellte sich aber heraus, daß der Rückgang des Münzumlaufes eine im ganzen Römerreich beobachtete, allgemeine Erscheinung ist, und nach den gründlichen Bearbeitungen wurden auch die spätrömischen Funde genauer datierbar. Grabungsergebnisse der letzten Jahre führten eindeutig zu der Erkenntnis, daß die Römer in den letzten Jahrzehnten des vierten und aller Wahrscheinlichkeit nach auch zu Beginn des fünften Jahrhunderts die Provinz gut organisiert in den Händen hielten und auch ihre Verwaltung funktionierte. Genauer ist zu sagen, sie funktionierte nicht schlechter als in den anderen Regionen des Reiches. Die großangelegte Bautätigkeit im ausgehenden vierten Jahrhundert wies sowohl auf militärischem als auch auf zivilem Gebiet keinesfalls auf eine zerfallene sondern im Gegenteil auf eine in ihrer vollen Kraft befindliche Provinz hin. Zwischen 375380 wurden die inneren, mächtigen Befestigungen der Provinz in gut organisierter Arbeit neu gebaut (Abb. 1). Nach dem Ausmaße dieser Tätigkeit dürfte zuvor im zweiten Jahrhundert eine ähnliche Arbeit im Gange gewesen sein, als die Lager am Limes in Stein umgebaut wurden 2 '. Ferner wurden die Wohngebäude der Befestigungen mit einem größeren Luxus als bisher, mit Mosaiken und Wandgemälden, fallweise mit Anwendung von Mosaikwürfeln mit Glas- und Goldunterlage, ausgestaltet3>. Die einzelnen Limeslager wurden umgebaut. Die
* Die Phototafel 31 befindet sich am Ende des Uandcs. l ' Vgl. A. Möcsy, Pannonia. KE Suppl. IX 582. E. Töth, Zur Chronologie der militärischen Bautätigkeiten des 4. Jh. in Pannonien. Mitt. Arch. Inst. Ungar. Akad.Wiss. 14, 1985, I2iff. E. Töth, Sägvar, in: Archäologische Forschungen im Jahre 1979. Arch. £rt. 107, 1980, 244; ders. a.a.O. (Anm. 2).
252
Endre Töth
Verringerung der geschriebenen Quellen - auch die Steininschriften mit einbegriffen - und der verminderte MUnzumlauf bedeuten also noch nicht den Zerfall der Römermacht und ihres Verwaltungswesens. Hierzu ist es erst Jahrzehnte
A b b . i . Pannonia Prima und V a l e r i a . G e s t r i c h e l t e Linie bezeichnet die römischen Stralien. Die Namen der Biniienfestungen sind u n t e r s t r i c h e n .
Bemerkungen zur K o n t i n u i t ä t der römischen P r o v i n z i a l b e v ö l k e r u n g in Transdanubien
später,
in den dreißiger
Jahren des f ü n f t e n Jahrhunderts seit dem
253
ständigen
A u f e n t h a l t der Hunnen gekommen. Aber auch dies betraf vor a l l e m Osttransdanubien, in der Provinz Valeria4). Zusammenfassend kann also gesagt werden: Die Forscher beurteilen heute posit i v e r als früher das Zurückbleiben der römischen Provinzialbevölkerung und ihr Weiterleben, auch wenn wir wissen, daß noch viele archäologische Erschließungen zur E r m i t t l u n g von Einzelheiten benötigt werden. Vor allem die glückliche Entdeckung der t i e f in das f ü n f t e Jahrhundert hineinreichenden, spätrömischen Gräberfelder
von Tokod und Csäkvär
f ö r d e r t e n die
Änderung der A n s i c h t 5 \ In unseren früheren, hier an verschiedenen Stellen z i t i e r t e n Studien haben wir die Daten zusammengefaßt, die für das massenhafte Verbleiben der Provinzialbevölkerung im Gebiet der einstigen Provinz Pannonien sprechen. Den Siedlungs- und den Wassernamen nach t r i f f t dies vor allem für Südpannonien zwischen der Drau und der Save sowie für Westtransdanubien z u ^ ' . Ein Großteil der spätrömischen Gegenstände und der zu der weiterlebenden Bevölkerung zuweisbaren archäologischen Funde ist heute immer noch ungenau dad i e r t , und dies erschwert die Untersuchung. Wir haben nachgewiesen, daß bei der Forschung des hier Funde
eine große
Hilfe
interessierten römischen Weiterlebens die christlichen leisten7', weil
einerseits
bis
zum Ende des v i e r t e n
Jahrhunderts ein großer Teil der Provinzialbevölkerung schon c h r i s t l i c h e n G l a u bens war und nach dem Z e r f a l l der römischen Verwaltung den k i r c h l i c h e n Organisationen, den Bistümern, bei der Bewahrung der provinzialen eine
besonders
christlichen
wichtige
Charakters,
Rolle zugefallen ist. Andererseits die
liturgischen
wie
auch
die
Gemeinschaften
können die
Funde
Trachtzubehöre,
die
christlichen Symbole oder die anderen Gegenstandstypen verhältnismäßig gut dat i e r t werden. Wir haben aber auch darauf hingewiesen, daß für die Frage nach
4
Siehe A n m . 1.
••
V. Länyi in: Die spätrömischc Festung und das G r ä b e r f e l d von Tokod (1981) 1 6 9 Ü . ; L. Uarköczi u. A. Salamon, Tendenzen der s t r u k t u r e l l e n und o r g a n i s a t o r i s c h e n Änderungen pannonischer Siedlungen im 5. Jahrhundert. Alba Regia 2 1 , 1984, 183t.; G. N ä d o r f i , Csäkvär, i n : Archäologische Forschungen im Jahre 1979. A r c h . E r t . 110, 1983, 295. E. T ö t h , La survivance de la population romaine en Pannonie. Alba Regia 5, 1976, 1 0 7 Ü . ; ders., Vigilius episcopus Scaravaciensis. A c t a A r c h . H u n g . 26, 1974, 2 6 9 Ü . ; ders., Zur G e schichte des nordpannonischen Raumes im 5. und 6. J a h r h u n d e r t , i n : H. W o l f r a m u. F. Da i m (Hrsg.), Die Völker an der m i t t l e r e n und unteren Donau im f ü n f t e n und sechsten J a h r h u n d e r t . Österr. A k a d . Wiss., P h i l . - H i s t . K l . , Denkschr. 145 (1980) g}tl.
'
Ebd.; ders., Druck).
Dacia
römai
tartomäny
(Römische
Provinz
Dacia).
Erdely
törtenete
1 (im
254
Endrc Töth
dem Weiterleben nicht alle mit einzelnen christlichen Symbolen verzierten Gebrauchs- und Trachtzubehöre von Belang sind, da diese ja bloß von einzelnen Christen berichten. Sie könnten ja auch von den neuen Landnehmern von einzelnen in Diasporen lebenden Christen oder verschleppten Personen benutzt worden sein. Es fällt vor allem denjenigen christlichen Funden eine Bedeutung zu, die das Weiterbestehen der spätrömischen provinzialchristlichen Kirchengemeinden beweisen. Die bisherigen Untersuchungen beziehen sich hauptsächlich auf die Frühphase der Völkerwanderungszeit, von der Ansiedlung der Hunnen in Pannonien bis zum Auszug der Langobarden nach Italien. Im Gebiet der einstigen Provinz ließen sich zu dieser Zeit die verschiedenen gentes nicht dauerhaft nieder, sondern nur einige Jahrzehnte lang, dann zogen sie weiter. Ein charakteristischer Zug der neuen Ansiedlungen war auch, daß man ganz Pannonien, genauer seinen Teil nördlich der Drau, nicht zusammenhängend besetzt hat. Deshalb dürfte die provinziale Restbevölkerung in geschlossenen Blöcken weitergelebt haben, vor allem in Westtransdanubien. Zu einer Änderung ist es erst nach der Besetzung des Gebietes durch die Awaren gekommen. Unser Bericht befaßt sich daher mit der Untersuchung der bislang weniger berücksichtigten Daten, die den Fortbestand der Provinzialbevölkerung auch in der Awarenzeit beweisen. Vom Jahre 568 an, als die Langobarden nach Italien zogen, besetzten die Awaren vom Osten her etappenweise Transdanubien°>. Zuerst ließen sie sich in größeren Mengen in seinem östlichen Teil nieder; in Westtransdanubien sind keine frühawarischen Funde zum Vorschein gekommen9). Die dortige Restbevölkerung dürfte an den alten Wohnsitzen weitergelebt haben. Nach der Besetzung versiegen daraufhin für eine gute Zeit völlig die sich auf das Christentum Pannoniens beziehenden Quellenangaben. Hingegen nehmen die Funde mit christlichen Elementen zu. Sie kommen im Gebiet der sogenannten Keszthely-Kultur, in der Umgebung von Keszthely und Pecs zum Vorschein. Ihr größter Teil besteht aus Trachtzubehören, hauptsächlich aus büchsenförmigen Scheibenfibeln, deren mittlerer Teil mit religiösen Darstellungen verziert ist 1 0 ). Unter 8) I. Kovrig, Das awarenzeitliche Gräberfeld von Alattyän. Arch. Hung. 40, 1963, 228. Dies., Contribution au probleme de l'occupation de la Hongrie par les Avars. Acta Arch. Hung. 6, 1955, 177. A. Alföldi, Der Untergang der Römerherrschaft in Pannonien (1924) Taf. 6; ders., Zur historischen Uestimmung der Avarenfunde. Eurasia Septentrionalis Antiqua 9, 1934, 283tf.
Bemerkungen zur K o n t i n u i t ä t der römischen P r o v i n z i a l b e b ö l k e r u n g in Transdanubien
den Darstellungen befinden sich nicht nur aus dem Gebiet des
255
Oströmischen
Reiches stammende Figuren wie der heraldische Pfau oder das Taubenpaar, die ein beliebtes Ziermotiv der byzantinischen Ohrgehänge waren. Sie könnten in Mode gekommene Schmuckgegenstände sein und müssen deshalb nicht unbedingt das Christentum ihrer Träger beweisen. Andere Fibeln werden durch die A b bildung der kreuzbewachenden Engel, biblische Szenen wie die Auferstehung des Lazarus, die symbolische Darstellung der in den H i m m e l emporsteigenden Seele oder durch eine aus der spätrömischen kaiserlichen Symbolik stammende stellung eines berittenen Heiligen (Christus ?) v e r z i e r t (Taf. 3 1 )
11
Dar-
) . Aus awa-
renzeitlichen Frauengräbern kommen auch byzantinische oder nach deren Vorbild kopierte Edelmetallkreuze in stattlicher Zahl zum Vorschein. Diese Funde lassen sich bis um etwa 700 n. Chr. datieren. Ihre Zusammenstellung und Auswertung ist bisher noch nicht e r f o l g t , und es läßt sich über sie vorerst nur soviel sagen, daß, nach ihrer großen Zahl zu schließen, C h r i s t e n in b e t r ä c h t l i c h e r Zahl auch unter einiger nubien
awarischer
byzantinischer 12
Herrschaft
Kreuze
gelebt
haben
müssen.
ist das Verbreitungsgebiet
Mit
Ausnahme
der Funde Transda-
).
Diese Funde sind für sich genommen aber t r o t z ihrer H ä u f i g k e i t noch kein Beweis für das Fortbestehen von christlichen Gemeinschaften; sie sprechen v i e l mehr
zunächst
nur
vom
Christentum
ihrer
Träger, also über
Einzelchristen.
Nach der detaillierten Bearbeitung der Gegenstände w i r d es aber
hoffentlich
möglich sein, auch weitere Schlüsse zu ziehen. Die in ethnisch geschlossenen Gruppen weiterlebende Provinzialbevölkerung können wir
nur auf
Grund jener
Funde belegen, die zugleich auch organisierte Kirchengemeinschaften und den Fortbestand eines Klerus beweisen. Wir müssen untersuchen, ob nach der a w a r i schen Eroberung solche Daten zur Verfügung stehen. Die in den besetzten oder unter awarischer Oberhoheit stehenden Gebiete m i t A w a r e n in Gemeinschaft l e benden
Einzelchristen
können
als
Träger
der
Scheibenfibeln
nämlich
auch
Flüchtlinge, Verschleppte sein oder den Z e r f a l l der provinzialen Gemeinschaften,
L. Harköczi, Das Gräberfeld von Keszthely-Fenekpuszta aus dem 6. Jahrhundert und die f r ü h m i t t e l a l t e r l i c h e n ßevölkerungsverhältnisse am P l a t t e n s e e . Jahrb. P G Z M 18, 1971, T a f . 75; 8 0 - 8 1 : 87; L. Papp, Das a v a r e n z e i t l i c h e G r ä b e r f e l d von Nagyharsäny. A Janus Pannonius Müzeum Evkönyve 8, 1963, Taf. 2 0 - 2 1 . I. ßöna, Ein Viertcljahrhundert der Völkerwanderungszeitforschung A c t a A r c h . Hung. 23, 1971, 293.
in Ungarn (1945-1969).
256
Endre Töth
ihre Verschmelzung mit dem Awarentum anzeigen. Sie können also auch für die ethnische Vernichtung der spätrömischen Provinzialen einen Beleg liefern. Früher publizierte ich ein Altarfragment, das in der Mitte Transdanubiens, nördlich vom Balaton zum Vorschein kam 1 3). Seine Verzierung steht mit der ravennatischen Steinbearbeitung in Verwandtschaft, genauer mit der Verzierung des Ambotyps, dessen schönste und bekannteste Exemplare unter der Amtszeit der Erzbischöfe Marinianus und Agnellus gemeißelt wurden. Das transdanubische Fragment datierte ich zwischen 550-650. Die Steinbearbeitung setzt das Vorhandensein einer Kirche und damit zusammenhängend die Existenz einer christlichen Gemeinschaft voraus. Zur Zeit untersuche ich ein weiteres Baudenkmal und eine Quellenangabe, die gleichfalls das Bestehen von christlichen Gemeinschaften im sechsten bis zum siebten Jahrhundert beweisen. Das Bauobjekt ist eine christliche Kirche, die in Fenekpuszta erschlossen wurde, die andere Quelle ist das Protokoll einer von Pippin im Jahre 796 an der Donau zusammengerufenen bischöflichen Beratung; von ihnen soll im folgenden die Rede sein. Beim Westende des Balaton wurde im vierten Jahrhundert eine großangelegte, quadratische Festung erbaut, die die militärische Nachschubbasis und der Stützpunkt für das bewegliche Heer (comitatenses) war (Abb. 2) J 4). Die Festung wurde am Ende einer von Norden nach Süden reichenden Landzunge einer Halbinsel errichtet. Von Osten, Süden und Westen her war sie im Frühmittelalter vom großen Wasserbereich des Balaton begrenzt. Von Norden wurde die Landzunge von der Außenwelt von einem heute noch undatierten Erdwall abgesperrt. Wegen der geographischen Situation war der Bereich der Festung als Refugium außerordentlich geeignet. Diesem Umstand ist zu verdanken, daß das Gebiet bis zum neunten Jahrhundert kontinuierlich bewohnt war. So wichtig auch diese Halbinsel von historischem Gesichtspunkt ist, so unglücklich verlief ihre archäologische Erforschung. Schon seit langem wurde man auf dieses Gebiet aufmerksam, und die umliegenden Gräberfelder hat man bereits am Ende des vorigen Jahrhunderts erschlossen. Das nur in einzelnen Fällen nach Grabkomplexen zusammengehaltene, mächtige Fundmaterial (es wurden mehrere
^
E. Töth, Korabizänci köfaragväny Fclsödörgicscröl (An Early liyzantinc stone scnlpturc from Felsödörgicse). Folia Arch. 25, 1974, i6iff. K. Bakay, N. Kalicz u. K. Sägi, Veszprem megye regeszeti topogräfiäja (Die archäologische Topographie des Komitates Veszprem). Magyarorszäg regeszeti topogräfiäja 1 (1966) 81; E. Töth a.a.O. (Anm. 2).
Bemerkungen zur K o n t i n u i t ä t der römischen Provinzialbevölkerung in Transdanubien
257
tausend Gräber freigelegt) läßt sich heute nur schwer auswerten. In den Gräberfeldern ließen sich einerseits Römer, andererseits eine spätantike, christliche Einflüsse der Keszthely-Kultur aufweisende und eigentümliche awarenzeitliche Bevölkerung bestatten. Unter
den
vielen
kleineren
oder
größeren, hauptsächlich im Dienste der
Wirtschaft gestanden habenden Bauten der Festung wurde auch eine nach Osten
50
Abb. 2. Spätrömisclie Festung von K c s z t h e l y - F e n e k p u s z t a .
100m
258
Endre Töth
Abb. 3. Frühmittelalterliche Basilika in der Festung von Keszthely-Fenekpuszta.
gerichtete, dreischiffige Kirche mit Apsis ergraben (Abb. 3). Leider kann die Geschichte des früh erschlossenen und später von neuem untersuchten Gebäude: wegen der wortkargen Grabungsbeobachtungen kaum genau geschrieben werden1 5). Das Gebäude wurde für eine altchristliche Basilika aus dem vierten Jahrhundert bestimmt; man hat es auch später in seiner ursprünglichen Funktion
K. Sägi, Die zweite altchristliche Basilika von Fenekpuszta. Acta Antiqua Budapest 9, 1961, 397fr.
Bemerkungen zur Kontinuität der römischen Provinzialbevölkerung in Transdanubien
259
benutzt. Die kirchliche Funktion liegt bei dem beschriebenen Grundriß auch außer Zweifel, die Datierung aber ist falsch. Da uns brauchbare Grabungsangaben kaum zur Verfügung stehen, können wir uns bei der Datierung nur auf die Baugeschichte der Festung und den Grundriß selbst stützen. Es läßt sich nicht bezweifeln, daß die Kirche an der Stelle eines früheren, viereckigen Gebäudes mit geteiltem Innenraum durch dessen Umbau gestaltet wurde. Angesichts der Tatsache, daß die Innengebäude der Festung mit diesem viereckigen Gebäude zur gleichen Zeit gebaut wurden, erhalten wir einen gewissen terminus post quem für die Kirche. Die ersten Publikationen hielten die Kirche mit der Festung für gleichzeitig, also für römerzeitlich; damals konnte man die Bauzeit der Festung noch nicht genau bestimmen. Sie wurde bis unlängst in den Zeitraum zwischen dem Ende des dritten bis zu den 70er Jahren des vierten Jahrhunderts datiert1**), weil die Festung von Fenekpuszta den Typ dieser Zeit v e r t r i t t ^ ) . In der Provinz Valeria sind uns mit ähnlicher geographischer Lage, gleichem Grundriß und gleicher Funktion noch drei solche Festungen bekannt (Abb. 4). Von diesen konnte mit Hilfe der Grabungsergebnisse in den Festungen von Sägvär und Alsöheteny sowie durch die zuletzt durchgeführten Ausgrabungen in Fenekpuszta zweifellos folgendes festgestellt werden: Die Festung von Fenekpuszta wurde nicht im zweiten Viertel des vierten Jahrhunderts wie die übrigen Nachschubbasen erbaut, sondern zu einer Zeit, als die erstgenannten Festungen umgebaut wurden. Zum Umbau kam es nach dem quadisch-sarmatischen Einfall und Krieg des Jahres 374, also aller Wahrscheinlichkeit nach zwischen 375-380^). Aus dem Baubefund der Festung folgt, daß die Kirche nicht mit der Festung gleichzeitig entstehen konnte. Sie kann auch nicht römerzeitlich sein, da das der Kirche vorangehende Gebäude mit der Festung gleichaltrig ist. Genauer gesagt: Der Bau der Festung vermittelt einen terminus post quem bei der Bestimmung des Kirchenbaues.
K. Sägi, La colonie romaine de Fenekpuszta et la zone interieure des forteresses. Acta Arch. Hung. 1, 1951, 89L; ders., Die zweite altchristliche Basilika von Fenekpuszta. Acta Antiqua Budapest 9, 1961, 402; ders., Das Problem der pannonischen Pomanisation im Spiegel der völkerwanderungszeitlichen Geschichte von Fenekpuszta. Acta Antiqua et Arch. 18, 1970, 151. 17)
'
l8)
E. Töth, Pannonia törtenetenek problemäi (Die Probleme der Geschichte Pannoniens). Antik Tanulmänyok 23, 1976, 114; ders. a.a.O. (Anm. 2). Ebd.
2Ö0
Endre Totti
Abb. 4. Festung von Alsöheteny: I Had; l i , I I I , IV Wirtschaftsgebäude; VI Kaserne.
Die Untersuchung des Kirchengrundrisses bestätigt dessen Datierung in die Römerzeit. Die Kirche ist ziemlich groß, 27 m lang und 17 m breit. Die Außenmauern vom Ausmaß einer Basilika werden durch Strebepfeiler gegliedert. Den Innenraum teilen zwei Säulenreihen in drei Schiffe. Ein jedes Schiff schließt im Osten mit einer halbrunden Apsis ab. Der Eingang des Gebäudes führt an der westlichen Fassade in das Hauptschiff. Die dreischiffige und mit drei Apsiden schließende Anordnung weist auf einen einheitlichen Bau hin. Die Grundrißcharakteristika der altchristlichen und spätantiken Kirchen des m i t t l e r e n Donaugebietes untermauern die Folgerung, daß die beschriebene Kirche weder im vier-
Bemerkungen zur K o n t i n u i t ä t der römischen Provinzialbevölkerung in Transdanubien
2Ö1
ten noch im fünften Jahrhundert entstanden sein konnte1??). Im transdanubischen Teil Pannoniens ist uns - mit Ausnahme von Friedhofskapellen - nur ein einziges eindeutig als altchristliche Gemeinschaftskirche bestimmtes Gebäude in Aquincum bekannt. Dies ist eine Saalkirche mit geradem Abschluß 2 0 '. Im südlichen Teil der Provinz, südlich von der Drau, finden sich ebenfalls keine Gebäude mit ähnlichem Grundriß 2 1 ). Auch in den benachbarten Provinzen Noricum oder D a l matia
wurden keine
solchen
Bauten erschlossen 2 2 '. Der Gebäudetyp
stammt
demzufolge aus einer späteren Z e i t . Aus Istria und Raetia sind diese d r e i s c h i f f i gen Kirchen mit drei Apsiden w o h l b e k a n n t ^ ) . Ihre Bauzeit ist das sechste bis siebte Jahrhundert. Deshalb müssen wir den Bau der Kirche von Fenekpuszta gleichfalls in diese Zeit setzen. Diese Datierung ist bei der Untersuchung des Weiterlebens der spätrömischen Bevölkerung von weitreichender Konsequenz. Die mächtige Kirche beweist das Vorhandensein
einer großen christlichen Gemeinschaft. Wir können also nicht
nur auf Christen schließen, die unter den Awaren gelebt haben, sondern auch auf eine im Bereich von Fenekpuszta existierende vielköpfige christliche Bevölkerung. Außerdem beweist das Vorhandensein einer christlichen Organisation auch die Tatsache, daß die Gemeinschaft unter der Führung ihrer Priester gelebt hat. Schließlich ist es besonders w i c h t i g , daß die Kirche gerade in jenem Gebiet gestanden hat, wo die Forschung auf Grund der übrigen Funde aus dem sechsten bis siebten Jahrhundert mit dem Vorhandensein einer christlichen Bevölkerung spätantiker Herkunft rechnet. Vom Ende des siebten Jahrhunderts und aus dem achten Jahrhundert berichten die westlichen Quellen kaum etwas über die Bevölkerung Transdanubiens, noch
Vgl. R. Egger, F r ü h c h r i s t l i c h e Kirchenbauten im sudlichen N o r i k u m . Sonderschr. Ü s t e r r . Inst. 9 (1916); G. C. Menis, La basilica palcocristiana nelle diocesi s e t t e n t r i o n a l i della m e t r o p o l i d ' A q u i l e i a . Studi di a n t i c h i t ä Christians 24 (1958). L. Nagy, Az aquineumi ökeresztcnyseg iijabb emlckei (Neue Denkmäler des Christentums aus Aquincum). A r c h . E r t . 67, 1940, 252; K. Gamber, Domus ecclesiae. Studi p a t r i s t i c a e t l i t u r g i c a 2, 1968, 26. J . Klemenc, StarokrSäanska svetiSäa v Sloveniji ( A l t c h r i s t l i c h e Heiligtümer A r h . Vestnik 18, 1967, n i f f .
in Slowenien).
V. Pas'kvalin, Prilog d a t i r a n j u ranokrs'canskih bazilika liosne i Hcrcegovine (Une c o n t r i b u t i o n ä la d a t a t i o n des basiliques paleochrctiennes en Bosnic et Herzegovine. A d r i a t i c a l Fests c h r i f t G. Novak ] (1970) 667tf.; D. Basler, A r h i t e k t u r a kasnoantiCkog doba u Bosni i Hercegovini (o.J.). B. MaruJic, Monumenti istriani d e l l ' a r c h i t e t t u r a sacrale altomedioevale con le absidi i n s c r i t t e . A r h . Vestnik 23, 1972, 266ff.; H. R. Sennhauser, Spätantike und f r ü h m i t t e l a l t e r l i c h e K i r c h e n C h u r r ä t i c n s . In: J . Werner u. E. Ewig (Hrsg.), Von der Spätantike zum frühen M i t t e l a l t e r . Vorträge u. Forsch. 25 (1979) 209.
262
Endre Töth
weniger über dort lebende Christen. Im ausgehenden achten Jahrhundert tauchen sie aber mit ihren Gemeinschaften wieder in beträchtlicher Zahl auf, diesmal zum letzten Mal. Der Sohn Karls des Großen, der italische König Pippin, führte 796 einen Feldzug gegen die Awaren 2 4). Die mit dem Heer ziehenden kirchlichen Personen haben in einem Lager an der Donau dem ideellen Zweck des Krieges
entsprechend
über die Bekehrung des neu unterworfenen, nicht näher benannten Volkes eine Beratung
abgehalten^),
genauer
gesagt, es wurde das wesentliche
Moment
dieser A k t i o n , die Durchführung der Taufen, besprochen. Auch die Zeit und die Form der Taufen hat man e r ö r t e r t . Die diesbezüglichen Besprechungen hat der glücklicherweise erhalten gebliebene dictatus des Heiligen Paulinus, des Erzbischofs und Metropoliten von Aquileia
bewahrt. Diese Schrift
ist außer einem
über den Feldzug berichtenden Vers die ausführlichste, authentischste, von A u genzeugen stammende und zweifelsohne an Ort und Stelle entstandene, w e r t v o l le Quelle über die awarisch-fränkischen
Kriege und trägt zur Erkenntnis der
religiösen Verhältnisse der Bevölkerung des f r ü h m i t t e l a l t e r l i c h e n Transdanubiens in hohem Maße bei. Die Bearbeitung dieser Quelle haben wir in allen Einzelheiten eingehend
in der
nahen Vergangenheit
beendet 2 ^). Hier
möchte ich nur
diejenigen Ergebnisse der Bearbeitung bekanntgeben, die für den Gesichtspunkt vom Weiterleben der Provinzialbevölkerung von Belang sind. Während der Besprechung wurde über den Zeitpunkt der Taufe und den dieser vorangehenden Untersuchung beraten; diesbezüglich können wir folgende Einzelheiten am Ende des dictatus lesen: "Über diejenigen aber, von denen sich erwiesen hat, daß sie von Priestern dieses Gebietes bereits im Namen der Heiligen D r e i f a l t i g k e i t getauft wurden, ... haben wir einen solchen Beschluß gefaßt, daß es nicht nötig ist, sie noch einmal taufen zu lassen." Sodann: "Im Falle derjenigen, die von den Klerikern Priester
getauft
wurden, jedoch das Wasser dennoch ein
im Namen der Heiligen D r e i f a l t i g k e i t gesegnet hat, ... halten wir es
nicht für r i c h t i g , daß sie sich noch einmal taufen lassen." Schließlich: "von de-
4
J . Deer, Karl der Große und der Untergang des Awarenreiches. In: H. Ueumann (Hrsg.), Karl der Große 1, 1965, 71 g£f.; P. Csendes, Zu den Awarenkriegen unter Karl dem Großen. Unsere Heimat 4 1 , 1970, 93-107; P. Väczy, Der fränkische K r i e g und das Volk der A w a r e n . Acta Antiqua 20, 1972, 395-420.
-*
Monumenta Germaniae H i s t o r i c a . Concil I I : 1 Nr. 20. E. Töth u. L. Veszpremi, Die A w a r e n k r i e g e des Franken und Conventus ad ripam (Manuskript im Druck).
Danubii
Bemerkungen zur Kontinuität der römischen Provinzialbevölkerung in Transdanubien
nen es bekannt geworden ist, daß sie von ungebildeten Klerikern getauft wurden" - und die formellen Vorschriften auch nicht entsprechend waren - "die müssen sich noch einmal einwandfrei taufen lassen". Aus dem dictatus erfahren wir also, daß im neu eroberten Gebiet, durch welches Pippin gezogen ist, außer den Heiden, der gens bruta, in beträchtlicher Zahl auch Christen gelebt haben. Die Christen hatten ihre Sacerdoten und Kleriker. Es wurde untersucht, wie genau diese Priester die Taufen durchführten, deren Zeremonie gerade in der Karolingerzeit einer strengen Ordnung unterlag. Bei einzelnen Gruppen fand man die Form der Taufe für annehmbar, bei anderen wurde ihre Gültigkeit bezweifelt und die Taufe deshalb wiederholt. Es fragt sich, wer diese Christen waren. Nichts weist darauf hin, daß im siebten bis achten Jahrhundert eine Missionierung in Transdanubien vor sich gegangen wäre. Die bayrische Mission bekehrte in Karantania die Slawen und stützte sich auf die dort lebende christliche Bevölkerung2?). Diese Christen waren die Abkömmlinge der Provinzialen. Die Bekehrung der Awaren stand zwar zweifellos im angelsächsischen Missionsprogramm 2 °', jedoch haben wir keine Beweise dafür, daß es tatsächlich zur Mission gekommen wäre. Die hagiographischen Quellen berichten ja gerade von den nicht erfüllten Bekehrungsplänen29). Östlich der Enns, in dem unter awarischer Oberhoheit stehenden Gebiet, kam es nicht zu Bekehrungen. Infolgedessen kann das in seinen Zeremonien bis zu einem gewissen Grade "wilde", jedoch weder Ketzern noch Sektierern zuweisbare Christentum nicht als Ergebnis der völkerwanderungszeitlichen Mission betrachtet werden. Im fünften bis sechsten Jahrhundert wurden in die einst zum Römerreich gehörenden, mitteleuropäischen Gebiete bzw. abgefallenen einstigen Reichsteile keine Priester zur seelsorgerischen Betreuung der Bevölkerung oder zur Fühlungnahme entsandt. Die christliche Restbevölkerung Pannoniens wurde immer mehr in ihrer Organisation und ihren Zeremonien vom christlichen Stammgebiet losgetrennt. Wenn also 796 die mit dem Heer des Pippin angekommenen geistlichen Personen in Transdanubien Christen antrafen, deren Taufe Probleme verursachte, so
27)
Vgl. H.-D. Kahl, Zwischen Aquileia und Salzburg. Denkschr. Akad. Wien 145, 1980, 33. 28) 9
W. H. Fritze, Slawen und Awaren im angelsächsischen Missionsprogramm. Zeitschr. slawische Philol. 32, 1965, 231-251. Arbeo. F. Bischoif (Hrsg.), Vita S. Haimhrammi 3.
264
Endre Tötli
durften diese in großer Zahl vorhanden und lediglich die Abkömmlinge der spätrömischen Christen ihres Wohngebietes gewesen sein. Sie bewahrten ihren christlichen Glauben auch inmitten der Stürme der Völkerwanderungszeit. Es muß die Frage gestellt werden, ob die transdanubischen Christen des achten Jahrhunderts ethnisch noch als Römer, also als die Ethnizität der Provinzialbevölkerung bewahrende Personen anzusehen sind. Eine Antwort können wir vielleicht nach weiteren archäologischen Erschließungen geben. Von den Jahren um 700 an hören die christlichen Funde auf und christliche Einwohner können in den spätawarischen Gräberfeldern nicht mehr nachgewiesen werden. Die besprochene Urkunde der Beratung aus dem Jahre 798 belegt aber ihr Dasein zweifellos. Wahrscheinlich haben sich diese Volksgruppen mit den Awaren bzw. mit anderen awarenzeitlichen Restbevölkerungsgruppen schon stark vermischt. Zu diesen dürften mit den Awaren in das Karpatenbecken verschlagene Gruppierugen sowie die durch das Eindringen der Slawen aus der Provinz Dalmatia nach Norden ziehenden Abkömmlinge von Provinzialen gehört haben. Wir können also feststellen: Im nördlich von der Drau liegenden Raum Pannoniens überlebte eine provinzialrömische Bevölkerung die Frühphase der Völkerwanderungszeit, die zeitweilige Niederlassung der Hunnen, Goten und Langobarden in beträchtlicher Zahl. Ein Teil der Provinzialen flüchtete zu Beginn des fünften Jahrhunderts aus der Provinz, jedoch bedeutende Mengen von ihnen blieben zurück. Die geographischen Namen sind vor allem in Westtransdanubien erhalten geblieben, und in diesem Raum kann das stärkste Weiterleben vorausgesetzt werden3°>. In Anbetracht des Fehlens der schriftlichen Angaben kann in Osttransdanubien das Bestehen bzw. Verschwinden der geographischen Namen nicht verfolgt werden. Jedenfalls scheint es, daß die Abkömmlinge der Provinzialen vor allem in Westtransdanubien auch das achte Jahrhundert erlebt haben, obwohl es fraglich ist, inwieweit diese Bevölkerung ethnisch als Romani betrachtet werden kann.
E. Töth, La survivance de la population romaine en Pannonic. Alba Rcyia 15, 1976, 107Ü.
Das Weiterleben der Spätantike bis zum Auftauchen der Slawen in Slowenien * Slavko Ciglene£ki, Ljubljana Das Geschehen im Raum Sloweniens zur Zeit des Übergangs von der Spätantike in das Mittelalter ist außerordentlich komplex. Die Ursache dafür ist vor allem das exponierte Territorium in der schmalen Zone zwischen den Alpen und der Adria, das leichten Zugang zu Italien gewährte und deshalb Zeuge zahlreicher Durchzüge und wechselhafter Ereignisse wurde. Auch administrativ war es in mehrere Einheiten aufgeteilt. Nach Diokletians Reformen gehörte der Westteil zu Venetien, der Nordostteil zum Inneren Norikum, der Ost- und Südostteil zur Provinz Pannonia prima, zu Pannonia Savia und zu Dalmatien. Der hier vorgelegte Überblick wird zeitlich den Abschnitt vom Ende des 4. bis zum Ende des 6. Jahrhunderts in sich einschließen (Abb. 1), eine Zeitspanne, deren Siedlungsstruktur ein gänzlich anderes Bild bietet als der vorangegangene Zeitabschnitt, obwohl namentlich im Kleinmaterial noch weiterhin eine starke Tradition wahrzunehmen ist 1 '. Für die zweite Hälfte des 4. Jahrhunderts zeichnet sich in den bisher bekannten Funden und freigelegten Komplexen ein buntes Bild ab. Die Mehrzahl der Niederungsposten, Städte, Landvillen, Straßenstationen, der kleineren ruralcn Siedlungen, wie auch der Befestigungsanlagen und einiger Fliehburgen besteht nach wie vor. Nach einigen Wandlungen, die sich in der zweiten Hälfte des 3. Jahrhunderts feststellen lassen, kam es abermals zur Normalisierung des Lebens 2 '. An mehreren Orten bemerken wir den Ausbau neuer Komplexe (Slovenska BiV
strica, Zloganje, Povir, Zabnica usw.), wobei sich jedoch die Gründe für ihre Entstehung nicht verläßlich feststellen lassen3). Handelt es sich nur um eine Umsiedlung, die Vernichtung älterer Ansiedlungen, oder um ökonomische Vorgänge? Vor allem bestehen die großen, bereits in der Frühantike erbauten Landvillen weiter, so Smarje - Grobeljce, wo es noch nicht ganz klar ist, ob die 2 m dicke * Die Phototafeln 32-36 befinden sich am Ende des Bandes. J. Mikl-Curk, Arh. Vestnik 23, 1972, 376tt.; 1. Sivec, Arh. Vestnik 29, 1978, 393ff.; P. Petru, Zgodovinski casopis 36, 1982, 295tf.; Z. Vinski in: V. Stare, Kranj, Katalogi in monografije 18 (Ljubljana 1980) 17tf. B. Saria, Glasnik Ljubljana 20, 1939, 146; I. Curk, Arh. Vestnik 29, 1978, 406. S. Pahiä, Arh. Vestnik 29, 1978, 129tf.; ders., Varstvo spomenikov 27, 1985, 257; D. BreJcak, Varstvo spomenikov 26, 1984, 265tf.; N. Osmuk, Varstvo spomenikov 26, 1984, 237 u. 27; dies., Varstvo spomenikov 27, 1985, 238; Z. Subic u. M. Sagadin, LoSki razgledi 30, 1983, i5ff.
M O
< o
n n o rx
Abb. 1
Verbreitungskarte aller im Text erwähnten Fundorte.
Das Weiterleben der Spätantike bis zum A u f t a u c h e n der Slawen in Slowenien
267
Ummauerung in einer späteren Periode erbaut wurde oder ob sie g l e i c h z e i t i g m i t den Gebäuden im Inneren ist, desweiteren OreSje, Sempeter, u.a.4/. Besonders gut illustrieren das Geschehen im 4. und 5. Jahrhundert die Funde in den vier römischen Städten. Das Bild Poetovios konnte t r o t z der Rettungsgrabungen in letzter Zeit nicht wesentlich ergänzt Fundmaterial
ist größtenteils
unveröffentlicht5).
Auf
Aufzeichnungen und der älteren Veröffentlichungen
zahlreichen
werden, denn das
Grund der
präliminaren
zeichnet sich indessen für
den e r ö r t e r t e n Zeitabschnitt dennoch ein rahmenmäßiges Bild ab. Im 4. Jahrhundert schrumpfte der ehemalige Stadtkern erheblich z u s a m m e n ^ ' . Das beweisen die zahlreichen, an der Stätte älterer Gebäude gelegenen, ausgegrabenen Nekropolen dieser Z e i t . Stärkere Besiedlungskerne
wurden auf
Z g . Breg7', auf dem
Panorama**) und auf der Burg9) festgestellt. Die Ansiedlung auf Z g . Breg und die kleine Befestigung auf dem Panorama wurden bald aufgegeben, was die dort eingetieften Gräber zeigen. Weiterhin beharrt nur der Posten auf der Burg, wo Klemenc in der ersten Phase eine Kirche i n m i t t e n der Fliehburg v e r m u t e t e , in der später große Schuppen als Wohnstätten für
die Flüchtlinge
schließlich eine kleinere Festung erbaut wurde, die zur Z e i t der der Ostgoten entstanden sein s o l l
10
errichtet
und
Anwesenheit
'.
Im übrigen Stadtareal wurden nur sporadische Elemente dieser Z e i t gefunden, die auf bescheidene Lebensspuren in der größtenteils verlassenen Stadt deuten. Dies sind namentlich unterschiedliche
F i b e l n 1 1 ' . Aus literarischen Quellen ist
indessen bekannt, daß in der M i t t e des 5. Jahrhunderts hier noch ein bedeutenderes Kommando unter dem comes Romulus anwesend w a r 1 2 ' .
Arheolos'ka najdiSca Slovenije (Ljubljana 1975) 293 (im folgenden z i t i e r t : ANSI); 1. M l i n a r , Casopis za zgodovino in narodopisje NV 1, 1965, 6 4 f f . ; A N S I , 290 f. Siehe die laufenden Berichte in Varstvo spomenikov sowie in A r h . Vestnik 3 1 , 1980; 32, 1981; 33, 1982; I. C u r k , Poetovio I, Katalogi in m o n o g r a f i j e 13 (Ljubljana 1976); Z. K u j u n d 2ic, Poetovijske nekropole, Katalogi in monografije 20 (Ljubljana 1982). I. Curk a.a.O. ( A n m . 2) 407. 7
I. C u r k , Casopis za zgodovino in narodopisje NV 2, 1966, 46f£.; dies., a.a.O. ( A n m . 2) 406.
8) P. Koros'ec i n : Arheolos'ka poro£ila, Dela
1. razr. S A Z U
3 (Ljubljana
1950) 77; I. TuJek,
Varstvo spomenikov 26, 1984, 246L 9 lo)
J . K l e m e n c , Ptujski grad v kasni a n t i k i , Dela 1. razr. S A Z U 4 (Ljubljana 1950). Ebd. 8of. 1. C u r k , Poetovio I, Katalogi in monografije spomenikov 22, 1979, 300. B. Saria a.a.O. (Anm.2) 148.
13 (Ljubljana
1976) 2 2 ; 13. J e v r e m o v , V a r s t v o
Slavko Ciglene£ki
268
Zahlreiche Belege gibt es für die Anwesenheit des frühen Christentums. Außer den in den Quellen angeführten Bischöfen Victorinus, Aprianus, Valens und Marcus sind noch viele Funde von Architektur und Kleingegenständen vorhanden, die vermuten lassen, daß die Stadt ca. 6 Kulträume besaß, die jedoch noch überprüft werden m ü s s e n d . Aus letzter Zeit ist die Entdeckung von Architektur- und Mosaikbruchteilen auf dem Panorama wichtig, wodurch die dort bereits früher angedeutete frühchristliche Kirche bezeugt wird sowie die Freilegung der vermutlich frühchristlichen Architektur in der Nähe des 111. Mithräums^). 1. Curk nimmt an, daß der Großteil der spätantiken Einwohnerschaft in den zeitgleichen Fliehburgen auf den Südostböschungen des Pohorje, im Raum um Videm bei $£avnica und im Bereich von Kozjansko Zuflucht suchte 1 5'. In Emona gibt es außer ungewöhnlich zahlreichen archäologischen Funden aus der Zeit des 4. Jahrhunderts auch bedeutende literarische Quellen, die wichtigere Ereignisse erwähnen 1 ^). Anläßlich der Ausgrabungen wurde festgestellt, daß in dieser Periode die Seitentore in der alten Verteidigungsmauer zugemauert wurden. Im 5. Jahrhundert erlebte die Stadt ein ähnliches Schicksal wie alle übrigen Städte im Südostalpenraum. Sowohl die Siedlungs-, wie auch die Grabfunde verraten, daß die Stadt am Anfang des 5. Jahrhunderts stagnierte und gegen die Mitte zu völlig abstarb. In sämtlichen bisher erforschten Bereichen wurde nämlich eine mächtige, in die erste Hälfte des 5. Jahrhunderts zu setzende Brandschicht festgestellt. Eine Ausnahme in diesem Prozeß stellt nur der großangelegte Ausbau des frühchristlichen Zentrums dar, wovon das Baptisterium, der Portikus und ein größeres Wohngebäude, das man als Episkopium deuten kann, freigelegt sind (Abb. 2) ! 7). Die Kirche ist noch nicht ausgegraben. Dieses Zentrum war jedoch nicht lange in Verwendung. Wie die Münzfunde nachweisen, wurde es bald nach dem Jahr 423 oder spätestens anläßlich des Hunnendurchbruchs nach Italien zerstört. Funde aus der zweiten Hälfte des 5.
R. Brato2, Zgodovinski fasopis 35, 1981, 205Ü.; J. Klemenc, Arh. Vestnik J 8 , 1967, I M ff.; 1. Curk, a.a.O. (Anm. 2) 407tf. 1. TuSek a.a.O. (Anm. 8) 246; 13. Jevremov, Varstvo spomenikov 26, 1984, 249L 5
I. Curk a.a.O. (Anm. 2) 407.
Die Literatur ist zusammengestellt bei L. PlesniCar in: Zgodovina Ljubljane, Prispevki za monografijo (Ljubljana 1984) 21 (im folgenden zitiert: Zgod. Ljubljane). Die Literaturquellen hat zuletzt J. SaSel zusammengestellt und kommentiert, der auch eine Literaturübersicht bietet. Zgod. Ljubljane 35ff. 17)
L. Plesniäar, StarokräCanski center v Emoni, Katalogi in monografije 21 (Ljubljana 1983).
Das Weiterleben der Spätantike bis zum A u f t a u c h e n der Slawen in Slowenien
Abb. 2
269
Grundriß der Hauten der l e t z t e n Phase des f r ü h c h r i s t l i c h e n Zentrums in Emona (Nach Plesniäar).
und aus dem 6. Jahrhundert sind höchst selten und weisen darauf hin, daß Emona in dieser Zeit verödet war; wahrnehmbar sind nur Spuren kürzeren V e r w e i lens in ihren Trümmern (Spuren von Herdstellen und Lehmpflaster in einigen Ins u l a e ) 1 " ' . Eine Ausnahme bildet der auf den Trümmern des Forums e r r i c h t e t e Rundbau, den L. PlesniCar
in die Zeit des 5. bis 6. Jahrhunderts setzt. Diese
Datierung untermauern vor allem die zwei in unmittelbarer Nähe gefundenen P i l a s t e r k a p i t e l l e I 9 / . Von den übrigen Zufallsfunden werden Justin-Münzen, ein Beschlag einer Gürtelschnalle und ein Ohrring mit Polyeder aus dem JakopiöGarten e r w ä h n t 2 0 ' . Die Nekropole Dravlje mit germanischen, insbesondere ostgotischen Elementen wurde einige Kilometer f e r n t ausgegraben, dort
von den Trümmern Emonas e n t -
muß in der Nähe das Siedlungszentrum um die Wende
vom 5. zum 6. Jahrhundert gesucht werden 2 1 ^. Außer
den frühchristlichen
Kleinfunden
ist besonders die Erwähnung des B i -
schofs Patrizius von Emona auf der Synode in Grado im Jahr 579 w i c h t i g , was 18) M. Slabe in: Zgod. Ljubljane 57ff. :
"
20)
L. Plesniäar, A r h . Vestnik 21-22, 1970-71,
ii8ff.
M. Slabe a.a.O. ( A n m . 18) 59. M. Slabe, D r a v l j e , GrobiJce iz äasov preseljevanja ljudstev, Situla 16, 1975, 7 f f .
270
Slavko CigleneCki
allerdings kein genügend starkes Argument für die Existenz der Stadt und des Bischofssitzes darin so spät im 6. Jahrhundert i s t 2 2 ) . Höchstwahrscheinlich befand sich dieser Sitz ähnlich wie z.B. in Kärnten, Celje und anderswo in einem nahe gelegenen verborgenen befestigten Posten, der jedoch noch nicht entdeckt worden i s t 2 3 / . Vom spätantiken Celeia wissen wir wenig. In jüngster Zeit wurde mittels
Ret-
tungsgrabungen genauer der Umfang der Stadt abgegrenzt; an mehreren Stellen stieß
man auf
eine mächtige Schicht des 4. Jahrhunderts, außerdem
wurden
Münzdepots e n t d e c k t 2 ^ . Daß zumindest ein Teil der Stadt noch im 5. Jahrhundert bevölkert war, bezeugt die frühchristliche Kirche mit Mosaiken. In letzter Z e i t hat V. KolSek die ä l t e r e n Angaben kritisch überprüft und die Existenz einer jüngeren f r ü h c h r i s t l i c h e n Kirche bestätigt, die Reste einer älteren A r c h i t e k t u r darunter (nach Riedl eine ältere Kirche) aber als Teil der in unmittelbarer Nähe festgestellten
Thermen
interpretiert2^).
Unlängst
wurde
auch ein Teil einer
f r ü h c h r i s t l i c h e n Inschrift gefunden, die in die erste Hälfte des 6. Jahrhunderts d a t i e r t w i r d 2 ^ ) . Abgesehen von diesen Elementen fehlen jegliche andere Funde aus dem 5. und 6. Jahrhundert, deshalb dürfen wir annehmen, daß die Stadtbewohner
größtenteils
wegsiedelten.
Dies erhärten die eben im Hinterland von
Celje entdeckten zahlreichen befestigten Siedlungen und Fliehburgen. Die K i r chenleitung h a t t e , wie P e t r u und Ulbert annahmen, ihren Sitz im befestigten Posten V r a n j e 2 7 / . Auf der Synode in Grado im Jahr 579 wird zwar Bischof Joannes von
Celeia
erwähnt,
der jedoch
seinen Sitz sicherlich nicht im antiken
Celeia h a t t e ; er w i r k t e im verborgenen und gesicherten Hinterland, behielt i n dessen den ursprünglichen T i t e l bei. Ä h n l i c h v e r h i e l t es sich auch in der ehemaligen Hafenstadt an der Save Neviodunum. Die bisherigen Funde haben P. und S. Petru publiziert und die A r c h i t e k tur a n a l y s i e r t 2 ^ ) . Aus der Monographie geht klar hervor, daß die Stadt in vollem Umfang nur bis zum Ende des 4. Jahrhunderts besteht, aus dem 5. Jahrhundert R. Brato2 i n : Zgod. L j u b l j a n e 64£. 2 j )
M. Slabe a.a.O. ( A n m . 18) 6 1 .
24)
ANSI 280; V. KolSek, A r h . Vestnik 35, 1984, 3421.
25)
Ebd. 342.
26)
Ebd. 343f-
27) .
P. P e t r u und T. U l b e r t , Vranje p r i Sevnici, StarokrSCanske cerkve na Ajdovskem gradeu, K a t a l o g i in m o n o g r a f i j e 12 (Ljubljana 1975) 17; 63.
28) S. und P. P e t r u , N e v i o d u n u m , Katalogi in monografije 15 (Ljubljana 1978).
Das Weiterleben der Spätantike bis zum A u f t a u c h e n der Slawen in Slowenien
Abb. 3
271
Die spätantike Hefcstigungsanlage Velike Malence (nach Saria).
gibt es nur vereinzelte Funde. Dies ist verständlich, die Stadt war ja in exponiertem Raum situiert, an der Haupteinfallsstraße aus dem Osten nach I t a l i e n . Sie lag völlig ungeschützt in der Niederung und konnte nicht so befestigt werden, daß sie dem Andrang der vorüberziehenden Heere und Völker hätte W i derstand
leisten
können.
Deshalb
kam
es
einmal
ungefähr
am
Beginn
des
5. Jahrhunderts zur Entvölkerung der Stadt. Die späteren Niederlassungen in der Stadt können wir uns nur in Form eines kurzen A u f e n t h a l t s der ankommenden Gruppen vorstellen, nur so lassen sich die seltenen Funde des 5. Jahrhunderts (Zikadenfibel, "rugischer"
Fingerring) e r k l ä r e n 2 ^ . Völlig i r r i g scheint die Vor-
stellung, daß sich die Bewohnerschaft rückgezogen
in die befestigte
habe, die ihrem Charakter
Siedlung Malence z u -
nach ein M i l i t ä r k a s t e l l
ist. Daß dies
nicht z u t r i f f t , haben die Ausgrabungen von B. Saria nachgewiesen, der im Inneren außer der Kirche keinerlei Gebäude festgestellt hat, worauf wir später noch zurückkommen werden. (Abb. 3 und Taf. 32,1). 29)
Ebd. 48.
272
Slavko Ciglene£ki
Den italischen
Limes
(Claustra), der
das heutige
Slowenien diagonal durch-
schneidet, wollen wir hier nur erwähnen. Die bisherigen Forschungen - namentlich längs der Straße Emona - Aquileia ergaben, daß er gegen Ende des 4. Jahrhunderts
aufgegeben
wurde; nur spärliche Elemente aus dem Posten HruSica
deuten seine teilweise Verwendung auch noch später an. Außer den bereits veröffentlichten Hrus"ica
Quellen und der
ist die
Publikation
teilweisen Vorlage der Ausgrabung im
der
Resultate
Kastell
der neueren Forschungen von den
wichtigeren Punkten dieses Systems in Vorbereitung. Dagegen ist die Datierung der Befestigungen längs der anderen Seitenstraßen, die mit dem Mauerwerk abgesperrt wurden, noch unbekannt. Das wichtigste Element in der Besiedlung des 5. und 6. Jahrhunderts stellen die befestigten
Höhenposten dar.
Wegen der
exponierten
Lage des slowenischen
Raumes war dies für die Zivilbevölkerung, wie auch für die Militärbesatzungen die sicherste Überlebensweise. Und gerade diese Posten sind in letzter Zeit das Ziel intensiver Forschungen geworden, sie zeigen ja die Lebenskontinuität, die anläßlich der Forschungen in den Niederungssiedlungen nicht aufzuspüren war. Wir wollen in knappen Zügen die Ergebnisse der bisherigen Ausgrabungen und Sondierungen umreißen. Der Übersichtlichkeit halber werden wir sie in drei getrennten
Gruppen e r ö r t e r n : die
Kastelle, die befestigten Siedlungen und die
c
Fliehburgen3 v. Die Grenze zwischen den einzelnen Kategorien ist nicht immer klar gezogen, bzw. hatten die meisten Posten in unterschiedlichen Zeiträumen unterschiedliche
Funktionen. Deshalb werden wir die Fundorte in jener Gruppe
besprechen, die
für
den betreffenden
Einzelpunkt
besonders
charakteristisch
scheint, und parallel dazu noch seine anderen Funktionen anführen. Im Komplex der Militärposten ist an die erste Stelle die Festung Velike Malence zu setzen. Diese hatte ein unglückliches Schicksal, denn das ganze unveröffentlichte K l e i n m a t e r i a l , das sie einordnen würde, ist verlorengegangen, übrig geblieben sind nur die Pläne und die präliminare
Aufzeichnung der Grabung3 ] '.
Die ungewöhnlich große Festung (430-270 m) war auf einer strategisch außerordentlich wichtigen Stelle e r r i c h t e t , am Übergang aus der Pannonischen Ebene in die Voralpenwelt (Abb. 3 und Taf. 32,1). Sie schützte die Itinerarstraße, die an
'
Über die Probleme der Aufgliederung in Einzeltypen siehe S. Ciglenec'ki, A r h . Vestnik 30, 1979, 4 5 9 H .
*
13. Saria, Glasnik Ljubljana 10, 1929, n f f . ; ders. Glasnik Ljubljana 11, 1930, 5 Ü . ; ders., Südostrorschungen XV, 1956, 4 2 H . ; ANSI 250t.; S. CigleneCki, A r h . Vestnik 34, 1983, 437t.
Das Weiterleben der Spätantike bis zum A u f t a u c h e n der Slawen in Slowenien
2
73
dieser Stelle zwischen dem Zusammenfluß der Krka und der Save und den s t e i len Böschungen der Gorjanci an der Südseite eingeengt ist. Der Posten wurde in der ersten Phase, die von Saria in die zweite Hälfte des 3. Jahrhunderts d a t i e r t w i r d , nur mittels einer Ummauerung v e r t e i d i g t . In der zweiten Phase (nach Saria im 4. Jahrhundert) wurden in die Ummauerung starke Verteidigungstürme eingebaut und beide Eingänge befestigt. Ob auch die Kirche in dieser Phase erbaut wurde, wie Saria meint, oder ob sie einer späteren Periode angehört, wie sich auf Grund von Vergleichen mit dem soeben freigelegten Kastell auf Korinj vermuten ließe, kann ohne Kontrollforschungen nicht entschieden werden. Doch ist zu betonen, daß auch hier die Vermutungen über die verschiedenen Bauphasen vor allem auf Grund der aus literarischen Quellen belegten historischen Vorgänge und zum Teil auf Grund der A r c h i t e k t u r angestellt, nicht aber mit H i l f e von Kleinfunden, die diese Phasen unwiderlegbar datieren könnten, abgesichert worden sind. Die zweite Befestigung wird in der L i t e r a t u r öfters erwähnt, ist jedoch schlecht bekannt3 2 >. M i t Hinsicht auf ihre Lage an einem wichtigen Weg über die Gorj a n c i , an einer weithin sichtbaren Stelle, kann Zidani gaber in diese Kategorie eingereiht werden. Schon die Form des Postens ist höchst ungewöhnlich und zur Gänze dem Terrain angepaßt. Auf dem länglichen und schmalen Rücken b e f i n den sich mehrere gemauerte Räume einer "Festung", wo auch Farbverputz und anläßlich der älteren Grabungen außerdem Gräber gefunden worden sind. Diese werden durch die Funde als langobardisch b e s t i m m t . Unter diesem großen Bauwerk, das den Anschein von einer A r t "Akropolis" erweckt, gibt es noch mehrere kleinere aufeinander
folgende Bauten, die in der Verlängerung des Rückens
liegen. Der Gesamtkomplex
ist an der Nordseite mit einer längeren V e r t e i d i -
gungsmauer m i t Eingang " V r a t o l o m " - ("Torbrecher") und Türmen an den Enden abgeschlossen. Die bisher gemachten Funde lassen keine besonderen Schlüsse hinsichtlich der Zeit des Ausbaues zu, die Gräber im Gebäude weisen aber darauf
hin, daß die Befestigung noch in der zweiten Hälfte des 6. Jahrhunderts
besiedelt war. Vor kurzem haben die Sondierungen auf dem Posten Hom. am Rand des Mirnatales, wo bereits Pe£nik ein "Gebäude aus dem 5. und 6. Jahrhundert" voraussetzte, die Existenz einer kleineren Festung nachgewiesen, die mit einer 2 m 32
ANSI 2 2 2 L ; S. P e t r u , A r l i . Vestnik 18, 1967, 4 3 5 H . ; I. P i r k o v i ä , C r u c i u m , Uimska pos'tna postaja med Emono in Neviodunum, Situla 10, 1968, 3 6 Ü . ; S. Cigleneöki a.a.O. (Anm. 30) 460.
274
Slavko CigleneCki
dicken Mauer und einem Graben abgesichert war33/. Eine genauere Datierung ist nicht möglich. Die Befestigung schützte den wichtigen Durchgang aus Dolenjsko in das Savegebiet. Ein größeres Grabungsunternehmen ist unlängst auf der Befestigung Korinjski hrib über Veliki Korinj durchgeführt worden34). Im vorgeschichtlichen, bereits natürlich vorzüglich geschützten Ringwall wurde in der Spätantike eine Fliehburg oder eine kleinere Ansiedlung errichtet, die durch Kleinmaterial und Überreste von Holzhäusern bezeugt wird (Abb. 4). Im zweiten Zeitabschnitt (Ende des 5. oder Anfang des 6. Jahrhunderts) wurde dann eine starke, durch 5 gemauerte Verteidigungstürme charakterisierte Befestigung erbaut (Taf. 33,1) sowie eine frühchristliche Kirche inmitten des Raumes (Taf. 32,2). Die reichen und zahlreichen Funde verraten, daß der Posten öfters den Besitzer gewechselt hat, während wir seine primäre Funktion im 6. Jahrhundert (vielleicht auch schon früher) in der Verteidigung der Straße sehen, die südlich von Emona in kürzester Richtung nach Italien führte. Davon überzeugen uns auch die beiden folgenden Posten mit gleicher Funktion. Der erste ist Limberk, wo schon Saria einen spätantiken Signalposten annahm, und die neueren Funde zeigen eine gleiche Kleinmaterialstruktur, wie Korinjski hrib35). Auf der Erdoberfläche sind keine Verteidigungstürme zu sehen, dagegen vermuten wir im ostwärts orientierten größeren Absidialbau eine Kirche. Der auf der Oberfläche sichtbare Grundriß ist identisch mit dem Grundriß der Kirche nebst Baptisterium auf Korinjski hrib. Der zweite, ebenso strategisch außerordentlich wichtige Posten ist Kri2na gora36). Hier wurde bei der Freilegung des vorgeschichtlichen Ringwalls eine Menge von Kleinmaterial aus späteren Zeitabschnitten gefunden. Der Vergleich namentlich der Keramik mit jener von Korinjski hrib zeigt, daß der Schwerpunkt der Besiedlung in das 6. Jahrhundert fällt. Interessanterweise hat der Turmrest die gleichen Dimensionen, wie die Mehrzahl der Verteidigungstürme auf Korinj. Die ganze Befestigung war von einer Ringmauer umgeben, an einer Stelle sogar einer doppelten. D. Vuga, Varstvo sponienikov 24, 1982, 184. ANSI 236; S. Ciglenec'ki, Zbornik obCine Grosuplje 13, 1984, 145fr-; ders., Varstvo spomenikov 25, 1983, 258H.; ders., Varstvo sponienikov 26, 1984, 2721L; ders., Varstvo spomenikov 27, 1985, 281; ders., Arh. Vestnik 36, 1985, 255H. B. Saria, Glasnik Ljubljana 20, 1939, 147tf.; S. Ciglene£ki, Varstvo sponienikov 26, 1984, 268Ü.; ders., Arh. Vestnik 36, 1985, 2661L M. Urleb, Arh. Vestnik 19, 1968, 476; dies., Kri2na gora pri LoSu, Katalogi in monografije 11 (Ljubljana 1974).
Das Weiterleben der Spätantike bis zum Auftauchen der Slawen in Slowenien
Abb. 4
275
Die Arcliitekturreste auf Korinjski hrib Über Veliki Korinj.
Völlig unerforscht ist der am Rande des Ljubljanabeckens gelegene Posten Golo, der die wichtige Straße aus Ljubljana nach Notranjsko k o n t r o l l i e r t e , die sich irgendwo im Bereich von Kri2na gora jener aus der Ostrichtung anschloß37). Einen unzweifelhaft militärischen Charakter weist desgleichen die noch gänzlich unerforschte
Befestigung
Gradiföe
über
Soteska auf, die einen
polygonalen
Grundriß besitzt3°). Sie liegt dicht unter Ajdna und kontrollierte ohne Z w e i f e l den Verkehr an der strategisch wichtigen Straße von Kranj aus westwärts, wo sich der Gebirgszug der Karawanken stark der Save annähert.
37)
ANSI 180.
i
F. Leben u. A. Valiä, Arh. Vestnik 29, 1978, 533t.
276
Slavko Ciglenecki
Eine kleinere Befestigung erhob sich auch auf Gradiföe bei Naklo39). Hier legte A . ValiC einen Burgus f r e i , der einschließlich des Turmes mit mächtigen Gräben befestigt
war. Dieses Objekt bewachte die Kreuzung der Straßen von Kranj in
Richtung Westen und Norden. In die zweite Gruppe haben wir die befestigten Siedlungen von überwiegend z i v i l e m Charakter eingereiht. Diese sind auch am besten erforscht. Ein besonders charakteristisches schützten
Beispiel
ist
Abhang und einer
Rifnilc
mit seinen Wohngebäuden auf dem ge-
frühchristlichen
Kirche
an der
höchsten
Stelle
(Abb.5)4°). In der Nähe des Eingangs war an der Verteidigungsmauer ein großes Bauwerk
mit vier
Räumen e r r i c h t e t , das wir als die Wohnstätte der sich in
ständiger Bereitschaft befindlichen Besatzung betrachten dürfen4 J ). Das geräumige
umbaute
Areal im Inneren konnte als Fliehburg dienen, denn es ist ja
kaum vorstellbar, daß nur die Bewohner der sechs Wohngebäude imstande gewesen wären, das gesamte, 200 x 130 m große Areal zu verteidigen. Von besonderem Wert ist die zur Ansiedlung gehörende völlig freigelegte Nekropole mit 109 erforschten Bestattungen, ein Teil der Gräber war vernichtet. Sie bietet ein vorzügliches Bild von der Mischung des Fundguts der altsässigen Bevölkerung m i t Elementen fremder ethnischer Gruppen. In der Nähe Rifniks liegt der vor kurzem festgestellte Posten Gradec bei Prap r e t n o (Taf. 33,2)4 2 '. An der Fundstelle sind nur kleinere Sondierungen gemacht worden, die A r c h i t e k t u r t r ü m m e r sind jedoch größtenteils auf der Erdoberfläche e r h a l t e n , so daß es möglich ist, sich ein ungefähres Bild der Grundrisse zu machen (Abb. 6). Im Gegensatz zu Rifnik ist der Posten kleiner ( i o o x 90 m), doch sind über 20 Häuser dicht beieinander auf dem natürlich ausgezeichnet geschützten Felsenplateau angeordnet aufgefunden worden. Ebenso wie auf Rifnik befindet sich auch hier in der Nähe des Einganges ein langes Gebäude mit fünf Räumen, dem wir die gleiche Funktion zuschreiben. Der Posten liegt im abger ü c k t e n Raum zwischen der Savinja, der Sotla und der Save, die erhaltene A r c h i t e k t u r weistauf ein bedeutsames Zentrum innerhalb der "Civitas Noricum" hin43). 39
'
A . Valic, A r h . Vestnik 19, 1968, 4 8 5 Ü . L. B o l t a , Rifnik pri Sentjurju, K a t a l o g i in monografije 19 (Ljubljana 1981). W. Schmid, Das Joanneuni 6, 1943, 276.
4
S. C i g l e n e £ k i , A r h . Vestnik 26, 1975, 25911.; ders., A r h . Vestnik 32, 1981, 41711.; ders., Varstvo spomenikov 27, 1985, 280. J
R. Egger, Wiener Studien (München 1962) 11.
47,
1929,
146tf.;
J . Werner,
Die
Langobarden in
Pannonien
Das Weiterleben der Spätantike bis zum A u f t a u c h e n der Slawen in Slowenien
Abb. 5
277
Die b e f e s t i g t e Siedlung auf Rifnik bei Sentjur (nach Uolta und Schmid).
Desgleichen ist ein geschlossen besiedelter Posten mit außerordentlicher V e r t e i digungslage Ajdna über Potoki44). Bisher ist nur die Kirche mit zahlreichen Bestattungen im Inneren freigelegt
worden, die übrigen Wohnbauten lassen sich
indessen unter der bewegten Oberfläche vermuten. Bei einer wurde im Inneren eine kleine Zisterne festgestellt. Auf
Brinjeva gora bei Zre£e wurde ein dem Areal nach großer, doch nur t e i l -
weise bebauter Posten ausgegraben, dessen Fundmaterial nachweist, daß er bis zur ersten Hälfte des 5. Jahrhunderts bestanden hatte und danach aufgegeben
F. Leben und A. ValiC a.a.O. ( A n m . 38) 532ff.; A . Vali£, Varstvo spomenikov 2 1 , 1977, 195ff.; ders., Varstvo spomenikov 23, 1981, 266ff.; ders. Varstvo spomenikov 24, 1982, i 8 8 f f . ; ders., Varstvo spomenikov 27, 1985, 265ff.; J . M e t e r c , A r h . Vestnik 32, 1981, 4 0 5 t f .
278
Slavko Ciglenecfki
Abb. 6
Der befestigte Posten von Gradec bei Prapretno.
wurde, höchstwahrscheinlich wegen seiner exponierten Lage an einer Itinerarstraße45). Seine Datierung in die Zeitspanne vom 3. bis zum 5. Jahrhundert bestätigt auch die kleinere, in der Nähe freigelegte Nekropole. Ähnlich ist die Zeitspanne des zur Gänze bebauten Postens Rodik, wo gerade systematische Forschungen im Gange sind46). Innerhalb der 200 auf 150 m großen Siedlung sind die Trümmer vieler großer Bauten sichtbar. B. SlapSak 45) ANSI 295tf.; S. Pahi£, Arh. Vestnik 31, 1980, 8911.; ders., Arh. Vestnik 32, 1981, 71 ff. 46)
ANSI 132; B. Slaps*ak, Arh. Vestnik 29, 1978, 546t.; ders., Varstvo spomenikov 25, 1983, 235f-
Das Weiterleben der Spätantike bis zum Auftauchen der Slawen in Slowenien
279
nimmt einen Reservistenposten im Hinterland des Systems der italischen Straßensperren an. Über die Rolle der großen und exponierten Befestigung Sv. Pavel über Vrtovin sind wir uns nicht ganz im klaren (Taf. 34,1)47). Die Sondierungen haben ergeben, daß der nördliche, leichter zugängliche Teil mit Gebäuden bebaut war, während der südliche, besser geschützte und mit einer großen und vorzüglich erhaltenen Zisterne verbundene Teil höchstwahrscheinlich als Fliehburg diente (Taf. 34,2). Nach Norden ist sie mit einer außerordentlich mächtigen Mauer gesichert, an den übrigen Seiten ist der Berg hingegen schon wegen der natürlichen Form nicht zu erobern. Im Rahmen dieser Fundortkategorie wollen wir getrennt für sich noch zwei Posten besprechen, für die ihre Holzarchitektur charakteristisch ist. Der erste ist die Siedlung auf Polhograjska gora, wo die unlängst abgeschlossenen systematischen Ausgrabungen auf dem natürlich geschützten Sattel zwischen den zwei Gipfeln des 860 m hohen Berges mehrere Wohnobjekte freigelegt habend). Die Baufundamente waren in Trockenmauertechnik erbaut, der Oberbau bestand aus Holz. Der am leichtesten zugängliche Teil der ungewöhnlich steilen und vorzüglich geschützten Befestigung war mit einer Ummauerung abgesichert. Die Funde ordnen ihre Lebensdauer vom 4. bis zum 6. Jahrhundert ein, was auch durch das bereits früher entdeckte Depot aus dem 6. Jahrhundert bestätigt wird. Tinje über Loka bei 2usem ist in der Fachliteratur häufig als Beispiel einer Fliehburg angeführt worden (Taf. 35,1)49). Die Rettungsgrabungen in den Jahren 1980 und 1981 haben jedoch die Existenz einer umfangreichen, ca. 300 x 200 m großen Siedlung mit Holzhäusern im Inneren nachgewiesen (Abb. 7)5°). Ungewöhnlich ist vor allem die Lage auf der steilen Südböschung sowie die zwei zur Verteidigung der Siedlung angelegten Parallelgräben. Außer mehreren länglichen, in den Felsen eingehauenen Häusern sind noch zwei Gruben mit Siedlungsfunden 4?)
ANSI 124; D. Svoljs'ak, Arh. Vestnik 36, 1985, 195H.
48) P. Petru a.a.O. ( A n m . 32) 4 3 5 Ü . ; M. Slabe, Varstvo spomenikov
49)
'
17-19, 1974, 204; ders.,
Varstvo spomenikov 21, 1977, 242; ders., Varstvo spomenikov 22, 1977, 292; ders.; Varstvo spomenikov 23, 1981, 275; ders., Varstvo spomenikov 25, 1983, 255. ANSI 297t. S. CigleneCki, Varstvo spomenikov 17-19/1, 1974, 16011.; 1981, 273Ü.; ders., Arh. pregled 22, 1981, 105; ders., Arh. Arh. Vestnik 33, 1982, 1S1 ££.; ders., Arch. Austriaca 68, spomenikov 15, 1970, 164; D. Vuga, Varstvo spomenikov 22,
ders., Varstvo spomenikov 23, pregled 23, 1982, 12011.; ders., 1984, 31511.; P. Petru, Varstvo 1979, 290L
280
Slavko Cigleneäki
Abb. 7
Plan der teilweise freigelegten Gebäude in der Siedlung Tinje über Loka bei 2usem.
und einer Feuerstelle hervorzuheben, die wir als eine Erdwohngrube aus der frühesten Besiedlungsphase (Ende des 4. oder 5. Jahrhunderts?) auffassen (Taf. 35,3). In der unteren Ecke der Siedlung wurde auch ein kleines Bauobjekt mit flacher Apsis entdeckt. Nach den bescheidenen Funden und der Lage zu urteilen, dürfte ein heidnisches Kultobjekt vorausgesetzt werden (Taf. 35,2), was noch besonders interessant ist, wenn man die Funde eines Stilus mit vermutlich frühchristlicher Inschrift und eines Kindersarkophags mit Kreuz berücksichtigt. Die Siedlung war noch im 6. Jahrhundert bevölkert, nach einigen Keramikfunden zu schließen sogar noch in späteren Perioden. Eine Sonderstellung nehmen die Posten Vranje und Ku£ar ein, die wir als Sakralzentren betrachten. Der erste ist in der Fachliteratur bereits gut bekannt (Abb. 8)5 J ). Auch die in neuerer Zeit entdeckten Wohnhäuser und Gruben verändern ihr Bild nicht, sondern ergänzen es lediglich5 2 '. Das reiche Fundgut rundet 51
5
'
P. Petru u. T. Ulbert a.a.O (Anm. 27); P. Petru, Arli. Vestnik 30, 1979, 726fr.; T. Knific, Arh. Vestnik 30, 1979, 732fr.; T. Ulbert, Arh. Vestnik 30, 1979, 695ff.; ders., Vorträge und Forschungen 25, 1979, 141 f£. P. Petru, Zgodovinski £asopis 36, 1982, 307t. und Abb. 3; ders., Varstvo spomenikov 25, 1983, 261.
Das Weiterleben der Spätantike bis zum Auftauchen der Slawen in Slowenien
Abb. 8
281
Die Siedlung auf Ajdovski gradec über Vranje (nach Fetru und Ulbert).
das Bild des Sakralzentrums mit den begleitenden Wohnbauten und dem v e r m u t lichen Episkopium z e i t l i c h und funktional ab, es entsteht das Bild eines völlig autarken Zentrums, das durch seine ganze Lebenszeit hindurch gewisse Handelsbeziehungen m i t der übrigen Welt unterhielt. Auch die abgeschlossenen Ausgrabungen auf dem Kucar bieten das Bild eines großen Sakralzentrums mit den bisher größten freigelegten frühchristlichen Gebäuden in Slowenien (Abb. 9)53). Die Funktion beider Kirchen (Taf. 36,1-2) läßt sich ähnlich wie die der von Vranje oder derjenigen auf dem noch ähnlicheren Hemmaberg (Sv. Hema) deuten. U m s t r i t t e n ist noch die Funktion eines kleineren e i n g e t i e f t e n Raumes an der oberen Kirche, den wir als Baptisterium auffassen. Das große Wohngebäude mit zentraler beheizter
Halle und einem geräumigen
Hof haben wir als Episkopium bezeichnet. Das ganze Areal war mit einer m i t tels Türmen verstärkten Verteidigungsmauer umgeben. Der Komplex wurde im 5. Jahrhundert
erbaut, die
spärlichen Funde verraten indessen, daß er
nicht
lange besiedelt war, ist doch seine Lage auf einer kleinen Anhöhe i n m i t t e n der
J. Dular, Arh. Vestnik 29, 1978, 528ff.; S. CigleneCki in: Izdanja Hrvatskog arheolos'kog drus"tva (im Druck).
282
Slavko Cigleneäki
Abb. 9
Das Sakralzentrum auf Kuäar bei Podzemelj.
Ebene der Bela Krajina zu sehr exponiert. Im Posten vermuten wir das Sakralz e n t r u m des aus dem nahen Neviodunum her geflüchteten Bischofs. Am
schlechtesten ist die Gruppe des Typs Fliehburg v e r t r e t e n . Die charakte-
ristischste ist zweifellos Sumenje, wo die Sondierungen eine Verteidigungsmauer m i t einem etwas stärker befestigten Eingang, im Inneren aber eine außerordentlich bescheidene Kulturschicht aus der Spätantike nachgewiesen haben54). Dicht hinter der Ummauerung wurde ein Skelet, am Eingang hingegen eine geflügelte Pfeilspitze
gefunden. In dieselbe Gruppe der Fundorte könnte gleichfalls der
Posten Svete göre in seiner ersten Phase mit interessanten Funden und Trbinc m i t spärlichen spätantiken Elementen eingereiht werden (Taf. 36,4)55). Zu dieser Gruppe d ü r f t e auch der Fundort Vipota in unmittelbarer Nähe Celeias m i t bescheidenen, auf der völlig natürlich geschützten Anhöhe entdeckten Überresten gehören56).
D. Bres'Cak, Varstvo spomenikov 23, 1980, 2 4 0 Ü . 55
P. KoroSec, A r l i . Vestnik 25, 1974, 4 9 6 Ü . ; ders., A r l i . Vestnik 29, 1978, 5 i g f f . ; P. KoroSec und J . KoroSec j u n . , A r h . Vestnik 29, 1978, 4 3 2 H . ; D. Vuga a.a.O. ( A n m . 33) 1541f.
5
S. Cigleneäki u. D. P i r k m a j e r , Varstvo spomenikov 27, 1985, 278L
Das Weiterleben der Spätantike bis zum A u f t a u c h e n der Slawen in Slowenien
283
In der vorgelegten Übersicht haben wir nur jene Posten erfaßt, die in solchem Ausmaß erforscht oder erhalten sind, daß es möglich ist, sie etwas eingehender zu erörtern. Es gibt jedoch noch zahlreiche andere, wo eine Kulturschicht ebenfalls festgestellt
ist, die jedoch noch überwiegend unerforscht sind: JuriSna
vas57), Osredek5% Lisca59), Torok^ 0 ', Kratna, Motnik, Podsmreäje^1), Veliki KoleCaj, Zidovec^ 2 ', Lambert*^), MareCek^), Sv. Lovrenc-Bas"elj65), Gradis*£eBaSelj 66 ),
Pu£tal 6 7),
Ajdovski
gradec
(Taf.
36,3) 68) ,
Sv.
Pavel-Planina 6 9),
Kekec7°), Dolnji Zemon71)> Sela bei Zajöji vrh7 2 /. Unbefestigte Siedlungspunkte sind nach den bisherigen Forschungen außerordentlich selten. Hierzu kann man die vor kurzem festgestellte Siedlungsschicht auf der Böschung der Dona£ka gora zählen, von woher schon früher Zufallsfunde bekannt waren, mit einer Fliehburg hoch oben unter dem Berggipfel ("Dvor")73). Einen Sondercharakter hat die auf einer kleineren Anhöhe errichtete Wohnarchitektur aus der Zeit der Spätantike in Predloka, wo die Funde auf die
3
S. PahiC, Varstvo spomenikov 25, 1983, 2 2 j ü .
58) 59) 6o)
S. C i g l e n e ä k i , Varstvo spomenikov 23, 1981, 274. A. StegenJek, Casopis ( A n m . 30) 467.
za
zgodovino
in narodopisje
6,
1909,
164; S. Cigleneäki
a.a.O.
Bolta a.a.O. ( A n m . 40) 7. Die Fundorte hat das A r b e i t s t e a m des Instituts für Archäologie des Z U C an der S A Z U u n ter der L e i t u n g von Janez Dular rekognosziert. J . Dular i n : ArheoloSka topografija Slovenije, Topografsko podroeje XI (Uela krajina) 7 o f . ; 61 f. S. C i g l e n e £ k i , Varstvo spomenikov 26, 1984, 268; ders,. Varstvo spomenikov 27, 1985, 2801.
4
I. Pu£, Varstvo spomenikov 23, 1981, 227.
5
A. ValiC, Varstvo spomenikov 2 1 , 1977, i 8 8 f f . ; D. JosipoviC, Varstvo spomenikov 24, 1982, 181 f f .
66)
ANSI 172. ANSI 173; den Kollegen Z. Subic uns S. Gabrovec danke ich für den Hinweis auf die g e f u n dene spätantike K e r a m i k . Es gibt viel grobe graue T ö p f e r w a r e , Fragmente g l a s i e r t e r Gefäße und Schüsseln m i t g e g l ä t t e t e m Ornament. Die Funde ermöglichen die Datierung in die Z e i t vom 4. bis 6. Jahrhundert. Auf dem T e r r a i n sind außerdem Überreste g e m a u e r t e r A r c h i t e k t u r sichtbar.
68) 9
ANSI 164. D. SvoIjSak, GoriJka sreCanja l / i , 1966, 4 6 t f . D. SvoIjSak, Varstvo spomenikov lina, Situla 17, 1976, 2 1 ; 59.
7,)
72) '
-,) /J
17-19, 1974, i o i f . ; T. K n i f i c u. D. SvoljSak, Vipavska d o -
ANSI 152. S. CigleneCki, Varstvo spomenikov 21,1 1977, 193tf. ANSI 288; S. CigleneCki, Varstvo spomenikov 27, 1985, 275t.
284
Slavko CigleneCki
Kontinuität bis in die Zeit Justinians weisen74). Dies wird auch durch die in der Nähe freigelegte Nekropole gut untermauert. Übrig bleibt noch die Gruppe gänzlich spezifischer Fundorte, die Höhlenposten. Der reichste von ihnen ist Predjama mit Fundmaterial, das eine Besiedlung im 4., teilweise im 5. und sogar im 6. Jahrhundert bezeugt75). Ob wir diesen Posten als Wohnstätte einer kleineren Militärbesatzung betrachten dürfen, wie Frau P. KoroSec annimmt, wird erst die Veröffentlichung des Gesamtmaterials erhellen. Im Inventar der Höhle Tomin£eva jama im Komplex der Skocjanhöhlen ist neben anderen spätantiken Elementen außerdem das frühchristliche Christogramm interessant, das auf einen möglichen Kultraum in der Höhle hinweist76). Eine spätantike Kulturschicht wurde gleichfalls in der Höhle Levakova jama bei Podbocje und in der Höhle Jamarska zijalka bei Begunje aufgespürt77l. In der erstgenannten ist insbesondere die Entdeckung eines Skelets mit deformiertem Schädel bedeutsam. In der Höhle Ajdovska luknja bei Soteska in Bohinj wurde überdies außer den üblichen Besiedlungsanzeichen ein Depot von Eisengeräten entdeckt7°). A. Vali£ vermutet dort eine Fliehburg von Bergleuten. Die übrigen Befestigungen und Siedlungen werden mittelbar nur durch Nekropolen bezeugt. Die größte wurde in Kranj auf Lajh entdeckt. Das Fundmaterial ist jetzt zur Gänze veröffentlicht, so daß ein Studium dieser komplexen Nekropole möglich ist79\ Ihr Bild ergänzt die zweite kleinere, vor Jahren auf dem gegenüberliegenden Ufer der Save, auf der Lokation KriZi&e (Kreuzung) freigelegte Nekropole, die jedoch noch nicht publiziert ist°°). Vollständig ausgegraben ist auch die Nekropole der Altsässigcn in Bled, die gleichfalls auf die systematische Veröffentlichung wartet**1). Auch in den im Jahre 1975 freigelegten Gräbern zeichnet sich ein ähnliches Bild ab, wie es aus den ersten Grabungsaktionen bekannt ist. Es überwiegen altsässige Elemente. 74) ANSI 129; E. Boltin, Slovensko niorje in zaledje 1, 1977, 83ff.; dies., Varstvo spomenikov 75) 27, 1985, 229L 76) P. KoroSec, Arh. Vestnik a , 1982, 84H. 77)
ANSI 132L M. GuStiu, Arh. Vestnik 27, 1976, 260H.; M. Slabe, Arh. Vestnik 27, 1976, 283H.; I. Turk, Varstvo spomenikov 24, 1982, 1 83f.
78) A. Vali£, Varstvo spomenikov 27, 1985, 2721. 79
V. S t a r e , Kranj, Katalogi in monografije 18 (Ljubljana 1980). M. Sagadin in: Kranjski zbornik 1985, 95H.; ders,. Res'ena arheolos'ka dedis'Sina Slovenije 1945 - 1980 (Ljubljana 1980) 67.
81)
ANSI 163; T. Knific, Varstvo spomenikov 2 1 , 1977, 280.
Das Weiterleben der Spätantike bis zum Auftauchen der Slawen in Slowenien
Vor Jahren sind zwei wichtige Nekropolen freigelegt
285
worden, deren Beigaben
sich ethnisch gut einordnen. Die erste ist Dravlje in u n m i t t e l b a r e r Nähe von Emona mit charakteristischen ostgotischen Elementen sowie alamannischem und thüringischem
M a t e r i a l , die zweite Solkan mit allen charakteristischen
Merk-
malen einer langobardischen Besatzung vom Ende des 6. und aus dem 7. Jahrhundert82). Es bleiben noch kleinere Nekropolen übrig, von denen nur Einzelgräber bekannt sind. Die interessanteste ist jene von Vinji vrh mit langobardischen Funden und eine ähnliche auf Sveta gora in Zasavje, von der nur fragmentarische Angaben e x i s t i e r e n ^ ) . Dem langobardischen Horizont gehören die zum Teil erforschten Nekropolen von Podmelec°4), Gorenje Vrhpolje 8 5', Cerov l o g ° ^ ' , Veliki Orehek bei Stopiöe°7/und von B i l j e ° ° ' a n . Ein Sonderproblem stellt die Zeitbestimmung des Endes dieser Posten bzw. ihre Aufgabe und die Ankunft der Slawen dar. Die archäologischen Forschungen haben ergeben, daß die Belegung der meisten Fundstellen irgendwann in der z w e i ten Hälfte des 6. Jahrhunderts aufhörte, weil in jene Z e i t die l e t z t e n zuverlässig bestimmten Funde und Münzen datiert werden können. Die Versuche, einen Teil des archäologischen Materials und namentlich die Münzen in das 7. Jahrhundert zu datieren, haben bisher nicht zum erwünschten Resultat g e f ü h r t ° 9 ) . Es gibt zwar einige Fundorte, bei denen man die K o n t i n u i t ä t in das 7. Jahrhundert hinein annehmen d ü r f t e , doch sind die Funde nicht ganz zuverlässig, so daß es nicht vernünftig wäre, mit ihrer Hilfe weitreichende Schlüsse zu ziehen9°). Unanfechtbare Funde aus dem 7. Jahrhundert sind bisher nur in den Fundorten aus dem äußersten Westbereich Sloweniens entdeckt worden (Solkan, Gojaöe),
82) M. Slabe a.a.O. ( A n m . 21) 7 f r . ; ders., A r h . Vestnik 30, 1979, 4 4 1 f r . ; T. K n i f i c u. D. S v o l j Sak, A r h . Vestnik 35, 1984, 2 7 7 Ü . 83)
ANSI 228; ANSI 226; ü . Vuga, A r h . Vestnik 25, 1974, 4 2 4 » .
§4
V. Snbar, A r h . Vestnik 18, 1967, 377ff. V. Stare, Varstvo spomenikov 2 1 , 1977, 285tf.; R. Bo2i£, Varstvo spomenikov 26, 1984, 2 6 7 L
' 8 30 86)
V. Stare, Varstvo spomenikov 2 1 , 1977, 282L 7 88) 9
y
ANSI 214; I. P i r k o v i c , A r h . Vestnik 21-22, 1971, 175L N. Osmuk, A r h . Vestnik 29, 1978, 464(1. P. Kos, Germania 59, 1981, 9 7 f f . ; V. Hierbrauer in: Jugoslawien. I n t e g r a t i o n s p r o b l e m c in Geschichte und Gegenwart (1984) 56 A n m . 26; I. Bona, Germania 60, 1982, 652; ü . Vuga, A r h . Vestnik 25, 1974, 440. Hier scheint am interessantesten der Fundort Tinje über Loka bei 2 u s e m , der j e d o c h noch nicht zur Gänze ausgewertet ist (siehe A n m . 50).
286
Slavko Cigleneäki
wogegen aus dem Zentral- und Ostbereich nur einige Heraklesmünzen bekannt sind9 J ). Aus dem Awarennachlaß führen wir die Gürtelzunge aus Dunaj bei Jereka an, der sich noch eine aus Skocjan bei Malos'Ce (Mallestig) aus Kärnten und eine vom Hom über Sora beigesellend. Dies sind aber einstweilen auch die einzigen verläßlichen Spuren, die neben den literarischen Quellen die Lebenskontinuität bis in die Zeit des 7. und teilweise des 8. Jahrhunderts bezeugen.
ANSI 247 in 290; S. Gabrovec, Arli. Vestnik 6, 1955, 137; Lexikon ur- und frühgeschichtlicher Fundstätten Österreichs (1965) 39. Die Gurtelzunge vom Hom ist noch nicht publiziert.
Schlußwort eines Archäologen
Hermann A m e n t , Mainz
Der wissenschaftlichen Leitung dieser Tagung hat es gefallen, mir hier in diesem Moment einen A u f t r i t t
zu verschaffen unter dem anspruchsvollen
Motto
"Zusammenfassung der Tagungsergebnisse". Wenn Sie sich nur einen Augenblick in meine Lage versetzen, werden Sie meine Meinung teilen, daß damit Unmögliches verlangt w i r d , wenn es auch um der Optik und der Außenwirkung des Tagungsprogramms willen so verlangt werden muß. Wo wären denn die Ergebnisse, die es zusammenzufassen g i l t ? Haben wir denn geklärt, ob die Rumänen eingewandert sind oder nicht? Wissen wir genau, wann die spätawarische Periode begann, oder wird nicht nach wie vor diese Frage von Teilnehmern dieser Tagung unterschiedlich beurteilt? Nein, die Ergebnisse dieser Tagung bestehen nicht in der d e f i n i t i v e n Lösung großer Forschungsprobleme, sondern sind eher individueller
Natur.
Der
einzelne
hat gelernt,
hat
Neues erfahren, andere Argumen-
tationsweisen verstanden, Methoden anderer begriffen. Ein allgemeiner
Disziplinen vielleicht ansatzweise
Konsens war nicht herzustellen, aber schon das ist
ein Erfolg und ein Ergebnis, wenn sich die Teilnehmer In der Beurteilung des Forschungsproblems
ein wenig näher
gekommen
sind, wenn sich unser
aller
Kenntnis- und Verständnisniveau ein bißchen in Richtung auf einen gemeinsamen Standard hin nivelliert hat. Im übrigen würde ich die definitive Lösung unserer Probleme unter bestimmten Gesichtspunkten gar nicht für wünschenswert halten. Die Lösung aller Probleme aus dem Bereich der historischen Ethnographie würde uns prompt der Möglichkeit berauben, solch angenehme Tagungen wie diese durchzuführen. Uns selbst gegenüber und gegenüber künftigen Generationen sollten wir die heilige
Ver-
pflichtung spüren, dieses Problem, hilfsweise auch das Problem der Kontinuität, als Problem zu erhalten, damit auch künftig Tagungen abgehalten, Festschriften g e f ü l l t und erfrischende Kontroversen ausgetragen werden können. Nun einige sehr allgemeine Bemerkungen zum Thema. In der Formulierung "Die Völker Südosteuropas im 6. bis 8. Jahrhundert" hebt es auf Probleme der historischen Ethnographie ab, ethnische Gebilde sind sein Gegenstand, es ging um Fragen der ethnischen Identität und Zuordnung, um Ethnogenesen, auch um das Verschwinden
ethnischer
Gebilde. Letzte
Instanz bei der Entscheidung ethni-
scher Zugehörigkeit ist - Herr Steindorf f, glaube ich, hat es angesprochen - das subj e k t i v e Bewußtsein der betreffenden Gruppe, ja das Bewußtsein des betreffenden
288
Hermann A m e n t
Individuums. Bei gegebener Quellenlage kann man sich nur selten auf diese Instanz berufen, wenngleich es durchaus Selbstzeugnisse gibt: "... natione Francus, miles Romanus in armis ..." ist auf einem römischen Grabstein aus Aquincum zu lesen. Die Mehrheit der ethnischen Zuordnungen werden jedoch von anderen get r o f f e n und sind damit von vornherein der Quellenkritik bedürftig. Von der archaisierenden Tendenz der byzantinischen Schriftsteller war die Rede im Refer a t von Herrn Velkov. So vieles vertrauenswürdig ist, so ist in manchen Fällen doch Vorsicht geboten. Was aber ist mit Sprachwissenschaft und Archäologie, die hier kopfstark mit am Tisch sitzen. Nun, ich glaube, daß beide Disziplinen inzwischen gelernt haben, daß sie zwar zu Fragen der historischen Ethnographie wichtige Beiträge zu leisten vermögen, für sich allein aber keineswegs den Schlüssel zur Wahrheit besitzen.
Das Kossinna'sche Dogma, daß scharf umgrenzte Fundprovinzen immer mit
dem Wohngebiet eines Volkes gleichzusetzen seien, hat die archäologische Vorgeschichtsforschung längst hinter sich gelassen. Und es hat mich gefreut, hier aus dem Mund von Herrn Reiter zu hören, daß "Sprachen nicht unbedingt e t h nisch zu verstehen sind". Ich würde es sehr begrüßen, wenn wir uns auf einen in erster
Linie politisch definierten Ethnosbegriff
einigen könnten, wie ihn Herr
Pohl in seinem Einleitungsreferat pointiert vertreten hat. Damit ständen wir im Einklang auch mit einschlägig befaßten Fächern, die hier nicht vertreten sind. "Ethnos ist immer politische Leistung", hat der Ethnologe Mühlmann einmal formuliert. Was bleibt denn der Linguistik und der Archäologie zu tun übrig? Nun, da f ä l l t mir eine Äußerung des Agathias von Myrina ein, der sich über die Franken des 6. Jahrhunderts, seine Zeitgenossen, ausläßt: wax OÜ&EV TL E'XELV TÖ ÖLaXAdTTov fj LLOVOV
xö ßapßapLHÖv
TTJC, OTOXTJC, HCIL TO
xfjc, iliüjvfjc, l&iä£ov.
Sprache und Tracht, beides bei gegebenen Überlieferungsvoraussetzungen Quellenstoff
hier der Archäologie, dort der Sprachwissenschaft, können sehr wohl
ethnische Identifizierungsmerkmale sein und sind es auch o f t . Aber eben nicht immer
und nicht automatisch. Sie sind es dann - und das ist o f t der Fall -,
wenn sie vom ethnischen Subjekt bewußt als Identifizierungsmerkmal
benutzt
und eingesetzt werden. Ob das so ist, ist im Grunde genommen in jedem Einzelf a l l zu prüfen. Die gestrigen Diskussionsbeiträge von Herrn Fiedler und Herrn Hansel sollten also nicht dahingehend mißverstanden werden, daß Bestattungsf o r m e n und Beigabensitten eo ipso als ethnische K r i t e r i e n gewertet werden kön-
Sclilußwort eines Archäologen
289
nen. Sie können es nur dann, wenn, und nur soweit, als sie von der betreffenden Gruppe als Mittel der ethnischen Selbstdarstellung empfunden worden sind. Wie das zu ermitteln ist, ohne in Zirkelschlüsse zu geraten, ist gewiß nicht einfach. Die Parallele zur Sprachwissenschaft ist leicht zu ziehen; das gilt auch für die folgende Überlegung, mit der ich meine Vorbemerkungen abschließen will: Wenn archäologische Gegenstände ihre Determinierung als ethnische Merkmale letztlich durch die Wertvorstellungen ihrer Verfertiger bzw. Träger erhalten, dann sollte es eigentlich Abstufungen in ihrer ethnischen Signifikanz geben. Ich glaube, man sollte diesem Punkt künftig mehr Aufmerksamkeit widmen. Abgesehen von dem vielen irrelevanten Zeug gibt es zweifellos auch unter den ethnisch signifikanten Stücken (Wörtern) solche, die mehr und solche, die weniger signifikant sind. Beispielsweise bezogen auf das von Herrn Attila Kiss vorgeführte Material: Die Vermutung mag erlaubt sein, daß die Hackmesser dem Gravitationspunkt des Germanentums etwas ferner stehen als jener mit Kerbelementen angereicherte Tierstil 11, der nur aus einer germanischen Kunsttradition heraus abzuleiten ist. Alles in allem hielte ich es für nicht verfehlt, wenn wir in der Gewichtung der von uns herangezogenen Indizien für ethnische Zuordnungen ein Stück weiterkämen. Noch eine allerletzte Bemerkung: Ich bin Herrn Hartl, der unsere Tagung mit so engagiertem Interesse begleitet hat, außerordentlich dankbar dafür, daß er den Mut besessen hat, darauf hinzuweisen, daß durchaus die nationalstaatliche Interessenlage unserer Tage einen Einfluß ausüben kann auf das Bild, das wir uns von den ethnischen Verhältnissen der Vergangenheit machen. Das ist richtig, und damit wird niemandem das Bemühen um Objektivität abgesprochen. Es ist nun einmal grundsätzlich so, daß der Historiker die Welt und ihre Vergangenheit nicht von einer Außenperspektive her betrachtet, sondern einen Standpunkt in Raum, Zeit und sozialem Umfeld hat. Für einen Rumänen und sein Selbstverständnis ist es natürlich nicht gleichgültig, ob sein Volk von spät eingewanderten Berghirten oder von alteingesessenen romanisierten Dakern abstammt. Denn wir neigen ja allemal dazu - und ich glaube, Aristoteles hat das schon formuliert-, die Dinge dieser Welt von ihren Anfängen her zu beurteilen. Das Wesen einer Sache läßt sich vorzüglich von ihrer Entstehung her beurteilen. Daran ist soweit nichts falsch. Aber es liegt nahe, den Gedankengang umzukehren: Die Auffassung, die wir von einem ethnischen Phänomen in seiner Jetztform haben, prägt die Vorstellungen, die wir uns von seiner Genese bilden. Das wäre dann allerdings gefährlich und irrig und würde eine so entstandene
290
Hermann Amcnt
wissenschaftliche Theorie in die Nähe der Stammessagen und Ursprungsmythen beispielsweise jener Völker rücken, m i t denen wir uns hier beschäftigt haben. Ich sage das grundsätzlich und ohne jeden aktuellen Bezug. Von den beiden einleitenden Vorträgen des ersten Tages hat man, im nachhinein b e t r a c h t e t , den Eindruck, als seien sie in bewußter Absicht etwas aggressiv und provozierend f o r m u l i e r t gewesen - sicher kein ungeschicktes Vorgehen am Beginn einer solchen Tagung. Herr Horedt hat seinen Beitrag Liberschrieben: Probleme und Ergebnisse, einleitende Bemerkungen zum Rahmenthema. Es lag ihm von vornherein fern, etwa eine
systematische
Forschungsbilanz
für Zeitraum und Weltgegend zu geben,
welche diese Tagung ins Visier genommen hatte. Vielmehr sprach er eine ganze Reihe von Einzelthemen an, die Forschungsprobleme beinhalteten und zu denen er - zumindest ansatzweise - Lösungsmöglichkeiten vorschlagen konnte. So die Frage nach Restgermanen (Langobarden, Gepiden) nach 568, komplementär dazu die Frage nach dem ersten A u f t r e t e n der Slawen. Die Geschichte der Onogurbulgaren unter den Kuvrat-Söhnen wurde angesprochen, einschließlich der damit womöglich zu verbindenden archäologischen Evidenzen. Dann ging es um die Datierung
und kulturgeschichtliche Einordnung des Schatzfundes von Nagyszent-
miklös mit Ausblick auf eine mögliche Verbindung mit dem Stamm der Sekler. Weitere
Stichworte:
Bronzegußarbeiten,
Begriff
der
Awaren, Schatzfund von
F i r t o § . Zuletzt ein Thema von besonderem Gewicht: Die Herkunft der Rumänen! Zwischen der Autochthonen-Theorie und der These von einer erst h o c h m i t t e l a l t e r l i c h e n Einwanderung nahm Herr Horedt eine vermittelnde
Haltung ein und
empfahl als diskutable A l t e r n a t i v e die Thesen von J. C h . Engel (Einwanderung im 9. Jahrhundert) und D. Onciu (Admigration zu einem peripheren romanischen Kern).
Damit
war vieles angesprochen, was im weiteren Verlauf der Tagung
noch eine Rolle spielen sollte. Bei dem von Herrn Pohl behandelten Thema ließ schon die Formulierung des T i tels
stutzen: Das awarische Khaganat und die anderen Gentes im Karpaten-
becken. War denn das Khaganat eine Gens? So würde es Herr Pohl sicher nicht d e f i n i e r e n , aber seine Intentionen zielten schon in diese Richtung. Er schilderte das Awarenreich als einen polyethnischen Verband, in welchem Slawen, Gepiden und Bulgaren, fallweise auch Langobarden und Byzantiner, Gruppen von eigener ethnischer Dynamik,
Identität wirksam
bilden konnten, einen Verband zudem mit in Prozessen
fortwährender
der Ethnogenese, der Akkulturation und des
291
Schlußwort eines A r c h ä o l o g e n
Verlustes der ethnischen I d e n t i t ä t . Nach seiner Auffassung war das ethnische Selbstbewußtsein Khaganats stimmt.
der
Awaren
gebunden, war
ausschließlich
also
an die
in besonderem
politische
Institution des
Maße politisch und sozial be-
Insofern sind Vergleich m i t und Abgrenzung gegen anders d e f i n i e r t e
Gentes schwierig, ja zielen womöglich am Wesentlichen vorbei. Unter solchen Umständen kann sich ein einzelner auf zwei Ebenen ethnisch zuordnen, kann beispielsweise ein bulgarischer Aware sein. Herr Chrysos hat, von der Erläuterung des Begriffs "Grenze" ausgehend, dargelegt, wie von der Grundlage des byzantinischen Staatsrechtsdenkens die Ansiedlung von Kroaten und Serben seit dem 7., von Bulgaren seit dem 8. Jahrhundert auf
Reichsterritorium
verstanden worden sein mag. Seiner Einschätzung
nach
sind diese Landnahmevorgänge, die de f a c t o zum Verlust Dalmatiens m i t Ausnahme einiger
Küstenstädte und zur Zurücknahme der Grenze von der Donau
auf das Haimosgebirge von keiner der beteiligten Seiten als abrupter Wechsel in der Souveränität über die betroffenen Gebiete angesehen worden. Auf b y z a n t i n i scher Seite war durch die Foederatenpolitik der Völkerwanderungszeit ein Modell vorgegeben, unter dem man auch die neue Situation begreifen konnte: Das Ansässigwerden einer Völkerschaft im Dienst und im Sold des Kaisers f ü h r t k e i neswegs zum Verlust von R e i c h s t e r r i t o r i u m , wenngleich es den Geltungsbereich des römischen Rechts einengt. Es entsteht gewissermaßen eine Binnengrenze zu den Foederaten hin, während die Außengrenze zum Barbaricum nach wie vor unverrückt bleibt. Auch auf die Ansiedlung relativ kleiner Gruppen im Innern des Reiches ließ sich diese Staatsrechtsideologie anwenden. Auf der Seite der s l a w i schen Völker mag man über die tatsächlichen Machtverhältnisse gedacht haben wie auch immer. Dennoch war, wenn man auf eine staatliche Ordnung hinstrebt e , der byzantinische Staat das einzig denkbare Vorbild, und er hat denn auch die mit
merklicher
Verzögerung entstehenden slawischen Staaten entscheidend
geprägt. Ungeachtet der nicht zu übersehenden kriegerischen
Auseinanderset-
zungen haben diese auf beiden Seiten vorhandenen Einstellungen Interessenausgleich, Assimilation und Integration zweifellos gefördert. Herr Malingoudis hat sich anschließend einem ähnlichen Thema von einer anderen Quellengattung her genähert. Die Frage nach der Existenz und nach den Umständen der Existenz slawischer Bevölkerungsgruppen auf dem Boden der byzantinischen
Staaten,
und
zwar
speziell
in Griechenland, hat
er
sprachlicher Relikte zu erhellen versucht, mit Hilfe also von Orts- und
mit
Hilfe
Flurnamen
292
Hermann A m e n t
aus slawischer
Wurzel, aber auch von Lehn- und Reliktwörtern derselben Her-
k u n f t . Es ergaben sich zunächst spärliche, aber deutliche Hinweise auf eine a l t eingesessene, aber nicht griechischsprachige Bevölkerung im nachmals slawisch besiedelten Gebiet, Hinweise also auf eine balkano-romanische Sprach- und Bevölkerungsschicht. Wesentlich zahlreicher waren dann die Belege, die als Nachweis einer
slawischen
Siedlungstätigkeit
dienen
können; aus seinem Untersu-
chungsgebiet im Süden der Peleponnes, aus Messenien und Lakonien, konnte der R e f e r e n t eine Fülle eindrucksvoller Belege vorführen. Dabei ließ sich dieser Bestand an Namen und A p p e l l a t i v e n nicht nur der Zahl nach, sondern auch qualitativ
i n t e r p r e t i e r e n ; er e n t s t a m m t
beinahe ausschließlich aus Umwelt und Er-
fahrungsbereich der bäuerlich wirtschaftenden Menschen. Jene slawischen Neusiedler waren offenbar keine Nomaden, wie zuweilen vermutet worden ist, sondern Bauern, und ihr technisch-ökonomisches Niveau war von dem der A l t e i n g e sessenen nicht grundsätzlich verschieden. Von daher eröffnete sich die Möglichk e i t zu einer f r i e d l i c h e n Symbiose, in der Folge zu allmählicher Assimilation. Diese, als ein Hellenisierungsprozeß zu verstehen, schritt von Süden nach Norden
voran,
wie
die
altersmäßige
Strukturierung
des slawischen
Sprachgutes
zeigt. In der gewiß nicht k o n f l i k t f r e i verlaufenen Begegnung zwischen Byzantinern und Slawen hat - das zeigte jeder dieser beiden Vorträge in seiner Weise und m i t dem ihm eigenen Q u e l l e n m a t e r i a l - in wichtigen Lebensbereichen K o m p a t i b i l i t ä t geherrscht. Die Staatsrechtsideologien verhielten sich komplementär und ermögl i c h t e n ein A r r a n g e m e n t ohne Prestigeverlust. Desgleichen war auf dem Sektor der L a n d w i r t s c h a f t Kooperation und Symbiose durch gleichen technischen Standard m ö g l i c h . Ich denke, daß die Forschungen der Herren Kollegen Chrysos und Malingoudis unser Verständnis der frühen Geschichte der Südslawen bereichert und v e r t i e f t haben. Als Ergänzung dieser historischen und sprachwissenschaftlichen Studien hätte man sich eine Darlegung von archäologischer Seite über die frühen slawischen Funde in Griechenland gewünscht; in der Diskussion sind wir kurz darauf zu sprechen gekommen. Das t e m p e r a m e n t v o l l und zugleich konzis vorgetragene Referat von Herrn Reiter w i r d jedem unvergessen bleiben, auch den Nicht-Sprachwissenschaftlern, und den Sprachwissenschaftlern erst recht. Sein weiter Rückgriff in die Forschungsgeschichte, bis ins frühe
18. Jahrhundert, hat so recht deutlich gemacht, wie
sehr dieses schwierige Forschungsgebiet von einem Gestrüpp von Theorien über-
Schlußwort eines Archäologen
293
wuchert worden ist. Herr Reiter hat mit einem kühnen R i t t und m i t wuchtigen Schlägen eine Bresche in dieses Gestrüpp geschlagen. Und so hörten sich diese Schläge an: "Das Denkmodell von den Sprachschichten, entlehnt aus der Geologie oder der Archäologie, ist abzulehnen. - Die Einzelsprache ist nicht als Klasse, sondern als Ganzheit
anzusehen. - Ergebnisse der Substratforschung
grundsätzlich anfechtbar. - Sprachen sind nicht
sind
unbedingt ethnisch zu verste-
hen." Dennoch blieb nicht nur ein Kahlschlag, sondern ein gehöriges Maß an gesicherter Erkenntnis übrig. Es gibt in der Tat im Rumänischen eine nennenswerte Anzahl von Substratwörtern, und zwar solchen, die belangvoll für die sozio-ökonomische Situation der Menschen waren, die einer vor-slawischen Sprachschicht entstammen. Das ergibt sich vor allem aus dem Vergleich m i t dem A l banischen. Diese Sprache war im Raum nördlich der Donau anders als südlich dieses Flusses, wobei der Grad des Unterschiedes nicht näher zu definieren ist. M i t Vorbehalt kann die nördliche Sprache als dakisch, die südliche als thrakisch bezeichnet werden. Trafen die einwandernden Slawen, die nicht als ein e i n h e i t l i ches Volk vorzustellen sind, im Osten der Balkanhalbinsel vor a l l e m auf solche dakisch/thrakisch Sprechenden, so im Westen mehr auf romanisch
sprechende
Gruppen. Der Vortrag von Herrn Ov£arov legte, im Gegensatz zur Formulierung des Themas "Die Protobulgaren und ihre Wanderungen nach Südosteuropa", den Schwerpunkt nicht auf die Wanderbewegungen und die sicher vorhandenen
Probleme
ihres Nachweises, sondern e n t f a l t e t e ein breites Bild der Geschichte der P r o t o bulgaren, beginnend bei ihren mutmaßlichen Vorfahren in M i t t e l a s i e n , im A l t a i gebiet. Die Schilderung setzte sich f o r t , eine z w e i t e Entwicklungsphase b e t r e f fend, in welcher sich die Protobulgaren im ethnischen Verband der Hunnen bewegten. Eine d r i t t e Periode wurde zwischen dem Ende des Hunnenreiches und der Staatsgründung an der Donau angesetzt; ihr historischer Schauplatz war vor allem das Kaukasusgebiet. Schließlich kam es 681 n. Chr. zur Gründung des p r o tobulgarischen Staates an der Donau. Der Referent hat Verfassung und M i l i t ä r wesen dieses Staates, seine ethnische Struktur, hat Religion, Siedlungs- und Bestattungswesen, Schrifttum und Kalender, Philosophie und Kunst der Protobulgaren in dieser Phase ihrer Geschichte aufgrund historischer, epigraphischer
und
archäologischer Quellen umfassend dargestellt. Mit den Beiträgen der Herren Velkov und Barnea haben wir uns wieder der byzantinischen
Nordgrenze, dem Donaulimes, zugewendet.
Diesem Thema
hatte
Hermann A m c n t
294
Herr
Chrysos ja
bereits
am Vortag
einen stark an theoretischen
Problemen
o r i e n t i e r t e n Vortrag gewidmet, nun wurde es etwas konkreter, es gab sogar e i n mal eine Karte zu sehen. Herr Barnea gab, ausgehend von eigenen Untersuchungen in Dinogetia, einen offenbar nur lokal gültigen Gliederungsvorschlag in fünf
oder sechs Phasen bzw. Etappen von Diokletian bis ca. 600 bekannt. Für
das Ende der beiden letzten Phasen sind Zerstörungshorizonte maßgebend, die m i t Einfällen zuerst von Bulgaren, dann von Slawen zusammengebracht wurden. Davon abgesehen sind mir die konkreten Grundlagen der Periodisierung unklar geblieben. Herr Velkov schilderte zunächst die Geschichte des Limes an der unteren Donau von seinen Anfängen im 1. Jahrhundert bis zu seinem l e t z t e n , eindrucksvollen Ausbau unter den Kaisern Anastasius und Justinian. In angemessener Berücksichtigung des Themas der Tagung beleuchtete er dabei besonders die ethnischen Verhältnisse im Grenzgebiet, die nicht zuletzt durch das Bestehen des V e r t e i d i gungssystems selbst bedingt wurden. So haben die als Wehrbauern angesiedelten L i m i t a n t r u p p e n seit dem 4. Jahrhundert einer Barbarisierung der Grenzregionen Vorschub geleistet. Entsprechende Siedlungsnamen belegen, daß Foederaten barbarischer Herkunft - Hunnen, Carpen usw. - in geschlossenen Verbänden angesiedelt wurden. Auch eine Ansiedlung von Slawen scheint ab dem 5. Jahrhundert unter diesen Auspizien stattgefunden zu haben. Die Agonie des Defensivsystems begann ab 583 mit dem massiven Ansturm der Awaren, der Zusammenbruch erfolgte
wohl noch vor Ablauf des 6. Jahrhunderts im Zusammenhang mit dem
massenhaften für
Eindringen
von Slawen. Die bevölkerungsmäßigen
Konsequenzen
das ehemalige Grenzgebiet waren offensichtich einschneidend. Im ganzen
A b s c h n i t t des Unterdonaulimes sind die antiken Ortsnamen untergegangen, im Osten auch die Flußnamen, die weiter westlich immerhin in slawisierter
Form
erhalten blieben. Neue Funde aus den grenznahen Bereichen der dakischen Diözese und aus Ostpannonien waren der Gegenstand des Referates von Herrn Popovic. Ausgangspunkt der mit großer Akribie und Mut zu Ausführlichkeit angestellten Überlegungen war die Aufdeckung eines Kirchengrundrisses in Sirmium. Diese Kirche war über einer Brandschicht e r r i c h t e t , die auf einen Barbareneinfall des frühen 5. Jahrhunderts zurückgehen d ü r f t e . Nach Meinung des Referenten handelt es sich um eine Demetriuskirche, die auf Veranlassung des Praefekten Leontius um 425 e r r i c h t e t
worden ist, in einem Moment, als Sirmium aufgrund gegen die
295
Sclilußwort eines Archäologen
Hunnen gerichteter A k t i v i t ä t e n des Ostreiches in den Mittelpunkt politischer Interessen gerückt war. Wie in solchen Fällen üblich, breitete sich um diese K i r che alsbald eine Nekropole aus; nach Bauart und Ausstattung der Gräber hat hier die einheimisch-römische bzw. romanische Bevölkerung ihre Toten bestatt e t . Dieser Befund bot dem Referenten den geeigneten Anknüpfungspunkt, um im zweiten Teil seines Vortrages einige neuerdings zutage gekommenen Grabfunde vorzustellen, die im Gegensatz zu den erwähnten Grabfunden von Sirmium germanischen Charakter
verraten, namentlich ein Mädchengrab des Horizontes
Untersiebenbrunn aus Vajuga bei Kladovo und ein Männergrab mit einem K e r b schnitt imitierenden M i l i t ä r g ü r t e l vom Kastell Pons Traiani. Der Schwerpunkt des Beitrages von Herrn Ciglenecki lag auf der Darstellung j e ner Gruppe von archäologischen Objekten, die schon seit langem im Blickpunkt der Forschung stehen. Ich meine Höhensiedlungen des 5. bis 6. Jahrhunderts, die mehr oder weniger stark militärisch oder im Gegensatz dazu z i v i l geprägt w a ren. Der Aufschwung der Forschung auf diesem Sektor, der sich durch die monographische Veröffentlichung der Fundplätzc
Rifnik
mentiert hat, wurde durch die eindrucksvolle
Darstellung neu entdeckter und
neu ergrabener
Plätze
unter
Beweis gestellt.
und Vranje bereits doku-
Ein wesentlicher
methodischer
F o r t s c h r i t t scheint es mir zu sein, daß es erstmals gelungen ist, in diesem Z u sammenhang auch Holzarchitektur archäologisch nachzuweisen, die das Bild solcher Höhensiedlungen sicher
in erheblichem Maß geprägt hat. Eingerahmt war
die Behandlung der Höhensiedlungen von einer Darstellung der Fundverhältnisse in den antiken Städten Poetovio, Emona, Celeia und Neviodunum einerseits und dem Hinweis auf s p ä t a n t i k - f r ü h m i t t e l a l t e r l i c h e Nekropolen wie Kranj-Lajh andererseits. Die Gepiden sind nach ihrer vernichtenden Niederlage im Jahre 567 teils
mit
den Siegern, den Langobarden, nach Italien gezogen, teils haben sie sich unter byzantinischen Schutz begeben, teils sind sie aber auch im Karpatenbecken verblieben, wie ihre gelegentliche Erwähnung in Schriftquellen annehmen läßt. Sic stellen damit, so betonte Herr Kiss in seinem Vortrag, die einzige dort v e r b l i e bene Germanengruppe dar, und es liegt nahe, dort auftauchendes a w a r e n z e i t l i ches Fundgut germanischen Charakters mit ihnen in Verbindung zu bringen. In diesem Sinne glaubte Herr Kiss Langschwerter, Schildbuckel, Ovalschnallen, generell eiserne Gürtelbeschläge, Hackmesser, Stempelkeramik und anderes mehr auswerten
zu
können,
namentlich
auch
eine
sichtlich
bodenständige,
durch
296
Hermann Ament
Zahnschnittelemente gekennzeichnete Variante des 11. germanischen Tierstils. Gräberfelder mit solchen Funden finden sich in geringer Zahl in Siebenbürgen, in größerer Zahl in Transdanubien, nicht jedoch im alten Hauptsiedlungsgebiet der Gepiden an der Theiß, nunmehr dem zentralen Machtbereich der Awaren. Besteht die Gedankenverbindung zwischen Restgepiden und jenen Funden germanischen Charakters zu Recht - Herr Prof. Werner hat das in der Diskussion in dieser strikten Formulierung nicht gelten lassen wollen -, dann muß man mit einer zwangsweisen Umsiedlung eben dieser Restgepiden rechnen. Kern der Ausführungen von Frau Garam war die Präsentation - in Beschreibung und Bild - von drei oder eigentlich vier aus Grabfundmaterial gebildeten Formengesellschaften, die sich in zeitlicher Folge ablösen: 1. Ein frühawarischer Horizont, der füglich nach 567/68 beginnt und ausweislich münzdatierter Gräber bis in die Zeit Konstantius IV., bis um 685, reicht. 2. Eine mittelawarische Periode, die gerade die Lebensdauer einer Generation währte, nämlich von etwa 685 an, um bereits in den ersten Jahrzehnten des 8. Jahrhunderts von 3. dem ersten Abschnitt der spätawarischen Periode abgelöst zu werden, dem Horizont der schweren gegossenen, greif-/rankenverzierten Gürtelgarnituren, der bis um 800 reicht. 4. Davon durch einen Hiatus abgetrennt ist ein zweiter spätawarischer, insgesamt letzter awarischer Horizont des 9. Jahrhunderts, der kursorisch an Funden aus dem Gräberfeld von Tiszafüred exemplifiziert wurde und der bis zur ungarischen Landnahme reicht. Der im Grenzbereich zwischen den einzelnen Fundhorizonten zu konstatierende Formenwandel wurde als Folge von Einwanderungswellen verstanden: Die Genese der frühawarischen Kultur klärlich als Folge der awarischen Einwanderung, die Entstehung der mittelawarischen Fazies als Folge des Auftretens der Kuber-Bulgaren, dann die Herausbildung der spätawarischen Kultur durch ein neues reiternomadisches Ethnos östlicher Herkunft und der Umbruch um 800 schließlich durch das Eingreifen der Franken. Das Manko, das die einheimische Bevölkerung Dakiens in ihren historischen Zeugnissen deswegen aufweist, weil die antiken Schriftsteller ihre Aufmerksamkeit nicht so sehr ihr als den aktiven Wandervölkern zugewendet haben, wird auszugleichen versucht von der Archäologie, die den Nachweis dieser Bevölkerung zu erbringen versucht. Herr Protase hat in aller Breite Funde genannt, aufgezählt, die in den fraglichen Zeitraum zwischen der (politischen) Aufgabe Dakiens und der massiven slawischen Invasion gehören und entweder als
Schlußwort eines Archäologen
297
schlechthin römisch anzusehen sind oder zumindest in römischer T r a d i t i o n stehen. Die Liste dieser Fundkomplexe war gegliedert nach den Fundumständen: in den antiken Städten, in und bei römischen M i l i t ä r s t a t i o n e n , in ländlichen Siedlungen, die über das Ende der römischen Herrschaft hinweg fortbestanden und solchen, die erst in spätantiker Zeit neu begründet wurden. Der Referent d i f f e renzierte außerdem nach den Hauptlandschaften des heutigen Rumäniens: Siebenbürgen, Moldaugebiet, Walachei. Neben den Siedlungen wurden auch die Bestattungsplätze und die Münzfunde herangezogen. Im ganzen ergab sich das Bild einer fortbestehenden römischen Zivilisation außerhalb der Reichsgrenzen bis ins 6. Jahrhundert, verbunden zwar mit einem Abbau des zivilisatorischen Niveaus namentlich in den Städten, wo die politischen Einrichtungen untergegangen waren, wo Steinarchitektur, Von einer
Inschriften und Denkmäler
fortan unbekannt
waren.
"Verdörflichung" war die Rede im Zusammenhang mit dem nun g e l -
tenden Wirtschaftssystem. Besonderen Nachdruck legte der Vortragende auf die Zeugnisse des Christentums - zumeist in Gestalt von Kleinfunden. Die f o r t l e bende römische Bevölkerung wurde von ihm als durchweg christianisiert angesehen, und vom christlichen Bekenntnis sei eine stabilisierende Wirkung für die Romanität der Bevölkerung in Dakien ausgegangen. Die jahrhundertelang geübte Isolation der romanischen Bevölkerung wurde erst gegenüber den Slawen aufgegeben; es gibt, so wurde gesagt, keine rein slawische Siedlung; das romanische Substrat ist f o r t a n immer dabei. Der zahlenmäßig geringe Umfang historischer Nachrichten über Träger der lateinischen bzw. romanischen Sprache im Gebiet der unteren Donau, der Protase bereits herausgestellt
von
war, wurde d e u t l i c h auch aus den Ausführungen
von Herrn lliescu, die eben diesen Nachrichten galten. In scharfsinniger
Inter-
pretation geeigneter Belegstellen aus der historiographischen bzw. hagiographischen L i t e r a t u r - die betreffenden Episoden hatten o f t ausgesprochenen U n t e r haltungswert - führte er den Nachweis, daß im 6. und 7. Jahrhundert sowohl nördlich wie auch südlich der Donau noch lateinisch gesprochen wurde, und zwar ein L a t e i n , das das Endstadium seiner Entwicklung erreicht hatte und u n m i t t e l bar vor dem Übergang in romanische Idiome stand. Dabei hatte die L a t i n i t ä t der norddanubischen Bereiche die stärkeren Beeinträchtigungen hinnehmen müssen, doch sollte gerade hier sich die Situation im 7. und 8. Jahrhundert durch die weitere Südverlagerung der Slawen bessern.
298
Hermann A m e n t
Zum Schluß kam, was die Entstehung des rumänischen Volkes anbelangt, nach der von Herrn Protase mit aller Eindringlichkeit vorgetragenen Autochthonentheorie
noch
einmal
die dieser
entgegengesetzte
Einwanderungstheorie
zum
Wort. Herr Schramm stützte seine Schlüsse vor allem auf Lehnwortverhältnisse im O r t s - und Flußnamenbereich. So vermutete er die Wohnsitze der mehrheitlich romanischen Bevölkerung im Augenblick der slawischen Landnahme da, wo sich
slawische Lehnwörter
aus dem Lateinischen vermehrt finden lassen; das
sind die Küstenlandstriche Dalmatiens und weite Strecken der Flußtäler von Save und Donau. M i t entsprechender Argumentation machte er glaubhaft, daß die Romanen dort nicht verblieben sind, vielmehr vertrieben wurden, daß sich die Stadtbevölkerung vornehmlich in einen "makedonischen Stadtstreifen" zurückzog, während die romanische Landbevölkerung an den Rand des
landwirtschaftlich
nutzbaren Gebietes gedrängt und zur Existenzform von Bergnomaden gezwungen wurde. Schauplatz dieses Geschehens waren vermutlich Teile des Balkan- und Rhodope-Gebirges, von wo nach zeitweiliger und zeitlich aufeinander folgender Symbiose
mit
Altbauern
und Slawen Wanderungsbewegungen ausgingen, deren
bedeutendste die der Rumänen war, wie sie fortan genannt wurden.
Schlußwort eines Historikers Gerhard Wirth, Bonn Der Historiker befindet sich bei dem hier abgehandelten Thema über die Völker Südosteuropas vom 6. bis zum 9. Jahrhundert in einer eigenartigen Zwangslage. Denn in der Prüfung eines Kolloquiums wie des hier stattgefundenen auf seine Ergebnisse von seiner Seite her ist er von Quellen abhängig, die ihm andere, meist inadäquate Ansätze vermitteln und die zwangsläufig so auch zu anderen Aspekten führen, dies selbst dort, wo er sich, dankbar für Ergänzung, Bestätigung oder Korrektur, durch Archäologie, Früh- und Sprachgeschichte in neue Zusammenhänge gebracht sieht. Indes, was diese Tage hindurch in verschiedenen Referaten und einander ergänzenden Perspektiven immer wieder deutlich wurde, erscheint dennoch als das gelungene Modell des Aufeinanderwirkens von in sich vielfältigen Bereichen und dies selbst in den Aporien oder an Stellen, an denen scheinbare Fortschritte zugleich auch neue Begrenzungen für ihn aufzuweisen scheinen. Er wird dankbar die räumlichen wie zeitlichen Zäsuren akzeptieren, die in der Themenstellung sichtbar werden. Eine Zusammenfassung von den angedeuteten Voraussetzungen aus aber läuft nichtsdestoweniger Gefahr, Inhalt und Ergebnis des Kolloquiums in ein schiefes Licht zu rücken, indem sie nur zu wiederholen vermag, was an anderer Stelle in gleichsam handfesterem Zusammenhang dargelegt worden war. Was das Kolloquium sich zu behandeln vornahm, ist ein epochaler Zwischenbereich, in dem das Ende der Antike sich zumindest abzeichnet, das Mittelalter, anders als im übrigen Europa, in den Anfängen steckt und seine Ausprägung kaum gefunden hat, mag dies sich in angegebenen Räumen spätestens im 9. Jahrhundert dann auch ändern. Von der Alten Geschichte ausgehend, die auch für die frühbyzantinische Epoche bestimmend scheint, ergeben die hier deutlich gewordenen Erkenntnisse das Bild einer lange zuvor ausgeprägten politischen und militärischen Tradition, die die Entwicklung als Ganzes in Analogien zu sehen nahelegt. Wohl beruht die Sprache der einschlägigen historiographischen Literatur, und Gleiches gilt selbst für die epigraphischen Quellen, auf Inhalten und Vorstellungen, die so zwangsläufig eine andere Welt spiegeln als die, um die es hier geht, so daß für eine kritische Prüfung der Sachverhalte von vornherein Vorbehalte bleiben müssen. Von dem beibehaltenen, irreführenden Namen noch herodoteischer Provenienz abgesehen, fehlen antiker Terminologie die Möglichkeiten etwa der Umschreibung von Ethnogenese gänzlich. Andererseits
300
Gerhard Wirth
a r b e i t e t diese Historiographie im Hellenismus f i x i e r t , hier eines
m i t einer Barbarenoptik, die längst vorgeprägt,
weiterentwickelt,
ebenfalls
zur
dann durch
vorweggenommenen
Poseidonios
für
Verzeichnung
die
Nachwelt
wird:
Die
Züge
Hunnen-, Slawen- oder Avarenbildes scheinen mit solchen ethnographi-
schen K r i t e r i e n nicht mehr zu erfassen, und die antiken Topoi, hier in lediglich simplifizierender
Übersteigerung strapaziert, sind Zeichen eines fast
hilflosen
Bemühens, den Dingen mit unzureichenden M i t t e l n gerecht zu werden. Nimmt
man indes die spätantiken und byzantinischen Quellen und die in ihnen
gebotenen Nachrichten als verwertbares Material dennoch ernst, so ergibt sich innerhalb der erwähnten T r a d i t i o n das Gesamtbild eines Prozesses, das t r o t z a l ler Vorbehalte viel für sich haben mag. Die Tradition beginnt mit der Eingliederung des Balkangebietes in das Imperium Romanum und stellt sich als ein die Jahrhunderte hindurch in offenkundig voller Absicht f o r t g e f ü h r t e r , wenngleich die
vorhandenen einheimischen
Substrate
keineswegs
ausschaltender
Komplex
von Romanisierung auf vielen Wegen dar. Zivilisation scheint wie überall dabei nur ein Aspekt. Sie w i r k t zugleich mittels Osmose, A k k u l t u r a t i o n und schließlich Assimilation auf die Völker am Rande und kanalisiert einen stärker als an anderer Stelle des Imperiums sich abzeichnenden anhaltenden Zustrom auswärtiger Elemente. Es bleibt zu fragen, wie weit in solcher Verwirklichung des Gedankens von einem Imperium
sine
fine zwischen- oder innerstaatliche
Rechtsvor-
stellungen oder Vertragsverhältnisse und selbst die Frage nach Grenze oder Vorf e l d über formale Prämissen hinaus die dominierende Rolle spielen, die sie in moderner Deutung einnehmen, oder aber, ob in längst entwickelter, einschlägiger Pragmatik dann etwa jener vieldiskutierte Westgotenvertrag von 382 von römischer Staatsführung als die Wende angesehen wurde, die den Imperiumsbegriff in der Folgezeit von Grund auf veränderte. Ethnische Prozesse und ihre näheren wie weiteren Folgen jenseits der Grenzen und im weiter entfernten Hinterlande des Balkangebietes w i r k l i c h zu kontrollieren, war Rom in der frühen Kaiserzeit offenkundig weder willens noch w i r k l i c h imstande, und so scheint man auch die in diesen Räumen sich zwischen Augustus und Marc Aurel vollziehenden Bevölkerungsexplosionen viel zu spät bemerkt zu haben. Im wesentlichen sind auch die offenkundig Jahrhunderte hindurch anhaltenden Ursachen für eine solche unbekannt geblieben oder aber entzogen sich römischem Interesse. So entlädt sich gerade in die Räume, um die es hier geht, ein germanischer Überdruck in den Völkerwanderungsbewegungen des 2. und 3. Jahrhunderts bereits mit elementa-
Schlußwort eines Historikers
301
rer Gewalt. Als Folge entleert sich das römische Territorium sichtbar, während Barbarisierungssymptome in ihm bereits aus den archäologischen Zeugnissen unverkennbar sind und die bisherigen Siedlungen sich zu verkleinern beginnen, ein Prozeß, der sich die folgenden Jahrhunderte hindurch fortsetzt. Wohl gelingt es, nach dem Sichtotlaufen dieser Bewegungen an der Grenze jeweils für kurze Zeit die Ordnung neu zu errichten. Für die letzte dieser Bewegungen, 376 beginnend, freilich ist es ein Novum, daß sie erstmals offensichtlich das gesamte eurasische Hinterland nun auch für die Antike sichtbar mit in sich einbezieht und so auch ihrer Selbstdarstellung neue Dimensionen aufzwingt. Der allmähliche Abzug der Germanen jenseits wie danach auch diesseits der Donau bewirkt für Byzanz ein Vakuum, das neu zu füllen unmöglich wird. Früh im Laufe dieser Entwicklung fällt der Westen als Partner in der Bewältigung der mit all dem verbundenen Probleme aus: Es liegt nahe, daß man 424 die Kontrolle über Gesamtillyricum bis an das obere Donauknie zur eigenen Sicherung kaum mehr freiwillig übernahm und in der Etablierung eines hunnischen Großreiches in heterogener Zusammensetzung von Pannonien bis an den Kaukasus wenigstens am Anfang die Möglichkeit eines Verbindungsgliedes und als allgemeine Kompensation sah. Attila, der römische Magister Militum, und die hunnischen Verbindungen des Aetius einige Jahrzehnte hindurch scheinen bezeichnend, und ähnlich erklären sich die byzantinischen Vertragsbemühungen wie die gezahlten Subventionen aus dem Bemühen, aus der eigenen Schwäche noch das beste zu machen. Attila anderseits ist es auch, der erstmals die Forderung nach fester Grenze und einem unbesiedelten Niemandsland formuliert. Mit dem Ende seines Reiches und einige Jahre nach dem Abzug der Ostgoten nach Italien wird eine Kontrolle Ulyricums in seiner ganzen Ausdehnung unmöglich, mochte formal auch die alte römische Imperiumsvorstellung in Byzanz aufrechterhalten bleiben, ja in den folgenden Jahrhunderten sich als ideologische Hegemonialforderung noch weiter ausdehnen. Nach wie vor sucht man die Staatenbildung zu fördern und so die Verhältnisse zu stabilisieren. Die christliche Mission als politischer Faktor wurde hier ausgeklammert: Sie begleitet die Außenpolitik vom 4. Jahrhundert an als deren wichtigste Gehilfin weit über Zeit und Raum hinaus, wie sie hier einzugrenzen waren. Die Analogie zum Imperium Romanum, jetzt auf anderer Ebene, ist unverkennbar. Bulgarenkriege bereits seit den letzten Jahren des 5. Jahrhunderts werden angezweifelt. Indes, der neue Name selbst läßt auf eine neue Phase von Ethnogenese
302
Gerhard Wirth
schließen, die sich zwischen Kaukasus, Don und Siebenbürgen vollzog und schnell zu einer
neuen Zuwanderung in die Räume nördlich der unteren Donau führen
mußte. Wie weit in diesen Räumen unter schwer definierbaren Namensbezeichnungen zugleich bereits Slawen siedelten, nunmehr verschoben wurden und von da an einen Prozeß friedlichen Einsickerns in die leer gewordenen Räume Makedoniens, Thrakiens und im 6. Jahrhundert Griechenlands begannen, ist im einzelnen nicht klar überliefert; es wäre möglich, daß das vorgesehene Referat über Slawen und Avaren im Gebiet des heutigen Rumänien, von dem eine zusammenfassende Kurzfassung vorliegt, hier neue, wichtige Erkenntnisse erbracht hätte. Von absoluten ethnischen Abgrenzungen oder politischer Durchorganisation wird man für keine der ü b e r l i e f e r t e n , politisch aufzufassenden Größen ausgehen dürf e n . Vielmehr vollzieht sich d e u t l i c h eine friedliche Symbiose innerhalb der a l ten Imperiumsgrenzen im Nebeneinander und im Zivilisationsaustausch, d. h. in einer gleichsam genuinen, so gut es ging traditionellen Weise gemäß den bekannten, stets geübten Praktiken und Formen der römischen Kaiserzeit, wenngleich j e t z t
ohne deren
Kontrollmöglichkeiten.
Nicht lange danach, in einer
plausiblen Phasenverschiebung, versucht Justinians Baupolitik
in diesen Gebie-
t e n , so wie es bei Prokop erscheint, die Verwirklichung eines bereits unter Anastasios
sich
abzeichnenden
Konzepts
von
erneuter
Sicherung besonders der
Grenzgebiete. Befestigung und der Gedanke von Zivilisation in ihrem Hintergrunde erscheinen von solcher Grundlage aus als die letzte mögliche Steigerung des überkommenen römischen Gedankens. Wenigstens südlich der unteren Donau und j e t z t auf einer Linie von Sirmium zur Adria noch einmal jenen alten Assimilationsprozeß zu wiederholen und die Genese eines neuen, friedlichen Untertanensubstrates zu fördern, bleibt ein Programm, zu dessen Verwirklichung neben den M i t t e l n f r e i l i c h auch die Voraussetzungen fehlen, und der Mangel eines Romanisierungsmediums macht schnell alles zur Illusion. Noch zu Lebzeiten des Kaisers w i r d , neben anhaltendem friedlichen Einsickern, die Hauptstadt selbst von bulgarisch-slawischen
Heeren bedroht, deren Entstehung nunmehr auch die
politische Organisation und eine klar sich abzeichnende Stoßrichtung vorausgeht. Seit dieser Zeit auch sind die Namen einzelner slawischer Herrscher und Heerführer
bekannt. Doch ist weniger als je um diese Zeit das Durcheinander von
Namen m i t den M i t t e l n historiographischer Definition zu durchdringen oder aber aus
Namensklitterung
und Mythifizierungsversuchen
zeitgenössischer
Darstel-
lungen und Chroniken etwas wie ein auch im Detail brauchbarer historischer
Schlußwort eines Historikers
303
Kern herauszufinden. Zwar wird man für die Gebiete außerhalb des byzantinischen Grenzbereiches und nördlich der Donau immer noch von einem latinisierten Substrat zumindest in den festen Siedlungen und angesichts der Erwähnung des Gepidennamens im 5. und 6. Jahrhundert selbst von einer germanischen Restpräsenz in den Gebieten Siebenbürgens für diese Zeit ausgehen können: Der Vielvölkerverband der Avaren breitet sich im letzten Drittel des Jahrhunderts schnell zwischen Kaukasus und mittlerer Donau aus, gelagert um einen kaum sehr starken ethnischen Kern, doch mit einer Offensivität des Ausgreifens, die schnell die wesensverwandten oder -fremden vorgefundenen Substrate an sich reißt und unterwirft. Das Verhältnis zu Byzanz ist ein anderes als das eines Attila im 5. Jahrhundert; trotz kaum abreißender Kriege ist das Reich im Süden keineswegs das einzige Objekt avarischer Interessen. Dabei erscheint trotz sich gleichsam natürlich ergebender Analogien die Organisation des entstehenden Reiches straffer als in dem der Hunnen, doch neben dem Khaganat ist unverkennbar die Herausbildung einer sozialen Rangordnung und vor allem einer Aristokratie, die unabhängig von der ethnischen Zugehörigkeit und für neuen Zuwachs von außen her offen bleibt und damit eine unter Attila steckengebliebenen Entwicklung unter anderen Voraussetzungen weiterführt. Zivilisationsformen und die den archäologischen Zeugnissen zu entnehmende Entwicklung der Kriterien von Selbstdarstellung in traditioneller Weise mit Hilfe byzantinischer Gefangener über Generationen hin spiegeln eine in sich geschlossene Epoche auch für diesen Bereich, die sich länger hinzog als dies im 5. Jahrhundert für die hunnische möglich war. Ein wirklich politisches Ziel der noch im 6. Jahrhundert beginnenden Auseinandersetzung mit Byzanz freilich ist nicht zu erkennnen. Doch bedeutet die Katastrophe von 626 vor dieser Stadt einen Rückschlag, als dessen Folge ein Komplex von Abfallsbewegungen und selbständigen Aktionen bisher untertaner Gruppen einsetzt. Die Zeugnisse der Vita S. Demetrii gehören in diesen Zusammenhang, während die Nachrichten über die slawische Landnahme in dem seit dem 5. Jahrhundert von keiner Seite mehr gesicherten Ostalpengebiet und in Dalmatien wenig an avarischem Druck im Hintergrunde erkennen läßt. Mochte sich in Pannonien das Avarenreich halten, im Osten läßt die Wandersage von der Verteilung der Kuwratsöhne als historischer Kern eine Schubbewegung erkennen, die sich in ihren innerasiatischen Ursprüngen längst anzeigend, zu neuer bulgarischer Zuwanderung nördlich der Donau und Symbiose mit dem inzwischen stabilisierten, zahlenmäßig weit überlegenen slawischen Substraten
304
Gerhard Wirtli
f ü h r t . Die romanisierten Reste verflüchtigen sich vorerst, ohne indes zu verschwinden. Seit dem 6. Jahrhundert war für Byzanz eine Kontrolle des südlichen Pannoniens und auch streckten sich Hauptstadt Schauplätze
die
Dalmatiens
nicht
Interessengrenzen
entfernt,
mehr in
möglich gewesen. Nunmehr
Thrakien, nicht
während das Augenmerk
dort
allzu
weit
zwangsläufig
auf
er-
von der andere
gerichtet ist. Bulgarenkriege in der folgenden Z e i t , mochten sie
sich auch weiter nach Norden erstrecken, dienten der Abwehr neuer Bedrohung, nicht aber mehr der Wiedergewinnung verlorener T e r r i t o r i e n , für die die Kräfte nicht
mehr
ausreichten. Byzantinische Expansion verlagert sich nicht
deshalb von dem politischen auf andere Wirkungsbereiche.
zuletzt
Autoren der Beiträge
Prof. Dr. Hermann Ament Universität Mainz Institut für Vor- und Frühgeschichte Saarstr. 21 D-6500 Mainz Prof. Dr. Dr. Evangelos Chrysos Panepistimion loanninon Spoudastirion Byzantinis lstorias 1 Napoleontos Zerva-Salamaga GR-45332 loannina Dr. Slavko Cigleneöki ZRC SAZU Institut za arheologijo Novi trg 5 YU-61000 Ljubljana Dr. Maria Cornea Academia R.P.R. lnstitutul de Arheologie Str. l.C. Frimu 11 RO-71119 Bukarest 22 Dr. Eva Garam Magyar Nemzeti Müzeum Müzeum körüt 14-16 H-1370 Budapest V111 Prof. Dr. Bernhard Hansel Freie Universität Berlin Seminar für Ur- und Frühgeschichte Altensteinstr. 15 D-1000 Berlin 33
Ditnitär Ov£arov Bälgarska Akademija na Naukite (BAN) ul. 7 Noemvri No 1 BG-1040 Sofia Dr. Walter Pohl Universität Wien Institut für österreichische Geschichtsforschung Dr. Karl-Hager-Ring 1 A-1010 Wien Prof. Dr. Vladislav Popovic ArheoloSki Institut Knez Mihailova 35 YU-i 1000 Belgrad Prof. Dr. Dimitriu Protase Muzeul de Istorie al Transilvaniei str. Emil lsac nr. 2 RO-3400 Cluj-Napoca Prof. Dr. Norbert Reiter Freie Universität Berlin Osteuropa-Institut Garystr. 55 D-1000 Berlin 33 Prof. Dr. Gottfried Schramm Universität Freiburg Historisches Seminar Heinrich-von-Stephan-Str. 25 D-7800 Freiburg
Prof. Dr. Kurt Horedt Kronwinklerstr. 48 D-8000 München 60
Dr. Endre Töth Magyar Nemzeti Müzeum Müzeum körüt 14-16 H-1370 Budapest VIII
Dr. Attila Riss Magyar Nemzeti Müzeum Müzeum körüt 14-16 H-1370 Budapest VIII
Prof. Dr. Velizar Velkov Bälgarska Akademija na Naukite (BAN) ul. 7 Noemvri No 1 BG-1040 Sofia
Prof. Dr. Phaidon Malingoudis Universität Thessaloniki Seminar für Slawistik Dim. Aslani 3 GR-Thessaloniki
Prof. Dr. Gerhard Wirth Universität Bonn Seminar für Alte Geschichte Am Hof 1 e D-5300 Bonn
306 VERÖFFENTLICHUNGEN DER SÜDOSTEUROPA-GESELLSCHAFT Südosteuropa-Jahrbücher Im Namen der Südosteuropa-Gesellschaft herausgegeben von Wilhelm Gülich ab Band 4 von Rudolf Vogel, ab Band 7 von Walter Althammer
,
Band
1:
Südosteuropa zwischen Ost und West, 224 S., München 1957. (DM 15,80).
Band
2:
Ideologische, kulturelle und wirtschaftliche Wandlungen in Südosteuropa, 191 S., München 1958. (DM 15,80)
Band
3:
Wirtschaftliche Entwicklung und volkliche Eigenständigkeit in Südosteuropa, 199 S., München 1958. (DM 15,80)
Band
4:
Der gegenwärtige Stand der wirtschaftlichen und kulturellen Beziehungen zu Südosteuropa, 245 S., München i960. (DM 15,80).
Band
5:
Die Donau in ihrer geschichtlichen, wirtschaftlichen turellen Bedeutung, 187 S., München 1961. (DM 15,80)
Band
6:
Die Volkskultur der südosteuropäischen Völker, 216 S., München 1962. (vergr.)
Band
7:
Deutsch-Südosteuropäische Wirtschaftsprobleme, 1966. (vergr.)
Band
8:
Die Stadt in Südosteuropa - Struktur und Geschichte, 183 S., München 1968. (vergr.)
Band
9:
Wirtschafts- und Gesellschaftsgeschichte Südosteuropas im 19. und 20. Jahrhundert, 217 S., München 1970. (vergr.)
Band 10:
Wessel, Klaus (Hg.): Kunst und Geschichte in Südosteuropa, 188 S., Recklinghausen 1973. (DM 30,--)
Band 11:
Die zeitgenössischen Literaturen Südosteuropas, 220 S., München 1978- (DM 5 5 , - )
Band 12:
Grothusen, Klaus-Detlev, Othmar Haberl; Wolfgang Höpken (Hgg.): Jugoslawien am Ende der Ära Tito, 2 Bände, 181/298 S., München-Wien 1983/1986. (je DM 6 8 , - )
Band 13:
Hansel, Bernhard (Hg.): Südosteuropa zwischen 1600 und 1000 v. Chr., 408 S., Berlin 1982. (DM 190,—)
Band 14:
Stanic, Michael: Dalmatinisches München-Zürich 1983. (DM 34,—)
Band 15:
Gumpel, Werner (Hg.): Grenzüberschreitender Umweltschutz, 152 S., München 1985. (DM 34,—)
und kul-
138 S., München
Reisebuch,
204
S.,
307
Band 16:
Gumpel, Werner und Roland Schönfeld (Hgg.): Politik und Wirtschaft in Slidosteuropa. Festschrift für Rudolf Vogel, 228 S., München 1986. (DM 4 6 , - ) Südosteuropa-Studien (eine Auswahl)
Im Namen der Südosteuropa-Gesellschaft Heft 8 von Walter Althammer
herausgegeben von Rudolf Vogel, ab
Heft 14:
Althammer, Walter (Hg.): Die Donau als Verkehrsweg Südosteuropas und die Großschiffahrtsstraße Rhein-Main-Donau, 126 S., München 1969. (DM 26,—)
Heft 15:
Gülich-Bielenberg, Hanna (Red.): Die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft und der Handel mit Südosteuropa. Die Folgen der EWG-Kompetenzerweiterung für den Südosthandel, 34 S., München 1970. (DM 12,—)
Heft 16:
Zotschew, Theodor D.: Der Außenhandel als Faktor des wirtschaftlichen Wachstums der sozialistischen Staaten Südosteuropas, 30 S., München 1971. (DM 8,—)
Heft 17:
Ruppert, Karl und Jörg Maier (Hgg.): Der Tourismus und seine Perspektiven für Südosteuropa, 185 S., München 1971. (DM 24,--)
Heft 18:
Pernack, Hans-Joachim: Probleme der wirtschaftlichen Entwicklung Albaniens. Untersuchung des ökonomischen und sozioökonomischen Wandlungsprozesses von 1912/13 bis in die Gegenwart, 196 S., München 1972. (DM 24,--)
Heft 19:
Grothusen, Klaus-Detlev (Red.): Symposion des wissenschaftlichen Beirates der Südosteuropa-Gesellschaft am 25-/26. Juni 1971 in München: Ergebnisse und Pläne der Südosteuropa-Forschung in der Bundesrepublik Deutschland und Österreich, 194 S., München 1972. (DM 20,—)
Heft 20:
Zotschew, Theodor D.: Strukturwandel in Wirtschaft und Gesellschaft Südosteuropas. Eine sozial-ökonomische und statistische Analyse anläßlich des 20jährigen Bestehens der Südosteuropa-Gesellschaft, 113 S., München 1972. (DM 20,--)
Heft 21:
Gülich-Bielenberg, Hanna (Red.): Zukunftsperspektiven Donauschiffahrt nach 1980, 68 S., München 1973. (DM 12,--)
Heft 22:
Hartl, Hans (Red.): Deutsch-rumänisches Colloquium junger Historiker, Kulturhistoriker, Zeitgeschichtler, 150 S., München 1974. (DM 25,—)
Heft 23:
Hartl, Hans (Red.): Das Gastarbeiterproblem. Rotation? Integration? Arbeitsplatzverlagerung? Jugoslawien, Griechenland, Türkei, 167 S., München 1975. (DM 25,—)
der
3o8 Heft 24:
Kontetzki, Heinz: Agrarpolitischer Wandel und Modernisierung in Jugoslawien. Zwischenbilanz einer sozialistischen Entwicklungsstrategie, 563 S., Nürnberg 1976. (= Nürnberger Forschungsberichte, Bd. 7 (DM 24,—)
Heft 25:
Hartl, Hans (Red.): Transportproblem Nahost, Güterströme suchen ihren Weg, 175 S., München 1976. (DM 25,—)
Heft 26:
Ronneberger, Franz (Hg.): Türkische Kinder in Deutschland. 321 S., Nürnberg 1977. (= Nürnberger Forschungsberichte, Bd. 9) (DM 22,--)
Heft 27:
Gesemann, Wolfgang, Kyrill Haralampieff, Helmut Schaller (Hgg.): Bulgarische Sprache, Literatur und Geschichte, 276 S., Neuried 1980. (= Bulgarische Sammlung, Bd. 1) (DM 38,50)
Heft 28:
Ruppert, Karl und Hans-Dieter Haas (Hgg.): Industrialisierung und Urbanisierung in sozialistischen Staaten Südosteuropas, 152 S., Kallmünz-Regensburg 1981. (= Münchner Studien zur Sozial- und Wirtschaftsgeographie, Bd. 21) (DM 35,—)
Heft 29:
Gesemann, Wolfgang, Kyrill Haralampieff, Helmut Schaller (Hgg.): 1300 Jahre Bulgarien, Studien zum I. Internationalen Bulgaristikkongreß Sofia 1981, Teil 1, 473 S., Neuried 1981. (= Bulgarische Sammlung Bd. 2) (DM 108,—)
Heft 30:
Gesemann, Wolfgang, Kyrill Haralampieff, Helmut Schaller (Hgg.): 1300 Jahre Bulgarien. Studien zum 1. Internationalen Bulgaristikkongreß Sofia 1981, Teil 2, 322 S., Neuried 1982. (= Bulgarische Sammlung Bd. 3) (DM 97,—)
Heft 33:
Ronneberger, Franz: Die politischen Systeme Südosteuropas, 247 S., München-Wien 1983. (DM 44,—)
Heft 34:
Bernath, Mathias und Karl Nehring (Hgg.): Friedenssicherung in Südosteuropa. Förderationsprojekte und Allianzen seit dem Beginn der nationalen Eigenstaatlichkeit, 189 S., Neuried 1985. (DM 48,-)
Heft 35:
Gesemann, Wolfgang, Kyrill Haralampieff, Helmut Schaller (Hgg.): Bulgarien, Internationale Beziehungen in Geschichte, Kultur und Kunst, 262 S., Neuried 1984. (= Bulgarische Sammlung Bd. 4) (DM 57,-)
Heft 36:
Ruppert, Karl und Hans-Dieter Haas (Hgg.): Raumstrukturen der randalpinen Bereiche Bayerns und Sloweniens, 135 S., Kallmünz-Regensburg 1984. (= Münchner Studien zur Sozial- und Wirtschaftsgeographie Bd. 27) (DM 36,—)
Heft 37:
Djekovic, Liliana: Das Außenhandelssystem Jugoslawiens. Eine problemorientierte Analyse, 187 S., München 1984. (DM 38,-)
POPOVIC
TAFEL i
Die städtische Basilika von Sirmium, von Osten gesehen
P0P0V1C
TAFEL 2
r
1: Gräber in der städtischen Basilika von Sirmium. - 2: Grab aus der Nekropole der städtischen Basilika von Sirmium. - 3: Miniaturgrab aus der gleichen Nekropole.
POP0V1C
TAFEL 3
V»
J! II" >#f •
f^% *il
8
I: Verzierte Platte eines Beinkamms (Maßstab 1:1). - 2-8: Funde aus Grab l der Sonde V/137 m Sirmium, (2-3: Paar bronzener Ohrringe mit oktoedrischen Enden, gefunden in einem Krug, 4: Fragment eines silbernen Ohrrings mit oktoedrischem Ende, 5: Fragment eines doppelseitigen Beinkammes, 6-8: Silberschnallen - alle ohne Maßangabe).
P0P0V1C
TAFEL 4
s
wp*^"'^
i: Beinkamm mit halbrundem Griff und der Inschrift Silvana aus Sirmium. 2: Beinkamm mit halbrundem Griff und erweiterter Platte aus Cezava. 3: Beinkamm mit halbrundem Griff ohne erweiterte Platte aus Sirmium. (alle ohne Maßangabe)
POPOVIC
TAFEL 5
Funde aus dem Grab 18 von Vajuga. 1: Glasperlenkette, 2-3: Silbernes Fibelpaar, 4: Bronzespirale für den Zopf, 5: Glasierter Topf. - (alle ohne Maßangabe)
TAFEL 6
P0P0V1C
Funde aus dem Grab 7 bei der Trajansbrücke (Eisernes Tor): 1: Fünfeckige Gürtelplatte, 2: Militärgürtelschnalle, 3: Ringförmiges Gürtelstück, 4: Glasbecher mit blauen Tupfen, 5: Glasierter Krug. - (alle ohne Maßangabe)
POPOVIC
TAFEL 7
i: Militärgürtelschnalle aus Boljetin. - 2: Fünfeckige Gürtelplatte vom gleichen Ort. - 3: Riemenzunge einer Militärgürtelgarnitur aus Ravna. - 4: Militärgürtelplatte vom gleichen Ort. - (alle ohne Maßangabe)
TAFEL 8
P0P0V1C
i: Fragment eines dreieckigen Beinkammes mit Pferdeprotomen aus KarataS (ohne Maßangabe). - 2: Beinkamm mit profilierten Schmalseiten vom gleichen Ort (Maßstab 1:1).
OVCAROV
TAFEL 9
1: Madara (Bez. Sumen), das Hauptheiligtum im Kultzentrum unterhalb der Felsen. 2: Madara (Bez. Sumen), Felsheiligtum.
TAFEL
io
OVCAROV
- \
1: Pliska (Bez. Sumen), die heidnische Tempelanlage innerhalb des Palastbezirkes. - 2: Rekonstruktionsversuch des Palastes des Khans Krum in Pliska (nach St. Bojadziev).
OVCAROV
TAFEL 11
1: Topola (bez. Tolbuchin), Grubenhaus mit trockengemauerten Steinwänden. 2: Kjulcevca (Bez. Sumen), Kanne aus Grab 55.
TAFEL
12
OVCAROV
I : Garvan (Bez. Silistra), Scherbe eines Tonkessels mit inneren Ösen. 2: Smnicolau Mare (Nagyszentmiklös, Bez. Timi§oara, Rum.), Kanne Nr. 7.
OVCAROV
TAFEL 13
1: No2arevo (Bez. Silistra), Grab 54. - 2: Sumen, Steinplatte mit Schamanendarstellung vom Abhang der Festung. - 3: Madara (Bez. Sumen), Reiterrelief in der Felswand.
TAFEL
GARAM
14
**rv ^&»"_ti3£ —
*0 *
«2 1 *
*^i
£303 * Ü:
Gürtelteile aus dem Grab 1 von Päpa-Ürdomb, frühawarisch, 7. Jahrhundert.
GARAM
TAFEL 15
Gürtelteile aus dem Grab 186 von Tiszafüred, frühawarisch, Mitte des 7. Jhs.
TAFEL
GARAM
16
l »t
Steigbügel und Lanze aus Megyer, frühawarisch, 6.-7. Jahrhundert.
GARAM
TAFEL
17
Schwerter aus Grab 1 von Zsämbok (links) und Grab 1 von Törökbälint (rechts), beide frühawarisch, 7. Jahrhundert.
TAFEL 18
GARAM
Grabfunde aus Tiszafüred. - oben: Grab 440, spätawarisch, erste Hälfte des 8. Jahrhunderts. - Mitte: Grab 451, mittelawarisch, Wende vom 7. zum 8. Jahrhundert. - unten: Grab 493, spätawarisch, 8. Jahrhundert.
GARAM
TAFEL
19
s
17
Funde aus Grab 29 von Szeged-Fehertö, mittelawarisch (nach D. Csalläny, Arch. Ert. 1946-48).
GARAM
TAFEL 20
f #
-
Gürtelteile aus den Gräbern 1264 (oben: spätawarisch, erste Hälfte des 8. Jhs.) und 1271 (unten: spätawarisch, Ende des 8. Jahrhunderts) von Tiszafüred.
GARAM
*
TAFEL
21
^
Gürtelteile aus den Gräbern 1003 (oben: spätawarisch, erste H ä l f t e des 8. Jhs.) und 991 (unten: mittelawarisch, erstes D r i t t e l des 7. Jhs.) von Tiszafl""ed.
TAFEL 22
GARAM
Gegenstände aus Grab 653 von Tiszafured, spätawarisch, 8. Jahrhundert.
GARAM
TAFEL 23
Gefäße aus dem Grab 9 von Kiskörös Szücsi dülö (unten) und dem Grab 136 von Szebeny (oben), beide spätawarisch, 8. Jahrhundert.
TAFEL
24
GARAM
Stark abgenutzte Gürtelzierden aus den Gräbern 1245 (oben) und 1246 (unten) von Tiszafüred, 8.-9. Jahrhundert.
K1SS
TAFEL 25
Karte 1
Frühawarenzeitliche Spathen im Karpatenbecken (vgl. Liste 1).
Karte 2
Frühawarenzeitliche Schildbuckel im Karpatenbecken (vgl. Liste 2).
KISS
TAFEL 26
Karte 3
Awarenzeitliche eiserne Gürtelbeschläge im Karpatenbecken (vgl. Liste 3).
Karte 4
Awarenzeitliche eiserne oder bronzene Gürtelbeschläge mit "Zellen' im Karpatenbecken (vgl. Liste 4).
K1SS
TAFEL 27
Karte 5
Rechteckige, durchbrochene bronzene Glirtelbeschläge im Karpaten becken (vgl. Liste 5).
Karte 6
Awarenzeitliche Hack und Wiegemesser im Karpatenbecken (vgl. Liste 6).
TAFEL
K1SS
2i
100 km
0-150m
Karte i
|
f'
300-500m
lS0-300m I
B
»0-1000 tn
Kipfelförmige Ohrgehänge im Karpatenbecken (vgl. Liste 7). 0-15Om
|
150-300m |
300-501 0
500-1000«
^M 1000 m und mehr
Karte 8
Frühawarenzeitliche Stempelkeramik im Karpatenbecken (vgl. Liste 8).
TAFEL
K1SS
29
|18
e-7* •
B
. • T
^ « • 1
Karte 9
FrUhawarenzeitliche Kämme im Karpatenbecken (vgl. Liste 9).
0-l50m
\
300-500m
I50-300I* |
HiOOlOOOm
H
Karte 10
FrUhawarenzeitliche ovale eiserne Gürtelschnallen ken (vgl. Liste i o ) .
IOOO m und m.h,
im Karpatenbek
TAFEL
30
KISS
J_ O-tSDm
|
ISO-300m |
ifi^f
w
H
m
MOH
JMO-IOOO^
IOOO m und m«hr
"V^*UVS^'
"'"
•
Karte 11
3
Früliawarenzeitliche Scheren im Karpatenbecken (vgl. Liste i i ) .
TAFEL 31
TOTH
Völkerwanderungszeitliche Scheibenfibeln. l : Keszthely Fenekpuszta 2: Nagyharsäny.
TAFEL 32
ClGLENECKl
1: Das Areal der spätantiken Festung Velike Malence. 2: Frühchristliche Kirche auf dem Korinjski hrib.
TAFEL 33
ClGLENECKl *
i:
91 ! P £ »n^w
1§. $ '«'S
IM. •
I: Korinjski hrib. Verteidigungsturm mit Zisterne im Unterteil der Anlage. 2: Spätantike beiestigte Höhensiedlung Gradec bei Prapretno.
CIGLENECKI
TAFEL 34
i*?MPvV
i: Felsenplateau der Festung Sv. Pavel über Vrtovin. 2: Vorzüglich erhaltene spätantike Zisterne vom gleichen Ort.
TAFEL 35
CIGLENECK1
w