Romische Jurisprudenz in Gallien 2. Bis 8. Jahrhundert 3428109368, 9783428109364


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Table of contents :
Vorwort
Inhalt
Abkürzungen
Einleitung
Erstes Kapitel: Die einzelnen Juristen
I. Das römische Zeitalter
1. Q. Valerius Virillio
2. L. Baebius Eucles
3. P. Gabinius Firmanus
4. Anonymus semivir
4a. Valerius Latinus Euromius
4b. Amator
5. Claudius Postumus Dardanus
6. Germanus
II. Das gotisch-burgundische Zeitalter
7. Eparchius Avitus
8. Palladius
9. Flavius Nicetius?
9a. Explicius?
10. Tetradius
11. Fidulus?
11a. Eutropius
12. Filimatius?
13. Petronius
14. Marcellinus
15. Leo
16. Syagrius?
Zwischenergebnis
16a. Gojarich
16b. Anianus
III. Das fränkische Zeitalter
16c. Parthenius
17. Celsus
18. Lupus?
19. Felix von Marseille
20. Andarchius
20a. Venantius Fortunatus
21. Asclipiodetus
22. Claudius
23. Felix presbyter
24. Desiderius
24a. Leodegar
24b. Praeiectus
25. Bonitus
26. Walbert levita?
Zweites Kapitel: Verfügbarkeit der römischen Rechtstexte bis zum 9. Jh.
I. Außerhalb Galliens entstandene Texte
1. Codex Theodosianus
2. Paulussentenzen
3. Codex Gregorianus
4. Codex Hermogenianus
5. Codex Justinianus
6. Julianepitome
7. Theodosianische Novellen
8. Institutionen des Gajus
9. Papinians Responsen
10. Pauls Responsen
11. Fragmenta Vaticana
12. Stemma agnationis
13. Collatio
14. Pauls De gradibus
15. Pseudo-Ulpians Regularum liber singularis
16. Modestins Regulae
17. Modestins Differentiae
18. Die alten Summarien zum Theodosianus
18a. Ulpians De officio proconsulis
18b. Ulpians Ediktkommentar
18c. Ulpians Sabinuskommentar
18d. Pauls Ediktkommentar
19. Justinians Institutionen
20. Justinians Digesten
21. Anonymus, De gradibus
22. Mäcians Assis distributio
22a. Pauls Institutionen
II. In Gallien entstandene Texte
23. Breviar
24. Epitome Aegidii
25. Die sog. Lex Romana Curiensis
26. Epitome monachi
27. Epitome Lugdunensis
28. Epitome Guelferbitana
29. Scintilla I (sog. Epitome Parisina)
30. Scintilla II (Epitome der Fuldaer Handschrift)
31. Die Epitome der Sankt Gallener Handschrift
32. Die Breviarausgabe der Seldenschen Handschrift
33. Die älteren sog. Explanationes titulorum des Breviars
34. Die jüngeren Explanationes titulorum
35. Älterer Glossenapparat zum Breviar
36. Jüngere Glossen zum Breviar
37. Summen zum Breviar
38. Die sog. Appendix I zum Breviar
39. Die sog. Appendix II zum Breviar
40. Die Lex Romana für Burgund
41. Randsummen zur Lex Romana für Burgund
42. Die Gajusepitome
43. Die Interpretationen zu den Paulussentenzen
44. Die Interpretationen zum Gregorianus und Hermogenianus
45. Die Interpretationen zum Theodosianus und den theodosianischen Novellen
46. Die Sirmondschen Konstitutionen
46a. Die sog. Collectio Gaudenziana
47. Der Gajus von Autun
48. Die sog. Consultatio
III. Ergebnis
Drittes Kapitel: Die gallischen Werke im Einzelnen
I. Das römische Zeitalter
1. Der Gajus von Autun
2. Scholien zu den sog. Fragmenta (iuris) Vaticana
3. Vermehrte und verbesserte Neuausgabe der Fragmenta Vaticana
4. Die Gajusepitome
a) Befund. Karakter
b) Datierung
c) Lokalisierung
d) Einteilung und Inhalt
5. Der Grundstock der Sirmondschen Konstitutionen
6. Kapitel 4 bis 6 der Consultatio (A)
7. Kapitel 1 bis 3 und 7 bis 9 der Consultatio (B)
8. Die sog. Appendix I zum Breviar
9. Die sog. Appendix II zum Breviar
10. Die Interpretationen zu den Paulussentenzen
11. Die Interpretationen zum Codex Gregorianus
12. Die subjektiv stilisierten Interpretationen zum Codex Theodosianus nebst Novellen
13. Die objektiv stilisierten Interpretationen dazu (und zugleich)
14. Die Interpretationen zum Theodosianus von Vat. reg. 520 Bl. 94 f.
a) Äußerer Befund. Karakter
b) Textteile Alarichs II.
c) Lokalisierung
d) Datierung
e) Ziele
II. Das gotisch-burgundische Zeitalter
14a. Der sog. Codex Euricianus
a) Äußerer Befund
b) Intention
14b. Die Lex Burgundionum
15. Die Lex Romana Visigothorum (Breviar)
a) Entstehung. Datum
b) Inhalt
c) Geltung
16. Die Lex Romana für Burgund
16a. Die sog. Fragmenta Gaudenziana
17. Die Appendix III zum Breviar
III. Das fränkische Zeitalter
17a. Die Lex Salica
18. Die älteren sog. Explanationes titulorum des Breviars
19. Die jüngeren Explanationes titulorum
20. Die Lyoner Parafrasen zum Breviar (sog. Epitome Lugdunensis)
21. Die Lyoner Summen zum Breviar (sog. Epitome Lugdunensis)
22. Die Formelsammlung von Angers
a) Äußere Daten
b) Inhalt
23. Die Formelsammlung von Cordoba
23a. Markulfs Formelsammlung
24. Die sog. Epitome Guelferbitana
a) Äußere Daten
b) Inhalt
25. Älterer Glossenapparat zum Breviar
26. Jüngere Glossen zum Breviar
27. Die Lyoner Glossen zum Breviar
28. Summen zum Breviar
29. Die sog. Epitome Aegidii
a) Befund. Karakter
b) Autor und Inhalt
c) Kritische Töne
d) Datierung
e) Lokalisierung
30. Die sog. Lex Romana Curiensis.
31. Die Formelsammlungen von Bourges
a) Die Sammlung des frühen 8. Jhs.
b) Der Bestand an jüngeren Formeln
c) Die Gruppe der sieben Formeln
d) Die Gruppe der acht Formeln
e) Eine letzte einzelne Formel
32. Die Formelsammlung von Tours
a) Der Bestand
b) Der Autor des Grundstocks
c) Verhältnis des Grundstocks zum Breviar
d) Der Nachtrag
33. Die Formelsammlung von Clermont Ferrand
34. Die sog. Epitome monachi
35. Scintilla I (sog. Epitome Parisina)
a) Überlieferung
b) Lokalisierung. Autor
c) Datierung
d) Quellen
e) Inhalt
f) Einflüsse. Intention
g) In- und Subskriptionen
36. Randsummen zur Lex Romana für Burgund
Viertes Kapitel: Weitere Nachrichten
I. Das römische Zeitalter
1. Hofjuristen in Trier
2. Tour ehrt einen rechtskundigen Gouverneur
II. Das gotisch-burgundische Zeitalter
3. Fehlanzeigen in gallischen Rechtsbibliotheken
4. Das Ende der reichsrechtlichen Ordnung im Rheingebiet
5. Rechtskundige Richter im ostgotischen Marseille
III. Das fränkische Zeitalter
6. Die römischrechtlichen Testamente der Merowingerzeit
7. Die Konzilsväter in Tours 567 kennen Rechtsgelehrte
8. Isidor von Sevilla
9. Aldhelm von Malmesbury
Zusammenfassung
Quellen
Handschriften
Personen
Orte und Sachen
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Romische Jurisprudenz in Gallien 2. Bis 8. Jahrhundert
 3428109368, 9783428109364

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DETLEF LIEBS

Römische Jurisprudenz in Gallien

Freiburger Rechtsgeschichtliche Abhandlungen Herausgegeben vom Institut für Rechtsgeschichte und geschichtliche Rechtsvergleichung der Albert-Ludwigs-Universität, Freiburg i. Br.

Neue Folge . Band 38

Römische Jurisprudenz in Gallien (2. bis 8. Jahrhundert) Von Detlef Liebs

Duncker & Humblot . Berlin

Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrutbar.

Alle Rechte vorbehalten

© 2002 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fotoprint: Werner Hildebrand, Berlin Printed in Germany ISSN 0720-6704 ISBN 3-428-10936-8 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 97069

Dem Andenken an Jean Gaudemet gewidmet

Vorwort Gegenstand der folgenden Seiten ist das dauerhafte Wirken römischer Juristen in Gallien, die das dort seit Cäsar geltende römische Recht fachmännisch betreuten. Obwohl schon Cäsar selbst römische Juristen in seinem Gefolge hatte wie Trebaz, der offenbar dadurch zu einem kleinen Vermögen gelangte (s. meinen demnächst erscheinenden Trebaz-Artikel in: HLL 11 § 291.2), betrachteten die in Gallien tätigen römischen Juristen zunächst, wie ja schon Trebaz, noch lange Rom und Italien als ihren eigentlichen Standort, wohin sie möglichst bald zurückkehrten, wenn sie ihre Aufgabe im Entwicklungsgebiet erledigt oder auch nur ihre Taschen gefüllt hatten. Ständig in Gallien anwesende römische Juristen, die die römische Jurisprudenz dort praktizierten, sind erst seit dem 2. Jh. n. Chr. wahrzunehmen. Ihr Wirken soll hier bis ins 8. Jh. verfolgt werden; unter den Karolingern änderte sich dann viel. Gegenstand dieses Buchs ist also nicht das Recht selbst, auch wenn immer wieder auf einzelne Rechtssätze einzugehen ist; ebensowenig die Frage, inwieweit die jurisprudenzieHe Betreuung des römischen Rechts Früchte trug, die Texte wirklich angewandt, in der gesellschaftlichen Wirklichkeit ernst genommen wurden. Die Formelsarnmlungen (Kap. 3 Nr. 22 f. u. 31-33) und die Testamente (Kap. 4 Nr. 6) sprechen dafür. Meine Vorarbeiten zu diesem Buch reichen bis in die 70er Jahre zurück; und mit der Niederschrift habe ich im Frühjahr 1989 begonnen, unterstützt durch ein Forschungsfreisemester, das die Deutsche Forschungsgemeinschaft finanziert hat und wofür ich hier endlich danken kann; ebenso durch eine Einladung nach Oxford, wo ich den Trinity Term im All Souls College verbringen und die Schätze und Fazilitäten der Codrington Library im College und der Bodleian gegenüber nutzen konnte. Dafür und für viele Anregungen danke ich zahlreichen Freunden dort, vor allen Tony Honore, John Matthews und Peter Birks. Unterbrochen wurde die Arbeit dann zunächst einmal durch die sich aufwändiger als vorgesehen gestaltende Mitarbeit am Handbuch der lateinischen Literatur der Antike, auch wenn bisher nur der kleinere Teil meiner dorthin gelieferten Artikel erschienen ist. Außerdem fordert meine Lehrtätigkeit immer mehr Zeit. Nicht zuletzt aber waren diesmal besonders viele und verschiedenartige Texte und sonstige Nachrichten zu verarbeiten. Einzelne Abschnitte des Buchs habe ich in Festschriften und sonstigen Sammelbänden vorweg veröffentlicht: aus dem ersten Kapitel den ersten Teil des ersten Abschnitts in der Festschrift für Hans Ankum, den zweiten Abschnitt (bis auf Nr. 16a und 16b) in der Gedächtnisschrift für Andre Magdelain, den

8

Vorwort

dritten in der Festschrift für Karl Kroeschell, das zweite Kapitel in dem Sammelband "Recht im frühmittelalterlichen Gallien" und aus dem dritten Kapitel der 15. Abschnitt in den Atti delI' Accademia Romanistica Costantiniana Bd. 14. Vor allem das zweite Kapitel musste aber noch einmal gründlich überarbeitet werden; und auch in den übrigen vorveröffentlichten Teilen war vieles nachzutragen und zu verbessern. Mein Beitrag zur Festschrift für Janos Zlinszky über die Rechtsgesinnung der Gallier in der Historia Augusta dagegen gehört nicht mehr zum eigentlichen Gegenstand dieses Buchs. Große Annehmlichkeiten bei der Arbeit bot der noch aufrechterhaltene Reichtum der hiesigen Bibliotheken, insbesondere der Freiburger Universitätsbibliothek, deren Leiter der Benutzerabteilung, Herr Dr. Ekkehard Amold, meinen Wünschen stets liebenswürdig entgegengekommen ist, des Historischen Seminars und nach wie vor der Bibliothek des Freiburger Instituts für Rechtsgeschichte. Es wurde allerdings auch deshalb höchste Zeit, diese Arbeit zu einem Ende zu bringen, weil der Wille, das Niveau dieser Bibliotheken weiterzuführen, höheren Orts ganz unsicher geworden ist. Der Handschriftenabteilung der Bibliotheque Nationale in Paris schulde ich großen Dank für die bereitwillige Öffnung ihrer Schatzkammern. Für grenzenlose Geduld bei der Erstellung der Druckvorlage danke ich sehr Frau Martha Rinklin, die nicht nur den langsamen Fortschritt des Manuskripts immer rasch umgesetzt, sondern auch meine nicht enden wollenden Änderungen und Ergänzungen stets gewissenhaft eingearbeitet hat. Dr. Andreas Boos ist rur selbstlosen Einsatz bei der technischen Aufbereitung der Druckvorlage zu danken, den er trotz anderer Zusatzbelastungen mit der gewohnten Freundlichkeit und Zuverlässigkeit geleistet hat. Nicht zuletzt hat Felix Biedermann die Mühe auf sich genommen, Quellen- und Personenregister zu erstellen, wofür ihm auch an dieser Stelle vielmals gedankt seL Und wieder ist dem Verlag Duncker & Humblot, besonders Herrn Norbert Simon für die unkomplizierte und effektive Zusammenarbeit zu danken. Sehr verpflichtet bin ich dem Handschriftenkenner Wolfgang Kaiser, der, obwohl derzeit besonders eingespannt, es auf sich genommen hat, eine unfertige Fassung dieses Buchs zu studieren, und mir rechtzeitig Beobachtungen und Gedanken zu zahlreichen Einzelheiten großzügig mitgeteilt hat. Bei Jean Gaudemet habe ich im Frühjahr 1976 über die kirchliche Prägung der Spätantike viel gelernt. Damals entstand der Grundgedanke u. a. zu diesem Buch, das zu einem vetretbaren Abschluss zu bringen mir lange Zeit kaum erreichbar schien. Seine Arbeiten haben mich während der ganzen Jahrzehnte begleitet und im März 2001 konnte ich ihm eine unvollendete Fassung überreichen; die Fertigstellung hat er nun leider nicht mehr erlebt. So widme ich das Vorliegende seinem Andenken. Freiburg i. Br., im Juni 2002

DeIleiLiebs

Inhalt Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 21

Erstes Kapitel: Die einzelnen Juristen I.

27

Das römische Zeitalter. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 27 1. 2. 3. 4. 4a. 4b. 5. 6.

Q. Valerius Virillio . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. L. Baebius Eucles . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. P. Gabinius Finnanus ............................................ Anonymus semivir . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. Valerius Latinus Euromius. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. Amator........................................................ Claudius Postumus Dardanus ...................................... Germanus ......................................................

27 29 30 31 32 33 34 36

11. Das gotisch-burgundische Zeitalter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 41 7. Eparchius Avitus. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 8. Palladius. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 9. Flavius Nicetius? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 9a. Explicius?.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 10. Tetradius ....................................................... 11. Fidulus? ...................................................... 11 a. Eutropius...................................................... 12. Filimatius? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 13. Petronius. . . . . . . .. . .. .. . .. .. . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . .. 14. Marcellinus. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 15. Leo ........................................................... 16. Syagrius? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. Zwischenergebnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 16a. Gojarich....................................................... 16b. Anianus........................................................

41 43 45 46 47 47 48 49 50 52 53 57 59 60 61

III. Das fränkische Zeitalter. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 62 16c. 17. 18. 19. 20. 20a. 21.

Parthenius...................................................... Celsus. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. Lupus? ....................................................... Felix von Marseille .............................................. Andarchius. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. Venantius Fortunatus ... . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. .. Asclipiodetus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

62 63 65 67 67 71 72

10

Inhalt 22. 23. 24. 24a. 24b. 25. 26.

Claudius. . . . ... . . . . . . . . . . . . . .. . . . . .. . .... . . . . . . . . . . . .. . ... . . . .. Felix presbyter. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. Desiderius. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. Leodegar...................................................... Praeiectus ..................................................... Bonitus. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. Walbert levita? ................................................

Zweites Kapitel: Verf"ügbarkeit der römischen Rechtstexte bis zum 9. Jh. 1.

75 79 82 87 90 91 93 95

Außerhalb Galliens entstandene Texte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 97 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13. 14. 15. 16. 17. 18. 18a. 18b. 18c. 18d. 19. 20. 21. 22. 22a.

Codex Theodosianus. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. Paulussentenzen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. Codex Gregorianus. . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . .. . . .. . . .. Codex Hermogenianus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Codex Justinianus. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. Julianepitome .................................................. Theodosianische Novellen ........................................ Institutionen des Gajus. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. Papinians Responsen ............................................ Pauls Responsen ................................................ Fragmenta Vaticana. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. Stemma agnationis .............................................. Col/atio . ...................................................... Pauls De gradibus . .............................................. Pseudo-Ulpians Regularum liber singularis ......................... Modestins Regulae . ............................................. Modestins D!fferentiae. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. Die alten Summarien zum Theodosianus. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. Ulpians De offieio proconsulis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. Ulpians Ediktkommentar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. Ulpians Sabinuskommentar. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. Pauls Ediktkommentar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. Justinians Institutionen ........................................... Justinians Digesten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. Anonymus, De gradibus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. Mäcians Assis distributio . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. Pauls Institutionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

97 99 100 100 101 102 103 103 104 104 105 105 105 106 106 106 106 106 106 106 106 106 108 108 108 108 109

II. In Gallien entstandene Texte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 109 23. 24. 25. 26. 27. 28. 29. 30. 31.

Breviar ........................................................ Epitome Aegidii. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. Die sog. Lex Romana Curiensis ................................... Epitome monachi .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. Epitome Lugdunensis ........................................... Epitome Guelferbitana . .......................................... Seintilla I (sog. Epitome Parisina) ................................ Seintilla II (Epitome der Fuldaer Handschrift) ...................... Die Epitome der Sankt Gallener Handschrift. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

109

III

111 112 112 112 113 113 113

Inhalt 32. 33. 34. 35. 36. 37. 38. 39. 40. 41. 42. 43. 44. 45.

Die Breviarausgabe der Seldenschen Handschrift ..................... Die älteren sog. Explanationes titulorum des Breviars ................. Die jüngeren Explanationes titulorum . .............................. Älterer Glossenapparat zum Breviar ................................ Jüngere Glossen zum Breviar ...................................... Summen zum Breviar ............................................ Die sog. Appendix I zum Breviar .................................. Die sog. Appendix 11 zum Breviar .................................. Die Lex Romana für Burgund ..................................... Randsummen zur Lex Romana für Burgund .......................... Die Gajusepitome ............................................... Die Interpretationen zu den Paulussentenzen ......................... Die Interpretationen zum Gregorianus und Hermogenianus ............ Die Interpretationen zum Theodosianus und den theodosianischen Novellen ....................................................... 46. Die Sirmondschen Konstitutionen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46a. Die sog. Collectio Gaudenziana ............................. . . . . . . 47. Der Gajus von Autun .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48. Die sog. Consultatio .............................................

11 114 114 114 114 115 115 115 115 116 118 118 118 118 118 119 119 119 120

111. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 Drittes Kapitel: Die gallischen Werke im Einzelnen I.

123

Das römische Zeitalter ................................................. 123 1. 2. 3. 4.

5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13. 14.

Der Gajus von Autun ............................................ Scholien zu den sog. Fragmenta (iuris) Vaticana ..................... Vermehrte und verbesserte Neuausgabe der Fragmenta Vaticana . ....... Die Gajusepitome ............................................... a) Befund. Karakter. ............................................. b) Datierung .................................................... c) Lokalisierung ................................................. d) Einteilung und Inhalt .......................................... Der Grundstock der Sirmondschen Konstitutionen .................... Kapitel 4 bis 6 der Consultatio (A) ................................ Kapitel Ibis 3 und 7 bis 9 der Consultatio (B) ...................... Die sog. Appendix I zum Breviar .................................. Die sog. Appendix 11 zum Breviar .................................. Die Interpretationen zu den Paulussentenzen ......................... Die Interpretationen zum Codex Gregorianus ........................ Die subjektiv stilisierten Interpretationen zum Codex Theodosianus nebst Novellen .................................................. Die objektiv stilisierten Interpretationen dazu (und zugleich) ........... Die Interpretationen zum Theodosianus von Vat. reg. 520 BI. 94 f. . .... a) Äußerer Befund. Karakter ...................................... b) Textteile Alarichs 11. .......................................... c) Lokalisierung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Datierung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Ziele ........................................................

123 124 124 127 127 129 130 132 13~

138 138 141 144 146 147 148 148 148 148 153 154 154 156

12 11.

Inhalt Das gotisch-burgundische Zeitalter. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 157 14a. Der sog. Codex Euricianus ....................................... a) Äußerer Befund .............................................. b) Intention . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 14b. Die Lex Burgundionum .......................................... 15. Die Lex Romana Visigothorum (Breviar) ........................... a) Entstehung. Datum ............................................ b) Inhalt ....................................................... c) Geltung ..................................................... 16. Die Lex Romana fiir Burgund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 16a. Die sog. Fragmenta Gaudenziana. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 17. Die Appendix III zum Breviar. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

157 157 158 163 166 166 173 174 176 179 181

III. Das fränkische Zeitalter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 182 17a. 18. 19. 20. 21. 22.

Die Lex Salica .................................................. Die älteren sog. Explanationes titulorum des Breviars. . . . . . . . . . . . . . . .. Die jüngeren Explanationes titulorum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. Die Lyoner Parafrasen zum Breviar (sog. Epitome Lugdunensis) ....... Die Lyoner Summen zum Breviar (sog. Epitome Lugdunensis) ........ Di~. Formelsammlung von Angers ................................. a) Außere Daten ................................................ b) Inhalt ....................................................... 23. Die Formelsammlung von Cordoba ................................ 23a. Markulfs Formelsarnmlung ............... . ....................... 24. Die sog. Epitome Guelferbitana ................................... a) Äußere Daten ........................................... . .... b) Inhalt. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25. Älterer Glossenapparat zum Breviar. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 26. Jüngere Glossen zum Breviar ..................................... 27. Die Lyoner Glossen zum Breviar .................................. 28. Summen zum Breviar ............................................ 29. Die sog. Epitome Aegidii .................................... . .... a) Befund. Karakter ............................................. b) Autor und Inhalt. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. c) Kritische Töne ............................................... d) Datierung.................................................... e) Lokalisierung ........................ . ....................... 30. Die sog. Lex Romana Curiensis. . ................................. 31. Die Formelsammlungen von Bourges ............................... a) Die Sammlung des frühen 8. Jhs. . .............................. b) Der Bestand an jüngeren Formeln ............................... c) Die Gruppe der sieben Formeln ................................. d) Die Gruppe der acht Formeln ................................... e) Eine letzte einzelne Formel ..................................... 32. Die Formelsarnmlung von Tours ................................... a) Der Bestand .................................................. b) Der Autor des Grundstocks. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Verhältnis des Grundstocks zum Breviar ..........................

182 183 183 184 184 191 191 191 196 199 202 202 204 209 212 217 220 221 221 223 227 229 230 230 235 235 237 237 239 240 241 241 241 242

Inhalt

33. 34. 35.

36.

d) Der Nachtrag ................................................. Die Fonnelsammlung von Clennont Ferrand ......................... Die sog. Epitome monachi ........................................ Scintilla I (sog. Epitome Parisina) ................................. a) Überlieferung ................................................. b) Lokalisierung. Autor ........................................... c) Datierung .................................................... d) Quellen ...................................................... e) Inhalt. ....................................................... f) Einflüsse. Intention ............................................ g) In- und Subskriptionen ......................................... Randsummen zur Lex Romana für Burgund ..........................

Viertes Kapitel: Weitere Nachrichten I.

l3 247 247 249 254 254 257 258 259 259 263 264 265 269

Das römische Zeitalter ................................................. 269 1. Hotjuristen in Trier ................................................. 269 2. Tour ehrt einen rechtskundigen Gouverneur ............................. 270

II.

Das gotisch-burgundische Zeitalter ........................ . ............. 273 3. Fehlanzeigen in gallischen Rechtsbibliotheken .......................... 273 4. Das Ende der reichsrechtlichen Ordnung im Rheingebiet .................. 274 5. Rechtskundige Richter im ostgotischen Marseille ........................ 276

III. Das fränkische Zeitalter. ............................................... 280 6. 7. 8. 9.

Die römischrechtlichen Testamente der Merowingerzeit. .................. Die Konzilsväter in Tours 567 kennen Rechtsgelehrte .................... Isidor von Sevilla ................................................... Aldhelm von Malmesbury ............................................

280 282 283 287

Zusammenfassung ................................................... . .... Quellen ............................................................... Handschriften ............................................................ Personen ............................................................... Orte und Sachen ..........................................................

29.1 295 320 323 328

Abkürzungen Die Nummern bei den Bibliotheken verneisen auflateinische Hss.

a.A. aaO.

AARC a.E. AE AfD

AHDE

ANRW

B.

Bauer-Gerland BC BHAC BIDR

BI.

BM BN Brunner CCLat CE CG CGL CH ChLA CIL CJ CLA Coll. Collectio

am Anfang am angefiihrten Ort (verweist höchstens sechs Fnn. zurück) Accademia Romanistica Costantiniana, Atti deI ... convegno, hg. Universita degli Studi di Perugia, Facolta di Giurisprudenza am Ende Annee epigraphique Archiv für Diplomatik, Schriftgeschichte, Siegel- und Wappenkunde Anuario de historia deI derecho espai'iol Aufstieg und Niedergang der röm. Welt, Berlin 1972 ff. Buch Friederike B.-G., Das Erbrecht der Lex Romana Burgundionum, Berlin 1995 Biblioteca Capitolare oder Biblioteca Catedral Bonner Historia-Augusta-Colloquium, Bonn 1963 ff. Bulletino dell'Istituto di Diritto Romano, Bände duchgezählt Blatt Bibliotheque Municipale (in Lyon jetzt: B. de la Ville) Bibliotheque Nationale, ms. Lat. Heinrich B., Deutsche Rechtsgeschichte I, 2. Aufl. Leipzig 1906 Corpus Christianorum, series Latina, Turnhout 1954 ff. Codex Euricianus Codex Gregorianus Corpus glossariorum Latinorum 1-7, hg. G. Götz, Leipzig 1888-1924 Codex Hermogenianus Chartae Latinae antiquiores, Olten u. Lausanne 1954-67, seit 1975 Dietikon u. Zürich Corpus inscriptionum Latinarum, Berlin 1862 ff. Codex Justinianus E. A. Lowe, Codices Latini antiquiores, Oxford 1934 ff. Mosaicarum et Romanarum legum collatio C. librorum iuris anteiustiniani 1-3, hg. P. Krüger u. a., Berlin 1878-90

Abkürzungen

16 Conrat

Cons. CTh D. DKP

DNP Dolezalek Esders

ET Ewig, Ges. Sehr. FIRA Fn(n). Gai. Gaudemet -, Formation GE v. Halban Hänel

Hg./hg. HLL Honore

HRG Hs./Hss.

HZ

IAR

IG IH

c., Geschichte der Quellen und Literatur des römischen Rechts im frühen Mittelalter I, Leipzig 1891 Consulatio veteris cuiusdam iurisconsulti Codex Theodosianus

Max

Digesten lustinians Der Kleine Pauly. Lexikon der Antike 1-5, Stuttgart 1964-75 Der Neue Pauly. Enzyklopädie der Antike, Stuttgart 1996 ff. Gero D., Verzeichnis der Handschriften zum röm. Recht bis 1600 1-4, Frankfurt am Main 1972 Stefan E., Röm. Rechtstradition und merowingisches Königtum, Göttingen 1997 Edictum Theoderici Eugen E., Spätantikes und fränkisches Gallien 1-2, Zürich 1976 u. 1979

Fontes iuris Romani antejustiniani, 2. Aufl. 1-3, Florenz 1940-43; 1II in 3. 1969 Fußnote(n) Gajus, Instutionen Jean G., Le Breviaire d' Alaric et les Epitome = IRMAE I, 2 b aa ß, Mailand 1965 Jean G., La formation du droit seculier et du droit de l'Eglise aux IV· et ye siedes, 2. Aufl.Paris 1979 Gajusepitome der LRV Alfred v. H., Das Röm. Recht in den Germanischen Volksstaaten 1-3, Breslau 1899-1907 Lex Romana Visigothorum. Ad LXXVI librorum manu scriptorum fidem recognovit, septem eius antiquis epitomis, quae praeter duos adhuc ineditae sunt, titulorum explanatione auxit, annotatione, appendicibus, prolegomenis instruxit Gustav H., Leipzig 1849 Herausgeber oder herausgegeben von Handbuch der lat. Literatur der Antike, hg. R. Herzog u. P. L. Schmidt 4-7, München 1989 ff. Tony H., Law in the crisis of Empire 379-455 AD, Oxford 1998 Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte 1-5, Berlin 1966-98 HandschriftlHandschriften Historische Zeitschrift

Iurisprudentiae anteiustinianae reliquiae, hg. Ph. E. Huschke u. a., 6. Aufl. 1-2 Leipzig 1908-27 Interpretationen zum CG der LRV Interpretationen zum CH der LRV

Abkürzungen

17

ILCV

Inscriptiones Latinae christianae veteres, 2. Aufl. 1-3 hg. E. Diehl u. J. Moreau, Berlin 1961

ILS

IP IRMAE IT Iura

Inscriptiones Latinae selectae 1-3, hg. H. Dessau, Berlin 1892-1926 Interpretationen zu den Novellen Majorians der LRV Institutionen Justinians Interpretationen zu den Novellen von Theodosius 11. III. derLRV Interpretationen zu den Novellen Valentinians IIl. der LRV Interpretationen zu den Paulussentenzen der LRV lus Romanurn Medii Aevi, Mailand 1961 ff. Interpretationen zum CTh der LRV IVRA. Rivista intemazionale di diritto romano e antico

Johlen

Monika J., Die verrnögensrechtliche Stellung der west-

INMai Inst.

!NT

INV

JRS

römischen Frau in der Spätantike, Berlin 1998 The journal of Roman studies

KaserI u. 11

Max K., Das röm. Privatrecht 1-2, 2. Auf}. München

Kaser/Hackl

Max K., Das röm. Zivilprozeßrecht, 2. Auf}. Karl H.,

Kreuter

Nicole K., Röm. Privatrecht im 5. Jh. n. Chr.,

Krüger, Gesch.

Paul K., Geschichte der Quellen und Litteratur des Röm.

KV LB LBai LdM

Levy, VL -, VR

Liebs, Africa -, Herrnog. -, Italien LRV

Meyer MGHAA MGHCap. 2 Liebs

1971 u. 1975

München 1996 Berlin 1993

Rechts, 2. Aufl. München 1912 Kritische Vierteljahresschrift rur Gesetzgebung und Rechtswissenschaft

Landesbibliothek oder Lex Burgundionum Lex Baiuvariorum Lexikon des Mittelalters 1-8, Zürich 1977-99 Ernst L., West Roman vulgar law. The law of property, Philadelphia/USA 1951 Ders., Weströmisches Vulgarrecht. Das Obligationenrecht, Weimar 1956 DetlelL., Römische Jurisprudenz in Africa, Berlin 1993 Ders., Herrnogenians iuris epitomae, Göttingen 1964 Ders., Die Jurisprudenz im spätantiken Italien, Berlin 1987 Lex Romana Visigothorum (Ausg. s. Hänel) Leges novellae ad Theodosianurn pertinentes, hg. Paul

Martin M., Berlin 1905

Monurnenta Gerrnaniae historica, Auctores antiquissimi Monumenta Gerrnaniae historica, Legum sectio 11: Capitularia

Abkürzungen

18 MGH Concil. MGHEp. MGHForm. MGHLS MGHSRM MIÖG

Mommsen Mordek

Monumenta Germaniae historica, Legum sectio III: Concilia Monumenta Germaniae historica, Epistolae Monumenta Germaniae historica, Legum sectio V: Formulae Monumenta Germaniae historica, Legum sectio I: Leges nationum Germanicarum Monumenta Germaniae historica, Scriptores rerum Merowingicarum Mitteilungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung Theodosiani !ibri XVI, hg. Theodor M., I 1: Prolegomena, Berlin 1905 Hubert M., Bibliotheca capitularium regum Francorum manuscripta, München 1995

NMai NNDI NRH NT NY

Neues Archiv der Gesellschaft für ältere deutsche Geschichtskunde Novellen des Kaisers Anthemius Karin N., Die boni homines des frühen Mittelalters, Berlin 1981 Novellen Majorians Novissimo digesto ita!iano 1-20, Turin 1957-1975 Nouvelle revue historique de droit fran.yais et etranger Novellen des Kaisers Theodosius H. Novellen Valentinians III.

o.

oben

P. Antin.

The Antinoopolis papyri 1-3, London 1950-67, zitiert nach Nr. New classical fragments and other greek and latin papyri, hg. B. P. Grenfell u. A. S. Hunt, Oxford 1897, zitiert nach Nr. The Oxyrhynchus Papyri, London 1998 ff. Patrologiae cursus completus, series Latina 1-221, hg. J.P. Migne, Paris 1844-64 The prosopography of the later Roman Empire 1-3, hg. A. H. M Jones u.a., Cambrige 1971-92 Pseudo-Paulus, Sentenzen Papiri della Societa Italiana per la ricerca dei papiri greci e latini in Egitto, Florenz 1912 ff.

NA NAnth Nehlsen-von Stryk

P. Grenf. II P.Oxy PL PLRE PS PSI

RB RE RGA

Lex Romana für Burgund (Burgundionum) Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft, neue Bearb. hg. G. Wissowa u.a., Stuttgart 1893-1980, seit 1972 München Reallexikon der Germanischen Altertumskunde, 2. Aufl. BerIin 1973 ff.

Abkürzungen

s. S. Savigny, Gesch. SB Schanz, Gesch.

Schellenberg SDHI Settimane

Siems Sirm. SS Stroheker SZ

19

siehe Seite; am Satzanfang auch: Siehe Friedrich Carl v. S., Geschichte des röm. Rechts im Mittelalter 1-7, 2. Aufl. Heidelberg 1834-51 Staatsbibliothek oder Stiftsbibliothek Martin S., Geschichte der röm. Literatur 1-4, 1.-4. Aufl. (I u. II in 4., III in 3., IV I in 2. u. IV 2 in 1.) München 1914-35 Hartwig s., Die Interpretationen zu den Paulussentenzen, Göttingen 1965 Studia et documenta historiae et iuris S. di studio dei centro italiano di studi sull'alto medioevo, Spoleto 1954 ff. Harald S., Handel und Wucher im Spiegel frühmittelalterlicher Rechtsquellen, Hannover 1992 Sirmondsche Konstitution Scholia Sinaitica Karl S., Der senatorische Adel im spätantiken Gallien, Tübingen 1948 Zeitschrift der Savigny-Stiftung fiir Rechtsgeschichte, Romanistische Abteilung

ThLL TR

Thesaurus linguae Latinae, Leipzig 1900 ff. Tijdschrift voor Rechtsgeschiedenis

UB

Universitätsbibliothek, Bibliotheque (inter-) universitaire, Bibliotheek der (Rijks-) Universiteit oder Biblioteka Uniwersytecka, ms. Lat. Pseudo-Ulpian, Regularum liber singularis

UR VIR

Wenger, Quellen Wolfram Z. ZgR ZRG ZRGG

Vocabularium iurisprudentiae Romanae, Berlin 18941987

Leopold w., Die Quellen des röm. Rechts, Wien 1953 Herwig W., Die Goten, 3. Aufl. München 1990 (4. Aufl. 2001 unverändert) Zeile Zeitschrift fiir geschichtliche Rechtswissenschaft Zeitschrift fiir Rechtsgeschichte Zeitschrift fiir Savigny-Stiftung fiir Rechtsgeschichte, Germanistische Abteilung

Einleitung Über das Fortleben der römischen Jurisprudenz in der Spätantike und im frühen Mittelalter herrschen nach wie vor Spielarten der Katastrofentheorie, i.d.R. verbunden mit Überhöhungen des Imerius, der die mittelalterliche Jurisprudenz aus dem Nichts geschaffen haben soll. 1 Savigny hat diese hagiografische Sicht der Dinge befestigt, wenn er auch gelten ließ, dass die Rechtsschule in Rom das frühe Mittelalter hindurch fortbestand und dann im 11. Jh. über Ravenna nach Bologna gewandert sein kann, wie Odofred berichtet. Aber außerhalb Roms verneinte er für den ganzen Westen, dass sich die römische Rechtswissenschaft hätte fortführen lassen, da es nur in Rom eine Rechtsschule gegeben habe, wie er überhaupt westliche Rechtsschulen neben Rom leugnete und aus dem Fehlen regelrechter Schulen schloss, die Rechtswissenschaft habe nicht weitergegeben werden können. Rhetoren hätten das ohne Verständnis für tiefere Zusammenhänge und ohne gründliche Rechtskenntnis miterledigt; allenfalls seien bescheidene Versuche zu verzeichnen, sich durch Selbststudium das Nötigste anzueignen. Fitting3 hatte diesen griffigen Formeln entschieden widersprochen und an Hand zahlreicher Belege ein kontinuierliches Fortleben der Kenntnis des römischen Rechts im frühen Mittelalter darzutun versucht. Indes hat er die vorkarolingischen Nachrichten vorschnell erfasst und ausgewertet, so dass ihm die Romanisten nicht gefolgt sind, sondern bei Savignys knappen Konzessionen an provinziale Pflegestätten des römischen Rechts4 verharrten. Aber weder zweifelte man I Repräsentativ W. Kunkel, Römische Rechtsgeschichte (6.-9. Aufl. Köln 1972-80) 131 ff. u. 161 ff.; M. Kaser, Röm. Rechtsgesch. (2. Aufl. Göttingen 1967) 217 ff. u. 273 ff.; u. G. Dulckeit, Röm. Rechtsgesch. (9. Aufl. W. Waldstein München 1995) 268, 292 ff. u. 322 f. 2 Savigny, Gesch. I 459 ff. Materialreich, wenngleich wenig übersichtlich M. Conrat, Der Rechtsunterricht im römischen Reiche, Zeitschrift fiir das Privat- und öffentliche Recht der Gegenwart 23 (1896) 401-32; u. ders., Zur Kultur des röm. Rechts im Westen des röm. Reichs im vierten und fiinften Jh. n. ehr., in: Melanges H. Fitting I (Montpellier 1907) 289-302. 3 H. Fitting, Über die Heimat und das Alter des sog. Brachylogus (Berlin 1880) 2030; u. ders. Die Anfänge der Rechtsschule zu Bologna (Berlin 1888) 12 ff. 4 Savigny aaO. 459 aufgrund von Mod. 2 excus. D. 27, 1,6 § 12 und Vip. 8 trib. D. 50, 13, 1 § 5. Berechtigte Kritik an zahlreichen Frühdatierungen, vor allem von H. Fitting , Juristische Schriften des früheren Mittelalters (Halle 1876), übt J. Flach, Etude critique sur I'histoire du droit romain au moyen äge (Paris 1890).

22

Einleitung

Savignys bedenklichen Schluss e silentio an, auch nicht, als die Inschriften ihn allmählich erschütterten,5 noch bemerkte man, dass es zwischen den beiden von Savigny erwogenen Möglichkeiten der Wissensvermittlung: regelrechte Schule und bloßes Selbststudium, noch einen dritten Weg gibt, den frei erteilten Privatunterricht, der zumal im Altertum auf vielen Gebieten vorherrschte. 6 Justinians Bannfluch über diese freiere Form des Rechtsunterrichts, den es im Osten 533 in Alexandria, Cäsarea und an anderen Orten gab, wurde mitsamt seiner offiziellen Rechtfertigung gutgläubig übernommen. 7 Sorge um die Güte der Juristenausbildung muss aber nicht der einzige Grund gewesen sein, diesen Rechtsunterricht zu verbieten. Möglicherweise war sie nicht einmal der Hauptgrund; auch der Wunsch nach bürokratischer Kontrolle kann den absoluten Herrscher bewegt haben. 8 Mittlerweile haben Historiker des Mittelalters die von den Rechtshistorikern vernachlässigten Nachrichten auszuwerten versucht. So spricht Eugen Ewig von einer Rechtsschule in Clermont im 7. Jh., und Pierre Ricbe nimmt nicht belegte Rechtsschulen in Ga1lien im 4. Jh. an, um sie im frühen 5. Jh. den Barbaren aus dem Osten zum Opfer fallen zu lassen; z. B. habe man in Ades das Nötige in bureaux de consultation ouverts aux jeunes gens qui voulaient acquerir une cu/ture juridique. et meme devenir avocat lernen können. 9 Daraus seien die Interpretationen der Lex Romana Visigothorum wahrscheinlich hervorgegangen. Im 6. Jh. hätten in Gallien wirkende Juristen in Ravenna und Marseille Jura studiert. Auch diesem günstigen Bild liegen keine Auswertungen aller erreichbaren Nachrichten zugrunde; stattdessen müssen vernünftige Mutmaßungen zur Ergänzung unvollständiger Nachrichten herhalten, was der Überprüfung bedarf. Für Ricbe machte 5 Noch immer repräsentativ ist das ungünstige Gesamtbild bei W Kunkel, Herkunft und soziale Stellung der römischen Juristen (Weimar 1952) 346-65 u. 370-75, wiewohl in den Einzelheiten widersprüchlich und zumal unvollständig. Wenig befriedigend auch M.-B. Bruguiere, Litterature et droit dans la Gaule du y e siecle (Toulouse 1974) 176 f.; reichhaltiger Th. HaarhoJt, Schools of Gaul. A study of pagan and christian education in the last century ofthe western empire (Oxford 1920) 82-87. 6 H. I. Marrou, Gesch. d. Erziehung im klass. Altertum (dt. Übers. Freiburg i. Br. 1957) 444. Spuren für Rechtsunterricht im Frühmittelalter sammelte Fitting, Anfänge 16-20, dessen Überzeichnungen für v. Halban II 357-61 Grund genug waren, alles zurückzuweisen. 7 D. const. Ornnem § 7 und dazu etwa Kunkel, aaO. 143 Fn. 6; u. Gaudemet, Formation 89. 8 Ygl. Theodosius II. 425 CTh 14,9,3 pr. zum allgemeinen Unterricht u. dazu Marrou, aaO. 446 f. 9 Ewig, Ges. Schr. II 214 (zuerst 1953); P. Riche, Enseignement du droit en Gaule du Yle au IXe siecle = IRMAE I 5 b bb (Mailand 1965) 4-9; u. schon ders., Education et culture dans l'occident barbare Yle-YIIIe siecles (Paris 1962, 3. Aufl. 1972) 112-15 u. ö.; ungeordnet und widersprüchlich M. u. F. Piras, Les ecoles de droit dans l'occident postc1assique et dans la Gaule romaine (Caen 1971); behutsam Esders 282 f.; ein buntes Sammelsurium von Nachrichten bietet Conrat (0. Fn. 2) 289-321.

Einleitung

23

der Umstand, dass eine Stadt Regierungssitz war, Rechtsunterricht dort wahrscheinlich. Dem ist jedoch entgegenzuhalten, dass Beirut, welches die berühmteste Rechtsschule der Spätantike beherbergte, JO nie Regierungssitz war, nicht einmal Sitz eines Provinzgouverneurs; dass in Konstantinopel erst 425 Rechtslehrer bestallt wurden; dass in Trier und Mailand Rechtsunterricht gerade nicht belegt ist, während Rhetorenschulen dort blühten; den Bedarf in Trier wird Autun gedeckt haben, den in Mailand Rom; und nicht anders als mit Trier und Mailand wird es mit Ravenna gestanden haben, wo man gleichfalls Rhetorik lernen konnte. II Ein Zeugnis fiir Rechtsunterricht in Ravenna gibt es, wie wir im einzelnen noch sehen werden, im ganzen hier behandelten Zeitraum nicht. Eine andere, nicht nur bei Riche anzutreffende Befangenheit ist die Annahme, Advokaten seien Juristen, im Recht ausgebildet, was mit der weiteren Annahme zusammenhängt, in den Rhetorenschulen hätte man auch Recht gelernt. Schon Savigny hatte gelehrt, im frühen Mittelalter sei die Kenntnis des römischen Rechts von den Rhetoriklehrern weitergegeben worden, die nebenbei auch Rechtsunterricht erteilt hätten. 12 Indessen kann von einem Fortleben der römischen Jurisprudenz nur dort gesprochen werden, wo es Juristen gab, Fachleute in Rechtskunde, und zwar des römischen Rechts, und wo dieses nicht nur als ein Zweig der Allgemeinbildung gepflegt wurde. Die bei Rhetoren zu erwerbende Rechtskunde, die bei Erlernung der Gerichtsrede, dem genus iudiciale, vermittelt wurde, machte lediglich mit dem Rechtswesen als solchem vertraut und arbeitete weithin mit erfundenen oder doch märchenhaften Rechtssätzen hauptsächlich strafrechtlichen oder auch verfahrensrechtlichen Inhalts, auf deren aktuelle Verbindlichkeit es nicht ankam; einen Überblick über das hic et nunc geltende Recht wollte dieser Unterricht nie geben, keine bestimmte Rechtsordnung erfassen, schon gar nicht einigermaßen vollständig. Allgemeine Überlegungen wie die, dass Anwälte und höhere Beamte Rechtskenntnisse benötigt hätten, führen in die Irre, da sie ungeprüft heutige Verhältnisse in die Vergangenheit tragen, statt zunächst einmal die erreichbaren Nachrichten über die Verhältnisse damals genau zu erfassen. Libanius sagt uns mit aller wünschenswerten Deutlichkeit fiir die Anwälte und Ammian fiir die Richter, dass beide in der Regel keine ausgebildeten Juristen waren; 13 fiir Letztere bekundet es 10 Justinian berichtet D. const. Omnem § 7 nur von ihr, dass man sie legum nutrix nenne. 11 Riche, Education 62 ff. 12 Savigny, Gesch. 1464 ff. \3 Zu Libanius P. Petit, Les etudiants de Libanius (Paris 1957) 179 ff. Nicht frei von Anachronismen zur juristischen Bildung der Advokaten auch E. De Ruggiero, Dizionario epigrafico di antichitil romane I (Rom 1895) 123 f., Art. advocatus (privatorum); s. die sofort Fn. 16 Genannten. Ammian: 23, 6, 82, u. dazu Liebs, Italien 99. Wenn daher NV 2, 2 § 1 die Anwaltschaft geradezu als seminarium dignitatum, 'Pflanzstätte der hohen Beamtenschaft' bezeichnet, so bedeutet das, dass die Gouverneure usf. i.d.R.

24

Einleitung

schon die Einrichtung der Assessur. Die Jurisprudenz gehörte, solange sie ihrer Aufgabe treu blieb, Fachwissen des geltenden römischen Rechts zu sein, und ihre Träger Fachleute des geltenden Rechts waren, nicht zu den allgemeinen Bildungsfächern, 14 mag eine mehr oder minder oberflächliche Rechtskunde auch in den allgemeinen Rhetorikschulen vermittelt worden sein. Wer nur dort ausgebildet worden war, war kein iurisconsultus, iuris peritus oder iuris studiosus. Auch das Gesetz über die Einrichtung der Hochschule von Konstantinopel 15 zeigt, dass das Rechtsstudium ein besonderes, relativ selten gewähltes, dem allgemeinen Literatur- und Rhetorikstudium wohl folgendes, zusätzliches Studium war, wie es heute in den USA gehandhabt wird. Deshalb waren Juristen in diesem Vollsinn selten, gesucht und gut bezahlt. Wenn also in den Quellen Gerichtsredner und Anwälte: patroni, advocati, causidici, tabelliones usf. begegnen, so können wir allein daraus nicht auf Fachjuristen schließen; erst seit 460 war nur im Osten und nur fiir die an einzelnen Gerichten, zumal dem des Prätorianerpräfekten des Ostens zugelassenen 150 Advokaten ein Rechtsstudium erforderlich: 6 Für unser Thema sind Quellen mit Advokaten usf. ebenso unergiebig wie Zeugnisse fiir Allgemeinbildung, allgemeinbildende Schulen und Lehrer, auch wenn an Orten solchen Unterrichts Recht gleichfalls gelehrt worden sein könnte; das ist aber so selten, dass Pflege höherer Bildung allein keinen Indizwert fiir Pflege der Jurisprudenz hat, ebenso wenig wie ein Studium in Rom bedeutet, dass der Betreffende Jura studiert haben muss; wenn keine weiteren Anhaltspunkte hinzukommen, liegt ein allgemeines Literatur- und Rhetorikstudium näher. Freilich war das in Südgallien geltende römische Recht, nachdem Westgoten und Burgunder es noch einmal aktualisiert hatten, unter fränkischer Herrschaft sich selbst überlassen; die merowingischen Könige haben es nicht, jedenfalls nicht gleichmäßig fortgebildet. Das blieb dem örtlichen Richter überlassen; eine planmäßige, einheitliche Pflege ist unter den Merowingern nicht ersichtlich. Deshalb ist denkbar, dass das an Hand von Texten erlernbare römische Recht im Lauf des 6. und 7. Jhs. gewissermaßen geschichtslos geworden ist, d.h. sich von keine Juristen sind; unzutreffend Gaudemet, in: Saint Gennain d'Auxerre et son temps (Auxerre 1950) 117 f. Weiteres bei J. A. Crook, Legal advocacy in the Roman world (London 1995) 45 f. u. 187-96; u. H. Wieling, AARC 11 (1996) 420-26 u. 461-63. Hauptsächlich den spätantiken Osten betrifft G. Greatrex, in: Law, society, and authority in Late Antiquity, hg. R. W. Mathisen (Oxford 2001) 148-61, mit manchen Übertreibun~en, so wenn 148 Fn. 3 auch der Dichter Ausonius als Jurist reklamiert wird. 1 H. Fuchs, Art. Enkyklios Paideia, RAC 5 (1962) 379, 387, 392 f. 15 CTh 14, 9, 3 § 1 S. 2; s. a. H. F. Hitzig, Die Assessoren der römischen Magistrate und Richter (München 1893) 73 f.; u. H. 1. Marrou, aaO. 446 f. 16 CJ 2, 7, 11 § 2; 17 pr.; 22 § 4; u. 24 § 4. Dazu P. Collinet, Histoire de l'ecole de droit de Beyrouth (Paris 1925) 259; Fritz Schulz, Geschichte der röm. Rechtswiss. (Weimar 1961) 343 f. (un-zulässig verallgemeinernd); KaserlHackl 565; M. L. Clarke, Higher education in the ancient world (London 1971) 116; F. S. Pederson, Late Roman public professionalism (Odense 1976) 43-45; u. zumal Wieling (0. Fn. 13) 423-26.

Einleitung

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der konkreten, geschichtlichen Gesellschaft so weit abgelöst hat, dass es zum bloßen Bildungsfach wurde, noch in diesem Zustand aber viel dichter als die flatterhafte und sporadische Rechtsordnung der Rhetoren. Es gilt also zu verfolgen, wie lange und wo in Gallien von professionellem Juristenturn des römischen Rechts die Rede sein kann, das ohne professionellen Rechtsunterricht, erteilt von besonderen Rechtslehrern, Spezialisten des Rechts, kaum denkbar erscheint, während dieses Juristenturn an öffentliche Rechtsschulen oder auch fest organisierte private Schulen nicht gebunden ist. Gab es noch Assessoren, die ja, jedenfalls i. d. R., juristisch ausgebildet waren?17 Romanen, die einen germanischen König ständig beraten, sind nicht schon deshalb als Juristen zu qualifizieren. Auch Cassiodor war kein Jurist. Eben weil Juristen im Altertum und im Friihrnittelalter selten waren, ist unser Unterfangen, sie in der damaligen Gesellschaft trotz schwieriger Quellenlage auszumachen, nicht hoffnungslos. Diese ist zumal fiir das spätere 6. und 7. und frühe 8. Jh. unbefriedigend, so gut sie fiir das 4., 5. und frühe 6. noch ist. Für die spätere Zeit sind wir nämlich gemeinhin auf hagiografische Literatur angewiesen, wozu auch die Fränkische Geschichte Gregors von Tours zu rechnen ist. Hagiografische Literatur ist weithin topisch geprägt, und wenn es etwa zum vorbildlichen Heiligen gehört hätte, dass er in seiner Jugend auch Jura studiert hat, so wie edle Abkunft, sorgfältige Erziehung und weltliche Erfolge, gar hohe Ämter oder doch Gelegenheit dazu in jugendlichem Alter bemerkenswert regelmäßig dazu gehörten, dann bestünde wenig Aussicht, den Texten brauchbare Aussagen über einzelne Juristen abzugewinnen. Aber so steht es nicht. 18 Bei beiden großen Vorbildern für heiligmäßige Lebensläufe, den Viten Martins von Tours und des Ambrosius von Mailand aus der Feder des Sulpicius Severus bzw. Paulins von Mailand, kommt Rechtsstudium nicht vor, obwohl Ambrosius wahrscheinlich eine entsprechende Ausbildung hatte. 19 Und ebenso wenig finden wir es bei Hieronymus in dessen gleichfalls vorbildlichen Lebensabrissen. Wenn deshalb in den zahllosen späteren Heiligengeschichten unterschiedlichen historischen Werts hin und wieder von einem Rechtsstudium die Rede ist, gar verbunden mit einem juristischen Beruf, so dürfen wir das als individuellen Zug des Betreffenden buchen, sofern nicht gerade 17 Hitzig (0. Fn. 15) 48 fT., 70 ff.; Kunkel (0. Fn. 5) 331-34; 0. Behrends, SZ 86 (1969) 192 ff.; G. Greatrex, Jura Tribuno Intemacia 2 (1998) 33-50 (non vidi); u. ders., in: Law (0. Fn. 13) 150 f. u. 157 f. Ausnahmen aus dem 4. Jh.: Quirinus als Assessor des Prätorianerpräfekten des Ostens um 350, PLRE I Art Q.; Simplicius als Assessor des Gouverneurs von Korsika oder Sardinien um 365, PLRE I Art. Simpl. 7; u. Cassiodor als Assessor seines Vaters im Amt des Präfekten Italiens, PLRE 11 265 Art. Cassiodorus 3 u. 266 Art. C. 4. 18 Kritisch gegenüber vorschnellem Abwerten der Nachrichten in Heiligenviten als topisch D. von der Nahmer, Die lateinische Heiligenvita (Darmstadt 1994) 153-69 u. 106-23. 19 Liebs, Italien 62 f.

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Einleitung

die diesbezügliche Passage ein Vorbild kopiert, das seinerseits bereits eine solche Ausnahme darstellte. Aber auch dann ist zu unterscheiden, ob Unwissenheit durch eine Entlehnung übertüncht oder ob nur eine fremde, gewissermaßen klassische Formulierung gebraucht wurde, um einen bekannten Tatbestand in glänzenderem Licht darzustellen. Örtlich geht es um Gallien zwischen Rhein und Pyrenäen, doch dürfen die kulturell zeitweise eng damit verknüpften übrigen Gebiete der gallischen Präfektur nicht außer Acht gelassen werden: Spanien (aber ohne Westmarokko), Germanien und Britannien. Diese drei Gebiete haben freilich verhältnismäßig wenig Spuren dort heimisch gewordener römischer Jurisprudenz hinterlassen, am wenigsten das Dekumatenland von Germania superior und Britannien.20 Nicht eigens behandelt werden, von Ausnahmen abgesehen, Texte, die nicht eigentlich gallischen Ursprungs sind wie die Stemmata cognationum,21 Texte vorwiegend fränkischen Rechts wie der Traktat über romanisch-fränkisches Ämterwesen 22 und bislang noch nicht gedruckte Texte wie die Breviarepitomen der Fuldaer, der Sankt Gallener und der Seldenschen Handschrift;23 ebenso wenig die kirchenrechtlichen Zeugnisse. 24

20 Dazu E. Birley, ANRW 11 3 (1975) 287 f.; u. ME. Jones, in: Law (0. Fn. 13) 5267. Zur Präsenz nennenswerter römischer Bevölkerung im Dekumatenland auch nach 260 n. Chr. s. K. Stribrny, Bericht der Römisch-Germanischen Kommission 70 = 1989 (1990) 351-506; u. D. Geuenich, Geschichte der Alemannen (Stuttgart 1997) 22-24. 21 Dazu Conrat 168,316-19 u. 631-42; ders., Arbor iuris des früheren Mittelalters mit eigenartiger Komputation = Abh. d. Kgl. Ak. d. Wiss. Berlin 1909 phil.-hist. Kl. (Berlin 1909); ders., Archivio storico italiano 49 (1912) 3-10; G. Scherillo, Scritti giuridici I (Mailand 1992) 117-35 (zuerst 1931); H. Schadt, Die Darstellungen der Arbores Consanguinitatis und der Arbores Affinitatis (Tübingen 1982); u. unten Kap. 2 Nr. 12. 22 Dazu M. Conrat, ZRGG 29 (1908) 246-60; u. H. Schlosser, HRG I (1970) 154 f. Art. Ämtertraktat (von 1964). - Ausnahmen unten Kap. 3 Nr. 14a u. b, 16a, 17a u. 23a. 23 Zu Fulda s. Kap. 2 Nr. 30; s. a. Kap. 3 Nr. 22. Zu Sankt Gallen Kap. 2 Nr. 31, nicht zu verwechseln mit der sog. Lex Romana Curiensis, die Hänel Epit. S. GaU. genannt und gedruckt hatte; dazu Kap. 2 Nr. 25 u. Kap. 3 Nr. 30. Zu Seiden s. Kap. 2 Nr. 32. 24 Mit Ausnahme der Sirmondschen Konstitutionen (dazu Kap. 2 Nr. 46 u. Kap. 3 Nr. 5) wegen ihrer Nähe zum Inhalt des CTh.

Erstes Kapitel

Die einzelnen Juristen I. Das römische Zeitalter 1. Q. Valerius Virillio In Nimes fand sich 1771 ein jetzt im Museum verwahrter, 1,06 m hoher und 50 cm breiter Grabstein l mit eingerahmter Inschrift, 46 x 42 cm: DIS (Blatt) MAN I B Q V ALERIo VIRILLIONI IVRIS' STVDIOSo ET' VALERIAE . QVINTAB SORORI ANNIA MATER Dis manib(us). Q(uinto) Valeri[o] Virillioni, iuris studios[o], et Valeriae Quintae sorori Annia mater. Otto Hirschfeld wies die sorgfaltige Schrift ins 2. Jh.,2 was zur Verwendung von apices gut passt. Das Cognomen ist keltischen Ursprungs3 und bedeutet 'männlich,.4 Der Verstorbene war demnach heimisch, wozu auch passt, dass seine Schwester mit ihm begraben wurde und die Mutter bei den den Grabstein gesetzt hat. Iuris studiosus meint deshalb nicht etwa, wie mitunter,S einen Assessor eines römischen Magistrats, etwa des Prokonsuln der Narbonensis; die Assessoren kamen i.d.R. mit dem Magistrat in die Provinz und verließen

1 eIL 12,3339 = E. u. F. Germer-Durand u. A. Allmer, Inscriptions antiques de Nimes (Toulouse 1893) Nr. 234. 2 eIL aaO. 3 Belege bei A. Holder, Altkeltischer Sprachschatz III (Leipzig 1906-10) 383 f udSStt Virilio u. VirilIio (von 1908). 4 lira Kajanta, The Latin cognomina (Helsinki 1965) 257: zu virillus. 5 So bei Paulus 4 ad Plaut. D. 50, 13,4; ders. Ib. sg. off. ass. D. 1,22, 1; U. Frg. Mur. 4. An all diesen Stellen ist die allgemeinere Bedeutung aber noch gegenwärtig und tritt nicht etwa hinter der prägnanten Verwendung zurück. Allzu scharf zeichnet Behrends (0. Ein\. Fn. 17) 203 ff. aufgrund einseitiger Auswahl der Quellen.

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Erstes Kapitel: Die einzelnen Juristen

sie mit ihm wieder. 6 Vielmehr ist der Ausdruck in seiner allgemeinen Bedeutung zu verstehen: 'Rechtsbeflissener, Jurist', gleichbedeutend mit iuris peritus, nur etwas bescheidener etikettiert. 7 Virillio wird in Nimes als Rechtsberater praktiziert haben. Dafür eignete sich die Stadt nicht nur, weil sie im 2. und 3. Jh. kräftig aufblühte, sondern hier residierte wohl auch seit Antoninus Pius, unter dem Narbonne von einer Feuersbrunst verheert wurde und dessen Vater aus Nimes stammte, der Prokonsul der Narbonensis,8 ohne dass die Provinz deshalb umbenannt worden wäre; auch Breisach ist schon lange nicht mehr Vorort des nach ihm benannten Breisgaus, ohne dass dieser umbenannt wurde; Capua nicht mehr Hauptstadt der Campagna usf. Porolissum und Tripolis waren offenbar nie Sitz des Gouverneurs der Provinzen Dacia Porolissensis bzw. Tripolitana, sondern wohl Napoca und Lepcis Magna. 9 Vermutlich war Nimes auch Hauptsitz des Gerichts des Prokonsuln und des Gerichts seines Legaten;IO größere Prozesse mussten hier geführt werden, wenn man nicht warten wollte, bis der Prokonsul bzw. sein Legat anderswo Konvent hielt. Gewiss muss der Ort des Grabsteins nicht auch der Ort des Wirkens gewesen sein, aber gewöhnlich war er es. Hier kommt hinzu, dass der einzige andere bekannte gallische Jurist der Prinzipatszeit gleichfalls in Nimes begraben ist (sofort Nr. 2).

Wie Quintus Hispanus, vg!. CIL 2, 2129 = ILS 1404. Zu ihm H.-G. Pflaum, in: Les r?mains d'Espagne (Paris 1965) 108-112. Wie bel Suet. Nero 32, 2; Gell. 12, 13,2; Ulp. 10 off. proc. D. 49, 18,9 § 4 (vg!. Alfen D. 10, 4, 19); Corpus glossar. Lat. III 285.530; CIL 6, 38585; und als Berufsbezeichnung Verstorbener auf ihren Grabsteinen: CIL 10,569, u. 12,5900 (dazu sofort); auch CIL 8, 18348 (dazu Liebs, Africa 8-10); 6, 33868; 3,2936; AHDE 16 (1945) 762 (sofort Nr. 3). Hier überall wird weder ein Student noch ein Assessor gemeint sein, sondern schlicht ein Fachmann des Rechts, der sich so sein Berufsleben lang genannt hat und vor allem beraten haben wird, sei es auch als Assessor. 80. Hirschfeld, CIL 12 (Berlin 1892) S. 382 links Mitte, 383 links oben, 521 rechts halb unten; ders., Kleine Schriften (Berlin 1913) 29 (zuerst 1889); E. Linckenheld, RE Art. Nemausus 2 (1935) 2306, 28 ff.; P. Goessler, RE Supp!. 7 (1940) Art. Narbo 528 f, 535; Kunkel (0. Ein!. Fn. 5) 350; P. Gros, in: The Princeton encyclopedia of classical sites (Princeton 1976) Art. Nemausus. Mit weniger überzeugenden Argumenten ablehnend A. Grenier, in: H.-G. Pflaum, Les Fastes de la province de Narbonnaise (Paris 1976) S. X-XII, notgedrungen gefolgt von Pflaum S. 130, 180 u. 185, der nach jenem Vorwort die Frage nicht mehr aufrollen konnte (ihm war die Fertigstellung des Werks mit der Auflage übertragen worden, in der Hauptstadtfrage Grenier zu folgen); ebenso M. Gayraud, ANRW 11 3 (1974) 854; u., wenngleich zögernd, R. Haensch, Capita provinciarum (Mainz 1997) 140 f. 9 A. Chastagnol, L'Italie et I'Afrique au Bas-Empire (Lilie 1987) 163 ff. (zuerst 1967, Lepcis Magna); u. Haensch aaO. 347 f. (vorsichtig rur Napoca). 10 Die Legaten der Narbonensis und ihre Karrieren bei Pflaum, Les Fastes 59-78. 6

Em.per~urs

1. Das römische Zeitalter

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2. L. Baebius Eucles Gleichfalls in Nimes trat 1885 ein jetzt ebenfalls im Museum befmdlicher, 65 x 60 cm messender, unten unvollständiger Grabstein mit Laubkranz und 45 cm breiter Inschrift zutage. 11

D M

nnn VIR A VG

L BAEBII EVCLES IVRSTUDIOS L BAEBIVS TERTIVS PATRONa

D(is) m(anibus) sevir(i) Aug(ustalis) L(ucii) Baebii Eucles (statt Euclis), iur(is) studi6s(i), L(ucius) Baebius Tertius patrono. Der nur mehr vereinzelte Apex spricht wohl eher für das 3. Jh. als das 2. Als sevir Augustalis gehörte der Mann zu den wohlhabenden Freigelassenen oder sonstwie nicht Ratsfähigen der Stadt, die sich in Nimes zu einer Korporation zusammengeschlossen hatten und bis 245 n. ehr. nachweisbar sind; danach verschwindet dieser besondere Stand im ganzen Reich. 12 Mit der niederen Herkunft wird auch das griechische Cognomen in Verbindung zu bringen sein, ein häufigerer Sklavennamen,t3 zu deutsch etwa 'guten Ruhm Besitzender'. Allerdings ist der Name alt und ursprünglich vornehm, nämlich auf Tüchtigkeit im Krieg zu beziehen. Und gerade Nimes hatte griechische Siedler schon bald nach der Einnahme Alexandrias durch Augustus bekommen, nämlich die Überläufer aus der ptolemäischen Armee, welche die Einnahme der Hauptstadt erleichtert hatten. Das waren aber Freigeborene und Vollbürger. 14 Auch waren im 2. und 3. Jh. Männer mit griechischen Namen häufiger Freigelassene, die ihren alten Sklavennamen nach ihrer Freilassung als cognomen fiihrten. Außerdem kommen damals aber auch zugezogene Freigeborene als Augustales in Betracht. 15 Eucles hatte seinerseits schon einen Sklaven freigelassen, der ihm den Grabstein gesetzt hat. Das für sein Kaiserpriesteramt nötige Vermögen, mit dem die Gebühr fiir die Aufnahme in das Kollegium der seviri Augustales, Kultkosten,

eIL 12,5900 = E. u. F. Germer-Durandu. A. Allmer (0. Fn. 1) 153. R. Duthoy, Les Augustales, ANRW 11 16,2 (1978) 1254 ff., bes. 1274 mit Fn. 143 u. 1305 f.; G. Alfoldy, Römische Sozialgeschichte (3. Aufl. Wiesbaden 1984) 113 u. 143. 13 J. Baumgart, Die römischen Sklavennamen (Diss. phi\. Breslau 1936) 20. Beispiele aus Rom: eIL 6,12692 Z. 5; 25604 (eine Frau); u. 25781a. 14 Hirsch/eid, Kleine Schriften 40 ff. (von 1883); u. zumal A. Allmer, Revue epigraphi~ue 2 (1884-1889) 8-10. 1 Alfoldy aaO. Auch die Römer mit dem cognomen Euc1es von eIL 6, 13288 u. 15036, waren wohl freigeborene Neubürger aus Griechenland. 11

12

Erstes Kapitel: Die einzelnen Juristen

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Baukosten, Gastereien und Spiele zu bestreiten waren, wird er als frei praktizierender Rechtsberater erworben haben. Wo er ausgebildet wurde, ist ebenso ungewiss wie bei seinem Vorgänger Virillio, wenn bei Eucles, gestorben im früheren 3. Jh., auch ein provinzialer Rechtslehrer wahrscheinlicher, da in Anbetracht seines Standes ein Studium in Rom noch unwahrscheinlicher ist als bei Virillio. Edward Champlin 16 hat uns eine Erklärung ermöglicht, warum bis zum 3. Jh. n. Chr. einschließlich in ganz Britannien, Gallien, Germanien und Spanien mitsamt westlichem Mauretanien nur diese beiden römischen Juristen in Nimes und ein dritter, etwas jüngerer in Südspanien (sofort Nr. 3) bekannt sind, während in Africa in dieser Zeit mindestens sieben zu verzeichnen sind. 17 Champlin hat nämlich ermittelt, dass die Ehefrau des großen hauptstädtischen Juristen Cervidius Scävola eine Honoratiorentochter aus Nimes war, der Jurist sich oft dort aufgehalten zu haben und Patron der Stadt gewesen zu sein scheint. 18 Dann liegt es aber auch nahe, dass er es war, der Virillio zum Juristen ausgebildet hat, und dieser wiederum Eucles. Der juristische Kulturtransfer nach Africa war früher gelungen; hier hatte es auch schon im frühen 2. Jh. so bedeutende Vermittler wie Pactumejus Clemens, Patron von Cirta, und Julian, Patron von Pupput, gegeben. 19 3. P. Gabinius Firmanus Um 1925 wurde in Guadix östlich von Granada in Südspanien ein jetzt der Rechtsfakultät der Universität Granada gehöriger Grabstein mit folgender Inschrift entdeckt: 20 P . GABINIVS . FIR MANVS . IVRIS STVDIOSVS . H . S . E

P(ublius) Gabinius Firmanus iuris studiosus h(ic) s(itus) e(st). In dem Album of the dated Latin inscriptions von A. E. Gordon kommt der Schrift dieses Steins am nächsten eine zwischen 293 und 296 gesetzte Ehreninschrift auf Maximian;21 vor allem die Buchstaben I, M, N, P und R ähneln einander sehr. Deshalb wird ZPE 69 (1987) 203-206. Liebs, Africa 5-18 u. 23-43. 18 In diesem Sinn interpretiert Champlin (0. Fn. 16) CIL 12,4036 = CLE 1112. 19 Dazu und zu weiteren Juristen und Stadtpratronen Liebs, in: Das Profil d. Juristen in der europ. Tradition. Symposion 70. Gebtg. F. Wieacker (Ebelsbach 1980) 154 f. 20 Boletin de la Universidad de Granada 16 (1944) 150 mit Foto gegenüber von S. 152; A. d'Ors, AHDE 16 (1945) 762. 21 CIL 6, 1125 = ILS 619 = Nr. 310 bei A. E. Gordon, Album of the dated Latin inscriptions III (Berkeley 1965). 16

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I. Das römische Zeitalter

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auch die Grabinschrift erst im späten 3. Jh. anzusetzen sein, wenn nicht noch später?2 Guadix hieß im Altertum Acci und war seit 42 v. Chr. Kolonie mit ius Italicum. 23 Seitdem Augustus 7 bis 2 v. Chr. die spanischen Provinzen neu abgegrenzt hatte, gehörte es zur provincia Tarraconensis. Ob der Jurist freilich hier nur seine alten Tage verbracht hat, vielleicht auch hierher stammte, während er seinen juristischen Beruf, wohl wieder als Rechtsberater, in einer größeren Stadt ausgeübt hatte, lässt sich nicht mehr sagen.

4. Anonymus semivir In seinem 92. Epigramm verspottet Ausonius einen homosexuellen Juristen: De iuris consulto, qui uxorem habebat adulteram Iuris consulto, cui vivit adultera coniunx, Papia lex placuit, Iulia displicuit. Quaeritis unde haec sit distantia? semivir ipse Scatiniam metuens non metuit Titiam.

Der gallische Dichter lebte etwa 310 bis 395 und lehrte etwa 335 bis 367 in Bordeaux Rhetorik, war dann bis 380/81 am Hof in Trier zuerst Erzieher Gratians und seit 375 hoher Reichsbeamter, verbrachte seinen Lebensabend aber wieder zu Hause. Seine Epigramme zeichnen oder verzeichnen Personen und Begebenheiten aus des Dichters unmittelbarer Umgebung. 24 Deshalb wird er auch hier einen ganz konkreten Juristen aus seiner Welt meinen, der also in Trier oder Bordeaux praktizierte. Beide Orte waren damals passende Wirkungsstätten fiir Juristen, da in Trier zur Zeit des Ausonius nicht nur das Kaisergericht, sondern auch das des Prätorianerpräfekten der gallischen Präfektur residierte, wozu auch beide Germanien, Britannien, Spanien und das westliche Mauretanien gehörten; außerdem nahm der gallische Präfekt die Aufgaben des Vikars der nordgallischen Diözese wahr. 2S Ausonius bekleidete diese Präfektur 377 bis 379. In Bordeaux waren das Gericht des Gouverneurs der Provinz Aquitania secunda und seit etwa 340 das des Vikars der südgallischen Diözese, der ursprünglich in Vienne seinen Sitz hatte;26 zu Beginn des 5. Jhs. wurde er mit dem des Präfekten nach Arles verD 'Ors: wahrscheinlich 3. Jh. A. Garcia y Bellido, Las colonias romanas de Hispania, AHDE 29 (1959) 474-76. 24 Zur Person des Ausonius s. W.-L. Liebermann, HLL V 277 ff. = § 554 B; PLRE I 140 f. Art. Ausonius 7; u. Liebs, Italien 94 f. Zu den Epigrammen Liebermann aaO. 301 f. = § 554 W. 30; zu diesem W Hottentot, Mnemosyne4 37 (1984) 148-51; u. Liebs, Italien 95-97. 2S H. Nesselhauf, Die spätrömische Verwaltung der gallisch-germanischen Länder (Berlin 1938) 84; u. J. Migl, Die Ordnung der Ämter (Frankfurt am Main 1994) 155. 26 Provinzhauptstadt: Notitia Galliarum 13, 2. Vikar: A. Chastagnol, Le diocese civil d'Aquitaine au Bas-Empire, Bulletin de la Societe Nationale des Antiquaires de France 22

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Erstes Kapitel: Die einzelnen Juristen

legt.27 Vivit wird als Präsens historicum aufzufassen sein; die ganze Sache ist als abgeschlossen erzählt, weshalb sie vor dem späten 4. Jh. gespielt haben wird, d.h. um die Jahrhundertmitte oder auch in der Trierer Zeit des Ausonius. Möglicherweise war er einer der Hofjuristen in Trier, deren Zuarbeit Ausonius als kaiserlicher Quästor gering achtete. 28

4a. Valerius Latinus Euromius In den frühen 80er Jahren des 4. Jhs. schrieb Ausonius Gedichte auf verstorbene Verwandte, die Parentelia. 29 Nr. 14 gilt einem einstigen Schwiegersohn, von dem wir sonst nichts wüssten: Val. Latinus Euromius gener o generis clari decus, 0 mihi funus acerbum, Euromi, e iuvenum lecte cohorte gener, occidis in primae raptus mihi flore iuventae, lactantis nati vix bene note pater. S Tu procerum de stirpe satus, praegressus et ipsos, unde genus clarae nobilitatis erat, ore decens, bonus ingenio, facundus et omni dexteritate vigens praecipuusque tide. Hoc praefecturae sedes, hoc Illyris ora 10 praeside te experta est, tiscus et ipse cliens. Nil aevi brevitate tarnen tibi laudis ademptum: indole maturus, funere acerbus obis.

Im mittleren Vierzeiler sind Herkunft und Bildung geschildert, im letzten der

berufliche Werdegang. Vom Bildungsweg erfahren wir das Ergebnis (Z. 7/8), das die übliche rhetorische Ausbildung anzeigt; mehr lässt sich den sehr allgemeinen Lobesworten nicht abgewinnen. Wenn der Sitz eines Präfekten davon profitiert haben soll (Z. 9 f.), so ist nicht allein an eine Assessur bei einem Präfekten zu denken,30 in welchem Fall auch ein Rechtsstudium in Betracht käme/I sondern

1970,272-290, bes. 281 f. u. 287. Der südgallische Verwaltungsbezirk wurde deshalb auch Aquitania i. w. S. genannt; allerdings blieben auch die alten Namen V bzw. VII provinciae in Gebrauch. 27 A. Chastagnol, Le repli sur Arles des services administratifs gaulois en l'an 407 de notre ere, Revue historique 249 (1973) 23 ff., hat rur die Verlegung der Präfektur und des Vikariats Anfang 407 wahrscheinlich gemacht, was Ausonius nicht mehr erlebte. Für eine längere Übergangszeit plädiert B. Bleckmann, HZ 265 (1997) 578-85. 28 T. Honore, Iura 35 (1984) 75-85. Allzu freundlich A. Co~kun, SZ 118 (2001) 31243. 29 Zu ihnen, auch zum zeitlichen Ansatz, Liebermann aaO. 285. 30 So O. Seeck, RE Art. Euromius (1907), mit Verkehrung der Reihenfolge des Texts: die Fiskaladvokatur sei, wie oft im Prinzipat, die erste Stellung gewesen; ebenso kurz

I. Das römische Zeitalter

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ebenso an eine schlichte Advokatur beim Gericht eines Präfekten. Sie liegt auch näher, weil es bei den Prätorianerpräfekten 150 Anwälte gab/ 2 aber nur einen, allenfalls zwei Assessoren. 33 Später wurde Euromius Gouverneur der unteren Rangstufe an der illyrischen Küste, also der Provinz Dalmatien oder allenfalls der Prävalitana südlich davon, etwa das heutige Montenegro mit Albaniens Norden. 34 Zuletzt nennt Ausonius den Posten eines advocatus fzsci, der im 5. Jh. zugleich der Primas des jeweiligen Advokatenkollegiums war. 35 Wenn Euromius diese Stellung wirklich nach dem Gouverneursamt innehatte, dann wohl bei einem höchsten Gericht oder in der Zentrale; am nächsten liegt seine alte Präfektur. Wenn unter den Anwälten des Fiskus mitunter auch Juristen anzutreffen sind,36 so deutet allein das Amt noch nicht auf einen Juristen. Insgesamt beurteilt ist die Karriere, die in den 60er Jahren des 4. Jhs. anzusetzen ist und allenfalls bis in die frühen 70er reichte,3? fiir einen Angehörigen des Ausonius bemerkenswert flach. 38 Auch wenn man nicht ausschließen kann, dass Euromius Jurist war, weil sein Schwiegervater das übergangen haben könnte, ist es weder wahrscheinlich noch naheliegend.

4b.Amator 418. n. ehr. starb nach langer Amtszeit Amator, Bischof von Auxerre, dessen Biografie Stephanus presbyter aus Africa im Auftrag des Bischofs Aunacharius

Stroheker 170 Nr. 132. Auch für Assessur, aber mit dem Text als erste Stellung, PLRE I Art. Euromius. 31 Als Assessoren wurden bevorzugt Juristen eingestellt: Hitzig (0. Einl. Fn. 15) 70 ff. 32 M. A. v. Bethmann-Hollweg, Der röm. Civilprozeß III (Bonn 1866) 152 f. 33 Ders. aaO. 130 f.; Hitzig (0. Einl. Fn. 15) 90-95 u. 164-66; u. Kaser/Hack/550. 34 B. Saria, RE XXII 2 (1954) 1673,26 ff., Art. Praevalitana. 35 Bethmann-H. aaO. 164 f.; E. De Ruggiero, Diz. epigr. Art. Advocatus fisci (von 1886) 126 f. 36 H.-G. Pflaum, Les procurateurs equestres du Haut Empire Romain (Paris 1950) 89; Kunkel, Herkunft 326; u. Liebs, Italien 54 f. Zu HA Carac. 8, 3, schon Mommsen, Ges. Sehr. 11 64 ff. (zuerst 1890), worauf Pflaum, Les carrieres des procurateurs equestres (Paris 1960/61) 584 Fn. 3, Bezug nimmt; ungerechtfertigt also der Angriff von F. MilIar, JRS 53 (1963) 200 oben. Freilich war Pflaum wie viele Historiker allzu bereit, Prokuratoren mit rein ziviler Karriere als Juristen zu deuten, wohl angesichts kontinentaleuropäischer Verhältnisse in der Neuzeit. 37 Der Nachfolger des Euromius als Schwiegersohn des Ausonius, Thalassius, erfuhr seit 376 kräftige Förderung durch seinen Schwiegervater, PLRE I Art. Thalassius 3; 1. Matthews, Western aristocracies and imperial court A. D. 364-425 (Oxford 1975) 70, 77,83. 38 Unter Gratian verhalf Ausonius seinen Angehörigen zu den glänzendsten Karrieren, Matthews aaO. 69 ff.; u. Liebs, Italien 94 f. 3 Liebs

34

Erstes Kapitel: Die einzelnen Juristen

schrieb, der um 565 bis 605 oder wenig später amtierte. 39 Dabei hat Stephanus die um 480 von Konstantius von Lyon verfasste Biografie des Nachfolgers von Amator, Germanus, benutzt und ausgeschmückt. 40 Zur Erziehung Amators heißt es: 41 Parentibus nobilissimis natus et in cunis segmentatis educatus est et nutritus. ... Hunc (sc. Amatorem) igitur tenere (sc. parentes) diligentes, et cum summa sollicitudinis diligentia educantes, litteris non solum communibus verum etiam liberalibus tradiderunt. Cujus ingenium quoniam Deo fuerat dedicatum, ita intra breve tempus omnium artium doctrinam et disciplinarum subtilitatem est consecutum, ut poeticarum adinventionum schemata, oratorum enthymemata, jurisperitorum nodos atque aenigmata, philosophorum quoque syllogisticas quaestiones facili disputatione penitus enarraret. Nicht nur soll also die Erziehung allumfassend, sondern der zukünftige Kirchenmann soll auch beispielhaft anstellig und wissbegierig gewesen sein. Das klingt alles wenig individuell. Hinzu kommt, dass auch im mittleren 4. Jh., als Amator seine höhere Bildung erhalten haben muss, das Recht kein Bildungsfach unter anderen war wie Poesie, Redekunst und Filosofie, und dass die Beschreibung der Rechtsstudien auf einen mittlerweile offenbar geflügelten Ausdruck Juvenals zurückgreift. In seiner achten Satire hält er dem altadligen, aber offenbar untauglichen Rubellius Blandus entgegen, dass die tüchtigen Anwälte, Juristen und Soldaten aus dem Volke kommen, bei den Juristen mit den Worten: 42 Veniet de plebe togata, qui iuris nodos et legum aenigmata solvat. Vermutlich liegen den juristischen und filosofischen Studien, die Amator betrieben haben soll, keine Tatsachen zugrunde, sondern sollte ein beispielhafter Bildungsweg nachgezeichnet werden, wobei das Rechtsstudium durch das in der Vita des Germanus angeregt sein wird.

s. Claudius Postumus Dardanus Für einen Juristen, der gar erst durch seine Rechtswissenschaft emporgekommen sei, hält Martindale43 den bei Sisteron begüterten zweimaligen Prätorianerpräfekten der gallischen Präfektur, wohl 408 und 412/13, Cl. Postumus Dar39 L. Duchesne, Fastes episcopaux de l'ancienne Gaule II (2. Aufl. Paris 1910) 440 u. 446; u. M Heinzelmann, LdM Art. Aunacharius (von 1979). 40 G. Henschen, Acta Sanctorum Maii I (Nachdruck Paris 1866, zuerst 1680) 52 rechts oben. Dort S. 53 ff. auch die Vita. 41 Vita 1 a. E. Zu Amator W. Levison, NA 24 (1904) 158-60; Stroheker 144 Nr. 16; u. M.HeinzelmannIM. van Uytfanghe, LdM Art. Amator (von 1978). 42 Juvenal, Satire 8, 49 f. 43 PLRE 11 346 f. Art. Dardanus; s. schon Stroheker, 162 f. Nr. 99; u. jetzt R. W. Mathisen, Roman aristocrats in barbarian Gaul (Austin 1993) 55; u. R. Scharf, Francia 20 (1993) 2, 8 u. 11.

1. Das römische Zeitalter

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danus, über den eine in den Fels gehauene Inschrift44 am Zugang zur von ihm errichteten Fluchtburg Theopolis 11 km ostnordöstlich von Sisteron (an der Departementsstraße 3 nach St. Geniez links) Näheres berichtet. Danach war er Konsular der Provinz Viennensis, magister scrinii libellomm und kaiserlicher Quästor, bevor er zum ersten Mal Präfekt wurde. Währenddessen oder danach erhielt er den patricius-Titel; und zwischen beiden Präfekturen errichtete er auch zusammen mit seiner Frau und einem Bruder, beide gleichfalls illustres, die Fluchtburg. Während der zweiten Präfektur gelang es ihm 413, den Westgotenkönig Athaulf dem gallischen Usurpator Jovin abspenstig zu machen und auf die Seite des legitimen Kaisers Honorius zu ziehen. Jovin begab sich nach Valence, musste sich jedoch im Frühjahr 413 den Westgoten ergeben. Er wurde den Römern ausgeliefert und in Narbonne von Dardanus eigenhändig getötet. Dieser nahm sein Haupt und das des Bruders und Mitkaisers Sebastian nach Ravenna mit, wo er am 30. August ankam. Grausam töten ließ er auch Anhänger Jovins aus Galliens senatorischem Adel, weshalb später gallische Große, wie Sidonius Apollinaris, Dardanus der inconstantia, facilitas und perfidia zeihen: omnia (gemeint sind diese drei) in Dardano crimina simul execrarentur. 45 Dardanus seinerseits fragte bei Hieronymus wegen des Gelobten Landes nach und erhielt 414 als Antwort dessen libellus de terra repromissionis; darin redet dieser ihn vir emditissime an. 46 417 fragte er Augustin nach der Gegenwart Gottes und erhielt als Antwortbrief dessen liber de praesentia Dei. 47 Beide Heiligen loben sein Christentum, Hieronymus mit der Anrede Christianomm nobilissime, nobilium Christianissime; und Augustin mit der Anrede frater dilectissime Dardane, inlustrior mihi in caritate Christi quam in huius saeculi dignitate, woran man zweifeln darf. 48 Der Quästor des Kaisers formulierte seine Gesetze, war darum aber noch nicht regelmäßig Jurist, sondern nur ausnahmsweise. 49 Wir können die einzelnen Quästoren nach ihrem Stil voneinander absetzen, der auch verrät, ob der Betreffende Jurist war. Dabei ergab sich, dass im Westen seit Konstantin jedenfalls 388/89, 44 eIL 12, 1524 = ILS 1279. Dazu J. B. Keune, RE II A 1 (1921) 1111,21-36 Art. Segustero; M Besnier, RE V A 2 (1934) 2172 Art. Theopolis; J. R. Palanque, Revue des etudes anciennes 47 (1945) 172 f.; u. H. I. Marrou, Bulletin de la Soc. nationale des Antiquaires de France 1954/55 (1957) 54 - 56. 45 Sid. ep. 5, 9, 1 S. 2. 46 Hieronymus, Epist. 129. 47 Augustin, Epist. 187. 48 Vgl. den Zank um das Vermögen des schwerreichen Valerius Pinianus, Augustin. epist. 125, u. dazu A. Mandouze, Prosopographie de I'Afrique chretienne (Paris 1982) 60f. Art. Alypius. 49 T. Honore, SZ 103 (1986) 133 ff.; ders., Iura 35 (1984) 75 ff.; J. Harries, JRS 78 (1988) 151 ff., 164 ff.; dies., in: The Theodosian code, hg. J. Harries u. I. Wood (London 1993) 7 f.; T. Honore, ebenda 68 ff.; ders., Law in the crisis of Empire (Oxford 1998) VIII f., 9-12,18-23,41-45,83-90 u. 164-67.

36

Erstes Kapitel: Die einzelnen Juristen

sodann 407 und 419 bis 422 ein Jurist Quästor war. 50 Der mittlere war nach einer begründeten Vermutung Honores Dardanus. Auch das Amt des magister libellornm wurde im 2. und 3. Jh. regelmäßig Juristen anvertraut,51 im 4. Jh. freilich herabgestuft und nicht mehr so selbstverständlich wie vordem von kaiserlichen Juristen versehen; sein Ausstoß begegnete im Gegenteil immer entschiedenerem Korruptionsverdacht. 52 Die Anrede vir ernditissime durch Hieronymus endlich weist fiir sich noch nicht auf Rechtskenntnisse hin, kommt darnitjedqch gut überein. Der Rang von Frau und Bruder machen Martindales Annahme, wir hätten es mit einem Aufsteiger zu tun, unwahrscheinlich; er gehörte im Gegenteil zur führenden gallischen Familie der Claudii. 53 Die Tötung Jovins war rechtlich vielleicht nicht korrekt, offenbar aber folgenlos. Sie ist jedenfalls kein gewichtiges Indiz gegen das Juristentumes des Dardanus.

6. Germanus Bischof Germanus von Auxerre, der 445 n. Chr. nach 25jähriger Amtszeit starb, stammt aus der Oberschicht dieser Stadt. Über seine weltliche Ausbildung und seine Ämter werden wir von seinem Biografen Konstantius von Lyon um 480 unterrichtet. 54

50 Honore, SZ 103, 144 ff., bes. 154-56 u. 173-75; ders., Law 186 f., 232 f., 243-46 u.275-77. 51 T. Honore, Emperors and lawyers (2. Aufl. Oxford 1994); u. Liebs, SZ 100 (1983) 485-509. 52 Liebs, aaO. 485-87. 53 M Heinzelmann, Bischofsherrschaft in Gallien (München 1976) 224 u. 231; s. a. 53 Fn. 136 u. 204 f.; ders., Francia 10 (1982) 590. 54 Konstantius von Lyon, Vita sancti Germani episcopi Autissiodorensis, hg. v. W. Levison, MGH, SRM VII 225 ff., 1; u. R. Borius: Constance de Lyon - Vie de Saint Germain d'Auxerre (Paris 1965). Zu Konstantius Levison, Bischof Germanus von Auxerre und die Quellen zu seiner Geschichte, NA 29 (1904) 107 ff.; ders., MGH SRM VII 230 f.; Stroheker 162 Nr. 97; G. Bardy, Constance de Lyon, biographe de saint Germain d'Auxerre, in: Saint Germain d'Auxerre et son temps (Auxerre 1950) 89 ff.; N. K. Chadwiek, Poetry and letters in early christian Gaul (London 1955) 250 f.; Borius aaO. 13 ff. u. 63 ff.; W. Gessel, Germanus von Auxerre (um 378-448) - Die vita des Konstantius von Lyon als homiletische Paräsie in hagiographischer Form, Röm. Quartalschrift f. christI. Altertumskunde u. Kirchengesch. 65 (1970) 1-14; u. J. Gruber, LdM Art. Constantius 3 (von 1984). - Zu dem betr. Lebensabschnitt des Germanus Levison, NA 29, 117 f.; ders., MGH aaO. 225 f.; H. Nesselhauf, Die spätrömische Verwaltung der gallisch-germanischen Länder (Berlin 1938) 45 Fn. 1; Stroheker 177 f. Nr. 178; J. Gaudemet, La carriere civile de saint Germain, in: Saint Germain d'Auxerre et son temps (Auxerre o. J., wohl 1948) 111 ff.; Chadwiek aaO. 252; E. Griffe, La Vie de saint Germain d'Auxerre, Bulletin de litterature ecclesiastique 66 (1965) 289-94; Borius aaO. 32 ff.; PLRE 11 Art. Germanus 1; E. A. Thompson, Saint Germanus of Auxerre and the end

I. Das römische Zeitalter

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19itur Germanus Autesioderensis oppidi indigena fuit, parentibus splendidissimis procreatus et ab ipsis infantiae rudimentis studiis liberalibus institutus. In quo doctrinae conlatio cum ingenii ubertate consentiens eruditissirnum duplicato bono, id est naturae et industriae, reddiderunt. Atque ut in eum perfectio litterarum plena conflueret, post auditoria Gallicana intra urbem Romam iuris scientiam plenitudini perfectionis adiecit. Deinde tribunalia praefecturae professione advocationis ornavit. In quo actu dum multiplici laudis luce resplendet, sublimen genere, divitiis, moribus sortitur uxorem. Quem quidem togae praeconiis praerninentem protinus res publica ad honorum praesumpsit insignia ducatus culrnen et regimen per provincias conferendo. Erudiebatur profecto occulto divinitatis iudicio, ne quid perfectionis deesset apostolico pontifici mox futuro. Parabantur eloquentiae praedicationibus, iuris doctrina iustitiae, uxoris societas ad testimonium castitatis.

Parentibus splendidissimis zeigt senatorischen Stand der Familie an. 55 Nach Gramrnatikunterricht und Besuch einer Rhetorikschule zu Hause in Gallien, in Auxerre selbst oder, besser, im nahen Autun, ging Germanus also nach Rom, um dort Jura zu studieren. Gaudemet zweifelt,56 ob das stimmt, weil in der Hagiografie Vorbilder eine große Rolle spielten und hier die Biografie des Ambrosius von Paulin von Mailand, geschrieben in Africa um 400 auf Veranlassung Augustins, Vorbild gewesen sei. Hier heißt es: 57 ... adolevisset et esset in urbe Roma constitutus cum matre vidua et sorore ... edoctus liberalibus disciplinis ex urbe egressus est ...

Mehr ist zur Bildung des Ambrosius nicht gesagt; insbesondere ist, entgegen Gaudemet, ein Jurastudium nicht einmal angedeutet. Nun kommt für Konstantius noch ein anderes Vorbild in Betracht, ein Brief des Hieronymus an den Mönch Rusticus aus vornehmem südgallischem Geschlecht, wohl der spätere Bischof von Narbonne, vom Jahr 412, worin der Kirchenvater auch auf die Erziehung seines Korrespondenten eingeht: 58 Audio religiosam habere te matrem, multorum annorum viduam, quae aluit, quae erudivit infantem et post studia Galliarum, quae vel florentissima sunt, misit Romam

ofRoman Britain (Woodbridge 1984) 10,62 u. Fn. 29, 71, 83 f.; M. Heinzelmann, LdM Art. Germanus 1 (1988); u. R. Scharf, Francia 18 (1991) 1-19. Den Legenden verpflichtet J. E. Gugumus, Der heilige Germanus von Auxerre und die Anfänge des Klosters St. German vor Speyer, in: Sankt German in Stadt und Bistum Speyer, hg. v. A. Kloos (Speyer 1957) 12 f.; u. Gessel aaO. 5. Weitere Lit. zu Konstantius und Germanus im Repertorium fontium historiae medii aevi, hg. A. Potthast u. a., III (Rom 1970) 618. 5S Gaudemet, La carriere civile 111, weil der Senat oft, z. B. CTh 14,3,4, splendidissimus ordo heißt. S6 AaO. 114 f. 57 Paulin von Mailand, Vita Ambrosii 5. 58 Hieron. epist., hg. 1. Hilberg (= CSEL 56: Wien 1918) 125, 6. Zur Datierung und zum Adressaten F. Cavallera, Saint Jeröme - Sa vie et son ceuvre (Paris 1922) I 320 Fn. 2 u. II 54.

Erstes Kapitel: Die einzelnen Juristen

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non parcens sumptibus et absentiarn filii spe sustinens futurorum, ut ubertatem Gallici nitoremque sermonis gravitas Romana condiret ...

Im Folgenden geht Hieronymus auf Feinheiten der rhetorischen Bildung ein; von Recht ist aber auch hier keine Rede, und auch im Ausdruck sind signifIkante Übereinstimmungen nicht wahrzunehmen. Wir können also das Rechtsstudium des Germanus als unabhängig von einem literarischen Vorbild berichtete, vertrauenswürdige Nachricht nehmen. Da zwischen ihm und der Wahl zum Bischof 418 n. ehr. Eheschließung und Berufsweg bis zu einer hohen Stellung im öffentlichen Leben fIelen, wird das Studium vor 410 abgeschlossen und vor 407 begonnen worden sein. Die Wahl Roms als Studienort wurde also schwerlich erst durch die Zerstörung gallischer Schulen nach dem Einmarsch der Barbaren aus dem Osten veranlasst, wie Riche will,59 sondern wahrscheinlich wie bei Alypius, um beruflich auf höchstmöglichem Niveau beginnen zu können. 6O Das ist offenbar geglückt, denn der Berufsweg des Germanus begann zwar mit der üblichen Advokatur, aber sofort bei einem Präfekten. In Betracht kommen der Prätorianerpräfekt Galliens mit Sitz in Trier und seit Beginn des 5. Jhs. Arles,61 der Italiens und Africas in Mailand und seit 402 Ravenna und der Stadtpräfekt in Rom. In diese erste Station fiel die Eheschließung, was allenfalls geringfügig für Trier oder Arles ins Gewicht fällt, insofern eine gallische Partie näherliegt als eine römische oder norditalienische. 62 Allerdings ist zunächst einmal zu fragen, ob der Einstieg ins Berufsleben auf diesem hohen Niveau glaubhaft oder nicht vielmehr aus der BiografIe des Ambrosius geborgt ist, wie Gaudemet vermutet. 63 Der Verdacht liegt auch deshalb nahe, weil dieser als Sohn eines ehemaligen Präfekten64 vermutlich Protektion genoss, die wir auch bei Euromius, der ja gleichfalls diesen Einstieg schaffte, am Werk sahen;65 bei Germanus dagegen ist kein Förderer ersichtlich. Doch wissen wir über die Beziehungen seiner Familie nur deshalb nicht genauer Bescheid,66 weil Konstantius uns hier im Stich lässt, was hinreichend damit zu erklären ist,

P. Riche, IRMAE I 5 b bb S. 4 f. Vgl. Liebs, Africa 115. 6l A. Chastagnol, Revue historique 249 (1973) 23 ff., nimmt eine geordnete Verlegung des Sitzes im Jahr 407 an, während B. Bleckmann, HZ 265 (1997) 575-85, für einen allmählichen Übergang seit dem Ende des 4. Jhs. eintritt. 62 Vgl. Stroheker 62 u. 141 ff., insbes. Nr. 5, 9, 19,35,43,45,53,66, 158,214,222, 224,256,281,306,320,336,355. Wieso Gaudemet (0. Fn. 54) 112, von mariage dans une famille romaine spricht, kann ich nicht erkennen. 63 AaO. 114 f. 64 Paulin, Vita Ambrosii 3. 65 Soeben Nr. 4a. 66 Zu den Angaben Heirics von Auxerre, Miracula sancti Germani 1, 19, und der Gesta pontificum Autissiodorensium 7, Levison, NA 29, 163 ff.; u. Gaudemet (0. Fn. 54) 112f. 59

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I. Das römische Zeitalter

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dass er seinem Gegenstand zeitlich und persönlich weniger nahe stand als Paulin;67 auch mag er solche Einzelheiten nicht mehr berichtenswert gefunden haben, nachdem die römische Ordnung in ganz Gallien in Auflösung begriffen war. Jedenfalls erzählt er diese Station mit anderen Worten als Paulin und gemächlich innehaltend, während dieser damit nur kurz zur Assessur des Ambrosius bei seinem berühmt-berüchtigten Förderer überleitete: 68 professusque in auditorio praefecturae praetorii ita splendide causas peroravit, ut eligeretur a viro illustri Probo, tunc praefecti praetorii, ad consilium tribuendum.

Dergleichen kommt in der Vita des Germanus nicht vor. Die Angaben über seine Staatsämter sind wiederum vage, während der entsprechende Passus über Ambrosius lautet: Post haec (s. soeben) consularitatis suscepit insignia, ut regeret Liguriarn Aemiliarnque provincias, venitque Mediolanum.

Und dann folgt die wunderbare Bischofswahl vom Gouverneursamt weg, mit umständlichen Verzögerungen, weil der Gottesmann seine Berufung rekusiert. Nicht ganz so langwierig, aber gleichfalls erbaulich ist die Rekusation des Germanus, und in der knappen Andeutung seiner Ämterlaufbahn könnten die Ausdrücke insignia, regimen (regeret bei Paulin) und der Plural per provincias von Paulin geborgt sein. Er nun gebraucht den Plural nur zur Bezeichnung der Doppelprovinz Ligurien-Ärnilien, was bei Konstantius schwerlich gemeint ist. Deshalb können wir aus dem Plural bei ihm aber nicht schon auf ein Vikariat oder gar eine Prätorianerpräfektur schließen. Ebenso wenig müssen wir ducatus prägnant im militärischen Sinn als 'Amt eines dux' verstehen, welcher Sinn bei Historikern einschließlich Historia Augusta, Verwaltungs- und Rechtstexten vorwiegt;69 denn christliche Texte gebrauchen ducatus meist allgemein i. S. v. 'weltliche Machtstellung, Obrigkeit,.70 Und praesumpsit, hier LS.v. 'beanspruchte, bestimmte', als bloße Designation zu verstehen,7l erscheint allzu spitzfindig und macht auch keinen rechten Sinn, weil doch offenbar mehrere Ämter gemeint sind. Schließlich ist der edle Wettstreit zwischen Kirche und Welt um die Person des Germanus allzu schön, um Vertrauen zu wecken. Hat also Konstantius über die weltlichen Ämter des Germanus und überhaupt die weltliche Ordnung keinen Bescheid gewusst und diese Lücke mit allgemeinen Formulierungen überdeckt, zu denen er sich von literarischen Vorbildern wie der Vita des Ambrosius anregen ließ? Immerhin kam er wie Sidonius aus der OberDieser gibt Rechenschaft über seine Quellen zu Beginn, Vita Arnbrosii I. Zu Probus etwa Matthews (0. Fn. 37) 195 ff. 69 Hey, ThLL Art. ducatus (1934) I B 2 de imperio militari: 57 Belege, darunter aber auch Cassiod. var. 7, 8, 2 von der ravennatischen Vigilenpräfektur. 70 ThLL aaO. 1 generatim: 27 Belege. 71 So Griffe (0. Fn. 54). 67

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schicht von Lyon und hatte, Anfang des Jhs. geboren, jahrzehntelang unter römischer Verwaltung gelebt. Aber er wollte nicht über die Vergangenheit belehren, sondern Christen seiner Zeit erbauen. Lyon, wo er lebte, war seit 461 Hauptstadt des Burgunderreiches; und Auxerre, dessen Bischof ihn um die Veröffentlichung gebeten hatte, gehörte entweder noch zum Reich des Syagrius oder, seit 486, zum Frankemeich. Beide Städte lagen in unmittelbarer Nähe des Westgotemeichs, das damals noch expandierte. In all diesen Germanemeichen waren auch auf der Verwaltungsebene unterhalb des Königs zivile und militärische Zuständigkeiten ungetrennt. Die Westgoten und Franken hatten duces, deren Bezirke den römischen Provinzen entsprachen. 72 Und die Burgunder comites civitatum auf pagorum (prima const. 5); von duces hören wir hier nichts, weil die Provinzen weggefallen waren. 73 Auch im Reich des Syagrius liegt Vereinigung beider Gewalten unter duces nahe. Um sich dem damaligen und zukünftigen Publikum verständlich zu machen, einen ungefähr entsprechenden Terminus seiner Zeit zu gebrauchen, in der es consulares und praesides provinciae nicht mehr gab, könnte Konstantius ein gewöhnliches Gouvemeursamt, worauf die Ausbildung offenbar gezielt hatte, mit dem nach wie vor aktuellen Wort ducatus bezeichnet haben. Auszuschließen sind militärische Ämter aber auch nicht, wie das Beispiel des Avitus lehrt, auch ein Jurist aus Gallien. 74 Als Bischof sollte Germanus 429 auf seiner ersten Britanniemeise seine militärischen Fähigkeiten als dux unter Beweis stellen.75 Nach einem militärischen Amt oder auch vorher könnte er Gouverneur gewesen sein. Wo Germanus amtierte, ist ungewiss. Gallien liegt näher als der übrige Westen, weil nach dem Sturz Gratians, und zumal seit dem 5. Jh. Gallier nicht mehr oft außerhalb Galliens Dienst tun, allenfalls in der Zentrale. 76 Vor seiner Wahl zum Bischof mag er als Privatmann zu Hause gelebt und von dort seine Wahl betrieben haben. Um den Bischofssitz von Auxerre zu erringen, brauchte man

M. Borgolte, LdM Art. Dux, Dukat (1986) 1487 f. Vgl. J. Richard, LdM Art. Burgunder (1983) 1094. In der Lex Burgundionum (unten Kap. 3 Nr. 14b) kommen Provinzen nicht vor, ebenso wenig in der Lex Romana rur Burgund; vielmehr fungieren als Repräsentanten des Königs comites, zuständig, soweit lokal, rur eine civitas: LB pr. const. 5 u. 14; 49, 1; 76, 1; 79,4; LB extrav. 19, 1; 21, 11 u.14. 74 Sofort Nr. 7. 75 Konstantius, Vita Germani 17 f. Allzu entschieden lehnt Gaudemet (0. Fn. 54) 115, ein militärisches Amt ab. 76 Vgl. die Karrieren von Agricola, (Sidonius) Apollinaris, Avitus, Dardanus, Exuperantius, Claudius Lachanius, Claudius Lepidus, Minervius, Rutilius Claudius Namatianus, Decimus Rusticus und Victorinus, nach Stroheker 141 ff. u. PLRE II; s. a. S. 22 f., 35 f., 61 ff. 72

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II. Das gotisch-burgundische Zeitalter

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420 - im Gegensatz zum Residenzbistum Mailand 46 Jahre früher - zur senatorischen Abkunft hinzu wohl nicht unbedingt auch noch ein einflussreiches Amt. 77

II. Das gotisch-burgundische Zeitalter Unsere Hauptquelle für Gallien im mittleren und späteren 5. Jh. ist Sidonius Apollinaris. 78 Der um 430 in Lyon geborene Aristokrat, Dichter und, 469/470 bis zu seinem Tod bald nach 480, Bischof von Clermont Ferrand, ist besonders mitteilsam über die Verhältnisse zu seiner Zeit in seinen Kreisen im südlichen Gallien. Ob man an seinem kunstvollen Latein, vor allem seinem großen und maniriert eingesetzten Wortschatz Gefallen findet oder nicht, jedenfalls hatte er den Ehrgeiz, die Dinge vom Üblichen abweichend darzustellen und mit ansprechenden Einzelheiten zu würzen. Das spricht dafür, dass die erwähnten Tatsachen wirklich statthatten; und sein Erfolg als Dichter bei seinen Zeitgenossen, dass seine Bewertungen auch die seiner Zeit spiegeln, nicht die einer eigenwilligen Persönlichkeit. Selbst Literat, aber kein Jurist, war er zunächst weltlicher und dann geistlicher Würdenträger und an allem Rechtlichen interessiert. Viele sonst unbekannte römische Juristen lernen wir durch ihn kennen, und die Einzelnen fallen so verschieden voneinander aus, wie es das Leben mit sich bringt. Schablonenartige Metafern gebraucht der Poet erst bei den konkreten Einzelheiten; sie sind in der Regel zu entziffern. 79 7. Eparchius Avitus Der kurzfristige weströmische Kaiser Avitus stammte aus senatorischer Familie in Clermont. 8o Nach dem Tode des Kaisers Petronius Maximus wurde er 77 Vgl. zu Ambrosius F. Kolb, in: Gesch. u. Gegenwart - Festschr. K. D. Erdmann (Neumünster 1980) 57 ff. 78 Maßgebliche Ausgabe seiner Dichtungen und Briefe von A. Loyen, Sidoine Apollinaire I: Poemes (Paris 1960) und II-III: Lettres (Paris 1970) mit französischer Übersetzung, Kommentar und Register. Zu Sidonius ferner Schanz, Gesch. IV 2, 43-55; C. E. Stevens, Sidonius Apollinaris and his age (Oxford 1933); Loyen, Sidoine Apollinaire et l'esprit precieux en Gaule aux derniers jours de I'Empire (Paris 1943); PLRE II 115-18 Art. Apollinaris 6; J. Harries, Sidonius ApoIIinaris and the fall ofRome (Oxford 1994); Helga Köhler, C. Sollius ApolIinaris Sidonius Briefe Buch I (Heidelberg 1995); u. F.-M. Ka'f(mann, Studien zu Sidonius Apollinaris (Frankfurt am Main 1995). 9 Zur Glaubwürdigkeit des Sidonius B. Näf, Senatorisches Standesbewusstsein in spätrömischer Zeit (FreiburgiSchweiz 1995) 135. 80 Zu ihm Stroheker 152-254 Nr. 58; A. Loyen, Resistants et collaborateurs en Gaule a l'epoque des grandes invasions, Bulletin de I'Association G. Bude, 4. ser., 22 (1963) 440 f.; PLRE II Art. Avitus 5; R. W. Mathisen, Studies in the history, litterature and society of Late Antiquity (Amserdam 1991) 137-205 (bis 162 zuerst 1981-85, ab 167

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Erstes Kapitel: Die einzelnen Juristen

zunächst in Toulouse von den Goten und am 9. Juli 455 in Arles von den gallischen Großen zum Kaiser ausgerufen, was das Ostreich nicht anerkannte; ebenso wenig anerkannt war sein Konsulat, das er am 1. Januar 456 in Rom antrat; die Festrede hielt sein Schwiegersohn Sidonius Apollinaris, erhalten als sein Carmen 7. Darin ist auch der Bildungsweg des Gefeierten geschildert. Nach vier Zeilen über musische und rhetorische Bildung, römische Geschichte und theoretische Kriegskunst und 30 Zeilen über Jagd und körperliche Ertüchtigung heißt es kurz: 81 Nec minus haec inter civilia iura secutus.

Dann folgt sein erster Auftritt im öffentlichen Leben um 415/20 als Gesandter seiner Vaterstadt zum Reichsfeldherrn Konstantius, um einen Steuernachlass zu erwirken. 82 425 oder 426 kam er zum ersten Mal an den Hof Theoderichs I. in Toulouse, und 430/31 bekleidete er ein militärisches Amt unter Aetius und kämpfte gegen Juthungen und Noriker. In den 30er Jahren kam er erneut an den Hof von Toulouse, wo er dem gegenwärtigen Westgotenkönig Theoderich 11., dem zweiten Sohn Theoderichs 1., römisches Recht und römische Dichtung nahebrachte, was Sidonius jetzt mit den Worten ausdrückt: 83 (es spricht Theoderich II.) Mihi Romula dudum per te iura placent, parvumque ediscere iussit ad tua verba pater, docili quo prisca Maronis carmine molliret Scythicos mihi pagina mores.

436 bekleidete er wieder ein militärisches Amt unter Aetius und kämpfte gegen die Burgunder, und 437 war er gallischer Heermeister, schlug bei Clermont marodierende Hunnen und wirkte beim Entsatz Narbonnes mit. 439/40 war er gallischer Prätorianerpräfekt, in welcher Eigenschaft er mit den Westgoten einen für die Römer günstigen Vertrag schloss, was Sidonius in die Worte kleidet: 84 Littera Romani cassat, quod, barbare, vincis. Iura igitur rexit; narnque hoc quoque par fuit, ut turn assertor fieret legum, qui nunc erit auctor, ...

Danach zog er sich ins Privatleben zurück. 451 vermittelte er das Bündnis zwischen Aetius und den Westgoten gegen die Hunnen, aber erst 455 berief ihn der Nachfolger Valentinians III., Petronius Maximus, wieder in den Staatsdienst,

zuerst 1979); u. D. Henning, PericIitans res publica (Stuttgart 1999) 32-36, 74-78, 12234, 194-96 u. 222 f. 81 Sid. carm. 7, 207. Zur körperlichen Ertüchtigung 177-206; zu den anderen Bildun~sfachem 174-77. 8 Sid. carm. 7, 208-14. 83 Sid. carm. 7,495 ff. 84 311_13. Dazu F. Beyerle, ZRGG 67 (1950) 3 f.; u. A. Goltz, in: ders. u. a. (Hg.), Gelehrte in der Antike (Köln 2002) 307.

II. Das gotisch-burgundische Zeitalter

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jetzt als magister utriusque militiae, als der er an den Hof Theoderichs 11. nach Toulouse entsandt wurde. Gegen ihn als Kaiser erhob sich sein Feldherr Rikimer, der ihn am 17. Oktober 456 bei Piacenza schlug, worauf Avitus zum Bischof von Piacenza geweiht wurde. Nicht lange danach starb er anscheinend. Die Nachricht über eine juristische Ausbildung des Avitus ist untypisch; in den Festreden des Sidonius auf Majorian, Anthemius und Consentius begegnet nichts dergleichen. Es besteht also kein Grund, die Auskunft nicht ernst zu nehmen. Hätte nun Avitus diese Ausbildung in Rom genossen, so hätte Sidonius den Studienaufenthalt am Ort des Triumphes und der Festrede schwerlich übergangen. Demnach wird sie in Gallien stattgefunden haben, wo um 410 bis 415 in Autun, Lyon, Bordeaux oder Arles, vielleicht aber auch zu Hause in Clermont Rechtslehrer unterrichtet haben können. Im Staatsdienst hat sich Avitus stärker militärisch als zivil betätigt; schon in seiner Jugend hatte die körperliche Ertüchtigung eine größere Rolle gespielt als alles Geistige zusammen. Aber Gesandtschaft, Präfektur und Bischofsamt waren zivile Aufgaben; und am westgotischen Königshof scheint ein Mann wie Avitus genau der Richtige gewesen zu sein, um seine nicht allzu ausschließliche Verbundenheit mit dem römischen Bildungsgut den jungen Prinzen zu vermitteln, vermutlich nicht nur dem mittleren, sondern auch dem älteren, Thorismund, König 451 bis 453, und dem jüngsten, Eurich, 466 bis 484; der sog. Codex Euricianus könnte eine späte Frucht dieses Unterrichts gewesen sein.

8. Palladius Als Rutilius Namatianus 417 n. Chr. in Rom seine Heimreise nach Gallien antrat, traf er seinen jungen Landsmann Palladius, was er in seinem Gedicht De reditu SU085 mit den Worten schildert:

210

215

Tum discessurus, studiis urbique remitto Palladium, generis spemque decusque mei. Facundus iuvenis Gallorum nuper ab arvis missus, Romani discere iura fori. IlIe meae secum dulcissima vincula curae, filius affectu, stirpe propinquus, habet, cuius Aremoricas pater Exuperantius oras nunc postliminium pacis amare docet; leges restituit libertatemque reducit et servos famulis non sinit esse suis.

Palladius war also nach Rom gekommen, um dort Jura zu studieren. Er stammte aus Poitiers. 86 Sein Vater Exuperantius war gerade dabei, Nordwestgallien die

85

1,207-16.

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Erstes Kapitel: Die einzelnen Juristen

Wiederkehr des Friedens lieben zu lehren, stellte die Gesetze wieder her, fiihrte die Freiheit zurück und duldete es nicht, "Sklaven der eigenen Diener zu sein", d.h. dass die Römer dort sich vom eigenen Gesinde wie Sklaven behandeln lieBen. 87 Damit ist der Friedensschluss des Reiches mit den Westgoten 416 n. Chr. gemeint, der dem seit Anfang 407 schwer heimgesuchten Gallien wieder Ruhe zu bringen schien. Die von Exuperantius wiederhergestellte Ordnung betraf aber schwerlich nur seinen Privatbesitz. 88 Vielmehr handelte Exuperantius doch wohl als Amtsträger des in seine gallischen Rechte soeben wiedereingesetzten legitimen Kaisers Honorius, dem Namatian 412/13 als magister officiorom und 414 als römischer Stadtpräfekt gedient hatte. 89 Wahrscheinlich war Exuperantius der neue, von Honorius ernannte praeses der Lugdunensis tertia mit Sitz in Tours, allenfalls der Lugdunensis secunda um Rouen oder der Aquitania secunda um Bordeaux. Das gallische Vikariat, das sich damals auf ganz Gallien erstreckte90 und in Arles lokalisiert war,91 kann wegen Aremoricas (Z. 213) nicht gemeint sein, auch wenn Exuperantius 424 als gallischer Präfekten bezeugt ist, der in Arles von meuternden Soldaten getötet wird. 92 Allenfalls könnte 416/17 versucht worden sein, ein nordgallisches Vikariat mit Sitz in Nordwestfrankreich und Exuperantius als Vikar einzurichten, betrifft der gallische Landtag in dem Gesetz vom 17. April 418 93 doch nur die sieben südlichen Provinzen. Die Familie war also in Ravenna angesehen, aber in Gallien verwurzelt. Weitere Nachrichten haben wir nicht. Normal wäre, dass Palladius nach dem Rechtsstudium nach Gallien zurückkehrte, allenfalls etwas später nach Wahrnehmung von Stellungen und Ämtern in Italien. Der Name Palladius war sehr häufig. 94 Ein Palladius Rutilius Taurus Aemilianus schrieb zwischen dem 4. und 6. Jh. ein Opus agriculturae und wird korrekt als Aemilianus zitiert. 95 Wenn er trotzdem unser Jurist gewesen sein soll, müsste aus einem solchen ein Landwirt mit Herz

86 Prosper Tiro, Epitoma chronicon (hg. Th. Mommsen, MGH AA IX = Chronica minora 1341-485) z. J. 424 (= S. 470) über seinen Vater. 87 Vgl. Tibull, Elegie 4,8 Z. 8: arbitrio quamvis non sinis esse meo. 88 So aber z. B. Matthews (0. Fn. 37) 328. 89 PLRE II 770 f. Art. N. 90 Notitia dignitatum Oc. 22; Polemius Silvius, Laterculus 2. 91 A. Chastagnol, Revue historique 249 (1973) 28 ff. 92 Prosper Tiro aaO. 93 Hg. W. Gundiaeh, MGH Ep. 3, 13 ff. Dazu etwa R. Scharf, Historia 41 (1992) 381; Liebs, HLL VI § 601 bei Fn. 8. 94 Allein PLRE II verzeichnet 20 Träger, Bd. 1 etwa noch einmal so viele, wonach der Name zu den häufigsten der Spätantike gehört. 95 Cassiod. inst. 1, 28, 6; u. Isidor, Etym. 17, 10, 8. Zu seinem Werk s. etwa D. Flach, Röm. Agrargeschichte (München 1990) 204-15.

II. Das gotisch-burgundische Zeitalter

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und Seele und aus einem Sohn Galliens ein italienischer Großgrundbesitzer geworden sein. Identität ist also ganz unwahrscheinlich. 96 9. Flavius Nicetius? Nicetius war Anwalt am Gericht des gallischen Prätorianerpräfekten in ArIes und 448/9 Assessor des Präfekten, des namentlich nicht bekannten Vaters von Sidonius Apollinaris; nur durch diesen kennen wir ihn. In einem um 477 in Clermont geschriebenen Brief an einen Freund in Oleron97 schildert er ihn: Flavius Nicetius, vir ortu cJarissirnus, privilegio spectabilis, 98 merito inIustris et hominum patriae nostrae prudentia peritiaque iuxta maxumus ... Huius tarnen ego, etsi studiorum omnium caput est litterarumque ... me saepe luculentis eius actionibus adstitisse ... Audivi eum adulescens atque adhuc nuper ex puero, cum pater meus praefectus praetorio Gallicanis tribunalibus praesideret ... accJamatum est ab ornni Galliae coetu primoribus advocatorum ... Nicetium protinus circumspexere conspecti qui non sensim singulatimque, sed tumultuatim petitus et cunctim cum quodam prologo pudoris vultum modeste demissus inrubuit. Atque ob hoc illi maximum sophos non eloquentia prius quam verecundia dedit. Dixit disposite, graviter, ardenter, magna acrimonia, maiore facundia, maxima disciplina ... plus picta oratione, plus aurea convenustavit. Per ipsum fere tempus, ut decemvira1iter loquar, lex de praescriptione tricennii 99 fuerat proquiritata, cuius peremptoriis abolita rubricis lis omnis in sextum tracta quinquennium terminabatur. Hanc intra Gallias ante nescitarn primus, quem loquirnur, orator indidit prosecutionibus, edidit tribunalibus, prodidit partibus, addidit titulis, frequente conventu, rara sedente, paucis sententiis, multis laudibus. Praeter ista per alias vices doctrinam illius, quo more citius homo discitur, inobservatus inspexi tunc, cum quae regit provincias fascibus Nicetiano regeretur praefectura consilio.

Die Schilderung passt zu einem Juristen, wenn die Zugehörigkeit zur Zunft auch nicht sicher ist. Er stammte wie der Dichter aus Lyon. Aus einem anderen Brief

96 Für Identität J. Vessereau, Cl. Rutilius Namatianus - Edition critique accompagm:e ... (Paris 1904) 215-22 (außerdem mit dem Prätorianerpräfekten des Orients 450-55; S. 205-15 fiir Identität des Exuperantius mit dem Epitomator Sallusts, lulius Exuperantius, und dem Dekurialen von CTh 14, I, 4); R. Martin, Palladius - Traite d'agriculture I (paris 1976) S. X-XVI u. XX mit falschem Terminus ante quem: viri illustres gab es noch unter den Ostgoten und länger, und mit waghalsigen Kombinationen. Vorsichtig zustimmend Mathisen (0. Fn. 43) 60 f. Skeptisch Schanz, Gesch. IV I, 191; J. Svennung, Untersuchungen zu Palladius und zur lateinischen Fach- und Volkssprache (Uppsala 1935) 6-14; u. Stroheker 197 f. Nr. 274. 97 Sid. ep. 8,6,2 u. 4-8. Datierung nach Kaufmann (0. Fn. 78), 165 f. Zum Vater des Sidonius PLRE II Art. Anonymus 6. 98 Aufgrund CTh 6, 15, 1. 99 NVal27 vom 17. Juni 449.

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Erstes Kapitel: Die einzelnen Juristen

desselben, geschrieben 471 in Clennont, erfahren wir, dass ein Nicetius kurz vorher gestorben ist, 100 schwerlich derselbe. 9a. Explicius? Gegen 469 n. Chr. bittet Sidonius 101 von Lyon aus den ihm nahestehenden Explicius, von dem sonst nichts verlautet, einen ernsten Streit zwischen Alethius, inschriftlich als Lyoner Honoratiore bekannt, der 512 mit 90 Jahren starb,102 und einem Paulus schiedsrichterlich zu entscheiden. Explicius eignet sich gut; iustitia, saneta eonseientia, morum temperantia und solita iudieandi salubritas zeichnen ihn aus, und er hat schon eomplura reeti experimenta gegeben; jetzt wünscht Sidonius von ihm examen und diseingere, das in eine sententia mündet. Daraus schloss Andre Loyen (probablement) auf einen angesehenen Juristen;103 wegen venerabilis (sc. iustitia) und saneta (conscientia) erwägt J. R. Martindale lO4 einen Bischof. Die Anhaltspunkte hierfür sind jedoch unspezifisch; Sidonius hätte eine so herausragende Stellung vernehmbar herausgestrichen. 105 Aber auch fiir einen Fachjuristen gibt der Brief nicht genug her. Bei Nr. 4 und 8 stellt Sidonius, wenn er zwei Juristen bittet, ihre besonderen Fähigkeiten einem Schützling zur Verfügung zu stellen, ihr Fachwissen heraus (s. a. Nr. 10 und 11); hier dagegen betont er nur Karaktereigenschaften. Richter waren nach römischer Ordnung gewöhnlich nicht juristisch vorgebildet, sondern empfahlen sich durch Allgemeinbildung, Beredsamkeit, allgemeines Herrschaftswissen, wozu nur eine allgemeine Rechtskunde gehörte, und eben Karaktereigenschaften, wie wir zumaI Cassiodor entnehmen können. 106

100 Sid. ep. 3, 1,3. Für Identität des hier erwähnten Nicetius mit obigem die Herausgeber des Sidonius: Mommsen, MGH AA VIII 431 unter Nicetius; E. H. Warmington bei W. B. Anderson, Sidonius (Loeb) II (London 1965) 6 Fn. 1,420 Fn. 1 u. 640 unter Nicetius; u. zumal Loyen (0. Fn. 78) II 198 Anm. 14,221 f. Anm. 4 u. III 216 Anm. 6; sowie J. Sundwall, Weströmische Studien (BerJin 1915) 109. Anderer Ansicht W. Enß!in, RE XVII 1 (1936) 180 f. Art. Nicetius 2 u. 3; Stroheker 194 Nr. 257 u. 258; PLRE II Art. Nicetius 1 u. 2; u. Kaufmann (0. Fn. 78) 286. 101 Ep. 2, 7. 102 eIL 12,2660 u. dazu Stroheker 144 Nr. 14. 103 Loyen (0. Fn. 78) II 219 Anm. 28. 104 PLRE II s.v. Explicius, übernommen von J.-u. Krause, Spätantike Patronatsformen im Westen des röm. Reiches (München 1987) 43. lOS Im einzelnen Kaufmann (0. Fn. 78) 304. 106 Liebs, Italien 73 f.

11. Das gotisch-burgundische Zeitalter

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10. Tetradius Um 466 n. Chr. war ein junger Mann aus befreundeter senatorischer Familie wohl der Auvergne, Theodorus, in Schwierigkeiten: er war einem Rechtsstreit ausgesetzt, der sein ganzes Vermögen bedrohte. Sidonius empfiehlt ihn dem älteren Bruder seines Freundes Fidulus (sofort Nr.ll), Tetradius; der Empfehlungsbrief an diesen ist erhalten. 107 Darin wird der Empfänger als meracissimus scientiae fons bezeichnet. Wenn dessen reiche Erfahrung dem Schützling nicht gegen seine übermächtigen und intriganten Feinde beistünde, würde wohl auch ein in Anspruch genommener Rat genügen: Cui contra potentes factiososque, si vestra peritia non abundanter opitularetur, prudentia consulta sufficeret. Am liebsten sähe es Sidonius also, wenn Tetradius die Vertretung seines Schützlings übernähme; wenigstens möge er ihn aber beraten. Er solle, fasst Sidonius seine Bitte am Schluss zusammen, seines Schützlings Vermögen und Sache, die weggespült zu werden drohen, mit der Kraft seines heilenden Responsum stützen: substantiam causamque supplicis fluctuantem medicabilis responsi salubritate fuleite. Damit ist ersichtlich fachmännischer Rechtsrat gemeint, möglichst, aber nicht notwendig verbunden mit Vertretung vor Gericht. Und da es um das Vermögen eines Senators geht, muss ein höheres Gericht gemeint sein, das des Vikars oder des Präfekten, die beide damals in Arles residierten. So wird auch Tetradius seine Praxis in Arles gehabt haben,108 ganz wie Petronius (unten Nr. 13).

11. Fidulus? Möglicherweise war auch Fidulus Jurist. Das Schlussgedicht, das Sidonius für die zweite, vermehrte Ausgabe seiner Gedichte um 464/465 n. ehr. als Geleitwort lO9 verfasst hat, verzeichnet die Freunde und Bewunderer des Dichters in Südgallien, bei denen er sich Gastrecht für sein Büchlein wünscht. An achter Stelle kommt er auf Fidulus mit den Worten: I 10 Hinc te iam Fidulus, decus bonorum et nec Tetradio saris secundus 107 Sid. ep. 3, 10. Auf seine Beziehung zu Fidulus spielt carm. 24, 81 (um 464/65) an, s. Loyen (0. Fn. 78) I 167 Fn. 8; zur Datierung S.XXXII f. Auch zur Datierung des Briefs und zur Bestimmung des Theodorus folge ich Loyen, aaO. 11 250 Anm. 10, u. 99 Fn.30. 108 S. schon Loyen 1943 (0. Fn. 78) 76, hauptsächlich aufgrund des Itinerars von Sid. cann. 24, 75-89, s. bes. 75 Cottion = Quissac (Gard) u. 84 Tres Villae = Treviers oder St. Mathieu de Treviers (Gard). Zu Tretradius ferner PLRE 11 Art. Tetradius; Krause aaO.; u. Kaufmann aaO. 350 f. 109 Sid. carm. 24: Propempticon ad libellum. 110 Z. 80-83.

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Erstes Kapitel: Die einzelnen Juristen morum dotibus aut tenore recti, saneta suscipit hospitalitate.

Offenbar spielt der Dichter bei dem Juristen Tetradius (soeben Nr. 10) mit dem Namen,'11 der so viel wie 'der aus dem Viererclub' bedeutet. Wenn Fidulus im Vergleich zu Tetradius "nicht einmal ganz zweiter" ist, was von zu Hause mitbekommene Rechtschaffenheit (morum dotibus) und Festigkeit bei der Gerechtigkeit (tenore recti) betrifft, dann scheint außer einer GeschwistersteIlung, bei der Fidulus der zweite, jüngere ist, auch Gemeinsamkeit bei der Bemühung um Verwirklichung der Gerechtigkeit angesprochen zu sein, also gleiche Tätigkeit mit gleichem Ethos und Engagement. Dann müsste auch Fidulus Jurist gewesen sein, wobei als Ort der Tätigkeit wieder Arles am nächsten liegt. 112

11a. Eutropius Ein Freund des Sidonius aus senatorischem Geschlecht, Eutrop, war vermutlich 470 gallischer Prätorianerpräfekt l13 Er war Kommilitone des Dichters gewesen, 114 also wohl sein Kollege im Staatsdienst, allenfalls Studienkollege. Mittlerweile aber hatte er sich ganz der Filosofie zugewandt, 115 weshalb ihn der Dichter in einem früheren Brief gescholten hatte, dass er sich dem öffentlichen Dienst verschließe;1I6 Sidonius war 461 comes Majorians gewesen und begab sich 467 nach Rom in einer gallischen Angelegenheit, was ihm 468 die Stadtpräfektur eintragen sollte. 1I7 In dem früheren Brief an Eutrop erfahren wir Genaueres über dessen Bildungsmöglichkeiten in Rom: 118 ... si tarnen senatorii seminis homo, qui cotidie trabeatis proavorum imaginibus ingeritur, iuste dicere potest semet peregrinatum, si semel et in iuventa viderit domicilium legum, gymnasium litterarum, curiam dignitatum, verticem mundi, patriam libertatis, in qua unica totius orbis civitate soli barbari et servi peregrinantur.

111 Loyen (0. Fn. 78) I 167 Fn. 8. 112 S. schon Loyen 1943 (0. Fn. 78) 76 u. 62; B. Ba/dwin, Historia 31 (1982) 106 s. v. Fidulus; u. R. W. Mathisen, ebenda 373 s.v. Fidulus. 113 Zu ihm Stevens (0. Fn. 78) 140 u. 196 f.; Stroheker 171 Nr. 137; Loyen 1943 (0. Fn. 78) 98 u. 71; PLRE II Art. Eutropius 3; u. Kaufmann (0. Fn. 78) 302f. 114 Sid. ep. 3,6, 1 (470): Si veteris commilitii ... fides vestra reminiscitur, ... 115 Sid. ep. 3, 6, 2. 116 Sid. ep. 1, 6, von Loyen II S. XII f. u. Fn. 2 u. S. 18 auf Ende 467 datiert, aber wohl schon vom Sommer 455, Mathisen (0. Fn. 80) 204 (zuerst 1979); auch in iuventa in § 2 passt besser zum früheren Ansatz. 117 Zur Karriere des Sidonius Stevens (0. Fn. 78) 29 ff. u. 95 ff.; Loyen I S. VII ff.; II S. VII ff.; u. PLRE II Art. Apollinaris 6. 118 Sid. ep. 1, 6, 2.

II. Das gotisch-burgundische Zeitalter

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Es liegt gewiss nicht fern, das domicilium legum mit einem Rechtsstudium in Verbindung zu bringen. 119 Aber diese schmeichelnde Umschreibung der alten Hauptstadt ist nur eine von fünfen. Vor allem aber werden hier nur Möglichkeiten für Eutrop aufgezeigt und hat ihn schließlich wie gesagt nicht das Jurastudium, sondern die Filosofie angezogen.

12. Filimatius? Ein anderer durch Sidonius bekannter Assessor war Filimatius, Senator aus Lyon, geboren etwa 415/420, der 467 seine Stellung verloren hatte, weil sein Dienstherr, der gallische Vikar mit Residenz in Arles, abgelöst worden war. Sidonius rät ihm, die ihm angebotene Assessur bei einem Präfekten, vielleicht dem gallischen Prätorianerpräfekten, anzunehmen; denn bei ehrenvollem Ausscheiden aus diesem Amt wird sein Rang erhöht werden, was seinen Einfluss im Konzil der südlichen gallischen Provinzen erheblich stärken wird. Der Dichter beginnt den Briefjedoch mit Selbstlob, eingekleidet in einen Scherz: 120 Sidonius Filimatio suo salutern. I nunc et legibus me ambitus interrogatum senatu move, cur adipiscendae dignitati hereditariae curis pervigilibus incumbam, cui pater, socer, avus, proavus praefecturis urbanis praetorianisque, rnagisteriis Palatinis rnilitaribusque rnicuerunt.

Sidonius schrieb das Ende 467 aus Rom, 121 wo er 468 als Stadtpräfekt amtieren sollte; offenbar ist schon alles eingefadelt, insbesondere festgesetzt, dass Sidonius die Festrede zum Konsulat des aus Konstantinopel entsandten neuen Westkaisers Anthemius am 1. Jan. 468 halten wird. Der Scherz scheint auf einen Juristen, zumindest einen im juristischen Geschäft Stehenden berechnet zu sein. Auf einen Karakter, wie er einem Juristen gut ansteht, deuten auch Worte des Sidonius über Filirnatius in einem Brief an dessen kränkelnden Schwiegersohn Erifius, geschrieben kurz nach dem 2. September 469 in Lyon: 122 ... viri amplissirni, '" qui contubernio rnixtus aequalium vivit moribus ad iubendum obsequendumque iuxta paratis.

119 So H. Conring, Dissertatio ad Legern 1. Codicis Theodosiani de studiis liberalibus urbis Romae et Constantinopolitanae (2. Auf!. Helmstedt 1675) 16 = § 12. 120 Sid. ep. 1, 3, 1. Die gängige gräzisierende Emendation des Namens ist unberechtigt, s. Th. Mommsen, Philologische Schriften (Berlin 1909) 792 ff. (zuerst 1878). Vgl. zu Filimatius W. Enßlin, RE XIX 2 (1938) 2514 Art. Philomathius 3; Stroheker 205 Nr. 303; Loyen (0. Fn. 78) II Anm. 8 u. 256 Anm. 17; PLRE II Art. Philomathius; u. Kaufmann (0. Fn. 78) 335. 121 Zu diesem Aufenthalt Loyen II S. XI ff. 122 Sid. ep. 5, 17,2. Zum Folgenden A. Coville, Recherches sur l'histoire de Lyon du Vme siecle au IXme siecle (Paris 1928) 50-53.

4 Liebs

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Erstes Kapitel: Die einzelnen Juristen

Der Beschriebene hat seinen Stil entwickelt, unter seinen Standesgenossen zu leben, wonach er gleichennaßen zu befehlen und zu gehorchen bereit war. Am wannen Morgen des 2. September 469 hatte er sich einer Gruppe von Ballspielern unter Führung des Sidonius angeschlossen, musste jedoch als erster aufgeben, weil er, älter als die andern, nicht mehr mithalten konnte. Taktvoll schloss sich Sidonius ihm an. Filimatius verlangte nach einer Schale Wasser, die ihm ein Diener zusammen mit einem groben Tuch brachte, wie es gerade zur Hand war. Als er sich den benetzten Kopf abtrocknete, forderte er Sidonius auf, die Szene in einem Vierzeiler festzuhalten, den er dem anwesenden Schreiber sofort diktieren möge. Den Einwand des Dichters, die Musen würden ihn nicht vor Zeugen küssen, weist der Ältere mit der Bemerkung ab: 123 respondit ille violenter et perurbane, ut est natura vir flammeus quidarnque facundiae fons inexhaustus: "Vide, domine Solli, ne magis Apollo forte moveatur, quod suas alumnas solus ad secreta sollicitas. "

Sidonius möge sich vorsehen, dass Apollo ihm nicht zürnt, wenn er seine Jüngerinnen zu einem geheimen Stelldichein verführe. Nun kann Sidonius nicht mehr anders und liefert den Vierzeiler, den Erifius dann auch wissen wollte, ebenso die Situation, in der er entstanden war. Damals war Filimatius schon vir i/lustris. 124 d. h. er hatte nach oder statt der Assessur bei einem Präfekten noch ein höheres Amt versehen oder den Rang ehrenhalber erhalten. Wenig später starb übrigens Filimatia, das einzige Kind des schon lange Verwitweten, Mutter von fünf Kindern, und Sidonius musste die Grabinschrift dichten. 12s All das beweist noch nicht, dass Filimatius Jurist war, aber es kommt zur mehrmaligen Berufung als Assessor hinzu, die fiir sich schon Indizwert fiir Juristentum hat, wenn auch bisher nur Johannes Sundwall 126 diese Folgerung gezogen hat. Dann hätte er den Staatsdienst mit etwa 50 Jahren quittiert und seit den späten 460er Jahren in seiner Vaterstadt Lyon, damals bereits burgundisch,127 am ehesten eine Praxis als Rechtsberater betrieben. 13. Petronius Zu den südgallischen Gebildeten, auf deren Urteil Sidonius besonderen Wert legte, gehörte außer Nicetius (soeben Nr. 9) auch Petronius. Wir kennen ihn recht gut, wenn auch nur durch Sidonius. Er praktizierte wie jener in Arles, er zweifelsSid. ep. 5,17,9. Sid. ep. 5, 17,7; s. a. 2 vir amplissimus, d. h. Senator i. e. S. 125 Sid. ep. 2, 8. 126 Oben Fn. 100 S. 119. 127 Nämlich seit dem Tode Majorians 461 als Königsresidenz, wie sich zumal aus Sidonius ergibt, etwa ep. 4, 20; dazu Coville aaO. 71 ff. u. 207 f. 123

124

11. Das gotisch-burgundische Zeitalter

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frei als Jurist. Zweimal bat ihn der Dichter, sich verwickelter Fälle eines Freundes und eines Verwandten anzunehmen, das erste Mal in einem gegen 469 geschriebenen Brief: 128 Sidonius Petronio suo salutern. Iohannes familiaris meus inextricabilem labyrinthum negotii multiplicis incurrit et, donec suarum merita chartarum vel vestra scientia vel si qua est vestrae (si tarnen est ulla) similis inspexerit, quid respuat, quid optet, ignorat. Ita se quodammodo bipertitae litis forma confundit, ut propositio sua quem actionis ordinem propugnatura, quem sit impugnatura, non noverit. Pro quo precem sedulam fundo, ut perspectis chartulis suis, si quid iure competit, instruatis, quae qualiterve sint obicienda, quae refellenda monstrantes. Non enim verebimur quod causae istius cursus, si de vestri manaverit fonte consilii, ulla contrastantum derivatione tenuetur. Vale.

Hier geht es um Beratung in technischen Einzelheiten des Rechtsganges wie bipertitae litis forma, actionis ordinem propugnatura, bzw. impugnatura, si quid iure competit, obicienda, refellenda, und dabei kommt es auf scientia, merita chartarum inspicere, perspicere chartulas, instruere und consilium des Petronius an. Die zweite Bitte steht in einem Ende 470 oder Anfang 471 in Clermont geschriebenen Brief: 129 Sidonius Petronio suo salutern. ... Commendo Vindicium necessarium meum, virum religiosum et leviticae dignitati, quam nuper indeptus est, accomodatissimum ... Interea necessitatem praefati portitoris insinuo, quem traxit isto negotii oborti bipertita condicio. Si quidem hac definitione perrexit, ut aut ineat litern aut adeat hereditatem. Nam patrueli patemo caelibi intestatoque defuncto per agnationis praerogatvam succedere parat, nisi tarnen coeptis factiosa vis obviet. Contra quas tarnen cunctas difficultates solus post opern Christi supplici tuo sufficis, cuius confido quod, si meruerit persona gratiam, consequetur causa victoriam. Vale.

Auch hier geht es um Beratung und nicht etwa Prozessvertretung und Plädoyer.

In einem dritten Brief, geschrieben noch in Lyon in den ersten Monaten des Jahres 469, steht, dass Petronius zu den drei gallischen Gesandten gehörte, die 469 nach Rom kamen, um den soeben aus dem Amt geschiedenen gallischen Prätorianerpräfekten Arvandus anzuklagen, was sie rechtlich und psychologisch so wohlberaten bewerkstelligten, dass sie den Mann rasch zu Fall brachten. Vor-

128 Sid. ep. 2, 5. Zu dem Mann Enßlin, RE XIX I (1937) 1195 Art. Petronius 8; Loyen 1943 (0. Fn. 78) 75 f. u. 142; Stroheker 204 Nr. 297; Riche 1962/72 (0. Ein!. Fn. 9) 114 Fn. 149; ders. 1965 (0. Ein!. Fn. 9) 5; PLRE 11 Art. Petronius 5; Krause (0. Fn. 104) 43; u. Kaufmann (0. Fn. 78) 333 f. 129 Sid. ep. 5, 1. Schließlich ist an ihn 8, I gerichtet, wo es um die Veröffentlichung der eigenen Briefe geht.

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Erstes Kapitel: Die einzelnen Juristen

nehmster und Sprecher der drei war Petronius nicht. 130 Aus einem in Clermont 479/80 geschriebenen Brief 31 schließlich erfahren wir, dass Petronius mittlerweile vir illustris war; ob er den Rang durch ein Amt oder ehrenhalber erhielt, lässt sich nicht sagen. Da zur Zeit des erstgenannten Briefes, also gegen 469, Petronius sich als Jurist schon einen Ruf erworben hatte, wird er schon mehrere Jahre praktiziert haben; somit wirkte er mindestens 15 Jahre als Rechtsberater in Arles. Wo er studiert hat, entzieht sich unserer Kenntnis. Dass er seinerseits Juristen ausgebildet hätte,132 wird nicht angezeigt. 14. Marcellinus

Nach der kampflosen Einverleibung Narbonnes ins westgotische Reich 461 oder 462 n. Chr. \33 lebte der dort begüterte und beheimatete Senator und Dichter Consentius, unter Valentinian III. und Avitus am Hofe, auf seinem Gut ager Octavianus an der Küste und genoss das gesellschaftliche Leben seiner Vaterstadt. Sidonius berichtet darüber in seinem 23. Carmen, das zwischen 463 und 466 entstanden ist. Unter den mit beiden Dichtern befreundeten gesellschaftlichen Größen der Stadt kommt er auch auf den Juristen Marcellinus mit folgenden Worten zu sprechen: 134 Seu nos atria vestra continebant, Marcelline meus, perite legum (qui, verax nimis et nimis severus, asper crederis esse nescienti; at si te bene quispiam probavit, noscit quod velit ipse iudicare. Nam numquam metuis loqui quod aequum est, si te Sylla premat ferusque Carbo, si tristes Marii trucesque Cinnae, et si forte tuum caput latusque circumstent gladii triumvirales). 130 Sid. ep. 1,7. Zu den Hintergründen des Prozesses etwa Stevens (0. Fn. 78) 103-07; J. D. Ha"ies, in: Fifth century Gaul, hg. v. J. Drinkwater u. H. Elton (Cambridge 1992), 298-308; u. H. C. Teitler, ebenda 309-17. 131 Sid. ep. 8, 16, 1 u. 3. 132 Vg!. Riche 1965 (0. Ein!. Fn. 9) 5; u. schon ders. 1962/72 (0. Ein!. Fn. 9) 114. Hier beruft er sich auf die Consultatio, Sid. ep. 8, 6 und, vollends unpassend, auf H. 1. Marrou, Histoire de l'education 264 u. 387, wo zur hellenistischen Advokatenausbildung eine Vermutung geäußert bzw. von der römischen Juristenausbildung nach Cicero, Gellius und den Juvenalscholien die Rede ist. 133 Hierfür Wolfram 185 f. u. 438 Anm. 77; rur 461 V. Burus, Historia 41 (1992) 372. 134 Sid. carm. 23, 464-74, Datierung nach Loyen (0. Fn. 78) I 196 Anm. 4. Zu ihm W. Enßlin, RE s.v. Marcellinus 26 (1930); u. PLRE II Art. Marcellinus 5.

11. Das gotisch-burgundische Zeitalter

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Dieser besonders karakterfeste Mann hatte also in den 460er Jahren im westgotischen Narbonne eine juristische Praxis, vermutlich auch schon im römischen. 469 oder Anfang 470 erwähnt ihn Sidonius noch einmal in einem Brief aus Lyon an Serranus, \35 Briefpartner des Marcellinus, der Sidonius einen von Serranus erhaltenen Brief gezeigt hatte: Sidonius Serrano suo saJutem. Epistulam tuam nobis MarcelJinus togatus exhibuit, homo peritus virque amicorum.

Hier wird Marcellinus also als Anwalt gekennzeichnet, was von Anfang an zu seinem juristischen Geschäft gehört haben wird. Daneben wird er schlichte Rechtsberatung betrieben haben. Sidonius muss ihn kürzlich wieder getroffen haben und karakterisiert ihn jetzt als jemand, der besonders viele Freunde hat. Dass er auch Eurich l36 oder Alarich II. beraten hätte, ist denkbar, aber kaum wahrscheinlich. 137 15. Leo Ein Dichterjurist war Leo von Narbonne, der uns zum ersten Mal in dem soeben angeführten Carmen des Sidonius an Consentius entgegentritt. Noch vor dem Auftritt des Marcellinus und auch des Magnus heißt es hier um 465 über Leo: 138 sive ad doctiloqui Leonis aedes (sc. gradus ferendi, o convivia, fabulae, libelli, risus, serietas, dicacitates, occursus, comitatus unus idem), quo bis sex tabulas docente iuris ultro Claudius Appius lateret 135 Sid.

ep. 2, 13, l. Zu Ort und Datum Loyen II 248 Anm. 13. Vorsichtig die Möglichkeit andeutend F. Beyerle, Zur Frühgeschichte der westgotischen Gesetzgebung, ZRGG 67 (1950) 7 f. 137 So freilich, fiir Alarich 11., H. Nehlsen, Alarich 11. als Gesetzgeber, in: Studien zu den germanischen Volksrechten - Gedächtnisschrift rur W. Ebel (Frankfurt am Main 1982117l. 13 Sid. carm. 23, 446-54. Zu ihm Th. Mommsen, Reden u. Aufsätze (Berlin 1905) 139 f. (zuerst 1885); K. Zeumer, NA 24 (1899) 119 f; Schanz, Gesch. IV 2, 57 f.; F. Beyer/e, ZRGG 49 (1929) 392 f.; Stevens, Sidonius Apollinaris 163 u. ö.; W. B. Anderson, Sidonius - Poems and letters I (London: Loeb 1936) S. XLIX f. u. 195 Fn. 10; Loyen 1943 (0. Fn. 78) 82 f., 85 u. 86; Stroheker 90 ff. u. 187 Nr. 212; Beyerle, ZRGG 67 (1950) 6 f.; Enßlin, RE Suppl. VIII (1956) 932 Art. Leo 7f; Loyen 11 232 Anm. 82; P. Wormald, in: Early Medieval Kingship, hg. v. P. H. Salryer u. I. N. Wood (Leeds 1977) 126 u. 129; PLRE 11 Art. Leo 5; Wolfram 199 u. 224; Mathisen (0. Fn. 43) 127 f; Kaufmann (0. Fn. 78) 317 f.; G. Scheibe/reiter, in: La noblesse romaine et les chefs barbares du m' au VII' siede (0. O. 1995) 36 f; ders., Die barbarische Gesellschaft (Darmstadt 1999) 87 f.; J. Matthews, in: Ethnicity and culture in Late Antiquity, hg. S. MilcheIl u. G. Greatrex (London 2000) 34 f.; u. J. Harries, ebenda 48-50. 136

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Erstes Kapitel: Die einzelnen Juristen claro obscurior in decemviratu. At si dicat epos metrurnque rhytlunis flectat commaticis tonante plectro, mordacem faciat silere Flaccum, quamvis post satiras Iyrarnque tendat ille ad Pindaricum volare cygnum.

Daraus ergibt sich, dass Leo sehr gelehrt war, in Narbonne ein offenes Haus führte, Rechtsunterricht gab und dichtete. 139 In seinem Wunsch, den Freunden in Narbonne zu gefallen, schmeichelt Sidonius nicht nur dem Dichter Leo, indem er ihn über Horaz stellt, sondern auch dem Juristen, vor dem ein Appius Claudius sich verkrochen hätte. Um zu schmeicheln, ist dieser bedeutende Mann gut gewählt, wenn wir ihn heute auch nicht als typischen Juristen nennen würden. Hier ging es darum, die große Tradition des Gegenstandes, mit dem Leo sich beschäftigt, anklingen zu lassen und dabei die 100 Jahre ältere Dankrede Mamertins zu übertreffen, die dem Panegyrikkollegen Sidonius bekannt gewesen sein wird und wo Manius Manilius, Mucius Scävola und Servius Sulpicius Rufus die typischen Juristen sind; bei geldgierigen Anwälten im Orient Trebaz, Cascellius und Alfen. 140 Auch diese Beispiele sind auf Wirkung berechnet und nicht danach ausgewählt, welche Juristen damals tatsächlich aktuell waren. Gewiss hat sich Leo nicht auf eine Erläuterung der Zwölf Tafeln beschränkt, worauf eine germanistische Stimme Sidonius festnageln möchte. 141 Aber übergehen konnte man die Zwölf Tafeln im Rechtsunterricht auch damals nicht, und noch in Justinians Unterrichtsmaterialien, den Institutionen und den Digesten, sollten sie eine Rolle spielen. 142 Vom späten Frühjahr des Jahres 475 handelt Ennodius in seiner zwischen 501 und 504 verfassten Lebensbeschreibung des Bischofs von Pavia, Epifanius. Dieser wurde von Kaiser Nepos zu Eurich nach Toulouse gesandt und schloss mit ihm einen Vertrag. Bei Ankunft der Gesandtschaft am westgotischen Königshof heißt es: 143 Erat praeterea ea tempestate consiliorum principis et moderator et arbiter Leo nomine, quem per eloquentiae meritum non una iam declamationum palma susceperat. Qui cum summa gaudio adventum pontificis indicavit notitiae publicae. 139 In dem Gedicht an Felix von Narbonne, Carmen 9, wird Leo Z. 314 kurz als catus karakterisiert. 140 Mamertin: Panegyrici Latini 11 (3),20, 1; Orient: Ammian 30, 4, 12. Zu den Hyperbeln bei Sidonius s. Loyen 1943 (0. Fn. 78) 99; s. a. S. VI u. 132 f. 141 Zeumer aaO. 120. Dazu sofort. 142 Z. B. Inst. 1, 15 pr.; 1, 17; 1,23 § 3; 1,26 pr.; 2,1 §§ 29 u. 41; 2, 6 § 2; 2,13 § 5; 2,22 pr.; 3, 1 §§ 1 u. 9, 15; 3, 2 pr. u. §§ 3a, 3b u. 5; 3, 3 pr.; 3,4 § 2; 3, 5 §§ 1 u. 5; 3, 7 pr. u. § 3; 3, 9 § 2; 3, 10 pr.; 4, 4 § 7; 4, 8 § 4; 4, 9 pr.; 4, 18 § 5; u. die VIR II 417 f. verzeichneten Digestenstellen. 143 Ennod. vita Epifani 85 u. 89 (MGH AA VII 94 u. 95). Zur Datierung der Schrift Schanz, Gesch. IV 2 S. 135 f.

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Und nachdem Epifanius vor dem König gesprochen hatte, war dieser beeindruckt: Leo vero ... tanto adlocutionis ipsius tenebatur rniraculo, ut crederet verbis huiuscemodi expugnari posse mentes.

Ein anderer Berater Eurichs tritt nicht auf. Leo war also damals der einflussreichste Berater des mächtigsten germanischen Fürsten. Das bestätigt uns Sidonius, mittlerweile Bischofvon Clermont, der durch jenen Vertrag in westgotische Festungshaft zu Capendu bei Carcassonne geriet, denn er hatte die Verteidigung seines Bischofssitzes gegen die westgotische Belagerung organisiert, und nun war Clermont den Westgoten vertraglich überlassen worden. Leo versucht, dem Freund die Haft zu erleichtern, indem er ihn bittet, Philostrats Lebensbeschreibung des Apollonius von Tyana ins Lateinische zu übersetzen,l44 und Ende 476 erreicht er seine Begnadigung. Sidonius schickt ihm bald darauf aus Clermont die Übersetzung, und in seinem Begleitschreiben geht er auch auf Leos Stellung bei Hofe ein. 145 Sepone pauxillulum conclamatissimas declamationes, quas oris regii vice conficis, quibus ipse rex inclitus modo corda terrificat gentium transmarinarum (sc. Vandalorum), modo de superiore cum barbaris ad Vachalin trementibus (sc. Francis) foedus victor innodat, modo per promotae limitem sortis ut populos sub arrnis, sic frenat arma sub legibus. Exuere utcumque continuatissimis curis et otium tuum molibus aulicis motibusque furare.

Nachfahr Frontos und glänzender Stilist, hatte Leo offenbar die Stellung eines quaestor sacri palatii, also diejenige, welche Cassiodor bei Theoderich, dem Ostgoten, 30 Jahre später einnehmen sollte. Dazu gehörte es auch, die Gesetze zu entwerfen, mit denen Eurich jetzt seine waffentragenden Goten bändigt, nachdem er mit ihnen viele Völker bezwungen hat. Leos Stellung am Hof ist noch in einer anderen Passage aus einem ungefähr zeitgleichen Brief des Sidonius an Leo beschrieben. Dieser hatte Sidonius aufgefordert, eine Zeitgeschichte zu schreiben, welchen Auftrag der Bischof dem Minister zurückgibt, seine Möglichkeiten ausmalend: 146 ... tu ... , cui ... scientiae ingentis magna opportunitas. Cotidie namque per potentissimi consilia regis totius sollicitus orbis, pariter eius (sc. Eurici) negotia et iura, foedera et bella, loca, spatia, merita cognoscis.... , quem constat gentium motus, legationum varietates, facta ducum, pacta regnantum, tota denique publicarum rerum secreta didicisse, quique praestanti positus in culmine ... cui datum est saItibus gloriae proterere posse cervices vituperonum seu supercurrere, .. .

Vielleicht hatte Leo obendrein oder inzwischen, wie Cassiodor 50 Jahre später, die Stellung eines magister ojJiciornm. 144

Loyen, Sidoine III (\970, o. Fn. 78) 196 f. Anm. 5. ep. 8,3,3 f. vom Jahr 477.

145 Sid. 146 Sid.

ep. 4, 22, 3 u. 6, gleichfalls von 477.

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In der vorvorigen Stelle scheint mit den Worten sie /renat arma sub legibus ein ganz bestimmtes Gesetzgebungswerk Eurichs gemeint zu sein. Über ein solches berichtet auch Isidor von Sevilla: 147 Sub hoc rege (sc. Eurico) Gothi legum instituta scriptis habere coeperunt. Nam antea tantum moribus et consuetudine tenebantur ... In legibus quoque ea, quae ab Eurico incondite constituta videbantur, correxit (sc. Leuvigildus), plurimas leges praetermissas adiciens, plerasque superfluas auferens.

Hauptsächlich darauf gestützt hat Karl Zeumer die Pariser Fragmente mitten aus einem frühgermanischen Gesetzbuch Eurich zugewiesen, Codex Euricianus benannt und um 475 angesetzt;148 die Sidoniusstelle und überhaupt Leo waren ihm dabei entgangen. Von Fitting darauf hingewiesen, urteilte er über Leos Beziehungen zu Eurichs Gesetzgebung: 149 "Eurichs Gesetzbuch selbst spricht in seiner Knappheit und Schlichtheit der Fassung entschieden gegen einen Einfluss eines Rhetors, Dichters und Juristen vom Schlage Leos. Wir haben seine Werke nicht, doch dürfen wir nicht zweifeln, dass sie ebenso schwülstig und gelehrt gewesen sind, wie die seines Lobredners Apollinaris Sidonius. Was dieser von Leos Jurisprudenz sagt, ist vielleicht frei erfunden; jedenfalls gibt es ein Bild von der 'gelehrten' Jurisprudenz jener Zeit. Ein solcher Jurist konnte vielleicht in geschraubten Phrasen über die 12 Tafeln reden ohne sie zu kennen; dass er im Stande gewesen wäre, einfache und klare Satzungen für die praktischen Bedürfnisse der Gothen zu verfassen oder unter seiner Leitung verfassen zu lassen, muss man billig bezweifeln. " Dass Leos Werke unzweifelhaft schwülstig und gelehrt gewesen seien, dass Sidonius die Angaben über Leos Jurisprudenz frei erfunden und Leo in geschraubten Frasen über die Zwölf Tafeln geredet haben könne ohne sie zu kennen, sind Aufstellungen Zeumers, denen die bei diesem Gelehrten sonst gewohnte Urteilskraft abgeht. Offenbar wollte er sein Versehen rechtfertigen und erklärte die Quelle nun mit aller Macht für unerheblich, wobei er sich selbst widersprach, hatte er doch mehrfach betont, dass römische Juristen des 5. Jhs. den Codex Eurieianus verfasst haben müssen;150 und noch in seinem Nachtrag hatte er zunächst Leo bei Eurich die Stellung Cassiodors bei Theoderich zugesprochen. 151 Allerdings war Cassiodor im Gegensatz zu Leo kein Jurist, vielmehr allein rhetorisch geschult; außerdem stand er in der Tradition der weströmischen Kaiserkanzlei und formulierte unter den kritischen Ohren und Augen des italischen Publikums 147 Isidor, Hist. Goth. 35 u. 51 (MGH AA XI = Chronica minora 11, 281 u. 288).

Zeumer, NA 23 (1898) 419 ff.; auf 476 präzisiert das A. d'Ors, Estudios Visig6ticos 11 (Rom 1960) 1 ff. Für Alarich 11. um 500 Nehlsen (0. Fn. 137) 183 ff., allerdings ohne auf Isidor einzugehen. 149 NA 24 (1899) 118 ff. 150NA 23, 449 u. 453. 151 NA 24, 119. Ebenso Wolfram 203. 148

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Reden, Verfügungen und allenfalls Erlasse zu Einzelfragen, während wir es bei Eurich mit einem größeren Gesetzgebungswerk zu tun haben, zudem hauptsächlich an schlichte Goten bzw. ihre Richter gerichtet. Dass der Stil von Cassiodors Varien stark absticht von dem der Pariser Fragmente, spricht deshalb mitnichten gegen eine Mitwirkung Leos und schon gar nicht gegen seinen Einfluss auf Eurichs Gehilfen bei der Gesetzgebung. Es besteht kein triftiger Grund, Sidonius nicht zu glauben und in Leo nicht Eurichs Tribonian zu erblicken. 152 Ob er den sog. Codex Euricianus allerdings selber formuliert hat oder eher mittelbar beteiligt war, soll späterer Untersuchung vorbehalten bleiben. 153 Leo beriet auch noch Eurichs Sohn und Nachfolger, Alarich 11., wie uns Gregor von Tours berichtet: 154 Sed cum huius aedis (sc. basilicae Narbonensis S. Felicis) altitudo, ne Liguria, quod est locus amoenissimus, a paIatio regis non cemeretur, arceret, contulit haec eum Leone consiliario rex Alaricus. Qui ait: "Deponatur ex hoc aedificio una structura machinae; rex quae placuerit Iiberius contemplabit". Et statim vocatis operariis, idem consiliarius humiliavit basilicam sancti aedificiis non meritis. Sed ille protinus lumen caruit oculo-

rum.

Protinus und der unterstellte ursächliche Zusammenhang zwischen Leos Erblindung im Alter und seiner Durchsetzung einer Bauhöhengrenze auch gegenüber der katholischen Kirche wird Gregors Zutat sein, der gegen die Westgoten voreingenommen war. 155 Aber im übrigen ist gegen die Nachricht nichts einzuwenden. Ob Leo jedoch, nachdem er schon um 465 in Südgallien berühmt war und in Narbonne schon vor Einverleibung der Stadt ins Westgotemeich 462 n. Chr. Rechtsunterricht gegeben haben wird, das 6. Jh. noch erlebt und auch die Lex Romana beeinflusst hat, ist ungewiss; auszuschließen ist es nicht.

16. Syagrius? Syagrius von Lyon stammte aus senatorischem Hochadel. Jünger als Sidonius, studierte er unter dessen Augen in der gemeinsamen Vaterstadt, verweigerte sich

152 So zu Recht schon F. Beyerle, ZRGG 49 (1929) 392 f.; ders., ebd. 67 (1950) 6 f.; A. d'Ors, Estudios Visig6ticos I (Rom 1956) 113 f.; ders., ebd. II = EI C6digo de Eurico (Rom 1960) 6 f.; Levy, Ges. Schr. 1306 (zuerst 1962); u. E. Demougeot, in: Gaule merowingienne et monde mediterraneen (Montpellier 1987) 19. 153 Unten Kap. 3 Nr. 14a. 154 Gregor, Liber in gloria martyrum 91 (MGH SRM I 549). Die Schrift entstand um 590, B. Krusch, MGH aaO. 451 f. 155 H. Messmer, Hispania-Idee und Gotenmythos - Zu den Voraussetzungen des traditionellen vaterländischen Geschichtsbildes im spanischen Mittelalter (Diss. phi!. Zürich 1960) 64 ff.

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Erstes Kapitel: Die einzelnen Juristen

aber dem Staatsdienst, was der Freund gegen 467 heftig tadelte. 156 Gegen 469 warf er ihm vor, er lasse sich zu sehr mit den Burgundern ein,157 die wie gesagt nach Majorians Tod 461 Lyon wieder besetzt und hier ihre wichtigste Königsresidenz aufgeschlagen hatten: ... immane narratu est, quantum stupeam sennonis te Gennanici notitiam tanta facilitate rapuisse. Atqui pueritiam tuam competenter scholis liberalibus mernini imbutam et saepenumero acriter eloquenterque declamasse coram oratore satis habeo compertum. Atque haec cum ita sint, velim dicas, unde subito hauserunt pectora tua euphoniam gentis alienae, ut modo mihi post ferulas lectionis Maronianae postque desudatam varicosi Arpinatis opulentiam loquacitatemque quasi de harilao vetere novus falco prorumpas? Aestimari rninime potest, quanta mihi ceterisque sit risui, quotiens audio, quod te praesente formidet linguae suae facere barbarus barbarismum. Adstupet tibi epistulas interpretanti curva Gennanorum senectus et negotiis mutuis arbitrum te disceptatoremque desurnit. Novus Burgundionum Solon in legibus disserendis, novus Amphion in citharis, sed trichordibus, temperandis, amaris, frequentaris, expeteris, oblectas, eligeris, adhiberis, decernis, audiris. Et quamquam aeque corporibus ac sensu rigidi sint indolatilesque, amplectuntur in te pariter et discunt sennonem patrium, cor Latinum.

Um den Kollaborateur verächtlich zu machen, ist kein Vorurteil gegenüber der fremden Sprache zu dumm. Besonders in Harnisch bringt den lateinischen Stilisten, dass der Freund sich fiir eine Barbarensprache einsetzt, weshalb er auch seine Ausbildung, die ohnehin verhältnismäßig geringen Raum einnimmt, nur insoweit beleuchtete. Syagrius betätigte sich bei den Burgundern demnach zunächst einmal sprachlich, d.h. er übersetzte und entwickelte die eigene Sprache der Burgunder; er wird also das Burgundische gründlich erlernt, eine lateinische Schreibweise entwickelt, sie die Burgunder gelehrt, dabei ihre Sprache gestaltet und bereichert und wichtige lateinische Werke ins Burgundische selbst übersetzt oder haben übersetzen lassen. 158 Außerdem hat er sich aber der Geschäfte der Burgunder angenommen. Bei innerburgundischen Streitigkeiten war er Schiedsrichter und Richter; er fungierte als ihr Gesetzgeber und setzte ihnen ihre Gesetze auseinander. Das ist die Tätigkeit eines Juristen. Freilich hören wir zwar von der üblichen rhetorischen, nicht aber von einer zusätzlichen Ausbildung des Syagrius im Recht. Aber dieses Schweigen des Sidonius ist nicht beredt; Syagrius kann durchaus auch Recht studiert haben. Andererseits war Solon zwar ein Gesetzgeber, der seine Gesetze auch dem Volk erläuterte und nahezubringen versuchte. Aber er war kein Jurist; heute würde man ihn vielleicht einen Rechtspolitiker und -filosofen nennen. Disserere leges im Sinne eines Rechtsunterrichts römischer 156 Sid. ep. 8, 8 an ihn. Zu Syagrius Mommsen (0. Fn. 138) 140 f.; Coville (0. Fn. 122) 23 ff.; F. Beyerle, ZRGG 49 (1929) 393; Loyen, Sidoine Apollinaire et l'esprit precieux 52; Stroheker 221 Nr. 369; Wormald (0. Fn. 138) 126; PLRE 11 Art. Syagrius 3; Mathisen (0. Fn. 43) 124 f. u. 128; Kaufmann (0. Fn. 78) 349 f.; Matthews (0. Fn. 138) 35; u. Harries (0. Fn. 138) 51 f. 157 Sid. ep. 5, 5 an ihn, geschrieben in Lyon. 158Vgl. Loyen, Sidoine 11 180 f. u. 234 f.

II. Das gotisch-burgundische Zeitalter

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Prägung zu verstehen, ist zwar möglich, aber nicht zwingend geboten; wir müssen offen lassen, ob dieser interessante Filologe auch Jurist war, und erst recht, ob er mittelbar oder unmittelbar an den burgundischen KodifIkationen beteiligt war. 159 Auch für seine Berater- und Richtertätigkeit muss er kein Fachjurist gewesen sein. Zwischenergebnis

Die Orte des juristischen Wirkens der gallischen Juristen zur Zeit der letzten weströmischen Kaiser waren also: Erstens Lyon, wo im späten 4. Jh. die zweite, vermehrte Ausgabe der Fragmenta Vaticana entstanden zu sein scheint. 160 Hier sollte gegen 469 Explicius einen Rechtsstreit schlichten, vielleicht als beratender Jurist; war zur selben Zeit Filimatius anscheinend als Rechtsberater und Gutachter tätig; und schließlich wohl ebenso Syagrius, er besonders für die neuen burgundischen Herren, die er auch im Recht unterrichtet hat. Noch im 5. oder im 6. Jh. wurde hier der Codex Theodosianus mitsamt italischem oder sizilischem SCholienapparat,161 im 6. Jh. erneut der Theodosianusl 62 abgeschrieben und im 7. eine kirchenrechtliche Sammlung mit gallischen Konzilsbeschlüssen, der Notitia Gal/iarom, einem Papstbrief und den Constitutiones Sirmondianae hergestellt. 163 Zweitens ArIes, wo seit 407 n. ehr. der Präfekt von Gallien (vorher in Trier) und der Vikar der südgallischen Diözese (vorher in Bordeaux und vor 340 in Vienne) residierten,l64 beide mit hochrangigen Gerichtshöfen. Hier war Nicetius um 440 bis 470 Anwalt beim Gericht des Präfekten und 448/449 sein Assessor; hatte Tetradius in den 460er Jahren eine juristische Praxis als Berater und Gutachter wie in klassischer Zeit, der seine Klienten auch vor Gericht vertreten konnte; ebenso wohl sein jüngerer Bruder Fidulus. Hier war auch Filimatius 466/67 Assessor des Vikars und danach vielleicht des Präfekten; und hatte um 465 bis 480 Petronius eine klassische Berater- und Gutachterpraxis. In Toulouse drittens, Residenz der westgotischen Könige, wirkten Avitus in den 430er Jahren als Berater des Königs und Prinzenerzieher auch im Recht und Leo 475/76 als wichtigster Berater König Eurichs in der Stellung eines quaestor sacri palatii und vielleicht auch magister ojJiciorom und vermutlich Hauptverantwortlicher für den Codex Euricianus. Und in Narbonne schließlich wirkten in den 460er Jahren Marcellinus wie ein klassischer Jurist als Rechtsberater, Gutachter und auch Anwalt und zu gleicher Zeit Leo als Rechtslehrer.

159 Allzu zuversichtlich Beyerle, ZRGG 49, 393.

160 Liebs,

Italien 161 f.; u. unten Kap. 3 Nr. 3.

161 Paris, BN 9643 = CLA V 591. 162 Rom, Vat. reg. 886 = CLA I 110. 163 Berlin, SB PhilI. 1743 = CLA VIII 1061.

164

Chastagnol (0. Fn. 91) 23 ff.

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Erstes Kapitel: Die einzelnen Juristen

16a. Gojarich

Der westgotische Große Gojarich war an der Ausarbeitung der Lex Romana Visigothorum, des Breviars (unten Kap. 3 Nr. 15), maßgeblich beteiligt. Darüber unterrichtet die in einigen wenigen Handschriften überlieferte praeseriptio: 165 In hoc cOipore continentur leges sive species iuris de Theodosiano vel de diversis libris electae vel, sicut praeceptum est, explanatae anno XXI (eine Hs.: XXII) regnante domno Alarico rege ordinante viro inlustre Goiarico comite.

Im gleichen Sinn berichtet die erweiterte Fassung der subseriptio, weshalb Mommsen annahm, diese Erweiterung beruhe auf der praeseriptio, habe mithin keinen eigenen Zeugniswert;166 jedenfalls sagt sie insofern nichts Neues: Anianus vir spectabilis ex praeceptione domni nostri gloriosissirni regis Alarici ordinante viro magnifico et inlustre Goiarico comite hunc codicem legum iuris secundum authenticum subscriptum vel in thesauris editum subscripsi et edidi sub die III (eine von vier Hss.: I1I1) nonas Februarias anno XXII domni nostri Alarid regis.

Über die Entstehung der Lex gibt uns das Einfiihrungsgesetz (eommonitorium oder exemplar auetoritatis) genauer Auskunft: 167 Commonitorium (eine Hs.: Tirnotheo viro spectabili comiti). Utilitates populi nostri propitia divinitate tractantes hoc quoque, quod in legibus videbatur iniquum, me1iore deliberatione corrigimus, ut omnis legum Romanarum et antiqui iuris obscuritas adhibitis sacerdotibus ac nobilibus viris in lucem intellegentiae melioris deducta resplendeat et nihil habeatur ambiguum, unde se diutuma aut diversa iurgantium inpugnet obiectio. Quibus omnibus enucleatis atque in unum librum prudentium electione collectis haec, quae excerpta sunt vel clariori interpretatione conposita, venerabilium episcoporum vel electorum provincialium nostrorum roboravit adsensus ....

Der Text unterscheidet zwei Arten von Helfern: saeerdotes ae nobiles viri einerund prudentes andererseits. 168 Der Anteil beider Gruppen am fertigen Werk wird 165 Hänel 2 oben; Mommsen XXXII f., abgedruckt von Zeumer, MGH LS I 465. Zum Regierungsjahr SehelIenberg 92 Anm. 21; u. unten Kap. 3 Nr. 15 unter a). Zu Gojarich Wolfram 200 u. 455 oben; Nehlsen (0. Fn. 137) 157; u. PLRE II Art. Goiaricus. 166 Mommsen XXXIV f. mit Text = Zeumer aaO. 466 f. Hänel 4 Fn, a. Für Echtheit SehelIenberg 89 Anm. 1; s. a. 14 f. u. 95 Anm. 67 f Immerhin haben wir nur hier den 3. Feb. als Datum einer Ausfertigung des Breviars genannt, offenbar einer der ersten. Wirklich keinen eigenen Zeugniswert hat wohl der kurze Prolog zwischen Titelverzeichnis und Breviartext in der gekürzten Breviarhs. Paris BN 9653 BI. 38-160, abgedruckt bei Hänel LXIII u. Mommsen XCIX. 167 Hg. Mommsen XXXIII f = Zeumer aaO. 465 f.; u. schon Hänel2 ff. 168 Auch Savigny, Gesch. II 41 f, u. Mommsen XXXVI unter 4, unterscheiden die bei den Gruppen, gleichen aber jene mit den venerabiles episeopi vel eleeti provinciales nos tri, die dem fertigen Gesetz zugestimmt haben, und geben ihnen damit keinen Anteil an der Herstellung des Breviars. Demgegenüber gleicht H. Siems, HRG II (1978) 1941 Art. Lex Romana Visigothorum, die prudentes mit den saeerdotes ae nobiles viri. Wie hier unterschied schon C. G. Biener, Historia legum Wisigothicarum (Leipzig 1783)

II. Das gotisch-burgundische Zeitalter

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hinreichend deutlich unterschieden. Jene beanstandeten alle Dunkelheit der römischen Gesetze und des alten ius sowie alle streitträchtigen Zweideutigkeiten, eine rechtspolitische Aufgabe. Diese dagegen fiihrten die fiir gut befundenen Textmassen auf ihren Kern zurück, wählten aus, fassten alles in einem Buch zusammen und fUgten Erläuterungen hinzu, alles Tätigkeiten, bei denen es vor allem auf Fachwissen ankommt, d. h. eine Aufgabe fiir Rechtskenner, besonders Juristen. Gojarich wird schwerlich unter diesen eher technischen Helfern zu suchen sein, sondern unter den politischen Beratern des Königs, die sich das von ihm gesteckte Ziel zu eigen machten, die in den Gesetzen anzutreffenden Ungerechtigkeiten zu beheben. 169 In diesem Kreis werden Juristen zumindest nicht typisch gewesen sein. Auch als Vorgesetzter der Kommission der prudentes brauchte er nicht selbst prudens zu sein, schon gar nicht iuris prudens. Hinzu kommt, dass der Name den Mann als Germanen ausweist. Dass er römischer Jurist war, ist also nicht wahrscheinlich, durch nichts angezeigt;170 allein die Parallele Tribonians, der Jurist war, besagt nichts Entscheidendes. 510 wurde er, wohl als Anhänger des legitimen Sohnes Alarichs 11., Amalarich, von dem zunächst siegreichen illegitimen Sohn Gesalich getötet. 171

16b. Anianus Für die korrekte Verbreitung der Lex Romana Visigothorum war der sonst nicht bezeugte Anian zuständig, wie das commonitorium ergibt, das fortfli.hrt: I72 Et ideo, secundum subscriptum librum, qui in thesauris nostris habetur oblatus, librum tibi pro discingendis negotiis nostra iussit clementia destinari, ut iuxta eius seriem universa causarum sopiatur intentio nec aliud cuicumque aut de legibus aut de iure liceat in disceptatione proponere, nisi quod directi !ibri et subscripti viri spectabilis Aniani manu sic ut iussimus ordo conplectitur. Providere ergo te convenit, ut in foro tuo nulla alia lex neque iuris formula proferri vel recipi praesumatur.... 12 ff. = ders., Opuscula academica II (Leipzig 1830) 19 ff.; ders., Commentarius de origine et progressu legum iuriumque Germanorum I: Leges et iura populorum TeutoniCOrum antiqua (Leipzig 1787) 283; u. Hänel S. VII u. Fn. 13. 169 So die Einleitung des commonitorium. In den meisten Hss. der Epitome Aegidii des Breviars erscheint Gojarich auch in Z. 9 des commonitorium statt tibi, und zwar im Genetiv, ist das Breviar also als liber Goiarici comitis bezeichnet; Du Tillet und Cujas emendierten in ihren Theodosianus-Ausgaben einen Dativ und lasen auch sonst anders, was Savigny, Gesch. II 39, akzeptierte und dementsprechend S. 44 f. interpretierte. Mommsen hat dem überzeugend die Grundlage entzogen: XXXIV App. zu Z. 9. 170 S. schon Biener aaO. 15 f. = 21; Savigny, Gesch. II 44 f.; u. Mommsen XXXVI unter 2: vergleichbar den kaiserlichen Prätorianerpräfekten. 171 Chronica Caesaraugustana z. J. 510 (ed. Mommsen, MGH AA XI = Chronica minora II, 223). 172 Vgl. soeben Nr. ISa. Zu Anian Stroheker 145 Nr. 18; PLRE II Art. Anianus 2; u. Wolfram 200 u. 224.

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Erstes Kapitel: Die einzelnen Juristen

Außerdem ist er der Autor beider Fassungen der subscriptio, in der kürzeren mit den Worten: 173 Anianus vir spectabilis ex praeceptione gloriosi Alarici regis hunc codicem de Theodosiani legibus atque species iuris vel diversis libris electum Aduris 174 anno XXII eo regnante edidi atque subscripsi.

Anian hatte also die Stellung eines Kanzleichefs, eines magister scriniorum l75 oder constitutionarius l76 nach kaiserlichen Maßstäben oder, nach fränkischen, eines referendarius. 177 Auf den Inhalt des Gesetzes hat er, entgegen einer einst verbreiteten Redeweise,178 keinen Einfluss gehabt; und nichts legt nahe, dass er Jurist gewesen wäre.

III. Das fränkische Zeitalter 16c. Parthenius

Pierre Riche hält den gallischen Senator Parthenius, in den 540er Jahren Minister Theudeberts I. in Reims, für einen studierten Juristen,179 ebenso wie den etwas jüngeren ligurischen Senator Arator, später Geistlicher in Rom. Als dieser um 508 in Ravenna studierte, offenbar Rhetorik, kam Parthenius als jugendlicher Gesandter dorthin; sie freundeten sich an und lasen gemeinsam, wie sich Arator in seinem Widmungsbrief an Parthenius erinnern sollte, womit er ihm seine Versifizierung der Apostelgeschichte übersandte. Die gemeinsame Lektüre betraf Cäsar, lateinische Dichter, Ambrosius und Sidonius; von Weiterem ist

173 Hgg. Mommsen XXXV links, der Beglaubigungsvermerk einer anderen, offenbar späteren Ausfertigung des Breviars. 174 Aire-sur-I'Adourrund 200 km westlich Toulouse. 175 So Mommsen XXXVI. 176Ygl. CTh const. de constitutionariis; u. schon CTh gesta senatus l. 177 So Savigny, Gesch. II 42 f. nach Älteren; u. Hänel S. VII. 178 Nachw. bei Savigny, Gesch. II 43 f. Fn. f. Bedenklich nahe kommt dem wieder Wolfram 224. 179 Riche (0. Ein!. Fn. 9) 1962/72 S. 64 u. 228 u. 1965 S. 6 f. Zu Parthenius ferner R. Buchner, Die Provence in merowingischer Zeit (Stuttgart 1933) 91; Stroheker 198 Nr. 283 u. S. 236; F. Beyerle, ZRGG 73 (1956) 127 f.; K. Selle-Hosbach, Prosopographie merowingischer Amtsträger in der Zeit von 511 bis 613 (Diss. phi!. Bonn 1974) 143 f. Nr. 166; Martindale, PLRE II 833 f. Art. P. 3 u. S. 1319; M. Weidemann, Kulturgeschichte der Merowingerzeit nach den Werken Gregors von Tours (Mainz 1982) I 59 u. 100 f.; Edw. James, The Franks (Oxford 1988) 107 f. u. 193; 1. Wood, in: The uses of literacy in early medieval Europe, hg. R. McKitterick (Cambridge 1990) 67 f.; dies., The Merovingian kingdoms (London 1994) 25 f.; u. Scheibelreiter (0. Fn. 138) 36 f. bzw. 24-26, 89 u. 154, alle, ohne auf Juristerei auch nur einzugehen.

III. Das fränkische Zeitalter

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keine Rede. 180 Außerdem beruft sich Riche auf eine Zeile bei Cassiodor,181 nämlich Athalarichs Ernennungsschreiben für Arator zum comes rerum privatarum Ende 526, wo der König rühmt cuius (des Vaters Arators) te eloquium instruere potuit. etiamsi libris veterum non vacasses. Auch hier steht nichts von Rechtsausbildung. Die ganze Rechtsschule von Ravenna existiert nur in Riches Vorstellung, ebenso wie die in Marseille oder Arles, gespeist von der Vision, ein Anwalt sei damals juristisch ausgebildet gewesen l82 und ein Regierungszentrum müsse eine Rechtsschule gehabt haben l83 so wie Paris seine ENA, die aber auch nur bis 1991 dort blieb. Auch für privaten Rechtsunterricht in Ravenna gibt es keine Spuren aus diesen Jahrhunderten. Bei keinem der bei den Senatoren ist Juristenturn fassbar. 17. Celsus Von Celsus ist die Grabinschrift der Mutter aus der Peterskirche in Vienne erhalten. Sie stammte aus senatorischer Familie consulibus atavis und hatte mehr als zwei Söhne, von denen mehrere, anscheinend die älteren (jedenfalls sind sie zuerst genannt), Geistliche wurden, während der letztgenannte Celsus wohl der jüngste war. Am 9. März 579 starb sie 78jährig. l84 Er wird also um 525 geboren sein, auch sein Vater senatorischen Standes und die Familie in Burgund beheimatet gewesen sein. Gregor von Tours schildert ihn etwa 35jährig als hochgewachsen, mit breiten Schultern, kräftigen Armen und in verbis tumidum. in responsis oportunum. iuris lectione peritum. 18S Der Fachausdruck rur Juristen, iuris peritus. wird nicht zufällig gewählt sein, doch ist die Verbindung mit lectione ungewöhnlich; Fitting schloss daraus auf Selbststudium wie bei Aldhelm in CanterbUlY 130 Jahre später. 186 Sonst bedeutet lectio bei Gregor 'TextsteIle', sei es der Heiligen Schrift oder anderer liturgischer Texte,187 sei es seines eigenen Werks,188 weshalb er hier wohl betonen wollte, dass 180 Arator

epist. ad Parthenium 9 u. 35-48. Variae 8, 12,4. 182 Er war es meist nicht, s. etwa Liebs, Africa 3; u. J. A. Crook, Legal advocacy in the Roman world (London 1995) 37-46; 175; 191; u. o. S. 23 f. 183 Education (0. Ein!. Fn. 9) 115. 184 CIL 12,2094 = MGH AA VI, 2, 189 f. = ILCV 181 = Recueil des inscriptions chretiennes de la Gaule anterieures a la renaissance carolingienne 15 (hg. F. Descombes, Paris 1985), 101 (S. 420-428, bes. 426), bes. Z. 12-14. Erhalten sind nur mehr die letzten drei Zeilen = 22-24, jetzt im Museum dort; der Rest durch eine Abschrift aus dem 9. Jh. 18S Gregor, Hist. 4, 24 Ausg. R. Buchner (2 Bde. Darmstadt 1955/56) I 226 Z. 10-12. Zu Celsus ferner ders. (0. Fn. 179) 101 Nr. 24; Stroheker 160 Nr. 87; Selle-Hosbach (soeben Fn. 179) 66 f. Nr. 51; Weidemann (0. Fn. 179) I 62; u. PLRE III 277 f. Art. C. 2. 186 Fitting, AnHinge (0. Ein!. Fn. 3) 33; auch bei Aldhelm wohl unzutr., s. unten Kap. 4Nr.8. 187 Gregor, Hist. 8,4 Mitte u. Glor. mart. 85 Mitte. 181

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Celsus auch mit den notwendigen Rechtstexten versehen war, hauptsächlich dem Codex Theodosianus bzw. seiner Kurzfassung im Breviar (s. sofort Nr. 19 f.); Festlegung auf ein bloßes Bücherstudium ist aus dem Ausdruck kaum herauszulesen. Aber auch wenn Celsus einen Rechtslehrer hatte, bleibt offen, wo. Nach dem Tod des gesamtfränkischen Königs Chlothar I. im Spätjahr 561 erbte sein Sohn Guntram Frankoburgund, das zunächst von Orleans aus regiert wurde und wozu der größere Teil der Provence mit der Zentrale Ades kam; ein Korridor mit A vignon und Marseille kam an Sigibert, der außer Austrasien auch die Auvergne erhielt. 189 Guntram setzte alsbald den patricius, also den Chef der Zivilverwaltung, obersten Richter und jedenfalls seit 561 Oberkommandierenden der Provence, Agricola, ab und ersetzte ihn durch Celsus,190 der möglicherweise militärisch auch fiir Burgund zuständig war,191 aber schwerlich lediglich militärische Befugnisse hatte; jedenfalls betont Gregor bei Schilderung dieses Amtswechsels die zivilen Qualitäten des Mannes besonders. Allerdings soll Celsus in diesem Amt große Habgier entwickelt und sich auch an Kirchengut vergriffen haben. 192 570 starb er 193 und hinterließ einen Erben, der seinerseits keine Kinder hatte und den größten Teil des Vermögens den Kirchen vermachte, die unter seinem Vater gelitten hatten. 194 Amtsnachfolger des Celsus wurde Amatus, der 570/71 gegen die Langobarden fiel, als er nuper Celsi successor extiterat. 195 Dieser Langobardenkrieg wurde früher ins Jahr 569 datiert,196 weshalb man annahm, Celsus sei abgesetzt worden; und diese Annahme lebt fort, auch nachdem ihr die Grundlage entzogen ist. 197

188 Gregor,

Hist. 1,10 a. A.; 2, 37 Abs. 2 g. A.; u. 3,19 g. A. Im einzelnen Buchner (0. Fn. 179) 10 f. u. 22 f. Insoweit unbefriedigend die Karten von James (0. Fn. 179) 171 f., 177 u. 179. Zu Chlothars Todeszeitpunkt im Einzelnen M. Weidemann, Francia 19 (1992) 197 ff.· 190 Gregor, Hist. 4, 24; u. Fredegar, Chronik (MGH SRM 11) 3, 55 a.E. Möglicherweise empfahl er sich, weil er schon Chlothar I. als Gesetzgeber zur Seite gestanden hatte, s. unten Fn. 259; allenfalls ließe sich auf ihn der sog. Ämtertraktat (s. o. Ein!. u. Fn. 21) zurückfUhren. 191 So Buchner (0. Fn. 179) 86 ff.; s. a. Weidemann (0. Fn. 179) I 58 f. 192 Gregor, Hist. 4, 24 Ausg. Buchner 1226 Z. 12-17. 193 Marius von Avenches, Chronica (MGH AA XI, 232 ff.) z. J. 570. 194 Gregor, Hist. 4, 24 Ausg. Buchner I 226 Z. 18 f. 195 Gregor, Hist. 4, 42 Ausg. Buchner 1254 Z. 8-10. Datierung nach Buchner, Ausg. S. 254, Fn. 2. 196 Nach Marius von Avenches z. J. 569, aber wohl nur der erste, noch unbeantwortet gebliebene Langobardeneinfall, G. Löhlein, Die Alpen- und Italienpolitik der Merowinger (Erlangen 1932) 54. 197 S. ursprünglich Buchner (0. Fn. 179) 101 Nr. 24 f.; u. jetzt noch Weidemann (0. Fn. 179) I 62, obwohl sie Buchners spätere Umdatierung des Langobardeneinfalls S. 62 unten übernimmt. Dagegen belässt Mattingly, PLRE III 54 Art. Arnatus, den Lombar189

III. Das fränkische Zeitalter

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Man hat auch nach einem Grund fiir die Absetzung gesucht und ihn in einem angeblichen Amtsmissbrauch erblickt, weil Celsus um 568, als er in Guntrams Auftrag das von dessen Bruder Sigibert teilungswidrig eroberte Arles wiedergewinnen sollte, von Burgund kommend zunächst das Sigibert korrekt zugefallene Avignon eroberte, das Guntram nach der Wiedergewinnung von Arles und einer schmählichen Niederlage des Heeres Sigiberts in der ihm eigenen Herzensgüte seinem expansionslüsternen Bruder zurückgab. 198 Dass Guntram dadurch Celsus auch nur desavouiert hätte, kann aber nicht angenommen werden; vielmehr wird Celsus den Sigibertschen Korridor nach Marseille aus militärischen Gründen unterbrochen und sich Avignons bemächtigt haben, um bei der Wiedergewinnung von Arles nicht von dort aus gestört zu werden. Auch Gregors Anschuldigung der Habgier im Amt ist mit Vorsicht aufzunehmen, entspräche es doch seiner proaustrasischen Tendenz,199 einen Hemmschuh austrasi scher Expansion herabzusetzen, und ließ sich durch derlei Verdächtigungen doch zudem die offenbar beträchtliche Bereicherung der Kirche nach dem kinderlosen Tod des Sohnes und Erben von Celsus in einem tieferen Sinn legitimieren. Besonders bemerkenswert erscheint an diesem Juristen die Wichtigkeit seiner militärischen Befugnisse und Fähigkeiten, was seit dem frühen 2. Jh. n. Chr. stark zurückgetreten und bis in die westgotische Zeit nur noch in Ausnahmefällen wie beim Kaiser Avitus 2°O hervorgetreten war, in der fränkischen Zeit dagegen öfter begegnen wird. 18. Lupus? Seit ungefähr 565 bis 581 war Lupus, ein Romane edler Abstammung,201 Herzog der Champagne mit der Hauptstadt Reims, wo auch der austrasische König oft residierte, bis 575 Sigibert. In drei Lobgedichten auf Lupus und an zwei weiteren Stellen berichtet Venantius Fortunatus Näheres über ihn. Das

deneinfall im Jahr 569 unter Berufung auf Marius. Zwiespältig Selle-Hosbach (0. Fn. 179) S. 41 Nr. 9 einer- und 67 Nr. 51 andererseits. 198 Gregor, Hist. 4, 30 mit Fredegar, Chronik 3, 62, u. dazu Weidemann (0. Fn. 179) I 62. \99 Buchner, Ausg. (0. Fn. 185) I S. X f. 200 Zu ihm oben Nr. 7. 20\ Zu ihm R. Koebner, Venantius Fortunatus (Leipzig 1915) 19 f., 30 f. u. 69 - 72; Selle-Hosbach (0. Fn. 179) 127 f. Nr. 139; Weidemann (0. Fn. 179) 46 f.; u. PLRE III 798 f. Art. Lupus 1. Bei Stroheker 190 fehlt er, wohl weil senatorische Herkunft nicht bezeugt ist; Flodoard von Reims, Hist. Rem. ecc!. (MGH folio Script. 13) 2, 4, nennt seinen Sohn carne nobilis. 5 Liebs

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erste entstand 567 in Reims und schildert seine Tätigkeit am Hofgericht mit den Worten: 202 Iustitia florente favent te iudice leges causarurnque aequo pondere libra manes.

Ebendaraufkommt Fortunat auch in einem späteren Brief aus Poitiers an Sigiberts Großen Gogo zu sprechen: 203 An curn dulce Lupo pietatis iura retractant consilioque pari mitia mella creant quo pascatur inops, viduae solacia praestent, parvus tutorem sumat, egenus opern? Quidquid agunt, pariter felicia vota secundent, et valeant Christi regis amore frui.

Hier ist die richterliche Tätigkeit idealisiert geschildert: Gerechtigkeit blüht, Gesetze werden angewandt, die Rechtssachen werden gerecht gewogen, Milde herrscht, der Arme bekommt seinen Teil, Witwen werden in Schutz genommen, Waisen erhalten einen Vormund usf. Das ist alles die übliche richterliche Tätigkeit, wozu man nicht Jurist zu sein brauchte. Von besonderer Rechtskenntnis künden allenfalls die einleitenden Wendungen pietatis iura retractant und consilio pari. Weiteres fmdet sich aber in Fortunats Glückwunschgedicht aus Poitiers 574 nach den Auszeichnungen des Lupus im Krieg Sigiberts gegen Chilperich, wo es am Ende heißt: 204 Illi te fortem referant, hi iure. potentem, ille armis agilem praedicet, iste libris Et quia rite regis quod pax et bella requirunt, ludicis ille decus concinat, iste ducis.

Und schließlich: Hi celebrem memorent, illi te lege sagacem; ast ego te dulcem semper habebo, Lupe.

Lege sagax heißt bei Fortunat nun freilich auch Dinamius, ein engerer, jüngerer Freund Fortunats, in einem Briefgedicht aus dem Sommer 566, der damals ein wohl nur erst lokales Richteramt versah, jurisprudentiell aber sonst nicht hervorgehoben ist;20S weiser Umgang mit dem Gesetz kommt also einem Richter als solchem zu. Lupus freilich wird außerdem iure potens, agilis libris und

202 Fortunat, Cann. 7, 7, 37 f. Datierung und Lokalisierung nach Koebner 19 f. 203 Fortunat, Cann. 7,4,27-32. Vgl. Koebner 20. 204 Fortunat, Cann. 7, 8, 65-68 u. 71 f. Vgl. Koebner 69-72. Dagegen enthält 7, 9

(auch 574) nichts hier Interessierendes. 20S Fortunat, Cann. 6, 10,37, datiert nach Koebner 17 f. Zu Dinamius Selle-Hosbach (0. Fn. 179) 80 ff. Nr. 74; Martinda/e, PLRE III 429 f. Art. Dyn. 1.

III. Das fränkische Zeitalter

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iudicis decus genannt; rite regis quod pax requirit tönt es. Die beiden letzten Lobesworte sind wieder sehr allgemein bis nichtssagend, aber die ersten beiden könnten mehr verraten. Es ist immer noch zu wenig, um für Lupus mit Bestimmtheit eine Ausbildung als Jurist in Anspruch nehmen zu können; aber die Möglichkeit sollte offen gehalten werden, zumal Fortunat 574 auch Magnulf, den Bruder des Lupus, ausführlich als Richter schildert,206 ohne solche Ausdrücke zu gebrauchen. 19. Felix von Marseille 20. Andarchius Der ungewöhnliche Lebenslauf des Andarchius ist uns nur durch Gregor von Tours bekannt. 207 Er versuchte, die damalige Sozialordnung zu durchbrechen;208 für unsere Zwecke aber kennzeichnet er die Epoche vielleicht besser als viele Adlige. Er war offenbar Sklave des Felix von Marseille;209 und Felix war nicht nur senatorischer Herkunft, sondern auch selber noch Senator. Gregor sagt zur Unfreiheit des Andarchius zwar vorsichtig ut adserunt, was aber schwerlich die Tatsache ernstlich in Frage stellt, sondern wohl nur anzeigt, dass Gregor darüber kein eigenes Wissen hatte und auf Angaben anderer angewiesen war; niedriger Herkunft war Andarchius allemal und über Marseille mochte man in Clermont oder gar Tours nicht genau Bescheid wissen. Als Diener des Felix begleitete Andarchius ihn beim Studium. Ad obsequium domini depotatus, ad studia litterarum cum eo positus und vor allem das gleich zu schildernde Ergebnis bedeuten jedenfalls, dass Felix ihn in den Unterricht mitnahm, viel-

Fortunat, Cann. 7, 10,9-19. Vg!. Koebner 72 vor Fn. 195. Gregor, Rist. 4,46. Zu ihm K. Ros/, Frühformen der Gesellschaft im mittelalterlichen Europa (München 1964) 245 f. (zuerst 1952); Riche 1965 (0. Ein!. Fn. 9) 7 f.; Siems 163-66, PLRE III 74 Art. A.; Esders 198 f., 282 u. 371; u. Scheibelreiter 1999 (0. Fn. 138) 267 f. 208 Er erscheint, soweit ich sehe, in der Prosopographie merowingischer Amtsträger in der Zeit von 511 bis 613 von Selle-Hosbach gar nicht; im Verzeichnis der Beamtenschaft bei Gregor von Tours von Weidemann (0. Fn. 179) I 24-106 ist er nur am Rande erwähnt (S. 47 oben), doch s. II 284 f., 287f., 326 u. 337; die PLRE nennt ihn aaO. agent 0/ S~ibert, übergeht ihn aber in den Fasti. 2 Zu ihm J. Dostal, Über Identität und Zeit von Personen bei Venantius Fortunatus (Programm Wiener Neustadt 1900) 11 f.; Stroheker 172 Nr. 147; s. schon ders., Germanenturn und Spätantike (Zürich 1965) 192 ff. (zuerst 1942), gegen die These von G. Kurth, Etudes Franques II (Paris 1919),97 ff. (zu Felix 114 f.), der meinte, senator bei Gregor bezeichne schlicht einen reichen Mann oder Großgrundbesitzer. Weidemann (0. Fn. 179) II 287 f. geht davon aus, dass die Eltern von Felix damals noch lebten und folglich die Eigentümer des Andarchius waren, die ihn mit Felix studieren ließen. Das ist denkbar, liegt aber kaum näher als Selbständigkeit des Felix. 206

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leicht, wie Siems meint, um einen qualifizierten Mitarbeiter heranzubilden;210 vielleicht aber auch bloß, weil Felix auch im Unterricht bedient sein wollte, weil die besondere Aufgewecktheit des Dieners dem Herrn gefiel und f6rderungsWÜTdig schien, oder auch, weil er lieber in Gesellschaft, sozusagen in einer Kleinstgruppe lernen wollte. Jedenfalls scheint der Unterricht bei Andarchius besser angeschlagen zu haben als bei Felix: bene institutus emicuit, adplene eruditus est und scientiam tumens dispicere dominos coepit sagt Gregor. Als Studieninhalt werden drei Fächer genannt: Vergil, legis Theodosianae !ibri, womit Gregor den Codex Theodosianus bzw. seinen gallischen Auszug in der Lex Romana Visigothorum meint/li die offiziell Leges sive species iuris de Theodosiano et diversis /ibris electae et explanatae hieß, und drittens die ars calcu/i, also Rechnen. Vergil steht für den höheren Grammatikunterricht, das "Theodosianische Gesetz" für Rechtsunterricht und ars calcu/i, das Hantieren mit dem Abakus, für Rechnen, womit auch Mäcian im 2. Jh. die Unterweisung Mark Aurels im Recht verbunden hatte. 212 Für die Kombination von Vergil und Recht könnte Sidonius, dessen Werk Gregor kannte, das Vorbild abgegeben haben. 213 Wo Felix und Andarchius studiert haben, sagt Gregor nicht. Die von ihm genannte Stadt Marseille ist offenbar die Heimat von Felix, wo er sich nach beendeten Studien mit seinem selbstbewusst oder wirklich hochmütig gewordenen Diener wieder aufhielt. Das Studium scheint aber (ad studia cum eo positus) woanders stattgefunden zu haben. Wohin ging in den 540er oder 550er Jahren ein wohlhabender junger Mann in Marseille, um Jura zu studieren? Für ein ernsthaftes Rechtsstudium, und damit ist, solange es nicht ausgeschlossen erscheint, erst einmal zu rechnen/ 14 kam damals wohl immer noch Narbonne, Lyon215 und weiterhin Rom in Betracht,216 das mit der Provence bis 536 zum 210 Siems

165. Savigny, Gesch. 11 123, geht noch vom eTh aus, während Fitting, Anfänge (0. Ein\. Fn. 3) 16, das Breviar darunter versteht, dem sich A. v. Wretschko bei Mommsen eeeXVIIII, anschließt; ebenso Siems 164, während Martindale Art. AndArchius wieder nur an den eTh denkt, wie schon Buchner, Gregor-Ausg. 11 461 Art. Theodosius II; u. Weidemann (0. Fn. 179) II 337. Vg\. unten Nr. 25 u. Fn. 321. 212 In seinem dem Kaiser gewidmeten Werk (Assis) Distributio, item vocabula ac notae partium in rebus, pecunia aere numerata, pondere, mensura; dazu Liebs, HLL IV §419.2W.2. 213 Sid. carm. 7, 495 f.; s. a. epist. 5, 5, 3 . Kenntnis des Sidonius bezeugen Gregor, Hist. 2,22-25; 3, 12 Abs. 1 a. E.; u. 6, 7. Vg\. Buchner, Gregor-Ausg. S. XXVI. 214 Anders Savigny, Gesch. II 123 f.; u. Siems 165 f. 215 Lyon war Zentrum juristischer Bildung seit dem späten 4. Jh., insofern dort damals die Fragmenta Vaticana ergänzt und mit Scholien neu herausgegeben worden zu sein scheinen, Liebs, Italien 161 f.; im frühen 5. Jh. die Kernsammlung der Constitutio211

III. Das fränkische Zeitalter

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Ostgotenreich gehörte, also kulturelle Hauptstadt von Marseille war; und Roms Übergang in byzantinische Herrschaft war fiir einen Romanen am Südende des Frankenreichs gewiss kein Hindernis, höhere Bildung weiterhin in Rom zu suchen. Wir haben sogar ein Zeugnis, das einen Romaufenthalt wohl dieses Felix bezeugt, genauer: seine Ankunft in Rom im Spätsommer 556, also zu Beginn des Studienjahres 556/57. Denn Julius Dostal hat Gregors Felix nicht nur mit Felici egregio gleichgesetzt, quem dedit orbis honor bei Venantius Fortunatus, der ihn im Sommer 566 in einem Brief an Dinamius, später Statthalter der Provence, grüßen lässt;217 man hatte sich wohl auf König Sigiberts Hochzeit mit Brunhilde im Frühjahr 566 in Metz kennengelernt. 218 Vielmehr identifizierte er ihn obendrein mit Fe/ix vir honestus, der dem Papst, Pelagius I., Post aus Arles von Bischof Sapaudius überbrachte, wofiir sich der Bischof von Rom mit Schreiben vom 16. Sept. 556 bedankte. 219 Warum reiste Felix damals aus der Provence nach Rom? Am ehesten doch wohl studienhalber. Freilich lag in Rom damals den Rechtsstudien nicht mehr der Codex Theodosianus und schon gar nicht die Lex Romana Visigothorum zugrunde, die hier nie auf dem Studienplan stand; seit zwanzig Jahren studierte man hier vielmehr die justinianischen Gesetzbücher. Aber davon wusste Gregor vermutlich nichts; fiir ihn war die Lex Romana der Westgoten der maßgebliche römische Rechtstext. Er mag nicht einmal gewusst, ja, es wird ihn nicht interessiert haben, wo Felix mit Andarchius studiert hat, sondern nur das Ergebnis: dass sich auch Andarchius im römischen Recht gut auskannte, was er mit seinen Worten und mit Worten, die seine Leser verstanden, beschrieb. Von Felix erfahren wir über seinen weiteren Lebensweg nichts weiter, als was Fortunat 566 angedeutet hatte: dass er in der Welt zu Ehren gelangt sei, womit ein hohes Amt gemeint sein könnte; vielleicht begnügte sich Felix auch mit dem Beruf eines freien Rechtsberaters und Anwalts. 581 wurde sein Sohn Marcellus Bischof von Uzes rund 20 km nördlich Nimes, der sich gegen einen Konkurrenten, einen königlichen Günstling, durch Geschenke durchsetzte;220 der Vater muss also reich gewesen sein und der Sohn spätestens um 550 gebones Sirmondianae entstanden zu sein scheint, Liebs, Africa 109 ff.; im späten 5. Jh. unsere einzige Hs. des CTh bzw. seiner zweiten Hälfte mit Scholien aus sizilischem Rechtsunterricht, Liebs, Italien, S. 177ff.; u. v. a., s. etwa (wenn auch Lowe kanonisierend, für Rechtsliteratur wenig glücklich) /. Wood, in: The Theodosian (0. Fn. 49) 165 f. Zu Narbonne oben Nr. 14. 216 Zum Rechtsunterricht dort seit den 530er Jahren Liebs, Italien 124 ff. u. 202 ff., bes. 205 ff. 217 Fortunat, Carm. 6, 10, 68 u. 70, datiert nach Koebner (0. Fn. 201) 17 f., während Dostal (0. Fn. 209) selbst S. 11 f. für 580/81 eintrat. Zu Dinamius Selle-Hosbach 80 ff. Nr. 74; u. PLRE III 429 f. Art. Dyn. 1. 218 Koebner 17; u. Buchner 77 f. 219 Hg. W. Gundiaeh, MGH Ep. III (1892) 69 f. 220 Gregor, Hist. 6, 7.

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ren. Der Vater wurde somit spätestens um 530 geboren, was bedeutet, dass er mit dem Studienaufenthalt in Rom gewartet hätte, bis es in Italien einigennaßen ruhig geworden war. 221 Vielleicht hatte er sein juristisches Studium auch schon in Gallien, etwa in Narbonne und tatsächlich anband des Breviars, absolviert und begann nunmehr ein Aufbaustudium in Rom. Gregors Interesse galt dem weiteren Schicksal des Andarchius. Als Herzog Lupus (0. Nr. 18) unter König Sigibert, also grob um 568, in amtlicher Eigenschaft nach Marseille kam, verstand es Andarchius, die Aufmerksamkeit des Herzogs auf sich zu ziehen und von ihm engagiert zu werden (se patrocinio Lupi dueis commendavit), der ihn mitnahm (secum habire praecepit); Felix hätte dagegen offenbar nichts ausrichten können und scheint ihn "abgetreten",222 d. h. dem Herzog verkauft zu haben. Lupus empfahl ihn dem König, der ihn in Dienst nahm und rur verschiedene Aufgaben einsetzte: regi ad serviendum tradedit ... per loca diversa dirigens (sc. Sigibertus Andarchium), locum praebuit militandi; nach serviendum zu schließen war Andarchius wohl immer noch Sklave. 223 Dabei gab er sich wie ein Standesherr und wurde dafUr gehalten (ex hoc quasi honoratus habitus); vielleicht hatte ihn der König inzwischen freigelassen, denn bei seinem Versuch, eine Honoratiorentochter von Clennont, Gregors Heimat, zur Frau zu bekommen, erwirkte er zweimal königliche Befehle (praeceptio ad iudicem loei, im zweiten Fall synonym damit iussio regis gesagt),224 immer noch unter Sigibert, aber schon als er über Berny bei Soissons gebot, also grob um 572. Dabei hantierte er mit einem fibel/are, quo charte abdi soleti sunt, also mit einem Kasten, worin man Urkunden abzulegen pflegte. Mit Hilfe nicht nur einer allgemeinen Bildung, sondern vor allem besonderer Rechtskenntnisse erlangte Andarchius also zunächst die Protektion eines Herzogs und dann eine einflussreiche Stellung beim König, wenn er offenbar auch kein hohes Staats amt erlangte, seinen sozialen Aufstieg vielmehr durch eine Eheschließung befestigen wollte. Das scheiterte am hartnäckigen Standesbewusstsein des auserkorenen Schwiegervaters, eines Romanen, den weder die Bildung noch die darauf gründenden Verbindungen zum Königshof überzeugten.

A. Lippold, RE Suppl. XII (1970) 874-886, Art. Narses. Weidemann (0. Fn. 179) 11 287 f. 223 Weidemann betont das mit Recht, während die 11 285 Fn. 5 Genannten auf die Fragen einer Freilassung, die Gregor sonst erwähnt, nicht eingehen. F. Irsigler, Untersuchungen zur Gesch. d. frühfränk. Adels (Bonn 1969) 124, hält immerhin fest, dass die niedere Herkunft in Gregors Augen Andarchius bis zuletzt anhaftete. 2241. Wood, The Merovingian kingdoms 212 f., scheint davon auszugehen, dass er weiterhin Sklave war. Klar entscheiden lässt sich die Frage wohl nicht. 221

222

III. Das fränkische Zeitalter

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20a. Venantius Fortunatus Der merowingische Hofdichter aus Venetien hat in Ravenna studiert, und zwar wie üblich Grammatik und Rhetorik. 225 Max Manitius fügt hinzu: 226 "sowie die Anfangsgründe der Rechtswissenschaft". Wird Riche mit seiner Annahme einer Rechtsschule in Ravenna also wenigstens im kargen Sinn einer Unterrichtung der Grundzüge des Rechts im byzantinischen Ravenna bestätigt? Manitius stützt sich auf einen Vers in Fortunats vita Martini, wo der Dichter seine Studien in bescheidenem Ton wiedergibt: 227 parvula grammaticae lambens refluamina guttae, rhetorici exiguum praelibans gurgitis haustum, cote ex iuridica cui vix rubigo recessit,

Es geht um den letzten Vers, wo von einem juridischen Wetzstein die Rede ist, der kaum den Rost weggenommen habe. Damit ist aber nicht schon ein juristischer, rechtswissenschaftlicher Wetzstein gemeint, auch kein stilkritischer, wie Richard Koebner und Solange Quesnel meinen,228 sondern wohl schlicht ein richterlicher, wie er sich beim Studium der Gerichts- und der Richterrhetorik einstellt (Hermann Tränkle).229 Abgesehen davon hat gerade Justinian adulterinen Rechtsunterricht außerhalb der privilegierten Unterrichtsstätten in Konstantinopel, Rom und Beirut streng verboten. 23o Schließlich würde, wer "die Anfangsgründe der Rechtswissenschaft erlernt" hat, schwerlich den Apostel mit dem Juristen Paulus verselbigen, wie es Fortunat Ende 567 in seiner Weiherede zur Einsetzung der Agnes als Äbtissin von Radegundes Nonnenkloster in Poitier unterlief. 231 Fortunat kann überhaupt nicht für juristische Bildung in Anspruch genommen werden.

225 Koebner (0. Fn. 201) 11 f.; Mauriz Schuster, RE VIII AI (1955) 678, 10-27 Art. Venantius 18; u. Reinhart Herzog, DKP V (1975) 1162, 5 f. Art. Venantius. 226 M Manitius, Gesch. d.lat. Lit. d. Mittelalters I (München 1911) 170 unten u. 173 oben (die Belege); verstärkt von M. Fuhrmann, Rom in der Spätantike (Zürich 1994) 346: "erhielt seine grammatische, rhetorische und juristische Bildung in Ravenna"; s. schon M. A. Luchi, PL 88, 26 f. = §§ 18-20. 227 1,29_31. 228 Koebner aaO. 12 vor Fn. 1; u. S. Quesnel (Hg.), Venance Fortunat, Oeuvres IV: Vie de Saint Martin (paris 1996) 111. 229 Freundliche briefliche Mitteilung vom 3. Dez. 1998 mit Berufung auf Yen. Fort. carm. 7, 10,9 u. Cassiod. var. 11,9,3. 230 D. const. Omnem § 7 u. dazu Liebs, Italien 124. 231 Fortunat, Carm. 8, 3, 137. In der christlichen Dichtung passierte das öfter.

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Erstes Kapitel: Die einzelnen Juristen

21. Asclipiodetus

Asc1ipiodetus wurde so in den Akten des Konzils von Valence vom 22. Juni 585 geschrieben, die Schreibung offenbar der veränderten Aussprache angeglichen;232 deshalb hat er sich also wohl auch selbst so geschrieben. Er war damals referendarius, also oberster Kanzleibeamter König Guntrams, der damals schon in Chalon-sur-Saöne residierte. Es ging in den genannten Akten um die Sanktionierung verschiedener Schenkungen des Königs, der Königin und ihrer bei den Töchter an Kirchen in Chalon und anderswo, vollzogen von Asclipiodet mit Hilfe königlicher Briefe an die Bischofskonferenz: praedictus rex (sc. Guntram) per virum illustrem Asclipiodetum referendarium datis ad sanctam synodum epistolis SUiS. 233 Vermutlich hat Asc1ipiodet diese Briefe auch entworfen,234 doch sind sie nicht erhalten. Statt dessen die Formulierung eines Edikts Guntrams vom 10. November 585 mitFranz Beyerle diesem Mann zuzuschreiben,23S erscheint problematisch. Klare Kompetenzen hatten die fränkischen Hofbeamten nicht?36 Da Asc1ipiodet die Decretio Childeberts II., des Nachfolgers Guntrams, vom 1. März 596 beglaubigt hat,237 liegt die Annahme nahe, dass sie, letztlich also die Märzfeldbeschlüsse von Andernach 594, Maastricht 595 und Köln 596, aus seiner Feder stammen, wie auch weithin angenommen wird. 238 Aber das Edikt von 585 stammt schwerlich vom selben Autor. Um 232 Hg. F. Maaßen, MGH Concil. I (1893) 162 f., beruhend nur auf dem Erstdruck von J. de Suys (Susius, Köln 1567) II 681, worauf sich schon J. Sinnond in seiner Konzilienausgabe (paris 1629) wohl allein gestützt hat. Betont wurde der Name auf der drittletzten Silbe. 233 S. 162 Z. 23 f. d. Ausg. Maaßen. 234 So F. Beyerle, ZRGG 49 (1929) 409 unten; u. Selle-Hosbach (0. Fn. 179) 48 Nr. 20. 235 So Beyerle aaO. 330 u. 409 f.; ebenso Buchner (0. Fn. 179) 84; Stroheker 149 Nr. 38; Edw. James, The origins ofFrance (London 1982) 82 ("may have drafted"). Zurückhaltend K. Kroeschell, Settimane 42 (1995) 745 f.; s. a. 755-57. Zum Edikt jetzt 1. Woll, Untersuchungen ... merowingischen Kapitularien (1995) 33-36, 49 f. 236 Selle-Hosbach 9-16. 237 Hg. A. Boretius, MGH Cap. I 1 (1881) 15-17; u. K. A. Eckhardt, MGH LS IV 1 (Hannover 1962) 267-69; mit dt. Übers. schon ders. (Hg.), Die Gesetze des Merowingerreiches 481-714 I (2. Bearb. Göttingen 1955) 238-45; u. ders. (Hg.), Pactus legis Salicae II 2 (Göttingen 1956) 440-49 mit I [1] Einfiihrung (1954) 139-45. Am Schluss (Ausg. Boretius S. 17 Z. 25) heißt es Asclipiodus recognovit nach der einen Hs., während in den beiden andern der Name ...piod bzw . .. .piode endet, welche Lesart Eckhardt bevorzugt. Jedenfalls wird kaum zu bezweifeln sein und in diesem Fall auch nicht ernstlich bezweifelt, dass es sich um denselben Mann handelt, s. Beyerle aaO. 330 u. 410; Buchner (0. Fn. 179) 84 u. 96 Nr. 12; Wormald (0. Fn. 138) 126; James aaO. 82; PLRE III 134 Art. A. 3 ("perhaps identical"); 1. Wood, The Merovingian kingdoms 107 f.; Kroeschell (0. Fn. 235) 745. Vorsichtig Woll 38 f. Zum Inhalt der Decretio Beyerle aaO. 411-13. 238 So die in Fn. 237 genannten Autoren.

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königliche Rechtssetzung handelt es sich zwar in bei den Fällen, um so deutlicher sind jedoch die stilistischen Unterschiede: Die Decretio enthält trockene Anordnungen, während das Edikt prunkvoll stilisiert ist in kräftigen Wendungen, offenbar von einem sprachlich besonders geschulten Romanen. Signifikante Übereinstimmungen zwischen bei den Texten hat Beyerle nicht aufgezeigt; insbesondere ist, was er nur allgemein "dieser Stil" und "rhetorische Figuren" nennt,239 unspezifisch. Zusammengetragen hat er abrundend wertende Kodas, die vorgeben, ohne den fraglichen Rechtssatz drohe ein Wertungswiderspruch; Folgerichtigkeit fordere den Rechtssatz. Dieses Ausdrucksmittel findet sich aber z. B. auch bei dem Spätklassiker Tryphonin 211 n. Chr.,240 dem Epiklassiker Hermogenian um 300241 und dem Quästor von Theodosius I. um 390. 242 Dagegen ist es plausibel, den durch Gregor von Tours überlieferten Vertrag von Andelot zwischen Guntram und Childebert 11.587 n. Chr. 243 dem Autor der Decretio, also Asclipiodet, zuzuschreiben, wie Beyerle vorschlug, weil diese auf den Vertrag von Andelot Rücksicht nimmt. 244 Das sollte nun freilich nicht von der Person des Redaktors abhängen. Hinzu kommt aber nicht nur ein streng sachgebundener Stil beider Dokumente, sondern auch, bei aller Verschiedenheit des Gegenstandes, eine bemerkenswerte Ähnlichkeit des Ausdrucks: 587 Vertrag von Andelot

596 Decretio Childeberts 1I.

Prolog

Cum in Christo nomen .. , placuit atque convenit, ut ...

Cum in Dei nomen ... convenit, ut ...

Abs.3

Pari conditione repromittit ... , ut ...

Pari conditione convenit ... , ut ...

239 ZRGG

2,2

49, 329 f. D. 4, 4, 37 a. E. aus B. 3 seiner Disputationes (deren erste zehn bis 15 Bücher 2111212 anzusetzen sind, Liebs, HLL § 417.3 W. 3): ... qui dum leges invocat, contra eas committit. 241 D. 5, 3, 52 a. E. aus B. 2 seiner luris epitomae (zu deren Datierung zuletzt Liebs, SZ 107 [1990] 387 f. m. weitt. Nachww.): ... ne honesta interpretatio non honesto quaestui lucrum possessori faciat. 242 Col!. 5,3 (zur Zuschreibung Liebs, Italien 163-70): ... nec sine summa supplicio (sc. intellegant) alienum expetisse sexum qui suum turpiter perdidisset. 243 Gregor, Hist. 9, 20, gesondert hg. Boretius (wie soeben Fn. 237) 12-14, wie W. Arndt, MGH SRM I (1884) 374-77 (ebenso 2. Aufl. B. Krusch u. W. Levison 1951 S. 434-39), ohne jede Unterteilung, weshalb hier zitiert nach der Untergliederung Buchners, Gregor-Ausg. 11 260-67, in Prolog, neun Absätze und Datumsvermerk. Dazu jetzt Woll (0. Fn. 235) 175-79. 244 Beyerle aaO. 410 f. u., zur Begründung, ZRGG 48 (1928) 328 unter Hinweis auf Abs. 7 S. 2 Hs. 2 des Vertrages und I 2, 1 S. 3 Ende der Decretio; ferner ders., MGH LS III 2 (1954) 26. Ihm folgend Stroheker 149 Nr. 38; Eckhardt, Einfiihrung (soeben Fn. 237) 171; u. James (0. Fn. 235) 82 ("may have drafted"). Skeptisch Woll (0. Fn. 235) 175 Fn. 42. 240

74

Erstes Kapitel: Die einzelnen Juristen Abs.5 Abs.6 Abs.9

Simile modo convenit ut ... ut ... Similiter convenit ut ... Hoc etiam ... placuit ... ut si ...

Similiter ... convenit ...

3,1

Similiter convenit ut ... De ... similiter placuit ... ut si ...

3,4 3, 7

Wie Karl August Eckhardt gezeigt hat/45 gibt es zum Vertrag von Andelot wiederum stilistische Parallelen im kurzen Prolog zur C-Fassung der Lex Salica, genauer: dem zum zweiten Mal erweiterten 65 Titel-Text des Pactus legis Salicae, den Eckhardt unter dem späten Guntram, allenfalls Childebert 11. ansetzt. Vielleicht redigierte Licerius, ein anderer Referendar Guntrams damals, der 586 Bischof von Arles wurde/46 das Edikt vom November 585. Im Juli 599 und am 22. Juni 601 schrieb Papst Gregor d. Gr., um Kirchengut in Südgallien schützen zu lassen, an den patricius Gallorum Asclipiodotus,247 offenbar der einstige Referendar,248 der mittlerweile königlicher Statthalter der Provence geworden war. Edward James hat die Vermutung geäußert, er sei vielleicht im römischen Recht ausgebildet gewesen?49 Tatsächlich hat er in der Decretio Childeberts 11. die Lex Romana Visigothorum,250 die Lex Romana fiir Burgund25I und die Lex Burgundionum 252 ausgewertet, weshalb dem südgallischen Romanen eine besondere Qualifikation im römischen Recht nicht abge245 Einfiihrung (soeben Fn. 237) 170-72; Pactus legis Salicae 11 1 (1955) 98-100; I 2 (1957) 306; u. MGH LS IV 1, 2 f. Zustimmend Worma/d (0. Fn. 138) 126; u. James aaO. 82. - Auch LBai 7, 4 soll letztlich ausAsclipiodets Feder stammen, F. Beyer/e, ZRGG 73 (1956) 128 unten u. (zur Sache) 49 (1929) 320-23. 246 Gregor, Hist. 8,39 g. E. u. 9, 23 a. E. u. dazu Selle-Hosbach (0. Fn. 179) 127 Nr. 138; Weidemann (0. Fn. 179) I 93 u. 139; u. PLRE III 793 Art. L. 247 Gregor d. Gr., Epist. 9, 225 (226 i. d. Ausg. v. D. Norberg CCLat 140A, 1982) u. 11,43. Auch im ersten Brief wird er schonpatricius gewesen sein, obwohl hier nur eine Hs. den Titel hat, der deshalb an sich nachträglich eingeführt sein könnte und von den Herausgebern vorsichtigerweise weggelassen wurde, Buchner (0. Fn. 179) 96 Fn. 50; 0 statt e in der vorletzten Silbe des Namens ist ohne Bedeutung, die päpstliche Kanzlei wird ihn geschönt haben. 248 So Boretius (soeben Fn. 237) Fn. 13: Jortassis; Beyer/e aaO. 410, ohne Zweifel auch nur anzudeuten; Buchner (0. Fn. 179) 96 Nr. 12 ("vielleicht"); Stroheker 149 Nr. 38 ohne zu zweifeln; Eckhardt, Einfiihrung 172, insoweit gleichfalls ohne zu zweifeln; ebenso Selle-Hosbach (0. Fn. 246) u. James (0. Fn. 235) 82 f.; schließlich PLRE III 134 f. Art. Asclepiodotus 3: possib/y u. 4: perhaps. 249 James aaO. 83. 250 Decretio 2, 1 (Boret. 3) S. I scheint auf IP 5, 2, 3/4 u. PS 5, 2, 3 (aus LRV) zuIÜckzugehen. 251 Decr. 2, I (Boret. 3) S. 3, Hauptsatz, geht wohl auch auf RB 31,1 ZUlÜck; u. Decr. 2,2 fforet. 4) auf RB 9,1 f. u. 4. 25 Vgl. Decr. 1, 1 u. LB 75, 1 u. 4 u. 78, I; 2, 1 S. 3 Hauptsatz u. LB 79, 5; 2, 3 u. LB 2,1; 2, 5 S. 1 u. LB Extrav. 19, 1 f.; LB 43,1 u. 99,1. Außerdem wird auf den Pactus legis Salicae (1, 2 S. 1), die Decretio Chlothars (3, 4 f.) und den Vertrag von Andelot (soeben Fn. 243) Bezug genommen, s. d. Nachww. bei Eckhardt (0. Fn. 237).

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sprochen werden kann, wie bescheiden oder vielmehr neuen Bedürfnissen entgegenkommend man sie im Vergleich zu früheren Zeiten auch ansetzen muss. Gregor d. Gr., dessen Respektsbezeigung auf senatorische Herkunft Asc1ipiodets schließen lässt/53 schätzte seine uneigennützige, Armen und Wehrlosen doch wohl im rechtlichen Rahmen helfende Haltung sehr und übersandte ihm deswegen ein Amulett.

22. Claudius Vier Bezeugungen eines Claudius zwischen 591 und etwa 645/650 könnten ein und denselben Mann betreffen. Gregor von Tours berichtet, als er Mitte 591 in Reims bei König Childebert 11. von Austrien weilte, wozu auch das östliche Aquitanien gehörte, er sei konsultiert worden, als Claudius quidam ex cancellariis regalibus an heftigem Fieber litt, und habe ihn geheilt. 254 Dieser Claudius war also, wie der Name verrät, Romane255 und muss sich durch zivile Fähigkeiten so ausgezeichnet haben, dass er fii.r eine wenn auch nur erst untergeordnete Stellung in der austrasischen Königskanzlei auserkoren wurde; er mag also noch jung gewesen sein. Im elften Regierungsjahr Theuderichs 11., des jüngeren Sohnes Childeberts 11., der 592 auch Frankoburgund geerbt hatte, das nach dessen Tod 596 an Theuderich 11. kam, also 605/6 ernannte der König, wie Fredegar berichtet, nachdem der romanische, wohl aus Burgund stammende Hausmeier Protadius vom meuternden Heer erschlagen worden war, den Romanen Claudius zum Nachfolger: 256 ... subrogatur maior domus Claudius genere Romanus, homo prudens, iocundus in fabo!is, strenuus in cunctis, pacienciae deditus, plenitudinem consiliae habundans, litterarum eruditus, tide plenus, amiciciam curn omnibus sectans. Priorum exempla metuens, lenem se et pacientem huius gradi ascensus ostendit. Sed hoc tantum inpedimentum habebat, quod saginam esset corpore adgravatus.

Der beleibte Hausmeier wird nicht mehr ganz jung gewesen sein, dabei gebildet, was fii.r einen cancellarius unabdingbar war, umgänglich und tatkräftig. Seine mannigfachen zivilen Qualitäten ergeben noch nicht, dass dieser Claudius Fachmann des Rechts gewesen wäre, aber drei der aufgezählten Eigenschaften reichen nahe heran: plenitudinem consiliae habundans, litterarum eruditus

149 Nr. 38; u. PLRE III 135 Art. A. 4. von Tours, De virtutibus Sancti Martini 4, 28 tierung 4, 26 a.E. 2SSVgl. Selle-Hosbach (0. Fn. 179) 7 f. 256 Fredegar, Chronicae 4, 28 = MGH SRM 11 132. 253 Stroheker

254 Gregor

= MGH SRM I 656; zur Da-

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Erstes Kapitel: Die einzelnen Juristen

und pacientem. Fachjuristentum selbst scheint bei Fredegar auch sonst nicht auf. Der Prolog der Lex Baiuvariorum enthält eine Geschichte der Gesetzgebung bis in die fränkische Gegenwart des 7. Jh. Bei Eintritt in die Gegenwart heißt es dort: 257 Haec ornnia (sc. lex Francorum etc. cum additamentis et mutationibus Theuderichi regis et emendationibus Hildiberti et Chlotarii regum) Dagobertus rex gloriosissimus per viros inlustros Claudio, Chadoindo, Magno et Agilulfo renovavit et ornnia vetera legum in melius transtulit et unicuique genti scriptam tradidit, quae usque hodie perseverant.

Wenn von diesem Bericht wenigstens einzelne Elemente ernst zu nehmen sind, und davon sollten wir zunächst einmal ausgehen, dann könnte unter Chlothar der zweite Merowinger dieses Namens verstanden werden, der bis 612 auf Neustrien bzw. Teile davon beschränkt war, dann aber das gesamte Frankenreich beherrschte, am 18. Oktober 614 durch ein Edikt hervorgetreten isr58 und vielleicht auch 616 durch eine Praeceptio;259 und unter Hildebertus Childebert 11., dessen Decretio vom 1. März 596 wir soeben (0. Nr. 21) kennengelernt haben. Der gloriosissimus genannte, also regierende König Dagobert wäre dann Dagobert 1., Chlothars 11. ältester Sohn, der 623 15jährig Mitregent fii.r den größten Teil Austriens wurde, seit 625/26 vergrößert, und nach des Vaters Tod 629 das Gesamtreich übernahm; im Januar 638 oder 639 starb er. 260 Er erließ um die Mitte der 630er Jahre namens seines zweijährigen Sohnes Sigibert III., den er zum Unterkönig über ein verkleinertes Austrasien gemacht hatte, für die um Köln siedelnden ripuarischen Franken die Lex Ribuaria, deren Grundstock (Tit. 1-67) noch unter Chlothar 11. fällt, vermutlich in die Zeit des austrasischen Königtums Dagoberts?61 Da die Lex Baiuvariorum nach Ansicht der meisten Kenner (vorsichtiger Siems) aber wesentlich später entstanden zu sein scheint, nahmen etwa Franz Beyerle und Karl August Eckhardt an, der Prolog bzw. sein gegenwartsbezogener Teil sei ursprünglich nicht für diese Lex, sondern für die Lex Ribuaria oder doch für austrasische Stammesrechte ganz allgemein konzi257 LBai Pro!. g. E. = MGH LS V 2, 202 f. Dazu 1. Fastricht-Sutty, Die Rezeption des

wet~otischen Rechts in der Lex Baiuvariorum (Köln 2002) 19-24. 2 8 MGH Cap. I 1,20 - 23. Dazu Kroeschell (0. Fn. 235) 747 f.

u. 757-60

259 MGH ebenda 18 f., neu hg. und eingeordnet von Esders (Datierung: 93-108), der

F. Beyerle, ZRGG 48 (1928) 311 f., insoweit folgt; doch hat dieser das später widerrufen: ZRGG 49 (1929) 413 f. Esders zustimmend Kroeschell746 f. u. 760 f. Für Chlothar I. zwischen 556 und 561 dagegen Woll (0. Fn. 235) passim; Reinhold Kaiser, Deutsches Archiv 55 (1999) 327; u. H. Mordek, zuletzt brieflich 8. Aug. 2000. Dann könnte die Praeceptio mit Celsus (0. NT. 17) in Verbindung gebracht werden. 260 Etwa Reinh. Kaiser, Das römische Erbe und das Merowingerreich (München 1993) 37f. 261 Zusammenfassend Ruth Schmidt-Wiegand, HRG II (1978) 1923-1925, Art. Lex Ribuaria,

III. Das fränkische Zeitalter

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piert worden; für die Kodifikation des bayrischen Rechts sei er dann um ein Stück aus Isidor von Sevilla zur Vorgeschichte erweitert, hinsichtlich der neuesten Geschichte der Gesetzgebung aber unverändert übernommen worden. 262 Aber die aus Isidor übernommene Partie muss keineswegs erst, wie diese Autoren annahmen, in der zweiten Hälfte des 7. Jhs. nach Austrasien gedrungen sein, sondern könnte, da Isidor einzelne Teile schon zu Lebzeiten herausgegeben hatte, günstigstenfalls schon in den frühen 30er Jahren, etwa über Burgund oder die Provence, die Königskanzlei befruchtet haben. 263 Wie dem nun aber im einzelnen sei, die genannten Gehilfen König Dagoberts wären eventuell in den frühen dreißiger, vielleicht auch schon in den zwanziger Jahren des 7. Jhs. in der austrasischen Residenz Metz oder auch Reims, allenfalls Köln, anzusetzen. Ihre Reihung wird Rang und Alter folgen, weshalb Claudius der ranghöchste und, wenn die vier nicht alle gleichzeitig tätig waren, der als erster mit der Kodifikation befasste vir inlustris war, allenfalls schon von Chlothar 11. mit der Aufgabe betraut,264 der in Paris residierte. Jedenfalls wird dieser seinem Sohn Dagobert nicht nur den Hausmeier Pippin und Bischof Amulf von Metz, sondern alle wichtigen Berater ausgesucht und mitgegeben haben. Für Identität dieses Mitarbeiters Dagoberts mit dem burgundischen Hausmeier und Gelehrten spricht der auffallige Einfluss des burgundischen Rechts in der Lex Ribuaria. Der Hauptstock lehnt sich besonders eng an die Lex Salica in ihrer burgundischen Fassung (s. o. Nr. 21) an. Daneben hat die Lex Burgundionum als Vorbild gedient. Auch sollen beurkundungsrechtliche Regelungen nach römischem Vorbild auf burgundische Vermittlung zurückgefiihrt werden können. 26S Zudem passen die von Fredegar geschilderten Vorzüge zwanzig bis 25 Jahre später zu einem vir inlustris, per quem (primum cum tribus aliis) rex omnia vetera legum (sc. legem Franeorum et Alamannorum et Baioariorum

cum additamentis mutationibus emendationibus) in melius transtulit et unicuique genti scriptam tradidit, wie es in panegyrischem Ton heißt, wenn man diesen abzinst, wohl besonders gut.

262 F. Beyerle, ZRGG 49 (1929) 372-87; ders., MGH LS III 2 (1954) 17 unten, 21 f. u. 26; K. A. Eckhardt (Hg.), Lex Ribuaria I (Göttingen 1959) 127-40. Siems, HRG 11 (1978) 1890 f. Art. Lex Baiuvariorurn, u. RGA 18 (2001) 305-10 Art. Lex Bai., hält offenbar eine erste Fassung der LBai unter Dagobert für möglich. 263 Manitius (0. Fn. 226) 60 f. 264 Vgl. Beyerle, MGH LS III 2, 26 Fn. 47; Eckhardt (soeben Fn. 262) 136-139; u. Schmidt- Wiegand (0. Fn. 261) 1924 f. 265 Dies nach Schmidt-Wiegand aaO. 1924 f. Einzelheiten bei Beyerle, ZRGG 48 (1928) 277 f.; 55 (1935) 19-26; u. MGH LS III 2, 17 u. 26 (aber a. 15 f. gegen eine bestimmte Fassung der Lex Salica).

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Erstes Kapitel: Die einzelnen Juristen

Ein vierter Claudius ist als Bischof von Riez, rund 75 km nordöstlich von Aix en Provence, auf dem Konzil von Clichy 626/27 266 und zwischen 647 und 653 auf dem Konzil von Chalon-sur-Saone bezeugt.267 Wenn es sich bei diesen vier Männem um ein und denselben handelte, ergäbe sich ungefähr folgender Lebenslauf: Um 565 570er-80er 591 605/06 613/urn620 616/17 623/26 Um 626 626/27 Um 635 630er 647/53

Geboren als südgallischer Romane Sorgfältig erzogen, wird gebildet und kultiviert Cancellarius (einer unter mehreren) des austrasisehen Königs Childebert n. in Reims Frankoburgundischer Hausmeier unter Theuderich II. Von Chlothar n. übernommen Praeceptio Chlotharii ein Werk des Claudius? Dem austrasischen Unterkönig Dagobert beigegeben? Lex Ribuaria, älteste Fassung? Ein Werk des Claudius? Bischof von Riez in Frankoburgund. Teilnahme arn Konzil von Clichy Neufassung der Lex Ribuaria mit austrasischem Prolog Älteste Fassung der Lex Baiuvariorom? Mit austrasisehern Prolog Teilnahme arn Konzil von Chalon-sur-Saone

Wenn er auch der Bischof von Riez war, wäre er also sehr alt geworden, mindestens 80 Jahre alt. Ein bischöflicher Alterssitz für hohe Staatsbeamte war im Merowingerreich nicht selten. 268 Allerdings war der zweite im bayrischen Prolog genannte rechtskundige vir inlustris, Chadoind, ein unter Theuderich 11. in Kämpfen erfahrener Großer, Gesandter Brunhilds, die nach dem Tod ihrer Enkel Theudebert 11. von Austrien und Theuderich 11. von Burgund für ihren Urenkel Sigibert 11. die beiden Teilkönigreiche durch Verhandlungen mit Chlothar 11. von Neustrien zu retten versuchte; bei Gelegenheit der Gesandtschaft lief er mit andem burgundischen und austrasischen Großen zu Chlothar 11. über und war wahrscheinlich 636/37 der referendarius Dagoberts, welcher dessen großen Baskenfeldzug leitete,269 nicht jedoch, wie auch erwogen werden 266 MGH Concil. I, 202 ff. (203, 12); C. DeClercq (Hg.), Concilia Galliae A. 511 - A. 695 = CCLat 148A (1963) 298, hat gezeigt, dass diese Akten eine Dublette der Akten von Clichy sind; ebenso O. Pontal, Die Synoden im Merowingerreich (Paderbom 1986) 192 u. Fn. 40, weshalb die nur hier genannten vier Bischöfe, darunter der von Riez, aber nicht als apokryf einzustufen sind; ebenso anscheinend Pontal 194 Fn. 51 u. 311, wonach Claudius schon 625 bezeugt ist. 267 MGH (s. soeben) 208 ff. (213, 28) = CCLat 148A, 309 Z. 160 u. 412 u. dazu Pontal 193 ff. 268 Selle-Hosbach (0. Fn. 179) 34-37. Bei H. Ebling, Prosopographie der Amtsträger des Merowingerreiches (München 1974), fehlt eine Auswertung diesbezüglicher Nachrichten. Im späteren 7. Jh. scheint die Praxis seltener geworden zu sein; doch gibt es jedenfalls noch die Fälle Desiderius und Bonitus (unten Nm. 24 u. 25). 269 Zu ihm Ebling 96 Nr. 98, allerdings ohne Berücksichtigung des Prologs zur LBai; s. insoweit Beyerle, ZRGG 49,382; u. Eckhardt (0. Fn. 262) 134-36.

IlI. Das fränkische Zeitalter

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könnte, der Bischof von Le Mans des Konzils von Clichy 626/27. 270 Aber der dritte vir inlustris des Prologs, Magnus, könnte mit dem Bischof wohl von Avignon des Konzils von Chalon-sur-Saöne 647/53,271 und der vierte, Agilulf, mit dem von Fredegar für 642 genannten Bischofvon Valence identisch sein. 272 Trotzdem bleibt das burgundische Altersbistum des Claudius ganz unsicher, während cancellarius, romanischer maior domus und rechtskundiger vir inlustris mit größerer Wahrscheinlichkeit ein und dieselbe Person gewesen sein dÜTften. 273 Seine besondere Befähigung zur Redaktion austrasischer Stammesrechte weist ihn freilich noch immer nicht als gerade im römischen Recht besonders kundigen Fachmann aus, legt das aber sehr nahe. 274 Auf ihn könnten, außer der Urfassung der Lex Ribuaria, auch die Praeceptio Chlotharii von 616/17 zurückgehen, worin es zu Beginn ganz allgemein heißt: ... iubemus, ut in omnibus causis antiqui iuris21s fonna servetur et nulla sententia a quolebet iudicum vim frrmitatis obteneat, quae modum leges adque aequitatis excedit.

Passend hierzu hieß es im austrasischen Prolog von einem früheren König: ... elegit viros sapientes qui in regno suo legibus antiquis eruditi erant.

23. FeIix presbyter Am 18. August 630 starb 55jährig in Briord, der römischen Ortschaft der

Brioratenses rechts an der Rhone rund 60 km östlich Lyon, der Presbyter Felix, Gehilfe des Ersten Presbyters Amatus in Vezeronce, einem Dorf rund 10 km nördlich La Tour-du-Pin zwischen Lyon und Chambery. Wir haben von beiden die Grabinschrift,276 freilich nicht im Original, das sich zu Beginn des 18. Jhs.

210 27. Sept. 626 oder 627, MGH Concil. I 196 ff (201, 11) = CCLat 148A, 207 Z. 199. Dazu Pontal (0. Fn. 266) 190 Fn. 33 u. 314; Eckhardt (0. Fn. 262) 135. 211 MGH Concil. 1213,24 = CCLat 148A 309, Z. 156 mit Fn., u. 412. Vgl. Eckhardt 135; u. Pontal194 Fn. 51 u. 316. 272 Fred. Chron. 4,90 Mitte = MGH SRM II 167, 1. Vgl. Beyerle, ZRGG 49,382 f; E. Zöllner, Mitteilungen des Instituts f. österr. Geschichtsforschung 59 (1951) 256; u. Eckhardt 135 f. 213 Für Identität von cancellarius, Hausmeier und Rechtskundigem des Prologs Beyerle, ZRGG 49, 381 f; u. Eckhardt (0. Fn. 262) 134-39, der auch den Bischof vorsichtig einbezieht. Identität von Hausmeier und Rechtskundigem: Wormald (0. Fn. 138) 126; Identität von cancellarius und Hausmeier vorsichtig Selle-Hoshach (0. Fn. 179) 74 Nr. 67 f., während PLRE III 317 Art. C. 3 u. 4 beide aufführt, ohne Identität zu erwägen; den Rechtskundigen berücksichtigen beide nicht. 214 Ähnlich Beyerle, ZRGG 49,392-395; u. Wormald (0. Fn. 138) 126. mV gl. D. 50, 17 De diversis regulis iuris antiqui. 216 Neu hg. mit ausführlichem Kommentar v. Fram;oise Descombes, in: Recueil des inscriptions chretiennes de la Gaule anterieures a la renaissance carolingienne XV:

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Erstes Kapitel: Die einzelnen Juristen

auf Schloss Saint Andre rechts der Rhone unweit Briord, knapp 14 km nördlich Vezeronce, befand, aber in einer sorgfältigen Abschrift aus dem 18. Jh. Sie lautet bei Felix: Ingenie virtute eluins et nuvelis orturn Occopat hoc tumulo in Christi nomine Felix Presbyter vir magnus eleminx ac mente benegnus Abstutus argus dulcissimus optus Ordene que rictu vita cometante beata Gesisti sacrum presbyter officio Laudavelis et sapiensie legis Consile magnas dum fenerares opes Omnium potins passiins compascere litis Et vervis anenus pacefekare feros Non te nuvilior criscit ex mure parentum Spemere dispectus sublecetavet onor Hinc egetur longa meruit sene crimine vita Et turn propia sepe levavit opern Vixit in pace an(nos) LV Obi(it) XV k(a)l(endas) Septebris ind(ictione) III Hoc ergo Amatus studuit conscrivere karmin C(ui) antestetis est Veseroncia tuos

In klassischer Rechtschreibung: Ingenii virtute eluens et nobilis ortu Occupat hunc turnulum in Christi nomine Felix, Presbyter, vir magnus, elemens ac mente benignus, Astutus, largus, dulcissimus, aptus, Ordine qui recto, vita comitante beata, Gessisti sacrum presbyterii officium; Laudabilis et sapientiae legis, Consilii magnas dum feneraris opes, Omnium potens, patiens compescere lites Et verbis animos pacificare feros. Non te nobilior crescit ex more parentum, Spemere dispectus sollicitavit honor. Hinc igitur longa meruit sine crimine vita Et turn (Egenturn?) propria saepe levavit ope.

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Vixit in pace annos LV; Obiit XV kalendas Septembris, indictione III. Hoc ergo Amatus studuit conscribere carmen, Qui antistes est, Veseroncia, tuus. Viennoise du nord (Paris 1985) 679-688, Nr. 264; ältere Ausgaben von 0. HirschJeld, CIL 13,2477; u. E. Diehl, ILCV 1075.

III. Das fränkische Zeitalter

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Felix war also von edler Herkunft (Verse 1 u. 11), ein großer Mann, milde, gütig, schlau, freigebig, bezaubernd, geschickt, ordnungsliebend und glücklich, von bemerkenswerter Gesetzesweisheit (Vers 7), spendete reichlich Rat, hatte Autorität bei allen und die Geduld, um Streitigkeiten zu schlichten und wilde Gemüter mit Worten zu befrieden. Er lebte lang, ohne Fehl und half oft (dem Bedürftigen?) mit seinem Geld, woran es ihm offenbar auch nicht fehlte. In welcher Funktion Felix Streitigkeiten schlichtete, ergibt sich daraus nicht. Von seinem Vorgesetzten (antistes tuus, letzte Zeile) Amatus, der die Verse geschmiedet hat und 633 oder 634 48jährig gleichfalls in Briord starb, ist dessen Grabinschrift in gleicher Weise überliefert. 277 Sie ist z. T. wortgleich, aber kürzer. Insbesondere fehlen Entsprechungen zur edlen Herkunft in Vers I, zur Gesetzeskenntnis in Vers 7, zur besonderen Autorität nebst streitschlichtenden Tätigkeit in Vers 9f. und zum Einsatz des eigenen Vermögens in Vers 14, während die Lobsprüche der Verse 3-5,8 und 11 fast wörtlich wiederkehren: Vir magnus ac mente benignus, astutus, patiens, dulcissimus, aptus, non te nobilior crescit ex more parentum. Consilii magnas dum feneraris opes, rapuit invida mors ...

Auch Amatus war also ein großer Mann, gütig, schlau, geduldig, bezaubernd, geschickt, von edlen Eltern (freilich nicht obendrein edler Herkunft)278 und spendete reichlich Rat. Und die priesterlichen Aufgaben nahm er gleichermaßen ernst. Vorfahren, Gesetzeskenntnis, die er sich im nahen Lyon erworben haben kann und welche die burgundischen Gesetzbücher eingeschlossen haben wird, Autorität und streitschlichtende Tätigkeit dagegen zeichnen Felix aus. Da diese zusammen mit seiner priesterlichen Tätigkeit genannt, auch allein von friedlicher Schlichtung, nicht von Streitentscheidung die Rede ist, wird eine geistliche Autorität gemeint sein, keine weltliche; fiir einen staatlichen Richter wäre Vezeronce auch wohl zu unbedeutend, das sonst nur 524 n. ehr. durch eine Schlacht zwischen Franken und Burgundern hervorgetreten ist. 279 Felix war zwar Geistlicher, nach Herkunft, Bildung, Vermögen und Ansehen aber zur Beilegung von Rechtsstreitigkeiten besonders geschickt. Wir wissen nicht, wie groß der Wirkungskreis dieses Felix war. Vielleicht haben auch Streitende von jenseits der Grenzen des Fleckens Vezeronce die besonderen und damals, zumindest was die Gesetzeskenntnis betrifft, nicht in jedem Dorf zur Verfügung stehenden Qualitäten280 genutzt, eine Freiheit von 277 Recueil Nr. 265, S. 688-692. 278 Descombes, Recueil S. 190 f., 683 u. 685,Iegt darauf keinen besonderen Wert. 279 Gregor, Hist. 3, 6; u. Marius v. Avenches zu 524 = S. 235 Mommsen, MGH AA XI.

280Vgl. die Zusammenstellung ähnlicher Qualitäten bei Descombes, Recueil685.

6 Liebs

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Erstes Kapitel: Die einzelnen Juristen

Sprengelgrenzen, die bei einem Mann Gottes eher möglich zu sein scheint als bei einem gesetzlichen oder auch bischöflichen Richter; beides war Felix nicht, sondern nur der Richter des Dorfpfarrers. 281 Alle Voraussetzungen für eine Karriere im Staat oder in der Kirche waren nach den Worten des nicht wortarmen Dorfpfarrers Amatus gegeben. Wenn keine Silbe eine Karriere andeutet, wird sie auch nicht stattgefunden haben. Offenbar verhielt sich Felix insoweit genügsam. 24. Desiderius Desiderius war vom 8. April 630 bis 655 Bischof von Cahors,282 nachdem sein wohl ältester Bruder Rusticus bei einem Aufruhr umgekommen war. 283 Vorher hatte Desiderius eine einflussreiche Stellung am Hofe Dagoberts I. und Chlothars 11. in Paris,284 wenn uns auch nur ein einziges Amt bekannt ist: thesaurarius, also wohl Schatzmeister und Finanzminister. 28s Er war dem ca. 608 geborenen Dagobert schon, als dieser noch ein Knabe war, vertraut, d.h. um 620,286 stammte aus senatorischer Familie und wird um 590 geboren sein, im südlichen Aquitanien; in Albi war der Vater begütert. 287 Seine Erziehung war 281

Descombes, Recuei1687 f.

282 Zu ihm R. Poupardin, La vie de Saint Didier eveque de Cahors (Paris 1900) S. I -

XlV; Buchner (0. Fn. 179) 97; Stroheker 163 f. Nr. 103; F. Prinz, Frühes Mönchtum im Frankenreich (München 1965, 2. ergänzte Aufl. 1988) 133-36; 269 f.; 288; 504-06; Ebling (0. Fn. 268) 126 f. Nr. 142; M. Heinzelmann, Bischofsherrschaft in Gallien (München 1976) 112 f.; P. J. Geary, Die Merowinger (München 1996) 161-64; W. Berschin, Biographie und Epochenstil im lat. Mittelalter 11 (Stuttgart 1988) 56-58; PLRE III 398 Art. D. 5; u. 1. Wood, The Merowingian kingdoms 450-751 (London 1994) 14952 u. pass. Seine Vita, verfasst wohl um 670 n. Chr. von einem Mönch in Cahors, wurde außer von Poupardin maßgeblich hg. von B. Krusch, MGH SRM IV (1902) 547-602, mit geringfügigen Aktualisierungen übernommen CCLat 117 (1957) 343-401; zur Datierung Berschin 56, während Woll (0. Fn. 235) 228 nur die ältere Literatur kennt. Seine Briefe hat hg. W. Arndt, MGH Ep. III (1892) 191-214, mit geringfügigen Aktualisierungen übernommen CCLat 117, 309-42; u. D. Norberg, Epistulae S. Desiderii Cadurcensis (Stockholm 1961), mit zahlreichen Textverbesserungen, vor allem Aufteilung von ep. 1, 9 etwa Mitte in zwei Briefe, so dass das erste Buch 16 Nummern zählt. Hier ist nach der alten Zählung zitiert, die neue bei Abweichung aber in Klammem hinzugefügt. 283 Zu ihm Vita Desid. 1; 2; 4; u. vor allem 8; u. Stroheker 211 f. Nr. 335. Es heißt Vita 8: a perjidis et scelestis inco/is interemptus est. 284 Vita 4-7; ep. 1, 5 f. u. 9 f. (10 f.); 2, 6 u. 13; bezüglich Flaochad s. a. 1, 1 g. E. Dazu Prinz (0. Fn. 282) 133, 134, 135,288,504,505. 285 Vita 5; 7; 13 f.; ep. 2, 2. Die oft obendrein angeführten Urkunden Dagoberts sind Vita 13 f. entnommen. 286 Ep. 1,5. Dagoberts Geburtsjahr: U. Nonn, LdM III (1986) 429. 287 Vita 35 u. ep. 2, 15. Dort wird er auch herstammen, wie PLRE III 398 kurz angibt, wenn auch zu Beginn der Vita ein unauffindbares Obrege als Geburtsort angegeben ist,

III. Das fränkische Zeitalter

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gründlich, wie uns die Vita berichtet, deren Fonnulierungen sich hier an einen Brief des Hieronymus an den hochgebildeten gallischen Mönch Rusticus anlehnen,2ss vennutlich ein Verwandter entfernter Vorfahren. 289 Um so wertvoller ist, worin der Bildungsweg des späteren Bischofs und schließlichen Heiligen vom Vorbild und von sonstigen Schemata abweicht. Denn nach sorgfältiger Früherziehung, umfassenden Sprach- und Literaturstudien, womit literarische Klassiker wie Vergil gemeint sind, und Unterricht an angesehenen Ausbildungsstätten der Beredsamkeit begab sich der Jüngling an den Hof des Königs, hac deinde legum Romanarum indagatione studium dedit. Schließlich hat er also das römische Recht studiert, was ihm wohl Hofkreise nahegelegt hatten. Männer wie Claudius (0. Nr. 22) könnten das getan, ihn auch ausgebildet haben; dass er an eine Ausbildungsstätte im Süden geschickt worden wäTe,290 ist mit dem Bericht der Vita weniger zwanglos zu vereinbaren, bei einem Mann seines Standes aber auch nicht auszuschließen. Wir haben 19 Briefe an ihn, darunter 17 an den Bischof;291 und 17 von ihm, 16 vom Bischof. 292 Darin gedenkt er öfter der gemeinsamen Zeit von Empfanvielleicht ein Flecken im Gebiet von Albi. Denn auch das erstgenannte Amt des nächstälteren Bruders, Syagrius, als Graf von Albi 618, Vita I, deutet ebenso wie dessen Heirat mit einer vornehmen Albienserin, Vita 4, auf Herkunft von dort. Anders Krosch, MGH SRM IV 563 Fn. 2. 288 Allgemein dazu P. Antin, Emprunts a S. Jeröme dans ... la Vie de S. Didier de Cahors, RMAL 3 (1947) 54 f. Wörtlich schrieb Hieronymus an Rusticus (ep. 125, 6): ...

(sc. mater tua) erudivit in/antem et post studia Galliarum, quae vel jlorentissima sunt, misit Romam non parcens sumptibus et absentiam filii spe sustinens futurorum, ut ubertatem (sc. eloquii?) Gallici nitoremque sermonis gravitas Romana condiret ... In der Vita Desid. 1 heißt es: ... summa parentum cura enutritus, litterarum studiis ad plenum e r u d i tus est, quarum diligentia actus est. Ubi pos t insignia litterarum s t u dia Gal/i canaqueeloquentia, quae vel jlorentissima sunt v e i e x i m i a, contubernii regalis aduliscens se indedit dignitatibus hac deinde legum Romanarum indagatione studium dedit, u tub e r tat e m eloquii G a I I i ein i tor e m q u e s e r mon i s g r a v i t a s Rom a n a temperaret. Gesperrt sind die Formulierungen nach dem Vorbild. 289Vgl. Heinzelmann (0. Fn. 282) 109. 290 Ohne genau auf den Text zu achten und ohne auch nur Alternativen zu erwägen, geht Wood, in: The uses (0. Fn. 179) 67, u. ders. (0. Fn. 282) 240, von einem Studium im Süden und erst nachfolgender Aufnahme beim Königshof aus. 291 Ep. 2, 19 u. 2, waren noch an den Laien gerichtet. An den Bischof wurden von Laien geschrieben ep. 2, 9 u. 17 von König Sigibert III. u. 2, 14 von einem sonst unbekannten Chänulf, der ihn dringend sehen möchte, kaum der Graf von Meaux 635-41 (Ebling Nr. 100). Vom zuständigen Metropoliten, dem Bischof von Bourges Sulpicius, kamen ep. 2, 1 u. 10; vom B. von Albi Constantius ep. 2, 15 u. 4; vom B. von Verdun Paulus ep. 2, 12 u. 11; vom B. von Rodez Verus ep. 2, 16; vom B. von Metz Abbo ep. 2, 13; vom B. von Limoges Felix ep. 2, 21; vom B. von Nevers Rauracius ep. 2, 7; vom B. von Auxerre Palladius ep. 2, 18; vom B. von Clermont Gallus ep. 2, 20; vom B. von Noyon Elegius ep. 2, 6; und vom B. von Valence Aviulfep. 2, 3. Ich habe eine chrono-

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Erstes Kapitel: Die einzelnen Juristen

ger und Schreiber am Hofe Chlothars 11. 293 Sie verleugnen nicht den gelernten Juristen. In acht der zusammen 37 Briefe294 geht es um Rechtssachen: Ende 629/Anfang 630 bittet ein Abt den amtierenden Schatzmeister, der möglicherweise gerade die Aufgaben des soeben verstorbenen Patrizius der Provence, Syagrius, des anderen Bruders von Desiderius, wahrnimmt,29S ihn in einer Auseinandersetzung mit dem burgundischen Provinzialpatrizius Philippus zu unterstützen, der Leute des Klosters festhält (ep.2, 2). Zwischen 630 und 638 appelliert der Bischof von Cahors an König Dagobert in einem Streit um irgendwelche Bewandtnisse seiner Kirche (1,5). Zwischen 630 und 644 bzw. 647 fordert die Witwe senatorischer Herkunft im Gebiet von Cahors, Bobila, die der Kirche große Schenkungen gemacht hat, vom Bischof von Metz und vom Bischof von Verdun etwas zurück. 296 Der Bischof von Nevers bittet Desiderius um Hilfe bei der Durchsetzung seiner Rechte, es geht um Liegenschaften und Leute im Gebiet von Cahors (ep.2, 7); ebenso der Bischof von Auxerre (ep.2, 18). 644 verbot König Sigibert III., in Wahrheit sein Hausmeier Grimoald, an einer ohne sein Wissen einberufenen Synode teilzunehmen (ep. 2, 17). Und zwischen 644 und 655 bittet Desiderius den Hausmeier, eine Klostergründung und die conditiones des Klosters vom König genehmigen lassen (ep.l, 2). In der Appellation des Bischofs an König Dagobert (ep. 1, 5, s. soeben) heißt es quaeso, ut de logische Ordnung versucht; das Ordnungsprinzip der Briefsammlung ist mir unerfmdlieh. 292 Ep. 1, 1 an den Bischof von Agen Salustius ist noch vom Laien. 1, 5 ist an König Dagobert gerichtet; 3 u. 4 an Sigibert III. kun nach Dagoberts Tod. Ep. 1,2 und 6 an den Hausmeier Grimoald und 1, 8 an Chlodulf, wohl den 648 bezeugten domestieus Sigiberts III. und späteren Bischof von Metz, ein Sohn des Hl. Bischofs Arnulf von Metz. 1,7 geht an den Metropoliten von Trier, BischofModoald; 1, 14 (15) an die Nonne Aspasia; 2, 8 an die spanischen Behörden; und die restlichen sieben Briefe sind an Bischöfe gerichtet, die auch an Desiderius geschrieben haben: 1, 12 (13) an den Metropoliten von Bourges Sulpicius (s. 2, 1 u. 10); 1, 10 (11) an den Metropoliten von Rouen Dado (s. 2,4); 1, 15 (16) an Felix von Limoges (s. 2, 21); 1,9 I (9) an Abbo von Metz (s. 2, 13); 1, 11 (12) und wohl auch 1,9 11 (10) an Paulus von Verdun (s. 2, 11); und 1, 13 (14) an Cäsarius von Clermont, den Vorgänger von Gallus (s. 2, 20). - Das Zitat aus seinem Testament vom Jahr 649/50, Vita Desid. 34, enthält keine markanten juristischen Wendungen; bemerkenswert ist aber das Testament als solches, s. U. Nonn, AfD 18 (1972) 40 f. 293Ep. 1,5 f. u. 9 f. (10 f.); 2, 6; 2,13. 294 Ep. 2, 5 ist wede: an ihn gerichtet noch von ihm, betrifft ihn aber. 295 So Vita Desid. 7, wozu ep. 1, 1 und 2,2 zu passen scheinen, wenn man sich nicht daran stößt, dass Desiderius formell Thesaurar blieb. Auch Narses blieb als Oberbefehlshaber in Italien formell praepositus sacri cubiculi, in diesem Fall sogar jahrelang. B. Kruseh, MGH SRM IV 547 f., bezweifelte deshalb die Angabe der Vita, wobei ihm aber niemand folgt, s. außer den soeben Fn. 282 Genannten Ewig, Ges. Sehr. I 204 Fn. 130 (zuerst 1953). 296 Ep. 2, 13 u. 11; zu ihr Vita Desid. 28; Stroheker 156 Nr. 69; u. PLRE III 234 Art. Bobila.

III. Das fränkische Zeitalter

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condieiones Cadurchae ecclesiae ... pro divino respectu vel iustitiae contemplatione integra mercede studeatis habere. Sollertissimo liberamine causam trutinate et, qua iustitiam perspieitis ponderare, illuc sententiam declinate. Er fährt fort: Nec solum de hac re, sed omni tempore, de omni conditione sententiam regis iustitia praecedat et veritas. Schließlich betont er: Iuditium quoque misericordia comitetur, kein unjuristischer Gesichtspunkt,297 wenn er ihn auch mit einem Bibelwort belegt. Strenger Rechtlichkeit zuwiderlaufen würde nach heutigem Empfinden aber die Beschwörung der Zeiten, da Dagobert ein Knabe und Desiderius hoher Beamter am Hof seines Vaters Chlothar 11. war, zu Beginn des Appellationsschreibens. Wirklich muss es sich hier um eine Appellation gehandelt haben, obwohl möglicherweise noch kein Urteil ergangen war; denn ohne beigefügte Akten konnte der Empfänger mit dem Schreiben nichts anfangen, auch wenn sich keine Spur von ihnen erhalten hat. In dem um 642 anzusetzenden Brief des Bischofs Desiderius an Felix, Bischof von Limoges (ep.l, 15 (16», geht es, wie in zwei Briefen an ihn und einem über ihn,298 um die Bereinigung einer ernsten Verstimmung. In diesem Fall, anders als in den beiden andern, lenkt Desiderius ein. Als Bischof war Felix dienstjünger,299 vielleicht aber früher sein Vorgesetzter gewesen. Er sagt nämlich dudum me quamlibet minorem, iudicio tamen parem duxistis, nennt ihn in der Anrede praesul 'Vorgesetzter' wie sonst nur den Bischof von Agen, als Desiderius noch nicht Bischof war (ep.1, 1), und der Bischof von Nevers ihn in einem Hilfeersuchen (ep. 2, 7); und sich selbst nennt er eingangs servus servorum Dei wie sonst nur gegenüber dem König (ep. 1,3-5), dem Hausmeier (1, 6), den spanischen Behörden (2, 8), den Erzbischöfen von Bourges (1, 12 (13» und Rouen (1, 10 (11». Ebenso drückt sich der elf Jahre dienstjüngere Bischof von Noyon, Elegius, wie Desiderius einst am Hofe Chlothars 11. tätig, aber bescheidener Herkunft, gegenüber Desiderius aus (ep.2, 6). Felix muss einen Brief mit geharnischten Vorwürfen an Desiderius geschickt haben. Nach wenigen Tagen antwortet dieser, zwar ohne sich dem andern zu unterwerfen, aber ganz auf Befriedung bedacht und mit vielen juristischen Ausdrücken. Es beginnt mit der Feststellung, dass vor wenigen Tagen irgendein Kleriker (quidam frater) litteras vestras nobis exhibuit. Das war ein Brief nicht nur voller Schmerz und Traurigkeit, sondern dessen hässlicher Überbau (t(a)etra superjieies) alle Gelassenheit, Heiterkeit und Herzenswärme vermissen ließ, insofern verderbenbringende quaerimoniae ibi inerant. Zustandegekommen sei das vielleicht mea negligentia, non tamen mea culpa. Non enim reor me - er klage sich nämlich nicht an, usf. Es habe ihn geschmerzt, dass er sein Wohlwollen verloren habe, was er mit den Worten sagt ut de vestra essem caritate depulsus. Liebs, Africa 107 f. Ep. 2, 3 u. 21 sowie 5. 299 Norberg (0. Fn. 282) 40.

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Wenn ihn Schuld treffe - si in me remansit aetio eulpae, möchte des andern fromme Güte doch einschreiten, um ihn vor einer Verurteilung zu bewahren intereedat, ut sententiae advers(a)e ... advertar. Wenn aber das Übliche (wohl Verleumdungen oder sonstige Teufeleien) me ambiunt aeeusatione vexare, dann, meine er, sei er zu schützen. Er unterwerfe sich dem, wie er meine, nicht ungerechten Urteil des andern: Ego me vestrum non, ut opinor, iniusto iudicio subdo. Der andere möge es nach reiflicher Überlegung dahin bringen, dass er keinesfalls einen Unschuldigen schuldig zu sprechen befehle: Vos perpensa ratione traetate, ut indemnem nequaquam damnare (Norberg: damnatum) dieere iubeatis. Er selbst werde, als ob es möglich sei zu sagen, was über seine Kräfte geht, seinem Befehl keinen Widerstand entgegensetzen - Ego itaque, aesi supra vires fari queat, iussioni non obsisto. Weiteres auszusprechen ist dem Überbringer des Briefes anvertraut - affatu latoris praesentium est ore eonmissum. Der Empfanger möge ihn sorgfältig anhören, um dann die Wahrheit zu erkennen - Ipsum diligenter auseultate, et tune vere eognoscites ... Er möge ihm Gnade gewähren - Date igitur veniam ... Erst zwei Jahre später hatte das Schreiben Erfolg und hat Felix seinerseits, vermutlich auf dem Totenbett,3°O Desiderius für seinen damaligen Brief um Nachsicht gebeten; er habe es nicht so gemeint, bereue es aber trotzdem. In dem halb so langen Brief wie der des Desiderius kommt kein juristischer Ausdruck vor. Zwar heißt es etwa in der Mitte Postulo autem indulgentiam, aber Juristen würden hier peto sagen;301 Gnade "fordert" man nicht, sondern man bittet darum. In einem Brief an Erzbischof Modoald von Trier (ep.l, 7) wohl um 647302 dankte Desiderius ihm für die in diesem Jahr erwiesene largitas vestra und für inpensas videlieet superjluentes und sagt später noch einmal id inpendisti. Eine Sünderin, die sich zum Nonnendasein entschlossen hat,3031 0 bt er (ep.l, 14 (15» mit den Worten ipsa sponte damnas, quod male sponte eontraxeras,304 und beschwört sie, nicht länger dem Teufel Gelegenheiten zu geben, sondern sich Fasten, öffentlichen Gebeten und Nachtwachen hinzugeben: in ieiuniis et obseerationibus et vigiliis te instanter inpendas.

muss noch 644 gestorben sein, s. Norberg, aaO. 301 S. etwa Pau!. 7 resp. D. 24, 1, 57 (eine Ehefrau an ihren Mann); ferner Cal!. 1 quaest. D. 48, 10, 15 § 1 a.E.; Ulp. 5 ed. D. 2, 4, 10 § 4; 3 cens. D. 50, 15, 4 § 10; Marcian 3 inst. D. 1, 8,6 § 1; HA AP 6, 3. VIR IV 988 f. verzeichnet weder indulgentia noch venia. 302 Norberg S. 23. 303 Im Brief abbatissa tituliert, darum aber nicht schon Äbtissin eines Klosters, wie meist angenommen wird, sondern nur wie Claudius von ep. 1, 7 u. Vita 20 in den Klerus von Cahors aufgenommen und dort einen höheren Rang einnehmend, sei es nur wegen ihrer Herkunft. Noch scheinen Versuchungen sie zu plagen. 304Vg!. S. E. Wunner, Contractus (Köln 1964) 19. 300 Er

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24a. Leodegar

Leodegar war um 662 bis 676 Bischof von Autun, wurde dann inhaftiert, grausam verstümmelt, im September 677 auf dem Konzil von Malay abgesetzt und am 2. (oder 3.) Oktober hingerichtet. Über ihn30S berichten hauptsächlich zwei Leidensgeschichten,306 woraus sein Schicksal und seine näheren Bewandtnisse gewonnen werden können. Dazu hat in jüngster Zeit Hubert Mordek ~eigetragen/07 dem insoweit hier gefolgt wird. Aus fränkischem Adel 308 wohl 616 geboren, wurde er von seinem Onkel mütterlicherseits, Dido, dem Bischof von Poitiers,309 erzogen, ein einflussreicher Mann, der 656 am Staatsstreich Grimoalds maßgeblich beteiligt war. Wörtlich heißt es dazu in der älteren Leidensgeschichte aus der Feder eines Mönchs des Symphorianklosters in Autun, nicht lange nach 677 auf Veranlassung des Nachfolgers auf dem Bischofsstuhl niedergeschrieben (Kap. 1): Cumque a Didone avunculo suo Pectavi urbe episcopo, qui ultra adfmes suos prudentia divitiarurnque opibus insigne copia erat repletus, fuisset strinue aenutritus et ad diversis studiis, quae saeculi potentes studire solent, adplene in omnibus disciplinae esse lirna politus, in eadem urbe ad onus archidiaconatus fuit electus. Tanta in eo subito fortitudinis atque sapientiae robor emicuit, ut inpar prae suis antecessoribus appareret; praesertim cum m und a n a eie gis c e n s u r a m non i g n 0 rar e t , saecularium terribilis iudex fuit Et cum canonicis dogmatibus esset repletus, extitit clericorum d 0 c tor egregius. Erat quoque in disciplina delinquentium vividus, qui carnis luxo numquam extitit resolutus; ...

305 Zu ihm etwa Prinz (0. Fn. 282) 295 f.; E. Ewig, Die Merowinger und das Frankenreich (4. Aufl. Stuttgart 2001) 160-69; u. J.-c. Poulin, Saint Leger d'Autun et ses premiers biographes, Bulletin de la Societe des Antiquaires de I'Ouest, 4. sero 14 (1977) 167-200 (non vidi); ders., LdM 5 (1991) 1883 Art. Leodegar; Berschin (0. Fn. 282) 6772; Nahmer (0. Ein\. Fn. 18) 90-95 u. 110; u. Scheibelreiter 1999 (0. Fn. 138) 44, 103, 104, 129 f., 140,210 f. u. 407 f. 306 Hg. B. Krusch, MGH SRM V (1910) 249-358 = CCLat 117 (1957) 5l7-634. Dazu Wood (0. Fn. 282) 225-28 u. 230; u. (zur älteren) D. v. d. Nahmer, Die lat. Heiligenvita (Darmstadt 1994) 90-95 u. 110. Ein Brief des Erblindeten und der Zunge Beraubten an seine Mutter, hg. W. Gundiaeh, MGH Ep. III (1892) 464-67, ist doch echt, s. etwa Wood 242; Ewig (soeben Fn. 305) 168 f.; H. Mordek u. R. E. Reynolds, Aus Archiven und Bibliotheken - Festsehr. R. Kottje (FrankfurtlMain 1992) 71; u. Nahmer aaO. 90. Ebenso sein Testament, hg. H. M. Rochais, CCLat 117 (1957) 509-16; s. Mordek u. Reynolds aaO. 307 H. Mordek, Bischofsabsetzungen in spätmerowingischer Zeit, in: Papsttum, Kirche und Recht im Mittelalter - Festschr. f. H. Fuhrmann 65. Gebtg. (Tübingen 1991) 3153, bes. 36-43; s. a. ders., sofort Fn. 313. 308 Ewig, Ges. Schr. 1213, u. ders. (soeben Fn. 305) 160, plädiert fiir frankoburgundischen Adel, während Wood (0. Fn. 282) 236 mit Recht die neustrisehen Wurzeln betont. 309 Er amtierte 626 noch nicht, aber 653 und 661, B. Krusch (soeben Fn. 306) 283 Fn. I, nach Ewig (soeben Fn. 305) 151 (s. a. 146) 628/29-670/77.

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In Kap. 7 und 8 wird zwar ohne erneute Hervorhebung von Leodegars Rechtskenntnissen, aber doch seiner Weisheit geschildert, wie er König Childerich 11. beriet und ihm das Zugeständnis abrang, dass Recht und Gewohnheit eines jeden der drei fränkischen Königreiche gewahrt und die Eigenständigkeit des Beamtenkorps eines jeden Reiches gegenseitig respektiert wird, welches Zugeständnis der König aber bald wieder zurücknahm. Die zweite Leidensgeschichte wurde nach bisher verbreiteter Meinung etwa hundert Jahre später, wahrscheinlich aber doch bald nach der ersten,310 im Kloster St. Maixent bei Poitiers verfasst, wo seit 682 Leodegars Gebeine ruhten. Hier sind die besonderen Rechtskenntnisse des Heiligen an gleicher Stelle mit den Worten eingeschaltet (Kap. 2): Scripturis sacris ac legum doctrinis sirnulque canonicis poene cunctis praecellebat parrochie quern regendam susciperat habitantibus. '" rnerentibus redderet laetitiam, scelere gerentibus disciplinam.

Auch hier wird wie in der älteren Passio von den Rechtskenntnissen übergeleitet zu disziplinierender Betätigung im ersten kirchlichen Amt. Sein Wirken unter König Childerich 11. wird hier so geschildert (Kap. 5): Leudegarium pontificern (sc. Childericus) super ornnern dornum suam sublimavit ... Qui, acceptis huius regni gubernaculis, quodquod adversus legis antiquorum regum ac rnagnorum procerum, quorum vita laudabilis adstabat, repperit ineptum, ad pristinum reduxit statum. In tantum vero usquequaque omnia regna Francorum restituit, ut ornnes se gratularentur ...

In der ersten Passio war das ausführlicher, der Sache offenbar näher dargestellt gewesen (Kap. 7): Interea Childerico rege expetiunt universi, ut talia daret decreta per tria quam obtinuerat regna, ut uniuscuiusque patriae legern vel consuetudinern deberent, sicut antiquitus, iudices conservare, et ne de una provintia rectores in aliis introirent, neque unus ad instar Ebroini tyrrannidern adsumeret, ut postmodum sicut ille contubemales suos despiceret; sed dum rnutua sibi successione culminis habere cognoscerent, nullus se alio anteferre auderet.

Es geht um Rechts- und Justizautonomie und fränkisches Staats- und Amtsrecht. Der König hatte sie auf Wunsch nicht nur Leodegars, aber anscheinend doch unter seinem maßgebenden Einfluss (Kap. 8 Anfang) widerstrebend zugestanden (Kap. 7 Ende), aber zurückgenommen. Das hielt der Heilige ihm jetzt vor (Kap. 8):

310 H. M. Rochais, Revue Benedictine 58 (1948) 79, und Poulin, Saint Leger (soeben Fn. 305) 178 ff., haben die späte Datierung zurückgewiesen; zustimmend Berschin (0. Fn. 282) 69; Mordek (soeben Fn. 307) 40 Fn. 43; u. ders. mit Reyno/ds (soeben Fn. 306) 71 u. Fn. 4.

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Childericum coepit (sc. Leudegar) arguere, cur consuetudinis patrias, quas conservare praeceperat, tarn subito inrnutasset, ...

Das juristische Engagement Leodegars betrifft also offenbar im Wesentlichen fränkisches Staats-, Gerichtsverfassungs- und Amtsrecht sowie kanonisches Recht. Nimmt man die fränkische Herkunft hinzu, die Erziehung durch einen offenbar fränkischstämmigen Geistlichen und die fränkisch anmutende Streitlust, wenn auch gemildert, weil auf kirchliche Standards verpflichtet, so wird man in Leodegar zwar wohl einen im Recht besonders ausgewiesenen und (jedenfalls subjektiv) streng rechtlich handelnden Mann erkennen, einen Juristen, aber nicht mehr vornehmlich des römischen Rechts, wenn dies dem kanonischen Recht auch zugrundelag. Eine Schulung gerade im römischen Recht ist für Leodegar weder bezeugt noch auch wahrscheinlich. Die von Ian Wood gezogene Parallele zu Desiderius311 versagt in drei wichtigen Punkten: Bei diesem heißt es ausdrücklich legum Romanarum ... studium, wobei das kanonische Recht nicht eigens erwähnt ist, hier dagegen mundanae legis censuram bzw. legum doctrinis simulque canonicis; Desiderius war aus senatorischem, also römischem Hochadel, Leodegar dagegen aus fränkischem; und von diesem ist Interesse nur für Straf-, Verwaltungs- und Staatsrecht bezeugt, von Desiderius dagegen hauptsächlich für Privat- und Zivilprozessrecht, die Domänen des römischen Rechts. Trotzdem mag Leodegar, worauf es W ood vor allem ankommt,312 die damalige Neufassung der Lex Salica, den sog. Pactus pro tenore pacis, entworfen haben. Bezeugt und glaubwürdig ist seine Urheberschaft bei den sog. Canones Augustodunenses. 313 Er handelte so streng rechtlich, dass sein erster Biograf ihn gegen Ende der zuerst abgedruckten Stelle einen saecularium terribilis iudex nannte, als er in jungen Jahren, von seinem Oheim eingesetzt, das Kloster St. Maixent leitete. Und als Bischof von Autun übte er nach diesem Autuner Mönch, der es wissen musste, gar iustitiae terror und konnte pro zelo rectitudinis andere vor den Kopf stoßen (ältere Passio 2 u. 23). In den Autuner Kanones wettert er gegen die Verrohung der Sitten im Klerus (Kap. 15): ... frater contra fratrern aut abbas vel quislibet senior adversus iuniorem retineat neque in unius culp(a)e vindictam vim incentive furoris sue suam ulciscat iniuriam pro aliam furoris neglegentiam, ne forte animo pusillo pavorem territi discedant et qui debuerant esse pastores gregis ac medici animarum sibi commissarum fiant dispersores et homicid(a)e proximorurn .. .Iustum enim est, ut subripientia vitiorum semina faIce iustitiae resecentur, ne, dum simulatione continenti(a)e nutriuntur, ita silviscant, ut nec securibus excidantur.

Die Saat der Laster soll mit der Sichel der Gerechtigkeit beschnitten werden, damit sie nicht unter dem Vorwand der Mäßigung derart ins Holz schießen, 311 Wood (0. Fn. 290) 67; u. ders. (0. Fn. 282) 240 f. Wood (0. Fn. 282) 113 f. 313 Dazu jetzt mit neuen Fragmenten H. Mordek u. R. E. Reynolds, Bischof Leodegar

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und das Konzil von Autun, in: Aus Archiven (soeben Fn. 306) 71-92.

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dass selbst Beile machtlos wären. Diese Lust, gerade auch Kleriker hart zu strafen, wäre für einen Juristen des römischen Rechts doch wohl allzu unzivilisiert, von anderer Mentalität. 314 24b. Praeiectus Über die Schulung des 676 gestorbenen Bischofs von Clermont, Praeiectus, urteilt Georg Scheibelreiter, sie habe wie bei seinem späteren Nachfolger, Bonitus, auch juristische Grundbegriffe umfasst. 315 Über diesen haben wir, wie sofort zu zeigen sein wird (unten Nr. 25), tatsächlich Nachricht von einer juristischen Ausbildung, die denn auch zunächst in eine bemerkenswerte weltliche Karriere mündete. Was uns über die Ausbildung und den Werdegang des Praeiectus berichtet wird, ist damit jedoch nicht vergleichbar. Seine Eltern waren zwar wohlhabende Gallorömer, gehörten aber offenbar nicht zu den allerersten Familien der Auvergne?16 Unter dem Einfluss des Bruders seiner Mutter, des archipresbyter Peladius, wurde er von vornherein von Geistlichen und für die geistliche Laufbahn erzogen und ausgebildet, später unter maßgeblichem Einfluss des Archidiakons und späteren Bischofs von Clermont, Genesius. 317 In seiner Vita ist einmal, worauf sich Scheibelreiter stützt, vom Recht die Rede: in Kap. 24, als Praeiectus es ablehnte, einem Ruf des Königs während der Ostertage Folge zu leisten und seine Gemeinde im Stich zu lassen: lpse coepit renuere et ratione vera reddere iuxta statuta canonum vel lege, quam dicitur Romana, quia magnus dies sabbati erat, quo vigilie sancte pasche celebrari solent.

Damit beruft er sich auf das Theodosische Gesetz zur Feiertagsregelung, das auch ins Breviar aufgenommen worden war und für die Ostertage bestimmt hatte: 318 Sacros quoque paschae dies, qui septeno vel praecedunt numero vel sequuntur, in eadem observatione numeramus (sc. his diebus debent iura differri), ...

314 Etwas günstiger urteilen Mordek und Reynolds aaO. 78 ff. Keineswegs lässt sich der Ausdruck lance (a)equissima (Kap. 15 Z. 40 der Edition MordeklReynolds) für römischrechtliche Bildung ins Feld führen, wie S. 81 oben womöglich nahelegen soll. Ein fränkischer Eiferer für seine Auffassung von Recht war auch Bischof Badegisil von Le Mans 581-86, Gregor von Tours, Hist. Franc. 8,39. 315 AaO. (0. Fn. 138) 41. Zur Person s. bes. B. Krusch, MGH SRM V (1910) 212-18 nach der S. 225-48 hg. Vita. 316 P. Fouracre, Past er present 127 (1990) 21-26. 317 Vita 2-4. 318 eTh 2,8, 19 = 2,8,2 im Breviar.

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Ein Bischof gallorömischer Herkunft konnte damals über diese nicht sehr beeindruckende Kenntnis verfUgen, auch ohne juristisch besonders geschult worden zu sein. 25. Bonitos Aus senatorischem Adel wohl in den 630er Jahren in Clermont geboren, wo seine Familie begütert war, erhielt Bonitus319 in seiner Vaterstadt eine sorgfaltige Erziehung. Darüber gibt uns die bald nach seinem Tod verfasste Lebensbeschreibung des Mannes,32o der später als Heiliger verehrt wurde, folgende Auskunft (Kap. 2): ... curn ... adolevisset et esset praefata (sc. Arvemica) curn parentibus in urbe constitutus, grammaticorum inbutus iniciis necnon Theodosii edoctus decretis, ceterosque coetaneos excellens, a sophistis probus atque prelatus est.

In Clermont genoss er also Elementarunterricht, Rechtsunterricht an Hand wohl des Breviars321 und anscheinend, als Krönung, Rhetorikunterricht. Über die Form des Rechtsunterrichts ist nichts ausgesagt, doch kommt mehr als Privatunterricht bei einem örtlichen oder regionalen Fachmann schwerlich in Betracht; auf eine Rechtsschule in Clermont lässt sich aus diesem Zeugnis nicht schließen. 322 Dass andererseits lediglich ein Literat und Schöngeist mit dem Knaben Alarichs Breviar gelesen hätte,323 spielt die Dinge doch wohl zu sehr herunter, bedenkt man, dass die Mutter eine Syagria (Vita Kap. 1), er also wohl mit Syagrius und Desiderius (oben Nr. 24) verwandt war. 324 Noch in der Pubertät verlor er seinen Vater: Curn vero adhuc pubentibus esset in annis, genitore iam defuncto, Deo gubernante, regis ad aulam usque processit seque Sigiberti principis ministerio tradidit. Curnque ab eo ob319 Zu ihm B. Krusch, MGH SRM VI (1913) 110-12; Buchner, Provence 98; Stroheker 156 f. Nr. 71; Ebling (0. Fn. 268) 89 f. Nr. LXXXIX; Wood (0. Fn. 282) 81 f. u. 243 f.; Woll (0. Fn. 235) S. 210-12; u. Scheibelreiter 1999 (0. Fn. 138) 41, 43, 47, 391 f. u. 488. 320 Von einern Mönch des Klosters Manlieu in der Auvergne, wo Bonitus nach seiner Abdankung einige Zeit verbracht hatte, Krusch aaO. 112 f., der die Vita herausgegeben hat: S. 119-39. Zur Entstehungszeit auch Ewig, Ges. Sehr. 1219 Fn. 190. 321 A. v. Wretschko bei Mommsen CCCXIX; zust. Krusch aaO. 110. Zweifelnd Siems 164, anscheinend auch, was den Gegenstand betrifft, ohne A. v. Wretschko u. Krusch insoweit zu verwerten. Unkritisch P. Wormald, JRS 66 (1976) 224; Wood (0. Fn. 282) 243; u. ders., in: The Theodosian (0. Fn. 49) 167. Vg!. o. Fn. 211. 322 So aber Ewig, Ges. Sehr. II 214 u. Fn. 131 (zuerst 1953). 323 So wohl P. Riche, Settimane 5 (1958) 881 f.; u. ders. 1962/72 (0. Ein!. Fn. 9) 236 Fn. 113; a sophistis bezieht sieh in Kap. 2 der Vita wohl weder auf den Grammatiknoeh auf den Reehtsunterrieht, sondern auf etwas Neues. 324Vg!. Riche aaO. u. o. Fn. 287. Zurn Juristen Syagrius o. Nr. 16.

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Erstes Kapitel: Die einzelnen Juristen nixe diligeretur, principem eum pincemarum esset praecepit. Non multo post, anulo ex manu regis accepto, referendarii officium adeptus est ...

Bonitus wird also gegen 650 Mundschenk König Sigiberts III. (geb. etwa 631) von Austrien, wozu die Auvergne damals gehörte; und bald steigt er zum Referendar auf, dessen gute Dienste mit Ehren und Reichtümern vergolten werden (Kap. 3): Non multo post accepit a principe magnam honorem cum gratia. Post cuius obiturn (656 n. Chr.), filiisque defunctis (662 starb der Adoptivsohn und Nachfolger Childebert, 675 wurde dessen Nachfolger, Sigiberts Schwiegersohn und Neffe Childerich II. ermordet und 679 dessen Nachfolger in Austrien, wozu Marseille gehörte, Sigiberts Sohn Dagobert H.), pro nepos eius suscepit sceptra. Cuius conspectui ita paruit gratus, ut elegeretur praefectura Massiliae primae provinciae ...

Zwar hatte Sigibert III. tatsächlich einen königlichen Urenkel, aber nur über seine Tochter Bilichild, nämlich Chilperich 11. Daniel, der erst 716 bis 721, als Bonitus längst tot war, ein Schattenkönigtum ausübte. Er kann nicht gemeint sein, sondern nur Sigiberts III. anderer Neffe, der Bruder seines Schwiegersohns, Theuderich III., seit 675 König von Neustroburgund und seit 679 des fränkischen Gesamtreichs; pro in pronepos mag verderbt sein, vielleicht ist eis hinter pro ausgefallen. Da Dagobert H. erst am 23. Dezember 679 starb, wurde Bonitus wohl 680 Präfekt von Marseille. Noch unter Theuderich III., also spätestens 690 wurde er durch Protektion Nachfolger seines Bruders Avitus als Bischof seiner Vaterstadt Clermont (Kap. 4 f.): Per idem vero tempus germanus eius Avitus pontifex ... ter quinis fere amplius annis rnagna curn alacritate Arvemam sibi commissam rexit ecclesiam. Qui ... ad extremum est usque deductus, cemensque suae migracionis inminere diem, divino afllatus spiritu acceptoque consilio, sibi ecclesia concordante, virum Dei sibimet successorem suaeque sedis dignissimurn iudicat sacerdotem. (5) Eodem tempore sub Theoderico prlncipe Pippinus regni primatum tenens atque curam palacii gerens, cunctaque gubemacula suo disponebantur arbitrio. Curnque vir Dei, supradictus germanus eius, re1acionem pro adipiscenda auctoritate regia direxisset, et illi ei peticionem sibi commissam perorassent, ita, favente Domino, cuncta prospera meruerunt, ut ex regio iussu eiusque praecepto idem roboraretur consensus.

Wohl schon 697 musste er jedoch zugunsten Nordeberts, eines Franken und Vertrauensmanns des wahren Machthabers damals, Pippins des Mittleren, abdanken und C1ermont unter Preisgabe seines Besitzes verlassen; er lebte in Klöstern und wurde Mönch. 700 vermittelte er einen Ausgleich zwischen dem Herzog von Burgund, Drogo, dem älteren Sohn Pippins, und dem Erzbischof von Lyon. Auf einer Wallfahrt nach Rom 70 I griff er erfolgreich in langobardische Thronwirren ein. Nach Lyon zurückgekehrt, starb er kurz nach 705. 325 325 Dies nach Krusch aaO. 111 f., der mit Recht die Darstellung des Rücktritts in der Vita (Kap. 9 u. 14-16) anzweifelt und am Ende (Kap. 30) einen Fingerzeig auf Unfrei-

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Die schnelle Karriere unter Sigibert III. bzw. seinem Hausmeier Grimoald, dem Sohn Pippins des Älteren, hängt wahrscheinlich mit der besonderen Herkunft und Bildung des Bonitus zusammen, was vermutlich als Stärkung der Partei der Pippiniden in Austrien willkommen war. Und es wird kein Zufall sein, dass sich sein Aufstieg nach längerer Unterbrechung erst fortgesetzt zu haben scheint, als Pippin der Mittlere an die Macht gekommen war (681). Bei der Einsetzung zum Bischof von Clermont spielte Pippin eine aktive Rolle (Vita Kap. 5). Andererseits könnte die Verdrängung des Bonitus vom Stuhl von Clermont, die einer Entmachtung des romanischen Senatorenhauses in ihrer Stadt gleichkam, zugunsten eines Franken, der ein Vertrauensmann Pippins gewesen zu sein scheint/26 eine Epochengrenze markieren: Pippins Verfassungsreform von 697 hat anscheinend nicht nur den merowingischen König zur Galionsfigur degradiert und die Herrschaft der Pippiniden begrundet,327 sondern zugleich hat Pippin die Beteiligung des zur Mitarbeit bereiten und fähigen romanischen Adels fortan ausgeschlagen und statt dessen lieber mit gebildeten Angelsachsen zusammengearbeitet,328 m.a.W. die bischöfliche Stadtherrschaft des senatorischen Adels gebrochen. Es ist dann auch kaum Zufall, dass die Reihe von Bezeugungen römischer Juristen in Gallien, seit dem 2./3. Jh. n. Chr. zu verfolgen, im späten 7. Jh. erst einmal abreißt.

26. Walbert levita? Die sog. Pariser Breviarepitome, die sich selbst Scintilla nennt und im 8. Jh. in Burgund zur Belehrung von Praktikern der bischöflichen Gerichtsbarkeit entstand (unten Kap. 3 Nr. 35), ist nur in einer Sammelhandschrift des 9. Jhs. überliefert (unten Kap. 2 NT. 29), wo sie mit der ihr folgenden Lex Burgundionum verschränkt ist. Kurz nach Beginn Letzterer ist von etwas späterer Hand an einer freien Stelle die Scintilla-Fassung von LRV NT 11, 1 S. 1 noch einmal vermerkt, eingeleitet mit den Worten Uualbertus levita. Möglicherweise verrät hier jemand, der noch Kenntnis davon haben konnte, wer den Scintilla- Text insgesamt verfasst hatte. Dieser wäre dann nicht nur als Kleriker, sondern zugleich als Rechtslehrer und Jurist des römischen Rechts zu führen, so oft er auch irrte und das römische Recht des Breviars den gegenwärtigen Bedürfnissen anpasste. 329 willigkeit entdeckt; zweifelnd auch Wood 81 f. Der Zeitpunkt des Rücktritts nach Ewig, Ges. Sehr. I 228 u. Fn. 226. 326 Ewig, Ges. Sehr. I 228. 327 Im Einzelnen Ewig (0. Fn. 305) 185 ff. 328 Vg!. Prinz, Frühes Mönchtum 506; Riche 1962/72 (0. Ein!. Fn. 9) 236; Ewig (0. Fn. 305) 190 ff; u. Esders 283 f. 329 Näher dazu unten Kap. 3 Nr. 35.

Zweites Kapitel

Verfügbarkeit der römischen Rechtstexte bis zum 9. Jh Im Folgenden soll überblickt werden, welche römischen Rechtstexte zur Verfiigung standen.· Die Westgoten hinterließen den für Gallien wichtigsten, die Lex Romana Visigothorum, und konzentrierten sich dann auf Spanien, ohne Narbonne und Nimes aufzugeben;2 auch deshalb muss Spanien in diesem und im nächsten Kapitel einbezogen werden, während Britannien hier nur deshalb außer Betracht bleibt, weil von dort nichts gemeldet werden kann. 3 Im Osten ist die Kulturgrenze fließend, weil die ostfränkischen Gebiete von Reims, dann Metz und später Aachen aus regiert und erst im Lauf des 9. Jhs. kulturell unabhängig wurden, soweit das in Betracht kam. 4 Die Alpengrenze zwischen fränkischem und langobardischem Kultureinfluss scheint dagegen einigermaßen stabil gewesen zu sein, doch nahm Burgund auch unter den Franken eine Sonderstellung ein,s d. h. gab es Einflüssen aus Italien mit seinem justinianischen Recht eher nach als der Rest. In der Provence ist mit Einflüssen sowohl aus Italien als auch aus westgotischem Gebiet zu rechnen. Aus der Zeit vor dem späten 3. Jh' n. Chr. kennen wir keine römischen Rechtstexte in Gallien, obwohl im 2. und 3. Jh' in Nimes, vermutlich etwa 150 bis 300 Sitz des Prokonsuln der Senatsprovinz Gallia Narbonesis, wie gesehen römische Juristen praktizierten, 6 wohl Schüler Cervidius Scävolas. 7 Sie werden Rechtstexte gehabt haben, vielleicht eine kleine juristische Bibliothek. I Diesen Überblick forderte z. B. schon Siems 183. Zu den Hss. gibt G. Dolezalek, Verzeichnis der Handschriften zum römischen Recht bis 1600 (4 Bde. Frankfurt am Main 1972), umfassend Auskunft, nicht in aUen Einzelheiten verlässlich; fiir einen Teil Hänel; Mommsen; Gaudemet; u. ausfiihrlich Mordek. 2 Dazu zumal Wolfram 245 ff.; u. D. Claude, Geschichte der Westgoten (Stuttgart 1970) 59 ff. 3 Die von A. K. Bowman u. J. D. Thomas herausgegebenen Urkunden: Vindolanda: The latin writing tablets, 2 Bde. (London 1983 und 1993) lassen keine Benutzung juristischer Werke erkennen. Überhaupt ist bisher in ganz Britannien noch keine Bibliothek aus der Römerzeit gefunden worden, F. Kolb, Klio 75 (1993) 325. Zu Aldhelm s. unten Kap. 4Nr. 9. 4 Zum kultureUen Leben im Frankenreich zusammenfassend etwa R. Schneider, Das Frankenreich (2. Aufl. München 1990) 86 ff. u. 183 ff.; zum deutschsprachigen Teil G. Köbler, ZRGG 100 (1983) 77-118. S Zusammenfassend Esders 88-108 u. bes. 268-357. 6 Q. Valerius Virillio und L. Baebius Eucles, o. Kap. I Nr. 1 und 2.

Zweites Kapitel: Verrugbarkeit der römischen Rechtstexte bis zum 9. Jh.

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In diesem Kapitel blicken wir bis ins 9. Jh., weil erst die reichen Befunde der Karolingerzeit den unmittelbar vorher vorhanden gewesenen Textbestand ermessen lassen. Im römischen Recht geschulte Fachjuristen waren freilich nur bis ins frühe 8. Jh. nachweisbar (soeben Kap. 1). Danach gewinnt das Recht der germanischen Herren endgültig im Alltag das Übergewicht. 8 Zu den römischen Rechtstexten zählen hier weder private Rechtsgeschäfte, erhalten in Urkunden wie Testamenten oder, anonymisiert, Formeln,9 noch schlichte Erlasse oder Anordnungen germanischer Könige oder sonstiger gentiler Autoritäten,IO noch Konzilsbeschlüsse oder bischöfliche Anordnungen. II Andererseits sind nicht nur römische Juristenschriften zu erfassen, denn amtliche Sammlungen wie der Codex Theodosianus oder die Lex Romana Alarichs 11. dürfen nicht fehlen. Auch private Zusammenstellungen von autoritativen Texten sind einzubeziehen, mögen sie noch so bescheiden, bloße Gelegenheitsarbeiten von geringer Tragweite gewesen sein. Gliedern dagegen möchte ich nach in Gallien entstandenen Werken und Import, und innerhalb dieser Gruppen möglichst nach der Häufigkeit des Vorkommens. Mit dem Import ist zu beginnen. Zu seiner Beurteilung wird ein Blick auf die außergallischen Gebiete der Geltung des römischen Rechts nützlich sein. Ein Rechtstext wird hier als verfiigbar eingestuft, wenn bezeugt ist, dass er benutzt wurde oder werden konnte, wie immer diese Bezeugung erscheint: als Handschrift, Kommentierung, Zitat aus dem Text, stillschweigende Benutzung oder Ergänzung anderer Texte aus dem fraglichen Text. Da die Häufigkeit solcher Bezeugung hier interessiert, muss auf die Gefahr hingewiesen werden, dass sich hinter mehreren Nachrichten ein und dieselbe tatsächliche Benutzungsmöglichkeit eines Texts verbergen kann, was insbesondere für die mannigfachen Ergänzungen des westgotischen Theodosianus, Gregorianus, Pseudo-Paulus und des Justinianus aus vollständigen oder doch vollständigeren Exemplaren des Theodosianus usw. gilt. Und die verschiedenen Interpretationen zu den Paulussentenzen und zum Theodosianus heben sich nicht so deutlich voneinander ab, wie zu wünschen wäre, weshalb ich hier vorsichtig drei und dort zwei ansetze; Wieacker hatte beim Theodosianus fünfunterschieden,12 während Schellenberg l3 die außerhalb des Breviars verstreut erhaltenen Inter7 E.

Champlin, ZPE 69 (1987), 203-06. S. etwa Esders 283-86; u. Liebs, SZ 118 (2001) 286-311. 9 Zu diesen unten Kap. 3 Nr. 22-23a u. 31-33, zu den Testamenten Kap. 4 Nr. 6. 10 Gesammelt vonA. Boretjus, MGH Cap. I (1883). 11 Gesammelt von F. Maaßen, MGH Concil. I (1893). Dazu E. 1. Jonkers, Application of Roman law by councils in the sixth century, TR 20 (1952) 340-43. 12 F. Wieacker, Lateinische Kommentare zum Codex Theodosianus, in: Symbolae Friburgenses in honorem Ottonis Lenel1931 (Leipzig o. J., aber 1935),292-307. 13 Schellenberg 19 u. Anm. 126. Bei den Interpretationen zum Theodosianus dagegen geht auch er von dreien aus, S. 86. 8

1. Außerhalb Galliens entstandene Texte

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pretationen nicht berücksichtigt hat. Umgekehrt müsste eine Handschrift mit Benutzerspuren eigentlich mehrmals gezählt werden, doch habe ich das Geschäft, die Handschriften auf Benutzerspuren hin durchzusehen und diese zu datieren, nicht geleistet; ebenso wenig sind mittelalterliche Bibliothekskataloge systematisch erfasst.

I. Außerhalb Galliens entstandene Texte 1. Codex Theodosianus Mit Abstand am häufigsten bezeugt ist der Codex Theodosianus, vom 5. bis 7. Jh. 16mal: Am ehesten aus Gallien (und dann vielleicht aus Lyon) stammt die vatikanische Handschrift mit B. 9-16 aus dem 5. oder, wohl frühen, 6. Jh. 14 Mit größerer Wahrscheinlichkeit stammt aus demselben Lyon die Pariser Handschrift mit B. 6-8, aber eher aus dem 6. als dem 5. Jh. IS Exzerpiert haben den Theodosianus in Gallien die Consultatio,16 die in Paris verwahrte Handschrift des ausgehenden 5. Jh. mit Maximins Contra Ambrosium,17 das Breviar, die erste (Krügerische Zählung; nach andern die zweite) Appendix zum Breviar, einem Nachtrag dazu,18 die zweite (dritte) Appendix zum Breviar l9 und ein nur grob um 500 anzusetzender Nachtrag zum Grundstock der Sirmondschen Konstitutionen. 2o Ausdrücklich Bezug auf ihn nehmen in Gallien die Interpretationen zum Theodosianus (hier drei angesetzt), neben denen die Interpretationen zu den Novellen Theodosius' n?1 und Majorians22 nicht eigens zu veran14 Rom, Vat. reg. ~86, s. Mommsen XLIV-XLVI; CLA I 1l0; J. Gaudemet, Diction. de droit canonique 7 (1965) 1224 u. 1226; u. A. J. B. Sirks, SZ 113 (1996) 244-48. Zum Nachleben des CTh in Gallien s. a. I. Wood, The Code in Merovingian Gaul, in: The Theodosian (0. Kap. 1 Fn. 49) 161-77; u. D. Walters, From Benedict to GratianThe Code in medieval ecc1esiastical authors, ebenda 200-16. 15 Paris, BN 9643, s. Mommsen XLIII; P. Krüger, Cod. Theod. (fase. I Berlin 1926) S. I; CLA V 591; Gaudemet (soeben Fn. 14). 16 Cons. 3, 12 f.; 7a, 2 f.; 8,2; 8, 5; 8, 7; 9, 12 f. Sie entstand um 450 n. Chr. im südlichen Gallien, s. unten Kap. 3 Nr. 7. 17 Paris, BN 8907 (CLA V 572) BI. 349, Mommsen LXI f. 18 LRV App. 1,20-23.24-28 bilden einen Nachtrag; wir haben hier also zwei Bezeu~fen. Vgl. P. Krüger, Collectio III 250 f.; u. unten Kap. 3 Nr. 8. LRV App. 2,1-5. 20 Die Mutterhandschrift der Sirmondschen Konstitutionen nebst Nachtrag aus dem CTh: Berlin, SB Phillipps 1745 (S. K.: BI. 1OI V -1l9), stammt aus Lyon, 7. Jh.; und die Sammlung selbst ist wahrscheinlich um 430 in Südostgallien entstanden, weshalb auch der Nachtrag dort angefügt worden sein wird. Vgl. CLA VIII 1061 mit Suppl.; P. Landau, Rivista intemaz. di diritto comune 3 (1992) 39 f.; Mordek 58; u. unten Kap. 3 Nr. 5. 21 !NT I; 11 Anf.; 14 gegen Anf.; 22, 1 Anf. 22 INMai 7 Satz 2. 7 Liebs

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Zweites Kapitel: Verfiigbarkeit der römischen Rechtstexte bis zum 9. Jh.

schlagen sein werden; ferner das burgundische Römergesetz und Isidor von Sevilla. 23 Stillschweigend nutzten ihn der Codex Euricianui4 und die Lex Burgundionum. 25 Im 9. Jh. zitierte ihn Hinkmar von Reims, allerdings nur B. 16 in einer gekürzten Sonderausgabe,26 weshalb dieser Beleg ausscheidet. Damals wurden aber fünf Breviarhandschriften aus ihm suppliert,27 schöpfte eine Handschrift vermischten Inhalts aus ihm,28 gab es ein Stück mit Exzerpten aus dem Titel 3, 1229 und zitierte ihn König Ludwig von Burgund;3o das sind noch einmal acht Belege. Daneben haben wir 14 weitere westliche, d. h. 13 italische aus dem späteren 5. und 6. Jh. 31 und eine sizilische um 450 n. ehr.,32 sowie acht

23 Zu Isidor, Versus 15 bzw. 14 s. unten Kap. 4 Nr. 8, wonach hierfiir wenigstens ein aus dem CTh suppliertes Breviarexemplar zu veranschlagen ist. Daraus mag er auch in Etym. 5, 1,7 geschöpft haben. 24 S. d. Nachw. zu CE 283; 285; 286; 294; 298; 327; 334 f. in der Ausg. v. K. Zeumer, MGH LS I (1902). 25 S. d. Nachw. zu LB 12,5 u. 24 in der Ausg. L. R. v. Salis, MGH LS 11 I (1892). 26 M. Conrat, NA 24 (1899) 349 - 57; Mommsen LXXXIX. 27 Zwei verschollene, die seinerzeit Pithou und Danielis gehörten, s. Mommsen LXXIX f. u. LXXXV; Paris BN 4412, 4413 u. 12445, s. Mommsen LXXXV, LXXXVIII f. u. XCVIII. 28 Montpellier, VB med. H. 306, s. Mommsen LXIV. 29 Paris, BN 4406 BI. 69-72. 30 Cartulaires de I'Eglise cathedrale de Grenoble, hg. 1. Marion (Paris 1869) 67. Vgl. unten Fn. 56. 31 Constitutio de constitutionariis; NY 26; 32 pr.; 35 pr.; Halberstadt, ehern. Bibliothek des Domgymnasiums (jetzt?) Frg. I, 5. oder frühes 6. Jh., aus B. 12 u. 14, W. Schum, SZ 9 (1888) 365-74, H. Fitting, ebd. 374 f., Mommsen LVII f., E. Levy, SZ 48 (l928) 582-84, u. CLA VIII 1212, während A. Dold, Zentralbl. f. Bibliothekswesen 43 (1926) 301-11, auch hier für Gallien eintritt; Grom. I S. 267-70; Quesnelsche Sammlung (wohl doch italisch, 1. Gaudemet, Les sources du droit de I'Eglise en occident [Paris 1985] 133; u. Siems 516) 54, 2. Teil; stillschweigende Benutzung im Edictum Theoderici (s. Liebs, Italien 191); Zürich, Staatsarchiv C VI 3, Frg. von B. 10 aus Rätien, 5. oder 6. Jh., A. Dold, Zentralbl. f. Bibliothekswesen 58 (1941) 169-76, u. CLA VII 1016, im 8. Jh. nach Dold 172 wohl in Bobbio, nach Lowe vermutlich in der Schweiz oder Gallien mit einem theologischen Text überschrieben, am ehesten wohl aus Italien (wahlweise rur Gallien DOld 176 und Lowe, bei diesem Alter aber etwas weniger wahrscheinlich); die 1904 verbrannten Turiner 43 BI. einer CTh-Ausgabe mit Fragmenten von B. 1-6,811, 13 f. u. 16 aus dem 5. oder 6. Jh. (s. P. Krüger, Codicis Theodosiani fragmenta Taurinensia = Abh. d. Kgl. Ak. d. Wiss. Berlin 1879 phil.-hist. KI. [Berlin 1880]; Mommsen XXXIX-XLII; F. Patetta, Studi sulle fonti giuridiche medievali [Turin 1967] 689-700 [zuerst 1901]; u. CLA IV 440); die Scholien dieser Hs. (neu hg. A.1. B. Sirks, Summaria antiqua Codicis Theodosiani [Amsterdam 1996] 115-19); die vatikanischen und Turiner Fragmente der Bücher 14-16, wohl aus dem frühen 6. Jh., Rom, Vat. 5766 (s. Mommsen LVIII u. CLA I 46); endlich der Zusatz Item Theodosianus Col1. 5, 3, I. 32 Den Antiqua summaria genannten Summenapparat zu B. 9-16, s. Liebs, Italien 177-88; u. ders., SZ 118 (2001) 499 f.

I. Außerhalb Galliens entstandene Texte

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östliche Bezeugungen: vier aus Konstantinopel,33 eine aus Beirut,34 eine aus Syrien, eine aus dem Sina?5 und eine aus Ägypten. 36 2. Paulussentenzen

An zweiter Stelle kommen die pseudopaulinischen Sentenzen, wofür ich bis zum 8. Jh. zwölf gallische Bezeugungen zähle, beginnend mit Konstantins Paukenschlag in Trier aus dem Jahr 328,37 dann aber erst wieder seit dem mittleren 5. Jh. 38 Hinzu kommen aus dem 9. und 10. Jh. wohl auf zwei zu reduzierende Bezeugungen von Supplierungen des Breviarauszugs. 39 Aus Italien haben wir weitere fünf Bezeugungen aus dem 4. und 5. Jh. 40 und aus dem Osten fünf aus dem 4. bis frühen 6. 41 33 NT 2; NAnth 3 (ein Gesetz Leos, s. Z. 5 f.) pr. Z. 23; CJ const. Haec pr. u. Summa §§ I u. 3; u. Johannes Lydus, De magistratibus 2, 10; 3, 23 u. 40 (zweifelnd Mommsen XXXI). 34 Patricius bei Theodorus zu CJ 8, 53, 27; u. bei Thaleläus zu CJ 2, 4, 40; 4, 2, 16; 6, 62,3; 7, 39, 3; s. IAR 11 518 ff. Nr. 4, 14, 17, 19 u. 25. 35 SS 2 u. 3; u. Syr.-röm. Rechtsbuch §§ 6c, 78, 82 u. 114. 36p.Oxy. 1813, s. P. Krüger, SZ 43 (1923) 560 f.; u. CLA 11 211 als London Papyr. 2485: probably Byzantium, dem Lowe alle juristischen Hss.zuweist. 37 CTh I, 4, 2. Zum Jahr Seeck (0. Kap. 2 Fn. 37) 69 u. 178. 38Cons. (3, 6-9; 4, 3 f. 6-8; 5, 4 f.; 6, 5. 7-9. 20 f.; 7,4-6); GE (14 [= 2,6] schöpft aus PS 2, 6 am Ende); die in die LRV eingegangene Interpretatio, wozu Spuren weiterer Interpretationen hinzukommen, s. unten Kap. 3 Nr. 10; IT (3, 13, 2); die LRV; die RB (4,3; 5, 2; 13, 1-4; 15; 19,2; 20; 28, 3; 35, 3. 6; 39, 2 sowie weitere rund 10 stillschweigend, wobei eine interpretierte Ausgabe oder auch nur ein interpretierter Auszug benutzt wurde); beide oben genannten Appendices zur LRV (I, 1-6 u. 2, 8-10. 15-17); u. die verschollene Handschrift von Bisanz bzw., wenn es sich um eine supplierte Ausgabe der LRV gehandelt hat (m. E. wohl nicht), ihre Vorlage (pS 1, 6a; I, 21 ohne 16; 2, 17; 2, 21a; 2, 26,1-6.10-16 ohne 13; 2, 31; 5,20,1-5; 5, 33, 8). Zu Isidor, Versus 15 bzw. 14 s. dagegen unten Kap. 4 Nr. 8; auch der Zusatz am Ende von Etym. 5, 24, 30 ist dem Breviarauszug der Sentenzen (5,7, 1) entnommen. 39 Erstens Paris, BN 4403 (um 800), 4408 u. 4412 aus dem 9.; Ivrea, BC 17IXXXV aus dem 9. oder 10.; u. Paris, BN n. acq. 1631 (ehern. Orleans, BM 249 bzw. 207) aus dem 10. Jh. (suppliert sind, nicht immer vollzählig, PS 1, 1, 1. 3. 5; 1, 12,6; I, 13b, 3; 3, 4a, 6; und in den letzten beiden Handschriften außerdem 4,6, 2a; 5,4, 15 [so zu zweitens] u. 5, 33, 8 [so schon soeben Fn. 38 am Ende)). Zweitens Bern, Burgerbibliothek ms. Lat. 263; u. Paris, BN 4410; 4409; u. 12445 aus dem 9.; sowie Rom, Vat. reg. 1048 aus dem 10. Jh. (suppliert sind 1,7,4; 5,4, 15; u. 5, 4, 21). 40 Frg. Vat. (172 u. 336 f.), Rom, fruhes 4. Jh.; Co I!. (1, 1. 4. 7. 13; 2, 7; 3, 2; 4, 12; 5, 2; 6, 3; 7, 2. 5; 8, 3-6; 9, 3; 10, 7; 11, 2-5; 12,2-4; 13,2; 14,2; u. 16,3), ebenda, um 400; CTh I, 4, 3, Ravenna, 426; Grom. I S. 270; u. ET (s. Liebs, Italien 191) passim stillschweigend. Ferner um 300 Frgg. de iure fisci (s. Liebs, HLL V 69) §§ 14 f. u. 19. 41 Aus dem 4. Jh., Ägypten, stammt Leiden, UB 2589 (CLA X 1577); dem 6. Jh. dort das Zitat auf dem oberen Rand von Seite F des Florentiner Gajus, PSI 1182 (CLA III

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Zweites Kapitel: Verfiigbarkeit der römischen Rechtstexte bis zum 9. Jh.

3. Codex Gregorianus Dicht auf den Fersen folgt als dritthäufigster Rechtstext der Codex Gregorianus mit 10 gallischen Meldungen aus dem 5. und 6. Jh. 42 neben vier italischen (etwa 300 bis 500 n. Chr.),43 zwei africanischen (um 300 und um 420)44 und acht östlichen aus dem 5. und frühen 6. Jh. 45

4. Codex Hermogenianus Mit einigem Abstand folgt viertens der Codex Hermogenianus mit sechs gallischen Punkten aus dem 5. und frühen 6. 46 und einem aus dem 9. Jh. 47 In Ita-

292); aus dem 5., Syrien, Sent. Syr. (s. W. Selb, Sententiae Syriacae, Wien 1990) 85. In den 530er Jahren wird das Werk in Konstantinopel fiir die Digesten exzerpiert und in Beirut von Thaleläus in seiner Codexvorlesung zu CJ 2, 8, 1 erwähnt, Basilica B: Scholia, hg. H. J. Scheltema, I 86 Z. 31 f. 42 Frg. Vat. schol. (266a; 272; 285 f. u. 288), am ehesten im frühen 5. Jh. in Südostgallien entstanden, s. unten Kap. 3 Nr. 2; Cons. (1, 6-10; 2, 6 f.; 9, 8-11. 14-19); IG, Kreuter 24-26 u. 70 f.; IT 1,4,3; Randscholion aus dem 5. oder 6. Jh. zur Rubrik 1,2 der Turiner Fragmente von CTh 1-6, Mommsen XLII; LRV; RB (3, 2; 14, 7; 23, 2; 38,2 f.; u. 44,4); zwei Appendices zur LRV (I, 1-6 u. 2, 6 f.); und ein Supplement in einer verschollenen, offenbar besonders guten, also wohl alten Handschrift der LRV, s. Krüger, Collectio III 239 Fn. 2, u. ders., CJ zu 5, 5 (zuerst 1877). - Die Auffüllung des CJ aus dem CG begegnet erst in CJ-Handschriften des 11. und vor allem 12. Jh. (die alle am ehesten aus Gallien stammen), wurde in den meisten Fällen aber aus älteren Vorlagen übernommen, s. im einzelnen P. Krüger, CJ ed. maior (Berlin 1877) und ed. stereotypa (Berlin 1877-1929) zu 5,4, 11 (ed. ster.: 12); 8, 39; 8, 58, 2; u. 9, 9, 23. 43 Hermogenian hat ihn fiir seine Iuris epitomae stillschweigend ausgewertet, s. Liebs, Hermog. 92-94 sowie (zur Lokalisierung) ders., Italien 37-52 u. 143 f.; ebenso Frg. Vat., Liebs, Italien 154 f.; ausdrücklich exzerpierte ihn Coll. (1, 8-10; 3,4; 6,4.6; 10,8; 15,3); und stillschweigend hat ihn das Ed. Theod. benutzt (Liebs, Italien 191). 44 In den pseudopaulinischen Sentenzen ist er stillschweigend ausgewertet, Liebs, Africa 80-88; ausdrücklich Augustin, De adulterinis coniugiis (419/21) 2, 8, 7. 45 CTh 1, 1,5 (429) u. CJ const. Haec pr. u. Summa §§ 1 u. 3 (528 u. 529) aus Konstantinopel; SS 3 u. 9 f. vom Sinai; Sent. Syr. 22 u. 28 u. Syr.-röm. Rechtsbuch (s. W. Selb u. H. Kaujhold, Das Syrisch-römische Rechtsbuch, Wien 2002) 54, 67, 69, 81 u. 94a aus Syrien; und aus Beirut Eudoxius, Patricius und Thaleläus, s. IAR II 518 ff. Nr. 1,3,5-9, 11-13, 15, 18,21-24 u. 27 f.; Thaleläus: 8. 46 Frg. Vat. schol. 270; Cons. (4, 9-11; 5, 6 f.; 6, 10-19; 9, 1-7); IR (s. Kreuter 11820); IT 1,4,3; LRV; u. RB (14, 1-3. 6; 23, 2; 38, 3 u. einmal stillschweigend). 47 Supplement am Schluss des CH-Auszugs der Pariser Breviarhandschrift BN 4415 aus dem 9. Jh. (ebenso 4414 aus dem 10.).

I. Außerhalb Galliens entstandene Texte

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lien treffen wir ihn viennal um 300 bis um 500,48 in Africa einmal um 30049 und im Osten siebenmal im fünften und frühen 6. Jh. 50 an.

5. Codex Justinitmus Weniger gut bezeugt ist der Codex Justinianus, wenngleich die Konzentration der in Betracht kommenden Zeugen auf Burgund und die Provence die Sache plausibler macht. Auf den Konzilien von Mäcon in Burgund 583 und 585 kann ebensogut auf den Theodosianus Bezug genommen sein. 51 Den Kern der gaudenzischen Sammlung, wo stillschweigend zehn Konstitutionen des Justinianus hauptsächlich aus dem ersten, aber auch aus dem achten und elften Buch ausgeschrieben sind,52 lokalisiert man in die Provence, etwa 7. Jh.,53 wenn auch nur aufgrund allgemeiner Überlegungen. Papst Gregor III. gab 739 n. Chr. seinen Gesandten an Karl Martell, außer Reliquien, Geschenken und Briefen, decreta Romanorum principum mit,54 worunter den Justinianus zu verstehen jedenfalls nahe liegt. Der burgundische Große Abbo bezog sich in seinem Testament vom 5. Mai 739 auf eine lex de ingratis et contumacis libertis, wofür eine CJ-Stelle besser passt als eine aus der LRV oder gar der LB. 55 Der König von Burgund berief sich 894 auf ein Gesetz, das zwar nur im Justinianus erhalten ist,56 aber ebenso aus dem verlorenen Teil des Theodosianus bezogen sein kann, wo es enthalten gewesen sein muss. 57 Und auf der Synode von Troyes 48 In Hennogenians Iuris epitomae ist er stillschweigend verwertet, s. Liebs, Hennog. 94 f., sowie ders., Italien 37-52 u. 137; ebenso in den Frg. Vat., Italien 154 f.; ausdrücklich in der Coll. (6, 5; 10,3-6); und stillschweigend im Ed. Theod., Liebs, Italien 191. 49 PS, s. Liebs, Africa 88 f. 50 CTh 1, 1,5 (429) u. CJ const. Haec pr. u. Summa §§ 1 u. 3 (528 u. 529) aus Konstantinopel; SS 5 aus dem Sinai; Sent. Syr. passim aus Syrien; und aus Beirut bei Eudoxius, Patricius und Thaleläus, s.1AR 11518 ff. Nr. 8, 10,21,26. 51 Kap. 16 der Akten des ersten Konzils (MGH Concil. I 159) kann ebensogut auf CTh 16, 9 (und nicht 4) wie auf CJ I, 10 Bezug nehmen; Kap. 8 des zweiten (MGH aaO. 168) ebensogut aufCTh 9, 44,1 wie aufCJ 1,25, I; und Kap. 9 (MGH aaO. 168 f.) ebensogut aufCTh 1,27 wie aufCJ 1,4. Conrat 7 f. bevorzugt den CJ. 52 Als Kern hat Conrat 277-84 die Pars prima mit Ausschluss von Einleitung und Commonitorium herausgeschält. Kap. 6 CJ 8, 4,7; Kap. 21 CJ 1,3,7; 22 ebd. 8; 23 ebd. 19; 24 ebd. 20; 25 ebd. 33; 28 CJ 1,2, 14 mit Inskription; 29 CJ 1,3, 10; und 30 CJ 11, 48, 7 u. 12. Vgl. Siems 320. Gründlich zu ihr demnächst Wol/gang Kaiser (unten Fn. 62). 53 Conrat 283 f. u. 168. Siems 182 f. enthält sich eines eigenen Urteils. 54 Chronik von Moissac, MGH Scriptores Folio I (1826) 292 oben, von Conrat 36 f. auf den CJ bezogen. 55 CJ 6, 7,2. Für LB 40, 1 P. J. Geary, Aristocracy in Provence (Stuttgart 1985) 30. LRV: CTh 4, 10, 1. Es geht um § 45 g. E. des Testaments, abgedruckt bei Geary S. 66. 56 CJ 1, 14,2, Marion (0. Fn. 30) 67 u. dazu Conrat 37 f. 57 CTh 1, 1, 4a Ausg. Krüger (0. Fn. 15).

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Zweites Kapitel: Verfiigbarkeit der römischen Rechtstexte bis zum 9. Jh.

878 wird nur in einem dort verlesenen Papstbrief eine CJ Stelle angefiihrt,58 der an die Geistlichkeit der narbonensischen und der spanischen Kirchenprovinz und die spanischen Beamten gerichtet war. Aus Italien haben wir dagegen neun Zeugen aus dem 6. und 7. Jh. 59 und aus dem Osten noch wesentlich mehr. 60

6. Julianepitome Ähnlich ist die Julianepitome, die damals übliche lateinische Kurzfassung der Novellen Justinians, im Kern der gaudenzischen Sammlung, also vermutlich in der Provence etwa im 7.,61 sonst in Gallien im 9. Jh. fiinfmal bezeugt,62 in Italien dagegen vielfach. 63

CJ 1,3, 13. Dazu etwa Conrat 20. S. a. unten S. 189 f. Die Turiner Institutionenglosse, s. Liebs, Italien 202-09; Cassiodor (bzw. sein Schüler Epiphanius), Hist. eccI. trip. 9, 7, 2-5 u. 9, 30, 23 f., zitiert CJ 1, I, 1 u. 9, 47, 20 (und nicht CTh 16, 1, 2 u. 9, 40, 13), F. De Marini Avonzo, DaIl'impero cristiano al medioevo (Goldbach 2001) 125-34 (zuerst 1969); die Paratitla zu Julians Novellenauszug, Liebs, Italien 259-64; das Kapitelverzeichnis zu Julians Novellenauszug, Liebs, Italien 264-66; Papst Pelagius 1., Conrat 6 f.; der Grundstock der Pistojer Codexglosse nach Conrat 120 f. u. 170-72, s. a. Siems 176; Papst Gregor 1., Liebs, Italien 128; das Kölner Codexfragment aus dem 6. Jh., G. Dolezalek, Repertorium manuscriptorum veterum Codicis lustiniani I (Frankfurt am Main 1985) 229, u. Siems 304, welches zwar vielleicht aus dem Osten stammt, aber im 7. Jh. mit einem lateinischen Glossar überschrieben wurde, am ehesten in Italien, wo es dann zuvor benutzt worden wäre; das Veroneser Codexfragment aus dem 6. (oder 7.?) Jh. mit griechischen Scholien aus justinianischer Zeit, Conrat 120, Dolezalek, Repertorium I 443, u. Siems 304 f.: zwar stammt es mit größerer Wahrscheinlichkeit aus dem Osten, wurde aber im Westen benutzt, jedenfalls im 8./9. Jh. wohl in Norditalien mit Cresconius überschrieben; schließlich die Summa Perusina aus dem frühen 7. Jh., Liebs, Italien 276-82. 60 Aus dem Rechtsunterricht in Beirut und Konstantinopel stammen die Bruchstücke und Zitate des Materials zur CJ-Vorlesung von Thaleläus, Stephanus, Isidor, Anatolius, Julian, Theodorus scholasticus und wohl auch die Veroneser Scholien (so. Fn. 59), vielleicht auch das Inskriptionenverzeichnis von CJ 1, 11-18 in P. Oxy. 1814 (um 530, CLA Suppl. 1713); ägyptische Papyri nehmen auf ihn Bezug, A. Steinwenter, Aegyptus 32 (1952) 133 f. u. 135 f.; ebenso nichtjuristische Schriftsteller wie Prokop oder Facundus (Mitte des 6. Jh. Bischof von Hermiane in Africa) in seiner Schrift Pro defensione trium capitulorum (Conrat 6), also während seines Aufenthalts in Konstantinopel, was Conrat nicht berücksichtigt. 61 Conrat 277 f. u. 283. 62 Durch zwei Hss. aus dem frühen 9. Jh. Berlin, SB 269 aus Flavigny im nördlichen Burgund, s. jetzt W. Kaiser, Die Epitome luliani (Frankfurt am Main im Druck) Abschn. 1; u. Paris, BN 4418, Siems 322 f.; die Novellensumme De ordine ecclesiastico wohl aus dem fränkischen Gallien, s. näher Kaiser aaO.; die Kapitulariensammlung des Ansegis um 825, Siems 323 u. 442; und Hinkmar von Reims, Siems 323. 63 Siems 321 f. 58 59

1. Außerhalb Galliens entstandene Texte

103

7. Theodosianische Novellen Von der ältesten westlichen Sammlung theodosianischer Novellen, die grundlegend war und in Italien entstanden ist,64 gibt es fünf Spuren für ein Interesse in Gallien, drei aus dem 6. 65 und wohl zwei aus dem 9. Jh. 66 8. Institutionen des Gajus Drei oder vier Belege haben wir von den Institutionen des Gajus: um 300,67 im früheren 5.,68 frühen 6.,69 nicht jedoch im frühen 7. Jh. bei Isidor,70 der von seinem Schatz keinen Gebrauch gemacht hätte,71 zur selben Zeit jedoch möglicherweise im Testament der Ermentrude in Lagny bei Paris. 72 Außerhalb Galliens bietet Italien sieben Belege zwischen etwa 400 und 520,73 und der Osten zehn zwischen etwa 200 und 533 n. Chr. 74

64 Liebs,

Italien 188-90. Der Novellenteil der LRV beruht auf ihr, Meyer XVII u. XXXI-XLII. Die RB schöpfte aus ihr, Meyer LVII f. Und die gleichfalls in Gallien entstandene zweite bzw., zählt man mit Meyer den Novellenteil der LRV als zweite, dritte Sammlung theodosianischer Novellen beruht gleichfalls auf ihr, Meyer XVII-XXIV u. XLIII-LIV. 66 Die einzige vollständige Handschrift der ersten Sammlung, Rom, Vat. 7277, wurde in Gallien im 9. Jh. hergestellt, Meyer XXV-XXVIII (S. XIII hatte es freilich Anfang 10. Jh. geheißen); ebenso scheinen die verlorenen Bruchstücke des Cujas aus einer anderen Hs. dieser Sammlung (Meyer XXVIII-XXX) aus dem 9. wenn nicht 8. Jh. in Gallien zu stammen. 67 Der Gajus von Autun, s. unten Kap. 3 Nr. 1. 68 Die in die LRV übernommene Gajusepitome, aus Rechtsunterricht an Hand der Gajanischen Institutionen hervorgegangen, s. unten Kap. 3 Nr. 4. 69 Die RB hat sie verwertet, ausdrücklich 5, 1 (s. Gai 3, 225); 10, I (3, 7); u. 12, 1 (das Zitat ans Ende von 2 verrutscht, s. Gai 3, 188 u. 192); und stillschweigend 8, 5, (s. Gai 3, 209); 10,6-9 (s. Gai 3, 8-16); 36, 1 f. (s. Gai 1, 155 f.); 45, 3 f. (s. Gai 2, 109). Vielleicht geht auch Hec ita do, ita lego ... im Testament des Hl. Remigius von Reims (t 533, MGH SRM III 339) aufGai. 2,104 zurück, allenfalls auf UR 20,9, s. sofort Fn. 84. 7oIsidor, Versus 15 bzw. 14, vgl. unten Kap. 4 Nr. 8. 71 H. L. W. Nelson, Überlieferung, Aufbau und Stil von Gai institutiones (Leiden 1981) 148-63, bes. 156-61. 72 ZuletztH. Siems, SZ 103 (1986) 412 f., sofern die Testamentsklausel nicht auf UR 20, 9 (s. sofort bei Fn. 84) oder eine nicht selbst überlieferte Testamentsformel zurückgeht, die ihrerseits insoweit auf Gajus oder UR beruhen würde. Diese oder das Testament der Ermentrude mag auch die entsprechende Klausel im Testament des Sohnes der Idda um 690 veranlasst haben, zitiert bei Siems Fn. 10. Zur Datierung des der ErmentrudeJ.-P. Laporte, Francia 14 (1987) 374-77. 73 Servius zu Vergils Georgica 3, 306; Coll. 16, 2; das Zitiergesetz Valentinians m. vom 7. Nov. 426 CTh 1,4,3, wo hauptsächlich die Institutionen gemeint sein werden, ergangen in Ravenna.und gerichtet nach Rom; PS.-Asconius zu Ciceros Verrinen 2, I, 6S

104

Zweites Kapitel: Verfiigbarkeit der römischen Rechtstexte bis zum 9. Jh.

9. Papinians Responsen 10. Pauls Responsen Drei- bzw. zweimal begegnen Papinians und Pauls Responsen, nämlich im 5. und 6. bzw. 7. Jh. 75 Beide Werke waren auch außerhalb Galliens nicht selten. Das des Paulus ist im Westen noch sechs- und im Osten viermal bezeugt/6 und Papinians zwölf- und achtmal,77 alles zwischen 200 und 530.

26 = S. 231 Z. 4-7 (aus Gai. 4, 15) der Ausg. Stangl; die Veronenser Handschrift, BC 13 aus dem 5. oder frühen 6. Jh. (CLA IV 488; H. L. W. Nelson u. U. Manthe, Gai Institutiones III 1-87 [Berlin 1992] 1-8); u. Boethius zu Ciceros Topica 3, 28 = S. 322 d. Ausg. Orelli/Baiter. 74 Aus Ägypten haben wir das Londoner Frg. (um 200, R. Seider, Paläographie der lat. Papyri 11 2 [Stuttgart 1981] 46) P. Oxy. 2103, CLA Suppl. 1716; und das Florentiner (um 500) PSI 1182, CLA III 292. Aus Konstantinopel Ps.-Philoxenus (vermutlich dort, um 500), A. F. Rudorff, Abh. Kgl. Ak. d. Wiss. Berlin 1865 phil.-hist. K!. (Berlin 1866) 323-66; u. G. Goetz, RE VII 1 (1910) 1439,53 f.; Tribonians Bericht über den vOljustinianischen Rechtsunterricht dort (D. const. Omnem § 1); Priscian inst. 6, 96 (Nelson aaO. 163 f. bezweifelt direkte Benutzung und denkt an Vermittlung durch ein grammatisches Werk oder ein Glossar); Theophilus; die Digesten-; und die Institutionenkommission. Aus Beirut schließlich wiederum Tribonians Bericht über den vOljustinianischen Rechtsunterricht dort (D. const. Omnem § 1) und die Vertrautheit des Mitglieds der Institutionenkommission Dorotheus mit dem Werk. 75 Papinians Responsen lagen wohl dem Scholiasten zu Frg. Vat. 5 vor und werden als sein verbreitetstes Werk von IT 1,4, 3 (wie S. 4 zeigt, voralarizianisch; erst S. 5 ist alarizianische Zutat) jedenfalls mitgemeint sein. Außerdem enthält das Breviar am Schluss ein kurzes Fragment aus Buch 1. Und Pauls Responsen sind vom Scholiasten zu Frg. Vat. !O8 benutzt und IT 3, 13, 2 u. 3, 16, 2 zitiert. Isidor, Etym. 5, 14, dagegen zitiert sie nur danach, d. h. nach dem Breviar, s. unten Kap. 4 Nr. 8 76 Im Westen zitiert von Modestin (D. 26, 6, 2 § 5, wenn auch rur den Osten bestimmt), Gordian III. (CJ 5, 4,6, wenn der Kaiser auch sechs Wochen vorher in Ägypten bezeugt ist, P. Tebt. 285), stillschweigend verwertet vom Sentenzenverfasser (Liebs, Africa 53-55), exzerpiert in den Frg. Vat. (69 u. 94-118; auch 113 könnte aus diesem Werk stammen) und der Col!. (10, 9) und wieder stillschweigend vom Edictum Theoderici ausgebeutet. Osten: SS 4 u. 31; Tribonians Bericht über den vorjustinianischen Rechtsunterricht sowohl in Beirut als auch in Konstantinopel (D. const. Omnem §§ 1 u. 5) und die Digestenkommission. 77 Im Westen zitiert und notiert von Paulus und Ulpian, zitiert von Marcian (s. Lenel, Pa!. I 881-946), Gordian III. (CJ 6, 37, 12), Decius (CJ 7, 32, 3), stillschweigend verwertet vom Sentenzenverfasser (Liebs, Africa 44-47) und Hermogenian (Liebs, Hermog. 80-82), hochgeschätzt von Konstantin (CTh 9, 43, 1 u. 1,4, I), exzerpiert in den Frg. Vat. (2-17, 64a-66, 121 f., 250-65, 294, 296, 327-33) und der Coll. (4,5), hochgeschätzt von Valentinian IIl. (CTh 1,4,3) und zitiert in den alten Summarien zum CTh (zu 9, 23, 1). Im Osten zitiert von Numerian (CJ 6, 42, 16), Diokletian (CJ 5, 71, 14, von ihm auch stillschweigend verwertet, Liebs, SZ 100 [1983] 505 u. Fn. 149) und Justinian (CJ 6, 42, 30), Grundlage des vorjustinianischen Rechtsunterrichts im dritten Studienjahr in Beirut und Konstantinopel (D. const. Omnem §§ 1 u. 4), in Ägypten um 500 verwendet

I. Außerhalb Galliens entstandene Texte

105

11. Fragmenta Vaticana Bis zu dreimal bezeugt sind die Fragmenta Vaticana, wenn nämlich, wie wahrscheinlich, die Ergänzungen aus dem späten 4. Jh. in Lyon angebracht wurden, die Scholien hier kurz nach 400 entstanden sind und ebenso unsere Handschrift im frühen 5. Jh.,78 während die erste Fassung um 320 in Rom entstanden war; mit Schrumpfung dieser drei Befassungen zu einer einzigen Beschäftigung mit dem Werk, bei der alle drei Arbeiten erledigt wurden, muss gerechnet werden.

12. Stemma agnationis Zwei- bis dreimal findet sich das wohl schon aus dem 2. Jh. stammende Schema der Verwandten in männlicher Linie, das sog. Stemma agnationis, während die Stemmata cognationum Teil des Breviars (dazu unten Nr. 23) waren. Wir haben jenes in vier Handschriften des gekürzten bzw. epitomierten Breviars aus dem 9., deren zwei im 16. Jh. französischen Humanisten gehörten. 79

13. Collatio Die Collatio, um 400 in Rom entstanden,80 ist in Gallien dreimal im 9. Jh. bezeugt81 und zur selben Zeit einmal in Oberitalien (Rom oder Umgebung?).82

(pariser und Berliner Frgg.) und exzerpiert von der Digesten- und von der Institutionenkommission. 78 Rom, Vat. 5766 u. dazu Liebs, Italien 161 f. u. 151 f.; s. a. CLA I 45. 79 Paris, BN 4410 (wozu auch B!. 68 von 4406 gehört), einst Aymar Ranconet gehörig, und 4412, einst de Thou (zu beiden Mommsen XCVIII); Leiden, UB 114 mit der Epitome Aegidii (sofort Nr. 24), stammt wohl aus Bourges (Mordek 502-07); u. Rom, Vat. reg. 1023 aus Nordostfrankreich, Mordek 842-44. Zu dem Text Liebs, HLL IV § 419.9. Zu den Kognationsschemata in Gallien Schad! (0. Ein!. Fn. 20) 25-39 u. 42 f. 80 Liebs, Italien 162-74. 81 Durch die Hs. Berlin, SB 269, s. Kaiser (0. Fn. 62); bei Hinkmar von Reims, De divortio Lotharii (860 n. Chr.), Interrog. 12 resp. g. A.; u. durch einen Nachtrag von nicht viel späterer Hand mit dem Anfang von Col!. 10 in der Handschrift von Beauvais der LRV aus dem 9. Jh., jetzt Paris, BN 9652. 82 Die Wiener, einst Salzburger Hs. (ÖNB 2160) aus dem dritten Viertel des 9. Jhs., Kaiser (0. Fn. 62). Die Hs. Vercelli, BC 122, datiert Kaiser dagegen ins frühe 11. Jh.

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Zweites Kapitel: Verfügbarkeit der römischen Rechtstexte bis zum 9. Jh.

14. Pauls De gradibus 15. Pseudo-Ulpians Regularum liber singularis 16. Modestins Regulae 17. Modestins Differentiae 18. Die alten Summarien zum Theodosianus Von weiteren fiinf Werken hören wir nur ein einziges Mal, wenn das auch nicht bedeuten muss, dass sie durchweg unwichtig gewesen wären. Es handelt sich um Pauls Kurzmonografie über die Verwandtschaftsgrade, 83 PseudoVlpians kurzen Regularum fiber singufaris,84 Modestins Regufae,85 seine DifJerentiae86 und die alten Summarien zum Theodosianus. 87 18a. Ulpians De offlcio proconsulis 18b. Ulpians Ediktkommentar 18c. Ulpians Sabinuskommentar 18d. Pauls Ediktkommentar Von Vlpian selbst ist kein Werk dabei, doch kann das Überlieferungszufall sein. Die Interpretatio zum Zitiergesetz88 geht von Präsenz Ulpians in Gallien 83 Sofern der von 1. Cujas, Observat. 6,40 (zuerst 1564) genannte vir fide dignus eine alte Hs. aus Gallien hatte, die wirklich nicht von der Digestenüberlieferung abhing. 84 In einer Sammelhandschrift zwischen glossiertem Breviar und Germanengesetzen enthalten, die um 900 im Kloster Fleury entstand, jetzt Rom, Vat. reg. 1128 BI. 190v202; s. a. ob. Fnn. 69 u. 72. Sonst hatte den liber singularis im Westen der Sentenzenverfasser verwertet (Liebs, Africa 75 f.) und die Coll. exzerpiert (2,2; 6,2 u. 16,4) und im Osten Iustinian (D. 22, 5, 17 u. 44, 7, 25). 8S In Gallien kommen sie einmal vor: in der von P. Krüger, Collectio 11 161, genannten, von Mommsen LXXIX f. (s. bes. LXXX Nr. 6) beschriebenen, verlorenen angereicherten Breviar-Hs. von Pierre Pithou d. Ä. Im Westen hat vielleicht auch Hermogenian die Regulae stillschweigend verwertet (Liebs, Hermog. 48), im Osten sind sie auf einem ägyptischen Papyrus des 4. oder 5. Jh. (P. Berl. inv. 16976v [CLA Suppl. 1783] Z. 52 f.) zitiert, ebenso SS 35 und in den Digesten exzerpiert. 86 Einschub in der verschollenen Handschrift von Barthius der Differentiae von Isidor von Sevilla, PL 83, 30 f., von C. Codoiier nicht in die Edition (Paris 1992) aufgenommen, nicht einmal erwähnt, s. S. 278 f. zu 1, 434 (200); ob das Zitat von Isidor selbst stammt, ist in diesem Zusammenhang gleichgültig. Im Westen wurden die Differentiae vom Sentenzenverfasser stillschweigend verwertet (Liebs, Africa 78 f.) und in der Coll. exzerpiert (1, 12 u. 10,2); im Osten in den Digesten, und zitiert SS 12. 87 Die einzige sie bezeugende Hs. Rom, Vat. reg. 886, s. CLA I 110, aus dem 5. oder 6. Jh. stammt eher aus Gallien als Italien, Mommsen XL VI; Lowe, CLA I 110; ders., Palaeographical papers 11 (Oxford 1972) 467 Fn. 2 (zuerst 1961); Seider (0. Fn. 74) 89; u. A. J. B. Sirks, Summaria antiqua codicis Theodosiani (Amsterdam 1996) IX; unentschieden noch ders., SZ 113 (1996) 244-47. 88 CTh 1,4,3.

I. Außerhalb Galliens entstandene Texte

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aus; und diese Präsenz wird sich schwerlich auf den Regularum liber singularis Pseudo-Ulpians (oben Nr. 15), der ja für Ulpianisch gehalten wurde, beschränkt haben. Zumindest De officio proconsulis müsste eigentlich in Nlmes, Lyon, Trier und später Arles und Narbonne präsent gewesen sein; wir haben von diesem Werk aus Italien vier Bezeugungen,89 zwischen 220 und 400, aus Africa eine90 (um 300) und aus dem Osten sieben91 zwischen 300 und 530. Ähnlich weit verbreitet waren Ulpians Ediktkommentar (sieben östliche und tUnf westliche Bezeugungen zwischen 300 und 530)92 und sein Sabinuskommentar (sechs und vier),93 wenn beide Werke auch rur Gallien möglicherweise zu aufwendig waren. Das gleiche gilt für Pauls großen Ediktkommentar (zusammen sechs Bezeugungen zwischen 300 und 530)94.

89 Zitiert von Modestin (D. 27, 1,6 § 6), stillschweigend verwertet von Hennogenian (Liebs, Hennog. 71-73) und exzerpiert in den Frg. Vat. (119) und der Coll. (1, 3 u. 6 u. 11; 3, 3; 7, 4; 8, 7; 9, 2; 11,7 f.; 12,5; 13,3; 14,3; 15,2). 90 Stillschweigend in den Sentenzen verwertet, Liebs, Africa 71-74. 91 Um 300 zitiert im Schreiben eines Prokonsuln von Asia an die Stadt Ephesus (AE 1966,436 = IK 12,217), von Laktanz, damals in Nikomedia (div. inst. 5,11,18 f.), grob um 500 wohl in Konstantinopel von Ps.-Philoxenus (Corp. Gloss. Lat. II 9, 20; 14, 48; 18,52; 19, 1; 22, 29; 28, 53; 40, 46; 42, 8, vg!. G. Goetz, RE VII 1 [1910] 14390, im 5. Jh. in Beirut von Eudoxius und Patricius (beide bei Thaleläus zu CJ 2, 11, 4 = Bas. 21, 3, 4) und im frühen 6. dort von Thaleläus selbst, schließlich damals in Konstantinopel von der Digestenkommission exzerpiert. 92 Aus dem Osten haben wir Frgg. von vier Hss. aus Ägypten, 4. und 5. Jh., jetzt in Oxford (P. Antin. 22), Berlin (Frg. de iudiciis, Collectio III 298 f., CLA VIII 1033), Florenz (PSI 1449, CLA Supp!. 1697) und Manchester (p. Ry!. 474, CLA Supp!. 1722), um 450 das Zitat SS 35 und im frühen 6. Jh. bei Priscian (inst. 3,21), bei Justinian (CJ 4,5, 10) und die Digestenexzerpte. Aus dem Westen stillschweigende Verwertung durch den Sentenzenverfasser (Liebs, Africa 55-62) und Hennogenian (Liebs, Hennog. 55-61), Exzerpte der Frg. Vat. (120,266 u. 318, vielleicht auch 317, 320-24, 334b, 335 u. 341), der Coll. (2,4; 7, 3; 12, 7) und ein Zitat bei Pacatus contra Porphyrium, wohl 5. Jh., hg. P. Krüger, Collectio II 160. 93 Osten: aus dem 5. Jh. Zitate in der Collectio definitionum (PSI 1348, nicht in CLA) und den Kommentar der Sinaischolien und im frühen 6. Zitate bei Priscian (inst. 10, 13) und Justinian (CJ 3, 33, 17; 5,4,25; 6, 24, 14; 6, 25, 10; 6, 40, 3), die Digestenexzerpte und die Erinnerung an zwei Auflagen (CJ const. Cordi § 2). Westen: stillschweigende Auswertungen in den Sentenzen (Liebs, Africa 63-70) und durch Hennogenian (Liebs, Hennog. 61-68), Exzerpte der Frg. Vat. (59-64; 70-72; 74-89; 269) und eine Vertrautheit verratende Anspielung in der Historia Augusta (He!. 16, 2 f. u. dazu Liebs, Bonner Historia-Augusta-Colloquium 1984/85 [Bonn 1987] 176-78). 94 Stillschweigend verwertet in den Sentenzen (Liebs, Africa 48-51) und von Hennogenian (Liebs, Hennog. 51-55), exzerpiert in den Frg. Vat. (298-309 und vielleicht 319), der Coll. (2, 5 f., s. Liebs, HLL IV § 423 W. 13) und den Digesten; schließlich haben wir ein Frg. einer Hs. aus Ägypten, 4. Jh. (P. Grenf. II 107).

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Zweites Kapitel: Verrugbarkeit der römischen Rechtstexte bis zum 9. Jh.

19. und 20. Justinians Institutionen und Digesten Justinians Institutionen sind im 7. Jh. in der Collectio Gaudenziana epitomiert, die der Provence zugewiesen wird;95 außerdem zusammen mit den Pandekten im Berliner Digestenfragment, gleichfalls im frühen 9. Jh. in Flavigny, also im nördlichen Burgund anzusetzen ist, hergestellt (wohl zu Unterrichtszwecken) aus einer östlichen Vorlage. 96

21. Anonymus, De gradibus Der anonym unter Übersichten zur Verwaltungsgeografie, darunter der Notitia dignitatum, überlieferte, aber wohl einer Juristenschrift des 3. oder auch 2. Jhs. entnommene kurze Traktat De gradibus über die ersten sechs Verwandschaftsgrade ist nur durch eine seit 1600 verschollene, um 1500 Speyrer Sammelhandschrift des 9. oder 10. Jhs. auf uns gekommen, die eine um 825 von einem karolingischen Gelehrten wohl zur Belehrung der staatstragenden Jugend hergestellte Zusammenstellung hauptsächlich verwaltungsgeografischer Texte wiedergibt. 97 22. Mäcians Assis distributio Auch wenn sie im weltlichen Rechtswesen keine große Rolle spielte, ist hier Mäcians metrologische Gelegenheitsarbeit Assis distributio zu buchen, die wir erst durch zwei westdeutsche Handschriften des 10. Jhs. kennen,98 was auf Präsenz auch vorher schließen lässt.

Conrat 166-68 u. Siems 182 f. Kaiser (0. Fn. 62). Zu den Digesten s. a. unten Kap. 4 Nr. 9 97 Dazu zuletzt G. Purpura, Sulle origine della Notitia dignitatum, Annali del Seminario Giuridico della Universita di Palermo 42 (1992) 471-73. 98 Paris, BN 8680, eine Sammelhandschrift u.a. metrologischer Texte, desgleichen Rom, Vat. 3852, ehemals Lorsch, jener sehr ähnlich, s. Th. Mommsen, Abh. Kgl. Sächs. Ges. d. Wiss. 3 (Leipzig 1857) 285-87. Irrig die Angabe bei Dolezalek II unter Paris, BN 9643, diese CTh-Hs. mit B. 6-8 wohl aus dem 6. Jh. (CLA V 591) enthalte auch Mäcians Werk. 95

96

II. In Gallien entstandene Texte

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22a. Pauls Institutionen Irrefiihrend ist das Zitat von Pauls Institutionen bei Theoderich von Chartres. 99 Er schrieb im 12. Jh.,100 und damals nannte auch Wilhelm von Malmesbury den Sentenzenauszug des Breviars libros Institutionum (Gaii et) Pauli Jurisconsultorum. lol Wir werden es, wofiir auch der Inhalt spricht, mit verlorenen oder umgeformten Sentenzen aus der Breviarüberlieferung, allenfalls umgeformten Digestenstellen zu tun haben, zitiert Theoderich doch auch Ulpian, ohne anzugeben, dass er aus den Digesten schöpft. 102

11. In Gallien entstandene Texte Hinzu kommt nun freilich einiges auf gallischem Boden Entstandene, zusammen noch einmal rund 26 Texte, vom bescheidensten Machwerk bis zum würdigen Gesetzbuch. 23. Breviar Allen voran steht das Breviar, das überhaupt die gallische Szene bis ins 11. Jh. beherrscht. Wir haben bis zum 9. Jh. 20 meist mehr oder minder fragmentarische Handschriften des vollständigen Breviars zur Verfiigung,103 17 kürzende, 99 Krüger, Collectio I1I297; J. Baviera, FIRA II 421 f.; u. danach Schulz (0. Einl. Fn. 16) 208; u. F. Wieacker, Textstufen klassischer Juristen (Göttingen 1960) 150 bei Fn. 117 mit unzutreffender Datierung. 100 Neue Ausgabe: K. M Fredborg, The Latin rhetorical commentaries by Thierry of Chartres (Toronto 1988); unsere Stelle S. 185 f. 101 Zitiert bei Conrat 232 Fn. 6; u. schon Hänel LVI Fn. 120; vollständig PL 179. 102 S. 275 der Ausg. Fredborg zu Rhet. Her. 3, 3. - Skeptisch zu dieser meiner, in: HLL IV 161 u. Fn. 24, noch nicht belegten Annahme H.-D. Spengler, in: Iurisprudentia universalis. Festschr. Th. Mayer-Maly (Köln 2002) 735 f. 103 6. Jh. Paris, BN 12161 aus Corbie unter Hieronymus u. Gennadius (frühestens spätes 7. Jh., CLA V 625) S. 65 f., 71-74, 79 f., 87-90; Le6n, BC 15 aus Spanien unter Rutin (9. Jh, CLA XI 1637); 6./7. Jh. Berlin, SB Phillipps 1761 aus Lyon (CLA VIII 1064); 1. Hälfte 7. Jh. Löwen, UB Frg. H. Omont 2 AlB (M. McCormick, Bulletin of medieval canon law n. s. 6 [1976] 1-13); 7. Jh. München, SB 22501 aus Gallien (CLA IX 1324); Mitte 8. Jh. Paris, BN n. acq. 2389 BI. 39-41 aus Corbie (CLA Suppl. 1752, Fragmente einer vollständigen Ausgabe); um 800 Paris, BN 4403 aus Gallien; u. Stuttgart, Hauptstaatsarchiv, Fonds Klosterarchiv Rot, aus Chur (K. 0. Müller, ZRGG 57 [1937] 429-42; A. Di/ger-Fischer, Alemann. Jahrb. 1956,266-72, z. T. wirr; CLA IX 1362); frühes 9. Jh. Montpellier, UB med. H 84 aus Burgund (CLA VI 793); u. Paris, BN 4404 (Mordek 456-63) BI. I V-178 wohl aus Tours mit Germanengesetzen u. Kapitularien; 9. Jh. Rom, Vat. Ottob. 2225 aus Gallien; Erben des Marquis de Rosanbeau, BibI. de Rosny, Signatur unbekannt, mit Paris, BN 4406 BI. 1-56, einst beisammen bei P.

110

Zweites Kapitel: Verfiigbarkeit der römischen Rechtstexte bis zum 9. Jh.

d. h. den Grundtext durch Interpretationen, soweit vorhanden, ersetzende Handschriften 104 und zweimal Exzerpte,105 zudem neun Epitomen in zusammen 25 älteren Handschriften (s. sofort). Insgesamt sind das 39 bzw. 64 ältere Textzeugen,l06 fast alle gallischer Herkunft. Wenn Theodosianus, Paulussentenzen und Gregorianus ~aneben relativ häufig bezeugt sind, dann auch deshalb, weil sie auszugsweise im Breviar enthalten sind und eines Tages Supplierung seiner Hauptbestandteile angezeigt war; das Breviar hielt das Interesse an ihnen wach. Schließlich hat Isidor von Sevilla das Breviar offenbar benutzt (unten Kap. 4

Nr.8).

Pithou, Mommsen LXVIII-LXX; Paris, BN 4406 BI. 57 f. (vorher De gradibus cognationum, BI. 59 u. 57r Z. 1-3), gleichfalls aus dem Besitz von P. Pithou (Augsburg, UB I 2 Folio 4, erst 10. Jh.); 2. Hälfte 9. Jh. Rom, Vat. reg. 1023 aus Nordostfrankreich (Mordek 842-44) BI. 1v -l32;. ausgeh. 9. Jh. Paris, BN 4405 aus Frankreich BI. 1-24 u. 34238 r (BI. 25-33 stammt aus einer andern Hs., enthält gleichfalls Explanationes titulorum der LRV); 9.110. Jh. Ivrea, BC 17fXXXV u. 18/XXXVI; Paris, BN 4412 BI. 127 f. wohl auch aus Frankreich mit RB (BI. 129-34); ausgeh. 9.1Anfang 10. Jh. Lyon, BM 375 (früher 303) aus Lyon, BI. 1-125, s. Hänel XLVIII f. (Nr. 10); Mommsen LXXIX u. CXXXVII, unrichtig insoweit Dolezalek; u. Rom, Vat. reg. 1128 BI. 1-190v aus F1eury mit Germanengesetzen, Ulpianepitome und Notae iuris: um 900, s. Fritz Schulz, Die Epitome U1piani (Bonn 1926) 5. 104 Mitte 8. Jh. Paris, BN 4403A aus Gallien (CLA V 556) ab BI. 29; um 800 Paris, BN 4415 BI. 1-110 (Abschrift eines 782 geschriebenen Texts aus dem späten 8. oder 9. Jh.) wohl aus Gallien; 1. Drittel 9. Jh. Montpellier, UB med. H l36 (Mordek 276-80) aus Gallien BI. 1-156r ; 2. Viertel 9. Jh. Paris, BN 9653 aus Burgund (Mordek 560-62) BI. 38-160; 833 n. Chr. (oder spätere Abschrift?) Paris, BN 4413 BI. 1v -197 r mit Schreibernotiz: aus Bayeux; Mitte 9. Jh. Rom, Vat. reg. 1050 (Mordek 847-52) aus Frankreich BI. 14v8_118 v8 ; 9. Jh. Mailand, BA C. 276 info aus Avignon; Bern, Burgerbibliothek ms. Lat. 263 wohl aus Frankreich; Paris, BN 4408 (BI. 1_11 v Z. 1-15: Isidor, Etym. 5,1-27); ebd. 4410 mit 4406 BI. 68 aus Frankreich; ebd. 4411; ebd. 4412 BI. 8-126; 1.-2. Viertel 9. Jh. Warschau, UB 1 (früher 480) aus Tours (Mordek 898-903); U. Berlin, SB qu. 150 (z. Zt. Krakau) wohl gleichfalls Tours (s. Mordek 423 U. Hänel LXX f. Nr. 37); ausgeh. 9. Jh. Paris, BN 4409 aus Nordfrankreich (Mordek 463-66) BI. 1Ov_120r; U. 9652 mit (zwischen BI. 96 U. 97 einzuordnen) 4406 BI. 60-67 aus Frankreich; U. 9.110. Jh. Rom, Vat. reg. 857 auch aus Frankreich. 105 8.19. Jh. Berlin, SB Folio 270 (CLA VIII 1049) aus Gallien BI. 14-16 mit Isidor etym. 5, 1-27 (Berlin 636 aus ders. Hs.), S. Mommsen CII; U. 9./10. Jh. Paris, BN 4697 aus Frankreich BI. 1-46, S. Conrat 221. 106 Einen Überblick über die sonstigen Zeugen gibt A. von Wretschko, De usu Breviarii A1ariciani forensi et scho1astico per Hispaniam, Galliam, Italiam regionesque vicinas, bei Mommsen CCCVII-CCCLXXVII. Hinzufügen könnte man 0. Hageneder, in: Festsehr. F. Kempf, hg. H. Mordek (Sigmaringen 1983) 55-79, zu Kar1s Bestrafung der Attentäter Leos III. in Rom 800/801, offenbar aufgrund des Breviars.

11. In Gallien entstandene Texte

111

24. Epitome Aegidii Nach dem 6. Jh. interessierten unter den verkürzenden Bearbeitungen des Breviars, den Epitomen, an erster Stelle die Epitome Aegidii, die in 14 älteren, z. T. fragmentarischen Handschriften erhalten ist; sechs davon stammen aus dem in den 820er und 30er Jahren in Tours fiir Ludwig den Frommen arbeitenden Skriptorium, das Bernhard Bischoff ausgemacht, Rosamond McKitterick analysiert hat und aus dem wohl 15 juristische Sammelhandschriften, manche nur bruchstückhaft, auf uns gekommen sind. 107 Außerdem ist diese Epitome in acht jüngeren Handschriften überliefert. 108

25. Die sog. Lex Romana Curiensis Vier Handschriften aus dem 9. Jh. haben wir von der in Chur-Rätien wohl im frühen 8. Jh. gefertigten Bearbeitung des Breviars, der sog. Lex Romana Curiensis. 109 107 B. Bischoff, Paläographie d. röm. Altertums u. d. abendländ. Mittelalters (2. Aufl. Berlin 1986 [I. 1979]) 267 f.; u. R. McKitterick, MIÖG 101 (1993) 3-16. Mordek 27680 u. 482-85 rechnet versuchsweise auch Montpellier, UB m6d. H 136, u. Paris, BN 4627, dazu. Die Ep. Aeg. enthalten: Rom, Vat. reg. 846 (Mordek 830-33) BI. I V--67 v ; St. Gallen, Stiftsb. 729 (Mordek 668-70) S. 1-260; Paris, BN 4416; ebenda n. a. 204 (Mordek 621-24) BI. 78-94; Rom, Vat. reg. 852 BI. 7-99; u. 991 (nach Mordek 838-41, vielleicht auch aus einem Aachener Skriptorium des Königs) BI. 107v--67 v • Ferner aus dieser Zeit St. Paul im Lavanttal (Kärnten), Archiv d. Benediktinerstifts 4/1 aus Oberitalien (Mordek 685-95) BI. 116vb_34 vb ; Leiden, UB 114 (mit Paris, BN 4629) wohl aus Bourges (Mordek 502 - 07) BI. 9-88; u. Paris, BN 4418 wohl aus Aachen (s. Mordek 423 unten u. 1031 f.) BI. 1-37'; 4. Viertel 9. Jh. Leiden, UB Voss. qu. 119 aus der Gegend von Paris (Mordek 210-17) BI. 12'-24'; Ende 9. Jh. Paris, BN 4409 aus Nordfrankreich (Mordek 463-66) BI. 144v-83; Mailand, BA A. 46 info aus Reims (Mordek 233-40) BI. 152-56' (Auszug); U. Paris, BN 4417 vielleicht aus Burgund (Mordek 466-69) BI. I V-70. Wohl schon aus dem 8./9. Jh. stammen die Fragmente von Paris, BN n. a. 2318 BI. I; nach M. Conrat, NA 32 (1907) 773, allerdings mögen sie von einer Hand des 10. Jh. sein. 108 Anfang 10. Jh. Paris, BN 4633 (andere Teile in London, S. Mordek 226--31) aus Nordostfrankreich (Corbie?) BI. 44v_99 v ; 10. Jh. Leiden, UB 191; Ende 10. Jh. London, BL add. 47676 aus Unteritalien; 10./11. Jh. Paris, BN 4626 aus Burgund (Mordek 47782) BI. 50v -106'; ebenso oder I. Hälfte 11. Jh. Stuttgart, Württ. LB iur. qu. 134 aus Alemannien (St. Gallen?, Mordek 724-28) BI. 137'--60' U. 162v--63' (Auszug); damit verwandt 11. Jh. München, SB 4460 aus Süddeutschland (Mordek 308-12) BI. 96--10I v ; 12.113. Jh. Paris, BN 4696 BI. 1-24 U. 69 v-85; U. 1520/30 Basel, UB C III I Abschrift einer alten Murbacher Hs. BI. 29-33' (nur Anfang). 109 Auch Epitome Sancti GaUi, Utinensis oder Canciani genannt: um 800 st. Gallen, Stiftsb. 722 S. 19-247 aus Chur (CLA VII 946, Mordek 660-64); I. Drittel 9. Jh. Leipzig, UB 3493/94 aus Verona (zu dieser Hs. Siems 324 f. U. Mordek 661) BI. 95-105;

112

Zweites Kapitel: Verfügbarkeit der römischen Rechtstexte bis zum 9. Jh.

26. Epitome monachi

Zwei ältere Handschriften haben wir von der Epitome monachi aus dem 8. und 9. Jh.; die eine stammt vermutlich aus Burgund und die andere aus dem gleichfalls burgundischen Luxeuil. 110 In der einen folgen theodosianische und vor allem justinianische Novellenauszüge, in der andern pactus legis Salicae. 27. Epitome Lugdunensis

Die Epitome Lugdunensis ist erhalten in einer Handschrift in Lyon, III eingeschaltet in eine Breviarhandschrift aus dem zweiten Viertel des 9. Jhs., außerdem mit Glossen. Es folgt aus dem 11. Jh. der Anfang der Lex Salica, d. h. ursprünglich enthielt die Handschrift nur das Breviar, aber ungewöhnlich reich ausgestattet mit Summen, Parafrasen und mannigfachen Glossen, die in das Werk einfiihrten und es erschlossen (unten Kap. 3 Nr. 20 f. u. 27). 28. Epitome Guelferbitana

Die Epitome Guelferbitana ist benannt nach der sie überliefernden Handschrift aus dem späteren 8. Jh., jetzt in Wolfenbüttel,1l2 aber aus Nord- oder Ostfrankreich stammend. Dort ist sie mit der ältesten Fassung (A) der Lex Salica verbunden, die ihr vorangeht.

Mitte 9. Jh. St. Gallen, Stiftsarchiv KI. Pfäfers XXX von dort; u. Bruchstück I. Drittel 9. Jh. Mailand, BA A. 220 info aus St. Denis (Mordek 240 f.). Zu diesem Werk Gaudemet 48-50; Meyer-Marthaler, zusammenfassend HRG II (1972) 1935-1940; A. Beck, Itinera iuris (Bern 1980) 359-485; Nehlsen-von Stryk 299-301,317-22; u. Siems 166, 194, 198200. 110 BerIin, SB Phillipps 1735, CLA VIII 1059: pre-Caroline minuseule, also frühes 8. Jh.; nicht stichhaltig Hänel LXXXII u. Fn. 357 für Corbie als Ursprungsort, V. Rose, Verzeichnis der lat. Hss. der königI. Bibliothek zu Berlin I (Berlin 1893) 351; u. CLA VIII 1059. Außerdem Paris, BN 4403B BI. 1-95 r , 8. Jh. BI. 1-7, der Rest 9., auch BI. 96 v-Ill mitpactus Salicae legis. Die dritte Hs., Paris, BN 4419, stammt schon aus dem 10. Jh.; hier folgt wieder Römischrechtliches: das caput de meretricibus et in/amis (aus CTh 9, 7, I?), !NT 15, I und die App. I zurLRV. Eine vierte, verschollene Hs. vennutet Hänel XXX. Zu diesem Werk Hänel XXIX f. u. LXXXII f.; Conrat 238-40; Mommsen CII; Gaudemet 46 f. u. 53 f.; u. Siems 182, 194 f., 198. 111 Lyon, BM 375 BI. 1-125 in den Breviartext eingeschaltet; zur Hs. G. Hänel, ZgR 8 (1835) 361-67; Hänel XLVIII f.; Mommsen LXXIX, CXXXVII, auch CXXXV; u. B. Bischoff, MGH LS IV 1 S. XXII. Ein Exzerpt findet sich in einer Sammlung des Florus von Lyon, Hs. Troyes, BM 1406, BI. 22 r Z. 20 bis 22 v Z. 1. Dazu W. Kaiser in seiner noch nicht gedruckten Habilitationsschrift § 16 I bei Fon. 78-80. 112 Herzog August Bibliothek, Weißenb. 97 (CLA IX 1395), BI. 37 v_87 r •

II. In Gallien entstandene Texte

113

29. Scintilla I (sog. Epitome Parisina) Durch eine einzige Handschrift aus der Mitte bis 2. Hälfte des 9. Jhs. überliefert l13 ist die sog. Epitome Parisina, die sich Scintilla (glimmende Glut) nannte. Die ehemals im Kloster St. Lomer in Blois befindliche Handschrift begann ursprünglich mit der Lex Salica nebst Kapitularien, weshalb die Hs. auch an der Loire entstanden sein wird. Dem römischrechtlichen Teil folgt, z. T. mit ihm verschränkt, die Lex Burgundionum, weshalb die Scintilla selbst in Burgund entstanden zu sein scheint. Es folgen andere Kapitularien, Lex Ribuaria und Lex Alamannorum.

30. ScintilIa n (Epitome der Fuldaer Handschrift) Die Epitome der Fuldaer Handschrift des ausgehenden 8. Jh. aus Angers ist vielleicht der Archetyp. Sie nannte sich wie die Pariser Scintilla, war nach Conrats Urteil aber ein Produkt, das an Barbarei nicht übertroffen werden kann. 114 Hänel hatte von einem Abdruck abgesehen; und auch sonst wurde sie bisher nicht herausgegeben. In der Fuldaer Handschrift folgen einzelne nachtheodosianische Novellen und die Formelsammlung von Angers aus dem Jahr 580 n. Chr. oder kurz danach mit Nachtrag gegen 600 (s. unten Kap. 3 Nr. 22). 31. Die Epitome der Sankt GaIlener Handschrift Eine in Sankt Gallen verwahrte Handschrift aus dem Jahr 793 115 repräsentiert eine ähnliche Bearbeitung des Breviars wie die Fuldaer, ist in Burgund, wohl Lyon entstanden und wurde ebenso wenig ediert. In der Handschrift folgen pactus legis Salicae und Lex Alamannorum.

113 Paris, BN 10753 aus Frankreich BI. 9-48; zu ihr Hänel XXVII u. LXXIX f.; Mommsen LXXXIX-XCII u. CI f.; Gaudemet 43 f. (alle drei fiir Entstehung der Hs. an der Loire); Mordek 581-85; u. Esders 56-63 (beide vorsichtig fiir Burgund). 114 Conrat 222, s. a. 145, 188 u. 194 f.; ferner Mommsen C. Es handelt sich um die Hs. Fulda, Hess. LB D 1 (CLA VIII 1199) BI. 1-133; dazu W. Bergmann, AfD 24 (1978) 5-9, bes. 7 Fn. 44; u. ders., Francia 9 (1982) 4-6. 115 St. Gallen, Stiftsb. 731 S. 1-230, CLA VII 950; dazu Conrat 222; Mommsen XCIX; C. Schott, in: Überlieferung und Gestaltung in der rechtsgeschichtl. Forschung Festschr. Ekkehard Kaufmann, hg. S. Buchholz u. a. (Paderborn 1993) 297-319; ders., Lex Alamannorum. Das Gesetz der Alemannen. Text - Übersetzung - Kommentar zum Faksimile aus der Wandalgarius-Handschrift Codex Sangallensis 731 (Augsburg 1993) 25-33; u. Mordek 670-76 m. weit. Lit. 8 Liebs

114

Zweites Kapitel: Verfügbarkeit der römischen Rechtstexte bis zum 9. Jh.

32. Die Breviarausgabe der Seldenschen Handschrift Die sog. Epitome codicis Seideni, genau genommen eine leicht gekürzte, jedoch auch aus supplierten Ausgaben, den Sinnondschen Konstitutionen und um Historisches angereicherte Ausgabe des Breviars, ist nur durch eine Handschrift des 12. Jh. ohne weitere Rechtstexte bezeugt,116 aber älteren Ursprungs. Auch sie wurde bisher nicht ediert.

33. Die älteren sog. Explanationes titulorum des Breviars 34. Die jüngeren Explanationes titulorum Spuren einer wissenschaftlichen Erschließung des westgotischen Römergesetzbuchs haben wir auch in der Gestalt von ausführlichen Inhaltsverzeichnissen, die sog. Explanationes titulorum; sie bereichern das dem Breviar vorangestellte Register der Titelrubriken um mehr oder minder ausführliche Inhaltsangaben. Der erste, ältere, knappe Typ fmdet sich in älteren Handschriften meist des vollständigen Breviars,1I7 während der zweite, jüngere Typ, wortreicher und sprachlich weniger technisch, in Handschriften des gekürzten Breviars oft vorkommt. 118

35. Älterer Glossenapparat zum Breviar Ein älterer Glossenapparat findet sich in zwei Handschriften allein mit dem gekürzten Breviar. Die eine l19 entstand 832 in BayeuxlNonnandie, die ande-

116 Oxford, Bodleian Library, SeIden B. 16, Bi. 138-227. Dazu Hänel XXX f. u. LVLVII (Nr. 19); Conrat 232 f. u. 630; u. Mommsen LXV-LXVII, LXXXVII f, XC f u. CXXXII f 117 So um 800 Paris, BN 4403 aus Gallien; frühes 9. Jh. 4404 wohl aus Tours; 9. Jh. 4406 Bi. 57 f.; ausgeh. 9. Jh. 4405 aus Frankreich; und 9. Jh. 4410 aus Frankreich: gekürztes Breviar. Die Liste ist unvollständig, s. Hänel XXIII u. Fn. 2. 118 Hänel nennt: um 800 Paris, BN 4415; frühes 9. Montpellier, VB med. H. 136 aus Troyes; Paris, BN 4413 aus Bayeux; 9. 4412; Bem, Burgerbibliothek ms. Lat. 263; ausgeh. 9. Paris, BN 4409: Epitome monachi. 119 Paris, BN 4413. Dazu Hänel LXV f., aber unangebracht skeptisch gegenüber dem Schlussvermerk: Ego Ragenardus clericus Esau rogante hunc fibrum scripsi sub tempore Chludowico imperatoris anno XVIIlI imperii sui et sub tempore Erimberto urbis Baiocas episcopo, Letifi et Johanni duos gemellis abbate et hujus provintie Humberto comite. Hoc primum fuit tune tempore pubertatis predicto Esau, s. J. Flach, Etudes critiques sur l'histoire du droit romain au moyen age (Paris 1890) 84 f. ; u. Mommsen XCVIII unten (S. LXXXV halb oben noch wie Hänel). Ludwigs 19. Regierungsjahr begann am 28. Jan. 832 und endete am 27. Jan. 833.

11. In Gallien entstandene Texte

115

re l20 im ausgehenden 9. Jh. wohl in Beauvais, wo sie einst dem Domkapitel gehört hatte. Gedruckt wurde bisher nur ein Bruchteil. I21 36. Jüngere Glossen zum Breviar Weitere Glossen sind in fiinfHandschriften wohl alle französischer Herkunft aus dem frühen 9. und 10. Jh. erhalten. 122 Die beiden ältesten Handschriften sind mit dem pactus legis Sa/icae verbunden, die zweitälteste auch mit der Tourer Formelsammlung und die drittälteste mit der Ulpianepitome und den Leges Burgundionum, Ripuaria, Sa/ica und Alamannorum. Dieser Apparat ist gleichfalls nur erst zum Teil gedruckt. 123 37. Summen zum Breviar In einer Berliner Handschrift aus dem 10. Jh. 124 wieder nur mit dem gekürzten Breviar nebst vier weiteren Majorianischen Novellen haben wir kurze Summen. Nach CTh 3, 8, I kommen sie nur noch vereinzelt vor. 125 38. und 39. Die sog. Appendices I und 11 zum Breviar Die bei den sog. Appendices zum Breviar, zwei Zusammenstellungen von Stellen aus Theodosianus, Gregorianus und Paulussentenzen zu Rechtsfragen offenbar je eines bestimmten Falls und beide wohl älter als das Breviar (unten Kap. 3 Nr. 8 f.), sind als Anhänge zu diesem in fünf älteren gallischen oder vermutlich gallischen Breviarhandschriften l26 bzw., die zweite, in drei davon l27 120 Paris, 121

462 f.

BN 9652 nebst 4406 BI. 60-67. Dazu Hänel LXVIII f.; u. Mommsen XCIX. Vor allem bei Conrat 240-50; s. vorher Flach (soeben Fn. 119) 157-66; u. Hänel

122 I. Hälfte 9. Jh. Montpellier, UB med. H 136 (s. o. Fn. 104 u. 107); ausgeh. 9. Jh. Paris, BN 4409 (s. o. Fn. 104 u. 107); um 900 Rom, Vat. reg. 1128 BI. 1-190 (s. o. Fn. 84 u. 103); 10. Jh. Paris, BN n. acq. 1631 BI. 98-101 (dazu Hänel L u. Mommsen LXXVIII f); u. Rom, Vat. reg. 1048 (dazu Hänel LXXII u. Mommsen XCVII f u. C). 123 HäneI459-61; s. a. Conrat 251. 124 Berlin, SB qu. 150, z. Zt. Krakau, Biblioteka JagiellOllska. 125 Hänel LXX f; Mommsen XCVI; Meyer LI; u. Conrat 252. 126 800 (?) Montpellier, UB med. H. 84 BI. 137-39, aus Burgund; um dieselbe Zeit Paris, BN 4403 BI. 207-09; 9. Jh. Berlin, SB 270 aus Frankreich, BI. 12, 13, 11; Ivrea, BC 17fXXXV anscheinend aus Frankreich; u. Paris, BN 4406 BI. 53 - 55. Hinzu kommen 906 Rom, Vat. Ottob. 2225 aus Frankreich BI. 187; 10. Jh. Paris, BN nouv. acqu. 1631 (einst Orleans) BI. 96 v unten - 98; u. d. Hs. d. Epitome monachi aus dem 10. Jh. Paris, BN 4419 BI. 77 f.

116

Zweites Kapitel: Verfiigbarkeit der römischen Rechtstexte bis zum 9. Jh.

überliefert, ein Teil der zweiten in drei anderen Handschriften des gekürzten Breviars. 128

40. Die Lex Romana für Burgund Das burgundische Seitenstück zum Breviar, die burgundische Lex Romana wohl aus den späten 510er Jahren,129 war bescheidener als ihre westgotische Schwester, so bescheiden, dass Max Conrat sie in seinem monumentalen Band über die Geschichte des römischen Rechts im frühen Mittelalter nahezu übergangen hat. 130 Schon im 9. Jh. wurde sie in zwei von drei Fällen\31 um ihren Namen gebracht und bekam den des größten römischen Juristen, Papinian, in der Kurzfassung Papian, wie auch Cassius Dio ihn nannte. 132 In den dafiir in 127 Ivrea, Paris 4406 u. Berlin. 128 Leiden, UB Voss. qu. 47 BI. 2 f.; Paris, BN 4406 BI. 57 f.; u. 4410 VorbI. mit BI. 68 aus 4406, das aus 44 I 0 stammt. 129 H. Neh/sen, HRG II (1978) 1927-34, bes. 1931; vorsichtiger Bauer-Gerland 23 f. 130 Conrat 38 u. 41 f. widmet ihr nur Überlegungen zu Geltungsdauer und Konkurrenzfahigkeit im Vergleich mit Breviar und Justinian. Damals lag die seither maßgebliche Ausgabe von v. Salis (0. Fn. 25) 19-21,24-27 u. 123-70 noch nicht vor; vielleicht hatte Conrat vor weiteren Betrachtungen diese Ausgabe abwarten wollen. 131 In der (vollständigen) Hs. Berlin, SB 270 BI. 1-10 (BI. 14 ff. sind später angebunden, BI. I I -13 mit Appendix I und II der LRV gingen ursprünglich voran in der Reihenfolge 12, Blattausfall, 13, II, F. B/uhme, MGH Leges in folio III [1863] 588 f.) aus Frankreich, 9. Jh., ursprünglich der Schluss; voran ging das Breviar. Der erhaltene Text beginnt Incipit Papianus Liber I Responsorum, wie der letzte, sehr kurze Teil des Breviars zu überschreiben gewesen war, was in der Vorlage dieser Hs. verrutscht gewesen zu sein scheint; denn dieser Text schließt auch mit den Worten (BI. 10V) Explicit liber Papianus feliciter. Amen. Ähnlich bei der (bis Tit. 23 R. reichenden) Hs. Rom, Vat. reg. 1050 BI. I 18v8 -124 gleichfalls aus Frankreich, 9. Jh., wo das vorangehende (gekürzte) Breviar erhalten ist, um eine severische Novelle vermehrt (Mordek 847-52); das burgundisehe Römergesetz beginnt auch hier Incipiunt capitu/a Papiani Libri Responsorum. Den korrekten Titel Lex Romana hat nur die (wieder vollständige) Hs. Rom, Vat. 7277 BI. I V -23 (was folgt, ist später angebunden) aus Frankreich, 8./9. Jh., die offenbar auch ursprünglich nur diesen Text enthielt; so wohl auch Rom, Vat. 5766 BI. 44 f. aus dem 7. Jh. (CLA I 47) mit Fragmenten der Titel 28-36 unter Cassian. Paris, BN 4412 BI. 127-34 wohl auch aus Frankreich, ausgeh. 9. Jh., enthält auf BI. 127 f. ein Fragment des Breviars (PS 5, 36 - CG 3, 10) und nach drei fehlenden BI. (mit dessen Schluss und dem Anfang der RB) auf BI. 129-34 die RB von 7, 3 domini an, die RB mit den Worten beschließend Explicit feliciter. Explicit Legis liber Tehud( osii) et Novellarum feliciter. Der erste Abschlussvermerk gilt der RB, der zweite der LRV, als deren Teil die RB also figuriert (vgl. den doppelten Schlussvermerk in der gekürzten Breviarhs. Paris, BN 4412 BI. 8-126, auf BI. 126V). Noch enger könnte die Verschmelzung in der Vorlage der gekürzten Breviarhs. Paris, BN 9653 BI. 38-160, gewesen sein, vgI. Hänel LXIII Mitte. 132 Liebs, Italien 77 Fn. 16-18. Ebenso häufig im Mittelalter u., offenbar versehentlich, W. F/ume, SZ 75 (1958) 501.

11. In Gallien entstandene Texte

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Betracht kommenden drei Handschriften 133 der Lex ist kein Hinweis auf amtliche Autorisierung zu finden, auch keine Widmung oder Einleitung. Andererseits hatte Gundobad einen Leitfaden fiir die Rechtspflege unter seinen Römern in Aussicht gestellt. 134 Es wird sich um ein offiziöses Kompendium handeln. 135 Wir haben fiinf Handschriften des ganzen Texts, aber nur zwei davon vollständig. 136 Dolezalek verzeichnet zwar weitere vier, jedoch intümlich; aber wir haben, auch aus späterer Zeit, zwölf weitere Bezeugungen. 137 Die älteste Handschrift aus dem 7., kleine Bruchstücke, und die zweitälteste aus dem 8. oder 9. Jh. scheinen beide, auch die ältere, nur dieses Werk enthalten zu haben, schmale Handschriften von 23 bzw., nach überschlägiger Rechnung, 12 Blättern. In den drei übrigen Handschriften aus dem 9. Jh. war das burgundische Römerrecht mit dem westgotischen verbunden, einmal mit einer Ausgabe mit Appendix I und 11 und zweimal mit einer gekürzten Ausgabe. 138 In allen drei Fällen kam das burgundische Römergesetz an zweiter Stelle, also gewissermaßen als Anhang zum Breviar; viel mehr scheinen auch diese Handschriften in ihrer ursprünglichen Gestalt nicht enthalten zu haben. 139 Das Breviar hat ja mannigfache kleinere römischrechtliche Texte nach sich gezogen: das Stemma agnationis;140 die Ulpianepitome;141 das vollständigere B. 16 des Theodosianus;142 einzelne Konstitutionen des Theodosianus;143 einzelne theodosianische Novellen; 144 einzelne Sirmondsche Konstitutionen; 145 einzelne Titel des burgundi-

Soeben Fn. 131: die Berliner; und zwei Vatikanische: 7277 u. reg. 1050. prima const. 8. 13STreffendNehlsen (0. Fn. 129) 1929 f. 136 Rom, Vat. 7277 BI. IV - 23 (fast vollständig) u. Berlin, SB 270 BI. 1-10; irrig insofern Nehlsen 1928. 137 S. v. Salis (0. Fn. 25) 20 f. Basel, UB C III 1 BI. 101 v enthält nur einen Auszug: Tit. 2, v. Salis 21 unter C 5; Paris, BN 4415 BI. 86v u. 87 nur Tit. 2-4, 28 u. 41, v. Salis 21 unter CI, 148 u. 159; Rom, Vat. reg. 520 BI. 99 enthält nur Tit. 2, 11 u. 1, v. Salis 21 unter C 3; u. Rom, Vat. Ottob. 2225, enthält nach Meyer XLI f. und v. Salis 19-21 gar nichts aus der RB. 138 Paris, BN 4412; u. Rom, Vat. reg. 1050 BI. 118 v KoI. 1 - 124. Zu Berlin, SB 270, s. soeben Fn. 131. 139 Zu Vat. reg. 1050 s. M. Conrat, ZRGG 29 (1908) 239 f. 140 9. Jh. Paris, BN 4410 nebst 4406 BI. 68 mit gekürztem Breviar; desgleichen 4412; Leiden, UB 114 vor der Epitome Aegidii; u. Rom, Vat. reg. 1023 mit gekürztem und glossiertem Breviar, s. schon o. Fn. 79. 141 Rom, Vat. reg. 1128, s. o. Fn. 84. 142 9./10. Jh. Paris, BN 12445 wohl aus Frankreich mit Exzerpten aus dem Breviar; desgl. 10. Jh. Berlin, SB Phillipps 1741. Zu dieser Sonderausgabe von CTh 16 Conrat (0. Fn. 26). 143 Oben Fnn. 27-29. 144 Z. B. 9. Jh. Rom, Vat. Ottob. 2225; i. ü. s. Meyer LVIII f. (zu den soeben Fn. 142 genannten Hss.), LX f. u. LXI-LXIII. 145 Mommsen CCCLXXIX. 133

134 LB

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Zweites Kapitel: Verfiigbarkeit der römischen Rechtstexte bis zum 9. Jh.

schen Römergesetzes;146 die missverständlich Appendix genannten drei Materialsammlungen rur konkrete rechtliche Auseinandersetzungen aus Gregorianus, Sentenzen, Theodosianus und gängigen Forrneln;147 Glossen;148 und seit dem 9. Jh. mannigfache Barbarengesetze. 149 Diese gehen dem Breviar allerdings gewöhnlich voran, ebenso wie das Stemma cognationum. 150 41. Randsummen zur Lex Romana für Burgund

33 schlichte Randsummen sind die einzigen Zeugnisse wissenschaftlicher Erschließung der Lex Romana rur Burgund, erhalten nur in der Pariser Handschrift aus dem 9. Jh. 151 42. Die Gajusepitome 43. Die Interpretationen zu den Paulussentenzen 44. Die Interpretationen zum Gregorianus und Hermogenitmus 45. Die Interpretationen zum Theodosianus und den theodosianischen Novellen Die voralarizianischen rechtswissenschaftlichen Hervorbringungen Galliens sind großenteils in das Breviar eingegangen: Gajusepitome 152 und Interpretationen zu Paulussentenzen,153 Gregorianus, Hermogenianus. 154 Theodosianus und theodosianischen Novellen, alles Zeugnisse professionellen Rechtsunterrichts im mittleren bis späten 5. Jh., der am ehesten in Narbonne stattgefunden hat. Dass sie trotz der zweideutigen Worte Alarichs keine Schöpfungen erst seiner Gesetzgebungskommission sein können, geht aus den versehentlich stehengebliebenen Verweisen auf nicht ins Breviar aufgenommenes Material, z. B. auf die Responsen des Paulus hervor,155 die offenbar nicht nur im vorjustiniani-

v. Salis (0. Fn. 25) 20 f. Collectio III 247-63. Dazu Conrat 141-43 u. 629; Mommsen LXXXIII; u. Gaudemet 16-19. 148 Oben Nr. 33-35. 149 Oben Fnn. 104, 107, 109-13 u. 115. 150 Conrat 168,316-319,631-642; differenzierter zu ihnen Schadt (0. Fn. 79) 33-43. 151 BN 4412.27 Summen hg. v. Salis (0. Fn. 25) S. 131-62 im oberen Fußnotenapparat, die gesperrt gedruckten Sätze. 152 Oben Fn. 68. Der Titel 2, 4 ist erst in jüngeren Hss. seit dem 9. Jh. enthalten, wurde also später suppliert. 153 Dazu Schellenberg. 154 Zu beiden Kreuter. 155 Dazu unten Kap. 3 bei Fnn. 131-34 u. 156-63. 146

147 Krüger,

11. In Gallien entstandene Texte

119

schen Rechtsunterricht des Ostens eine große Rolle spielten,156 sowie auf die Institutionen des Gajus. 157 46. Die Sirmondsehen Konstitutionen Die Sammlung der 18 Constitutiones Sirmondianae l58 kirchenrechtlichen Inhalts stammt von Kirchenleuten und verficht kirchliche Interessen, gehört also eigentlich nicht zu den für das Recht um seiner selbst willen eintretenden Werken. Sie entstand wahrscheinlich in Südostgallien und wurde durch die Kirche von Lyon bewahrt. Wir haben vier Zeugnisse, eines aus dem 7. 159 und drei aus dem 9. Jh. 160 46a. Die sog. CoUectio Gaudenziana Zweimal bezeugt, aber nur in Italien ist eine sich selbst Ordo mellifluus nennende, heute meist Collectio Gaudenziana genannte Kompilation justinianischen und ein wenig westgotischen Rechts. Sie stammt wohl erst aus dem ausgehenden 10. Jh. aus Süditalien und nicht aus der Provence. 161 47. Der Gajus von Autun Bruchstücke einer Parafrase der Institutionen des Gajus, ein Zeugnis juristischen Anfangerunterrichts, fanden sich in Autun, wohl schon um 300 anzusetzen und am ehesten in Autun selbst. 162 Die Handschrift l63 wurde etwa im 6. 156 Vgl. o. bei Fnn. 75 f. 157

Nelson (0. Fn. 71) 127; u. J. A. H. Lokin, TR 52 (1984) 252-58.

158 Oben Fn. 20. Näher unten Kap. 3 Nr. 5. 159 Die Mutterhandschrift, s. o. Fn. 20.

160 Florus, im 9. Jh. Diakon der Kirche von Lyon, schöpfte mehrmals aus ihnen, Mommsen CCCLXXVIII f., u. Kaiser (0. Fn. 111); ebenso Hinkmar von Reims, s. Mommsen LXXXIX u. CTh-Ausg. S. 910; Benedictus Levita, s. ebenda LXXXIX u. 908. Die Akten des Konzils von Valence 855 n. Chr., MGH Concil. III (1984) 364 f., benutzten sie nur über Florus, Kaiser aaO. 161 Erhalten in einer Hs. des ausgeh. 10. Jh. aus Süditalien, London, BL add. 47676, früher Wells/Norfolk, Holkharn Hall 210. Teilausgabe: A. Gaudenzi, Un' antica compilazione di diritto romano e visigotico (Bologna 1886). Dazu Conrat 277-84 u. 166-68; Siems 182 f.; u. vor allem Kaiser (0. Fn. 62) Teil 5. Sehr ähnlich Klagenfurt, BibI. d. Geschichtsvereins 10/2, Einband aus Italien, noch 9. Jh., langob. Schrift, s. H. Menhardt, ZRGG 46 (1926) 360-64: aus Tl. 2, bei Kap. 140 um acht bis neun Kapitel reicher. Vgl. unten Kap. 3 Nr. 16a. 162 Liebs, Italien 144-50 u. HLL V 71 f. 163 Autun, BM 24 BI. 97-110 einschließlich 98bis.

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Zweites Kapitel: Verfiigbarkeit der römischen Rechtstexte bis zum 9. Jh.

oder 7. Jh. fiir einen theologischen Text wiederverwendet, vennutlich weil nun auch hier das Breviar die Herrschaft angetreten hatte, wonach die voralarizianisehen Texte nicht mehr verwendet werden durften. 48. Die sog. Consultatio Von der Consultatio veteris cuiusdam iurisconsulti, vergleichbar den Appendices zum Breviar (0. Nr. 38 f.), haben wir nur eine Nachricht von Antoine Loisel,l64 der sie abschrieb, wohl aus einer einzigen Handschrift.

III. Ergebnis Verbreitet waren also nur sechs importierte Werke: die Gajanischen Institutionen, die pseudo-paulinischen Sentenzen, die drei Codices Gregorianus, Hermogenianus und Theodosianus sowie die italische Sammlung theodosianischer Novellen, und auch das war nur vom 5. bis frühen 7. Jh. der Fall mit einem Ausreißer um 700. Unter diesen sechs war das Ausmaß der Verbreitung unterschiedlich: Das jüngste größere Werk, der Theodosianus, war es weitaus am stärksten; und das älteste, Gajus, bildet das Schlusslicht. Die selteneren Werke mitgerechnet, haben wir gallische Spuren von 20, ein beachtlicher Reichtum, der voll freilich niemals gleichzeitig und am selben Ort, größtenteils nur im 5. und frühen 6. Jh. und nur im südlichen Gallien, wozu ich auch Burgund bis Autun rechne, zur Verfügung stand. All dieser Reichtum verschwindet spätestens im 7. Jh., um seit etwa 800 mit Macht zu neuem Leben zu erwachen. Damals tauchten in Gallien auf, ohne dass wir sie vorher dort gesichtet hätten: das Stemma agnationis,165 der kurze Anonymus De gradibus,166 Pauls Monografie über die Verwandtschaftsgrade, Pseudo-Ulpians Regularum liber singularis, Modestins Regulae, die Collatio,167 Justinians Institutionen und seine Digesten. 168 Weiter begegnen jetzt wieder Werke, die entweder seit dem frühen 6. Jh. für uns verschwunden waren: der Codex Hermogenianus;169 oder seit dem mittleren bis späten 6. Jh.: Codex Gregorianus,170 pseudopaulinische Sentenzen,171 theodosianische Novel164 Cujas, Observationes et emendationes VII (Paris 1564) Kap. 26 bzw. 27. Näher dazu unten Kap. 3 Nr. 6 f. 165 Oben Nr. 13 u. Fn. 82. 166 Liebs, HLL IV § 419. 10; o. Nr. 21. 167 Oben Nr. 12 u. 14 - 16. 168 Oben Nr. 19 f. 169 Oben Nr. 4. 170 Oben Nr. 3 u. Fn. 42 a. E.

III. Ergebnis

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len; 172 oder seit dem 7. Jh.: Sirmondsche Konstitutionen,173 Codex Theodosianus,174 Codex Justinianus l7S und Julians Novellenauszug. 176 Die einseitige Sicht von Michael Hoeflich,177 gewonnen aus einseitiger Betrachtung einiger weniger Palimpseste Italiens,178 bedarf also der Korrektur. Das Breviar ist bis zum 10. Jh. das Mutterschiff fiir das römische Recht in Gallien; erst im 10./11. Jh. wurde die Handschrift von Leon l79 wiederverwandt. Es hat erstens ältere gallische Arbeiten in sich aufgenommen, birgt zweitens in seinem Innern Ansichten auf den größeren Reichtum früherer Jahrhunderte, hat drittens mannigfache kleinere Arbeiten ins Schlepptau genommen oder vor sich her geschoben; und aus ihm sind viertens kleinere Boote ins Wasser gelassen worden, welche die Reise schließlich selbständig fortgesetzt haben. Bis zum 9. Jh. wurde es fiir sich oder zusammen mit Römischem, kleineren römischrechtlichen Texten oder Stücken aus Idisor abgeschrieben. 18o Aus dem 9. Jh. kennen wir aber auch schon zahlreiche Sammelhandschriften, welche die römischen Rechtstexte mit germanischen Stammesrechten verbinden. Aber bis auf die Prachthandschrift aus Tours fiir den alternden Karl l81 wird das Breviar entweder von kürzenden, Konstitutionen- und Sentenzentext weglassenden und mit den Interpretationen vorliebnehmenden Handschriften l82 oder von der ähnlichen Epitome Aegidii l83 vertreten. Erst aus dem Ende des 9. oder dem 10. Jh. gibt es noch zwei Sammelhandschriften mit dem Volltext;184 wenig später beginnt das justinianische Recht seinen Siegeszug.

171 Oben Nr. 2. l72 Oben Nr. 7. 173 Den Angaben o. Fnn. 20, 159 f. u. 145 zu entnehmen, s. Nr. 46. 174 Oben Nr. l. l7S Oben Nr. 5. 176 Oben Nr. 6. 177

ZRGG 104 (1987) 267.

CLA ist für juristische Texte weniger zuverlässig, war also kein glücklicher Ausgangspunkt für seine Untersuchung. Z. B. ist Paris, BN 12161 eine Breviar- und keine CTh-Hs., wie S. 265 angegeben. Paris, BN 4568 enthält Julian, ist also schwerlich, wie Fn. 34 angegeben, byzantinisch. Wieso beweisen italische Palimpsestierungen gallische Verhältnisse? 179 BC 15 (CLA XI 1637, o. Fn. 103). 180 Oben Nr. 23 Fn. 103 bis auf die beiden zuletzt genannten. 181 Paris, BN 4404, u. dazu Mordek 456 - 63. 182 Oben Nr. 23 Fn. 104. 183 Oben Nr. 24 Fn. 107. 184 Oben Nr. 23 Fn. 103 a. E. 178

Drittes Kapitel

Die gallischen Werke im Einzelnen I. Das römische Zeitalter 1. Der Gajus von Auton

Spuren fachjuristischen Anfangerunterrichts fanden sich auf 15 Palimpsestblättern der Stadtbibliothek von Autun unter Cassians De institutis coenobiorum. Die ältere Handschrift, wovon nur ein geringer Teil erhalten ist, stammt aus dem 4. Jh. und wurde im 6. oder 7. ausgemustert und wiederverwandt. Zu lokalisieren ist sie nach Italien, Süd- oder Mittelgallien; durchaus möglich und deshalb besonders wahrscheinlich ist Autun selbst. Verfasst wurde der Text nach Nelson im 4. Jh., möglicherweise schon um 300. 1 Es handelt sich um die leicht redigierte Mitschrift eines Lehrvortrags an Hand der Institutionen des Gajus; nur einmal (§ 56) ist Gajus .(wahrscheinlich) mit einer anderen Schrift zitiert? Der Rechtslehrer war bestrebt, es seinen Hörern so einfach wie möglich zu machen, fasste sich nahezu doppelt so ausführlich wie der Grundtext, behandelte auch Buch 4 mit dem Prozessrecht und bewies bei alldem didaktisches Geschick. Möglicherweise waren seine Schüler aber keine angehenden Juristen, die schon ein Rhetorikstudium hinter sich hatten, sondern schlicht Rhetorikschüler, die sozusagen im Nebenfach sich auch etwas Recht aneignen wollten. Wie dem auch sei, jedenfalls stellte der Lehrer das geltende Recht seiner Zeit dar und nicht das der Zeit des Gajus, auch wenn er, wie es die Vorlage nahelegte und zu deren besserem Verständnis, immer wieder rechtshistorische Notizen einflocht. Er wollte seinen Studenten praktisch verwertbare Kenntnisse beibringen und war keineswegs befangen im Stoff des dem Unterricht zugrundegelegten alten Lehrbuchs, wenn ihm auch sachliche Fehler unterlaufen.

lOben Kap. 2 Nr. 47. Näher dazu Liebs, Italien 145-50; ders., HLL V § 509.2 mit weit. Lit., zumal H. L. W. Nelson, Subseciva Groningana 2 (1985) 1-20; u. C. A. Cannata, SDHI 29 (1963) 245; ferner J.-D. Rodriguez Martin, Fragmenta Augustodunensia (Granada 1998). Nelson schließt aus § 34 (zu Gai 2, 167) ... de sacris, quorum magna erat (!) observatio auf christliche Zeit (S. 15); doch hat hier wohl schlicht Gai 2, 55 nachgewirkt. 2 Cannata aaO. 250f.

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Drittes Kapitel: Die gallischen Werke im Einzelnen

2. Scholien zu den sog. Fragmenta (iuris) Vaticana 3. Vermehrte und verbesserte Neuausgabe der Fragmenta Vaticana Unabhängig von der Frage, wo die einzige erhaltene Handschrift der Fragmenta Vaticana im 5., allenfalls späten 4. Jh. hergestellt worden ist, ob wirklich in Burgund, etwa Lyon, anderswo in Südgallien oder in Norditalien,3 enthält jedenfalls die in dieser Handschrift fassbare Neuausgabe der Fragmenta ein starkes Indiz fiir Lyon. Denn unter den beiden in der Neuausgabe erkennbar hinzugefiigten Gesetzen (Vat. 248 von 330 und 37 von 369 n. ehr.) enthielt das zweite, wenn von ihm auch nur das rechte Drittel erhalten ist, nach dem üblichen Datum (2. Nov.) mit Ortsangabe (Trier) noch einen seltenen Akzeptvermerk4 und obendrein einen ganz unüblichen Vermerk über eine Übermittlung des Gesetzes im Jahr 372 an den Gouverneur der Provinz Lugdunensis prima, der in Lyon seinen Sitz hatte; die Erstfassung der Fragmenta Vaticana war in Rom entstanden. 5 Dieser Nachtrag muss also von der statthalterlichen Anschlagtafel oder aus dem Statthalterarchiv bezogen sein. Vielleicht wurden auch erst bei dieser oder einer früheren Neuausgabe Vat. 90-93 aus einer Monografie De interdictis, wohl von Paulus, eingefiigt. 6 Offenbar erst bei einer Neuausgabe wurde der in der Erstfassung noch mitherrschende Kaiser Licinius, der 324 der damnatio memoriae verfallen war, unsystematisch getilgt.7 Vor allem wurde der Neuauflage ein vorgefundener, ungleichmäßiger Scholienapparat beigegeben, und zwar um 400 von einem Juristen, der mit Rechtsliteratur versehen war und welchen Mitgift- und besonders Schenkungsrecht interessierte. Die 30 erhaltenen Scholien8 betreffen nicht nur Konstitutionen, sondern auch Stellen aus Juristenschriften. 9 Sie stehen meist am Rand in kleiner Schrift. Acht enthalten bloße Herkunftsangaben bzw. eine -präzisierung und stehen zwischen den Zeilen, wenn auch z. T. ausgerückt. 1O Von den restlichen 22 ste3 Th. Mommsen, Codicis Vaticani N. 5766 ... fragmenta ... , Abh. Kg!. Ak. d. Wiss. Berlin 1859 phi!.-hist. K!. (Berlin 1860) 385 u. 389; u. ders., Collectio III 4: spätes 4. oder 5. Jh.; Lowe, CLA I 45: 5. Jh.; S. v. Bolla, Scritti C. Ferrini N (Mai land 1949) 9197: 6. Jh., Burgund. 4 Zwar sind Tag, Monat und Ort nicht erhalten, aber das Jahr: 369, das auch fiir das Datum gelten wird, vg!. CTh 10, 17, 1 und CJ 10, 3, 5. 5 Liebs, Italien 150-159. 6 Liebs, HLL N § 423 W. 62; Italien 152 f. u. 160 zunächst für Ulpian. Zu F. Betancourt, Ellibro an6nimo de interdictis (Sevilla 1997), s. W. Kaiser, SZ 116 (1999) 35263. 7 Näher dazu Liebs, Italien 156 f. 8 Auch Vat. 264a gehört dazu, s. Lenel, Pa!. 1,937 Fn. 4. Zu den Querverweisen von anderer Hand Kaiser, aaO. 360-62. 9 So zu Vat. 112, 113,121, 264a, 269 u. 294. 10 Zu Vat. 5, 108 (ergänzt nur den Sachtitel), 266a (ausgerückt), 270 (ebenso), 272 (ebenso), 285, 286 u. 288 (beide wieder ausgerückt).

I. Das römische Zeitalter

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hen 21 am Rand,!1 von denen 20 mit b mit leicht geschwungenem Schrägstrich über dem Bauch, wohl fiir breviter, überschrieben sind. 12 Davon lauten zwei (zu Frg. Vat. 295 und 296) nur kurz qs. mit Schrägstrich unter dem Bauch des q, wohl quaere l3 (oder quod) supra, ein bloßer Verweis auf soeben. Weitere drei geben nur kurz einen Betreff an (271, 273, 280), und der Rest (17 Scholien) fasst den Inhalt der Stelle kurz zusammen, auch das eine Randscholion ohne Überschrift (zu 249 § 6) und ein Interlinearscholion (Vat. 264a zu 263). Zwölf davon haben die Form eines Akkusativ mit Infinitiv (AcI, zweimal ohne esse), drei einer schlichten Aussage; eines lässt einer Aussage einen AcI folgen (zu 282) und ein letztes erspart sich Verben ganz (zu 281). Die 20 Scholien mit inhaltlicher Aussage sind einer juristischen Beurteilung zugänglich. Das Wortmaterial ist fast ganz den Grundtexten entnommen, auch wenn zur kurzen Kennzeichnung von dessen Inhalt ein besserer Terminus zur Verfügung gestanden hätte. So werden Schenkungen unter Lebenden, die ein Pflichtteilsrecht beschränken, zu 271 und 280 oberflächlich inmodicae donationes genannt, wo inofficiosa donatio die Sache genauer getroffen hätte, juristisch signifikant gewesen wäre; doch war diese Wendung im Grundtext nicht vorgeprägt, während jene im ersten (271) früh bei der Sachverhaltsschilderung vorkommt. Auch der dritte kurze Betreff: zu 273, nur noch zum geringeren Teil lesbar, wurde deshalb von den Herausgebern zu Recht aus dem Beginn des Grundtexts ergänzt: De donationibus sub emptionis titulo factis; es ging um Versuche, das Verbot einer Schenkung unter Ehegatten zu umgehen, aber nicht nur durch Scheinkauf. Zu Vat. 112 wiederholt das Scholion schlicht den sentenziösen Schlusssatz des Grundtexts von Paulus, womit in diesem Fall das Wesentliche gut getroffen ist. Zu 121 wiederholt das Scholion den Papiniantext nahezu wortwörtlich, ersetzt nur seltene Ausdrücke durch schlichte: dissociandum matrimonium durch divortium und nuntium divortii misit durch repudium dedit, deshalb am Ende auch dandi fiir discidii. Zu Vat. 249, eine ungekürzt aufgenommene lex generalis, ist lediglich das Allerwichtigste der eingeführten umfangreichen Neuerungen stichwortartig zu § 6 festgehalten. Vat. 264a, ein Interlinearscholion, zwischen 264 und 265 ohne b, hat Lenel mit Recht als Summe von Vat. 263 ausgemacht; es hat freilich durchweg eigenes Wortmaterial; stammt also womöglich von einem andern Autor. Das Scholion zu 269 erfasst nur einen kleinen Teil der Aussage des Grundtexts. Zu Vat. 272 wird die Aussage des Grundtexts durch den dort offenbar nicht vorgebildeten Zusatz si

Nicht: Vat. 264a zu Vat. 263, s. soeben Fn. 9. Nicht: zu Vat. 249 § 6. Zur Bedeutung von b s. C. Cosentini, in: Miscellanea romanistica (Catania 1956) 77 f.; u. V Giuffre, NNDI Art Scolii (1969) 770 a. E. 13 So die neueren Herausgeber, bes. Mommsen, Huschke und Kübler. 11

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Drittes Kapitel: Die gallischen Werke im Einzelnen

ingrati extent 14 nicht nur präzisiert, sondern auf Fälle objektiven Undanks eingeschränkt, während der Grundtext dem subjektiven Ennessen des Patrons freie Hand gelassen hatte. Zu Vat. 297, wo der Grundtext mitnichten nach dem Scholion zu emendieren ist,15 vielmehr nur in der überlieferten Fassung seinen prägnanten Sinn behält, hat der Scholiast bemerkenswerterweise festgehalten, dass die Aussage der Konstitution Diokletians durch Konstantins Schenkungsrefonn, die der Scholiast ja schon suo loco wahrgenommen hatte (zu Vat. 249 § 6), überholt war. Freilich macht er es sich einfach und reduziert die Aussage von Vat. 297, übrigens mit dem Wortmaterial der Konstitution, auf den kleinsten noch richtigen Gehalt, was sie nahezu nichtssagend macht. Gegen Ende des Schenkungstitels (Vat. 312-31§-, __ alles Konstitutionen Diokletians) hat jedes Stück ein inhaltliches Scholion und das längere 313 gar zwei, alle im Wesentlichen aus dem W ortmaterial der Grundtexte gebildet. Die Hälfte fällt dadurch bedenklich trivial aus, denn in drei Fällen geht ein wichtiger Gesichtspunkt verloren: zu 312 perseverans voluntas (im Scholion non zu tilgen, ist nicht geboten, da die lockere Gedankenfiihrung eine doppelte Verneinung verträgt), zu 315 prior und zu 316 extraneus, das freilich mittlerweile durch Konstantin seine Bedeutung eingebüßt zu haben scheint. 16 Der Autor der Scholien war also wohl Jurist, der das geltende Recht im Sinn hatte. Er arbeitete aber weithin oberflächlich, was sich nicht widersprechen muss; es handelte sich wohl um eine vorläufige Gelegenheitsarbeit zum internen Gebrauch, nicht zur Verewigung gedacht. Ein Späterer, spätestens unser Neuherausgeber fand sie trotzdem so interessant, dass er sie, vorsichtig wie man in kargen Zeiten wird, lieber bewahrte.

14 In CJ 8, 55, 1 ist si ingratus sit offenbar erst objetivierender justinianischer Zusatz, während Philipp selbst noch das subjektive Ermessen des Patrons fiir maßgeblich erklärte. Näher zu den Stellen Levy, VR 245-47, u. Kuser, RP I, 604 u. Fn. 45 mit weit. Lit. 15 So aber die Herausgeber seit G. E. Heimbach (d. J.), Leipziger Repertorium der deutschen und ausländischen Lit. 3 (1843) 153. Wieacker (0. Kap. 2 Fn. 12) 311 Fn. 3 schließt aus einem Fehler im Text von Vat. 315, der im Scholion vermieden ist, zumindest ein Teil der Scholien habe schon in den Vorlagen der Frg. Vat. gestanden. Bei den schlichten Herkunftsangaben (0. Fn. 10) träfe das jedenfalls nicht zu. Derartige Erscheinungen werden leicht überreizt. 16 Vgl. zur nicht ganz klaren Rechtslage seit Konstantin Kaser, RP II 394 f. 399; u. D. v. Simon, Konstantinisches Kaiserrecht (Frankfurt am Main 1977) 80 ff. u. 84 ff. Vgl. Vat. 314 u. das Scholion dazu.

1. Das römische Zeitalter

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4. Die Gajusepitome

a) Befond. Karakter

Das westgotische Römergesetz von 505 oder 506 (LRV, Breviar, sofort Nr. 15) enthält, nach einem Auszug aus dem Codex Theodosianus und den nachtheodosianischen Novellen, zu Beginn des dem Juristenrecht (Jus) geltenden, kürzeren zweiten Teils einen aktualisierten Abriss der ersten drei Bücher der Institutionen des Gajus, verteilt auf mindestens 19 Sachtitel. Das Ganze ist hier Liber GaU überschrieben und wird gewöhnlich Gai Epitome genannt; der Umfang macht, soweit die LRV uns das Werk erhalten hat, etwa ein Sechstel des Gajustexts aus. 17 Die Summierung ist aber älter als das Römergesetz (s. sofort unter b). Hervorgegangen ist es aus Rechtsunterricht für angehende Juristen an Hand des gajanischen Anfängerlehrbuchs,18 wobei vorausgesetzt ist, dass dieses den Studenten vorliegt. 19 Zwar meint Archi, das Werk sei für Praktiker verfasst, aber für die praktische Anwendung der darin enthaltenen Aussagen fehlen immer wieder wichtige Einzelheiten, z. B. beim gesetzlichen Erbrecht 2, 8 das Ehegattenerbrecht. Gewiss achtete der Verfasser auf Aktualität und ließ weg oder deutete um, was veraltet war. Mitunter kam dabei allerdings auch Unbrauchbares heraus wie 2, 9, 12 zum Litteralvertrag. Und bei Diebstahl, Raub, Injurien und Sachbeschädigung erfährt man 2, 11 zwar weniger Wichtiges zu den genera fortorum, vom Grundtext vorgezeichnet, aber nicht, welche Rolle diese Unterscheidungen spielen, weil über die Rechtsfolgen, die sich inzwischen z. T. grundlegend geändert hatten, vorsichtshalber nichts verlautet. Spuren des einst unfertigen Karakters unseres Texts als Grundlage für Rechtsunterricht waren bei seiner Übernahme in das Römergesetz an sich zu beseitigen. An einer Stelle blieb eine Spur aber in allen Handschriften erhalten, 17 Ausgabe: B. Kühler, !AR Il2 395-431; s. a. J. Baviera, FIRA 11 229-57. Die übliche Verteilung des Texts auf zwei !ibri ist unberechtigt, H. L. W. Nelson, Überlieferung, Aufbau und Stil von Gai Institutiones (Leiden 1981) 127 f.; ders., TR 63 (1995) 172 f.; u. F. Bauer-Gerland, SZ 114 (1997) 499 f. 18 H. Fitting, ZRG 11 (1873) 325-39; H. F. Hitzig, SZ 14 (1893) 187-223; B. Kübler, RE VII 1 (1910) 504 - 507; Krüger, Gesch. 355 - 357; G. G. Archi, L'Epitome Gai (Mailand 1937); Schulz (0. Einl. Fn. 16) 381-83; F. Wieacker, Allgemeine Zustände und Rechtszustände gegen Ende des weström. Reichs = IRMAE I 2 a (Mailand 1963) 51-53; ders., Recht und Gesellschaft in der Spätantike (Stuttgart 1964) 113-18; Gaudemet 34 f.; ders., Formation 100-02; J. H. A. Lokin, TR 52 (1984) 257 f.; u. F. Bauer-Gerland, SZ 114,495-501 zum Titelgerüst. Sie entkräftet Archis Hauptargument für Mehrschichtigkeit des überlieferten Texts. 19 Nelson, Überlieferung 123-39; u. ders., TR 63 (1995) 170-77 (mit hier nicht geteilten Implikationen, s. unten).

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Drittes Kapitel: Die gallischen Werke im Einzelnen

wenn das die Herausgeber auch, da es in ein Gesetz offensichtlich nicht passt, einen Ausfall des westgotischen Gesetzgebers ausbügelnd, in den Apparat verbannt haben, sofern sie einen bieten; bei Herausgabe der Epitome als eigener Text ist dieses Verfahren jedoch fehl am Platz. Zu 2, 9, 4 heißt es nämlich beim eidlichen Versprechen des Freigelassenen an den Freilasser, ihm Dienste zu leisten: exponendum hic quid sit donum vel munus ve/ operae. Ein nachalarizianisches Glossem, hervorgegangen aus Rechtsunterricht an Hand der LRV,20 ist wenig wahrscheinlich, einmal weil in der ganzen LRV sich dergleichen Vermerke sonst nur in den gleichermaßen aus Rechtsunterricht hervorgegangenen Interpretationes finden (s. unten Nr. 12 - 14 bei Fn. 160), nie jedoch in den Konstitutionen oder im Sentenzentext. In der nachalarizianischen Schule wäre diese ungleiche Streuung unerklärlich. Zum andern ist in diesen Vermerken auch auf Juristenschriften verwiesen, die fiir die LRV nicht in Betracht kamen und auch später kaum mehr verfiigbar waren wie Pauls Responsen. 21 Die Gajusepitome war also ebenso wie die Interpretationen zum Theodosianus ursprünglich nicht zur Veröffentlichung bestimmt, sondern Unterrichtsmaterial eines Rechtslehrers, das im Unterricht angereichert werden mochte. In dieselbe Richtung deutet der in der Gothaer Handschrift der LRV 22 vor dem Text von GE 2, 6 angebrachte Hinweis Hic Pauli sententiis lege; auch er ist schwerlich ein nachalarizianisches Glossem, das auf LRV PS 3, 11 (= PS 3, 8) verwiese, sondern stammt wohl gleichfalls schon vom Autor der Epitome und blieb bei der Redaktion der LRV versehentlich stehen. Dafiir spricht auch, dass die Form nicht der in den Interpretationen zum Theodosianus anzutreffenden ähne1t. 23

20 So H. Degenkolb, KV 14 (1872) 505-08. 510.514-16, ohne aber die Frage schon entscheiden zu wollen, s. 508 Fn. 1; u. A. Femandez Guerra y Orbe u. a., Legis Romanae Wisigothorum fragmenta ex codice palimpsesto Sanctae Legionensis ecclesiae (Madrid 1896) 351 Fn. 18. Abgelehnt etwa von Krüger, Gesch. 354 f. 21 Oben Kap. 2 Nr. 10. Isidor, Etym. 5, 14 beweist nicht, dass ihm Pauls Responsen noch vorlagen, und noch weniger, dass sie im nachalarizianischen Rechtsunterricht in Gallien präsent gewesen wären; das erscheint vielmehr unwahrscheinlich. Deshalb ist auch Mommsen XXXV f., wonach es sich um Redaktionsnotizen der Kompilatoren Alarichs handelte, die bei der Endredaktion zu streichen versäumt wurde, abzulehnen; sie hatten schwerlich Pauls Responsen exzerpieren wollen, vor allem nicht am jeweiligen Ort weiteres Material über das ganze Gesetzbuch verstreut einarbeiten; s. a. unten Nr. 12 -14 bei Fnn. 160 - 63. 22 Forschungsbibliothek I 84 (BI. 310' KoI. b Z. 32): um 1000, H. HofJmann, Buchkunst und Königtum im ottonischen und frühsalischen Reich I (Hannover 1986) 238 f.; u. Mordek 131-49. 23 Allerdings formulieren, alle ohne die Hs. zu benennen: Savigny, Gesch. II 55 Fn. d; Krüger, Gesch. 355 Fn. 38; u. Conrat, Die Entstehung 83 Fn. 222, den Hinweis so: Hic de Pauli senteniis addendum, also wie in den CTh-Interpretationen, s. diese bei J. Gaudemet, Iura 1 (1950) 233-35. Vermutlich zitierte Savigny aus dem Gedächtnis, assimilierte dabei unbewusst und folgten ihm die andem unbesehen. W. Kaiser erwägt

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b) Datierung Den Studenten sollte das zur Zeit des Kurses geltende Recht beigebracht werden. Das Eheverbot zwischen Geschwisterkindern, im Westen jedenfalls seit 409 geltendes Recht/4 ist gegen den Grundtext berücksichtigt.2s Beim gesetzlichen Erbrecht der Agnaten ist das prätorische der Cognaten eingefügt, dessen besonderer Erwerbsmodus, seit 413 immer wieder für obsolet erklärt,26 übergangen wird (2, 8, 7). Der seit Konstantin in den Gesetzen geschmähte, seit dem frühen 5. von Fall zu Fall abgeschaffte und im weiteren Verlauf des Jh. ganz obsolet werdende förmliche Erbschaftsantritt durch cretio 27 ist gegen den Grundtext (Gai 2, 174) durch unspezifische Erbunwilligkeit ersetzt (2, 4, 1). Dagegen ist die Formfreiheit der Mitgiftversprechen noch nicht beachtet (2, 9, 3). Theodosius 11. hatte das 428 eingeführf8 und der Westen hatte es 438 mit dem Codex Theodosianus übernommen, ebenso die Westgoten mitsamt Interpretatio. Wenn das kein Versehen ist, folgt daraus ein Ansatz im frühen 5. Jh. Archi pocht zugunsten eines Jahrzehnte späteren Ansatzes auf die innere Verwandtschaft mit der ihrerseits nicht sicher datierbaren Interpretatio zu den Paulussentenzen und den Interpretationen zum Theodosianus; diese zumindest sind im späteren 5. Jh., jedenfalls nach 438 entstanden. 29 Archi gibt aber keine Rechenschaft über seine unausgesprochene Annahme, Parafrasierungen, wie sie aus dem späteren 5. Jh., nach 438 bekannt sind, hätte es nicht auch schon im frühen 5. Jh., vor 438 geben können. Diese Annahme wäre unhaltbar. Beizupflichten ist indessen seiner Zurückweisung der von Savigny, Ränel, Conrat und jüngst wieder Nelson verfochtenen These,30 erst die Redaktoren des westgotischen Römergesetzes hätten den Text hergestellt. Gewiss haben sie auch hier gekürzt,3l wenngleich nicht abzuschätzen ist, wie viel. Alarizischer Ursprung der Interpretationen und Parafrasen der LRV ist aber auszuschließen. 32

alternativ eine späte Randglosse und weist dafür auf Parallelen aus dem 10. u. 11. Jh. hin (Brief vom 26. April 2002). 24 CTh 3, 10, 1 (409) von Honorius mit Verweis auf ein älteres Gesetz; s. a. 3, 12, 3 (396) von Arcadius. 25 GE 1,4,6. Vgl. Gai 1,60 - 63. 26 Honorius 413 CJ 6, 23, 19 § 3; Valentinian III. 426 CTh 4, 1, 1 S. 2 Hs. 2 mit Interpretatio S. 1; ders. NY 21, 1 § 5; u. dazu Schellenberg 63 f. u. Kreuter 132 u. Fn. 58. 27 V gl. bes. CTh 8, 18, I § 1 (315); 8, 18, 8 (407); IT 4, 1; u. dazu Kaser, RP II 525 f. 28 CTh 3, 13, 4. Hitzig, SZ 14, 217 f., setzt das späte 4. Jh. an, weil CTh 5, 1, 4 (389) in GE 2, 8 nicht berücksichtigt sei. Ablehnend zu Recht Kübler, RE VIII, 504, Z. 63 ff.; u. M. Conrat, Die Entstehung des westgotischen Gaius (Amsterdam 1905) 82 Fn. 220. 29 Archi, L'Epitome 73-75; s. a. 402-410, eine wenig überzeugende Harmonisierung; zustimmend allerdings Kreuter 28. 30 Savigny, Gesch. II 54; Hänel IX f.; Conrat, Die Entstehung; u. Nelson (0. Fn. 17). 9 Liebs

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Drittes Kapitel: Die gallischen Werke im Einzelnen

Zu einem zeitlichen Ansatz nach dem Codex Euricianus, also nach 475 (sofort Nr. l4a), gelangt Kreuter 3 aufgrund von GE 2, 1,4: Item regulariter constitutum est, ut superposita inferioribus cedant, id est ut, si quis in solo nostro sine nostro permissu domum aedificaverat, ad eum, cuius terra est, domus aedificata pertineat ...

Entgegen dem Grundtext, Gai 2, 70-78, soll ein Hochbau dem Boden nur mit einer Einschränkung folgen, nämlich dann nicht, wenn der Bodeneigentümer das Bauen nicht erlaubt hat. Die vermutlich auf den Codex Euricianus zurückgehende Antiqua der Lex Visigothorum bestimmt nun in 10, 1, 6 u. 7, dass Hochbauten und Pflanzen eines Konsorten, also ursprünglich eines gotischen Siedlers beim romanischen Grundbesitzer, oder umgekehrt nach Realteilung des Landes aufgrund der Quartierlastengesetze gemäß Ansiedlungsvertrag von 416/19/ 4 ihm gehören, wenn der andere zugestimmt hat. Das wird aber nicht erst Eurich eingefiihrt haben, sondern war vermutlich schon im Ansiedlungsvertrag so oder ähnlich geregelt. Dass dem Epitomator tatsächlich die Kohabitation der Romanen mit Nichtromanen geläufig war, wie sie Südgallien seit demfoedus von 416 kannte, das 419 wohl erneuert und modifiziert wurde, zeigt GE 1,4 pr.: ... si Romanus Romanam ... ducat uxorem. All das passt auch ins frühe 5. Jh. c) Lokalisierung

Bei der Frage des Entstehungsorts lässt die Sprache auf lateinisch sprechendes Reichsgebiet schließen, also grob gesagt den Westen. Zu seiner näheren Bestimmung eignet sich aber schwerlich, dass es an allen drei in Betracht kommenden Stellen zur Freilassung vor dem Magistrat fiir vindicta manumittere, wie im Grundtext, vielmehr ante consulem manumittere heißt/ s wobei diese Art der zivilen Freilassung vom ersten auf den letzten, den dritten bzw., bei der letzten Erwähnung von nur mehr zwei Arten, zweiten Platz zurückgestuft ist. Diese Redeweise wäre bei einem in Rom oder im sonstigen Italien entstandenen Rechtstext nicht weniger befremdlich als bei einem in einer Provinz ent-

31 Fitting; ZRG ll, 327 f.; Hitzig, SZ 14,215; R. Lambertini, Labeo 41 (1995) 22938. Namentlich entfiel der Titel 2, 4, der nur in einzelnen Hss. suppliert wurde, s. sofort Fn.45. 32 Zuletzt Lokin (0. Fn. 18) und die übrigen dort Genannten. 33 Kreuter 66-69. 34 Dazu Wolfram 178-80; u. A. Stüven, Rechtliche Ausprägungen der civilitas im Ostgotenreich (Frankfurt am Main 1995) 105-10. 3S GE I, I, I i. V. m. Gai 1, 17; GE I, 1,4 i. V. m. Gai 1,35; u. GE 1,2,1 i. V. m. Gai 1,44.

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standenen. Denn der westliche Konsul, wo immer er sich im frühen 5. Jh. aufhielt - wenn es der Westkaiser oder der im Westen amtierende Generalfeldmarschall oder italische Präfekt war, dann meist in Mailand und ab 402 Ravenna, aber auch Konstantinopel, das jeweilige Feldlager und allenfalls zu Jahresbeginn Rom -, der Konsul befasste sich nicht nennenswert mit magistratischen Freilassungen oder konzentrierte sie gar bei sich; vielmehr tat das in Rom der Prätor und im übrigen Reich weniger der Gouverneur, sondern hauptsächlich der Munizipalmagistrat,36 den man auch consul nennen mochte. In der Epitome ist auch, wie es in ausdrücklicher Abkehr vom gajanischen Grundtext heißt, nicht mehr der Gouverneur, sondern die munizipale curia der richtige Ort rur Emanzipationen. 37 Arrogation und Adoption finden im Sachtitel (1, 5) entgegen dem Grundtext (Gai 1, 97 - 107) im luftleeren Raum statt, offenbar mit Absicht, weil populus und praetor, die im Grundtext genannt sind und von denen der letztere für Rom und Umgebung in der Spätantike nicht nur für Freiheitssachen und in integrum restitutio, sondern auch rur Adoptionen und Emanzipationen zuständig war,38 am Standort unseres Autors nicht passte. Freilich passiert bei der vierten Erwähnung von Arrogation und Adoption,39 wo es darum geht, dass Testamente dadurch unwirksam werden (2, 3, 3), in unbedachtem Anschluss an den Grundtext (Gai 2, 138) Unsinn: apud populum ... aut apud praetorem heißt es hier. Der Konsul kann auch nicht als der höchstrangige Freilassungsmagistrat stellvertretend für die übrigen stehen, denn das wäre der Kaiser bzw. sein consilium. 40 Vor allem stößt sich der hohe Rang der spätantiken Konsuln mit der Rückstufung dieser Freilassungsart. Consulem könnte auch aus fehlerhafter Entzifferung einer für curiam (oder ein anderes Wort) gebrauchten Abkürzung hervorgegangen sein;41 allerdings hätte derselbe Fehler dreimal passiert sein müssen, wenn das auch kein triftiger Einwand gegen diese Hypothese ist. 42

36 PS 2, 25, 4 nennt als gewöhnliche Autorität magistratus municipales, si habeant legis actionem; CTh 4,9, I (319) hi iudices, quibus dandi (Iibertatem) ius est; und Cl 7, I, 4 (320) zählt alle in Betracht kommenden Magistrate nach ihrem Rang auf: apud consilium nostrum vel apud consules, praetores, preaesides magistratusve earum civitatum, quibus huiusmodi ius est. Vgl. Kaser, RP II 134. CTh 6, 4, 16 (359) zählt zu den Kompetenzen des römischen Prätors Z. 8 f. Freilassungen. 37 GE 1,6,4 i. V. m. Gai. I, 134 a. E. 38 CTh 6, 4, 16 (359) Z. 8 fT. 39 Außerdem: 1,4, I f.; 1,5; 2, 2 pr.; u. 2, 8 pr., stets in Übereinstimmung mit dem Grundtext. 40 Cl 7, 1,4 (320). 41 S. schon Conrat (0. Fn. 28) 78 - 83, der consilium vorschlug. 42 So aber Kübler, RE VII 1,505 unten.

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Drittes Kapitel: Die gallischen Werke im Einzelnen

Aussagekräftig sind nur Stellen, in denen vom Grundtext mit Bedacht abgewichen ist; und das ist in der schon erwähnten Stelle zur Emanzipation der Fall, die auf außerrömischen Standort schließen lässt. Für eine weitere Eingrenzung stehen nur mehr sprachliche Beobachtungen zur Verfugung, die nach Gallien weisen,43 wenngleich ihre Zuverlässigkeit bezweifelt wird. 44 Immerhin passt dazu, dass in dieser Zeit im Westen außerhalb Roms nur in Lyon und Narbonne Rechtsunterricht bezeugt ist; dass die Arbeit in Toulouse verwertet wurde, fiir die LRV; und dass das supplierte Stück gleichfalls nach Gallien als Ort der Verbreitung weist. 45

d) Einteilung und Inhalt Der Abriss war in Sachtitel unterteilt, die ursprünglich nicht numeriert waren; auch aufgeteilt in libri war sie ursprünglich nicht. 46 Inhaltlich geht der Autor meist selbständig und wohlüberlegt vor und befindet sich, wie Wieacker es ausdrückt,47 im Einverständnis mit den geistigen Möglichkeiten und Bedürfnissen seiner provinzialen Umgebung und seiner Zeit, in deren Rechtsleben er steht. Das ist zumal auf den Gebieten zu sehen, auf denen sich mittlerweile viel geändert hatte. Bei den Realverträgen ist nur das Darlehen behandelt (2, 9, I); anschließend bei der Stipulation zunächst nur das Darlehensrückzahlungsversprechen (2,' 9, 2 Anfang), das man überdies erraten muss; und danach die jideiussio als einzige Bürgschaftsform; sponsio und jidepromissio waren verschwunden. An Stelle der gleichfalls verschwundenen Adstipulation bei Gajus (3, 110-14) wird ein Fall der Delegation behandelt (2, 9, 11), ohne dass der Terminus auftaucht. Den gajanischen Litteralvertrag (3, 128-33) behandelt er zwar (2, 9, 12), versteht das längst abgestorbene Institut aber ersichtlich nicht und ersetzt es auch nicht durch ein anderes geltendes, obwohl Gajus selbst (3, 134) das schon angeregt hatte und das chirographum im spätantiken Gallien geläufig war. 48 Bei den Konsensualverträgen heißt es unscharf consensus magis quam scriptura aliqua aut sollemnitas quaeritur und ist immer wieder betont, dass mündlicher Abschluss genügt: consensu, etiam verbo oder cum verbis (2, 9, 13. 15. 16. 18). Auch die Paulussentenzen sind ausgewertet. 49

Hitzig, SZ 14,218 - 20. Etwa Kübler, RE VII 1,505, Z. 15 ff. 45 GE 2, 4, s. Lambertini, Labeo 41,229 ff.: die S. 232 f genannten fiinfHandschriften scheinen alle aus Frankreich zu stammen. 46 Bauer-Gerland (0. Fn. 18) 499-501. 47 Ders., Zustände (0. Fn. 18) 52. 48 Sid. ep. 4, 24. 49 Hitzig, SZ 14,211 zu GE 2,10, 1 i. V. m. PS 2, 31, 3 f; Conrat (0. Fn. 28) 106--{)9 zu GE 2, 5, 2 i. V. m. PS 4, 1,8; GE 2, 7, 8 i. V. m. PS 3, 6, 5 f; u. GE 2, 9, 2 i. V. m. 43

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Im Gegensatz zum Grundtext (Gai 1, 53) wird dem Sklavenhalter schlechthin untersagt, seinen Sklaven zu töten, auch wenn dieser ein todeswürdiges Verbrechen begangen hat; vielmehr ist er dann dem staatlichen Richter zu überantworten (1, 3, 1), womit einer konstantinischen Neuerung Rechnung getragen wird. 50 Wenn der Text auch ohne den Grundtext aus sich heraus verständlich ist, hat er diesen im ursprünglichen Unterrichtszusammenhang doch nicht ersetzen, sondern nur erst begleiten sollen. 51 Aber ebenso wie heute Zusammenfassungen, Rezensionen und Resümees bei weniger skrupulösen Zeitgenossen an die Stelle der Grundtexte treten, hat sich unser Text vielleicht schon vor seiner Aufnahme in Alarichs 11. Gesetz, spätestens aber dort verselbständigt. Kurze Zeit später schöpfte das burgundische Römergesetz aus ihm. 52 In einer karolingischen Sammelhandschrift hauptsächlich mit rörnisch-burgundischen Rechtstexten und fränkischen Barbarengesetzen aus der 1. Hälfte des 9. Jhs. finden sich mehrere Stück daraus. 53 Und fiinf Breviarhandschriften aus dem 9. (zwei), 10. (zwei) und dem 16. Jh. supplieren auch den Liber Gai, nämlich um den Titel 2, 4 De substitutionibus et faciendis secundis tabulis, also Ersatz- und Nacherbschaft. 54 5. Der Grundstock der Sirmondschen Konstitutionen

Eine lateinische Handschrift des 7. Jh., zweite Hälfte, aus der Dombibliothek von Lyon, jetzt in der Staatsbibliothek Berlin,55 die wahrscheinlich in Lyon auch entstanden ist, enthält nach gallischen Konzilsbeschlüssen, der Notitia Galliarum, einem Papstbrief und einem Nachtrag zu den Konzilsbeschlüssen PS 2, 17, 16. Auch die in der Gothaer Hs. der LRV bei GE 2, 6 anzutreffende Bemerkung hic Pauli sententiis lege (0. bei Fn. 22) bezeugt das wohl, da sie wohl keine nachalarizianische Randbemerkung darstellt, die auf LRV PS 3, 11 (= PS 3, 8) verwies, sondern eine von Anian versehentlich stehengelassene Notiz des Autors der GE, s. o. bei Fnn. 19 f. 50 eTh 9,12,1 u. 2 (319 u. 326) SI Wieacker, Zustände (0. Fn. 18) 52 plädiert für Konzeption als selbständige Schrift, was Nelson (0. Fn. 17) 127 f., an Hand von GE 1, 1 pr. und 2, I pr. widerlegt hat. 52 Bauer-Gerland 181- 83. 53 Esders 56 ff., bes. 60 f. u. 64. 54 Lambertini, Labeo 41, 229 ff. Zur Resonanz des Liber Gaii im Rahmen der LRV Siems 236-41. 55 Phillipps 1745 = CLA VIII 1061, 119 Blätter; die ersten 185 der zusammen 304 Blätter umfassenden Hs. befinden sich in St. Petersburg, s. eLA XI (1966) S. 8. Heute maßgeblich ist die Ausgabe von Th. Mommsen im Anhang seiner Ausgabe des Theodosianus I (Berlin 1905) S. 907-21, Prolegomena eCCLXXVIII-CeCLXXX. Dazu zumal J. Matthews, Laying down the law. A study of the Theodosian code (New Haven 2000) 121-67.

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Drittes Kapitel: Die gallischen Werke im Einzelnen

am Schluss auf Blatt 101 verso bis 119 verso eine Zusammenstellung von 18 Kaiserkonstitutionen kirchenrechtlichen Inhalts des 4. und frühen 5. Jh. 56 Während die letzten beiden Stücke dem Codex Theodosianus entnommen57 und offenbar nach 438 hinzugerugt worden sind, denen Sirmond seinerseits noch einmal drei verwandte Gesetze aus derselben Zeit anrugte, die er in anderen Handschriften verstreut fand, repräsentieren die ersten 16 eine eigene Sammlung ungekürzter Kaisergesetze durch einen Mann der Kirche. Da kein Titel überliefert ist,58 werden die 21 Gesetze nach dem Erstherausgeber der ganzen Sammlung,59 1. Sirmond,60 Constitutiones Sirmondianae genannt. Manche verstehen darunter nur die beieinander gefundenen 18, während die meisten Historiker heute lediglich die Kernsammlung der 16 Gesetze damit meinen; so wird auch hier verfahren. Alle anderen Zeugnisse der Sammlung hängen von dieser Handschrift ab. 61 Die einzelnen Gesetze sind nicht chronologisch geordnet, sondern wohl nach sachlichen Gesichtspunkten, und nur innerhalb deren, wenn es zu einem Gegenstand mehrere Konstitutionen gab, chronologisch. So enthalten Sirm. 7 und 8 die Osterarnnestien von Theodosius I. der Jahre 38062 und 386; und ebenso folgen einander zwei Gesetze zu Disziplinarmaßnahmen der Bischöfe gegenüber fehlbaren Klerikem. 63 Das jüngste Gesetz (Sirm. 6) ist vom 9. Juli 425 56 V. Rose, Verzeichnis der lateinischen Handschriften I = Die Handschriftenverzeichnisse der königlichen Bibliothek zu Berlin XII (Berlin 1893) 167-71, Nr. 83. 57 Wie in der Inskription ausdrücklich angegeben. Daher haben wir CTh 1, 27, dessen sonstige Überlieferung darauf zurückzufiihren ist. 58 In der Hs. erscheint als Titel: Exemplum legis de confirmando iudicio episcoporum etiam inter minores aetates et testimonium unius episcopi accepto ferri. Damit ist aber nur der Inhalt der ersten Konstitution umschrieben, es handelt sich also wohl um eine Zwischenüberschrift. Die Sammlung wird aber auch einen Gesamttitel gehabt haben, der leicht verloren gegangen sein kann, etwa weil er in einer früheren Abschrift mit besonderer (z. B. roter) Tinte geschrieben war und verblasst ist oder so zu schreiben geplant war, was nicht zur Ausfiihrung gekommen ist. Vgl. Mommsen CCCLXXVIII. 59 Vorher waren schon Einzelstücke aus Hss. bekannt, die von dieser Hs. abhängen. 60 J. Sirmond, Appendix Codicis Theodosiani novis constitutionibus cumulatior ... (Paris 1631), abgedruckt bei J. D. Ritter in seiner Ausgabe des CTh-Kommentars von J. Godefroy, Codex Theodosianus cum perpetuis commentariis lacobi Gothofredi VI 2 (Leipzig 1745) am Ende. Die von Sirmond seinerseits angerugten drei Konstitutionen bleiben hier gänzlich außer Betracht. 61 Im einzelnen Mommsen CCCLXXVIII - LXXX. Anders Matthews (0. Fn. 55) 12327, der aber zu viel Gewicht auf das fehlende Datum von Sirm. 7 legt; fast alIe Sirmondschen Konstitutionen haben Defekte, was nur die unprofessionelIe, klerikale Herkunft spieyelt. 6 Das folgt aus dem Adressaten, dem Historiker Eutrop, in Verbindung mit dem Inhalt. Vgl. CTh 9, 38 u. dazuD. Liebs, BHAC 1979-81 (Bonn 1983) 167 f. 63 Sirm. 9 vom 27. Nov. 408 u. 10 vom 8. Mai 420. Die Ordnung volIständig zu rekonstruieren versucht G. L. Falchi, SDHI 50 (1984) 499-503, doch enthält insbesondere

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datiert, während der Codex Theodosianus von 438 n. Chr. nicht nur nicht berücksichtigt ist; sondern obendrein sind entgegen dem darin enthaltenen Verbot64 in den Codex nur im Auszug aufgenommene Gesetze in der Sirmondschen Sammlung vollständig wiedergegeben, außerdem dort gar nicht berücksichtigte. 65 Die Sammlung muss also zwischen 425 und 438 entstanden sein. Zu lokalisieren ist sie im Westen, woher zwölf der 16 Konstitutionen mit zahlreichen zusätzlichen Angaben in den Subskriptionen kommen,66 während umgekehrt die drei Ostkonstitutionen67 unvollständig in- bzw. subskribiert sind: Einmal fehlt der Adressat, 68 dann das ganze Datum (Sirm. 7) oder doch das Jahr (Sirm. 3), vom Fehlen einzelner Kaiser in der Inskription, was auch in Westkonstitutionen vorkommt, abgesehen. 69 Übrigens heißen die Kaiser zweimal in der Inskription Domini nostri, einmal statt des und einmal vor dem üblichen Imperatores; und einmal ist zwischen Kaisernamen und Augusti ein Pii eingefügt. 70 Näheren Aufschluss über den Entstehungsort geben vielleicht zwei Konstitutionen mit Promulgationsvermerk. Sirm. 4 ist subskribiert: Data XII kalendas Novembres, proposita VII idus Martias Carthagine Nepotiano et Facundo consulibus (336 n. Chr.)

Gleichfalls nach Karthago verweist die Subskription von Sirm. 12: Data VII kalendas Decembres Romae, proposita Carthagine in foro sub programmate Porphyrii proconsulis nonis luniis Basso et Filippo viris clarissimis consulibus (408 n. Chr.).

die Tabelle auf S. 501 zahlreiche Fehler; schon das Datum von Sirm. 2 ist falsch angegeben. 64 NTh 1 (das in Mommsens Ausgabe des CTh zu Unrecht am Anfang übergangene Publikationsgesetz, s. CTh ed. P. Krüger fase. 1 [Berlin 1923] S. 11 f.) § 3. 65 Nämlich Sirm. 1,3,5,7,8 und 13. Davon könnten allenfalls Sirm. 1 u. 3 in den lückenhaft erhaltenen Büchern 1-6 des CTh enthalten gewesen sein, Matthews (0. Fn. 55) 127 f. 66 Sirm. 2-6 und 9-16. Zur westlichen Herkunft von Sirm. 5 s. Seeck, (0. Kap. 2 Fn. 37) 342; PLRE I Art. Proiectus 1; u. T. Honore, Law in the crisis ofempire 379-455 AD (Oxford 1998) 243-45 bei Fnn. 247,273 u. 289, Pa!. W 529. 67 Sirm. 3, 7 und 8. Sirm. 1 ist zwar in Konstantinopel ergangen, starnrnt aber vom Gesamtherrscher und ist an den höchsten Beamten des Gesamtreichs gerichtet, s. T. D. Barnes, The new Empire ofDiocletian and Constantine (CambridgefUSA 1982) 14. 68 Sirm. 8. Im Text findet er sich gegen Ende, ein Antiochus. 69 In Sirm. 7 fehlt Gratian und ist Arcadius zu Unrecht einbezogen; und in Sirm. 16 fehlt der Ostkaiser. 70 PU: Sirm. 13. Domini nostri: Sirm. 5 bzw. 11; ebenso (vor Imperatores) NVa114; 17-19; 21,1; 23; 25; s. a. Vat. 288; 273; NTh 2; RB 2, 5 u. 7; 30, 2.

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Drittes Kapitel: Die gallischen Werke im Einzelnen

Beide Konstitutionen muss der Sammler aus Karthago bezogen haben. Außerdem gibt es einen Empfangsvermerk, allerdings ohne Ortsangabe, unter Sirm. 16: Data III nonas Decembres Ravennae Basso et Filippo viris clarissimis consulibus, accepta XVI kalendas Ianuarias (408 n. Chr.).

Der Vermerk muss aus der Kanzlei des Empfangers stammen, hier des Prätorianerpräfekten Italiens und Africas, der gewöhnlich wie der Kaiser in Ravenna saß. Vierzehn Tage zwischen Ausstellung und Empfang am selben Ort sind nicht zu lang. 71 Dieses Gesetz wird der Sammler also aus Ravenna bezogen haben. Ein viertes schließlich, Sirm. 6, das schon genannte jüngste, trägt zwar nur das übliche Ausstellungsdatum mit Ortsangabe (Aquileja), ist aber als einziges an den gallischen Präfekten gerichtet, während von den übrigen elf Westgesetzen neun an den im Westreich wichtigeren Prätorianerpräfekten von Italien und Africa gerichtet sind,72 eines an einen Konsular wohl einer Provinz (Sirm. 5) und ein letztes keinen Adressaten hat; vielleicht ist es ein Edikt (Sirm. 13). Das an den gallischen Präfekten gerichtete Gesetz (Sirm. 6) erging alsbald nach der Niederwerfung des Westkaisers Johannes durch Valentinian III. bzw. seine Mutter Galla Placidia im Mai 425, stellte die Privilegien der katholischen Kirche wieder her und ordnete die Verfolgung von Juden, Häretikern, Schismatikern und sonst den Katholiken missliebigen Gruppen an. Wir haben davon im Codex Theodosianus fiinf Stücke aus wohl drei verschiedenen Ausfertigungen: an den Stadtpräfekten von Rom,73 den comes rerum privatarum 74 und den Prokonsul von Africa. 75 Je nach Adressat variierte der Inhalt. So geht der Kaiser in dem für Rom bestimmten Stück auf ein dort waltendes Schisma76 ein, während in unserer, der gallischen Präfektur geltenden Ausfertigung der mittlerweile

71 Vgl. NVal 10 (Ravenna, 20. Feb. und 14. März 441); 21, 2 (Rom, 26. und 27. Dez. 446); 23 (Rom, 13. und 27. März 447); 31 (Rom, 31. Jan. und 3. Feb.451); NMai 2 (Ravenna, 10. und 11. März 458, Majorian zog offenbar die Zügel an); NAnth 1 (Rom, 21. Feb. und 15. März 468). 72 Sirm. 2, 4, 9-12 und 14-16, s. die Angaben der PLRE zu den jeweiligen Adressaten. 73 CTh 16,5,62, datiert vom 17. Juli 425 aus Aquileja. 74CTh 16,5,64, datiert vom 6. August 425 aus Aquileja, und 16,2,47, datiert vom 8. Oktober 425 ebenfalls von dort, es sei denn, man emendierte oet zu aug, wobei gleichfalls der 6. August herauskäme. 75 CTh 16,2,46, datiert vom 6. Juli 425 aus Aquileja, und 16, 5, 63, datiert vom 4. August aus Aquileja; bei Emendation von iul zu aug oder umgekehrt stimmt der Tag auch hier überein. Vgl. Seeek (0. Kap. 2 Fn. 37) 5; u. Wenger, Quellen 537 f. Fn. 68. 76 Kaum mehr das bei der Papstwahl Ende 418 ausgebrochene Eulalische, nachdem Eulalius seit 423 tot war und sich auch vorher schon mit seiner Absetzung abgefunden hatte, s. J. N. D. Kelly, Reclams Lexikon der Päpste (Stuttgart 1988) 52 f. Vielleicht sind die Novatianer gemeint.

I. Das römische Zeitalter

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dort um sich greifende Pelagianismus77 besonders bekämpft wird. Diese Konstitution kann aus der Zentrale, also Aquileja oder mittlerweile wieder Ravenna bezogen sein; die Wahl der Ausfertigung für Gallien ist aber leichter zu erklären, wenn die Bezugsquelle im Gebiet des Empfängers, des damals in Arles residierenden gallischen Präfekten lag. Freilich entscheiden diese Überlegungen noch nicht über den Entstehungsort der ganzen Sammlung. Auch in Africa stieß der Pelagianismus aufbesonderes Interesse. 78 Für Gallien wurde auch geltend gemacht,79 dass die Kirche von Lyon es war, die uns die Sammlung zusammen mit anderen Gallien betreffenden Werken bewahrt hat. Auch dieser Umstand ist jedoch nicht ausschlaggebend. Der Sammler hat sich nicht darauf beschränkt, nur an einem einzigen Ort promulgierte Gesetze zusammenzustellen, sondern offenbar auch korrespondiert, selber zusammengetragen oder zusammentragen lassen, wie die heterogene Struktur der In- und Subskriptionen zeigt. Auch Augustin kannte derartige Konstitutionenkonvolute;80 und bei Optat von Mileve sind uns zwei Sammlungen von Dokumenten erhalten: nur mit Anfang und Schluss die um 340 n. ehr. entstandenen Gesta purgationis Caeciliani episcopi et Felicis sowie ein um 400 entstandener Anhang dazu. 8I Den Ausschlag für Gallien als den Ort, wo die Sammlung zusammengestellt wurde, gibt wohl der Inhalt von Sirm. 5. 82 Inhaltlich sind die Konstitutionen nicht lediglich Fälschungen, schriftlich hat auch Jacques Godefroy das nicht behauptet;83 doch ist Sirm. 1 wohl im kirchlichen Sinn verfälscht, insofern den Bischöfen Gerichtsbarkeit auch gegen den 77 O. Wermelinger, Rom und Pelagius (Stuttgart 1975) 207. 78 Wermelinger aaO., bes. 146 ff. u. 254 ff. 79 G. Hänel, Novellae constitutiones imperatorum Theodosii II .... XVIII constitutio-

nes, quas I. Sirmondus ... (Bonn 1844) 421 ff.; Krüger, Gesch. 333 f.; Conrat 146. Nicht entscheidend auch nach Landau (0. Kap. 2 Fn. 20). 80 Augustin Ep. 24"', 2; s.a. 10"', 3-5. - M. Vessey, The origins of the Collectio Sirmondiana, in: The Theodosian (0. Kap. 1 Fn. 49) 178-99, betrifft nur die erweiterten Neuausgaben nach Erlass des CTh, ist im übrigen mit NTh 1 nicht vertraut und leugnet eine vortheodosianische Fassung. Ein triftiger Grund fiir seine Annahme, eine kürzere erste Version aus dem frühen 6. Jh. habe Sirm. 1-7 umfasst, wird nicht ersichtlich. Vgl. a. Esders 42-44, der sich Fn. 178 allerdings zu Unrecht auf Landau beruft und unklar lässt, ob er Sirm. 17 und 18 zur langen, der eigentlichen Version der Sammlung rechnet oder nicht. 81 Hg. K. Ziwsa, S. Optati Milevitani Jibri VII = CSEL 26 (Wien 1893) 185-204 u. 204-16. Dazu P. Monceaux, Histoire litteraire de I' Afrique chretienne IV (Paris 1912) 210-39. 82 Landau (0. Kap. 2 Fn. 20) 40-45. Weit. Lit. bei K. Hackl, SZ 109 (1992) 678-83. 83 Über kritsche Absichten berichtet J. D. Ritter in seiner Ausgabe des CThKommentars von J. Gode/roy (0. Fn. 60) VI 2, Vorwort, letzter Abs.; s. a. VI 1 (Leipzig 1743) 339-50, der Kommentar Gode/roys zu Sirm. 1-3, bezeichnet als Extravagans seu subdititius titulus De episcopali iudicio.

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Drittes Kapitel: Die gallischen Werke im Einzelnen

Willen einer Partei gegeben ist und nach der Zeugenaussage eines Bischofs kein Beweis mehr über den Gegenstand der Aussage erhoben werden darf. 84 6. Kapitel 4 bis 6 der Consultatio (A) 7. Kapitell bis 3 und 7 bis 9 der Consultatio (B) 1563 schickte der Rechtsgelehrte Antoine Loisel aus Beauvais seinem Freund Jacques Cujas die Abschrift eines spätantiken Rechtstexts, den Loisel entdeckt und antiquissimi cujusdam jurisconsulti consultatio genannt hatte; er regte an, Cujas möge den Text dermaleinst zusammen mit den eigenen Rechtsgutachten pro exemplo Jortasse herausgeben. 8s Die Abschrift und ihre Vorlage sind verschollen. Cujas hat aber 1564 im 7. Buch seiner Observation es (Kap. 5, 27 u. 28), dann 1566 zusammen mit anderen vorjustinianischen Rechtsquellen, insbesondere dem Theodosianus, die meisten in der Consultatio wörtlich zitierten Stellen aus Gregorianus, Hermogenianus, Paulussentenzen und Theodosianus ediert, endlich 1577 als Einleitung zu den eigenen Rechtsgutachten die ganze Consultatio, also mitsamt verbindendem Text, herausgegeben und 1586 eine verbesserte Fassung als Anhang einer Neuausgabe des Theodosianus. Seitdem wird der ohne Titel überlieferte Text Consultatio veteris cuiusdam iurisconsulti genannt. Schulting86 hat bemerkt, dass die Consultatio aus mehreren Teilen besteht, insbesondere dass mit Kap. 4 ein neues Gutachten beginnt; und Max Comat hat ausgemacht, aus dem Nachlass herausgegeben und mit weiteren Argumenten untermauert von Hermann Ulrich Kantorowicz,87 dass Kap. 4 bis 6 von einem andern (A) stammt als der Rest, Kap. 1 bis 3, 7, 7a und 84 Am eingehendsten dazu W. Seih, SZ 84 (1967) 185-96, der den Text von Sinn. I ab Z. 10 Quicumque itaque der kaiserlichen Kanzlei abspricht und kirchlicher, nur auf den geistlichen Zwang gegnüber den fideles anspielender Interpretation zuschreibt. O. Gradenwitz, in: Festsehr. O. Gierke 70. Gebtg. (Weimar 1911) 1085-89, hatte sich, m. E. einleuchtend, filr bloße Erweiterung echten Konstitutionentexts ausgesprochen; betroffen wären Z. 11-14 und (S. 908) 2-4. Weniger überzeugend zur einseitigen Anrufung des Bischofsgerichts W Waldstein, Festschr. M. Kaser 70. Gebtg. (München 1976) 533 ff. Unkritisch G. Vismara, La giurisdizione civile dei Vescovi (Mailand 1995) 48. 8S J. Cujas, Observationes et emendationes VII (Paris 1564) Kap. 27 (so in der venezian. Ausgabe der Opera: III [Venedig 1758] 168; zitiert wird stets 26) a. A. Heutige Ausgaben: P. Krüger, Collectio III 199-220; u. B. Kühler, IAR 11 485-514. Text, span. Übers. u. Fotos der Erstausgabe: J. M Blanch Nougues, EI dictamen de un antiguo jurisconsulto (Madrid 1999). 86 A. Schulting, Jurisprudentia vetus ante-justinianea (2. Aufl. Leipzig 1737) 813 Fn. l. 87 SZ 34 (1913) 46-56, hier 47 f.; ergänzende Argumente des Herausgebers 48 f. Fnn. 2 f. Ablehnend K. Schindler, Labeo 8 (1962) 58 f., gefolgt von Blanch Nougues (soeben Fn. 85) 37 f. Unschlüssig Wieacker, Recht (0. Fn. 18) 111 u. 113; s. a. ders. (0. Kap. 2 Fn. 99) 430.

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8 (von B). Kap. 9 enthält nur Belegstellen; sie sind ähnlich ungenau angeführt wie bei B, d. h. meist ohne Titel, während A stets den Sachtitel mit angibt; vielleicht stammen sie aber von dritter, jüngerer Hand. 88 Nach dem Wortindex Max Conrats zum verbindenden Text der Consultatio,89 wo Kap. 9 also nicht erscheint, kommen von den insgesamt 532 verschiedenen Wörtern 80 Wörter in beiden Teilen vor, 99 nur bei A (68 Zeilen Text) und 353 nur bei B (178 Zeilen). B assimiliert annectere (1, 5), A dagegen nicht (4, 2; 5, 2 f.; 6, 2). B ergreift heftig Partei und eifert, während A ruhig argumentiert. B hatte einen konkreten Fall zu beurteilen. Sein Mandant war der Anwalt90 einer verheirateten Frau (oder ihrer Erben), die aufDruck ihres Mannes für sie ungünstige Erbteilungsverträge mit ihrem Bruder in einem castellum ungelesen unterschrieben hatte (2, 1). Es ging um großen Grundbesitz mit domus cum membris suis vel hospitiis circumiectis (2, 1); der Ehemann hatte iudiciaria potestas (8, 1). Dem engagierten Gutachter sind Akten und Urkunden zum Fall vorgelegt worden (s. 1, 1 pactionem subscripsisse; 7, 1 pactionis textus und chartula ipsa litigii; 7, 8 praefata cartula). Außerdem ist von eiJractores et manifesto crimine comprehensi und von servi qui res uxorias manifesto crimine abstulisse convicti sunt die Rede (8, 1). Ein der Frau ungünstiges Urteil, bei dem der Mann sie vertreten hatte, ist schon ergangen (3, 1). Die vielen belehrenden Wendungen (3, 4 f.; 3, 11; 5, 7; 8, 3 f.), Verweise nach oben und unten (1,5; 2, 5; 3, 4; 3, 10; 3, 11) und die Selbstbezeichnung als Traktat (7a, 5 und 8, I) führten Schindler zu dem Schluss, auch B behandle einen Schulfall, auch Cons. 1-3 und 7-9 sei aus Rechtsunterricht hervorgegangen. 91 Die mannigfachen Einzelheiten und die naive Empörung des Autors über Machenschaften des Gegners passen aber nur zu einer Rechtsauskunft in einem wirklichen Fall, der dem Juristen erst vorgelegt wurde, als die Sache schon sehr schlecht stand. Schindler verkennt die Lage auch noch des spätantiken Anwalts, der gewöhnlich noch immer nicht Jurist war, sich vielmehr von einem Fachmann des Rechts belehren lassen musste. 92 Vor allem veranschlagt er nicht, dass sich gerade auch praktizierende Juristen sehr ereifern können. So Schind/er, Labeo 8, 41, während Conrat, SZ 34, 50, wohl an Autor B dachte. im Nachlass, VB Freiburg i. Br. 90 Conrat, SZ 34, 49 f. Vgl. Ulp. 8 ornn. trib. D. 50, 13, 1 § 11: qui pro tractatu, non adfuturi causis, accipere quid so/ent, advocatorum numero (sc. non) erunt. 91 Labeo 8, 58-60. Dagegen schon überzeugend Conrat aaO. 49-51; ebenso Wieacker, Zustände (0. Fn. 18) 50 f.; u. ders., Recht (0. Fn. 18) 110-13. Dass gerade auch praktischer Rechtsrat tractatus genannt wurde, bezeugen Ulpian in der soeben Fn. 90 genannten Stelle, ferner Paulus (zu Pap. 2 quaest.) D. 22, 1, I § 2; ders. 3 decr. D. 49, 14, 50 Mitte; Papinian 6 quaest. D. 5, 4, 10 g. E.; und Cervidius Skävola 8 quaest. D. 29, 7, 14 § 1. 92 Liebs, Africa 3 u. Fn. 16; J. A. Crook, Legal advocacy in the roman world (London 1995) 188-97; u. H. Wieling, in: AARC 11 (1996) 419-63, hier 420-26. 88

89 Unveröffentlicht

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Drittes Kapitel: Die gallischen Werke im Einzelnen

Demgegenüber erörtert A in ruhigem Ton allgemein, ohne konkreten Lebenssachverhalt, Möglichkeiten, erstens gegen rechts- und sittenwidrige pacta vorzugehen (4), zweitens Entwendetes und Erschlichenes zurückzufordern oder sich gegen derartige Rückforderungen zu verteidigen (5), wobei zumal auf die Gefahr der plus petitio eingegangen wird, und drittens (6), sich gegen den oder die Erben vermeintlicher Ansprüche auch mit Hilfe des Kalumnienvorwurfs durchzusetzen, insbesondere wenn der Gegner eine Schenkung oder kaiserliche Vergünstigung geltend macht. Zur ersten Frage werden neun Belegstellen aus Paulussentenzen und Codex Hermogenianus beigefiigt, zur zweiten vier und zur dritten 17, alle nur aus diesen beiden Werken, aus denen allein auch die Sententiae Syriacae schöpften. Dagegen benutzte A auch die Codices Gregorianus (1, 6-10 und 2, 6f.) und Theodosianus (1, 12; 3, 12 f.; 71, 3; und 8, 2. 5. 7), während in Kap. 9 nur die drei Codices ausgewertet sind. Aber beide (bzw. alle drei) in der Consultatio vereinigten Arbeiten sind nicht lange vor 450 anzusetzen, A wohl etwas früher als B. Für B ergibt sich das nicht nur aus, freilich meist schwer fassbaren, inhaltlichen Gründen, die Schindler mit großer Sorgfalt erarbeitet hat (vielleicht nicht durchweg definitiv),93 sondern auch aus der Anfiihrung von CTh 1,4,3, nominell von Theodosius 11. (regierte 408-50 n. Chr.) und Valentinian III. (425-55), als sacratissimorum principum scita (7, 3), also als Konstitution noch regierender Kaiser, während CTh 1, 4, 2 von Konstantin als divalis constitutio bezeichnet ist (ebenda) und 2, 12,4, nominell von Theodosius I. (379-95), Arcadius (383-408) und Honorius (393-423), ebenso korrekt als lex divorum principum (8, 1).94 Aus dem nachtheodosianischen Material wäre etwa NT 8 § 1 einschlägig gewesen, dessen Nichtberücksichtigung leicht dadurch zu erklären ist, dass in Gallien noch keine Novellensarnmlung greifbar war; die erste westliche Sammlung entstand in Italien 460/61 n. Chr. 9S Die früher verbreitete Annahme, die LRV von 506 sei benutzt,96 erweist sich auch deshalb als vorschnell. Auch A, dessen drei Rechtsauskünfte von B wenn nicht in Auftrag gegeben, so doch verwendet und seiner Ausarbeitung inkoporiert wurden, ist nicht wesentlich früher anzusetzen; zwar scheint der Theodosianus noch unbekannt zu sein, aber 5, 2 und 6, 2 setzen eine Ladung vor Gericht nicht mehr durch De-

93 Labeo 8, 25-58. Fragwürdig ist die scharfe Entgegensetzung von transactio und pactum über eine res iudicata S. 40 - 43, s. dazu KaserlHackl § 55 bei Fnn. 27 f.; abzulehnen die Annahme einer Interpolation von Cons. 5, 7 S. 46 f. Verfehlt Harries, in: Ethnicity (0. Kap. 1 Fn. 138) 52-54. 94 S. schon F. A. Rudorff, ZgR 13 (1846) 65 f.; u. Liebs, Italien 142 Fn. 52. Schindler, Labeo 8, 18 Fn. 8, distanziert sich von dem Argument ohne Begründung. 9S Liebs, Italien 188-90. 96 Vertreten noch von Conrat, SZ 34, 51-56; widerlegt von Schindler, Labeo 8, 1626; zustimmend Blanch Nougues (0. Fn. 85) 39-42.

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nunziation an den Gegner, sondern durch ein an das Gericht zu richtendes Libell voraus, das erst im 5. Jh. die Denunziation abgelöst hat. 97 Entstehungsort wird das südliche Gallien gewesen sein,98 damals eher Lyon als Autun, woran Schindler wegen des von ihm noch zu spät datierten Gajus von Autun 99 dachte. In Lyon könnte das Werklein, also B (mit A), ein Dreiviertel Jahrhundert später vom Autor der Lex Romana für Burgund benutzt worden sein. 100 Hauptsächlich wegen der zahlreichen mehr oder minder passenden Belegstellen aus den Sentenzen und den drei vOIjustinianischen Konstitutionenkodizes, die zusammen fast doppelt so viel Raum einnehmen wie der verbindende Zwischentext und auch ohne Kap. 9 diesen immer noch bei weitem übertreffen, interessierte das Ganze zunächst nur wegen der nur hier überlieferten Belegstellen und bei den auch anderswo (Vat, CTh, LRV, CJ und D.) überlieferten wegen der wenigen Abweichungen. Sie erlauben kaum den Schluss, einer der Autoren habe Belegstellen bewusst nicht nur gekürzt, sondern auch abgeändert. 101 Das gilt auch für SentenzensteIlen, die sowohl von A (5, 3 und 6, 2) als auch von B (3, 4 und 10) leges genannt werden; anderwärts nennt A sie lectiones (4, 2) und spricht B einmal von consultorum iura (7a, 5), freilich ohne klaren Bezug auf Sentenzen. 8. Die sog. Appendix I zum Breviar Sieben gallische Handschriften des ungekürzten Breviars,102 sechs davon nur bruchstückhaft erhalten, und eine der Epitome monachi \03 (0. Kap. 2 Nr. 26) enthalten zusätzlich eine Zusammenstellung von 28 nicht ins Breviar aufgeSchindler, Labeo 8, 57; KaseriHackl, § 87. Krüger, Gesch. 347; Conrat, SZ 34, 55 f.; Schindler, Labeo 8, 26; Gaudemet, Formation 84; u. Volterra, BIDR 85 (1982) 199. Vorsichtiger nur für Frankreich Blanch No~es (0. Fn. 85) 39. Zu ihm oben Nr. 1. 100 Bauer-Ger/and 183 vermutet besondere Nähe von Cons. 7a, 4 zu RB 22, 3 u. 9. 101 Schind/er, Labeo 8, 41-43, gegen E. Levy, Pauli sententiae. A palingenesia ofthe 97

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opening titles (Ithaca/USA 1945) 45 - 47. \02 Montpellier, UB med. H. 84 BI. 137-39, im Jahr 800 (?) ab 11. April vom Mönch Wulfin im Kloster Couches (-les-Mines) in Burgund im Auftrag seines Bischofs Martin 11. von Autun geschrieben (Hänel L f.); um dieselbe Zeit Paris, BN 4403 BI. 207-09; 9. Jh. Berlin, SB 270 aus Frankreich BI. 12, 13, 11 (s. Mommsen LXXIX f. u. LXXXIII); Ivrea, BC 171XXXV anscheinend aus Frankreich; Paris, BN 4406 BI. 53 - 55; aus dem Jahr 906 (?) Rom, Vat. Ottob. 2225 aus Frankreich (Mommsen LXXXI u. LXXXIII, Meyer XLI f.) BI. 187; u. 10. Jh. Paris, BN nouv. acqu. 1631 BI. 96v unten - 98v Mitte. Nur Montpellier ist vollständig. 103 Paris, BN 4419,10. Jh. (s. Mommsen CII) BI. 77 f.

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Drittes Kapitel: Die gallischen Werke im Einzelnen

nommenen Texten. Sie steht in zwei Handschriften hinter der Appendix III (unten Nr. 17), in drei hinter der Appendix 11 (sofort Nr. 9),104 in diesen runf Handschriften nach einem ersten Abschlussvermerk, lOS und in der Epitome monachi hinter zwei anderen kurzen Texten (De meretricibus et in/amis und INT 15, 1), stets aber vor dem endgültigen Abschlussvermerk des Breviars. l06 Die einzelnen Texte stammen aus dem Gregorianus (§§ 1-6), den Paulussentenzen (§§ 7-19) und dem Theodosianus (§§ 20-28), handeln von Prozess(einschließlich Gerichtsverfassungs-) und Erbrecht und wurden von Paul Krüger Appendix I getauft. 107 §§ 1 f. betreffen Postulationsfähigkeit; 3-19, also die meisten Reskripte aus dem Gregorianus und alle Sentenzen, Erbrecht (3 - 8 zur Haftung des Erben rur Schulden des Erblassers und Erbschaftsantritt, 9 u. 1719 zum gesetzlichen Erbrecht im Zusammenhang mit Frauen, 10 f. zur Haftung des Erbschaftsbesitzers rur nicht gezogene Früchte, 12-16 zur Erbteilung); 2023 Rechtskraft und Urteil; 24 f. die Tragweite von Kaiserkonstitutionen; und 26--28 Grundpflichten des Gouverneurs als ordentlicher Richter. Nach Inhalt und Herkunft eng zusammengehörige Stellen (höchstens vier) sind unter einer römischen Nummer zusammengefasst, aber ohne in Worte gefasste Rubriken, so dass der Text von I bis XII (§§ 1-23) und noch einmal von I bis 1111 (§§ 2428) zählt. Dies ist offenbar ein Nachtrag, keine eigene, weitere Sammlung, 108 da die Quelle der Stellen nicht angegeben ist, vielmehr offenbar weiterhin an die Angabe des Theodosianus in § 20 angeknüpft wird; §§ 20-23 enthalten Stellen aus Buch 4 wie gesagt zu Rechtskraft und Urteil, 24-28 dagegen aus Buch 1 zu grundsätzlicheren Fragen. Die Herkunftsangaben sind zunächst bemerkenswert genau: Werk, Buchnummer, Titelnummer und -rubrik (§§ 5 f., in § 1 letzteres umgekehrt), Nr. der Konstitution; bald aber fehlen einzelne Elemente (§ 3 Titelm., § 4 Nr. der Konstitution); bei Sentenzen und Theodosianus sind nur noch Buchnummer und 104 Berlin, Ivrea und Paris 4406; nach III: Montpellier und Rom. Paris n. acqu.: allein unmittelbar nach dem Papinianfragment des Breviars. lOS Explicit liber iurisfeliciter. 106 Deo gratias amen. Explicit liber legum Theodosii et novellarum Ivrea; Explicit liber legum Theodosiani et novellarum Paris 4406; Expliciunt tituli iuris quae in lege Romana cosistent feliciter amen Paris n. a. 1631; Explicit liber legum Romanorum Paris 4419; Paris 4403 und Berlin sind am Ende verstümmelt; Rom endet kurz Explicit. Montpellier hat, nach der ausfiihrlichen subscriptio auf BI. 137 S. 1 und der kürzeren nach der Appendix III (0. Fn. 105), nach Appendix I keinen weiteren Schlussvermerk. 107 Hg. Collectio III 247-59 mit ausführlicher Einleitung 249-53 zu allen drei Appendices; s. schon Hänel453 ab Z. 5 mit S. XXI f. Dazu ferner Conrat 141-43 u. 629; Mommsen LXXXIII; u. Gaudemet 16 - 19 (zählt III als I, I als II und II als III). 108 So aber Conrat 141 f. (das sei Form C der Appendix), dem die klärende Ausgabe Paul Krügers noch nicht vorlag, s. S. 629. Unglücklich auch seine Zusammenfassung von II und I (bis 23) zu Form B der Appendix, vorgezeichnet durch die gleichfalls doppelnde Ausgabe Häne/s S. 454 f.

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Titelrubrik angegeben. In- und Subskriptionen der Konstitutionen sind festgehalten; drei sind gekürzt. 109 Dies und die innere Ordnung der Materialsammlung, die Umstellungen einschloss,11O lassen darauf schließen, dass Anlass ein konkreter Rechtsfall war, und zwar in Anbetracht der vielfliltigen Rechtssätze, die z. T. nur fiir alle Fälle, sofern die Beweisaufnahme dies oder jenes ergeben würde, angeführt sind, doch wohl ein praktischer Fall. Um ihn zu bewältigen, wurde zitierfähiges Material zusammengestellt, offenbar durch einen praktizierenden Juristen, der also wohl beratend tätig war, angesichts der Fülle wohl eher eine der Parteien bzw. ihre Anwälte, möglicherweise aber auch den Richter beratend. Ganze drei Werke sind ausgebeutet, dieselben drei wie in Kap. 13 und 7 f. der Consultatio, also von Autor B (0. Nr. 7), wenn man von Kap. 9, das eine Sonderstellung einnimmt, absieht. Das sind zugleich die in Breviar und burgundischem Römergesetz am stärksten ausgewerteten Werke, wieder mit Abstrichen: keine Novelle ist angeführt und nichts aus Gajus, der im Breviar den Gregorianus um das Sechsfache und im burgundischen Römergesetz immer noch fast um das Doppelte übertrifft; Novellen, Gajus und übrigens auch Papinian fehlten ebenso in der Consultatio (0. Nr. 6 f.), die aber obendrein den Hermogenianus ausgewertet hat. Die Sentenzen sind angesichts des Gegenstands sinnvollerweise am stärksten benützt, stärker noch als von Autor B der Consultatio, aber ähnlich stark wie bei Autor A (0. Nr. 6). Allerdings gibt es keinerlei Zwischentext, keine Überschrift lll und keinen eigenen Schlussvermerk. Eine innere Beziehung zum Breviar ist nicht zu erkennen. Zwar ist keine der hier zusammengestellten Stellen im Breviar enthalten; nur § 9 stellt wohl eine (andere als unten Nr. 10) Interpretatio zu LRV PS 4, 8, 3 dar. 1I2 Trotzdem gibt es keinerlei Anzeichen, dass die Sammlung die LRV ergärJzen sollte. Da diese aus den ausgewerteten Werken nur etwa ein Viertel (Theodosianus, Sentenzen) bzw. Fünfzigstel (Gregorianus) enthält, wird die fast fehlende Überschneidung Zufall sein. Auch dass Novellen fehlen, mag Zufall sein, auch wenn 109 § 6 aus CO 6,18,13, s. CJ 5, 51, 4; und die ersten beiden des Nachtrags, §§ 24 f. Hier ist eine Kontrolle nicht möglich, weil CTh 1, 2, 11 f. erst hierdurch restituiert werden konnte, weshalb nicht auszuschließen ist, dass die Kürzungsvermerke Post alia zu Beginn von § 25 und et cetera am Ende von §§ 24 und 25 schon im CTh standen. In § 6 heißt es am Schluss et reliqua. 110 So müssen §§ 1 f. aus demselben CO-Titel im CO wegen des Datums in umgekehrter Reihenfolge gestanden haben, s. heute CI 2, 11, 14 u. 1. Auch § 3 stand im CO vor §§ 2 u. 1, s. Collectio III 236 f., woraus auch zu ersehen ist, dass die Consultatio gleichfalls umgestellt hatte. Ebenso folgte § 8 in den Sentenzen erst nach § 9 und unter anderem Titel, vgl. PS 4, 8, 20 (s. !AR 11 104 Fn. 7 u. Collectio 11 101 ganz unten) u. 4, 10,4. Bei App. 1, 7-9 handelt es sich übrigens wohl nicht um Sentenzen im Wortlaut, sondern um Interpretationen, s. etwa Krüger, Collectio aaO. 111 In manchen Hss. findet sich Institutio, eine Verderbnis rur Constitutio und zur Herkunftsangabe der ersten Stelle gehörig, s. Hänel XXI f. 112 Krüger, Collectio 11 101, Apparat zu Z. 27; s. dazu Gaudemet 18 f.

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Drittes Kapitel: Die gallischen Werke im Einzelnen

darin manches zum gesetzlichen Erbrecht im Zusammenhang mit Frauen stand. ll3 Das erschwert die Datierung. Die Überlieferung am oder gegen Ende einiger weniger Handschriften des Breviars bedeutet nicht, dass die Zusammenstellung nach Erlass des Breviars entstanden sein müsste, wovon gemeinhin ausgegangen wird. Vielmehr setzt der Anhang in §§ 24 f. ein Arbeiten mit aktuellen Kaiserreskripten und in §§ 26-28 eine grundsätzlich noch intakte, wenn auch korrupte römische Provinzialverwaltung voraus, was ins mittlere 5. Jh. führte. An das Breviar wird sich unser bescheidenes Opus erst spät angesetzt haben, als dieses zum Mutterschiff aller römischen Rechtstexte in Gallien geworden war (0. Kap. 2 a. E.), später als Appendix III (unten Nr. 17) und auch II (sofort Nr. 9), wie seine Stellung in den Handschriften ergibt. Herkunft aus Gallien legen Überlieferung und iure Gallico in § 7 nahe. Hinkmar von Reims zitierte 870 aus § 21,114 als stünde die Stelle im Breviar. 9. Die sog. Appendix n zum Breviar

Drei Handschriften des ungekürzten Breviars aus dem 9. Jh. 115 enthalten unmittelbar im Anschluss an das Breviar l16 ohne neue Überschrift eine Zusammenstellung von Exzerpten aus Theodosianus (§§ 1 - 5), Gregorianus (6 f.) und Paulussentenzen (8 - 10). Alle betreffen Säumnis nach Ladung und Rücknahme eines Anerkenntnisses. Verbunden damit ist ein kleiner Traktat zum Versäumnisverfahren (§§ 11 - 14), der gemeinhin Commentariolus de trina conventione genannt wird und hauptsächlich aus Formularen für das Ladungsedikt (§ 12) und das vor dem endgültigen Versäumnisurteil zu erlassende Edikt besteht (14);117 dieser Traktat ist auch ohne die Exzerpte in drei gekürzten Breviarhandschriften des 10. Jhs. überliefert. 118 Am Ende der ganzen ZusammenSo NT 14; NY 14; 35; u. NMai 6. H., Opusculum LV capitul. 28 g. E., s. Mommsen LXXXIX u. zu CTh 4, 17, I. 115 Ivrea, BC 171XXXV; Paris BN 4406 BI. 53-55 (zu beiden Mommsen LXVIILXX; u. Hänel LII f., Nr. 16 f.); sowie Berlin SB 270 BI. 12, 13 u. 11 (nur das Ende einer noch im 16. Jh. vollständigen Hs., s. Mommsen LXXIX f.; F. Bluhme, MGH Leges in folio III (1863) 588 f.; u. Hänel LIV, Nr. 17b). 116 Zu Berlin s. Mommsen LXXX unter 3. und 4. 117 Hg. P. Krüger, Collectio III 260-63; noch nicht von App. I getrennt Hänel 454. Dazu vor allem Krügers Einleitung zu allen drei Appendices 249-53; u. Mommsen LXXXIII. Unbefriedigend Conrat 142, der bei der überlieferten Form noch insofern verharrte, als er als Form B der Appendix die Kombination von Il und I fasste, den Vermerk Explicit liber iuris feliciter zwischen bei den nicht hinreichend beurteilend. Er ergibt, dass beide Texte zwei verschiedene sind. 118 Leiden, UB Voss. qu. 47 BI. 2 f., s. Mommsen XCVI u. Hänel LXI f., Nr. 25; Paris, BN 4406 BI. 57 f.: nur der Anfang einer Hs. mit den Präliminarien, weshalb hier 113

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I. Das römische Zeitalter

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stellung stehen drei Sentenzen zum Silanianischen Senatsbeschluss über das Schicksal der Sklaven bei gewaltsamem Tod eines Sklavenhalters. Es folgt ein erster Abschlussvermerk, danach Appendix I und der endgültige Abschlussvermerk. Die Theodosianusstellen sind zweimal mit Buch- und Titelnummer,119 einmal davon auch mit Konstitutionennummer angegeben, sonst weder Buch noch Titel, nur das Werk, das stets corpus genannt wird wie in beiden Teilen der Consultatio. §§ 1, 3 und 5 sind auch im Breviar enthalten (5 ungekürzt), offenbar Zufall. Wieder muss ein konkretes rechtliches Anliegen Anlass fiir die Materialsammlung gewesen sein. Z. B. könnte jemand nach dem Tod eines Sklavenhalters als dessen Erbe aufgetreten sein, Hab und Gut in Besitz genommen haben, obwohl er am Tod (mit-) schuldig sein mochte, und ein vermeintlich besser Berechtigter ihn vor Gericht haben ziehen wollen; vielleicht gab es schon ein Teilanerkenntnis, das später widerrufen wurde. Die Überlieferung nur der Formeln kann auf den gleichen Kürzungswillen zurückgehen wie die Kürzung des Breviars selbst. Zur Lokalisierung des Texts kann nur die Überlieferung herangezogen werden; alle Handschriften stammen wenn nicht sicher, so doch am ehesten aus Gallien. Für die Datierung muss man sich von der Überlieferung im Schlepptau des Breviars frei machen, das als Hauptankerplatz römischer Rechtstexte in Gallien in den dunklen Jahrhunderten auch ältere Texte angezogen hat (0. Kap. 2. a. E.). Der Zivilprozess wird amtlich eingeleitet (§§ 11 f.), was sich im 5. Jh. durchsetzte. 120 Andererseits ist im Formular für das Versäumnisedikt, das am Gerichtsort der säumigen Partei anzuschlagen ist und ernste Folgen androht, wenn sie nicht binnen 27 Tagen bei Gericht erscheint, eine mir sonst unbekannte Frist, die Vorsehung der Kaiser gepriesen, als gebe es diese noch: benefica principum providentia, dum humano generi consulit, constituit ... Das konnte man im Westen nach 476 kaum mehr sagen. Auch der schwungvoll moralisierende Ton, der hinter jeder Säumnis Raub und Obstruktion der Justiz argwöhnt, mochte zwar wirklichkeitsnah sein, engt den Anwendungsbereich aber, nimmt man den Text genau, ein und ist unter einem Germanenkönig schwerer vorstellbar. Dass keine Novellen ausgewertet sind, mag ergänzend angeführt werden; zwei wären wohl einschlägig gewesen. 121

offen bleiben muss, ob gekürzt, s. Mommsen LXXVIII u. Hänel LIII, Nr. 17 unter B; u. 4410 Vorbl. mit BI. 68 aus 4406, das zu jener Hs. gehört, vielleicht schon aus dem 9. Jh., s. Mommsen XCVIII u. Hänel LXIV f., Nr. 30. Gesondert hg. von K. Zeumer, MGH Formulae (1886) 534 f. 119 §§ 1 u. 4, wo statt librum zu lesen sein wird libri IIII; hier auch die Konstitutionennummer. 120 Kaser/Hack/570 f. 121 NY 2,3 f.; bei 2, 1, die nicht überliefert ist, muss das offen bleiben.

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Lieb.

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Drittes Kapitel: Die gallischen Werke im Einzelnen 10. Die Interpretationen zu den Paulussentenzen

Durch das Breviar und einmal durch eine Supplierung 122 dazu ist uns ein Apparat von Erläuterungen des mittleren 5. Jh. 123 zu einem schmalen Auszug aus den pseudopaulinischen Sentenzen erhalten, die einigermaßen vollständig für das westgotische Römergesetz von Interesse gewesen zu sein scheinen; 124 der dort verwandte Sentenzenauszug war aber ein anderer, ausführlicherer. 125 Die Erläuterungen aktualisieren den Grundtext, wo es nötig ist, und entfalten auf leicht verständliche Weise dessen Aussagen, insbesondere wenn der Grundtext sehr gedrängt formuliert war. 126 Die Sachverhalte werden plastischer; veraltete Rechtsinstitute verschwinden. Bei der Anführung fortgeltender alter Rechtsquellen passieren Fehler; auch Verballhornungen kommen vor. Verwickelte Sachverhalte des Grundtexts durchschaut der Interpret mitunter nicht; Hauptsache sind ihm sinnfällige Aussagen. Unanschauliche Differenzierungen sind eingeebnet. Insgesamt aber sprechen die Interpretationen praktikable Regeln aus, zeugen von bescheidener Fachlichkeit. 127 Erklärt ist Sentenz für Sentenz, selten zwei oder auch drei gemeinsam. Auf andere Rechtserkenntnisquellen ist nicht verwiesen, offenbar auch keine weitere verwertet. 128 Rechtsänderungen durch Kaiserkonstitutionen sind, soweit einschlägig, stillschweigend berücksichtigt.129 Markant Heidnisches (Tempel, Götter) ist auf die Kirche umgestellt, im Übrigen aber kein Rechtssatz etwa im christlichen Sinn geändert. 130

122 IP 1, 7,4, s. Schellenberg 18 f.; u. Lambertini, Labeo 41 (1995) 232. Irreführend M. Bianchi Fossati Vanzetti, Pauli Sententiae. Testo e interpretatio (Padua 1995) XVI u. Fn. 15; der Autorin sind Schellenberg, Wieacker und andere neuere Arbeiten entgangen. Ältere Ausgaben bei Liebs, HLL VII § 717.6 Lit. 123 Zur Datierung Schellenberg 62-68, wobei jedoch zu beachten ist, dass Schellenberg noch Vismaras Vordatierung des Edictum Theoderici und seiner Verlegung nach Gallien folgte, s. S. 62; dazu zusammenfassend Liebs, Italien 191-95; u. ders., HLL VII § 716.5. Von den Kompilatoren Alarichs stammen allenfalls IP 5, 19, 1 und 5, 34, 1, s. Schellen berg Anm. 226 u. S. 43 oben. 124 Schellen berg 35 unten. 125 Zu ihm näher Schellenberg, 36 - 50. 126 Schellenberg 25; 66 f. 127 Zu all dem Schellenberg 69-71; 81-86. Fehlerhaftes stellte W. W. Buck/and, LQR 60 (1944) 361-64 zusammen. 128 Schellen berg 19. 129 Schellen berg 70 f. 130 Schellenberg 75-80. Zur Frage germanischer Einflüsse 71-75.

1. Das römische Zeitalter

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Hervorgegangen sind die Interpretationen offenbar aus Rechtsunterricht an Hand der Sentenzen,131 anscheinend in Südgallien. 132 Der interpretierte Auszug scheint vom Interpreten dafür erst hergestellt worden zu sein. 133 Vergleichbare Interpretationen gab es offenbar auch von andem Autoren. 134 Das Werklein hat Spuren im sog. Codex Euricianus, Edictum Theoderici und in der Lex Romana für Burgund hinterlassen. 135 Im weiteren Verlauf des Mittelalters vertreten Interpretationen immer häufiger den Sentenzentext selbst, ohne ihn jedoch zu verdrängen. 136 11. Die Interpretationen zum Codex Gregorianus Allein durch das Breviar erhalten ist ein kurzer Auszug aus dem Codex Gregorianus von 291 mit 23 privatrechtlichen Konstitutionen (von ungefahr 4000 des ganzen Codex), verteilt auf 14 durchgezählte Sachtitel, nebst zehn Interpretationen. Kreuter hat wahrscheinlich gemacht, dass es sich um ein einheitliches Werk handelt, das um 470 in Südgallien aus Rechtsunterricht an Hand der Konstitutionen hervorgegangen ist; bei den Interpretationen schien es sich um Nachschriften eines Schülers zu handeln,137 der anscheinend nach dem 10. Titel aufgab 131 Das nimmt auch Sche/lenberg wahr: S. 67 u. 83, wertet es aber nicht aus, weil er noch der seinerzeit verbreiteteten Ablehnung jeden fachlichen Rechtsunterrichts im Westen damals folgte, s. Anm. 515b. 132 Sche/lenberg 65 f. 133 Sche/lenberg 49. 134 Erhalten durch Nachträge zu einzelnen Breviarhandschriften, s. P. Krüger, Co 1lectio II 54 App. zu Z. 19 (vor PS 1, 12,2, aber zu 1, BA, 6, interpretatio genannt); 56 App. zu 14 (vor PS 1, 13B, 4, gleichfalls interpretatio); 60 zu 24 (zu PS 2, 1, 1 u. 2, interpolierte Sentenz); 101 zu 26/27 (zu PS 4,8,20, zwei interpolierte Sentenzen); 112 f. zu 25 (zu PS 5, 4, 15, interpolierte Sentenzen); u. 131 zu 3/4 (zu PS 5, 23, 18, interpolierte Sentenz); s. a. 82 zu 7 (Glossem zu PS 3, 4A, 1). Dazu Conrat 142 Fn. 9; ders., Der westgot. Paulus (Arnsterdam 1907) 247 f.; Schel/enberg 18 f.; u. Liebs, Africa 124 u. Fn. 11 u. 13. Andererseits nennen manche Breviarhandschriften nachgetragene Sentenzen Interpretatio, so Vat. reg. 1050 die zu PS 2, 21B nachgetragenen 16 Sentenzen, jetzt PS 2, 21A außer 2 und 5. 135 A. F. Barkow, Lex Romana Burgundionum (Greifswald 1826) S. LI; u. Schellenberg 19 - 24 u. passim, zusammenfassend 87. 136 Sche/lenberg 87 f. Vgl. G. Grass, Ein weites Feld (Göttingen 1995) 296-98. 137 Kreuter 19-95. Dazu J. Gaudemet, RH 72 (1994) 60-62. Wenig förderlich die (wohl wegen distanzierten Urteilen wie auf S. 117 Fn. 82) verärgerte Besprechung durch M. Talamanca, BIDR 96/97 (1993/94) 738-48, die immer wieder dort Zweifel anmeldet, wo schon Kreuter nur Wahrscheinlichkeitsurteile fällen konnte und gefällt hat. So muss Talamanca sich den S. 747 erhobenen Vorwurf, nicht hinreichend zu differenzieren, selbst gefallen lassen. Kreuter schließt keineswegs auf eine Rechtsschule, sondern nur auf Rechtsunterricht vom Fachmann fiir angehende Fachleute. Das Buch von Kop (s.

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Drittes Kapitel: Die gallischen Werke im Einzelnen

und nur noch die Konstitutionen selbst festhielt. Die statt einer Interpretation am Ende sechsmal und zwischendurch fiinfinal 138 statt der Interpretation beruhigend angefiigten Worte Interpretatione non eget bzw. indiget l39 werden wie bei den Paulussentenzen l40 von den westgotischen Kompilatoren stammen, ebenso die Zählung der Titel durch die gregorianischen Bücher hindurch. 141 Die Interpretationen verharren im kasuistischen Denkstil ihrer Grundtexte, d. h. verallgemeinern allenfalls geringfiigig. Inhaltlich unterrichten sie korrekt über das im späteren 5. Jh. noch gültige hergebrachte Recht, berücksichtigen allerdings bei der Eigentumsfrage nach Verbindung mit fremdem Grund und Boden im Gegensatz zur Gai Epitome die besonderen Verhältnisse seit der Landzuteilung an fOderierte Konsorten nicht. 142 Das mag daran liegen, dass der Rechtslehrer diese besonderen Verhältnisse als temporäre Irregularitäten beiseite ließ, so wie im deutschen Rechtsunterricht Besatzungs-, Lastenausgleichs-, Wiedergutmachungs- und Wirtschaftsverwaltungsrecht häufig beiseite gelassen werden. Grundsätzlich sind kaiserliche Novellen berücksichtigtl43 und entspricht auch der Sprachgebrauch dem im 5. Jh. Üblichen. l44

12. - 14. Interpretationen zum Codex Theodosianus nebst Novellen a) iußerer Befund. Karakter Überliefert durch das Breviar und seine Erweiterungen, aber auch durch ein Bruchstück eines unabhängigen Theodosianus-Kommentars haben wir Zeugnisse ursprünglich dreier oder von noch mehr Erläuterungswerken zu Auszügen des Codex Theodosianus und seiner Novellen. 145 Freilich sind in keinem Fall S. 747 unten), in Freiburg schon vor Erscheinen geläufig, betrifft nicht spätantike Verhältnisse, sondern mögliche Voreingenommenheiten heutiger Forscher wie Levy. 138 IG 5, I; 6, 3 - 5; u. 9,1. 139 So IG 6, 4 f. u. 12, 1. 140 Schellenberg 24-36. Weniger überzeugend dazu G. Cervenca, Iura 17 (1966) 410-12 u. 414. 141 Wie in der GE, s. o. Nr. 4. 142 IG 6, I u. dazu Kreuter 66 - 69, die daraus Argumente für eine Datierung der IG vor und der GE nach dem Codex Euricianus ableitete., s. a. S. 72. Dabei ist m. E. nicht berücksichtigt, dass die Regelung des CE älteren Ursprungs sein kann, die der Interpret als temporäre Irregularität beiseite ließ. 143 So IG 2, I a. E. Dazu Kreuter 24 - 26 u. 72 - 74. 144

Kreuter 114-16.

145 Maßgebende Ausgabe von Th. Mommsen und Paul M. Meyer (zu den Novellen) in deren Theodosianus-Ausgabe (Berlin 1905); zu CTh 1-8 in Paul Krügers Ausgabe des Cod. Theod. (Berlin 1923/26). Bei den breviarfremden Interpretationen unvollständig Hänel. Eng!. Übers.: C. Pharr u. a., The Theodosian code (Princeton 1952). Dazu H.

I. Das römische Zeitalter

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Erläuterungen aus mehreren Kommentaren zum selben Gesetz schlagend nachzuweisen. Von den 396 CTh-Konstitutionen und 33 Novellen des Breviars haben 18 und drei keine Erläuterungen, sondern nur den Vennerk Haec lex interpretatione non indiget oder ähnlich. Aber nicht in allen Fällen war eine Erläuterung wirklich überflüssig. Alarichs Kompilatoren haben, wenn sie keine Erläuterung vorfanden (dazu sofort), sich mit diesem Vennerk offenbar auch zu entlasten versucht. Auf ihr Konto gehen ferner drei weitere Interpretationen und ein Zusatz, so dass 375 und 30 voralarizianische Interpretationen zu den Leges im Breviar verbleiben. 146 Zu Konstitutionen, die später in fränkischburgundische Abschriften des Breviars eingefiigt wurden, haben wir weitere sechs Interpretationen; 147 und auf zwei zufällig erhaltenen Blättern aus einer Theodosianus-Ausgabe mit Erläuterungen noch einmal elf. 148 Diese haben ihren eigenen Stil. 149 Und unter den Interpretationen des Breviars heben sich in der Tat die subjektiv wie der Gesetzgeber im Majestätsplural sprechenden von den objektiv stilisierten ab. Diese hat Wieacker in weitere vier Klassen eingeteilt. Seine unvollständigen 150 und mitunter wenig einleuchtend zuweisenden 151 Fitting, ZRG 11 (1873) 222-49; Ch. Lecrivain, Annales du midi 1 (1889) 145-82; A. Checchini, Scritti giuridici e storico-giuridici 1 (Padua 1958) 141-83 (von 1922, der Sonderdruck schon 1913); Wieacker (0. Kap. 2 Fn. 12) 259-356; W. W. Buckland, Law Quarterly Review 60 (1944) 364 f.; C. A. Cannata, SDHI 28 (1962) 292 - 315; Wieacker, Zustände (0. Fn. 18) 47 f. u. 54 f.; ders., Recht (0. Fn. 18) 105-07 u. 119 f.; J. Gaudemet, 37-40; ders., Formation 102-{)5; M Memmer, in: Gedächtnisschrift H. Hofmeister (Wien 1996) 443-59; u. J. Matthews, in: Law (0. Einl. Fn. 13) 11-32. 146 Eigene Zählung der Breviarkonstitutionen nach Hänels Ausgabe, wobei, wenn dort die laufende Nr. einer Konstitution oder eines Titels in Klammern gesetzt ist, die betreffenden Texte nicht mitgezählt sind, da sie wahrscheinlich aus burgundofränkischen Supplierungen stammen; auch LRV CTh 2, 7, 1 u. 2 könnten daher kommen (Mommsen 150: auch 3, 12, 1) oder aber früh verloren gegangen sein, s. die fehlenden Epitomen u. Hänel42 Fnn., 2. Abs. H. Siems, Art. Lex Rom. Vis., HRG 11 (1978) 1943, zählt 398 CTh-Konstitutionen im Breviar, Hänel LIV Fn. 111 a. E. 360. Wieacker (0. Kap. 2 Fn. 12) 294-98, verzeichnet aufgrund von Mommsens CTh-Ausgabe nur 363 Interpretationen, in welcher Zahl überdies die breviarfremden (des cod. Vat. reg. 520) und die supplierten (s. sofort) enthalten sind; er hat viele übersehen. 147 IT 1,2,9; 1, 16, 13; 2, 7, 1 f.; 3, 12, 1; u. 8, 5, 59. 148 Cod. Vat. reg. 520, ein Konvolut disparater Blätter (Mommsen LXXXVI f.), BI. 94/95 (11.112. Jh.): IT 4, 8, 8 (wohl richtiger als 4, 9, 2 einzuordnen, s. Mommsen zdSt.); 4, 10,2 f.; 4, 11, 1 f.; 4, 12, 1 - 3 u. 5 -7. Unzutr. Matthews (0. Fn. 145) 14, auch diese Frgg. hätten das Breviar supplieren sollen, s. schon Conrat 89 Fn. 1, 90 Fn. 1 u. 92 Fn. 1. 149 Wieacker (0. Kap. 2 Fn. 12) 295 f. ordnet sie seiner IV., der sog. Marginalienklasse zu, die im übrigen fast ganz leer ausgeht; zwar ist interpretatione non eget dort noch eingeordnet, s. S. 298, aber mit zweifelhaftem Recht. Auf S. 311 und 337 f. ist verkannt, dass es insoweit keine Überschneidungen mit dem Breviar gibt. 150 So fehlen etwa IT 1, 16, 13; 1,29,6; 2, 3q, 2; 2, 31,1; 7, I, 1; 8, 5, 59; 8, 13,2; 15,2,7; 16,2,2; 16,2,39; 16,11, I. Buch 3-5 und 9-13 wurden noch nicht überpruft.

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Drittes Kapitel: Die gallischen Werke im Einzelnen

Tabellen sind zwar keine verlässliche Arbeitsgrundlage. Aber wenn die Interpretationen zu Konstitutionen des ersten CTh-Buchs bis auf eine Ausnahme,152 also alle andem 28 schlichte, objektiv stilisierte Inhaltsbeschreibungen (Wieackers Klasse 11 oder Traktatklasse) sind, das zweite Buch dagegen in den ersten fünf Titeln nur subjektiv in der autoritären Sprache des Gesetzes formulierte Erläuterungen (Wieackers I. oder Indexklasse ) aufweist,153 so lässt sich dieser Wechsel wohl wirklich nur durch einen Wechsel des von den Kompilatoren benutzten Kommentars erklären. Einen weiteren ebenso signifikanten Wechsel bietet das Material aber nicht, zumal nicht, wenn man berücksichtigt, dass die 11. Klasse, die auch weiterhin dominiert, besonders uneinheitlich und die Trennlinie zwischen 11. Traktat- und III. Paragrafeklasse (hier Einleitung durch Lex ista praecipit o. ä. und breite Inhaltsangabe) im Einzelfall weniger leistungsfahig ist, als die schönen Tabellen glauben machen. 154 Immerhin [mdet sich im zweiten Buch zwischen Titel 8 und 10 noch einmal eine fünf- bis siebenstellige Interpretationenreihe der I. Klasse, ebenso am Ende des 4. Buchs. 155 Wie die antiqua summaria 156 so stammen offenbar auch diese Interpretationen aus Rechtsunterricht an Hand des Codex Theodosianus mitsamt Novellen. 157 Allerdings war er anpruchsvoller als der Unterricht an Hand der Institu151 IT I, 22, 4 passt besser in die II. Traktat- als die V. Definitionenklasse; 3, 30, 5 besser in die Traktat- als in die IV. Marginalienklasse; umgekehrt 4, 16,2; 4, 17, 3 u. 5 besser in die Marginalien- als die Traktatklasse; 9, 39, 1 und 2 gehörte nicht in die Definitionen-, sondern in die Marginalienklasse; 10,4. 1 nicht in die 1. Index-, sondern in die III. Paragrafeklasse. Zudem sind die Übergänge oft fließend, s. schon Memmer (0. Fn. 145) 446 f. So haben IT 2, 19,6 u. 5, 18, I (beide 1.) auch Elemente der Paragrafeklasse, 3, 10, I (III.) auch solche der Indexklasse, ebenso 3, 12, 1 (II.). Nur zufällig scheint in manchen Interpretationen der 1. Klasse ein Satz im Gesetzgeberplural erhalten zu sein. In IT 2, 9,3 etwa scheint er eher einfallslos übernommen (praecipimus Z. 15); schwerlich redet der Kaiser selbst wie in der Konstitution (s. nostra). Einen regelrechten Traktat erblicke ich nur in IT 8, 12, I, allenfalls noch 9, 39, 3. 152 IT I, 22, 2. 153 Den 16 in der Weise stilisierten Interpretationen stehen freilich vier Ausnahmen und zwei zweifelhafte Fälle gegenüber, Wieacker aaO. 294. 154 So lässt sich etwa zwischen IT 3,8, 1 (nach Wieacker II. Traktatklasse) und 2 (Ill. Paragrafeklasse) nicht wirklich ein Klassenunterschied feststellen. Vor allem fmdet sich die diese Klasse angeblich prägende Einleitung Haec lex iubet, Lex ista praecipit o. ä. oft auch in einigen Hss. bei Interpretationen der II. Klasse, s. IT 11,35, 1; 11, 39, 7 u. 9 f.; 12, 1,47 u. 124 u. 170; 12,6,20. Skeptisch auch Matthews (0. Fn. 145) 24, wenn auch allzu kurz. 155 IT 2,8, 1 u. 19 u. 26; 2, 9, 3; u. 2, 10,4 (wohl bis 6), im Breviar zusammenhängend; sowie 4,21,1; u. 4, 22, 1 - 4. 156 Liebs, Italien 181-83. 157 Für Identität wenigstens des Interpreten von CTh 4, 14, 1 (nach Wieacker III. Klasse) mit dem von NY 35 Bauer-Gerland 159. Dagegen sei der von CTh 2, 19,5 (II. Klasse) vor NY 35 (452) anzusetzen, S. 158 Fn. 43. Vgl. a. Kreuter 59 f. - Herkunft aus

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tionen des Gajus (oben Nr. 4) und zumal der Paulussentenzen (Nr. 10); die einzelnen Texte aus dem Ius waren mit einer Ausnahme zitatlos in sich bzw. aus präsentem Lehrerwissen heraus interpretiert. Die Ausnahme findet sich in der Gajusepitome zu Beginn von Titel 14 De lege Falcidia, wo es, wenn auch nur in der Gothaer Handschrift Hic Pauli Sententiis lege heißt. Bei den Leges dagegen verbinden mannigfache Querverweise die einzelnen Konstitutionen miteinander/ 58 was auch Anhaltspunkte für Datierungen ergibt. 159 Außerdem enthalten diese Interpretationen Verweise auf die Rechtsliteratur: Pauls Responsen und Paulussentenzen. Freilich haben diese Verweise eine vorläufige, unfertige Form; denn es heißt 160 De .... quia hoc lex ista non evidenter ostendit, in iure, hoc est in Pauli Sententiis sub titulo ... requirendurn aut certe in Pauli Responsis sub titulo ...

und: Propter ... vero ... ea praecipit observari, quae in iure de ... statuta sunt ... , quod Paulus in libro Responsorum dicit sub titulo ...

In der Konstitution hatte es dazu geheißen: Super ... autem ... iuris antiqui praecipimus cauta servari.

Rechtsunterricht auch nach Wieacker 302 f., 311 f. u. 318 jedenfalls filr einzelne Klassen; ebenso Memmer (0. Fn. 145) 449. Vgl. Matthews (0. Fn. 145) 24-26. 158 IT 1, 4, 3 zitiert CTh 1, 1, 5 (zweifelnd Wieacker [0. Kap. 2 Fn. 12] 339 f., mit viel Fantasie); IT 2, 16, 2 CTh 2, 16,3 (ohne Begriindung ablehnend Wieacker 344); IT 3, 5, 5 CTh 3, 5, 11 (fantasiereich ablehnend Wieacker 341 f.); IT 3, 9, 1 CTh 3, 8, 2, welches Gesetz schon von CTh 3, 9, 1 zitiert wurde (von Wieacker 341 übersehen, der aufCTh 3,8,3 tippt); IT 4, 4,1 zitiert eine verlorene CTh-Konstituiton, die wohl mit CJ 6, 36, 7 zusammenhing (verwirrt dazu Wieacker 341); IT 4, 4, 7 zitiert NT 16 (439) §§ 4. u. 5 S. 3; IT 4, 14, 1 NY 35 (452) § 13; IT 5, 18, 1 NY 27 (449) §§ 4 u. 6, NY 31 (451) §§ 1 f. u. NY 35 § 19; IT 8, 13,4 CTh 3, 8, bes. 2; IT 8, 18, 1 NY 35 § 10; ebenso IT 8, 18,2 u. 9; !NT 22, 1; CTh 4,6,7; und INV 35 Mitte NT 12 (439) und CTh 3, 16, 2, welche Gesetze schon NY 35 § 11 zitiert hatte. IT 3, 10, 1, nach Wieacker 295 III. Klasse, aber gegen Ende subjektiv stilisiert, also nach Wieacker eigentlich 1., zitiert sich selbst weiter oben, nämlich IT 3, 5, 6, nach Wieacker 295 II. Klasse, was die ganze Klasseneinteilung in Frage stellt, wählt man nicht den fragwürdigen Ausweg, das nur in wenigen Hss. enthaltene Zitat Alarichs Kompiiatoren zuzuweisen. IT 3, 1, 5 zitiert dagegen nichts, missversteht vielmehr die interpretierte Konstitution ohne ersichtlichen Rückgriff auf andere Texte; nicht einleuchtend dazu Wieacker 343. 159 Für die II. oder Traktatklasse ergäbe IT 4, 4, 7 als Terminus post quem 439, s. Kreuter 24; Bauer-Gerland 158 Fn. 43 setzt IT 2, 19, 5 aus dieser Klasse vor 452 an. Für die erste Klasse ergäbe IT 5, 18, 1 als Terminus post 452, s. Kreuter 24 f.; ebenso filr die dritte IT 4,14,1; 8, 18, 1 u. 2 u. 9, s. Kreuter 24 f. 160 IT 3, 13,2 aus Wieackers III. Klasse und 3, 16,2 aus der II.

152

Drittes Kapitel: Die gallischen Werke im Einzelnen

Und beim zuvor angeruhrten Verweis hatte es in der Konstitution einleitend geheißen: In dote reddenda et retentiones ex iure venientes et ... placet ... servari. Die Sentenzen, auf die in der Interpretatio verwiesen ist (PS 2, 21B), wurden nicht ins Breviar aufgenommen, was erneut zeigt, dass die IT unabhängig vom Breviar entstanden sind; auch der Verweis auf die breviarfremden Responsen von Paulus zeigt das, beanspruchte doch das Breviar Ausschließlichkeit im Westgotenreich. 161 Diese Verweise müssen versehentlich stehengeblieben sein. Das gleiche gilt rur die zahlreichen unbestimmten Verweise oder vielmehr Vorkehrungen zu einzelnen Rechtsbegriffen der erläuterten Konstitutionen, sie seien aus dem Jus, also aus der Rechtsliteratur ganz allgemein, näher zu bestimmen. 162 Erklärlich sind diese Bemerkungen nur als Notizen des Lehrers in seinen Unterrichtsunterlagen und nicht etwa, wie Mommsen und andere zunächst angenommen hatten,163 als redaktionelle Bemerkungen der Kompilatoren des Breviars. Denn der Struktur ihrer Kodifikation war es fremd, die eigentliche Rechtsliteratur in die Interpretationen der Leges einzuschleusen. Das Jus war beschränkt auf: Gajus' Institutionen, Paulussentenzen, die beiden älteren, noch privaten Konstitutionenkodizes und symbolische Heranziehung der Responsen des Juristenheros Papinian; das Jus hatte also seinen eigenen Platz als kleinerer, zweiter Teil nach den Leges (CTh-Auszug und Novellen). Die an das Jus zu stellenden Ansprüche waren im westgotischen Rahmen stark zurückgenommen worden.

161 So der Schluss des Vorworts Alarichs (auctoritas oder commonitorium, Mommsen XXXIII f.), s. etwa H. J. A. Lokin, TR 52 (1984) 255-58. 162 Hic de iure addendum, querendum, requirendum o. ä., oft mit Angabe des Gegenstands: quid sit lex Papia, de revocandis donationibus u. ä.und stets nur in einzelnen Hss.: IT 2, 4, 1; 2, 4, 6; 2, 21, 2; 3, 30, 6 (de excusatione tutelae in iure querednum in der Hs. Vat. reg. 1050, s. A. d'Ors, Estudios visigoticos I [Rom 1956] 145); 4, 22, 2; 4, 23, 1 (beide nur in E.) vor der interpretatio); 5, 1, 1; 5, 1,3; 5, 3,1 (nur in E); 6, 5, 2; 8, 13, 2; 9, 10, 1 (nur in E, vor der interpretatio); u. 9, 39, 3. In den meisten Hss. fehlen

diese Bemerkungen; P bringt sie in anderer, kursiver Schrift. 163 Mommsen XXXV f. Folgerichtig benennt er in Fn. 1 dazu auch IT 4,6, 8; 5, 1, 7; u. 16, 7, 3 und meint damit die sofort zu besprechenden kompilatorischen Zusätze, nicht etwa weiterhin Hic de iure addendum o. ä., was dann in der Ausgabe verschwiegen worden wäre, wie Gaudemet, lura 1 (1950) 235, und C. A. Cannata, SDHI 28 (1962) 309, ihn missverstanden haben. Auf diesem Missverständnis beruht, dass auch Cannata jene unbestimmten Verweise den Kompilatoren zuweist. R. Lambertini, La codificazione di Alarico II (Turin 1990) 65--69 Fn. 21, hat das Missverständnis gesehen, löst sich aber nicht von Cannatas daraus gezogenen Folgerungen, mit dem anfechtbaren Argument, die unfertigen Verweise seien so häufig, dass sie, selbst wenn sie nicht von den Kompilatoren stammten, von ihnen bewusst stehengelassen worden sein müssten (S. 66 oben).

1. Das römische Zeitalter

153

b) Textteile Alarichs Il Die im Breviar überlieferten Interpretationen zu Theodosianus und Novellen enthalten mitunter auch Passagen der Kompilatoren Alarichs. So übernahmen sie die Interpretatio zum Zitiergesetz (CTh 1,4,3), welche die älteren Konstitutionenkodizes zum Ius rechnete und eine daraus resultierende Schwierigkeit durch Verweis auf eine nicht ins Breviar aufgenommene CTh-Konstitution (l, 1,5) meisterte, und fUgten die Worte an: Sed ex his omnibus iuris consultoribus, ex Gregoriano, Hennogeniano, Gaio, Papiniano et Paulo, quae necessaria causis praesentium temporum videbantur, elegimus. Zur Erbeinsetzung natürlicher Kinder durch ihren Vater, Vatersvater usw., unter Sklavinnenhaltern ein wichtiger Punkt, enthält der Theodosianus mindestens acht Gesetze, wovon nur zwei ins Breviar gelangten. Eins davon hebt unter anderem, aber nicht nur, eine zwischenzeitlich ergangene Beschränkung wieder auf; letztere wurde folgerichtig nicht aufgenommen. Zum Aufhebungsgesetz heißt es jetzt, seinen Inhalt grob verkürzend: 164 Haec lex interpretationem non eget, quia ad hoc solum intromissa est, quia posterior omnibus est et priorem (CTh 4,6,4, ins Breviar aufgenommen), quae a posteriore (4, 6,7, nicht aufgenommen) damnata fuerat, confinnavit. Formelhaft heißt es Haec (in manchen Hss. Ista) lex interpretatione(m) (expositione) non indiget (eget) wie zu den Paulussentenzen immer dort, wo die Kompilatoren keine Interpretatio fanden,165 und nicht etwa nur bei besonders unproblematischen, aus sich heraus ohne weiteres verständlichen Konstitutionen. Im Leges-Teil kam das freilich nur in den öffentlichrechtlichen Büchern des CTh 18-mal und in den Novellen dreimal vor, bei den Paulussentenzen dagegen fast 400_mal. 166 Zum gesetzlichen Erbrecht der Mütter nach ihren Kindern heißt es zu einem der jüngeren Gesetze (CTh 5, 1, 7): Similis est haec lex superiori (CTh 5, 1,2), sed quia evidentior est, et istam inseruimus. Nam illa hoc amplius habet, quod et de adoptivo filio loquitur.

164 IT 4, 6, 8, in allen Hss. Schellenberg 24 - 36. 166 Schellenberg 24 u. Arun. 174. Im Leges-Teil bei (Zählung nach Mommsen/Meyer) CTh 3, 17,2; 8, 5, 59; 8, 15,2; 9, 7, 6; 9, 11, 1; 9,25,2; 9, 27, 1; 9, 37, 2; 9, 39, 2; 10, 10, 10 u. 17; 12, 1, 151; 15,2,7; 16,2,35; 16,8,5 u. 7; 16, 11, 1 u. 3; NY 1,3; 18 u. 23. Einzelne Hss. sparen sich den Vennerk, die Berliner (Phillipps 1761,6. Jh.) ändert meist die Schrift in eine Kursive. 165

154

Drittes Kapitel: Die gallischen Werke im Einzelnen

Inseruimus kann nur von den Kompilatoren stammen. Auch hier ist die Angabe, das neuere Gesetz sei nur klarer, unrichtig; es geht auch weiter als das frühere. 167

Schließlich stammt von Alarichs Kompilatoren die Begründung, warum sie im Apostatengesetz (eTh 16, 7, 3) den Teil weggelassen haben, der die Manichäer betraf: Reliqua pars legis de Manichaeis ideo facta non est, quia in Novellis (NY 18 von 445, im Breviar NV 2) evidentior invenitur.

c) Lokalisierung

Zu lokalisieren sind die Interpretationen zum Theodosianus, wo immer sich ein Anhaltspunkt ergibt, im Westen 168 in der Provinz;169 und unter den westlichen Provinzen ist Gallien am wahrscheinlichsten wegen der nicht viel späteren Verwendung in Toulouse. d) Datierung

Zitiert sind in Wieackers 11. Klasse Novellen von 439 und in der I. und III. Klasse bis 452 (0. Fnn. 158 f.). Auch wenn später unter princeps auch der germanische Fürst oder König verstanden werden konnte, der von sich ebenso im Plural sprach, ist darunter in den Interpretationen doch gewöhnlich der Kaiser

167 (E. V. J. F. N. F.) v. Löhr, Uebersicht der das Privatrecht betreffenden Constitutionen der Römischen Kaiser von Theodos n. und Valentinian III. bis auf Iustinian (Wetzlar 1812) 40 u. Fnn. 3 f.; u. Kreuter 50-58. Wieacker (0. Kap. 2 Fn. 12) 343, übersah CTh 5,1,2. -Kreuterhält auch IT 5,1,1 u. 2 (s. S. 55-58) sowie INV 21,1 (S. 61 f.) u. INMai 11 (S. 48-50) für kompilatorisch; s. a. Bauer-Gerland 42 f., zurückhaltender Memmer (0. Fn. 145) 456- 58. Auch Ir 4, 4, 7 mag von den Kompilatoren stammen. 168 Memmer 455-58. 169 Wieacker betont das für seine n., die Traktatklasse (0. Kap. 2 Fn. 12 S. 301), während er für seine I. Klasse im kaiserlichen Stil ein "Zentralgebiet des Westens" annimmt (S. 299), ohne Begründung, offenbar verführt durch die größere stilistische Nähe zur kaiserlichen Kanzlei. Durchmusterung der einzelnen Interpretationen aber ergibt wiederum nur Anhaltspunkte für provinzialen Standort, s. IT 2, 1, 5 provinciae (iudicem) ohne Anhalt im Grundtext; ebenso 2, I, 8 Ad rectorem vero provinciae, 2, 1, 9 provinciae iudice; 2, 8, 19 pro provinciarum qualitate und die weggelassenen Gründungstage Roms und Konstantinopels; 2, 16, 2 In his dumtaxat provinciis; u. etwa 10, 15, 1 provincialibus. Im übrigen s. schon Liebs, Italien 176 bei Fnn. 11 - 13, wozu etwa noch IT 3, 11, 1 de his iudicibus, qui provincias administrant und 11, 6, 1 rectores provinciae statt Präfektur anzufügen wäre.

I. Das römische Zeitalter

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zu verstehen. l7O Wenn er nämlich mitunter ersetzt ist durch rerum dominus, 17I soll damit offenbar der Germanenfürst von ihm abgesetzt werden. Aus senatus ... summi bzw. viri e nummero senatus amplissimi werden nobiles viri bzw. primi patriae (IT 2, 1, 12 bzw. 3, 17, 3, 11. bzw. III. Klasse), während das fiir Senatoren geltende Verbot, hohe Zinsen zu vereinbaren, auf diese beschränkt bleibt (IT 2,33,4). Manche Provinzen haben ohne Anhalt in der Vorlage, der Konstitution (CTh 3, 11, 1), zwei iudices, Gouverneure: si in eadem provincia sit alia potestas, ut puta si sint duo iudices, unus privata et alius dominica iura (des Germanenfürsten, also Verwaltung- und Kriminalstrafrecht) gubernans (IT 3, 11, 1 g. E., III. Klasse). Das Selbstbestimmungsrecht des Büros (officium) bei der Auswahl der Kanzleibeamten (domestici vel cancellarii) eines Provinzgouverneurs ist zu einem Wahlrecht der Bürger am Ort bei Bestellung von wichtigem Personal (cancellarium vel domesticumfortasse) des örtlichen iudex umgedeutet (IT 1, 34, 3, 11. Klasse). Die zusätzliche Bestrafung des officium bzw. der apparitores eines straffalligen Magistrats fallt ersatzlos weg (IT 5, 7, 2, I. Klasse; u. 9, 3, 7, 11. Klasse), wird mitunter aber auch beibehalten (IT 9, 1, 15 u. 12, 1, 47, beide 11. Klasse). Gleichfalls in Wieackers 11. Klasse gehören alle drei Interpretationen im Titel De defensoribus civitatum (IT 1, 29, 6-8), weIche Bestellung (6) und Amtsfiihrung der Defensoren (7 und 8) vom Reich lösen. Allerdings gehört IT 2, 1, 8, wo als Richter für kleine Sachen neben dem defensor (civitatis) der sonst nur bei den Westgoten begegnende assertor pacis (s. LV 2, 1, 17 u. 27) vorkommt, in die I. Klasse, s. decernimus Z. 2. Ein Teil der Interpretationen wurde also unter germanischen Herren nach Lösung vom System der auch bei den obersten Geschäftsstellenbeamten reichsweit rollierenden Reichsverwaltung 172 verfasst, andere, als sie noch bestand; also die einen früher, die andern später in der zweiten Hälfte des 5. Jhs. Zu diesen sind auch IT 7, 1, 1 und 15, 14, 14 zu rechnen, wo cum quibuslibet hostibus an die Stelle von barbaris scelerata factione und hostium terrore von sub clade barbaricae depopulationis getreten ist.

170 IT 2, 4, 5 S. 3; 2, 16,2 S. 2 u. 3; 3, 10, 1; u. 6, 5, 1 u. 2. Dagegen ist in INV 21, 1 der Kaiser ausgespart, folgerichtig, wenn der Text von den prudentes Alarichs stammt, s. soeben Fn. 167. 171 So IT 9, 40, 10; 9,41, 1 u. 11, 16, 11, alle drei im Plural und nach Wieacker aaO. 297 aus der II. u. III. Klasse; auch 2,6, 1 S. 2 (Wieacker 294: II.); 11,6, 1 im Singular aus der III., während 12, 1,20 rerum domini für comitatus setzt; 2, 6, 1 (aus der II.) sagt dominorum beneficio für a nobis iterata supplicatione, 2, 9, 3 (aus der 1.) dominorum nomina für nomina nostra und potestatum animi für principes; s. a. I, 16, 7. 172 Dazu etwa A. E. R. Boak, Art. Officium, RE XVII 2 (1937) 2054 f. Die Verantwortlichkeit der primates officii bei der Mitbestimmung der officiales war in CTh 1, 34, 3 (423, Osten) betont worden

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Drittes Kapitel: Die gallischen Werke im Einzelnen

e) Ziele Die Interpretationen zu den Gesetzen der christlichen Kaiser hatten einen geringeren zeitlichen und inhaltlichen Abstand zu ihren Grundtexten zu überbrücken als die Gajusepitome (oben Nr. 4), die Interpretationen zu den Paulussentenzen (Nr. 10) und zum Gregorianus (Nr. 11), alle zu klassischen oder epiklassischen Texten aus der Zeit vor der konstantinischen Wende verfasst. Dafür war jetzt eine andere Aufgabe zu bewältigen. Die nunmehr zu interpretierenden Konstitutionen sind rhetorisch besonders eingefärbt, sollen Reichsideologie und -moral verkünden. Deshalb mussten die Juristen sie erst einmal sprachlich und zum Teil auch inhaltlich aufschließen in sachlich-technischer Sprache, soweit es angebracht schien. An ihren normativen Inhalt war heranzufiihren, 173 theatralische Wendungen waren zu konkretisieren, was mitunter derb ausfiel, z. B. wenn Konstantins nihil firmitatis habere potuerunt (nämlich widersprüchliche Beweisurkunden einer Partei, CTh 11, 39, 2) zu omnia rescindantur verkürzt wurde (IT 11, 39, 2). Der Grundtext der Konstitutionen lag dem Schüler und dann auch dem Leser vor. Aber auch diese jüngeren Grundtexte gaben oft nicht mehr den mittlerweile geltenden Rechtszustand wieder, in welchen Fällen die Interpretationen ergänzten und korrigierten. 174 Wenn dabei manchmal Divergenzen zwischen der Aussage einer Interpretatio und den erreichbaren Gesetzesänderungen auffallen, so muss das nicht schon bedeuten, dass hier Alarichs Kompilatoren eingegriffen hätten, ist doch gerade im Privatrecht die Überlieferung sehr lückenhaft; 175 vom Codex Theodosianus ist insoweit nur etwa ein Drittel erhalten. Noch im 5. Jh. war der Rechtsunterricht in der gallischen Provinz also nicht nur im Anfangerstadium, d. h. anband des gajanischen Elementarlehrbuchs (oben Nr. 4), und im mittleren Stadium anband der Paulussentenzen (oben Nr. 10), sondern auch im fortgeschrittenen Stadium anhand der Kaiserkonstitutionen des Gregorianus (nebst Hermogenianus) und dann vor allem des Theodosianus und der Novellen, obwohl dieser schon zu drei Vierteln öffentliches Recht enthielt, vorwiegend am Privatrecht ausgerichtet. Von allen erhaltenen CTh-Interpretationen betreffen nämlich 243 Privatrecht (einschließlich Zivilprozess), 64 Strafrecht und 87 sonstiges öffentliches Recht. Das Privatrecht wurde zwar auch fortlaufend geändert, aber nicht so sehr wie das öffentliche und das Strafrecht; auch juristisch war es stärker durchgebildet und erforderte eher Unterweisung. Und noch immer gab es dafiir mehr Literatur und sonstiges Unterrichtsmaterial. Memmer (0. Fn. 145) 450 f. Memmer aaO. 451-56; u. Matthews (0. Fn. 145) 28-32, wenn auch mit unzutreffender Beziehung auf Alarich 11. 175 Das betont Memmer aaO. 456 - 458. 173

174

II. Das gotisch-burgundische Zeitalter

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11. Das gotisch-burgundische Zeitalter 14a. Der sog. Codex Euricümus a) ,A'ußerer Befund Unter Texten von Hieronymus und Gennadius aus dem 7. und 8. Jh. fand sich auf einem Palimpsest aus dem Kloster Corbie ein Rechtstext aus dem 6. Jh. 176 Er besteht aus 61 Kapiteln mit Lücken, die oft aus verwandten Texten ausgerullt werden können. Die Kapitel sind von 276 bis 336 durchgezählt, aber viermal von Titelrubriken unterbrochen, die ihrerseits nicht gezählt sind: De commendatis vel commodatis (278-85), De venditionibus (286--304?), vermutlich De donationibus (?305-19), De successionibus (320 - Ende in Kap. 336). Die ersten Kapitel betreffen Grenzstreitigkeiten, auch zwischen Romanen und Goten aufgrund von deren Ansiedlung nach den römischen Einquartierungsgesetzen. 177 Insbesondere ist in Kap. 277 von alten Grenzsteinen (antiqui termini) die Rede, die so bestehen bleiben sollen, wie sie bonae memoriae pater noster in alia lege praecepit; und weiter oben von Sortes gothicae et tertiae Romanorum, quae intra L annis non fuerint revocate. Danach müssten die Goten bei Erlass dieses Königsgesetzes mindestens schon 50 Jahre lang einquartiert gewesen sein. In Gallien vertraglich aufgenommen wurden sie tatsächlich 418 durch Vertrag mit König Theoderid, meist Theoderich I. genannt. Nach seinem Schlachtentod 451 regierten nacheinander seine Söhne Thorismund; nachdem sie ihn 453 beseitigt hatten, Theoderich 11. und Friderich; und nach Mord an diesen Eurich 466 - 484, dann bis 507 sein Sohn Alarich 11. 178 Der königliche Vater, der neue Grenzsteine anordnete, war also am ehesten Theoderid, der Vater Eurichs. Eurich könnte zwar nach seinen Eroberungen weiterer Teile Südgalliens erneut Grenzsteine angeordnet haben, so dass in den Pariser Fragmenten Alarich 11. spräche; doch ist diese aufwändigere Annahme jener deshalb

176 Hg. K. Zeumer, MGH LS I (1902) 1-32; u. A. d'Ors, EI C6digo de Eurico (Rom 1960) IJ-43; mit dt. Übers. E. Wohlhaupter, Gesetze der Westgoten = Germanenrechte XI (Weimar 1936) 1-32. Dazu etwa K. Zeumer, NA 23, 24 u. 26 (1898-1901) 419-516; 39-122 u. 571-630; u. 91-149; E. Levy, Ges. Sehr. 1142 f.; 172-78; 201--09; u. 248-63 (zuerst 1929-58); Hansgünther Schmidt, Span. Forschungen d. Görresgesellschaft, 1. Reihe, 29 (1978) 1-84; H. Nehlsen, Art. Lex Visigothorurn, HRG II (1978) 1966-79; ders., Art. Codex Euricianus, RGA 5 (Fasz. 1, 1982) 42--47; Siems 116-27 u. 635--40; Kreuter 66-69; A. Iglesia Ferreiros, La creaci6n deI Derecho I (2. Aufl. Madrid 1996) 202--05; Matthews (0. Kap. 1 Fn. 138) 37-40; A. Arjava, in: Law (0. Ein!. Fn. 13) 35 f.; u. Fastricht-Sutty (0. Kap. 1 Fn. 257) 49-53. 177 Dazu zusammenfassend und vermittelnd Stüven (0. Fn. 34) 105-10. 178 Im einzelnen Wolfram 206 f.

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Drittes Kapitel: Die gallischen Werke im Einzelnen

unterlegen. Vor allem berichten die literarischen Quellen nur bei Eurich von einer größeren Gesetzgebung für die Goten. 179 Es handelt sich also um Bruchstücke einer Rechtskodiftkation Eurichs für die Goten, die aber auch für Römer galt, soweit sie jedenfalls mit Goten in Berührung kamen. Allerdings hat der Gotenkönig sein Werk kaum, in Analogie zum kaiserlichen Codex Theodosianus, selbstbewusst Codex Euricianus genannt, wie Zeumer es getauft hat, auch wenn Eurich den weströmischen Kaiser Nepos beim schließlichen Friedensschluss 475 nötigen konnte, vom Westgotenkönig amicus genannt zu werden, obwohl ihm die Anrede dominus zustand; 180 vielmehr hieß es wohl Edictum (Eurici?) regis. 181 Erhalten ist etwa ein Zehntel des einstigen Gesetzbuchs. Aber da ein Vergleich mit den vollständig erhaltenen jüngeren westgotischen Gesetzbüchern (Lex Visigothorum und Liber iudiciorum) und der Lex Baiuvariorum ergibt, dass diese Gesetzbücher viel von dem älteren wortwörtlich übernommen haben, ist man daran gegangen, vom Verlorenen so viel wie möglich zu rekonstruieren. 182 Wie immer das zu beurteilen ist, jedenfalls erlauben schon die erhaltenen 61 Kapitel, mögen manche von ihnen auch unvollständig sein, dass die Arbeit sehr selbständig und bemerkenswert verständig ist. Terminologie und Diktion sind römisch und gewöhnlich knapp; der Inhalt knüpft oft an spätrömisches Provinzialrecht an, das weiterentwickelt wird. Klare Abweichungen sind aber nicht ohne weiteres als germanisch einzustufen. 183 Doch ist es der Anefang statt der actio in rem (CE 289);184 und auch die Abschichtung der Kinder durch Heirat in CE 321 klingt germanisch. 18S

b) Intention Ernst Levy, Alvaro d'Ors und Hansgünther Schmidt haben herausgearbeitet,186 dass die einzelnen Bestimmungen meist verständige Abwandlungen 179 Sid. ep. 8,3,3 u. Isid. hist. Goth. 35 u. 51 (MGH AA Xl S. 281 u. 288), beides abgedruckt o. Kap. I Nr. 15. 180 Ennodius, Vita Epifanii (MGH AA VII) S. 95 u. dazu Wolfram 191. 181 D 'ars (0. Fn. 176) 6 ff., da in den Fragmenta Gaudenziana (sofort Nr. 16a) so zitiert; skeptisch Schmidt (0. Fn. 176) 53-56, abschweifend. 182 So schon Zeumer, MGH LS I 28-32; und zumal d'Ors (0. Fn. 176) 45-281. 183 Zusammenfassend etwa Levy, Ges. Sehr. I 307-09; u. Schmidt aaO. 58-67. Ausführlich Siems 116--27 zum Kaufrecht und 635-40 zum Darlehen. 184 Dazu Levy, Ges. Sehr. I 248-57 (zuerst 1952). 185 Levy, Ges. Sehr. I 142 (zuerst 1958, dort auch Weiteres); u. Schmidt, aaO. 65. 186 Levy, Ges. Sehr. I 173-76 (zuerst 1929); 202 - 09 (zuerst 1942); 248-63 (zuerst 1952 und 1957); VL und VR passim; d'Ors (0. Fn. 176); u. Schmidt (0. Fn. 176).

11. Das gotisch-burgundische Zeitalter

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spätrömischen Rechts unter schlichteren wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Bedingungen sind, durchsetzt mit westgotisch-germanischen Rechtsvorstellungen. Ihr einfaches Latein zeigt freilich nur begrenzte Abstraktionsfähigkeit; hinter dem Latein der Interpretationen steht es deutlich zurück. An etlichen Stellen fiel es dem Autor offenbar schwer, sich verständlich auszudIiicken. So sind Verwahrung und Leihe, auf den ersten Blick einleuchtend, in einem Titel zusammengefasst. 187 Es beginnt mit Kap. 278 zur Verwahrung eines Pferdes oder irgendeiner anderen Tierart, zunächst gegen Entgelt. Ist es untergegangen, soll der Verwahrer ein gleichwertiges erhalten, sofern er, wie es einschränkend heißt, sein Entgelt erhalten hat. Ist kein Entgelt vereinbart worden, soll er weder Entgelt fordern noch von ihm etwas gefordert werden, wobei an Schadensersatz gedacht ist. Allerdings muss der Verwahrer schwören, dass weder seine culpa noch neglegentia zum Tod des Tiers gefiihrt haben. Am Schluss heißt es kurz, ebenso sei bei Leihe zu verfahren. Die Regelung erinnert an das römische, von den Spätklassikern ausgearbeitete Utilitätsprinzip, weicht in den Ergebnissen aber vom römischen Recht ab, das milder war: der unentgeltliche Verwahrer haftete nur für nachgewiesenen dolus und der entgeltliche rur dolus und culpa, also gerade nicht allemal. 188 Und wie ist die Aussage zur Leihe zu verstehen? Soll der unentgeltliche Entleiher eines Tiers, das bei ihm eingeht, nur haften, wenn er sich nicht von culpa freischwört, der entgeltliche, also der Mieter, aber allemal? Nach römischem Recht haftete zwar der Sachmieter auch rur cu/pa, insbesondere custodia, aber nicht für jeden Zufall; und ebenso der Entleiher, wenn auch einige spätklassische Juristen dies zur Haftung für jede erdenkliche Sorgfalt (diligentia) steigerten und eine Haftung auch für Zufall vereinbart werden konnte. 189 Meint der Euricianus also chiastisch, der Entleiher hafte allemal, der Mieter aber könne sich frei schwören? Die Haftung des Verleihers bzw. Vermieters rur Schäden durch das Tier wird nicht gemeint sein. Vermutlich war dem Autor die Tragweite seines Verweises nicht klar, so wie heute dem Gesetzgeber bei Anordnung der entsprechenden Anwendung einer Regelung auch oft nicht klar ist, was er damit im einzelnen anordnet. 190 Der Kauftitel (De venditionibus) beginnt in Kap. 286 mit Regeln zum Abschluss. S. 1 lautet:

187 So übrigens auch einmal Modestin in seinen Differentiae (s. oben Kap. 2 Nr. 17) Col!. 10, 2, 1. 188 Deutlich etwa Ulpian 28 ed. D. 13, 6, 5 § 2; für den unentgeltlichen auch Modestin 2 diff.: De deposito vel cornmendato, Coll. 10, 2, 4 f. Für den entgeltlichen s. noch Ed. Theod. 119. Unbefriedigend dazu insoweit Levy, VR 173 f. u. ö.; u. d'Ors (0. Fn. 176) 204 f. 189 Ulpian D. 13,6,5 §§ 3-7. Dazu etwa G. MacCormack, SZ 89 (1972) 206-14. 190 Bekanntestes Beispiel ist § 1371 BGB von 1956; s. aber auch schon §§ 327 S. 2, 581 Abs. 2 und 1192 BGB.

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Drittes Kapitel: Die gallischen Werke im Einzelnen

Venditio per scripturam facta plenam habeat firmitatem.

Für sich genommen könnte der Satz auch bedeuten, dass das ganze Geschäft mitsamt Übereignung der Kaufsache nur gültig ist, wenn schriftlich abgeschlossen. S. 2 ergibt aber, dass dies nicht gemeint ist: Si etiam scriptura facta non fuerit, datum praetium testibus conprobatur et emptio habeat firmitatem.

Vollends stellen die verdeutlichenden Umformulierungen in der Lex Visigothorum (5, 4, 3) und in der Lex Baiuvariorum außer Zweifel, dass es nur um

die Verbindlichkeit der Lieferungszusage geht, während ihr Vollzug, die Übereignung der verkauften Sache, offenbar formlos gültig ist, sofern nur ein wirksames Grundgeschäft vorliegt, d. h. entweder der Kauf beurkundet oder doch der Preis bezahlt ist. Nicht klar freilich ist danach, was gilt, wenn die formlos gekaufte Sache zwar geliefert, aber noch nicht bezahlt worden ist. Dass dies vorkommen konnte, ergibt doch wohl Kap. 296 aus demselben Titel, das vielleicht in der Frage des Eigentumsübergangs weiterhilft: Si pars pretii data est, pars promissa, non propter hoc venditio facta rumpatur; sed si emptor ad placitum tempus non exhibuerit praetii reliquam portionem pro parte, quam debet, solvat usuras; nisi hoc forte convenerit, ut res vendita reformetur.

Vermutlich wurde auch hier formlos gekauft, da die Regelung sich als Sonderfall gibt, verständlich als Ausnahme vom Erfordernis, dass der Preis schon gezahlt ist. Allerdings ist hier offenbar schon geliefert (venditio Jacta)191 und ein Teil des Preises gestundet (pars promissa); wie groß der schon gezahlte Teil sein muss, ist nicht gesagt. Sollte eine kleine Anzahlung genügt haben, um zumindest durch Lieferung den Vertrag vollwirksam werden und also auch Eigentum übergehen zu lassen? Kap. 297 sagt unmittelbar danach: Qui arras pro quacumque acceperit 192 re praetium (negotium?)193 cogatur implere, quod placuit. Emptor vero, si non occurrerit ad diem constitutum arras tantummodo recipiat quas dedit, et res definita non valeat.

Wer als Verkäufer eine Draufgabe angenommen hat, d. h. ein Angeld, oder sonst etwas zum Zeichen des Vertragsschlusses, 194 ist seinerseits gebunden, d.h. 191 Widersprüchlich Siems, der sieh S. 117 f. gegen Lieferung als zusätzliches Erfordernis ausspricht, S. 125 Fn. 446 aber von Lieferung hier ausgeht. Sein Argument, das Erfordernis machte das Geschäft zu schwerfällig, überzeugt schwerlich. 192 Zur abweichenden Lesung von d'Ors vgl. E. Levy, Ges. Sehr. I 308 f. (zuerst 1962), nicht beachtet von Siems 119 - 21. 193 So C. v. Schwerin, AHDE 1 (1924) 52-54. Überliefert ist ... tium, LBai 16, 10 hat pretium, LV 5, 4, 4 id, was eher zu negotium fuhrt. LBai könnte auf falscher Lesung beruhen, hat jedenfalls acceperit zu dederit verändert und bringt hier keinen plausiblen Text hervor, was LV dagegen gelingt. Anders freilich Siems, s. sofort Fn. 195. 194 Vgl. LV 3, 1, 3 anulus arrarum nomine datus.

11. Das gotisch-burgundische Zeitalter

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zur Lieferung zum vereinbarten Preis verpflichtet. Der Käufer ist in diesem

Stadium noch frei; erscheint er nicht zum vereinbarten Übergabetermin, offenbar gleichgültig aus welchen Gründen, dann ist der Vertrag hinfällig und lediglich noch die Draufgabe zuriickzugeben. 195 Danach machte beim Kauf eine Anzahlung nur im Verein mit Lieferung das Geschäft voll wirksam. Der seinen Verkäufer versetzende Käufer riskierte nur, dass sich sein Draufgaberückgabeanspruch aus tatsächlichen Gründen nicht durchsetzen ließ. Der Verkäufer dagegen hat sich dadurch, dass er etwas angenommen hat, seinerseits gebunden, eine archaische Vorstellung. 196 Beiden Kapiteln voraus geht das kurze Kap. 295, wonach ein Verkäufer, dessen Leistungsfähigkeit zweifelhaft ist, dem Käufer einen Bürgen stellen muss. Hier scheint der Verkäufer benachteiligt zu sein; heute jedenfalls scheint uns eher die Leistungsfähigkeit von Käufern sicherungsbedürftig zu sein. Paulus hatte betont, dass ein Verkäufer, der Rechtsmängelhaftung durch stipu/atio duplae konsensualvertraglich eigens verheißt, entgegen einer im Volk verbreiteten Meinung (ut vu/gus opinatur) nicht auch Sicherheit leisten muss;197 dieser Spezialfall ist kaum gemeint. Und Diokletian beschied, wie im Codex Hermogenianus (oben Kap. 2 Nr. 4) überliefert war, einen Aurelius Pacianus, ein Kauf sei nicht deshalb unwirksam, weil der Verkäufer nicht einmal einen Bürgen gestellt habe. 198 Auch das, also die Vorstellung, eine Bürgschaft sei Wirksamkeitserfordernis bei leistungsschwachen Verkäufern, ist hier schwerlich gemeint;l99 Verbindlichkeit des Kaufs scheint vielmehr Grundlage der Bestimmung zu sein, also Beurkundung, Vorauszahlung des Kaufpreises oder wohl auch Anzahlung vor Lieferung. In den letzten beiden Fällen ist die Sicherung des Käufers berechtigt und dürfte dem Verkäufer nicht zu viel zumuten. Im ersten des beurkundeten Kaufs allerdings bleibt die Benachteiligung; Verkäufern gegenüber, die alles mögliche versprechen, leicht hehlen mochten (s. Kap. 289 f., 300), scheint größeres Misstrauen am Platz gewesen zu sein als Käufern 195 Gegen diese herkömmliche Deutung von Kap. 297 wendet sich Siems 118-26, der aufgrund von Überlegungen zur Vernunft der Regelung den Verkäufer als Subjekt von occurerit vermutet; der Verkäufer bleibe frei, denn er übernehme nicht das Beschaffungsrisiko. Indessen dürfen wir uns im CE schwerlich einen Gattungskauf, wie er heute geläufig ist, vorstellen, s. W. Ernst, SZ 114 (1997) 272-344. Der Verkäufer könnte deshalb weniger schutzbedürftig sein, weil es in der Regel an ihm liegen wird, wenn nicht alsbald übereignet wird. Zudem könnte in einer Zeit der Warenknappheit im allgemeinen die Nachfrage überwogen haben. 196 Vg!. M Mauss, Die Gabe - Form u. Funktion des Austauschs in archaischen Gesellschaften (dt. Frankfurt am Main 1968, zuerst frz. Essai sur le don, Paris 1950). 197 Pau!. 2 ed. aed. D. 21, 2, 56 pr. 198 Jetzt CJ 4,38, 12 pr. = Honore, Paling. Nr. 2664 = 874 von Nr. 20 (Hermog.). 199 Anders d 'Ors (0. Fn. 176) 211 f., der aber die Einzelheiten nicht hinreichend klarstellt. 11

Liebs

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Drittes Kapitel: Die gallischen Werke im Einzelnen

gegenüber; der Euricianus packt sie härter an als ihre Kontrahenten. Besonderes Entgegenkommen wird nur dem Verkäufer eines Sklaven erwiesen, der beim Käufer seinem Verkäufer ein Verbrechen vorwirft. Dann darf der Verkäufer wandeln und die Untersuchung selbst vornehmen (Kap. 288), was bedeutete: den Sklaven foltern. Viele Kapitel fassen schlicht geltendes römisches Recht mehr oder minder vereinfacht zusammen: Kap. 292 stellt die Rechtsfolge einer Konstitution Diokletians zum Sklavenkauf mit Sondergut um, die damals in Gallien im Codex Hermogenianus nachzuschlagen war,2°o und zwar von fortgeltender Kaufpreisforderung trotz Zahlung auf Fortbestand der Herrengewalt trotz Weggabe, was auch ohne Hilfe eines Gerichts geltend gemacht werden konnte. Kap. 293 erklärt den Tausch fiir ebenso gültig wie den Kauf, für dessen Gültigkeit Konsens wie gesagt nicht genügte; bei Vorleistung war der Tausch auch nach spätrömischem Recht verbindlich?OI Nach Kap. 294 kann ein Verkäufer das Geschäft nicht deshalb rückgängig machen, weil der Preis zu niedrig war. 202 Eine streitbefangene Sache kann nach Kap. 298 weder verschenkt noch verkauft werden. 203 Eltern können nach Kap. 299 ihre Kinder weder verkaufen noch verschenken noch verpfanden;204 Käufer und Pfandgläubiger werden aber nicht mehr deportiert/os sondern verlieren nur ihr Geld. Ein über 20 Jahre alter Freier, der sich verkaufen lässt, um sich den Preis mit dem Verkäufer zu teilen, wird Sklave, weil nicht würdig ist, frei zu sein, wer sich freiwillig in Sklaverei begeben hat. 206

200 Jetzt CJ 4, 49, 7 = Honore, Paling. Nr. 1806 = 72 von Nr. 20. Dazu d'Ors (0. Fn. 176) 217-19. 201 Nachzulesen damals im CH (s. o. Kap. 2 Nr. 4), jetzt CJ 4, 64, 3 o. 4; missverständlich dagegen im CG (0. Kap. 2 Nr. 3), jetzt CJ 4, 64, 2, und in den theodosianisehen Novellen (0. Kap. 2 Nr. 7), jetzt NY 32 § 4. Vgl. RB 35, 5 u. dazu sofort Nr. 16. Dass hier auch beim Kauf Konsens nicht genügte, vernachlässigen d 'Ors (0. Fn. 176) 199; u. Th. Mayer-Maly, SZ 108 (1991) 222 f. 202 Nachzulesen CTh 3, 1, 1; 4; 7 und in den Interpretationen dazu, während die Paralle1stellen im CG und CH nur mehr in justinianisch interpolierter Fassung erhalten sind: CJ 4, 44, 2 und 8. CJ 4, 44, 15 (aus CTh 3, 1,4) zeigt Justinian am Werk. Dazu Levy, VR 209-11; u. d'Ors aaO. 217. Unbeeinträchtigt blieb wohl CJ 4,44,4 aus dem CH. 203 Nachzulesen damals CTh 4,5, I nebst IT, s. Kaser, RP 11 267 u. Fn. 47. 204 Nachzulesen damals im CG, jetzt CJ 7, 16, 1; CH, jetzt CJ 4, 43, 1; 7, 16, 37; 8, 16,6; u. 4, 10, 12; und den Paulussentenzen (s. o. Kap. 2 Nr. 2), PS 5, I, 1. Dazu d'Ors (0. Fn. 176) 221-23. 205 So PS 5, 1, 1 S. 2 für den Gläubiger; s. a. CJ 7, 16,37 zum Käufer. 206 Kap. 300, wobei die Begründung westgotisch sein könnte. Der Rechtssatz war nachzulesen damals jedenfalls in Ulpians Ediktkornrnentar (0. Kap. 2 Nr. 18b) Buch 44 (D.40, 12,7 pr. § I); seinem De officio proconsulis (0. Kap. 2 Nr. 18a) B. 2 (D. 40, 13,

II. Das gotisch-burgundische Zeitalter

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Ausgearbeitet hat das Gesetzbuch jedenfalls ein lateinisch Gebildeter, aber nicht notwendig ein Romane. Wie das besondere Interesse für das Vertragsrecht zusammen mit der Ordnung des Stoffs in Sachtitel ergibt, bei deren Abfolge systematisches Bemühen erkennbar ist, war das offenbar ein Fachmann des Rechts, ein Provinzialjurist. Passen würde weniger Leo von Narbonne (oben Kap. 1 Nr. 14) selbst, aber jemand aus seinem Wirkungskreis - ein gotischer Schüler? Im spanischen Westgotenreich wurde wie gesagt der Wortlaut der Bestimmungen fortlaufend verbessert und ergänzt, in welche Tradition, offenbar durch Ernigranten,207 auch die Lex Baiuvariorum gehört. In Spanien verdrängte das fortentwickelte eurizianische Recht schließlich sogar das römische des Breviars, das nur mehr im Rechtsunterricht geduldet wurde. 208

14b. Die Lex Burgundionum Wohl im letzten Jahrzehnt des 5. Jhs. erließ König Gundobad von Burgund hauptsächlich für den burgundischen Bevölkerungsteil eine Zusammenstellung von zunächst 88 (so wieder Esders 71 gegen Nehlsen) Konstitutionen, eigenen und Konstitutionen seiner Vorgänger über aktuelle Gegenstände, die einer Änderung oder doch Aufzeichnung bedurften. 209 Das ganze war in ebenso viele rubrizierte Kapitel oder Titel mit bis zu elf meist kurzen Paragrafen gegliedert und hieß meist Liber constitutionum, einmal (Paris 10753 BI. 82 V ) auch Liber legum, in den Quellen der Karolingerzeit Lex Gundobada. Diese bezeichnen damit allerdings die allein erhaltene aktualisierte, Novellen einbeziehende Neufassung vom 29. März 517 durch Gundobads Sohn und Nachfolger Sigismund,2lO der die Bezeichnung als Liber constitutionum beibehielt. Der Liber 1) und im CG, jetzt CJ 7, 16, 5 u. 7, 18, 1; aber wahrscheinlich auch in einer verlorenen Paulussentenz. Zur Sache d'Ors (0. Fn. 176) 224. 207 Vgl. H. Siems, Art. Lex Baiuvariorum, HRG II (1978) 1892 f.; ders., Art. Lex Baiuv., RGA 18 (2001) 307; u. Fastrich-Sutty (0. Kap. 1 Fn. 257). 208 LV 2, 1, 10 von Reccesvinth um 655. 209 Ausgabe: L. R. v. SaUs, MGH LS 11 1 (1892) 1-122; mit dt. Übers.: F. Beyerle, Gesetze der Burgunden = Germanenrechte X (Weimar 1936); engl. Übers.: K. F. Drew, The Burgundian code (2. Aufl. PhiladelphialUSA 1972). - Die Bezeichnung als L. B. findet sich als Kolumnentitel in der Hs. Paris, BN 4418 (1. Hälfte 9. Jh.) BI. 170 ff., und im Schlussvermerk der Hs. Wolfenbüttel, Herzog August Bibliothek Blankenb. 130 (3. Viertel 9. Jh., Mordek 943) BI. 168 r, beides übersehen von Esders 59 Fn. 263, obwohl Letzteres bei v. SaUs 116 abgedruckt. 210 Zur heiklen Überlieferungsfrage s. vor allen H. Nehlsen, Art. Lex Burgundionum, HRG 11 (Berlin 1978) 1902-07; u. Esders 63-76 u. 123 Fn. 75. Zum Übrigen zumal Nehlsen 1907-13; Esders 287-96 u. 396-98; u. G. Kampers, Art. Lex Burg., RGA 18 (2001) 315-17. Ältere Lit. bei Nehlsen 1913 f.

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Drittes Kapitel: Die gallischen Werke im Einzelnen

besteht nunmehr aus 105 Kapiteln oder Titeln und ist z. T. mit weiteren Novellen überliefert, veralteten, d. h. sowohl in den Liber eingearbeiteten (1-17) als auch ausgeschiedenen Gundobads (constitutiones extravagantes 18 u. 19), einer nicht aufgenommenen von Sigismund (20 vom 8. März 516) und einer neuen von seinem Nachfolger Godomar, ergangen 524 auf dem Reichstag von Amberieux (21). Die Ordnung ist unsystematisch wie im Edictum Theoderici;211 die einzelnen Bestimmungen heißen aber wie die der römischen Kaiser lex. Dem Text und dem Titelverzeichnis vorangestellt ist eine kurze Gerichtsordnung, prima constitutio genannt, eine pactio mit den Großen des Reichs und von 31 Grafen mitunterzeichnet. Sie ist nach dem Regierungsjahr des Königs, also aus burgundischer Sicht datiert, während fünf Konstitutionen innerhalb des Gesetzbuchs und eine extravagante gleichfalls ein Datum haben,212 das Jahr aber nach einem römischen Konsul angegeben ist, dem des Westens, die Sicht der westlichen Provinzialrömer. Inhaltlich sind germanische Rechtsvorstellungen wie Brautpreis (12, 1 u. 4; 52, 3 f. u. 61), eheherrliche Gewalt (s. 100 u. ö.), Verfangenschaft des Vermögens an die Söhne und ihre Abschichtung (s. 1 u. 78) mannigfach durchmischt mit Anpassungen an römisches Recht und Änderungen in diesem Sinn, deren Durchsetzbarkeit freilich zweifelhaft ist. Das betrifft insbesondere die schrittweise Ablösung von Fehde und Sühnevergleich durch öffentliche Strafen;213 auch finden sich Geldstrafen, die dem Staat zufließen (multae).214 Im Stile der römischen Kaiser erklärt sich der König für ebenso an das Gesetz gebunden,215 im gleichen Stil behält er sich aber auch vor, Regelungslücken selbst zu schließen. 216 Eigenartig geregelt erscheint der Kauf hochwertiger Güter in Titel 99: De venditionibus, quae sine testibus scribuntur Si quis mancipiurn aut agrurn aut vineam aut aream vel domum factam in quocurnque loco comparaverit, iubemus, ut, si non habuerit cartam firmatam aut subscriptam (v. Salis: non fuerit firmata aut subscripta), pretiurn perdat; certe si loci illius consistentibus scriptura ipsa subscripta aut signata non fuerit aut septem aut quinque testibus.

211 Zur Unordnung dort Liebs, Italien 192 f.; zur "tumultuarischen Aneinanderreihung" hier Nehlsen aaO. 1912; u. schon v. Salis aaO. 7 unten: chronologisch? 212 LB 42, 45,52,76,79 u. Extrav. 20: 501, 502, 513, 515, 516 u. 517. 213 Dazu zumal C. Schott, Settimane 42 (1995) 940--61. 214 So pr. const. 4 u. 12; LB 4,3; 5,1-5; 10, I; 12, I; 15, I; 17,4; 19, I u. 11; 22; 23, 1 u. 3; 25, I; 28, 3; 32, 1-3; 33, I u. 3: 34, 2; 36; 37; 38, 1-3,6 f. u. 10; 45; 50,4; 55, 3; 70,2-4; 71, 2; 76, 1-3; 80,2 f.; 81,2; 90, I u. 2; 92, 1 u. 3; 93; 94, 1; 97; 98; 101, I u. 2; 102,2; 103, 1 u. 5; 105; const. extrav. 21, 10 f. 215 Pr. const. 4. Vgl. PS 4,5,3 u. 5, 12, 9a; Valentinian III. CTh 10,26,2; u. ders. CI 1, 14,4 = CTh Krüger I, 1, 5a. 216 Pr. const. 10. Vgl. Iulian D. 1,3, 11; u. Iustinian D. const. TantalDedoken § 18.

11. Das gotisch-burgundische Zeitalter

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Certe si quinque testes ad praesens inventi non fuerint, tres idoneas testes loci illius consistentes, quorum fama nurnquam maculata est, praecipimus subscribendos; certe si non, invalidam scripturam ipsam iubemus esse.

Zunächst einmal ist die Regelung stotternd niedergeschrieben: erst sollen sieben, im gleichen Atemzug bloß mnf Zeugen erforderlich sein, notfalls genügen aber auch drei taugliche und unbescholtene; dürfen die fiinf und die sieben untauglich und bescholten sein? Vermutlich nicht. Wer sich aber nicht um die Beurkundung kümmert oder nur zwei geeignete und unbescholtene Zeugen zusammenbringt, sich dadurch aber nicht davon abhalten lässt, Sklaven oder Privatgrundstücke gegen Geld zu erwerben, soll den Kaufpreis einbüßen und trotzdem das Gekaufte nicht behalten dürfen; Verkäufer solcher Güter, denen vor Beurkundung gezahlt wurde, mussten versucht sein, die Beurkundung zu hintertreiben. Auch wenn das selten vorgekommen sein mag, nahm man eine ungerechtfertigte Bereicherung des Verkäufers offenbar in Kauf, um den Umsatz solcher Güter kontrollieren zu können. Die harte Durchsetzung der Kontrollmöglichkeit lässt darauf schließen, dass sie der Regierung wichtig war. War eine Steuer damit verbunden? Oder sollten Aufkäufer von Land und Sklaven behindert und unter Umständen benachteiligt werden? Jedenfalls gibt es auch eine Vorschrift gegen den Ausverkauf des den Burgundern bei der Landteilung zugewiesenen Landes. 217 Römischer Einfluss zeigt sich auch im Scheidungsrecht. Obenan zwar steht im einschlägigen Titel 34 die offenbar germanischer Mentalität Rechnung tragende Bestimmung, eine Frau, die sich von ihrem rechtmäßigen Ehemann trennt, sei im Sumpf zu ertränken; nach römisch-christlichem Recht war nur die grundlos sich scheidende Frau nur mit lebenslänglichem Exil und Eheverbot zu bestrafen. 218 Die Scheidung durch den Mann ist dann (34, 2-4) aber in enger Anlehnung an die Interpretationen zum einschlägigen Theodosianustitel 3, 16 geregelt, die Rechtsfolgen sind eigenwillig vereinfacht und vergröbert. 219 Daneben gibt es unmittelbar christliche Einflüsse wie die Anerkennung der Kirchen als Asyle (70, 2) und die Ableistung des Reinigungseides in der Kirche (8, 2), während westgotische Einflüsse weniger gewiss sind?20

217 LB 84, 1 u. dazu Nehlsen, in: Untersuchungen zu Handel und Verkehr der vorund fiiihgeschichtlichen Zeit in Mittel- und Nordeuropa II1: Der Handel des frühen Mittelalters, hg. K. Düwel u. a. (Göttingen 1985) 142. 218 CTh 3, 16,2 (von Konstantius III. 421 n. Chr.). 219 Seit langem geläufig, s. d. Lit.-Angaben bei v. Salis (0. Fn. 209) S. 66 Fn. 1. 220 Abgelehnt von Nehlsen aaO. 1911, während K. Zeumer, NA 23 (1898) 460-64, sie befürwortete: CE 277 habe LB 17, 1 und 79, 5 geprägt, nicht rundweg abzulehnen. Weitere Einzelheiten bei v. Halban I 284-312; Nehlsen (0. Fn. 217) 138-43; u. Siems 137-42.

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Drittes Kapitel: Die gallischen Werke im Einzelnen

Das Latein ist ungefähr ebenso gut wie im Codex Euricianus (soeben Nr. 14a) und jedenfalls besser als in der Lex Salica (sofort Nr. 17a); nur ein knappes Dutzend germanischer Wörter kommt vor. Syagrius (Kap. 1 Nr. 15) mag bei der Abfassung einzelner Bestimmungen mitgewirkt und ihre Zusammenstellung begünstigt haben; doch sind ihm archaische Konkretismen wie die getrennte Regelung des Diebstahls von Schiffen (94), Jagdhunden (97), Falken (98), Eseln (104) und aus Weinbergen (103), noch dazu ohne das Gemeinsame wenigstens in den Überschriften anzudeuten, kaum zuzutrauen. In dem Gesetzbuch war Vollständigkeit nicht einmal angestrebt. "Solange das alte Recht allgemein anerkannt blieb, keinen Grund zur Änderung bot und auch kein Streit über seine Auslegung entstand, sahen sich die burgundischen Könige, denen man sonst unterstellen müsste, zentrale Rechtsbereiche geradezu vergessen zu haben, nicht veranlasst, es vollständig aufzeichnen zu lassen. ,,221 Auch der vorbildliche Codex Theodosianus hatte bei Lichte besehen nur Novellen der christlichen Kaiser enthalten, freilich übersichtlich geordnet. Gelten sollte das Gesetzbuch zwischen Burgundern und in gemischten Streitigkeiten, in Ausnahmefällen auch zwischen Römern, denen aber im übrigen ihr eigenes Recht ausdrücklich gewährleistet wurde. Unter den Franken galt es prinzipiell fort, wurde aber, weil von einem Häretiker, von kirchlicher Seite angefeindet und geriet außer Gebrauch; immerhin haben wir 14 Handschriften aus dem 9. und vor allem 10. Jh. und versuchte Kaiser Konrad 11. 1038, das alte Gesetzbuch wiederzubeleben. 222 15. Die Lex Romana VlSigothorum (Breviar)

a) Entstehung. Datum Die abschließende Kodifikation der für die Römer im Westgotenreich maßgeblichen Rechtstexte unter Alarich 11. am Anfang des 6. Jhs. war die Lex Romana Visigothorum. 223 Sie stellt eine Kurzfassung der damals dort gängigen Nehlsen (0. Fn. 210) 1909. Vgl. Siems 137--42 u. 155 f. Näher dazu Nehlsen (0. Fn. 210) 1913. 223 Visigothorum heißt es nur in der Epitome Lugdunensis im Prolog vor den Novellen (Hänel 255), hier allerdings nicht in Verbindung mit dem sonst häufigen Lex Romana. Conrat 238 u. Fn. 9 u. 240 hielt irrtümlich Hänels Worte, mit denen dieser den Prolog der Epitome monachi überschrieben hatte, für Epitometext; ebenso wohl Gaudemet 46 Fn. 199. Breviarium nennt sich die Epitome monachi, s. Prolog; Breviatus (sc. fiber XII) sagt die Epitome Lugdunensis am Ende von CTh 12. Ausgabe von Hänel. 1887 fand sich die zu Anfang und Ende verstümmelte Handschrift von Le6n (um 600), FaksimileAusgabe: o. Fn. 20. Th. Mommsens Theodosianus-Ausgabe bietet in den Prolegomena und im Text viele Ergänzungen und Verbesserungen. Max Conrat übersetzte das Brevi221

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römischen Rechtstexte dar. Eine Epitome von ihr wurde im 8. Jh. Breviarium genannt; und heute nennen wir die Lex selbst Breviarium Alaricianum oder kurz Breviar. Über die Entstehungsgeschichte geben uns drei Randtexte des Gesetzbuchs Aufschluss: Erstens eine Art ausfiihrliches Titelblatt der damals üblichen Art/ 24 heute praescriptio genannt, erhalten in sechs Handschriften von etwa 30 in Betracht kommenden. 225 Zweitens das Einfiihrungsgesetz, commonitorium bzw. auctoritas Alarici regis, in der an den Grafen Timotheus, wohl einen Gaugrafen, gerichteten Fassung in einer einzigen Handschrift; in einer anderen anscheinend an einen (Ne?)potianus in unentzifferbarer Eigenschaft; und ohne Adressaten in 21 weiteren. 226 Hier ergibt aber der Inhalt (Z. 915), dass einheitlich hohe Richter angeredet sind. Schließlich, in kürzerer (sechs Hss.) und in längerer Fassung (vier), ein Beglaubigungsvermerk, die sog. subscriptio des königlichen Kanzleichefs Anian (0. Kap. 1 Nr. 16b) am Schluss des Vorspanns, die kürzere Fassung, und die längere am Schluss des ganzen Breviars, in mehreren Handschriften sogar noch hinter den Anhängen. 227 Die Texte sind oben abgedruckt (Kap. 1 Nr. 16a und 16b); es fehlt noch der Schluss des Einfiihrungsgesetzes: Commonitoriurn ... Et ideo ... Quod si factum fortasse constiterit, aut ad periculurn capitis tui aut ad dispendiurn tuarum (hier brechen mehrere Hss. ab) pertinere noveris facultatum. Hanc vero praeceptionem directis libris iussimus adhaerere, ut universos ordinationis nostrae et disciplina teneat et poena constringat. Recognovimus. ar, ordnete die Texte nach dem Pandektensystem und schied von Anbeginn Obsoletes aus, außerdem Legaltext, wenn es zufriedenstellende Interpretationen gab: Breviarium Alaricianurn. Römisches Recht im fränkischen Reich in systematischer Darstellung (Leipzig 1903). Zur LRV aus neuerer Zeit Krüger, Gesch. 350-58; A. Berger, RE XII 2 (1925) 2407-11, Art. Lex Romana Wisigothorum; Wenger, Quellen 55-58; Gaudemet; H. Siems, HRG II (1978) 1940-50, Art. Lex Romana Visigothorum; R. Lambertini, La codificazione di Alarico II (Turin 1990); u. Matthews (0. Kap. 1 Fn. 138) 35-37. Zu seiner Umwelt E. E. Bruck, Über röm. Recht im Rahmen der Kulturgeschichte (Berlin 1954) 146--63; A. Iglesia Ferreiros, Revista de historia dei derecho 2 (l977178) 117-67; ders. (0. Fn. 176) 205-13; u. Nehlsen (0. Kap. 1 Fn. 137) 143-203, alle drei mit Überzeichnungen. 224 Vgl. L. Traube, in: Th. Mommsen, Theodosianus ... (Berlin 1905) Tabulae S. 11. In jüngeren Hss. lautet das Titelblatt kurz: In hoc corpore continetur tota lex Romana oder Incipit liber legum. 225 Mommsen XXXII, abgedruckt oben Kap. 1 Nr. 16a a. A. 226 Mommsen XXXIII f., zum größeren Teil abgedruckt oben Kap. 1 Nr. 16a Mitte u. 16b a. A. Matthews (0. Kap. 1 Fn. 138) 36 beachtet die schmale handschriftliche Grundlage für Timotheus nicht und überschätzt seine Rolle. 227 Mommsen XXXIV f., abgedruckt oben Kap. 1 Nr. 16a g. A. (längere Fassung) und 16b g. E. (kürzere).

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Drittes Kapitel: Die gallischen Werke im Einzelnen

Data sub die IIII (eine Hs.: III) nonas Februarias anno XXII (eine Hs. referiert an späterer Stelle: XXI) Alarici regis Tolosae.

Das Jahr, in dem das Gesetzbuch erlassen wurde, ist weniger sicher als gemeinhin verlautet. Auch das Todesjahr Eurichs und des Regierungsbeginns Alarichs ist unsicher, wenn auch nicht der Tag. Dieser ist der 28. Dezember. 228 Auch nach Konsulat datiert sind die Akten des Konzils von Agde vom 11. September 506, im 22. Regierungsjahr wie der Erlass des Gesetzbuchs. 229 Aber nur wenn dieses Jahr hier nicht nach Art der Römer gezählt wurde, die als erstes Jahr eines Kaisers den Rest seines ersten KalendeIjahrs nahmen, sondern nach Art der spanischen Goten und der Franken, welche effektive Regierungsjahre zählten, trat Alarich 11. seine Herrschaft am 28. Dez. 484 an; andernfalls am 28. Dez. 485. Auch dann bliebe noch die Möglichkeit, dass wenigstens die Königskanzlei germanisch zählte. Zählte Agde römisch und Toulouse germanisch, gelangten wir ins Jahr 507, wenn XXII stimmt; 506, wenn XXI stimmt. Und wenn beide germanisch zählten, wie allgemein unterstellt, mit XXII ins Jahr 506 und mit XXI 505.230 Nun überwiegt XXII zumal in Einzelausfertigungen, nämlich des Einführungsgesetzes für einen bestimmten Grafen und des Beglaubigungsvermerks. Beide können einige Zeit nach Erlass hergestellt worden sein. Auf dem ausführlichen Titelblatt überwiegt XXI,23 1 was bei unterstellter germanischer Zählung in Agde und Toulouse auf die Zeit zwischen 28. Dezember 504 und 27. Dezember 505 führt; der genaue Tag wäre unbekannt. Die ersten bekannten Ausfertigungen wären die an Timotheus und .. potian, beide vom 2. Februar 506 und beide aus Toulouse. Nur in sechs Handschriften mit Einführungsgesetz ohne Adressaten, aber alle vom 2. Feb. 506 aus Toulouse, folgt der kürzere Beglaubigungsvermerk vom selben Kanzleichef Anian aus Aire-sur-l' Adour. Hier muss mit Anian der König geweilt haben; er hatte hier vielleicht eine Sommerresidenz. 232 Auch hier stammt der Vermerk aus dem Regierungsjahr 505/06, aber ohne Tag und Monat, d. h. eher aus dem Frühjahr 228 Kopenhagener Fortsetzung, ordo prior, von Tiro Prospers Chronik, hier z. J. 486; nur das Jahr, aber 487, im ordo posterior dieser Fortsetzung, s. MGH AA IX (1892) 313. 229 C. Munier (Hg.), Concilia Galliae A. 314 - A. 506 (I) = CCLat 148 (1963) 189 u. 213. 230 Zu den Unsicherheiten Schellenberg 89 f. Anrn. 2. 231 So vier Hss., eine dagegen XXII, was Mommsen der Einfachheit halber bevorzugte. Auch Schellenberg 92 Anrn. 21 entscheidet sich fiir XXI, bezieht die Jahresangabe der sog. praescriptio allerdings auf den Kodifikationsauftrag des Königs, ohne das klar auszusprechen, s. "die LRV innerhalb von rund 6 Wochen entstanden", offenbar gerechnet vom Beginn des 22. Regierungsjahrs am 28. Dez. 505 an. Vermutlich schwebten ihm die datiert überlieferten Aufträge fiir CTh, CJ und Dig. vor. 232 So A. Degert, Revue de Gascogne 1905, 341 = ders., L'ancien diod:se d'Aire (Paris 1907, non vidi); u. F. Lot, Recherches sur la population et la superficie des cites remontant a la periode gallo-romaine III (Paris 1953) 220 f. Nicht triftig dagegen Schmidt (0. Fn. 176) 51.

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oder Sommer 506; eine Handschrift ohne Adressat beim Einfiihrungsgesetz hat dort den 3. Feb. Der ausfiihrliehe Beglaubigungsvermerk nach dem ganzen Breviar hat keine Ortsangabe, ist aber in drei Handschriften auf den 3. Feb. 506 datiert; eine davon hat auch Titelblatt (das Regierungsjahr ist hier verblasst) und (nicht adressiertes, aber datiertes) Einfiihrungsgesetz. 233 Die Häufung von 2. und 3. Feb. 506 beweist nur, dass damals mehrere Exemplare des Gesetzbuchs an verschiedene Adressaten ausgefertigt und vermutlich auch versandt wurden, mindestens zwei oder drei Prototypen, von denen die anderen Handschriften, alle frühestens aus dem 9. Jh., abhängen. Die Verbindung von in Toulouse datiertem Einfiihrungsgesetz und sofort folgendem Beglaubigungsvermerk aus Aire-sur-l' Adour später im seiben Jahr ergibt wohl, dass mindestens ein weiteres Exemplar auf Vorrat hergestellt worden war, das erst später an anderem Ort ausgefertigt wurde; bei diesem Exemplar hat man außerdem die im Einfiihrungsgesetz geforderte Beglaubigung durch Anian sofort im Anschluss daran vermerkt, d. h. den entsprechenden Vermerk vor dem eigentlichen Text eingefiigt, hinter dem er sinnvoll wäre und in den Handschriften mit längerer subscriptio auch steht; diese etwas geringere Professionalität deutet auf Improvisation, in der Sommerresidenz verständlich. Über den Beginn der Arbeit haben wir keinerlei Nachricht. 234 Seit Savigny schließt man aus versehentlich stehen gebliebenen Vermerken in den Interpretationen zum Theodosianus (soeben Nr. 12-14) und in der Gajusepitome (Nr. 4) auf Eile oder gar Hast bei der Fertigstellung. 235 Und Lambertini stützt sich dafiir zudem auf das nicht erfiillte Versprechen des Zitiergesetzes (CTh 1,4,3) und noch seiner Interpretatio; der Schlußsatz derselben, der von Alarichs Kompilatoren stammt, sei erst angefiigt worden, als sich herausstellte, dass man das ursprüngliche Programm, auf das Lambertini aus dem aufgenommenen Zitiergesetz schließt, nämlich mehr von Papinian und auch Stellen von Ulpian und Modestin aufzunehmen, nicht mehr ausfiihren konnte, weil der König plötzlich gedrängt habe, das Werk abzuschließen. 236 Dabei ist unterstellt, die Rezeption des Zitiergesetzes sei textgenau ernst gemeint gewesen.

233 Mommsens sehr sorgfältiger Apparat S. XXXI - XXXV gibt all das her, wurde bisher aber nicht ausgewertet, um Alternativen zu Mommsens Schlussfolgerungen XXXV-XXXVII zu erwägen; Ansätze bei Schellen berg Anmm. 2, 21 u. 67 f. 234 Mit der Funktion eines Titelblatts scheint es unvereinbar, die Jahresangabe der praescriptio mit Schellenberg auf den königlichen Auftrag zu beziehen (s. soeben Fn. 231). 235 Savigny, Gesch. 11 51 sehr vorsichtig; entschieden Mommsen XXXV. 236 Lambertini (0. Fn. 223) 99-108; zum Papinianfragment bes. 108-18, allzu oberflächlich: das Fragment steht keineswegs im Widerspruch zu PS 2, 14, 1; 2, 22, 2 und 5, 12, 9. Die Stelle wird ursprünglich pacta dotalia betroffen haben, vgl. Paul. 35 ed. (De dote constituenda et pactis dotalibus) D. 23, 4, 12 §§ 1--4. Isoliert erfasst sie auch die spätrömische Eheschenkung und weiteres, aber keineswegs alle pacta überhaupt und

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Drittes Kapitel: Die gallischen Werke im Einzelnen

Das scheint mir allzu geradlinig gedacht. Meinungsverschiedenheiten sollten in die Kodifikation nicht eingehen; das ganze Abstimmungsverfahren sollte durch dieselbe obsolet werden,237 wie es später durch Justinians Digesten obsolet wurde, weshalb Tribonian das Zitiergesetz, das in der ursprünglichen Fassung noch enthalten war, in der Neufassung des Codex Justinianus folgerichtig tilgte. So selbstbewusst waren Alarichs Helfer aber offenbar nicht; sie beherrschten diesen Punkt wohl nicht und zogen sich mit einem Zusatz zur Interpretatio zum Zitiergesetz aus der Affäre. Dadurch war die Aufnahme des Zitiergesetzes für die Rechtsanwendung unschädlich. Bei einer Kodifikation durch Kompilation, wenn also aktuelles Handeln von klassischen Texten geleitet wird, bleiben Verspannungen nicht aus; auch Justinian musste z.B. Stipulationserfordernis in den Digesten mit der aktuellen Vertragspraxis oder Privatstrafe für Diebstahl, Raub und Körperverletzung dort mit der zeitgenössischen Kriminalstrafpraxis künstlich harmonisieren. 238 Gewiss hätten Alarichs Leute das Zitiergesetz aussparen können, wie sie auch sonst unpassende Gesetze weggelassen haben, zumal Religionsgesetze. 239 Aber das war ein anderes Feld. Sich mit Klassikernamen zu schmücken, war offenbar erwünscht, vielleicht gar eine Vorgabe der Politiker, und lag wohl nicht im Ermessen der das Werk ausführenden Fachleute. Die Präliminarien zum Breviar, von Mommsen Alariciana genannt, insbesondere das ausführliche Einführungsgesetz, ergeben nämlich drei verschiedene Gremien, die bei der Kodifikation mitwirkten, jedes in anderer Funktion. Und solange sich keine unüberwindlichen Schwierigkeiten auftun, müssen wir der verbreiteten Versuchung widerstehen, zur Reduktion von Komplexität zwei Gremien gleichzusetzen und nur mehr zwei übrig zu lassen. 24o Der hier geschilderte Ablauf folgt keinem Schema oder Vorgang, insbesondere nicht dem bei Herstellung des Theodosianus befolgten Verfahren, wie es in NT 1 nachzulesen auch nicht, wie Lambertini 113 f. meint, den Mitgiftbestellungsvertrag, der seit 428 formlos gültig war (0. Nr. 4 bei Fn. 28); denn der wurde damals noch vor Eheschließung geschlossen, mitnichten inter virum et uxorem und sehr wohl ut maritus locupletior fiat. 237 Lambertini aaO. 111-18 hält es rur anwendbar wegen Diskrepanz zwischen LRV PS 2, 23, 2 und der Papinianstelle am Schluss. 238 Zur Stipulation s. CJ 8, 37, 14 u. Inst. 3, 19 § 12. Zur Privatstrafe Inst. 4, 4 § 10; D. 47, 2, 93 u. 47, 10,45, wo die Texte durch Stellung am Schluss des Titels abweichend von der Massenordnung besonderes Gewicht erhalten. 239 K. Schäferdiek, Die Kirche in den Reichen der Westgoten und Suewen (Berlin 1967) 15 f. u. 42-55; u. Matthews (0. Fn. 145) 22 f. Zu weiteren Auslassungen im Militärrecht, Beamtenrecht und Abgabenrecht dort S. 18-23. 240 So schon Savigny, Gesch. 11 41 f., u. Mommsen XXXVI unter 4.: beide setzen (1.) und (3.) gleich; u. neuerdings (1.) und (2.) Gaudemet 9 f.; Schmidt (0. Fn. 176) 51; u. Siems, HRG 11 1941; s. o. Kap. 1 Fn. 169. M. W. hält nur Iglesia Ferreiros (0. Fn. 176) 211 Fn. 31, drei Gremien fest. Vgl. a. Matthews (0. Kap. 1 Fn. 138) 36; u. ders. (0. Fn. 145) 16 f.

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war. 241 Bezeugt sind im Einfiihrungsgesetz (Zeilenzählung nach Mommsen XXXIII f.): 1. sacerdotes ac nobiles viri adhibiti (Z. 1 - 6) quod in legibus videbatur iniquum, meliore deliberatione corrigere, omnis legum Romanarum et antiqui iuris obscuritas in lucem intellegentiae melioris deducta resplendeat; nihil habeatur ambiguum, unde se diuturna aut diversa iurgantium inpugnet obiectio. 2. prudentes (Z. 6 f.) ea omnia enucleare, atque in unum librum e1ectione colligere; excerpere vel c1ariori interpretatione componere. 3. venerabiles episcopi vel electi provinciales nostri (Z. 7 f.) haec roborare adsensu

Dem folgte: 4. rex (Z. 9)

subscribere librum 5. rex (Z. 9) offere Iibrum in thesauris regis habitum 6. rex (Z. 9 f. u. 13) iubet librum destinari comiti(bus), nec nisi ordo conplectitur 7. Anianus (Z. 12) dirigere librum et subscribere manu

Die sacerdotes ac nobiles viri (1.) werden Hofleute gewesen sein, arianische Hofgeistliche,242 adlige Goten und der eine oder andere Römer, eine Art königliches consistorium oder Hofrat. 243 Hier wurden die Kodifikation geplant und Richtlinien aufgestellt. Die ausführende Exzerptionsarbeit leisteten dagegen (2.) prudentes, also Fachleute, d. h. zumindest lateinisch Gebildete, darunter, soweit verfiigbar, und das scheint der Fall gewesen zu sein (0. Kap. 1 Nr. 140, auch Juristen. Diese prudentes waren auch fiir die Erläuterungen der ausgewählten Texte verantwortlich. Das politische Gremium (1.) wird dagegen festgelegt haben, dass überhaupt Erläuterungen angebracht werden; die Fachleute (2.) aber wussten, dass diese aus bereits vorhandenen Erläuterungswerken (so241 Ins Breviar übernommen. Außerdem CTh I, I, 5 u. 6, nicht ins Breviar aufgenommen. Abzulehnen Gaudemet 11 f. 242 Vgl. Wolfram 211 f. 243 Vgl. Hydatius 243 zum Jahr 467 (MGH AA XI, 34 unten): Congregatis etiam quodam die concilii sui Gothis ... Skeptisch dazu Wolfram 216 f., s. a. 223 f.

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Drittes Kapitel: Die gallischen Werke im Einzelnen

eben Nr. 8 - 12) ohne allzu viel Aufwand hergestellt werden konnten und nur ausnahmsweise etwas selbst zu fonnulieren war. Dem fertigen Werk stimmten schließlich (3.) venerabiles episcopi (nicht einfach sacerdotes) vel electi provinciales nostri zu, die nicht einfach den nobiles viri gleichzusetzen sind. Damit wurden katholischer Klerus und Vertreter der römischen Bevölkerung, eine Art Provinziallandtag römischer Tradition gemeint sein. 244 Dann unterschreibt der König (4.), erhält das Urexemplar seinen Platz in der königlichen Schatzkammer (5.)245 und ordnet der König an, weitere Exemplare für alle 19 Gaugrafen auf genau bestimmte Art und Weise herzustellen (6.); der Kanzleichef Anian überwacht die Herstellung, unterschreibt das Produkt mit eigener Hand und versendet es (7.). Nun heißt es auf dem ausfiihrlichen Titelblatt, der sog. praescriptio: In hoc corpore continentur leges sive species iuris de Theodosiano vel de diversis libris electae vel, sicut praeceptum est, explanatae anno XXI regnante domno Alarico rege ordinante viro inlustre Goiarico comite.

Gojarich, ein gotischer Großer, hat also die ganze Kodifikation in Gang gebracht, offenbar als führendes Mitglied eines der Gremien, wahrscheinlich des politischen (1., s. oben Kap. 1 Nr. 16a). Hier ist auch ausdrücklich gesagt, dass schon dieses Gremium explanationes vorschrieb. Der König selber könnte danach eine bloß fonnelle Rolle bei der Kodifikation gespielt haben; treibende Kraft muss Gojarich gewesen sein, wenn er an so prominenter Stelle mit diesem ungewöhnlichen Nachdruck genannt wird. Zusätzlich könnte er die prudentes (2.) geleitet, d. h. auch den Kommisssionsvorsitz gehabt haben. Fast mit denselben Worten kommt der königliche Kanzleichef Anian in der längeren Fassung seines Beglaubigungsvennerks darauf zurück: Anianus vir spectabilis ex praeceptione domni nostri gloriosissimi regis Alarici ordinante viro magnifico et inlustre Goiarico comite hunc codicem legum iuris secundum authenticum subscriptum vel in thesauris editum subscripsi et edidi ...

Hier ist verfassungsrechtlich korrekt der König als detjenige angegeben, der den entscheidenden Anstoß gab, wobei allerdings Schritt 1 und 6 miteinander 244 V gl. Schmidt (0. Fn.176) 12 - 17 u. 52, freilich u. a. mit der unwahrscheinlichen Implikation, die Römer hätten in Aire sur l' Adour getagt, s. S. 51, wo er insofern unkritisch Gaudemet 11, folgt. Theudis und Leovigild meinten mit provinciales nos tri offenbar alle Provinzbürger, römische und gotische gleichermaßen, s. Lex Theudi de litium expensis (MGH LS 1467) Z. 3 f.; u. LV 11,3, 1. 245 Der König besichtigte sie allmorgendlich, Sid. ep. 1,2,4 a. E., 455 n. Chr. Darum muss unsere Überlieferung aber nicht auf eine einzige Urschrift zurückgehen. Hänel XXII nimmt im Gegenteil mehrere grundsätzlich gleichrangige Handschriftenfamilien an, wenn auch ohne sie im einzelnen bestimmen zu können. Dazu dann Mommsen CXXIV-CXLI.

H. Das gotisch-burgundische Zeitalter

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verfließen. Um so bemerkenswerter ist die besondere Erwähnung Gojarichs, hier aber mit einem, wohl inzwischen erworbenen, weiteren Rangtitel eines magnificus vir, der kaiserlichen Prätorianerpräfekten zukam. 246 Diese zusätzliche Information spricht gegen Mommsens Vermutung,247 Gojarichs Erwähnung hier gehe auf einen späteren Abschreiber zurück, der sie sich aus Titelblatt und Einführungsgesetz zusammengestellt habe. Kurz erwähnt sind hier auch Schritt 4 (secundum authenticum subscriptum), 5 (vel in thesauris editum) und 7

(subscripsi et edidi).

Genau abgrenzen lässt sich freilich nicht, welche Entscheidungen schon das politische Gremium getroffen, was es im einzelnen vorweg festgelegt hatte und was dem ausführenden Expertengremium verblieb. Den Kreis der zu exzerpierenden Werke werden wohl eher die Fachleute gezogen haben; dass aber überhaupt auch Juristenschriften zu exzerpieren waren und auch Papinian vorkommen sollte, wird politisch vorentschieden worden sein.

b) Inhalt Exzerpiert wurden hauptsächlich der Theodosianus (396 Konstitutionen sind übernommen) mit seinen Novellen (33), welche Textmasse als Leges bezeichnet wurde, sowie (all das wurde zur Textmasse Ius gerechnet) Gajusepitome, Paulussentenzen, Codex Gregorianus, Codex Hermogenianus (zwei Reskripte) und Papinians Responsen (ein kurzer Text). Und zwar folgen alle verwendeten Werke geschlossen einander, mögen auch nur ein oder zwei kurze Texte daraus aufgenommen worden sein; alles oder Teile nach Sachgebieten ineinander zu arbeiten, ging über die bescheidenen Ansprüche hinaus. Als kleine Eigenleistung der Kompilatoren des Breviars kann verbucht werden, dass Gajusepitome und Gregorianus-Auszug die Sachtitel über die Bücher hinweg durchzählen; in den meisten Handschriften sind die Bücher hier gar nicht mehr angegeben?48 Als eigene Leistungen festzuhalten sind auch die wenigen (0. bei Fnn. 164-67) schon behandelten Klarstellungen in Interpretationen zum Theodosianus. Gesetze der gotischen Könige sind, abgesehen vom Einführungsgesetz, zunächst nicht enthalten. Sie waren offenbar, auch soweit sie sich an Römer wandten, in den sog. Codex Euricianus eingeordnet; neuere werden hauptsächlich zusammen mit ihm verbreitet und tradiert worden sein. Eine Novelle von 246 Mommsen XXXVI unter 2., der offenbar Inschriften wie ILS 1284 u. 1285 (heide Mitte 5. Jh.) vor Augen hatte. 247 Mommsen XXXIV unten, wieder dem Bestreben nach Reduktion von Komplexität entsprungen. 248 Dazu Hänel XXII: Wo sie bei der GE angegeben sind, ist das spätere Zutat; ebenso H. L. W Nelson, Überlieferung, Aufbau und Stil von Gai Inst. (Leiden 1981) 127 f.

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Drittes Kapitel: Die gallischen Werke im Einzelnen

König Theudis aus dem Jahr 546 über Prozesskosten sollte aber, wie er eigens befahl, auch ins Breviar eingefügt werden: hanc quoque constitutionem in Theodosiani corporis !ibro quarto sub titulo XVI adiectam iubemus. Sie fand sich dementsprechend in der einzigen spanischen Handschrift von Leon. 249 Novellen der römischen Kaiser sind nur bis Libius Severus (461-65) rezipiert, also nicht mehr die von Anthemius (467-72), die in den westlichen Novellensamrnlungen noch enthalten waren; Eurich hatte 467 wieder Streit mit dem Reich begonnen, der 475 zwar beigelegt wurde, aber ohne dass die Goten sich den Römern noch einmal untergeordnet hätten. c) Geltung

Das Gesetz beanspruchte ausschließliche Geltung, d. h. andere römische Texte durften nicht mehr angewandt werden, wohl aber natürlich königliche. Und zwar sollte es in den Gerichten der angeredeten Gaugrafen gelten, die, soweit bekannt, Timotheus und ...potianus, einen romanischen Namen haben, also Gerichten für Römer vorgesessen haben werden. Das ergeben auch der seit alters bezeugte Titel Lex Romana und der Umstand, dass Alarich es offenbar vermieden hat, eigene Gesetze und solche seiner Vorgänger auf dem Königsthron aufzunehmen; nicht einmal die Interpretationen, wo für AktueIIes Raum gewesen wäre, stammen aus der königlichen Kanzlei, von einigen wenigen Zeilen redaktionellen oder klarstellenden Inhalts abgesehen. Auch wurden die alten Texte im Allgemeinen weder interpoliert noch auch nur gekürzt, kontrollierbar bei den Doppelüberlieferungen des CTh und der PS. 250 Aber das Konkurrenzproblem zwischen PS und Leges war wie grob auch immer gelöst durch eine von Hänel zu Unrecht in die Fußnoten verbannte Subsidiaritätsklausel zu Beginn der Paulussentenzen, die auch in der Handschrift von Leon enthalten ist: Ex Pau!i sententiarum corpore huic operi convenit adnecti que in Theodosiano pro redimendis litibus non inveniuntur inserta. Der königliche Anspruch LRV CTh 4, 16,3, S. 34-39 d. Ausg. o. Fn. 20; u. Zeumer, MGH LS I 467-69. Mommsen XXXVI oben u. CXXIV unten; Krüger, Gesch. 352; Gaudemet 20 f.; u. Schmidt (0. Fn. 176) 29. CTh 8, 12, I wurde schon für den CTh gekürzt, nicht erst für das Breviar, wie Gaudemet 21 Fn. 79 angibt. Drei Texteingriffe lassen sich festhalten: CTh 16, 7, 3 wurde um die Bestimmungen gegen die Manichäer gekürzt, s. LRV CTh 16, 2, I und die Interpretatio; PS I, I, 2 wurde verallgemeinert, s. LRV PS 1, 1, 1 u. dazu Liebs, SZ 112 (1995) 161-64; und PS 2, 26, 7 wurde auf die untreue Frau umgestellt, s. LRV PS 2, 27, 1 u. dazu A. Aljava, Women and law in Late Antiquity (Oxford 1996) 199 f., u. ders., in: Law (0. Ein!. Fn. 13) 40 f., zu RB 25 a. Bauer-Gerland 184. Ungewiss bleiben der Schluss des pr. und der ganze § 2 von LRV CTh 4, 4, 7 sowie Teile von LRV NMai 2, Textteile, die nur in einzelnen Breviarhss. überliefert sind. Nach Mommsen CXXXIX (u. XXXVI) ist die längere Fassung authentische LRV, nach Krüger dagegen spätere Supplierung. Weiteres o. bei Fnn. 164-67. 249

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quod in legibus videbatur iniquum, meliore deliberatione corrigimus war mit der Beschränkung auf vorgefundene römische Rechtstexte indessen schwerlich einzulösen. Aktuellen Problemen war mit dieser literarischen Haltung nicht beizukommen; aber sie wird den Vorstellungen der Römer im westgotischen Reich entgegengekommen sein. Obwohl das Werk schon bei Erlass fast ein halbes Jahrhundert im Rückstand gewesen sein muss, war es doch zum aktuellen Gebrauch bestimmt, ein Handwerkszeug, das sich täglich bewähren sollte?51 Einiges war unvollkommen. So sollte das problematische senatus consultum Claudianum, wie die vollständig ausgesparten Sachtitel CTh 4, 12 und PS 2, 21A (ebenso Gai 1, 84 u. 91) schließen lassen, offenbar nicht rezipiert werden; auch Justinian sollte es abschaffen (CJ 7, 24). Das Breviar schleppt es aber an verborgener Stelle dann doch ins gotisch- und fränkischrömische Recht ein. 252 Stutzen lässt die Rezeption des mit Kapitalstrafe bewehrten Eheverbots zwischen Germanen und Romanen Valentinians I. (CTh 3, 14, 1). Es wird von Fall zu Fall durch königlichen Dispens entschärft worden sein; jedenfalls heiratete der Gote Theudis, Vormund des Westgotenkönigs Amalarich und später selbst König (531-48), um 520 eine reiche Hispanorömerin. 253 Leovigild hob das Verbot fiir Goten auf. 254 Neben dem Breviar galten die Königsgesetze, für welche Bevölkerungsteile immer sie Geltung proklamierten. Bald nach der Mitte des 7. Jhs. hat Reccesvinth die Lex Romana als Gesetzbuch derogiert. 255 251 AusfiihrIich begründet von Schmidt (0. Fn. 176) 11-53. Die Belege lieferte schon A. v. Wretschko bei Mommsen CCCVII-CCCLX. 252 LRV NY 9 (= NY 31) § 6; ferner LRV IT 4,8,3 a. E.; dazu Arjava aaO. 223 f. Hänel 118 (s. a. Fn. a u. XIX f.) freilich nahm den CTh-Titel ins Breviar auf aufgrund einer singulären Überlieferung (0. Fn. 148) kaum des Breviars, sondern des Theodosianus; Hänel klammerte die Nr. deshalb ein. Die ähnlich singuläre Überlieferung des PSTitels 2, 21A (durch die Hs. von Bisanz) nahm er dagegen nicht in seine Ausgabe auf. Beide Überlieferungen (und anderes?) scheinen LV 3, 2, 3 f. Antiqua zugrundezuliegen, K. Zeumer, NA 23 (1898) 455-57; u. 24 (1899) 592-94. 253 Prokop bel!. Goth. 1, 12, 50 f. Schon 414 heiratete Athaulf Galla Placidia, Oros. 7,40,2 u. 43, 2-7. Weitere Fälle bei A. Garcia Gal/o, AHDE 13 (1941) 200 (S. 221-24 versteht er IT 3, 14, 1 enger, m. E. problematisch); u. A. Demandt, Chiron 10 (1980) 619-28. Zur Politik der fränkischen Könige Esders 199 f. u. 370-73. 254 LV 3, 1, I Antiqua u. dazu K. Zeumer, NA 23 (1898) 477; u. 24 (1899) 573-76. Garcia Gallo aaO. 197-201 schreibt die Bestimmung Eurich zu, wenig überzeugend. Justinian hat sie in seinen CJ gar nicht erst aufgenommen. Zu Ursprung und Zielsetzung des Verbots M. Bianchini, AARC 7 (1988) 225-49 mit ält. Lit. - Auch das Eheverbot zwischen Juden und Christen wurde beibehalten, LRV CTh 3, 7, 2 u. 9, 4, 4. Zu ihm H. S. Sivan, in: Law (0. Ein!. Fn. 13) 208-19. 255 LV 2,1, 10 u. dazu Schmidt 53; Garcia Gallo aaO. 232-46; u. Claude (0. Kap. 2 Fn. 2) 70, nehmen an, das Breviar sei schon durch das Gesetzbuch Leovigilds derogiert worden bzw. außer Gebrauch gekommen, was die Formelsammlung von Cordoba indes-

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Drittes Kapitel: Die gallischen Werke im Einzelnen

Die exzerpierten Texte waren bescheidenes Gut. Gewiss ist anzuerkennen, dass Alarich das von Theodosius 11. 70 Jahre vorher noch verfehlte Ziel, auch das Ius zu kanonisieren, eine Generation vor Justinian bewältigt hat. Das geschah aber auf so schmaler Grundlage, dass sich von der klassischen Jurisprudenz fast nichts findet. Das Breviar war gewissennaßen eine Neusiedlung ohne Theater, Kabarett, Journale und wessen der Intellektuelle sonst bedarf. Wie tüchtig sie war, zeigt ihr Schicksal im fränkischen Gallien, wo sie mannigfach vereinfacht, aber auch angereichert wurde. 256 16. Die Lex Romana f'ür Burgund Wohl in den späten 510er Jahren, also möglicherweise erst nach Gundobads Tod wurde sein Versprechen eingelöst, den Römern seines Reichs fiir Streitigkeiten untereinander fomam et expositionem legum conscriptam, qua liter iudicent, also einen Leitfaden zu geben (es heißt se noverint accepturos), aber nicht durch einen offiziellen Text; jedenfalls fehlt in der Überlieferung auch dort, wo es zu erwarten wäre, alles Amtliche und jeder Hinweis auf Sanktionierung durch eine offizielle oder politische Instanz. Gegen Einstufung der Lex als schlichte Privatarbeit sprechen aber die Verheißung Gundobads im Verein mit der engen Anlehnung des Texts an die Lex Burgundionum bis Titel 36, also in den ersten vier Fünftein des Ganzen, ferner autoritative Wendungen wie custodiant iudicantes (31, 1) und die mit der Lex Burgundionum und dem Breviar verschränkte Überlieferung. 257 Im Gegensatz zum Breviar sollte der schmale Text, der weniger als ein Fünfzehntel des Breviartexts ausmacht, nicht abschließend sein und wurde er neu fonnuliert, wenn auch in Anlehnung an die Texte der römischen Quellen, zitiert oder nicht, und zwar derselben wenigen, aus denen das Breviar zusammengesetzt ist: Theodosianus samt Novellen, Paulussentenzen, Hermogenia-

sen widerlegt (unten Nr. 21). Umgekehrt erblickt M. Bueno Salinas, AARC 14 (erscheint wohl 2002), noch in dieser Bestimmung einen Beleg fiir ein gemeinsames und fortgehendes römisch-gotisches Recht im spanischen Westgotenreich. 256 Im einzelnen Mommsen LXXXII-XCII; s. a. Gaudemet 13 f.; verkürzende Fassungen Mommsen XCIII-CIV; Gaudemet 13 u. 41-57; die Epitomen sofort Nr. 20 f. u. Nr.24-30. 257 Oben Kap. 2 Nr. 40. Verheißung: LB pr. const. § 8. Maßgebliche Ausgabe der RB: v. SaZis (0. Fn. 209) 1-5. 11-14. 19-21. 24-27. 123-88; die in beiden burgundischen Gesetzen einander entsprechenden Titel sind S. 164-67 gegenübergestellt. Zum ganzen Text Savigny, Gesch. 11 9-36 u. VII 30-40; F. Bluhme, Jahrb. d. gemeinen dt. Rechts 2 (1858) 197-211; v. Halban I 268-75; Wenger, Quellen 558-60; G. Chevrier u. G. Pieri, La loi romaine des Burgondes = IRMAE I 2 b aa ö (Mailand 1969); Nehlsen, HRG II (1978) 1928-34, Art. Lex Romana Burgundionum; Siems 270-76 u. 612-14; u. Bauer-Gerland.

II. Das gotisch-burgundische Zeitalter

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nus, Gregorianus und Institutionen des Gajus;258 außerdem der Lex Burgundionum259 und des sog. Codex Euricianus (0. Nr. 14a). Offenbar unter dessen Ein-

fluss ist ein Kauf nicht schon kraft Konsenses verbindlich, sondern erst, wenn entweder die Ware geliefert oder ein Angeld oder eine sonstige Draufgabe geleistet worden ist. Das ergeben 35, 1 f. u. 6: De vinditionibus De videndis et emendis contractibus hic ordo servandus est, ut quisque rem iuris sui vindiderit, repetendei eam postea non habeat potestatem. Vinditionem vero ex hoc maxime ius firmitatis accipere, si traditione celebrata possessio fuerit subsecuta; ... Arra pro quibuscumque rebus a vindetore accepta ab eo qui emit, vinditionem perfectarn esse; ...

§ 1 erinnert stark an CE 294: Venditionis haec forma servetur, ut seu mancipia seu quodlibet animalium genus venditur, nemo propterea firmitatem venditionis inrurnpat, quod dicat, rem viii praetio vendidisse. Die Regelung in § 2 hat viele Ähnlichkeiten mit CE 286,296 und 197; und § 6 scheint an CE 296 i. V. m. 297 angelehnt zu sein. 260 Durch die Regression des Kaufs zum Realvertrag konnte der Tausch dem Kauf wie im Euricianus gleichgestellt werden: CE 293: Commutatio talern qualern emptio habet firmitatem. RB 35, 5 Sciendum etiam, quod facta qualiterlibet dommuatio vicem obtenit emptionis. Anders als im Euricianus ist hier noch betont, dass der Tausch auch irgendwie ausgeführt worden sein muss (facta qualiterlibet)/61 was diesen Text einem Diokletianreskript, das im Gregorianus (0. Kap. 2 Nr. 3) nachzulesen war, näher rückt als dem Euricianus-Kapitel: CJ 4,64,2 = Honore Nr. 1570 (zwischen 284 u. 290) an Primitiva Permutationem re ipsa [?utpote bonae fide?] constitutarn, sicut commemoras, vicem emptionis obtinere non incogniti iuris est.

258 Zusammenstellung aller zitierten und nicht zitierten Quellen bei v. Salis (0. Fn. 209) 168-70; einzelne Angaben sind anfechtbar. 259 Soeben Nr. 14. Z. B. geht RB 34 aufLB 83 zurück. 260 Soeben Nr. 14a vor u. bei Fnn. 190 - 92. Einzelheiten bei Siems 272 - 75. 261 Vgl. Paul. 33 ed. D. 18, 1, 1 pr. u. § 1 u. 19,4, 1 pr.; Diokletian CJ 4,64,3 u. 4, beide im CH in Gallien damals verfiigbar, o. Kap. 2 Nr. 4. Zur Sache Kaser, RP I 550 u. 581 f. 12 Liebs

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Drittes Kapitel: Die gallischen Werke im Einzelnen

Re ipsa constitutam bedeutet offenbar ,durch Vorleistung', ,realvertraglich'; und die Apposition utpote bonae jidei ist schwerlich authentisch. Primitiva, die um Auskunft gebeten hatte, wird einen tatsächlichen Umstand angegeben haben (sicut commemoras), keine rechtliche Qualifizierung, aus der sich schon alles ergibt. Schon gar nicht lässt sich Valentinians III. Aufhebung der Erwerbsbeschränkungen für Amtspersonen der Provinzialverwaltung, die zwischen Kauf und Schenkung auch den Tausch nennt, für Anerkennung des konsensualen Tauschs verwerten. 262 Liegt also bei RB 35, 5, was die Formulierung betrifft, ein selbständiger Rückgriff auf die Gregorianus-Stelle näher, so erweist sich der Burgundorömer erst recht als selbständig bei der inhaltlich anders geregelten Rechtsmängelhaftung (RB 35, 3, vgl. CE 289) und dem Verbot, streitbefangene Sachen zu veräußern (RB 35, 4, vgl. CE 298). Immerhin fällt auf, dass alle sechs in der burgundischen Lex Romana zum Kauf behandelten Fragen auch im Kauftitel des Euricianus behandelt waren, wenn auch meist etwas anders gelöst, während die Burgundionum nichts dazu enthielt; die allenfalls zu parallelisierenden Kapitel 83 und 99 betrafen andere Fragen. Der Verfasser des burgundischen Römergesetzes muss den Euricianus gekannt haben, wenn auch eine schlichte Rezeption seiner Regelungen, für die westgotische Barbaren entwickelt, nicht in Betracht kam. Aber auch gegenüber dem römischen Recht beweist er insofern bemerkenswerte Selbständigkeit, als er dort begonnene Entwicklungslinien zu Ende führt. Das wird an zwei Stellen deutlich. Bei der Bürgschaft durch jideiussio, die allein unter den mannigfachen römischen Bürgschaftsformen überlebte, hing der Regressanspruch des zahlenden Bürgen gegen den Hauptschuldner davon ab, ob dieser ihn beauftragt hatte, für ihn zu bürgen, ob sonst ein Innenverhältnis ihm einen Anspruch gab oder ob der Gläubiger ihm bei Zahlung seinen Anspruch gegen den Hauptschuldner abgetreten hatte, wozu er nur unter besonderen Umständen verpflichtet war?63 Titel 14 § 8 gewährt jetzt eine allgemeine Regressklage sogar aufs Doppelte, wenn auch abhängig von dreimaliger richterlich autorisierter Mahnung. Begründet wird die Verdoppelung mit der Lex Aquilia, die freilich nur gegen den Schädiger nach den Tatbeständen der Lex Aquilia, der die Tat ableugnete, Verdoppelung der Entschädigung vorsah. Im Bürgschaftsrecht gab es das freilich auch, wenn auch nur für die alte, nicht mehr praktizierte Bürgschaftsform der sponsio, bei der es nach einem halben 262 So aber Kaser, RP II u. Fn. 25; u. schon Levy, VL 137 zu NY 32 § 4 seu emptione seu commutatione, quae instar obtinet emptionis, seu donatione seu alio quolibet titulo u. INV Z. 75 et conparandi et commutandi et accipiendi donationis titulo habeant liberam potestatem. 263 Kaser, RP II 460 u. S. 457 zum Absterben der älteren Bürgschaftsformen, dazu auch Levy, VR 196 f.

H. Das gotisch-burgundische Zeitalter

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Jahr eine allgemeine Rückgriffsklage des zahlenden Bürgen gab, die actio depensi, die bei unberechtigtem Bestreiten aufs Doppelte ging. Ungefähre Kenntnisse von alldem, die Einzelheiten miteinander vennengend, werden eine Rolle gespielt haben, eine mindestens ebenso große Rolle spielte aber vennutlich die Regelung im parallelen Titel 19 der Burgundionum, wo die §§ 5-9 dem Bürgen auch schon vor Zahlung noch viel weiter reichende Rechtsbehelfe gewährten. 264 Eine weniger erfreuliche Verallgemeinerung findet sich in Titel 37 § 5 zum Kindschaftsrecht, wo der Grundsatz der ärgeren Hand (bei ungleichem Stand der Eltern hat das Kind den schlechteren Stand) erstmals allgemeingültig formuliert ist, offenbar eine Kontraktion des senatus consultum Claudianum mit Kaisergesetzen des 4. und 5 Jhs. bzw. ihrer Interpretation,265 hier ohne ausdrücklichen Verweis auf eine römische Quelle; sofort danach in § 6 zur Bleibepflicht fahrender Leute, die sich mit einer oder einem Gutsangehörigen verbinden, ist das wichtigste Kaisergesetz hierzu, Valentinians III. Novelle 31 vom 31. Jan. 451, zitiert. 266 Der Text will überhaupt geltendes Recht seiner Zeit nicht nur darstellen, sondern möglichst "zugleich aus der römischrechtlichen Tradition legitimieren. Mitunter folgt er bei der Übernahme römischer Quellen deren Abfolge allzu unselbständig. Manche, auch schwierige Partien sind sorgfältig gearbeitet, andererseits unterlaufen aber auch leicht erkennbare und venneidbare Fehler. Die wechselhafte Qualität der Lex Romana entzieht sich einer Gesetzmäßigkeit.,,267

16a. Die sog. Fragmenta Gaudenziana Ein größeres Sammelwerk vennutlich erst des ausgehenden 10. Jhs., entstanden in Süditalien und bestehend aus anonymisierten und stark überarbeiteten justinianischen und weniger stark überarbeiteten westgotischen Rechtstexten, der Ordo mellifluus in expositione legum Romanarum ex constitutione imperiali promulgatae a domno Iustiniano piissimo Augusto, nach ihrem Entdecker A. Gaudenzi auch Collectio Gaudenziana genannt, enthält in 14 Kapiteln (7-20 des Ersten Teils) ein bis dahin völlig unbekanntes, zusammenhän-

264 Nicht beachtet von Levy, VR 202 f. 265 W. E. Voß, in: Röm. Recht in der europ. Tradition. Symposion 75. Geburtstag F. Wieacker (Ebelsbach 1985) 167 u. Fn. 237. 266 Dazu Voß aaO. 148 - 55. 267

Bauer-Gerland 195 f.

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Drittes Kapitel: Die gallischen Werke im Einzelnen

gendes Stück, das missverständlich Fragmenta Gaudenziana genannt wird. 268 Es entstand um 520 wohl in der Provence nach ihrer Annexion ans Ostgotenreich, wo im westlichen Teil (Arles und Marseille) westgotisches Recht fortgalt;269 allenfalls entstand es in SüdwestgalJien. 270 Es enthält Ergänzungen zum Codex Euricianus (0. Nr. 14a), der edictum (Kap. 7 u. 10) oder regis edictum (Kap. 1) heißt. Dessen Rechtssätze werden in romanisierendem Sinn fortgebildet. So wird die Privatpfandung verboten (Kap. 13, vgl. LB 19, 3), was Reccesvinth 654 weiter ausbauen sollte (LV 5, 6, 1). Die Sanktion für Richterbestechung (s. LV 2, 1,21 Antiqua) wird verschärft: von Talion zu quadruplum (s. ET 2), das an den fiscus gehen soll, und Amtsenthebung (s. ET 3). Kap. 11 führt in Anlehnung an LRV IP 5, 5, 6 das Versäumnisurteil ein, das Chindasvinth LV 2, 1, 19, fortbilden sollte. Kap. 12 führt bei Verurteilung zu Geldleistungen in Anlehnung an ET 131 Zwangsvollstreckung durch Pfandung ein, aber ohne Pfandverkauf. Wer keine legitimen Kinder hat, kann gemäß Kap. 8 illegitime mit Zustimmung des Königs legitimieren, was Konstantin, Zeno, Anastasius und lustin unter teils engeren (nur bei concubinae ingenuae), teils weiteren Voraussetzungen (Obrigkeit braucht nicht zuzustimmeni71 in immer neuen Anläufen zuletzt halbherzig geregelt hatten. Kap. 20 regelt den Status der Kinder von Hörigen und Sklaven verschiedener Herren ansprechend klar, vereinfacht die im Breviar anzutreffende Regelung (LRV IT 5, 10, 1 S. 4, wiederholt in LRV INV 12 u. ET 57). Kap. 9 begrenzt Zuwendungen an illegitime Kinder in Anlehnung an LRV IT 4, 6, 1 (zu CTh 4,6,4).272 Der Freikäufer Gefangener und ebenso der Aufkäufer freigeborener Hungerleider darf nach Kap. 17, diesbezüglich in Abkehr von strengen Regeln wohl schon des Euricianus (s. LV 5, 4, 10-12: Antiquae) und in Anlehnung an die Interpretatio zu einer Novelle Valentinians III. von 451 im Breviar (INV 11 = 33 der vollständigen Sammlung), 20 % Gewinn einstreichen; eine dem Kapital weniger entgegenkommende Regelung hätte offenbar mehr Hungertote zur Folge gehabt.

268 Ausg.: K. Zeumer, MGH LS 1469-72. Dazu ders., NA 12 (1887) 387-99; ebenda 23 (1898) 465-67; Conrat 279-81; Brunner 1494-96 u. II 841; Buchner (0. Kap. 1 Fn. 179) 25 f.; G. Vismara, Fragmenta Gaudenziana = IRMAE I 2 b bb ß (Mailand 1968); u. Kaiser (0. Kap. 2 Fn. 62). Vgl. o. Kap. 2 Nr. 46a. 269 A. Schmidt, ZRGG 9 (1888) 226-37; Conrat 281; u. Brunner I 495 f. 270 Für Septimanien Zeumer, NA 23, 466, allerdings mit wesentlich späterem Ansatz; G. Vismara aaO. 45 tritt fiir das fränkische Südwestgallien ein. 271 CJ 5, 27, 5-7. Durch kaiserliches Reskript konnten die engen Voraussetzungen überwunden werden, was schon vor Justinian praktiziert wurde, s. den Schluss von CJ 5, 27,6 u. 7; s. a. Kaser 11 220 f. Vom CTh ist hierzu nur der Breviarauszug erhalten (s. 4, 6), wo sich zu diesem Gegenstand nichts findet; das Breviar hat offenbar nicht nur das von Zeno CJ 5, 27, 5 erwähnte Gesetz Konstantins übergangen. 272 Kaser 11 467 u. Fn. 18.

II. Das gotisch-burgundische Zeitalter

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Die zahlreichen, nicht geringfiigigen Neuerungen sprechen gegen eine Privatarbeit; nahe liegt vielmehr Rechtsfortbildung durch eine regionale Autorität mit besonderen Verbindungen zum Ostgotenreich, wozu die westliche Provence von 510 bis 537 gehörte, das bis 531 aber wohl auch in Südwestfrankreich größeren Einfluss hatte als in Spanien. 273 Wieder beeindruckt, bei aller Unbeholfenheit im Ausdruck, die Erneuerungskraft: neue Lösungen sind, frei von den alten Textautoritäten, mutig und mit Augenmaß erdacht.

17. Die Appendix m zum Breviar Zwei Handschriften des ungekürzten Breviars (0. Nr. 15), eine aus dem Kloster Couches (-les-Mines), wo sie der Mönch Wulfm unter dem Abt Adalfar im Auftrag des Bischofs Martin 11. von Autun im Jahr 800 fiir die Mönche seines Klosters hergestellt hat,274 die andere gleichfalls aus Gallien, 9. Jh. mit vervollständigtem Novellenteil, 275 enthalten276 am Schluss vor anderem eine Wiederholung von vier Reskripten des CG-Auszugs im Breviar mitsamt dort beigefiigten Interpretationen bzw. Entbehrlichkeitsvermerken. 277 Sie betreffen Erbteilung unter Geschwistern und formlosen Unterhaltskredit an einen Haussohn. Danach folgt, vor einem anderen Anhang mit breviarfremdem Material (Appendix I, o. Nr. 8) und einem Glossar, der Abschlussvermerk zum Breviar: Explicit fiber iuris feliciter. Es wird sich um eine Materialsammlung zur Beurteilung eines konkreten Rechtsfalls handeln, die, da sie sich eng ans Breviar hält, insbesondere dessen Kanon achtet, wohl noch in die westgotische Zeit in Südgallien, d. h. ins frühe 6. Jh. gehört. Die Texte sind in der vorgefundenen Reihenfolge und mit allem vorgefundenen Zubehör, also ganz unselbständig exzerpiert; die Herkunft der Reskripte ist am Anfang mit Werk, bei Text 1 und 3 mit Buchnummer, stets mit Titelrubrik und Titelnummer angegeben; die fehlende Buchnummer vor dem zweiten und vierten Reskript täuscht Kontinuität vor, die Buchzahl hat sich aber geändert.

Vgl. Zeumer, NA 23, 466 halb unten; u. Wolfram 247 u. 310. Montpellier, VB med. H 84, mit ausführlichen Herstellungsvermerken, s. Hänel L f. (Nr. 14); Mommsen LXXXI; CLA VI 793; u. Dolezalek I zu dieser Hs. 275 Rom, Vat. Ottob. 2225, u. dazu Hänel LI f. (Nr. 15); Mommsen LXXXI; Meyer XLI f.; u. Dolezalek II zu dieser Hs., aber mit irrigen Angaben, s. o. Kap. 2 bei Fn. 132. 276 Nicht dagegen (Orleans, BM 207, jetzt) Paris, BN n. acq. 1631, obwohl Hänel L u. 452 Fn. a des zweiten Absatzes a. E. das behauptet; zweifelnd schon Krüger, Collectio III 250. 277 Abgedruckt bei Hänel S. 452 f.; dazu Krüger, in: Collectio III 249 f.; ders., Gesch. 358; u. Gaudemet 16 f. (mit Irrungen). Es handelt sich um LRV CG 4, 2; 5, 1; 10, 1; u. 12, 2 Krügerscher Zählung (Collectio III 221-33), dagegen 11, 2 Hänelscher Zählung (so versehentlich auch Krüger, Collectio III 249 unten). 273

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Drittes Kapitel: Die gallischen Werke im Einzelnen

nI. Das fränkische Zeitalter 17a. Die Lex Salica

Noch weniger Erzeugnis römischer Provinzialjurisprudenz als Codex Euricianus, Lex Burgundionum und Fragmenta Gaudenziana ist das salfränkische Stammesrecht, die Lex Sa/ica, deren älteste Fassung gemeinhin unter Chlodwig in seinen letzten Regierungsjahren angesetzt wird, die aber einen vor- oder frühchlodwigschen Kern haben muss. 278 Hermann Nehlsen hat wahrscheinlich gemacht, dass sie nicht nur von der Kirche, sondern auch von der weltlichen provinzialrömischen Rechtspraxis beeinflusst wurde. So enthält Tit. 35, 8 im Gegensatz zur frühfränkischen uneingeschränkten Herrenhaftung fiir Unrechtstaten der Sklaven erste Ansätze in Richtung auf eine noxae deditio. 279 Ebenso scheint die Prügelstrafe fiir Diebstahl durch Sklaven in Tit. 12, 1 römisch beeinflusst. 28o Die mit Vermögens einziehung verbundene kapitale Bestrafung einer freien Frau, die sich mit einem eigenen Sklaven vereint, in dem wohl noch im 6. Jh. adkapitulierten Titel 98 geht offenbar auf die Antiqua Leovigilds (s. LV 3, 2, 2) und letztlich auf das Breviar (LRV IT 9, 6, 1) und wohl auch eine breviarfremde Novelle (NAnth 1) zuruck.281 Und auch der Einsatz der Folter bei Totschlag durch einen Sklaven im wohl unter Chlothar 11. um 620 umgearbeiteten Titel 40, 3 - 7 scheint romanische Rechtspraxis zu rezipieren. 282

278 Ausgaben: K. A. Eckhardt, MGH LS IV 1 u. 2 (1962 u. 69), kritisch dazu H. Nehlsen, ZRGG 104 (1987) 522-26; mit dt. Übers. Eckhardt, Germanenrechte. Text u. Übersetzungen I I u. II 1 (2. Aufl. Göttingen 1955 u. Weimar 1953); u. ders., Germanenrechte. Neue Folge I 1 u. 2 (sie) u. II 1 u. 2 (Göttingen 1954-57); engl. Übers. K. F. Drew, The laws of the Salian Franks (Philadelphia/USA 1991). Dazu bes. aus neuerer Zeit H. Nehlsen, Sklavenrecht zwischen Antike und Mittelalter (Göttingen 1972) 251357; R. Schmidt-Wiegand, Art. Lex Salica, HRG II (1978) 1949-62; dies., Stammesrecht u. Volkssprache (Weinheim 1991, von 1951-89); Siems 12-17 u. 62-74; F. Rexroth, Art. Franken § 25: Kulturgeschichtl. Aspekte, RGA 9 (1995) 447-61, hier 454-57; T. M. Charles-Edwards, The evolution of frankish written law, in: The Cambridge Ancient History XIV (Cambridge 2000) 271-78; u. wieder Schmidt-Wiegand, Art. Lex Sal., RGA 18 (2001) 326-32. 279 Nehlsen aaO. 290-302 u. 352 f. 280 Nehlsen aaO. 312-15 u. 353. 281 Nehlsen aaO. 308-11 u. 241-44. 282 Nehlsen aaO. 328-43 u. 353-55.

III. Das fränkische Zeitalter

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18. und 19. Die sog. Explanationes titulorum des Breviars

In vielen Breviarhandschriften fmden sich im einleitenden Titelverzeichnis Zusätze zu den einzelnen Rubriken, die vorgeben, deren Inhalt kurz zusammenzufassen (0. Kap. 2 Nr. 33 f.). Sie nennen das Tituli ... explanati oder Capitula ... explanata; man bezeichnet sie als Explanationes titulorum, um sie von den Rubriktexten selbst abzuheben. 283 Nie sind alle vorweg aufgezählten Titel in der Weise bereichert, aber die einzelnen Handschriften ergänzen einander weitgehend; erst gegen Ende des Gregorianus-Auszugs werden die Zusätze seltener. Zwei Typen lassen sich klar voneinander abgrenzen: ältere, knappe Inhaltsangaben, überliefert in älteren Handschriften meist des vollständigen Breviars; und jüngere, jene mitunter aufnehmende und erweiternde Angaben, überliefert in kürzenden Breviarhandschriften, auch jüngeren?84 Eingeleitet sind die Zusätze meist mit Hoc est; der folgende Text ist meist der Interpretation der ersten Konstitution des Titels entnommen, zuweilen einer andern; ganz selten sind Kombinationen aus mehreren Konstitutionen. Ursprünglich scheinen diese Zusätze im Breviar selbst gestanden zu haben und den einzelnen Konstitutionen oder auch Titeln beigeschrieben gewesen zu sein. 285 Den älteren Typ beurteilte Hänel sehr günstig, so dass er nicht ausschließen wollte, ihn noch den Westgoten zuzuschreiben, zumal da zwei dieser Zusätze mit Randsummen zu Titeln übereinstimmen, die sich schon in den ältesten Breviarhandschriften finden. 286 Das fUhrt aber nicht schon auf die westgotische Zeit zurück; Conrat bevorzugte aus sprachlichen, überlieferungstechnischen und inhaltlichen Gründen das 7./8. Jh.,287 schloss das späte 6. zumal für den ersten Typ aber nicht aus. Allerdings sprach er sich auch gegen allzu großen zeitlichen Abstand zwischen beiden Typen aus. Weitgehende sprachliche und inhaltliche Richtigkeit spricht wohl eher für früheren Ansatz. Zeumers Lokali283 Hg. Häne/ 1-15. Dazu Häne/ XXIII f.; Conrat 218-21; v. Ha/ban II 329 f.; Gaudemet 16; Siems 173, 196 u. 267. 284 Oben Kap. 2 Fnn. 115 f. Jüngere Hss. mit dem wortreicheren Typ: 10. Jh. Berlin, SB Sav. 1, s. Hänel LXVII f. (Nr. 34) u. Mommsen XCVI; Rom, Vat. reg. 1023, s. Häne/ LXI (Nr. 24) u. Mommsen C; u. Paris, BN 4414, s. Hänel LXVI (Nr. 32) u. Mommsen XCVIII f.; 10/11. Jh. Rom, Vat. reg. 1048, s. Häne/ LXXII (Nr. 39); u. 11. Jh. Mailand, BibI. Ambros. C. 276 info aus Avignon, s. Häne/ LXIV (Nr. 28). 285 Conrat 220. 286 Zu LRV CTh 5,5 findet sich in den meisten Hss. zur Rubrik De postliminio der Zusatz id est post captivitatem reversis mit den Worten des selteneren kurzen Titelverzeichnisses, z. T. allerdings dort regressis; und zu 9, 27 De abolitionibus der Zusatz abo/itio est oblivio obiecti criminis wie dort. Zum Titel 9, 14 Ad /egem Fabiam haben die meisten Epitomen, zumal auch die ältesten, den Zusatz hoc est qui fllios involant alienos wie im kurzen Titelverzeichnis. 287 Conrat 220 f.

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Drittes Kapitel: Die gallischen Werke im Einzelnen

sierung im südlichen Gallien, am ehesten Burgund, beruht auf nicht stichhaltigen Überlegungen zur falzidischen Quart;288 aber auch allgemeine Überlegungen wie Herkunft der Handschriften und Bedarf führen ins romanische, also das südliche und mittlere Gallien. Wenn man vorgibt, man umreiße kurz den Inhalt der Titel, es aber bei einzelnen Elementen derselben bewenden lässt, dann beeinträchtigt das die Orientierung. Allerdings hatte schon im Breviar der Inhalt eines Titels öfter nicht zu seiner Rubrik gepasst, zumal im Sentenzenauszug, etwa bei den Titeln I, 13 De iudicato und 5, 11 De contrahenda auctoritate. So bot die anspruchslose Texttreue immerhin ein wenig vom wirklichen Inhalt des Titels. Und die weite Verbreitung zumal der wortreicheren explanationes zeigt, wie willkommen das bescheidene Hilfsmittel war, um sich in der elfrnal mit dem ganzen Rechtssystem, wie unvollständig oder bruchstückhaft auch immer, und jedesmal anders einsetzenden Kompilation notdürftig zurechtzufinden.

20. und 21. Die Lyoner Parafrasen und die Lyoner Summen zum Breviar (sog. Epitome Lugdunensis) Die Lyoner Breviarhandschrift aus dem zweiten Viertel des 9. Jhs., am Anfang verstümmelt und mit vielen Lücken,289 enthält drei Apparate zum LegesTeil des Gesetzbuchs Alarichs,290 die Hänel ein und demselben Autor zuschrieb,291 Conrat und ihm folgend Gaudemet immerhin zweien,292 die aber drei verschiedene Autoren haben, wie alsbald zu zeigen ist. Zu Beginn der einzelnen Bücher des Theodosianus und der Novellen jedes Kaisers gibt es kurze inhaltsangaben grundsätzlich aller in diesem Buch bzw. NovellenbÜDdel enthaltenen Konstitutionen hintereinanderweg; beim Theodosianus sogar dann, wenn nur eine einzige Konstitution ins Breviar gelangt war wie bei Buch 7 und 14, allerdings nicht mehr bei der einzigen Novelle von Libius Severus. Zweitens sind in den einzelnen Titeln, die ja überwiegend nur eine einzige Konstitution enthalten, wenn sie auch bis zu 12 haben können, nach der Rubrik zunächst alle Kon288 Zeumer, ZRGG 9 (1888) 27, auf LRV Expl. GE 2, 6 u. PS 3, 10 gestützt. Aber weder bezeugen diese Stellen die spätantike Umdeutung der falzidischen Quart zweifelsfrei noch lässt sich die Umdeutung räumlich begrenzen, Kaser, RP II 515; BauerGerland 108 f.; u. Johlen 85 u. 118. Ablehnend auch Conrat 221 Fn. I. 289 Lyon, BM 375 (fiiiher 303). Zur Hs. o. Kap. 2 Fn. 111. 290 Ausgabe: HäneI95-313, nur die ungeraden Seiten, Spalte EPIT. LUGD. Vom JusTeil ist in der fragmentarischen Hs. nur noch die erste Hälfte der Paulussentenzen erhalten, doch werden die verlorenen Bestandteile des Jus-Teils ebenso wenig kommentiert gewesen sein. 291 Hänel XXIX Z. 8 f.: "idem homo". 292 Conrat 235-38; vorsichtig zustimmend Gaudemet 47 u. Fn. 203.

III. Das fränkische Zeitalter

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stitutionen hintereinander parafrasiert, und dann erst folgen die Texte, die Konstitutionen mit ihren Interpretationen. 293 Und drittens gibt es Randglossen mit zahlreichen Querverweisen auch zum Jus-Teil des Gesetzbuchs, ferner mit historischen und auch geografischen Mitteilungen. 294 Hier ist oft Isidor ausgeschrieben,m weshalb sie frühestens im späteren 7. Jh. anzusetzen, also später zu behandeln sind. Die Parafrasen dagegen machen keine Anleihen bei Isidor. Sie sind wesentlich älter. Nicht nur sind sie noch in korrektem Juristenlatein abgefasst,296 sondern auch inhaltlich treffen sie fast immer das Richtige und formulieren es eingängig mit etwas mehr Worten als der Grundtext. Das sind meist die Interpretationen, soweit es sie gab. Aber nicht nur in den Fällen, in denen sie fehlten, geht die Parafrase in Aufbau und W ortwahl von der Konstitution selbst aus, sondern bisweilen auch, wenn sie sehr wohl zur Verfügung stand. 297 Häufiger hat der Parafrast zunächst auf Worte und Ausdrücke der Konstitution und dann auch auf solche der Interpretatio zurückgegriffen, oder umgekehrt, oder nur einzelne Ausdrücke der Konstitution entnommen. 298 Jedenfalls begnügte er sich verhältnismäßig oft, etwa bei einem Zehntel der Texte nicht mit der allemal einfacheren Interpretatio, sondern griff auf die prunkvoller und konkreter, mit emotionaler Schärfe aufgeladene Formulierung der spätantiken Gesetzestexte zurück, jedoch ohne dem bis zur Miss- oder Unverständlichkeit nachzugeben. Er beherrschte seinen Grundtext, wenn dieser auch nicht immer deckungsgleich wiedergegeben ist. So werden verklagte Unmündige, die herangewachsen zu sein scheinen (quamvis adulti videantur), schlicht herangewachsene Mündel (pupilli etiam adulti),299 womit der Autor nur äußerlich Herangewachsene meint, die trotzdem das Mündigkeitsalter noch nicht erreicht haben; nur der verkürzende Ausdruck ist missverständlich. Sachlich weicht der Parafrast aber vom Breviar ab, wenn er aus dem gesetzlichen Erbrecht der Kirche nach

293 Hänel XXVIII u. Fn. 64; Gaudemet 47; unzutreffend Conrat 233: " ... dem Texte des Breviars sich eine ... Erläuterung zu den Konstitutionen anschliesst"; zutr. dagegen 238 Fn. 4. 294 Bei Hänel in den Fnn., aber unvollständig; weitere S. 461 f.; u. bei Conrat 236 f. 295 Z. B. die Glosse Repetundarum zu LRV CTh 9, 21 R., s. Isidor, Etym. 5, 26, 23. 296 Vgl. Hänel XXIX u. Fn. 66: zu CTh 4, 8, 2 maioritas; zu 5, 5, 2 captivatus; zu 9, 1,3 tenere i. S. v. ,dafilrhalten'; u. 9, 5, I devirginare. Dagegen steht componere i. S. v. ,vorschreiben' nicht in der Parafrase, sondern in der Summe zu CTh 10, Il. 297 Nämlich zu CTh 4, 4, 6; 9, 2, 3; 9, 11,2; 11,8,2; u. 11, 12, l. 298 Nämlich jedenfalls zu CTh 9, I, I; 9, 3, 2; 9,4, 2; 9, 4, 6; 9, 4, 7; 9, 6, I; 9, 11, I; 9,14, I; 9, 15,2; 9, 18, I; 11,6, I; 11,7, I; 11,9, I; 11, 11, I; 11, 11,2; 11, 14, I; 12, I, I; 16, I, I; NY 4; u. NY 8. 299 Zu LRV CTh 3, 17, l.

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Drittes Kapitel: Die gallischen Werke im Einzelnen

Klerikern ohne nahe Angehörige die bloße Möglichkeit macht, ihr das Vermögen zu übertragen: suas facultates conferre liberam habeant potestatem. 300 Freilich mag man zweifeln, ob hier wirklich ein Missverständnis waltete oder nicht vielmehr Zurückhaltung gegenüber kirchlichen Vermögensinteressen. Ebenso wenig scheint es zufällig zu sein, wenn zwar nur wenige Konstitutionen übergangen sind, nämlich ganze sieben von rund 255 möglichen/o l darunter aber die beiden auseinander liegenden Titel 8, 7: De ingratis !iberis mit Verwirkung der Emanzipation bei Verfehlungen gegen den Vater; und 9, 10: De emendatione propinquorum mit Züchtigungsrecht der älteren Verwandten gegenüber Heranwachsenden, die sich etwas haben zuschulden kommen lassen. Der Widerruf von Schenkungen an emanzipierte Kinder wegen Undank ist dagegen treu verzeichnet. 302 Im Appellationstitel ist beim exemplarischen Fall des Bischofs Chronopius aus dem Jahr 369 der Hauptpunkt übergangen, nämlich weswegen die multa verhängt wurde: weil vom geistlichen Gericht nicht an den weltlichen Richter appelliert werden durfte; nur dass nicht der Fiskus, sondern die Armenkasse den Bußbetrag erhält, ist festgehalten. 303 Ebenso ist in Buch 16 mit dem Kirchenrecht ausgerechnet der Text übergangen, worin Honorius 405 noch einmal bekräftigt hatte, dass gegen eine innerkirchliche Absetzung eines Bischofs mit anschließender Verbannung wegen Aufsässigkeit nicht einmal der Kaiser bzw. der Fürst angerufen werden kann. 304 Auch diese Ausfälle passierten schwerlich planlos. Übergangen ist wohl nicht zufällig auch, dass zum Christentum konvertierte Juden bei ihren ehemaligen Glaubensgenossen nicht missionieren dürfen. 305 Formal bilden die Parafrasen meist keinen Hauptsatz, sondern einen indirekten Aussagesatz mit ut oder auch quod und Konjunktiv; sinngemäß ist also vorweg zu ergänzen Haec lex dicit o. ä. Bei längeren Breviarstellen geht un300 Zu LRV CTh 5, 3, 1. Vgl. schon den Schluss der Interpretatio u. LRV Nov. Marci. 5, wo die Testierfreiheit für Nonnen usw. erweitert ist; u. Ed. Theod. 26 mit seltsam zwiespältiger Testierpflicht in bestimmter Richtung. 301 Nämlich soweit die Parafrasen überliefert sind, die Hs. oder ihre Vorlage nicht vielmehr Lücken aufweist. Darüber informiert geduldig Hänel in den Fnn. auch zum Grundtext, mitunter etwas umständlich. Mit Sicherheit übergangen sind somit nur LRV CTh 8, 7, 1; 9, 10, 1; 9, 27, 3; 12,2, 1 u. 2; 16, 1,4; u. 16,3, 1. Zu 12,2 s. a. Conrat 235 Fn. 2, doch ist hier ein Blattverlust zu beachten, Hänel 236 Fn. f a. E.; das verlorene Blatt kann aber, außer dem Breviartext von CTh 12, 1, 2 Schluss bis 12, 2, 2 Anfang, nicht auch noch Parafrasen zu CTh 12,2 enthalten haben, vgl. den Umfang des nach der Parafrase zu CTh 4, 18 ausgefallenen Blatts: der Breviartext von CTh 4, 18 u. 19, die Parafrase zu 4,19 und die Parafrasen zu 4, 20,1-5. 302 Zu LRV CTh 8, 6, 1 u. 3 u. 4. 303 Zu LRV CTh 11, 11,3. Umgekehrt die Epitome Aegidii. 304 LRV CTh 16, 1,4. 305 LRV CTh 16,3,1, nicht jedoch 16, 3, 2.

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serm Parafrasten die Geduld aus, und er verweist auf weitere Einzelheiten mit etc. oder auch et reliqua. 306 Beides verrät wohl eher den Rechtslehrer als den Praktiker. Die einzelnen Parafrasen sind meist numeriert, schon um sie dem richtigen Breviartext zuordnen zu können, der in der Lyoner Handschrift den titelweise hintereinander angeordneten Parafrasen ebenso titelweise folgt; enthielt ein Titel also mehrere Konstitutionen, dann folgten der Rubrik zunächst alle Parafrasen und dann die Konstitutionen mit Interpretatio. Ist eine Konstitution übergangen, dann wird weitergezählt; die folgenden Parafrasen sind also an sich zu niedrig numeriert. Über ganze Titel dagegen konnte in unserer Handschrift nicht hinweggezählt werden, da der Breviartext fortläuft. 307 Einmal folgt den (neun) Parafrasen nur erst des ersten Titels von Buch 12, bevor der Breviartext selbst einsetzt, in kleinerer, sorgloser Schrift ein voreilig wirkender Abschlussvermerk: Explicitus XII Breviatus (sc. liber) de Corpore legum In quo continentur Pariter Collecta Imperatorum Edicta XI.

Am Ende sind die beiden Konstitutionen des andem, des zweiten Titels des zwölften Buchs also mitgezählt. Der Parafrast, wenn er es denn selbst ist, nennt sein Werk Breviat. Ähnlich voreilig wirkende Abschlussvermerke, denen in unserer Handschrift ja jeweils noch der Breviartext selbst folgt, haben wir nach Abschluss der Parafrasen von Buch 16: EXPLICITUS CODEX THEODOSIANUS /N LIBRO XVI., am Schluss derjenigen zu den Novellen Valentinians III.: EXPLICITUS DIVUS VALENTINIANUS und zu denen Marcians: EXPLICITUS DIVUS MARTIANUS. Das deutet darauf hin, dass der Apparat einmal selbständig überliefert war. 308 Die zweite Besonderheit der Lyoner Breviarhandschrift sind die Buchanfange zu Beginn der 21 Bücher des Leges-Teils. Nicht erhalten sind freilich die Anfange von Buch 1 bis 3 des Theodosianus, bei Buch 9 nur der Schluss der Präliminarien, bei den Novellen von Theodosius IL und Valentinians III. gar nichts davon. Im übrigen aber geht es einigermaßen gleichmäßig zu. Es beginnt mit /NCIPIT LIBER xy. (Buch 4 und 15 f.) oder kürzer UBER xy. (5 u. 10 bis 12) oder noch kürzer LIB. xy. (Buch 6 bis 8), /NCIPIT XIII., INCIPIT LIB. XIV., INCIPIT DIVUS MARTIANUS bzw. MAIORANUS und INCIPIT DIVI SEVERI A. Dann ist die Anzahl der Titel und aller Konstitutionen des Buchs 306 ete.: zu LRV CTh 3,17,4; 3,18; 3,19,4; 4, 3; 4, 4,2; 4, 4,3; 4, 4, 6; 4, 4, 7; 4, 6, 2; 4, 8, 1; 4, 8, 2; 5, 1, 1; 8,5, 1; 8, 8, 1; NT 4; NY 10; Nov. Marci. 2-5; Nov. Sev.; et reliqua: zu LRV NT 3. 307 Missverständlich Hänels unterschiedliche Handhabung S. 161 Sp. 2 zu CTh 8, 7, wo hier auch die Rubrik wegzulassen gewesen wäre, und S. 185 Sp. 2 zu 9, 10, wo es dann geschehen ist. 308 Aufgrund ihres Stils urteilte schon Conrat 238: " ... doch wohl jene Erläuterungen (gemeint sind nur die Parafrasen) bestimmt waren, den Text des Breviars zu ersetzen."

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Drittes Kapitel: Die gallischen Werke im Einzelnen

angegeben, etwa: Habet aera et tit. XXI, leges XXXVIII (Buch 4); ab Buch 5 heißt es Continet ... Von Buch 8 an ist außerdem auf Interpr(etationes) hingewiesen, womit die Parafrasen gemeint sind; von Buch 12 an sind sie auch gezählt, bei den Novellen Majorians309 nicht mehr und bei der von Libius Severus fehlt auch der Hinweis interpr(etatio) selbst. Nunmehr folgen kurze Summen aller Konstitutionen des Buchs hintereinanderweg, bei umfangreicheren Büchern, nämlich dem 4., 5., 8., 10. und 11. willkürlich unterbrochen durch fortlaufende römische Ziffern, weniger als halb so viele wie die Zahl der Titel; sie fassen nicht einmal die Summen der Leges mehrerer ganzer Titel zusammen. Diese Summen nun sind zwar auch fast immer korrekt,3lO können aber nicht vom gleichen Autor wie die Parafrasen stammen, weil die wenigen Unstimmigkeiten nicht in beiden Apparaten gleichermaßen auftreten; vielmehr haben sieje ihre eigenen Unstimmigkeiten. 311 So ist in den Summen LRV CTh 4,8,3 übergangen, nicht dagegen in den Parafrasen; im Breviar enthielt dieses Buch 39 Konstitutionen, während am Kopf des Buchs in Übereinstimmung mit der Summe nur leges XXXVIII angegeben sind. Die Parafrase dagegen hat hier nichts übergangen, soweit sich das kontrollieren lässt. 312 Am Anfang des 5. Buchs finden sich vor der Summe zu LRV CTh 5, 1, 1 zwei zusätzliche Aussagen zum Gegenstand des Titels,313 wofür es weder im Breviar selbst noch in den Parafrasen Entsprechungen gibt; vermutlich wurden zwei breviarfremde CTh-Konstitutionen, die mit dem restlichen Buch 5 verschollen sind, einbezogen und summiert. Die erste Breviarkonstitution von Buch 5 über das gesetzliche Erbrecht der Mutter mit ius liberorum nach ihren Kindern ist fehlerhaft summiert: statt der Vaterbrüder sind, offenbar assoziiert durch die zweite zusätzliche Aussage, emanzipierte eigene Brüder genannt; dagegen ist sie richtig parafrasiert. 314 Die Zurücksetzung der Kirche bei ihrem gesetzlichen Erbrecht nach Klerikern ohne nahe Angehörige in der Parafrase kehrt in der Summe 309 Stets Maioranus genannt. Zu Buch 5 hat Hänel die Angabe S. 133 Sp. 2 in der ersten Fn. a gedruckt, oben irrig mit * angezeigt. 310 Einen Fehler zeigt Conrat 234 auf: zu LRV CTh. 10,2, 1. Bemerkenswert auch seine Beobachtungen in den Summen zu CTh 4, 4, 4 und 7 Fn. 3. 311 So kehren die soeben Fn. 310 erwähnten Fehler und Eigenheiten der Summe nicht in der Parafrase wieder. Dagegen kann ich entgegen Conrat signifikante Übereinstimmungen zwischen den Summen zu LRV CTh 11,2, 1 oder 11, 11, 1 und den Parafrasen dazu nicht erkennen; im letzten Fall nehmen beide Worte der Konstitution selbst, nicht nur der Interpretation auf. 312 Nach der Parafrase von LRV CTh 4, 18,2 fehlt in der Hs. ein BI., Hänel127 Sp. 2 Fn. b, nicht berücksichtigt S. 126 Fnn., dritte Fn. b; u. 128 Fn. b. 313 Hänel 133 Sp. 2 Mitte S. 1 u. 2 zur bonorum possessio libertinae und: Consanguineus frater vel adoptivus in toto matrem a successione mortui fratris exc/udunt. 314 Hänel133 Sp. 2 Mitte S. 3: tertiamfratres emancipati; u. 135 Sp. 2 unten: tertiam patrui debeant.

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nicht wieder. 315 Ebenso wenig übergeht sie die Verwirkung der Emanzipation bei Verfehlungen gegen den Vater,316 während sich infolge Blattverlust nicht mehr kontrollieren lässt, ob sie das Züchtigungsrecht der älteren Verwandten beibehalten hat. 317 Statt annona, ,Korn', wie in der Konstitution, unserer Summe und den Epitomen Guelferbitana, Aegidii und Scintilla sagt die Parafrase jrumentum,318 ,Weizen'; Interpretatio und Epitome monachi sagen triticum, auch ,Weizen'. Die Summe übergeht den ganzen dritten Titel des Kirchenrechts im Theodosianus, also auch die Konfiskation des Vermögens eines Christen, der zum Judentum übertritt;319 die Parafrase behält dies bei und übergeht nur den zum Christentum übergetretenen Juden, der seine ehemaligen Glaubensgenossen nicht behelligen sol1.320 Außerdem ist uns nach Abschluss des Theodosianus, vor den einzelnen Novellenbüchern und nach der Zwischenüberschrift INCIPIUNT NOVELLAE, eine kurze Geschichte der Gesetzgebung von Theodosius 11. und Alarich erhalten, die beim Übergang zur Gegenwart abbricht. Sie erinnert an die entsprechenden Berichte Isidors 321 und der Lex Baiuvariorum,322 ohne dass sich jedoch Abhängigkeit, in welcher Richtung auch immer, ausmachen ließe: 323 Theodosius imperator, maioris Theodosii nepos, cum religione sanctus turn pro statu reipublicae strenuissimus moderator, edicta constitutionesque retro se Romano imperio ab Constantino principum in corpore uno redegit, quod Theodosianum appellavit, si quidem sparsim bibliothecis imperatorum servabantur. Distinxit autem corpus idem sub titulis plurimis in libris XVI, quod postea Visigothorum rex Alaricus XXI. regni sui anno una cum pontificibus et sacerdotibus nobilibusque viris subtractis illis, quae minus utilia populis videbantur, in CLXXVIII titulis compendiavit, expositione superaddita singulis constitutionum capitulis. Hoc idem et in Theodosii ipsius Novellarum, Valentiniani, Martiani, Maiorani Severique imperatorum, quos Iustinianus imperator etiam in unum retraxit, studiosus fecit, interpretationibus subditis necessarie, quorum corpuscula pari modo sub titulis XXVIII libellisque V contraxit. Gaium etiam Paulumque longissimos manuales reddidit, quorum uni XVI, alteri sub quinis libris CX/V titulos dedit, nihilominus explanatione legibus consequente. Gregoriani, Herrnogeniani, Papiniani etiam ordinata non obmisit, de libris eorum XV titulos tanturn elucidatos codici suo necessarios iudicans. Nos vero nostri III

Hänel133 Sp. 2 halb unten bei Fn. i. Hänel153 Sp. 2 bei Fn. i. 317 Hänel 167 Sp. 2 Fn. *. 318 Zu LRV CTh 11, 1, 1, Hänel221 Sp. 2 Mitte; vg!. 219 Sp. 2 unten bei Fn. a. 319 LRV CTh 16,3,2, s. Hänel245 Sp. 2 halb unten. 320 Zu LRV CTh 16,3,1 findet sich nichts, s. Hänel251 Sp. 2. 321 Isidor, Etym. 5, 1,7. Vg!. unten S. 285. 322 LBai pro!. Dazu o. S. 76. 323 Abzulehnen Conrat 234; u. Gaudemet 48 u. Fn. 205, s. sofort. Im Folgenden ist kursiv gesetzt, was in der Hs. rot ist. 315

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Drittes Kapitel: Die gallischen Werke im Einzelnen

Bekannt waren dem Autor, wie S. 1 ergibt, der vollständige Codex Theodosianus oder jedenfalls das zweite der bei den im ersten Titel bewahrten Gesetze über die Arbeit am CTh,324 das er einem supplierten Breviarexemplar entnommen haben könnte; außerdem, wie den folgenden Sätzen zu entnehmen, ein Breviarexemplarmit dem Einruhrungsgesetz Alarichs, und zwar in einer Fassung, die das 21. Regierungsjahr als Jahr des Erlasses angab,325 worin zwei Theodosianus-Titel, drei Novellentitel, ein Gajustitel, drei Sentenzentitel und ein Gregorianus- oder Hermogenianus-Titel fehlten. 326 Schließlich hatte er vom Codex Justinianus eine Vorstellung und wusste, dass Gajus und die Sentenzen im Original wesentlich länger waren. Den Autor vom Autor der Präliminarien vor den einzelnen Büchern zu trennen, besteht kein Grund; beide verbindet eine buchhalterische Lust am Zählen. Der für die Lyoner Handschrift am Ende Verantwortliche hat das nur insofern komplettiert, als er die nachweislich von Buch 3 des Theodosianus an, vermutlich aber von Anfang an hinzugenommenen Parafrasen von Buch 8 an im Buchkopf zu erwähnen und von Buch 12 an auch zu zählen begann. Der Parafrast steht dem Breviar näher, das er vollständiger erfasst, als der Summant. Dieser jedenfalls war kein Gote, setzte er sich doch mit rotem Nos vero nostri von den Visigothi ab. Außerdem schrieb er erst, nachdem er vom Codex Justinianus gehört hatte. Beide Autoren gehören wohl, auch der Summant, noch ins 6. Jh. 327 Fragt man, wo die beiden Apparate entstanden sein mögen, so wird man sich erst einmal an den Standort der Handschrift halten. Aber dass diese in Lyon um 900 auch entstanden ist, ist nicht ausgemacht; und noch unsicherer ist die Herkunft ihrer Vorlagen. 328 Doch bleibt Lyon auch hier besonders wahrscheinlich.

324 CTh 1, 1, 6, nicht ins Breviar aufgenommen. Isidor, Etym. 5, 1, 7 lieferte das nicht, wie Conrat 234 Fn. 4 meint, sondern griff auf CTh I, 1, 5 zurück, s. unten Kap. 4 Nr. 8 bei Fnn. 71 f. Das supplierte Breviar der Mailänder Hs. enthielt allerdings nicht auch CTh 1, 1,6. 325 Vgl. oben Nr. 15 bei Fnn. 227 ff. 326 Hänels Ausgabe enthält nach meiner Zählung 180 CTh-Titel, 31 Novellentitel (zum letzten jedenfalls gab es keine Summe, Hänel 313 Sp. 2 oben), 17 Gajus-Titel, 117 Sentenzentitel (einer davon zweifelhaft), 13 Gregorianus- Titel, zwei HermogenianusTitel und einen Papiniantitel. 327 Vgl. kurz schon Flach (0. Kap. 2 Fn. 119) 83: "Tout porte a placer son travail au VI< ou au VII< siec1e.", Parafrast und Summant noch identifizierend. Die andem lassen sich von einer Frühdatierung abhalten, weil sie Einflüsse Isidors annehmen, zu Unrecht, s. soeben Fn. 324. 328 Hänel XXIX: "Lugduni potius quam in quavis alia civitate"; skeptisch demgegenüber Conrat 238 u. Fn. 6. Gaudemet 48: "L'origine lyonnaise est probable" mit Verweis aufbeide vorgenannten Autoren.

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22. Die Formelsammlung von Angers a) Ä·ußere Daten

Durch eine einzige, vollständig erhaltene Hanschrift des ausgehenden 8. Jhs. aus Angers, allenfalls Tours, heute in Fulda, ist uns die Fonnelsammlung von Angers (Formulae Andecavenses) erhalten, und zwar als Ergänzung eines ebenfalls nur hier überlieferten Breviarauszugs, der Breviarepitome der Fuldaer Handschrift mit vielen supplierten Novellen (BI. 1-133); außerdem enthält die Handschrift ein Stück aus Isidor (133-35).329 Die 65 Fonneln, gezählt von 1 bis 60 (manche Nummern enthalten zwei oder drei Fonneln), rullen BI. 136 bis 184, zwischen Fonnel Nr. 57 und 58 unterbrochen von einer knappen Chronologie bis zur Gegenwart auf BI. 180 bis 182. Dadurch lässt sich der Nachtrag, Fonn. 58--60, kurz nach dem dritten Regierungsjahr Theuderichs (11.) ansetzen, also 598 oder 599; der Hauptstock (1-57) konnte auf 580/81 datiert werden. 330 Entstehungsort der Fonnelsammlung selbst, die also etwa 200 Jahre älter als die sie überliefernde Handschrift ist, ist gleichfalls Angers, wie sich aus zahlreichen Nennungen dieser Stadt und keiner andern als Ausstellungs- oder Belegenheitsort ergibt.33\ Es handelt sich um nicht immer vollständig anonymisierte historische Vertragsurkunden aus der Praxis des Sammlers, ein örtlicher Notar. 332 b) Inhalt

Die Fonneln betreffen wichtige Rechtsgeschäfte aus allen Lebensbereichen: Käufe von Grundstücken (4; 21 u. 27), Sklaven (9), eines Findelkinds (49), Selbstverkäufe in die Sklaverei (2; 3; 17; 19 u. 25), Selbstverpfändung (18 u. 38), Tausch (8), Schenkungen an die Braut vor der Hochzeit (1c; 34; 40 u. 54), an die Ehefrau (35), den Enkel (36), den Sohn (37), den Erzieher (56) und ein 329

Oben Kap. 2 Nr. 30: Fulda, Hess. LB D 1. Heute maßgebende Ausgabe: K. Zeumer, MGH Form. (Hannover 1886, dieser Teil schon 1882) 1-25, vor S. 1 Foto von BI. 152 u. 166; Übersetzung der Formeln la-2, 4, 24, 27, 42 f, 47 u. 55 f: J. Pirson (Hg.), Merowing. u. Karoling. Formulare (Heide1berg 1913) 56-62. Zur Hs. Hänel LXXIIILXXV; Zeumer 1 f.; Mommsen C; Meyer XVIII-XXIV; W. Bergmann, AtD 24 (1978) 5-9; u. ders., Francia 9 (1981) 4-6 u. 16 f. Zum Inhalt bes. Conrat 294; E. Slijper, De formularum Andecavensium latinitate disputatio (Diss. phil. Amsterdam 1906), nach S. 132 Foto von BI. 136r u. 180r ; v. Halban III 64-72; C. v. Schwerin, AHDE 9 (1932) 177-89; W. Felgentraeger, Festschr. P. Koschaker (Weimar 1939) III 366-75; Bergmann 1978, 1-53, u. 1981,3-56; u. Siems 348 u. passim. 330 Bergmann aaO. 1978, 3 f; u. vor allem 1981, 7 - 15. 331 Nr. la; Ib; 4; lOb; lla; 12 - 16; 24 f.; 28; 31 f; 46 - 48; u. 50a - 53. 332 Bergmann 1978, 39-52; ders. 1981, 3 f; u. ders., in: Tradition u. Gegenwart Festschr. zum 175jähr. Bestehen eines badischen Notarstandes (Karlsruhe 1981) 23-35.

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Drittes Kapitel: Die gallischen Werke im Einzelnen

Kloster (46), Verpfründungsvertrag des Vaters mit dem Sohn (58), Testament (41), Erbteilung (55), Mandate (lb; 48; 51 u. 52), Darlehen (18; 22; 38 u. 60), Pacht (7), Verbindungen von Sklaven verschiedener Herren (45), einer Freien mit einem Sklaven (59), Freilassungen (20 u. 23), einverständliche Scheidung (57), zweizüngige Urteile (10a; lla; 24; 28-30; 47 u. 50a), Reinigungseide (lOb; Ilb; 15 u. 50b), Versäumnisurteile (12-14; 16) und Streitbeilegung (5; 6; 26; 39 u. 42-44). Die 24 Formeln für Prozessurkunden dokumentieren das geltende fränkische Prozessrecht. 333 Die restlichen 41 Formeln für materiellrechtliche Geschäfte dagegen sind im Bestreben aufgesetzt, der lex Romana zu genügen, womit konkret das Breviar gemeint ist, wenn auch wohl noch nicht gerade der Auszug, der in dieser Handschrift der Sammlung vorangestellt wurde. Fünfmal wird mehr oder minder ausdrücklich und stets nur allgemein auf das römische Recht Bezug genommen. So heißt es bei einer donatio ante nuptias (40 a. A.) qualiter te secundum lege Romana sponsata; bei einem Ehegattentestament mit Vorbehalt eines Viertels für die gesetzlichen Erben (41 g. E.): ut legem fuit decreata;334 eine Schenkung an ein Kloster wird mit der Bekräftigung eingeleitet (46): Lex Romana et antiqua consuetudo exposcit; eine donatio ante nuptias (54) beginnt: Quod bonum faustum sit. Lex jilicitatis adsatis adsentit et lex Romana edocit et consuetudo pagi consentit et principalis potestas non prohibet; ähnlich der Verpfandungsvertrag zwischen Vater und Sohn (58), dem genau genommen die an sich fortbestehende,335 auch im konkreten Fall anscheinend nicht aufgehobene patria potestas entgegensteht: Lex Romana etdocet, consuetudo pacem consentit et regalis potestas non proibit. In den letzten beiden Fällen werden außer dem römischen Recht örtliche Gewohnheit und königliche Duldung beschworen; im drittletzten der Schenkung an ein Kloster alte Gewohnheit. Nach fränkischrömischem Recht problematisch war auch die Ehegattenschenkung (35),336 wobei es immerhin um ein Haus mit zugehörigem Grundstück ging und nicht nur der Fall gemeint war, dass der Schenker vor dem Beschenkten stirbt, ebenso die vollzogene Schenkung eines Hauses durch den Großvater an den Enkel (36) und eines Erbpachtguts mit Zubehör durch die Eltern an den Sohn, der den Vater in den Kriegen gegen die Bretonen und die Basken 574 und 578 tapfer vertreten hatte (37). Auch hier werden zu Beginn 333 Damit könnte LRV INV 4, 1 a. E. gemeint sein. 334 Zur Gerichtsbarkeit J. Weitzel, Dinggenossenschaft u. Recht I (Köln 1985) 64651. Damit könnte LRV INV 4, 1 a. E. gemeint sein. 335 Die einschlägigen BreviarsteIlen systematisch zusammengestellt bei M. Conrat, Breviarium Alaricianum. Römisches Recht im fränksichen Reich (Leipzig 1908) 13442; zur Sache ferner Kaser II 202 f. mit allzu pauschalen Aussagen; genauer A. Arjava, JRS 88 (1998) 147-65; u. Johlen 21-28, beide allerdings nicht mehr zur fränkischen Zeit. In diesem Punkt unscharf Bergmann 1978 (0. Fn. 329) 19 f. 336 Conrat, Breviarium 330 f.; s. a. Kaser II 172 f.; u. Johlen 114-16.

III. Das fränkische Zeitalter

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lex und consuetudo longinquam berufen, aber nur ganz allgemein, um die Verfügungsfreiheit der Schenker einleitend zu bekräftigen. Der Verkauf eines Findelkinds in die Sklaverei (49) entspricht dem seit Konstantin geltenden, ins Breviar übernommenen und auch in seine Epitomen eingegangenen römischen Recht. 337

Problematisch aus heutiger Sicht ist die vereinbarte Vertragsstrafe einer Verdoppelung der Schuldsumme, wenn das Darlehen nicht zur vereinbarten Zeit zurückgezahlt wird (38 u. 60),338 im ersten Fall obendrein mit Nutzpfand ohne Anrechnung der Nutzungen auf die Schuld,339 und zwar Nutzpfand an der halben Person des Schuldners selbst; Zinsen dagegen kommen nicht vor, ebenso wenig in vier der fünf in andern Sammlungen überlieferten Darlehensformeln. 340 Das hat wohl die Kirche bewirkt; die Gläubiger behalfen sich mit Nutzungspfändern, die im Widerspruch zur römischen lex scripta nicht angerechnet wurden, notfalls, und das widersprach vollends dem römischen Recht, an der Person des Schuldners selbst.34 \ Vor diesem Hintergrund um so bedenklicher war die primitive, wo immer das Recht schwach ist anzutreffende Vertragsstrafe der Verdoppelung des geschuldeten Kapitals, wenn das Darlehen nicht rechtzeitig zurückgezahlt wurde. 342 Eine an sich rechtswidrige Regression zum Primitiven, inzwischen gewohnheitsrechtlich anerkannt, bedeutete der Selbstverkauf des zahlungsunfähigen Schuldners in (offenbar immerwährende) Sklaverei, die in den 65 Formularen 337 CTh 5, 9, 1; u. 5, 10, 1 von 331 u. 329 (Seeck, o. Kap. 2 Fn. 37, 65 datiert dieses Gesetz zehn oder neun Jahre vor, nicht zwingend); s. schon Fragm. Vat. 34. Dazu Simon (0. Fn. 16) 35-45. Beide CTh-Gesetze wurden ins Breviar aufgenommen (dort 5, 7, 1 u. 5,8, 1) mitsamt einer Interpretatio und gelangten inhaltlich unverändert in die Epitomen. Unabhängig davon war die Aussetzung Neugeborener jedenfalls in der Spätantike strafbar. Zum Ganzen s. etwa E. Volterra, Art. Esposizione dei nati, NNDI 6 (1960) 878 f.; M. Memmer, SZ 108 (1991) 21-93, bes. 55 ff.; u. Landau (0. Fn. 79) 41-44. Ungenau H. Grieser, Sklaverei im spätantiken u. frühmittelalterl. Gallien (Stuttgart 1997) 95 f. 338 Vgl. Form. Vis. 38; LV 2, 5, 8 (Reccesvinth), wonach auch Verdreifachung erlaubt ist, u. Form. Marc. II 25. Heute wäre zu erwägen, die Vertragsstrafe nach § 343 BGB herabzusetzen, was im römischen Recht nicht vorgesehen war, R. Knütel, Stipulatio poenae (Köln 1976) 184. Der Höchstzins von 12 % im Jahr galt auch im Breviar fort, s. Conrat, Breviarium 245 f. 339 Zur im Breviar fortgeltenden Anrechnungspflicht Conrat (0. Fn. 335) 239 f. Vgl. Kaser 1470 u. II 319. 340 Form. Vis. 38; Marc. II 25; Tur. 13 u. app. 1. All diese Formeln sehen Verdoppelung der Schuldsumme vor. Obendrein Verzinsung während der Laufzeit (33 1/3 %) sieht Form. Marc. II 26 vor; ebenso der Darlehensantrag des Bischofs von Verdun an den König nach Gregor, Hist. 3, 34. 34\ Außer Form. Andec. 38 auch 18. 342 Vg!. L. Mitteis, Reichsrecht und Volksrecht in den öst!. Provinzen d. röm. Kaiserreichs (Leipzig 1891) 511 f. 13 Liebs

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Drittes Kapitel: Die gallischen Werke im Einzelnen

fünfmal vorkommt, außerdem einmal in der Vorstufe einer Ausschließlichkeitsbindung und zweimal in der andem Vorstufe einer Selbstverpfandung, zusammen 343 also in mehr als einem Neuntel aller wichtigeren Geschäfte, die in Angers damals getätigt wurden. In Formel 2 und 3 verkauften sich Diebe, welche die ihnen auferlegte Buße nicht bezahlen konnten, während die schwereren Verbrecher solvent waren oder sonstwie davonkamen: bei Mord (12 u. 50a), Faustschlag auf offener Straße (6), Entführung wider Willen (26), Entführung einer Sklavin (44) und Viehdiebstahl (13 u. 24); ebenso ein unspezifizierter Dieb (42). Einmal (19) ist bittere Armut als Grund für den Selbstverkaufangegeben, ähnlich wie in den Formeln von Sens und in Karls d. Gr. Notitia Italica von 776 nach den Italienkriegen 774. 344 In den Formeln Markulfs vom Ende des 7. Jhs. ist allerdings auch einmal ein todeswürdiges Verbrechen des sich selbst Verkaufenden angegeben, weswegen er hingerichtet werden sollte, wovor ihn aber das Geld des Käufers bewahrt hat (II 28); ähnlich wohl, wenn auch nicht so schwer in der Arvemer Formelsammlung (5). In Nr. 32 der Formelsammlung von Cordoba aus dem frühen 7. Jh. wird der Selbstverkauf aus necessitas, wohl Überschuldung (aus Vertrag oder Delikt), oder miseria aliqua, bitterer Armut, mit einer Breviarstelle gerechtfertigt, die aber missverstanden ist. 345 Tacitus und germanenrechtliche Überlieferung seit dem 5. Jh. legen die Annahme nahe, Selbstverpfandung und Selbstverkauf seien altgermanisch/46 eine allzu spezifische Festlegung. Derart primitive Zustände von Rechtlichkeit 343 Selbstverkauf: 2 f., 17, 19, 25 (mit Frau und späteren Kindern: vel de heredis nostris erst in Z. 7); Ausschließlichkeitsbindung: 59; Verpfändung: 18 u. 38. Dazu D. Liebs, SZ 118 (2001) 295-98; u. sozialgeschichtlich kurz Grieser (0. Fn. 337) 94 f. 344 Notitia ltalica (MGH Cap. 1187 f.), Kap. 1, erklärt Selbstverkäufe schlechthin rur ungültig, Kap. 2-4 dagegen stellen bei Verkäufen unter Preis und Schenkungen auf die allgemeine Hungersnot ab; s. Siems 757-76. Sens: Cart. Senon. 3 u. 4. Ferner Arv. 5; Tur. 10 u. 43; Sal. Bign. 27. 345 LRV PS 2, 19, 1, nur die Einleitung zur statusmindernen Selbstverdingung; Epitome Aegidii und Guelferbitana übergehen die Beziehung zur locatio conductio operarum, nicht allerdings die Epitome monachi. Ein andrer Begründungsstrang war ein seit alters sanktionierter Betrug: Ein Freier lässt sich wissentlich als Sklave verkaufen pretii participandi causa. Dann verweigerte ihm der Prätor die vindicatio in libertatem, was Marcian, Modestin (und Florentin?) als Sklaverei deuteten, s. Kaser I 292 u. Fn. 46 (u. Inst. 1, 3 § 4, aus Florentin?). Konstantin erinnerte 323 daran (CTh 4, 8, 6 § 3 a. E.), erwähnt aber nicht mehr die Übervorteilungsabsicht, sondern begnügt sich mit klarem Wissen der Freiheit. Die Interpretatio verallgemeinert das weiter zu maiores si vendi acquiverint seientes se ingenui bzw. liberti, und diesen Text übernimmt das Breviar (IT 4,8,2 a. E.), ebenso die Epitomen Aegidii und monachi. Vgl. Levy, VR 281-83; u. Liebs (0. Fn. 343) 293. 346 So v. Halban III 67. Tacitus: Germania 24, 2; u. Annalen 4, 72, 2. Ferner: LB 12,3; Edictus Chilperici 8 Abs. 2 (MGH Cap. 110); LV 6, 4,2; 5, 6, 5; 9, 2, 9; LBai 1, 10 Abs. 1; 7, 5 Abs. 2; Leges Liutprandi 121 S. 4; 152; Decretum Vermeriense 6 (MGH Cap. 140); u. ö. Vgl. schon 3. MoselLeviticus 25, 39-43.

III. Das fränkische Zeitalter

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bilden sich in vielen Gemeinschaften; auch in heutigen Jugendbanden ist die Sanktion der Knechtung verbreitet, wenn jemand nicht bezahlen kann. Obereigentümer der meist nur in Erbpacht besessenen Grundstücke ist fast durchweg die Kirche, die das Land wie die spätrömischen Kaiser iure perpetuo ausgegeben haben wird;347 einmal ist es ein vir in luster (37: an einen Krieger), nie dagegen die politische Gemeinde. Viele römische Rechtseinrichtungen bestehen fort, soweit sie nicht das Machtgebaren des fränkischen Herrenvolks berührten. So führt die Stadt Angers das öffentliche Aktenbuch, die gesta municipalia fort, in das alle Grundstücksgeschäfte aufgenommen wurden: Käufe, Schenkungen, aber auch Verfügungen von Todes wegen. 348 Der defensor civitatis spielt nur noch bei Beurkundungen eine Rolle; ebenso der ehedem kaiserliche curator rei publicae. 349 Römischrechtlich korrekt ist zumal der Vertrag zwischen einer freien Frau und dem Ehepaar, dem der Sklave gehört, mit dem sie sich verbunden hat (59). Denn nach dem Claudianischen Senatsbeschluss (52 n. ehr.), dessen wesentlichen Inhalt eine ins Breviar aufgenommene Novelle Valentinians III. übernahm,350 wäre sie ohne Vertrag in Gefahr, selber mit ihren Kindern Sklavin der Eheleute zu werden.351 Anscheinend gab es solche Verträge seit alters, wenn wir auch erst aus fränkischer Zeit entsprechende Formeln haben. 352 Hier allerdings wird der Frau zudem das Errungenschaftsdrittel der Ehefrau vertraglich zugestanden, das auf fränkischen Rechtsvorstel347 Form. And. lc; 4; 7 f.; 21 f.; 25; 40; 54 u. 58; dazu H. Brunner, ZRGG 5 (1884) 69 - 83. Ohne Obereigentümer: 27 u. 34. 348 Die gesta municipalia begegnen Form. And. la; lc; u. 41. Ferner in Paris oder Meaux Form. Marc. 11 3; u. 37 f.; in Bourges Form. Bitur. 6; 15a; u. 15d; in Sens Cart. Senon. App. Ib-ld; in Clermont Form. Arv. Ib; u. 2b; in Tour Form. Tur. 2 f.; 17; 20; u. 23; u. auf der Reichenau Form. Aug. 13. Dazu F. Vercauteren, Etude sur les civitates de la Belgique Seconde (Brüssel 1934) 409-11; F. Staab, Untersuchungen zur Gesellschaft am Mittelrhein in der Karolingerzeit (Wiesbaden 1975) 137-53; P. C/assen, in: Recht u. Schrift im Mittelalter = Vorträge u. Forschungen 23 (Sigrnaringen 1977) 42-46; Bergmann (0. Fn. 329) 1978, 25-29 u. 34--37; ders., in: Tradition (0. Fn. 332), 22-35; u. Esders 171-73 u. 403 f. Einseitig zuspitzend Siems 355. 349 Defensor civitatis: Form. Andec. la; Desiderius v. Cahors, Epist. 2, 8 Inskription; Form. Marc. 11 37 f.; Tur. 2 f. u. 28; Senon. 39; Arv. 1b u. 2b; u. Bitur. 3; 6 f. u. 15c, s. Weitzel (0. Fn. 334) 648 f. Curator rei publicae: Andec. la; u. Visig. 25. S. E. Chenon, NRH 13 (1889) 525-37. 350 LRV NY 9 (= NY 31) § 6 mit Interpretatio (a. E.); ferner LRV IT 4, 8, 3 a. E. (ohne Anhalt im Grundtext). Andererseits sind CTh 4, 12; Gai 1,84 u. 91; u. PS 2, 21A im Breviar ausgespart, ersichtlich mit Absicht; CTh- und PS-Titel wurden indes außerhalb des Breviars tradiert. 351 Kaser II 130 f.; W. E. Voß, in: Röm. Recht in der europ. Tradition. Symposion 75. Gebtg. F. Wieacker (Ebelsbach 1985) 166 f.; u. Arjava (0. Fn. 250) 220-24. 352 Vgl. Form. Marc. 11 29; Cart. Sen. 6; Form. Sal. Bign. 11; Form. Sal. Merk. 31; Form. Sal. Lind. 20; u. LV Ant. 3, 2, 4 a. E.; u. dazu S. F. Wempie, Women in Frankish society (PhiladelphialUSA 1981) 71-73; u. Arjava aaO. 224 u. Fn. 117.

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Drittes Kapitel: Die gallischen Werke im Einzelnen

lungen beruht. 353 Das weiter vereinbarte ausschließliche Ankaufsrecht der Eheleute bzw. ihrer Erben fiir den Fall eines Selbstverkaufs der Frau und/oder der Kinder könnte schließlich Frucht fränkischrömischer KautelaIjurisprudenz zum neuen Vertragstyp des Selbstverkaufs sein: si quoque, ut se eis necessitas fuerit, ad servicio caput eorum inclinatur, non ei detur licencia nisi ad nos, ad heredis nostris propinquioris. 23. Die Formelsammlung von Cordoba Eine heute verschollene Handschrift aus Oviedo, frohes 12. Jh., von der eine vollständige Abschrift aus dem Jahr 1572 in Madrid existiert, enthielt Dokumente zur Geschichte Spaniens, darunter auf BI. 75-90 eine alte Formelsammlung, die sich klar datieren und lokalisieren lässt: nach Cordoba (s. Nr. 25) zwischen 616 und 620. 354 Allerdings war sie offenbar schon in der Handschrift von Oviedo unvollständig, fehlten Blätter am Anfang, am Schluss, zwischen Nr. 6 und 7, 10 und 11 sowie 34 und 35; außerdem gab es offenbar Versetzungen, Nr. 35 gehörte nämlich wohl zu 39 f. und 44 zu 38. Eine sachliche Ordnung ist erkennbar: Nr. 1 bis 6 betrifft Freilassungen, 7 bis 10 Zuwendungen an die Kirche, 11 bis 13 Verkäufe, 14 bis 20 Brautschenkungen, 21 bis 26 Verfügungen von Todes wegen (23 u. 24 Ehegattentestamente), 27 und 28 Tausch, 29 bis 31 sonstige Schenkungen, 32 Selbstverkauf, 33 Erbteilung, 34 Emanzipation, 36 und 37 Landleihe, 38 und 44 Darlehen, 35 Sühnevergleich wegen Raubes, 39 Protokoll eines Zeugeneids, 40 Protokoll eines Streits um eine Sache mit Urteil, 41--43 Prozessmandate, schließlich 45 und 46 Anträge von Mönchen, in ein Kloster aufgenommen zu werden. In Nr. 46 bricht der Text schon in den einleitenden Sätzen ab; von Nr. 1 ist nur noch das fiir den Fall des Vertragsbruchs vereinbarte Strafgedinge erhalten. Auch von Nr. 7, 11 und 35 fehlt der Anfang, zu erklären mit den genannten Blattverlusten der Vorlage. Dagegen ist, wenn Nr. 3 bis 5, 14 f., 19,21 f., 28 f., 32 und 42 f. mitten im Satz abbrechen, offenbar gemeint, dass man sich den Rest aus einem der vorstehenden parallelen Formulare ergänzen möge, wenn das auch mitunter (bei Nr. 21) durch Blattverlust nicht mehr möglich ist.

Bergmann 1978 (0. Fn. 329), 24 oben; vgl. Nr. 45. K. Zeumer, MGH Form. (Hannover 1886) 572-75, Vorwort zu seiner Ausgabe 575-95. Dazu ferner J. G. 0. Biedenweg, Commentatio ad formulas Visigothicas novissime repertas (Diss. jur. Berlin 1856); Conrat 266 f.; Brunner 577; v. Schwerin (0. Fn. 288); A. Garcia Gallo (0. Fn. 253) 244-46; ders., Historia dei derecho espafiol I (Madrid 1941) 365 f.; ders., AHDE 44 (1974) 343-464; u. P. Merea, Estudos de direito visigotico (Coimbra 1948). Neue Ausgabe: J. Gi!, Miscellanea Wisigotica (Sevilla 1972) 69114. 353

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111. Das fränkische Zeitalter

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Stilistisch sind die Formeln anspruchsvoll und ähneln darin mehr den ostgotischen Cassiodors und byzantinischen Rechtstexten als den fränkischen Formeln. Sie beginnen mit ausfiihrlicher Arenga, christlichen oder allgemein menschlichen Gemeinplätzen, z. B.: Incertum vitae tempus, quo mortali ducimur; nulli cognitus est dies, quia nec initium nascendi novimus, dum in hac vita venimus, nec finem scire possumus, dum a seculo presenti transimus. Haec res nos excitat, ut aliquem beneficium ante Deum invenire mereamur (2) als Geleitwort einer Freilassung. Das nächste Geleitwort zu einer anderen lautet (3): Cum humanis sensibus omnia, quae ex bona voluntate proveniunt, Dei arbitrio probantur infundi, id maxime divinae adhortationis esse dignoscitur, cum ad faborem libertatis animus provocatur. Das dritte (4): Fideliumfamulorum servitia immaculata mentis obedientia ministranda condigna merito libertatis beneficia consequuntur. Haec enim numquam sunt naefanda commertia, quandoquidem fideliter servientibus provocamur recompensare dignissima premia. In den beiden auch mit Anfang erhaltenen, kurzen Kaufformeln (12 und 13) steht das Geleitwort dem Recht näher als sonst; es betont, dass ein Kauf auch ohne Beurkundung verbindlich ist, ihn schriftlich festzuhalten aber sicherer: Distrahentium definitio, licet fidei vinculis adligetur, tamen solidius est, ut scripturae firmitas emittatur, ut nec distractoris per metas temporum quolibet ingenio dissimulando subripiat, quae tacendo firmaverat, nec partium comparantis uUa adversitas calumniantis eveniat. bzw. Licet "in contractibus empti et venditi, quae bona voluntate definiuntur, venditionis instrumenta superjIue requirantur",355 tamen ad securitatem comparatoris adiungitur, si definitio ipsa scripturae soliditate firmatur. Ähnlich beginnen die beiden Tauschformeln (27 f.). An das römische Recht wird überhaupt häufiger, oft mit großen Worten ohne Gehalt, z. T. aber auch sorgfältiger angeknüpft als bei den Franken, nicht selten andererseits an die Lex Visigothorum. Zehn der 18 mit Schluss erhaltenen Formeln haben zur Bekräftigung eine Stipulationsklausel, drei davon berufen sich außerdem und eine weitere Formel ohne Stipulationsklausel auf eine Aquilia oder Aquiliana lex, die alle schriftlichen Rechtsgeschäfte stärke (qui omnium scripturarum ... iugiter corroborat actos oder plenissimam tribuetladicere solet firmitatem );356 das geht auf die stipulatio Aquiliana zurück, vermengt mit Reminiszenzen an die lex Aquilia. Ähnlich formelhaft und gehaltlos ist die Berufung auf ex lege Papeam Popeam et ex legem Iuliam, quae de maritandis ordiWörtliches Zitat aus LRV IP 2, 18, 10. Stipulationsklausel: 1; 6; 7; 24; 33; 36; 37; 41; 44; u. 45. In 1,6 u. 7 mit Berufung auf eine /ex Aqui/ia(na), ferner ohne Stipulationsklausel in 20. Anknüpfungspunkt könnte CTh 2, 9, 2 gewesen sein, nicht ins Breviar aufgenommen, d. h. die Klausel hatte sich schon vor 506 eingebürgert. Vgl. D. Simon, Studien zur Praxis der Stipulationsklausel (München 1964) 37-40. 355

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Drittes Kapitel: Die gallischen Werke im Einzelnen

nibus lata est, auf legum solemnitas et Iulia decrevit autoritas oder kurz maritandis ordinibus bei Brautschenkungen;357 oder Kodizillarklauseln in testamentum genannten Verfiigungen von Todes wegen, die aber nur Einzelverfiigungen

enthalten und auch sonst nichts von römischen Testamenten haben. Lediglich zu Beginn, im Anschluss an eine Arenga, heißt es hanc voluntatis meae episto-

lam jieri elegi, quam ad ius praetorium et urbanum valere decerno. Quod si ad ius praetorium et urbanum supra valere non potuerit, ab intestato vice codicillorum aevo eam valere volo et iubeo bzw. testamentum meum condidi, scribendum dictavi; quem etiam testamentum meum volo ut valeat iure civili vel praetorio. Quod si iure civili vel praetorio valere distulerit, ad vicem codicillorum vel jideicommissum etiam ab intestato eum decerno valere. 358 Die Selbstverkaufsformel beginnt mit einer besonders ausruhrlichen Arenga zur Rechtfertigung des Geschäfts und zitiert dazu in einem etwas gequälten Gedankengang eine Paulussentenz aus dem Breviar: Licet sanctione legum sit constitutum,

tamen nullus pro sua voluntate suum statum deteriorat; sed quotiens prae legitimam quis suam portando personam necessitate vel miseria aliqua laborare videtur, sua causa constringitur de suum statum, qualem vult ferre iudicium, utrum meliorande an deteriorandi liberam habeat potestatem. 359 Die Emanzipationsformel (34) beginnt kurz: Prisca consuetudo et legum decreta sanxerunt. Auch einzelne Elemente sind ersichtlich der Lex Romana entliehen wie der Ausdruck donare sponsalitia largitate o. ä. fiir die Brautschenkung360 oder der Schwur nihil falsum dicere im Zeugeneid/61 vielleicht auch die Beiziehung

Vornehmer zur Eheschließung. 362

Gotische Rechtsvorstellungen schlagen durch, wenn bei der Brautschenkung von comparanda mercatio die Rede ist, was an Brautkauf erinnert,363 oder ein wenig späteres Gesetz zur Beschränkung des Brautpreises teilweise vorweggenommen scheint. 364 Auf eine konkrete Bestimmung des Codex Euricianus oder des Gesetzbuchs Leovigilds ist in der Arenga der ersten Tauschformel Bezug

357 In Nr. 14 noch wortreich, in 15 kürzer; nur noch angedeutet 18 u. 19. Dazu Biedenweg (0. Fn. 354) 37. 358 Nr. 21 u. 22. 359 Nr. 32 zitiert LRV PS 2, 19, 1, Vorbemerkung zum (statusmindernden) Arbeitsvertrag. Vgl. soeben Nr. 22 u. Fn. 345; u Liebs (0. Fn. 343) 298 f. 360 In Nr. 14 u. 17, vgl. LRV IT 3,5,2; s. a. Zeumer 582 Fn. 4 zu pro dignitate natalium in Nr. 19. 361 Nr. 39 Z. 20 Zeumer, vgl. LRV IT 11, 14,2. 362 Nr. 14 intercedentibus nobilibus atque bene natis viris te mihi in coniugium copularem; vgl. LRV IT 3, 7, 3 u. dazu Nehlsen-von Stryk 200 f. 363 Nr. 18 u. dazu Zeumer 582 Fn. 3. 364 Zu Nr. 20 S. 584 Z. 10-13 Zeumervgl. LV 3,1,5 v. 12. Jan. 645 u. dazu Zeumer, NA 24 (1899) 585 f.

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genommen;365 auf verlorene Vorgängerbestimmungen von Novellen Chindasvinds und Reccesvinds in den Formeln für einen Sühnevergleich, einen Zeugeneid und einen Herausgabeprozess. 366 Gotentum wird beschworen in Nr. 20, eine Brautschenkung; römisches Bürgertum in den Freilassungsformeln (Nr. 2.6). Die zunächst scharf getrennten Rechtsgemeinschaften beginnen aber zusarnrnenzuwachsen.

23a. Markulfs Formelsammlung Am Ende des 7. Jhs. stellte der etwa 70 Jahre alte Mönch Markulf auf Anordnung seines Bischofs Landerich wohl von Meaux, das rund 50 km östlich von Paris liegt, eine Sarnrnlung von 92 Formeln in zwei Büchern367 zusammen. 368 Seine Leistung beschreibt der Autor im Widmungsbrief an den Bischof wie folgt: ... quod apud maiores meos iuxta consuetudinem loci, quo degimus, didici vel ex sensu proprio cogitavi, ut potui, coacervare in unum curavi et capitulis prenotavi, ut facilius quod voluerit a querente in antea scripti reperiantur. Er hat die Formeln also, entsprechend den örtlichen Gewohnheiten, zum Teil von Älteren übernommen, d. h. an seinem Aufenhaltsort schon länger übliche

365 Nr. 27 auf LV 5, 4,1 Antiqua. 366 In Nr. 35, 39 u. 40 auf Vorgänger von LV 8, 1,5 u. 2, 1,25; vgl. die Zitierweise in LV 2, 3, 4 u. 6, 2, 5 mit der von Nr. 40. 367 Die Sammlung ist in fünf Hss. erhalten, alle 9. Jh.: frühes 9. Jh. Leiden, VB 114 (Mordek 502-07: Paris 4629 ist die Fortsetzung) wohl aus Bourges BI. 96-158 (also nicht nur mit Epitome Aegidii, sofort Nr. 29, sondern auch mit Lex Salica und Kapitularien); Paris, BN 4627 (Mordek 482-85) BI. 59v _125 r (mit Lex Salica und Formeln aus Sens); u. 9. Jh. Paris, BN 10756 Tl. 1 (allein). Eine um 760 erweiterte Fassung, endgültig in Flavigny bei Autun zusammengestellt, daher collectio F/aviniacensis genannt: 9. Jh. Paris, BN 2123 BI. 105 v -153 (mit Kanonistischem und Nichtjuristischem); u., eine jüngere Variante, 9. Jh. Kopenhagen, Königl. BibI., Fabric. 8° 84 (allein). Die praejacfo findet sich nur in den an zweiter und vierter Stelle genannten Hss., bei denen es in Paris 4627 Landerico heißt, in 2123 dagegen Aeglidulfo, die schlechtere Lesart, K. Zeumer, NA 6 (1881) 25 f.; u. 30 (1905) 716-19. 368 Ausgaben: K. Zeumer, MGH Form. 32-106 (1882); u. A. Uddho/m, Marculfi formularum libri duo (Uppsala 1962). Dazu Zeumer NA 6 (1881) 13-50; u. (nur zur letztgenannten Hs.) 14 (1889) 589-603; Conrat 295; Brunner 579 f.; v. Ha/ban III 84-87; A. Uddho/m, Formulae Marculfi - Etudes sur la langue et le style (Uppsala 1953); K. Neh/sen-von Stryk, HRG III (1984) 270-74 Art. Marculf (1979); dies., in: Akten des 26. Deutschen Rechtshistorikertages, hg. D. Simon (Frankfurt am Main 1987) 436-38; u. Siems 348, 354 u. 651 f.

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Drittes Kapitel: Die gallischen Werke im Einzelnen

Formeln verwandt;369 zum andern Teil hat er neue entworfen. Das ganze hat er zusammengestellt, für die einzelnen Stücke kurze Überschriften entworfen und daraus ein Inhaltsverzeichnis zur besseren Orientierung hergestellt, das den einzelnen Büchern vorgesetzt ist. Eine systematische Ordnung ist nicht erkennbar , wohl aber eine assoziative. Autor, Vorgesetzter,370 Ort und Zeit weisen also auf gentile fränkische Prägung hin; und das bestätigt der Inhalt, wenn auch auf römischrechtliche Wendungen nicht verzichtet ist, ein kleiner Tribut an die kirchliche Tradition. Das erste Buch freilich, bestehend aus 40 Formeln für Königsurkunden, ist frei davon; soweit sie überhaupt einem Recht zugeordnet werden können, folgen sie salfränkischem Recht. 37I Im zweiten Teil mit 52 Formeln für Privaturkunden aber fmdet sich in der Formel für eine Braut- oder Hochzeitsschenkug (15) in der einleitenden Arenga De disposandis maritandisque ordinibus, ein Anklang an die Lex Iulia de maritandis ordinibus. Im Sühnevertrag des Entführers zur Ehe wider Willen (16) erinnert der Entführer an die nach römischen Recht an sich verwirkte Todesstrafe: 372 unde vitae periculum incurrere debui, sed intervenientes sacerdotes vel bonis hominibus vitam obtenui. Im Ehegattentestament (17) wird gegen Anfang an die römischen Testamentseröffuungsvorschriften erinnert: ... ut ... regonitis segilis, inciso lino, ut Romani legis decrevit auctoritas. 373 Aber wer das las, hatte das Testament schon eröffuet. Beim Grundstückskauf(19) wird, wieder sinnloserweise, einleitend betont, dass Schriftform an sich nicht nötig wäre, allerdings nur, wenn sowohl bezahlt als auch die Kaufsache übergeben worden ist: Licet empti vindetique contractus sola precii adnumeratione et rei ipsius tradieione consistat ac tabolarum aliorumque documentorum ad hoc tantum interponantur instructio, ut jides rei facti et iuris raeio conprobetur,374 und eine Buße des Doppelten droht dem Verkäufer nicht nur bei Eviktion, sondern in erster Linie, wenn er selbst oder seine Erben den Kauf rückgängig zu machen versuchen:

369 Spitzfindig Siems 354, der Markulfmit aller Macht der Weltfremdheit überführen

will.

370 Nach ihren Namen zu urteilen, wenn das auch kein sicheres Indiz ist, N. D. Fustel de Coulanges, Revue de questions historiques 41 (1887) 12-16; L. Stouf!, De formulis secundum legern Romanam (Paris 1890) 101; E. Meyer-Marthaler, Röm. Recht in Rätien im frühen u. hohen Mittelalter (Zürich 1968) 10 f.; u. Scheibelreiter 1999 (0. Kap. 1 Fn. 138) 20 unten u. 551 Anm. 39. 371 v. Halban IIl85 u. Fnn. 1 f., 5 u. 7. 372 LRV CTh 9, 19, 1. 373 Hier nimmt Markulf LRV PS 4, 6, 1 auf. Gegen Ende (Zeumer S. 88 Z. 4 f. = Uddho/m Z. 83 - 85) variiert er eine z. B. bei Ulpian (15 Sab. D. 28, 4, 1 § 1) berichtete Klausel. Weitere romanistische Färbungen bei v. Halban III 85 f. 374 Die Regelung ist also enger als CE 286, ob. Nr. 14a Mitte.

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Si quis vero, quod futurum esse non credo, ego ipse aut aliquis de heredibus ve1 proheredibus meis seo qualibet persona contra hanc vindicionem venire timptaverit aut me male vindedisse convincerit, et a me vel ab heredibus meis defensatum non fuerit, tunc inferamus vobis heredibusque vestris dupla pecuniam, ... Am Schluss folgt eine Stipulationsklausel: stipulacione subnexa. Diese findet sich auch am Ende der umfangreichen Hospiz- oder Klosterstiftung (1), der Kirchenstiftung (3), der Schenkung an die Kirche (4), kleinen Schenkung an die Kirche (6), des Ehegattentestaments (7), der Schenkungen von Todes wegen (9 - 11), des Sklavenkaufs (22), des Landtausehs (23 f.), des Versprechens eines Sklavenhalters gegenüber der freien Ehefrau seines Sklaven, dass sie und ihre Nachkommenschaft frei bleiben (29), am Ende der Freilassung (32), der Grundstücksvergabe an einen Sklaven (36), der Landleihe von der Kirche (39) und der Freilassung eines königlichen Sklaven durch einen Verwalter (52). Vom spätrömischen Schenkungsrecht geprägt sind die beiden Musterprotokolle für die Registrierung von Schenkungen und letztwilligen Verfügungen zugunsten der Kirche vor defensor civitatis und curia (37 f.). Die Überschrift von Nr. 37 lautet: Gesta iuxta consuetudine Romanorum, qualiter donationes vel testamenta legentur. In der betreffenden Stadt, Meaux bei Paris oder, muss es danach noch römische Selbstverwaltung, zumindest in Resten, gegeben haben. Ähnlich lebendige Protokolle, wenn auch ohne die Betonung, dass dies der Brauch der Römer sei, haben wir in den Formelsammlungen von Angers, Tours, Bourges, Sens und Clermont Ferrand;375 wenn Markulf das hier eigens betont, bezeugt er doch wohl, dass er sich selber nicht zu den Römern rechnete. Dazu passt, dass er bei der Schenkung an ein Kloster (3) diese Registrierung ausdrücklich verschmäht. Und mehrmals ist auf die Lex Salica (0. Nr. 17a) als dem Recht des Schreibers und seiner Welt Bezug genommen, auch wenn er sich von einzelnen Bestimmungen wie dem Ausschluss der Frauen vom gesetzlichen Erbrecht bezüglich Grundstücken distanziert (11 12): 376 Diuturna, sed impia inter nos consuetudo tenetur, ut de terra peterna sorores cum fratribus porcionem non habeant. Sed ego perpendens hanc impietate, sicut mihi a Deo aequales donati estis filii, ita et a me sitis aequaliter diligendi et de res meas post meum discessum aequaliter gratuletis. Ideoque per hanc epistolam te, dulcissima filia mea, contra germanos tuos, filios meos illos, in omni hereditate mea aequalern et legitimam esse constituo heredem, ut tarn de alode paterna quam de ... Die Sammlung repräsentiert also salfränkisches Recht, das beim römischen terminologische (11 15 u. 17), im Verein mit der Kirche Gewalt entmutigende (11 16) und den rechtsgeschäftlichen Willen sichernde (Stipulationsklausel u. 11 37) Anleihen macht. Fränkisch-römisches Gemeinrecht ist das noch nicht. 375 Form. Andec. la; Turon. 3 u. add. 5; Bitur. 6 f.; Cart. Senon. 39 f. u. App. cart. Senon. lc; sowie Arvern. Ib u. 2b. Dazu P. Classen, Vorträge u. Forschungen 23 (1977) 43 f.; u. ob. Nr. 20 bei Fnn. 305 f. 376 Ferner MarkulfI 22 u. Lex Sal. 26 ; s.a. I 13 gegen Anfang u. Lex Sal. 46.

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Drittes Kapitel: Die gallischen Werke im Einzelnen

24. Die sog. Epitome Guelferbitana a) .A"ußere Daten

Eine seit 1690 in Wolfenbüttel, vorher im Kloster Weißenburg im Untereisass verwahrte Handschrift,377 niedergeschrieben zwischen etwa 755 und 770 von einem Agambert, nicht der um 800 in Tours bezeugte gleichnamige Mönch,378 und zwar in Nordfrankreich, Ostfrankreich oder Burgund,379 beginnt auf der Rückseite des ersten Blatts mit der ältesten erhaltenen Fassung (A) der Lex Salica. Vor dem Epilog ist der Vertrag zwischen den Chlodwigsöhnen Childebert I. und Chlothar I. eingeschoben und nach dem Epilog eine Königsliste angefügt, die bis zum letzten Merowinger Childerich III. reicht; er habe neun Jahre regiert, was zutrifft. 380 Auf Zeile 4 der Rückseite von BI. 37 endet das und beginnt eine Parodie des Schreibers auf nicht mehr verstandene Altertümlichkeiten der Lex Salica bis Zeile 20,381 die nicht bis zu Ende beschrieben ist. Vielmehr beginnt auf Z. 21 etwas ganz Neues, links flankiert von einem hübschen Vogel über alle restlichen vier Zeilen hinweg und mit dem Schwanz noch unter den Text hinabreichend, drei Zeilen lang in großen Buchstaben: INCIPIUNT TITULI LEGUM EX CORPORE THEUDOSIANI, doch folgt kein 377 Herzog August Bibliothek, Weißenb. 97 BI. 37v-87 r. Dazu Hänel LXXXLXXXII; A. Holder, Lex Salica mit der mallobergischen Glosse nach den Handschriften von Tours - Weißenburg - Wolfenbüttel und von Fulda - Augsburg - München (Leipzig 1879) 80-85; Conrat 231 f.; Mommsen eIl; eLA IX 1395; Gaudemet 44-46 u. 53 f.; Siems 194; u. Mordek 958-60. Nicht sehr ergiebig C. v. Schwerin, Die Epitome Guelferbytana zum Breviarium Alaricianum, in: Atti dei congr. intemaz. di dir. rom. Bologna I (Pavia 1934) 167-96. Der Verf. konzentriert sich auf die von Hänel nicht entzifferten Querverweise, geht auf die Sachfragen jedoch nicht ein. Seine Ergebnisse sind, soweit sie nicht Bekanntes wiederholen, vage oder kaum haltbar. 378 So aber noch Holder aaO. 81 f. Vorsichtiger Schwerin aaO. 171; u. Gaudemet 45; ablehnend H. Butzmann, Die Weissenburger Handschriften = Katalog der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel. Neue Reihe X (Frankfurt am Main 1964) 279. Agambert beging zahlreiche Ditto- und Haplografien oder trennte falsch; Beispiele fiir all das bei Holder 82. 379 Dafiir Lowe, eLA IX 1395. Für Nord- oder Ostfrankreich B. BischofJbei K. A. Eckhardt, Zur Entstehungszeit der Lex Salica, in: Festschr. zur Feier des zweihundertjährig. Bestehens d. Akad. d. Wiss. in Göttingen II phil.-hist. KI. (Berlin 1951) 9 f.; ähnlich fiir insulare Einflüsse P. E. Hübinger, ebenda 11; fiir südliche Einflüsse E. E. Stengel, ebenda 10. Unentschieden Mordek 958. Zur Datierung stimmen alle überein. 380 Nämlich vom Frühjahr 743 bis zur Jahreswende 751/52, als er geschoren und in ein Kloster eingewiesen wurde, wo er später starb. Dagegen sind die karolingischen Könige Pippin (751-68) und auch Karl der Große (ab 768) nicht genannt. 381 B. Bischof!, Paläographie d. röm. Altertums u. d. abendländ. Mittelalters (2. Aufl. Berlin 1986) 256; u. K. Kroeschell, Deutsche Rechtsgeschichte I (11. Aufl. Opladen 1999) 33 mit Abb. von BI. 37v •

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Titelverzeichnis, sondern ohne Absatz die erste Rubrik: DE CONSTlTUTIONE mit einem Haken über dem E, vielleicht für CONSTlTUTIONEBUS; und weiter PRINCIPUM; und in der letzten Zeile in Normalschrift der Text einer Summe der ersten Konstitutionen: l. Legem sine die et console non vale. 11 Legis (BI. 38T:) ignorare nulli permissum. usf. Es handelt sich um kurze bis sehr kurze Inhaltsangaben der Breviartexte, vollständig erhalten bis zum Papinianresponsum am Schluss. Nach den 16 Theodosianus-Büchern sind die fiinf Novellenbücher neu gezählt von 1 bis 5, sodann folgen die fiinf Sentenzenbücher und danach erst die Gajusepitome ohne Unterteilung in zwei Bücher, ebenso ohne Bucheinteilung der Gregorianus, dem ohne Zwischenüberschrift die zwei Stellen aus dem Hermogenianus und die eine aus Papinian folgen; diese Zwischenüberschriften sind jedoch, wie sich aus Verweisen auf sie ergibt, wahrscheinlich erst später weggefallen. 382 Die Titel sind wie in der Vorlage rubriziert, wenn auch mit kleinen Varianten; und gezählt, selbst wenn der Text des Titels übergangen ist. 383 Oft sind auch die einzelnen Konstitutionen bzw. Sentenzen gezählt, doch wurde hier, wenn ein Text übergangen wurde, die Nummer nicht freigelassen, sondern durchgezählt. 384 Die einzelne Summe auch zu einer Konstitution heißt im Text sententia. 385

382 Zu LRV CTh 2, 27 R. ist auf herrn tit. I verwiesen; und zu 3, l3 R. auf ex papiani, womit der (angebliche) Responsentext gemeint ist, wie sich aus dem Sachzusammenhang ergibt. 383 Zu LRV eTh 5, 12 gibt es keinen Text, doch ist die Rubrik trotzdem festgehalten und gezählt, danach endet das Buch; ebenso die Rubrik von 8, 4 ohne Text, um mit 8, 5 fortzufahren. Von 8, 7 fehlt auch die Rubrik, und doch geht es mit 8, 8 weiter. Ebenso fehlt sie von 9, 26 (Text zu 9, 26, I ist an den zu 9, 25 angehängt), und doch geht es mit dem 27. Titel weiter. Von NT I u. 2 sind nur die Rubriken ohne Text aufgenommen, ebenso von NY I; Nov. Marci. 2 (abgesehen von einem Querverweis); PS 2, 7; u. CG 2 (wieder abgesehen von einem Querverweis). Zählfehler oder Ausfälle nur der Nummerierung sind hier nicht berücksichtigt, da sich diese stets wieder einrenken, also auf schlechte Überlieferung zurückgehen werden. Für übergangene Texte dagegen gibt es stets Sachgrunde. 384 So zu LRV CTh 2, 33, wo Konst. 3 übergangen ist und die Bemerkung zu 4 als III gezählt ist; 9, I, wo 5 übergangen und zu 6 als V gezählt ist; 10,5, wo 3 übergangen ist und 4 u. 5 als III u. IIII gezählt sind; zu PS 2, 32, wo 3 bis 14 u. 17 bis 19 übergangen und 15, 16 u. 20 bis 27 als III, IIII u. V bis XII gezählt sind; zu PS 3, 9, wo 2 bis 75 übergangen sind und der Text zu 76 gar nicht mehr gezählt ist, ursprünglich aber wohl als II; zu PS 4, 5, wo 4 übergangen und zu 5 bis 10 IIII bis VIIII gezählt sind; zu PS 5, 2, wo 4 überganegn und zu 5 1111 gezählt ist; und zu PS 5, 11, wo 1 übergangen und zu 2 I gezählt ist. Umgekehrt sind zu manchen Grundtexten die Summen unterteilt und wird demgemäß höher gezählt: zu NT 5 gibt es zur einzigen Konstitution I u. II; zu NT 1 bekommt Konst. 2 die Summen II u. III; zu NY 12 mit einer ellenlangen, nicht gegliederten Interpretatio finden sich kürzere Summen von I bis XVIII, während die Konstitu-

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Drittes Kapitel: Die gallischen Werke im Einzelnen

Viele Summen bilden keine ganzen Hauptsätze, sondern nur einen Nebensatz mit ut oder ne oder gar nur Stichworte, die den Gegenstand allgemein umreißen. 386 Das Breviar, der Grundtext, ist als präsent vorgestellt, muss also ursprünglich mitüberliefert gewesen sein, ähnlich wie, wenn nicht noch deutlicher als bei der Epitome Aegidii, der Lex Romana Curiensis (sofort Nr. 29 f.), aber auch schon der Gajusepitome, und wie heute noch erhalten bei den verschiedenen Interpretationen, den Antiqua summaria und der Epitome Lugdunensis (oben Nm. 4, 10 bis 14 und 20 f.) und anders als bei den Epitomen monachi und Scintilla (unten Nm. 34 f.). Vor allen an dem Epitomen und nur vergleichbar mit den Lyoner Glossen (unten Nr. 27) zeichnet diese Epitome großer Reichtum an Querverweisen aus sowohl bei den Rubriken als auch bei den einzelnen Konstitutionensummen, Sentenzensummen usf. Sie gehen allerdings nicht über den Text des Breviars hinaus, weichen insofern also von den Epitomen Aegidii und Scintilla ab, die auch breviarfremdes Material hinzuziehen. Die Rechtschreibung ist oft achtlos, was aber auch an der Überlieferung liegen kann. Hänel hat deshalb wie bei der Lex Romana Curiensis keinen Lesetext hergestellt, sondern sich auf eine diplomatische Wiedergabe mitsamt der mannigfachen Abkürzungszeichen einschließlich aller reichlich gesetzten Punkte beschränkt; eine fachmännische Edition steht hier noch aus. Das Werk ist sicherlich älter als die Handschrift.

b) Inhalt Sachlich sind die Aussagen meist richtig; die kurzen Summen treffen meist das Wesentliche, von vereinzeltten Fehlern abgesehen wie dem, dass als Buße für furtum nec manifestum das Dreifache zuzüglich Sachrückgabe angegeben ist: Zu LRV PS 2, 32, 16 u. 17 (3 bis 14 sind übergangen) IIII. Furti minfesti pena quadrupli est et ipsius rei redibicio, nec manifesti tripli et ipsius rei redibicio. concepti quod supra. oblati que supra.

tion selbst in ein pr. und 20 §§ gegliedert war; und zu PS 2, 12 gibt es zur zweiten Sentenz die Summen IJ u. IJf, so dass zur achten Sentenz die Summe VIJIJ gehört. 385 Sichtbar nur zu NY 12, wo die erste der 18 Summen beginnt: 1. Sentencia prima; und im Schlussvermerk: EXP/icit /iber iuredicus ex diversorum sentenciis elucidatus. Auch die Epitome Aegidii (unten Nr. 29) spricht von sententiae, allerdings meint sie damit nur aus dem vollständigen Theodosianus hereingenommene Titelrubriken der Novellen Majorians, Hänel31 O. 386 Mitunter heißt es nur fdem quod supra, so zu LRV CTh 4,6,2; 9, 27, 2 (weshalb die Summe zu 9, 27, 3 als IJ gezählt ist), PS 3, 2, 2; 3, 10, 2; u. 4, 7, 4. Zum längeren Sentenzentitel De gradibus (4, 10) heißt es nur: Qui sint de propinquis proximo vel secundum gradu usque ad septimum.

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Im Breviar ist die Buße für furtum nec manifestum bekanntlich nicht genannt. Der Summant hat deshalb die fiir das weniger wichtige furtum conceptum und oblatum, die im Breviar verzeichnet sind, genommen, d. h. eine vernünftige Analogie gebildet, statt die Sache auf sich beruhen zu lassen, wie es die andern Epitomen tun; mit ihrer Bequemlichkeit machen sie nichts falsch, gehen aber auch an den Bedürfnissen der Rechtsuchenden vorbei. Nur als Entscheidung eines konkreten Falls, die freilich ebenso für ähnliche Fälle gelten soll, ist im Theodosianus und im Breviar das Verbot ausgedrückt, dass Bischöfe gegen ein Urteil ihrer Mitbischöfe, wodurch sie etwa ihr Amt verloren haben, nicht bei einem weltlichen Richter appellieren dürfen. 387 In den andern Epitomen wurde der Fall des Bischofs Chronopius meist beibehalten. Der Meister der W olfenbütteler Handschrift dagegen verkürzt die Aussage zu einem Grundsatz, der viel zu allgemein ausfällt: Zu LRV CTh 11, 11,3 III. Contra iustam sentenciam apellare non debere.

Ein Rechtsmittel einzulegen wäre, nähme man die Aussage beim Wort, überhaupt, ob nun ein kirchliches oder ein weltiches Gremium gesprochen hat, nur noch gegen ungerechte Urteile zulässig, eine autoritäre Einstellung. In der Praxis wird die Ungerechtigkeit des erstinstanzlichen Urteils, wenn es darum geht, ob eine Appellation nur erst zulässig ist, vorweg in den seltensten Fällen hinreichend feststehen; mit dieser Haltung kann das ganze Rechtsmittelwesen abgeschnürt werden. Dass Senatoren fiir Kredite höchstens 6 % Zinsen im Jahr nehmen dürfen, die Hälfte des allgemein gültigen Höchstzinssatzes, ist wie in den andern Epitomen mit Ausnahme der churrätischen, in deren Gebiet es anscheinend keine Senatoren mehr gab, beibehalten. Übergangen ist aber, ebenso wie in der Epitome Aegidii, die Milderung für minderjährige Senatoren. 388 Außerdem ist übergangen, dass ein aus Kriegsgefangenschaft Freigekaufter, der seinem Erlöser den gezahlten Betrag nicht erstatten kann, seine Schuld bei diesem abarbeiten darf und spätestens nach fiinf Jahren frei kommt. 389 Es ist zu befiirchten, dass er ohne diese Garantie vom guten Willen seines Freikäufers abhängig war, womöglich für immer dessen Sklave wurde. Denn auch zu den Paulussentenzen erscheinen die Freiheitsgarantien gegen Sklaverei aus Not abgeschwächt. Das Breviar sagte: CTh 11,36,20 = LRV CTh 11, 11,3. Zu LRV CTh 2, 33, 3 findet sich nichts. Das kann nicht bloß auf einem Ausfall der Überlieferung beruhen, weil es zu 2, 33, 4, dem Zinsgesetz selbst, heißt: III SENATORES (dies in roter Schrift) usuram medietatem ... 389 Auch zu LRV CTh 5, 5, 2 findet sich nichts, hier ohne Bestätigung durch die Zählung der Summen, da es sich um die letzte des Titels handelt. 387 388

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LRV PS 2, 19: De locato et conducto, 1: Homo liber, qui statum suum in potestate habet, et peiorare eum et meliorem facere potest; atque ideo operas suas diurnas nocturnasque locat.

Der Autor der Wolfenbütteler Handschrift machte daraus: Homo liber statum suum in potestatem, et meliorandi, et deteriorandi.

Der Bezug zur locatio conductio operarum, dem römischen Dienstvertrag mit leichter Statusverschlechterung, ist aufgegeben, woraus abgeleitet werden konnte, dass man seinen Status unbegrenzt verschlechtern, sich auch für immer zum Sklaven geben kann. In die selbe Richtung weist die Aufnahme einer a,ndem Sentenzenstelle, die im Breviar lautet: LRV PS 5, I: De liberali causa, I Qui contemplatione extremae necessitatis aut alimentorum gratia filios suos vendicerint, statui ingenuitatis eorum non praeiudicant; homo enim liber nullo pretio aestirnatur. lidern nec pignori ab his aut fiduciae dari possunt. Ex quo facto sciens creditor deportatur. Operae tarnen eorum locari possunt

Unser Freund gibt das so wieder: Si qui per necessitatem filius suus vindederint, ingenuitati quidem non inpetit emptor nec pignori, nec fiducia dare potest. Si fecerit, exilio deportandum.

Wieder ist die Möglichkeit eines bloßen Dienstvertrags mit seiner auch zeitlich begrenzten Wirkung übergangen und sieht es so aus, als könne man seine Kinder für immer verkaufen und dürfe lediglich der Käufer sie nur nicht verpfanden oder zur Sicherung übereignen, als sei damit der Freiheitsgarantie hinreichend Genüge getan. 390 Nach den Sentenzen und dem Breviar machte sich jeder Gläubiger strafbar, der selber zum Kauf nahm, um des Kaufpreises willen verkaufen ließ, zum Pfand nahm oder zur Sicherung sich übereignen ließ. Freilich hatte das vielschichtige Breviar noch zwei weitere Sitze für den Notverkauf des Hausvaters, nämlich im Leges-Teil erstens im Theodosianus-Auszug, wo im Kaufrecht der CTh-Titel De patribus. qui filios distraxerunt mit einer Konstitution von Theodosius I. aus dem Jahr 391 übernommen ist. Danach muss der Kinderkäufer nur das Kind zurückgeben, ohne den gezahlten Kaufpreis erstattet zu bekommen, indessen erst, nachdem es eine Zeit lang - drei bis vier Jahre, wohl auch fünf - gedient hat. 391 Die Epitome Aegidii sollte daraus longum tempus machen, die Lex Romana Curiensis ein legitim um tempus servitutis. 392 Unser Meister nimmt mit impleto servicio die Auskunft der Interpretatio auf: si servitio suo satisfecerit, und verweist auf die beiden Parallelstellen. Der andere 390 So ähnlich in der Tat die rätische Epitome (sog. Lex Romana Curiensis) zu der Stelle, s. sofort Nr. 30, kurz schon Liebs (0. Fn. 343) 301 u. Fn. 81. 391 CTh 3, 3,1 u. dazu Liebs, SZ 118,291 f. 392 Ep. Aeg. zu LRV CTh 3, 3 u. LRC 3, 3. Dazu Liebs (0. Fn. 343) 292 u. 300.

III. Das fränkische Zeitalter

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weitere Sitz ist im Novellenauszug, wo der 33. Titel der Novellen Valentinians III. mit einem Notstandsgesetz desselben als 11. Titel aufgenommen ist, das eine für das Kind noch ungünstigere Regelung enthält: Nur gegen Erstattung von 120 % des Kaufpreises kommt das Kind wieder frei. Und nur wenn der Käufer auch das vereitelt und das Kind an den Feind weiterverkauft oder nach Übersee schafft, muss er die bescheidene Buße von einem halben Pfund Gold dem Fiskus entrichten. 393 Eine Harrnonisierung dieser drei verschiedenen Rechtsschichten haben weder die verschiedenen Interpretationen noch auch nur eine der veröffentlichten Epitomen versucht, auch die W olfenbütteler nicht. Sie knüpft zunächst an die letzten Worte der Rubrik an, die gelautet hatte: De parentibus, qui filios suos per necessitatem distraxerunt, et ne ingenui barbaris venumdentur neque ad transmarina ducantur Die Epitome sagt zu der wortreichen Novelle mit kurzer Interpretatio nur: Sed qui presumserint, VI uncias aureis se darnnandus. tl (ihr Kürzel für Stellen aus dem Theodosianus) III tit 1II. Sie hebt also nur noch einmal die kleine Geldstrafe bei allzu geldgierigem Verhalten des Kinderkäufers hervor und verweist außerdem wenigstens auf die Theodosianus-Stelle, wo der Leser dann weiter auf die Sentenzenstelle hingewiesen wurde. Immerhin hält sie also die drei verschiedenen Aussagen nebeneinander. Das quinquevirale iudicium, ein Pairsgericht für Anklagen gegen römische Senatoren, war ins Breviar eingegangen,394 allerdings mit einer Interpretatio, die seine persönliche Zuständigkeit verallgemeinerte (Cum ... aliquis audiendus est), die Besetzung auf nobiles viri umstellte und lediglich Zahl der Richter und Bestimmung durch das Los beibehielt. Während die Lex Romana Curiensis auch diese Bestimmung ganz übergeht, halten die Epitomen Aegidii, monachi und Scintilla an der Umdeutung durch die Interpretatio fest. In der Wolfenbütteler dagegen heißt es, wie oft zunächst nach Art einer Überschrift: XII. Senatoris accusati a quibus iudicibus audiatur. Id est quinque nubilissimis viris et de reliquis rnilitibus sortibus electis. Atavistisch wird die persönliche Zuständigkeit wieder auf Senatoren beschränkt, die es also anscheinend noch gab: Nachkommen der alten senatorischen Häuser. 395 Dementsprechend wird der Adel der Richter gesteigert: nobi393 LRV NY 11 u. dazu Liebs, SZ 118,292 f. 394 LRV CTh 2, 1, 12 = CTh 2, 1, 12. Im CTh selbst ist außerdem ein anderer Teil dieses Gesetzes erhalten, CTh I, 6, 11; ferner das dieses Gericht einführende Gesetz Gratians, CTh 9, 1, 13. Zu allen A. Flach, SZ 113 (1996) 368-76. Vgl. unten Nr. 29 bei Fn.531.

395 Vgl. oben Fn. 346 u. allgemein Stroheker 106-137.

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Drittes Kapitel: Die gallischen Werke im Einzelnen

lissimi viri. Andererseits werden diesen, offenbar Romanen, reliqui milUes zur Seite gestellt, im Zweifel Franken. Das ist schwerlich ein bloßes Missverständnis. 396 Komplexe Regeln freilich sind mitunter vereinfacht. Bei Verlöbnisbruch hatte Konstantin eingeführt,397 dass der Teil, welcher das Verlöbnis gebrochen hat, etwaige Geschenke verliert, d. h. solche, die er schon übergeben hat, nicht zurückfordern kann bzw., wenn er das schon förmlich vollzogene Geschenk noch nicht übergeben hat, es herausgeben und, wie die Interpretatio betont, auch übereignen muss. Dazu sagt die Epitome: II. Post sponsalicia celebrata si vir spunsam aut sponsam virum contemnat, res solernniter traditas ad spunse dominium, que(m) accepere noluit, transferendum; simili modo et de viris formassit. . Die Konzentration auf den Fall des, vielleicht sogar trotz Übergabe, noch nicht übereigneten Geschenks, der in Konstitution und Interpretatio nur beiläufig einbezogen ist, verschiebt die Gewichte. Andererseits ist im Schlusssatz die umgekehrte Konstellation berücksichtigt, die in der Interpretatio übergangen ist und der Konstitution selbst entnommen werden musste. Als sinnvolle Anpassung an neue Verhältnisse ist es zu werten, wenn aus der Nebenstrafe einer zweijährigen Verweisung aus der Provinz, in welcher jemand seine Amtsgewalt zur Erzwingung einer Ehe missbraucht hat, ein grobes exilio deportando wird/ 98 da es offenbar keine Provinzen mehr gibt; wenn die Sentenzen zur lex Rhodia de iactu wohl mangels Zugang zum Meer übergangen sind, während die Rubrik noch mitgeführt wird,399 wenn auch verderbt: Ad legem Teodiam de nauticis, was erst späterer Überlieferungsfehler sein wird; wenn die Haftung des Gesellschafters auffraus beschränkt ist; oder wenn der betrogene Ehemann, der sich von seiner beim Ehebruch ertappten Frau nicht scheidet, nur infamis wird,4OO statt als Zuhälter bestraft zu werden. Epitome Aegidii und Lex Romana Curiensis übergehen diese Bestimmung ganz, während die Epitome monachi sie wörtlich wiederholt. Juden sollen im Ghetto leben: intra suis regionibus vivant. 401 Germanistisches Rechtsdenken ist mir nicht begegnet; der Ausdruck conposicio für Diebstahlsbuße402 kann dafür schwerlich herhalten. 403 Auch sind keine 396 So aber Conrat 231 Fn. 11. 397 CTh 3, 5, 2, im Breviar mit derselben Hausnununer. CTh 3, 5, 13 = LRV CTh 3, 5, 8 verzichtet bei Verlobungsgeschenken auf das Erfordernis der Übergabe. 398 Zu LRV CTh 3, 11. Sachdienlich ist auch der Querverweis aufLRV CTh 3,6. 399 LRV PS 2, 7; s. schon Schwerin (0. Fn. 377) 173 unten. 400 Zu LRV PS 2, 27, 2. Haftung des Gesellschafters: 2, 16. 401 Zu LRV IT 2,1, 10. 402 Zu LRV PS 2, 32, 21 (gezählt als VI) und 24 (gezählt als VIIII).

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Akzentverschiebungen in den für die Kirche relevanten Texten zu bemerken, mit Ausnahme nur der erwähnten Einebnung des Verbots, in innerkirchlichen Sachen an die staatlichen Gerichte zu appellieren, zu einem Appellationsverbot gegen gerechte Ersturteile. Im Vergleich zu den andem Epitomen ist die W olfenbütteler ihrer Vorlage, dem Breviar, und seiner Struktur bemerkenswert treu, weicht insbesondere nicht von ihrer Titelfolge ab, fasst nur selten mehrere Stellen zusammen oder stellt sie um;404 vor allem bezieht sie noch viele Stellen ein, die in den andern Epitomen und zahlreichen Breviarhandschriften schon übergangen sind. 40S Nur ganz sparsam berücksichtigt sie ins Breviar nicht aufgenommenes Material: nach Mommsen CTh 3, 12, 1 und jedenfalls 16,9,4 (als 16,4,2) mit Todesstrafe für Juden, die nichtjüdische Sklaven erwerben und zu Proselyten machen, und 16, 11,3, ein abschließendes Bekenntnis zum Katholizismus. Dies und die im Ganzen gute juristische Qualität und der große Reichtum an Querverweisen, in einem vielschichtigen Werk wie dem Breviar sachlich geboten und doch sonst kaum geleistet,406 legen einen früheren Ansatz nahe, wohl noch das 6., aber nicht später als das frühe 7. Jh. Außerdem deutet das darauf hin, dass der Text ursprünglich zum Rechtsunterricht an Hand des Breviars gedient haben wird, über das er nie hinausgeht. Als Ort, wo diese Summen entstanden sein mögen, kommt wieder Burgund und dann am ehesten wieder Lyon in Betracht, wenn auch nur aufgrund ganz allgemeiner Überlegungen.

25. Älterer Glossenapparat zum Breviar Zwei Handschriften allein mit dem gekürzten Breviar aus Nordfrankreich, geschrieben 832407 und wohl im ausgehenden 9. Jh.,408 enthalten ein und den403 So freilich Conrat 232 Fn. 1. Den Ausdruck gebrauchen jedoch i. S. v. 'gütlicher Vergleich über ein schweres Delikt' schon die um 300 anzusetzenden Sentenzen selbst (1,6b, la = D. 48, 16,6 pr.), die IG (1), späteres 5. Jh., und Justinian (CJ I, 2, 22 § I). 404 Nachweise im Einzelnen bei Hänel XXVIII u. Fnn. 62 f. 405 Hänel XIX u. Fnn. 88 f., * u. **; sowie XXVIIIn. Fn. 60. Es geht vor allem um die strengen Inzestgesetze des Konstantius LRV CTh 3, 12, 1 (Mommsen zu CTh 3, 12, 1: dem Breviar erst später eingefiigt) u. 2, während PS 5, 4, 15 in Fn. 60 zu Unrecht angefiihrt ist; auf S. 419 gehört die Wolfenbütteler Epitome XV nämlich eine Stelle weiter nach unten. 406 Nur in den Randglossen zu Teilen der Lyoner Handschrift, s. sofort Nr. 27. Erst Max Conrat lieferte eine regelrechte Synopse: Breviarium Alaricianum, Römisches Recht im Fränkischen Reich in systematischer Darstellung (Leipzig 1903). 407 Paris, BN 4413. Dazu oben Kap. 2 Nr. 35 u. Fn. 119. 408 Paris, BN 9652 nebst 4406 BI. 60-67 (die 13. Lage jener Hs.), s. o. Kap. 2 Nr. 35 u. Fn. 120. Hänel462 f. u. Flach (0. Kap. 2 Fn. 119) 157-66 hatten bei ihrer Auswahl einzelner Glossen diese Hs. nicht berücksichtigt. Das holte Conrat 240-50 nach, wo 14 Uebs

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Drittes Kapitel: Die gallischen Werke im Einzelnen

selben reichen Glossenapparat zum ganzen Breviar, zwischen den Zeilen und am Rande angebracht. Conrat unterschied sechs Arten der Glossen: erstens, die große Masse, knappe Worterklärungen zum leichteren Verständnis des Texts für unerfahrene Leser, zwischen den Zeilen angebracht;409 zweitens, sehr selten und meist am Rande, ergänzende Hinweise;410 drittens, ebenso, Umschreibungen und Zusarnmenfassungen;411 viertens, wiederum ebenso, kurze BegIiindungen bzw. Merksätze;412 fünftens Auslegungen längerer Wortfolgen, gleichfalls meist am Rande;413 und sechstens Definitionen und Etymologien. 414 Einmal ist das Gesetz Mose angeftihrt. 415 Stillschweigend ist hin und wieder Isidor verwertet. 416 Das spricht wohl für einen zeitlichen Ansatz um die Mitte des 7. Jhs., bevor er in Gallien in Schwang kam. Germanischrechtliche Vorstellungen schlagen öfter durch. 417 Rechtliches Verständnis zeigt der Glossator, wohl ein einziger Autor, vielleicht auch mehrere,418 bei den Arten zwei bis fünf. So ist der Erbteilungsvertrag als Beispiel für eine pactio i. S. v. LRV IT 2, 9 gut gewählt. 419 Neigung zum Konkreten und Entfernung von der abstrakten Begrifflichkeit des Grundtexts zeigt sich, wenn zu einer Bestimmung über die Grenzen fürstlicher Unterbrechungen von Prozessen nur eine accusatio wegen eines malum in Betracht gezogen wird, das der Täter emendare kann;420 oder wenn apud quos gesta conficiuntur konkretisiert wird als in quorum presencia debent testamenta

viele weitere Stücke aus diesem Apparat gedruckt sind und er systematisch erfasst ist;

Flachs Datierung jener Hs. ist S. 630, Nachtrag zu S. 241, festgehalten. Unbefriedigend

dazu v. Halban 11 330-32, der Conrat z. T. missversteht: die Interpretationen gehören zur LRV selbst, und bei gekürzten Hss. wie hier meint Conrat vor allem um den Grundtext gekürzte, also die Interpretationen. 409 Conrat 241-46 mit Abdruck aller dieser Art zu LRV CTh 1; 2; 16; u. GE 1. 410 Conrat 246 u. Fn. 1: "zusätzliche Bemerkungen", mit zwei Beispielen und einem unsicheren. 411 Conrat 246 u. Fn. 2: "paraphrasierende oder summierende Ausführungen", mit 15 Beispielen. 412 Conrat 246 f. u. 247 Fn. 1: "Hinweise auf den Text", mit neun Beispielen. 413 Conrat 247 u. Fn. 2: "Interpretationen (des Texts)", mit 75 Beispielen. 414 Conrat 249 u. Fn. 2. 415 Zu LRV IT 3, 3, 1 servitio suo: si septem annis iuxta legem mosaycam servierit, s. Conrat 247 f. S. 248 f. Fn. 1 verzeichnet er drei Querverweise (der zweite geht aufLRV PS 4, 8, 8 f., s. unten). 416 Conrat 249 u. Fn. 1: vier Beispiele. 417 Conrat 249 f. 418 In Betracht käme ein Kollektiv, aber auch sukzessive Ansammlung, nur fehlen dafür fassbare Anzeichen. 419 GI. Nam proprie, abgedruckt bei Hänel 462 u. Conrat 246 Fn. 1. 420 Zu LRV IT 1,2,3, abgedruckt bei Hänel 462 u. Conrat 246 Fn. 2.

III. Das fränkische Zeitalter

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fleri,421 wobei zudem Klagerhebung mit Beurkundung von Rechtsgeschäften verwechselt ist. Umgekehrt wird der Fall, dass ein Beklagter durch Eingabe beim Kaiser einen Prozess zu verschleppen versucht, verallgemeinert zur Untätigkeit des Richters: fleri solet (!) per neglegenciam iudicis, ut post quam lis incoata fuerit, per multa tempora non posset fleri; selbständig wird angemerkt, dass dies einer Ersitzung nicht zugutekommt, freilich ohne dies begrifftlieh zu fassen: set non conputentur ad annos, quibus lex iustum possessorem defendit. 422 Die zeitgenössische Sklaverei infolge Verschuldung423 wird ohne Anhalt im Breviartext berücksichtigt: LRV PS 5, 1,3 Descriptio ingenuorum ex officio fisci inter fiscalem familiam facta ingenuitati non praeiudicat.

Dazu424 heißt es nämlich: de ingenuis loquitur, qui inter fiscalinos conversant, quibus ad ingenuitatem nihil nocet reditus terre quam tenent vel quod inter alios debitores scribuntur.

vel ... scribuntur ist selbständig hinzugefügt. Überraschenderweise greift der Glossator dort, wo Konstantin zwischen Rom mit Umland, Italien und den Provinzen differenziert, die Interpretatio aber folgerichtig nur die in den Provinzen geltende Regelung aufgenommen hatte,42S auf den Grundtext zurück und summiert die für den MindeIjährigenschutz nach Volljährigkeit durch in integrum restitutio geltenden Fristen wie folgt: 426 in provincia Romanae urbis usque ad trigesimum expletum annum, in ltalia vero usque ad vicesimum nonum, in ceteris autem provinciis usque ad vicesimum octavum datur minoribus reclamandi licentia; ...

Der Glossator richtet seinen Blick also auch über die Grenzen seiner Rechtsgemeinschaft, das fränkische Reich, hinaus bis nach Italien und Rom, das für ihn eine Provinz darstellt; allerdings beachtet er dabei nicht, dass für Italien und Rom mittlerweile Justinian die Fristen vereinheitlicht hat. 427 Jenseits seiner Wirklichkeit verweilt er auch beim ius liberorum, im Breviar noch immer Voraussetzung für gesetzliches Erbrecht der Mutter nach ihren Kindern. Übereifrig und dadurch irreführend bringt er Lesefrüchte über die Zu LRV IT 2, 4, 2, Hänel462 u. Conrat 246 Fn. 2. Zu LRV IT 2, 4, 4, Hänel462 u. Conrat 246 Fn. 2. 423 Dazu. Liebs (0. Fn. 343) 286-311. 424 Und nicht zu PS 5, 2, 5, wie Conrat 247 vor Fn. I angibt. Sollte die Glosse verrutscht sein? 425 IT 2, 16,2 zu CTh 2, 16,2; das Breviar zählt hier ebenso. 426 Abgedruckt bei Hänel462 u. Conrat 246 Fn. 2. 427 CJ 5, 52, 7 u. dazu Kaser II 118 Fn. 24. 421

422

212

Drittes Kapitel: Die gallischen Werke im Einzelnen

Dauer einer Schwangerschaft und die unterschiedlichen Rechtsstellungen von Freigelassenen ein, hebt mit Grundsätzlichem nach Isidor an und sagt zu den Worten Si mater ius liberorum der betreffenden Breviarstelle: 428 lus generale nomen est et constat legibus et moribus. lus autem dictum, quia iustum est; omne autem, quod in usu hominum recte est, ius est. 429 Mater ergo ingenua si tres filios habet aut habuit, videlicet qui legitimo tempore, id est septimo aut ex decimo mense nati sunt, ius liberorum consecuta est; si vero libertina civis Romana fuerit, similiter sufficit tres liberos edidisse ; quod si Latina fuerit, non sufficit in tres, sicut de ingenua, sed in quattuor sufficit, id est illam dignitatem illudque suffragium consecuta est. quod lex prestat illi mulieri, que tres vel amplius incolumes filios peperit. Quod vero ita sit, in nona et octava quarti libri Pau!i sententia monstratur.

Der Sentenzenauszug des Breviars ist nicht nur am Schluss verarbeitet, sondern schon die Beschränkung auf Geburten ab dem siebten Monat und die BessersteIlung der Freigelassenen mit römischem Bürgerrecht sind dem westgotischen Paulus entnommen, in beiden Fällen unverständig übertreibend. 430 Die Juden werden ausgegrenzt wie in den Epitomen Aegidii, monachi und der Lex Romana Curiensis, wenn es zu LRV IT 2, 1, 10 Iudaei omnes, qui Romani esse noscuntur heißt: 431 id est qui Romana consuetudine vivunt vel in Romanis civitatibus habitant

Die Ausdrucksweise schließt sogar Ghettoisierung wie in der Epitome Guelferbitana nicht aus, denn es kommt hinzu, dass die Worte (Alia vero negotia, quae) nostris legibus continentur, womit alle weltlichen Sachen der Juden gemeint sind, die vor die ordentlichen Gerichte gehören, missverstanden sind: id est ebraicis non sunt. 432 26. Jüngere Glossen zum Breviar

Weitere Glossen zum Breviar fmden sich auf fünf Handschriften verteilt,433 deren Glossen einander überschneiden. Hänel hat 95 Glossen abgedruckt und

Zu LRV IT 5, I, I, abgedruckt bei Hänel462 f., z. T. bei Conrat 248 f. Fn. l. Das nach Isidor, Etym. 5, 3, l. 430 Bei der Freigelassenen hat der Glossator offenbar LRV PS 4, 9,4 (s. a. GE I, 1 pr. - § 4) mit 4, 8, 14 kombiniert; und die hier unsinnige Zehnmonatsgrenze ist einer beiläufigen Bemekrung des Sentenzenverfassers (LRV PS 4, 8, 12) entnommen. Am Ende ist 4, 8, 8 f. gemeint. 431 Hänel462 (vgl. 34 f.) u. Conrat 247 Fn. 2. 432 Conrat 243. Vgl. Hänel35. 433 Oben Kap. 2 Nr. 36. Dazu vor allen Conrat 240 f. u. 251 mit Nachtrag S. 630. Weitere Breviarhss. mit Glossen benennt Conrat 240 f. u. Fn. 5. Hier nicht aufgeführt ist 428 429

III. Das fränkische Zeitalter

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zu vielen weiteren Stichworten angegeben, wo dazu Glossen zu fmden sind, allerdings ohne hier Vat. reg. 1128 zu berücksichtigen, andererseits sporadisch Paris, BN 4419, 4413 und Lyon, BM 375 (s. sofort Nr. 27), einbeziehend. 434 Sich auf jene fünf Handschriften konzentrierend, allerdings ohne jeweils anzugeben, in welchen dieser fünf sich die einzelnen Glossen fanden, hat Conrat 15 Glossen nachgetragen. 435 Bei Hänel sind die einzelnen sehr ungleich auf die verschiedenen Handschriften verteilt. Auf Montpellier, UB med. H 136 entfallen 49, auf Paris, BN 4409 drei, auf Paris, BN n. acq. 1631, ehemals Orleans, 27 und auf Vat. reg. 1048 nicht weniger als 160; auf Lyon drei und auf Paris, BN 4413 und 4419 je eine. Hier ist also noch weniger sicher, wenn nicht eher unwahrscheinlich, dass es sich um ein einziges, geschlossenes Werk handelt; vielmehr haben wir eine Textmasse, deren Konturen weithin unklar sind. Nur aus Gründen der Konvention und weil ganz unsicher ist, wie sie zu gliedern wäre, wird sie hier wie bei Conrat in einem behandelt. Stillschweigend und relativ häufig ist Isidor ausgebeutet;436 andererseits stammt die älteste Handschrift aus den 820er Jahren,437 weshalb zumindest deren Bestand im späten 7. oder im 8. Jh. entstanden sein wird. Außerdem schöpfen diese Glossen gelegentlich aus Priscian, Boethius, Augustin, Vegetius und, sehr häufig, Nonius Marcellus. 438 Conrat unterschied hier vier Arten von Glossen: primitive W ortübertragungen, Begriffsbestimmungen (Defmitionen, Etymologien, Differentiae verborum), Summen und ausführlichere Erklärungen des Breviartexts. Ihre juristische Qualität ist gering. Es geht um einfachste Verständnishilfen, durchsetzt mit historischen Belehrungen, die oft fehl gehen. 439 Alle besonders auffälligen, im Folgenden vorzuführenden Glossen sind in der jüngsten und bei weitem ergiebigsten Handschrift, der jüngeren vatikani-

das Frg. Paris BN 4412 BI. 127 f., s. zu dessen Glossen F. Bluhme, in: MGH Leges in folio III (1863) 587.

Hänel 459-61. Conrat 251 Fnn.7 (zweite Hälfte), 8 a. E., 9 a. E. u. 10. 436 Nachweise bei Häne1459-61 u. Conrat 251 Fn. 4. 437 Mordek 276 f. 438 Nonius Marcellus bei Häne1459-61 nachgewiesen. Vegetius ist in der älteren Pariser Hs. BN 4409 aus dem ausgehenden 9. Jh. zu LRV PS 5, 33 De poenis militum zitiert: Renatus De re militari hoc pandit apert jus, s. Conrat 251 f. Fn. 10 mit Nachtrag 434 435

S. 630. Zu Augustin und Boethius s. sofort. Priscian, Inst. 8, 16, wurde in der Glosse

Impubes zu LRV GE 1,6 § 3 verwertet. 439 So bei Hänel die Glossen Collega (Vat. 1048), Curiales (Montpellier 136 u. Vat. 1048), Curialis (Vat. 1048), Fusia Caninia (Vat. 1048) u. Senatorum (Paris n. aqu.

1631).

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Drittes Kapitel: Die gallischen Werke im Einzelnen

sehen aus dem 10. oder gar 11. Jh. 440 zu finden, bis auf eine nur in ihr. Andererseits ist diese Handschrift besonders eng mit der zweitältesten verwandt,441 was sich aber nicht auf die Glossen, übrigens ebenso wenig auf den weiteren Inhalt der Handschrift erstreckt. Der Glossenbestand scheint also später noch einmal erweitert worden zu sein. Erstaunlich kritisch liest sich die Glosse zu rei publicae im pr. und § 4 der achten Novelle Valentinians III. über die 30jährige VeIjährung, ein gesuchter Anknüpfungspunkt: Res publicae, ut Varro breviter definit, res populi. Quae definitio si vera est, nunquam fuit res Romana res publica, quia nunquam fuit res populi, quam definitionem voluit esse reipublicae. Populum enim definit esse coetum multitudinis iuris consensu et utilitatis communione sociatum. Ac per hoc, si res publica est res populi et populus non est, qui consensu non sociatur iuris, non est ius, ubi nulla iustitia est; procul dubio colligitur, ubi iustitia non est, non esse rempublicam. Iustitia porro ea virtus est, quae sua cuique distribuit. Igitur iustitia non est, quae ipsum hominem deo vero tollit et in mundo daemonibus subdit. 442

Nahezu wortwörtlich, nur auf Scipio bei Cicero statt auf Varro ZUlÜckgeführt und am Schluss fragend formuliert, findet sich das bei Augustin in De civitate Dei. 443 Isidor entnahm daraus nur einen kurzen Satz und fonnte ihn leicht um; auf ihn hat der Glossator hier also nicht ZUlÜckgegriffen. 444 Vielmehr hat er den Passus offenbar unmittelbar Augustin entnommen, kannte sich also zumindest bei diesem Kirchenvater einigermaßen aus und war christlich engagiert. Als seine Leistung ist festzuhalten, dass er die Stelle ausfindig gemacht und seinen Zeitgenossen bei mehr oder minder passender Gelegenheit als Erkenntnis ohne Quellenangabe kundgegeben hat. Freier geht er seinen Vorstellungen in einer Glosse zum Wort libertas in einer Konstitution zum Freiheitsprozess bzw. ihrer Interpretatio nach. 445 Wieder ohne stichhaltigen Anhalt im Breviartext wird der Leser über die drei Möglichkeiten einer vollgültigen Freilassung nach klassischem römischen Recht belehrt, wobei sich der Glossator stillschweigend an eine Stelle im Kommentar

440 Vaticanus reginae 1048. Mommsen C: saec. XIXI, während Hänel LXXII, G. Götz, Corpus gloss. Lat. V 547, u. Conrat 251 nur das 10. Jh. in Betracht ziehen. 441 Mit Paris, BN 4409, Hänel LXXI f., Mommsen XCVII f. u. Mordek 465. 442 Abgedruckt bei Hänel 461 mit unbefriedigender Interpunktion. 443 Augustin, De civitate Dei 19,21 g. A., wo Augustin zwischen S. 2 u. 3 der Glosse, also vor Ac, weitere Argumente vorbringt. 444 Hänel461 fUhrt zu dieser GI. auch Isidor, Etyrn. 9,4, 5, an, wovon nur S. 1 gemeint ist: Populus est humanae multitudinis, iuris consensu et concordi communione sociatus. 445 GI. Libertas zu LRV CTh/IT 4,8,1, abgedruckt bei Häne1460.

III. Das fränkische Zeitalter

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des Kirchenvaters Boethius zu Ciceros Topica anlehnt, die hier ebenso beschriebene manumissio censu aber unabhängig davon ausmalt: Priscis temporibus apud Romanos tribus modis dabatur libertas: censu scilicet, vindicta et testamento. Censu, quoniam institutio fuerat Romanorum, ut nullus ex servili genere infra VII miliaria in circuitu civitatis commaneret, nisi servitutis vinculo solveretur. Et hoc erat censu fieri liberum, in coloniam transire Romanorum eos, qui quondam censurn solvebant, ut dato censu civis diceretur Romanus. Erat pars altera adipiscendae libertatis, quae vindicta vocabatur. Vindicta erat quaedam virgula, quam lictor ei, qui liberandus erat a servitio, capiti irnponens eundem servum in libertatem vocabat ac vindicabat, dicens quaedam verba solennia. Et ideo illa vindicta vocabatur, eo quod vindicabat in libertatem servum. lila etiam pars faciendi liberi est, si quis in suprema voluntate in testamenti serie servum suurn liberum scripserit, quod et modo fieri solet. Unde Cicero in Topicis volens monstrare eurn, quem servum esse constiterit, non esse liberum factum, huiusmodi proponit syllogismurn: Si neque censu neque vindicta neque testamento liber factus est, non est liber, atque nulla earum partiurn liber factus est, non est igitur liber. Boethius hatte fonnuliert: 446 Cic.: Turn partium enumeratio, quae tractatur hoc modo: Si neque censu neque vindicta neque testamento liber factus est, non est liber; nec ulla est earum rerum: non est igitur libero Boe.: Sit quaestio, utrum aliquis, quem servum esse constiterit, sit liber. Quoniam faciendi liberi tres sunt partes. Una quidem, ut censu liber fiat; censebantur enim antiquitus soli cives Romani. Si quis ergo consentiente vel jubente domino nomen detulisset in censurn, civis Romanus fiebat et servitutis vinculo solvebatur; atque hoc erat censu fieri liberum: per consensum domini nomen in censum deferre et effici civem Romanum. Erat etiam pars altera adipiscendae libertatis, quae vindicta vocabatur. Vindicta vero est virgula quaedam' quam lictor manurnittendi servi capiti imponens eundem servum in libertatem vindicabat dicens quaedam verba solernnia, utque ideo illa virgula vindicta vocabatur. lila etiam pars faciendi liberi est, si quis suprema voluntate in testamenti serie servum suum liberum scripserit. Quae quoniam partes sunt liberi faciendi, si quis aliquem, quem servum fuisse constiterit, monstrare velit non esse liberum factum, dicet, si neque censu neque vindicta neque testamento liber factus est, non est libero At nulla earum parte liber factus est, non est igitur libero Der historische Bericht des Glossators über die Verhältnisse im alten Rom ist von einer Isidorstelle beeinflusst;447 außerdem vielleicht von zeitgenössischen Vorstellungen über Stadtluft, die frei mache, ohne Rücksicht auf den früheren Herrn. 448 Die von Boethius betonte Einwilligung oder gar Initiative des Herrn fehlt jedoch nicht nur hier, sondern auch bei der manumissio vindicta, wo sie

446 Boethius, In Topica Ciceronis I g. E. zu Cic. Top. 10 S. 1. Conrat fUhrt weiter eine Stelle aus dem zweiten Buch zu Cic. Top. 18 an, das zu Unrecht. 447 Isidor, Etym. 9,4, 52, worauf Conrat zu Recht hinweist. 448 Dazu etwa Kroeschell (0. Fn. 381) 223-36 u. 261-63; u. D. Werkmüller, HRG III 1 (1978) 92-98, Art. Luft macht eigen - Luft macht frei.

Drittes Kapitel: Die gallischen Werke im Einzelnen

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Boethius zwar nicht mehr erwähnt, aber weiterhin vorausgesetzt hatte. Immerhin erfahrt der Leser, dass die testamentarische Freilassung noch zur Zeit des Glossators (modo) in Gebrauch ist. Aufschlussreich ist sein Beispiel fiir Rechtsgeschäfte, zu denen potentiores nötigen können: 449 Potentioribus Verbi gratia si in malleo non fuerit vilis persona, potentior ut iudex requiret minando ab eo, cur spreverit constringensque fisco coget mulctam pecuniae offerre, qui ob paupertatem res suas cogetur tradere iudici. At postea revocare poterit.

Zum Beispiel wenn ein Niedriggestellter nicht am Gerichtsort gewesen ist, (dann) ein Mächtiger (bewirkt?), dass der Richter (nach ihm) fahndet mit der Drohung, ihn missachtet zu haben, und er (der Mächtige) ihn (den Richter) nötigt, dass er (der Richter jemand) zwingt, der Staatskasse ein Bußgeld anzubieten, der aus Armut gezwungen sein wird, dem Richter seinen Besitz zu übergeben. Aber später wird er (das) widerrufen können.

Der durch unwesentliche Einzelheiten unübersichtliche Fall erweckt den Eindruck, als berichte ihn der Glossator aus eigenem Erleben; seine Welt wird deutlich. Das wird sie auch im Titel über die Assessoren, wo diese mit Protokollbeamten gleichgesetzt sind: 450 Assessor dicitur qui adsidet ad gesta publica transscribenda.

An anderer Stelle heißt es: 451 Convenire dicimus precibus fleetere.

Oder, ähnlich rechtsfern: 452 Deferre est fiduciam non habere vel desperare.

Das spätantike Amt des domesticus, ein hoher Offiziale, heute Geschäftsstellenbeamter, im selben Titel wie die Assessoren geregelt, wird in dieser Handschrift dem häuslichen Bereich zugewiesen: 453 Domesticus dicitur omnia, quae intra domum geruntur, sciens.

Frei schweifte die Fantasie, wenn in einer Stelle aus der Gajusepitome der libripens, der Wägemeister beim altrömischen Libralgeschäft, offenbar wegen

Zu LRV IT 3, 1,9 potentioribus, abgedruckt bei Hänel461. GI. Assessor zu LRV CTh 1, 11, 1, abgedruckt bei Häne1459. 451 Zu LRV CThlIT 2, 27, I, abgedruckt bei Häne1459. 452 Zu LRV PS 5,15,1 deferre, abgedruckt bei Hänel459. 453 Zu LRV CThlIT 1, 11,2, abgedruckt bei Häne1459.

449

450

III. Das fränkische Zeitalter

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der Waage Justitias als Richter gedeutet wird, und das nicht nur in jener vatikanischen Handschrift, sondern auch in der älteren Pariser:454 Impubes libripens esse non potest, id est iudex, neque antestari, id est testis esse

Zur Interpretatio des Gesetzes, das den Wortfonnalismus bei Bestellung einer Mitgift aufhob, wird der Ausdruck verba iuridica, die seitdem nicht mehr erforderlich waren, wieder nur in jener vatikanischen Handschrift auf die Textmasse Ius im Breviar bezogen: 455 Iuridica verba sunt, quae in iure, id est in Paulo iuridico leguntur: "Haec ita dico ita Iego ......

Ein Gennanismus dringt ein, wenn zu einem Text mit Klagerhebung angemerkt ist: 456 Mallati vel in iudicium provocati.

In der ältesten Handschrift tritt für den römischen princeps verständigerweise der gennanische rex ein: 457 Principes hac lege reges intellegis.

Wenigstens der Hauptglossator war offenbar ein Mann der Kirche, ein engagierter Christ, juristisch aber nicht sehr bewandert. 27. Die Lyoner Glossen zum Breviar Die Lyoner Breviarhandschrift mit den Parafrasen und den Summen zum Leges-Teil des Breviars458 enthält wie gesagt drittens mannigfache Glossen am Rand und zwischen den Zeilen, und zwar anscheinend459 nur mehr zu Buch 4 und vor allem 9 des Theodosianus, also vor allem zum Strafrecht. Einzelne sind

454 Paris, BN 4409, u. Rom, Vat. reg. 1048, zu LRV GE 6 (gehört zu GE 10,2), abgedruckt bei Hänel 460; ohne id est iudex und id est testis esse steht der Satz wie gesagt (0. Fn. 438) schon bei Priscian und ohne id est iudex würde er auch zu GE 6 § 3 passen. 455 Zu LRV IT 3, 13, 4, abgedruckt bei Häne1460. Zu den Textmassen im Breviar o. Kap. 3 Nr. 15 bei Fn. 248. 456 Zu LRV IT 1,2,7 pulsati, abgedruckt bei Hänel460 u. Conrat 251 Fn. 9. 457 Monpellier, UB med. H 136 zu LRV IT 1,2, 1 principibus, entsprechend zu LRV IT I, 2,2 principum: regum; und zu 1,2,3 per rescriptum principis: per epistulam regis, beides abgedruckt bei Conrat 251 Fn. 8, leider ohne Angabe, in welcher Hs. diese Glossen stehen, vermutlich in derselben. 458 Lyon, BM 375, oben Nr. 20 f. 459 Sofern nämlich die veröffentlichte Auswahl, s. sofort Fn. 461, den vorhandenen Bestand gleichmäßig wiedergibt.

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Drittes Kapitel: Die gallischen Werke im Einzelnen

von jüngerer Hand460 und müssen hier beiseite bleiben. Aber auch die große Masse, welche offenbar bei Herstellung der Handschrift eingetragen wurde, ist noch nicht vollständig ediert, wenn auch die interessanteren Glossen von Hänel und eine Nachlese von Conrat veröffentlicht wurden. 461 Im einzelnen haben die Glossen einen ganz verschiedenen Karakter. Erstens gibt es Querverweise auf weitere Titel und Stellen im Breviar zum Gegenstand des behandelten Titels, selten einer Konstitution; auch auf nur entfernt einschlägige. Mitunter gibt es ganze Nester. Vergleichbares findet sich nur in der Wolfenbütteler Handschrift. 462 Diese Verweise zeugen von dem Bestreben, die betreffende Rechtsmaterie möglichst umfassend wahrzunehmen. Dabei arbeitete der Glossator mit einem Breviarexemplar, das einzelne Konstitutionen ausgelassen hatte. 463 Titel sind hier meist als aera bezeichnet wie bei den ersten beiden und der vierten erhaltenen Buchung der Anzahl der Titel und Konstitutionen am Anfang der Bücher 4,5 und 7 unserer Lyoner Handschrift;464 und in der Scintilla. 465 Verwiesen ist auf alle Teile des Breviars, auch den Codex Gregorianus;466 in erster Linie aber sinnvollerweise auf die Paulussentenzen. Über das ursprüngliche Breviar hinaus gehen die Verweise in keinem Fall. 467

460 Conrat 238 Fn. 1. 461 Häne/ 97-251, nur die ungeraden Seiten, meist Sp. 2, unter EPIT. LUGD., in den

Fnn., u. 461 f.; Nachlese bei Conrat 236 Fn. 1,237 Fnn. 2, 4,5 u. 7. Dazu auch v. Ha/ban 11 332 f. 462 Oben Nr. 24, dort aber einigermaßen gleichmäßig über das ganze Breviar verteilt.

Immerhin sind von diesem ersten Glossentyp, den Verweisen, auch solche zu den Büchern 3, 10, 11 und (einer) zu Buch 16 bekannt. 463 Das folgt daraus, dass es zu LRV CTh 3, 17, 1 u. 2 heißt: et XVII et XVIII, womit auf die durchgezählten Konstitutionen des dritten Buchs verwiesen ist. Das führte zu CTh 3,5,5 u. 6; richtig wäre aber, wie sich aus dem Inhalt ergibt, 3, 5, 6 u. 7. Außerdem heißt es zu CTh 3, 17, 2: XLII, die Konstitution soll also die 42. des 3. Buchs sein. Es handelt sich aber nach Häne/ um die 44.; mittlerweile sind also zwei ausgefallen, vermutlich jetzt auch CTh 3, 12, 1, welche Konstitution noch in vielen andem Hss. fehlt. Da in der Lyoner Hs. der größte Teil von Buch 3 nicht erhalten ist, lässt es sich hier nicht kontrollieren. Die zu Anfang des 4. Buchs durchgezählten Konstitutionen (vor 4, 3, 1: Lex III; zu 4, 5: Lex XI; und zu 4, 7: XIII) stimmen mit Häne/s Bestand überein. 464 Oben Nr. 20 f. vor Fn. 309. 465 Unten Nr. 35 bei Fnn. 698-704. 466 Häufig verderbt zu Gai oder von Häne/ falsch entziffert als Gai, so zu LRV CTh 4, 8 R., wo mit Gai aera VI Lib III. gemeint ist GR aera VI leg III, also CG 6, 3, und nicht etwa der ursprüngliche Gajus Buch 3 § 6, wie Häne/ meinte; zu CTh 4, 18 R. (CG 11); u. zu 9, 15 R. am Ende (CG 3). Codex Hermogenianus und Papinian kommen im Erhaltenen nicht vor. 467 Abzulehnen Hänel 111 Sp. 2, dritte Fn. a am Ende (s. soeben Fn. 466). Die hier zuvor genannten Zahlen stimmen dagegen alle, gemeint sind PS 5,1; 5,37,1; u. 1,6, 1.

III. Das fränkische Zeitalter

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Zweitens werden die Inskriptionen der Konstitutionen historisch erläutert, hauptsächlich die Namen der Kaiser, zumal um die verschiedenen Valentiniane und Theodosii auseinander zu halten und kurz anzugeben, wie sie miteinander verwandt sind; mitunter auch Adressaten und geografische Begriffe, wo dann Allgemeinwissen aufdringlich ausgebreitet wird, mitunter irrig. 468 Zu dieser Art Glossen gehören auch die zum Teil unrichtigen Belehrungen über Caesar und Cornelia beim zweiten Erscheinen einer Lex Cornelia in einer Titelrubrik,469 ebenso von Iulia. 47o Schließlich gibt es drittens inhaltliche Erläuterungen, Worterklärungen meist schlichtester Art, Etymologien und sonstige sprachliche Belehrungen oft nach Isidor ohne rechtlichen Ertrag471 oder Ausstellungen von Elementen des Grundtexts. 472 Aber auch nützliche rechtliche Hinweise finden sich, darunter auch strafrechtliche Wertungen. Sie lassen zwar nicht auf einen juristisch beschlagenen, aber doch auf einen kritischen Kopf schließen, etwa wenn die strafrechtliche Gleichstellung eines bloßen Lesers einer Schmähschrift, der sie nicht zerreißt oder zumindest darüber schweigt, sondern ihren Inhalt weiterträgt, mit dem Urheber so kommentiert wird nota quam moderate;473 das kann nur ironisch gemeint sein. Als schlichte Bekräftigung vorherrschender Überzeugungen ist wohl zu verstehen, wenn es zur näheren Bestimmung, wie menschenwürdig Strafgefangene zu behandeln sind, heißt: Edictum ex pietate christiana pendens;474 zum Feuertod für homosexuellen Analverkehr: Nimis notandum quam sit execrabile usum nature mactare;47S oder zur zweifelhaften Beweisregel, 468 Vgl. M. SehLmeyer, HZ 274 (2002) 371 f. Krass die Verwechslung der africanischen Provinz Byzacena mit Byzanz zur Inskription von LRV CTh 4, 10, I. Unrichtig auch die Erklärung von provincia anlässlich von provinciales als Adressaten von LRV CTh 9, ll, 2. 469 Zur Rubrik von LRV CTh 9, 15, nachdem schon 9, II eine Lex Cornelia in der Titelrubrik hatte. Zu Ausführungen über Caesar dient die Inskription von 9, 13, I. In beiden Stellen wird auch Scipio behandelt. 470 Zur Rubrik von LRV CTh 4, 18; von 9, 4; und zu 9, 15,2 § I Cornelia. 471 S. vor allem die Nachlese bei Conrat 236 Fn. I u. 237 Fn. 2. Von der Sache ab führen auch die Erläuterungen zu LRV CTh 9, 1,9 suffragiis (dazu Conrat 236 Fn. I mit besserer Lesung) und 9, I, II pr. subiectam, weil das Wort die hübsch erläuterte Bedeutung unterstellt, unausgesprochen mitgemeint' in der Konstitution gerade nicht hat. Nicht geradezu fehl am Platz ist die Anekdote zu LRV CTh 9, I, II § I consortium, wenn sie auch juristisch nicht weiter führt. 472 So ist die Glosse Haec zu LRV CTh 4, 12, I eine pauschale Kurzfassung der Interpretatio, s. schon Flach (0. Kap. 2 Fn. 119) 84; die Glosse Sic eum zu § 5 a. E. wiederholt Worte der Konstitution, s. Conrat 237 Fn. 4. 473 Zu LRV CTh 9, 24, 2, Conrat 237 u. Fn. 7: " ... eine Art sachkritischen Anlaufs nimmt". 474 Zu LRV CTh 9, 2, 3. 475 Zu LRV CTh 9, 4, 5.

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spätere Heirat bestätige einen alten Verdacht des Ehebruchs, als die Frau noch anderweit gebunden war: Paret quia si postea convenerint, ante fuisse eos in seelere. 476 Rechtskenntnisse sind auch zu verzeichnen, wenn beim Zwölftel, das man nichtehelichen Kindern letztwillig zuwenden kann, ohne Anhalt in der Interpretatio die Erhöhung durch Novelle auf ein Achtel vennerkt ist;477 wenn bei Qualifizierung einer Mischehe zwischen Juden und Christen als frei anklagbaren Ehebruch mitgeteilt wird, dass beim richtigen Ehebruch das Vorrecht der engsten Verwandten, deswegen anzuklagen, zu beachten ist, bei Einlassung mit dem eigenen Sklaven aber die gleiche Anklagefreiheit gilt;478 wenn bei Missbrauch des eigenen Mündels auch der Feuertod in Betracht gezogen wird;479 oder wenn beim Verwandtenmord auf die neben Säckung alternativ möglichen Strafen des Feuertodes und des Todes in der Arena hingewiesen ist. 48o Der Glossator unterstreicht die Härten seines Gesetzbuchs. Ob alle Glossen von ein und demselben stammen, steht dahin. War es ein einziger Autor, dann ist er jedenfalls nach Isidor anzusetzen, also frühestens in die Mitte des 7. Jhs. Immerhin ist allen drei Glossenarten gemeinsam die Konzentration auf das Strafrecht des Theodosianus und in zweiter Linie Buch 4 desselben. Dann könnte Tenninus post quem non das mittlere 8. Jh. sein, als man begann, das Breviar aus seinen vollständigen oder vollständiger erhaltenen Teilwerken aufzufüllen; denn alle drei Glossenarten verharren in den Grenzen des alten Breviars, ja, einmal war eine geringfügig gekürzte Ausgabe zu konstatieren. 481 28. Summen zum Breviar In einer Berliner, derzeit in Krakau befindlichen Handschrift des gekürzten Breviars aus dem 10. Jh. 482 fmden sich bis LRV CTh 3, 8, 1 zahlreiche und von da an vereinzelt kurze Summen der Interpretationentexte des Breviars, denen 476 Zu LRV CTh 9, 4, 7. 477 Zu LRV CTh 4, 6, 1 unciam. Gemeint ist LRV NT 11. 478 Zu LRV CTh 9, 4, 4. Gemeint sind 9, 4, 1 und 9, 6, 1, s. schon Conral 237 Fn. 6. Umgekehrt ist zu LRV CTh 9, 7, 1 bei Gelegenheit eines Appellationsverbots ausgeführt, was in der Regel möglich ist, dass man nämlich appellieren kann und dann erst einmal geschont wird: ul si quemcunque appelleI, quia secundum legem Iuliam quibusdam populum Romanum el imperalorem appellanlibus parcilur. Nicht erfasst von Conrat 237 Fn. 5 a. E. 479 Zu LRV CTh 9, 5, I poenam. Die Strafschärfungen waren möglich bei Anwendung von Gewalt und bei gottgeweihten Jungfrauen, LRV CTh 9, 19, I u. 9, 20, 2. 480 Zu LRV CTh 9,12,1, womit LRV PS 5, 26, I gemeint ist. 481 Oben Fn. 463. 482 Oben Kap. 2 Nr. 37.

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auch das Wortmaterial entlehnt ist. 483 Zu LRV IT 11, 14, 3 aber, wonach, wer vor Gericht Urkunden vorlegt, ihre Echtheit dartun muss, heißt es ausfiihrlicher: 484 Festus praeses Iudaeis de Paulo dixit: "Non est consuetudo Romanis damnare aliquem hominem, priusquam is, qui accusatur, praesentes habeat accusatores locurnque defendendi accipiat ad abluenda crimina." Damit ist eine Szene aus der Apostelgeschichte angeführt, und zwar berichtet der römische Statthalter Festus dem König Herodes Agrippa 11. und seiner Schwester Berenike, was er den Juden erwidert hat, die gefordert hatten, den Apostel Paulus zu verurteilen;485 seine Worte sind wörtlich in der Fassung der Vulgata wiedergegeben. Die Szene passt nicht ganz, geht es hier doch um ein faires Verfahren gegenüber einem Angeklagten, den fanatisierte Juden möglichst ohne Verfahren umbringen wollten, im Breviartext dagegen um die Beurteilung eines von einer Partei vorgelegten Beweismittels. Im übrigen aber treffen die Summen das Wesentliche und halten sich von barbarischer oder später Latinität frei. 486 29. Die sog. Epitome Aegidü

a) Befund. Karakter Nach dem gelehrten Antwerpener Stadtschreiber Peter Gillis oder Petrus Aegidius, der sie 1517 erstmals herausgab, noch bevor das Breviar selbst gedruckt wurde, wird dessen verbreitetste Kurzfassung benannt: Epitome Aegidii. 487 Sie ist, vollständig, bruchstückhaft oder (dreimal) in Exzerpten, in 22 Handschriften aus dem frühen 9. oder gar noch 8. bis 12./13. (eine nur in Abschrift aus dem 16.) Jh. überliefert,488 wo sie sich als Text des Breviars gibt. 13 Handschriften, die bis ins 11. Jh. reichen, enthalten daneben germanische Starnmesrechte: elf die Lex Salica (0. Nr. 17a),489 neun die Lex AlamannoConrat 252 u. Fn. 1, wo auch fiinfBeispiele abgedruckt sind. 484 Gleichfalls abgedruckt bei Conrat 252 Fn. 1. 485 Acta apost. 25, 16. 486 So Conrat 252 Fn. 1 offenbar nicht nur aufgrund der hier angefiihrten Beispiele. 487 Hg. Hänel LXXV -LXXIX, 3. u. 17-452. Dazu Hänel XXV f.; Conrat 222-28 u. 630; Mommsen Cf.; Gaudemet 42 f. 53-56; Nehlsen-von Stryk 296-99 i. V. m. 335 f.; u. 483

Siems 208.

488 Oben Kap. 2 Nr. 24. 489 In welcher Redaktion auch immer: St. Paul im Lavanttal (Hänel Nr. 56); St. Gallen (Nr. 57); Rom, Vat. reg. 846 u. 991 (Nr. 75 u. 55); Paris, BN 4418 (Nr. 49); Leiden, VB Voss. qu. 119 (Nr. 54); Paris, BN 4409 (Nr. 46); 4417 (Nr. 48); n. a. 204; u. 4626 (Nr. 50).

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rum,490 sieben die Lex Baiuvariorum,491 sechs die Lex Burgundionum (0. NT. 14b),492 sechs die Lex Ribuaria493 und eine die Lex Visigothorum;494 außerdem acht Kapitularien. 495 Sieben jüngere, aber auch schon ältere seit dem 9. Jh., verbinden mit dieser Epitome hauptsächlich Römisches: Stücke aus Isidor,496 Stemmata cognationum und agnationis (s. o. Kap. 2 Nr. 12),497 die Formelsammlungen von Tours,498 Markulfs und von Bourges,499 die Collectio Gaudenziana 500 und (die späte Handschrift) Ciceros Topica und einen anonymen Tractatus de dialectica. Der Adressatenkreis war also meist derselbe wie derje-

nige der Stammesrechte, vermutlich die Hofgerichte und wohl auch die Gaugrafengerichte. 501 Im 9./10. Jh. scheint sie einmal nur mit der Formelsammlung von Tours verbunden worden zu sein (Rom, Vat. reg. 852). Aber das scheint nur so; zur Handschrift gehörte nämlich ursprünglich auch Nr. 1431, während die ersten sechs Blätter mit der Formelsammlung von anderer Hand stammen. 502 So mag diese Handschrift fiir den regionalen Bedarf hergestellt worden sein. Entstanden ist die Epitome aber als unselbständiger Begleittext zum Breviar, auf das immer wieder Bezug genommen wird. Vorangestellt war ein Titelver490 St. Paul im Lavanttal; Leiden, UB 114 + Paris, BN 4629 (s. Mordek 502-07); St. Gallen; Rom, Vat. reg. 991; Leiden, Voss. qu. 119; Paris, BN 4417; n. a. 204; 4633 (Hänel Nr. 51); Stuttgart (Nr. 73); u. München. 491 St. Paul im Lavanttal; Rom, Vat. reg. 991; Leiden, Voss. qu. 119; Paris, BN 4417; Paris, BN n. a. 204; 4633; u. München. 492 St. Paul im Lavanttal; Paris, BN 4418; 4417; n. a. 204; 4633; u. 4626. 493 St. Paul im Lavanttal; Leiden, UB 114 mit Paris, BN 4629; Rom, Vat. reg. 991; Paris, BN 4418; Leiden, Voss. qu. 119; u. Paris, BN 4417. 494 Paris, BN 4418. 495 St. Paul im Lavanttal; Leiden, UB 114 mit Paris 4629; u. Voss. qu. 119; Mailand; Paris, BN 4417; Stuttgart; Paris, BN 4626; u. München. Zu diesen Hss. ausführlich Mordek 685-95; 502-07; 210-17; 233-40; 466-69; 724-28; 477-82; u. 308-12. 496 Paris, BN 4416 (HäneINr. 47) u. Leiden, UB 114 (Nr. 53). Außerdem bieten auch Sarnmelhss. mit Stammesrechten Stücke aus Isidor: Leiden, Voss. qu. 119; Paris, BN 4409; u. 4626. 497 Leiden, UB 114; u. Paris, BN 4409, welche Hs. allerdings, neben vielem anderen Römischen, auch die Lex Salica enthält. 498 Ebenfalls Paris, BN 4409 (s. d. vor. Fn.); zu Rom, Vat. reg. 852, s. sofort. 499 Leiden, UB 114 mit Paris, BN 4629. 500 London, BL add. 47676 (früher Holkham 210). - Von Paris, BN n. a. 2318; u. Leiden, UB 191, sind mir keine weiteren Texte bekannt. SOl M. A. v. Bethmann-Hollweg, Der german.-roman. Civilprozeß im Mittelalter I (Bonn 1868) 411-15 u. 423-25; 11 (1871/73) 10-16, u. 56-85; u. Mordek 422 f. u. 477; s. a. 457. 502 K. Zeumer, MGH LS V 132 oben. Zur Zusammengehörigkeit der beiden vatikanischen Hss. Mordek 423.

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zeichnis mit eigenen, aber nur geringfügig von den älteren (soeben Nr. 18) abweichenden Explanationes titulorum. Die Bücher scheinen durchgezählt worden zu sein, also die Novellen Theodosius' 11. als Buch 17 usf. s03 Die Epitome selbst besteht aus kurzen Umschreibungen der Sätze des Breviars, meist mit dem W ortmaterial der Interpretatio. Oft werden die Umschreibungen mit den Worten eingeleitet Hoc est,S04 Id est50S oder Haec lex praecipit;S06 oder es heißt dicit oder iubet. s07 Mitunter wird schlicht der Grundtext wiederholt, meist wie gesagt die Interpretatio der LRV, in Ermangelung einer solchen der Konstitutionen-, Gajusepitome- bzw. Sentenzentext. Offenbar sollte die Lex Romana jemandem verständlich gemacht werden. Dem dient auch die mitunter starke Kürzung; immer wieder sind zwei oder mehrere Konstitutionen, Sentenzen usw. des Grundtexts in einem Satz zusammengefasst, der dann meist nicht alle Elemente des Grundtexts wiedergibt. Selten ist Grundtext ganz übergangen. 508

b) Autor und Inhalt Der Autor war ein Mann der Kirche. Das ergibt sich nicht nur aus dem schon von Hänel hervorgehobenen Umstand, dass der CTh-Titel über die Bestrafung des Ehebruchs mit einer geistlichen Ermahnung an Ehefrau und Ehemann eingeleitet wird, die dem Apostel Paulus zugeschrieben ist;S09 in Wahrheit ist 1. Kor. 7, 3-5, frei interpretiert, nämlich auf das Folgende bezogen konkretisiert. Der Autor versucht zu rechtfertigen, dass zwar die untreue Frau, nicht aber der untreue Mann zu bestrafen ist: ihn werde Gott strafen. Allerdings findet sich das nur in drei Handschriften, weshalb Conrat seine Aufnahme in den Text ablehnte und eine Glosse annahm. SlO Nicht nur ausnahmsweise überliefert ist

S03 Ich entnehme all das Hänels Apparat, S. 5 - 15, wo fortlaufend kleine Abweichungen eigens für die Epit. Aeg. verzeichnet sind. 504 Ep. Aeg. CTh 2,30,1; 3,18, 1; 4,1,1; 4, 20, 1; 5,4, I; 6,1, I; 9,14, I; 9, 16,1; 13, I, l. sos Ep. Aeg. CH I. 506 Ep. Aeg. CTh 2,29, I; 11,8, I: Lex ista hoc praecipit wie die lnterpretatio; s. a. 11, 7, I: Haec lex constituit (die Interpretatio: Lex ista hoc iubet). 507 Dicit: Ep. Aeg. CTh ll, 14,6; iubet: 16, I, l. S08 So LRV CTh 12, 1,4; NT 11,2; PS 2, 26, 2-4: Verfahrensvorschriften zur emancipatio; u. 2, 27, 2: ein verzeihender Ehemann ist wegen Kuppelei anzuklagen. Aufzählung alles Übergangenen bei Hänel XXVI Fn. 23. Gegen vorschnelle Rückschlüsse Conrat 225. Wenn aber mitunter eigens angegeben ist, dass Grundtext übergangen wird, z. B. Ep. Aeg. PS 3, 8 (9), 7 et reliqua plurima. quae ad usumfructum pertinent, so spricht das gegen die von Conrat erwogene Unvollständigkeit der vom Verfasser benutzten Vorlage. 509 Ep. Aeg. CTh 9, 4; s. dazu schon Hänel XXV Fn. 14. 510 Conrat 226 u. Fn. 5.

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aber die (versehentliche?) Verlegung der Gerichtsferien auf die beiden Wochen vor und nach Epifanias statt Ostern und der Wegfall von Geburts- und Thronbesteigungstag des Fürsten;511 die verallgemeinernde Aufforderung an alle sacerdotes, die Obrigkeit daran zu erinnern, dass Gefangene allsonntäglich auszuführen sind, damit sie baden und von Christen Almosen empfangen können;512 und die Herabsetzung der Strafe für einen Bischof, der eine verbotene Appellation einlegt, von 50 auf 20 Pfund Silber. 513 Germanische Rechtsvorstellungen zeigen sich, wenn die Sentenz, dass eine Konkubine neben einer Ehefrau unzulässig ist und von einer solchen solo dilectu separatur, dahin umgedeutet wird, dass man eine Konkubine von einer Ehefrau terra vel pavimento solo derelicto separetur, also durch Land oder wenigstens gepflasterten Boden, eine große Straße oder einen gepflasterten Hof, trennen SOll.514 Ebenso wohl, wenn weggelassen wird, dass der Mann seine untreue Ehefrau nur dann töten darf, wenn er sie in seinem Haus ertappt,515 was offenbar bedeutet, dass er sie jetzt, wo immer er sie ertappt, töten darf; und vielleicht auch, wenn übergangen ist, dass der Mann, der sich nicht von einer bei Untreue ertappten Frau scheidet, wegen Kuppelei anzuklagen iSt. 516 Schon Conrat führte auf den Ganerbengedanken zurück, wenn bei der Vererblichkeit vom Fürsten erlangter Wohltaten an die Stelle von successores bzw. heredes in der Epitome ein consors tritt. 5l7 Neue Verwaltungsstrukturen werden sichtbar, wenn eine Strafbestimmung gegen die Bestechlichkeit der officiales gegen den iudex selbst gekehrt ist;518 511 Ep. Aeg. CTh 2,8,2, während die Epitomen monachi, Parisina und Guelferbitana es bei den Osterferien der Vorlage, die Interpretatio der LRV, belassen, auch ihre

Fürstentage beibehalten, Weihnachten und Epifanias nur an diesen Tagen selbst feiern. 512 Ep. Aeg. CTh 9, 2, 3. Die Konstitution wendet sich erst am Ende nur an die Bischöfe und die Interpretatio lässt die geistliche Aufsicht ganz beiseite, während sie in der Efitome die Bestimmung beherrscht. 51 Ep. Aeg. CTh 11, 11,3. Auf religiöse Hemmungen mag auch zurückgehen, wenn Ep. Aeg. NT 4, 2 divi principes durch veteres p. ersetzt ist. 514 Ep. Aeg. PS 2, 21, 1. Unnötig komplizierte Überlegungen zur Geschichte einer Textverderbnis stellen Savigny, Gesch. II 60 Fn. c; u. Häne1368, rechte Sp., erste Fn. a, an. Schlichter Conrat 223 Fn. 9. 515 Ep. Aeg. PS 2, 27, 1. 516 LRV PS 2, 27, 2. 517 Ep. Aeg. CTh 1,2,2. Weniger sicher ist das bei consortio statt communione (coheredum) CTh 8, 9, 4; u. wohl auch CTh 1, 11, I, wo die Verfiigungsfreiheit über Vermögen, das jemand als Berater eines iudex oder als Bewaffneter bei Lebzeiten des Vaters erworben hat, plastisch ausgedrückt wird mit den Worten extra consortium fratrum vindicet.

518 Ep. Aeg. CTh 1,6, 1; 9, 1,9 S. 2 ist das officium der Vorlage übergangen. Dagegen kennt Ep. Aeg. CTh 2, 1, 8 u. 12, 1, 5 sehr wohl die Verantwortlichkeit des officium.

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wenn wegfällt, dass die Kanzleibeamten und Büttel (cancellarii und domestici) eines Gouverneurs (iudex) durch electio von seiten der primates ojJicii (so der Konstitutionentext) bzw. cives (so die Interpretatio) zu bestimmen sind;519 wenn ojJicium fiscale administrare erläutert wird durch ojJicium fiscale id est iudiciariae potestatis agere;520 wenn aus tabularii zunächst amanuenses vel cancellarii werden (später erscheint auch der tabularius);521 oder wenn (nulli) militaris übersetzt wird durch nec comes nec mi/es nec magister. 522 Änderungen der Kommunalverfassung werden sichtbar, wenn aus defensores civitatum schlicht honores und aus einem demokratischen Bestellungsakt quos consensus civium et subscriptio universorum elegisse ... instituantur, ob dahinter nun Substanz oder bloß Deklamation steckte, eine Bestallung schlicht ohne Bestechung wird: absque praemiis recipiantur. S23 Diese Umdeutung betriffi die grundlegende Bestimmung im Sachtitel über den defensor civitatis. Und die nächste im Sachtitel, welche gerechte Amtsführung anmahnt,524 ist mit den Worten wiedergegeben (Subjekt sind immer noch die honores) et sui nominis non oppressores, sed defensores appareant. Aus dem besonderen Amt ist also eine bloße Qualität der städtischen Obrigkeit geworden. Auch die andem Breviarstellen zum defensor civitatis sind entweder ganz übergangen, verallgemeinert oder verkürzt. 52S Und aus den einen Vormund kontrollierenden primates civitatis vel defensor cum ojJicio suo werden schlicht boni viri cum iudice. 526

Der defensor erscheint nur noch einmal: wo es darum geht, Juden und Samaritaner von dem Amt auszuschließen; aus ... neque defensoris ojJicium ... suscipere (sc. possil) wird nec defensorem fieri. 527 Das ist keine gedankenlose Wiederholung des Grundtexts, weil dort noch Häretiker genannt waren, die weggelassen sind, wohl weil es keine mehr gab, so wie schon die Interpretatio die in der Novelle selbst noch genannten Heiden wegließ. Auch der seltener im Breviar vorkommende curator rei publicae528 ist verschwunden. Dagegen kommen die städtischen Kurialen noch häufig vor, ebenso die gesta municipalia. 529 Aus der 519 Ep. Aeg. CTh 1, 11,2. 520 Ep. Aeg. PS 5, 14, I. 521 Ep. Aeg. CTh 8, 1, I. 522 Ep. Aeg. CTh 1, 8, 1. 523 Ep. Aeg. CTh 1, 10, I, womit 2 und 3 syntaktisch verbunden sind. 524 LRV CTh 1, 10,2. 525 S. Ep. Aeg. CTh 2, 1, 8; 2, 4, 2; u. 8, 2, 1, alles Stellen zur einst umfassenden Kompetenz. Ganz übergangen ist LRV CTh 12, 1,4. 526 . Ep. Aeg. CTh 3, 19,4 u. dazu Nehlsen-von Stryk 296 f. 527 Ep. Aeg. NT 3, 1 Anfang. 528 LRV CTh 2, 30, 1; 8,2, 1; u. 12, 1,4; s. immerhin noch Form. Andec. la g. A.; Form. Visig. 25 g. A. 529 Diese Ep. Aeg. CTh 12, 1,8. Kurialen: 5, 2,1; 9, 15, 1; 10,2, 1; 12, 1, 1, f.; 5 - 9; 12,2, 1 f.; 16, 1,5; NT 4; 8; NY 10 g. E.; u. NMai 1. 15

Liebs

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verschwundenen collatio lustralis, einer Steuer für Kaufleute in einer vereinzelten Bestimmung, wird ein Zoll.530 Außerdem gibt es Änderungen im Kriminalstrafrecht und -prozess. War aus dem quinquevirale iudicium des Stadtpräfekten im Codex Theodosianus, zuständig für Kapitalsachen von Senatoren, schon in der Interpretatio ein überall zu bildendes Gericht von nobiles für Kapitalsachen vielleicht auch nur von nobiles geworden, was aber nicht klar ist, so wird daraus ein mit fünf nobiles zu besetzendes Gericht für Kriminalsachen schlechthin. 53J Bei anonymen Schmähschriften wird aus unbedingt zu verhängender Prügelstrafe, auch wenn der Täter beweisen kann, dass seine Anschuldigung zutrifft (qui si etiam, quae scripsit, probare potuerit, fustigetur, qui infamare maluit quam accusare), eine nur bei falscher Anschuldigung zu verhängende (qui ... repertus conscripta non probaverit, fustigetur). Umgekehrt wird wegen Verschleppung einer Anklage nicht nur bestraft, wer den Prozess über ein Jahr lang hinauszögert (si distulerit), sondern auch, wem der Nachweis binnen dieser Frist nicht gelingt (qui ... non probaverit crimen obiectum).532 Beim Privileg für Priester (presbyteri), als Zeuge ohne körperliche Beeinträchtigung verhört zu werden, wird die Einschränkung sic tamen, ut falsa non simulent erweitert um nec veritatem ta-

ceant. 533

Im Privatrecht ist das Eheverbot zwischen Romanen und Germanen mitsamt Todesstrafe beibehalten;534 seine Einschränkung durch Leovigild (0. Nr. 15 u. Fn. 254) machte nicht Schule. Die Tragweite der väterlichen Gewalt auch über Erwachsene ist verkannt, wenn is, quem adoptaverimus, si sine patre est, cum omnibus bonis suis ad nos transit auf den Erbfall eingeschränkt wird: adoptivus filius, si mortuus fuerit, ei moritur, qui eum adoptavit. 535 Verballhornt ist die Unfähigkeit des Hauskindes, geerbtes Vermögen, das der Vater veräußert hat, wiederzuerlangen, selbst wenn es dem Erwerber den von diesem gezahlten Preis anbietet: nu/la ratione oblato pretio restitui tibi desideras; daraus wird eine Pflicht des Vaters, dem Kind wenigstens den erzielten Preis auszukehren. 536 530 Ep. Aeg. CTh 13, I, I u. dazu Siems 201 f. 531 LRV CTh 2, I, 12 mit Ep. Aeg. Vgl. o. Nr. 24 bei Fnn. 394-96. 532 LRV CTh 9, 26, 1 u. Ep. Aeg. Schmähschriften: LRV CTh 9, 24, 1 mit Ep. Aeg. 533 Ep. Aeg. CTh 11, 14,5. 534 Ep. Aeg. CTh 3, 14, I. Trotzdem gab es auch hier Mischehen, s. M. Rouche, L' Aquitaine des Wisigoths aux Arabes (Paris 1979) 174 f.; H. Ebling u.a., Francia 8 (I980) 698-70 I; u. Geary (0. Kap. 2 Fn. 55) 146-48. 535 Ep. Aeg. GE 2, 2 pr. 536 Ep. Aeg. CG 13 u. dazu Conrat 34 f. gegen Savigny, Gesch. 11 60, der offenbar Regelungen wie die bei Kaser, RP 11 216 ff. (§ 229 IV), dargestellten im Sinn hatte, wo der Vater aber gerade keine Verfiigungsmacht hat.

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Ein überflüssiger antisemitischer Ausfall im Gesetz gegen Apostaten, wozu es keine Interpretatio gibt, ist übergangen. 537 Umgekehrt ist die Beweisregel beim Freiheitsprozess, dass ein Anerkenntnis der Unfreiheit vor dem Gouverneur, wenn erpresst, nicht bindet, auf den Hauptfall konkretisiert: si pauper potenti coactus acquieverit dicere: "Servus tuus sum S38 Per tormenta quaerere ist durch distringere konkretisiert. 539 Und beim crimen violentiae, strafbar nach der Lex Iu!ia de vi publica, sind die Straftaten konkretisiert. 540 H.

c) Kritische Töne Aus dem Rahmen fällt ein Zusatz zu einer Bestimmung des TheodosianusAuszugs über Aufnahme und Verstecken fremder Kolonen. Die Titelrubrik 5, 9 hatte auch Vorschriften über flüchtige Sklaven verheißen, was der Breviartext nicht einlöst. In unserer Epitome heißt es dazu dann aber: 54l Hoc autem in aliis libris invenimus (drei Hss.: inveni): duplet servum, qui occultaverit alienum; triplet servum, qui demandatum celaverit fugitivum. Bei den a!ii !ibri könnte es sich um Breviarexemplare handeln, die aus dem vollständigen Theodosianus, den vollständigen Paulussentenzen etc. suppliert sind, aus dem 9. und 10. Jh. bekannt;542 sie enthalten allerdings kein Supplement aus dem hier einschlägigen Theodosianus- Titel. Der Epitomator könnte aber aus vollständigen Theodosianus-Handschriften selbst geschöpft haben. Sein Breviarexemplar war schon um zwei Theodosianus-Konstitutionen bereichert, ohne dass er dies hervorhob;543 vermutlich hatte er es gar nicht gemerkt. Germanische Rechtsaufzeichnungen kommen auch in Betracht, liegen wohl gar näher. 544 Bei den Novellen Majorians fügt er nach kurzen Angaben zum Inhalt der bei den einzigen ins Breviar aufgenommenen die Rubriken der sechs ersten, nicht aufgenommenen hinzu, sagt kurz, worum es in der letzten, der sechsten geht und bemerkt dann:

537 Ep. Aeg. CTh 16,2, I. 538 Ep. Aeg. PS 5,1,4. 539 Ep. Aeg. CTh 9, 4, 3. Nach Gaudemet 55 wird die Gewaltbereitschaft der damaligen Gesellschaft sichtbar zu PS 1,7, 7, s. jedoch schon die PS selbst: LRV PS 1,7,8 u. 9; die Ep. Aeg. fasst ebenso wie die LRC PS 1,7,7-9 zusammen: LRC 23, 8. 540 Ep. Aeg. CTh 9, 7, I. 54l Ep. Aeg. CTh 5, 9, 2. 542 Oben Kap. 2 Nr. 1 u. Fn. 27, Nr. 2 u. Fn. 39, 3 Fn. 42, 4 Fn. 47 u. 41 Fn. 150. 543 CTh 1,2,9 = LRV CTh 1,2, (7); u. 1, 16, 13 = 1, 6, (5). 544 So Conrat 223 Fn. 10.

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Drittes Kapitel: Die gallischen Werke im Einzelnen

Haec sex sententiae propterea non sunt defloratae, quia in aliquibus libris non inveniuntur, in aliquibus tarnen inveniuntur.

Er wusste also, dass es supplierte Ubri, womit Breviarexemplare gemeint sind, gab. Das zeigt sich auch in einem freilich nicht in allen Handschriften enthaltenen Zusatz zur Wiedergabe der ersten und einzigen berücksichtigten Novelle des Breviartitels 11 der theodosischen Novellen, wo es um die Vererbung des Vermögens städtischer Ratsherren auch an nichteheliche Kinder geht. Zunächst wird, ohne Anhalt im Grundtext (LRV INT 11, 1), eine Definition drei verschiedener Kategorien nichtehelicher Kinder geboten, was noch alle Handschriften haben; nur die letzte Kategorie fehlt in einer Handschrift. Und dann folgt: 545 Si quis alias sententias, quae hic non continentur, ex ipsius Theodosii vel aliorum auctorum librorum copore praesentaverit, in omnibus vacuentur, quia ipsa per Valentinianum periit Roma et cecidit Romana potestas.

Dass Valentinian III. den Zerfall des Reichs herbeigeführt habe, nämlich indem er Aetius tötete, konnte der Epitomator bei Marcellinus comes nachlesen. 546 Das interessiert hier weniger als seine vorsorgliche Abwehr von Kritik an einer seiner wenigen Eigenleistungen. Er rechnete mit Kritik ex ipsius Theodosii vel aUorum auetorum Ubrorum eorpore, also gestützt auf alte Schriften des römischen Rechts. 54? Unter corpus librorum ipsius Theodosii wird der Codex Theodosianus zu verstehen sein; unter corpus librorum aUorum auetorum Werke wie die Paulussentenzen, Codex Gregorianus, Hermogenianus oder auch eine vollständige Ausgabe der Gajusepitome; aus all diesen Werken wurde das Breviar seit dem 8. Jh. suppliert. 548 Eine eigene Leistung des Epitomators ist auch die Ratio legis für das holografische Testament: 549

Desunt in nonn. codd. sagt Hänel271 Sp. 1 Fn. c. MGH AA XI = Chronica minora 11 86: Aetius magna Occidentalis rei publicae salus et regi Attilae terror a Valentiniano imperatore cum Boethio amico in palatio trucidatur, atque cum ipso Hesperium cecidit regnum nec hactenus valuit relevari. Zur Präsenz Marcellins im frühmittlealterlichen Gallien s. den Herausgeber Th. Mommsen aaO. 55 f. und die S. 47-53 dargelegte handschriftliche Verbreitung. 54? Zu corpus i. S. v. 'Handschrift' (richtiger oft ,Werk', aber nicht ,Gesamtwerk', wie Wieacker [0. Kap. 2 Fn. 99] 88 f. vorschnell schließt) in frühmittelalterlichen Texten L. Traube, in: Theodosiani libri XVI. Tabulae (Berlin 1905) S. 11; ipsius Theodosii vel aliorum auctorum libri erinnert an die Formulierung der Praescriptio zum Breviar: de Theodosiano vel de diversis libris, und der Subscriptio: de Theodosiani legibus atque species iuris vel diversis libris electum. Vgl. unten Kap. 4 Nr. 3 bei Fn. 20. 548 Oben Kap. 2 Nr. 2 bei Fn. 39, Nr. 3 Fn. 42, Nr. 4 Fn. 47 u. Nr. 42 Fn. 152. 549 Ep. Aeg. NY 4, 2, Häne1279, 1. Sp. mit Fn. c. 545

546

111. Das fränkische Zeitalter

229

... , quia in subscriptione multorurn confmgi potest, sed tota pagina una manu conscripta confingi non potest. Auch die einleitende Bewertung der Novelle Valentinians III. gegen Grabräuber ist unabhängig von der Vorlage: 550 Pie et pulehre prolata est dicta sententia, ut ...

d) Datierung Da die Supplierungen des Breviars erst in karolingischer Zeit beginnen, datierte Mommsen die Epitome ins ausgehende 8. Jh. 551 Hänel hatte sie aufgrund von Spuren in einem Kapitular von 744 vorher angesetzt; doch erwies sich dieses als Fälschung. 5S2 Aber dieformulae Turonenses, die um die Mitte des 8. Jhs. angesetzt werden, haben die Epitome schon benutzt. 553 Andererseits ist in ihnen und in den andem Formelsammlungen der defensor civitatis als Urkundsbeamter noch lebendig,554 der in der Epitome wie gesehen (0. bei Fnn. 523-27) ausgedünnt ist. In merowingischer und frühkarolingischer Zeit ist er außer in Tours bezeugt in Le Mans, Angers, Paris, Meaux, Semur, Bourges und Clermont,555 allerdings nur als Urkundsbeamter. Auch die im Breviar noch einflussreichen weltlichen ojJicia/es sind in der Epitome weggelassen (soeben bei Fnn. 518 f.), aber sie sind im Frankenreich auch sonst schlecht bezeugt. 556

550 Ep. Aeg. NY 5, Häne1281, I. Sp. mit Fn. a. Mommsen C; vgl. o. Kap. 2 Nr. I bei Fn. 27. 552 Hänel XXV; s. dazu Conrat 224 Fn. 2; u. Mommsen C. 553 Nachweis der Stellen bei A. v. Wretschko, in: Mommsen CCCXXII f. Aufgrund dessen neigen Nehlsen-von Stryk 296 und Esders 62 u. Fn. 281 zu früher Datierung, beachten dabei aber nicht die dagegen sprechenden Gesichtspunkte. 554 Form. Tur. 2 (Z. 22); 3; u. 28 (Z. 12); nach Paris, BN 10756, auch 23 (Adoption). 555 F. Vercauteren, Etude sur les civitates de la Belgique Seconde (Brüssel 1934) 404 f., mit zahlreichen Quellen; zum fiir Paris angefiihrten Testament der Ermentrude kommt hinzu Form. Mare. 37 u. 38. Dass weiter nördlich keine Defensoren mehr bezeugt seien, sagt Vercauteren nicht eigens; Ewig, Ges. Sehr. I 431 (zuerst 1955), schreibt ihm das aber zu; u. diesem folgt wiederum G. Scheibelreiter, Der Bischof in merowingischer Zeit (Wien 1983) 175 Fn. 16, beide ohne Quellenangaben. Zugang zu den Quellen bieten Bethmann-Hollweg (soeben Fn. 501) I 416 f.; s. a. 425; E. Chenon, NRH 13 (1889) 525-37; u. v. Halban II 283-85. 556 Ich fand sie nur in Form. Mare. 2, 1 (Zeumer S. 72 Z. 13, Uddholm S. 168 Z. 64), wo vor den officiales publici genannt sind o. ecclesiastici; u. Form. Tur. App. 4 (Zeumer 551

165 Z. 9).

230

Drittes Kapitel: Die gallischen Werke im Einzelnen

e) Lokalisierung Als Standort eines Klerikers, der im früheren 8. Jh. das Breviar einigermaßen vollständig und im ganzen verständig557 offenbar zur Unterweisung traktiert hat, leuchtet am ehesten eine romanisch gebliebene Umgebung ein. Die frühen Handschriften, alle soweit erkennbar schon verbunden mit germanischen Starnrnesrechten, stammen einmal, eine große Sammelhandschrift, aus Oberitalien (Aquileja?), sonst, soweit feststellbar, aus Gallien, meist Hofnähe einschließlich Aachen und Tours, aber auch aus Bourges und Burgund. 558 Durchweg vertritt die Epitome das Breviar selbst, das mit Volltext im Verein mit Germanengesetzen nur einmal, in einer Prachthandschrift aus Tours für den alternden Karl, erhalten ist. 559 Im allgemeinen zog man für größere Sammelwerke die zeitnähere, ohne In- und Subskriptionen einfachere und oft noch die Interpretatio kürzende Erläuterung vor. Das geschah noch im 16. Jh.; 1517 wurde diese Epitome gedruckt, das Breviar dagegen erst elf Jahre später. 560 30. Die sog. Lex Romana Curiensis Wohl zu Beginn des 8. Jhs., wie zumal die Sprache verrät, entstand in ChurRätien, wohl in Chur selbst, eine aktualisierende Bearbeitung des Breviars, deren verhältnismäßig gute handschriftliche Überlieferung bis um 800 zurückreicht (0. Kap. 2 Nr. 25).561 Das Werk nennt sich lex,562 ist aber eine PrivatarGünstig urteilen auch Hänel XXVI; u. Conrat 223. Nachweise o. Kap. 2 Nr. 24 Fn. 107. 559 Paris, BN 4404. Dazu Mordek 456-63. Die einzige der o. Kap. 2 Fn. 103 genannten frühen Hss. mit Volltext der LRV, welche außer diesem auch Stammesrechte enthält, Rom, Vat. reg. 1128, steht zeitlich am Ende und gehört womöglich schon ins 10. Jh. Dagegen enthält Rom, Vat. Ottob. 2225, entgegen Dolezaleks Angabe keine Stammesrechte, s. Meyer XLI f. Die andem frühen Sammelhss. enthalten, soweit das Breviar überhaupt berücksichtigt ist, nur (um die Grundtexte) gekürzte Fassungen: Warschau, UB qu. I (früher 480); Berlin, SB qu. 150 (z. Zt. Krakau, Biblioteka Jagiellonska); Rom, Vat. reg. 857; Paris, BN 4408; u. Montpellier, UB med. H 136. 560 In Basel, hg. Johann Sichard. 561 Ausgaben: maßgebend E. Meyer-Marthaler, Lex Rom. Cur. = Sammlung Schweizerischer Rechsquellen XV: Die Rechtsquellen des Kantons Graubünden I I (Aarau 1959,2. Aufl. 1966); sprachlich glättend K. Zeumer, in: MGH Leg. in folio V (Hannover 1889) 289-452; ohne Auflösung von Abkürzungen und Siglen, aber mit Synopse der andem Epitomen Hänel 16-425. - Dazu Hänel XXXI-XL; L. R. v. SaUs, ZRGG 6 (1885) 141-72; Zeumer, ebd. 9 (1888) 1-52; Conrat 286-92 u. 297; Brunner 516-24; v. Halban 11 338-41 u. III 93-98; E. Meyer-Marthaler, Schweizerische Ztschr. f. Gesch. 3 (1953) I-59; dies., Ausgabe S. XI-LX; dies., Röm. Recht in Rätien im frühen u. hohen Mittelalter = Beih. 13 d. Schweizerischen Z. f. Gesch. (Zürich 1968); dies., Der Geschichtsfreund 125 (1972) 169-208; dies., HRG 11 (1978) 1935-40 Art. Lex Rom. Cur.; 557 558

III. Das fränkische Zeitalter

231

beit;563 gemeint ist das im Frankenreich fiir Römer geltende Recht auf der Grundlage des Breviars. 564 Nichtrömer kommen als barbari bzw. barbara(e) gentis nur in dem beibehaltenen Eheverbot zwischen Romanen und Gentilen vor (LRC 3, 14 aus LRV IT 3, 14, 1). Allerdings sind nun auch die Iudei unter der Hand ausgegrenzt. In der Vorlage (LRV IT 2, 1, 10) heißt es von ihnen noch Romani esse noscuntur und haben sie nur in Religionssachen eigene Gerichtsbarkeit. Jetzt haben sie eine umfassende eigene Gerichtsbarkeit; die ordentlichen Gerichte sind nur noch in gemischten Streitigkeiten zwischen Juden und Christen zuständig: 565 ludei, qui apud Romanos conversant inhabitandum, suam legern inter se ipsos custodiant; nam ornnes alteras causas, que apud Christianos habuerint, iudices Christianorum inter eos iudicent. Ohne Anlass in der Vorlage (LRV IT 3, 18, 1) fließt Römertum bei den gesetzlichen Vormündern ein, die mit den testamentarischen zusammengeworfen werden (LRC 3, 18); ebenso beim ius /iberorum. 566 Senatoren gibt es aber nicht mehr. 567Auch das Christentum der Rechtsgenossen ist stärker herausgekehrt als in der Vorlage. So werden in der zitierten Bestimmung über die Gerichtsbarkeit der Juden ihren Gerichten nicht die allgemeinen oder die römischen Gerichte gegenübergestellt, sondern die der Christen. Und rur Grabschändung kommen nur Christengräber in Betracht (LRC 18, 5), eine Verengung, die das Breviar (NY 5) nicht kennt.

Gaudemet 48-57; C. So!iva, in: Beiträge zum fiiihalemannischen Recht, hg. C. Schott (Bühl 1978) 73-84; ders., Jahrbuch der Historisch-antiquarischen Gesellschaft von Graubünden 116 (1986) 189-206; ders., LeIM V (1991) 1930f; A. Beck, Itinera iuris (Bem 1980) 357-501; Nehlsen-von Stryk 299-324; J. Weitzel (0. Fn. 334) 733-39, 101 I f. u. 1112; Siems 166, 182, 194, 198-200,204,208,238,267,325-28 u. 611f; u. M Schermaier, Art. Leges Romanae, RGA 18 (2001) 213 f. Zur Datierung zumal MeyerMarthaler, Ausgabe S. XL VIII u. LII; u. Gaudemet 50. Spätere Ansätze werden weiterhin vertreten, aber ohne Auseinandersetzung mit Meyer-Marthalers Argumenten.. 562 Der Text ist nach Meyer-Marthaler, Ausgabe XXIX-XXXVII u. 21, in der älteren Version überschrieben: In nomine sancte trinitatis incipiunt capitula libri primi legis, in der jüngeren, karolingisch glättenden, dem Breviar angeglichen: In nomine sanctae trinitatis incipit liber legum. Incipiunt capitula !ibri primi legis, von Zeumer bevorzugt, S. 305. ,,Eine authentische Bezeichnung führt das Rechtsbuch nicht", Conrat 286. Auch der Schreiber Orsicinus der Pfäferser Hs. nennt den Text mitsamt seinen Anhängen lex: Ego ... hunc legem scripsi, Ausg. M-M S. 656 Z. 6. 563 Conrat 292; Meyer-Marthaler, Röm. Recht 24 f; dies., HRG II 1937. 564 Insoweit zutr. Beck (0. Fn. 561) 374; s.a. sofort. 565 LRC 2, 1, 8. Insoweit ebenso die Epitome monachi. 566 LRC 26, 10,2 S. 2 nach LRV PS 4, 8, 14. 567 LRV CTh 2, 1, 12 u. 2, 33, 4 sind übergangen und in 3, 17,3 sind aus ihnen seniores civitatis geworden.

232

Drittes Kapitel: Die gallischen Werke im Einzelnen

Das Rechtsbuch zählt, wie schon einzelne Handschriften der LRVs68 und das Titelverzeichnis der Epitome Aegidii (soeben Nr. 29 bei Fn. 503), die Bücher seiner verschiedenen Teile durch, wobei jeder Kaiser mit Novellen sein eigenes Buch bekommt. Dadurch bestehen manche Bücher nur aus wenigen Zeilen. Die Titelrubriken sind zum großen Teil übernommen; längere Sentenzentitel sind aber auch unterteilt und neue Rubriken aus dem aufgenommenen Material gebildet, in der Sache wie bei den sog. Explanationes titulorum (0. Nr. 18 f.). Nach dem ersten Drittel des fünften Buchs der Paulussentenzen, d. h. mit Titel 7, endet der Text. s69 Schon vorher hatte es kleinere Lücken immer wieder gegeben und größere zur Gajusepitome s70 sowie schon zu den ersten vier und ein Drittel Büchern der Paulussentenzen. Ich vermute, dass der Lehrgang im römischen Recht an Hand des Breviars, der dem Text zugrunde gelegen haben wird,S71 bei Gajus dem geplanten zeitlichen Rahmen schon hinterherhinkte und dass dieser Rahmen, als der siebte Titel des letzten Sentenzenbuchs abgehandelt war, vollends erschöpft war. Für Herkunft des Texts aus Rechtsunterricht sprechen auch folgende mit akademischem Gehabe am besten zu erklärende Eigenheiten. Der Autor schöpfte, wie damals gewöhnlich alle, nur noch, soweit es solche gab, aus den Interpretationen des Breviars, die schon ihrerseits aus Unterricht hervorgegangen sind; bei wenigen Konstitutionen, manchen Novellen und vielen Sentenzen hatte das Breviar keine Interpretationen und trat unser Mann also selbst an. Er nennt seine Einzeltexte auch seinerseits durchgehend Interpretatio, sogar wenn seine Vorlage sich nicht so nannte wie beim liber Gai oder den interpretationslosen Breviartexten; er stellt sich also in die Tradition jener Lehrer. Gehörte zur Vorlage im Breviar eine Konstitution oder war sie eine solche ohne Interpretatio, dann beginnt der rätische Rechtslehrer bei der ersten Konstitution eines Titels mit dem Namen des erstgenannten Kaisers und dem Tagdatum ohne Jahr, also im Buch der Novellen Marcians Imp. Valentinianus. Data II kalo Octobr. O. ä.; dann folgt das Wort Interpretatio. Enthielt der Breviartitel noch weitere Konstitutionen, so werden diese nur mehr mit Item alia interpretatio eingeleitet, als stamme alles vom erstgenannten Kaiser, meist Konstantin. Ganz zu Anfang sind aus der Inskription noch Augustus, etwaige weitere Kaiser und der

So Paris, BN 4412, Hänel LX Fn. 168; vgl. Conrat 286. Nicht nur unsere Überlieferung, wie Heck (0. Fn. 561) 375 U. 379 unten aus LRC 1,4 schließt; denn es heißt am Schluss: Explicit Pauli fiber Vtusfeliciter, in der karolingischen Überlieferung nach zwei zusätzlichen Stellen aus Breviar und Epitome Aegidii: Explicit liber legum. S70 Gar nicht berücksichtigt sind die Titel 9, 12f. und 16 f. (2, 1; 2, 4 f.; U. 2, 8 0; nur geringfügig 15 U. 18 (2, 7 U. 2, 10). Alles Unberücksichtigte verzeichnet Hänef XXX Fn. 102. S71 SO schon Beck (0. Fn. 561) 373 unten U. 378 f., ohne nähere Begründung. S68

S69

UI. Das fränkische Zeitalter

233

Adressaf 72 mit oder ohne Amt genannt; kurz item alia heißt es erst ab LRC 1, 2, 2. Die Pedanterie mit dem Tagdatum scheint sich der Autor wegen der allerersten Bestimmung auferlegt zu haben (LRC 1, 1, 1), welche lautet: Quecumque leges sine die et consules fuerint prolate. non valeant, wortwörtlich aus LRV IT 1, 1, 1 übernommen. Durchzuhalten war diese Auflage nur mit den beschriebenen Abstrichen. Unter consules scheint er die Kaiser verstanden zu haben. Der Verfasser stand kirchlichen Belangen besonders nahe, war also wohl Kleriker. 573 Außerdem war ihm die zeitgenössische Urkundensprache vertraut, d. h. er betätigte sich wohl auch als Notar. 574 Im übrigen hat diese Bearbeitung des Breviars deshalb besondere Aufmerksamkeit erregt, weil die anfänglich große Vorlagentreue sich mit fortschreitendem Kurs rasch lockert und zunächst seltener, dann häufiger aktualisierenden Umdeutungen im fränkischen Sinn oder Einschaltungen Raum gibt,575 wenn diese auch z.T. blühenden Unsinn entha1ten;576 doch finden sie immer wieder zu Vernunft oder schlicht passivem Nachsprechen zurück. Vor allem ist das Werk eine Fundgrube rur rätorömisches Vulgarrecht. 577 Der Autor war ein praktisch erfahrener, sehr selbstbewusster Jurist, der nur überfordert war, als er flächendeckend den ganzen Text zu beherrschen sich anschicken musste. Das sind junge Dozenten heute mitunter ebenso oder war Hans Julius Wolffs Übersetzer seiner Vorlesungen in Panama. Überliefert ist uns der Unsinn wie bei der Summa Perusina, weil eine kritische Öffentlichkeit fehlte. Es gibt einzelne Querverweise, 578 außerdem Verweise auf das Breviar selbst,579 das also keineswegs vom rätischen Bearbeiter "mit Fertigstellung des S72 Dieser und die ersten drei Worte der Konstitution auch LRC 2, 28. 573 Einzelheiten bei Conrat 288 u. Fn. 5; Meyer-Marthaler, Ausgabe S. LIII u. Fn. 79; u. Gaudemet 55 oben. 574 Meyer-Marthaler, Ausgabe S. XLI f. u. LIII; dies., HRG II 1937. 575 S. etwa Conrat 287 f. u. 289 Fnn. 4 f.; vor allem E. Meyer-Marthaler, Rätien im frühen Mittelalter (Zürich o. J. [1949]) 35-56; dies., Schweizer. Ztschr. f. Gesch. 3 (1953) 1-59; dies., Der Geschichtsfreund 125 (1972) 169-208; Weitzel, aaOO. (soeben Fn. 561); auch C. Soliva, Jahrb. d. Histor.-antiquar. Gesellsch. v. Graubünden 1986, 196-99. Nehlsen-von Stryk 304 f. eher zurückhaltend, doch ist Ep. Iul. 324 a. E. schwerlich für das dreimalige Abstellen auf die Zahl der Zeugen LRC 1, 4; 11, 13 u. 24, 1 mitursächlich, da allzu unspezifisch. 576 Das betont mit Recht Soliva, soeben Fn. 575; u. ders., LdM V (1991) 1930 f. Art. Lex Rom. Cur. 577 Vor allem Meyer-Marthaler, Röm. Recht 43-202; Gaudemet 55 Mitte; u. Beck (0. Fn. 561) 366-501, dieser mitunter allzu romanisierend. 578 So verweist LRC 5, 1,6 Sicut superius iam in superiorem legem inseruimus auf LRC 5, 1, 1 a. E.; u. 24, 9, 2 S. 2 ut supra diximus ersichtlich aufS. 1. Entgegen Conrat 287 u. Fn. 6 sind dagegen LRC 24, 18,2 u. 24, 21, 1 auf den Breviartext zu beziehen,

234

Drittes Kapitel: Die gallischen Werke im Einzelnen

neuen Textes als überholt betrachtet",580 sondern im Gegenteil als dem Benutzer präsent vorgestellt wurde. Die starken Abweichungen vom klaren Wortsinn des Grundtexts sind grundsätzlich nicht anders zu beurteilen als die ja gleichfalls gewissermaßen gutgläubigen Abweichungen von BGB- oder GGKommentatoren vom klaren Wortsinn ihres Grundtexts; solcher Zwiespalt gehört zum Karakter des praktisch orientierten Juristen. Auf die Lex Romana für Burgund verweist vielleicht LRC 1, 4,581 der rätische Versuch, das Zitiergesetz zu verstehen. Zunächst wurde aus dem unverständlich gewordenen Abzählen der klassischen Juristenautoritäten ein Abzählen der (boni) homines, die gerichtlich streitende Parteien dem Gericht für ihre Sache präsentieren können. 582 Aus Papinians Stichentscheid wird dann: Et si forsitam de homines equalem numerum habuerint, precedat eius auctoritas, qui in lege Papiani pro se alicum titulum invenerit, ipsa causa vincat. Das Römerrechtsbuch für Burgund wurde im 9. Jh. irrig Papianus genannt (0. Kap. 2 Nr. 40 u. Fnn. 131f.), was auch schon im 8. Jh. verbreitet gewesen sein kann. Durch Beziehung auf den sog. Papian ließe sich den Worten jedenfalls ein Sinn abgewinnen. Die weiter angeführten Stellen für eine stillschweigende Beeinflussung durch die burgundische lex Romana überzeugen dagegen weniger. Entweder sagt die fraglos benutzte Epitome Aegidii das gleiche;583 oder die angeführten Parallelen sind insigniflkant. 584 Unser Mann mag von dem ,Papian' auf den auch in 5,1,6 Bezug genommen war: inseruimus meint den eigenen, in superiorem legem den Bezugstext. 579 So LRC 24, 21, 1 Licet in superiorem titulum scriptum est, womit nur das im

Breviar in diesem Titel Voraufgehende gemeint sein kann, was der rätische Rechtslehrer nicht eigens kommentiert hat: LRV PS 2, 24, 1-4; u. nam tamen in superiorem legem scriptum est ... weiter unten, bezieht sich auf die gleichfalls übergangene Stelle LRV PS 2, 24, 5. Die von Meyer-Marthaler, Ausgabe 511 Fn. 2, hierzu angegebenen Stellen betreffen die donatio ante bzw. propter nuptias und gerade nicht die d. inter virum et uxorem. Auch hec lex in LRC 1, 1,3 meint wohl schlicht die Breviarbestimmung LRV IT 1, 1,3. 580 So aber Siems 194 u. 198 unten, wohl inspiriert von den Verhältnissen beim Druck der Lex Frisionum. 581 Dafür Zeumer, Ausgabe 307 Fn. 4; u. Soliva, in: Beiträge z. frühalemann. Recht 81 f. Anders, aber nicht überzeugend wird die Stelle von Beck (0. Fn. 561) 378-80, gedeutet. Schlicht ablehnend Meyer-Marthaler, Schweiz. Z. f. Gesch. 3 (1953) 41 f. Fn. 136; u. Nehlsen-von Stryk 302 f. 582 Zu dieser Deutung Meyer-Marthaler (soeben Fn. 581) 39-44; u. Nehlsen-von Stryk 301-05: eher Zeugen als Eidhelfer.

583 Nämlich das Wiederaufleben auch der Wegedienstbarkeiten nach zweijähriger Wiederausübung in Analogie zu LRV IP 1, 17, 2, s. Levy, VL 200 f.; u. Soliva (0. Fn. 581) 82.

584 Das betrifft die Umdeutung der lex Falcidia (dazu Soliva aaO. 83) sowohl in RB 10,3; 31, 2; 45, 5; u. 45, 7; als auch in LRC 8, 5,1; 18,3; u. 22,11. Überhaupt keine

III. Das fränkische Zeitalter

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genannten Rechtsbuch gehört haben; verwertet haben muss er den Text darum noch nicht, womit trotzdem vereinbar wäre, dass unser Rätoromane seinen Lesern bzw. Hörern empfiehlt, ihn im Fall eines Patt beizuziehen. Stillschweigend benutzt sind außer Formelsammlungen wohl auch Explanationen zu Breviartiteln und Glossen zum Breviar. 585 Im 9. Jh. wurde der Text das Rechtsbuch der Rätorömer, hatte aber kaum 100 Jahre lang diese Rolle inne, weil das fränkische Recht das römische schließlich auch offen überlagerte. 586 31. Die Formelsammlungen von Bourges

a) Die Sammlung des frühen 8. Jhs. Im Vorort der Bituriger, Bourges, entstand im frühen 8. Jh. eine Formelsammlung, deren letztes Drittel, die Nummern 11 bis 15, in einer jetzt Pariser Handschrift aus dem frühen 8. Jh. erhalten ist, worin ein Kalender der Ostertage, ein Mondzyklus u. ä. folgen, die bis zum Jahr 721 reichen, Terminus ante quem auch für die Formeln. 587 Die erste erhaltene betrifft einen Tausch zweier städtischer Grundstücke, worin die gegenseitige Hingabe derselben zunächst mit dem Wort donat beschrieben ist; später heißt es richtiger: .. .sibi in invicem tradiderunt, ita ut unusquis rem quam accepit habeat, teniat et perpetuo iure, Deo propicio, possedeat usf. Man gewinnt den Eindruck, die Beteiligten seien keine Voll eigentümer, sondern lediglich Erbpächter eines ius perpetuum auf ursprünglich kaiserlichem, jetzt königlichem Grund und Boden, auch wenn es abschließend heißt: vel quicquid exinde facire voluerit, habeat liberam potestatem. Denn der Erbpächter unterschied sich schon seit dem 5. Jh. vom Vollei-

Parallele besteht zwischen LRC 18, 4 zum holografischen Testament und RB 45, 2, wo nur das Zeugentestament behandelt ist, unzutr. Soliva aaO. 82 unten. Auch LB 43 und LRC 17, 9 haben nichts gemein entgegen Soliva 82 f. 585 Meyer-Marthaler, Röm. Recht 23. 586 Meyer-Marthaler, Ausgabe S. LV; u. dies., Röm. Recht 211 u. 216-19. Zur Benutzung durch Remedius s. jetzt auch M. Glatthaar, in: Quellen, Kritik, Interpretation Festg. 60. Gebtg. H. Mordek (Frankfurt am Main 1999) 65-67; zur Ausbreitung ins langobardische Gebiet S. 70 u. Fn. 62. 587 Paris, BN 10 756 Teil 3 = BI. 62-69, eine eigene Hs. bzw. die allein erhaltene zweite Hälfte einer solchen, ein Quaternio, ursprünglich der zweite. Auf dem verloren gegangenen ersten Quaternio mit acht Blättern bzw. 16 Seiten werden die ersten zehn Formeln gestanden haben. Da die erhaltenen letzten fünf Formeln auf nur fünf Seiten Platz haben, BI. 62 bis 64r des heutigen Hss.-Konvoluts, werden den verlorenen ersten zehn noch Präliminarien wie Titelei, Präfatio und Index voraufgegangen sein. Zur Hs. K. Zeumer, NA 6 (1881) 14 f. u. 79-83; ders. ebenda 11 (1886) 314; u. kurz MGH Form. 166. Zur Sammlung ferner Conrat 298; v. Halban III 77-80; u. Brunner 580. Ausgabe: Zeumer, MGH Form. 169 f. mit eigener Zählung: 1-5.

236

Drittes Kapitel: Die gallischen Werke im Einzelnen

gentümer im Alltäglichen nur mehr durch seine Abgabepflicht an den Obereigentümer, die bei Veräußerungen mittlerweile nicht mehr erwähnt wurde. 588 Die zweite, ursprünglich zwölfte Formel, Praecaria überschrieben, betrifft eine Landleihe. Die Kinder des Beliehenen erneuern sie, versprechen Wohlverhalten, unterwerfen sich bei Zuwiderhandlung der Buße von Räubern nebst Entsetzung bei sofortiger Vollstreckung und bekräftigen das Ganze am Ende römischrechtlich: Haec stipulans stiuplati sumus atque spondimus, Aquiliani legis mentione firmamus. Schließlich folgt eine Verlängerungsklausel und ganz am Ende die verbreitete Stipulationsklausel: stipulatione subnexa. Der Vertragstyp gothorömische, frankorömische und fränkische precaria hat sich aus dem spätrömischen praecarium heraus entwickelt589 und hat Landleihe auf Zeit zum Gegenstand, oft auf eine bestimmte Zeit oder auch auf Lebenszeit des Beliehenen, meist, allerdings nicht notwendig590 ohne Pachtzins, vielmehr gegen sonstige Dienste des Beliehenen auf Weisung des Gebers oder seiner Leute. Es heißt hier in quibuslibet ambastiis, ubi a vestris actoribus ex vestro praecepto fuerimus imperati und omni oboedientia adimplere. Auch die Bekräftigung einer Vereinbarung durch Aquiliani legis mentio ist germanorömisches Vulgarrecht.591 Die dritte bzw. dreizehnte Formel betrifft einen Auftrag, eine Schenkung des gesamten Vermögens an ein Kloster (oder sonst jemand) in den Büchern der Stadt Bourges festzuhalten: Beturegas civitate accedas et apud defensorem vel curia publica epistulamm donationis ... gestis municipalibus facias allegare. Zumindest insoweit muss die römische Selbstverwaltung also noch intakt gewesen sein. Die vierzehnte (vierte) ist eine Quittung des Bischofs über die vollständige Rückgabe verwahrten Kirchenguts, verbunden mit Entlastung des Verwahrers und seiner Kinder, besiegelt durch ein geläufiges Strafversprechen auch zugunsten des Fiskus für den Fall, dass die Kirche doch noch Ansprüche stellt, und eine übliche Stipulationsklausel: stipulatione subnexa; das Ganze ist Securitas überschrieben. In der letzten Ad archepresbeterum instituendum setzt

588

H. Weßel, Das Recht der Tablettes Albertini (Berlin 2002)

S. bes. E. Levy, SZ 66 (1948) 1-30; ders., VR 241 u. 258-73; u. M. Kaser, SZ 89 (1972) 144-46. Beide hängen freilich noch immer, in Grenzen auch Kaser, einer purifizierenden Textkritik an, welche der Entwicklung vom 3. bis zum 7.18. Jh. Einschnitte zumutet, die bei Würdigung aller Aussagen in ihrem überlieferten zeitlichen Zusammenhang weniger arbiträr ausfallen. 590 So nicht Form. Tur. 7. Vgl. aber außer unserer Form. Bitur. 2 noch Form. Vis. 36 f.; Markulf2, 5 u. 41; Cart. Sen. 15 u. 32; Form. Sal. Bign. 21; Form. Sal. Merk. 5; 7; 22; 33 f. u. 36; Form. Sal. Lind. 3; Coll. Flav. Add. 3; u. Form. extrav. I25. 591 Vgl. die sämtlich römischrechtlichen Urkunden: aus Ravenna 551 J.-o. Tjäder, Die nichtliterarischen lateinischen Papyri Italiens aus der Zeit 445-700 II (Stockholm 1982) 91 ff. = Nr. 34 (Marini 119); Form. And. 37 a. E.; Form. Vis. 6 a. E.; u. 7 g. E. 589

III. Das fränkische Zeitalter

237

ein Archidiakon einen Archipresbyter ein. Das Schreiben erinnert an Bestallungsschreiben in Cassiodors Varien. b) Der Bestand an jüngeren Formeln Außerhalb der Sammlung sind aus Bourges 17 jüngere Fonneln bekannt, zwei einzelne und zwei Gruppen von sieben bzw. acht Stücken. Eine einzelne Fonnel ist in der Handschrift der Sammlung auf deren letzter, ursprünglich größtenteils frei gebliebener Seite rund 15 oder 45 Jahre später nachgetragen, das nach Herrscherjahr datierte Protokoll der Erklärung und Eintragung einer Schenkung an die Kirche 734 oder 765 n. Chr. 592 durch einen vir magnificus. Die römischen Selbstverwaltungsorgane der Stadt agieren ausfiihrlich. Die anderen 16 Fonneln stehen in einer aus Bourges stammenden Handschrift aus dem frühen 9. Jh. 593 mit einer Kurzfassung des Breviars, Markulfs Fonnelsammlung, der nach wenig mehr als drei Seiten sieben Fonneln aus Bourges eingefilgt und am Ende weitere acht angehängt sind; ferner mit Kapitularien und Stammesrechten. Auf den letzten 10 Seiten von insgesamt ursprünglich mindestens 450 fmden sich kleine filologische, theologische, filosofische und poetische Stücke. Und auf der allerletzten Seite steht noch einmal eine Formel594 und ist schließlich Kalendarisches später nachgetragen. Markulf vorgeschaltet, gegen Ende eingeschaltet und auch in die Fonneln aus Bourges eingeschaltet sind 16 geistliche Briefe, die vorgeschalteten zwölf fonnelhaft anonymisiert. 595 c) Die Gruppe der sieben Formeln Die gegen Anfang von Markulf eingefilgten, nicht gezählten sieben Fonneln teilen sich in sechs beieinander stehende Stücke, denen erst einmal drei geistli-

Zeumer, NA 6, 80; u. 11, 314. Ediert von Zeumer, MGH Form. 170 f. Nr. 6. Leiden, VB 114, u. Paris, BN 4629, ursprünglich eine einzige Hs., aber schon seit dem Mittelalter getrennt. Zu Beginn des kleineren zweiten, Pariser Teils fehlen einige Blätter. Im einzelnen s. jetzt Mordek 502-07. 594 Paris, BN 4629 BI. 56 Y , ediert von Zeumer, MGH Form. 171, als Nr. 7. Damit endete die Hs. ursprünglich. 595 Deshalb hat Zeumer sie in seine Ausgabe als Appendix zu den Formeln von Bourges aufgenommen, MGH Form. 179-181, s. zum Fundort S. 169 oben u. NA 6, 82 f. Unseren Gegenstand betreffen sie nicht, ebenso wenig wie die nicht anonymisierten Briefe an den Abt Andreas, die Zeumer im Vorwort zu den Formeln von Bourges abgedruckt hat (S. 167 f.), und der hier beiseitegelassene Brief Bischof Chrodeberts von Tours an die Äbtissin Boba, s. Mordek 503 f. 592

593

238

Drittes Kapitel: Die gallischen Werke im Einzelnen

che Briefe an einen Abt Andreas folgen; dann erst das siebte. 596 Es ist die anonymisierte Bittschrift einer Frau an Karl den Großen als Kaiser. Königliche missi hätten sie gezwungen, ihr Vennögen dem Bischof von Tours zu übertragen. Ein näherer Zusammenhang mit der Gruppe der sechs ist nicht zu erkennen. Unter ihnen sind drei Schreiben an den König, das mittlere an Ludwig den Frommen als neuen König von Aquitanien, also 781 n. ehr. oder kurz danach abgefasst. 597 Vor diesen drei Schreiben stehen zwei Freilassungsurkunden: eine Freilassung durch den Bischof,598 der im Einvernehmen mit seiner Gemeinde den kirchlichen Sklavenbestand dezimieren will und in Ausführung dessen einen freilässt. In der einleitenden Arenga sind drei Bibelstellen angeführt; Romanistisches enthält die Urkunde dagegen nicht, abgesehen davon, dass das peculium dem Freigelassenen belassen wird: peculiare, quod habet aut deinceps laborare potuerit, habeat concessum. Unrömisch, aber damals bei Freilassungen auch im romanischen Bereich allgemein üblich, wird ihm der Status eines Freigeborenen zuerkannt: tamquam si ab ingenuos parentibus fuisset

natus.

Zahlreiche Romanismen dagegen enthält die zweite, mit einer Überschrift

(Ingenuitas) versehene Freilassungsurkunde über eine manumissio in ecclesia

gleich mehrerer Sklaven im Stephansdom von Bourges offenbar durch einen Großbürger. 599 Es heißt: vindicta (que) liberare, und dann: sub constitucione

bone memoriae Constantine legum imperatoris, qua sanxum est, ut omnes, qui sub oculis episcoporum, presbiterorum seo et diaconibus manumittuntur, se in ecclesia sancta catholica. Zitiert ist die einschlägige Bestimmung des Breviars. 6OO Auch hier werden Patronatsrechte verneint: nullum quicquam debeant ... libertinitatis aut patrocinatus obsequium. SodaIin wird von den drei Graden einer Freilassung nach römischem Recht, die zu Beginn der Gajusepitome des Breviars dargestellt sind,601 der für den Freigelassenen günstigste als gewollt erklärt: Dum lex Romana declarat, ut, quicumque de servis suis in eis liberta-

tem conferrae voluerit, hoc per tribus modis facire potest, ego ... meliorem libertatem in ipsos ... adjirmare vellio, quia civis Romanus ipsos eos esse precipio, et secundum legum auctoritatis testamentum condere ... et ut civis Romani porte aperte vivant ingenui. 596 Zeumer, MGH Form. 174, Nr. 14. Die Briefe an Abt Andreas sind S. 167 f. in den Vorbemerkungen abgedruckt. Die Sechsergruppe S. 171-74 als Nr. 8-13. 597 Zeumer Nr. 11, s. Z. 3-5: secundum vultum piissime devocionis ... generatoris vestri egregii voluntate in his temporibus vobis regni gubernacula tradedit; s. Zeumer, NA 6,81, u. MGH Form. 173 Fn. 1. 598 Zeumer, MGH Form. 171 f., Nr. 8. 599 Zeumer, MGH Form. 172, Nr. 9. 600 LRV CTh 4,7, 1. 601 LRV GE 1, 1-4.

III. Das fränkische Zeitalter

239

Die letzte Formel dieser Sechsergruppe ist ein Geleitschreiben eines Geistlichen für einen Mörder, den er, offenbar ein Bischof, zu Verbannung verurteilt hat. 602 d) Die Gruppe der acht Formeln Die Gruppe von acht Formeln aus Bourges, die der Sammlung Markulfs folgt, enthält eine, die dritte, welche ins Jahr 805 datiert ist: anno tricensimo quarta regnante domno nostro Carolo rege, et ex co (gemeint quo). Christo propitio, sumpsit imperium 5. anno incoante ... ; zu dieser Formel gehören auch die ersten beiden und die vierte. Alle betreffen ein und dieselbe donatio ante nuptias. 603 Die erste mit der Schenkung selbst im einzelnen bemüht zunächst drei Bibelstellen zur Ehe und sodann die auctoritas der heiligen Kaiser, mit der verbotene Verbindungen abgewehrt werden: et Spiritus sanctus per sagrorum imperatorem sensit auctoritas et non inceste vel inlicitae ad procreandum human i generis coniunctio fiat. Damit sind die Gesetze gegen Inzest im CodexTitel des Breviars gegen Ende der zusammen elf Eheschließungstitel gemeint. 604 Offenbar brauchte der wenig galante, der Mentalität einer barbarischen Gesellschaft verhaftete Bräutigam diese Gesetze nicht zu fürchten. Im Text wird dann zur Wahl gestellt, ob die Schenkung, wie nach römischem Recht korrekt, am Tag vor der Hochzeit, immerhin die erste Wahl, oder, wie mittlerweile weit verbreitet, am Tag der Hochzeit beurkundet wird. 6os In der nächsten Formel beauftragt er einen Freund, die Schenkung in den Büchern der politischen Gemeinde von Bourges gehörig eintragen zu lassen. Die dritte enthält dann das Eintragungsprotokoll, worin die Organe der Stadt agieren, in einem Punkt genau nach einer Bestimmung des Breviars, wonach bei Eintragungen der Rat durch mindestens drei Ratsherren vertreten sein muss. 606 Die vierte Formel schließlich enthält die Vollzugsmeldung des Beauftragten an den Bräutigam, mit Stipulationsklausel am Schluss; Stipulatione adnixa. Dass zumindest die nächsten beiden Formeln und wahrscheinlich alle restlichen vier von Anfang an mit diesen vier Hochzeitsschenkungsformeln verbunden waren, ergeben die Überschriften der nächsten beiden. 607 Während zur ersten keine Überschrift erhalten ist, war die zweite Mandatum, die dritte Gesta 602 Zeumer, MGH Fonn. 173 f., Nr. 13. Es heißt nos secundum canonica auctoritate in exilio diximus ambulare. Auch wenn die Fonnulierung bescheiden klingt, so hat doch offenbar das Bischofsgericht getagt. 603 Zeumer, MGH Fonn. 174-176, Nr. 15 a-d. 604 LRV CTh 3, 12. Von der Eheschließung handeln Titel 5-15. 605 Zeumer MGH Fonn. 175 Z. 14 u. 24 f. 606 LRV CTh 12, 1,8, s. Zeumer, MGH LS V 176 Z. 5 u. Fn. 3. 607 Zeumer, MGH Fonn. 176-178, Nr. 16 f.

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Drittes Kapitel: Die gallischen Werke im Einzelnen

cum rescripto und die vierte Rescripto überschrieben. Die nächste, nach unserer Zählung fiinfte (die Handschrift zählt hier nicht), schließt in der Überschrift daran an: Incipiunt alii indicuU de diversis modis; und die sechste sagt: Item aUo indiculo, während die siebte wieder keinerlei Überschrift aufweist und die letzte: Litteras commendaticiis. Es handelt sich um vier Briefmuster, wortreiche Bittschriften um Wohltaten. Der erste Brief ist an einen Vermittler gerichtet, der den zweiten, an Bischof Ado von Lyon (769 - 798 n. ehr.) gerichteten Brief übermitteln soll. In diesem Anschreiben verweist der Bittsteller auf eigene Pflichten bei einem bevorstehenden Feldzug nach Galicien; und tatsächlich zogen Karl 778 und Ludwig der Fromme 797 nach Spanien. 6os In der siebenten Formel bittet eine Frau die Schwester des Königs, sich dafür zu verwenden, dass sie Äbtissin des Heiligkreuzklosters von Poitiers wird. 609 Und in der achten 610 setzen sich Schützlinge des Stephansdoms von Bourges beim Bischof und dem Klerus für einen entlassenen Priester ein. Das Schreiben bricht am Ende von Blatt 166 der Leidener Handschrift ab, die hier unvermittelt endet; vier Blätter sind weggeschnitten. 611 Auch am Anfang der Pariser Fortsetzung der Handschrift sind Blätter verloren gegangen. 612 Sie beginnt mitten in der Lex Salica, und auch diese Hälfte ist nur bruchstückhaft erhalten. Wir wissen also nicht, ob diese Formelsammlung noch weitere Stücke enthielt, was anzunehmen ist; nicht abschätzen lässt sich, wie viel verloren ist. e) Eine letzte einzelne Formel

Ganz am Ende des Pariser Teils der Handschrift, wo auch die ganze Handschrift endete (d. h. am Ende fehlen keine Blätter), fmdet sich wie gesagt nach 10 Seiten Nichtjuristischem noch eine Formel aus Bourges über das Aufgebotsverfahren bei Verlust von Besitzurkunden, das nach römischem Recht abläuft. 613

Zeumer, MGH Form. 176 Fn. 4; u. NA 6, 82. Zeumer, MGH Form. 178, Nr. 18. 610 Zeumer, MGH Form. 179, Nr.19. 611 Zeumer, MGH Form. 179 Fn. c zu Nr. 19. 612 Mordek 504. 613 Zeumer, MGH Form. 171 Nr. 7, s. Mordek 506. Dazu Zeumer aaO. Fnn. 1-4; u. ders., ZRGG 1 (1880) 93-100. 60S

609

III. Das fränkische Zeitalter

241

32. Die Formelsammlung von Tours a) Der Bestand

In Tours entstand um die Mitte des 8. Jhs. eine Formelsammlung mit ursprünglich 33, später 45 bzw. 49 Stücken und vorgesetztem Inhaltsverzeichnis. 614 Sie ist in drei Handschriften615 ganz erhalten, die erste davon mitsamt längerem Nachtrag (Nr. 34-45); und bruchstückhaft in einer vierten, die wieder nur den Grundstock enthielt. 616 Außerdem ist der Grundstock in eine Markulf einbeziehende Bearbeitung eingegangen, überliefert durch eine Pariser Handschrift;617 und in eine Auswahl nur mit Ersatzurkunden.6\8 b) Der Autor des Grundstocks Die Kirche spielt im Grundstock, anders als bei Markulf, keine herausragende Rolle;619 ebenso wenig der König. 62o Der Autor war also vermutlich Laie, der auch für Laien arbeitete, wohl ein Gerichtsschreiber und Notar. 621

614 Ausgabe: K. Zeumer, MGH Form. 128-65. Dazu ders., NA 6 (1881) 50-66; Conrat 296 f.; Brunner 581 f.; v. Ha/ban III 73-77; L. Stouf!, in: Melanges Fitting 11 (Montpellier 1908) 174-83; u. Siems 355. Zur Datierung bes. Zeumer, NA 6, 60-64, zur Ordnung des Urbestands 53 oben und 54 zu der des ersten Nachtrags. 615 1.-2. Viertel 9. Jh. Warschau, VB 1 (früher 480) aus Tours (Mordek 898-903) BI. 226-50 (davor eine gekürzte LRV und die Lex Salica in 99 Titeln, danach Isidor und Kanonistisches); 9. Jh. Paris, BN 10756 Teil 2 aus Frankreich (ohne Weiteres), das Inhaltsverzeichnis am Anfang den Nachtrag einbeziehend; u. Ende 9. Jh. Paris, BN 4409 aus Nordfrankreich (Mordek 463-66) BI. 135-44 (davor Isidor, LRV gekürzt, Lex Salica in 99 Titeln mit Königsliste und Glossar und danach Epitome Aegidii, soeben Nr. 29). 616 9./10. Jh. Rom, Vat. reg. 852 (Fortsetzung: 1431, Mordek 423) aus Frankreich BI. 1-6: vereinzelte Blätter von ursprünglich etwa 20 mit Form. Tur. 11 Ende bis 15 Anfang (BI. 1 f.), 18-23 (BI. 3-5) u. 33 (BI. 6, worauf nach Form. Tur. 33 anderes folgt). BI. 7 ff. der Hs. mit Epit. Aeg. sind von anderer Hand, gehörten also ursprünglich nicht dazu. 617 Paris, BN 2123 aus Frankreich, insoweit 9. Jh., BI. 105 v -53 (im übrigen Nich~u­ ristisches). 618 Paris 4405 (oben Kap. 2 Fn. 103), BI. 238 v u. 239r • 619 Sie kommt in Nr. I als Empfängerin einer Schenkung vor und in Nr. 7 als Verpächterin, s. Zeumer, NA 6,53. 620 In Nr. 27 bestätigt er Besitz nach Kriegs- oder Feuerschaden; und in Nr. 33 urteilt er als Appellationsrichter über Schadensersatz wegen Raub. 621 Zeumer, NA 6, 53 f. 16 Liehs

242

Drittes Kapitel: Die gallischen Werke im Einzelnen

c) Verhältnis des Grundstocks zum Breviar Im ursprünglichen Grundstock finden sich zahlreiche Bekenntnisse zum römischen Recht mit wörtlichen Zitaten. So beginnt die einleitende Arenga von Nr. 4 zur Übereignung einer villa: Latores legum sanxerunt, ut ... sola voluntas illius aut scriptura aut testibus conprobata pro omni jirmitate sufficiat, womit zutreffend LRV IT 4, 18,2 angeführt ist, wenn später im Haupttext auch weniger passend quia malo hoc te habere quam me, plus te quam ceteris heredibus meis aus LRV IP 2, 24, 6 zur Schenkung von Todes wegen hinzugefügt ist. In Nr. 11 zum Verkauf eines Findelkinds durch die eingeschriebenen Armen von St. Martin, die es fanden, heißt es am Ende aufwendig: secundurn sententiam illam, quae data est ex corpore Theodosiani libri quinti, dicens: "Si quis infantem ... ".

Damit ist LRV IT 5, 8, 1 gemeint. Die Formulierung soll derjenigen der Epitome Aegidii näher als der Interpretatio im Breviar selbst stehen. 622 Das stimmt nicht ganz: Form. Tur. Si quis infantem a sanguine emerit aut nutrierit,

Epit. Aeg. Si quis infantem a sanguine emerit et nutrierit,

si nutritum dominus ve pater eurn recipere voluerit, aut eiusdem meriti

si nutritum dominus vel pater recipere voluerit, aut eiusdem meriti mancipium aut pretium nutritor

mancipiurn aut pretium nutritor, quantum valuerit, consequatur.

consequatur

Breviar Si quis infantem a sanguine emerit et nutrierit, habendi eurn et possidendi liberam habeat potestatem. Sane si nutritum dominus vel pater recipere voluerti, aut eiusdem meriti mancipiurn nutritori dabit aut pretiurn nutritor, quantum valuerit, qui nutritus est, consequatur.

Zwar haben Formel und Epitome drei Lücken gemeinsam; aber die letzte Lücke ist in der Formel kleiner als in der Epitome; quantum valuerit konnte die Formel nicht aus der Epitome beziehen, nur aus dem Breviar selbst. Das Zitat passt übrigens nicht genau, denn die LRV-Stelle handelte nicht vom Finder, sondern vom Vater, dem die Interpretatio den Herrn beifügte. Ein genau passendes Zitat gibt es nicht.

622

Zeumer, MGH Form. 130 u. Fn. 2; u. v. Halban III 74 u. Fn. 7.

III. Das fränkische Zeitalter

243

In zwei weiteren Fonneln steht das Zitat der Epitome Aegidii aber wirklich näher als dem Breviartext. Nr. 16 gilt dem Sühnevertrag des Entfiihrers zur Raubehe. Die Arenga stellt ein wieder zwar nicht passendes Zitat aus der Lex Romana dar; aber da das römische Recht die Raubehe nicht anerkannte, gab es nichts passenderes als ein Wort zur, ohne Einwilligung der Eltern, aber sehr wohl mit Einwilligung des Mädchens geschlossenen Ehe (LRV IP 2, 20, 2): Fonn. Tur. Viventibus patribus inter filios familias sine voluntate eorum matrimonia non legitime copulantur, sed contracta non solvuntur.

Ep. Aeg. Viventibus patribus inter filios familias sine voluntate patrum matrimonia non legitime copulantur, sed contracta non solvuntur.

Breviar Viventibus patribus inter filios familias sine voluntate patrum matrimonia non legitime copulantur, sed si coniuncta fuerint, non solvuntur.

Die Fonnel und die Epitome haben beide contra eta statt si coniunctafuerint. In Nr. 29 unterwirft sich ein Kläger fiir den Fall unberechtigten Klagens Sukkumbenzstrafen. Im römischen Recht gab es, von kalurnniösen Klagen abgesehen, eine Sukkumbenzstrafe nur fiir den, der unberechtigt Rechtsmittel einlegte, LRV IP 5, 39, 1. In Ennangelung eines passenderen Anknüpfungspunkts greift die Arenga von Nr. 29 darauf zurück mit den Worten: Lex Romana pro utilitate human i generis exposcit, ut, worauf das Zitat selbst mit den Worten folgt: Fonn. Tur. si quando cuiuscumque iniusta appellatio conprobatur, sumptus, quos post appellationem adversarium suum accusator conpulit sustinere, non in simplum ei, sed in quadruplum ab accusatore cogatur restitui.

Ep. Aeg. Si quando cuiuscumque iniusta appellatio comprobatur, sumptus, quos post appellationem adversarium suum compulit sustinere, non in simplum ei, sed in quadruplum refonnare cogatur.

Breviar Si quando cuiuscunque appellatio iniusta pronuntiatur, sumptus, quos, dum sequeretur, adversarium suum compulit sustinere, non in simplum, sed in quadruplum ei refonnare cogetur.

Auch wenn die Fonnel zweimal verengend accusator bzw. ab accusatore einfiigt, hat sie mit der Epitome und gegen das Breviar nicht nur die Wortumstellung iniusta appelatio gemeinsam, sondern auch conprobatur statt pro nuntiatur und post appellationem statt dum sequeretur. Später nimmt die Fonnel stillschweigend eine andere Wendung der Lex Romana (aus LRV IT 4, 16, 1) auf, aber in der Fassung ihrer Epitome aus Churrätien, die sog. Lex Romana Curiensis (soeben Nr. 30): Fonn. Tur. malo ordine possidere

Lex Rom. eur. malo ordine possidet

Breviar male possederit

244

Drittes Kapitel: Die gallischen Werke im Einzelnen

Noch zwei weitere Fonneln von Tours stehen dieser Epitome näher als dem Breviar selbst. Nr. 24 fonnuliert die Bestellung eines Vonnunds durch das Gericht, beginnt mit Anführung einer wieder umgedeuteten Stelle aus der Lex Romana (IT 3, 18, 1) und gelangt dann zum Inventar, das nach dem Breviartext (IT 3, 19,4) schlicht öffentlich, d. h. mit Hilfe städtischer Stellen zu errichten ist, nach der Fonnel (s. gegen Ende) und der rätischen Epitome aber zweifach auszufertigen; außerdem ist hier nicht im Breviar selbst, wohl aber in der rätischen Epitome und in der Fonnel von der Verpflichtung des Vonnunds, das Mündel auch zu ernähren, ausdrücklich die Rede; et ipsos parvulos nutriant heißt es gegen Ende der Epitome, et ipsum pupillum exinde nutrire ... faciat nach der Mitte der Fonnel. Und Nr. 30 betrifft eine gerichtliche Leichenschau und Feststellung einer Notwehrhandlung. Das Verfahren ist fränkisch, doch beginnt das Fonnular mit einer Arenga, die LRV IT 9, 11, 2 umschreibt mit Worten, die wieder der Epitome Aegidii nahestehen; und später gebrauchen die Darsteller Fonnulierungen der rätischen Epitome. Zu Beginn heißt es: Auctoritate legis preceptum est, ut in toto !itis terminum requiratur, per quem orta est contentio, et Form. Tur. si quis ad faciendam rapinam adgreditur aut iter agentem insidiaverit aut domum alterius nocturnus spoliaverit, mors.anime ipsius ne requiratur.

Ep. Aeg. Si quis ad faciendam rapinam aggreditur aut iter agentem in praediis assederit aut domum alterius nocturnus spoliator intraverit, et occisus fuerit, mors latronis ipsius a nemine requiratur.

Breviar Quoties ad faciendam rapinam aliquis aut iter agentem aut domum cuiuslibet nuctumus exspoliator aggreditur, ... occisus fuerit ... mors latronis ipsius a nemine requiratur.

Die rätische Epitome hatte fonnuliert: Si quicumque homo aut noctumis horis aut diumis armatus forsitan alius homines aut de terra ambulantes aut in sua casa asalire voluerit, et si ipsi homines ... illum, qui eum adsalierit, occiserint, ...

Ähnlich drücken sich in der Fonnel zunächst die Zeugen aus (Zeumer S. 153 Z. 6 f.): dum aliquis homo nomine ille sollernniter sibi ambulabat, sic iam dictus quondam ipsum adsallivit ...

Und später ebenso der Täter selbst (Z. 12 f.): dum ipse sollernniter sibi ambulabat, iam dictus ille quondam eum malo ordine adsallivit...

III. Das fränkische Zeitalter

245

Nr. 14 betrifft eine Brautschenkung. Die Arenga beginnt Lex et consuetudo exposcit, ut und fahrt dann fort: Form. Tur. LRV IT 3,5,2 quicquid inter sponsum et sponsam Quoties inter sponsos et sponsas de futuris nuptiis de futuris nuptiis specialiter fuerit defmitum vel fuerit definitum et donationem Iargitum sponsalitiae largitatis vir in aut ex consensu pasponsam suam aut ex consensu parentum aut ipsi, si sui iuris rentum aut ipse, si sui iuris sunt, est, propria voluntate conscriscripturarum pserit et ornni eam scripturarum sollernnitate firmetur. solennitate firmaverit, ... Auch Nr. 15 beurkundet eine Brautschenkung, jetzt ohne Arenga. Darin heißt es: ... traditionem vel introductionem locorum secundum legem Romanam facere deberem: quod ita et feci. Ergo trado ei ... Damit ist offenbar auf LRV IT 8, 5, 1 S. 1 u. 2 verwiesen, den allgemeinsten Teil des römischen Schenkungsrechts. Unbeachtet bleiben dagegen die besonderen Regeln für Grundstücksschenkungen, nämlich das Erfordernis ihrer Eintragung in die gesta municipalia, obwohl die freilich ungewöhnlich lange Breviarstelle sie ganz am Ende erwähnt; und zumal die Privilegien rur die Brautschenkung, besonders IT

3,5,8.

Nr. 17 betrifft eine Ehegattenschenkung von Todes wegen. Die Arenga zitiert dazu den maßgeblichen Breviarsatz, IP 2, 24, 5, wortwörtlich,623 aber erst nach der fast wörtlich übernommenen Arenga der entsprechenden Formel bei Markulf (11 7), die in den Einzelheiten allerdings abweicht. Nr. 19 sieht eine einvernehmliche Scheidung vor. Als Arenga dient der ohne Herkunftsangabe vorgesetzte erste Satz der Interpretatio des Breviars zu Konstantins Verbot der freien Scheidung (lT 3, 16, 1), der so allgemein lautet, dass er sich, isoliert, mit dem Folgenden vereinbaren lässt; dieses gleicht sehr der entsprechenden Formel bei Markulf (11 30). Nr. 20 sieht eine Generalvollmacht der Ehefrau an den Mann vor; die Arenga leitet das mit einem treffenden Satz aus dem Breviar korrekt ein: Dum et humana prodidit utilitas et lex Romana exposcit, ut; es folgt wortwörtlich IT 2, 12, 4. Und in der Formel wird stillschweigend eine Wendung der IP, nämlich der Schluss von 2, 24, 6 zur Ehegattenschenkung von Todes wegen eingeflochten, obwohl sie auch isoliert nicht wirklich passt: Form. Tur. quia malo hoc habere te quam me, plus te quam ceteris heredibus meis.

IP 2, 24, 6

Illum agrum aut illam domum te malo habere quam me; te quam heredes meos.

623 Fast wortwörtlich wiederholt ihn die Epitome Aegidii.

246

Drittes Kapitel: Die gallischen Werke im Einzelnen

Nr. 21 betrifft eine Schenkung des Vaters an den Sohn ungeachtet etwa fortbestehender väterlicher Gewalt. Arenga ist ein Satz des Breviars über die Verbindlichkeit einer väterlichen Teilungsanordnung (IT 2, 24, 1 S. 1, letztes Drittel), hier übertrieben wirkend und wieder ohne Herkunftsangabe vorgeschaltet. In der Sache lehnt die Formel sich an ein Stück bei Markulf(1I 11) eng an. Das gleiche gilt von Nr. 22 (s. Markulf 11 10), womit Enkel von einer vorverstorbenen Tochter zu Lasten der Söhne zu Erben eingesetzt werden können, was nach römischem Recht nicht möglich war. Trotzdem ist aus der soeben genannten vollständigen Breviarstelle folgende Arenga dazu frei zusammengestückelt: Quicquid filiis vel nepotibus de facultate patris cognoscitur ordinasse, voluntatem eius in omnibus lex Romana constringit adimplere. Ebenso frei sind in Nr. 23, eine Adoptionsformel eines Kinderlosen, Markulf (11 13) und das Breviar (lT 5, 1, 2 u. GE 1, 5, 1) als Steinbruch benutzt, diesmal ohne ausdrückliche Benennung der lex Romana, obwohl die Sache römischrechtlich korrekt ist. Nr. 25 gilt einem Erbteilungsvertrag unter Geschwistern. Die hier besonders lange Arenga beginnt mit einer allgemeinen Ermahnung unbekannter Herkunft, alle Teilungen unter Verwandten schriftlich niederzulegen, um dann fortzufahren: Rornanamque legern ordinantern, ut, quicurnque in aetate perfecta pactionern vel diffinitionern per scripturam fecerit et hoc quod fecit impiere neglexerit aut contra earn ire praesumpserit, infames vocetur et ipsam causam agere non permittatur atque poenarn statutam cogatur exsolvere.

Das ist bis in die Wortwahl dem Breviar (IT 2, 9, 1) entnommen, nur war dort noch vor der Schriftlichkeit die eidliche Bekräftigung vorausgesetzt, sub sacramenti interpositione definitionis suae sagt dfe Interpretatio, invocato Dei omnipotentis nomine die Konstitution. Gleichgestellt waren Verträge beim Heil des Kaisers: nomina nostra placitis inserentes salutem principum confirmationem initarum esse iuraverint pactionum sagt die Konstitution, dominorum nomina coniurant, also auf gentile Fürsten umstellend, die Interpretatio. In Tours dagegen wird mittlerweile keinerlei Bekräftigung mehr verlangt. Nr. 29 sieht am Ende für den Fall einer Mordanklage eine alternative Arenga (inscriptio) vor, die mit LRV IT 9, 1, 8 wörtlich übereinstimmt; ob sie inhaltlich noch in fränkischer Zeit passte, steht dahin. 624 Nr. 32 schließlich betrifft einen Sühnevertrag nach Begründung einer Raubehe mit Willen des Mädchens, worin, wie schon bei der Raubehe gegen den Willen des Mädchens (Nr. 16), auf die an sich verwirkte Todesstrafe (LRV CTh 9, 19, 1 f) hingewiesen wird, die hier ausdrücklich auf das römische Recht zurückgeführt ist: .. .secundum legem Romanam pro hac culpa ambo pariter vitae periculum incurrissent vel sententiam mortis ob hoc scelus excepissent.

624

Ablehnend Zeumer, MGH Form. 130 Z. 22-24.

III. Das fränkische Zeitalter

247

d) Der Nachtrag Ein Nachtrag mit zwölf weiteren Stücken, nur in der Warschauer Handschrift bis auf zwei Stücke erhalten, stammt von einem andern. 625 Hier kam die Kirche stärker zur Geltung. 626 Andererseits ist die lex Romana nicht mehr angeführt, auch nicht stillschweigend ausgebeutet. Vielmehr stehen diese Formeln entschiedener auf dem Boden des zeitgenössischen fränkischen und kirchlichen Rechts, wenn sich auch kein ausdrückliches Bekenntnis dazu fmdet. Schon die ersten 33 Stücke enthielten ja entgegen ihrem ostentativen Bekenntnis zum römischen Recht, das ihre Behandlung als Werk der römischen Jurisprudenz bedingt, in der Sache viel Fränkisches,627 wie allein schon die häufige, freilich stets stillschweigende Benutzung Markulfs628 nahelegt. Überdies hat die Warschauer Handschrift zwei Formeln des Nachtrags durch drei noch jüngere ersetzt. Und als Überarbeitung stellt sich eine dritte Pariser Handschrift aus dem 9. Jh. dar, welche die ersten 32 Stücke mit Ergänzungen aus Markulf enthält und das 33. durch eine aktuellere Formel ersetzt hat. 629

33. Die Formelsammlung von Clermont Ferrand Von der Formelsammlung von Clermont Ferrand, Vorort der Auvergne, ist nur ein Bruchstück in einer einzigen Handschrift aus dem 9. Jh. erhalten. Den acht Blättern mit den Arverner Formeln, nach denen die Handschrift abbricht, gehen 46 Blätter mit Exzerpten aus dem Breviar voran. Zwischen beiden Teilen fehlt ein Blatt, auf dem die Sammlung begann. 630 Die Franken sind die andern; denn in der ersten erhaltenen Formel wird ein Urkundenverlust auf hostilitas Francorum im Gutshaus des Ausstellers zurückgeführt, das auf dem Gebiet von

Zeumer, NA 6,51-56; u. MGH Fonn. 132 unten. 626 Nr. 34 betrifft einen Verkauf an ein Kloster unter Vorbehalt eines Nutzungsrechts. Nr. 35 f dagegen waren ursprünglich keine Grundstücksgeschäfte mit der Kirche unter Vorbehalt eines entgeltlichen Nutzungsrechts, während zwei der drei Ersatzfonneln sich dann auf die Kirche bezogen, Zeumer, MGH S. 159 f. (Additam.), s. dens., NA 6, 54. Nr. 37 betrifft eine Schenkung von Todes wegen an die Kirche. 627 Das betonen Zeumer, NA 6,64 f; ders., MGH Fonn. 129 f; u. v. Ha/ban III 7477, dieser gegen Conrat 296 f., der die römische Komponente stärker betont hatte. Stouff (0. Fn. 370) 90-104 betont die Herausbildung eines Mischrechts damals. 628 Zeumer, NA 6, 62 f; u. MGH Fonn. passim. 629 Paris, BN 2123 u. dazu Zeumer, NA 6, 51; 56 f.; u. MGH Fonn. 132. Zu einer weiteren Neubearbeitung Zeumer, NA 6, 66 630 Paris, BN 4697. Dazu K. Zeumer, MGH Fonn. (von 1882). 625

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Drittes Kapitel: Die gallischen Werke im Einzelnen

Clennont gelegen ist. Nach Zeumers schließlicher Ansicht631 waren damit die Feldzüge Pippins 760 und 761 n. Chr. gemeint, durch die Aquitanien mit der Auvergne dem fränkischen Reich wieder fest eingegliedert wurde. Brunner meinte dagegen,632 und ohne klar Stellung zu nehmen folgen ihm im Ergebnis Nehlsen-von Stryk und Siems,633 so habe man sich im unmittelbaren Machtbereich der Frankenkönige in einem allgemein zugänglichen Fonnularbuch oder gar in einer öffentlichen Urkunde nicht ausdrücken können; 761 ist fiir Brunner Tenninus ante quem, Nehlsen-von Stryk setzt sie in der ersten Hälfte und Siems in der Mitte des 8. Jhs. an. Aber solche Klagen gibt es auch in den noch jüngeren Fonneln von Bourges, sogar in einem Bittschreiben an König Ludwig den Frommen 781 n. Chr. 634 Die Franken waren nicht so empfindlich wie modeme Staaten, wenn die Feindseligkeiten zu einem Sieg der fränkischen Waffen gefiihrt hatten. Die acht erhaltenen Stücke, das erste ohne Anfang, das achte ohne Schluss, anfangs zweimal je zwei unter einer Nummer, so dass der erhaltene Bestand bis sechs zählt, enthalten zahlreiche Bekenntnisse zum römischen Recht. Die erste, mit der ein Aufgebotsverfahren bei Verlust von Besitzurkunden durch Krieg eingeleitet wird, beruft sich dafür auf eine Bestimmung der Kaiser Honorius und Theodosius (11.): iuxta principum Honorii et Theodosii consulum decretum und später noch einmal: iuxta legum eonsuetudinem, wobei eine römisch organisierte kommunale Selbstverwaltung vorausgesetzt ist. 635 Dementsprechend werden in der anschließenden Formel (Nr. Ib), Gesta überschrieben, defensor eivitatis und Stadtrat angeredet: Unde ergo te, vir laudabilis illum, defensorem, nec non et vos, honorati, qui euras publicas agitis adsidui, oportet me euriae ... ; und gegen Ende heißt es ut mos est, gestis mimicipalibus eam facialis adlegare eum petitiones nostras usf. Nr. 2a beginnt mit folgender Arenga: Mos iniunxit antiqua, principum iura decreta sancxerunt usf.; und 2b, überschrieben: Hic habet gesta, beginnt: Arvernis aput vir laudabile illo defensore vel curia pubpliea ipsius civitatis... ; später sagt eine Beteiligte: quae gestarum allegatio eupio roborare. " und weiter heißt es: Memoratus defensor dixit: "... propter sollemnetatem lex scripturas adfirmatum ... gestis munieipalibus adligare ... " fam dietus defensor et ordo curie dexerunt: ... Tune unus ex notariis ... in publico recitavit. Prefatus defensor dixit: "Haee gesta ... ". Ille defensor eum 631 K. Zeumer, NA 11 (1886) 334-37, kurz auch MGH Form. 726 (von 1886), von S. 26 f. abweichend. 632 Brunner 580 f. 633 Nehlsen-von Stryk 51; u. Siems 349. 634 Form. Bitur. 11: ... captivorum, quos Alamanni aut Franci impia congressione prede tradiderunt ... Zu der zweiten Sammlung von Bourges, woraus das Stück stammt, oben Nr. 31 unter c). 635 Dazu K. Zeumer, ZRGG 1 (1880) 93-100; zur Bezeichnung der Kaiser als Konsuln Conrat 295 Fn. 2.

III. Das fränkische Zeitalter

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suis curialibus ... Das kommunale Notariat arbeitet im Rahmen der kommunalen Selbstverwaltung noch reibungslos. Nr. 3 der Sammlung, eine Freilassungsformel mit der terminologisch korrekten Überschrift Libertatem und nicht, wie sonst, ingenuita(ti)s,636 bezieht sich ausdrücklich auf die lex Romana. Zunächst beginnt die Arenga mit den aus spätrömischen Testamenten und Schenkungen von Todes wegen bekannten Worten: Metuens casum fragilitatis und verbindet damit durch ein irreführendes et eine ausführlichere Formulierung dieses Gedankens, wie sie erstmals, allerdings richtiger, bei Markulf anzutreffen ist; von dort scheint sie bezogen zu sein. 637 Obwohl es sich, damals das Übliche, um eine manumissio in ecclesia handelt, ist romanisierend von vindictam liberare die Rede wie in anderen späten römischrechtlichen Freilassungsformeln. 638 Dann ist allerdings doch noch aufbauschend von praecipimus esse bene ingenuuus die Rede. Vor allem aber heißt es gegen Ende mit großer Geste: Quicquid persona aut religiosi de eorum mancipia, data libertate, conferre voluerit, secundum legem Romanam hoc facere po test, id est Latina, dedititia et cives Romana (es geht um eine Frau). Meliore statum habet, testamentum condere ... habeat potestatem sicut et alii cives Romani. Hier ist offenbar auf den Beginn der Gajusepitome im Breviar Bezug genommen. 639 Die Parallelformel Nr. 4 sagt entsprechend: ... intromissus in ordinem civium Romanorum ... , und: ... cives Romana se esse agnoscant. Man agiert unter Romanen. Trotzdem haben vier Formeln das fränkische Wort alode. 640

34. Die sog. Epitome monachi Wohl im frühen, vielleicht auch erst im mittleren 8. Jh. 641 hat ein gallischer642 Mönch auf Geheiß seines Abts eine kürzere Fassung des Breviars her636 So Fonn. Marc. II 32 f.; Cart. Sen. 1; Fonn. Sen. rec. 9; Fonn. Sal. Bignon. 1; u. Fonn. Sal. Merk. 13 f.; ebenso die römischrechltichen Fonn. Tur. 12; 35 f. aus dem Anhang; Fonn. Bitur. 9; u. schon Fonn. And. 20 u. 23. 637 Zeumer, NA 11, 335 f. 638 Cart. Sen. App. 3; u. Fonn. Bit. 9. 639 LRV GE 1, 1-4, u. dazu Zeumer, NA 11,336. 640 Nr. 2a, 3, 4 u. 6, s. Zeumer, NA 11, 334 f. 641 Tenninus ante quem sind die beiden alten Hss.: Berlin, SB PhilIipps 1735 aus dem frühen 8., und Paris, BN 4403B mit BI. 1-7 aus dem 8. Jh., der Rest aus dem 9., o. Kap. 2 Nr. 26. In beiden Hss. fehlt insbes. der Prolog, der nur in der jüngsten Hs. (Paris 4419) erhalten ist. Deshalb und weil beide Hss. noch anderes enthalten: die Berliner theodosianische und justinianische Novellenauszüge und die Pariser den pactus legis Salicae, kann keine von beiden die Urschrift sein. Conrat 240 erwägt auch das 7. Jh., aber wohl nur aufgrund eines Missverständnisses: Die von Hänel 3 rechts oben fonnuHerte Überschrift hält er (238 u. Fn. 9) für Epitometext, s. schon ob. Fn. 223.

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Drittes Kapitel: Die gallischen Werke im Einzelnen

gestellt, wobei er sich meist wortwörtlich an die Interpretationen oder Teile aus ihnen hielt, öfter statt dessen und zuweilen daneben an Konstitutionen- bzw. Sentenzentext;643 zuweilen sind Haupttext und Interpretatio nacheinander epitomiert. 644 Doch gibt es, auch abgesehen von den Kürzungen, noch Eigenes: einen einschmeichelnden Prolog, wenn auch nur in der jüngsten der drei erhaltenen Handschriften aus dem 10. Jh.; außerdem vor gehaltvollen Büchern Titelverzeichnisse mit Erweiterungen der Titelrubriken, die oft auch im fortlaufenden Text hinzugefügt sind; ferner Überschriften zu einzelnen Stellen; und schließlich einzelne inhaltliche Zusätze. Diese Eigenleistungen sollen jetzt im einzelnen betrachtet werden. Der Prolog lautet: 645 Quisquis opportuna vacatione minime perfruitur aut capacitate sensus vel prudentia plene imbutus non invenitur, ut iura librorum, id est leges Romanorum plenissime perscrutetur, hoc quod a nobis parvum volumen, quasi de magnis silvis surculum abscissum videtur, integre perlegere non aborreat, et videbit sibi non parvurn in huius operis brevitate inesse compendium, dum sublatis pragmaticis vel longissirnis assertionibus, tarnen ornnes earum definiciones in hac nostra reperiantur scedula. Volumus etiam ornnia capitula legis huius integra admonitione contexere, ut si quando aliqua requirenda sunt, absque mora de hoc breviario nostro possis in auctorem volurninis transire. Dignum videtur, ut haec nostra exemplaria quasi edita suboies suam matrem irnitetur: Et si cui haec forte, quae a nobis sunt quasi in enchiridion adstricta, displicuerint, aut ad plenissimum iuris convertat laborem aut, si excerpta ei placuerint, ipse proprie manu, ut libet, adscribat et tunc nobis inputet imprudenter et in vacuum laborasse, cum ipse ex suo labore confecerit. Et tarnen ego non ingenii mei fretus aut temeritate propria haec scribenda arripui, sed obedientiam abbatis mei obsecutus etsi ignaviter, tarnen ut potui adimplere curavi. Bemerkenswerterweise hat der Prolog keine Briefforrn, obwohl der Leser zwar zunächst unpersönlich quisquis heißt, in der Mitte aber in der zweiten Person angesprochen ist, um freilich alsbald wieder zum bloßen quis zu werden; der Schreiber andererseits beginnt im Pluralis auctoris, um am Ende in den Singular zu verfallen. So schmal wie angepriesen ist die Epitome allerdings nicht ausgefallen. Der Mönch nennt sie parvum volumen, vergleicht sie mit einem 642 Weil alle Hss. aus Gallien stammen, Hänel XXIX; Conrat 240 u. 311 Fn. 4 a.E. Im Bericht über einen Prozess Bischof Aldrichs von Le Mans vor Kaiser Ludwig 838 n. Chr. in Aachen führten dessen Juristen mehrere BreviarsteIlen an, darunter PS 1, 8, 2 anscheinend in der Fassung der Ep. mon. die allerdings der Breviarfassung sehr nahe steht: § 51 nach der Mitte = S. 157 der Ausg. d. Gesta dornni Aldrici v. R. Charles u. L. Froger (Mamers 1889). 643 Hänel XXX u. Fnn. 75 f. 644 So NT 2; PS 1, 17,2; 1, 19,2; u. CG 4, 2. 645 Mit den besseren Lesungen von J. Godefroy, Codex Theodosianus, Proleg. Cap. VI = Bd. 1 S. CCXXIV d. Ausg. Leipzig 1736, soweit sie Hänel 3 billigt. Er vermutet, dass Godefroy sie einer heute verschollenen Hs. entnommen hat.

III. Das fränkische Zeitalter

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Zweig aus einem großen Wald, womit das Breviar selbst gemeint ist, nennt sie compendium, ein Blättchen (haec nostra scedula), breviarium, ein Handbüchlein (enchiridion) und vergleicht sie wiederum mit einem Neugeborenen, dessen Mutter das Breviar ist. Dieses Bild dient andererseits auch dazu, zu versichern, dass die hergestellte Kurzfassung ein getreues Abbild des Originals sei (haec nostra exemplaria quasi edita suboies suam matrem imitetur); schon gegen Anfang hatte es geheißen, das compendium sei klein und enthalte trotz seiner Kürze alles Wesentliche (omnes definiciones) der geschäftskundigen und ausführlichen Darlegungen, nämlich des Breviars. Auch das stimmt nicht ganz, da immer wieder einzelne Stellen übergangen sind,646 von denen keineswegs alle mittlerweile obsolet waren, was sich auch daran zeigt, dass die andern Epitomen diese Stellen nicht übergehen: über die Unwirksamkeit fürstlicher Moratorien; die Postulationsunfahigkeit von Frauen und die Ausnahmen davon; das Eheverbot zwischen Juden und Christen; die Beweisregel, ein Ehebruch sei manifest, wenn des Ehebruchs Angeklagte, die zunächst aufgrund von Zeugnisverweigerungsrechten freigesprochen wurden, später heiraten; die Unanfechtbarkeit von Konzilsurteilen; die Überwachung einer ihre Schwangerschaft ableugnenden Ehefrau; oder das an den Hausvater gerichtete Verbot, eine gute Ehe seiner Kinder usf. zu trennen. 647 Die Erweiterungen der Titelrubriken vor allem in den Titelverzeichnissen vor den einzelnen Büchern, selten auch oder nur innerhalb der Bücher, ähneln sehr den älteren Explanationes titulorum (oben Nr. 18),648 ja, sie sind oft noch knapper. Viele erscheinen nur in einer der drei Handschriften. Außerdem sind sie ungleichmäßig verteilt: im Leges-Teil recht selten, sehr häufig dagegen bei der Gajusepitome und den Sentenzen, deren schlichter Stil die Arbeit erleichterte. Zum Gregorianus, Hermogenianus und dem Papinianfragment fehlen sie ganz. Kurze Betreffe vor einzelnen Stellen enthält vor allem die wohl älteste, die Berliner Handschrift, und zwar einigermaßen gleichmäßig über das ganze Breviar verteilt, bis CTh 2, 12 auch in den anderen Handschriften; deshalb sind sie wohl ursprünglich, haben nur die jüngeren Abschreiber sich die Arbeit mit der Zeit etwas erleichtert. Mitunter unterbrechen die Betreffe auch den Text einer Stelle, trennen ihn in zwei oder mehrere Teile. Regelmäßiger als sonst finden sie sich vor der letzten Stelle eines Titels, vielleicht nur, weil hier der Zusammenhang mit der Titelrubrik oft besonders locker war. Ein Querverweis auf die Parallelstelle CTh 2, 26 findet sich zu PS 1, 16: ... sicut in Theodosiano libro secundo sub aera vicesima sexta dicitur. Zusammengestellt von Hänel XXX Fn. 81. Hinzu kommt LRV CG 7, 1. LRV CTh 1,2,6; 9, 1,2; 9, 4, 4; 9,4,7; 11, 11,3; LRV PS 2, 25, 7; u. 5, 7, 13. 648 Beispiele bei Conrat 239 u. Fn. 2. Die älteren Explanationes scheinen benutzt zu sein, Hänel XXX u. Fn. 87. 646 647

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Drittes Kapitel: Die gallischen Werke im Einzelnen

Die Novellen Marcians sind als Buch 3 der Novellen überschrieben; die eine Novelle von Severus als Buch 5. 649 Die Epitome stammt also von einer Breviarausgabe ab, in der die Novellen nach den fünf Kaisern in fünf Bücher geteilt waren. Besondere Aufmerksamkeit für kirchliche Belange tut sich kund zu IT 2, 25, wo der Grundtext lautet: In divisione patrimoniorum seu fiscalium domorum sive privatorum ...

Der Mönch umschreibt das mit den Worten: In divisione patrimoniorum vel emphyteuticariis (dieses Element ist dem Konstitutionentext, CTh 2, 25, entnommen) hoc est beneficia ecclesiae (so die Berliner Hs., die anderen: hoc est sanctorum seu et fiscalium) sive privatorum ...

Ähnlich verhält es sich zu IT 3, 19,3, wo der Grundtext sagt: ... possessionem iuris emphyteutici, hoc est, quod ex fisci bonis ...

Das gibt der Mönch mit den Worten wieder: possessiones iuris emphyteuticae, hoc est, quod ex fisci bonis vel ecclesiae ...

Der exemplarische Fall des Bischofs Chronopius, der unzulässigerweise gegen ein Urteil seiner Mitbischöfe appelliert hatte und dafür mit 50 Pfund Silber für die Armen büßen musste (CTh 11, 11, 3), ist kurzerhand weggelassen, während die Epitome Aegidii die Buße auf 20 Pfund gemildert hatte. Germanisches Rechtsdenken tut sich im Bürgschaftsrecht kund. Honorius hatte 422 verboten, Abhängigen ohne vorherige Ermächtigung durch den dominus Darlehen zu gewähren; aber er hatte das Geschäft, nunmehr ausnahmsweise, weiterhin gelten lassen, wenn sich jemand für den Abhängigen verbürgte,65o jideiussoribus specialiter 'acceptis sagt CTh 2, 31, 1; qui ... jideiussores (non) acceperint die Interpretatio. Daraus macht der Mönch (ni)si per manum jideiussoris datafuerint (sc. pecunia). Der Bürge ist also Mittler zwischen Gläubiger und Schuldner, hat diesem gegenüber eine prävalente Stellung. So verhielt es sich im germanischen Recht. 651 Conrat führt zu per man um jideiussoris Kap. 8 des Kapitulare Karls vom März 806 an, wo es von nachlässigen Gerichtsherren heißt iustitiam per jideiussorum manus tradant. 652 Ebenso wird man auf germanische Umgebung zurückführen, wenn an die Stelle der Aktivlegitimation 649 Grammatisch freilich nicht korrekt heißt es Incipiunt divi Martiani novellarum Iibri III. (sc. capitula); bzw. Incipit divi Severiani novellarum Iiber V. 650 CTh 2, 31, 1 u. nur zum Verbot selbst, Kaser II 103. 651 R. Hübner, Grundzüge des deutschen Privatrechts (5. Aufl. Leipzig 1930) 507-16, bes. 512-14; u. E. Kaufmann, HRG I (1971) 565-69, Art. Bürgschaft (von 1966). 652 MGH Cap. I 131 f. Conrat 239 Fn. 8.

III. Das fränkische Zeitalter

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zur actio forti die Befugnis zum componere tritt. 653 Schlicht eine vernünftige Aushilfe stellt es dagegen dar, wenn bei zu verantwortendem Untergang der geliehenen Sache aus einer unmöglichen redhibitio(nem) commodatae rei der Interpretatio ein sinnvolles restituat similia vel pretium wird. 654 Ebenso vernünftig ergänzt unser Mönch die Sanktionen des Breviars für habgierige Anwälte: Standesemiedrigung und Berufsverbot, durch Infamie: et infamia eos notari. 655 Und hilfreich muss es gewesen sein, wenn beim Straftatbestand der Veränderung einer Grenzbezeichnung zur Tatbestandsbeschreibung mit den Worten des Breviars in zeitgenössischer Terminologie vel qui convellunt bodones hinzugesetzt ist 656 Schließlich gerät unser Mönch im Bestreben, einen unverständlich gewordenen Ausdruck des Breviars zu erklären, auch einmal in die Irre: ohne Führung durch den Grundtext fügt er zu PS 4, 9, I, wo von Ius Quiritium die Rede war, an: Ius Quiritium hoc est quae (es geht um Frauen) civitatem Romanam non est consecuta. 657 Hin und wieder weicht die Zählung der Titel oder der einzelnen Stellen im Titel durch Verbindung mehrerer Titel oder Stellen oder durch deren Aufspaltung von der Zählung im Breviar geringfügig ab. 658 Die Subskriptionen der Konstitutionen sind nur sporadisch bewahrt, was aber auch an der Nachlässigkeit der Kopisten liegen kann, worauf vielleicht deutet, dass sie am Ende eines Titels häufiger erhalten sind. 659 Im Gregorianus und Hermogenianus sind auch die Inskriptionen erhalten, in der Berliner Handschrift manchmal auch sonst, in allen bei NT 2. Im Allgemeinen wurde die Arbeit verständig und benutzerfreundlich ausgeführt, wie auch die geringe Zahl der Beanstandungen zeigt. Man konnte mit dem Werk zurechtkommen, ohne auf den Grundtext zurückgreifen zu müssen; dass der Prolog den Rückgriff anheimstellt, ist Ausdruck der Bescheidenheit unseres Mönchs, der, da zumindest die beiden älteren Handschriften aus Burgund kommen, am ehesten dort wirkte; dazu passte auch die Verknüpfung mit Justinianischem schon in der Berliner Handschrift. Er war ein tüchtiger, sich klar ausdrückender Jurist, der sich auch, wenn er kürzte, möglichst wörtlich an die Vorlage hielt; formulierte er selbst, dann wurde sein Latein zeitgemäß

653 LRV PS 2, 32, 21 u. Ep. mon. dazu. Dagegen sind die von Conrat 239 Fn. 8 noch genannten Stellen PS 2, 4,3 (dazu sofort) u. CTh 2, I, 12 zu wenig signifikant. 654 LRV PS 2, 4, 3 u. Ep. mon. dazu. Spezifisch Germanisches ist daran entgegen Conrat 239 Fn. 8 schwerlich zu erkennen. 655 Ep. mon. CTh 2, 10, 1 a. E. 656 Ep. mon. PS 5, 24, 2. 657 Ep. mon. PS 4, 9, I. 658 Hänel XXX u. Fnn. 77-86. 659 Hänel XXX u. Fn. 74.

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Drittes Kapitel: Die gallischen Werke im Einzelnen

schlecht. 660 Inhaltlich sind seine Lösungen verständig und auf Praktikabilität bedacht; er nahm die römische Tradition ernst, begünstigte weder die Kirche zusätzlich noch gab er germanischen Rechtsvorstellungen oder Vulgarismen nennenswerten Raum. Insbesondere öffnete er seinen Text nicht in dem Maße, wie es die Epitomen Guelferbitana und Aegidii taten, dem Selbstverkauf in die Sklaverei,661 wiewohl er die grundsätzliche Öffnung durch die Interpretatio zu CTh 4, 8, 6 (= LRV CTh 4, 8, 2) beibehielt.

35. Scintilla I (sog. Epitome Parisina) a) Überlieferung Die sich Scintilla nennende Breviarepitome, heute Epitome Parisina genannt, ist unvollständig in einer einzigen Handschrift aus dem 9. Jh. erhalten, jetzt in Paris,662 im 12. Jh. in Blois an der Loire, Kloster St. Launomar bzw. St. Lomer. An der Loire könnte die Handschrift auch entstanden sein, wie Hänel, Mommsen und Gaudemet annehmen,663 kaum in Burgund, wozu Mordek und Esders neigen. 664 Denn sie begann ursprünglich mit einem ostentativen Bekenntnis zum fränkischen Recht, der Lex Salica in ihrer offiziellen karolingischen Fassung und drei Kapitularien. 665 Der rörnischrechtliche Tei1 666 der Handschrift beginnt mit Stellen aus dem Breviar, und zwar zunächst mit der umfangreichen Novelle Valentinians m. über die bischöfliche Gerichtsbarkeit, die Novelle selbst und ihre nicht viel weniger ausführliche Interpretatio. Allerdings gibt es eine Lücke. Es fehlen die letzten gut sieben Zeilen (von zusammen 68 in Hänels Druck) der Novelle und die ersten sieben (von ca. 60) der Interpretatio; statt dessen findet sich ein Kreuzeszeichen (BI. 4). Da sich die verbleibenden 114 Druckzeilen in Hänels 660 Hänel XXX u. Fnn. 88 f. 661 Oben Nm. 24 etwa Mitte u. 29: PS 2, 19, I ist nicht verallgemeinert wie in der Wolfenbütteler und der Epitome Aegidii. 662 BN 10753 BI. 9-48; einzelne Stellen BI. 53' (CTh 14 u. PS 5, 12, 4) u. 82 v-83 (GE I).

Hänel XXVII u. LXXIX f.; Mommsen LXXXIX - XCII u. CI f.; u. Gaudemet 44. Mordek 581 (zur Hs. bis 585); u. Esders 56 (zur Hs. bis 77). 665 BI. 91-125 standen einst am Anfang der Hs., zuletzt Mordek 581; u. Esders 59. 666 BI. 1-48. Esders 59 trennt diesen nicht vom burgundischrechtlichen Teil, Bi. 4989, obwohl die Hs. mit BI. 49 neu ansetzt, auch ein anderes, heute weicheres Pergament 663

664

verwendet. Schief ist seine Verknüpfung "besteht aus einer Kompilation römischen Rechts und dem vom römischen Recht deutlich beeinflussten Rechtsbuch der Burgunder (Liber constitutionum)", auch weil es sich bei diesem gerade nicht um ein bloßes Rechtsbuch handelt.

III. Das fränkische Zeitalter

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Ausgabe auf 12 Seiten zu meist 28 und weitere 25 Zeilen der Handschrift verteilen, eine Seite derselben also knapp neun Druckzeilen umfasst, lässt sich das Loch dadurch erklären, dass in der Vorlage so viel Text fehlte, wie 45 der jetzigen Manuskriptzeilen entsprechen. Wenn die Blätter der Vorlage etwas weniger Text fassten als die unserer Handschrift, war hier also ein Blatt ausgefallen. Es folgen eine BreviarsteIle aus der Gajusepitome, nämlich die ersten anderthalb Titel mit Personen- und Freilassungsrecht, eine kurze Stelle aus dem burgundischen Römergesetz gleichfalls über Freilassung und zwei nur wenig längere BreviarsteIlen aus der Interpretatio zum Theodosianus über liebloses Testament und lieblose Schenkung. All das nimmt in unserer Handschrift acht Blätter und 18 Zeilen ein. Die Scintilla beginnt noch auf der Vorderseite von Blatt neun (Z. 19) unter der Überschrift Incipiunt capitula de lege Romana mit einem ausführlichen Titelverzeichnis bis BI. 12, wo die rechte Spalte nach acht Zeilen, Titel 9-12 der Novellen von Theodosius 11., abbricht; der im Breviar nicht existierende zwölfte Titel ist in Wahrheit der von CTh 9, 6. Offenbar war der unmittelbaren Vorlage mehr nicht zu entnehmen, aber der Schreiber, dessen Text mitten im elften Novellentitel von Theodosius abbricht, wollte das Titelverzeichnis vervollständigen, hat nach einem irregeleiteten Ansatz jedoch aufgegeben. Auf BI. 13 folgen zunächst fünf Zeilen in riesigen Lettern, ab modeca in normaler Größe, eine neue Überschrift und kurze praefatio: In Nomine Sanctae Trinitatis. Incipit Scaedule Legis Romanae, quae ideo Scintilla vocatur, quia sicut modeca scintilla ignis lumen magnum nutrita ministrat, ita haec diligentius perscrutata multam intellegentiam legentibus praebet. Est enim capitolatio declarata, causas ostendens sub titulo.

Vergleichbares haben wir nur bei der Epitome monachi (soeben Nr. 34), was beide Werke als Schreibtischarbeiten ausweist, die selbständig bestehen sollten, keine bloßen Niederschriften mündlichen Unterrichts darstellten wie Epitome Aegidii und Lex Romana Curiensis (oben Nm. 29 f.), die ihrerseits ursprünglich unselbständige Begleittexte zum Breviar waren. Es folgt der Scintilla-Text, der auf dem voll beschriebenen BI. 48 v mitten im vierten Satz zu NT 11, 2 abbricht. Dieser Text muss in der Vorlage also fortgesetzt gewesen sein; ursprünglich muss er mindestens bis Buch 5 der Sentenzen gereicht haben (s. sofort). Schon die Vorlage unserer Handschrift wird aber nicht viel weiter gereicht haben und das Titelverzeichnis unserer Handschrift aus ihr zusammengeklaubt sein, wie sich auch daraus ergibt, dass Abweichungen vom Breviar selbst sowohl hier als auch hinten gleich lauten, z. B. zu CTh 16, NT 4 und 8, nicht dagegen bei NT 6, wo praet. offenbar erst bei Erstellung des Titelverzeichnisses weggefallen ist. Dieses hat also keinen selbständigen Zeugniswert.

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Drittes Kapitel: Die gallischen Werke im Einzelnen

Der eigentliche Text beginnt mit der Überschrift Theudosii liber primus in titulis. Der nächsten Zeile ist eine rote I vorgesetzt; dann heißt es: Imp. Theu(dosius) et Valentinianus Hierio p(raefecto) p(raetori)o, die Inskription von LRV CTh 2, 3, 1. Nach diesem misslungenen Start folgt aber eine im Ganzen qualitätvolle Epitome, die einzelnen Sätze zwar nicht durch Beginn einer neuen Zeile voneinander abhebend, aber oft durch vor die Zeile, in der ein neuer Satz beginnt, gesetztes A, B, C usw. wie bei den Paragrafen in Mommsens Digestenausgabe Übersicht schaffend. Diese Zählung der Konstitutionen ist nicht durchgehalten, setzt aber immer wieder ein. Im nächsten, nach erstens Lex Salica nebst Kapitularien und zweitens römischem Recht, also im dritten Teil mit der Lex Burgundionum sind kleinere römischrechtliche Stellen eingesprengt, die offenbar alle der Scintilla entnommen sind, aber nicht nur CTh und NT betreffen, sondern auch eine SentenzensteIle aus dem fünften Buch und Gajus, den ersten Titel. Zunächst findet sich nämlich gleich auf der ersten Seite der Lex Burgundionum mit der Liste der Unterzeichner auf der linken Seite rechts daneben von späterer Hand in größerer, sorgloser Schrift der erste Satz von NT 11, 1 (eingeleitet mit den Worten Uualbertus levita) in der Fassung der Scintilla, offenbar von BI. 48 v genommen. 667 Es folgen Kapitelverzeichnis und prima constitutio der Lex Burgundionum und danach auf BI. 53' Z. 3-5 LRV CTh 14 über Mischehen von Zunftangehörigen und den (schlechteren) Stand der Kinder in der Fassung der Scintilla. Dieser Stelle folgt Z. 5-11 ein Satz, der bei gemischten Verbindungen den Grundsatz der ärgeren Hand verallgemeinert: Si quis in libertatem po situs ancilla(m) sibi copulaverit, si filii exinde nati fuerunt, agnatio matrem sequatur. Hoc et, se libertus ancillam abet uxorem. Simile modo si liberta duxerit maritum (servum?) agnatio servo sequatur, quia ad (in)feriore(m) persona(m) vadit origo.

Die Stelle ist unvollständig, hat unrichtige Formen und ihre Herkunft ist dunkel; am nächsten steht ihr RB 37, 5. Sie könnte aus dem verlorenen Teil der Scintilla stammen, etwa zu LRV NV 9 oder zu der breviarfremden zweiten Novelle von Libius Severus. Die dritte römischrechtliche Stelle hier Z. 12-19 entspricht nahezu wortwörtlich LRV IP 5, 12,4, nur für primus steht hier prius und für est tradita umgekehrt tradita est; die Epitome Aegidii hat andere kleine Abweichungen vom LRV -Text. Ränel hat die Stelle gleichfalls der Scintilla zugerechnet. 668 Ab Z. 20 ist der Stammtext der Lex Burgundionum verzeichnet, Titel Ibis 88 bis BI. 82 v Z. 26. Auf Z. 27 beginnt ein neuer Einschub mit einer bisher unbekannten Epitome von GE 1, auch sie von Ränel der Scintilla zuge667 Die Rechtschreibung weicht nach dem Gesprochenen geringfiigig ab: extantibus legitemis fitis octava pars ereditatis statt exstantibus legitimis filiis ... hereditatis. 668 Hänel 429 links oben; ihm folgt Mordek 582. Dagegen nimmt Esders 57 u. Fn. 248 Text der LRV selbst an, auch für CTh 14, was insoweit jedenfalls unzutreffend ist.

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wiesen,669 ferner einer gekürzten Seintilla-Fassung von CTh 8,5, 1 und (BI. 83 v Z. 14-17) einer vollständigeren von 3, 14. Ab Z. 18 bis BI. 89 folgen, nicht ganz vollständig, in geringfügig abweichender Reihenfolge und die praeceptio Chlotharii einschließend, die Extravaganten der Lex Burgundionum, in anderen Handschriften derselben als Fortsetzung ihrer Titel gezählt. Der vierte und fünfte Teil der Handschrift enthält Lex Ripuaria und Lex Alamannorum.

b) Lokalisierung. Autor Der zweite, römischrechtliche Teil unserer Handschrift ist also, anders als der erste, vierte und fünfte Teil, die je für sich stehen, mit dem dritten, burgundischen Teil verzahnt. Hinzu kommt, dass im römischrechtlichen Teil zu Anfang, auf den fast 17 Seiten vor der Seintilla, zwar hauptsächlich Stellen des westgotischen, des Breviars, aber auch eine des burgundischen Römergesetzes angeführt ist. 670 Diese beiden Teile werden also schon vor ihrer Vereinigung in unserer Handschrift miteinander zusammengehangen haben und die Verbindung wird in Burgund entstanden sein, bestimmt zur Belehrung der Rechtspraxis beider Bevölkerungsteile. Der Anfang des römischrechtlichen Teils erlaubt die weitere Festlegung auf die bischöfliche Gerichtsbarkeit, wozu gut passt, dass die Seintilla Kirchenrecht auch jenseits der Grenzen des Breviars und sogar des Codex Theodosianus berücksichtigt.671 Hänels Vermutung, sie sei 669 Hänel 314 u. 316, jeweils rechte Spalte; ihm folgt Mordek 583. Esders 57 u. Fn. 251 gibt auch hier den Liber Gai selbst an und übersieht hier und S. 64 f., dass die SteIlen zum Thema de donationibus und de nuptiis gentilium nicht aus Gajus stammen, sondern aus dem CTh. 670 Auf BI. 8v Z. 18-25 findet sich RB 3, I bis auf die letzten sechs Worte. 671 Aus dem vollständigen CTh ist epitomiert: 11,28,2 u. 3 als 11, 7 S. 2, eingeleitet in großen roten Lettern mit den stolzen Worten Haec Scintilla amplius habet; 12, 18,2 als 12,3; 13,3,3 als 13,2; 13,4,2 als 13,3; 13, 10,3 als 13,4,2; 13, 10,6 als 13,4,3; 13, 11,5 als 13,5; 14, 18 als 14,2; 15, 1,7 als 15, 1,2; 15, 14,9 als 15,3 a. E.; 16, 1,3 als 16, 1; 16,2,1; 3f.; 8-10; 14; 16; 19f.; 26; 29-31; 34; 38; 40f.; 47; 16,4,2 als 16,3; 16,6,4 als 16,4; 16,7,1 als 16,5,1; 16,8,1 als 16,7,1; 16,8,6 als 16,7,3 S. 2; 16, 8,28 als 16,7,3 S. 3; 16,9,2 als 16,8 S. 2; 16,9,3 als 16,8 S. 3; 16, 10,21 als 16,9; u. 16, 11, 3 als 16, 10, 2. Und jenseits der Grenzen des CTh: const. Sirm. 1 als CTh 16, 11 S. 1; Sirm. 2 als 16, 11 S. 2; Sirm. 3 als 16, 11 S. 3; u. Sirm. 5 als 16, 11 S. 4. Der Epitomator hat freilich kein vollständiges CTh-Exemplar benutzt, sondern nur ein zumal um Kirchenrecht angereichertes, da (bis auf zwei) alle Konstitutionen des 16. Buchs des CTh, die nicht im Breviar enthalten, hier aber berücksichtigt sind, in zwei kirchenrechtlichen Handschriften mit angereichertem 16. Buch des Breviar-CTh (und den Sirmondsehen Konstitutionen) gleichermaßen enthalten sind (obendrein 18 weitere), nämlich Paris, BN 12445, und Berlin, SB Phillipps 1741; weitere ähnliche Hss. u. Übersicht bei Mommsen XC f. Die breviarfremden Konstitutionen sind meist besonders kurz epitomiert: in einem kurzen Nebensatz beginnend mit ut, d. h. sie werden einem schon vor17 Liebs

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Drittes Kapitel: Die gallischen Werke im Einzelnen

von einem Kleriker verfasst worden,672 hat also viel für sich, auch wenn die Kirche nicht, wie in der Epitome Aegidii, zusätzlich begünstigt wird. Ihre AutonOInie gegenüber dem Fürsten wird sogar geschwächt und die Stellung eines von seinen Kollegen abgesetzten Bischofs gestärkt, wenn er den Fürsten gegen seine Verbannung anrufen kann, während der Grundtext diese Möglichkeit gerade ausschließt. 673 Vielleicht haben wir sogar den Namen: Walbert; denn wer sonst mag in dem Nachtrag rechts neben der Unterzeichnerliste vor dem Seintilla-Text von NT 11, I S. 1 gemeint sein als sein Verfasser? Dann wäre mit levita auch (ein niederer) geistlicher Stand bezeugt. Eine Vorliebe für Definitionen und die Einbeziehung von CTh 13,3,3 (als 13,2) und 13,4,2 (als 13, 3) mit ihren Vergünstigungen für Lehrkräfte, was das Breviar beiseite gelassen hatte, weisen ihn wohl wirklich als Rechtslehrer aus. 674 c) Datierung Zu datieren ist die Seintilla ins 8. Jh. Denn einerseits ist die Epitome Aegidü eifrig benutzt. Andererseits wird auch die Seintilla, wenngleich nur eine einzige Stelle, in dem Prozess Bischof Aldrichs vor Ludwig dem Frommen 838 n. Chr. in Aachen von den Juristen des Kaisers angeführt. 675 Häne1676 bringt das damit in Verbindung, dass Aldrichs Bischofssitz nicht weit von Blois entfernt lag, wo unsere Handschrift im mittleren bis späteren 9. Jh. entstanden sein wird, die Seintilla also schon vorher, wohl mitsamt Lex Burgundionum, verfügbar gewesen sein müsste. Weiter hinauf gelangt man, weil einmal principali beneficio handenen Surnrnenapparat zu den angereicherten Büchern 11-16 nebst Sirmondschen Konstitutionen entnommen sein, wie Conrat 231 vermutet. Vgl. sofort im Text. 672 Hänel XXVII, von Conrat 230 Fn. 6 allzu kurz abgetan, aber im Ergebnis wohl zustimmend; so jedenfalls Gaudemet 44. 673 Zu LRV CTh 16, 1,4: et si vult ad principem reclamare liceat, während es in der Konstitution, die angeblich interpretatione non indiget, geheißen hatte: sitque huiusmodi personis inlicitum tenore sacra nostra adire secreta et impetrare rescribta; ombibus abiectis per culpam sacerdotio personis quae impetrata sunt injecta permaneant ... ; s. unten bei Fn. 692. 674 So schon Hänel XXVII, von Conrat 230 f. Fn. 6 gleichfalls zu kurz abgetan; s. o. Kap. I Nr. 26. 675 In den Gesta Aldrici (0. Fn. 642) heißt es nach der Mitte von § 51 (S. 156 f.) De responsione Hludovici imperatoris et iudicio optimatum suorum von den Ratgebern des Kaisers: Et ut ratione et lege firmentur ea quae testamur, aliqua ex autenticis nostris vobis testimonia indicantes projerimus. Constitutum est a sanctis patribus et bonis imperatoribus et lege decretum ... : Dolus malus est si per jalsitatem voluerit quis prius definita convellere. Das ist die Fassung der Scintilla von LRV CTh 2, 15, I, wie seit langem bekannt, s. etwa Savigny, Gesch. II 120 u. Fn. n, ohne dass aber die Scintilla schon identifiziert worden war. Das tat Hänel XXVII u. 53 linke Sp. Fn. a. 676 Hänel XXVII.

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bzw. dominorum beneficio durch per praescriptum regis wiedergegeben ist,677 was nach Weihnachten 800 (bis 838) kaum mehr möglich war; die andern Epitomen belassen es bei principali beneficio (Ep. Aeg.), principis praeceptionem (Ep. Guelf.), principis beneficio bzw. beneficium dominorum (Ep. mon.) und principem (Lex Romana Curiensis).

d) Quellen Benutzt sind außer der schon genannten Epitome Aegidii ein vollständiges, auch den Grundtext enthaltendes Breviar; denn die Scintilla greift nicht nur häufig auf den Grundtext der Epitome Aegidii zurück, meist eine Interpretatio, sondern oft auch auf deren Grundtext, die Konstitution selbst. Außerdem ist ein Breviarexemplar benutzt, worin die CTh-Bücher 11 bis 16, vor allem dieses, um zahlreiche Konstitutionen aus dem vollständigen CTh angereichert und mit Glossen versehen waren,678 aber schwerlich unmittelbar die Lyoner, jetzt vatikanische (reg. 886) Handschrift der zweiten Hälfte des CTh mit den Antiqua summaria. 679 Denn die supplierten Konstitutionen sind meist nur sehr kurz summiert, aber niemals nach Art der Antiqua summaria, sondern der voralaricianischen Scholien (vgl. oben Nr. 2 u. 18). Obgleich die nur erschließbare Vorlage fiir die Ergänzungen im 16. Buch den umfangreichen CTh-Titel De haereticis (16, 5), der bezeichnenderweise im Breviar fehlt, enthalten hatte,680 fehlt er doch auch hier.

e) Inhalt Inhaltlich finden sich Anpassungen an die gegenwärtigen Verhältnisse, wozu schon die häufige Verwendung der Epitome Aegidii führen musste, die ja ihrerseits vieles angepasst hat (oben Nr. 29). Über deren Anpassung hinausgehend war wie gesagt an einer Stelle (CTh 2, 6, 1) statt vom princeps bzw. dominus vom rex die Rede. Um schon mit 20 bzw. 18 Jahren für volljährig erklärt zu werden, ist kein Gnadenerweis des Fürsten wie nach LRV CTh 2, 17 und allen andern Epitomen erforderlich, sondern genügt ein decretum iudicis. Vom Eheverbot zwischen Gentilen und Römern ist in unserer Handschrift am Fundort CTh 3, 14 nur noch die Verbindung von römischem Mann und gentiler Frau übrig geblieben, freilich mitsamt Strafdrohung. Aber das ist ein bloßer ÜberlieScintilla von LRV CTh 2, 6, I. Sonst ist princeps beibehalten. 678 Näher soeben Fn. 671. 679 So vorschnell Mommsen CI f., obwohl durchaus plausibel ist, dass auch der Autor der Scintilla in Lyon arbeitete. 680 Hänel XXVII u. Fn. 47; u. Mommsen XC. 677

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Drittes Kapitel: Die gallischen Werke im Einzelnen

ferungsfehler, wie die Wiederholung dieses Texts im burgundischrechtlichen Teil unserer Handschrift, BI. 83 v Z. 14-17, zeigt; dort steht auch vel barbarus Romanam. Auch die andern Epitomen haben ja das vollständige Verbot beibehalten. Die Geschlechtsvormundschaft ist übergangen,681 anders als in allen andern Epitomen. Auch die Anforderungen an die Verwaltung von Mündelvermögen sind durch einsames Übergehen der meisten Konstitutionen dieses Titels stark vereinfacht,682 ebenso die Anforderungen an Testamente, wobei die längst überlebte Unterscheidung zwischen zivilem und prätorischem Testament wegfällt. 683 Aus den bei der Freilassung in der Kirche anwesenden sacerdotes der Interpretatio und der andern Epitomen werden antistes (jetzt der Bischof) et clerus,684 während die Konstitution von antistites im schlichten Sinn von 'Geistliche' gesprochen hatte. Es wird auch kein Zufall sein, dass nicht nur die allgemeine Verjährungsvorschrift weggefallen ist, wenngleich schon die Interpretatio gesagt hatte, dass sie mittlerweile durch eine Novelle Valentinians III. weithin überholt sei. 685 Denn auch der CTh-Titel über die Befristung von Strafverfahren auf höchstens ein Jahr686 und die Bestimmung einer kurzen Untersuchungshaft687 sind ersatzlos weggefallen. Auch eine Ausnahme von der Pflicht zur Prozesskostenerstattung ist gestrichen. 688 Vom Titel über die Beweiskraft von Zeugen und Urkunden (LRV CTh 11, 14) ist nur die Rubrik verzeichnet; fiir den Text sind 21 Zeilen (von rund 2220 fiir alles aus der Scintilla Erhaltene) frei gelassen, nämlich BI. 42 Rückseite die letzten acht und 43 Vorderseite die ersten 15. Das ist ungefähr die Hälfte der oben im Vorspann konstatierten Lücke, d. h. eine Seite der Vorlage scheint unleserlich gewesen oder sonstwie ausgefallen zu sein.

681 Zu LRV CTh 3, 17,2 gibt es keine Epitome. 682 Von LRV CTh 3, 19 ist nur die erste Konstitution epitomiert, 2-4 sind übergangen. 683 Indem LRV CTh 4, 4, 2, ferner 3 und 5 übergangen sind. Von 4, 4, 1 ist nur aufgenommen, dass (auch) ein Kodizill, das ein Testament vertritt (was ein Fideikommiss sei, ergänzt die Scintilla) und eine Erbeinsetzung enthält, von sieben oder fünf Zeugen unterschrieben sein muss. 684 Zu LRV CTh 4,7. 685 LRV CTh 4, 12 ist übergangen; und vor den Novellen Valentinians III. bricht die Überlieferung der Scintilla wie gesagt ab. 686 LRV CTh 9, 26. 687 LRV CTh 9, 1, 10. 688 LRV CTh 4, 16 (in der Scintilla 4, 15), 2.

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Nicht verstanden ist die Bestimmung über Unvereinbarkeit von Anwaltsund Richtertätigkeit in derselben Sache (LRV CTh 2, 10, 2),689 woraus die banale Aussage wird, dass ein Anwalt beauftragt sein muss. Aus der Interpretatio des theodosischen Gesetzes, das die Vereinbarung eines Entgelts für Ämterpatronage rechtsverbindlich machte und nur bei Grundstücken Schriftform forderte (CTh 2, 29, 2), wurde Vereinbarung eines Entgelts für Rückgabe von Eigentum, welche erfüllt werden müsse. Theodosius I. hatte die Beweisregel aufgestellt, dass ein Paar, welches, des Ehebruchs angeklagt, freigesprochen wurde, weil es das verdächtige Gebaren als Zuneigung unter Verwandten hinzustellen verstand, nach dem Freispruch aber heiratet, als überführte Ehebrecher zu behandeln sei. 69o Daraus wird ein Verwandtenpaar, das zusammenlebt, nun Ehebruch begeht, sich aber mit verwandtschaftlichen Gefühlen entschuldigt; in solchen Fällen dürfe ein Richter den Vorwurf des Ehebruchs nicht leichthin für erwiesen halten. Heiraten die Beteiligten aber später, müssten sie bestraft werden. Aus dem Verbot für Ratsherren, Ländereien der eigenen und anderer Städte zu pachten,691 wird ein Verbot, Ländereien des Fiskus, der Kirche und anderer Städte zu verpachten. Widersprüchlich gerät die Wiedergabe von LRV CTh 10,9, 1, wo die Steuereintreiber ermahnt werden, bei der Verwertung des Vermögens von Steuerschuldnern deren Sachen nicht unter Wert zu verkaufen und schon gar nicht mit den Käufern zu kolludieren. Dazu heißt es zunächst, dass ein Schuldner des Fürsten von dessen Sachwaltern nicht in der Weise bedrängt werden dürfe, dass er sein Eigentum verkauft ifacultates proprias vendat). Nam si illud non habuerit, fährt die Stelle unverständlich fort - vielleicht ist etwas ausgefallen und war von Bargeld die Rede - , dann sollten die Diener des Fiskus ihn nicht in der Weise drängen, dass eine Sache unter Preis verkauft wird. Honorius hatte bestimmt, dass ein von seinen Kollegen abgesetzter Bischof nicht nur 100 Meilen von seinem Bischofssitz entfernt werden kann, sondern sich auch nicht an den Kaiser wenden darf, dass etwa erwirkte Reskripte unwirksam sind und Helfer kaiserliche Ungnade zu gewärtigen haben. 692 Daraus wird, dass ein abgesetzter und mindestens 100 Meilen von seinem Sitz entfernt lebender Bischof sich sehr wohl an den Fürsten wenden könne, während die Epitome monachi die ohne Interpretation ins Breviar aufgenommene Konstitution nahezu wörtlich mitsamt Subskription übernimmt, die Epitomen Aegidii und Guelferbitana nur die Verbannung festhalten, Lex Romana Curiensis und Epitome Lugdunensis schließlich die ganze Stelle übergehen. Honorius hatte 689 Epitome Aegidii und Lex Rom. euro übergehen sie, während die Epitomen Guelferbitana und monachi sie zutreffend wiedergeben. 690 CTh 9, 7, 8, im Breviar 9, 4,7. 691 LRV CTh 10,2, 1. 692 LRV CTh 16, 1,4.

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Drittes Kapitel: Die gallischen Werke im Einzelnen

gemeint, dass sich der Fürst nicht in innerkirchliche Angelegenheiten einmischen soll, was auch Alarich 11. gelten ließ, zumindest für die katholische Kirche, der er selbst nicht angehörte. Im fränkischen Reich hatte anscheinend selbst ein Kleriker Schwierigkeiten, sich diese Haltung zu eigen zu machen; zu CTh 11, 11, 3 hatte er die der Kirche zukommende Geldstrafe für Appellation an den Fürsten gegen Absetzung eines Bischofs noch hingenommen. Missverstanden ist auch die Gajusepitome. 693 Dort war festgehalten, dass, wer unter 20 Jahre alt, aber mündig ist, nur aus besonderem Grund Sklaven freilassen kann, nämlich die ihm etwa geschenkten (unfreien) Eltern, einen (unfreien) Hauslehrer und einen Milchbruder. Die Altersgrenze von 20 Jahren für diese Verfiigungsbeschränkung ist schon in der Epitome Aegidii nicht mehr genannt, ebenso wenig in der Scintilla. Beide erwähnen auch die Eltern nicht mehr, wohl weil der Fall so selten geworden war, dass die Autoren ihn sich nicht mehr vorstellen konnten. Der Autor der Scintilla lässt aber die Eltern nicht ganz unter den Tisch fallen, setzt nämlich bei Hauslehrer und Milchbruder hinzu e.x voluntate parentum. Damit ist die Befugnis in der Sache noch weiter eingeschränkt, abgesehen davon, dass, wohl auch für die Scinti/la, der Vater nicht mehr leben darf, es sich also um einen letzten Willen handeln müsste, sofern man die Stelle überhaupt in einen sonst korrekten römischrechtlichen Kontext stellen darf. Germanischrechtlich beeinflusst ist ein Zusatz zu LRV CTh 4, 20, 6 über die einjährige Besitzschutzklage. Zunächst ist die Epitome Aegidii, die ihrerseits S. 1 der Interpretatio wiedergibt, bereichert um eine kleine Verdeutlichung: contra pervasorem (agere pOlest), übernommen. Dann folgt: Hoc est, ut eius (des Klägers) manus sit de possessione vestita, si docere potuerit, quod infra annum ei fuisset sublata et in hac parte non pulsatus (der Beklagte), sed petitor praebeat sacramentum, quod antea in aliis legibus evidentius habetur expositum.

Rasche Erledigung von Besitzschutzsachen wurde in der Tat schon LRV CTh 2, 4, 5 und 6 angeordnet und vom Epitomator korrekt wiedergegeben. Von einem Eid verlautet hier jedoch nichts, und auch anderswo im Breviar ist ein Prozesseid, der übrigens erst in den Sentenzen (2, I) geregelt ist, bei Besitzschutzklagen nicht vorgesehen. Schon der Ausdruck manus sit de possessione vestita, aber auch die Gleichsetzung von Beweis- und Eidespflicht verraten vielmehr germanisches Rechtsdenken. 694 Und dieses scheint letztlich auch fiir einen zweiten breviarfremden Zusatz695 verantwortlich zu sein, der allerdings LRV GE 1,7. Conrat 229 f. u. Fn. 7, der einen späteren Zusatz erwägt. Die Hs. zeigt keinerlei Absetzung. 695 Zu LRV CTb 5, 9, 1 S. 1. 693

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schon in der Epitome Aegidii begegnet696 und aus dieser wörtlich übernommen ist. Gennanische Bräuche zeigen sich schließlich, wenn gerichtliche Handlungenplacita und Klagerhebungplacitum definitum genannt werden697 oder wenn bei einer verwirkten multa von componere die Rede ist.

j) Einflüsse. Intention Außer dem soeben zitierten Rückverweis (antea in aliis legibus) gibt es vier weitere Querverweise, worin die Titel einmal titulus und dreimal hera698 (von aera) und die Konstitutionen zweimal titulus genannt werden. 699 Hera oder era i. S. v. Textabschnitt ist zwar unüblich, kommt aber auch bei Julian von Toledo 7°O (um 680) vor, bei König Ervig (680-87) i. S. v. 'einzelne Stelle,/ol ferner in Randbemerkungen einzelner Handschriften der Lex Visigothorum,702 hier auch zweimal i. S. v. 'Titel',703 ebenso durchgehend in der Epitome Lugdunensis in den Übersichten vor den Büchern und in den Glossen, einzelnen Fonneln und bei Aimon von Fleuri04 (um die Jahrtausendwende), der aus dem Perigord stammte. Im 8. Jh. deutet der Ausdruck also auf westgotischen oder südfranzösischen Kultureinfluss hin, d. h. kann als weiteres Indiz für südfranzösische Herkunft der Scintilla gelten. Die Anfiihrung von PS 5, 26 zu CTh 9, 12 und von CTh 8, 2 zu 4, 11 bekundet ein selten gewordenes Bemühen um Widerspruchsfreiheit weit auseinander liegender Stellen der Kompilation; nur die Wolfenbütteler Epitome (oben Nr. 24) war reich an Querverweisen. Außerdem bestätigt dies unsere Annahme, dass diese Epitome einst zumindest bis zum letzten Buch der Sentenzen reichte, wenn nicht bis zum Schluss des Breviars.

Ep. Aeg. CTh 5, 9, 2 S. 2; o. Nr. 29 bei Fnn. 541-44. Dazu Conrat 229 u. Fn. 7. Zu LRV CTh 2, 6, 2 bzw. 3. Dazu Conrat 229 u. Fn. 5. 698 Hera zu LRV CTh 3, 10 (nicht 11, wohin versehentlich geraten); 4, 11; u. 9, 12 (Scintilla: 11), I. Titulus zu LRV CTh 3,13,3. Vg!. Hänel XXVII u. Fn. 43. 699 Zu LRV CTh 3, 10 (11); u. 3, 16,2. Vg!. Hänel XXVII u. Fn. 42; u. Conrat 229 u. Fn. 3. 700 Julian, Historia Wambae, Iudicium in tyrannorum perfidia promulgatum 7 (MGH SRM V 534 Z. 15 u. 19). 701 LV 2, 3,4 (Fassung Ervigs) S. 90 rechts Z. 22 ed. Zeumer; 6, 2, 2 (gleichfalls Ervig) S. 258 Z. 18 Zeumer. 702 Zu 2,5,3 in zwei Hss., S. 107 Z. 28 Zeumer; u. zu 2, 5, 18 in einer Hs., S. 117 Z. 44 Zeumer. 703 Zu LV 2,1,5 in einer Hs., S. 47 Z. 42 Zeumer; und zu 2, 1,30 in zwei Hss., S. 77 Z. 30 u. 32 Zeumer. 704 Aimon, Vita Abbonis 13 (PL 139 co!. 404 A); Formeln: Form. extrav. I 5 (MGH Form. 537 Z. 6); Epit. Lugd.: o. Nm. 20 f. vor Fn. 309 u. Nr. 25 bei Fnn. 464 f. 696 697

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Drittes Kapitel: Die gallischen Werke im Einzelnen

Im Übrigen gilt das Gleiche wie bei der Epitome monachi: Die Inhaltsangaben sind klar und verständlich; oft sind Stellen und Titel der Vorlage zusammengezogen oder aufgespalten, so dass die Zählung geringfügig abweicht,70S zumal, wenn breviarfremde Konstitutionen einbezogen sind wie vor allem im 16. Buch. Hier fehlt ein sechster Titel; auf V De apostatis folgt VII De ludeis, celicolis et Samaritanis. Für Hänel 706 ist das ein Indiz dafür, dass der im CTh mit 66 Konstitutionen besonders umfangreiche, auch in der Vorlage für die Anreicherungen mit acht Konstitutionen vertretene Titel De haereticis, den die arianischen Westgoten geflissentlich ausgespart hatten, nach deren Vorbild auch hier bewusst weggelassen wurde, vielleicht aber erst nachträglich von einem späteren Abschreiber. g) In- und Subskriptionen

Einmal sind In- und Subskription im Text bewahrt. Unsinnigerweise finden sich Inskriptionen aber auch am Anfang der Bücher vor oder unmittelbar nach der Buchüberschrift, worüber öfter die erste Titelrubrik weggefallen ist. So beginnt Buch 1 nach rotem Theodosii fiber primus in titulis und roter I statt eines Titels mit der Inskription von LRV CTh 2, 3, 1; und sogleich folgt die Epitome von CTh 1, 1, 1 usw. Titel II usw. sind dann mit Rubrik korrekt angegeben. Zu Beginn von Buch 2 heißt es nur Liber II707 und ohne jeden Übergang folgt die Epitome der ersten Konstitution des ersten Titels, mit In- und Subskription, ebenso der zweiten, der dritten nur mit Subskription, der vierten nur mit Inskription und der folgenden ohne beides. Buch 3 beginnt sogar scheinbar korrekt,708 Buch 4 (BI. 26r Z. 15) mit der Inskription von LRV CTh 4, 15, 1 und 6, 1, 1 in kleinerer Schrift, dann aber richtig mit Buch- und Titelangabe einschließlich -rubrik. In Buch 5 ist bei dem in kleinerer Schrift die Inskription von 70S So ist LRV CTh 2,8 Deferiis aufgeteilt in 8 Deferiis (mit Konst. 1) und 9 Item de feriis mit Konst. 2 und 3, weshalb die restlichen 25 Titel alle um eine Nummer höher gezählt werden als in der LRV. 4, 12 ist wie gesagt übergangen, weshalb 13-16 als 1215 gezählt werden; dann folgt (rur 17) übergangslos 18, demgemäß sind auch 18-20 als 19-21 gezählt, aber 21 noch einmal als 21 Utrum vi wie alle andern Epitomen statt Utrubi. In der zweiten Hälfte des CTh nehmen die Abweichungen infolge der Anreicherungen überhand, besonders in Buch 16. Beispiele fiir zusammengezogene Konstitutionen bei Hänel XXVII u. Fn. 44. 706 Hänel XXVII u. Fn. 47. 707 Aber am Ende von Buch 1, BI. 14v Z. 28 unserer Hs., steht, von Hänel übergangen, in kleinerer, sorgloserer Schrift die Inskription von CTh 2, 1, 1 in derselben leicht verderbten Form wie auf BI. 15 r Z. 2. 708 Aber wieder hat Hänel übergangen, dass sich auf BI. 21 v Z. 5 unserer Hs. zwischen Buch 2 und 3, wenn auch etwas näher an Buch 2, die Inskription von LRV CTh 1, 5, 1; 2, 10, 1; u. 2, 26, 1 findet.

III. Das fränkische Zeitalter

265

LRV CTh 8, 1, 1 vorgesetzt; dann geht es auch hier richtig weiter. Das sechste Buch beginnt (BI. 31 v Z. 21) in kleiner Schrift mit der Inskription von LRV CTh 9, 1, 1; es folgen Incipit liber VI und der erste TiteI. 709 Am Anfang von Buch 7 (BI. 31 v Z. 28) fehlt die Buchangabe, darur findet sich klein die Inskription von LRV CTh 11, 1, 1. Am Anfang von Buch 8 steht vor der Buchangabe klein die Inskription von LRV CTh 12, 1, 1; am Anfang von Buch 9 klein die von 13, 1, 1 vor der Buchangabe. Am Anfang von Buch zehn ist zwischen Buchangabe und erstem Titel die Inskription von LRV CTh 16,3, 1 oder 16,4, 1 klein eingeschoben. In Buch 11 steht vor der anfänglichen Buchangabe klein die Inskription von LRV CTh 15, 1, 1. Vor Buch 12 erscheint klein eine Inskription, wohl eine verderbte Form der von LRV CTh 15, 3, 1. 710 Buch 13 schiebt am Anfang zwischen Buchangabe und erstem Titel klein die Inskription von LRV CTh 15, 2, 1 und 3, 9, 1 ein; Buch 14 an gleicher Stelle klein die leicht verderbte von 15, 1,2. Buch 15 und 16 beginnen ohne Inskription, während vor den Novellen von Theodosius 11. auf BI. 46 v Z. 24 vor Überschrift und erster Titelrubrik klein die Inskription von NT 1 erscheint. Diese zum Teil bemerkenswert regelmäßig gestreuten Inskriptionen zu erklären, ist mir vorerst nicht möglich. Dem Autor wird das nicht anzulasten sein; es könnte aber die Überlieferung erschließen helfen. Wenn die Scintilla 838 n. Chr. in Aachen von kaiserlichen Juristen neben (stärker) Epitome Aegidii, Epitome monachi und wohl auch dem Breviar selbst zitiert wurde,71l so bezeugt das eine Wertschätzung an höchster Stelle, die mit dem hier gewonnenen Urteil harmoniert: eine fiir die Praxis (des bischöflichen Gerichts) hergestellte und gut brauchbare Arbeit.

36. Randsummen zur Lex Romana für Burgund In der Pariser Handschrift der Lex Romana rur Burgund aus dem ausgehenden 9. Jh. finden sich, ebenso wie schon im Hauptteil der Handschrift mit dem Breviar, wenn davon auch nur mehr zwei Blätter erhalten sind,7I2 bescheidene Hänel150 rechte Sp. gibt die Reihenfolge unrichtig an. BI. 43' Z. 17 lese ich Imperator (ebensoviel unleserlich) ad gagium (für honorius?) et teudosio AA ad cons(tantium); Hänel 234 rechte Sp. übergeht das. 711 In den Gesta domni Aldrici (0. Fn. 642) ist zunächst Ep. Aeg. CTh 1,2,4 wörtlich zitiert, dann nicht ganz wörtlich LRV CTh 1,2, 1 u. Ep. Aeg. PS 1, 12, 1, wörtlich Ep. mon. (oder LVR selbst) PS 1,8, 1 u. 2, wörtlich Scintilla I CTh 2, 15, I u. vielleicht auch PS 1,7,2 (nicht erhalten, aber das Zitat ähnelt sehr Ep. Aeg. PS 1,7,2); und nicht ganz wörtlich LRV IT 1,2,4. 712 Paris, BN 4412 BI. 127 f. mit LRV PS 5, 36 bis CG 3, 9. Dann fehlen drei Blätter mit dem Schluss der LRV und dem Anfang der RB; BI. 129-34 enthalten dann die RB ab 7, 3 domini. BI. 1-7 und 8-126 (auf diesen eine gekürzte Ausgabe der LRV) gehörten 709

710

266

Drittes Kapitel: Die gallischen Werke im Einzelnen

Randsummen zu ganzen Titeln oder auch einzelnen Paragrafen. Bluhme zählte 33 Summen zum in der Handschrift erhaltenen Teil dieser Lex Romana (ab 7, 3) und erklärte sie für wertlos, weshalb er nur drei Beispiele wiedergab. 713 Mit dem dritten (zu RB 18, 1) wollte er zeigen, dass die Summen nicht erst für diese Handschrift verfasst wurden, sondern schon in der Vorlage gestanden haben müssen, weil diese Summe am falschen Platz steht. Sie mögen also schon aus dem 8. Jh. stammen. Von Salis hat außer diesen dreien 24 weitere Summen im oberen Apparat seiner Ausgabe der RB abgedruckt; danach sind vier weitere versetzt. 714 Sechs scheinen bei ihm zu fehlen; vielleicht konnte er sie nicht entziffern. 715 Die edierten Summen sind in der Tat anspruchslos, aber nicht fehlerhaft. Eintönig beginnen sie mit den Worten Hic require (Hier schlag nach).716 Achtmal folgen lediglich de und ein Stichwort, 19mal unter den bekannten 27 eine längere Angabe, meist ein Nebensatz; seine Worte sind fast ausschließlich dem Text der RB entnommen, ebenso jene Stichworte, wenn auch in sorgloser jüngerer Rechtschreibung. 717 Nur zu Titel 29 De caballis, quibus os aut scindola ad cauda legata fuerit (Über Pferde, denen ein Knochen oder ein Stück Holz an den Schwanz gebunden worden ist), wozu im Text noch die Variante vel per pannum rubrum eum ita turbaverit, ut pereat hinzukommt, heißt es Hic require,

ursprünglich zu zwei andem Hss., die erst später mit unseren BI. 127-34 zusammengebunden wurden und jetzt zusammen mit ihnen den Codex 4412 der BN bilden. Näher dazu Hänel LX f., der, obwohl er die verschiedene Herkunft der drei Blattfolgen klar erkannt hat, die wenigen LRV-Reste auf BI. 127 f. nicht mit eigener Hs.-Nr. für die LRV versah (BI. 1-7 betreffen die LRV nicht), sondern mit unter Nr. 23 erfasste; in der Ausgabe selbst spricht er von ihnen als altera pars eod. 23, z. B. 448, dritte Fn. b, während sie S. LXI zur tertia eodicis pars gehören. Datierung S. LX: BI. 8-126 letzte Lustren des 9. Jh., BI. 127-134 wenig jünger. 713 F. Bluhme, MGH Leges in folio III (1863) 587 f. Wie Hänel in der Ausgabe selbst spricht er, BI. 1-7 nicht beachtend, nur von duae diversae partes bzw. prima et seeunda pars eodicis. Die Hs. mit der RB datiert er kurzerhand ins 9. Jh. Erst er hat die Randsummen beachtet, nannte sie allerdings Glossen. 714 v. Salis (0. Fn. 209) S. 131-62. Die Versetzungen vennerkt er S. 133 Z. 19; 140 Z. 30 f.; 142 Z. 20; u. 153 Z. 31. Nicht vermerkt hat er, dass Hie require per vim quiequit rapuerit bei Titel 9 in Wahrheit 8, 5 betrifft; und dass die am Rande der Titelrubrik 45 stehende Summe Hie require, si fllia nepti fllii de flUa non rumpunt testamento erst zu 45, 4 gehört. Auf S. 20 datiert auch er kurzerhand die ganze Hs. cod. Paris, BN 4412 ins 9. Jh.

715 Nur zum Teil entziffert hat er die Summe zu RB 27, s. S. 147 Z. 23. Auf S. 20 sagt er: etiam omnes glossas marginales, quas iam Bluhme I. e. eommemorat, inspexi. 716 So auch die Randsummen im Breviarteil der Hs. und solche in der gekürzten Breviarhs. Paris, BN 9653, Bluhme (0. Fn. 713) 587 u. Conrat 240 Fn. 5 Mitte. 717 Die ganze Hs. ist negligenter seriptum, Bluhme (0. Fn. 713) 587. In den Summen heißt es violenciis für violentiis

III. Das fränkische Zeitalter

267

qui cabal/um alienum espaventaverit et pereat, wird also das junge Wort (e)spaventare 'erschrecken' gebraucht. 718

718

Vgl. span. aspaventar, ital. spaventare.

Viertes Kapitel

Weitere Nachrichten I. Das römische Zeitalter Wenn mitunter gesagt wird, um 300 bezeuge ein gallischer Panegyriker und im 4. Jh. Ausonius Jurisprudenz bzw. Rechtsunterricht in Gallien,1 so kann dem nicht gefolgt werden. Bei Ausonius ist, von Epigramm 92 abgesehen,2 wie schon bei Juvenal nur von Anwälten die Rede/ die damals wie gesagt gewöhnlich keine Juristen waren,4 und von Unterricht in forensischer Rhetorik. Der gallische Panegyriker schließlich unterstellt in Trier am Geburtstag Kaiser Maximians (21. Juli 291), seine Regierung sei um Gerechtigkeit bemüht, und beruhigt sich und den Kaiser mit der laut vorgetragenen Überzeugung, dass gerecht zu sein durch Erkenntnis des Rechts allmählich erlernt wird: s .,. ceterae virtutes et bona cetera processu aetatis eveniunt: fortitudo annis accedentibus roboratur, continentia discip1inae praeceptis traditur, iustitia cognitione iuris addiscitur ...

Mit cognitio iuris ist wohl hauptsächlich die richterliche Praxis, die kaiserliche Kognition gemeint, aber kein professioneller Rechtsunterricht in Gallien. 1. Hofjuristen in Trier

Die Reichsregierung gebot, auch wenn sie im gallischen Trier saß und später in Arles, über fachjuristischen Rat, wenn Konstantin bzw. sein Quästor auch I T. J. Haarhoff, Schoo1s of Gaul. A study of pagan and christian education in the last century of the western Empire (Oxford 1920) 82; zu Ausonius auch A. Demandt, Die Spätantike (München 1989) 357. 2 Dazu oben Kap. 1 Nr. 4. 3 Ausonius, Comrnemoratio professorum Burdiga1ensium 1 f.; 5; 26. Nr. 22 betriffi einen Bücherwurm. Juvena1: Sat. 7,147-49; u. 15, 111 f. HaarhoffaaO. 82 behauptet, auch bei Lukian, Toxaris 24, begegnetenlamous lawyers 01 Massilia, doch ist der Beruf der dort genannten Männer nicht angegeben. 4 Oben S. 23 f. u. 63. S Panegyrici Latini 11 (3), 19, 2. Zu Datierung und Lokalisierung E. Galletier, Panegyriques 1atins I (Paris 1949) 7-12; u. Peter L. Schmidt, HLL V 165 = § 528 W. 2.

270

Viertes Kapitel: Weitere Nachrichten

Auseinandersetzungen unter Juristen schmähte. 6 Unter Gratian hat sein Quästor Ausonius, der bekannte Dichter, sich zwar von Juristen unterrichten lassen, um der rhetorischen Wirkung eines Gesetzestexts und einer vermeintlch liberalen Lösung willen jedoch in einem Fall am Ende in der Sache ein Durcheinander angerichtet.? Deshalb hat sein Nachfolger die betreffende Materie - es ging um die Konkurrenz von zivilen Ansprüchen mit strafrechtlichen Vorwürfen - neu geregelt und sich nicht nur in der Sache eng an die von juristischen Fachleuten gewiesene Lösungsmöglichkeit gehalten, sondern das ausnahmsweise auch betont. Der in den Codex Theodosianus aufgenommene dispositive Teil des Gesetzes wird nämlich mit den Worten eingeleitet: 8 A plerisque prudentium generaliter difinitum est, '"

Der Gesetzgeber schließt sich der von den spät- und epiklassischen Juristen überwiegend vertretenen Meinung9 ausdrücklich an und exemplifiziert sie. Inwieweit diese KaiseIjuristen allerdings auch die Region befruchteten, ist eine andere Frage. Vermutlich haben sie sich nicht, gewissermaßen im Raumschiff Trier, von ihrer provinzialen Umgebung völlig abgekapselt. 2. Tours ehrt einen rechtskundigen Gouverneur Die Repräsentanten der Provinz Lugdunensis III mit der Provinzhauptstadt Tour haben im frühen 5. Jh., allenfalls im späten 4. ihren scheidenden Gouverneur Valerius Dalmatius durch ein Provinzpatronat geehrt, wobei sie diese Ehrung in acht eleganten Distichen in Hexametern auf einer Bronzeplatte verewigten und dem Geehrten zusammen mit einer Büste (imago) mitgaben. Dieser stellte offenbar beides zu Hause im Atrium seines Gutshauses etwa 20 km nördlich von Mursa in Pannonien auf, heute Osiek in Kroatien (Slawonien), wo die Inschrift 1901 gefunden wurde. lO Der damalige Eigentümer, der Fürst von Schaumburg-Lippe, ließ sie erst einmal nach Berlin bringen und Mommsen vorlegen, der die Erstausgabe besorgte; 11 wo sie sich mittlerweile befmdet, 6

CTh 9, 43, I vom 14. u. 1,4, 1 von 28. Sept. 321 sowie 1,4,2 vom 27. Sept. 328.

Dazu etwa Liebs, HLL V 72 f.

CTh 9,19,4 vom 16. April 376 u. dazu T. Honore, Iura 35 (1984) 75-82. CTh 9, 20, 1 vom 12. Jan. 378 u. dazu Honore aaO. 82-85; s. zur Sache auch M. J. Garcia Garrido u. F. Reinoso Barbero AARC 9 (1993) 439-56. 9 D. Liebs, Die Klagenkonkurrenz im rörn. Recht (Göttingen 1972) 266-73; Honore aaO. 76 u. 83 f.; u. Garcia GarridolReinoso Barbero, aaO. 444-56. 10 ILS 8987 = K. G. Bruns, Fontes? (1909) Nr. 128 (eingefügt von 0. Gradenwitz). Die Widmung Z. 15 f., Überreichung mit Bildnis Z. 7-10. 11 Mit Abb. in: Sitzungsber. Kgl. Ak. d. Wiss. Berlin 35 phil.-hist. Kl. (Berlin 1902) 836-40, ohne Abb. in: Th. M., Ges. Sehr. 11 (Berlin 1905) 150-54. ?

8

I. Das römische Zeitalter

271

konnte ich noch nicht ermitteln. Über den ganzen Vorgang und überhaupt über diesen Dalmatius unterrichten uns einzig die acht Distichen. Der Wunsch der gallischen Provinzialen, Dalmatius möge es bis zum Präfekten bringen (Z. 11), scheint also nicht in Erfiillung gegangen zu sein; womöglich wurde das ganze Anwesen nicht lange nach der Rückkehr des Mannes von Barbaren überrannt und verschwand der Eigentümer. 12 Die Distichen im Stil von Ausonius l3 lauten: lus ad iustitiam revocare aequmque tueri Dalmatio lex est, quam dedit alma fides. Bis sex scripta tenet praetorisque omne volumen, doctus et a sanctis condita principibus. Hic idem interpres legurn legurnque minister quam prudens callet tarn bonus exequitur. Multis pro meritis, Valeri, iustissime retor, multis pro meritis haec stat imago tibi, quam positi longe testantes publica vota usque procul patriae mittimus in gremium. Hinc praefecturae summos venramur honores, hoc te gaudentes omine prosequimur. Quisquis scire volet, quorum celebreris amore, ille hoc indicium sumserit ex titulo: Dalmatio posuit provincia Lugdunensis tertia patrono grata clienta suo.

Hier interessiert besonders der seltene Lobpreis juristischer Bildung des Gouverneurs (Z. 2-4) und ihre praktische Bedeutung aus der Sicht der Provinzialen (Z. 1 f. u. 5 f.).14 Er beherrscht die Zwölf Tafeln (bis sex scriptalS tenet, Z. 3), also das ius civile; ferner das Honorarrecht (tenet praetorisque omne volumen, Z. 3). Und drittens ist er auch über die Kaiserkonstitutionen wohl unterrichtet (doctus et a sanctis condita principibus, Z. 4). Mommsen wies darauf hin, dass der juristische Studienplan, für das späte 5. und frühe 6. Jh. in den wichtigsten östlichen Rechtsschulen Beirut und Konstantinopel gut bezeugt,16 eine ver12 Vgl. A. M6csy, Pannonia and upper Moesia (London 1974) 339-58, bei Valerius Dalmatius auf S. 342 f. jedoch ohne hinreichenden Grund fixiert auf den Usurpator Magnus Maximus. Die Lugdunensis tertia bestand vermutlich schon vor diesem und vor allem nach seinem Untergang 388 fort, L. Pietri, La ville de Tours du Waus VI' siecle (Rom 1983) 14-17. Ein wohl allzu friedliches Bild zeichent L. Varady, Das letzte Jahrhundert Pannoniens (Amsterdam 1969) 321, 346 u. 398, wo Dalmatius unter der Hand immer später angesetzt wird, mit Recht kritisiert von M6csy, Acta archaeologica Academiae scientiarum Hungaricae 23 (1971) 357. 13 Mommsen aaO. 839 = 153 f. 14 Insoweit einzigartig, s. L. Harmand, Le patronat sur les collectivites publiques des origines au Bas-Empire (Paris 1957) 440-43. IS Vgl. Sidonius, Carmina 23, 449, o. Kap. I Nr. 15. 16 Von Justinian: D. const. Omnem § 1 u. dazu Schulz (0. Ein!. Fn. 16) 350 f. Vg!. Mommsen aaO. 840 = 154.

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Viertes Kapitel: Weitere Nachrichten

gleichbare Dreiteilung aufwies: im ersten Studienjahr waren vor den Änderungen Justinians hauptsächlich Materien vorgesehen, die zum ius civile gerechnet wurden; das zweite Studienjahr beherrschten die Ediktmaterien, die noch ins dritte reichten. Daran anschließend wurden im dritten Jahr Papinians Responsen behandelt und im vierten die von Paulus, während das fünfte den Kaiserkonstitutionen vorbehalten war, die an Hand der Codices Gregorianus, Hermogenianus und, seit 438, Theodosianus studiert wurden. Das wird im 4. Jh. in Rom inhaltlich nicht wesentlich anders gewesen sein, wo Dalamtius am ehesten studiert haben wird (seine Heimat gehörte stets zur westlichen Reichshälfte) und woran sich die Honoratioren der Lugdunensis tertia orientiert haben werden. Eine ähnliche, freilich nicht genau entsprechende Dreiteilung des Rechtsstoffs begegnet schon bei den der kaiserlichen Rechtssetzung gegenüber besonders aufgeschlossenen spätklassischen Juristen Ulpian und Marcian; und auch Justinian sollte mit ihr spielen: ius civile, ius honorarium und ius extraordinarium. I7 Allerdings ist zu bezweifeln, dass auch die Rechtsstudenten in Rom fünf Jahre Zeit hatten, mussten sie doch, offenbar auch die Rechtsstudenten, mit 20 Jahren die Stadt verlassen (CTh. 14,9, 1,370). Eingeleitet werden die drei Elemente des Rechtswissens mit einem zusammenfassenden Begriff: almafides, etwa "segensreiche Rechtlichkeit". Diese hat bei Dalmatius den festen Grundsatz herbeigeführt (legem dedit, Z. 2), dass das Recht wieder der Gerechtigkeit verpflichtet ist (ius ad iustitiam revocare) und schützt, was recht und billig ist (aequumque tueri, beides Z. 1). Er ist der Dolmetscher der Gesetze und zugleich ihr Diener (interpres legum legumque minister, Z. 5), der sie ebenso zu einem guten Ende anwendet (tam bonus exequitur) wie er sie weise beherrscht (quam prudens callet, Z. 6). Während seiner Statthalterschaft herrschten, weil Dalmatius ausgebildeter Jurist war, in allen rechtlichen Dingen geradezu ideale Zustände. Das Loblied weiß, dass es dafür nicht genügt, das positive Recht anzuwenden, sondern dass die Rechtsanwendung an Gerechtigkeit und einer guten Art ausgerichtet sein muss, damit ihr Werkzeug iustissime (Z. 7) genannt werden kann. Die Sehnsucht nach einer rechtschaffenen Obrigkiet, deren Optimum ein die Jurisprudenz beherrschender Gouverneur wäre, muss unter den mittelgallischen Provinzialen groß gewesen und scheint hier für kurze Zeit im wesentlichen gestillt worden zu sein; vermutlich sind bei solchen Abschiedsworten insofern jedoch Abstriche zu machen.

17

lnst. 2, 10 § 3. Ulpian 6 ed. D. 50, 16, 10; Marcian 2 inst. D. 48, 10, 7. Vgl. A. A.

Schiller, An Arnerican experience in Roman law (Göttingen 1971) 106-14 (zuerst 1949);

u. D. Liebs, TR 34 (1966) 258-61. Auf allzu schmaler Quellengrundlage L. Mitteis, SZ 23 (1902) 443 f.

II. Das gotisch-burgundische Zeitalter

273

11. Das gotisch-burgundische Zeitalter 3. Fehlanzeigen in gallischen Rechtsbibliotheken Eine objektiv stilisierte Interpretatio zum Zitiergesetz (CTh 1, 4, 3), nach Wieacker aus der III. oder Paragrafeklasse, eher in der späteren zweiten Hälfte des 5. Jhs., d. h. nach 462/467 anzusetzen und vielleicht aus Narbonne, zumindest wohl aus Südgallien, beschreibt zunächst das Abstimmungsverfahren bei Meinungsverschiedenheiten in der klassischen Rechtsliteratur, wobei bemerkenswerterweise Scävola, Sabinus, Julian und Marcellus zunächst unterschiedslos Gajus und den großen Spätklassikern hinzugesellt werden, anders als im Gesetz selbst. Dann allerdings, nachdem auch Papinians Sonderrolle dargelegt ist, heißt es: 18 Scaevola, Sabinus, Iulianus atque Marcellus in suis corporibus non inveniuntur, sed in praefatorurn opere tenentur inserti.

Es gibt im Gesichtskreis des Interpreten also keine Werke dieser vier vor- (Q. Mucius Scävola),19 früh- (Sabinus) und hochklassischen Juristen. Dagegen liegen corpora, Ausgaben einzelner Werke von Gajus und den vier großen Spätklassikern offenbar vor, wie schmal auch immer sie gewesen sein mögen; die Paulussentenzen werden in der Consultatio (0. Kap. 3 Nr. 6 f.) und sogar der winzige Regularum liber singularis von Pseudo-Ulpian wurde corpus Ulpiani genannt. 20 Die Beobachtung der Interpretatio beansprucht keine reichsweite Geltung, ist vielmehr nur fiir einen beschränkten Gesichtskreis glaubhaft, der auf keinen Fall das oströmische Reich, aber auch Italien nicht mehr einschloss,21 sondern 18 IT 1,4,3 = LRV IT 1,4, 1 S. 3. 19 Schwerlich Cervidius Scävola, wie die gewiss nicht zufallige, sondern chronolo-

gisch gemeinte Reihenfolge ergibt, s. etwa Krüger, Gesch. 299 Fn. 17; u. Wieacker (0. Kap. 2 Fn. 99) 158, während er S. 151 noch an Cervidius zu denken scheint. 20 So die einzige das Stück überliefernde Hs. Rom, Vat. reg. 1128 BI. 190vb , Schulz (0. Kap. 2 Fn. 103 a. E.) 4-7. Paulussentenzen: Cons. 3, 7-9 u. 7, 6. Ferner der CG als corpus Gregoriani, nämlich codicis: Cons. 1, 6f. u. 9 f.; 2, 6f.; 9, 8 u. 14-17. Der CH als corpus Hermogeniani (sc. codicis): Cons. 4, 9-11; 5, 6 f.; 6,10 u. 12-19; u.9, 1. Der CTh als corpus Theodosiani (codicis): Cons. 3, 12; 8,2 u. 5 u. 7; 9, 12 f.; u. Schriften d. röm. Feldmesser, hg. F. Blume u. a. I (Berlin 1848) S. 267. All das außer Cons. 7, 6 und corpus Ulpiani übergeht Wieacker aaO. 88 f., wodurch er zu unrichtigen Schlüssen gelangt. Vgl. o. Kap. 3 Nr. 29 bei Fn. 545-47. 21 Für Italien bezeugt der Konstitutionentext, ergangen in Ravenna im Herbst 426, dass Ausgaben der älteren Rechtsliteratur zur VerfUgung standen, obwohl sie alt waren und deshalb vor Gericht nur angefiihrt werden sollten, wenn der Text in mehreren Handschriften verglichen worden ist: si tamen eorum (sc. Scaevolae. Sabini. Iuliani atque Marcelli) libri propter antiquitatis incertum codicum col/atione firmentur. Die Lage wird sich mittlerweile nicht dramatisch verschlechtert haben, trotz Vandaleneinfall 455 18 Liebs

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Viertes Kapitel: Weitere Nachrichten

lediglich diejenigen westlichen Provinzen, die zum Wirkungskreis des Berichterstatters gehörten. Dieser war ein vieIIeicht Narbonenser, also inzwischen westgotischer, jedenfaIIs westlich provinzialer, wahrscheinlich südgaJlischer Rechtslehrer,22 zu dem sicherlich keine Studenten aus Italien kamen. Aufschlussreich für seine enge positivistische GrundeinsteIlung ist sein obigem folgender Satz: Gregorianum vero et Hennogenianum ideo lex ista praeteriit, quia suis auctoritatibus confinnantur ex lege priore sub titulo De constitutionibus principum et edictis.

Damit ist CTh 1, 1, 5 gemeint, weIches Gesetz übrigens nicht ins Breviar aufgenommen wurde. Wenn einer Rechtfertigung bedarf, dass die Codices Gregorianus und Hermogenianus nicht weniger Autorität haben als die klassischen Juristenschriften, so zeugt das von fortgeschrittenem Absolutismus oder vielmehr Rechtsquellenmonismus. Dass der Interpret ohne CTh 1, 1, 5 die beiden älteren Konstitutionensammlungen nicht hätte gelten lassen, erscheint allerdings schwer vorstellbar. Möglicherweise huldigt er nur einer unter dem Eindruck des Zitiergesetzes überzogenen, hier unschädlichen Attitüde. Die nur wenig älteren und wohl in Burgund zu lokalisierenden Verfasser der Consultatio hatten jedenfalls keine Skrupel, auch die älteren Codices für die Praxis weidlich auszubeuten, ohne das irgendwie zu legitimieren. In Rom und Italien wäre dieses Legitimationsbedürfnis des Interpreten vollends fehl am Platz erschienen, während die älteren Codices auch im westgotischen Breviar wie gesagt zu den Juristenschriften, zur Textmasse Ius geschlagen wurden und nicht zur Textmasse Leges.

4. Das Ende der reichsrechtlichen Ordnung im Rheingebiet Im Jahr 475/76 schreibt Sidonius ApoIIinaris, aus westgotischer Haft entlassener Bischof von Clermont Ferrand, an den comes Trevirorum Arbogast,23 Nachfahre des römischen Heermeisters fränkischer Herkunft gleichen Namens, aber römisch gebildet, Senator und Inhaber der zivilen und militärischen Gewalt

n. ehr. Anders Wieacker (0. Kap. 2 Fn. 99) 150-52, ohne hier das soeben zitierte Zeugnis zu beachten. 22 Oben Kap. 3 Nr. 12-14. Auch Wieacker (0. Kap. 2 Fn. 99) 151 setzt ihn "wenig nach 450 in Südgallien" an, wertet das aber dann tendenziös auf: "also in einer der gebildetsten Regionen des Westens", "nach dem Urteil dieses sicher unterrichteten Beobachters", um die Aussage zu verallgemeinern. 23 Sidonius, Epist. 4, 17. Datierung nach W. Brandes, Des Auspicius von Toul rhytlunische Epistel an Arbogastes von Trier (Progr. Wolfenbüttel1905) 14-17; F. Lot, Naissance de la France (Paris 1948, 2. Aufl. hg. J. Boussard 1970 hier unverändert) 17 f; Ewig, Ges. Sehr. 141 Fn. 32 (zuerst 1972); u. zumal H. H. AnIon, Francia 12 (1984) 23-30.

II. Das gotisch-burgundische Zeitalter

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in Trier und anscheinend seiner näheren Umgebung. 24 Der comes hatte den wortgewandten Bischof, der ihm anscheinend das 7. Buch seiner Briefsammlung geschickt hatte, gebeten, ihm Texte der Bibel zu erklären, was dieser höflich ablehnte, indem er ihn an zwei Kollegen verwies, deren Sitze näher an Trier lagen: Lupus von Troyes an der oberen Seine und vor allem Auspicius von Toul an der oberen Mosel. Ihn hat Arbogast dann auch persönlich aufgesucht und von ihm später einen ehrenden und belehrenden Brief in Hexametern bekommen. 25 Beide römisch geprägten und gebildeten Bischöfe loben nicht nur die literarische Bildung ihres Briefpartners, sondern versuchen auch, seine weltliche Stellung in die römische Ärnterhierarchie einzugliedern. 26 Gleichwohl sagt Sidonius auch mit aller Deutlichkeit, dass die römische Kultur in dieser Gegend teilweise zerstört ist: 27 .. serrnonis pompa Romani, si qua adhuc uspiam est Belgicis olim sive Rhenanis abolita terris, in te resedit, quo vel incolimi vel perorante, etsi apud lirnitem Latina iura ceciderunt, verba non titubant. Die Pracht der lateinischen Sprache ist in den einst Belgischen Gebieten (Tri er war Hauptstadt der spätantiken Provinz Belgica prima, aber an sich zählten auch die später abgetrennten Grenzprovinzen Germania superior und inferior zur Belgica) oder vielmehr im Rheingebiet (offenbar nur eine andere, unbelastete Bezeichnung fiir dasselbe Territorium) zerstört, aber wenn es überhaupt noch Reste gibt, dann in seiner, Arbogasts Person, durch dessen Unverletztheit und Redegewandtheit die lateinischen Worte nicht wanken, obwohl die lateinische Rechtsordnung im Grenzgebiet zusammengebrochen ist. Die scharfe Entgegensetzung von etsi ... Latina iura ceciderunt und (sc. Latina) verba non titubant wurde früher einhellig als Abtrennung von der römischen Ordnung im römischen Reich und der dieses einenden Rechtsordnung verstanden, die im gesamten rheinischen Grenzgebiet, wozu auch Trier gehört, nach traditiionellen Provinzbegriffen in der ehemaligen Belgica hinfällig geworden ist;28 nur in Trier hält sich in der Person Arbogasts wenigstens lateinische Sprache in ihrem ganzen Reichtum; wo Latina verba non titubant, also in Trier, ebendort ceciderunt Latina iura. Deshalb ist es nicht möglich, apud limitem auf einen schmalen Grenzstreifen zwischen Trier und dem Rhein zu beschränken. 29 Seit dem frühen 24 Zur Stellung Arbogasts gibt es eine reiche Lit., zuletzt näher Anton (soeben Fn. 23) 22-44, zur räumlichen Ausdehnung 35-40; zusammenfassend ders., Trier im frühen Mittelalter (Paderborn 1987) 50-58, hier S. 55 zur räumlichen Ausdehnung. 25 Hg. W. Gundlach, MGH Ep. III 135-37; u. besser K. Strecker, jetzt in: CCLat 117, 442-47. Zur Editionsgeschichte Anton (0. Fn. 23) 22 f. 26 Ausführlich dazu jetzt Anton (0. Fn. 23) 30-35. 27 Ep. 4,17,2. 28 Ausführlich Brandes (0. Fn. 23) 17-22. Ebenso noch PLRE II Art. Arbogastes; u. E. James, The Franks (Oxford 1988) 73 f. 29 So aber Anton (0. Fn. 23) 35; u. schon Lot (0. Fn. 23) 18.

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20. Jh. erblicken die meisten französischen 30 und seit der Mitte des 20. Jh. auch deutschen Historike?1 in Arbogast einen kaiserlichen Sonderbeauftragten; die römische Herrschaft habe also noch in einer andern Enklave, nicht nur im Reich des Syagrius fortgedauert. Hauptgrund sind die Schmeicheleien der beiden Bischöfe gegenüber dem Machthaber in Trier, die seine Stellung in die Ranghierarchie des Reichs einordneten. Solche Schmeicheleien mit typisierenden Epitheta zählen aber wohl weniger als die gerade auch für Sidonius harte Wirklichkeit, die er einräumt.

Nach welchem Recht aber lebte man dann? Arbogast war barbarorum familiaris/ 2 also persönlich umgeben von Barbaren, Germanen; quod tamen nescius barbarismorum fährt Sidonius schmeichelnd fort. Er ist der vorsorgende Richter seiner Untertanen: iudex multorum providus,33 und wird ermahnt, sich nicht an seinen Untertanen bereichern/4 d. h. zieht Steuern ein. Germanen zahlten keine Steuern, dafür musste er romanische Untertanen haben;35 und für sie kam nur das römische Steuersystem als Maßstab gegen Willkür in Betracht. Auch als iudex providus benötigte er Richtlinien, die wieder nur das römische Recht liefern konnte, angepasst an die konkreten, durch die Vorherrschaft von Germanen geprägten Bedürfnisse wie im Codex Euricianus oder später in der Lex Burgundionum (0. Kap. 3 NT. 14a u. b) und im Edictum Theodorici. Latina iura ceciderunt bezeichnet also nur das Ende der römsichen Herrschaft in Trier und im ganzen Gebiet der Rheingrenze, besagt aber nicht auch, dass die dort verbliebenen Romanen in keiner Weise mehr nach römischem Recht gelebt hätten. 5. Rechtskundige Richter im ostgotischen Marseille Nach der verheerenden Niederlage der Westgoten 507 griff der Ostgotenkönig 508 in die Kämpfe um die bis dahin gleichfalls westgotische Provence ein, vertrieb Burgunder und Franken und fügte das Gebiet seinem Reich ein. Dieses Eroberungswerk wurde durch die Wiedererrichtung der gallischen Präfektur in Arles, wenn auch mit sehr kleinem Bezirk, gekrönt; Präfekt wurde Liberius, der sein Amt Ende 510 antrat; Vikar der einen gallischen Diözese war schon seit 30 Bes. J. Dec/areuil, NRH 34 (1910) 803-07; F. Lot, La fin du monde antique et le debut du moyen äge (Paris 1927) 364; ders. (0. Fn. 23) 18 (vorsichtig); u. E. Demougeot, La formation de I' Europe et les invasions barbares 112 (paris 1979) 677. 31 Bes. E. Ewig, Trier im Merowingerreich (Tri er 1954) 56-58; weitere Stimmen bei Anton (0. Fn. 23) 24 f. S. 25 auch deutsche Gegenstimmen. 32 Sidonius, Epist. 4, 17, 1.. 33 Auspicius (0. Fn. 25 nach Strecker), Strofe 29 Vers 2, s. a. Str. 13 u. dazu Brandes (0. Fn. 23) 19 f. 34 Auspicius Str. 22 u. dazu Brandes aaO. 35 Scheibelreiter 1999 (0. Kap. 1 Fn. 138) 23-31.

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508 Gemellus,36 aber nur bis 511, Monate nach dem Eintreffen des Liberius; ein Nachfolger ist nicht bekannt. Ein Provinzgouverneur, ob nun römischer comes, consularis, corrector oder praeses, war daneben nicht vorgesehen. An Gemellus, in erster Linie aber an den gotischen Grafen von Marseille, Marabad, der in Marseille zugleich die richterlichen Kompetenzen eines Gouverneurs hatte/ 7 erging 511 ein Schreiben Theoderichs, veranlasst durch eine Eingabe der illustris femina Archotamia in Marseille. 38 Diese war offenbar verwitwet; ihr namentlich unbekannter Mann muss eines der höchsten Reichsämter innegehabt haben. Sie selbst war mit Ennodius nahe verwandt, ein Aristokrat, gleichfalls aus Gallien, wohl Arles, und jetzt einflussreicher Kleriker in Mailand und beIiihmter Dichter. 39 Archotamia hatte einen namentlich ebenso unbekannten Sohn, der eine Aetheria geheiratet und von ihr mehrere Kinder hatte. Da entschloss er sich, in den geistlichen Stand überzutreten und im Kloster von Lerins auf einer Insel vor Cannes als Mönch zu leben.40 Dadurch war die Ehe aufgelöst41 und Aetheria heiratete wieder, worüber Ennodius, der an der Familienflucht des Vetters nicht unbeteiligt gewesen sein wird, empört war. Er mag gehofft haben, dass sie wie seinerzeit seine eigene Braut gleichfalls ein geistliches Leben beginnt; in einem Brief an den Presbyter Aurelian in der Provence nennt er sie eine Ehehure: secuta est ... lupanaris vice coniugium. Genugtuung bereitet ihm, dass sie unter ihrem Stand wiedergeheiratet hat; elegit indignum und poenam jlagitii repperit in marito sagt er. 42 Ihr neuer Ehemann, ein anderer Liberius, hatte nämlich nur die Würde eines vir spectabilis. 43 Archotamia nun hatte die ehemalige Schwiegertochter gegenüber dem König beschuldigt, sie habe Vermögen ihres ersten Mannes den Kindern entzogen und für ihr neues Heim verwandt. Daraufhin weist Theoderich Marabad und Gemellus an, die Vermögensstreitigkeit zwischen früherer Schwiegermutter, die für einen Enkel auftritt, und früherer Schwiegertochter gerichtlich zu untersuchen und ein Urteil 36 Zu den Ereignissen Wolfram 309 u. 314; u. D. Claude, ZRGG 114 (1997) 362-66. Zu Liberius noch PLRE II 677-81, Art. Liberius 3. Zu Gemellus PLRE II 499 f. Art. Gemellus 2. Zur weiteren Geschichte der gallischen Präfektur Claude 369-79. 37 Cassiodor, Variae 3, 34 wohl von 510. Zu ihm Mommsen, MGH AA XII = Cassiodor (1894) XXVIII u. 496; u. PLRE II 706, Art. Marabadus. 38 Cassiodor, Variae 4, 12. Zum Datum S. Krautschick, Cassiodor und die Politik seiner Zeit (Bonn 1983) 65 f. Zu Arehotamia PLRE 11 135 Art. Areh. 39 Bischof von Pavia wurde er 514 und blieb es bis zu seinem Tod 521. Zu ihm Schanz IV 2, 131-48. 40 Das sagt Ennodius in einem Brief an Arehotamia, Epist. 7, 14 = Opus 319,3-6. Auf mehrere Kinder deutet wohl filiorum spoliis Cassiodor, Variae 4, 12, 2 a. E., während a. A. nur von einem Enkel der Arehotamia die Rede ist: nepotis sui. 41 KaserII 175 = § 219 14. 42 Ennodius, Epist. 8, 35 = Op. 412, 2. 43 Das steht bei Cassiodor, Variae 4, 46, s. sofort.

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nach Gesetz und Recht zu fällen. Aber der Gote und der Römer sollen nicht allein zu Gericht sitzen, sondern drei honorati von Marseille hinzuziehen, auf die sich die Parteien geeinigt haben und die rechtskundig sind: 44 Marabado viro illustri comiti et Gemello viro spectabili Theodericus rex ... nos, qui desideria supplicantum consuevimus remittere ad statuta divalium sanctionum, ut nec insinuationem supplicum renuamus nec adversarii negotium credula facilitate darnnemus, sublimitatis vestrae iudicio hanc causam legibus committimus audiendam, ut omni incivilitate summota mediis sacrosanctis evangeliis curo tribus honoratis, quos partium consensus elegerit, qui legum possint habere notitiam, quicquid prisci iuris forma constituit inter eos, considerata disciplina nostri temporis proferatis, quia non decet per vim eos aliquid agere, qui ad nostra meruerunt regimina pervenire.

Honorati in den Städten außerhalb Roms und Ravennas sind Bürger, die es zu einem wirklichen oder titularen Staats amt auch unterhalb der mit Clarissimat, also Zugehörigkeit zum Senatorenstand verbundenen Ränge gebracht haben, der Reichsadel. 45 Unter ihnen mochten sich in Marseille drei finden, die beiden Parteien genehm und obendrein im Recht beschlagen waren; auf Juristen wird man sich am ehesten geeinigt haben. Als drittes Erfordernis wird nun Rechtskunde, mit legum notitia etwas matt angesprochen, auch nicht streng verlangt; es heißt nur possint habere, d. h. nach Möglichkeit sollten die hinzuzuziehenden Schiedsrichter die Gesetze kennen. Dass bei römischen, nichtgotischen Parteien keine gentilen, sondern die römischen Gesetze gemeint sind, ergibt sich auch aus Theoderichs vorangehendem Bekenntnis zu den statuta divalium sanctionum, also den Kaiserkonstitutionen, und aus dem abschließend genannten Maßstab quicquid prisci iuris forma constituit. Wie wenig streng Theoderichs Empfehlung, gesetzeskundige ehemalige Reichsbeamte hinzuzuziehen, tatsächlich aufgefasst wurde, lehrt der zufällig überlieferte Ausgang des Prozesses. Graf Marabad hatte, anscheinend ohne den Römer Gemellus und ohne honorati, allein aufgrund des Auftrags des Königs, in dessen Sinn er wohl zu handeln glaubte, ein Urteil gesprochen, das Aetheria sehr belastete. Dagegen wandte sich nun ihr Mann Liberius an den König und dieser wies nur mehr Graf Marabad an, das Urteil desselben zusammen mit Schiedsrichtern ohne weitere Qualifikation, als dass beide Parteien sich auf sie geeinigt haben müssen, und ohne eine Zahl vorzusehen, unparteiisch zu überprüfen. Wenn das Geschäft dadurch nicht abgeschlossen werden, d. h. keine

44 Cassiodor, Variae 4, 12,3. Dazu Riche 1962 (0. Einl. Fn. 9) 182 f., der aber zu Unrecht Gregor d. Gr., Epist. 9, 197 huius civitatis docti viri ... , auf Cagliari bezieht und dadurch eine Parallele herstellt, s. Liebs, Italien 128. 45 Mommsen, Ges. Schr. VI 433 (zuerst 1889).

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Lösung gefunden werden kann, mit der sich beide Parteien abfmden können, steht ihnen das Königsgericht zur Verfügung: 46 Marabado viro illustri Theodericus rex ... vir spectabilis ... Liberius dolenda nobis aditione suggessit coniugem suam in vestro iudicio contra iuris ordinem praegravatam. Quod si ita est, remotis praeiudiciis apud arbitros, quos partium consensus elegerit, te imminente causa legibus audiatur. Quod si ille finis negotii nequiverit inveniri, per instructas personas, si ta- men ipsae venire non eJigunt, nostro comitatui occurrendi licentiam partibus non negamus, ubi nec redemptio sit forte suspecta nec insidiosa possit nocere calumnia.

Vermutlich hatte Marabad keine beisitzenden Richter mit den genannten Qualitäten gefunden und sich auch nicht rechtzeitig mit Gemellus auf Zeit und Ort des Prozesses geeinigt, der wahrscheinlich im rund 100 km weiter westlich gelegenen Arles, dem Sitz der Präfektur, residierte und demnächst abberufen werden sollte. Marabad hatte dann kurzerhand selbst in einem justizförmigen Verfahren (in vestro iudicio) ein Urteil gesprochen. Der König rügt das nicht, sondern teilt seinem Grafen nur mit, dass der Ehemann des unterlegenen Teils das Verfahren: contra iuris ordinem, und sein Ergebnis gerügt hat: coniugem suam praegravatam. Voreingenommen sei Marabad gewesen, womit Liberius wie gesagt nicht ganz Unrecht haben dürfte. Allerdings beruhte das wohl nicht zuletzt auf dem vorigen Reskript an Marabad und Gemellus. Der König spricht zuletzt von den Gefahren einer Richterbestechung und einer hinterhältigen Intrige, die beide beim Königsgericht nicht drohen würden, bei Marabad also schon; das Reskript sollte ihm wohl diese möglichen Gründe fiir ein Fehlurteil bewusst machen. Positive Vorschriften aber gibt der König oder vielmehr Cassiodor diesmal kaum mehr. Gemellus ist inzwischen nicht mehr zu beteiligen, auch kein Nachfolger im Amt, obwohl es sich nicht einmal um einen gemischten Streit handelte, sondern um einen zwischen Römern bzw. Römerinnen; Gegenstand waren Vermögenswerte, d. h. spezielle gotische Interessen waren nicht berührt. Auch wenn man sich grundsätzlich zumindest bei innerrömischen Sachen an das römische Recht so hielt, wie dieses bisher gehandhabt wurde,47 so war das doch weder verfahrensrechtlich zwingend noch auch materiellrechtlich. Vielmehr will der König jetzt, dass in erster Linie eine einvernehmliche Lösung 46 Cassiodor, Variae 4, 46. 47 So vor allem Cassiodor, Variae 7, 3, I. Differenziert dazu Felix Dahn, Die Könige

der Germanen III (Würzburg 1866) 92 f.; u. IV (ebenso) 155-62, bes. 160 f.; allzu kurz Bethmann-Hollweg (0. Kap. 3 Fn. 501) 278 f.; u. Stüven (0. Kap. 3 Fn. 34) 46 f. Noch 574 urteilte der Frankenkönig Sigibert in Marseille anscheinend nach ostgotischrömischem Recht: seinem von Gregor von Tours, Hist. Franc. 4, 43 a.E. berichteten Urteil lag anscheinend Ed. Theod. 3 zugrunde, Buchner (0. Kap. I Fn. 179) 18; zustimmend W. Levison, MGH SRM I 12 178 Fn. I. Wenig hilfreich Weidemann (0. Kap. I Fn. 179) I 10, der verfehlten Zuschreibung des Ed. Theod. an die Westgoten folgend; außerdem verkennt sie hier, dass CTh und PS bei den Franken damals schwerlich selbst greifbar waren, sondern nur ihre Auszüge im Breviar, allenfalls angereicherte.

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angestrebt wird. Hier setzt sich offenbar germanisches Rechtsdenken durch, sowohl beim Verfahren: der gotische Graf leitet das Verfahren (te imminente), Richter dagegen sind einvernehmlich bestimmte arbitri, apud quas causa audiatur; als auch weitgehend inhaltlich: ganz im Vordergrund steht, dass beide Seiten die Lösung, wie immer sie aussieht, annehmen können sollen. Dass nach dem geltenden römischen Recht zu urteilen sei, wird jetzt nicht mehr wortreich wie im ersten Reskript angeordnet; es heißt nur mehr ganz allgemein causa legibus audiatur. 48 Cassiodor bezeugt für die Provence also nur, dass Theoderichs offizielle Reichspropaganda bei einem Streit zwischen Römern gesetzeskundige Richter beizuziehen lediglich empfahl. Wichtiger, nämlich unabdingbar war die Einigung der Parteien auf sie und wohl auch weiterhin ihre Zugehörigkeit zum Reichsadel. Aber der gotische Graf, der für die Durchführung des Prozesses hauptsächlich verantwortlich war, hatte sich, zunächst jedenfalls, nicht einmal daran gehalten, als Richter neben ihm selbst noch andere beizuziehen.

III. Das fränkische Zeitalter 6. Die römischrechtlichen Testamente der Merowingerzeit Aus den 250 Jahren, in denen die Franken unter den Merowingern Gallien beherrschten, sind, mehr oder minder gut, rund 60 Testamente bekannt, die sich auf ein Formular zurückführen lassen, das aus den in der Kaiserzeit üblichen römischrechtlichen Testamentsformularen abgeleitet ist. 49 Die große Masse stammt aus den 80 Jahren zwischen 570 und 650 n. Chr.;50 einzelne reichen bis 533 zurück51 und vor bis 739, nämlich das nahezu vollständig im Wortlaut über48 Wie stark germanisch-gotische Vorstellungen Theoderichs Regierungspraxis prägten, hat jüngst ausführlich D. Kohlhas-Müller, Untersuchungen zur Rechtsstellung Theoderichs des Großen (Frankfurt am Main 1995), dargestellt. 49 U. Nonn, AtD 18 (1972) 1-129. Ich zähle elf überlieferte Testamente, S. 25-35 aufgezählt, lasse das der Irmina von Oeren aber weg, in der Sache eine Schenkung; mehr als 40 bezeugte Testamente (S. 45-47), wenn man bei den drei Bezeugungen einer unbestimmten Vielzahl (S. 37 f. u. Fnn. 264 u. 269-73) je sechs annimmt und die Testamente der Bischöfe Germanus von Auxerre (S. 45), Perpetuus von Tours (S. 39), Vigilius von Auxerre (S. 44 f.) und das der Goyla, wieder eine Schenkung (S. 47), beiseite lässt; sowie zehn in den Formelsammlungen (S. 47-58). Zur Datierung des Testaments der Ermentrude s. jetzt Laporte (0. Kap. 2 Fn. 72). so S. d. Übersicht bei Nonn 48, die bei Paris und Toulouse zu korrigieren ist. Hier ist das Testament der Beretrud gemeint, s. S. 39; sie starb 589, Gregor von Tours, Hist. Franc. 9, 35 a. A. u. dazu etwa PLRE III udSt. Beretrudis. 51 Hinkmar von Reims hat das Testament des Bischofs Remigius von Reims überliefert, Vita Remigii 32 (MGH SRM III 336-40), der wahrscheinlich 533 starb; Gregor von

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lieferte Abbos, eines burgundischen Großen romanischer Herkunft, der sich früh Karl Martell angeschlossen hatte. 52 Dieses Exemplar besteht aus 64 Bestimmungen, überliefert auf 20 beidseitig beschriebenen Pergamentblättern. Danach gibt es bis zum 12. Jh., eine wesentlich besser als die vorige dokumentierte Epoche, keines mehr, vielmehr nur mehr Schenkungen von Todes wegen. 53 Die meisten Testatoren waren Kirchenfürsten, auch germanischer Herkunft wie Bischof Bertram von Bordeaux (585 n. Chr.), der gleichnamige Bischof von Le Mans (616 n. Chr.), sein Nachfolger Hadoind (645) und der Diakon AdalgiseI von Verdun (634).54 Vereinzelt scheinen aber auch fränkische Große oder sonst Reiche römisch testiert zu haben wie Beretrude, Witwe des Grafen Launebod von Toulouse (vor 589 n. Chr.),55 die freilich von der weitgehend begünstigten Kirche beraten worden sein wird; und der 588 zum Königshof in Reims reisende reiche Bürger von Poitiers namens Wiliulf. 56 Auch Ermentrude aus Lagny an der Mame unweit Paris begünstigt in ihrem Testament aus dem frühen 7. Jh. 57 zahlreiche kirch~iche Einrichtungen und wird dabei gleichfalls von Geistlichen beraten worden sein. Burgundofara, die Gründerin des Klosters Faremoutiers, deren Testament 633/34 anzusetzen ist, war die Schwester des Bischofs von Meaux. 58 Schließlich ist, wenn auch ohne den Anfang, das TestaTours bezeugt, dass Bischof Ommatius, der um 530 starb, zugunsten der Kirchen an den Orten seiner Besitztümer testiert habe: Hist. Franc. 10, 31, 12; und Cäsarius von Arles starb 542, dessen Testament durch eine Abschrift aus dem 10. Jh. erhalten ist, wenn wohl auch interpoliert, Nonn aaO. 26 f. u. Fn. 178. Die Testamente der Bischöfe Germanus von Auxerre und Perpetuus von Tours, die 448 bzw. 491 starben, stammen aus römischer bzw. westgotischer Zeit, müssen hier also außer Betracht bleiben. 52 P. J. Geary, Aristocracy in Provence. The Rhöne basin at the dawn of the Carolingian age (Princeton u. Stuttgart 1985), hat das Testament neu herausgegeben (in der Stuttgarter Ausgabe S. 36-79, mit eng!. Übers.) und eingeordnet. Am 18. Jan. 722 errichtete Abt Widerad von Flavigny sein Testament, das durch Abschriften aus dem 11. und wieder 17. und 18. Jh. erhalten ist, Nonn aaO. 33 f. u. näher 110-21. Im Original, wenn auch lückenhaft, ist das Testament des Sohnes der Idda erhalten, das um 690 angesetzt wird, Nonn 32. 53 Nonn aaO. 2 f. u. 57; u. B. Kasten, ZRGG 107 (1990) 238 f. Beispiele rur solche Schenkungen von Todes wegen der Karolingerzeit, welche die Funktion der Testamente übernehmen, bei Kasten 247-84. 54 Zur Verwandtschaft AdelgiseIs W. Levison. Aus rheinischer und fränkischer Frühzeit (Düsseldorf 1948) 118 (zuerst 1932); zu Bertram von Le Mans M. Weidemann, Das Testament des Bischofs Berthram von Le Mans vom 27. März 616 (Mainz 1986) 12247; Bertram von Bordeaux war ein Vetter, s. S. 129-34. 55 Sie gehörte zum fränkischen Adel, PLRE III Art. Beretrudis nach Fortunat, Carmen 2, 8 Z. 27. 56 Gregor von Tours, Hist. Franc. 9, 13. 57 Laporte (0. Kap. 2 Fn. 72). ChLA 14 Nr. 592. 58 Nonn (0. Fn. 49) 29 f. Zu ihrer Familie und ihren Beratern Ewig (0. Kap. 1 Fn. 305) 124 f. u. 134; James (0. Fn. 28) 132; u. Geary (0. Kap. 1 Fn. 282) 174.

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ment des Sohnes der Idda und Gatten der Chramnetrude aus Vexin nordwestlich von Paris, gleichfalls sehr kirchenfreundlich, erhalten, wohl um 690 abgefasst. 59 Wenn uns nach Abbo niemand mehr bekannt ist, der seine und der andern Testatoren Freiheit, letztwillig wie herkömmlich zu verfügen, in Anspruch nahm, so wird das mit der Macht der Karolinger zusammenhängen, die auch in den romanisch geprägten, vom Zentrum im Norden weit entfernten Teilen ihres Reichs spätrömische Traditionen abschnitten. 60 Sie werden römische Testamente nicht mehr respektiert und das auch verkündet haben, so dass es keinen Zweck mehr hatte, ein aufwändiges Testament zu errichten, und Ersatzformen ausgebildet werden mussten. Benachteiligt dadurch waren hauptsächlich die kirchlichen Einrichtungen, welche vor allem den alten romanischen Familien eine Heimstatt boten, und zugute kam es den Angehörigen der besitzenden Sippen, die damals stärker dem Germanischen huldigten, und sei es nur bei der Namensgebung. Bis ins frühe 8. Jh. dagegen haben die Vermögenden, die für ihr Vermögen nach ihrem Tod Besonderes planten, offenbar im ganzen Reich verrugbare römische Juristen oder doch Notare bzw. Urkundenschreiber romanischer Tradition zu Rate gezogen; und diese Tradition brach mit dem Ende der Merowinger ab, wenn auch einzelne Elemente in die neu begründete Tradition der Schenkungen von Todes wegen übernommen wurden, zunächst noch mehrere Elemente, bald aber nur mehr einzelne. 7. Die Konzilsväter in Tours 567 kennen Rechtsgelehrte König Charibert hatte seine standesgemäße Ehefrau verstoßen und mehrere einfache Mädchen geheiratet, darunter zwei Schwestern. Noch zu seinen Lebzeiten tagte am 18. November 567 in Tours61 ein regionales Konzil,62 welches unter anderm das Inzestverbot neu einschärfte und dazu außer Bibel auch zwei Breviarstellen, Interpretationen zu Konstitutionen aus dem Theodosianus, wörtlich anfiihrte. 63 Die zweite erfasst den Fall König Chariberts, wenn sie auch nur eine Ehe nach dem Tod der Schwester in Betracht zieht. Eingeleitet werden die Breviarzitate mit den Worten: Itemque ait sacra sententia legum, qu(a)e in hac explanatione omni homine, tarn docto quam indocto, aperta est 59

Nonn (0. Fn. 49) 32. ChLA 13 NT. 569.

60 Vgl. Geary (0. Fn. 52) 152; u. Esders 283 f. 61 Anstoß daran nahm auch Gregor von Tours, der uns darüber unterrichtet: Rist.

Franc. 4, 26. 62 Pontal (0. Kap. 1 Fn. 266) 128-35 = 156-63 d. frz. Ausg. Paris 1989. 63 MGR Concil. I 131-33 = CCLat 148A 188-91, Kan. 22 des Konzilsbeschlusses. Die BreviarsteIlen S. 132 Z. 8-12 = 189 Z. 405-11. Es handelt sich um LRV IT 3, 12,2 g. A. u. 3 (in den CTh-Ausgaben 3, 12,3 u. 4).

III. Das fränkische Zeitalter

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Harald Siems hat darauf aufmerksam gemacht, dass mit dem homo doctus, der in damaligen Konzilsbeschlüssen sonst nicht vorkommt, Rechtsgelehrte, docti legum, d.h. Kenner der Schriftstellen des Breviars und wohl auch etwa von Königsgesetzen gemeint sein werden,64 nicht nur allgemein Schrift- und Sprachkundige. Da der Singular omni homine ... docto hier generalisierend gebraucht ist, ergibt die Stelle, dass den Bischöfen Nordwestgalliens damals Juristen der Lex Romana geläufig waren. 8. Isidor von Sevilla Der universalgelehrte Bischof von Sevilla, Isidor, ungefähr 560 geboren, seit 599/600 Bisphof und 636 gestorben,65 war selbst kein Jurist; seine Äußerungen zu Rechtsbegriffen und Rechtstexten sind nicht praktsich orientiert. 66 Gleichwohl äußert er sich dazu nicht selten. An erster Stelle zu nennen sind seine VerSUS, ein Gedicht auf seine Bibliothek nach Martial, wo er, gleichfalls auf Martial zurückgreifend, auch seine juristische Bibliothek mit den Worten besingt: 67

xv. THEODOSIUS. PAULUS. GAIUS

Conditur hic iuris series, amplissima legum, Veridico Latium quae regit ore forum.

Martial hatte seinen älteren Freund und Landsmann Matemus, einen sonst unbekannten Juristen, mit den Worten gepriesen: 68 Iuris et aequarum cultor santissime legum, Veridico Latium qui regis ore forum, Municipi, Materne, tuo .,. 64 Siems 163 u. 166. Allerdings ist die Verwendung der (quellentreu explanatio genannten) Interpretatio statt des Grundtexts nicht hervorhebenswert; dieser war damals ganz außer Gebrauch gekommen. 65 Zu ihm etwa J. Fontaine, Isidore de Seville et la culture classique dans l'Espagne wisigothique (2. Aufl. Paris 1983), 3 Bde.; ders., Art. Isidor IV, RAC 18 (1998) 100227; ders., Isidore de Seville. Genese et originalite de la culture hispanique au temps des Wisigoths (Turnhout 2000); R. J. H. Collins, Art. Isidor von Sevilla, Theolog. Realenzyklopädie 16 (1987) 310-15; P. L. Schmidt, Art. Isidorus 9, DNP 5 (1998) 1122-24; u. B. K. Vol/mann, Art. Isidor von Sevilla, RGA 15 (2000) 510 f. 66 J. de Churruca, AHDE 43 (1973) 429-43; u. ders., Las instituciones de Gayo en San Isidoro de Sevilla (Bilbao 1975). 67 Neu hg. A. Riese, Rhein. Museum f. Philologie 65 (1910) 486-503, der Martial als Vorbild ausgemacht hat (unsere Stelle S. 501 als Nr. XVI); C. H. Beeson, Isidor-Studien (München 1913) 133-66 (unsere Stelle S. 162 als Nr. XIV); u. Jose Maria Sanchez Martin, CCLat 113A, ohne Punkt und Komma (unsere Stelle S. 225 als Nr. XV). 68 Martial, Epigr. 10,37; s. a. 1,96,2 u. 2, 74. A. Stein, RE XIV 2 (1930) 2193, Art. Matemus I, erblickt in ihm einen Anwalt; H. J. Izaac, Martial- Epigrammes (Ausg.) 11 2 (paris 1973) 277 Anm. 1 zu S. 90, dagegen einen Juristen mit kaiserlichem ius respondendi; L. Petersen, PIR V 2 (1983) NT. 362, schlicht einen Juristen.

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Isidor münzte die ersten bei den Verse also von dem Juristen auf seine angeb. liehe Reihe juristischer Bücher um. Doch ist damit zu rechnen, dass seine Bibliothek in Wahrheit nur ein Exemplar der Lex Romana Visigothorum enthielt, die damals oft kurz nach ihrem Hauptinhalt Theodosianus genannt wurde,69 aber eben nicht nur diesen ausgezogen hatte. Freilich steht bei Isidor Gajus hinter Paulus, während das Breviar die Gajusepitome schon vor den Paulussentenzen exzerpiert hatte. Die Überlieferung ist aber insoweit nicht einheitlich. So kommt auch in der Wolfenbütteler Breviarepitome, wohl im 7. Jh. entstanden, Gajus gleichfalls erst nach den Paulussentenzen an die Reihe. 70 Andererseits hat Isidor beim Codex Theodosianus nicht nur aus dem Breviarauszug geschöpft, sondern hatte ein Exemplar zur Verfiigung, das zumindest auch die erste Einleitungskonstitution oder die Gesta senatus enthielt. 71 Diese aber konnte er auch aus einer supplierten Breviarhandschrift schöpfen, vergleichbar der Vorlage der Mailänder Sammelhandschrift mit Breviar aus dem 11. Jh., welche die Gesta senatus und viele Konstituionen aus Buch 1 suppliert hat. 72 Auch Gajus, womit allenfalls die Institutionen gemeint sind, wurde von Isidor nicht aus einer vollständigen Ausgabe benutzt, wenngleich auch hier das benutzte Exemplar vollständiger als der Breviarauszug der Gajusepitome war,73 vielleicht wieder nur eine um ausgelassene Teile der Gajusepitome supplierte Breviarausgabe; weniger wahrscheinlich ist eine andere Gajusepitome. 74 Auch mit PAULUS sind lediglich die pseudopaulinischen Sentenzen gemeint; und vermutlich stand auch davon nur der Breviarauszug zur Verfiigung, allenfalls ergänzt. Die im Breviar außerdem vertretenen Gregorius, Hermogeni69 Eine Auswahl der in den Hss. überlieferten Benennungen bei Hänel 5, erste Fn. a; u. 452, erste Fn. c. Gregor von Tours, Hist. Franc. 4, 46, sagt legis Theodosianae libri (s. o. Kap. 1 Nr. 19 f.); die Lebensbeschreibung des Hl. Bonitus, Kap. 2: Theodosii decreta (s. o. Kap. 1 Nr. 88). Fonn. extrav. 15 (MGH Fonn. 537 Z. 6 u. 4) sagt Theodosianus (vorher Theodosianum corpus) nonus in ira prima und meint damit LRV IT 9, 1,4 u. 6. 70 Oben Kap. 3 Nr. 24 a) vor Fn. 382. 71 Isidor, Etym. 5, 1, 7 schöpft aus CTh 1, 1,5, weIches Gesetz auch in den Gesta senatus (§ 4) erscheint, die in den CTh-Ausgaben den Codex gewöhnlich einleiten. 72 Zu ihr Hänel LVII f. u. Mommsen LXXXIII-LXXXV. 73 Nelson (0. Kap. 2 Fn. 17) 148-63. Befremdlicherweise spricht sich Nelson trotzdem fiir ein Exemplar der vollständigen Institutionen in Isidors Bibliothek aus, obwohl dieses gleichzeitig das späteste Zeugnis fiir das Fortleben des Gajustexts sein soll, s. S. 160-63. Ein Grund fiir diese Annahme war Nelsons Vorentscheidung, Isidor habe auch den vollständigen Theodosianus benutzt, s. S. 160 f. Dabei hat Nelson aber die Mailänder Breviarhs. nicht berücksichtigt; ebenso wenig beachtet er, dass die Gajusepitome im Breviar den Sentenzen auch folgen konnte, s. S. 160 Fn. 42. 74 Dafür jedoch de Churruca, Las instituciones (0. Fn. 66). Skeptisch auch R. Wittmann, SZ 98 (1981) 563 f. Vgl. aber auch Th. Mayer-Maly, Ztschr. d. Savigny-Stiftung Kan. Abt. 80 (1994) 497 f.

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an und Papinian zu übergehen, lag nahe, nachdem ihr Anteil am Breviar verschwindend gering war; selbst aus dem im Vergleich zu Hermogenian und Papinian stärker exzerpierten Codex Gregorianus ist nur etwa ein Viertel so viel Text wie aus der Gajusepitome aufgenommen worden. Auch bei andern Abteilungen seiner Bibliothek hat Isidor nur die wichtigsten Autoren besungen, die repräsentativen. 75 Mit iuris series bezieht er die spärlich exzerpierten juristischen Autoren aber ein, bezeichnet er nämlich den gesamten Ius- Teil des Breviars, dem mit amplissima (sc. series) legum der viel umfangreichere Leges-Teie6 gegenübergestellt ist. So bezeugt uns sein Bibliotheksgedicht lediglich, dass in Südspanien im frühen 7. Jh. mit ergänzten Breviarausgaben gearbeitet wurde, auch in der Rechtspraxis der Romanen; Latium quae regit .. .forum heißt es. Isidor erwähnt das Breviar nicht, auch nicht in seiner Geschichte der Gesetzgebung, die bis zum Codex Theodosianus reicht. 77 Er hatte es aber nicht nur zur Verfügung, sondern hat auch daraus geschöpft. 78 Das justinianische Gesetzgebungswerk dagegen erwähnt er nicht nur nicht, sondern hat er auch nicht benutzt. 79 Die Westgoten, welche von Isidors älterem und verehrtem Bruder Leander erst kürzlich zum Katholizismus gefiihrt worden waren und um die sich auch Isidor bemühte,80 fiihrten wegen Ceuta seit den 530er Jahren und auf der iberischen Halbinsel selbst seit 552 Krieg mit Byzanz, der erst um 625, also in vorgerücktem Alter Isidors den endgültigen Sieg der Goten brachte; die byzantinische Kapitale Cartagena wurde zerstört. 81 Auch wenn die byzantinischen Gesetzbücher im byzantinischen Spanien wenigstens zum Teil verfügbar gewesen sein mögen, so waren sie es im westgotischen Machtbereich offenbar nicht. 75 Vgl. bes. XI (Riese XII, sonst X) mit den Dichtem, überschrieben mit vier christlichen, zu denen im Text abschätzig fünf heidnische erwähnt sind. Es fehlt Martial, aus dem Isidor hier sogar hauptsächlich schöpft, s. Riese, Beeson (0. Fn. 67) u. C. Weyman, Beiträge zur Geschichte der christlich-lateinischen Poesie (München 1926) 171-77. 76 S. etwa das Commonitorium zur LRV u. dazu o. Kap. 3 Nr. 15 a). 77 Isidor, Etym. 5, 1. 78 Vgl. die soeben festgehaltene Aufteilung der Rechtsliteratur in Ius und Leges; LRV PS 5, 4, 15 Psalterium, quod vulgo dicitur canticum und Isidor, Etym. 3, 22, 7 Psalterium, quod vulgo canticum dicitur u. dazu Fontaine 1983 (0. Fn. 65) 1438 Fn. 6; die Erwähnung der Responsen des Paulus LRV IT 3, 13,2 u. 3, 16,2 und dieses Werk als einziges Beispiel für Rechtsliteratur bei Isidor, Etym. 5, 14; LRV PS 5, 8, 1 a. E. und Etym. 5, 24, 30 a. E., mag dies auch ein Nachtrag sein; LRV PS 1, 7, 1 und Etym. 5, 25, 36; LRV PS 5, 28, 3 a. A. und Etym. 5, 26, 5; u. LRV IP 5, 28, 2 S. 1 und Etym. 5, 26, 6. Auch Pseudo-Ulpians Regularum liber singularis, der gleichfalls benutzt ist (19,8 in Etym. 5,25,30; weniger sicher 11, 28 in Etym. 11,2, 13), ist als Bestandteil des Breviars überliefert, Schulz (0. Kap. 2 Fn. 103 a. E.) 4 f. 79 H. E. Dirksen, Hinter!. Schriften (Leipzig 1871) I 185-203; B. Kübler, Hermes 25 (1890) 505 u. 518. 80 Statt aller Fontaine (0. Fn. 65) 1998 Sp. 1002 f.; u. 2000 S. 129-49. 81 Claude (0. Kap. 2 Fn. 2) 56-59 u. 77.

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Für seine Auskünfte über Rechtsbegriffe stützte sich Isidor hauptsächlich auf Kirchenväter einschließlich Tertullian, auch auf Cicero und spätantike Grammatiker wie Servius. 82 Zweimal beruft sich der uns vorliegende Text auf den Juristen Paulus. An der ersten Stelle wird auf seine Responsensammlung hingewiesen, ein späterer Einschub wohl noch Isidors selbst,83 vermutlich Frucht eines Breviarstudiums. 84 Bei der andern Stelle handelt es sich wahrscheinlich um eine spätere Interpolation einer SentenzensteIle aus dem Breviar. 8s Und interpoliert ist wahrscheinlich auch die einmalige Berufung auf Modestins Differentiae in einer heute verschollenen Handschrift. 86 Außerdem ist wie gesagt stillschweigende Benutzung des Breviars wahrscheinlich, und zwar eines aus dem vollständigen Theodosianus, der vollständigen Gajusepitome, den vollständigen Paulussentenzen und um Pseudo-Ulpian angereicherten Exemplars. 87 Allerdings sind nicht alle Quellen von Isidors Rechtswissen schon ausgemacht. Zur römischen Jurisprudenz finden sich nur historische Angaben, vor allem: Orig. 5, 14 QUID RESPONSA PRUDENTUM. Responsa sunt, quae iurisconsulti respondere dicuntur consulentibus, unde et Responsa Pauli dicta. Fuerunt enim quidam prudentes et arbitri aequitatis, qui institutiones civilis iuris conpositas ediderunt, quibus dissidentium lites contentionesque sopirent.

Ab quidam ist Laktanz wörtlich ausgeschrieben;88 der erste Satz dagegen klingt nur ganz entfernt an Gajus an, eher noch an Cicero. 89 Zeitgenössische Juristen bezeugt Isidor nicht; und die Sachferne vieler seiner Erklärungen von Rechtswörtern lassen es unwahrscheinlich erscheinen, dass er 82 Zahlreiche Nachweise liefert Kübler (0. Fn. 78) 505-26. 83 Isidor, Etym. 5, 14. Die Wolfenbütteler Hs. der Etymologien übergeht in Buch 5,

14 die Worte unde et responsa Pauli dicta, woraus Kübler 508 aber wohl zu radikal auf Interpolation schloss; maßvoller de Churruca 1975 (0. Fn. 65) 42. Auch W. M. Lindsay ließ es in seiner Ausgabe der Etymologien (Oxford 1911) 1184 stehen. 84 Pauls Responsen sind hier zweimal: IT 3, 13, 2 u. 3, 16, 2, zur näheren Auskunft empfohlen, was wohl nur versehentlich ins Breviar gelangte, o. Kap. 2 Nr. 45 bei Fnn. 155 f. u. Kap. 3 bei Fnn. 156-63. 8S Isidor, Etym. 5, 24, 30 a. E.: iuxta Paulum iuridicum (i. zur Unterscheidung vom Apostel Paulus), die Sache LRV PS 5, 8, 1 a. E. entnommen. Lindsay tilgt in seiner Ausgabe der Etymologien I 189 f. das Zitat mitsamt Inhalt; Kübler (0. Fn. 79) 510 verdächtigte nur Paulum, weil nur dies auch in der Wolfenbütteler Hs. der Etymologien fehlt. 86 Isidor, Diff. 1,200. Dazu o. Kap. 2 Nr. 17 u. Fn. 86. 87 Oben bei Fnn. 71 u. 73. Zu den Paulussentenzen s. Etym. 5, 25, 19, das aus PS 2, 12,2 f. (s. Coll. 10,7,2 u. 3) geschöpft sein könnte; die Sentenzenstelle fehlt im Breviar. Zu Pseudo-Ulpian o. Fn. 78. 88 Laktanz, Inst. 1, 1, 12; de Churruca 1975 (0. Fn. 65) 42. 89 Cicero, Pro Murena 28 g. E. Vgl. Gai. 1,7.

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Juristen seinen Text hätte überprüfen lassen. Gewiss kommt eine Menge Rechtswissen zusammen, das aber unprofessionell dargeboten wird. Schon die Anordnung des funften Buchs der Origines, Kap. I bis 27, ist fur rechtspraktisch interessierte Nutzer unzweckmäßig. Zwar beginnt es nach einem historischen Abriss wie herkömmlich mit Rechtsquellen,9o wenn dieser Abschnitt auch in 20 kleine bis kleinste Kapitel zerhackt ist; und angehängt sind zwei kurze Abschnitte De causis und De testibus. Begriffe des materiellen Zivilrechts sind dagegen in zwei massigen, jenen 20 im Umfang je ungefähr entsprechenden Abschnitten De instrumentis legalibus zu Testaments- und Vertragsrecht und De rebus mit einer bunten Mischung zu Erbrecht, Sachenrecht und noch einmal Vertragsrecht zusammengepackt. Es folgt nahezu ebensoviel zum Strafrecht unter den Rubriken De criminibus in lege conscriptis und De poenis in legibus constitutis. Auch wenn dazu offenbar mehrmals ein aufgefulltes Breviarexemplar herangezogen wurde, der König als Rechtsquelle berücksichtigt ist91 und auch sonst die aktuelle Rechtslage durchscheint,92 zeugt all das nicht fur eine lebendige, dem aktuellen Recht geltende Jurisprudenz im Dienst der Recht suchenden Zeitgenossen. Gewiss wird es Jurisprudenz damals in Sevilla noch gegeben haben, doch drang sie nur schwach in Isidors Gelehrtenstube vor.

9. Aldbelm von Malmesbury Im Dezember wohl 671 n. Chr. entschuldigt sich der nachmalige Abt von Malmesbury, der hochgebildete Mönch aus dem Geschlecht der Könige von Wessex, Aldhelm,93 bei Bischof Leutherich von Winchester, dass er zu Weihnachten nicht bei den Brüdern in Malmesbury sein kann, weil seine Studien in Canterbury mehr Zeit in Anspruch nehmen, als vorhergesehen: 94 90 Vgl. Gai. 1, 1-7; UR 1, 1-4; Hennogenian iur. ep. 1 bei Liebs, Hennog. 116; CTh 1, 1-4; CJ 1, 14-17 (dem das Kirchenrecht vorangestellt wurde); D. 1,3 f.; u. demnächst LV 1, lf. 91 Etym. 5, 13; ferner etwa 9, 3, 4 f. 92 Deutlich etwa Etym. 5, 6 zum ius gentium, dem nicht mehr wie herkömmlich Verkehrs geschäfte zugewiesen werden, sondern Landnahme, Kriegsrecht und, einzigartig, das Eheverbot zwischen Fremdstämmigen: conubis inter a/iegenas prohibita. Hier wirkt offenbar LRV CTh 3, 14 nach und seine kürzliche Rücknahme durch Leovigild nur für Ehen zwischen Goten und Romanen (s. LV 3, 1, 1), die auch Isidor zu einen bemüht war; zu Etym. 5,6 allgemein M. Kaser, lus gentiurn (Köln 1993) 51; u. Mayer-Maly (0. Fn. 74) 499 f. Ferner Etym. 5, 25, 5 minorum u. dazu Arjava, in: Law (0. Einl. Fn. 13) 44 f. 93 Zu ihm persönlich Manitius (0. Kap. I Fn. 226) 134 f.; W F. Bolton, A history of anglo-Iatin literature 597-1066 I (Princeton 1967) 68-72; u. Riche 1962/72 (0. Einl. Fn. 9) 421-25. 94 Aldhelm, Epist. 1 Abs. 2, MGH AA XV S. 476 f. Z. 7 ff. Zu Datierung und Adressat s. a. (M. Lapidge u.) M. Herren, Aldhelm - The prose works (lpswichlEngland u.

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Viertes Kapitel: Weitere Nachrichten Neque enim parva temporum intervalla in hoc lectionis studio protelanda sunt, ei dumtaxat, qui solerti sagacitate legendi succensus legum Romanarum iura medullitus rimabitur et cuncta iurisconsultorum secreta imis praecordiis scrutabitur et, quod his multo artius et perplexius est, centena scilicet metrorum genera pedestri regula discemere et ad musica cantilenae modulamina recto sillabarum tramite lustrare, cuius rei studiosis lectoribus tanto inextricabilior obscuritas praetenditur, quanta rarior doctorum numerositas reperitur.

Das anspruchsvolle Latein ist nicht einfach wiederzugeben: Denn auf kleine Unterbrechungen kann man bei dieser Beschäftigung mit Lektüre nicht verzichten, jedenfalls nicht, wer von gründlich geschulter Lesefertigkeit gepackt die Rechte der römischen Gesetze bis in alle Einzelheiten erforschen und alle Geheimnisse der Juristen aus tiefstem Herzen durchsuchen wird, ja, was noch viel kunstvoller und verwickelter als dieses ist, hunderte von verschiedenen Versmaßen mit einer Versfuß-Regel zu unterscheiden und zur Erzielung eines wohlklingenden Sprachflusses den richtigen Pfad der Silben durchzugehen, von weIchem Gegenstand den interessierten Lesern eine um so unentwirrbarere Unverständlichkeit zur Schau getragen, je seltener die Menge der Kenner befunden wird. Der junge, damals etwa 30jährige Aldhelm ist fasziniert von den Bildungsmöglichkeiten, die er in Canterbury angetroffen hat. Er hatte dort seine in Malmesbury begonnenen Studien fortführen wollen, nachdem der König von Wessex, Ine, ein naher Verwandter (Bruder?) Aldhelms, auf den erbetenen Rat des Papstes hin den Griechen Theodor von Tarsus, damals in Rom, zum Erzbischof von Canterbury berufen, der seinen gelehrten Freund Hadrian aus Africa, damals Abt eines Klosters bei Neapel, mitgenommen hatte;95 sie kamen, im Frankenreich vom damaligen Machthaber, dem Hausmeier Ebroin, aufgehalten, 669 in England an, brachten offenbar Literatur mit und boten, wie Beda berichtet96 und vermutlich mit Hilfe dieser Literatur, einen vielfaltigen und anregenden Unterricht. Am anspruchsvollsten sind nach Aldhelms Meinung Musik und Poesie, worin er sich noch hervortun sollte;97 am zweitschwersten ist die juristische Literatur, deren Aussagen in ihrer vollen Tragweite zu verstehen auch viel Zeit kostet. Aldhelm hat bei Hadrian also auch Recht studiert, schwerlich aber sich Rechtsliteratur systematisch angeeignet. Mangels weiterer Spuren dieses Interesses in Aldhelms Werk ist der Stelle vielmehr nur zu entnehmen, dass Hadrian ihn in Schriften mit iura legum Romanarum und vielen secreta iurisconsultorum eingefiihrt hatte und er dabei festgestellt hat, es würde sich lohnen, hier tiefer einzudringen. Die Ausdrucksweise erweckt den Eindruck, als hätte Aldhelm die Digesten oder einen Teilband der Digesten vor Augen gehabt, was Theodor und TotowalUSA 1979) 137 f., dessen englische Übersetzung der juristischen Partie (S. 152) jedoch nicht überzeugt. 95 Manitius (0. Kap. 1 Fn. 226) 12; Riche 1962/72 (0. Ein!. Fn. 9) 397 u. 419-22; u. Sehlmeyer (0. Kap. 3 Fn. 468) 372 m. weitt. Nachww. 96 Beda Venerabilis, Historia ecclesiastica gentis Anglorum 4,2. 97 Dazu etwa A. Orchard, The poetic art of Aldhelm (Cambridge 1994).

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Hadrian aus Italien mitgebracht haben können, und sei es nur eines der billigeren Gebrauchsexemplare, weIche die Inskriptionen zwar abkürzten, die Namen der Juristen aber auswiesen. 98 Aldhelm ermaß ihren Wert, ohne daraus jedoch schon Nutzen ziehen zu können, weder für sich noch für andere damals. Das Exemplar kann später verloren gegangen sein.

98 S. für Rom Liebs, Italien 263 f.; für Konstantinopel H. 1. Scheltema, TR 45 (1977) 310-13. Zur Verfiigbarkeit der Digesten in Rom in diesen Zeiten Liebs, Italien 202-04 (um 540), 263 f. (um 560), 128 (um 600); u. St. Kuttner, SZ 107 (1990) 382-84 (679 n. ehr.); in Autun um 800 o. Kap. 2 Nr. 20. 19 Liebs

Zusammenfassung Gallien wurde einerseits seit dem 2. Jh. n. Chr. immer vollständiger romanisiert; wie kräftig diese kulturelle Prägung war, zeigt am besten der bekannte Umstand, dass noch im 10. Jh. die im Norden eingedrungenen Normannen in wenigen Jahrzehnten romanisiert wurden. Die Gallier lebten, seit 212 n. Chr. nahezu vollständig, nach römischem Recht und fühlten sich noch im 5. Jh., liest man ihre Wortführer, etwa Sidonius, bei aller Unruhe und Beunruhigung als wichtigen Teil des römischen Reichs, der sogar einmal den Kaiser stellen mochte: Jovin, der sich freilich nicht durchsetzte, und Avitus (Kap. 1 Nr. 7), dem es nur für kurze Zeit gelang. Andererseits entstanden auf gallischem Boden, zunächst in Randgebieten im Südwesten und Nordosten, die mächtigsten und dauerhaftesten Germanenreiche: zuerst das westgotische, wenn dieses auch seinen Schwerpunkt, nach einem Jahrhundert in Toulouse, nach schließlich Toledo verlegen musste; und dann das robuste Frankenreich, das auf Kosten nicht nur der Römer expandierte, sondern auch der Westgoten, der Burgunder, der Alemannen und vieler anderer. Das Reich der Burgunder war nach den Westgoten das zweite dem römischen Recht besonders aufgeschlossene Germanenreich. Aber die Franken waren es, welche bewirkten, dass schließlich im 9. Jh. aus Gallien Frankreich wurde. Im Selbstverständnis der nur langsam zusammenwachsenden, das Mischehenverbot z. B. viele Jahrhunderte lang beibehaltenden Nation oder jedenfalls ihrer germanischen Führungsschicht dominierte das Fränkische das Romanische am Ende, ohne es aber zu erdrücken. Juristen des römischen Rechts konnten bis zum 8. Jh. zahlreich ausgemacht werden, namentlich, alle Unsicheren einmal einbezogen, 25 und ein Anonymus, also zusammen 26: im 2. Jh. einer, im dritten zwei, im vierten wieder nur einer, im fünften zwölf, ohne den besonders informativen Sidonius Apollinaris allerdings nur vier; aus dem 6. Jh., für das wir immerhin noch Gregor von Tours und Venantius Fortunatus haben, noch fünf; aus dem 7. vier; und aus dem 8. Jh. einen. Bis zum 5. Jh. waren diese Juristen noch hauptsächlich freiberuflich tätige Rechtsberater und Anwälte (Nr. 1-4, wohl auch 7 und 8, jedenfalls 9-11, auch wohl 12, allemal 13 f., wohl auch 15 u. 16 und vielleicht auch noch 19 u. 23), einzelne auch Rechtslehrer (Nr. 7 u. 15, ebenso im 8. Nr. 26). Einige waren zeitweise Assessoren (Nr. 6,9 u. 12) und gelangten in den höheren Reichsdienst (Nr. 5, 6 u. 7). Aber schon seit dem späteren 5. Jh. finden wir sie auch im Dienst der westgotischen (Nr. 7 u. 15), burgundischen (Nr. 16) und im späteren 6. und 7. Jh. der fränkischen Könige (Nr. 17, 18, 20, 21, 22, 24 u. 25). Einige wurden am Ende Bischof: Germanus noch in römischer Zeit (Nr. 6) und im 7. Jh. unter

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den Franken drei (Nr. 22, wenn unsere Identifizierung zutrifft, 24 u. 25); drei davon waren später Heilige (Nr. 6, 24 u. 25). Die hier aufscheinende Konzentration der Juristen römischen Rechts im späten 6. und im 7. Jh. an den merowingischen Königshöfen spiegelt allerdings nicht zuverlässig die damalige Wirklichkeit. Die zufällig auf uns gekommene Grabinschrift des Felix presbyter aus einem Nest an der oberen Rhone (Kap. I Nr. 23) und Walbert levita (Nr. 26) führen zu der Überlegung, ob die aus dieser Zeit bekannten römischen Juristen nur deshalb fast alle bei Hofe sind, weil die aus dieser Zeit berichtenden Quellen ausschließlicher als sonst die damaligen Machtzentren im Blick haben. Hauptgeltungsgebiet des römischen Rechts war der Süden Galliens und hier wird es neben Felix von Marseille im späteren 6., Felix presbyter im späten 6. und frühen 7. und Walbert levita im 8. Jh. noch weitere Juristen gegeben haben, kamen doch auch die letzten an den Höfen sichtbaren stets aus dem Süden. Die Nachrichten über Rechtstexte und Rechtsliteratur stammen zunächst gleichfalls fast alle aus dem Süden, wenn auch bei den älteren Handschriften (die Handschriften stellen den Hauptteil der Zeugnisse) die genaue Lokalisierung sehr oft noch unsicher oder gar nicht möglich ist. Im 8. und 9. Jh. dagegen haben wir hauptsächlich aus nördlicheren, von den Königen besonders geförderten Schreibzentren Kunde, daneben aus östlichen wie Chur und Sankt Gallen, wiewohl auch damals vieles noch nicht sicher in Gallien bzw. später Frankreich und schon gar nicht genauer dort verortet werden kann. Im Süden bleibt Burgund besonders wichtig, das sich im 7. und 8. Jh. auch den inzwischen in Italien eingeführtenjustinianischen Texten öffnet (Kap. 2 Nr. 5 f. u. 19 f.). Für den Stand der Jurisprudenz aussagekräftiger als die Verfügbarkeit, insbesondere die Vervielfältigung römischer Rechtstexte ist die Schaffung neuer. Diesbezüglich war Gallien auch nach der konstantinischen Wende zum autoritären Imperium - aus der Zeit vorher haben wir kaum Nachrichten - bemerkenswert fruchtbar, wesentlich fruchtbarer oder jedenfalls erhaltungsfreudiger als das Kemland Italien. Hauptgrund ist der juristische Ehrgeiz der von der Reichsregierung nach Gallien verlegten Westgoten, die sich von dem mitnichten berechtigten Stolz der Römer auf ihren Codex Theodosianus beeindrucken ließen und zunächst keine 40 Jahre später für das eigene Volk ein systematisches Gesetzbuch zustande brachten (Kap. 3 Nr. 14a), dem sie nach weiteren 30 Jahren, auch um aus Italien mit und ohne Hilfe der Kirche hereinwirkenden Ansprüchen entgegentreten zu können, eine abschließende, verhältnismäßig umfangreiche Kodifikation des Rechts ihrer Römer zur Seite stellten, das Breviar (Kap. 3 Nr. 15); beiden gesellten die Burgunder nicht viel später bescheidene Schwesterwerke bei (Kap. 3 Nr. 14b u. 16). Die besondere gallische Fruchtbarkeit zeigt sich vorab dann in nicht wenigen aus Unterricht hervorgegangenen Texten. Aus dem 4. Jh. zwar haben wir nur erst wenig Unterrichtsmaterial: den Gajus von Autun (Kap. 3 Nr. 1), ein Zufallsfund. Aus dem 5. Jh. aber kennen wir verhält-

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nismäßig viel (Kap. 3 Nr. 4 u. 10-14), nämlich sechs oder vielmehr, da es auch zu den Paulussentenzen mehrere Interpretationenapparate gab, mindestens sieben. Ihre wenigstens partielle Überlieferung ist größtenteils jenem Ehrgeiz der Westgoten zu verdanken; ohne das Breviar hätten wir nur Kunde von denjenigen gallischen Interpretationen zum Codex Theodosianus, von denen einige wenige zufällig in einer vatikanischen Handschrift eines kleinen Bruchstücks desselben (Vat. reg. 520 BI. 94 f.) erhalten sind (Kap. 3 Nr. 14). Vor allem aber wurde das Breviar dann seinerseits zur Grundlage des Unterrichts im römischen Recht, der sich zumindest in vier der sog. Epitomen des Breviars niedergeschlagen hat: in der Wolfenbütteler aus dem (späten?) 6., allenfalls frühen 7. Jh., vielleicht Lyon (Kap. 3 Nr. 24); der sog. Epitome Aegidii wohl aus dem früheren 8. Jh., Mittel- oder Südgallien (Nr. 29); der sog. Lex Romana Curiensis, früheres bis mittleres 8. Jh. aus Chur (Nr. 30); und der Scintilla I, der sog. Epitome Parisina aus dem 8. Jh., Burgund, anscheinend von einem Walbert levita (Nr. 35). Auch die nicht wenigen Glossenapparate und die Summen zum Breviar (Nr. 25-28) könnten auf Rechtsunterricht zurückgehen. Jedenfalls war danach Unterricht im römischen Recht bis ins 8. Jh. verbreitet, wenn der in diesem Jahrhundert bezeugte auch, im Gegensatz zu dem des 6. Jh., schon starke germanische Einschläge aufwies, oft auch kirchlichen Einfluss offenbarte. Gelegenheitsarbeiten aus der Rechtspraxis, nämlich Zusammenstellungen von Material zur richterlichen oder schiedlichen Bewältigung bestimmter Fälle oder sonstiger praktischer Anliegen, sind aus dem 5. Jh. in größerer Zahl erhalten (Kap. 3 Nr. 5-9), alle aus der Zeit des noch fortbestehenden weströmischen Reichs. Danach ist dergleichen nur mehr in Kümmerform belegt: wohl aus dem frühen 6. Jh. die sog. Appendix III zum Breviar (Kap. 3 Nr. 17); auch die wenigen Zeilen De meretricibus et in/amis am Ende einer Handschrift der Epitome monachi aus dem 10. Jh. (Paris, BN 4419 BI. 76 V)1 und die ebendort festgehaltene INT 15, 1, beide Notizen sicher älter als die Handschrift, werden ihr Dasein einem ebensolchen Interesse verdanken. Der leichteren Orientierung in der Lex Romana und damit gleichermaßen der Rechtspraxis dienten die Explanationes titulorum vor dem ganzen Breviar aus dem späteren 6. bis 7. Jh. (Kap. 3 Nr. 18 f.), die Lyoner Summen am Anfang der einzelnen Bücher noch aus dem 6. Jh. (Kap. 3 Nr. 21), die Lyoner Parafrasen am Anfang der einzelnen Titel früher aus dem 6. Jh. (Kap. 3 Nr. 20) und die spärlichen Randsummen zur Lex Romana für Burgund wohl aus dem 8. Jh. (Kap. 3 Nr. 36). Der Handhabung des in Gallien geltenden römischen Rechts durch die Praxis dienten zwei der Intention nach für jedermann verständliche und mit allerlei Beiwerk aufbereitete Kurzfassungen des Breviars, die wirklich von ei-

1 Abgedruckt bei Mommsen CIl, mit geringfiigigen Varianten G. Hänel (Hg.), Codex Theodosianus (Bonn 1842) 839, obere Fn. zu CTh 9, 7, 1.

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nem Mönch erstellte Epitome monachi (Kap. 3 Nr. 34) und auch die schon als Lehrbuch angeführte Scintilla (Nr. 35), zumindest diese zur Verwendung in der bischöflichen Gerichtsbarkeit, aber wohl auch jene. Beide Epitomen stammen aus Burgund, 8. Jh.;jene eher aus dem früheren. Die schönsten Belege für die Fortgeltung des römischen Rechts, und sei es nur in westgotischer Kürze, bieten die Testamente des 6. bis 8. Jhs. (Kap. 4 Nr. 6) und die römischrechtlichen Formelsammlungen (Kap. 3 Nr. 22 f. u. 31-33), denen bald fränkischrechtliche zur Seite treten, von denen hier nur auf eine, Markulfs, näher eingegangen wurde (0. Kap. 3 Nr. 23a). Die römischrechtlichen waren anders als die meisten fränkischrechtlichen für bestimmte Städte konzipiert: Angers (580/81 mit Nachtrag 598/99, Kap. 3 Nr. 11), Cordoba (616/20, Kap. 3 Nr. 23), Bourges (frühes 8. Jh. und zwei kleinere Sammlungen sowie einzelne Formeln aus dem späten 8. Jh., alles Kap. 3 Nr. 31), Tours (Mitte 8. Jh., Kap. 3 Nr. 32) und Clermont Ferrand (späteres 8. Jh., Kap. 3 Nr. 33). Verstreute, im dritten Kapitel nicht eigens behandelte Formeln mit ausdrücklichen Bekenntnissen zum römischen Recht kommen hinzu. 2 Bei den Formeln wird besonders deutlich, dass die jüngeren immer mehr fränkischrechtliche Elemente enthalten,3 trotz mitunter geradezu ostentativem Bekenntnis zum römischen Recht. Allerdings sind Tempo und Ausmaß der Germanisierung verschieden. Bemüht man sich in Clermont Ferrand noch im späten 8. Jh. um Anknüpfung an den Breviartext, so hatte im etwa gleichzeitigen Nachtrag zur Formelsammlung von Tours das römische Recht schon weithin ausgedient. Seine Tradition zu pflegen war offenbar Sache der städtischen Eliten. Diese wurden von Fall zu Fall mit fränkischen Elementen durchsetzt, öffneten sich auch kirchlichen Interessen in ganz verschiedenem Maß. Erst die Übernahme Italiens in den fränkischen Machtbereich scheint die späteren Karolinger veranlasst zu haben, dem romanischen Element auch im Recht unumwunden Toleranz zu erweisen und auch seine Grundlagen, die Texte, ebenso entschlossen zu sichern wie die der germanischen Stämme, wenn dabei z.B. auch die Todesstrafe für römischgermanische Mischehen erneut festgehalten wurde.

2 Fonn. extrav. I 3-7, 9 f. u. allenfalls 18 a. E. (MGH Fonn. 534-37, 538 f. u. 544 f., s. 545 Z. II f.). 3 Im Einzelnen Stouff(o. S. 241 Fn. 614) 165-88. Zum politischen Hintergrund Esders 283 f.

Quellen A. Juristische Quellen Antiqua summaria CTh 9,23, I: 104 77 Appendices Legis Romanae Visigoth. I 1-3: 99 38 , 10042 , 142, 143 110 14f.: 99 38 , 10042 , 142 16: 99 38, 10042 , 142, 143 109 17: 142,143 110 ,144 18f.: 142,143 110 I 10-20: 142 121: 142, 144 122f.: 142 124f.: 142, 143 109, 144 126-28: 142, 144 II I: 141f.,142 ll9 II 2: 144 II 3: 144f. II 4: 144, 14zI 19 II 5: 144f. II 6-10: 144 II 6f.: 10042 , 144 II 8-10: 99 38 , 144 II 11f.: 144f. II 13f.: 144 II 15-17: 99 38 Cartae Senonenses s. Fonnelsammlung von Sens Codex Euricianus 197: 177 277: 165 220 278: 159 286: 159,177,201 374 288: 162 289: 158,161,178 290: 161 292: 162 293f.: 162,177 295: 161

296: 297: 298: 299: 300: 321:

160, 177 160,161 195 ,177 162, 178 162 161, 162206 158

Codex Justinianus const. Haec pr.: 933 , 10045 , 10050 const. Summa 1 u. 3: 99 33 , 10045 , 100 50 1, I, 1: 101 59 1,2,14: 101 52 1, 2, 22, 1: 209 403 1,3,7 u. 10: 101 52 1,4u.1O: 101 51 I, 11-13: 102 60 1,14-17: 10260,287 90 1,14,2: 101 56 1, 14,4: 164215 1, 18: 10260 1,25, I: 101 51 2, 4, 40: 99 34 2,7, ll, 2: 24 16 2, 8, I: 10041 2,11,1: 143 110 2,11,4: 10791 2,11,14: 143 110 3, 33, 17: 10793 4 2 16' 99 34 4: 5: 10: 10792 4, 10, 12: 162204 4,38, 12 pr.: 161 198 4, 43, 1: 162204 4,44,2 u. 4: 162202 4,44,8 u. 15: 162202 4,49,7: 162 200 4,64,2: 162 20 \ 178 4, 64, 3f.: 162201,177261 5,4,6: 10476 5 4 12' 10042 5: 4: 25: 107 93

296 5,27,5-7: 180271 5,51,4: 143 109 5,52,7: 212427 5,71,14: 10477 6,23, 19,3: 12926 6,24, 14: 10793 6,25, 10: 10793 6,36,7: 151 158 6,37, 12: 10477 6,40,3: 10793 6,42, 16 u. 30: 10477 6, 62, 3: 99 34 7,1,4: 13136u.40 7, 16, 1: 162 204 7, 16,37: 162 204f. 7, 16,5: 162206 7,18,1: 162206 7,24: 175 7,32,3: 10477 7,39,3: 99 34 8,4, 7: 101 52 8, 16,6: 162204 8,37, 14: 170238 8,39: 10042 8, 53, 27: 99 34 8,55, 1: 126 14 8, 58, 2: 10042 9,9,23: 10042 9,47,20: 101 59 10,3,5: 1244 11,48, 7u. 12: 101 52 Codex Theodosianus const. de constitutionariis: 62 176,98 31 gesta senatus 1: 62 176 1, 1: 287 90 1, 1, 4a: 101 57 1,1,5: 10045,10050,151158,153, 171 241 190324 274 284 71 1, 1, 6~ 17124i,190324 1,2: 287 90 1, 2, 9: 228 543 1,2, IIf.: 143 109 1,3f.: 287 90 1,4,1: 10477 ,2706 1, 4, 2: 99 37, 137, 2706 1,4,3: 99 40 , 103 73 , 10477 , 10688, 140, 153,169,273 1, 6, 11: 207 394 1, 16, 13: 228 543

Quellen 1,27: 101 51 ,134 57 1,34,3: 155 172 2, 1, 12: 207 394 2,7, If.: 149 146 2,8, 19: 91 318 2, 9, 2: 198 356 2, 12,4: 140 2, 16,2: 211 425 2, 16,3: 151 158 2, 19,5: 150 157 3,1,1: 162202 3, 1,4u. 7: 162202 3, 3, 1: 207391 3, 5, 2: 208 397 3,5,11: 151 158 3,5, 13: 208 397 3, 8, 1: 115 3,8,2f.: 151 158 3,9, 1: 151 158 3,10,1: 12924 3,11,1: 155 3, 12, 1: 209,209 40 \ 218 463 3, 12,3: 12924,28263 3, 12,4: 282 63 3, 13,4: 12928 3,14,1: 175 3, 16: 165 3, 16,2: 151 158, 165 218 3, 17, 1: 218 463 3,17,2: 153166,218463 4,1,1: 12926 4,5, 1: 162203 4,6: 180271 4,6,4: 153,180 4,6,7: 151 158 ,153 4,8,6: 254 4,8,6,3: 194345 4,9,1: 131 36 4, 10, 1: 10 155 4,12: 175,195 350 4,14,1: 150 157 4,17,1: 144 114 5, 1,2: 153, 154 167 5,1,4: 12928 5, 1, 7: 153 5,9, 1: 193 337 5,10,1: 193 337 6,4,16: 131 36. 38 6, 15, 1: 45 98 8, 5, 59: 153 166

297

Quellen

8,12,1: 174250 8,15,2: 153 166 8,18,1,1: 12927 8, 18,8: 12927 9, 1, 13: 207 394 9,6: 256 9,7,1: 293 1 9,7,6: 153 166 9, 7, 8: 262 690 9,11,1: 153 166 9, 12, If.: 133 50 9, 19,4: 270 7 9,20, 1: 2708 9,25,2: 153 166 9,27: 183 286 9,27,1: 153 166 9,37,2: 153 166 9,38: 13462 9,39,2: 153 166 9,40, 13: 10259 9,43,1: 10477 ,2706 9,44,1: 101 51 10, 10, 10: 153 166 10, 10, 17: 153 166 10,17,1: 1244 10,26,2: 164215 11, 28, 2[.: 258 671 11, 36, 20: 205 387 11,39,2: 156 12,1,151: 153 166 12, 18,2: 258 671 13,3,3: 258 67 \ 259 13,4,2: 258 671 ,259 13, 10,3 u. 6: 258 671 13, 11,5: 258 671 14, 1,4: 45 96 14,3,4: 37 55 14,9,3 pr.: 22 8 14,9,3,1: 24 15 14, 18: 258 671 15, 1,7: 258 671 15,2,7: 153 166 15, 14,9: 258 671 16, 1,2: 10259 16, 1,3: 258 671 16, 2, 1 u. 3f.: 258 671 16,2,8-10: 258 671 16,2, 14 u. 16: 258 671 16,2, 19[. u. 26: 258 671 16,2,29-31 u. 34: 258 671

16,2,35: 153 166 16, 2, 38 u. 40f.: 258 671 16,2,46: 13675 16,2,47: 13674,255671 16,4,2: 258 671 16,5: 260 16,5,62: 13673 16,5,63: 13675 16,5,64: 13674 16,6,4: 258 671 16,7, 1: 258 671 16,7,3: 154, 174250 16, 8, 1: 258 671 16,8,5: 153 166 16, 8, 6. 258 671 16,8,7: 153 166 16, 8, 28: 258 671 16,9: 101 51 16,9,2[.: 258 671 16,9,4: 209 16,10,21: 258 671 16,11,1: 153 166 16, 11,3: 153166,209,258671 Collatio legum Mosaicarum et Rom. I, I: 99 40 1,3: 106 89 1,4: 9940 1,6: 10689 1, 7: 99 40 1,8-10: 10043 1, 11: 106 89 1, 12: 10686 1, 13: 99 40 2,2: 10684 2,4: 10792 2, 5f.: 10794 2,7: 9940

3,2: 99 40

3,3: 10689 3,4: 10043 4, 5: 10477 4, 12: 99 40 5,2: 9940 5,3: 73 242 6,2: 106 84

6,3: 99 40

6,4: 10043 6,5: 10048 6,6: 10043

298

Quellen

7,2: 99 40 7,3: 10792 7 4' 10689 7: 5; 99 40 8,3-6: 99 40 8,7: 10689 9,2: 10689 9,3: 99 40 10,2: 10686 10,2, I: 159 187 10 2 4f' 159 188 10: 3~6: . '10048 10,7: 99 40 10, 8: 98 43 10 9' 10476 11: 2~5: 9940 11,7f.: 10689 12,2-4: 9940 12 5' 10689 7: 10792 13,2: 9940 13,3: 10689 14 2' 9940 14: 3: 10689 15,2: 10689 15,3: 10043 16 2' 103 73 16: 99 40 16,4: 106 84

12:

3;

Collectio Flaviniacensis s. Fonnelsammlung von Flavigny Collectio Gaudenziana 1,6: 101 52 1,21-25 u. 28-30: 101 52 Concilia Matisconensia 19: 101 51 116: 101 51 11 8: 101 51 Consultatio 1: 138f.,143 1, 1 u. 5: 139 I 6f' 10042 273 20 1: 8: "100 42 ' I, 9f.: 10042 , 273 20 2: 138f., 143 2,1 u. 5: 139

2,6f.: 10042 ,273 20 3: 138f., 143 3,1: 139 3,4: 139, 141 3,5: 139 3,6: 99 38 3, 7-9: 99 38 ,273 20 3, 10: 139, 141 3, 11: 139 3, 12: 97 16,273 20

3,13: 9i 6

4: 138f. 4,2: 139, 141 4, 3f. u. 6-8: 99 38 4,9-11: 10046 ,273 20 5: 138, 139 5,2: 139f. 5,3: 139, 141 5,4f.: 99 38 5, 6: 10046 , 273 20 5, 7: 10046 , 139, 14093,273 20 6: 138,137 6,2: 138-41 6,5: 99 38 6,7-9: 99 38 6,10: 10046 ,273 20 6, 11: 10046 6, 12-19: 10046 ,273 20 6,20f.: 99 38 7: 138f., 143 7,1: 139 7,4f.: 99 38 7,6: 99 38 ,273 20 7,8: 139 7a: 138f, 143 7a,2f.: 9i 6 7a,4: 141 100 7a,5: 139, 141 8: 138f. 8, I: 139 8, 2: 9i 6, 273 20 8,3f.: 139 8,5: 9i 6 ,273 20 8, 7: 9i 6,273 20 9: 138ff., 143 9, I: 10046 , 269 20 9,2-7: 10046 9, 8: 10042 , 273 20 9, 9-11: 10042 9,12-17: 9i 6,273 20

Quellen 9,18f.: 10042

299

Decretio Chlotarii 3,4f.: 74252

47,10,45: 170238 48,10,7: 272 17 48,10, 15, 1: 86301 48, 16, 6 pr.: 209 403 49, 14,50: 13991 49, 18,9,4: 28 7 50, 13, 1,5: 21 4 50, 13, 1, 11: 13990 50, 13,4: 27 5 50, 15,4, 10: 86 301 50, 16, 10: 27zi 7 50, 17: 79 275

Decretum Venneriense 6: 195 346

Edictus Chilperici 8, 2: 195 346

Digesten lustinians const. Ornnem 1: 103 74 , 10476f',27216 const. Ornnem 4: 10477 const. Ornnem 5: 10476 const. Ornnem 7: 22 7, 23 10 ,71 230 const. Tanta 18: 164216 1,3: 28790 1,3, 11: 164216 1,4: 287 90 1,8,6,1: 86 301 1,22, 1: 275 2, 4, 10,4: 86 301 4,4,37: 73 240 5, 3, 52: 73 241 5,4, 10: 13991 10,4, 19: 28 7 13, 6, 5, 2: 159 188 13,6,5,3-7: 159 189 18,1,1 pr. § 1: 177261 19, 4, 1 pr.: 177261 21, 2, 56 pr.: 161 197 22,1,1,2: 13991 22, 5, 17: 10684 23,4, 12, 1-4: 169236 24, 1,57: 86 301 26,6,2,5: 10476 27, 1,6,6: 10689 27,1,6,12: 21 4 28, 4, 1, 1: 200 373 29,7,14,1: 13991 40,12, 7 pr., 1: 162206 40,13,1: 162206 44, 7, 25: 10684 47,2,93: 170238

Edictum Theoderici 2f.: 180 26: 186300 57: 180 119: 159 188 131: 180

Constitutiones Sinnondianae s. Sinnondianae Constitutiones Decretio Childeberti 11. 1,1:74 252 2, 1: 74 250f. 2,2: 74 251

Epitome Aegidii CG 13: 227"536 CH 1: 223 505 CTh 1, 2, 2: 225 517 CTh 1,2,4: 266711 CTh 1, 6, 1: 225 518 CTh 1, 8, 1: 225 522 CTh 1, 10, 1-3: 225 523 CTh 1, ll, 1: 225 517 CTh 1, 11,2: 225 519 CTh 2,1,8: 225 518,525 CTh 2, 4, 2: 225 525 CTh 2, 8, 2: 224 511 CTh 2, 29, 1: 223 506 CTh 2, 30, 1: 223 504 CTh 3, 14, 1: 226 534 CTh3, 18, 1: 223 504 CTh 3, 19,4: 226 526 CTh 4, 1, 1: 223 504 CTh 4, 20, 1: 223 504 CTh 5, 2, 1: 226 529 CTh 5, 4, 1: 223 504 CTh 5, 9, 2: 227 541 , 263 696 CTh 6,1,1: 223 504 CTh 8,1,1: 225 521 CTh 8, 2, 1: 225 525 CTh 8, 9, 4: 225 517

300 CTh 9, 1,9: 225 518 CTh 9, 2, 3: 224 512 CTh 9, 4: 224 509 CTh 9, 4, 3: 227 539 CTh 9, 7, 1: 227 540 CTh 9,14,1: 220 504 CTh9, 15,1: 226 529 CTh9, 16, 1: 223 504 CTh 10, 2, 1: 226 529 CTh 11,7,1: 223 506 CTh 11,8,1: 223 506 CTh 11, 11,3: 224 513 CTh 11, 14, 5: 226 533 CTh 11, 14,6: 223 507 CTh 12, 1, lf.: 226 529 CTh 12, 1,5: 225 518 ,226 529 CTh 12, 1,6-9: 226 529 CTh 12, 2, lf.: 226 529 CTh 13, 1, 1: 223504,226530 CTh 16, 1, 1: 223 507 CTh 16, 1,5: 226 529 CTh 16, 2, 1: 227 537 GE 2, 2 pr.: 227 535 NMail: 226 529 NT 3, 1: 226 527 NT 4: 226 529 NT 4, 2: 224 513 NT 8: 226 529 NY 4 2' 229 549 NY 5; 229 550 NY 10: 226 529 PS 1,7,2: 266 711 PS 1, 12, 1: 266711 PS 2 21 l' 224 514 PS 2' 27' 1: 224 515 PS 3: 8 ('9); 7: 223 508 PS 5, 1,4: 227 538 PS 5, 14, 1: 225 520 Epitome Guelferbitana CG 2: 203 383 CTh 2, 27 R: 203 382 CTh 2, 33, 3f.: 205 388 CTh 3, 3: 207 392 CTh 3, 11: 208 398 CTh 3, 13 R: 203 382 CTh 4, 6, 2: 204 386 CTh 5, 5,2: 206389 CTh 5, 12: 203 383 CTh 8, 4f.: 203 383

Quellen CTh 8, 7f.: 203 383 CTh 9, 1: 203 384 CTh 9, 25f.: 203 383 CTh 9, 27, 2: 204 386 CTh 11, 11,3: 205 CTh 16,4,2: 209 !T2, 1, 10: 209 401 NMarci 2: 203 383 NT 1: 203 383 ,204384 . NT 2: 203 383 NT 5: 204 384 NV 1: 203 383 PS 2, 7: 203 383 PS 2 12' 204 384 PS 2: 27: 2: 209 400 PS 2, 32: 203 384 PS 2, 32, 16f.: 205 PS 2, 32, 21: 209 402 PS 2, 32, 24: 209 402 PS 3, 2, 2: 204 386 PS 3, 9: 203 384 PS 3, 10, 2: 204 386 PS 4, 5: 204 384 PS 4, 7, 4: 204 386 PS 4, 10: 204386 PS 5, 2: 204 384 PS 5, 11: 204 384 Epitome Juliani 324: 233 575 Epitome Lugdunensis CThl-3: 188 CTh 3,17,1: 186299 CTh 3, 17,4: 187306 CTh3,18: 187306 CTh3, 19,4: 187 306 CTh 4: 188 CTh 4,3: 187306 CTh 4, 4, 2f.: 187 306 CTh 4,4,4: 188 310 CTh 4, 4,6: 185 297 , 187 306 CTh 4, 4, 7: 187306 , 188 310 CTh 4,6,2: 187306 CTh 4, 8, 1: 187306 CTh 4,8,2: 185 296, 187306 CTh 4, 18f.: 186 301 CTh 4, 20, 1-5: 186 301 CTh 5: 188 CTh 5,1,1: 187 306 ,188

Quellen CTh 5, 3,1: 186300 CTh 5, 5, 2: 185 296 CTh 6-8: 188 CTh 8, 5,1: 187306 CTh 8, 6, 1: 186302 CTh 8, 6, 3f.: 186302 CTh 8, 7: 187307 CTh 8, 8, 1: 187306 CTh 9: 188 CTh9, 1, 1: 185298 CTh 9, 1,3: 185 296 CTh 9,2,3: 185 297 CTh 9, 3, 2: 185 298 CTh 9, 4, 2: 185 298 CTh 9, 4, 6f.: 185 298 CTh 9, 5, 1: 185 296 CTh 9,6,1: 185 298 CTh 9, 10: 187307 CTh9, 11, 1: 185 298 CTh 9, 11,2: 185 297 CTh 9 14 l' 185 298 CTh 9: 15: 2; 185 298 CTh9, 18, 1: 185 298 CTh 9, 21 R: 185 295 CTh 10: 188 CTh 10, 2, 1: 188 310 CTh 10, 11: 185 296 CTh 11: 188 CTh 11, 1, 1: 189 318 CTh 11,2, 1: 188311 CTh 11, 6, 1: 185 298 CTh 11,7,1: 185 298 CTh 11,8,2: 185 297 CTh 11,9, 1: 185 298 CTh 11, 11, 1: 185 298 ,188 311 CTh 11, 11,2: 185 298 CTh11,12,1: 185 297 CTh 11, 14, 1: 185 298 CTh 12: 166223 , 188 CTh 12, 1: 187 CTh 12, 1, 1: 185 298 CTh 12,2: 186301 CTh 15: 188 CTh 16: 187f. CTh 16, 1, 1: 185 298 CTh 16,3, 1: 189320 NMar 2: 187306 ,203 383 NMar 3-5: 187 306 NSev 1: 187306 NT 3: 184306

301 Epitome monachi Prolog: 251 CG 4, 2: 250 644 CTh 2, 10, 1: 253 655 CTh 2, 25f.: 252 CTh 2, 31,1: 253 IG 4, 2: 250 644 IP 1, 17, 2: 250 644 IP 1, 19, 2: 250 644 IT 2: 250 644 IT 3, 19,3: 253 NT 2: 250 644,254 PS 1,8, lf.: 266 711 PS 1, 16: 252 PS 1, 17,2: 250 644 PS 1, 19,2: 250 644 PS 2, 4,3: 253 654 PS 2, 19, 1: 254661 PS 2, 32, 21: 253 653 PS 4, 9, 1: 254 657 PS 5, 24, 2: 254656 Epitome Parisina CTh 1: 265 CTh 1, 1, 1: 265 CTh 2: 265 CTh 2, 6,1: 260 CTh 2 8' 264 705 CTh 2' 8' 1-3' 264 705 CTh 2: 9; 264 705 CTh 2,15,1: 266 711 CTh 3f.: 265 CTh 3, 14: 257 CTh 4, 11: 264 CTh 4, 12: 264 705 CTh4,15,2: 261 688 CTh4, 18-21: 264 705 CTh 5-7: 265 CTh 8, 5,1: 257 CTh 9, 12: 264 CTh 11, 7: 258 671 CTh 12,3: 258 671 CTh 13, 2f.: 258 671 ,259 CTh 13,3: 258 671 CTh 13,4, 2f.: 258 671 CTh 13,5: 258 671 CTh 14: 255 662 CTh 14,2: 258 671 CTh 15, 1,2: 258 671 CTh 15,3: 258 671

302 CTh 16,1: 258 671 CTh 16, 3f.: 258 671 CTh 16,5: 265 CTh 16,5,1: 258 671 CTh 16,7: 265 CTh 16,7,1: 258 671 CTh 16,7,3: 258 671 CTh 16, 8f.: 258 671 CTh 16, 10,2: 258 671 CTh 16, 11: 258 671 GE 1: 255 662 NT 1: 266 NT4: 256 NT 6: 256 NT 8: 256 NT 11, 1: 257,259 NT 11,2: 256 NT 12: 256 PS 1, 7,2: 266 711 PS 5, 12,4: 255 662 Explanationes titulorum des Breviars GE 2, 6: 184288 PS 3,10: 184288 Formulae Andecavenses la: 191 331 , 195 348f., 201 375 , 226 528 Ib: 191 331 , 192 1c' 192 195 347f. 2f.·: 192, 194, 194343 4: 191331,192,195347 5: 192 6: 192, 194 7f.: 192, 195 347 9: 192 10a: 192 lOb: 191 331 ,192 11 a: 191 331 , 192 Ilb: 192 12f.: 191 331 ,192,194 14-16: 191 331 ,192 17: 192,194343 18: 192,193341,194343 19: 192, 194, 194343 20: 192, 249 636 21f.: 192,195 347 23: 192,249636 24: 191 331 ,192,194 25: 191331,192,194343,195347 26: 192, 194

Quellen 27: 192, 195 347 28: 191 331 ,192 29f.: 192 3lf.: 191 331 34: 192, 195 347 35f.: 192f. 37: 192f., 195,237 591 38: 192f., 193 341 , 194343 39: 192 40: 192, 195 347 41: 192,195 348 42: 192, 194 43: 192 44: 192, 194 45: 192 46-48: 191 331 , 192 49: 192f. 50a: 191 331 ,192,194 50b: 191 331 ,192 5lf.: 191 331 ,192 53: 191 331 54: 192, 195 347 55-57: 192 58: 192, 195 347 59: 192, 194343 , 195 60: 192f. Formulae Arvemenses Nr. 1: 248 Nr. Ib: 195 348f., 201 375 , 249 Nr. 2a: 249, 250 640 Nr. 2b: 195 348f., 201 375 , 249 Nr. 3: 249,250 640 Nr. 4: 250, 250 640 Nr. 5: 194, 194344 Nr. 6: 250 640 Formulae Augienses 13: 195 348 Formulae Bituricenses 1: 239f. 2: 236 590, 239f. 3: 195 349 ,237,240 4: 237,240 5: 240 6: 195 348f., 201 375 , 240 7: 195 349 ,201 375 ,240 8: 240 9: 249 636 , 249 638

Quellen 11: 248 634

13f.: 15a: 15e: 15d:

237 195 348 195 349 195 348

Formelsammlung von Clermont s. Formulae Arvemenses Formelsammlung von Cordoba s. Formulae Visigothieae Formulae Extravagantes 13f.: 294 2 15: 264704,28469,2942 I 6f. u. 9f.: 294 2 I 18: 294 2 125: 236 590 Formelsammlung von Flavigny Add. 3: 236 590 Formulae Mareulfi 1,13: 201 376 1,22: 201 376 2, 1: 201 2,2: 236 590 2, 2, 1: 230 556 2,3: 195 348 ,201 2,4: 201 2,5: 236 590 2,6: 201 2,7: 201,245 2,9: 201 2,10f.: 201,246 2, 12: 201 2, 13: 246 2, 15f.: 200,202 2,17: 202 2,22-24: 201 2,25: 193 338 • 340 2, 26: 193 340 2,28: 194 2,29: 196352 ,201 2,30: 246 2,32: 201,249 636 2,33: 249 636 2,36: 201 2,37: 195 348f., 201, 202, 229 555 2,38: 195 348f , 201, 229 555

303 2,39: 201 2, 41: 236 590 2,52: 201 Formulae Salieae Bignonianae 1: 249 636 11: 196352 21: 236 590 27: 194344 Formulae Salieae Lindenbrogianae 3: 236 590 20: 196352 Formulae Salieae Merkelianae 5: 236 590 7: 236 590 13f.: 249 636 22: 236 590 31: 196352 33f.: 236 590 36: 236 590 Formelsammlung von Sens 1: 249 636 3f.: 194344 6: 196352 15: 236 590 32: 236 590 39f.: 201 375 App. Ib: 195 348 App. le: 195 348 ,201 375 App. Id: 195 348 App.3: 249 638 Formulae Senonenses reeentiores 9: 249 636 Formulae Turonenses 1: 2426\9 2: 195 348f , 229 554 3: 195 348 \ 201 375 , 229 554 4: 242 7: 236590,242619 10: 194344 11: 242 12: 249 636 13: 193 340 14f.: 245 16: 240,247

304 17: 195 348 , 245 19: 245 20: 195 348 ,246 21f.: 246 23: 195348,229554,246 24: 244 25: 246 27: 242 620 28: 195 349 , 229 554 29: 243,247 30: 244 32: 247 33: 242 620 34: 241,247 626 35f.: 241,247626,249636 37: 241,247 626 38-42: 241 43: 194344 44f.: 241 Add.5: 201 375 App.l: 193 340 App. 4: 230 556 Formulae Visigothicae 1: 196f., 198 356 2-5: 196f., 199 6: 196, 198 356 , 196,237591 7: 196f., 198 356. 237 591 8-10: 196 11-13: 196f. 14: 196f., 198 357,360,362 15: 196f., 198 357 16: 196 17: 196, 198 360 18: 196, 198 357 , 199 363 19: 196f., 198357 20: 196, 198 356 , 199, 199364 21 f.: 196f., 198358 23: 196 24: 196, 198 356 25: 195 349,196,226528 26: 196 27: 196f., 199365 28f.: 196f. 31: 196 32: 194, 196f., 198359 33: 196,198 356 34: 196,198 35' 196f 199366 36[.: 196: 198356,236590

Quellen 38: 193 338 u. 340 196 39: 196 198 36 I' 199 366 40: 196: 199366' 41: 196,198 356 42f.: 196f. 44f.: 196, 198 356 46: 197 Fragmenta de iure fisci 14: 99 40 15: 99 40 19: 99 40 Fragmenta Gaudenziana 1: 180 7-13: 180 17: 180 20: 180 Fragmenta Vaticana 2-17: 10477 37: 124 59-64: 10793 64a-66: 10477 69: 10476 70-72: 10793 74-89: 10793 94-118: 10476 119: 106 89 120: 107 92 121f.: 10477 172: 9940 248: 124 250-62: 10477 263: 10477 , 125, 125 11 264-65: 10477 266: 107 92 269: 107 93 294: 10477 296: 10477 298-309: 10794 312f.: 126 314: 126, 126 16 315: 126,126 15 316: 126 317f.: 10792 319: 10794 320-24: 107 92 327-33: 10477 334b: 107 92

Quellen 335: 10792 336f.: 9740 341: 10792 Gai Epitome 1: 210409,257 1, 1 pr.: 13351,212430 1, 1, 1: 13035,212430 1, 1, 2f.: 212 430 1,1,4: 13035,212430 1, 2, 1: 13035 1,3, 1: 133 1,4 pr.: 130 1,4, If.: 131 39 1,4,6: 12925 1, 5: 128, 131 39 1,5,1: 246 1, 6, 3: 217 454 1, 6, 4: 131 37 2, 1 pr.: 133 51 2, 1: 232 570 2,1,4: 130 2,2 pr.: 131 39 2,3,3: 131 2,4: 12931 , 232 570 2,4,1: 129 2,5: 232 570 2, 5, 2: 13249 2,6: 128, 13249 2,7: 232 570 2, 7, 8: 13249 2,8: 127, 12928,232570 2, 8 pr.: 131 39 2,8,7: 129 2,9: 232 570 2,9,1: 132 2, 9, 2: 132, 13249 2,9,3: 129 2,9,4: 128 2,9,11: 132 2,9, 12: 127, 132 2,9, 13: 132 2,9, 15f.: 132 2,9, 18: 132 2, 10: 232 570 2, 10, 1: 13249 2, 11: 127 Gai Institutiones 1, 1 - 6: 287 90 20

Liebs

305 1, 7: 28789f. 1,17: 13035 1,35: 13035 1,44: 13035 1,53: 133 1,60-63: 12925 1,84: 175, 195 350 1,91: 175,195 350 1,97 -107: 131 1,134: 131 37 1, 155f.: 103 69 2,4: 133 2,55: 123 1 2, 70-78: 130 2, 104: 103 69 2, 109: 103 69 2,138: 131 2,167: 123 1 2, 174: 129 3,6: 219 466 3,7- 16: 103 69 3,110-114: 132 3,128 - 134: 132 3, 188: 103 69 3, 192: 103 69 3,209: 103 69 3,225: 103 69 4,15: 103 73 Glossen zum Breviar CTh 1, 11, 1 assessor: 216450 CTh 1, 11,2: 217453 CTh 2, 27, 1: 216451 CTh 4,8, llibertas: 215 445 GE 1,6,3 impubes: 213 438 ,217454 GE 6: 217 454 lT 1, 2, 1 principibus: 217 457 IT 1, 2, 2 pr. regum: 217457 IT 1,2,3: 211420,217457 IT 1, 2, 7 pulsati: 217456 IT 1, 11, 2: 217453 IT 2,1, 10: 212 IT242·211421 lT 2: 4: 4; 211 422 IT 2, 9 nam proprie: 211 419 IT 2 16 2· 211 425 lT2:27: 1; 216 451 IT 3,1,9 potentioribus: 216 449 IT 3, 3, 1: 210 415 IT 3, 13,4: 217 455

306 IT 4, 8, 1 libertas: 215 445 IT 5, I, 1: 212 428 NY 8 pr. rei publieae: 214 NY 8, 4 rei publieae: 214 PS 4, 8, 8f.: 210415 PS 5, 1,3: 211 PS 5, 2, 5: 211 424 PS 5, 15, 1 deferre: 216 452 PS 5, 33: 213 438 Lyoner Glossen zum Breviar CTh 3, 17, 1: 218 463 CTh 3,17,2: 218 463 CTh 4, 6, 1 uneiam: 220 477 CTh 4,8 R: 219466 CTh 4,10,1: 219468 CTh 4, 12, 1 haee: 219 472 CTh 4,12,1,5 sie eum: 219 472 CTh 4,18 R: 219 466 ,470 CTh 9, 1,9 suffragiis: 219 471 CTh 9,1, 11 pr. subieetam: 219 471 CTh 9, 1, 11, 1 eonsortium: 219 471 CTh 9, 2, 3: 220474 CTh 9, 4: 219 470 CTh 9, 4, 4: 220478 CTh 9, 4,5: 220 475 CTh 9, 4, 7: 220476 CTh 9, 5, I poenam: 220479 CTh 9, 7, I: 220478 CTh 9,11: 219469 CTh 9,11,2: 219 468 CTh 9, 12, 1: 220480 CTh 9,13,1: 219 469 CTh 9,15 R: 219 466 ,469 CTh9, 15,2, 1: 219 470 CTh 9, 24, 2: 220 473 Glossen zur Lex Visigothorum 2, 1,5: 264 703 2, 1,30: 264 703 2,5,3: 264 702 2,5,18: 264 702 Institutionen Justinians 1,3,4: 194345 I, 15 pr.: 54 142 1,17: 54 142 1,23,3: 54 142 1,26 pr.: 54 142 2, 1,29: 54 142

Quellen 2,1,41: 54 142 2, 6, 2: 54 142 2, 10,3: 272 17 2,13,5: 54 142 2,22 pr.: 54 142 3 1 I' 54 142 54 142 3, 1, 15: 54 142 3,2 pr.: 54 142 3, 2, 3a f.: 54 142 3,2,5: 54 142 3, 3 pr.: 54 142 3,4,2: 54 142 3,5, 1 u. 5: 54 142 3, 7 pr.: 54 142 3,7,3.: 54 142 3,9,2: 54 142 3,10 pr.: 54 142 3, 19, 12: 170238 4 4 7' 54 142 4: 4: 10: 170238 4,8,4: 54 142 4, 9 pr.: 54 142 4, 18,5: 54 142

3: 1: 9:

Interpretationes Gregoriani 1: 209 403 2,1: 148 143 5, 1: 148 138 6, 1: 148 142 6,3: 148 138 6,4f.: 148 138f. 9,1: 148 138 12, I: 148 138 Interpretationes novellarum Maioriani 11: 154 167 Interpretationes novellarum Theodosii 15,1: 142,293 22,1: 151 158 Interpretationes novellarum Valentin. 21,1: 154 167,155 170 35 Mitte: 151 158 Interpretationes Pauli sententiarum 1,7,4: 146 122 2, 18, 10: 197355 2,24,5: 245

Quellen 2,24,6: 5, 2, 3f.: 5,19,1: 5,34, 1:

246 74250 146 123 146 123

Interpretationes dispersae Pauli sent. I, 13A, 6: 147 134 1, 13B,4: 147 134 2, 1, 112: 147 134 3,4A, I: 14i 34 4,8,20: 147 134 5,4, 15: 147 134 5,23,18: 147 134 Interpretationes Theodosiani 1,2,9: 149 147 1 4 3' 10042 ,46 10475 151 158 273 18 1: 16,7: 155 171 ' , , 1, 16, 13: 149 147,150 1,22,2: 150 152 1,22,4: 149 1S1 1,29,6: 149 150, 155 1, 29, 7f.: 155 1,34,3: 155 2, 1,5: 154 169 2, 1,8: 154 169, 152 2, 1,9: 154 169 2, 1, 12: 155 2,4,1: 15i 62 2,4,5: 155 170 2,4,6: 142 162 2,6,1: 155 171 2, 7, If.: 149 147 2,8, 1: 150 1SS 2,8, 19: 150 155 , 155 169 2, 8, 26: 150 1SS 2,9,1: 246 2,9,3: 150 151 ,155, 155 171 2,10,4: 150 1SS 2,12,4: 246 2 16 2' 151 158 154 169 155 170 211 425 2:19:5;151 159 ' , , 2, 19,6: 150 151 2,21,2: 15i 62 2,24,1: 246 2,25: 252 2,30,2: 149 150 2,31,1: 149 150 2,33,4: 155 3, 1,5: 151 158

307 3, 5, 2: 198 360 3,5,5f.: 151 158 3,5,8: 245 3,8,1: 150 154 3,9,1: 151 158 3,10,1: 150 1Sl , 151 158 , 155 170 3,11,1: 154 169 ,155 3,12,1: 149147,150151 3, 13,2: 99 38, 10475 , 151160,28684 3,16,1: 246 3,16,2: 10475,151160,28684 3, 17,3: 155 3, 18, 1: 244 3, 19,3: 253 3, 19,4: 244 3,30,5: 149 151 3,30,6: 15i 62 4, 1: 129 27 4, 4, 1: 151 158 4,4, 7: 151 158f. 154 167 4,6,8: 15i 63 , '153 164 4, 8, 2: 195 345 4,8, 8: 149 148 4,9,2: 149 148 4, 1O,2f.: 149 148 4, 11, If.: 149 148 4, 12, 1-3: 149 148 4,12,5-7: 149 148 4, 14, 1: 151 158f. 4, 16, 2: 150 1S1 4,17,3 u. 5: 150 151 4,21,1: 149 155 4,22, I: 149 1SS 4,22,2: 149 155 , 15i 62 4, 22, 3f.: 150 155 4,23,1: 15i 62 5,1,1: 15i62,154167 5, 1,2: 154 167 246 5, 1,3: 15i 62 ' 5, 1,7: 15i 63 5,3,1: 152 162 5,7,2: 155 5,18,1: 150 151 , 151 158f. 6,5,1: 155 170 6,5,2: 152 162 , 155 170 7,1,1: 149 150,155 8,5,59: 149 147,150 8,12,1: 150 151 8, 13,2: 149 150 , 15i 62 8,13,4: 151 158

308

Quellen

8, 18, 1f.: 151 158 f. 8, 18,9: 151 158f. 9, 1, 15: 155 9,3, 7: 155 9 10 l' 152 162 9: 39: Ir. : 150 151 9,39,3: 150 151 , 152 162 9,40, 10: 155 171 9,41,1: 155 171 10,4,1: 150 151 10,15,1: 154 169 11,6,1: 154 169 ,155 171 11,16,11: 155 171 11,35, 1: 150 154 11,39,2: 156 11,39,7: 150 154 11, 39, 9f.: 150 154 12,1,20: 155 171 12, 1,47: 150 15 \ 155 12, 1, 124: 150 154 12,1,170: 150 154 12,6,20: 150 154 15,2, 7: 149 150 15, 14, 14: 155 16,2,2: 149 150 16,2,39: 149 150 16, 7, 3: 15i 63 16,11,1: 149 150 Lex Baiuvariorum

Prolog: 76 257 , 189322 1, 10: 195 346 7,4: 74 245 7,5: 195 346 16, 10: : 160 193

Lex Burgundionum

pr. const. 4: 164214 f. pr. const. 5: 40 73 pr. const. 8: 116 134,176 257 pr. const. 10: 164216 pr. const. 12: 164214 pr. const. 14: 40 73 If.: 164 2 l' 74 252 2' l' 3' 74252 2: 3~ 252 2, 5, 1: 74252 3f.: 164 4,3: 164214

74

5: 164 5, 1-5: 164214 6-8: 164 8,2: 165 9f.: 164 10,1 : 164214 Ilf.: 164 12,1 : 164,164214 12,3: 195 346 12,4: 164 12,5: 98 25 12,24: 98 25 13-15: 164 15, 1: 164214 16f.: 164 17, 1: 165 220 17,4: 164214 18f.: 164 19,1: 164214 19,3: 180 19,5-9: 179 19,11: 164214 20f.: 164 22: 164214 23, 1 u. 3: 164214 25, 1: 164214 28,3 : 164214 32 1-3' 1642 14 33: 1 u.· 3: 164214 34: 165 34,2: 164214 , 165 34, 3f.: 165 36f. : 164214 38, 1-3: 164214 38,6f.: 164214 38, 10. 164214 40,1: 101 55 42: 164212 43 : 235 584 43, 1: 74 252 45 : 164212 ,214 49, 1: 40 73 50,4: 164214 52: 164212 52,3f. : 164 52,61 : 164 55,3 : 164 214 70,2: 164214 , 165 70, 3f.: 164214 71,2: 164214

309

Quellen

75, 1 u. 4: 74252 76: 164212 76,1: 40 73 ,164 214 76,2f.: 164214 78: 164 78, 1: 74252 79: 164212 79,4: 40 73 79,5: 74 252, 165 220 80, 2f.: 164214 81,2: 164214 83: 177 259, 178 84, 1: 165 217 90, 1f.: 164214 92, 1 u. 3: 164214 93: 164 214 94,1: 164214 97f.: 164214 99: 164, 178 99,1: 74 252 100: 164 101, 1f.: 164214 102,2: 164214 103, 1 u. 5: 164214 105: 164 214 extrav. 19, 1: 40 73 ,74 252 extrav. 19,2: 74 252 extrav.20: 164212 extrav. 21, 10: 164214 extrav. 21,11: 40 73 ,164 214 extrav. 21, 14: 40 73 Leges Liutprandi 121,4: 195 346 152: 195 346 Lex Romana rur Burgund 2,5 u. 7: 135 70 3, 1: 258 670 3,2: 10042 4,3: 99 38 5, 1: 103 69 5,2: 99 38 7,3: 266 712 8,5: 103 69 9, If.: 74 251 9,4: 74251 10,1: 103 69 10,3: 235 584 10,6-9: 103 69

12,1: 103 69 13, 1-4: 99 38 14, 1-3 u. 6: 10046 14, 7: 10042 14,8: 178 15: 99 38 19,2: 99 38 20: 99 38 22,3 u. 9: 141 100 23, 2: 10042 • 46 25: 174250 28,3: 99 38 30,2: 135 70 31,1: 74 251 ,176 31,2: 235 584 34: 177 259 35, 1f.: 177 35,3: 99 38, 178 35,4: 178 35, 5: 162 201 , 177f. 35,6: 99 38 ,177 36, 1f.: 103 69 37,5: 179,257 37,6: 179 38,2: 10042 38,3: 10042 • 46 39,2: 99 38 44,4: 10042 45, 2: 235 584 45, 3f.: 103 69 45,5: 235 584 45, 7: 235 584 Lex Romana Curiensis 1,1,1: 233 1, 1,3: 234579 1,2,2: 233 1,4: 232 569 ,233 575 ,234 2, 1, 8: 231 565 2, 28: 233 572 3,3: 207 392 3,14: 231 3, 18: 232 5, 1, 1 u. 6: 234 578 8, 5, 1: 232 584 11,13: 233 575 17, 9: 235 584 18,3f.: 235 584 18,5: 232 22, 11: 235 584

310 23, 8: 227 539 24, 1: 233 575 24,9,2: 234 578 24, 18, 2: 234 578 24,21,1: 234 578f 26, 10,2: 232 566 Lex Romana Visigothorum commonitorium.: 61ff., 170ff., 285 76 CG 3: 219 466 CG4,2: 181 277 CG5,1: 181 277 CG 6, 3: 219 466 CG 7, 1: 251 646 CG 10, 1: 181 277 CG 11: 219 466 CG 12,2: 181 277 CTh 1: 210409 CTh 1,2, 1: 266 711 CTh 1,2,6: 252 647 CTh 1,2,7: 228 543 CTh 1,5, 1: 265 708 CTh 1,6,5: 228 543 CTh 1, 10,2: 225 524 CTh 1, 11, 1: 225 517 CTh 2: 210409 CTh 2, 1, 1: 265 707 CTh 2 1 12· 207 394 226 531 232 567 253 653 ' . , , , CTh 2, 3, 1: 256, 265 CTh 2, 4, 5f.: 263 CTh 2, 6, 1: 259 677 , 260 CTh 2, 6, 2f.: 263 697 CTh 2, 8,2: 91 318 CTh2, 10, 1: 265 708 CTh2, 10,2: 261 CTh 2, 15, 1: 259 675 CTh 2, 17: 260 CTh 2, 25: 252 CTh 2, 26: 252 CTh 2, 26, 1: 265 708 CTh 2,29,2: 261 CTh 2, 30, 1: 226 528 CTh 2, 31,1: 253 CTh 2, 33: 203 384 CTh 2, 33, 4: 232 567 CTh 3, 5-15: 239 604 CTh 3, 5, 5-7: 218 463 CTh 3, 5, 8: 208 397 CTh 3, 6: 208 398

Quellen CTh 3, 7, 2: 175 254 CTh 3, 8,1: 221 CTh 3, 9,1: 266 CTh 3 10· 264 698f. CTh 3: 12; 239 604 CTh 3, 12, If.: 209405 CTh 3, 13,3: 264 698 CTh 3, 14: 257,260,287 92 CTh 3, 16,2: 264 699 CTh 3,17,2: 260681 CTh3, 17,3: 232 567 CTh 3, 19: 261 682 CTh 4, 4,1: 261 683 CTh 4, 4, 2f.: 184306,261683 CTh 4, 4,5: 261 683 CTh 4, 4, 7 pr.: 174250 CTh 4, 4, 7: 188 310 CTh 4, 4, 7 pr. u. 2: 174250 CTh 4,7: 261 684 CTh 4, 7, 1: 239 600 CTh 4,8,2: 185 296,254 CTh 4,8,3: 188 CTh4, 10, 1: 219 468 CTh 4, 11: 264 698 CTh4, 12: 261 685 CTh 4, 15, 1: 265 CTh 4,16,2: 261 688 CTh4, 16,3: 174249 CTh 4,18,2: 188 312 CTh 4, 20, 6: 263 CTh 5, 5: 183 286 CTh5, 7,1: 193 337 CTh 5, 8,1: 193 337 CTh 5,9,1,1: 263 695 CTh 6,1,1: 265 CTh 8,1,1: 265 CTh 8, 2: 264 CTh 8, 2, 1: 226 528 CTh 8, 7 R: 186 CTh 8, 7,1: 186 301 CTh 8, 9,4: 225517 CTh9, 1, 1: 265 CTh 9, 1,2: 252 647 CTh 9,1,10: 261 687 CTh 9, 4, 1: 220478 CTh 9, 4, 4: 175 254, 252 647 CTh 9, 4, 7: 252647,262690 CTh 9, 6, 1: 220478 CTh 9, 10 R: 186 CTh 9,10,1: 186 301

Quellen

CTh9,11: 219469 CTh 9, 11,2: 219468 CTh 9, 12: 264 698 CTh 9, 14: 183286 CTh 9,19,1: 200 372 ,220479 ,247 CTh 9, 19,2: 247 CTh 9, 20, 2: 220 479 CTh 9, 24, 1: 226 532 CTh 9, 26: 261 686 CTh 9, 26, 1: 226 532 CTh 9 27 l' 153 166 CTh 9: 27: 3; 186301 CTh 9, 27, 3: 204 386 CTh 10, 2, 1: 262 691 CTh 10,5: 203 384 CTh 10,9,1: 262 CTh 11, 1, 1: 265 CTh 11, 11, 1: 185 298 CTh 11, 11,3: 205 387 ,252647,253,262 CTh 11, 14: 261 CTh 12, 1, 1: 265 CTh 12, 1,2: 186301 CTh 12, 1,4: 223508,225525,226528 CTh 12, 1,8: 240 606 CTh 12,2: 186301 CTh 12,2,1: 186301 CTh 12,2,2: 186301 CTh 13, 1, 1: 265 CTh 14: 257,257 668 CTh 15, 1, If.: 266 CTh 15,2, 1: 266 CTh 15,3,1: 266 CTh 16: 210 409 CTh 16 1 4' 186301.304 259 673 262 692 CThI6'2'1: 174250 ' , CTh 16: 3: 1; 186301 , 187 305 ,266 CTh 16,3,2: 187 305 , 189 319 CTh 16,4,1: 266 GE 1, 1-4: 239 601 ,250 639 GE 1,7: 263 693 INT 11, 1: 228 INV 4, 1: 192 333f INVll:181 INV 12: 180 IP 1, 17,2: 235 583 IP 2, 18, 10: 197 355 IP 2, 20, 2: 243 IP 2, 24, 6: 242 IP 5, 5, 6: 180 IP 5, 12,4: 257

311 IP 5, 28, 2, 1: 285 78 IP 5, 39,1: 243 IT 1, 1, 1: 233 IT 1, 1,3: 234 579 IT 1,2,4: 266 7II IT 1,4, 1,3: 273 18 IT 2, 1, 10: 209 401 , 231 IT2,9: 211 IT 3, 3,1: 210415 IT 3, 5, 2: 245 IT 3, 7, 3: 198 362 IT 3, 12, 2f.: 282 63 IT 3, 13,2: 285 78 IT 3,14,1: 231 IT 3, 16,2: 285 78 IT 3,18,1: 231 IT 4,6,1: 180 IT 4,8,3: 175 252 ,195 350 IT 4,16,1: 244 IT 4, 18,2: 242 IT 5,8, 1: 242 IT 5,10,1: 180 IT 8, 5,1: 245 IT 9, 1,4 u. 6: 284 69 IT 9, 1, 8: 247 IT 9, 6,1: 182 IT9, 11,2: 244 IT 11, 14,2: 198 361 NMai 2: 174250 NMarc 5: 186300 NT 11: 220477 NTl1,1:256 NT 11,2: 223 508 NY 2: 154 NY 5: 232 NY 9: 257 NY 9, 6: 175 252 NY 11: 207,207 393 PS 1 1 l' 174250 PS 1: 7: 1; 285 78 PS 1,6,1: 219 467 PS 1,7,7-9: 227 539 PS 1, 8, 2: 250 642 PS 1, 13 R: 184 PS 2,1: 263 PS 2, 4, 3: 253 653f PS 2, 7: 203 383 ,208 399 PS 2 19 l' 194345 198 359 206 254 661 " PS 2: 23: 2; 170237 ' PS 2, 24, 1-5: 234 579

312 PS 2, 25, 7: 252 647 PS 2, 26, 2-4: 223 508 PS 2 27 l' 174250 PS 2: 27: 2: 223508,225516 PS 2, 32, 21: 253 653 PS 3,11: 128,13249 PS 4, 6, 1: 200 373 PS 4, 8, 3: 143 PS 4, 8, 8f.: 210415 , 212 430 PS 4, 8, 12: 212430 PS 4,8, 14: 212430,232566 PS 4, 9,1: 254 PS 4,9,4: 212 430 PS 5, 1: 219 467 PS 5,1,1: 206 PS 5,1,3: 211 PS 5,4, 15: 209 405 ,285 78 PS 5, 7, 13: 252 647 PS 5, 8, 1: 285 78 , 286 85 PS 5,11 R: 184 PS 5, 26: 264 PS 5, 26, 1: 220480 PS 5, 28, 3: 285 78 PS 5, 37,1: 219467 Lex Salica 12, 1: 182 26: 201 376 35,8: 182 40,3-7: 183 46: 201 376 98: 182 Lex Visigothorum 1, 1f.: 287 90 2 1 5' 264 703 2: 1: 10: 163 208,176255 2,1,17: 155 2,1,19: 180 2,1,21: 180 2, 1,25: 199366 2, 1,27: 155 2, 1,30: 264 703 2,3,4: 199366,264701 2,5,3: 264 702 2, 5, 8: 193 338 2,5, 18: 264 702 3, 1, 1: 175 254 287 92 3, 1,3: 160 194' 3, 1,5: 199364

Quellen 3,2,2: 182 3, 2, 3: 175 252 3, 2, 4: 175 252 196352 5, 4, 1: 199365 ' 5,4,3: 160 5,4,4: 160 193 5,4, 10-12: 180 5,6,1: 180 5, 6, 5: 195 346 6,2,2: 264 701 6,2,5: 199366 6,4, 2: 195 346 8, 1,5: 199366 9, 2, 9: 195 346 10, 1,6f.: 130 Notitia Italica Caroli Magni 1-4: 194344 Novellae Anthemii 1: 13671 ,182 3: 99 33 Novellae Maioriani 2: 13671 6: 144113 Novellae Theodosii 1: 171 1,3: 135 64 2: 99 33 , 135 70 8, 1: 140 12: 151 158 14: 144 113 16,4f.: 151 158 Novellae Valentiniani 1,3: 153 166 2,1: 145 121 2,2, 1: 23 13 2,3f.: 145121 10: 136 71 14: 135 70 , 144113 17: 135 70 18: 135 70, 153 166 , 154 19: 135 70 21 I' 135 70 21: 1: 5: 12926 21 2' 13671 23~ i35 70 , 13371,153166

313

Quellen

25: 135 70 26: 98 31 27: 45 99 27,4 u. 6: 151 158 31: 13671 , 179 31,1f.: 151 158 33: 207 32 pr.: 98 31 32, 4: 162201 35: 144 113 35 pr.: 98 31 35, 10f.: 151 158 35, 13: 151 158 35,19: 151 158 Pactus

le~is

1,2: 74 245

Salicae

Papyri Antin.

22: 10792

Papyri Grenf. II 107: 10794 Papyri Oxy.

1813: 99 36 1814: 10260 2103: 103 74 Papyri Ryl.

474: 10792

Papyri Pubbl. Societa Italiana (PSI)

1182: 99 41 ,103 74 1348: 10793 1449: 10792

Pauli sententiae

1,1,1: 9939 1, 1,2: 174250 1, 1,3 u. 5: 99 39 1,6a: 99 38 1, 6b, 1a: 209 403 1,7,4: 99 39 1,12,2: 147 134 1, 12, 6: 99 39 1, 13a, 6: 147 134 1, 13b, 3: 99 39 1, 13b,4: 147 134 1,21: 99 38

2,1, lf.: 147 134 2, 12, 2f.: 286 87 2, 14, 1: 169236 2, 17: 9938 2, 17, 16: 13249 2 21a' 99 38 14i 34 175 175 252 " , , 195 350 ' 2,21b: 152 2,22,2: 169236 2,25,4: 131 36 2, 26, 1-6: 99 38 2 26 7' 174250 2: 26: 10-16: 99 38 2 31' 99 38 2: 31: 3f.: 13249 3,4a, 1: 147 134 3, 4a, 6: 99 39 3, 6, 5f.: 13249 3,8: 13249 4, 1, 8: 132 49 4,5,3: 164215 4, 6, 2a: 99 39 4,8,20: 143 110, 147 134 4, 10,4: 143 110 5,1,1: 162204 f. 5 2 3' 74 250 5: 4: 15: 99 39 , 147 134 5,4,21: 99 39 5, 12,9: 169236 5, 12, 9a: 164215 5,20,1-5: 99 38 5,23, 18: 147 134 5, 33, 8: 99 38f. Scholien zu den Fragmenta Vaticana

5' 10475 124 10 75 , 124 10 108: 112: 1249 , 125 113: 1249 121: 1249,125 249: 125 249,6: 125f., 125 12 264a: 1248f., 125 266a: 98 42 , 124 10 269: 125 270: 124 10 271: 125 272: 98 42 , 124 10, 125 273: 125, 132 70 280-82: 125

104

Quellen

314 285: 98 42 124 10 286: 98 42' 124 10 288: 98 4 124 10, 132 70 294: 1249 295f.: 125 297: 126 312f.: 126 314: 126 16 315f.: 126